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Full text of "Rechtsgeschichte des gesindes in West- und Süddeutschland"

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1912. 


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!Kartrut0. 

1912. 


Vorwort. 

Im  Bergrecht  und  im  Gesinderecht  hatte  die  frühere 
Zeit  die  wichtigsten  Beispiele  für  den  als  Massenerschei- 
nung auftretenden  Arbeitsvertrag  mit  sozial  tiefer  Stehlen- 
den. Bei  anderen  derartigen  Verträgen  handelte  es  sich 
um  weniger  häufig  vorkommende  Arbeitsgelegenheiten 
oder  um  individuelle  Bedarfsfälle,  bei  denen  es  ausge- 
schlossen war,  sich  an  andere  Verträge  als  Muster  für  den 
neu  abzuschließenden  anzulehnen.  Die  Häufigkeit  und 
Regelmäßigkeit  der  Vereinbarungen  über  Bergwerks-  und 
Gesindearbeit  führten  früh  dazu,  daß  gesetzliche  Vor- 
schriften über  den  Abschluß  und  die  Wirkungen  dieser 
Verträge  erlassen  wurden. 

Das  Recht  des  (freien)  Gesindes  wurde  von  den  ver- 
schiedenen Zeiten  verschieden  behandelt.  Von  der  rein 
privat-  imd  strafrechtlichen  Regelung,  wie  sie  die  Rechts- 
bücher und  die  Stadtrechte  enthalten,  ging  man,  vor- 
nehmlich seit  dem  16.  Jhdt.,  immer  mehr  zur  verwaltungs- 
rechtlichen, polizeilichen  Regelimg  über.  Nun  machten 
die  Polizeigesetzgeber,  die  ja  selber  dem  Stande  der 
Dienstherrschaften  angehörten,  vom  einseitigsten  Arbeit- 
geberstandpimkte  aus  die  Gesetze.  Dies  blieb  in  geringen 
Abwandelungen  Praxis  bis  zum  19.  Jhdt. 

Es  fehlt  bisher  an  einer  abschließenden,  sämtliche 
Perioden  der  Gesinderechtsgeschichte  umfassenden  Dar- 
stellung. Kollmanns  Studien  sind  im  Vergleiche  mit 
der  Fülle  des  jetzt  vorhandenen  Materials  etwas  kärglich 


397 


—  II  — 

und  jetzt  auch  schon  veraltet.    Hertz  schilderte  ledig- 
lich die  Zeit  der  Rechtsbücher  mit  ihrer  rein  privat-  und 
strafrechtlichen  Satzung.  Und  das  polizeiliche  Zeitalter  hat 
immer  nur  Untersuchungen  für  einzelne  Länder  Deutsch- 
lands erfahren,  ohne  daß  die  notwendigen  Gemeinsam- 
keiten der  gesamtdeutschen  Entwicklung  betont  werden; 
zudem  behandelten  die  meisten  der  Schriftsteller,  die  sich 
hiermit  abgaben  —  vornehmlich  Wuttke,  Lennhoff, 
Steffen,    Frauenstädt,    Knoth'e,    femer    Hede- 
mann sind  zu  nennen  —  mit  besonderer  Vorliebe  und 
Ausführlichkeit  nur  das  eine  Kapitel  des  Gesinderechtes, 
den  Zwangsdienst,  imd  diesen  auch  nur  für  Ostdeutsch- 
land.    Nur    wenige  Werke    beschäftigen    sich  mit  dem 
süddeutschen   Recht,    nämlich   die   von   Kamann   und 
Platz  er;  auch  Doms  verjährtes  Werk  von  1794  ver- 
leugnet seine  fränkische  Provenienz  nicht. 

Die  meisten  der  angeführten  Schriften  lassen  eine 
juristische  Behandlung  vermissen.  Die  Verfasser  sind 
Historiker  oder  Nationalökonomen,  deren  Amt  es  so  frei- 
lich nicht  war,  auf  die  Wandlungen  des  Gesinde  rechts, 
auf  die  vielen  vertragsrechtlichen  Feinheiten,  die  aufkamen 
und  dahinschwanden,  hinzuweisen ;  gewöhnlich  nur  neben- 
her kann  man  den  hauptsächlichen  jener  genannten  Werke 
juristische  Tatsachen  entnehmen,  die  bisweilen  auch  noch 
mißverstanden  wiedergegeben  sind. 

Besonders  fühlbar  war  der  Mangel  eines  historischen 
und  juristischen  Werkes  über  den  Westen.  Vornehmlich 
in  der  Zeit  der  Polizeiordnungen  bildete  sich  der  tief- 
greifende Unterschied  zwischen  östlichem  imd  westlichem 
Recht  aus.  Der  Dienstherr  des  Ostens  braucht  für  seine 
großen  Güter  den  Zwangsdienst  und  das  Züchtigungsrecht. 
Für  den  Westen  sind  diese  Erscheinungen  in  östlicher 
Strenge  Ausnahmen.  Kein  Rechtsgebilde  läßt  so  deutlich 
wie  jene  beiden.  Zwang  und  Züchtigung,  die  tiefen  Gegen- 
sätze von  Ost  und  West  erkennen. 


-  III  - 

Um  eine  endgültige,  abschließende  Schilderung  zu 
geben,  wurde  im  vorliegenden  Werke  alles  für  West- 
und  Süddeutschland  erreichbare  gedruckte  und  unge- 
druckte Material  herangezogen;  nur  wurde  größtenteils 
von  dem  schweizerischen  und  österreichischen  sowie  über- 
haupt von  dem,  einer  besonderen  Behandlung  vorbehalte- 
nen. Rechte  Elsaß-Lothringens  Abstand  genommen. 

Ihrem   Zwecke  entsprechend  bringt  die  vorliegende 
Arbeit  zunächst  einen  historischen,  die  Quellengeschichte 
enthaltenden  ersten  Teil,  dessen  Inhalt  dann  im  zweiten 
umfassenderen  Teile  seine  juristische  Verarbeitung  findet. 
Da  die  Quellengeschichte  der  einzelnen  Länder  notwen- 
diger Weise  eine  stets  wiederkehrende  Ähnlichkeit  haben 
mußte,  wurde  ferner  davon  abgesehen,  im  ersten,  histo- 
rischen Teile  für  jedes  Territorium  eine  genaue  Darstel- 
lung der  Gesinderechtsentwicklung  zu  geben.   Es  genügt 
vollauf,  wenn  nur  an  einem  Lande  die  feineren,  inneren 
Zusammenhänge  aufgezeigt  werden;  für  die  übrigen  Ge- 
biete reicht  eine  mehr  kursorische  Darstellung  aus,  wie 
sie  in   §  11    des  ersten  Teiles    (S,    190  ff.)   gegeben  ist. 
Aus  dem    Verfasser  naheliegenden   Gründen  wu^de   als 
Beispiel  die  kurhessische  Rechtsentwicklung  gewählt, 
für  welche  die  archivalischen  Quellen  besonders  reichlich 
flössen.  Aus  diesem  Grunde  bildet  auch  im  zweiten,  juri- 
stischen Teile  dieses  Werkes  Hessen  bisweilen  den  Aus- 
gangspunkt für  die  Darstellung  der  übrigen  Rechte.  Und 
es  konnte   weiter  für  manche  Rechtsmaterien,   die   nur 
nebensächliche  Bedeutung  für  das  Gesindewesen  haben, 
auf  das  ausführlich  geschilderte  hessische  Recht  verwiesen 
werden,  während  eine  Darstellung  der  gesamten  gleich- 
artigen Rechtsentwicklung  in  Deutschland  für  solche  Ne- 
benpunkte imterbleiben  durfte. 

Zur  Wahnmg  des  Zusammenhanges  mit  dem  östlichen 
Rechte  wurde  in  den  hauptsächlichsten  Kapiteln  des 
zweiten  Teiles,   gewöhnlich  anhangsweise,   auf  die    entr 


-    IV    - 

sprechende  Rechtsgeschichte  der  ostdeutschen  Länder  ver- 
wiesen, soweit  die  oben  angeführten  Darstellungen  dieser 
Rechte  Aufschluß  über  die  behandelten  Rechtserschei- 
nungen geben;  wo  jene  Werke  versagten,  mußte  manch- 
mal auf  deren  Quellen  erst  wieder  zurückgegangen  werden, 
soweit  es  sich  um  besonders  wichtige  Rechtsmaterien 
handelte. 

So  gibt  das  vorliegende  Buch  einen  Bericht  über 
das  Gesinderecht  nicht  nur  des  Westens  und  Südens,  wie 
der  Titel  sagt,  sondern  schließlich  des  ganzen  Deutsch- 
lands, ja  an  manchen  Stellen  darüber  hinaus  auch  des  be- 
nachbarten Auslands. 

Da  aber  eine  gründliche  Erkenntnis  des  rechtlich 
Gewordenen  ohne  ökonomische  Grundlage  nicht  mög- 
lich ist,  so  mußte  an  vielen  Stellen  des  Werkes  ausführ- 
lich auf  die  tatsächlichen,  wirtschaftlichen  Voraussetzun- 
gen der  Rechtssätze  eingegangen  werden.  In  manchen 
Kapiteln,  z.  B.  in  dem  Bericht  über  das  Taxwesen  (S. 
609  ff.)  überwiegt  fast  die  nationalökonomische  Darstel- 
lung. Doch  wurde  stets  daran  festgehalten,  daß  es  sich 
hier  in  erster  Linie  um  ein  rechtsgeschichtliches  Werk 
handeln  soll. 

Die  zeitlichen  Grenzen  wurden  so  festgesetzt,  daß 
von  den  Rechtsbüchern  an  alles  Material  verarbeitet 
wurde.  Den  Abschluß  bildet  im  allgemeinen  die  franzö- 
sische Zeit  zu  Beginn  des  19.  Jhdts.  Für  Hessen  wurde 
darüber  hinausgegangen  und  auch  noch  die  Geschichte 
bis  1866  dargestellt.  Der  Anschluß  an  Kählers  Gegen- 
wartsschilderung ist  so  im  großen  und  ganzen  erreicht ;  die 
heute  geltenden  Gesindegesetze  sind  ja  zum  Teil  immer 
noch  über  ein  Jahrhundert  alt. 

Könnte  dies  Buch  dazu  helfen,  daß  endlich  mit  man- 
chen abgestandenen  Resten  der  vor  hundert  Jahren  ge- 
bräuchlichen Gesindepolitik  aufgeräumt  wird,  dann  wäre 
das  wohl  der  schönste  Erfolg.   Wenn  aber  eine  Neuge- 


-    V    — 

staltungr  des  Gesinderechts  von  Reichs  wegen  auch  noch 
weiterhin  unterbleiben  sollte,  dann  mag  wenigstens  Nova- 
lis' tiefes    Dichterwort  gelten:    Alles  ist  Samenkorn k 

Den  Vielen,  die  durch  guten  Rat  und  helfende  Tat 
mir  bei  der  Bearbeitung  dieses  Buches  beigestanden  ha- 
ben, vornehmlich  den  Beamten  der  zahlreichen  von  mir 
benutzten  Archive  und  Bibliotheken,  danke  ich  herzlich 
für  ihre  fürsorgende  Bereitwilligkeit.  Es  ist  unmöglich, 
all  die  freundlichen  Helfer  hier  bei  Namen  zu  nennen. 
Nur  Herrn  Professor  Heymann  in  Marburg  will  ich 
an  dieser  Stelle  nochmals  ausdrücklich  meinen  Dank  sagen 
für  seine  Anregung  und  sein  getreues  Walten  über  meinen 
Studien. 

Marburg,  22.  März  1912. 

Otto  KSnnecke. 


INHALT. 


Erster  Teil: 

C^uellengr^^oliiolite. 


A.  Hessen. 

L    Das  hessische  Stammland 

Seite 

§  1.    Die  Zeit  der  Rechtsbücher  und  Stadtrechte  3 

Vorzeit  3.  Sachsenspiegel  4.  Schwabenspiegel  11. 
Kleines  Kaiserrecht  14.  —  Stadtrechte:  Esch- 
wege  18.  Cassel  19.  Marburg  19.  Amöneburg  20. 
Frankenberg  20.  —  Weistüraer:  Kaltensundheim  22. 
Herrenbreitungen  24.  —  Burgfriede  von  Boineburg  27. 

§  2.    Die  Zeit  der  Polizeiordnungen  27 

Einfluß  des  römischen  Rechtes  27.  Die  wirtschaftlichen 
Grundlagen  (Unterschied  zwischen  Ost-  und  Westdeutsch- 
land) 28.  Ansichten  der  Literatur,  vornehmlich  des  Re- 
formationszeitalters 31.  Unterschied  zwischen  der  Rechts- 
bildung des  Mittelalters  (privat-  und  strafrechtlich)  und 
derjenigen  der  Polizeizeit  (verwaltungsrechtlich)   33. 

Gesetzgebung  des  Reiches  34:  Landfrieden  1281 
34.  Reichstag  zu  Worms  1495  34.  Lindau  1496/7  34. 
Freiburg  1498  34.  Augsburg  1600  35.  Trier  und  Köln 
1512  35.  Augsburg  (Reichspolizeiordnung)  1530  35. 
Speier  1542,  1544  37.  Worms  1545  37.  Augsburg  (Reichs- 
polizeiordnung) 1548  38.  Augsburg  1551  38.  Frank- 
furt (Reichspolizeiordnung)  1577  39. 

Gesetzgebung  in  Hessen  39 :  Gerichtsordnung 
1497  39.  Reformationsordnung  Wilhelms  IL  39.  Re- 
formation in  Polizeisachen  1526  40.  Rentkammerordnung 
1568  40.  Hersfelder  Stadtordnung  1568  40.  Taglöhner- 
ordnung  1571  40.  Landtag  1581  41.  Landtag  1591 
41.    Landtag  1609  42.    Landtag  1614  42.    Landtag  1615 


-    VII    — 


Seite 


42.  Mühlenordnung  1615  42.  Münz-,  Tax-  und  Poli- 
zeiordnung 1622  42.  Taxordnung  1623  45.  Münz- 
gesetze 1623,  1624  45.  Hersfelder  Taxordnung  1643  45. 
Taxordnung  1645  46.  Taglohnordnungen  1645,  1647, 
1649  46.  Landtag  1650  46.  Landtag  1653  49.  Tax- 
Ordnung  1658  51.  Landtag  1655  5^.  Taxe  für  Tag- 
löhner  1655  53.  Landtag  1656  53.  Dörnbergsche 
Lohnstatistik  1657  55.  Vorschriften  wider  die  Arbeits- 
losigkeit aus  dem  17.  Jhdt.  56.  Hersfelder  Stadtordnung 
1665  57.  Luxus-,  Sonntags-,  Hof-  und  Judengesetze  des 
17.  Jhdts.  57.  Ergebnis:  kein  wesentlicher  Fortschritt 
des  hessischen  Gesinderechts  im  17.  Jhdt.  57. 
§  3.    Die  Zeit  der  Gesindeordnungen  58 

Unterschied  der  neuen  Gesetzgebung  von  den  Polizei- 
ordntmgen  58.  Einfluß  der  landwirtschaftlichen,  staats- 
wissenschaftlichen und  philosophischen  Literatur 
(Christian  Wotff)  58. 

Hessens  Rechtsentwicklung  59 :  a)  Gesinde- 
ordnung  von  1736  59;  ihre  Vorgeschichte  59;  ihr 
Inhalt  60;  ihre  Bedeutung  64;  Bericht  aus  Allendorf 
65;  Grebenordnung  1739  66.  —  b)  G  e  s  i  n  d  e  k  r  i  m  i  - 
nalordnung  von  1752  66.  —  c)  Die  60er  und  70er 
Jahre  68;  Bericht  Dr.  Beckers  aus  Wanfried  1763  68; 
Neupublizienmg  der  Gesindeordnung  von  1736  im  Jahre 
1764  70;  Waren-  und  Lohntaxen  aus  1760  bis  1767  70; 
Bericht  aus  Gudensberg  1766  73;  EnquÄte  1766/7  74, 
insbesondere  die  Gutachten  der  Amtmänner  Hüpeden 
und  Uckermann  76;  Ansichten  der  Regierung  82;  Aus- 
schreiben von  1767  84;  Bericht  aus  Neukirchen  1767 
85;  Vorgehen  der  darmstädtischen  Regierung  1776  86. 
—  d)  Verordnung  von  1785  87;  Bericht  aus  Lützelwig 
1792  88.  —  e)  Gesindeordnung  von  1797  89; 
Vorbericht  89,  insbesondere  Ansichten  der  Literatur  (Re- 
volution, Naturrecht;  Krünitz,  Dorn,  Kant)  89,  Ansich- 
ten außerhessischer  Gesetzgeber  91.  Vorgeschichte  der 
Gesindeordnung  von  1797  93:  Fuldas  Bericht  93;  Ent- 
wurf der  Polizeikommission  94;  Stellung  der  Regierung 
96;  des  Geh.  Rats  99.  Bedeutung  der  Gesindeordnung 
99.  —  f)  1798  Verhandlungen  des  schaumburger  Land- 
tags 100.  —  g)  Gesindeordnung  von  1801  101; 
Vorgeschichte  der  Gesindeordnung  101:  insbesondere 
Gutachten  Wusts,  Berichte  der  Landräte,  vornehmlich 


—    VIII    — 

Seite 

Keudells,  Lindaus  105;  Bericht  aus  Neukirchen  110; 
Ansichten  der  Regierungsräte  110;  Vereinbarung  mit 
thüringischen  Staaten  über  die  Ziehzeit  der  Schäfer 
113;  Stellung  des  Geheimen  Rats  zum  Regierungsent- 
wurf 113.  Bedeutung  der  Gesindeordnung  von  1801  114. 

IL    Die  NebenlAnder  117 

§  4.     Schaumburg  118 

Polizeiordnung  1616  118.  Rottmanns  Kommentar 
von  1717  119.  Bestätigung  der  Poiizeiordnung  1732 
120^ 

§  5.    Hanau  mit  Gelnhausen  121 

Gelnhausen:  Rechtsmitteilung  aus  dem  15.  Jhdt.  121. 
Stadtordnung  1560  121.  Hanau:  Luxus-  und  ähnliche 
Ordnungen  vor  1748  122.  Ausschreiben  wegen  der 
Schönbornschen  Bedienten  1716  122.  Mühlenordnungen 
1727,  1739  124.  Gesindeordnung  1748  124.  Wei 
tere  Gesetze  des  18.  Jhdts.  126, 

§  6.    Fulda  126 

Luxus-  und  Judenordnungen  des  16.  und  17.  Jhdts. 
126.  Umschreiben  über  Gesindewesen 
1662  127.  Hofrecht  des  18.  Jhdts.  129.  Reskript 
über  Gesindewesen  1761  129.  Weiteres  Vor- 
gehen bis  zum  Beginn  der  hessischen  Herrschaft  131. 
Rechtszustand   um    1790    132. 

§  7.    Isenburg  132 

Polizeiordnung  (Birstein)  1690,  Kirchendisziplinordnung 
(Meerholz)  1697  und  weitere,  weniger  wichtige  Rechts- 
quellen 133.  Verordnung  wider  den  Gesinde- 
diebstahl (Birstein)  1760  133.  Rügordnung  1766 
133. 

m.    Die  franzitoische  Zeit  134 

§  8.    Das  Königreich  Westfalen  134 

Bedeutung  der  Minister  Simöon  und  Wolffradt  134. 
Constitution  1807  135.  Dekret  23.  Januar  1808  135. 
Code  civil  136.  Entwurf  einer  Ordonnance  für 
die  Stadt  Cassel  1810  137.  Entwurf  für  das  De- 
partement de  la  Saale  1811  138.  Vorschriften  über 
Gesindebesteuerung  1808,  1811  138.  Neuer  Entwurf 
für  die  Stadt  Cassel  1813  139,  sein  Inhalt  139, 
Wolffradts  Kritik  143. 


—    IX    - 

Seite 

§  9.     Das  Großhcrzog^um  Frankfurt  147 

Gesindeordnungen  für  nichthessische  Teile  des  Groß- 
herzogtums (Frankfurt,  Aschaffenburg)  147.  Versuch, 
diese  Ordnungen  auf  Fulda  auszudehnen  1811  148.  Vor- 
schläge des  Domkapitulars  von  Hettersdorf  1811  148; 
seine  Ansicht  über  eine  fuldische  Gesindeordnung  148. 
Versuche  im  Departement   Hanau   1812   149. 

IV. 

§  10.    Hessen  im  19.  Jahrhundert  150 

Landtag  1815  150;  Gutachten  der  Regierungen  in 
Marburg,  Hanau,  Rinteln  151.  Gesindeordnung 
für  Fulda  1816  152,  Vorarbeiten  hierzu  152,  In- 
halt der  Gesindeordnung  155.  Gescheiterte  Versuche 
seit  1817,  für  isenburgisches  Gebiet  das  Gesinderecht 
zu  kodifizieren  157.  Einführung  der  Gesindebücher  1825, 
1833  159.  Einrichtung  von  Gesindekrankenanstalten  159. 
Hirtenordnung  1828  159.  Prozessuale  Gesetze  159.  U  m  - 
frage  über  Gesindewesen  1861  160 ;  Antwor- 
ten der  Verwaltungs-  und  Landratsämter  161,  insbe- 
sondere über  Gesindemäkler  161,  und  Statistik  162, 
Auszüge  aus  einzelnen  Berichten  163,  insbesondere  aus 
denen  aus  Hofgeismar  163,  Eschwege  164,  Marburg 
164.  Ausschreiben  an  die  Regierungen 
über  Gesindewesen  1857  165 ;  Zirkular  an  die 
Schulvorstände  1857  166;  Gutachten  der  Landräte  1857 
167.  Ausschreiben  über  Gesindewesen  1858  168.  Be- 
kanntmachung der  hanauer  Polizeidirektion  wider  mehr- 
fachen Vertragsbruch  1858  168.  Vorgehen  des  Kon- 
sistoriums in  Cassel  1860  169. 

B.  Die  ausserhessischen  Länder  West- 

und  Süddeutschlands  ito 

§11.  Ostdeutschland  170.  Ober-  und  niedersächsischer  Kreis 
170.  Schleswig  171:  Apeiu'ade,  Nordstrand,  Tönning, 
Garding,  Eiderstadt,  Flensburg,  Husum,  Stapelholm, 
Friedrichstadt  171,  Tondern,  Sonderburg,  schleswigsches 
Landesrecht  172;  Holstein  172:  Dithmarschen,  Neumün- 
ster, Bordesholm  172;  Hamburg  172,  Lübeck  172, 
Bremen  172,  Billwärder  173;  Friesland  173:  Emsig, 
Drenth,  Westerwold,   Ostfriesland  173;  Oldenburg  174. 


—    X    — 

Seite 

Hannoversche  Gebiete  174:  Hadeln,  Marsch,  Keh- 
dingen,  Stade  175,  Lauenburg,  Schluchteren,  Verden, 
Nienburg,  Osnabrück  176,  Bersenbrück,  Cappelen, 
Rimslohe,  Hildesheim,  Peine,  Goslar,  Osterode  177,  Ein- 
beck, Moringen,  Adelebsen,  Göttingen,  Duderstadt  178 
Laneburg  (Farstentum),  Celle,  LOneburg  (Sudt)  179, 
Kaienberg,  Hannover  (Stadt),  Hannover  (vereinigtes 
Land)  180;  Braunschweig  (Stadt  und  Land)  181;  Ver- 
einbarung zwischen  Magdeburg,  Halberstadt,  Hildes- 
heiro.  Braunschweig  und  Lüneburg  183;  Lippe-Detmold 
183;  Schaumburg-Lippe  184:  Landesrecht  184,  Orts- 
recht Vehlens  185. 

Nordhausen  185;  Mühlhausen  185;  Frankenhausen 
186;  Gotha  187;  Erfurt  187;  Weimar  187,  mit  Jena 
und  Eisenach  188;  Altenburg  189;  kleinere  thüringbchc 
Rechte  189:  Zeitz,  Gera,  Eisenberg,  Bürgel,  Rasten- 
berg, Buttelstedt,  Buttstedt  189,  Neumark,  Greußen, 
Magdala,  Berka,  Teichel,  Remda,  Um,  Saalfeld, 
Leutenberg,  Schieiz,  Waltershausen,  Rudolstadt,  Blan- 
kenburg,    Henneberg,   Koburg   190. 

Waldeck  190;  Paderborn  191;  Salzkotten  192; 
Rüden  192;  Lippstadt  192;  Eichel  192;  Bielefeld  192; 
Ravensberg  192;  Minden,  Tecklenburg,  Lingen  193; 
Münster  193;  Koesfeld  193;  Loen  193;  Bentheim  193; 
Vereinbarung  zwischen  westfälischen  Rittern  und  Städten 
194;  Arnsberg  194;  Soest  194;  Dortmund  194;  Land- 
recht   der    7    Freien    194. 

Cleve  194;  Jülich  195;  Köln  197;  Trier  198;  Aachen 
198;  Wied  199;  Moselweis  200;  Langenlonsheim  200; 
Nassau  200;  Rheingau  202. 

Hessen-Darmstadt  202:  Friedberg,  Mockstadt  202, 
Solms,  Gedem,  Katzenelnbogen,  Orb,  Mainz  203,  Kost- 
heim  204,  Worms,  Oppenheim,  Heppenheim,  Oberbeer- 
bach,  Land   Hessen-Darmstadt   205;   Frankfurt   206. 

Bayern  206:  fränkischer  Kreis  207,  sonstige  inter- 
territoriale Vereinbarungen  207,  Würzburg  208,  Bam- 
berg 209,  Nürnberg  210,  Brandenburg  211,  Ritterord- 
nung der  „6  Ort  in  Franken"  213,  Hofheim  213,  Einers- 
heim 213,  Hahnbach  213,  Rothenburg  o.  d.  T.  213, 
Dinkelsbühl  213,  Nördlingen  213,  Öttingen  213,  Eich- 
stätt  214,  Regensburg  214,  Passau  214,  Landshut  214, 
Thierhaupten    215,    Augsburg    215,     Memmingen   215, 


-    XI    — 

Seite 

Kaufbeuren  215,  Ronsburg  215,  Kempten  215,  Rothen- 
buch  215,  Ursberg  215,  München  (St.  Clara)  215,  Ober- 
zell  215,  Traunstein  216,  Raschenberg  216,  „Hofmark 
zu  T."  216,  Ruprechts  Stadt-  und  Landrecht  216,  Kaiser 
Ludwigs  Rechtsbuch  216,  Stadtrecht  von  München  216, 
Freising  216,  bayerische  Landesgesetzgebung  216,  Ober- 
pfalz 220,  Neuburg  220,  Bayern  links  des  Rheins  221, 
nämlich  Speier,  Neustadt,  Landau,  Zweibrücken  221, 
Haßloch,    Maikammer,    Gleißweiler,    Altenglan    222. 

Kurpfalz  222;  Baden  223:  Freiburg,  St.  Trudbert 
zu  Krotzingen,  Weitnau,  St.  Peter  bei  Freiburg,  Uwingen, 
Königsbrück  223,  Überlingen,  Kürnach,  Villingen,  Bri- 
gachtal.  Durlach  224,  Karlsruhe,  Stift  Odenheim  in 
Bruchsal,  Eppingen,  Sinsheim,  Zuzenhausen,  Neckarslei- 
nach, Heidelberg,  Udenheim,  Weinheim,  Walldürn, 
Amorbach,  Buchen,  Mergentheim,  Adelsheim  225,  Mil- 
tenberg, Landesrecht  Badens  225,  Kletgau,  Gutenburg, 
Beislingen,  Bonndorf,  Frauenhausen,  Johanniter  in  Hei- 
tersheim  228,  Rhein-  und  Wildgrafschaft,  Freiburg 
(östcrr.  Zeit)  229. 

Württemberg  229:  Ochsenhausen,  Biberach,  Blau 
beuren,  Horb,  Stuttgart  229,  Ebersberg,  Winzelhausen 
Bönnigheim,  Botwar,  Schw.  Hall,  Trochtelfingen,  Ober 
schneidheim  230,  Thannhausen,  Zipplingen,  Dischingen 
Neresheim,  Elchingen,  Neunheim,  Bühlerzell,  Bühler 
tann,  Hohenalfingen,  Oberkochen  231,  Wellstein,  Abts 
gemünd,  Hohenstatt,  Adelmannsfelden,  Himmlingen 
Essingen,  Lauterburg  232,  Iggingen,  Herlikofen,  De 
Wangen,  Spraitbach,  Schlechtbach,  Rechberg,  Rams 
berg,  Wißgoldingen  233,  Landesrecht  Württembergs 
schwäbischer    Kreis    234;    Osterreich    235. 

Gesinderechtsfamilien   235. 


Zweiter  Teil: 

System  atifiiolie  I>ar0telltin8r 
dei*  lEteolitiaieiitTriokliiug;'        237 

§  1.    Begriff  des   Gesindes;  die  Muntidee  als  leitendes  Prinzip    239 
Etymologisches;   die   Worte    Gesinde,   Brötling,   Dienst- 
bote,   Dienst,    Dienstlein,    Ehehalt,   Bedienter,    Diener, 
Domestique,  Knecht,  Magd  239. 


—    XII    — 

Seite 

Schwierigkeit  der  Standesabgrenzung  des  Gesindes 
gegenüber  andern  Berufen  243,  insbesondere  m  den 
Städten,  wo  erst  spät  eine  Unterscheidung  von  Gesinde 
und  gewerblichen  Arbeitern  erfolgt  244,  während  in 
ländhchen  Verhältnissen  auch  die  ständig  angestellten 
Haushandwerker  zum  Gesinde  gehören  245,  überhaupt 
auf  dem  Lande  die  Tätigkeitspflichten  ,  des  Gesindes 
mannigfaltiger  und  schwieriger  im  einzelnen  zu  be- 
stimmen sind  246.  Die  Begriffsmerkmale  des  Gesindes 
sind  die,  daß  es  sich  um  sozial  unter  dem  Arbeitgeber 
stehende,  mit  geringer  Tätigkeit  beschäftigte,  gewöhn- 
lich im  Herrenhause  wohnende,  nicht  zu  spezieller,  im 
voraus  bestimmter,  sondern  zur  jeweils  vorkommenden 
Arbeit  gemietete  Personen  handelt  246.  Unterschied 
von  den  Taglöhnern,  denen  die  dauernde  Anstellung 
fehlt  247.  Vielen^  Gesindeleuten  (den  Verheirateten,  Hir- 
ten, Förstern  usw.)  fehlt  das  oben  genannte  Kennzeichen 
der  Hausangehörigkeit  248.  Die  Muntgewalt  des  Haus- 
herrn und  seine  herrschaftliche  Gewalt  erstreckt  sich 
gleichwohl  wie  über  das  hausangehörige,  249,  so  auch 
über  das  außenwohnende  Gesinde  253.  Nie  machen 
die  Satzungen  der  Vergangenheit  bei  der  Feststellung 
des  Muntverhältnisses  einen  derartigen  Unterschied  253, 
entsprechend  der  Auffassung,  die  die  ländlichen  Dienst- 
herrn von  ihrem  Verhältnis  zum  gesamten  Gesinde 
haben   255. 

Einzelnachweis    an    Hand    der    Gesetzgebung    257. 

I.    Das  Muntverhältnis  äußert  sich 

1.  in  der  Haftung  des  Herrn  für  sein  Gesinde,  wie 
er  für  alle  Hausgenossen,  selbst  für  Gäste,  haftete  258. 
a)  So  haftete  der  Herr,  wenn  er  seinem  Gesinde  Auftrag 
zu  einer  Straftat  gegeben  hat  259,  oder  auch  schon,  wenn 
er  nur  von  der  Tat  wußte  261;  in  diesem  Falle  durfte 
er  sich  durch  Eid  von  seiner  Verantwortung  befreien 
262;  weiter  haftete  der  Herr,  der  das  Gesinde  nach  der 
Tat  im  Hause  behalten  hat  263;  femer,  wenn  das 
Gesinde  in  seiner  Begleitung  die  Tat  begangen  hat  263. 
Ohne  Rücksicht  auf  das  Vorliegen  solcher  Haftungs- 
g^ünde  wurde  noch  in  zahlreichen  Einzelfällen  Haftung 
des  Herrn  für  Delikte  seiner  Dienstboten  statuiert  264. 
Neben  diesen  Fällen  unabwendbarer  Haftung  traten 
früh  Beschränkungen  auf  267.  So  haftete  nach  einzelnen 


-    XIII    — 

Seite 

Rechten  der  Herr  nur  bis  zum  Betrage  des  Lohns  267. 
Im  späteren  Recht  verflacht  sich  der  Muntgedanke 
manchmal  dahin,  daß  der  Herr  mit  eigenem  Vermögen 
nur  haftet,  wenn  er  dem  Gesinde  nicht  vom  Lohne 
die  Strafsmnme  einbehalten  hat  268.  —  b)  Entsprechend 
dieser  Haftimg  nahm  der  Herr  umgekehrt  auch  an  den 
dem  Gesinde  zufallenden  Bußen  teil  270.  —  c)  Der 
Herr  haftete  wie  für  die  Strafen,  so  ferner  auch  für  die 
vom  Gesinde  geschuldeten  öffentlichen  Abgaben  270, 
insbesondere  auch  fürs   Judenschutzgeld   274. 

2.  in  der  Verpflichtung  des  Herrn  durch  Rechts- 
handlungen des  Gesindes  (Stellvertretung)  275.  a)  Daß 
das  Gesinde  Vermögenswerte  des  Herrn  veräußern 
konnte,  wurde  regelmäßig  freilich  nicht  bestimmt  276. 
Verlangte  der  Herr  sein  durch  das  Gesinde  veräußertes 
Eigentum  vom  Dritterwerber  heraus,  dann  mußte  er 
nach  einigen  Rechten  seinen  Anspruch  erst  beweisen 
277.  Verfügung  des  Gesindes  über  Forderungen  des 
Herrn  278.  Durch  Strafvorschriften  wider  die  untreuen 
Dienstboten  und  die  Leute,  die  ihnen  Herreneigentum 
abkauften  (Goldschmiede  und  Juden)  wollte  man  den 
Dienstherm  sichern  278.  —  b)  Verlor  oder  beschädigte 
das  Gesinde  herrschaftliche  Vermögensstücke,  dann  ging 
dies  zu  lasten  des  Herrn  280.  —  c)  Schädigungen  dritter 
Personen  durch  das  Gesinde  mußte  die  Herrschaft  ver- 
treten 281;  Tierschaden  282.  —  d)  Das  Gesinde  konnte 
unter  Umständen  rechtsgeschäftlich  Schulden  für  die 
Herrschaft  eingehen  284.  —  e)  Eine  Folge  des  Grund- 
satzes von  der  Vertretung  des  Herrn  durch  das  Ge- 
sinde ist  die  häufige  Vorschrift,  daß  selbständige  Ge- 
schäftsbetätigung des  Gesindes  auf  eigene  Rechnung 
neben  dem  Herrn  ausgeschlossen  war  286.  Insbeson- 
dere im  Judenrecht  kamen  solche  Verbote  (der  „Profit- 
knechte") vor  288. 

3.  in  der  herrschaftlichen  Gewalt  289.  Diese  äußert 
sich  in  folgendem: 

a)  Der  Herrschaft  wurde  über  das  Gesinde  ein  Er- 
ziehungsrecht gegeben  290.  —  b)  Die  Herrschaft  war 
verpflichtet,  den  Behörden  Anzeige  von  Taten  des  Ge- 
sindes zu  machen  292;  Anzeige  der  Schwangerschaft 
293.  —  c)  Der  Herrschaft  wurde  die  Fürsorge  für  die 
letzten   Stunden  des   Gesindes,  für  seine  Verheiratung 


—    XIV    ^ 

aufgegeben  294.  —  d)  Besonders  eingeschärfte  Auf- 
sichtspflichten der  Herrschaft  bestanden  wegen  des  Um- 
gehens  des  Gesindes  mit  Feuer  294.  —  e)  Aus  der  herr- 
schaftlichen Gewalt  ergeben  sich  verschiedene  prozes- 
suale Vorschriften  298:  aa)  Verbot,  daß  Gesinde  in 
Sachen  der  Herrschaft  Zeuge  ist  298.  bb)  Gerichtliche 
Ladungen  des  Gesindes  gingen  an  die  Herrschaft,  oder 
diese  mußte  von  einer  Ladung  wenigstens  benachrich- 
tigt werden  299.  cc)  Der  Dienstherr  kann  für  das 
Gesinde  als  Kläger,  302,  und  Beklagter  auftreten  303. 
Die  hier  nötigen  Eide  schwört  meist  der  Herr  304. 
dd)  Das  Gesinde  folgt  dem  Gerichtsstand  des  Herrn 
304.  Anhang:  Kirchenstand  306.  Sitz  des  Gesindes  in 
der  Ku-che  307. 

IL  Auch  noch  weitere  Gleichstellungen  des  Gesin- 
des mit  der  Herrschaft  lassen  die  Auffassung  der  Ge- 
setzgeber erkennen,  daß  das  Gesinde  als  Teil  der  herr- 
schaftlichen Familie  erschien  307.  1.  Das  Gesinde  hat 
Teil  am  Schutz  des  Hausfriedens  308,  soll  aber  auch 
den  bürgerlichen  Frieden  unter  den  einzelnen  Familien 
des  Orts  halten  310.  —  2.  Das  Gesinde  genießt  straf- 
rechtlichen Schutz  wie  die  Herrschaft  311.  —  3.  Auch 
bei  Verhängung  öffentlicher  Strafen  wider  das  Gesinde 
kommt  diesem  die  Vorzugsstellung  der  Herrschaft  zu 
gute  312.  —  4.  Staats-,  Stadt-  und  sonstige  öffentlich- 
rechtliche Bevorzugungen  der  Herrschaft  erstreckten  sich 
auch  aufs  Gesinde  313.  —  5.  Umgekehrt  mußte  das  Ge- 
sinde dem  Herrn  auch  öffentlichrechtliche  Lasten  tra- 
gen helfen  315.  —  6.  An  Steuerprivilegien  des  Dienst- 
herrn hatte  das  Gesinde  teil  315.  —  7.  Wie  die  übrigen 
Familienmitglieder  gelten  die  Dienstboten  als  besondere 
Vertrauenspersonen  des  Hausherrn,  denen  gegenüber 
diesem  in  öffentlichen  Angelegenheiten  besondere  Ver- 
schwiegenheit auferlegt  wird  318. 

Trotz  all  dieser  Zeugpiisse  für  gleiche  rechtliche 
Behandlung  von  Gesinde  und  Herrschaft  bleibt  doch 
der  Unterschied  des  Standes;  die  Gesetzgeber  gingen 
sogar  soweit,  Bürgern,  die  in  Gesindedienste  traten,  ihre 
Bürgerrechte  zu  nehmen  319. 

Die  muntschaftliche  Auffassung  vom  Gesindeverhält- 
nis ging  auch  in  der  Zeit  der  rationalistischen  Auf- 
fassung des  Gesinde  Vertrages  (Ende  18.  Jhdts.)  nicht 
verloren  321. 


Seite 


—    XV    - 

Seite 

$  2.  Die  Beschaffung  der  Dienstboten.  (Der  Gesindemarkt)  323 
Zahlreiche  und  verschiedenartige  Gesetze  wurden  ge- 
schaffen, durch  die  —  als  Haupt-  oder  Nebenzweck  — 
das  Gesindeangebot  vergrößert  werden  sollte  323.  Eine 
Statistik  des  Gesindemangels  ist  für  die  Vergangenheit 
nicht  möglich  323. 

Die  hauptsächlichen  gesetzgeberischen  Beeinflussun- 
gen des  Gesinderechts  324: 

1.  Zwangsdienst  324,  und  zwar  des  älteren  Rechts 
324,  neueren  Rechts  324,  als  Vormieterecht  oder  Zwangs- 
dienst im  engem  Sinne  325,  in  .Ostdeutschland  325,  im 
Westen  und  Süden  327.  —  2.  Anhaltung  von  Arbeitslosen 
zum  Dienen  337,  nach  der  Gesetzgebung  des  Reichs 
337,  Hessens  338,  der  übrigen  Territorien  343,  und  zwar 
Mittel-  und  Norddeutschlands  343,  Süddeutschlands  353. 
Unterschied  solcher  Einrichtungen  vom  Zwangsdienst 
360.  Auch  in  den  Ländern  des  Zwangsdienstes  wurden 
Vorschriften  wider  die  Müßiggänger  erlassen;  sie  be- 
reiteten teilweise  das  Zwangsrecht  vor  361.  —  3.  Ver- 
bot der  Auswanderung  364.  Mittel-  und  Norddeutschland 
364.  Süddeutschland  372.  —  4.  Bevorzugung  der  in- 
ländischen Dienstboten  375.  —  5.  Durch  den  Militärdienst 
wurde  der  Gesindemarkt  stark  beeinflußt  379.  —  6.  Ver- 
bote und  Gebote,  daß  Kinder  den  Eltern  dienen  383.  — 
7.  Staatliche  Aufforderung  zu  vermehrter  Bevölkerungs- 
produktion, damit  so  dem  Gesindemangel  abgeholfen 
werde  385.  —  8.  Beschränkung  der  Zahl  des  Hofge- 
sindes 386.  —  9.  Beeinflussung  des  Gesindemarkts  durch 
kirchenrechtliche  Gebote  386:  a)  Sonderrecht  des  Pfarr- 
gesindes 387.  b)  Verbot  der  Dienerhaltung  durch  Mönche 
387.  c)  Verbot  der  Gesindehaltung  als  Strafe  für  Geist- 
liche 387.  d)  Interkonfessionelle  Dienstverbote  388: 
Evangelische  dürfen  nicht  zu  Katholiken  in  Dienst  tre-  * 
ten  388,  Katholiken  nicht  zu  Evangelischen  390,  wieder- 
täuferische  Dienstboten  sind  untersagt  392.  Besonders 
mannigfaltig  sind  die  Beschränkungen  der  Juden  im 
Gesindehalten  392:  Die  Zahl  des  Judengesindes  wurde 
beschränkt  392,  desgleichen  die  Haltung  unbegleideten 
394,  ausländischen  394,  verheirateten  395,  erst  kürzlich 
aus  anderm  Dienst  getretenen  395,  christlichen  Juden- 
gesindes 397;  Verbot  an  Christen,  jüdische  Dienstboten 
zu  mieten  403.  —  10.  Beschaffung  von  Gesinde  durch 


-    XVI    - 


Seite 


Zeitungsinserate  403.  —  11.  Gesindemäkelei  404^  private 
404,  in  Städten  405,  für  Länder  406,  rein  behördliche 
Vermittlung  410. 
§  3.    Der    Vertragsschluß  414 

Es  ist  schwierig,  bei  formloser  Abrede  des  Dienstvertrags 
den  Vertragsschluß  zu  erkennen  414.  Die  arrha,  ur- 
sprünglich nicht  zur  Beweissicherung,  sondern  als  Haf- 
tungsgeschäft dem  Schuldgeschäft  hinzugefügt  414. 

Die  Bedeutung  und  die  Wirkungen  der  arrha,  des 
Mietgelds,  beim  Gesindevertrag  sind  verschiedenartig 
festgesetzt  worden  415.  Nach  einigen  Rechten  wird  zum 
Vertragsschluß  kein  Mietgeld  erfordert  415.  Häufiger 
sind  die  Bestimmungen,  wonach  Mietgeld  zum  Vertrags- 
schluß nötig  ist  417. 

Ob  das  Mietgeld  ursprünglich  einen  vorausbezahltem 
Teil  des  Lohnes  oder  eine  von  diesem  unabhängige  for- 
male Gabe  darstellt,  ist  nicht  festzustellen  421.  Für 
Unabhängigkeit  vom  Lohn  spricht  die  Zahlung  des  Miet- 
geldes durch  das  Gesinde  (statt  durch  den  Herrn)  421, 
das  Vorkommen  eines  Leitkaufs  423,  die  Zahlung  des- 
Mietgelds  an  dritte  Personen  424.  Die  loshauser  Register 
lassen  den  gleichen  Schluß  zu  425.  Dagegen  findet  die 
Auffassung,  daß  das  Mietgeld  ein  Teil  vom  Lohne  sei. 
Iceine  Stütze  in  den  Gesetzen  426;  die  häufige  Vor> 
Schrift,  daß  unter  Umständen  das  Mietgeld  auf  den  Lohn 
verrechnet  werden  darf,  bestätigt  jene  Auffassung  nicht 
426. 

Da  Mietung  gewöhnlich  auf  ein  Jahr  erfolgte,  wäre 
jährliche  Gabe  des  Mietgelds  folgerichtig  428.  Entspre- 
chende Sitte  auf  großen  Gütern  (Königsbrück,  Loshausen) 
429.  Aber  nur  selten  wurde  jährliches  Mietgeld  vorge- 
schrieben 431.  Regelmäßig  wurde  diese  Art  —  im 
Interesse  der  Dienstherrschaften  —  verboten  431. 

Tarif ierung  des  Mietgelds  433.  Naturalia  als  Miet- 
mittel  436. 

Der  Eid  des  Gesindes  beim  Vertragsschluß  wird 
oft  verlangt  436,  entweder  zur  Verheißung  guter  Auf- 
führung gegenüber  dem  Dienstherrn  436,  oder  als  Eid 
der  Treue  an  die  Obrigkeit  437 ;  diesen  mußten  vor  allem 
Müllerknechte,    439,    und    Hirten    schwören    440. 

Vertragsschluß  vor  Zeugen  440. 

Vermietung  Minderjähriger  441.  Recht  der  Hausfrau 
zur  Gesindemiete  443. 


—    XVII    — 

Seite 

^  4.   Der  Dienstantritt.    Ziehzeit    und    Dienstdauer  444 

Nach  Abschluß  des  Mietvertrages  mußte  der  Dienst  an- 
getreten werden,  ein  Reurecht  gab  es  nur  in  wenigen 
Fällen  444,  und  zwar  unbedingt,  444,  oder  nur  bis  zu 
einem  bestimmten  Zeitpunkt  nach  Vertragsschluß  444; 
auch  das  Dienen  auf  Probe  ist  als  Abmachung  des  Reu- 
rechts anzusehen  446.  Die  Verbote  des  Rücktritts  über- 
wiegen 446.  Um  das  Gesinde  zum  Antritt  anzuhalten, 
wurde  ihm  entweder  für  den  Fall  des  Nichtantritts  nur 
eine  Entschädigung  des  Dienstherm  aufgegeben,  447, 
oder  —  häufiger  —  wurde  mit  Strafen  und  zwangsweiser 
Zuführung  gedroht  449.  Ein  besonderer  Fall  des  Nicht- 
antritts ist  das  streng  bestrafte  Doppeltvermieten  457. 
Um  die  Dauer  der  Dienste  zu  verlängern,  gaben  einige 
Gesetze  der  bisherigen  Herrschaft  die  Erlaubnis,  mit 
ihren  anderweit  vermieteten  Dienstboten  gleichwohl  einen 
neuen  Vertrag  abzuschließen  465 ;  die  meisten  Rechte  be- 
kämpfen aber  diese  Sitte  468.  Neu  Vermietung  nur  mit 
Vorwissen  der  bisherigen  Herrschaft  469,  nur  bestimmte 
Zeit  vor  Ablauf  der  Dienstzeit  469,  oder  gar  erst  be- 
stimmte Zeit  nach  Dienstaustritt  473.  Antrittspflicht  und 
Doppeltvermieten   nach  ostdeutschem   Recht   474. 

Nur  selten  im  Vergleich  mit  den  Vorschriften  über 
die  Antrittspflicht  kommen  entsprechende  Bestimmungen 
über  eine  Annahmepflicht  der  Herrschaft  vor  475. 

Das  Recht  der  Dienstdauer  und  der  Ziehzeiten  478, 
in  Hessen  480,  Süddeutschland  485,  Mitteldeutschland 
490,   Norddeutschland  495. 

Festlegung  bestimmter  Wochentage  zum  Antritt 
497. 

^  •'>.    Pflichten  des   Gesindes. 

1.  Verrichtung  der  Arbeit.  Arbeitszeit.  Sonntagsarbeit  500 
Der  Umfang  der  Arbeitspflicht  läßt  sich  gesetzlich  kaum 
fesüegen,  da  die  Bedürfnisse  der  Einzelhaushalte  zu 
verschiedenartig  sind  500.  Die  Hausordnungen  größerer 
Einzelhaushalte  können  eher  Einzelvorschriften  über  die 
Arbeit  erlassen  501,  müssen  diese  aber  durch  Festsetzung 
der  allgemeinen  Arbeitspflicht  unterstützen  503.  In  den 
staatlichen  und  städtischen  Gesetzen  kommen  häufig  Vor- 
schriften über  vorherige  Vereinbarung  des  Arbeitsum- 
fangs  vor,  die  teils  verboten  505,  teils  erlaubt  wird  506. 
Gesetzliche    Vorschriften   über    die    allgemeine    Arbeits- 


—    XVIII    - 


Seit4 


pflicht  d07.  Versuche,  Einzelanordnungen  über  die  Art 
und  den  Umfang  der  Arbeit  zu  treffen  510. 

Selbst  Feststellung  der  Arbeitszeit  ist  schwierig  515. 
Nur  eine  einzige  Bestimmung  über  die  Arbeitszeit  g^t 
es,  die  im  Interesse  der  Dienenden  erlassen  wurde  516. 
Im  übrigen  nur  Vorschriften  gegen  eine  Verkürzung 
der  Arbeitszeit  516. 

Einschränkung  der  Sonntagsarbeit  518.  Erlaubnis 
dieser  Arbeit  bei  Notständen  523.  Kampf  wider  die 
Feierung  der  aufgehobenen  Feiertage  524.  Die  vielen 
Sonntagsgesetze  geben  meist  nur  das  wieder,  was  ohne- 
dies Sitte  ist;  sie  sind  daher  praktisch  ziemlich  be- 
deutungslos 525. 
§.  6.    Pflichten  des  Gesindes. 

2.  Das  allgemeine  Verhalten  526 
Allgemeine  Verhaltensvorschriften  für  das  Gesinde  lassen 

sich  gesetzlich  wohl  festlegen,  sind  aber  praktisch  be- 
deutungslos 526.  Alle  Gesindegesetze  enthalten  solche 
Anordnungen  529.  Aus  dem  Rahmen  heraus  fallen  einige 
Verhaltensvorschriften  mit  besondersartigen  Strafbestim- 
mungen 529.  Die  Einzelhaushalte  können  mit  ihren 
Satzungen  auch  hier  mehr  ins  einzelne  gehen  als  die 
Landesgesetzgeber  531. 

Die  wichtigsten  Verhaltensvorschriften  sind  die  zur 
Erhaltung  des  sittlichen  Anstandes  des  Gesindes  ge- 
schaffenen 532.  Kampf  der  Gesetzgeber  wider  die  Volks- 
bräuche des  Gesindes  537.  Beschränkung  des  Gesindes 
in  der  Teilnahme  an  Familienfesten  543.  Kleiderord- 
nungen 543. 
§  7.    Pflichten  des   Gesindes. 

3.  Insbesondere  Pflicht  der  Ehrlichkeit.  Gesindestrafrecht  547 
Die  größere  Versuchung  zu  EigentumsdeUkten,  in  die  das 
Gesinde  im  Herrenhause  kommt,  und  die  entsprechende 
Häufigkeit  dieser  Straftaten  fordern  eine  besondere  Kri- 
minalpolitik 547.  Man  kann  in  der  Besonderheit  des 
Gesindeverhältnisses  einen  Grund  zu  milderer,  551,  oder 
schärferer  Bestrafung  sehen  551.  Die  Gesetzgeber  stan- 
den regelmäßig  auf  dem  strengeren  Standpunkt  551. 
Juristische  Charakterisierung  der  verschiedenen  Straf- 
taten 553. 

Die  Gesetzgebung  554: 

1.  Überlassung  des  untreuen  Gesindes  an  die  häus- 
liche Strafgewalt  554. 


—    XIX    - 


Seite 


2.  öffentliches  Strafrecht  555:  a)  14.  und  15.  Jhdt. 
555.  b)  16.  Jhdt  567.  c)  17.  Jhdt.  560.  d)  18.  Jhdt. 
561,  aa)  unabhängig  vom  hannoverschen  Recht  56]., 
bb)  das  hannoversche  strenge  Recht  besonderer  Kriminal- 
gesetze 567,  cc)  seine  Gefolgschaft  571,  a)  Einzel-Krimi- 
nalg^esetze  571,  ß)  gro6e  Gesindeordnungen  577,  dd)  mil- 
dere Gesetze  578.  e)  Anfang  des  19.  Jhdts.  585.  f)  Ost- 
deutschland 586. 
§  8.    Pflichten  der  Herrschaft 

1.    Die  Lohnzahlung  588 

I.  Auf  verschiedene  Weise  wurde  der  Lohnanspruch 
des  Gesindes  geschützt  588:  1.  Wer  um  Lohn  verklagt 
wird,  muß  ihn  zweifach  zahlen  588.  —  2.  Dem  säumigen 
Dienstherm  wird  Holz  und  Wasser  entzogen  590.  — 
3.  Der  Lohn  muß  vor  Ablauf  des  Dienstes  gezahlt  wer- 
den 590.  —  4.  Das  Gesinde  hat  Anspruch  auf  Pfand- 
bestellung durch  die  in  Verzug  befindliche  Herrschaft 
593.  —  5.  Das  Gesinde  darf  seine  Forderung  mit  dem 
£id   erhärten   594. 

Mit  dem  Lauf  der  Zeit  verschwanden  diese  Lohn- 
privilegien 598.  Aus  der  Zahlungspflicht  wurde  die  Be- 
stimmung, daß  die  Dienstherrschaften  vor  Dienstende 
nicht  zahlen  durften  599.  Zahlungspflicht  nach  den  * 
Gesindeordnungen  des  18.  Jhdts.  599.  Lohnbücher  601. 
Rückbehaltung    und    Aufrechnung    des    Lohns    603. 

IL  Bestimmungen  über  Zusammensetzung  und  Höhe 
des  Lohns  606. 

1.  Einseitige  Lohnfestsetzung  durch  den  Herrn; 
Dienen  auf  Gnade  606.  —  2.  Eingreifen  der  Gesetzge- 
bung 608.  Das  Taxwesen  609:  a)  Preistaxen  609. 
b)  Lohntaxen  610.  c)  Gesindelohntaxen  612,  und  zwar 
aa)  12.— 14.  Jhdt.  612.  bb)  15.  Jhdt.  614.  cc)  16.  Jhdt., 
Reichsgesetzgebung  616.  dd)  17.  Jhdt.  als  Höhepunkt 
619.  a)  Hessen  620.  ß)  die  übrigen  Gebiete  628.  7)  Taxen 
und  Verbote  des  Naturallohns  636.  ee)  18.  Jhdt.,  Ab- 
flauen der  Bewegung  640.  Bestimmungen  über  Natural- 
lohn im  18.  Jhdt.  650.  ff)  Bestimmungen  über  das  Ge- 
schenkwesen 652. 

§  9.    Pflichten  der  Herrschaft. 

2.   Die  Gewährung  von  Kost  und  Wohnung  656 

L  Theoretische  Anschauungen  über  die  Gesinde- 
kost  656.     Faktische    Zusammensetzung   der    Kost   658. 


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Seite 


Gesetzliche  Bestimmungen  darüber,  die  nur  selten  die 
Pflicht  der  Herrschaft  zur  Kostreichung  scharf  aus- 
sprechen 6Ö9.  Verbot  von  Kaffee,  Tee,  Tabak  663. 
Das  Recht  der  Selbstbeköstigung  665.  Das  ostdeutsche 
Kostrecht  666. 

II.  Über  die  Gesindewohnung  sind  nie  Bestimmun- 
gen   erlassen    worden    669.     Faktischer    Zustand.     670. 

§  10.    Pflichten  der   Herrschaft. 

3.  Gute  Behandlung.    Das  Züchtigungsrecht.  —  Anhang: 
Schulwesen  671 

I.  Der  Hausherr  durfte  kraft  seiner  Hausgewalt 
über  das  Gesinde  richten,  671,  und  es  nach  einigen 
Rechten  des  Mittelalters  züchtigen  672.  Verbote  der 
Züchtigung  älterer  Zeit  674.  Züchtigungsrecht  im  16. 
und  17.  Jhdt.  67ö,  im  18.  Jhdt.  676,  im  19.  Jhdt.  680, 
in    Ostdeutschland   680. 

II.  Neben  dem  Züchtigungsverbot  steht  ergänzend 
der  allgemeine  Befehl  an  die  Dienstherrschaft,  das  Ge- 
sinde gut  zu  behandeln  681. 

III.  Die  Pflicht,  das  Gesinde  gut  zu  behandeln,  ist 
oft  mit  der  Aufgabe  der  Herrschaft,  das  Gesinde  er- 
ziehen zu  helfen,  verquickt  685.  Ergänzung  dieser  herr- 
schaftlichen Erziehung  durch  Staat  und  Kirche  685: 
Schulverhältnisse,  bes.  in  Hessen  685,  staatliche  Für- 
sorge für  Schulbildung  des  Gesindes  687,  Katechismus- 
und  Kinderlehre  für  Gesinde  687,  besondere  Gesinde- 
schulen 688. 

§  11.    Pflichten  der   Herrschaft. 

4.  Fürsorge  für  Krankheit  und  Alter  693 

1.  1.  Nach  uraltem  Recht  ist  die  Herrschaft  zur 
Verpflegung  des  kranken  Gesindes  verpflichtet  693.  Äl- 
teres Recht  695.  18.  Jhdt.  698.  Ostdeutsches  Recht 
702.  Trotz  dieser  Herrschaftspflicht  war  die  Lage  der 
erkrankten  Dienstboten  schlecht   704. 

2.  Daher  versuchte  man,  durch  öffentliche  Ein- 
richtung vorzusorgen  705.  Älteres  Recht  706.  Wichtigste 
Erscheinungen:  Versuche  zur  Errichtung  von  Gesinde- 
krankenanstalten in  Hessen  710,  die  Dienstbotenkran- 
kenkasse in  Bamberg  722.  Ähnliche  neuere  Einrichtun- 
gen 728. 

II.  Für  die  alten  Tage  der  Dienstboten  sorgte  die 
Öffentlichkeit  1.  durch  Verleihung  des  Bürgerrechts  an 


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Seite 


Altgediente  731,  2.  durch  Ausbildung  des  Spitalwesens 
733,  3.  durch  Einrichtung  von  Kassen  zur  Belohnung  alter 
Dienstboten  735. 
§  12.     Beendigung   des   Dienstes   auf   friedlichem   Wege  73S 

I.  Überwiegen  des  Vertragsbruchs  gegenüber  der 
friedlichen  Dienstlösung  738.  Kündigung  als  Voraus- 
setzung der  Dienstbeendigung  739.  Kündigung  war  nicht 
nötig,  wo  der  Vertrag,  auf  bestimmte  Zeit  geschlossen, 
so  wie  so  ablief  739.  Die  ältesten  gesinderechtlichen. 
Quellen  aber  kennen  eine  Kündigung  739.  Gleichwohl 
ist  diese  vielleicht  erst  aus  der  früheren  Sitte  jähr- 
licher Neumietung  entstanden  739.  Die  Fristen  der 
Kündigung  und  Ansage:  15.  und  16.  Jhdt.  740,  17. 
Jhdt.  742,  18.  Jhdt.  745.  Die  Kündigung  war  regel- 
mäßig formlos  749.  Eid  des  Gesindes  nach  Vertrags - 
lösung  750. 

II.  Sonderfälle  friedlicher  Dienstbeendigung  750, 
nämlich  1.  Heirat  des  Gesindes  751.  —  2.  Eintritt  der 
Magd  ins  Kloster  756.  —  3.  Übernahme  einer  Vormund- 
schaft 757.  —  4.  Eintritt  ins  Heer  757.  —  5.  Erkrankung 
des  Gesindes  757.  —  6.  Tod  des  Gesindes,  Regelung 
des  Lohnanspruchs  757.  —  7.  Tod  der  Herrschaft, 
Recht  des  Dreißigsten  758.  —  8.  Konkurs  der  Herr- 
schaft, Lohnprivileg  760. 

§  13.  Vertragsbruch  des  Gesindes.  Anhang:  Das  Koalitions- 
verbot 766 
Unterschied  in  der  Behandlung  des  Vertragsbruchs,  ob 
Gesinde  oder  Herrschaft  ihn  begehen;  jenes  wird  ge- 
straft, die  Herrschaft  braucht  meist  nur  civihter  Ersatz 
zu  leisten  766.  Gründe  für  diese  Verschiedenheit  767. 
Recht  des  Vertragsbruchs  769.  1.  Straflose  Kamp- 
fesmittel 769,  nämlich  Erkundigungspflicht  des  Mieters 
beim  vorigen  Dienstherrn  769,  Gebot,  daß  alles  Eigentum 
des  Gesindes  ins  Herrschaftshaus  gebracht  wird  769. 
—  2.  Strafloses  Vorgehen  bildet  die  Ausnahme,  Regel 
ist  Ersatzpflicht,  Bestrafung  und  zwangsweise  Zurück- 
führung  des  entlaufenen  Gesindes  770:  a)  in  Nord- 
deutschland 771,  b)  in  Mitteldeutschland  776,  c)  in 
Süddeutschland  789.  —  3.  Recht  des  Gesindes  zu  vor- 
zeitigem Dienstverlassen,  wenn  die  Herrschaft  Anlaß 
gibt  800.  —  4.  Recht  des  Vertragsbruchs  in  Ostdeutsch- 
land 804. 


—    XXII    - 


Seite 


Anhang  zu  §  13:  Koalitions verbot  806.  Gesinde- 
vereine  gab  es  nicht,  nur  gegen  gelegentliche,  be- 
wußte und  unbewußte  Organisationen  des  Gesindes  ging 
man  vor  806.  Die  Gesetzgebung  807. 

§  14.    VertiTigsbruch   der   Herrschaft  814 

.Wo  das  Gesinde  Anlaß  gibt,  ist  vorzeitige  Entlassung 
gerechtfertigt  814.  Der  ungegründete  Vertragsbruch  der 
Herrschaft  wird  regelmäßig  zivilrechtlich  behandelt,  fast 
nie  kommt  —  wie  beim  Vertragsbruch  des  Gesindes  — 
Strafe  vor  814.  Die  Gesetzgebung  816,  a)  in  Norddeutsch- 
land 816,  b)  in  Mitteldeutschland  819,  c)  in  Süddeutsch- 
land 826,  d)   im  Osten  832. 

§  15.    „Abspannen,    Abdringen    und    Abwendigmachen**'  833 

Der  Kampf  wider  das  Abspenstigmachen  steht  in  engem 
Zusammenhang  mit  dem  Vorgehen  wider  den  Vertrags- 
bruch, 833,  mit  den  Lx>hntaxen  834^  mit  den  Bestimmun- 
gen über  den  Vertragsschluß  834.  Rein  polizeiliches 
Recht  835,  in  Norddeutschland  835,  Mitteldeutschland 
838,    Süddeutschland   847,    Ostdeutschland   856. 

§  16.    Das  Gesindezeugnis  857 

Die  Zeugnisvorschriften  sind  rein  polizeiliches  Sonder- 
Gesinderecht  857.  Drei  Arten  von  Zeugnissen:  1.  Herr- 
schaftsabschiede über  die  ordnungsmäßige  Vertragsbe- 
endigung, 2.  'über  das  Verhalten  im  Dienst,  3.  obrig- 
keitliche Herkunftszeugnisse  858.  Ursprünglich  gab 
es  von  privaten  Zeugnissen  nur  solche  wider  den  Ver- 
tragsbruch 859.  Zeugnisse  nur  über  das  Verhalten  des 
Gesindes  im  Dienst  kommen  in  früherer  Zeit  nur  als 
Ausnahmen  vor  866,  häufiger  sind  Übergangsbestim- 
mungen, welche  Zeugnisse  beider  Arten  fordern  866. 
Reine  Verhaltenszeugnisse  hauptsächlich  im  18.  Jhdt. 
868.  Zeugnisbücher  wurden  erst  im  19.  Jhdt.  allgemein 
eingeführt  878.  Zeugnisrecht  in  Ostdeutschland  879.  Be- 
sondere Zeugnisse  über  Freiheit  vom  Dienstzwange  880. 
Beispiel   eines   Zeugnisses   881. 

Anhang  882 

§17.     1.    Das  besondere  Recht  der  Müllerknechte  und  Hirten 

in  Hessen  882 

Für  Gesinde  mit  bestimmtem,  abgegrenztem  Berufe  (Mül- 
lerki]e:hte,   Hirten)  lassen   sich  Einzelbestimmungen  in 


—    XXIIl    - 


Seite 


größerem    Umfange   als   für   das   gewöhnliche   Gesinde 

treffen  882. 

I.  Recht  der  Müllerknechte  883.  Die  Mühlen- 
ordnung von  1615  883.  Die  weiteren  Mühlengesetze 
887. 

II.     Hirtenrecht    888:     Mietung     888.    Lohn   889. 
Haftung  893.,  Unredlichkeiten  der  Hirten  894.    Tätig- 
keitspflichten 896.  Dienstbeendigung  902. 
§  18.    2.   Das    Sonderrecht   des   hessischen   Hofgesindes  903 

Wie  für  Müller  knechte  und  Hirten  konnten  für  Hofge- 
sinde Einzelvorschriften  erlassen  werden  903.  Quellen 
des  hessischen  Hofgesinde-Rechts  903.  Begriff  des  Hof- 
gesindes 904.  Darstellung  des  Rechts  des  niederen  Hof- 
gesindes an  Hand  der  Hofordnung  von  1570  905.  Recht 
des  Dreißigsten  908.    Heiratsrecht  908. 

Nachtrage  910 

Alphabetische   Register  911 

J.   Sachregister  911 

2.  Geographisches    Register  925 

3.  Personenregister  985—988 


Literatur -Verzeichnis '). 

1.  Quellenwerke. 

A  u  e  r,  Das  Stadtrecht  von  München.  München  1840.  —  Baader, 
Nürnberger  Polizeiordnungen  aus   dem  13.  bis  15.  Jhdt.  (Bibliothek 
des    Literarischen   Vereins    Stuttgart    Band    63).     Stuttgart    1861.    — 
Baur,    Hessische    Urkunden,    aus    dem    Großherzoglich    Hessischen 
Haus-    und    Staatsarchiv   hsg.     Darmstadt    1860  ff.    —   von    B  e  1  o  w, 
Landugsakten   von   Jülich-Berg    (Publikationen   der   Gesellschaft   für 
Rheinische  Geschichtskunde  11,  1  und  2).    Düsseldorf  1895,  1907.  — 
Bemmann,    Die    Statuten    der    Reichsstadt    Mühlhausen    i.    Thür. 
vom  Jahre   1401   (Mühlhäuser  Geschichtsblätter  IX  S.   14  ff.).    Mühl- 
hausen i.  iThür.  1908.  —  B  e  n  s  e  n,  Historische  Untersuchungen  über 
die  ehemalige  Reichsstadt  Rotenburg.    Nürnberg  1837.  —  Binder, 
Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.    2.  Verwaltung  und 
Rechtspflege  (Zeitschrift  des  Vereins  für  thüringische  Geschichte  und 
Altertumskunde  17  S.   159 ff).    Jena  1895.  —  Boos,   Urkundenbuch 
der   Stadt  Worms.    Berlin   1886  ff.   —  Bulletin  des  lois  du  royaume 
de  Westphalie.    Cassel   seit   1807.   —  de  Canngiesser,   Collectio 
notabiUum   decisionum.    Cassel    1768  ff.    —   Chur-Braunschweig-Lüne- 
burgische  Landesordnungen  und   Gesetze.    Lüneburg  1741.  —  Chur- 
Braunschweig-Lüneburgische  Landes-Ordnungen  und  Gesetze  .  .  .  zum 
Gebrauch  der  Fürstentümer  .  .  .  Calenbergischen  Theils.    Göttingen 
1739  ff.  —  Churfürstliche  Mayntzische  Gnädigste  Ordnungen  vor  dero 
Stadt  Erffurth.    Erfurt  o.  J.  —  Code  Napoleon,  Edition  seule  officielle 
pour  le  royaume  de  Westphalie.   Straßburg  1808.  —  Codex  Aug^teus, 
hsg.  L  ü  n  i  g.    Leipzig  1724.  —  Codex  Constitionum  Osnabrugensium. 
Osnabrück  1783.  —  Codex  ecclesiasticus  Moguntinus  novissimus,  hsg. 
Scheppler.    Aschaffenburg  1802.  —  Collitz-Bauer,  Waldecki- 
sches  Wörterbuch.    Norden  1902.  —  Corpus  Constitutionum  Branden* 

^)  Eine  in  Kürschners  Literaturkalender  von  1909  Sp.  621  ver- 
zeichnete „Bibliographie  der  Dienstbotenliteratur  von  1500  bis  zur  Neu- 
zeit** von  Hugo  Hayn  ist  nach  Mitteilung  des  Auskunftsbüros  der 
deutschen  Bibliotheken  überhaupt  nicht  im  Drucke  erschienen. 


-    XXV    - 

burgico-Culmbacensium.  Bayreuth  1747.  —  Corpus  Constitutionum 
Xassovicarum.  Dillenburg  1796.  —  Corpus  Constitutionum  Olden- 
burgicarum  selectarum,  ed.  O  e  t  k  e  n.  Oldenburg  o.  J.  —  Corpus 
Statutorum   provincialium  Holsatiae,   ed.   C  r  o  n  h  e  1  m.    Altona   1750. 

—  Corpus  Statutorum  Slesvicensium.  Schleswig  1794 ff.  »~  von  Da- 
niels, Rechtsdenkmäler  des  deutschen  Mittelalters.  Berlin  1858  ff.  — 
Danneil-Jacobs,  Handwerker-,  Taglöhner-  und  Gesindeordnung 
für  das  Gebiet  der  Stifte  Magdeburg,  Halberstadt,  Hildesheim  .  .  . 
vom  26.  Juni  1445  (Zeitschrift  des  Harz-Vereins  für  Geschichte  und 
Altertumskunde  27  S.  427 ff.).  Wernigerode  1894.  —  Demme, 
Nachrichten  und  Urkunden  zur  Chronik  von  Hersfeld.  Hersfeld  1891  ff. 

—  Döllinger,  Sammlung  der  im  Gebiete  der  innem  Staats- Ver- 
waltung des  Königreichs  Bayern  bestehenden  Verordnungen.  München 
1835  ff.  —  £  n  d  e  m  a  n  n.  Das  Keyserrecht  nach  der  Handschrift  von 
1372.    Cassel  1836.  —  Erhard,  Geschichte  der  Stadt  Passau.   Passau 
1862  ff.  —  von  Fink,  Die  geöffneten  Archive  für  die  Geschichte  des 
Köni^eichs    Bayern.     1.,    2.    Jahrgang.    —    Förstemann,    Neue 
Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  historisch-antiquarischer  Forschungen. 
Halle    (Nordhausen)    1834 ff.    —    Foltz,    Urkundenbuch    der    Stadt 
Friedberg    I.    (Veröffentlichungen   der    Historischen   Kommission    für 
Hessen  und  Waldeck).    Marburg   1904.   —  Frank,   Geschichte  der 
ehemaligen    Reichsstadt    Oppenheim.     Darmstadt    1859.    —    F  r  e  n  s  - 
dorff,    Dortmunder    Statuten    und    Urtheile    (Hansische    Geschichts- 
quellen   HI).     Halle    1882.   —   von   Freyberg,    Sammlung   histori- 
scher Schriften  imd   Urkunden.    Stuttgart  und  Tübingen   1827  ff.   — 
Fürstlich   Braunschweig-Lüneburgische  Zellischen  Theils  Policey-Ord- 
nung  und  andere  .  .  .  Verordnungen  .  .  .   1700.  —  Fürstlich-Hessische 
Landsordnung.    In  der  oberen  Grafschaft  Katzenelnbogen  (Selchows 
Magazin  für  die  teutschen  Rechte  und  Geschichte  I  S.  475  ff.).    Göt- 
tingen   und    Lemgo    1779.    —    Gaupp,    Deutsche    Stadtrechte    des 
Mittelalters.     Breslau    1851  ff.    —    Gengier,    Deutsche    Stadtrechte 
des  Mittelalters.    Erlangen    1852.    —    G  e  n  g  1  e  r,   Die   Quellen  des 
Stadtrechts  von  Regensburg  (Beiträge  zur  Rechtsgeschichte  Bayerns 
III).    Erlangen  und  Leipzig  1892.  —  Göschen,   Die  Goslarischen 
Statuten.    Berlin   1840.   —   Götze,   Die  archivalischen   Sanmilungen 
auf  Schloß  Miltenberg  (Archivalische  Zeitschrift  II  S.  146 ff.).    Zitiert: 
Götze.  —  Grimm,  Weisthümer.    Göttingen  1840 ff.  —  Grote  und 
Broennenberg,    Das    hannoversche    Stadtrecht    (Vaterländisches 
Archiv    des     historischen    Vereins    für    Niedersachsen    Jahrg.    1844 
S.  117 ff.).     Hannover   1846.   —   Hach,   Das   alte   Lübische   Recht. 
Lübeck  1839.    —   Hänselmann,  Urkundenbuch  der  Stadt  Braun- 

xbwdg.      Braunschweig    1873 ff.    —    Hagemann,    Practische    £r- 


—    XXVI    — 

örterungen  aus  allen  Theilen  der  Rechtsgelehrsamkeit.  Fortgesetzt 
von  Spang.enberg.  Forts.  Bd.  I,  der  ganzen  Reihe  Bd.  IX. 
Hannover  1831.  —  Hampe,  Das  partikulare  Braunschweigische  Pri- 
vatrecht. Braunschweig  1896.  —  Des  Heiligen  Römischen  Reichs, 
ohnmittelbarer  Freyer  Ritt  erschafft  der  Sechs  Ort  in  Francken  Er- 
neuerte, vermehrte  und  Confirmirte  Ordnungen.  .  .    Nürnberg  1710. 

—  Heinemann,  Die  statutarischen  Rechte  für  Erfurt  und  sein 
Gebiet.  Erfurt  1820.  —  Hochfürstlich  Paderbörnische  Landes-Ver- 
ordnungen.  .  .  Paderborn  1785 ff.  —  Homeyer,  Sachsenspiegel. 
Berlin  1835.  —  von  Kamptz,  Die  Provinzial-  und  statutarischea 
Rechte  in  der  Preußischen  Monarchie.  Berlin  1826 ff.  —  Kern, 
Deutsche  Hofordnungen  des  16.  und  17.  Jhdts.  (Denkmäler  der 
deutschen  Kulturgeschichte  Abt.  2  Bd.  1,  2).  Berlin  1905.  —  K  e  r  - 
sting.   Die  Sonderrechte  im  Kurfürstenthum  Hessen.    Fulda   1857. 

—  Klöntrupp,  Alphabetisches  Handbuch  der  besonderen  Rechte 
und  Gewohnheiten  des  Hochstifts  Osnabrück.  «Osnabrück  1798 ff.  — 
Kraut,  Das  alte  Stadtrecht  von  Lüneburg.  Göttingen  1846.  — 
K  r  e  n  n  e  r,  Baierische  Landtags-Handlungen.  München  1803  ff.  — 
Kuchenbecker,  Analecta  Hassiaca.  Marburg  1728  ff.  —  L  a  g  e  r. 
Eine  Dienstordnung  für  die  Beamten  und  Diener  des  trierischen 
Domkapitels  (Trierisches  Archiv  I  S.  37  ff.).  Trier  1898.  —  Lam- 
bert, Die  Rathsgesetzgebung  der  freien  Reichsstadt  Mühlhausen 
in  Thüringen  im  14.  Jhdt.  Halle  1870.  ~  Lamprecht,  Deutsches 
Wirtschaftsleben  im  Mittelalter.  Leipzig  1886.  —  Landes-Verordnun- 
gen  der  Grafschaft  Lippe.  Lemgo  1779 ff.  —  Lappenberg,  Die 
ältesten  Stadt-,  Schiff-  und  Landrechte  Hamburgs  I.    Hamburg  1845. 

—  Laßberg,  Schwabenspiegel.  Tübingen  1840.  —  Lehmann, 
Christophonis,  Chronica  der  freyen  Reichs  Stadt  Speier.  3.  Aufl. 
Frankfurt  1698.  —  Maurenbrecher,  Die  Rheinpreußischen  Land- 
rechte. Bonn  1830  ff.  —  von  Maurer,  Das  Stadt-  und  Landrechts- 
buch Ruprechts  von  Freysing.  Stuttgart  und  Tübingen  1839.  —  von 
Maurer,  Geschichte  der  Fronhöfe,  der  Bauernhöfe  und  der  Hof- 
verfassung in  Deutschland.  Erlangen  1862  ff.  —  von  Maurer, 
Geschichte  der  Dorfverfassung.  Erlangen  1865  ff.  —  von  Maurer, 
Geschichte   der   Städteverfassung   in   Deutschland.    Erlangen    1869  ff. 

—  Meyer,  Chr.,  Das  Stadtbuch  von  Augsburg.  Augsburg  1872.  — 
M  i  c  h  e  1  s  e  n,  Sammlung  altdithmarscher  Rechtsquellen.   Altona  1842. 

—  Michelsen,  Rechtsdenkmale  aus  Thüringen.  Jena  1863.  — 
Möller  und  Fuchs,  Sammlung  der  im  vormaligen  Kurf ürsten- 
thume  Hessen  noch  geltenden  gesetzlichen  Bestimmungen  von  1813 
bis  1866.  Marburg  1867.  Zitiert:  MöUer-Fuchs.  —  Mone,  Über  das 
Gesindewesen   im    15.   und   16.   Jhdt.   (Zeitschrift  für  die   Geschichte 


-    XXVII    - 

ues  Oberrheins  I  S.  179  ff.).    Karlsruhe  1850.  —  Le  Moniteur  West- 
ohalien.     Cassel   1807  ff.  —  Monumenta   Germaniae   Historica.   Leges 
:i.  —   Moser,   Reichs  Städtisches   Hand   Buch.    Tübingen   1732 ff. 
-  Moser,  Des  hochlöblichen  Fränckischen  Crayses  Abschiede  und 
Schlüsse.  .  .      Nürnberg    1752.    —    Müller,    Des    heil.    Römischen 
Reichs    .  .  .    Reichs    Tags   Theatrum.     Jena    1713  ff.    —    Niesert, 
Munscersche    Urkundensammlung    III.    Coesfeld    1829.    —    Oberrhei- 
1  ^che  Stadtrechte,  hsg.  von  der  Badischen  Historischen  Kommission. 
Heidelberg    1895  ff.    —    O  e  1  r  i  c  h  s,    Vollständige    Sammlung    alter 
und   neuer    Gesetzbücher    der    kais.    Reichs    Freien    Stadt    Bremen. 
Bremen    1771.    —    von    Olenschläger,    Neue    Erläuterung    der 
goldenen  Bulle.    Frankfurt  und  Leipzig  1766.  —  Origines  Guelficae. 
Hannover  1750 ff.  —  Ortloff,  Sammlung  Deutscher  Rechtsquellen 
H.    Jena    1860.    —    Ost    Friesische    Historie    und    Landesverfassung. 
Aurich  1720.  —  Overmann,  Die  Stadtrechte  der  Grafschaft  Mark 
I:  Lippstadt    (Veröffentlichungen    der    Historischen   Kommission    für 
Westfalen.    Rechtsquellen.    Stadtrechte  I).    Münster  1901.  —  P  a  u  1  - 
scn,  Lehrbuch    des   Privatrechts   der    Herzogthümer    Schleswig   und 
Holstein.    2.   Aufl.    Kiel   1842.   —  Philippi,  Landrechte  des  Mün- 
sterlandes  (Veröffentlichungen  der  Historischen  Kommission  für  West- 
falen.   Rechtsquellen.    Landrechte   I).     Münster    1907.   —   Polizeiord- 
nung  nebst  andern  Verordnungen  für  die  Herzogtümer  Bremen  und 
Verden.    Stade   1711.  —  Pufendorf,   Observationes  iuris  universi. 
Frankfurt    und    Leipzig    1744 ff.,    Hannover    1748.    —    Reyscher, 
Sammlung  der   württembergischen  Gesetze.    Stuttgart   und  Tübingen 
1828 ff.    —    Reyscher,    Sammlung    altwürttembergischer    Statutar- 
rechte.    Tübingen  1834.    -—    von  Richthofe n,  Friesische  Rechts- 
qucUen.   Berlin  1840.  —  von  der  R  o  p  p,  Göttinger  Statuten  (Quellen 
und   Darstellungen    zur    Geschichte    Niedersachsens    25).     Hannover 
1907.   —    Rottmann,    Schauenburgische    Polizeiordnung.     Rinteln 
ni7.   Zitiert:  Rottmann.  —  Sammlung  Fürstlich  Hessischer  Landes- 
Ordnungen  und  Ausschreiben.    Cassel  1767 ff.    Zitiert:  LO.  —  Samm- 
lung von  Gesetzen,  Verordnungen,  Ausschreiben  und  anderen  allge- 
meinen Verfügungen  für   Kurhessen.    Cassel    1813 ff.    Zitiert:   Kurh. 
Ges.   S.   —    Sammlung   der    Gesetze   und   Verordnungen,   welche   in 
dem  Kön.    Preuss.    Erbfürstenthume    Münster    und   in   den   standes- 
heirlichen  Gebieten  Horstmar,  Rheina-Wolbeck,  Dülmen  und  Ahaus- 
Bocholt-Werth  .  .  .  ergangen  sind.    Münster  1842.  —  Sammlung  der 
hochfürstlich-wirzburgischen  Landesverordnungen.   Würzburg  1776.  — 
Samndung,   neue    und   vollständigere,   der    Reichs-Abschiede.     Frank- 
to  1747.    —    Sattler,  Geschichte  des   Herzogthums  Würtenberg 
unter  den  Graven.    V.    Ulm  1768.  —  Schaumburg-Lippische  Landes- 


-    XXVIII    - 

Verordnungen.     Bückeburg    1804 ff.    —    Schlüter,    Provinzialrecht 
der  Provinz  Westfalen.    Leipzig   1829 ff.   —    Schmid,  Ludwig,    Ge- 
schichte der  Pfalzgrafen  von  Tübingen.  Tübingen  1853.  —  Schmidt, 
Johannes,   Aeltere  und  neuere  Gesetze,   Ordnungen  und  Circular-Be- 
fehle  für  das   Fürstenthum  Weimar   und   für  die  Jenaische   Landes- 
Portion.     1800 ff.    —    Schmincke,    Monimenta    Hassiaca.     Cassel 
1747  ff.    —    Schott,    Sammlungen    zu    den    Deutschen    I-and-    und 
Stadtrechten.     Leipzig    1772.    —   Schrader,    Handbuch   der   vater- 
ländischen Rechte  III.    Hamburg  1793.  —  Schreiber,  Urkunden- 
buch  der  Stadt  Freiburg  im  Breisgau.    Freiburg   1828.  —  S  c  o  1 1  i, 
Sammlung  der  Gesetze  und  Verordnungen,  welche  in  dem   Herzog- 
thum  Cleve  und  in  der  Grafschaft  Mark  .  .  .  ergangen  sind.    Düssel- 
dorf  1826.   —   Scotti,   Sammlung   der   Gesetze  und  Verordnungen, 
welche  in  den  ehemaligen  Herzogthümern  Jülich,  Cleve  und  Berg  ,  .  . 
ergangen   sind.    Düsseldorf   1821  f.   —   Scotti,   Sammlung  der    Ge- 
setze   und    Verordnungen,    welche    in    dem    vormaligen    Churfürsten- 
thum    Köln    .  .  .    ergangen    sind.     Düsseldorf    1830  ff.    —    Scotti, 
Sammlung;    der    Gesetze    und    Verordnungen,    welche    in    dem    vor- 
maligen Churfürstenthum  Trier  .  .  .  ergangen  sind.    Düsseldorf  1832. 

—  Scotti,  Sammlung  der  Gesetze  und  Verordnungen,  welche  in 
den  vormaligen  Wied-Neuwiedischen  .  .  .  Landes  Gebieten  ...  er- 
gangen sind.  Düsseldorf  1836.  —  Seestern-Paul y.  Die  Neu- 
münsterschen  Kirchspiels-  und  die  Bordesholmer  Amtsgebräuche. 
Schleswig  1824.  —  Seibert z,  Urkundenbuch  zur  Landes-  und 
Rechtsgeschichte  des  Herzogthums  Westfalen.  Arnsberg  1843.  — 
Senckenberg,  Corpus  iuris  Germanici.  Frankfurt  1760 ff.  — 
Siebenkees,  Beyträge  zum  teutschen  Rechte  II.    Nürnberg  1786. 

—  S  i  m  r  o  c  k.  Die  deutschen  Sprichwörter.  Frankfurt  1846.  — 
Spangenberg,  Sammlung  der  Verordnungen  und  Ausschreiben, 
welche  für  samtliche  Provinzen  des  Hannoverschen  Staates  ...  er- 
gangen sind.  Hannover  1819  ff.  —  S  p  a  n  n  a  g  e  1,  Ravensbergische 
Landesordnung  vom  Jahre  1655  und  Ravensbergische  Landpolizei- 
ordnung vom  Jahre  1687  (13.  Jahresbericht  des  Historischen  Vereins 
f.  d.  Grafschaft  Ravensberg  S.  124).  Bielefeld  1899.  —  Stauden- 
raus,  Chronik  der  Stadt  Landshut  in  Bayern.  Landshut  1832.  — 
Stein,  Akten  zur  Geschichte  der  Verfassung  und  Verwaltung  der 
Stadt  Köln  im  14.  und  15.  Jhdt.  (Publikation  der  Geselbchaft  für 
Rheinische  Geschichtskunde  10).  Bonn  1893 ff.  —  Steinhoff,  Das 
Moringer  Stadtrecht.  Aus  dem  Moringer  Copialbuch  (Zeitschrift  für 
Rechtsgeschichte  VII  S.  290  ff.).  —  Stobbe,  Geschichte  der 
-deutschen  Rechtsquellen.  Braunschweig  1860 ff.  —  Strenge  und 
Devrient,    Stadtrechte   von    Eisenach,    Gotha    und   Waltershausen 


~    XXIX    - 

Ibüringische  Geschichtsquellen  9).  Jena  1909.  —  Sudbrack,  Aus- 
.Tg  aus  der  (ravensberger)  Gesindeordnung  vom  Jahre  1766  (Ravens- 
Derger  Blätter  für  Geschichts-,  Volks-  und  Heimatskunde  9.  Jahrg. 
5.  62).  Bielefeld  1909.  —  Thorsen,  Die  dem  Jütischen  Low  ver- 
sandten Stadtrechte.  Kopenhagen  1855.  —  Wackernagel, 
Schwabenspie^^el.  Zürich  und  Frauenfeld  1840.  —  W  a  1  c  h,  Ver- 
niächte  Beyträ£^e  zum  deutschen  Recht.  Jena  1771  ff.  —  Walt  her, 
Liierärisches  Handbuch  für  Geschichte  und  Landeskunde  von  Hessen. 
Darmstadt  1841.  —  von  Weber,  Darstellung  der  sämtlichen  Provin- 
rai-  und  Statutar-Rechte  des  Königreichs  Bayern.  Augsburg  1838  ff.  — 
Weiske-Hildebrand,   Sachsenspiegel.    8.   Aufl.    Leipzig    1905. 

-  de  Westenriede r,  Glossarium  Germanico-Latinum  L  Mün- 
chen 1816.  —  von  Wicht,  Das  Ostfriesische  Landrecht.   Aurich  1746. 

-  Wigand,  Archiv  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  West- 
phalens.  Lemgo  1825  ff.  —  W  i  g  a  n  d.  Die  Provinzialrechte  des 
Furstenthums  Minden.  .  .  Leipzig  1834.  —  Württembergische  länd- 
liche Rechtsquellen,  hsg.  von  der  K.  Württ.  Kommission  für  Landes- 
geschichte. 1.  Bd.  Die  östUchen  schwäbischen  LandesteUe,  bearb. 
von  F.  W  i  n  1 1  e  r  1  i  n.  Stuttgart  1910.  —  Zobel,  Sachsenspiegel. 
Ausgaben  von  1553  und  1561.  —  Zopf  1,  >Das  alte  Bamberger 
Recht  als   Quelle   der   Carolina.    Heidelberg   1839. 

2.  Darstellungen. 

d'A  V  e  n  e  1,  Histoire  ^conomique  de  la  propri^t^,  des  salaires,  des 
denrees  et  de  tous  les  prix  en  g^ndral.  Paris.  1894  ff.  —  B  a  c  h  m  a  n  n, 
Geschichte  der  Kirchenzucht  in  Kurhessen.  Marburg  1912  (Teil- 
druck als  marburger  theologische  Dissertation  1910  erschienen),  — 
Baumann,  Das  Gesinderecht  auf  Grundlage  des  gemeinen  Rechts 
und  seiner  Ausbildung  in  Kurhessen.  Cassel  1865.  Zitiert:  Baumann. 
»-  Behaegel,  Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du  Co- 
mite  central  du  travaü  industriel  XI  S.  484  ff,  648  ff.,  656  ff.).  Brüssel 
1905.  Ferner  abgedruckt  in  Annalen  van  den  ;oudheidskundigen 
^Dg  van  het  land  van  Waas  (Annales  du  Cercle  arch^ologique  du 
pa>"s  de  Waas)  23.  d.  S.  10  ff.  —  von  B  e  1  o  w,  Art.  Preistaxen  im 
Wörterbuch  der  Volkswirtschaft.  —  Brandt,  Der  Bauer  und  die 
bäuerlichen  Lasten  im  Herzogtum  Sachsen- Altenburg  vom  17.  bis 
wm  19.  Jhdt.  (Geschichtliche  Untersuchungen,  hsg.  Lamprecht  III 
f'-  Gotha  1906.  —  von  Brünneck,  Art.  vGesindeverhältnis  im 
Handwörterbuch  der  Staatswissenschaften.  —  Brunner,  Deutsche 
Rcchlsgcschichte  I,  2.  Aufl.  Leipzig  1906;  II  daselbst  1892  (Bindings 
Handbuch   II    1).    —    Brunn  er,    Forschungen   zur    Geschichte   des 


—    XXX    — 

deutschen  und  französischen  Rechts  (Gefolgswesen).  Stuttgart  1894. 
— -  Bücher,  Die  Entstehung  der  Volkswirtschaft  4.  Aufl.  Tübingen 
1904.  —  B  ü  f  f,  Kurhessisches  Kirchenrecht.  Cassel  1861.  —  C  o  n  - 
s  e  n  t  i  u  s,  Die  Dienstbotenfrage  im  alten  Berlin  (Preußische  Jahr- 
bücher 126  S.  111  ff.).  Berlin  1906.  —  Curtze,  Geschichte  und 
Beschreibung  des  Fürstenthums  Waldeck.  Arolsen  1850.  —  Dorn, 
Versuch  einer  ausführlichen  Abhandlung  des  Gesinderechts.  Erlangen 
1794.  Zitiert:  Dorn.  —  Elster,  Art.  Gesindeverhältnis  im  Wörter- 
buch der  Volkswirtschaft.  —  Emminghaus,  Vom  Gesindezwang^s- 
dienst  und  dessen  Abschaffung.  Jena  1826.  —  Emminghaus, 
Art.  Gesinde  in  Ersch  und  Grubers  Enzyklopädie  Bd.  64.  — 
Ephraim,  Die  Stellung  der  Dienstboten  im  18.  Jhdt.  (Die 
Frauenbewegung  6  S.  11).  Berlin  1900.  —  Estor,  Bürger- 
liche Rechtsgelehrsamkeit  der  Teutschen.  Marburg  1757  ff.,  Frank- 
furt 1 767.  —  de  Ferri^re,  Claude  -  Joseph,  Dictionaire  de 
droit  et  de  pratique.  4.  ^d.  Paris  1758.  —  Frank,  Johann  Philipp, 
System  der  landwirtschaftlichen  Polizey.  Leipzig  1789 ff.  —  Frauen- 
Stadt,  Zur  Geschichte  des  ländlichen  Gesindewesens  in  den 
preußischen  Ostprovinzen  (Zeitschrift  für  Sozialwissenschaft  1900). 
Zitiert :  Frauenstädt.  —  von  Freyberg,  Pragmatische  Geschichte 
der  bayerischen  Gesetzgebung  und  Staatsverwaltung  seit  den  Zeiten 
Maximilians  I.  Leipzig  1836  ff.  —  Friedrich,  Wirtschaftsgeographie 
2.  Aufl.  Leipzig  1907.  —  Fuchs,  Art.  Bauer  und  Gutsherrschaft 
im  Wörterbuch  der  Volkswirtschaft.  —  Fuchs,  Der  Untergang  des 
Bauernstandes  und  das  Aufkommen  der  Gutsherrschaften  (Abhand- 
lungen aus  dem  staatswissenschaftlichen  Seminar  zu  Straßburg  VI). 
Straßburg  1888.  Zitiert:  Fuchs.  —  Gaul,  Die  persönlichen  und 
wirtschaftlichen  Verhältnisse  des  Bauernstandes  im  Fürstentum  Solras- 
Braunfels  in  tausendjähriger  Entwicklung  vom  9. — 19.  Jhdt.  Jena 
1904.  —  Gierke,  Deutsches  Privatrecht  (Bindings  Handbuch  II  3). 
Leipzig  1895  ff.  —  Gierke,  Schuld  und  Haftung  (Untersuchungen 
zur  deutschen  Staats-  und  Rechtsgeschichte  100).  Breslau  1910.  — 
von  der  Goltz,  Geschichte  der  deutschen  Landwirtschaft.  Stutt- 
gart 1902  ff.  —  von  der  Goltz,  Die  sociale  Bedeutung  des  Gesinde- 
wesens. Danzig  1873.  —  Grimm,  Deutsche  Rechtsalterthümer.  Göttin- 
gen 1828 ;  4.  Aufl.  1899.  —  Großmann,  Ueber  die  gutsherrlich-bäuer- 
lichen Rechtsverhältnisse  in  der  Mark  Brandenburg  (Staats-  und  sozial- 
wissenschaftliche Forschungen  IX  4).  Leipzig  1890.  —  Harprecht, 
Dissertatio  de  iuribus  domesticorum.  Tübingen  1685.  —  Hede  mann, 
Die  Fürsorge  des  Gutsherrn  für  sein  Gesinde  (Festgabe  für  Felix 
Dahn).  Breslau  1905.  Zitiert :  Hedemann.  —  Hertz,  Die  Rechts 
Verhältnisse  des   freien   Gesindes   nach   den   deutschen  Rechtsquellen 


—    XXXI    - 

des  Mittelalters  (Untersuchungen  zur  deutschen  Staats-  und  Rechts- 
gwchichte  6).  Breslau  1879.  Zitiert:  Hertz.  —  Heß  1er,  Hessische 
Landes-  und  Volkskunde.  Marburg  1904  ff.  —  H  e  u  s  1  e  r,  Institu- 
tionen des  deutschen  Privatrechts  (Bindings  Handbuch  II  2,  12). 
Leipzig  1885  ff.  —  H  e  y  m  a  n  n,  Besprechung  von  Lennhoffs  Ge- 
sindewesen (Zeitschrift  der  Savignystiftung  Germ.  Abt.  28  S.  600).  — 
Heyne,    Fünf    Bücher   deutscher    Hausaltertümer    I.     Leipzig    1899. 

—  H  o  m  e  y  e  r.  Der  Dreißigste  (Abhandlungen  der  Berliner  Akademie 
d.    W.    1864).     —    Jnama-Sternegg,     Deutsche    Wirtschaf tsge- 
geschichte.    Leipzig  1879  ff.  —  Kahler,  Gesindewesen  und  Gesinde- 
recht  in    Deutschland   (Sammlung   nationalökonomischer   und   statisti- 
scher  Abhandlungen  des   Staatswissenschaftlichen   Seminars  in   Halle 
11'.    Jena   1896.    Zitiert:  Kahler.    —    Kamann,  Altnürnberger  Ge- 
sindewesen (Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Nürn- 
berg   14.    Heft    1901).    Zitiert:   Kamann.    —   Kant,    Metaphysik   der 
Sitten.    1.  Metaphysische  Anfangsgründe  der  Rechtslehre.    1797.    Aus- 
gabe der  Philosophischen  Bibliothek  Leipzig  1870.  —  Kindlinger, 
Ceschichte   der  deutschen  Hörigkeit.    Berlin   1819.   —  Knapp,  Die 
Bauernbefreiung  und  der  Ursprung  der  Landarbeiter  in  den  älteren 
Xheilen  Preußens.    Leipzig  1887.  —  K  n  o  t  h  e,  Die  Stellung  der  Guts- 
unterthanen    in    der    Oberlausitz    zu    ihren    Gutsherrschaften    (Neues 
L^nsitzisches   Magazin  61).    Görlitz  1885.    Zitiert :  Knothe.  —  K  o  1 1  - 
mann,  Geschichte  und  Statistik  des  Gesindewesens  in  Deutschland 
{Jahrbücher  für  Nationalökonomie  und  Statistik  10).  Jena  1868.  Zitiert: 
Kollmann.    —    Kopp,    Handbuch    der    Hessen-Casselischen    Landes- 
verfassung.   Cassel  1796 ff.  —  Kopp,  Ausführliche  Nachrichten  von 
der   älteren    und   neueren   Verfassung   der   Geistlichen   und   Civil-Ge- 
ricbten   in   Hessen.    Cassel   1769  ff.   —   Kopp,   Bruchstücke  zur  Er- 
läuterung   der    teutschen    Geschichte    und    Rechte.     Cassel    1799.    — 
Krünitz,    Oekonomische    Encyclopädie    17.    2.   Aufl.     Berlin    1787. 

—  Lennhoff,  Das  ländliche  Gesindewesen  in  der  Kurmark  Bran- 
denburg vom  16.  bis  19.  Jhdt.  (Untersuchungen  zur  deutschen  Staats- 
ttod  Rcchtsgeschichte  79).  Breslau  1906.  Zitiert:  Lennhoff.  —  Le- 
wis^ Succession  des  Erben  in  die  Obligationen  des  Erblassers.  Berlin 
1864.  —  Löning,  Der  Vertragsbruch  und  seine  Rechtsfolgen  I. 
Letpcig  1876.  Zitiert :  Löning.  —  L  o  t  m  a  r,  Der  Arbeitsvertrag  nach 
den  Privatrecht  des  Deutschen  Reiches.  Leipzig  1902 ff.  —  Lud- 
9 ig.  Die  Gesindevermittlung  in  Deutschland  (Zeitschrift  für  die  ge- 
sunte  Scaatswissenschaft,  Ergänzungsheft  10).  Tübingen  1903.  — 
des  Marez,  Les  bureaux  de  placement  ä  Bru.xelles;  le  projet  de 
Fnm^ois  Feig^neaux  1791  (Revue  de  TUniversitö  de  Bruxelles  10 
S.  241  ff,).     Brüssel    1906.   —   Most,    Ein    Beitrag   zur    historischen 


-    XXXII    - 

Lohnstatistik    der    häuslichen   Dienstboten   (Jahrbücher   für    National- 
ökonomie und  Statistik  92  [3.  F.  37.  Bd.]  S.  219  ff.).    Jena  1910.   — 
N  e  u  m  a  n  n,  Anna,  Die  Bewegung  der  Löhne  der  ländlichen  „freien** 
Arbeiter   .  .  .   (Landwirtschaftliche  Jahrbücher  40.  Bd.    Erg.   Bd.    3). 
Berlin    1911.    —    Pfeiffer,    Geschichte    der    landständischen    Ver- 
fassung  in    Kurhessen.     Cassel    1834.    —    P  1  a  t  z  e  r,    Geschichte    der 
ländlichen  Arbeitsverhältnisse  in  Bayern  (Altbayerische  Forschungen 
II,  III).    München  1904.    Zitiert:  Platzer.    —    Reitzenstein,  Der 
Arbeitsnachweis  (Schriften  der   Centralstelle  für  Arbeiter-Wohlfahrts- 
einrichtungen  Bd.    2).     Berlin    1897.    —    von    Rohrscheid t,    Die 
Geschichte   der   Polizeitaxen  in  Deutschland   und   Preußen   und   ihre 
Stellung  in  der  Reichsgewerbeordnung  (Jahrbücher  für  Nationalöko- 
nomie und  Statistik  51  S.  353).  —  von  Rohr  scheid t,  Art.  Preis- 
taxen  im   Handwörterbuch  der   Staatswissenschaften.   —   R  o  m  m  e  1, 
Geschichte  von  Hessen.   Marburg  und  Cassel  1820 ff.   Zitiert:  Rommel. 

—  Roth-Meibom,    Kurhessisches   Privatrecht    I.    Marburg    1858. 

—  Rothenbücher,  Geschichte  des  Werkvertrages  nach  deut- 
schem Recht  (Untersuchungen  zur  deutschen  Staats-  und  Rechtsge- 
schichte 87).  Breslau  1906.  —  de  R  y  c  k  e  r  e,  La  servante  criminelle. 
Paris  1908.  —  Schröder,  Lehrbuch  der  deutschen  Rechtsgeschichte. 
ö.  Aufl.  Leipzig  1907.  —  S  i  c  k  e  1,  Die  Bestrafung  des  Vertragsbruchs. 
Leipzig  1876.  Zitiert :  Sickel.  —  Silbermann,  Gesindezwangs- 
dienst   in    der    Mark    Brandenburg.     Greifswalder    Dissertation    1897. 

—  S  i  p  p  e  1,  Das  bamberger  Dienstboten- Institut  (Festschrift  zum 
100  jährigen  Jubiläum  des  allgemeinen  Krankenhauses  zu  Bamberg). 
Bamberg  1889.  —  von  Sonnenfels,  Grundsätze  der  Polizey-, 
Handlungs-  und  Finanzwissenschaft.  Wien  1765.  3.  Aufl.  1777.  — 
Steffen,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Gesindes  in  Preußen  am 
Ausgange  des  Mittelalters.  Königsberger  Dissertation  1903.  Zitiert: 
Steffen.  —  Stier-Somlo,  Deutsche  Sozialgesetzgebung.   Jena  1907. 

—  S  t  i  1 1  i  c  h,  Die  Lage  der  weiblichen  Dienstboten  in  Berlin.  Berlin 
1902.  Zitiert :  Stillich.  —  S  t  o  b  b  e,  Reurecht  und  Vertragsschluß 
(Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  13).  —  Stobbe-Lehmann,  Hand- 
buch des  deutschen  Privatrechts.  3.  Aufl.  Berlin  1893  ff,  —  S  ü  s  - 
k  i  n  d.  Das  Gesinderecht  der  Provinz  Hessen-Nassau  (Arbeiten  zum 
Handels-,  Gewerbe-  und  Landwirtschaftsrecht  Nr.  I).  Marburg  1908. 
Zitiert:  Süskind.  —  Thomas,  Sistem  aller  fuldischen  Privatrechte. 
Fulda   1788  ff.   —  Verein  für  Sozialpolitik.    Schriften  Bd.   7,   53-58. 

—  Weinhold,  Die  deutschen  Frauen  in  dem  Mittelalter.  Wien 
1851.  2.  Aufl.  Wien  1882.  —  Willems  en,  De  Loonquaestie 
in  Vlaandern  op  het  einde  der  XIV±  eeuw  (Annalen  van  den  oud- 
heidskundigen  kring  van  het   Land  van  Waas,   23.   d.   S.   10  ff.).   — 


-    XXXIII    - 

W  i  1 1  i  c  h.  Die  Gnindherrschaft  in  Nordwestdeutschland.  Leipzig  1896. 
—  W  o  1  f  f ,  Vemünfftige  Gedancken  von  dem  Gesellschaftlichen  Leben 
der  Menschen.  .  .  Frankfurt  und  Leipzig  1721.  3.  Aufl.  1732.  — 
W  u  1 1  k  e,  Gesindeordnungen  und  Gesindezwangsdienst  in  Sachsen 
(Staats-  und  sozialwissenschaftliche  Forschungen  XII  4).  Leipzig  1898. 
Zitiert :  Wuttke.  —  Zwiedineck-Südenhorst,  Lohnpolitik  und 
Lohntheorie.    Leipzig  1900. 

3.  Wichtigere  lehrhafte  und  belletristische  Schriften 
älterer  2^it  zum  Gesindewesen. 

A 1  b  e  r  u  s ,    Erasmus,     Das    Ehbüchhn.     o.    O.    1539.    —    Der 
Christlicshe  Dienstbothe.    Lübben  1729  (zit.  bei  Georgi,  Bücher-Lexi- 
kon,    1742,    S.    337).    —    Colerus,    Johannes,    Oeoonamia    nuralis 
et   domestica.    Frankfurt  1593.    Neue  Ausgabe  1672.  —  Der  getreue 
Dienstbothe.     Stettm   1727   (zit.   bei   Georgi   a.   a.    O.).   —   Glaser 
Peter,  Gesind-Teuffel.    Frankfurt  1664.  —  Gotthelf,  Jeremias,  Uli 
der   Knecht.    Solothum  1841.  ~  Ludwig,  Otto,  Die  Emanzipation 
der  Domestiken.    1843.  —  Menagius,  Philipp,  Die  sieben  Teuffei, 
welche  die  heutigen  Dienstmägde  beherrschen  und  verführen.    Frank- 
furt   1693  (zit.   bei  Goedeke,   Grundriss,   2.  Aufl.    Bd.   II   S.  483).  — 
Moser,   Justus,   Patriotische  Phantasien   1774.   —  Neuer   Ratschluss 
der  Dienst-Mägde.    Flugschrift.    Nürnberg  1652.  —  Riehl,  Wilhelm 
Heinrich,  Naturgeschichte  des  Volks  als  Grundlage  einer  deutschen 
Socialpolitik.     III.    Die   Familie.    Stuttgart   1855.    —    Ringwald t, 
BaxthofemäuSy  Die  lauter  Warheit.   Erfurt  1586.  —  Schupp,  Johann 
Balthasar,  Sieben  böse  Geister,  welche  Knechte  und  Mägde  regieren. 
1658.  —  Swift,  Jonathan,  Rules  that  concern  all  servants  in  gene- 
ral  (Works,   ed.   London  1760  Bd.   12  S.   Iff.;   ed.   Edinburgh   1768 
Bdt  9  S.  178  ff.). 

Eine  reichhaltige  Literatur,  Schwanke,  Lieder  und  sonstiges,  mit 
Klagen  und  Spott  über  des  Gesindes  viele  Tücken  entstand  vornehm- 
lich in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhdts.,  im  Reformationszeitalter,  und 
dann  späterhin  in  der  Zeit  der  Moralisten  und  Satiriker  (17.,  18.  Jhdt.). 
Diese  vielen  Schriften  können  auch  nur  dem  Titel  nach  hier  nicht  an- 
geführt werden.    Es  genügt,  hierfür  auf  Goedekes  Grundriss  (2.  Aufl.) 
2U  Fcrweiseiiy  woraus  —  willkürlich  gewählt  —  nur  folgende  Beispiele 
iherer  Literatur    genannt   seien:    „Wie   die    magd   den    hausknecht 
erachreckt",  1464  (GoedekeO  I  ,S.  300  Nr.  13).   „Von  knecht  Heinrich 
und  der    bauerdirne",    1414—1416   (Goed.    I    S.    301    Nr.   34).    „Ain 
Spruch  von  ainer  frawen  und  ir  maid,  wie  sy  mit  einander  kriegeten" 
(Goed.  I  iS-   ^^^  ^^'  ^^)"    Hans  Foltz,  Von  einem  wirtsknecht  und 


—    XXXIV    — 

der  hausmeit  (Goed>  I  S.  331  Nr.  30).  Ambroskis  Österreicher, 
Meisterlied  „Ein  schön  new  Lied,  von  einer  geneschigen  Meyd, 
die  zwey  hüner  frass"  (Goed.  II  S.  260  Nr.  41  c).  Henrich  Goetting^, 
Niemandt:  Wie  fast  Jedermann  an  ihm  wil  Ritter  werden.  Allen 
Haussherren  und  Frawen,  so  stets  mit  Gesiade  umbgehen  .  .  nütz- 
lich .  .  kurtzweaig  zu  lesen.  Erfurt  1685  (Goed.  II  S.  285  Nr.  77). 
Reiche  Ausbeute  geben  Hans  Sachsens  Werke  (Goed.  IIS.  408  ff.). 
Die  oben  S.  XXIV  Anm.  genannte  ungedruckte  Bibliographie  Hug^o 
H  a  y  n  s  wird  wohl  noch  manches  schöne  Stück  enthalten.  Vg^l. 
auch  unten  S.  32.  —  In  diesem  Zusammenhange  darf  wohl  auf  zwei 
moderne  psychologische  Meisterwerke  der  Gesindeliteratur  hingewiesen 
werden:  Tolstois  Herr  und  Knecht  (1895)  und  Mirbeaus 
Journal  d'une  femme  de  chambre  (Paris  1900). 

4.  Aus  der  Literatur  zu  einer  neuzeitlichen  Gesindepolitik. 

B  u  n  z  e  1,  Die  Landarbeiterfrage  (Archiv  für  soziale  Gesetzgebung 
und  Statistik  24  S.  433,  680).  —  B  u  n  z  e  1,  Die  Lage  der  ungarischen 
Landarbeiter  (Archiv  für  Soziale  Gesetzgebung  und  Statistik  17,  S.  341). 

—  Conrad  Else,  Das  Dienstbotenproblem  in  den  nordamerika- 
nischen Staaten  und  was  es  uns  lehrt.  Jena  1908.  —  Conrad  (Kesten), 
Else,  Zur  Dienstboten-Frage.  Erhebungen  der  Arbeiterinnenschutz - 
kommission  des  Bundes  deutscher  Frauenvereine  (Archiv  für  Sozial- 
wissenschaft und  Sozialpolitik  31  S.  520).  —  Damme,  Die  Dienst- 
botenfrage (Preußische  Jahrbücher  100  S.  116).  —  Deutsche  Dienst- 
botenzeitung, hsg.  Marie  Heller.  Berlin  seit  1908.  —'Eckert,  Wirt- 
schaftliche Krise  und  Dienstbotenmangel  (Soziale  Praxis  9  Sp.  1302). 

—  Eiben,  Zur  Dienstbotenfrage  (Die  Frauenbewegung  1901  S.  11, 
28).  —  Fischer,  Edmund,  Die  Dienstbotenfrage  (Sozialistische 
Monatshefte  HS.  1006).  —  Förster,  Die  Dienstbotenfrage  und  die 
Hausfrauen.  Ein  Problem  der  Frauenbiddung.  Zürich  1912.  —  Fuld, 
Das  Bürgerliche  Recht  und  das  Gesinderecht  (Archiv  für  öffentliches 
Recht  14  S.  93 ff.).  —  Fuld,  Das  Gesinde  und  die  Sozialgesetz- 
gebung (Jahrbücher  für  Nationalökonomie  und  Statistik  65  S.  64  ff.). 

—  Gnauck-Kühne,  Dienstbotenmangel  und  Frauenfrage  (Soziale 
Praxis  10  Sp.  449,  593).  —  Hedemann,  Zur  Reform  des  Ge- 
sinderechts (Deutsche  Juristenzeitung  11  Sp.  1338).  —  Heymann, 
Der  Dienstvertrag  der  landwirtschaftlichen  Arbeiter  mit  Rücksicht 
auf  das  Bürgerliche  Gesetzbuch  (Zeitschrift  der  Landwirtschafts- 
kammer  für  die  Proviaiz  Schlesien  I,  1897,  Beilage  S.  40).  —  Hey- 
mann, Besprechung  von  Kählers  Gesindewesen  (Jahrbücher  für  Na- 
tionalökonomie und   Statistik  70  S.  262  ff.).   --   Hirtenbrief  ...  des 


-    XXXV    — 

Hochwürdigsten  -  Herrn   Sigismund   Felix   Bischof  es   von    Passau   .  .  . 
1909.    Passau   1909.  —  Kahler,  Dien^tbotenfrage  und  Gesindeord- 
nong  (Soziale  Praxis  1909  Sp.  1329,  1353).  —  Kl  e  eis,  Sozialreform 
für  das  Gesinde  (Sozialistische  Monatshefte  14  S.  463).  —  Leo,  Zur 
Dienstbotenfrage  (Soziale  Praxis  17  Sp.  1177).  —  Lüders,  Organi- 
sadonsbestrebungen  der.  Dienstboten  und  Landarbeiter  (Soziale  Praxis 
17  Sp.  996).  —  Maurenbrecher,  Hulda,  Dienstbotenproblem  und 
Frauenbewegung  (Der  Arbeitsmarkt   14  Sp.  91).   —   Maurenbre- 
cher, Hulda,  Das  Dienstbotenproblem  in  den  intellektuellen  Kreisen 
f Sozialistische   Monatshefte   13  S.    1618).   —   M  e  n  g  e  r,   Das   Bürger- 
liche   Recht    und   die    besitzlosen   Volksklassen.     Tübingen    1904.    — 
Müll  er,    Paula,   Reformbestrebungen  in  der  Dienstbotenfrage  (Zen- 
tralblatt des  Bundes  deutscher  Frauenvereine  12  Nr.  11,   12,   13).  — 
Nußbaum,  Die  Reform  des  Gesinderechts  (Deutsche  Juristenzeitung 
6   S.  520).    —    Pieper,    Zur    Dienstbotenfrage    (Soziale    Kultur    26 
S.  793).   —  Pieper,  Dienstbotenfrage  und  Dienstbotenvereine  (So- 
ziale Tages-Fragen,  hsg.  vom  Volksverein  für  das  katholische  Deutsch- 
land  21).    M.-Gladbach  1908.    —    Protokoll  über  die  Verhandlungen 
des    Parteitages    der   sozialdemokratischen    Partei    Deutschlands    .  .  . 
zu  Mannheim  .  .  .  1906,  sowie  Bericht  über  die  4.   Frauenkonferenz. 
Berlin   1906   (S.   414,   430).    —    Schnapper-Arndt,    Zur   Dienst- 
botenfrage  (Die   Gesellschaft   1^97   S.  262).   —   Schwechler,   Die 
stadtischen    Hausdienstboten   in    Graz    (Veröffentlichungen    des    Stati- 
stischen Seminars  der  Universität  Graz  1).    Graz  1903.  —  Silber- 
mann.  Zur  Dienstbotenfrage  (Sozialpolitisches  Zentralblatt  2  S.  401). 
—  Stenographische  Berichte  über  die  Verhandlungen  des  preußischen 
Abgeordnetenhauses  1898  S.  2069 ff.,  2103 ff.;  1899  S.  428 ff.,  453 ff., 
498 ff.,    1999 ff.,    2040 ff.,    2131  ff.;    19.    Leg.-Per.    5.    Sess.    1903    Sp. 
4718 ff.;  20.  Leg.-Per.  1.  Sess.  1904,  1905  Sp.  838 ff.,  5718 ff;  20.  Leg.- 
Per.  4.   Sess.    1907,    1908  Sp.   285 ff.,   745 ff.,   4903.   —   Susmann, 
Die  Dienstbotenbewegung  (Soziale  Praxis  15  Sp.  449).  —  Susmann, 
Zur  Dienstbotenfrage  (Soziale  Praxis  15  Sp.  1353;  16  Sp.  10,  41).  — 
V  i  e  r  s  b  e  c  k,    Doris,    Erlebnisse    eines    hamburger    Dienstmädchens 
(Lebensschicksale   Bd.   4).    München   1910  (hierzu   Archiv  für   Sozial- 
wissenschaft und  Sozialpolitik  31  S.  948).  —  Wulff  en.  Zur  Psycho - 
k)gie  des   Dienstboten.    Ein   Beitrag  zur   Reform   des   Gesinderechts 
(Gesetz  und  Recht  10  S.   153).   —  Zehnder,   Neue  Wege  in  der 
Dienstbotenfrage    (Neue    Wege,    Blätter   für    religiöse    Arbeit,    Basel, 
4  S.  337). 

Die  oben  unter  2  angeführten  Darstellungen  des  Gesindewesens 
enthalten  bisweilen  als  Schlußkapitel  Zukunftsbetrachtungen  mit  mehr 
oder  weniger  glücklichen  Vorschlägen  de  lege  ferenda;  dieser  Hin- 
weis mag  genügen. 


—    XXXVI 


Zusammenstellung  der  Abkürzungen. 

Die  oben  unter  Abt.  2  genannten  Werke  von  Baumann,  Dorn, 
Frauenstädt,  Fuchs,  Götze  (s.  Abt.  1),  Hedemann,  Hertz,  Kahler, 
Kamann,  Knothe,  Kollmann,  Löning,  Möller-Fuchs  (s.  Abt.  1),  Platzer, 
Rommel,  Sickel,  Steffen,  Stillich,  Süskind,  Wuttke  sind  regelmäßig 
nur   mit   dem   Verfassernamen  zitiert. 

Abgekürzt  angeführt  sind  gewöhnlich  die  großen  Nachschlage- 
werke (Grimms  Wörterbuch,  du  Gange  [Ausgabe  1840  ff.],  SchUler- 
Lübben,   Schmeller,   Handwörterbuch  der  Staatswissenschaften  usw.). 

Es  bedeutet: 
Kurh.  Ges.  S.  =  Sammlung  von  Gesetzen  .  .  .  für  Kurhessen. 
LO.  =  Sammlung  Fürstl.  Hessischer  Landes-Ordnungen. 
RG.   (Brunner,   Schröder)  =  Rechtsgeschichte. 

Sav.-Ztschr.  D.  A.  =  Zeitschrift  dep  Savigny -Stiftung  für  Rechtsge- 
schichte.    Germanistische    Abteilung. 
WB.   =  Wörterbuch. 
Kr.  A.  =  Kreisarchiv. 
L.  A.  =  Landesarchiv. 
St.    A.    =   Staatsarchiv. 


XXXVII    — 


Bemrtzte  Archive,  Bibliotheken  und  sonstige  öffentliche 

Sammlnngen. 

Aachen:  Stadtarchiv.  —  A  m  b  e  r  g :  Kgl.  Kreisarchiv,  r— 
Amöneburg  (Hessen):  Stadtarchiv.  —  Arolsen:  Bibliothek  der 
Försd.  Regierung.  —  A u r i c h :  Kgl.  Staatsarchiv.  —  Bamberg: 
KgL  Kreisarchifv ;  Magistratsbibliothek.  —  Berlin:  Kgl.  Geh.  Staats- 
archiv; Kgl.  Bibliothek.  —  Braunfels:  Gräfl.  Solmssches  Archiv. 

—  Breslau:  Kgl.  Universitätsbibliothek.  —  Cassel:  Landesbiblio- 
thek; Murhardsche  Bibliothek;  Bibliothek  des  Kgl.  Oberlandesge- 
richts; Bibliothek  der  Kgl.  Regierung.  —  Darmstadt:  Großh. 
Hans-  und  Staatsarchiv.  —  Düsseldorf:  Kgl.  Staatsarchiv.  ^- 
Erlangen:  Kgl.  Universitätsbibliothek.  —  Essen:  Bibliothek  des 
Vereins  für  die  bergbaulichen  Interessen  im  Oberbergamtsbezirk  Dorf 
mund.  —  Frankfurt  a.  M. :  Stadtarchiv.  —  G e d e r n :  Gräfl.  Stol- 
bergsches  Archiv.  —  Gießen:  Großh.  Universitätsbibliothek,  r- 
Göttingen:  Kgl.  Universitätsbibliothek.  —  Heidelberg:  Großh. 
Universicätsbibliothek.  —  Karlsruhe:  Großh.  Generallandesarchiv. 

—  Koblenz:  Kgl.  Staatsarchiv.  —  Langenselbold  (Hessen) : 
Bibliothek  des  Kgl.  Amtsgerichts.  —  London:  Bibliothek  des  Bri- 
tischen Museums.  —  Mainz:  Stadtarchiv;  Stadtbibliothek.  —  Mar- 
burg:   Kgl.    Staatsarchiv;    Kgl.    Universitätsbibliothek.    —    Mühl- 
hausen:   Stadtarchiv ;  städtische  Bibliothek.   —   München:   Kgl. 
Allgemeines    Reichsarchiv;    Kgl.    Kreisarchiv.    —    Neuburg:    Kgl. 
Krdsarchiv.    —    Nordhausen:     Stadtarchiv;    Stadtbibliothek.    — 
Nürnberg:    Kgl.     Kreisarchiv;     Stadtarchiv.    —    Oldenburg: 
Großh.  Haus-  und  Zentralarchiv;  Großh.  Bibliothek.  —  Osnabrück: 
KgL   Staatsarchiv.    —    Speier:    Kgl.    Kreisarchiv;    Stadtarchiv,    t— 
Stuttgart:  Kgl.  Geh.  Haus-  und  Staatsarchiv;  Kgl.  Landesbiblio- 
thek. ~  Trier:   Stadtarchiv.  —  Wächtersbach  (Hessen) :  Bi- 
büothek  des  Kgl.  Amtsgerichts.  —  Weimar:  Großh.  Geheimes  Haupt- 
und  Staatsarchiv.  —  Wiesbaden:  Kgl.  Staatsarchiv.  —  Wolfen- 
buttel:    Herz.    Landeshauptarchiv.    —    Worms:    Stadtarchiv.    — 
Würzburg:     Kgl.    Kreisarchiv.    —    Zweibrücken:    Kirchen- 
schaffneiarchiv. 


Erster  Teil. 


Quellengeschichte 


A.  Hessen. 

L 

Das  hessische  Stammland. 


§  1.     Die  Zeit  der  Rechtsbttcher  und  Stadtrechte. 

Die  ersten  Versuche,  das  freie  Gesinde  im  Gebiet 
des  späteren  Kurhessens  einem  Sonderrechte  zu  unter- 
stellen, treten  in  den  Rechtsbüchern  zu  Tage.  Vorher  war 
kein  Bedürfnis  dafür  vorhanden,  weil  das  Gesinde  als  be- 
sonderer Stand  sich  noch  nicht  abgeschichtet  hatte  *).  Die 
lex  Salica,  deren  Geltung  im  hessischen  Lande  man  an- 
nehmen muß  *),  gibt  ein  Sonderrecht  lediglich  imter  dem 
Gesichtspunkte  der  Freiheit  und  Unfreiheit.  Aus  den 
Rechtsbüchem  dagegen  ergibt  sich,  daß  inzwischen  der 
neue  Stand  sich  herausgebildet  hat.  Auch  das  Wort  „Ge- 
sinde" ist  für  ihn  schon  gebräuchlich. 

Das  Gebiet  des  späteren  Kurhessens  zerfiel  damals 
in  einen  sächsisch-rechtlichen  und  einen  fränkisch-recht- 
lichen Teil ').  Im  fränkischen  Hessen,  wahrscheinlich  dem 
größeren   Stücke,   galten  der   Schwabenspiegel  und  das 


0  Näheres  im  zweiten  Teil.  Einstweilen  Kollmann  in  Hilde- 
brands Jahrb.  Bd.  10,  S.  287 ff.;  Stobbe-Lehmann  III,  S.  449.  — 
*)  Schröder,  Rechtsgeschichte,  S.  249;  A.  B.  Schmidt,  Die  ge- 
schichtlichen  Grundlagen  des  bQrgerlichen  Rechts  im  Grossherzogtum 
Hessen,  1898,  S.  55.  —  ■)  Kopp,  Gerichtsverfassung  I,  §§  2~6;  Roth- 
Meibom,  Kurhessisches  Privatrecht  I,  S.  82;  Rockinger  in  den 
ShznDgsberichten  der  Wiener  Akademie  1874,  S.  267,  268;  vor  allem 
Wenck  in  der  Ztschr.  ftkr  hess.  Gesch.  und  Landeskunde  N.  F.  26 
2903),  a  227  ff: 

1* 


—    4    — 

kleine  Kaiserrecht  ^) ;  im  sächsischen  Hess^i  der  Sachsen- 
spiegel*), vielleicht  auch  das  kleine  Kaiserrecht*). 

Das  Gesinderedht  des  Sachsenspiegels^ 
v<Hi  dem  wegen  seiner  Bedeutung  für  die  beiden  anderen 
Rechtsbücher  ausgegangen  werden  muß,  findet  sich  an 
verschiedenen  Stellen  des  Rechtsbuches,  eine  systema- 
tische Behandlimg  enthält  er  nicht.  Einiges  steht  im 
22.  Artikel  des  ersten  Buches  mitten  unter  erbrechtlichen 
Bestimknungen ;  für  sich  allein  enthalten  die  Artikel  32 
bis  34  des  zweiten  Buches  und  Artikel  6  des  dritten 
Buches  Gesinderecht;  hirtenrechtliche  Anordnungen  wer- 
den in  Art.  48  und  54  des  zweiten  Buches  getroffen^). 

Charakteristischer  Weise  bezieht  sich  der  größere  Teil 
der  Rechtssprüche  auf  die  Verhältnisse,  die  durch  Auf- 
lösimg  des  Gesindevertrags  geschaffen  werden  oder  die 
diese  Auflösimg  herbeiführen.  Die  Bestim^mungen, 
die  für  «das  bestehende  Gesindeverhältnis  glei- 
ten sollen,  finden  sich  in  Buch  II  Art.  32  §  1,  Art.  34 
und  Buch  III    Art.  6. 

Art. 32  §1  „Wes  der  herre  vor  den  knecht  antwer- 
ten  sal"  lautet:  „Niemlan  en  ist  vor  sinen  knecht  pflich- 
tic  zu  antwurfene  vorbaz,  wen  als  sin  Ion  geweret,  her  en 
werde  sin  bürge."  Den  Zusamknenhang  mit  den  vorher- 
gehenden Bestimknungen  kann  man  darin  sehen,  daß  vor- 
her „von  allerhandt  verwarlosung  und  solchen  brüciien 
gesaget**  ist,   „do  ein  herr  selbst  an  schuldig  ist",  xind 


*)  Kopp,  §§  18 ff.;  von  Gosen,  Das  Privatrecht  nach  dem 
kleinen  Kaiserrechte,  1866,  §  2;  A.  6.  Schmidt,  a.  a.  O»,  S.  56,  und 
in  den  Mitteilungen  des  Oberhessischen  Geschichtsvereins  II,  Giessen 
1890,  S.  188 ff.;  femer  Edward  Schröder  in  der  Sav.-Ztschr.  D.  A. 
17,  S.  120.  -  «)  Kopp,  §  81.  —  •)  Sachsenspiegel  nach  Weiske- 
Hildebrand,  8.  Aufl.  (1905)  zitiert;  Homeyers  Ausgabe  ist  aber 
überall  berücksichtigt  Die  herangezogenen  Glossenausgaben  sind 
die  von  1558  und  1561  (Zobel).  —  Da  Hertz  in  seiner  Darstellung 
kekie  Obersicht  Ober  die  Bestimmungen  der  einzelnen  Rechte  ins- 
gesamt gibt,  sondern  sie  untereinander  verarbeitet^  bedeutet  das 
Folgende  Hertz  gegenüber  keine  Wiederholung. 


—    5    — 

'laß  nun  entschieden  wird,  „wie  wir  mit  unserm  gesinde 
TJi  solchen  feilen  daran  sindt"  *).  Nur  für  das  freie  Ge- 
binde gelten  diese  Bestiinimungen  über  die  schon  recht 
abgeschwächte  nüuntschaft liehe  Haftung  des  Herrn  bis  zur 
Höhe  des  Lohnes,  wie  die  Glosse  weiterhin  ausführlich 
feststellt. 

Auch  die  volle  Verantwortung  für  Tierscha- 
ien  ist  nicht  mehr  vorhanden:  „Swilchen  schaden  aber 
tunes  mannes  pherde  oder  sin  vihe  tut  binnen  sines  knechtes 
oder  sines  g^esindes  hüte,  da  sal  der  vor  antworten,  binnen 
des  hüte  ez  was**  •). 

Die  der  herrschaftlichen  Mimt  über  das  Vieh  ent- 
ätanümende  Haftung  des  Herrn  für  den  Schaden,  den 
^ein  Vieh  anrichtet*),  ist  also  nicht  rein  gegeben;  auf 
das  hütende  Gesinde  ist  die  Verantwortlichkeit  abgewälzt. 
Nur  dann  bestoht  eine  auf  den  Wert"  der  Tiere  beschränkte 
Haftung  des  Herrn,  wenn  der  hütende  Knecht  entflohen  ist 
und  es  sich  um  handhafte  Tat  handelt:  „Wirt  aber  her 
abrinnic,  und  werden  des  tnannes  pherde  oder  ochsen  und 
nagen  bestetig^t  in  der  hanthaften  tat,  . . .  der  man  mtiz 
bezzem,  des  daz  vihe  und  der  wagen  ist  . . .,  als  veme  als 
sin  wagen  und  sine  pherde  oder  ander  sin  vihe  wert  ist, 
. . .  oder  her  m'uz  es  entberen." 

Die  mun  tschaft  liehe  Vertretung  des  Herrn 
durch  den  Knecht  komlmt  auch  für  rechtsgeschäft- 
liche Handlungen  imi  Sachsenspiegel  nicht  mehr  zum 
Ausdruck.  Buch  III  Art.  6  lautet:  „Vortoppelt  (verspielt) 
ein  knecht  sines  herren  gut  oder  versecteet  erz  oder  ver- 
kouft  erz,  der  herre  mac  ez  wol  vorderen  mit  rechte  . .  .**. 
Eine  unredliche  Verfügung  des  Knechtes  über  Herrengut 
braucht  der  Herr  hiemach  nicht  gegen  sich  gelten  zu 
lassen,  scHidem  kann  die  veruntreute  Sache  vom!  Erwerber 

>)  Glosse  ru  U  88.  ^  >)  II  40  S  4.  -  •)  Isay,  Die  Verantwort- 
lichkeit des  EigentOmers  ftkr  seine  Tiere,  in  Jahrb.  f.  Dogm.  89, 
S.a09fL,  bes.  288,  888ff. 


—    6    — 

zurückbegehren.  Die  Glosse  macht  hierzu  gelehrte  Aus- 
führungen über  das  römische  Recht  des  Handelns  kraft 
herrschaftlichen  Auftrages  usw.  Wichtiger  ist  die  den 
Schluß  des  Art.  6  Ssp».  bildende  weitere  Festsetzung  munt- 
schaftlicher  Verbundenheit  des  Herrn  für  den  Knecht: 
„Wirt  aber  ime  (dem  Knecht)  sin  phert  oder  ander  sin  gut 
dubliche  oder  roubliche  genomen  in  des  herren  dinste, 
ane  des  knechtes  schult,  daz  muz  ime  der  herre  gelden, 
da  vor  muz  mfen  ouch  deme  herre  ant^vurten,  ob  her 
dar  uf  claget."  Abgesehen  von  der  Begründung  einer 
weiteren  Haftung  des  Herrn  dem  Knechte  gegenüber 
bringt  dieser  Satz  die  Festsetzung  eines  selbständigen' 
Klagerechtes  des  Herrn  für  den  Knecht  in  eigenem 
Namen. 

Einen  verwandten  Rechtssatz  enthält  Buch  II  Art.  34 : 
„Wer  einen  knecht  slet  durch  des  herren  willen.  Wem 
man  antwerten  sol  umtne  einen  gefangenen  man."  Wird 
ein  Knecht  geschlagen,  gefangen  oder  beraubt,  dann 
muß  der  Täter  nicht  nur  dem  (freien)  Knecht,  sondern 
auch  dem  Herrn  Buße  zahlen,  vorausgesetzt,  daß 
der  Herr  an  der  Tat  nicht  schuld  ist,  etwa  dazu  ange- 
sitftet  hat  (deme  herren  zu  lästere),  und  daß  der  Knecht 
für  den  Herrn  durch  die  Mißhandlung  nicht  arbeiten 
konnte  und  der  Herr  so  geschädigt  wurde  (deme  herren 
zu  schaden).  Den  Beweis  für  das  Vorliegen  eines  der  Ent- 
schuldigungsgründe, entweder  daß  der  Herr  an  der  Miß- 
handlung „schuld"  war  oder  daß  er  keinen  Schaden  da- 
durch erlitten  hat,  darf  der  Täter  durch  Eid  „uffen  heili- 
gen" führen. 

Aber  nur  die  leichten  Fälle  des  Schiagens,  Gefangen- 
setzens und  Beraubens  sollen  durch  die  Bestimlmung  des 
Art.  34  getroffen  werden.  Für  die  schweren  Fälle  gilt  das 
Recht  öffentlicher  Verfolgrung.  Die  Glosse  gibt  als  Bei- 
spiel für  die  zwei  Arten  des  Schiagens:  erstens:  „einen 
fangen,  imd  mit  gewapneter  handt  uberweldigen,  davon 


—    7    — 

wunden  und  friedebruch  komknen.  Diesf  nfiag  man  allein 
peinlich  klagen."  Zweitens:  „bac&enschlege  und  blawe 
flecken.  Hievor  gibt  man  busse."  Jenes  ist  vim  inferre, 
dies  verberare.  Ebenso  führt  die  Glosse  die  Unterschei- 
dung für  das  fahen  und  rauben  durcSi. 

Die  Beendigung  des  Dienstverhältnisses 
kann  entweder  durch  den  Tod  des  Herrn  erfolgen^) 
oder  durch  den  Tod  des  Dieners*). 

Stirbt  der  Herr,  dann  wird  der  Vertrag  nicht  sofort 
gelost,  sondern  die  Erben  müssen  das  Gesinde  bis  zum 
Dreißigsten  behalten.  Der  Gnmd  hierfür  ist  einmal  in 
dem  „allgemeinen  Gedanken  der  während  der  Sterbehaus* 
ruhe  waltenden  Hausgemeinschaft*'  zu  sehen  ^).  Ein  prak- 
tischer Anlaß  zu  der  Bestimimtmg  ist  sodann  im:  Sachsen* 
Spiegel  angegeben:  „Daz  sie  sich  nüugen  bestaten'';  es 
soll  dem  Gesinde  Zeit  zum  Suchen  eines  neuen  Dienstes 
gegeben  werden. 

Jedoch  hat  das  Gesinde  keinen  Anspruch  darauf,  daß 
ihm  nur  bis  zum  Dreißigsten  das  Bleiben  venstattet  wird. 
,,Wil  aber  der  herre,  si  suln  vol  dienen  und  vol  Ion  en- 
pfan"*);  nach  anderer  Lesart*)  steht  hier  statt  „herre** 
„erve*\  Wie  dem!  auch  sei,  jedenfalls  kann  von  selten 
der  Herrschaft  willkürlich  bestimlmt  werden,  ob  das  Ge- 
sinde mit  dem  Dreißigsten  weggehen  darf,  oder  ob  es 
bleiben  soll,  wie  wenn  nichts  vorgefallen  wäre. 

Im  Falle  der  Auflösung  des  Dienstvertrages  hat  die 
Auseinandersetzung  so  zu  erfolgen,  daß  von  der  Erb- 
schaft zuerst  vor  der  Befriedigung  anderer  Gläubiger  der 
Lohn  des  Gesindes  bezahlt  wird,  der  bis  zirnii  Todestage 
verdient  ist. 

Zuviel  gezahlter  Lohn  braucht  vont  Gesinde  nicht 
zurückgegeben  werden  —  ein  weiterer  Satz,  der  dem'  Ge- 

»)  I  Ä  —  *)  I  M,  S  2,  letzter  Satz.  -  •)  Homeyer,  Der 
OrdsB^e,  5.212.  -  «)  So  Weiske-Hildebrand  — *)  So  Homeyer, 
SachsenspiegeL 


—    8    — 

sinde  eine  Vorzugsstellung,  abweichend  vom  normalen 
Privalrecht,  gibt.  Die  Bestimmung  erklärt  sich  größten- 
teils dadurch,  daß  dem=  Dienstboten  auch  für  den  Fall 
der  Lösiong  des  Di^istverhältnisises  durch  die  Erben  ein 
für  die  nächste  Zeit  reichender  Lohn  gesichert  werden 
9oU^).  Weiter  ist  es  wohl  die  Absicht  des  Rechtsbuches, 
nach  dem  Tode  Bestreitungen  imd  Beweisführungen  nicht 
mehr  zuzulassen,  wo  doch  nur  die  eine  Partei  noch  über 
eigene  Wahrnehmung  berichten  kann,  imd  es  sich  ge- 
wöhnlich nur  um'  ganz  geringe  Sumtnen  handelt. 

Eine  gleichfalls  durch  diese  Gründe  veranlaßte  Ab- 
weichung von  der  regelmäßigen  Rec'htsgestaltung  wird 
für  den  Gesindelohn  femer  in  der  Beweisführung  geschaf- 
fen: „Versachet  man  auch  in  ires  Jones  von  eime  jare 
oder  von  eime  halben,  daz  muzen  si  wol  uffen  heiigen 
behalden."  *)  Der  Regel  nach  würde  der  Beklagte  näher 
dem'  Eide  sein.  Hier  aber  soll  das  Gesinde,  das  den  Lohn 
fordert,  schwören,  freilich  nicht,  soweit  sein  Anspruch 
mehr  als   einen  Jahreslohn  betrifft. 

Der  folgende  Satz  des  Spiegels:  „Swer  uf  genade 
gedinet  hat,  der  m*uz  den  erben  gnade  manen",  erklärt 
sich  daraus,  daß  der  Erbe  die  Abmachungen  des  Erb- 
lassers nicht  kennt;  es  ist  daher  Sache  des  Dienstboten, 
der  mit  dem  Erblasser  verhandelt  hat,  dem  Erben  die 
besondere  Abmachtmg  mitzuteilen.  Lebte  der  Herr  noch, 
der  den  Vertrag  geschlossen  hat,  dann  bedarf  es  der 
Mahnung  seitens  des  Gesindes  nicht;  der  Herr  muß  von 
seinen  Abmachungen  wissen.  Dienen  „uf  genade"  heißt, 
daß  der  Dienstvertrag  dem  Herrn  die  Bestimmung  des 
Lohnes  überläßt,  nicht  freilich  seiner  Willkür,  sondern 
seinem  billigen  Ermessen  3). 

Dei^  Tdd  des  Gesindes*)  hat  als  rechtliche  Wir- 


*)  Homeyer,  Dreissigster,  S.  212.  —  -)  I  22,  §  2.  —  •)  Belege 
bei  Hertz,  S.  84.  -  *)  I  22,  §  2. 


—    9    — 

kungen^  daß  den  Erben  des  Dienstboten  nur  soviel  Lohn 
ausgezahlt  zu  werden  braucht  als  verdient  ist,  auch  wenn 
für  eine  Gesamtzeit  mehr  versprochen  war.  In  entspre- 
chender Anwendimg  der  oben  behandelten  Bestimimung 
über  zuviel  gezahlten  Lohn  mtuß  man  axmehmen,  daß  im 
voraus  bezahlter  Lohn  von  den  Erben  nicht  zxuückgege- 
ben  zu  werden  braucht,  auch  wenn  der  Dienstbote  die  ganze 
Zeit,  für  die  ihnü  der  Lohn  vorausbezahlt  war,  nicht  mehr 
gedient  hat*).  —  Über  die  besondere  Rechtslage,  die  da- 
durch geschaffen  wird,  daß  der  Dienstbote  in  Verrichtung 
der  aufgetragenen  Dienste  stirbt  oder  arbeitsunfähig  wird, 
berichtet   der   Sachsenspiegel  nicht*). 

Ein  weiterer  Grund  zur  regelmäßigen  Auflösung  des 
Gesindeverhältnisses  ist  Heirat  des  Dienstboten*). 
,,Swilch  knecht  aber  dich  wip  nimt,  der  muz  wol  uz 
sines  herren  dinste  komen.**  Die  Auseinandersetzung  er- 
folgt hier  —  anders  als  bei  der  Dienstbeendigung  durch 
den  Tod  —  in  der  Weise,  daß  der  Knecht  nur  soviel  Lohn 
behalten  darf,  als  ihm!  bis  an  die  Zeit  gebührt,  da  er  den 
Dienst  verließ.  Schon  im'  voraus  mehr  gezahlter  Lohn 
ist  zurückzugeben.  Der  Grund,  der  oben  für  die  Bevor- 
zugung des  Gesindes  beim'  Tode  des  Herrn  festgestellt 
wurde,  daß  hier  dem!  Dienstboten  für  die  nächste  Zeit 
Unterhalt  gewährt  werden  soll,  ist  hier  nicht  maßgebend. 

Dem  Falle  der  Heirat  ist  die  Übernahme  einer 
Vormundschaft  über  Kinder  durch  den  Knecht  gleich- 
gestellt*). Auch  dadurch  wird  der  Dienst  beendigt.  „Und 
dis  durch  der  kinder  nutz  willen.  Denn  des  knechtes  weg 
komen  ist  dem  herm  so  schedlich  nicht,  als  es  were  den 
kindem,  ob  sie  ungevormlündet  blieben**  (Glosse).  Die 
Lohnregulierung   erfolgt   wie  bei   der   Heirat. 

Zwei  Fälle  ungesetzlicher  Beendigung  des 


')  Daftkr  spricht  die   Regelung   in   verwandten  Rechtsquellen; 
Hertz,  S.  64,  66.  -  »)  Vgl.  ebenda.  -  •)  II  88.  -  *)  II  88. 


—     10    — 

Vertrages  werden  noch  in  Kap. 32  §§  2  und  3  geregelt, 
Vertragsbruch  des  Herrn  und  des  Dieners.  „Vertribet 
aber  der  herre  sinen  knecht,  her  sal  imle  sin  vol  Ion 
geben.  Entget  der  knecht  simJe  herren  voa  mutwillen» 
her  sal  dem*e  herren  also  vil  geben,  als  im  der  herre  £re> 
lobet  hatte;  und  swaa  so  ime  vergulden  ist,  daz  sal  her 
zwigelde  widergeben."  Schon  der  Sachsenspiegel  macht 
also  den  später  imStner  wiederkehrenden  Unterschied,  daß 
es  für  den  Vertragsbruch  des  Herrn  bei  der  zivilrecht- 
lichen Ausgleichung  bleibt,  dagegen  die  Behandlung  des 
Vertragsbrüchigen  Knechtes  schon  strafrechtliche  Spuren 
sehen  läßt. 

Bedeutungsvolle  Ausführungen  sind  noch  in  der 
Glosse  zum'  33.  Artikel  enthalten,  woraus  man  einen  Schluß 
auf  den  Rechtszustand  zur  Zeit  des  Sachsenspiegels  her- 
leiten kann.  „Nu  möchtestu  fragen,  ob  einer  sein  erbeit 
müge  vermieten  ewiglich.  Ich  glaube  nein,  Dann  so 
dis  were,  so  were  einem'  seine  freiheit  imnütz."  Späteren 
Zeiten  ging  diese  Auffassung  wieder  verloren. 

Hirtenrechtliche  Bestinümimgen  schließlich  sind 
im  Sachsenspiegel  II    48^  §  1  und  II    54. 

In  II  54  wird  bestimimt,  daß  niemand  sein  Vieh  zu 
hause  lassen  darf,  soweit  es  dem'  Hirten  folgen  kann, 
außer  „suw  clie  verkilen  zit".  Einen  eigenen  Schäfer  darf 
sich  erst  halten,  wer  mindestens  drei  Hufen  zu  Eigen 
oder  zu  Lehen  hat;  wollten  auch  die  Minderbegüterten 
eigene  Hirten  haben,  dann  würden  dadurch  die  Einkünfte 
des  gemeinsamen  Hirten  arg  verringert  werden.  Diese 
Fürsorge  für  das  Einkommen  des  Hirten,  die  ihren  Grund 
allerdings  in  dem!  genossenschaftlichen  Gedanken  hat,  das 
Dorf  nicht  „hirtenlos**  zu  lassen,  komlmt  auch  weiterhin 
zum!  Ausdruck:  „Swo  man  aber  deme  hirten  Ion  gelobet 
von  der  huve,  daz  Ion  muz  niem)an  enthelden  (vorent- 
halten), durch  daz,  daz  daz  dorf  nicht  hirtelos  en  blibe.** 


—    11    - 

Von  der  Haftung  des  Hirten  handeln  II  48,  §  1 
und  II  54,  §  4:  „Swaz  der  hirte  binnen  siner  hüte 
verluset,  daz  sal  her  gelden."  —  „Swaz  so  man  vor  den 
hirten  tribet,  en  brenget  ers  nicht  wider  in  das  dorf,  her 
muz  ez  gelden.  Swaz  ime  die  wolfe  nemen,  oder  roubere, 
blibet  hier  imgevangen  und  beschriet  her  sie  nicht  mit 
deme  geruchte,  so  daz  her  des  gezug  habn  muge,  her 
muz  ez  gelden,  den  ez  zu  gehöret.'*  Also  nur,  wenn  der 
Hirte  das  Gerüfte  erhebt  und  daraufhin  die  Zeugen  her- 
beigeeilt sind,  braucht  er  den  Verlust  des  Viehes  nicht  zu 
vertreten. 

Der  Schaden,  den  ein  Tier  der  Herde  durch  ein 
anderes  dazu  gehöriges  erleidet  (es  wird  „belemet**  oder 
,,getret"  oder  „gebeizet"),  muß  durch  Pflege  von  dem 
£igentünier  des  Tieres  geholt  werden,  das  den  Schaden 
angerichtet  hat;  stirbt  das  verletzte  Tier,  dann  muß  er  es 
vergelten  „nah  sinem  gesaczten  weregelde".  Der  Hirte 
muß  das  Tier,  das  den  Schaden  angerichtet  hat,  benennen 
und  muß  diese  Aussage  beschwören. 

Eine  Ergänzung  zu  dem  schon  vorher  behandelten 
Gnmdsatze,  wie  bei  Verlust  eines  Tieres  zu  verfahren 
ist,  enthält  der  letzte  Abschnitt  des  54.  Artikels:  Kann 
der  Hirte,  der  beschuldigt  wird,  ein  Tier  nicht  ins  Dorf 
zurückgebracht  zu  haben,  seine  Unschuld  (durch  Eid) 
beweisen,  wagt  er  es,  die  Folgen  des  Eides  auf  sich 
zu  nehmen,  so  ist  er  frei.  Wird  von  einem  Eigentümer 
sein  Vieh  vermißt,  dann  schließt  er  den  Hirten  vom 
Eide  dadurch  aus,  daß  er  „zu  hant"  zum  Hirten  geht 
und  ihn  mit  zwei  Zeugen  darum  beschuldigt.  Hier  muß 
der  Hirte,  dessen  Eid  überboten  ist,  das  Vieh  ersetzen. 
Jedoch  kann  der  Hirte  den  Eigentümer  veranlassen,  zwei 
Tatzeugen  zu  benennen,  falls  der  Hirte  überhaupt  be- 
streitet, das  vermißte  Tier  zum  Austreiben  erhalten  zu 
haben. 

Diese  Übersicht  des  Sachsenspiegelrechtes  kann  teil- 


—     12     — 

weise  auch  für  das  Recht  des  Schwabenspiegels  ^) 
gelten,  der  fast  alle  Bestimmungen  des  Sachsenspiegels 
über  Gesinderecht  übernommen  hat. 

Dies  gilt  für  die  Pflicht  des  Herrn,  bis  zur  Höhe 
des  rückständigen  Lohnes  für  den  Knecht  einzustehen*), 
aber  nicht  für  die  damit  verwandte  Bestimmung  des 
Ssp.  *),  daß  für  Tierschaden  der  Knecht  haftet ;  eine  solche 
Festsetzung  hat  der  Schwsp.  nicht*).  Schwsp.  berück- 
sichtigt in  Art.  201  den  Tierschaden  nur  insoweit,  als 
einem  Dienstboten  von  eines  andern  Vieh  Unheil  zustößt. 
In  ähnlicher  Weise  wie  Ssp.  *)  bringt  der  Schwsp.  ^)  weiter 
die  Bestimmungen  über  Verspielen  von  Herrengut  und 
Verlust  von  eigenem  Gute  des  Knechtes  im  Herren- 
dienste. Weiter  besteht  auch  Übereinstimmung  zwischen 
den  beiden  Spiegeln  darin,  daß  der  Bußanspruch  des 
Herrn  für  Verletzung  des  freien  Knechts  wie  im  Ssp.') 
so  auch  im  Schwsp.®)  festgesetzt  ist.  Nur  fehlt  diesem 
die  einzelne  Ausführung  über  „zu  lasten**  und  „zu  scha- 
den", die  der  Ssp.  als  zweite  Hälfte  des  §  1  enthält.  In 
Ergänzung  dieser  Sätze  bringt  der  Schwsp.^)  noch  die 
Vorschrift,  daß  Züchtigung  des  Gesindes  zu  Tode  auch 
dem  Herrn  den  Tod  bringt;  „lebent  aber  si  dar  nach 
über  einen  tag,  oder  zwene,  oder  me,  er  ist  dez  nut 
schuldig,  dez  lasters  ist  er  schuldig**.  Die  Buße  des 
Knechts  muß  stets  geringer  sein  als  die  für  den  Herrn  *®). 

Das  Recht  der  Dienstbeendigung  durch  Tod  des 
Herrn  oder  des  Knechts  ist  in  beiden  Spiegeln  gleich**); 
auch  die  Auseinandersetzung  ist  übereinstimmend  ge- 
regelt. Dagegen  erwähnt  der  Schwsp.  die  Dienstbeendi- 
gung durch  Heirat  oder  Übernahme  einer  Vormundschaft 
nicht  *^).    Gleich   in   beiden  Spiegeln   ist  ^die   Frage   des 


^)  Nach  Lassbergs  Ausgabe;  Wackernagel  und  Daniels 
(Rechtsdenkmäler)  wurden  überall  berücksichtigt.  —  ')  Schwsp.  908; 
Ssp.  II  82.  —  •)  II  40.  -  *)  Schwsp.  204.  —  »)  Hl  6.  —  •)  259.  —  0  n  34.  — 
•)  179.  -  •)  201.  -  >•)  111.  -  ")  Schwsp.  26;  Ssp.  I  22.  -  ")  Ssp.  II 


--     13     - 

Vertragsbruchs  behandelt*),  mit  der  Unterscheidung,  je 
Dachdem  der  Herr  den  Dienst  löst  oder  der  Knecht  es 
tut;  der  Herr  haftet  nur  zivilrechtlich,  der  Knecht  auch 
noch   strafrechtlich. 

Ungefähre  Übereinstimmung  der  Rechtsbücher 
herrscht  auch  im  Hirtenrecht*);  auf  die  wenig  bedeut- 
samen Abweichungen  der  Spiegel  von  einander  braucht 
hier  nicht   näher  eingegangen  zu  werden. 

Wirklich  neue  Rechtsmaterien  gegenüber  dem  Ge- 
sinderecht des  Ssp.  hat  der  Schwsp.  an  mehreren  Stellen 
berücksichtigt,  Art.  42  bezeichnet  als  „rechten  Strassen- 
raub"  denjenigen  an  eines  reisenden  Pfaffen  Gesinde; 
„Gesinde**  hier  wohl  in  der  Bedeutung  von  Gefolge,  nicht 
zur  Bezeichnung  der  mitreisenden  Knechte.  In  Art.  262 
ist  das  Sonderrecht  der  christlichen  Judenmägde  kodi- 
fiziert: „Die  Juden  suln  niut  cristen  liute  bi  in  han,  die 
in  dienen,  imd  die  ir  brot  unde  ir  spise  essen;  imd  die 
selben  sint  in  dem  banne.**  Wichtige  Sätze  über  Rügung 
der  Herrschaft  durchs  Gesinde  und  des  Gesindes  durch 
den  Herrn  enthalten  die  Artikel  320  und  321;  den  Ehe- 
bruch der  Hausfrau  mag  kein  Fremder  rügen  (anklagen), 
nur  die  Verwandten  und  das  Hausgesinde;  gegenseitiges 
Rügerecht  zwischen  Herrn  und  Gesinde  besteht  ferner 
in  den  Fällen,  wo  einer  „eine  vergift  machet,  da  man  die 
liute  mit  toetet**.  Auch  dann  mag  der  Knecht  den  Herrn 
rügen,  wenn  er  ihn  beschuldigt,  „daz  er  sine  triwe  an 
dem  riche  gebrochen  habe**  (Art.  375).  In  sonstigen  Fäl- 
len soll  man  den  Beschuldigungen  des  Knechts  gegen 
den  Herrn  kein  Gehör  schenken,  wie  in  Art.  375  weiter 
gesagt  wird.  Nach  Art.  363  („von  funtkinden**)  hat  der 
Enieher  eines  Findelkinds  das  Recht,  daß  dies  ihm  dient, 
wenn  es  das  nötige  Alter  erreicht  hat :  „Swelh  vater  oder 
muter  ir  kint  von  ir  werfent,  und  swer  ez  uf  hebt  und  ez 


*)  Schwsp.  20B;  Ssp.  II  82.  —  ')  Schwsp.  218,  802,  840. 


-     14    — 

ziuht,  und  er  füret  ez  unz  ez  zesinen  tagen  kumt,  daz 
ez  dienen  mac,  ez  sol  den  dienen,  der  im  sins  libes  ge- 
holfen hat.  Und  ist,  daz  ez  vater  und  muter  heimen  wil 
oder  sin  herre,  ob  ez  eigen  ist,  die  suln  im  zen  ersten  sine 
koste  gelten  .  .  .**.  Absonderliche  Regeln  für  eine  Son- 
derklasse von  Arbeiterinnen,  die  Kellnerinnen  eines 
Schankwirts,  stehen  in  Art.  368.  Diese  Dirnen  sowie  des 
Schankwirts  Frau  „muzzen  mit  den  luten  me  zeschaffen 
han  danne  andere  frouwen".  Daher  soll  Unzucht,  die 
sie  treiben,  nicht  wie  sonst  öffentlich  gerügt  und  gestraft 
werden,  sondern  „in  sol  ir  lutpriester  heimliche  buzze 
geben". 

Nebensächliche  Erwähnungen  des  Gesindes  kommen 
außerdem  noch  vor,  so  in  Art.  302,  wo  vom  Knecht  die 
Rede  ist,  „der  frömedes  körn  snidet",  „unde  .  .  .  wenet, 
ez  si  .  .  .  sines  herren,  dem  er  dienet**,  weiter  in  Art.  304, 
der  dem  Gläubiger  auferlegt,  den  ihm  vom  Richter  über- 
antworteten Schuldner  mit  Speise  und  Arbeit  zu  halten 
„gelich  sinem  Ingesinde**.  In  Art.  329,  der  vom  Kirchen- 
frieden handelt,  wird  verboten,  den  in  eine  Kirche  ge- 
flohenen Missetäter  anzugreifen,  „ez  si  herre  oder 
knecht**. 

Eine  besondersartige  Behandlung  des  Gesinderechts, 
durchaus  verschieden  von  derjenigen  in  den  beiden  Spie- 
geln, enthält  das  kleine  Kaiserrecht.  Hier  ist  eine 
zusammenhängende  besondere  Darstellung  der  wichtigsten 
gesinderechtlichen  Sätze  gegeben. 

Kap.  28  des  zweiten  Buches  hat  die  Überschrift  „Von 
dem  heren  und  dem  knechte**  und  behandelt  das  Recht 
der  Dienstlösung  und  das  Züchtigungsrecht.  Kap.  29 
„Was  der  knecht  synem  heren  mag  Verliesen**,  regelt  die 
Stellvertretung  des  Herrn  durch  den  Knecht  bei  Rechts- 
geschäften. Kap.  30  handelt  „Von  iaerlikem  lone  des 
knechts**. 


—     15    — 

Die  Überschriften  sind  Endem^anns  Ausgabe ^)  ent- 
nommen,  die  auch  den  folgenden  Ausführungen  2ru  Grunde 
gelegt  ist.  Völlig  verschiedene  Überschriften  hat  die  von 
End^ntann  nur  in  Abschrift  benutzte  münzenberger  Hand- 
schrift des  Kaiserrechts  ^),  die  auch  eine  andere  Zählung 
hat-  Die  entsprechenden  Titel  sind:  Kap.  27  „Von  husz- 
gesinde"  (=  Endemiann  Kap.  28),  Kap.  28  „Von  getruwem 
gesinde"  (E.  Kap.  29),  Kap.  29  „Vcm  eyme  knechte,  der 
sinen  kxi  hat  virdynet"  (E.  Kap.  30).  Der  Inhalt  der 
Kapitel  ist  jedoch  identisch  mit  dem  von  Endemanns  Aus- 
gabe ;  nur  unbedeutende  sprachhche  Abweichungen  finden 
sich  in  der  nnünzenberger  Handschrift^). 

In  Kap.  28^)  wird  zunächst  der  Gegensatz  des  freien 
Gesindes,  von  dem!  allein  gehandelt  wird,  zu  dem  unfreien 
festgesetzt:  „Ein  iglich  hüan,  dem  got  hat  beschert,  daz 
er  hat  gesinde,  beide  rrtagede  imd  knechte,  der  en  hat 
kein  recht  über  sie  nit,  dan  alz  vil  als  im'  ir  dienst  ge- 
vellet  (gebührt)  um!  sinen  Ion."  Der  Herr  hat  also  vor 
allem  kein  Eigentum  an  dem'  Knecht  und  der  Magd,  die 
sich  auf  Grund  eines  obligatorischen  Dienstvertrages  in 
seinen  Dienst  begeben*). 

Er  liat  femer,  wie  sich  schon  hieraus  ergibt,  wie  aber 
am  Schlüsse  des  Kapitels  noch  einmal  ausdrücklich  ge- 
sagt ist,  kein  Züchtigungsrecht.  Dort  heißt  es:  „Legt 
auch  der  here  sine  hende  an  den  knecht  mit  unschulde 


')  Das  Keyserrecht  nach  der  Handschrift  von  1872,  hsg.  von 
H.  £.  Endemann,  Cassel  1846.  Das  von  Edward  Schröder 
in  der  Sav.  Ztschr.  D.  A.  17,  S.  120  ff.  mitgeteilte  Fragment 
von  1860  enthalt  die  hier  in  Betracht  kommenden  Kapitel  nicht. 
Aach  Isay  (Sav.-Ztschr.  D.  A.  19,  S.  145  ff.  und  Trierisches  Archiv  I 
S.  82)  bringt  nichts  Ober  diese  Kapitel.  —  *)  A.  B.  Schmidt  in  den 
Mitteihmgen  des  Oberhessischen  Geschichtsvereins  II,  dessen  1890, 
S  m&,  bes.  S.  151.  Vgl.  Endemann  S.  XXIV.  —  <)  Laut  direkter 
tttteihmg  des  Herrn  Geh.  Hofrats  Professors  Dr.  S  c  h  m  i  d  t  in  Giessen. 
--^  Endemanns  Zählung;  ebenso  später.  —  *)  Weitere  Aus- 
Abningen  wider  die  Unfreiheit  in  II  55  und  IV  8. 


-     16    — 

tVL  zorne,  und  zu  slahen^  dez  mtiz  er  dem  keiser  ver- 
buzzen.**  Als  Grund  hierfür  wird  die  Bestin^hiung  des 
Kaisers  „in  des  riches  recht**  angegeben:  „Wer  umb  Ion 
gewxinnen  ist,  dem!  ensal  miau  nit  unrecht  tun,**  sowie 
„wer  sin^er  erbait  lebt,  der  sal  des  riches  frid  hau.'* 

Diese  schönen  Grundsätze  blieben  in  der  späteren 
Zeit  für  Hessen  wie  für  fast  ganz  Westdeutschland  glück- 
lich erhalten ;  es  wi^fd  unten  zu  zeigen  sein,  daß  dies  für 
den  Osten  nicht  der  Fall  war,  daß  hierin  einer  der  wich- 
tigsten und  zugleich  ein  typischer  Unterschied  zwischen 
den  Gesindezuständen  des  Westens  und  des  Ostens  ge- 
sehen werden  muß. 

Vielleicht  das  Wichtigste,  was  das  Kaiserrecht  über 
das  Gesindewesen  enthält,  steht  in  Kap.  29.  Dies  bietet 
die,  Idee  der  muntschaftlichen  Stellvertretung  in  ihrer 
reinsten  Gestalt :  „Ein  iglich  man  der  gutes  hat  zu  phlegen, 
un  auch  gesindes,  maegde  und  knechte,  bedarf,  der  sal 
sich  fursehen,.  daz  er  sulche  knechte  gewinne,  daz  er  be- 
wart  sy.  Wan  ein  iglich  knecht,  den  der  here  gedinget 
hat  tu  diienst,  un  hat  sin  gewalt  sins  gescheftes,  der  mag^ 
im  sin  vamdes  gut  veruzzern,  ab  er  wil  unrecht  tun,  daz 
ez  der  here  enbem  muz.  Er  mag  auch  im  schulde 
machen  !zu  den,  die  im:  borgen,  daz  er  sie  gelten  muz,  wie  es 
Ulm  den  kneht  kum!t.  Ein  man  moht  sprechen:  min 
kneht  möht  vil  gebprget  han,  des  ich  nit  gelten  wil,  oder 
mag  inins  gutes  vil  enweg  gegeben  han,  dez  ich  nit  hengen 
wil;  wfin  daz  mag  den  heren  nit  beschirmen,  er  muz 
verlorn  han,  was  der  laiecht  sins  famden  gutes  hat  enweg 
geben  un  waz  er  hat  geborget  in  dez  hren  dienst  da 
er  sin  phleger  waz,  un  in  sime  borgeden  waz.  Sint  ge- 
schriben  stet  in  des  riches  recht:  wemi  der  keiser  sinen 
gewalt  bevilhet,  der  ist  an  des  keisers  stat.  Auch  stet 
geschriben  in  des  riches  recht  anderswa:  ir  suUent  sehen, 
wem'  ir  uwem  gewalt '  bevelhet,  daz  sie  recht  vam,  daz, 
wirs  icht  schaden  gewinnen.**  .  . 


—    17    — 

Der  Knecht  hat,  soweit  sein  Beruf  reicht  („un  hat 
sin  gewalt  sins  geschefts"),  die  Vollmacht,  für  den  Herrn 
Kredit  zu  nehmen,  seine  Fahrnis  zu  veräußern.  Schon 
den  Spiegebi  war  diese  Auffassung  zu  weitgehend  ^) ;  spä- 
teren Zeiten  schwand  das  Bewußtsein  der  notwendigen 
Stellvertretung,  Hand  in  Hand  schon  mit  dem  Wachsen 
der  Bevölkerungszahl,  die  eine  derartige  Regelung  aus- 
schloß. Hierüber  wird  inü  zweiten  Teil  das  Erforderliche 
mitgeteilt. 

Die  Lohnbestimmuixgen  in  Kap.  30  des  Kaiserrechts 
enthalten  ganz  auffallende  Begünstigungen  der  Knechte, 
viel  weitergehend  und  detaillierter,  als  dies  im'  Sachsen- 
spiegel der  Fall  ist ;  allerdings  gerade  die  hauptsächlichsten 
Lohnregeln  des  Sachsenspiegels  (für  den  Tod  des  Herrn) 
übergeht  das  Kaiserrecht. 

Einmal  muß  hiemach  der  Lohn  gezahlt  werden,  ehe 
der  Knecht  nach  Beendigung  des  Dienstverhältnisses  das 
Haus  des  Dienstherm  verläßt.  Tut  das  der  Herr  nicht, 
dann  ist   er   dem  Knechte  schadensersatzpflichtig. 

Sodann  ist  dem  Herrn  jeder  Lohnabzug  für  einen  vom 
Knecht  angerrichteten  Schaden  verboten:  „un  heite  ere 
wol  dem  meister  etlichen  schaden  getan,  er  sal  doch  im 
sinen  1<mi  geben."  Der  Grund  ist  einfach  der :  „sint  er  im 
gedienet  hat  bis  an  das  lar."') 

Eine  dritte  in  Kap.  30  enthaltene  Bestimimung  ist  die, 
daß  der  Herr,  dem"  der  Knecht  einen  Schaden  angerichtet 
hat,  sofort  gegen  den  Knecht  klagen  oder  ihn  entlassen 
nmß;  behält  der  Herr  den  Knecht  in  Kenntnis  des  Scha- 
dens, dann  kann  er  nicht  mehr  klagen. 

Im  Anschluß  an  das  Gesinderecht  bringt  Kap.  31 


0  Oben  S.  6  flF.  —  ■)  Daas  hier  dem  Interesse  der  Dienenden  in 
^teerem  Masse  entgegengekommen  ist  als  selbst  in  unserm  heu- 
%ai  Rechte,  das  «nen  Unterschied  zwischen  Aufrechnung  und 
Zorttckbehaltung  des  Lohnes  macht,  sei  nur  im  Vorübergehen  erwähnt. 

KSimecke.  o 


—     18    — 

Bestimtaiungen  über  die  Verpflichtung  zur  Auszahlung:  des 
Tagelohnes. 

Über  die  friedliche,  dem  Vertrage  entsprechende  Be- 
endigung des  Gesindeverhältnisses  enthält  das  Kaiserrecht 
keine  Vorschriften.  Auch  nicht  über  die  Lösung  des  Ver- 
trages durch  den  Tod  einer  Partei,  Es  beschränkt  sich 
darauf*),  das  Recht  fiu*  den  Fall  festzusetzen,  „daz  sich 
zorn  under  in  hebet**.  Die  Voraussetzung  des  obligato- 
rischen Vertrages,  die  in  den  andern  Bestinünungen  dieses 
Kapitels  (vor  allem  über  das  Züchtigungsrecht)  besonders 
hervorgehoben  wird,  führt  dazu,  daß  dem:  Knecht  auch 
in  der  Frage  der  Dienstbeendigung  gleiches  Recht  mit 
dem  Herrn  gewährt  wird  : 

„Und  kumt  ez  also,  daz  sich  zorn  under  in  hebet, 
wez  dan  die  schulde  ist,  der  mag  dem'  andern  urtoub 
geben  mit  rechte,  un  get  die  unschulde  den  knecht  an, 
so  sal  der  herre  im  sinen  virdienten  Ion  geben,  ab  er 
von  im  wil  scheiden;  ist  aber  die  schulde  des  knechtes, 
un  were  gern  von  dem  heren,  des  enhat  er  kein  recht, 
wan  er  muz  dem  heren  dienen,  biz  an  die  zit,  die  er  ge- 
dingt hat.** 

Es  kommt  auf  den  Willen  des  schuldlosen  Teils  an, 
ob  er  den  Vertrag  erhalten,  oder  ob  er  scheiden  will, 
der  Lohn  braucht,  auch  wenn  der  Knecht  unschuldig  ist, 
nur  bis  zu  dem  Tage  der  wirklichen  Dienstlösung  gezahlt  zu 
werden,  nicht  bis  zu  dem  Termin,  an  dem  normalerweise 
der  Dienst  zu  Ende  gegangen  wäre.  — 

Im  15.  Jhdt.  entstanden  in  Hessen  einige  Stadt- 
rechte,  die  gelegentlich  auch  vom  Gesinde  handeln.  Das 
älteste  Stück  bilden  die  eschweger  Statuten  aus  der 
Zeit  um  1437  ^).  Außer  einzelnen  Bestimmungen  über  den 
Stadtknecht  finden  sich  zwei  nebensächliche  Erwähnungen 


')  Kap.  28,—  ')  Hsg.  von  Ro es  teil,  Marb.  Universitätsschrifl 
1854;   Endemann,  Keyserrecht,  S.  XXXII. 


-     19     — 

des  Gesindes,  die  ohne  weitere  Bedeutung*  für  das  Ge- 
sinderecht zu  sein  scheiuen,  soweit  die  zweifellos  arg  ver- 
dorbene Überlieferung  und  Wiedergabe  der  Quelle  er- 
sehen läßt.  Die  eine  Stelle  („Wo  eyn  borger  get  an  eyns 
andern  feylen  kouf**,  S.  10)  regelt  die  Bestrafung*  dessen, 
der  sich  bei  eineml  fremden  „feylen  kouf**  mit  des  Ver- 
käufers Knecht  oder  Magd  veruneinigt.  An  anderer  Stelle 
„Der  stat  knechte  dy  sollen  uf  eren. .  .**,  S.  11)  wird 
bestinÄnt,  daß  Gesinde  5  Schillinge  „vorluset**,  wenn  es 
,,phande  w-eret**.  —  Im  eschweger  Stadtbuch*)  steht  fer- 
ner die  Vorschrift :  „Keyn  möUer  sal  husÄgenossen  halden 
in  siner  moUen  sunder  sine  eyg'en  knechte  unnd  meyde  by 
einer  busse  wy  dy  yn  eyner  stat  gesackt  sin.** 

Weiter  sind  die  Statuten  der  Stadt  Gas  sei 
vom  7.  Oktober  1444^)  anzuführen.  Eine  Kampfmass- 
nahme  wider  die  geistlidhen  Gerichte  bringt  hier  etwas 
Gesinderecht.  Keiner  darf  in  weltlicher  Sache  andere  vor 
ein  geistliches  Gericht  laden.  „Were  es  aber  ein  geyst- 
lich  persone  (sc.  die  dorthin  lädt),  was  dann  der  wemt- 
liche  gesynt  hette,  es  were  knecht  adder  ma^,  dem'  solten 
und  wolten  wir  zu  stundt  gebietten  aus  seinem  Dienste 
zugehen,  und  nicht  wider  darin  zukommen  bissolange 
solche  Ladimge  und  Bann  apgethan  würde.** 

Klarer  als  die  vorhin  angeführten  Vorschriften  des 
eschweger  Rechts  und  vor  allem  viel  wichtiger,  ja  eins 
der  bedeutsamsten  Ereignisse  in  der  Geschichte  des  hessi- 
schen Gesinderechts  ist  eine  in  einer  marburger  Stadt- 
rechnung^  von  1469')  bekundete  Tatsache:  „uf  Sonnabint 
nach  Conceptionis  Marie,  als  der  habemeister  und  rent- 
meister  bie  dem  rade  in  des  burgemeisters  husse  gewest, 
aber  eyne  nuwe  ordinancien  von  allerley  zinssen,  auch 


')  Letzter  Teil;  Univ. -BibL  Giessen,  fol.  193 v.  —  *)  Kopp, 
Gerichtsverfassung!,  Beilagen  zu  dem  ersten  Stück,  S.  27flF.,  29,  30; 
I,  S.  196.  —  «)  St.  A.  Marburg. 

2» 


—    20    — 

von  dinstknechten  und  dinstmeyden  Ionen, 
^esast  tind  g^emiadit  han,  grdiabt  an  wyne  und  bier  4^/2  S. 
2  /^/*  Mag"  ein  praktisches  Ergebnis  dabei  herausge- 
kommen sem  oder  nicht,  außerordentlich  wichtig  ist  schon 
dies,  daß  zu  so  früher  Zeit  der  Gedanke  einer  Gesinde- 
k>hnordnung  auftauchte;  ntir  ganz  wenige  außerhessische 
Gebiete  waren  hier  bisher  vorangegangen^).  —  Gesinde- 
recht  nebensächlicher  Art  ist  einer  niarburger  Rechnung 
von  1464*)  zu  entnehmen;  Freitag  nach  Laetare  werden 
Mühlenmeister  \md  Knechte  aus  allen  miarburger  Mühlen 
vereidigt. 

Tagelohntaxen  neben  einer  Menge  anderer  Preis-  und 
Lohnbegrenzungen  hat  auch  das  amöneburger  Stadt- 
recht, aufgezeichnet  1484').  Femer  bringt  dies  Rechts- 
buch  eine  Bestimmung,  die  als  Vorläufer  unzähUger  wei- 
terer aus  merkantilistischeren  Zeiten  gelten  kann:  „Item 
sai  keyn  knecht  von  deme  slosse  gen  czwen  dagen  adder 
drey  nach  sanct  Jacobusdage,  ob  man  er  dorff te,  biss  die 
lüde  er  fruchte  von  dem  f elde  brengin ;  wilcher  dass  thede 
deme  solde  man  funff  schill.  pennige  abnemen,  wen  he 
Widder  queme.** 

Schließlich  gehört  das  frankenberger  Stadtrecht 
hierher,  das  Johann  Jost  Em  er  ich,  der  Alte,  wohlge- 
lahrter Baocalaureus,  1493  aufgezeichnet  hat*).  Es  ist 
nach  der  Ansicht  Kopps  ein  Ableger  des  Sdhwabenspiegels. 

Für  das  Gesinderecht  sind  nur  die  Bestimmtingen  über 
die  Verantwortlichkeit  der  Hirten*)  ernstlich  beachtens- 
wert.  „Was  der  gedingte  hirthe  sumeniss  halber  verwar- 

*)  Näheres  in  §  8  des  2.  Teils.  —  »)  St.  A.  Marburg.  -^ 
')  Ms.  Eigentum  der  Stadt  Amöneburg;  Veröffentlichung  durch 
Herrn  Pd.  Dr.  Stengel  in  Marburg  steht  bevor.  —  Wegen  der  Lage 
Amöneburgs  nahe  bei  Marburg  mitten  in  Hessen  sei  es  ^-  trotz  seiner 
früheren  mainzischen  Staatszugehörigkeit  —  hier  im  Zusammenhange 
behandelt.  —  ^)  Abgedruckt  in  Friedrich  Christoph  Schminckes 
Monimenta  Hassiaca,  II.  Teil  (1748),  S.  669 fif.;  vgl.  femer  Kopp,. 
Gerichtsverfassung  I,  §  27.  —  *)  Schmincke,  S.  786 flf.,  761. 


—    21     — 

losset  oder  verlus^t,  das  sal  he  gelden.  Das  findet  matt 
im  selben  capittel.  Als  ob  he  kynder,  thoren,  oder  un- 
warsam  hide  by  das  vehe  stehe,  ader  vom!  vebe  na  smem 
gescheffte  ginge,  slyffe,  ader  derglichen." 

Der  Verweis  auf  ein  Kapitel  des  „Landrechts"  stimmt 
Dicht  mit  d^r  Zählxmg  des  SchWabenst>iegels,  der  das? 
Hirtenrecht  in  Kap.  213  bringt,  während  Emerich  109 
nennt;  auch  Sachsenspiegel  und  tCaiserrecht  passen  nicht 
zu  dieser  Zählweise.  Doch  ist  bei  der  sonstigen  Abhängig- 
keit £merichs  vom'  Schwabenspiegel  und  der  Ähnlich- 
keit der  hirtenrechtlichen  Bestimmungen  ein  Zusammen- 
hang unbedenklich  ammnehmen. 

Der  jandere  hirtenrechthche  Satz  ^)  läßt  den  Hirten  den 
Pfandschilling  für  das  wegen  Freilaufens  gepfändete  Vi^h 
bezahlen.  Dies  ist  eine  Selbständigkeit  gegenüber  dem 
Schwabenspi^el,  der  in  Art.  212  wohl  die  Pf ändung  frem- 
den -Vielis  auf  eigenen  Acker  behandölt,  aber  die  besondere 
Verantwortung  d^  Hirten  nicht  berücksichtigt. 

Was  sonst  noch  an  Weistmgen  über  Knechte  \mä 
Mägde  im  frankenberger  Stadtreciht  vorkomimt,  hat  für 
die  Geschichte  des  Gesinderechts'  keine  große  Wichtig- 
keit. Eine  amüsante  Erzählung  über  die  besonders  reich- 
lich geratene  Eichelmast  im'  Jahre  1483 ')  läßt  sehen,  daß 
dadurch  zwei  ständige  Schweinehirteti  erforderlich  wurden, 
die  an  Ldm  je  drei  Pfund  Geld  bekanien,  dazu  Schuhe 
und  Kost.  Auch  die  kurzen  Bestiminkmgeh  für  das  Ver- 
halten des  frommen,  getreuen,  dietisthaftigeh,  verschwie- 
genen usw.  Stadtknechts,  die  sich  in  der  Aufzählung  aller 
von  ihm  verlangten  vortrefflichen  Eigenschaften  erschöp- 
fen, können  hier  nicht  weiter  interessieren,  weil  er  zum 
Gesinde  im  eiigeren  Sinne  ja  nicht  gehört.  Über  „unsser 
liebin  Frauwin  Meyde",  über  ihren  Lohn  sowie  über  „des 
heiligen  Crutzes  Meyd"  braucht  hier  aus  dem  gleichet! 


V  Ebenda  S.  751.  -  *)  Ebenda  S.  702. 


-     22     - 

Grunde  nichts  weiter  gesagt  zu  werden.  Für  die  Entwick- 
lung des  Gesinderechts'  haben  diese,  auf  die  Bedürfnisse 
eines  geg^ebenen  Einzelfalles  zugeschnittenen  Bestimmiin- 
gen  keine  große  Bedeutung". 

Wohl  aber  kann  hier  noch  auf  Sätze  hingewiesen 
werden,  die,  ohne  dem'  Gesinderecht  anzugehören,  doch, 
auch  für  dessen  Behandlung  Beachtimg  verdienen.  Der 
Schulmeister  wird  wie  der  Opf ermann  vom  „Buwmeister** 
Unser  lieben  Frau  gedingt.  Vertragsbestandteile  sind 
hierbei  u.  a.  ein  Mietpfennig  und  Weinkauf;  zu  Weih- 
nachten erhalten  sie  ein  Opfergeld*).  Für  das  Gesinde 
nennt  Emerich  nichts  von  alle  demJ;  späterhin  spielten 
Opfergeld  und  Mietgeld,  vor  allem  dieses,  eine  bedeutende 
Rolle  in  der  Geschichte  des  Gesinderechts.  — 

Zwei  Weistümer,  die  einzigen,  die  für  Hessen  her- 
anzuziehen sind,  geben  über  den  Zustand  des  Gesinde- 
rechts an  der  hessisch-thüringischen  Grenze  Auskunft. 

Das  ältere  wurde  1447  in  der  Cent  Kaltensund- 
heim  vor  der  Rhön  aufgezeichnet^).  Es  lautet:  „Der 
richter  fragt,  wie  man  sich  mit  den  dinstboten,  meyden 
und  knechten  halten  soll.  —  Urtheill:  Wer  einen  dienst- 
boten  hat  gedinget,  geschieliet  auff  meynung  in  einem 
jar  oder  benante  zeit  zu  dienen;  so  das  gesindt  ahne 
redlich  Ursachen,  das  er  beweissen  khan,  von  dem  hem 
zühe,  sali  er  in  nichts  geben  zu  lohne.  Wann  aber  der 
herre  mit  dem  gesinde  der  massen  umbgieng,  das  es  nit 
zu  leiden,  alsdann  sali  er  im!  seinen  vollen  lone  geben. 
Es  soll  aber  der  knecht  oder  mleidt  den  hem  zuvor  be- 
senden, im  den  gebrechen  entdecken;  wo  der  herre  den 
gebrechen  nit  abstellen  will,  sollen  sie  miteinander  gut- 
lich abrechnen.   Dergleichen  sali  der  herr  widerumb  dem' 


»)  Ebenda  S.  684,  685,  686,  689.  —  •)  Zeitschrift  für  thüringische 
Geschichte  17,  S.  267,  bes.  267;  vgl.  auch  F.  Varrentrapp, 
Rechtsgeschichte  und  Recht  der  gemeinen  Marken  in  Hessen  (Hey. 
manns  Arbeiten,  Heft  8),  S.  9ff. 


—    23    — 

knecht  oder  meidt  auch  besprechen,  und  ob  dann  das 
gesinde  den  gebrechen  nit  abstelt,  sollen  sie  auch  mit- 
einander abrechen  und  nach  ergangener  zeit  bezalen.  Der 
richter  fragt,  wann  einer  ^inem*  dienstbotten  verdienten 
lone  schuldig  were,  wann  er  in  bezalen  sali.  —  Urtheil :  Er 
sali   in  bezalen  bey  sdheynender  sonne." 

Als  Dauer  des  Dienstes  ist  hiernach  im  Zweifel  ein 
Jahr  anzunehmen:  „in  einem'  jar  oder  benannte  zeit**. 
Aber  nur  wenn  keine  benannte  Zeit  ausgemacht  ist,  greift 
die  Jahresfrist  Platz. 

Vertragsbruch  des  Gesindes  wird  mit  Lohnverlust  ge- 
ahndet. Wenn  aber  das  Gesinde  Grund  zum  Scheiden  ge- 
habt hat,  weil  „der  herre  mit  dem  g^esinde  der  massen 
unibgieng,  das  es  nit  zu  leiden**,  dann  ist  der  „volle** 
Lohn  zu  zahlen,  d.  h.  allerdings  wohl  nur  soviel,  wie 
wirklich  durch  die  Dienstleistung  verdient  worden  ist, 
nicht  etwa  der  Lohn  für  die  ganze  vorher  vereinbarte! 
Dingzeit. 

Doch  soll  das  Gesinde,  wie  weiter  gesagt  wird,  auch 
wenn  es  Grund  zum  Scheiden  hat,  nicht  ohne  weiteres 
weglaufen,  sondern  vorher  den  Herrn  um  Abstellung  der 
Mißstände  bitten;  alsdann  erfolgt  eine  gütliche  Abrech- 
nung. Jedenfalls  ist  diese  Vorschrift,  vorheriger  Be- 
schwerde nicht  in  dem  Sinne  aufzufassen,  daß  durch  ihre 
Nichtbeachtung  der  Dienstbote  des  Anspruchs  auf  Aus- 
zahlung des  vollen  Lohnes  verlustig  ginge,  der  ihm  für 
den  Fall  begründeten  Dienstverlassens  zugestanden  ist. 
Die  gleichgültige  Fassung  der  Bestiminüng  läßt  erkennen, 
daß  sie  nicht  in  einen  solchen  Zusamimenhang  mit  den 
vorher  festgesetzten  Regeln  gebracht  sfein  will,  daß  es 
sich  bei  ihr  vielmehr,  um'  einen  Ausdruck  des  modernen 
Rechts  zu  gebrauchen,  um  eine  „SoUvorsdhrift**  handelt. 

Gleiches  Recht  gilt  für  den  Herrn,  der  den  Dienst- 
boten vor  der  Zeit  wegschicken  iätüL  Auch  hier  soll,  ehe 


—    24    - 

es  zur  Lösung  des  Vertrasres  kommt,  eine  Mahnung  des 
„Gebrechens**  erfolgen. 

Der  Satz  über  die  Lohnzahlung  „Er  sal  in  bezalen 
bey  scheynender  sonne**  will  besagen,  daß  der  Lohn  vor 
Abend  des  letzten  Tages  der  Dienst^it  entrichtet  werden 
muß,  wichtig  vor  allem'  bei  der  Dienstbeendigung;  diese 
Bestimmung  hat  eine  im  verkennbare  innere  Verwandt- 
schaft mit  dem  biblischen  Recht,  worauf  an  seiner  Stelle  ^\ 
des  näheren  eingegangen  wird. 

Das  andere  Weistum  stammt  aus  Herren  breitun- 
gen*). Es  ist  zwar  erheblich  jünger  als  das  von  Kalten- 
simdheim;  im'  Jahre  1506  wurde  es  aufgezeichnet,  später 
als  eine  staatliche  Gesindegesetzgebimg  in  Hessen  zuerst 
nachweisbar  ist.  Doch  kann  es  hier  des  Zusammenhanges 
wegen  tnit  behandelt  werden.  Einmal,  weil  die  Weistümer 
Rechte  weisen,  „alse  daz  vor  alder  her  gewest  ist**  und 
„als  es  hierkomen  ist**'),  und  dann,  weil  die  Abhängig- 
keit des  herrenbreitunger  Weistums  von  dem-  aus  Kalten- 
sundheim  deutlich  erkennbar  ist. 

Der  iWortlaut  ist  folgender :  „Forder  gewiest  zu  recht, 
so  man  gedingt  gesinde  habe,  und  das  selbige  mitten  oder 
simst  ym  jar,  es  wer  mit  wiessen  oder  nit,  von  ym  brechen 
wolle,  wie  sich  der  man,  dem  seyn  gesinde  also  abbricht, 
gegen  ym  halden  soll?  Urtheill:  wer  eyn  dinstpotten 
lünckt,  der  dingt  yn  darumb,  das  er  yn  die  zceft 
haben  woll.  So  aber  das  gesinde  on  redliche  ursach,  das 
er  nit  bewiesen  kundt,  von  dem  herren  zcogfe,  sol  er  ym 
nichts  zu  km  geben ;  wo  aber  der  herre  mit  dem  gesynde 
der  massen  umb  ginge,  dass  es  ym  nicht  zu  lyden,  als 
dan  sol  er  im  seyn  f ollen  lohn  geben;  es  sali  aber  der 
knecht  oder  maigt  den  herren  besenden,  im'  den  gebrechen 
entdecken,    wo   der    herre  den  gebrechen  nit  abstellen 

»)  Teil  2,  §  8.  —  «)  Grimm,  Weistümer  III,  S.  588  ff.,  bes. 
ÖÖD;  Löning,  Vertragsbruch  I,  S.  461,  479,  476.  —  «)  Zitate 
bei  Varrentrapp  a  a.  (X,  S.  IQ. 


-    25    — 

vill,  so  sollen  sie  gutlichen  mit  eynander  abrechen« 
Des  grleichen  soll  der  herre  den  knecht  oder  maidt 
auch  besprechen,  und  ob  dan  das  gesynde  den  9&> 
brechen  nyt  abstelt,  sollen  sye  auch  myt  eynander  ab- 
rech^i.  Forder  so  einer  dem  andern  sein  gedingt  ge- 
synde abspient,  und  also  funden  wurde,  was  seines  un- 
rechten sey  scrfl?  urtheil:  so  eyn  man  gesinde  hadt,  es 
sey  knecht  oder  maidt  mitten  ader  sunst  ym  jare,  der 
hab  das  unrecht/' 

Der  erste,  größere  Teil  ist  fast  wörtlich  von  dem 
kaltensundbeimer  Weistimi  übernommen.  Zwei  Unter- 
schiede sind  nicht  bedeutungsvoll:  Herrenbreitungen  hat 
zum  Schluß  des  ersten  Teils  nicht  den  Hinweis  darauf, 
daß  die  Bezahlimg  „nach  ergangener  zeit"  erfolgen  soll. 
Nach  dem  sonstigen  Inhalt  des  Weistumis  kann  kaum 
ein  Zweifel  sein,  daß  auch  in  dem  Falle,  wo  der  Herr 
den  untauglichen  Dienstboten  wegschiciken  will,  der  Lohn 
für  die  abgediente  Zeit  ausgezahlt  werden  muß,  daß  der 
Satz  seiner  Selbstvenständlichkeit  wegen  nicht  aufgenom- 
men worden  ist. 

Der  zweite  Unterscheidimgspunkt  ist  geeignet,  eine 
zu  weit  gehende  InterpreCation  des  herrenbreitunger  Weis- 
tums  durch  Löning  einzuschränken. 

Löning  sagt^):  „Zweck  des  Gemeindevertrages  ist 
es  nun,  die  Ausübimg  dieser  Verrichtungen  während 
einer  bestimmten  Zeitdauer  auf  gewisse  Per- 
sonen, welche  sich  eben  vertraglich  hierzu  verpflichten, 
zu  übertragen.  Die  Rechtspflicht  des  Gesindes  geht 
somit  nicht  darauf,  gewissermaßen  in  abstracto  diese 
oder  jene  Handlung  irgend  ein  Mal  zu  vollziehen,  son- 
dern vielmehr  darauf,  die  in  einem'  konkret  be- 
stimmten Zeiträume  fälligen  häuslichen 
Dienste,  welche  sonach  selbst  eine  in  zeit- 
licher Hinsicht  konkrete,  individuelle  Natur 

*)  S.  460 ff.;  die  Spemu^en  stammen  von  LOning. 


—    26    — 

haben,  zu  verrichten:  Weist h.  2u  Herrenbrei- 
tungen  (Grimm'  III  S.  590):  Wer  eyn  dinstpotteiu 
dinckt,  der  dingt  yn  darumb,  das  er  yn  die  z  c  e  i  t  haben 
wolL  Hieraus  ergibt  sich  aber,  daß  die  für  eine  bestimmte 
Zeit  gelobten  Dienste  nach  Verstreichen  dieser  Zeit  nicht 
mehr  geleistet  werden  können,  daß  sie  ihrer  wirtschaft- 
lichen Bestimlmting  und  Natur  nach  an  diese  bestimmte 
Zeit  unabänderlich  geknüpft  sind.** 

Diese  wertvollen  Ausführungen  Lönings  sind  zwei- 
fellos richtig;  an  anderer  Stelle  wird  noch  eingehender 
Gebrauch  davon  zu  machen  sein.  Nur  die  Berufung  auf 
das  Weistum  von  Herrenbreitungen  ist  unzulässig,  wie  man 
jetzt  nach  Bekanntwerden  des  Weistums  von  Kaltensund- 
heim  feststellen  kann.  Eine  Gegenüberstellung  der  beiden 
verwandten  Sätze  wird  dies  zeigen. 

Kaltensundheim  1447:  „Wer  einen  dienstboten  hat 
gedinget,  geschiehet  auf  meynung  in  einem'  jar  oder  be- 
nante  zeit  zu  dienen.** 

Herrenbreitimgen  1506:  „Wer  eyn  dienstpotten 
dinckt,  der  dingt  yn  darumb,  das  er  yn  die  zceit  haben 
woU.** 

Das  herrenbreitunger  Urteil  wollte  nicht  den  Satz 
aussprechen,  daß  die  Arbeitspflicht  des'  Gesindes  nach 
ihrem  Objekt  nicht  so  sehr  bezeichnet  werden  kann  als 
vielmehr  nach  der  Zeitdauer,  für  welche  die  Arbeitskraft 
in  abstracto  versprochen  ist.  Diese  Annahme  wäre  ge- 
rechtfertigt, wenn  die  im  Weistume  entschiedene  Rechts- 
frage gelautet  hätte :  Kann  der  Dienstbote  eine  bestimmte 
ihm  zugemutete  Arbeit  weigern,  weil  er  zu  dieser  Arbeit 
nicht  gemietet  ist  ?  Wenn  die  Antwort  hierauf  lautete : 
Der  Dienstbote  ist  „die  zceit**  gemietet,  so  würde  als 
entsprechendes  Negativ  sicher  zu  ergänzen  sein,  daß 
Dienstboten  nicht  für  bestimmte  einzelne  Arbeiten  ge- 
mietet sind.  Hier  dagegen  ist  gefragt,  wie  sich  die  Herr- 
schaft bei  Vertragsbruch  des  Gesindes  zu  verhalten  habe, 


—     27     — 

ob  ihr  ein  Anspruch  gegen  den  entlaufenen  Dienstboten 
zustehe.  Und  darauf  heißt  es :  Der  Herr  mietet  den  Dienst- 
boten, um  ihn  die  ganze  Mietzeit  hindurch  („die  zceit**) 
ni  haben.  Entgeht  der  Diestbote  vor  Ablauf  dieser  Zeit, 
so  braucht  sein  Dienstherr  keinen  Lohn  zu  geben.  Das 
herrenbreitunger  Urteil  wollte  also  ni<^ht  den  ihm  von  Lö- 
ning  unterstellten  r-  gewiß  richtigen  —  Satz  aussprechen,  es 
wollte  nur  vermeiden,  die  vom'  kaltensundheimer  Weis- 
tum  gewählte  umständliche  Zeitangabe  zu  machen,  die 
für  die  Entscheidung  des  in  Frage  stehenden  Falles,  des 
Vertragsbruches,  doch  ohne  Bedeutimg  ist,  da  es  hier- 
für nur  darauf  ankoötnimt,  daß  der  Dienstbote  „die  zceit", 
die  er  zu  dienen  verpflichtet  ist,  nicht  aushält.  Mag  diese 
Zeit  nun  besonders  vereinbart  sein  oder  miögen  es  die 
Parteien  ohne  neue  Beredung  bei  der  normalen  Dienstzeit 
gelassen  haben  —  das  ist  völlig  einerlei.  Deshalb  wählten 
die  Richter  den  ganz  unbestimmten  Ausdruck  „die  zceit**, 
worunter  beide  Möglichkeiten  fallen. 

Itn  Unterschiede  vom'  kaltensundheimer  Weistum  ent- 
hält das  von  Herrcnbreitimgen  zum  Schlüsse  die  Bestim- 
mung, daß  der  im'  Unrecht  ist,  der  dem'  andern  das  Ge- 
sinde abspenstig  macht,  „mitten  oder  sunst  ym  jare**.  — 

Ein  Burgfrieden  für  das  Schloß  Boineburg  vom 
23.  November  1446  *),  der  mannigfaltige,  im  zweiten  Teile 
dieses  Werkes  näher  erörterte  Vorschriften  für  das  Ge- 
sinde enthält,  sei  zum  Schlüsse  dieses  Abschnittes  noch 
genannt. 

S  2.    Die  Zeit  der  Polizeiordnungen. 

Nun  kommt  die  Zeit,  in  der  sich  hauptsächlich  die 
Rezeption  der  fremdai  Rechte  auf  iminer  mteht  Rechts- 
gebieten geltend  macht.  Für  die  Bauern,  deren  Dasein  vor- 
nehmlich das  „soziale"  Problem  dieser  imd  der  kommen- 

')  St.  A.  Marburg.    Boineburgsches  Archiv. 


-    28    — 

den  Zeiten  bildet,  brachte  das  rräiische  Recht  die  Mög'- 
hchkeit,  eine  Verschlechterung  der  Rechtslage  herbeizu- 
führen. Das  klare  römische  Recht  kannte  die  vielfachen 
Besitzesverhältnisse  zwischen  Eigentümier  und  Nutzer,  wie 
sie  das  deutsche  Recht  gebildet  hatte,  nicht  verstehen 
und  rubrizieren;  je  tiefer  die  fremde  Rechtsanschauungen 
durchdrangen,  wen  so  gründlicher  mußten  die  altdeutschen 
Einrichtimgen  den  Begriffen  der  Sklaverei,  des  Eigen- 
tums imd  der  Pacht  weichen.  Das  Römerrecht  gab  den 
Grundherrn,  die  ihren  Besitz  immer  zu  m^ehren  strebtöi, 
eine  feste  Handhabe,  um  den  Bauern  ihr  Besitzrecht  zu 
kümmern,  vor  allem  die  „ewigen**  Rechte  zu  zeitlichen 
zu  mindern  ^). 

Wie  eng  das  Recht  des  ländlichen  Gesindes  mit  der 
Stellung  der  Bauembevölkenmg  zusammenhing,  wird 
gleich  gezeigt  werden.  Abei"  auch  für  das  städtische  Ge- 
sinde bedeutete  das  neue  Recht  eine  Gefahr,  die  allerdings 
weniger  dringend  war  und  auch  im  großen  und  ganzen 
überwunden  werden  konnte.  Dem  allzu  klaren  Denken 
der  Romanisten  mußten  die  zwischen  Herrn  und  Knecht, 
Hausfrau  imd  Magd  begründeten  muntörtigen  Beziehun- 
gen unverständlich  sein  —  die,  in  der  uralten  Sitte  ge- 
heiligt, sich  mit  Rechtssätzen  kaum  fassen  ließen. 

Das  über  das  Recht  des  Landvolks  Gesagte  gilt  vor- 
nehmlich, fast  ausschließlich,  für  den  deutschen  Osten. 
Aus  Gründen  der  natürlichen  Bodenbeschaffenheit  mußte 
sich  hier  ein  überwiegender  Großgrundbesitz  bil- 
den. Der  im  Vergleiche  zum  Westen  ärmere  Boden  des 
Landes  ließ  kleine  Wirtschaftsbetriebe  nicht  zu*).    Das 


^)  C.  J.  Fuchs,  Untergang  des  Bauernstandes,  S.  78,  etwas 
gemikkrt  im  Wort  d.Volksw.  I,  S.888;  Dernborg«  PretM.  Privat- 
recht  I,  S.  2;  Lennhoff,  S.  1.  Andere  verweisen  dagegen  auf  das 
römische  Eigentumsrecht,  das  einer  Verschlechterung  der  bAuerUchen 
Rechtslage  gerademi  widersprochen  habe,  so  Gtossmann,  S.  18 ff. 
u.  ö.;  auch  Stobbe -Lehmann  III,  S.  460,  ist  hier  zu  nennen.  — 
*)  Friedrich,  Wirtschaftsgeographie,  9.  AufL  1907,  Sw  176. 


—    29    — 

typische  Ostland  Brandenburg  besaß  den  Großgrundbe- 
sitz zur  Kolonisationszeit  zwar  nicht  schon  in  gkichem  Um- 
fange wie  heute  ^),  aber  die  anfangs  wenigstens  in  Ansätzen 
\x>rhandenen  Abweichungen  der  Gutsgrößen  vom  Volks- 
besitz erfuhren  eine  immer  weiter  greifende  Verschärfung 
durch  fortgesetzte  Vergrößerungen  des  herrschaftlichen 
Privatlandes.  Gefördert  wurden  diese  steten  Vermehrun- 
gen durch  die  mehr  und  mehr  in  Brauch  kommende  Be- 
gründung* territorialer  Gutsherrschaften  an  Stelle  der  frü- 
heren, nur  indirekte  Rechte  gebenden  Grundherrschaften ; 
den  Höhepimkt  dieses  Strebens  und  seiner  Erfolge  bildet 
daß  16.  Jahrhimdert,  da  die  Gutsherren  mit  dem  Auf- 
k<Knmen  der  Söldnerheere  vom  Militärdienst  abließen  und 
Landwirte  wurden.  Große  Erleichtenmg  und  in  gewissem 
Umfang  eine  Art  moralischer  Rechtfertigimg  erfuhr  der 
.,Zug  der  Zeit"  dadurch,  daß  viele  Bauerngüter  besonders 
nach  Kriegen,  wie  denen  des  Albrecht  Achilles,  unbesetzt 
waren.  Schließlich  hatten  die  brandenburgischen  Adeligen 
eine  kräftige  formale  Stütze  in  ihrer  politischen  Vereini- 
gung, den  Ständen*). 

Die  wichtigste  Sorge  der  Großgrundherren  war  die, 
für  ihr  Land  die  mitsprechende  Zahl  Arbeitsmenschen 
zu  beschaffen.  Dies  ist  der  direkte  Anlaß  zur  Begrün- 
dung imd  immer  weiteren  Ausdehnimg  der  bäuerlichen 
Unfreiheit,  der  Leibeigenschaft.  Und  eine  Folge  davon 
gerade  für  das  ländliche  Gesinde  war  die  Einrichtung 
zweier  Formen  des  Gesindezwangsdienstes,  als 
Vermiete  und  als  absoluter  Dienstzwang  der  Kinder  höri- 
ger Bauern.   Überall  in  den  Ländern  des  östlichen  Groß- 


^)  Dag.  Bornhak,   Die  Entstehung  des  Rittergutsbesitzes;  in 

den  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  26  (1886),  S.  125;   dag. 

richtig  Grossmann,  S»  7;  Scring  im  Wort.  d.  Volksw.  II,  S.845. 

-*  •)  FQr  das  Vorige  vgl.  Knapp,  Bauernbefreiung  I,   bes.  S.  2ftff./ 

Fochs  im  Wort.  d.  Volksw.  I,  S.882ff.,  1167 «F.;  Lennhoff,  S.  4if.^ 
104«: 


-     30     ~ 

betriebes  ist  der  Gesindezwang  seit  dem  16.  Jhdt.  ein- 
geführt worden  ^).  Dies  war  nur  ein  kleiner  Schritt  weiter 
auf  dem  einmal  begangenen  Wege  der  Versklavung  des 
Bau ern Volkes ;  deshalb  mag  man  wohl  sagen,  daß  die 
Einrichtimg  des  Gesindezwanges  mit  den  damaligen  An- 
schauungen von  der  persönlichen  Freiheit  verträglich 
war  *). 

Die  Wirtschaftsverfasstmg  des  deutschen  Westens, 
insbesondere  auch  Hessens,  wich  von  jeher  durchaus  von 
der  Art  des  östlichen  Großbetriebes  ab.  Südwestdeutsch- 
land, das  Gebiet  der  fruchtbaren  Talauen,  kennt  Groß- 
grundbesitz nur  als  Ausnahme*). 

In  Hessen  forderte  die  Zerteilung  des=  Berglandes  zur 
Kleinsiedelimg  geradezu  auf,  während  die  große  ungebir- 
gige Fläche  des  Ostens  eine  günstige  Vorbedingung  für 
ungebrochenen  Großbesitz  bildet.  Gerade  Hessen  kam 
in  Verfolgung  der  im  Grunde  schon  mit  Erstarrung  der 
Villikationsverfassimg  gegebenen  Richtung  nie  in  die 
Lage,  die  selbständige  Stellimg  der  Bauern  dem  wirt- 
schaftlichen Gedeihen  von  landwirtschaftlichen  Großbe- 
trieben opfern  zu  müssen.  S  e  r  i  n  g  *)  führt  über  die  Ver- 
fassung der  Landwirtschaft  in  Westdeutschland  aus: 
„Überall  westlich  der  Elbe  tritt  der  Großgrundbesitz  zu- 
rück, und  zwar  vornehmlich  deshalb,  weil  die  Grund- 
linien der  dortigen  Agrarverfassung  bereits  im  früheren 
Mittelalter  gezogen  worden  sind.  Jene  Zeit  hat  überhaupt 
den  landwirtschaftlichen  Großbetrieb  nur  in  geringen  An- 
sätzen gekannt.  Dieser  ist  also  im  westlichen  und  südlichen 
Deutschland  heute  von  geringer  Bedeutung,  weil  er  ^chon 
im  Mittelalter  gefehlt  hat,  und  keine  wirtschaftlichen  oder 
politischen  Einflüsse  stark  genug  gewesen  sind,  um  die 


*)  Einzelheiten  im  2.  Teil,  §  2.  —  *)  Grossmann,  S.  36;  dag. 
Lennhoff,  S.  107.  —  •)  Friedrich,  Wirtschaftsgeographie,  S.  176 
—  *)  Wort.  d.  Volksw.  II,  S.  346. 


—    31     — 

vMi  alters  her  vorherrschenden  Bauerndörfer  und  Bauern- 
höfe zu  verdrängen.  Im  allgemeinen  sind  die  Rittergüter 
im  Westen  -und  Süden  nicht  viel  g^'ößer,  als  die  Sitze 
der  mittelalterlichen,  auf  Naturalliefenmgen  der  Bauern 
angewiesenen  Grundherrn  gewesen  sind." 

Für  die  Adeligen  Hessens  und  überhaupt  des  Westens 
bedeutete  daher  die  Arbeiterfrage  lange  nicht  so  viel  wie 
für  die  Großen  in  Ostdeutschland.  Deshalb  vor  allem  kennt 
man  insbesondere  in  Hessen  als  Regel  keine  persönliche 
oder  dingliche  Gebundenheit  der  Bauern.  Die  Abhängig- 
keit äußerte  sich  da,  wo  eine  solche  vorhanden  war,  in 
Abgaben  und  meist  gemessenen  Diensten,  die  bisweilen 
allerdings  drückend  waren,  aber  an  dem  allgemeinen  nur 
stark  theoretischen  Charakter  der  Abhängigkeit  nichts 
änderten.  Eine  weitere  Folge  hiervon  ist  das  Fehlen  des 
Gesindezwangsdienstes  in  Hessen  und  der  überwiegenden 
Zahl  der  übrigen  westlichen  Länder^). 

Dieser  grundsätzliche  Unterschied  in  der  Entwicklung 
des  Gesinderechts  im  Westen  und  im'  Osten  hatte  noch 
weitere  Abweichungen  des  westlichen  vom  östlichen  Ge- 
sinderecht im  Gefolge  oder  begleitete  solche  wenigstens 
in  leicht  bemerkbarer  gegenseitiger  Abhängigkeit.    Hier 
ist  auf  die  Gestaltung  des  Züchtigungsrechtes,  vornehm- 
lich im   18.  Jhdt.,   verwiesen,  das  im  Osten  etwas  sehr 
Gewöhnliches  war,  während  man  es  im  Westen  unerhört 
fand*).    Ein  ferneres  Zeichen  für  die  weit  energischere 
Behandlung  des  Gesinderechts  in  Ostdeutschland  gegen- 
über dem  Westen  ist  die  überstürzte  Art,  in  der  in  Branden- 
burg z.  B.  das  Gesinderecht  weitergebildet  wurde,  wäh- 
rend Hessen  andererseits  nur  zu  verhältnismäßig  wenigen 
gesetzgeberischen  Erfolgen  kam. 

Ehe  dies  im  einzelnen  dargestellt  werden  kann,  jsind 


')  Näheres  in  §  2  des  2.  Teiles,  —    *))  Näheres  in  §  10  des  2. 
Tdles. 


—    32    — 

noch  einige  Bemerkungen  zu  machen  über  die  Anschau- 
ungen der  Zeit  vom  Dienstbotenwesen,  wie  sie  sich  in 
der  Literatur   offenbarten.     Daß    die  protestantische 
Geistlichkeit,  Luther  an  der  Si>itze,  im  Gesinde  eine 
Plage  vor  Gott  sah^  ist  in  den  bisherigen  Darstellungen 
der  Gesindegeschichte  bis  zum  Überdruß  breit  imd  ge- 
lehrt dargestellt  worden i).    Glasers  Gesindeteufel  von 
1556  spielt  eine  große  Rolle  in  diesen  Schilderungen^). 
Auf  die  gleiche  Anschauung  von  dem  Wesen  der  Dienen- 
den, wie  sie  in  Bartbcdomäus  Ringwaldts  lehrhaftem 
Gedichtbüchlein  „Die  lauter  Wahrheit***)  zu  Tage  tritt, 
wäre  weiter  hinzuweisen.    Mehr  Gerechtigkeit  offenbart 
des  Era^mus  A 1  b  e  r  u  s  erziehlich-f reimdliche  Darstellimg 
in  seinem  „Ehbüchlin**  *).   Woher  aber  komtnt  jene  vor- 
wiegende Härte  der  Beurteilung  des  dienenden  Standes? 
D^r  hauptsächliche  Grund  hierfür  ist  der  Umstand,  daß 
die  angeführten  protestantischen  Schriftsteller  dem  Stande 
der  Dienstherrschaften  angehörten.  Weiter  muß  Luthers 
Anschauung  von  der  allgemeinen  Pflicht  rur  absoluten 
Obödienz  in  Betracht  gez<^en  werden*).   Anregung  oder 
doch    Ermunterung   zu    ihrer  Auffassung  vom'  Gesinde- 
wes«i  nahmen  die  Geistlichen  sicherlich  auch  aus  der 
Bibel,  insbesondere  dem  alten  Testament^  das  an  manchen 
Stellen  außerordentlich  harte  Worte  gebraucht:    „Dem 
Esel  gehört  sein  Futter,  Geißel  imd  Last ;  also  dem  Knecht 
sein  Brot,  Strafe  und  Arbeit.  Halte  den  Knecht  zur  Arbeit, 


')  Wuttke,  S.  17;  Stillich,  Dienstboten  in  Berlin,  S.  21ff., 
worauf  hier  wegen  Inhaltsangabe  der  Werke  Luthers  und  Glasers 
verwiesen  wird;  Ober  Luther  im  allg.  ist  ferner  zu  vergleichen 
Brandenburg,  Luthers  Anschauung  vom  Staate  u.  d.  Gesellschaft 
(Schriften  d.  Vereins  f.  Reformationsgeschichte  IX,  Nr.  1).  —  *)  Neu- 
bearbeitung von  Balthasar  Schupp  (Ex.  im  Staatsarchiv  Marburg); 
Ph.  Menagius,  Die  sieben  Teuffei,  vreiche  die  heutigen  Dienst- 
Magde  beherrschen  und  verfahren,  Frankf.  1698,  zit.  bei  GOdeke, 
Grundriss  II,  S»  488.  —  »)  S.  291,  808  ff.  —  *)  Exemplar  in  der  Univ.- 
Bibl.  Göttingen.    S.  G.  8b  ff.  —  ')  Brandenburg  a.  a.  O. 


—    33    — 

so  hast  du  Ruhe  vor  ihm';  läsisest  du  ihn  müßig  gehen, 
so  will  er  Junker  sein"  (Sir.  33).  Dies  nur  als  Beispiel; 
es  sind  nicht  einmal  die  stärksten  Ausdrüolde,  welche  die 
heilige  Schrift  an  dieser  Stelle  verwendet. 

Die  besondere  Art  des  kurz  gesagt  polizeilichen 
Gesinderechtes,  das  sich  aus  solchen  Anschauungen  er- 
gab, geht  am  besten  aus  einer  Gegenüberstellung  mit 
dem  Charakter  des  bisherigen  Gesinderechtes  hervor. 

Das  alte  deutsche  Gesinderecht,  als  dessen  Beispiele 
die  Hessen   besonders  angehenden  beiden   Spiegel  imd 
das  Kaiserrecht  bereits  eingehend  behandelt!  worden  sind, 
kannte  fast  ausschließlich  Gebote  des  Zivilrechts  und  des 
Strafrechts,  imd  zwar  zimächst  in  Form  der  Genugtuung 
an  den  Geschädigten.  Die  gegenseitige  Haftung  und  Ver- 
tretung, die  Gestaltimg  der  (zivilrechtlichen)  Verhältnisse 
bei  Auflösimg  des  Herrenhauses,  die  Haftung  des  Hirten 
usw.  werden  behandelt.    Charakteristisch  für  solche  Auf- 
fassung ist  die  Behandlung  des  Vertragsbruches:    „Ent- 
get  der  knecht  sime  herren  von  mutwillen,  her  sal  deme 
herren  also  vil  geben,  als  im  der  herre  gelobet  liatte: 
und  swaz   so  imie  vergulden  ist,    daz  sal  her  zwigelde 
widergeben"  (Ssp.).    Das  kleine  Kaiserrecht  geht  schon 
weiter,  es  kennt  die  Buße  an  den  Kaiser,  die  dem  Herrn 
auferlegt  wird,  wenn  er  Hand  an  den  Knecht  legt.   Aber 
im  übrigen  bleibt  auch  das  Kaiserrecht  dabei,  die  zivil- 
rechtliche  Seite  des  Verhältnisses  zwischen   Herrn  \md 
Knecht  zu  regeln   unter  besonderer   Hervorhebung  der 
Lohnzahlimgspflicht  und  der   Haftung  und  Vertretung. 
Neues  bringen  aber  schon  die  beiden  Weistümer  i).   Das 
von  1447  r^elt  die  Dienstzeit,  und  das  Weistiun  aus  dem 
Jahre  1506  behandelt  zum  ersten  Male  das  Abspenstig- 
machen.  Beides  bedeutet  ein  Umsichgreifen  der  Obrigkeit, 
deren  Selbstbewußtsein  und  vielleicht  auch  Macht  im  Stei- 


')  Oben  S.  22  ff. 

KSniiecke.  3 


-    34    -  ^ 

gen  begriffen  zu  sein  scheinen.  Die  Regelung  des  Ab- 
spenstigrmachens  insbesondere  dokumentiert  deutlich  das 
beginnende  Weitersdireiten  ins  Verwaltungsrechtliche  hin- 
über, die  stärkere  Betonung  der  gemeinsamen  Inter- 
essen der  Dienstherrschaften. 

Von  höherer  Warte  aus,  als  es  den  Schöffen  kleiner 
hessen-thüringischer  Nester  möglich  war,  beschritten  den 
hier  vorgeschriebenen  Weg  rum  vorwiegenden  Gesinde- 
polizeirecht  die  Landes^herren  und,  wenn  auch  mit 
geringerer  faktischer  Macht  fausgestattet,  das  Reich,  femer 
auch  in  nicht  unerheblichem'  Umifiange  die  Kreise  (der 
fränkische,  obersächsische  Kreis  usw.). 

Das  Reich  gab  den  Einzelstaaten  Gesetzesmuster 
über  Gesinderecht  erst  mit  dem'  16.  Jhdt.  Vor  dieser  Zeit 
wurde  Üas  Recht  der  Bauern,  der  eigenen  Leute  oder  des 
Gesindes  nur  ganz  gelegentlich  berücksichtigt.  So  ent- 
hält zum  Beispiel  Kaiser  Rudolfs  auf  dem'  nürnberger 
Reichstag  Von  1281  errichteter  Landfriede  auch  ein  kleines 
Kapitel  von  den  Eigenleuten  sowie  die  ausdrückliche  Ge- 
stattung, daß  Dienstherrschaften  ihr  Gesinde  leicht 
züchtigen  ^). 

Auf  dem;  Reichstage  zu  Worms  von  1495  wurde  über 
eine  Kleiderordnung  beraten,  die  „zu  Eren,  Nutz  und 
'Unterscheid  aller  Stend"  erlassen  werden  sollte*).  In 
Lindau  kam  dann  1496/7  ein  Projekt  zu  einer  Kleider- 
ordnung zustande,  der  „endliche  Beschluß"  wurde  1498 
in  Freiburg  gefaßt  *).  Nur  ganz  nebenher  wird  auch  Ge- 
sinde   genannt.     Da    erhalten  ihre   Kleidungsart   vorge- 


*)  Mon.  Gemru  Hist  Leg.  II,  S.  427  ff.;  J.  D.  von  Olcnschlflger, 
Neue  Erläuterung  der  goldenen  Bulle,  Frankfurt  u.  Leipzig  1766, 
Urkundenbuch  S.  131.  —  ")  J.  J.  Malier,  Reichstagstheatrum  I, 
S.  461;  Neue  und  vollständigere  Sammlung  der  Reichs- 
abschiede II,  S.  26.  —  •)  Müller  a.  a.  O.  II,  S.  67;  616,  677;  Neue 
Sammlung  II,  S.  81;  47. 


—    35    - 

schrieben:  „Handwercks-Leuth  und  ihre  Knecbt,  auch 
sonst  ledige  Knecht",  ferner  ganz  allgemein  „der 
gemein  Baurss  Mann  und  arbeytend  Leut,  in  Stetten  oder 
auf  dem   Lande". 

Der  lindauer  Reichsabschied  von  1496/7  hatte  schon 
kurz  zuvor  die  früheste  reichsrechtliche  Fixierung  einer 
gesinderechtlichen  Materie  gebracht,  die  später  noch  man- 
nigfache Ausgestaltungen  erleben  sollte.  Es  wird  hier 
bestimmt,  daß  nur  Schwachen  und  Gebrechlichen  zu  bet- 
teln erlaubt  sein  soll,  und  daß  die  Bettelkinder  zeitig 
zum  Handwerk  „oder  sonst  zu  Diensten"  gewiesen 
werden  sollen^).  Der  freiburger  Abschied  von  1498  wie- 
derholte „der  Bettler  halber"  den  lindauer  ArtikeP).  Und 
die  beiden  ersten  Vorschriften  aus  dem  Gesinderecht,  die 
über  die  Kleidtmg  und  die  über  das  Dienen  der  Bettel- 
kinder, erfahren  eine  unveränderte  Wiedergabe  1500  im 
augsburger  Reichsabschied*).  Der  Abschied  von  1512 
zu  Trier  und  Köln*)  setzt  das  Gesinde  zu  einer  andern 
Rechtsmaterie  in  Beziehung.  Unter  den  Trägem  einer 
ausgeschriebenen  Reichssteuer  werden  auch  die  Ehehalten 
angeführt. 

Völlig  erneuert  sind  die  Anschauungen,  die  211m  Er- 
laß der  „Kaiserlichen  Ordnung  und  Reformation  guter 
Policey"  auf  dem  Reichstag  zu  Augsburg  1530  *)  führten. 
Zum  ersten  Male  wird  hier  den  Dienstboten  um  ihrer' 
selbst  willen  von  Reichswegen  Recht  gesetzt.  Und  zwar 
spricht  es  der  Titel  der  Ordnung  schon  aus,  daß  es  Ge- 
danken einer  Polizei  Weisheit  imd  Polizeimacht  sind,  die 
in  weit  größerem'  Maße  imd  zweifellos  auch  wirksamer  als 
bisher  das  ganze  beherrschen.  In  Kap.  24  wij-d  zunächst 
den  Einzelstaaten  auferlegt,  die  Tagelöhne,  Arbeiter-  und 


')  Moller  a.  a.  O.  II,  S.  63;  Neue  Sammlung  II,  S.  32.  - 
')  Moller  a.  a.  O.  II,  S.  528,  678;  Neue  Sammlung  II,  S.  48.  — 
•)  Neue  Sammlung  II,  S.  78.  —  *)  Ebenda  S.  138.  —  »)  Ebenda 
S.  832;  Wuttke,  S.  18ff,  auch  nsr  das  Folgende. 

3* 


—    36    — 

Botenlöhne  tu  taxieren.  Ebenso  neu  wie  dieser  Gedanke 
ist  dann,  was  in  dem  31.  Kap.  „Von  reysigen  Knechten, 
und  Dienstbotten**  gesagt  wird.  Bei  der  grundlegenden 
Bedeuttuig,  die  diese  Bestimtntingen  für  das  Recht  der 
deutschen  Einzelstaaten,  insbesondere  auch  Hessens,  und 
für  das  künftige  Reichsrecht  erlangt  haben,  muß  eine  wört- 
liche Wiedergabe  hier  erfolgen. 

§  1.  „Nachdem  sich  auch  viel  begibt,  daß  einer  dem 
andern  seine  Knechte  und  Diensthalten  auffsetzlicher 
Weiss  thut  abdingen,  auch  Dienstbotten  und  Knecht  zu 
Zeiten  muthwilliglich  aus  ihren  Diensten  tretten,  wollen 
Wir,  dass  keiner  eines  andern  reysigen  Knecht,  und  an- 
dere Dienstbotten  annehmen  soll,  er  zeige  dann  zuvor 
einen  Urkund  an,  daß  er  von  seinem  Herrn  imd  Edelmann, 
mit  Willen  imd  ehrlich  abgeschieden  sey.**  —  §  2.  „Es 
soll  auch  eine  jede  Obrigkeit,  so  viel  die  Dienstbotten 
betrifft,  in  ihren  Gebieten  ein  Satzung  machen,  und  (nach 
dem  der  Ijohn  in  wenig  Jahren  etwa  hoch  gestiegen)  auff- 
richten,  wie  dieselbig  nach  eines  jeden  Lands  Gelegen- 
heit, ihren  Unterthanen,  imd  gemeinem  Nutz  ztun  frucht- 
barlichsten  ansehen  wird,  damit  sie  ihres  Gefallens  nicht 
aus  den  Diensten  tretten,  und  derselben  Ungehorsam  und 
eigenem  Will  fürkommen   werde.** 

Die  Polizeiordmmg  bringt  ferner  eine  lange  Kleider- 
Ordnimg,  darin  unter  Kap.  10  Bestimmungen  für  den 
„gemein  Bauersmann,  und  Arbeitsleut,  oder  Taglöhner 
auf  dem  Land**,  in  Kap.  11  auch  für  Handwerkskhechte 
und  Gesellen ;  unter  den  unzähligen  in  der  Kleiderordnung 
aufgeführten  Ständen  ist  aber  gerade  das  Gesinde  nicht 
genannt,  jedoch  wird  den  Einzelstaaten  der  Erlaß  schär- 
ferer Ordnungen  erlaubt  (Kap.  17).  Schließlich  wieder- 
holt Kap.  34  das  frühere  Recht  der  Bettelkinder. 

Die  Polizeiordnimg  von  1530  ist  etwas  durchaus 
Neues,  das  Gesinderecht  von  Grund  auf  Umänderndes. 
An  die  Stelle  der  zivil-  \md  rein  strafrechtlichen  Behand- 


—    37    — 

lung,  die  das  Gesinderecht  im  13.  Jhdt.  durch  die  Spiegel 
erfuhr,  wird  hier  bewußt  das  Polizeiliche,  die  Reglemen- 
tierung gesetzt.  Unter  diesem  Gesichtspunkte,  nur  tinter 
ihm,  wird  alles  angesehen  und  angeordnet ;  die  Regelung 
der  privatrechtlichen  Seite  des  Dienstvertrags  ist  hier  in 
der  Reichspolizeiordnung  ganz  verschwunden,  in  der  Fol- 
gezeit tritt  sie  allzu  stark  hinter  die  polizeilichen  Be- 
stimmungen zurück.  Alle  die  vielen  Gedankten,  die  weiter- 
hin im  Gesinderecht  zur  Ausbildung  gekomlm^n  sind,  ent- 
springen hier.  Schon  sind  die  leitenden  Idteen  ausge- 
sprochen :  die  Lohntarifierung,  Bekämpfung  des  Vertrags- 
bruches, des  Abspenstigmachens,  Einführung  von  Ab- 
gangszeugnissen, Beschaffung  von  Gesindekräften  durch 
Anhalten  der  Bettelkinder  zutti  Dienste.  Das  freilich,  was 
hauptsächlich  zur  Nachahmung  drängte,  ist  nicht  die  Auf- 
zählung der  verschiedenen  Kampfmittel  gegen  das  Ge- 
sinde, sondern  der  überall  hervortretende  Mut  und  das 
Bewußtsein  polizeilicher  Allmacht,  die  sich  zutraut,  in 
die  kleinsten  Einzelheiten  des  Gesindeverhältnisses  ein- 
zugreifen. Wie  sehr  dies  Bewußtsein  späterhin  noch 
wuchs,  und  wie  es  immter  wieder  kläglich  zu  Schan- 
den wurde,  ist  schön  zu  beobachten;  es  ist'  die  Trajgi- 
koniödie  der  Rechtsgeschichte  des  Gesindes. 

Das  Reich  mußte  sich  in  der  Folgezeit  zunächst  dar- 
auf beschränken,  das  Dienstbotenrecht  unter  das  Zeichen 
der  politischen  Not  zu  stellen.  Die  beiden  Reichsabstihiede 
^-on  Speier  1542  und  1544  nennen  Gesinde  nur,  uni  ihinl 
einen  Teil  an  der  Türkensteuer  aufzuerlegen^). 

Dagegen  wurde  im  folgenden  Jahre,  auf  dem'  wormser 
Reichstag  von  1545,  wieder  versucht,  die  Polizeiordnung 
zu  erneuern.  Es  kam  auch  ein  Entwurf  zustande*),  der 
vor  allem  das  wichtige  Kapitel  „Von  Raysigen  knechten. 

*)  Neue  Sammlung  II,  S.  456,  502.  —  *)  K.  Kreisarchiv 
Bamberg.  Reichstagsakten,  Bamberger  Serie  Rep.  98  c  Nr.  82,  Acta 
des  Reichstags  zu  Wormbs  1545. 


—    38    — 

und  Dienstbottenn'*  wieder  enthält,  im  Zeugnisrechte  folge- 
richtig weitergebildet.  Von  dem  Zeugnis  heißt  es:  „Wel- 
liche  Urkhunde  jne  sein  herr,  ader  Edellman  zugeben 
schuldig  sein,  wo  Er  aber  jme  die  waygiem,  alsdan  soll 
der  knecht  jne  mit  zweyen  Mannen  beschickhen,  die  ur- 
khxmdt  fordern  lassen,  und  so  der  herr  ader  Edellman, 
dieselbig  an  erheblich  und  beweglich  Ursachen  nochmals 
weygem,  tmd  der  mangell  nit  an  dem'  knecht  befunden 
wurde,  jnn  dem  falle  solle  die  Obrikheit  ein  billichs  ein- 
sehen thun,  tmd  nach  gethaner  erkhimdigung,  die  ur- 
khundt  zugeben  macht  haben.*'  Weiter  bringt  der  Ent- 
wurf das  sonstige  Gesinderecht  der  Polizeiordnung  von 
1530.  Jedodh  kam  1545  eine  Ordnimg  nicht  zurecht.  Unter 
den  wenigen  1545  erledigten  Punkten  befindet  sich  Poli- 
zei nicht.  ^). 

Erst  auf  dem  übernächsten  Reichstage  1548  in  Augs- 
burg gelang  es,  die  Polizeiordnung  zu  erneuern^).  Ihr 
Gesinderedit  ist  aus  dem  Entwurf  von  1545  herüberge- 
nomim>en,  der  sonst  manche,  in  dem  bamberger  Manuskript 
verzeichnete  Änderungen  erfuhr.  Der  Abschied  des 
Reichstags  zu  Augsburg  1551*)  läßt  erkennen,  daß  eine 
Überführung  der  Bestimmungen  in  die  Praxis  nicht  gerade 
in  großem  Umfange  erfolgt  ist.  Es  ist  berichtet  worden, 
„dass  solche  Ordnung  durchaus  bey  den  Unterthanen, 
Bürgern  und  Einwohnern  der  Stadt  und  Flecken,  schwer- 
lich in  Gang  zu  bringen**,  und  dass  dort,  wo  eine  Obrig- 
keit der  kaiserlichen  Anregung  folgend  eine  Verordnung 
insbesondere  über  Arbeiter  und  Taglöhner  erlassen  hat, 
„die  nechst  anstossende  Nachbarschafften  sich  nicht 
gleichmässig  erzeigen,  dass  einem  allein  etwas  würcklichs 
zu  erhalten  beschwerlich  falle**.  Daher  werden  die  alten 
Ortsgewohnheiten    aufgehoben    und    den    nachbarlichen 

M  Neue  Sammlung  II,  S.  517.  —  ')  Neue  Sammlung  IL 
S.  527,  548,  587ff.;  Wuttke,  S.  19.  —  •)  Neue  Sammlung  II, 
S.  609ff.,  bes.  621;  Wuttkc,  S.  19. 


—    39    — 

Obrigkeiten  wird  sehr  anempfohlen,  sich  einer  gleichmässi- 
gen  Ordniing  zu  vereinigen.  Die  Reichspolizeiordnung 
FOD  1577  ^)  wiederholte  fast  wörtlich  alles  aus  den  frü- 
heren Polizeiordnimgen,  luiter  Erweiterung  der  Taxvor- 
schriften über  das  Gesindewesen  hinaus.  Gerade  die  Poli- 
zeiordnung: von  1577  war  wohl  als  die  letzte  das  Vorbild 
für  die  Gesetzgebmig  der  deutschen  Einzelsitaaten,  insbe- 
sondere   Hessens,  worauf  jetzt  einzugehen  ist*). 

Während  Brandenburg  und  Sachsen  aus  den  früher 
angegebenen  Gründen  schon  frühzeitig  zu  einer  Kodifika- 
tion des  Gesinderechts  kamen  —  Sachsen  schon  im  15. 
Jhdt.  —  brauchte  esinHessen  weit  länger,  insbesondere 
musste  erst  die  Reichsgesetzgebung  vorgehen,  um  eine 
Regelung  des  Gesinderechts  um  seiner  selbst  willen  zu 
veranlassen. 

Die  früheste  gesetzliche  Erwähnimg  des  Gesindes  im 
hessischen  Landesrechte  erfolgte  in  der  Ger ichtsordmmg 
von  1497*),  wo  das  Konkursvorrecht  des  Lidlohns  fest- 
gestellt wird.  Wilhelms  IL  Reformationsordnung ^)  weiter- 
Jün  gibt,  was  vor  allem  betont  werden  mtiss,  eine  Preis- 
taxe für  n>ehrere  Handwerke  imd  eine  Lohntaxe  für  Tag- 
löhner.  Ausserdem  regelt  sie  das  Recht  der  Pfarrmägde 
wd  trifft,  wie  schon  1448  der  lindauer  Reichstagsab- 
schied getan  hatte,  Vorsorge,  dass  Bettlerkinder  zum 
Dienen  gebracht  werden.  Eine  dieser  letzten  Bestimmung 


')  Neue  Sammlung  III,  S.  879.  —  ')  Auf  die  Fortbildung 
des  Gesinderechts  durch  die  Abschiede  der  verschiedenen  Reichs- 
^istage  braucht  an  dieser  Stelle  nicht  eingegangen  zu  werden, 
da  Hessen  durch  solche  Vereinbarungen  nicht  beeinflusst  worden  ist; 
Aber  Kreisgesinderecht  unten  T.  1,  §  11.  —  •)  LO.  I,  S.  16;  vgl  hier- 
zu Archiv  ftkr  hessische  Geschichte  und  Landeskunde  N.  F.  VII  1910, 
S.  77  ff.  ,,Knechte  und  Diener^',  die  eine  Gerichts-  und  Polizei- 
«dnung  von  1466  (LO.  I,  S.  10;  Senckenberg,  Corpus  iuris  Ger- 
^'^«f^d  U,  S.  141)  nennt,  sind  nicht  Gesinde;  die  landesherrlichen 
Neunten  und  reisigen  Knechte  sollen  damit  bezeichnet  werden.  — 
")  LO.  I,  S.  88;  Archiv  a.  a.  O.,  S.  91  ff. 


-     40    — 

verwandte  Massnahme  trifft  die  Reformation  in  Polizei- 
sachen von  1526^)  mit  der  Vorschrift,  dass  Waisenkinder 
„bey  fromme  leuth"  verdingt  werden  sollen.  Charakte- 
ristisch dafür,  wie  das  Gesinde  in  dieser  früheren  Zeit 
nur  ganz  nebenher  als  Objekt  der  Gesetzgebimg  angesehen 
wird,  ist  die  Rentkammerordnung  vom  1.  März  1568  ^). 
Ein  Abschnitt  von  der  „Speisimg  des  Dienst- Volcks"  be- 
stimmt nicht  etwa,  was  das  „Dienst- Volck"  bekommen 
soll  an  Speise  und  Trank,  sondern  ordnet  —  dem  Zweck 
der  Verordnung  entsprechend  —  die  Art  an,  wie  die 
Beamten  die  Leutekost  registrieren  sollen;  auch  sonst 
stehen,  soweit  Dienstleute  genannt  werden,  nur  interne 
Anweisungen  an  die  Beamten  in  der  Verordnung.  —  Die 
hersfelder  Stadtordnung  von  1568')  enthält  einige 
Hirtenrechtssätze. 

Wichtiger  als  diese  für  das  Gesinderecht  nicht  allzu 
bedeutungsvollen  Bestimmungen  ist  Ludwigs  III.  „Ord- 
nung, wie  es  mit  den  Taglöhnem  und  Arbeitern  und 
derselben  Arbeit  Belohnung  solle  gehalten  werden"  vom 
24.  März  1571  *).  Sie  erfolgte  auf  eine  Anregung  des  mar- 
burger Rates*)  hin,  der  sich  über  „unordnunge  und  Un- 
richtigkeiten" der  Tagelöhner  und  Handwerker  beklagt 
hatte.  Die  Ordnimg  regelt  Arbeitszeit  imd  Lohn  für  Zim- 
merleute imd  andere  Gewerbetreibende,  femer  für  Acker- 
leute, Obstbrecher,  Kornschneider  usw.;  bei  Strafe  darf 
die  Taxe  nicht  überschritten  werden.  Das  Gleiche  gilt 
von  Üem  zuletzt  in  seinem  Betrage  bestimmten  Mietpfennig 
der  Dienstboten.  Besonders  in  dessen  Höhe,  heißt  es,  sei 


')  LO.  I,  S.  49.  —  *)  LO.  I,  S.  388;  im  St.  A.  Marburg,  Akten 
des  Amts  Rotenburg,  befindet  sich  eine  1568  wohl  als  Vorbild  be- 
nutzte Rentkammerordnung  vom  2.  November  1567 ;  sie  ist  teilweise, 
so  auch  im  Kapitel  von  der  Speisung  des  Dienstvolkes,  kürzer  gefasst 
als  die  Ordnung  von  1568.  —  *)  Demme,  Nachr.  u.  Urk.  z.  Chronik 
von  Hersfeld  I,  S.  288  ff.,  bes.  292.  -  *)  LO.  I,  S.  680.  —  •)  Die  Ein- 
i;angsworte  weben  hierauf  hin. 


—    41    — 

« 

eine  Zeitlang  große  Unordnung  eingerissen,  man  habe 
ihn  nicht  groß  genug  geben  können,  einer  habe  den 
andern  tiberboten.  Der  Lohn  selber  wird  nicht  tarifiert; 
daraus  darf  man  schließen,  daß  die  Arbeitgeber  mit  seiner 
Höhe  oder  besser  Niedrigkeit  zufrieden  waren. 

Das  Verlangen  nach  Preis-  imd  Lx>hntarifierung  kam 
auch  auf  dem  Landtag  von  1581  zumi  Ausdruck.  Der 
Abschied  vom  16.  Februar  1581  ^)  läßt  es  erkennen ;  „Weill 
auch  J.  F.  Gn.  uff  gutachten  imnd  mitt  rath  gemeiner 
Landtschafft  ein  Ordtnung  der  Handtwergker,  taglohner 
unnd  anders  halber  ins  wergk  zu  richtenn  gemeintt,  so 
habenn  zu  solcher  berathschlagimg  die  vonn  der  Landt- 
schafft aus  Ihren  mittein  ein  Auss^huss  gemiachtt,  unnd 
darzu  benennt  die  Stette  Cassell,  Eschwege,  AUendorff, 
Hombergk,  Treysa,  Wolffhagen,  Grebenstein,  welche  J. 
F.  Gn.  *2M  Ihrer  gelegenheitt  zu  erfordern,  unnd  mitt  dero 
rathlichen  Bedenckenn,  solche  Ordtnung  gemeinem  nuzen 
zu  guttem  zu  verfertigen  und  zu  volnziehen  haben." 

Daß  es  sich  hierbei  vornehmlic'h  umj  Tarifierungsge- 
lüste  handelte,  ergibt  der  Landtagsabschied  vom  10.  März 
1591*).    Da  wird  ausgesprochen,  daß  „der  Handtwercke 
unnd  Taglohner  halber  umb  so  viel  weniger  einige  ge- 
wbse  Ordnung  zu  macheim  gewesenn,  das  die  zeithero 
alles  zum  höchstenn  gestiegenn,  lumd  da  die  Ordnung 
dem  nachgerichtett,  unnd  einmiahl  erhöhet  werden  soltenn, 
das  es  als  dann  scihwerlich  wieder  zum  Abfall  zu  bringen 
seyn  wolte".   Daher  wird  eine  Regelung  zunächst  aufge- 
schoben, aber  der  Landtag  mit  einstiger  Erfüllung  wr- 
tröstet. 

Diese  Bedenken  wider  eine  Tarifierung  schwanden 
freilich  nach  etlichen  Jahren.  Ein  neues  Moment,  die 
Münzverschlechterung,  wird  in  die  Verhandlimg  gebracht. 

')  Laodtagsakten  von  1581  im  St.  A.  Marburg;  Pfeiffer 
LaodstiUidische  Verfassung,  S.  67.  •—  *)  Landtagsakten  von  1591  im 
St  A.  Marburg;  Pf  ciffcr  a.  a.  O,  S.  70. 


-     42     - 

Der  Landtagsabschied  vom  14.  August  1609^)  (Treysa) 
sagt:  „Alss  wollen  auch  J.  F.  G.  beim  dritten  Puncte 
dass  Müntzwesen  und  policey  betreffendt,  die  gehörigre 
und  Bedachte  gepühr  imd  anordnung  verschaffen  lassen 
und  zu  dessen  Richtigtnlachung  den  25.  schierskünfftigen 
Monats  Septembris  nacher  Cassel  erneut  und  bestimpt 
haben."  Diese  Beratung  scheint  zu  praktischen  Ergeb- 
nisjsen  nicht  geführt  zu  haben.  Denn  der  casseler  Land- 
tagsabschied vom  17.  Februar  1614*)  beruft  „zu  über- 
sehung tmd  fernerer  Berathschlagung  der  verfassten  Landt- 
und  Policey  Ordnimg**  eine  anderweite  Konunission  auf 
den  2.  Mai  nach  Cassel.  Auch  der  Landtagsabschied 
12.  Januar  1615*)  erklärt  nur,  daß  der  Fürst  sich  zur 
Revidienmg  und  Publikation  der  verfaßten  Land-  und 
Polizeiordnung  erbietet. 

Diese  Verzögerung  dauerte  noch  mehrere  Jahre  an. 
Zwischendurch  war  am  1.  Januar  1615  eine  Mühlenord- 
nimg  *)  mit  einer  Menge  gesinderechtlicher  Sonderbestim- 
mungen  für  das  Mühlenpersonal  ergangen. 

Ohne  daß  eine  weitere  Anregung  durch  die  Stände 
festzustellen  wäre,  kam  es  1622  endlich  zum  Erlaß  einer 
Münzordnung,  einer  Taxordnung  und  einer  Polizeiord- 
nung. Die  schon  1609  zur  Darlegung  des  Notstandes 
noch  geltend  gemachte  Münzverschlechterung  ließ  es  ja 
wahrscheinlich  sein,  daß  mit  der  Landespolizei  auch  das 
Geldwesen  des  Landes  geregelt  wurde;  einzelne  Münz- 
edikte für  sich  waren  in  der  früheren  Zeit  schon  öfters 
erlassen  worden,  so  1601,  1610  dreimal,  1611  *).   Hinzuge- 


')  Landtagsakten  von  1609  im  St.  A.  Marburg.  —  *)  Landtags- 
akten von  1614  im  St.  A.  Marburg.  Die  erwflhnte  ,»verfasste"  Polizei- 
ordnung Hess  sich  leider  nicht  auflinden.  —  *)  Landtagsakten  von 
1616  im  St.  A.  Marburg.  —  *)  LO.  I,  S.  580.  —  »)  LO.  I,  S.  491,  498, 
509,  512,  514.  Schon  1509  war  Hessen  einem  der  auf  dem  frankfurter 
Mflnztage  vereinbarten  MQnzkreise  beigetreten,  die  auf  eigene  Hand 
—  ohne  Rücksicht  auf  die  Reichsgewalt  ^   das  MOozwesen  regeln 


—    43     - 

kommen  war  in  der  Zwischenzeit  die  unerhörte  Verschär- 
fung des  schlechten  Münzstandes;  1621,  das  Jahr  der 
Kipper  und  Wipper,  ging  dem  großen  Gesetzgebungswerk 
unmittelbar  voraus.  Auch  die  Wirkungen  des  Krieges,  der 
ja  schon  vier  Jahre  im  Gange  war,  mußten  eine  Be- 
schleimigung'  des  Vorgehens  erwirken. 

Die  Maßnahmen  der  hessischen  Gesetzgeber  waren 
folgende.  Das  Münzedikt  vom  30.  April  1622  ^)  setzte  vor 
allem  den  Kurs  der  einheimischen  und  mehrerer  aus- 
ländischer Mün^sorten  fest.  Mit  der  Taxordnung  vom 
30.  Juni  1622*)  sollte  von  einer  anderen  Seite  her,  mehr 
äußerlich,  die  Teuerung  beseitigt  werden.  In  65  Kapiteln 
Äiirde  für  eine  Menge  Waren  und  noch  mehr  Gewerbetrei- 
bende und  niedere  Arbeiter  eine  Höchstgrenze  des  Preises 
und  des  Lohnes  festgesetzt.  Darunter  befinden  sich  Acker- 
und  sonstige  Tagelöhner,  Boten,  Drescher,  Schnitter  usw. 
Unter  Nr.  64  wird  „von  den  Dienstbotten,  Knechten 
und  Mägden"  gehandelt.  Für  Stadt  und  Amt  Cassel  — 
,,an  ändern  Orten,  da  es  wolf  eiler  imd  anders  herkonunen, 
mag  es  dess  Orts  gebrauch  und  der  Billichkeit  nach  ge- 
halten "und  gesetzt  werden**  —  erhalten  die  verschiedenen 
Klassen  von  Dienstboten  Höchstlöhne  verordnet.  Acker- 
knechten, Ackerjungen  verschiedener  Stärke,  Dienstmäg- 
den ,und  Kindermägden  wird  so  eine  Festsetzung  der  Miet- 
pfennige  und  des  Natural-  tmd  Geldlohnes  zuteil.  Der 
letzte  65.  Abschnitt  der  Taxordnimg  handelt  „von  Tage- 
lohnen  xmd  Arbeitern  insgemein**.  Zur  Überwindung  der 
Schablone,  die  solche  Gewaltmaßregeln  wie  Münz-  imd 
Taxvorschriften  unter  diesen  Umständen  immer  sind,  wur- 
den der  Taxordnimg  „aussf  der  Policey-  und  Landordnung 
die  Artickel  und  Puncten  deren  in  vorgesetzter  Tax-Ord- 
nung  gedacht  wird,  so  dabey  auch  in  acht  zu  nehmen**', 

wollten;   Härtung,  Gesch.  d.  fränkischen  Kreises   von  1521— 1559 
(Veröff.  d.  Ges.  f.  frank.  Gesch.,  2.  Reihe,   1.   Bd.),  S.   IM,   282.  — 
')  LO.  I,  S.  618.  —  «)  LO.  I.  S.  616. 


—    44    - 

angehängt  ^).  Der  17.  Abschnitt  „Von  Dienstbotten, 
Knechten  und  Mägden"  enthält  die  erste  hiessische 
Kodifikation  des  Gesinderechts. 

Den  Anregungen  der  Reichspolizeiordnungen  wird 
hier  fast  uneingeschränkt  nachgegeben.  Abwendigmachen, 
Vertragsbruch  und  Zeugniswesen  werden  geregelt,  aus- 
führlicher als  die  Reichsgesetze  den  Einzelstaaten  vor- 
schlagen. 

Im  ersten  Abschnitte  wird  bestimmt,  daß  ein  Dienst- 
bote nur  mit  einem!  Abschiedszeugnis  der  früheren  Herr- 
schaft angenomtnen  werden  darf  bei  fünf  Gulden  Strafe, 
daß  das  Gesinde,  das  eigenmächtig  den  Dienst  verlassen 
hat,  der  früheren  Herrschaft  den  etwaigen  Schaden  er- 
setzen hiuß  und  rückständigen  Lx>hn  verwirkt,  es  sei  denn, 
daß  ein  guter  Grund  für  das  Verlassen  des  Dienstes  vor- 
liegt. 

Der  weggelaufene  Dienstbote  muß  auf  Verlangen  in 
den  früheren  Dienst  wieder  eintreten,  heißt  es  im  zweiten 
Abschnitte;  tut  ers  nicht,  dann  soll  er  eine  Zeitlang  mit 
dem  Turml  bestraft  oder  aber  (nach  Willkür)  aus  Stadt 
und  Amt  verwiesen  werden. 

Der  (dritte  Abschnitt  will  das  Abspenstigipachen  durch 
Verweisimg  auf  die  Taxordnimg  und  Strafandrohung  auf 
deren  Überschreiten  bekämpfen,  ohne  daß  dadurch  in- 
dessen eine  Belohmmg  treuer  Dienstboten  verhindert  wer- 
den soll. 

Strafdrohungen  gegen  das  Nichtantreten  eines  Dien- 
stes, für  den  der  Mietpfennig  bereits  gegeben  ist,  ent- 
hält der  vierte  Abschnitt. 

Auf  die  Einzelheiten  dieser  Anordnimgen,  die  in  dem, 
was  darin  enthalten  ist  und  was  darin  nicht  steht,  durchaus 
dem  „Geist  der  Zeit"  entsprechen,  wird  im  zweiten  Teile 
eingegangen  werden.   Hier  folgt  zunächst  eine  Übersicht 


»)  LO.  I,  S.  641. 


—    45    — 

über  das,  was'  sich  im  Laufe  des  17.  Jhdts.  weiterhin  in 
in  Hessen  ereignete. 

Für  Ostdeutschland,  vornehmlich  Brandenburg,  be- 
deutet Idas  17.  Jhdt.  den  Höhepunkt  der  gesinderechtlichen 
Entwicklung^,  die  sich  in  einer  Fülle  Schlag  auf  Schlag 
einander  folgender  Gesetze  kundtut^).  Weit  geruhsamer 
sieht  sich  der  Fortgang  der  Gesindegesetzgebung  in 
Hessen  an.  Gewiß  folgte  man  auch  hier  dem-  Drängen  der 
Zeit,  in  der  ganz  Deutschland  massenweise  Taxordnungen 
produzierte.  Aber  man  halte  dem  von  Lennhoff  Mitge- 
teilten iias  gregenüber,  was  jetzt  über  die  hessisch^  Rechts- 
geschichte  mitgeteilt  werden  wird. 

1623  wurde  die  prinzipiell  für  Cassel  bestimmte  Tax- 
ordnung für  das  Oberfürstentum,  insbesondere  Stadt  und 
.Amt  Marburg  bearbeitet  und  neu  herausgegeben^).  Im 
vorletzten  64.  Abschnitt  wird  der  Gesindelohn  in  ähn- 
licher Weise  wie  1622  tarifiert;  die  Abweichungen  sind 
nicht  allzu  bedeutungsvoll,  es  komtnen  Herabsetzungen 
und  Erhöhungen  der  Lohnsumtoen  gegenüber  1622  vor. 
Viel  Text  ist  nicht  beigegeben ;  nur  ein  ganz  kurzer  Hin- 
weis auf  den  17.  Abschnitt  der  Polizeiordnung  findet  sich 
am  Eingange  des  Abschnitts  über  Gesindelohn. 

Für  das  ganze  Land  geschah  am  18.  März  1623 
und  am  12.  Novettuber  1624  *)  eine  Verschärfung  bloß  der 
münzrechtlichen  Bestimmungen;  das  Tax-  tmd  Gesinde- 
recht  blieb  unberührt. 

In  Hersfeld  erging  am  23.  August  1643  eine  von 
Stadtschultheiß  samt  Bürgenrieister  imd  Rat  erlassene 
Taxordnung*),  die  auch  einige  Gesindelöhne  ordnet  — 
^^  in  Abhängigkeit  von  der  Landesgesetzgebimg  kann 
nut  Bestimmtheit  nicht  gesagt  werden. 

')  Lennhoff,  S.  4fr.  —  *l  LO.  II,  S.  206.  -  •)  LO.  I,  S.  669, 
^•-*)Dcmine.  Nachr.  u.Urk.  II,  S.  184 ff.,  bes.  185,  186;  frühere 
•Jcrsfelder  Taxordnungen  ohne  Gesindelöhnung  1618  (Demme,  S.  187), 
1^  (S.  182).    Die  Wiedergabe   des  gesinderechtlichen   Teiles  der 


—    46    — 

1645,  am  30.  Juni,  erfuhr  die  hessische  Taxordnun^Ti 
von  1622  eine  Erneuerung";  insbesondere  war  diese  für 
das  Niederfürstentiun,  Stadt  imd  Amt  Cassel,  bestimmt  ^)- 
Die  sehr  ausführliche  Einleitimg  klagrt  über  Preis-  und 
Lohnsteigerungen  \md  erwähnt  dabei  auch  das  Gesinde  . 
Wieder  im  vorletzten  Abschnitt,   Nr.   65,   befindet   sich 
die  Lidlohntaxe.  Gegen  1622  sind  die  Knechtlöhne  durch- 
weg sowie  die  Mietpfennige  der  Mägde  in  die  Höhe  gre- 
setzt,  die  Magdlöhne  sind  dieselben  gebUeben,  aber  mehr 
spezialisiert  worden.   Für  das  sonstige  Gesinderecht  wird 
wiederunj  auf  die  Polizeiordnimg'  verwiesen;  neu  ist  eine 
Strafdrohimg'  auf  die  Taxüberschreitimg.   In  dem  Exem- 
plare des  märburger  Staatsarchives  folgen  zum'  Schluß  die 
Artikel  der  Polizeiordmmg  von  1622,  darunter  auch  der 
„Von  Dienst botten". 

In  der  Folge  erließ  die  casseler  Regierung  immer 
zur  Zeit  der  dringendsten  Landwirtschaftsaxbeiten  mehrere 
Ausschreiben  über  Taglöhne,  ohne  das  Gesinde  zu  er- 
wähnen; die  Daten  sind  22.  Juli  1645  (zweimal),  26.  Juli 
1645,   9.  Juli  1647  (zweimal),   14.  Juli  1649«). 

Die  Gesetzgebung  begab  sich  im  Jahre  1650  zuerst 
wieder  daran,  das  Tax-  und  Landespolizeiwesen  im  allge- 
meinen, das  Gesinde  im  besonderen  zu  berücksichtigen. 

Für  den  im  Oktober  1650  abzuhaltenden  Landtag^) 
lautete  die  am  26.  Septemiber  1650  erfolgte  landgräfliche 
Proposition  unter  Nr.  5 :  „Weilen  bey  dehnen  so  lang 
gewehrten  Kriegss  troublen  under  andern  confusionen  eine 

Ordnung  vom  23.  August  1648  scheint  unvollständig  zu  sein.  Beim 
Lohn  des  Ackerjungen  heisst  es,  dieser  soll  an  Naturalien  dasselbe 
bekommen  „wie  der  knecht";  für  Knechte  wird  aber  keine  Festsetzung 
getroffen. 

')  LO.  I,  S.  657;  II,  S.  89;  ein  handschriftliches  Exemplar  im 
St.  A.  Marburg  wurde  femer  benutzt.  -  •)  LO.  II,  S.  118—122.  — 
*)  Landtagsakten  der  Jahre  1650  bis  l655  im  Marburger  Staatsarchiv, 
worauf  hiermit  für  das  Folgende  überhaupt  verwiesen  sei;  ferner 
Rommel,  Band  9,  S.  171  ff. 


—    47    — 

grosse  Ubeimass  undt  Unbilligkeit  so  wohl  im  Kauffen 
und  Verkauffen,  alss  bey  den  Handwercks  undt  Arbeiths- 
leuten,  thaglöhnem,  Liedtlohn  dess  gesindess  undt  der- 
gleichen, sehr  Uberhandt  genomlmfen,  dahehro  J.  F.  Gn. 
hochgeehrte  Frau  Mutter  die  hiebevohr  uffgesetzte  und 
publicirte  Policey-  und  Tax-Ordtnungr  zu  revidiren  undt 
zu  renoviren  gewissen  Persohnen  underhanden  gegeben, 
undt  igut  befunden,  Auch  mit  Praelaten  Ritter  imdt  Landt- 
schaff t  darauss  zu  comtmuniciren,  undt  dehren  gedancken, 
wass  sie  etwan  dabey  noch  m  erinnern  haben  möchten, 
weil  ihnen  die  bewandtnuss  ufm  lande  und  daselbst  vor- 
fallende gebrechen  ahm  besten  bekanndt,  zu  vemehmien, 
wekhess  biss  zu  einem  Landtage  verschoben  werden,  so 
begehren  J.  F.  Gn.  nun  mehr  ahn  ermelte  ihre  getreue 
Praelaten  Ritter  imd  Landtschafft,  dass  sie  entweder  bey 
Itziger  ihrer  beysanmienwessenheit  gedancken  und  guth- 
achten  hierüber  J.  F.  Gn.  eröffnen  oder  doch  förderlich 
ein  schicken,  darmitt  sie  sich  darnach  ferner  zu  achten 
haben  mögen." 

hl  ihrer  Antwort  vom  30.  September  1650  erklären 
Ritter  und  Prälaten  zum  fünften  Punkt  der  Proposition 
es  für  „gahr  hochnöthig,  und  von  J.  F.  Gn.  sehr  wohl 
und  weisslich  erinnert,  dass  die  alte  Policeyordnung  re- 
aovirt  und  revidirt  werde**.  Am  gleichen  Tage  reichen 
Ritter  imd  Prälaten  ihre  Gravamina  ein,  unabhängig  von 
der  Antwort  auf  des  Landgrafen  Proposition.  Während 
diese  Proposition  nur  fünf  Punkte  vorsah,  enthält  das 
Verzeichnis  der  Gravamina  deren  28.  Der  19.  beschäf- 
tigt sich  mit  den  Preisen  und  Löhnen.  Die  Ritter  bitten 
um  Erneuerung  der  Polizei-  und  Taxordnung,  und  glauben 
außerdem  noch  des  Landes  Wohlfahrt  durch  Kleider- 
ordnungen und  Verordnungen  wider  diejenigen,  welche 
ihre  Güter  öde  liegen  lassen  xmd  sich  außer  Landes  auf- 
halten, heben  zu  können. 

Kürzer  xmd  dem  Vorschlage  einer  Taxordnung  gegen- 


-     48     - 

über  kritischer  fiel  die  Resolution  der  Städte  auf  diö 
landgräfliche  Proposition  aus  (vom  1.  Oktober  1650).  Eine 
Taxe  für  Cassel,  meinen  sie,  könne  für  das  übrige  Land 
nicht  practicabel  sein,  da  im  Lande  vieles  billiger  sei  als 
in  Cassel;  die  Städte  fürchteten  wahrs'cheinlich,  daß  der 
Maximaltarif  leicht  in  einen  Minimaltarif  umschlagen, 
könnte.  Die  Städte  proponieren  daher,  daß  die  Taxierung* 
stromweise  vorgenomimen  werde. 

Die  Einwendimgen  der  Städte  verschwanden  in  der 
weiteren  Diskussion  der  Materie.  Dafür  trat  ein  neuer 
Gesichtspunkt  in  der  Behandlung  der  Angelegenheit  auf, 
zuerst  in  der  am  1.  Oktober  1650  erfolgten  Resolution 
des  Landgrafen  auf  die  Gravamina  der  Ritterschaft.  Hier 
wird  erklärt,  daß  zunächst  mit  den  benachbarten  Staaten 
kommuniziert  werden  müsse;  inzwischen  könnten  die  Ritter 
ihre  Gedanken  über  die  Erneuerung  der  Polizei-  und  Tax- 
ordnung „zusammentragen"  und  später  kund  geben. 

In  der  Replik  des  Landgrafen  auf  die  von  der  Ritter- 
schaft auf  die  Proposition  gegebene  Erklärung  (vom 
3.  Oktober  1650)  findet  sich  wieder  der  Hinweis  darauf, 
daß  es  „Praelaten  Ritter-  und  Landtschaff t  am  besten 
bekandt,  was  etwa  gegen  die  Alten  policey-  und  tax- 
ordnungen  vor  gebrechen  uf  dem  lande  erwachsen  und 
sich  finden,  auch  ob  imd  wie  weit  solche  bey  gegenwerti- 
gem Zustandt  zu  practiciren.**  Die  alten  Ordnimgen  sind 
in  Druck  gegeben  worden,  um  als  Vorlage  benutzt  wer- 
den zu  können. 

Den  Schluß  der  sachlichen  Diskussion  bildet  die  Er- 
klärung Ider  Städte  über  die  Gravamina  der  Ritter  (3.  Ok- 
tober 1650).  Sie  wiederholen  ihre  Bedenken  gegen  eine 
allgemeine  Tarifierung,  erklären  jedoch  ihre  Bereitwillig- 
keit, bei  der  Feststellung  der  Taxordnimg  mitzuwirken. 

Die  umfangreiche  Replik  der  Ritterschaft  vom  8.  Ok- 
tober 1650  begnügt  sich  damit,  zu  Punkt  19  ihr  Ein- 
verständnis zu  erklären. 


-     49     - 

In  der  Folge  scheidet  die  Frage  der  Pplizei-  und  Tax- 
Ordnung:  für  die  Besprechung  aus,  da  ja  keine  wesent- 
lichen Differenzen  vorlagen  und  die  politischen  Fragen  für 
beide  Partei-en  —  Ritter  und  Landgrafen  —  viel  wichtiger 
waren.  Über  politischen  Streitigkeiten  scheiterte  dann 
auch  der  Landtag;  er  wurde  ohne  Abschied  geschlossen  ^). 
So  blieb  auch  die  Frage  der  Erneuerung  der  beiden 
Ordniingen  unentschieden.  Eine  Versamünlting  der  Ritter 
zu  Fritzlar  im  November  1650  *)  stellt  nochmals  ihre  Ein- 
stimmigkeit fest,  daß  die  Ordnungen  erneuert  werden 
müssen;  da  aiber  „so  in  der  eill  kein  modell,  dessen  man 
sich  hierin  gebrauchen  könte,  vorhanden  ist**,  verschie- 
ben sie  einen  Entscheid,  bis  ein  Exeml>lar  der  Ordnung; 
vom  7.  Juli  1623*)  aufgefunden  ist. 

Von  der  Weiterführung  der  Verhandlungen  über  die 
1650  bearbeiteten  Gegenstände,  also  auch  über  die  Er- 
neuerung der  Ordnungen,  zeugen  zwei  Schriftstücke  vom 
2.  Juli  1661  und  vom  17.  Juni  1652.  Noch  1652  ist  der 
alte  Zustand  unverändert,  daß  mit  den  „benachbarten 
Reichsständen**  von  der  Regierung  verhandelt  wird.  So 
verging  auch  1652  und  der  größte  Teil  von  1653,  ehe 
wieder  etwas  in  den  Fragen  der  Polizeiordnung  unternom- 
men wurde. 

Die  Landtagsproposition  vom  8.  Dezember  1653 
bringt  als  fünften  von  den  nun  auf  elf  vermlehrten  Pimkten 
diese  Angelegenheit  wieder  vor.  Imlmer  noch  mangelt  es 
an  dem  „mit  den  benachbarten  dissfalss  nothwendig  er- 
forderten concert  und  Übereinstinünung**.  Da  es  damit 
aber  wegen  der  Billigkeit  der  Früchte  nicht  länger  an- 
stehen gelassen  werden  kann,  so  werden  die  Stände  auf- 
gefordert,   sich  darüber  gutachtlich   zu   äußern   (obwohl 


')  Rommel  9,  S.  198.  —  «)  Rommcl  a.  a.  O.  —  •)  Hiermit 
ist  wohl  die  —  iii  der  Sammlung  der  Landesordnungen  (II,  S.  206) 
nicht  näher  datierte  —  Tazordnung  fürs  Oberfflrstentum  von  1623 
gemeint 

Köonecke.  4 


-    50     - 

die  Regrienmg  die  Ansicht  der  Stände  doch  längst  kannte, 
lind  wußte,  daß  die  Anschauungen  im  großen  und  ganzen 
übereinstimlmt  en) . 

Die  Antwort  der  gesamten  Stände,  nicht  bloß    der 
Ritter  und  Prälaten,  vom  13.  Dezember  1653  ist  wieder 
außerordentlich  umfangreich  gehalten.    Auch  der  fünfte 
Punkt  ist  ausführlicher  berücksichtigt,  als  man  nach  dem 
früheren  alhnählidhen  Aufgeben  der  Diskussion  darüber 
hätte  erwarten  können.   Die  Stände  sprechen  für  die  Pro- 
position der  höchst  notwendigen  Erneuerung  der  Polizei- 
ordnung ihren  Dank  aus,  glauben  aber,  daß  nur  ein  ge- 
meinsamer Landtag  des  Ober-  und  Niederfürstentums  und 
ein  Concert  mit  den  Nachbarstaaten  zu  einem  brauch- 
baren Ergebnis  führen  kann.  Da  jedoch  ein  schnelles  Ein- 
greifen not  tut,  so  berufen  sie  sich  auf  ein  von  Prälaten  und 
Ritterschaft  von  Kaufungen  aus  bereits  übersandtes  Gut- 
achten i),   dem,  wie  es  scheint,   ein  Entwurf  einer  Tax- 
ordnung beigefügt  war;  es  heißt,  daß  „dies elb ige  ... 
mit  allem  ernst  durch  gehörige  discipulin  undt  straffen 
manuteniret**  werden  möge.  Die  Stände  erklären  sich  be- 
reit,   m  einer  Conferierung  einen  aus  ihrer  Mitte  zu  sen- 
den, damit  die  Ordnung  zunächst  ohne  eine  Polizeiord- 
nung erlassen  und  später  nach  Abschluß  der  Vorarbeiten 
mit    den  benachbarten    Ländern   ergänzt    und    geändert 
werde.    Dabei  erinnern  die  Stände,  „daß  es  zur  wieder 
auffbringting  dieses   fürstenthumbs   mit  einer  gemeinen 
Taxt  ordtmmg  nicht  genungsamb  sey,  sondern  dass  J.  F.  Gn. 
gehorsamlich  gerathen  werde,  eine  General  ordtmmg  durch 
alle   Ständte  dieses  fürstenthimiis   verfertigen  zu   lassen, 
undt  dess  wegen  mit  dero  getrewen  Ständen  zu  Communi- 
ciren". 

Auf  dem  Landtag  scheint  sich  die  Diskussion  auf  die 
Erneuerung  der  Landesordnungen  nicht  oder  doch  nicht 


')  In  den  Akten  nicht  vorhanden. 


-    51     — 

ausführlich  erstredet  ru  haben.  Eine  Antwort  der  Ritter- 
schaft (16.  Dezember)  auf  des  Kanzlers  „in  einer  weit- 
läuffig^en  rede**  erfolgten  Vortrag  berücksichtigt  die  Frage 
nicht  ausdrücklich,  sondern  bemerkt  nur  zum  Schluß,  daß 
für  die  übrigen,  nicht  besonders  erwähnten  Punkte  auf 
die  frühere  Erklärung  verwiesen  werde.  Auch  weiterhin 
schied  die  Frage,  zum'  mindesten  soweit  gerade  die  Tarifie- 
nmg  und  das  Gesindewesen  in  Betracht  kommen,  ßMs 
der  Verhandlung  aus. 

Ein  landgrräfiiches  Schreiben  vom  17.  Dezember  und 
der  in  gleichem!  Sinne  gehaltene  Landtagsabschied  vom 
23.  Dezember  1653  erwähnen  dagegen  wieder  allgemein 
die  „renovation  ein  imdt  anderer  guten  landtordtnimgen". 
Jedoch    ein   Ergebnis   liegt   imtaier  noch  nicht   vor.    Es 
heißt  im  Abschied:  „Welcher  gestalt  undt  wie  mit  guten 
bestandt  zur  renovation  ein-  und  anderer  guten  Landt- 
ordtnmig^  unverweilet  m  gelangen,  werden  J.  F.  Gn.  femers 
reif  flieh  Überlegen,  zu  solchem  ende  auch  was  so  wohl 
die  Ritterschaft  alss  Städte  uf  erfordern  schon  vor  guter 
Zeit  für  bedencken  eingegeben  nochmahlen  durchlauffen 
lassen,  tmdt  darauf f  nach  Befindung  es  diessfalls  derge- 
stalt einzurichten,  unvergessen  sein,  darmitt  darbey  nicht 
allein  fest  gehalten,   sondern  auch  hierüber  der  Zweck 
erreicht   werden  möge.** 

Ehe  noch  dieser  Landtagsabschied  in  Cassel  zustande 
gekommen  war,  erhielt  das  Oberfürstentum  am'  19.  De- 
zember 1653  eine  Taxordnung  ^),  die  neue  Gesichtspunkte 
in  ihrem  Gesinderecht  enthält. 

Aktenmaterial  über  ihre  Entstehimgsgeschichte  lag 
nicht  \x>r ;  daher  bleibt  nur  die  Ordnung  selbst,  um  daraus 
einige  Anhaltspunkte  für  ihre  Vorgeschichte  zu  entnehmien. 
Statt  wie  bisher  im  64.  stehen  die  Lohntaxen  für  Gesinde 
hier  schon  in^  8.  Titel  —  scheinbar  eine  unwes«itliche 


')  LO.  II.  S.  124,  190. 


—    52    — 

Äußerlichkeit,  die  aber  doch  vielleicht  einen  Schluß  auf 
die  größere  Bedeutung:  zuläßt,  die  man  dem  Stoff  zumaß. 
Femer  folgt  unmittelbar  auf  die  Lohnfestsetzung  ein  ver- 
mehrter Abdruck  des  Abschnittes  aus  der  Polizeiordnung 
von  1622  über  Gesinde.    Da  die  Taxordnung  außer  im 
Titel  über  Gesinde  nur  noch  für  Tagelöhner  (43.  Titel) 
einen  ausführlichen  Text  außerhalb  der  Lohn-  und  Preis- 
angaben enthält,  so  weist  dies  auf  die  vorzügliche   Be- 
deutung liin,  die  dem  Gesindewesen  und  den  Klagen  dar- 
über beigelegt  wurde.  Die  Vermelirung  der  Polizeiordnungr 
besteht  darin,  daß  am'  Schluß  den  Arbeitsfähigen   ver- 
boten wird,  „imterm;  prätext  des  Taglohns**  sich  müssig^ 
umherzutreiben;  wer  sich  nicht   „zum  gewissen  Dienst** 
vermietet,  soll  ausgewiesen  werden. 

A\if  dem'  casseler  Landtag  vom  Mai  1655  kam  die 
leidige  Frage  wieder  zur  Besprechung,  wohl  kaum  durch 
den  regensburger  Reichsabschied  von  1654^)  veranlaßt, 
der  nebenher  gelegentlich  die  Kreise  aufforderte,  „wegen 
guter  Polictey**  zu  beraten  und  zu  berichten.  Aus  einer 
Übersicht  über  die  Propositionspunkte  2)  geht  hervor,  daß 
wegen  Polizei-,  Tax-  und  dergl.  Ordnungen  wiederum  die 
Anregung  von  der  Regierung  ausging.  Die  ritterschaft- 
liche Antwort  auf  die  Proposition  ist  nic^ht  vorhanden, 
auch  nicht  ein  Verzeichnis  der  gravamina.  So  bleibt  nur 
der  Landtagsabschied,  der  die  Tatsache  der  Verhandlung 
der  Fragen  ergibt: 

„Wegen  der  längst  in  Werk  und  fürgewesenen 
Policey-  Tax-  und  dergl.  Ordnungen  wollen  J.  F.  Gn. 
den  Ständen  die  auf  Stadt  und  Amt  Cassel  vor- 
nehmHdh  gerichtete  Tax-Ordnung;  commimiciren  lassen, 
und  hingegen  von  ihnen  Stroms  weis,  wie  etwa  solche 


')  Neue  und  vollst&ndi£:e  Sammlung  III,  S.  640  flf.,  bes.  677; 
Wuttkc,  S.  106.  —  *)  Nr.  138  der  vom  Landesdirektorium  im  mar- 
burger Staatsarchiv  deponierten  Landtagsakten  von  1655;  vgl.  auch 
Pfeiffer,  Landst-Verfassung,  S.  108. 


~    53     - 

auch  an  aadem  Orten  einzurichten,  ihr  Giitax:hten  dem* 
nächst  erwarten,  auch  ferner  dafür  seyn,  dass  nicht  allein 
der  übrigen  zu  der  Polioey-Ordnung  gehörigen  Stücke 
wegen,  sondern  auch  das  muth willige  Gesinde,  so  viel 
sich  thun  lassen  will,  besser  einzuhalten  nothwendige  Ver- 
sehun^  besöhehen  möge." 

Ein  teilweiser  Erfolg,  wenigstens  für  das  Arbeiter- 
recht, ist  eine  Taxordnung  für  Taglöhner  und  insbesondere 
Landarbeiter  in  Stadt  und  Amt  Cassel  vom  10.  Juli  1655  ^) ; 
v<Mn  Gesinde  ist  nicht  die  Rede. 

Daß  inzwischen  aber  an  der  Feststellung  einer  allge- 
meinen Tax-  imd  Polizeiordnung  gearbeitet  wurde,  be- 
weisen die  leider  wieder  imvoUständig  erhaltenen  Land- 
tagsakten von  1656*).  Ein  Entwurf  landgräflicher  Pro- 
position sagt  imter  Nr.  6: 

„Haben  J.  F.  Gn.,  wie  es  so  wohl  bey  Gegenwerthiger 
wohlfeyl  der  lieben  früdhte  undt  viehes,  ein  durchgehender 
taxt  aller  gewerben,  als  sonst  der  schulden  halber  eigent- 
lich einzurichten  bbsnach,  wegen  allerhandt  darbey  ein- 
gefallener, undt  fast  aller  endts  im'  weeg  stehender  diffi- 
culteten,  noch  nicht  recht  xiff kommen  können:   Gleichwie 
sie  aber,  umb  es  diessfalls  so  wohl  als  sonsten  im  poli- 
oey  wesen  zum'  stände  zu  bringen,  nicht  gerne  etwas  ahn 
sich  erwinden  lassen.  Also  seindt  J.  F.  Gn.  geneigt,  auch 
hierauss    mit   den  Ständen  Sich   femers   zu   vernehmen, 
wie  Sie  dan  denselben  hierbey  eine  zu  uffhebung  der 
ratione  der  Beampten  adcidentalien  hinc  inde  eingeschli- 
chener Ubermass  undt  Missbräuch  den  Unterthanen  zum 
besten  in  Truck  ergangene  Verordtnung  zur  nachricht 
weniger  nicht  als  respective  darüber  nachtrücklich  zu  hal- 
ten, überreichen  lassen  wollen.** 

Die  Frage  der  Tarifierung  ist  scheinbar  nicht  mehr  bei 
den  Gesindelöhnen,  sondern  vor  allem  bei  der  Überhebung 


')  LO.  II,  S.  122-124 ;  286.  -  «)  Vgl.  auch  P feif fer  a.  a.  O.,  S.  109. 


—    54    — 

der  Beamtengefälle  aktuell  geworden.  Doch  erwähnt  der 
Abschied  (vom  5.  Juli  1656)  das  Gesinde  wieder  an  bevor- 
zugter Stelle: 

„Alssdann  auch  Sechstens  auf  die  mit  den  Ständen, 
der  Tax-  und  Gesinde  Ordtnungen  wie  auch  schulden 
halber  sowohl  hiebevor,  als  nachmals  gepflogene  Commu- 
nicationen,  dieselbe  sich  unter  Ihnen  verschiedener  mei- 
nung  befinden,  weswegen  J.  F.  Gn.  dem  werck  in  einem,  so 
wohl,  als  anderm  femers  nottürftig  weniger  nicht  vorzu- 
sinnen,  als  mit  den  Benachbarten   . . .  pflegende  Unter- 
redung, einem  gewissen,  dem  letzten  Reichs-Abschied  so 
wohl  als  der  Billichkeit  gemesser  schluss  (womach  in  den 
Gerichten  zu  verfahren)  zu  nehmen,  sich  vorbehalten:   So 
lassen  es  die  Stände  darauf  nicht  unbillich  ankommen, 
undt  werden  über  dieses,  denen  Ihnen  hierbey  zu  der 
Unterthanen  Besten  ausgeantworteten,  der  Beamten  acci- 
dental  Ordtmmgen  nachzuleben,  auch  respective  die  Ihrige 
darzu  anzuweisen,  auch  darüber  festiglich  m  halten,  schul- 
diger massen  beflissen  seyn/* 

Aber  die  Regierung  blieb  nicht  lange  bei  dieser  hin- 
haltenden Auffassimg.  Am  24.  November  1656  richtete 
die  niederhessische  Ritterschaft  wiederum  eine  Beschwer- 
deschrift samt  Memoriale  mit  den  alten  Klagen  über  die 
unmöglichen  Zustände  im  Gesindewesen  an  den  Land- 
grafen; ein  gesetzliches  Vorgehen  wurde  verlangt^).  Der 
Landgraf  sandte  eine  Aufforderung  rur  Begutachtung  an 
den  Landgrafen  Hermann  zu  Hessen-Rotenburg  und  an 
die  Regierung  zu  Marburg  (wohl  auch  noch  an  andere 
Stellen).  In  Marburg  und  Rotenburg  stimtait  man  dem- 
Plane  eines  polizeilichen  Gesetzes  wider  die  Dienstboten 
durchaus  ru.  Beide  Gutachter  empfehlen  vornehmlich  eine 
Vereinbarung  mit  Nachbarstaaten.  Die  miarburger  Re- 
gierung baut  diesen  Gedanken  noch  weiter  dahin  aus,  daß 


*)  St.  A.  Marburg.    Akten  des  Gerichtes  Viermünden. 


—    65    — 

auf  verschiedenem  Wege  so  das  Dienen  im-  Auslände  ver- 
hindert werden  könnte;  schon  hat  die  Regierung  selb- 
ständig entsprechende  Maßnahmien  ergriffen.  Ferner  be- 
ginnt laut  dem  Berichte  der  Mißbrauch,  daß  die  Mägde 
sich  im  Winter  auf  fünf  bis  sechs  Wochen  ans  dem  Dienste 
begeben  und  beim«  Spinnen  ledig  sitzen,  im  Bezirke  der 
marburger  Regienmg  einzureißen.  Zur  Überwachung  einer 
Durchführung  des  211  erlassenden  Polizeigesetzes  hält  die 
Regierung  die  Einsetzung  von  Aufsehern  in  kleinen  Orts- 
bezirken für  empfehlenswert. 

Welche  gesetzgeberischen  Tatsachen  hiemach  zum! 
Vorschein  kamen,  ist  aus*  keiner  der  vorhandenen  Quellen 
festzustellen.  Es  ist  möglich,  daß  man  sich  der  früher 
geäußerten  Ansicht  der  Städte  anschloß,  die  eine  „stroms- 
weise" Regelung  des  Gesinderechtes  forderten;  der  Hin- 
weis des  Landtagsabschiedes  von  1655  auf  Meinungsver- 
schiedenheiten l^ßt  diesen  Schluß  zu.  — 

Die   Klagen   der  amj  meisten   interessierten   Arbeit- 
geber über  Mängel  imi  Gesindewesen  konnten  bisher  meist 
nur   indirekt  aus   den   Landtagsverhandltmgen,   Proposi- 
tionen und  Abschieden  entnomünen  werden.  Einige  in  der 
casseler   Landesbibliothek   vorhandene   Akten  ^)   ergeben 
treffliche  Einblicke  in  die  Zustände,  wie  sie  von  seiten 
der   Dienstherren  angesehen  wurden.    Die   Herren  von 
Dörnberg  machten  1657  eine  Lohnstatistik  auf,  um  die 
imimense    Steigerung   gegenüber    1620   zu   zeigen.    Zum 
Schluß  werden  einige  Betrachtungen  angestellt,  die  hier 
im  Wortlaut  folgen  mögen: 

„Warumb  man  mm  ietziger  Zeit  dem  Gesindte  gar  viel 
zu  lohn  geben  muss,  rühret  meinsten  theils  darhero,  weil 
alless  gesindte  knechte  undt  Mägte  in  köstlichem  gewandt 
undt  seidenbandt  gekleidet  gehen  wollen  undt  thun,  wie 


')  Akten   der  Landesbibliothek  Cassel.  Gesindesachcn  1615  bis 
1676. 


—    56    — 

der  Bürger,  der  Bürger  undt  die  Seinige  wie  der  Edell- 
mann.  Undt  dann  auch,  dass  bey  soe  (Gott  sey  darvor  ge- 
danckt)  wohlfeiligen  Zeiten,  fruchten  undt  andern  victua- 
lien,  soe  der  hausstnann  m  allerhandt  nothwendigenn  auss- 
gifften  verkauffen  muss,  kein  Ackergesindte  umb  Saam- 
lohn  gantz  undt  zumiahl  nicht  mehr  dienen,  meisten  theils 
deren  auch,  soe  wohl  auch  Mägte  sich  gantz  nicht  ver- 
dingen, sondern  viellieben  bey  soe  thewrem  tagelohn  nach 
Ihrem  belieben  entweder  arbeiten,  oder  sich  selbst  be- 
köstigen imdt  alsso  die  meinste  Zeit  müssig  sitzen,  den- 
noch aber  bevorab  dem'  haussbaursmann  ahn  denen  un- 
stendig  zufallenden  oneribus  einigen  heller  mit  last  tragen 
zur  helffen  gantz  befreyet  sein,  underdessen  aber  doch 
alle  schütz-  tmd  nutzbarkeiten  mitgeniessen  wollen." 

Diese  Art  der  Anschauung,  rein  vom  extremen  Arbeit- 
geberstandpunkt aus  gewonnen,  die  dem  Gesinde  fast  alle 
Schuld  an  den  Mißständen  zuschieben  möchte,  scheint  in 
den  Landtagsverhandlungen  nicht  mit  solcher  Klarheit 
vertreten  worden  zu  sein.  Es  wurde  oben  gezeigt,  daß  die 
Stände  das  Heil  in  einer  allgietneinen  Tarif ienmg  erblickten, 
also  für  den  Hauptbeschwerdepunkt,  die  Lohnhöhe,  den 
Grund  nicht  im  Gesinde  allein  suchten,  s<»idern  in  den 
allgemeinen  Teuenmgsruständen,  die  man  vornehmlich 
abzustellen  sich  bemühte. 

Eine  sehr  bedeutende  Rolle  spielte,  wie  Dömberg 
zum  Schlüsse  andeutet,  die  durch  die  „troublen"  des 
Krieges  herbeigeführte  allgemeine  Entwöhnimg  von  der 
steten  gebimdenen  Arbeit.  Statt  der  regelmäßigen  Tätig- 
keit ging  mian  viel  zu  solchen  über,  die  zeitweise  eine 
größere,  abwechslungsreichere  Unabhängigkeit  gewähren, 
wie  Hausieren  und  verwandte  Wandertätigkeiten,  Tage- 
löhnern, schließlich  Betteln  imd  Stehlen. 

Von  dieser  Wandlimg  geben  die  gesetzlichen  Vor- 
schriften Kunde,  die  das  Müßiggehen  abstellen  imd  damit 


-    57     - 

indirekt  dem  Arbeitermangel  abhelfen  sollen,  so  die  oben 
erwähnte  Taxordniing  von  1653,  dann  die  Polizeiordnung 
von  1622  im  17.  Abschnitt,  eine  Armen-  und  Bettelord- 
nung für  Cassel  vom!  1.  August  1627,  eine  ebensolche 
vom  27.  Septenüber  1651,  eine  Einschärfung  dieser  Ord- 
nung vom  28.  September  1672*). 

Von  gesetzgeberischen  Taten  aus  dem  17.  Jhdt.  sei 
sodann  noch  eine  hersfelder  Stadtordnung  von  1665^) 
genannt,  die  einiges  Hirtenrecht  enthält. 

An  dieser  Stelle  nicht  erwähnt  zu  werden  brauchen 
schließlich  die  sehr  zahheichen  Luxus-,  Sonntags-,  Juden- 
und  Hofordnxmgen  des  17.  Jhdts.,  die  hier  imd  da  meist 
nebensächliche  Sätze  aus  dem  Gesinderecht  enthalten; 
die  wichtigsten  hiervon,  insbesondere  die  Hofordnungen, 
werden  an  ihrem  Platze  noch  ausführlich  behandelt 
werden. 

Einen  nennenswerten   Fortschritt  hat  das  hessische 
Gesinderecht  in  den  beiden  letrten  Dritteln  des  Jahrhun- 
derts hiemadh  nicht  gemiacht.   Es  blieb  so  gut  wie  alles 
beim  alten,  ein  Zeichen  dafür,  daß  den  Polizeigesetzgebem 
weiter  keine  Mittel  als  die  1622  gewählten  zur  Verfügung 
standen.  Und  es  blieb  alles  wie  es  war  trotz  des  Krieges ; 
darauf  ist  das  Hauptgewicht  zu  legen.  Die  wirtschaftlichen 
Schäden,  die  in  den  dreißig  Jahren  in  Hessen  angerichtet 
wurden,  sind  ru  bekannt,  als  daß  dafür  noch  Belege  ge- 
geben m  werden  brauchten.   Gerade  für  Fragen  des  Ge- 
sindewesens mußte  die  Entvölkerung  des  Landes  beson- 
ders sich  fühlbar  miachen,  wenn  hier  auch  durch  die  Ab- 
nahme des  allgemeinen  Wohlstandes  und  infolgedessen 
des  Bedarfes  an  Dienstboten  vielleicht  eine  Kompensation 
stattfand. 


')  LO.  II,  S.  4,  149;  III,  S.  6.  -  •)  Demme,  Nachr.  u.  Urk.  II, 
S.  m  ff,  bes.  208. 


—    68    — 

S  3.    Die  Zeit  der  Gesindeordnungen. 

Es  ist  nicht  bloß  ein  äußerlicher  Unterschied,  daß 
man  im  18.  Jhdt.  von  der  die  Zeit  vorher  beherrschenden 
Form  der  Polizeiordnung  ru  den  reinen  Gesindeordntmgeo, 
die  es  außerhalb  Hessens  vereinzelt  schon  früher  gab, 
überging.  In  den  Polizeiordnungen  kodifizierte  man  — 
übrigens  nicht  allein  in  Hessen,  sondern  im  ganzen 
Deutschlande  —  das  Recht  wider  sämtliche  Nöte  des 
Staates  und  der  Gesellschaft.  Als  man  sich  daran  machte, 
aus  dem  Systeme  der  Polizeiordnungen  ein  einzelnes  Ka- 
pitel, so  das  Gesindewesen,  herauszunehtnen  und  gesondert 
zu  bearbeiten,  erkannte  man  damit  an,  daß  man  diesen 
Teil  des  Uebens  für  wichtig  hielt;  daß  man  ihn  nur 
in  besonderem  Gesetze  seiner  Bedeutung  entsprechend 
behandeln  konnte. 

Diese  Sondergesetze  über  Gesindewesen  sind  umfang- 
reicher als  die  vom!  Gesinde  handelnden  Abschnitte  der 
Polizeiordnungen.  Man  konnte  und  mußte  (um  die  Be- 
rechtigung eines  Spezialgesetzes  zu  erweisen)  mehr  Einzel- 
heiten berücksichtigen  und  fortschreitend  immer  weniger 
Betätigimgen  innerhalb  des  Gesindeverhältnisses  dem 
freien  Ertnessen  der  Parteien  überlassen. 

Vielleicht  gab  die  zahlreicher  werdende  landwirt- 
schaftliche Literatur^)  mit  den  Anstoß  zu  der  fortschrei- 
tenden Detaillierung  der  Gesindegesetzgebung.  Der  Geist 
dieser  Gesetze  freilich  ist  nicht  von  dem'  im  17.  Jhdt. 
herrschenden  verschieden ;  in  konsequenter  Weiterbildung 
des  bisherigen  Politik  blieb  mjan  bei  der  Niederhaltung 
des  Gesindes  imd  seiner  wirklichen  imd  vertateintlichen 
Tücken. 

Der  gleichzeitigen  Staats  wissenschaftlichen  und  philo- 
sophischen Literatur  blieb  eine  Einwirkung  auf  die  Ge- 


^)  Das   Gesinde  behandelnde   landwirtschaftliche   Literatur  aus 
der  Zeit  vor  und  nach  1700  nennt  Wuttke  S.  187,  189. 


—    69     — 

setzgeber  im  großen  xind  ganzen  versagt.  Nicht  erheblich 
war  der  Einfluß,  den  beispielsweise  Christian  Wolffs 
,,Vemünfftige  Gedancken  von  detn'  gesellschafftlichen  Le- 
ben der  'Menschen"  (1721)  ausübten.  Wolff  konstruiert 
das  Gesindeverhältnis  als  eine  „herrschaftliche  Gesell- 
schaft" *),  woraus  eine  Menge  Verhaltungsvorschriften  für 
beide  Teile  hergeleitet  werden;  wie  sich  denken  läßt, 
müssen  vom  Standpunkt  der  Gleichberechtigung  her  ge- 
wonnene Anschauungen  dem  Gesinde  günstiger  sein,  als 
es  bis  dahin  gewohnt  war.  Aus  teilweise  absonderlichen 
ferneren  Grundsätzen  werden  Pflichten  der  Herrschaft  zur 
guten  Behandlung  des  Gesindes  (als  Kinder  I),  zur  Milde, 
zur  Vermeidung  'des  Zorns,  zur  Reichung  guten  Essens 
aufgestellt. 

a)  1736. 

Mit  !der  Gesindeordnung  von  1736  kam  Hessen  dahin, 
wo  Sachsen  schon  1466,  Brandenburg  1573  angelangt 
waren;  es  erschien  das  erste  Gesetz,  das  ausschließlich 
dem  Gesinde  Recht  setzt. 

über  die  Vorgeschichte  der  Gesindeordnung  von  1736 
ist  folgendes  zu  sagen  *).  Am  13.  November  1732  schickten 
die  „Kgl.  Großbrittanischen  zur  Kurfürstlich  Braunschwei- 
gisch-Lüneburgischen  Regienmg  Verordneten  Geheimen 
Räthe"  in  Hannover  wie  an  andere  Staaten  so  auch  an 
die  Regierung  zu  Cassel  eine  1732  erlassene  Gesindeord- 
nung') und  forderten  auf,  zur  größeren  Wirksamkeit 
gleichfalls  das  Gesinderecht  zu  regeln.  Diese  Aufforderung 
fand  bei  den  hessischen  Reg^ierungsräten  geteilte  Auf- 
nahme. Einig  waren  alle  darin,  daß  ein  Bedürfnis  vor- 
liege, zumal  in  diesen  wohlfeilen  Zeiten.  Nur  wollten  zwei 


*)  Der  Weg  zu  Gierkcs  Gemeinschaft  kraft  herrschaftlicher 
Gewalt  liegt  offen.  —  *)  Akten  hierfür:  St.  A.  Marburg.  Casseler 
R^erungsakten,  Polizeipositur  216;  F.  43,  Nr.  1.  —  •)  Deren  Be- 
<icuding  ftir  das  deutsche  Gesinderecht  im  18.  Jhdt.  Oberhaupt  wird 
ach  aus  der  weiteren  Darstellung  im  Verlaufe  dieses  Werkes  ergeben. 


—     60    — 

Räte  das  Gesinderecht  nicht  in  einem  besonderen  Gesetz 
niedergelegt  wissen,  sondern  damit  bis  zu  einer  im  Ent- 
stehen begriffenen  Polizeiordnung,  die  ja  auch  das  Ge- 
sinderecht umfassen  mußte,  warten. 

Ilmtoerhin  erhielt  die  hannoversche  Regierung  am 
4.  Dezember  die  Antwort,  daß  man  sich  mit  dem  Gesinde- 
recht  beschäftige  und  über  den  Effekt  seinerzeit  berich- 
ten werde. 

Das  Zustandekomöien  einer  Polizeiordnung  zog  sich 
aus  unbekannten  Gründen  hin.  Erst  1736  entschloß  sich  der 
Geheime  Rat,  an  die  Ausfühnmg  einer  Gesindeordnung^ 
heranzutreten.  Soviel  sidh  aus  dem  unvollständigen  Akten- 
material sehen  läßt,  ging  die  Anregimg  von  ihm  aus. 
Er  schickte  der  Regienmg  einen  Entwurf  zur  Begutach- 
tung ein,  den  diese  am!  14.  Juh  1736  wieder  zurück- 
sandte ;  ihre  Ausstellungen  sind  in  einem'  Begleitschreiben 
ausführlidh  aufgezählt. 

Zum  Gesetz  erhoben  wurde  schließlich  unter  geringen 
Ändenmgen  ein  Entwurf  der  Regierung;  die  Gesindeord- 
nung ist  vom  8.  September  1736  datiert^). 

Im  folgenden  wird  eine  Inhaltsangabe  des  Entwurfes 
des  Geheimen  Rats  (zitiert:  GR.)  im:  Vergleiche  mit  dem 
Gesetze  (zitiert:  GO.)  und  der  zum:  Vorbild  benutzten 
hannoverschen  Gesindeordnung  (zitiert:  Han.)  gegeben; 
hiermit  ist  zugleich  der  Bericht  über  die  Gesindeordnung 
selber  erledigt.  Nur  wesentliche  Bestimmungen  und  we- 
sentliche Abweichungen  werden  vorgetragen  werden.  Der 
Stoff  ist  systematisch  angeordnet. 

Die  §§  1  und  2  GR.  und  GO.  (ähnlich  Han.  §  28) 
bringen  wie  alle  späteren  hessischen  Gesindeordnungen 
Bestimimungen  über  die  Beschaffung  von  Dienstboten 
durch  Anhalten  von  Kindern  und  Müßiggängern  zum  Ar- 
beiten, insbesondere  zum  Dienen.   Wichtig  ist,  daß  Han. 


»)  LO.  IV,  S.  410. 


—    61     — 

als  Zwangrsmittel  die  Besteuerung  hat,  während  die  hessi- 
sche Regierung  diesen  Weg  ausdrückHch  ablehnt;  denn 
die  armen  Leute  werden  „zur  Unterhaltung  derer  Armen 
des  Orts  wenig  oder  nichts  bey tragen  können".  Einen 
weiteren  Vorschlag  des  Geheimen  Rats,  die  Müßiggänger 
auszuweisen,  weist  die  Regierung  gleichfalls  zurück;  min- 
destens müsse  man  die  Leute  doch  in  ihrem'  Heimatsorte 
lassen,  da  sie  sonst  im  Lande  herum  vagabundieren 
würden. 

Der  Vertragsschluß  ist  nicht  geregelt ;  aus  der  Erwäh- 
nung des  Mietgeldes  in  GO.  §6  ergibt  sich  nicht,  daß  es 
lum  Zustandekamimen  des  Vertrages  notwendig  ist.  Erfor- 
dert werden  dagegen  verschiedene  Zeugnisse  (G0.§§3, 4), 
auf  die  die  Herrschaft  beim=  Mieten  achten  muß,  und  die 
sie  nicht  wissentlich  falsch  ausstellen  darf;  hierüber  be- 
stehen   sehr  viele,    ins   Einzelne    gehende  Vorschriften. 
Der  Dienstantritt  (§  7)  und  besonders  das  betrügerische 
Doppeltvermieten  (§§  8,  9)  werden  ausführlich  behandelt. 
Noch  genauer  ist  dies  der  Fall  bei  den  vielen  Pflichten 
des  Gesindes   im  Dienste   (§§   11,   13—17).    Treue,    Ge- 
horsam, Arbeitsamkeit,  Unterlassen  von  Fluchen,  „Voll- 
saufen" u.  a.,  vor  allem!  aber  Ehrlichkeit  und  viele  andere 
gesetzlich  kaum  faßbare  Eigenschaften  soll  ein  Dienstbote 
seiner  Herrschaft  erweisen;  mit  harten  Strafen  werden 
Diebereien    gelohnt.     Am!   Schluß    der    Gesindeordnung 
f§  19)  werdeil,  gewissermiaßen  als  wohlgemeinter  Anhang, 
auch  einige  Pflichten  der  Herrschaft  gegen  das  Gesinde 
aufgezählt.    Die  Herrschaft  soll  sich  recht  und  christlich 
betragen,  wie  sie  es  gegen  Gott  verantworten  kann.    Sie 
soll  den  Dienstboten  Lohn  und  Kost  reichen,  „dieselbe  mit 
unerträglicher  und  ungewöhnlicher  arbeit  nicht  beschwe- 
ren", sie  rum'  Guten  dtu-ch  gutes  Beispiel  anhalten.    Es 
ist  charakteristisch,  mit  welcher  Begründimg  die  Regie- 
n^ng  einige  weitergehende  Vorschläge  des  Geh.  Rats  ab- 
lehnt:   „Nachdem   auch    schließlich  diese  Verordtnung 


—     62    — 

eigentlich  und  hauptsächlich  derer  Dienst  Boten  und  deren 
Coercirung  halber  gemlapht  werden  soll;  So  dürffte  bey 
de!m   19ten  §  ...  der  passus,  daß  die  Brod  Herrn   die 
Dienst  Boten  nicht  mit  injurieusen  Worten  angreiffen, 
noch  mit  schlagen  tractiren,  sondern  bey  der  ordentlichen 
Obrigkeit  Recht  erwarten  solle,  umbdomehr  auszulassen 
seyn,  als   sich  solches   eines  theils   von  selbst   versteht, 
andern  theils  aber  das  böse  Gesinde  dadurch  noch  inso- 
lenter werden  möchte.**    Wenn  auch  die  Äußerung,  daß 
Züchtigungen  des  Gesindes  nicht  statthaft  sind,  bemer- 
kenswert ist,  so  gibt  doch  dies  Zitat  den  Zweck  der  Ge- 
sindeordnimg mit  naiver  Offenheit  an:  die  Coercierung- 
der  widerspenstigen  Dienstboten  soll  erreicht  werden;  folg- 
lich  ist   es   eigentlich  nicht  nötig,  nun  auch  noch  für 
das   Gesinde   Bestimimimgen  einzufügen. 

Für  das  Gesinde  wichtiger  als  die  allgemeinen  Bestim- 
mungen, wie   sich  die   Herrschaften  ihm  gegenüber  zu 
verhalten  haben,  sind  die  Fests-etzimgen  der  Lohnhöhe. 
Wohl  unter  Einwirkung  von  Christian  Wolffs  Ausfüh- 
rungen in  §  489  seiner  „Vemünfftigen  Gedanken**,  der  zur 
Tarifienmg  darauf  hinwies,  daß  auch  ein  Lohnminimum 
nötig  ist,  sowie  im'  Anschluß  an  Han.  §  24  verzichten 
GR.  und  GO.  §  6  auf  die  Bestimmung  einer  Lohngrenze 
nach  oben  für  das  ganze  Land.    Weil  die  pretia  rerum 
ebenso  wie  die  verschiedenen  Dienstleistimgen  ungleich 
sind,  „der  Lohn  und  Miet  Pfennig  aber  der  arbeit  billig 
proportionirt  seyn  muß,  mithin  ein  gewisser  und  beständiger 
Lohn  überall  nicht  wohl  zu  regulieren  ist**,  so  wird  nur 
bestimtnt,  daß  von  dem'  an  den  einzelnen  Orten  üblichen 
Lohn  nicht  „leichtlich**  abgegangen  werden  soll,  außer 
zur  Belohnimg  tüchtiger  Dienstboten.    Han.  §  24  hatte 
für  das  Mietgeld  noch  eine  Taxe  festgesetzt,  als  Lohn- 
maximum den  Durchschnittslohn  der  letzten  drei  Jahre 
aufgestellt ;  Überschreitung  wird  bei  arbiträrer  Strafe  ver- 
boten. 


—    63    — 

Außer  der  normalen  Kündigxing  (§  7)  werden  noch 
besondere  Kündigtingsgründe  für  die  Herrschaft  festge- 
setzt (§§  10,  12). 

Eine  in  den  Entwürfen  zu  §  10  ganz  anders  lautende 
Bestimmung  wurde  im  Interesse  der  Arbeitgeber  zu  einem 
besonderen  Kündigungsrecht  umgestaltet.  GR.  §  10  hatte 
dem  Dienstherm,  der  das  gemietete  Gesinde  nicht  an- 
nehmen will,  auferlegt,  diesem  das  Mietgeld  zu  lassen  und 
außerdem  einen  vierteljährlichen  Lohn  zu  zahlen.  Dem 
gegenüber  weist  der  Regierungsentwurf  darauf  hin,  daß 
der  Kontrakt  „billig  von  beyden  Theilen  gleich  gehalten 
v^erden  muß,"  also  Zahlung  vierteljährlichen  Lohns  nicht 
genügt.  Entweder  muß  der  Herr  den  Dienstboten  an- 
nehmen oder  sich  in  Güte  mit  ihm'  auseinandersetzen. 
Dieser  vielleicht  auf  Wolf  f  zurückgehende  Versuch,  aus 
der  Vertragsnatur  des  Gesindeverhältnisses  gleiches  Recht 
für  beide  zu  schaffen,  war  dem  Geh.  Rat  nicht  genehm. 
In  das  Vollzugsexemplar  wurde  ein  ganz  anderer  Sinn  dem 
Paragraphen  hinein  verbessert.  Es  kommt  nicht  mehr  auf 
die  Annahme  des  gemieteten  Dienstboten  an;  sondern  die 
Abschaffung  des  im'  Dienste  befindlichen  Dienstboten, 
mit  dem  die  Herrschaft  unzufrieden  ist,  wird  gegen  Ab- 
findung mit  einem  Viertel jahrslohn  gestattet. 

Bestrafung  des  Vertragsbruches  mit  Zuchthaus  und 
Lohnverwirkung  wird  in  GO.  §  18  festgesetzt;  §  5  ent- 
hält weitere  Maßnahmen  hiergegen. 

Nicht  aufgenomtnen  von  den  hessischen  Gesetzgebern 
sind  folgende  wichtige  Bestimmungen  der  hannoverschen 
Ordnung :  das  Verbot  des  Abspenstigmachens  (Haa.  §  12), 
das  Koalitionsverbot  (§  14, 15),  Festsetzung  besonderer  Be- 
lohnungen für  langgediente  Dienstboten  (§  23),  das  Ver- 
bot der  Naturalentlohnung  (§  25),  die  Bestimmung  über 
den  Drescherlohn  (§  26)  und  die  Lohnbeschränkung  für 
diejenigen,  welche  sich  immer  nur  für  die  Saat-  und  Ernte- 
zeit vermieten  (§  28). 


—    64    — 

Auch  diese  Weglasstingren  sind  bedeutsam  genug.  Für 
das  Abspenstigmachen   erachtete   man  wohl  das  zehnte 
Gebot  für  ausreichend ;  wenigstens  ist  kein  sonstiger  Grund 
einzusehen,  aus  dem!  die  hannoversche  Bestimmung  nicht 
übernommen  wurde.   Und  das  Koalitionsrecht  wurde  sehr 
wahrscheinlich  nur  deshalb  nicht  berücksichtigt,  weil  man 
Gefahren  aus  den  Vereinigungen  von  Dienstboten  nicht 
wahrgenommen  hatte  imd  nicht  voraussah.   Die  lianauer 
G^sindeordnung  von  1748,  die,  wie  später  zu  zeigen  sein 
wird,  mehr  noch  als  die  hessische  auf  der  hannoverschen 
beruht,  enthält  auch  das  Verbot,  daß  sich  die  Dienstboten 
unter  einander  verbinden.    Der  gleiche  Grund,  weil  man 
einen  Mißstand  nicht  verspürt  hatte,  war  wohl  auch  dafür 
bestimmend,    daß    das    Verbot    der  Entlohnung    durch 
Schuhe  und  Leinen  und  die  Untersagung  des  Branntwein- 
gebens an  Drescher  in  die  hessische  Gesindeordnung  nicht 
eingefügt  wurden.    Und  für  die  Ablehnung  einer  Fest- 
setzung besonderer  Belohnungen  für  treue  Dienste  war 
sicher  der  Standpunkt  maßgebend,  daß  eine  Ordnung,  die 
nur  zur  „Coercirung**  der  Dienstboten  geschaffen  wurde, 
so  etwas  nicht  zu  enthalten  brauchte,  weil  es  nicht  im 
unmittelbaren   Interesse   der   Herrschaften  lag. 

Die  Bedeutung  der  Gesindeordnomg  von  1736  für 
Hessen  erhellt  schon  aus  dem  eingangs  Gesagten,  daß 
hier  das  erste  hessische  Sondergesetz  über  Gesinde  vor- 
liegt, dreihundert  Jahre  später  als  im  Osten.  Wie  schon 
bemerkt,  ist  da^  Gesetz  infolgedessen  genauer  gearbeitet. 
Viele  Einzelheiten,  an  die  man  bei  der  kursorischen  Be- 
handlung im  17.  Jhdt.  kaum  dachte,  werden  hier  der  ge- 
setzlichen Regelung  unterstellt.  Das  bedeutet  ein  Fort- 
schreiten auf  dem  Wege  zu  dem  unmöglichen  Ziel,  das 
Leben  im  inneren  Hause  immer  mehr  der  Polizei  zu  unter- 
stellen;  in  praxi  konnte  man  sich  nur  so  helfen,  daß 
man  den  Dienstherm,  der  doch  gegenüber  dem  Gesinde 
selber   Partei  ist,    zum  objektiven   Polizeiorgan    machte 


—    65    — 

oder  ihn    Avenigrstens    als  bevorzugten   Zeugen   ansehen 
mußte. 

Andererseits  führte  die  Reglemfentiersucht  dazu,  viele 
Bestiimmingren  zu  machen,  deren  Diurchführung:  deshalb 
nicht  erfolgren  konnte,  weil  die  auch  in  der  Einleitung  zur 
Gesindeordnung  sehr  beklagte  Gesindenot  die  Übertre- 
ningen  gerade  durch  die  Herrschaften  sanktionierte.  Und 
dabei  hatte  mian  auf  das  iinmöglichste  Kampfmittel  des 
17.  Jhdts.,  die  Lohntarif ierung,  verzichtet ;  war  der  Durch- 
brach durch  die  alten  Vorurteile,  die  die  Preisbewegimg 
aiif  solchem  Wege  leiten  zu  können  glaubten,  auch  noch 
nicht  völlig:  erfolgt,  so  war  der  Weg  zur  Freiheit  des  Geld- 
verkehrs doch  schon  so  weit  beschritten,  daß  eine  Um- 
kehr unmöglich  scheinen  mußte  (die  Umkehr  erfolgte 
aber  doch). 

Bei  aller  Betonung  des  Herrschaftsstandpomkts  darf 
man  weiter  aber  doch  nicht  übersehen,  daß  humlanere  Auf- 
fassungen vom  Gesindeverhältnis  in  dem'  Gesetz  ausge- 
drückt sind,  als  es  etwa  im'  Osten  möglich  gewesen  wäre. 
Vor  allem  muß  nochmals  darauf  hingezeigt  werden,  daß 
Züchtigungen  tmd  selbst  Beschimpfungen  des  Gesindes 
durch  die  Dienstherrschaften  für  unstatthaft  erklärt  wer- 
den. Es  ist  doch  ein  wenig  darin  voml  Geiste  der  Wolff- 
schen  Gesellschaftstheorie,  der  die  Gesellschaft  zwischen 
Herrschaft  xmd  Gesinde  zur  Beförderung  des  Wohles  bei- 
der Teile  in  gleichem  Maße  dienen  kann. 

Daß  manches  von  den  Bestimtoungen  der  Gesinde- 
ordnung vom!  grünen  Tische  aus  dekretiert  ist,  was  im 
Bewußtsein  des  Volkes  nicht  oder  doch  nicht  allgemein 
'ebte,  zeigt  die  Tatsache,  daß  schon  im»  Januar  1737  ein 
Schreiben  vom!  Stadtschultheiß,  Bürgermeister  und  Rat 
der  Stadt  Allendorf  an  der  Werra  bei  der  Regienmg 
eingeht  i),  worin  über  die  mangelnde  Befolgung  der  Vor- 


')  St  A.  Marburg  a.  a.  O. 


—    66    — 

Schriften  über  die  Abschiede  berichtet  und  um  Erlaß  der 
Strafen  der  Herrschaften  fürs  diesmal  grebeten  wird-  Die 
Schuld  liege  an  der  nfiiangelhaften  Publikationsart:  durch 
die  convocatio  civium  mit  dem  Glockenschlag  werden 
nur  die  Mitglieder  der  Zünfte  und  Gilden  zusamimenge- 
rufen,  von  denen  auch  noch  viele  wegbleiben.    So  wird 
außer  den  wenigen  Erschienenen  niemland  mit  den  aufer- 
legten Pflichten  vertraut.  Zu  emjpfehlen  ist  nach  Ansicht 
der  Absender  eine  jährlich  ru  Weihnachten  erfolgende  Ver- 
lesung der  Gesindeordnung    von  den  Kanzeln,  wo  also 
auch  das  Gesinde  zuhören  kann^  ein  Gedanke,  der  später 
wieder  in  neuer  Gestalt  auftaucht.    Indessen  wurde  den 
AUendorfem  der  Bescheid,  die  Ansicht  sei  zwar  gut,  ihre 
Betätigung  sei  aber  nur  durch  ein  Ausschreiben  ins  ganze 
Land  möglich.   Daher  soll  einstweilen  nach  der  Gesinde- 
ordnung   verfahren   werden,   die  den  Herrschaften   ent- 
sprechende Strafe  auferlegt. 

In  gekürzter  Form  wurde  die  Gesindeordnung  1739 
in  der  großen  Grebenordnung  wiedergegeben^).  Sie  bil- 
det den  dritten  Abschnitt,  Sabbatsordnung  und  Armen- 
ordnung gehen  voraus.  Die  Fassung  der  Grebenordnung 
ist  deshalb  bemerkenswert,  weil  späterhin  die  Redaktoren 
der  für  das  Land  bestimimten  Gesindeordnimg  von  1801 
die  Grebenordnung  als  vorzugsweise  agrarisches  Gesetz 
ihrer  Ai1>eit  zugrunde  legten*).  Doch  ist  das  Landwirt- 
schaftliche in  drai'  Auszug  von  1739  nicht  atisgeprägter  als 
im  Original  von  1736. 

b)   1752. 

Über  viele  kleinere  Verordnungen  hin,  die  gelegent- 
lich Sätze  aus  detn'  Gesinderecht  enthalten,  geht  die  Ent- 
wicklung zu  der  Verordnung  vom'  1.  Dezember  1752  wegen 
Bestrafung  der  Hausdiebstähle  und  Untreue  des  Ge- 
sindes '). 


*)  LO.  in,  S.  608.  -  •)  Unten  §  3  g.  —  »)  LO.  V  S.  67. 


—    67     — 

Gleichzeitig^  mit  einigen  andern  Territorien  werden 
hier  in  einer  für  diese  späte  Zeit  außerordentlichen  Roh- 
heit alle  vom  Gesinde,  Ladendienem,  Lehrlingen  usw. 
begangenen  Unredlichkeiten  mit  Strafe  bedroht;  prinzi- 
piell ist  Todesstrafe  angeordnet,  nur  in  wenigen  Fällen, 
so  bei  Jugendlichkeit,  ist  Freiheitsstrafe,  aber  ohne  Zeit- 
grenze zugelassen^). 

Es  sind  keine  Materialien  vorhanden,  aus  denen  man 
ein  Urteil  darüber  gewinnen  kann,  auf  welche  Einflüsse 
diese  Verordnung  zurückzuführen  ist.  Vielleicht  hatte  man 
sich  lediglich  durch  die  Strafbestimmtingen  einer  preußi- 
schen Gesindeordnimg  von  1735  zu  solchemi  Vorgehen 
verleiten  lassen  *),  nachdem  einige  Klagen  aus  dem  Lande 
eingelaufen  waren. 

Es  ist  ebenso  erfreulich  wie  natürlich,  daß  diese  Ver- 
ordnung nicht  praktisch  angewandt  worden  ist.  Als  man 
1796  an  die  Vorarbeiten  zu  einer  neuen  Gesindeordnung 
herantrat,  bemerkte  der  Geh.  Regienmgsrat  Schmier- 
feld*),  die  Regierung  habe  bei  Gelegenheit  eines  prak- 
tbchen  Falles  1790  selbst  zugegeben,  daß  die  Verordnung 
von  1752  nie  zur  Observanz  gekommen  ist.  Er  bemerkte 
noch:  „Zu  harte  Strafgesetze  gegen  Diebstähle  verfehlen 
ohnehin  ganz  den  Zweck,  indem  sie  den  Bestohlenen  ge- 
neigter machen  müssen,  dem  Täter  durchruhelfen^  als 
Anlaß  zu '  einer  Strafe  zu  geben,  welche  die  Stimme  des 
Publikums  gegen  sich  hat." 

Schmerfelds  Beobachtung,  daß  das  Gesetz  nur  auf 
dem  Papier  gestanden  hat,  findet  ihre  Bestätigung  in 
einem  Regierungsschreiben  vom'  15.  März  1759*),  einer 
Zeit,  als  die  Kriminalordnimg  kaum'  sechs  Jahre  alt  war. 
Das  Ausschreiben  stellt  fest,  daß  die  Verkündung  der 
Verordnung  von  1752  nicht  ordnungsgemäß  erfolgt  ist, 

*)  Näheres  in  §  7  des  2.  Teib.  —  •)  St.  A.  Marburg.  Geh.  Rats- 
Akten  ad.  lit  G.  Nr.  28  (1795-97).  ~»)  St.  A.  Marburg.  Hess.  Reg.- 
Akten,  Polizci-Rep.  F.  43,  Nr.  1  a.  —  *)  LO.  V,  S.  161. 

6' 


—    68    — 

„wodurch  dann  verschiedene  Inquisiten  sich  mit  der  Un- 
wissenheit zvL  behelfen  Gelegenheit  g-efunden".  Bei  10 
Thalem  Strafe  soll  die  Verordnung  jährlich  am  ersten 
Sonntag  nach  Pfingsten  von  den  Kanzeln  verlesen  werden. 
Auch  wird  aufgegeben,  ,,l>ei  Verhandliuig  des  achten  Ge- 
botes, oder  sonst  gelegentlich,  den  Inhalt  dieser  Verord- 
nung besonders  der  Jugend  und  dem  Gesinde  mit  einzu- 
schärfen, imd  selbige  vor  dergleichen  Verbrechen  treulich 
zu  verwarnen**. 

Eine  nochnualige  Einschärfung  geschah  durch  ein 
Konsistorialausschreiben  an  die  sämtlichen  Prediger  ini 
Lande  vom  23.  Dezember  1767  ^). 

c)  D  i  e  60  er  u  n  d  70  er  J  a  h  r  e. 

Ein  Jahrzehnt  nach  der  Publikation  des  Gesindestraf- 
gesetzes von  1752  kam  die  Gesetzgebung  schon  wieder  in 
Fluß. 

Ende  Dezember  1763,  als  der  Krieg  gerade  vorüber 
war,  teilte  der  Comtaissarius  Dr.  Becker  in  Wanfried 
gemäß  dem  ihm  gewordenen  Befehl,  „alles  was  zum:  Besten 
dero  Lande  gereichet  möglichst  befördern  zu  helfen,**  der 
Regierung  mit  ^),  daß  der  Mangel  an  Knechten  und  Mäg- 
den imerlebt  groß  geworden  imd  eine  noch  nie  dagewesene 
Lohnsteigenmg  eingebrochen  sei. 

Becker  schreibt  dies  zunächst  dem:  Kriege  zu.  Ferner 
vor  allem  auch  den  billigen  Frucht-  imd  teuren  Flachs- 
preisen und  den  Werbungen.  Die  Mägde  sitzen  zu  Hause 
und  sagen,  sie  könnten  der  teuren  Schuhpreise  wegen  um 
so  billigen  Lohn  nicht  dienen.  „Andemtheils  sind  selbige 
mehrentheils  mit  denen  beurlaubten  Soldaten  in  liebes 
Händel  verwickelt,  welche  die  Dienstnehmtmg  ständig 
hintertreiben.  Hierdurch  wird  aber  eine  höchst  ärgerliche 
und  liederliche  Lebensarth  auf  denen  Dörffem  getrieben.** 

*)  LO.  VI,  S.  498.  —  «)  St.  A.  Marburg.  Hess.  Reg. -Akten, 
Polizei- Rep.   F.  48,  Nr.  l'A.    Geh.  Rats- Akten,  G.  num.  28,  Vol.  1. 


—    69    — 

Die  Mägde,  die  sich  eine  Ziege,  ein  Schwein  oder  womög- 
lich eine  Kuh  "halten,  stehlen  für  diese  die  ganze  Gerniar- 
kung  aus,  wobei  ihnen  ihre  „Galans  getreulich  assistiren*' ; 
„und  wenn  auch  der  Bauer  zuweilen  einen  solchen  feldt- 
dieb  ertappet,  muß  er  darzru  stille  schweigen,  wenn  er 
anders  sein  Fenster  und  einen  gesunden  Buckel  bey  Nächt- 
lichem Ausgange  erhalten  will." 

Alle  diese  Mißstände  glaubt  Becker  leicht  heben  zu 
könnai.  Man  soll  nur  den  Schustern  bei  Verlust  des  Hand- 
werks befehlen,  die  Schuhe  billiger  zu  verkaufen,  zunolal 
auch  der  Lederpireis  gefallen  ist.  Femer  soll  §  1  der. 
Gesindeordnung  dahin  erläutert  weiden,  daß  den  ärmeren 
Leuten  nur  eine  bestimimite  Anzahl  ihrer  Kinder  zu  Hause 
zu  behalten  erlaubt  wird  —  ein  für  die  Zeit  durchaus  nicht 
umnoraliscber  Gedanke,  der  fast  in  allen  später  einge- 
gangenen Gutachten  regelmäßig  der  Regierung  unterbrei- 
tet wird. 

Becker  gegenüber  verhielt  sich  die  Regierung  zu- 
nächst zurückhaltend.  Die  Räte  gutachteten,  daß  die 
Schuhpreise  erst  dann  zurückgeschraubt  werden  können, 
wenn  die  Lederpreise  wieder  den  alten  Lauf  wie  vor  dentf 
Kriege  gewonnen  haben.  Jedoch  ist  eine  durchgreifende 
Taxordnung  für  die  Handwerker  in  Arbeit,  was  aber  wegen 
der  allgemein  als  sehr  hoch  angegebenen  Selbstbeschaf- 
fungskosten außerordentlich  schwierig  ist.  Der  Wimsch 
Beckers,  die  Zahl  der  zu  Hause  sitzenden  Kinder  zu  be- 
schränken, liegt  nach  Ansicht  der  Regienmgsräte  völlig 
in  der  Tendenz  des  §  1  der  Gesindeordnung,  so  daß  es 
keiner  neuen  Anordmmg  mehr  bedarf.  Daß  dem«  §  1 
wenig  nachgelebt  wird,  muß  also  an  der  Nachlässigkeit 
der  Beamten  liegen.  In  diesem!  Sinne  geht  die  Antwort  an 
Becker,  der  zugleich  aufgefordert  wird,  die  säumigen  Be- 
amten zu  benamlen. 

Becker  denunziert  mm  tatsächlich  acht  Beamte,  die 
<Jaim  von  der  Regierung  aufgefordert  werden,  sich  zu 


—    70    — 

rechtfertigen.  Wie  die  Regierung  im  März,  als  die  Aj^t- 
werten  der  Beamten  alle  eingelaufen  waren,  selbst  fest- 
stellt, hat  das  Vorgehen  zu  keinem  greifbaren  Ergebnis 
geführt.  Die  meisten  Eltern  danken  Gott,  wenn  ihre  Kin- 
der so  alt  geworden  sind,  daß  sie  dienen  können. 

Gleichwohl  verstand  sich  die  Regierung  dazu,  wenig- 
stens eine  Einschärf ung  der  Gesindeordnung  vorzunehmen. 
Am  14.  April  1764  ergeht  unter  Zustimlmung  des  Geheimen 
Rats  ein  Regierungsausschreiben  mit  der  imi'  die  §§  13 — 15 
gekürzten  Gesindeordnung  von  1736  ins  Land*);  für  die 
§§  13 — 15  erachtete  man  die  Verordnung  von  1752  als 
genügenden  Ersatz.  In  einem!  Nachwort  wird  die  Verkün- 
dung  von  den  Kanzeln  angeordnet,  sowie  den  Beamten, 
die  in  Durchführung  der  Gesindeordnung  lässig  sind, 
Strafe  angekündigt.  Am  12.  August  1764  erfolgte  ein 
abermaliges  Regierungsausschreiben,  daß  die  Gesindeord- 
nung besser  gehalten  werden  solle  ^). 

Schon  am  27.  April,  bevor  das  ami  26.  noch  nicht 
fertiggestellte*)  Regierungsausschreiben  zu  seiner  Kennt- 
nis gelangt  sein  konnte,  schickte  Dr.  Becker  Bericht  über 
einen  mittelbaren  Erfolg  seiner  Tätigkeit  ein.  Den  Kom!- 
mlandanten  in  den  Landstädten  war  die  Mitaufsicht  über 
die  Polizeistrafen  übertragen  worden.  Das  hat  die  gute 
Wirkung  gehabt,  daß  Fleisch,  Bier,  Brot  und  sonstige 
Lebensmittel  in  einer  billigen  Taxe  geregelt  sind.  Ferner 
ist  in  Wanf  ried  Gamisonsordre  erlassen,  bei  Verweigerung 
der  Annahme  von  Scheidemünzen  die  Ware  unentgeltlich 
mitzunehmen  und  den  Kaufmann  dem  Kommandanten 
anzuzeigen. 

Daß  eine  Warentaxe  1764  in  Arbeit  war,  ist  eben  er- 
wähnt worden.  Es  ist  möglich,  daß  Beckers  Siegesbericht 
die  zweifelnden  Ansichten  der  Regienmgsräte  etwas  ge- 


»)  LO.  VI,  S.  148.  -  •)  Ebenda  S.  144.  —  •)  Votum  Krafft's 
in  Sl  A.  Marburg.    Hess.  Reg.-Aktcn,  Polizei-Rep.  F.  48,  Nr.  IV4. 


—    71     — 

festig  hat.  Es  lagen  ja  auch  aus  jüngster  Zeit  schon  meh- 
rere Tarifierungsmuster  (für  beschränktes  Gebiet  aller- 
dings) vor;  die  casseler  Polizeikommission  hatte  am  26. 
März  1760  die  Tagelöhne,  ami  31.  März  1764  Fuhr-  und 
andere  Arbeitslöhne  tarif iert  *),  und  die  Regierung  selber 
hatte  unterm  2.  April  1763  auf  Grund  eines  kurz  vorher, 
am  7.  März,  erlassenen,  aml  13.  April  noch  erweiterten 
Münzediktes  *)  angeordnet,  daß  die  Warenpreise  herabge- 
setzt werden  sollten');  die  Polizeiordnimg  für  die  Stadt 
Marburg  vom  16.  Septennber  1763*)  kündigte  dann  weiter 
den  Plan  einer  Regulierung  des  Arbeits-  und  Tage- 
lohnes an. 

Hiemach  ist  es  nicht  weiter  auffallend^  daß  die  Re- 
gierung 1764  darangeht,  die  Erfahrungen  im  größeren 
Umfange  zu  nutzen.  Am'  17.  Dezember  1764  trifft  sie  eine 
vorläufige  Anordnung,  die  zunächst  nur  als  Benachrichti- 
gung der  Beamten  gedacht  ist*).  Hier  wird  der  1.  März 
1766  als  Tag  angesetzt,  von  dem'  an  alle  Preise  und  Löhne 
—  Gesinde  namentlich  angeführt  —  auf  den  Stand  vor  dem! 
Kriege  zurückgeführt  werden  sollen.  Wer  mehr  gibt  und 
nknmt,  muß  das  Doppelte  des  zuviel  Gezahlten  poenae 
kxx)  an  die  Armenkasse  geben  und  kann  auch  noch  „mit 
willkürlicher  härterer  Strafe  angesehen  werden".  Und  da- 
mit jeder  die  vormaligen  Preise  kennt,  sind  aus  den  Amts- 
rechnungen oder  sonstigen  guten  Quellen  die  Zahlen  fest- 
zustellen und  Serenissimo  zur  Genehmigimg  mitzuteilen. 

Nachdem  dies  wohl  geschehen  war  —  Akten  fehlen 
—  gingen  1765  die  verschiedenen  Taxordnungen  in  die 
Länder. 

Bekannt  geworden  sind  von  diesen  die  für  das  Amt 


•)  LO.  VI,  S.  9,  189.  -  •)  Ebenda  S.  76,  88.  -  •)  Ebenda  S.  79.  — 
*}  Ebenda  S.  95  fr.,  bes.  100;  später  1764  für  Schmalkafden,  1765  iHr 
Hcrefeld,  1767  für  Ziegenhain  wiederholt  (LO.VI.  S.  112  ff.,  bes.  117; 
ÜBE,  bes.  »4;  657  ff.,  bes.  561).  ^  »)  Ebenda  S.  169. 


—    72    — 

Neukirchen  vom  12.  Dezemiber  1764^),  Amt  Neuenstein 
vom  1.  Januar  1767*)  und  vornehmlich  die  große  Tax- 
lordnung  für  die  Stadt   Cassel  vom  6.   Februar  1765  ^). 
Die  casseler  Ordmmg  hat  eine  geradezu  monströse  Gestalt. 
Sie   tarifiert   Löhne  und   Preise  unzähUger  Handwerke, 
Waren  und  Arbeiter  in  alphabetischer  Reihe;  an  seiner 
Stelle  wird  auch  der  Gesindegeldlohn  für  etliche  Dienst- 
boten normiert.   „Denen  Taglöhnem  und  dergleichen  Ar- 
beitern geschiehet   hierdurch  die  ernstliche  Anweisung:, 
daß  bey  Vermeydung  nachdrücklicher  Bestrafung,  sich 
niemand  von  ihnen  unterstehen  soll,  jemianden  aus  der 
Ursache,  daß  ihm  der  Lohn  zu  geringe  seye^  die  Arbeit 
zu   versagen".    Die  Strafdrohungen  werden  im  übrig-en 
aus  dem  vorbereitenden  Umschreiben  vom  17.  Dezember 
1764    übemoMmen.     Nicht    in   der    Taxe   enthalten    ist 
der  Fleisch-,  Brot-  und  Weckepreis,  denn  er  „ist  bekannter- 
msaassen  beständig  aus  der  Wochenzeitung  zu  ersehen**. 
Auch  die  übrigen  Viktualien  sind  in  der  Taxe  nicht  berück- 
sichtigrt ;  für  sie  wird  der  Preis  je  nach  der  Jahreszeit  von 
der  Polizei  bekannt  gegeben. 

Am  1.  Februar  1766  wurde  die  dasseler  Taxe  wieder- 
holt ;  die  Gesindelöhne  sind  nicht  verändert  *).  Eine  noch- 
malige Einschärfung  und  Straf drohüng  geschah  am  15. 
April   1766  ö). 

Am  2.  März  1765,  einen  Tag  nach  dem'  Inkrafttreten 
der  verschiedenen  Taxordnimgen,  sandte  die  Regierung 
zur  Kontrolle  und  Erinnerung,  gleichzeitig  aber  auch  mit 
dem  Hauptzweck,  den  Beamten  die  Preisermäßigung  von 
(fiskalischem)  Holz,  Kohle  und  Eisen  aufzugeben,  ein 
Ausschreiben  aus*). 


')  St.  A.  Marburg,  Cass.  Reg.-Akteu,  PoL-Rep.  F.  48,  Nr.  IV**  — 
■)  St.  A.  Marburg.  Cass.  Reg.  •  Akten,  Pol.  -  Rep.  F.  48,  Nr.  IVi.  - 
•)  LO.  VI,  S.  180-221.  -  *)  Ebenda  S.  816  ff  -  »)  Ebenda  S.  870. 
—  «)  Ebenda  S.  222. 


-     73    — 

Neben  solchen  singtüären  Maßnahmfen,  wie  die  Ein- 
führung einer  allgenieinen  Taxe  ist,  gingen  regelmäßig 
laufende  Anordnungen  her.  Das  ergibt  sich  aus  einem 
Ausschreiben  der  Kriegs-  und  Dotnänenkammer  in  Cassel 
vom  16.  Juli  1765^).  Es  verweist  auf  mehrere  frühere 
Reskripte,  letztens  vofml  29.  August  1764,  worin  die  jeweils 
vierzehntägige  Einsendung  der  Fruchtpreise  imd  Bäcker- 
taxen angeordnet  wird.  Die  Kamtn"er  stellt  fest,  „dass 
viele  Beamte  diese  Verordnung  ausser  Augen  setzen,  keine 
Reductiones  beyfügen  und  mlancherley  imnöthige  Moni- 
toria  veranlassen";  es  werden  Formulare  beigefügt,  die 
mit  dem  vorigen  und  jetzigen  Fruchtpreis  und  den  Brot- 
taxen ausgefüllt  und  alle  vierzehn  Tage  eingesandt  werden 
sollen. 

Wieder  einmal  kam'  aus  der  Beamtenschaft  der  Pro- 
vinz  ein  Anstoß   zumi  Vorgehjen.    Aus   Gudens^berg  lief 
Ende   Novemlher  1766  ein  Bericht  ein*)  mit  den  alten 
Klagen  über  die  Lohnsteigerung,  besonders  über  das  Lein- 
säen. Dann  beschwert  sich  der  Beamte  über  das  Verlangen 
des  Gesindes,  Sonntags  „zäum-  und  zügellos"  zu  gehen; 
gesteht  man  ihm!  das  nicht  zu,  dann  läiift  es  aus  dem 
Dienst.   Femer  —  dies  ist  der  ärgste  Mißstand,  der  auch 
wieder  mit  dem'  Leinsäen  zusammenhängt  —  läßt  sich 
das  Gesinde  zwar  den  vollen  Jahreslohn  auszahlen;  jedoch 
„kommen  die  Weihnachten,  so  quittiert  die  Magd  den 
Dienst,    gehet  nach  Haus^    spinnet    bei    der  Wohlfeile 
des  Brodes  ihren  Flachs  und  das  Holtz  zu  ersparen  in 
anderer  Leute  Stuben,  isiset  auch  wohl  mit  ihnen,  ver- 
kauft alsdann  das  Garn  imd  profitirt  darunter  ein  großes. 
Unterdessen  komm>en  die  Ostern  herbei.  Das  Korn  steigt 
im  Preis.    Es  wird  wieder  warmL"    Diann  werden  eben 
wieder  Mägde  nötig.    Die  wissen  das  natürlich,  machen 
sich  rar  und  erzwingen  so  den  ganzen  Jahreslohn  imd  das 

9  Ebenda   S.  265.  —  *)  St.   A.  Marburg.    Cass.  Reg.  -  Akten, 
PoUza-Rep.  F.  48,  Nr.  IV4. 


—    74    — 

Leinsäen,  bleiben  aber  nur  neun  Monate,  um  dann  dasselbe 
Leben  von  neuem  zu  beginnen.  Unterstützt  werden  diese 
Machenschaften  durch  den  Mangel  an  Gemeinsamikeits- 
gefühl  bei  den  Herrschaften,  der  sie  hindert,  den  ihrer 
Macht  bewußten  Mägden  ihrerseits  mit  gleicher  Stärke 
entgegenzutreten. 

Der  Berichterstatter  empfiehlt  Erlaß  einer  Taxe  mit 
schweren  Strafen  auf  Überschreitung,  Verbot  des  Lein- 
säens,  Besteuerung  der  ledig  Sitzenden  sowie  Verlegung 
der  Ziehzeit  auf  Johannis,  da  so  dasf  Ledigsitzen  von  Weih- 
nachten bis  Ostern  unmöglich  gemacht  werde. 

Die  Regierungsräte  stimmen  dem  Gedanken  einer 
Taxe  zu;  dagegen  wollen  sie  die  Ziehzeit  ins  Ermiessen. 
der  Herrschaft  stellen  und  das  Leinsäen  nicht  verbieten, 
da  eine  Umgehimg  durch  Säen  für  fremde  Personen  zu 
leicht  ist.  Auch  eine  Besteuerung  der  ledigsitzenden  Per- 
sonen erscheint  den  Gutachtern  nicht  praktisch,  da  solche 
Personen  dadurch  zum  Auswandern  getrieben  würden; 
vor  einer  öffentlichen  Äußerung  sollen  jedoch  noch  die 
Beamten  im"  Lande  gehört  werden. 

Eine  entsprechende  Anfrage  wird  am'  5.  Dezember 
an  verschiedene  Oberschultheißen  imd  Amtmänner,  die 
Regierung  zu  Marburg  und  den  Comlmissarius  Dr.  Becker 
in  Wanfried  abgeschickt.   Das  Ergebnis  dieser  Umfrage 
mußte  die  Regierung  sehr  zufriedenstellen.  Nicht  weniger 
als  21,  zum  Teil  sehr  ausführliche  Originalberichte  hatte 
sie  Ende  April  1767  in  Händen,  und  zwar  aus  folgenden 
Orten:    Cassel,  Marburg,  Ziegenhain,  Rotenburg,  Boven- 
den,  Wanfried,  Reichensachsen,  Witzenhausen,  Allendorf, 
Germerode,  Abterode,  Eschwege,  Bischhausen,  Hersfeld, 
Neuenstein,  Schenklengsfeld,  Helmershausen,  Herrenbrei- 
tungen,   Steinbach,   Brotterode  und  Schmalkalden. 

Diese  verschiedenen  Berichte  geben  ein  ungemein 
wertvolles  Material  nicht  nur  zur  Geschichte  des  Gesinde- 
wesens und  -rechts,  sondern  auch  zur  Geschichte  der  da- 


—    75    — 

mals  im  Umlauf  begriffenen  juristischen  und  nationalöko- 
nomischen Ideen;  ein  näheres  Eingehen  darauf  ist  daher 
unumgänglich. 

Fast  einstimmig  sind  alle  Gutachter  für  Verbot  des 
Leinsäens,  das  mit  der  unerträglichste  Mißstand  im'  Ge- 
sindewesen ist;  nur  aus  Eschwege,  Herrenbreitimgen, 
Schmalkalden  imd  Steinbach  wird  berichtet,  daß  Lein- 
saen  dort  imbekannt  ist.  Die  Begründungen  des  Vor- 
schlags, das  Säen  zu  verbieten,  sind  fast  stets  die  gleichen : 
das  Gesinde  verwendet  mfehr  Sorgfalt  a\if  das  ihtail  zuge- 
wiesene  Land,  imd  es  wird  zum!  Ledigsitzen  von  Weih- 
nachten bis  Ostern  veranlaßt. 

Fast  mit  derselben  Einmütigkeit,  wie  die  Bericht- 
erstatter in  der  Frage  des  Leinsäens  der  Regierung  zu- 
stimmen, lehnen  sie  den  Vorschlag,  die  Ziehzeit  des  Ge- 
sindes auf  Johannis  festzulegen,  ab,  da  der  Gesindeherr 
clann  ja  mitten  in  der  Arbeit  auf  neues  Gesinde  angewiesen 
wäre.  Der  in  der  Tat  merkwürdig  törichte  Gedanke  der 
Regierung,  Johannis  als  Ziehzeit  zu  wählen,  wird  gleich- 
wohl von  drei  Beamten  gebilligt  (Hersfeld,  Neuenstein, 
Rotenburg);  andere  empfehlen  Walpurgis,  wo  die  Land- 
arbeit noch  nicht  so  dringend  ist,  wieder  andere  Lichtmeß, 
Michaelis,   Neujahr. 

Der  Plan  der  Regienmg,  die  Eltern  von  zu  Hause 
sitzenden  Kindern  zu  besteuern  oder  ru  bestrafen,  wird 
nur  von  wenigen  geradezu  abgelehnt. 

Die  meisten  sind  sehr  ungehalten  darüber,  daß  die 
niit  Spinnen  beschäftigten  ledig  sitzenden  Mägde  „ihre 
Caressen  mit  denen  beiu-laubten  Soldaten  prosequieren**, 
wie  Dr.  Becker  in  Wanfried  sich  ausdrückt. 

Eine  ziemliche  Übereinstimmung  herrscht  auch  darin, 
daß  die  Abschiede  imd  die  Atteste  außer  Gebrauch  ge- 
konmien  sind,  imd  daß  hier  Maßregeln  zu  ergreifen  sind. 

Dagegen  besteht  äußerlich  keine  Einigung  der  Be- 
richterstatter über  die  Wirkung  und  Möglichkeit  einer 


—    76    — 

Lohntaxe.    Ungefähr  gleich  sind  beide  Parteien,  die  ent- 
weder völlig  ablehnen  oder  zustimmen.    Bemerkenswert 
ist  allerdingrs,  daß  die  Zustimimtmg  meist  ganz  kritiklos 
erfolgt;  nur  die  Ablehnenden  zeigen,  daß  sie  von  einigrer 
Gedankenarbeit  angekränkelt  sind.  Die  Hauptgründe  für 
Ablehnung  liegen  in  der  Preissteigerung  durch  den  Krieg", 
wodurch  auch  viel  schlechtes  Geld  in  Umlauf  gekomlmen 
ist,  in  der  Untniöglichkeit,  die  Warenpreise  zu  tarifieren, 
der  verschiedenen  Schwierigkeit  oder  Güte  der  zu  ent- 
lohnenden Arbeit,  in  der  Konkurrenz  der  Fabriken  und 
vor    allem    des    benachbarten  Auslands.     Diesen  letzten 
Grund  führen  besonders  Herrenbreitungen,  Schmalkalden 
und  Nachbargebiete,  Marburg  und  Bovenden  an,  die  meist 
mitten  in  fremidem  Gebiet  liegen^). 

Öer  einzige,  der  den  Vorschlägen  der  Regierung  mit 
demVersuche  einer  Begründimg  zustimimt,  ist  der  Amtmiann 
Hüpeden  in  Rotenbm-g.   Gewiß  ist,  sagt  er,  die  Arbeit 
an  den  einzelnen  Orten  oder  bei  den  einzelnen  Brotherren 
verschieden  schwer,  sodaß  es  imgerecht  wäre,  für  leichte 
und  schwere  Arbeit  den  gleichen  Lohn  festzusetzen.  Jedoch' 
auch  an  Orten,  wo  die  Arbeit  sauer  ist,  wird  es  Leute 
geben,  die  lieber  dort  arbeiten,  wo.  sie  es  gewohnt  sind, 
„und  über  das  wird  an  diesem!  Ort  der  Knecht  sein  Mäd- 
gen  und  die  Magd  ihren  Knecht  haben,  welche  eines  dem 
andern  zu  gefallen  an  dem  Orte  bleiben  und  dienen". 
Femer  bedingt  schwere  Arbeit  stets  geringere  Arbeits- 
zeit.   Die  Schwierigkeiten  sind  also  nicht  so  groß,  daß 
sie    einen  Normiallohn   für    das    ganze  Land  unmöglich 
machen,  zumlal  der  Vorteil  des  Publikums  überwiegen  muß. 

Es  braucht  nicht  gesagt  zu  werden,  daß  mit  diesen 
Gedankensprüngen  Hüpedens,   so  erfreulich  und  lieblich 


0  Der  Amtmann  Bauer  in  Herrenbreitungen  bemerkt,  dass 
dieser  Umstand  für  ganz  Hessen  einer  Regelung  der  Lohnhöhe  hin- 
dernd im  Wege  stehe,  „indem",  wie  er  ungewollt  ironisch  sagt,  „die 
mehreste  Aemter  ebenwohl  an  der  Grentze  liegen". 


—    77     — 

die  einzelnen  Etappen  auch  sind,  weniger  bewiesen  wird, 
ak  Hüpedeii  beweisen  nrißchte.  Und  zudemi  übersieht  er 
die  großen  übrigen  Gesichtspunkte,  wie  Warenpreise  und 
Konkurrenz   des  Auslandes. 

Auch  die  sonstigen  Ausführungen  Hüpedens,  die  ganz 
m  merkantilistischen  Bahnen  sich  bewegen,  sind  inter- 
essant zu  verfolgen.  Zunächst  schlägt  er  als  Taxe  einen 
in  seiner  Niedrigkeit  unmöglich  durchführbaren  Lohn  vor, 
dem  entsprechend  das  Mietgeld  in  seiner  Höhe  begrenzt 
wird.  Mit  dem!  Geld  kann  das  Gesinde  nach  seiner  Ansicht 
wohl  auskomlmen,  wenn  ihm  nur  die  Gelegenheit  abge- 
schnitten wird,  auf  den  Kirmessen  zu  viel  auszugeben. 
„Da  hat  jeder  Knecht  sein  Mädgen  das  er  zum'  Tanze 
führet  und  bedienet.  Da  vor  giebt  das  Mädgen  ihren 
Tantz  Knecht  einen  Strauß  mit  Bändern  und  ein  Schnupf- 
tikch;  wann  nun  dieses?  noch  nach  der  alten  einfältigen 
Art  geschehe,  so  würde  es  nichts  zu  bedeuten  haben,  allein 
um  seinen  Liebhaber  sich  recht  gefällig  zu  erweisen,  kosten 
Strauß  und  Schnupftuch  über  2  bis  3  Rthlr.  und  dagegen 
braucht  der  Knecht  vor  die  Musicanten  "und  andere 
Kirms-Ausgaben  auch  bey  3  Th."  Daher  will  Hüpeden 
die  Kinnessen  auf  3  Tage  beschränken  imd  Strauß  tmd 
Schnupftuch  verbieten^). 

Schließlich  klagt  Hüpeden  noch,  daß  der  Herr  eigent- 
&t  gegenüber  dem!  Gesinde  ganz  miacht-  und  rechtlos 
ist.  Schlägt  er  dasi  Gesinde,  so  läuft  er  Gefahr,  gestraft 
zu  werden ;  verklagt  er  es,  so  wird  er  verschrieen.  Daraus 
folgt  dann,  „daß  das  Gesinde  thut  was  es  will,  und  die 
Herrschafft   darf  es  nicht  unfreundlich  ansehen." 

Auf  einen  ganz  anderen  Ton  ist  das  zu  entgegenge- 


*)  Obrigens  erklärte  auch  Dr.  Becker  in  Wanfried  die   Kir- 

nicssen  für  ein  so  grosses  Übel,  dass  man  sie  im  ganzen  Lande  auf 

*cbt  Tage  zusammenlegen  mCksse,  ein  Vorschlag,  auf  den  ein  Regie- 

i^iQgsrat  fragte,  woher  man   denn  dann  die  Musikanten  bekommen 
solle? 


—    78    — 

setzten  Ergebnissen  komfmiende  Gutachten  des  geheimbden 
Commercien-  und  Hof-Cammerrathes  Jakob  Christian 
Uckermannzu  Germerode  gestimmt.  Er  tritt  den  Aus- 
führungen der  Regierung  mit  einem'  überraschenden  Ra- 
dikalismus entgegen,  der  bisweilen  allzu  weit  über  das 
Ziel  hinausschießt.  Es  ist  ein  RadikaUsmus,  geboren  aus 
prinzipieller  Opposition  gegen  die  Regienmg  und  die  Ar- 
beitgeber, der  einem'  mitten  in  den  servilen  Berichten  der 
anderen  Amtmänner  wohl  tun  kann. 

Das  Projekt  der  Regierung  scheint  ihm  „mit  allzu 
befangenem  iudicio  für  das  interesse  derer  Brodherm" 
abgefaßt  m  sein  —  vom  einseitigen  Untemehmerstand- 
pimkt,  würde  es  heute  heißen.  Man  darf  den  Dienstboten 
den  Verdienst  nicht  schmälern,  „weilen  die  dienstbotten 
gleichwohlen  keine  sklaven  sind,  sondern  zu  einem  Stand 
gehören,  woran  dem;  gemeinen  wesen  eben  so  sehr,  als  dem 
menschlichen  Körper  an  arm^en  und  beinen  gelegen  ist**. 
Der  (bedanke  eines  Maximiallohnes  ist  zu  verwerfen.    In 
den  jungen  Jahren  gerade,  wo  die  Leute  stark  und  tüchtig^ 
sind,  müssen  sie  etwas  vor  sich  bringen,  damit  sie  später 
zur  Erziehung  ihrer  Kinder,  oder  im'  Alter  etwas  haben, 
„wenn  nicht  das  aerarium'  rei  publicae  diese  onera  selbsten 
bestreiten,  oder  das  gemeine  wesen  mit  Bettlern,  Dieben 
und  dergleichen  Gesindel  überschwemmt  seyn,  oder  end- 
lich ihre  für  alter  und  sonstigen  Schwachheiten  ohnver- 
mögende  Bürger  verhungern  und  verk<Änmen  lassen  will." 
Dementsprechend,  daß  also  ein  Überschuß  herauskommt, 
muß  der  Lidlohn  normiert  sein.    Aber  seine  Höhe  vor- 
her in  concreto  oder  in  abstracto  zu  bestiminien,  ist  un- 
Imöglich.   Zudem,  führt  Uckermann  weiter  aus,  wird  eine 
Taxe  die  Dienstboten  noch  seltener  machen,  da  ein  Tage- 
löhner, wie  Uckermiann  umständlich  ausrechnet,  mehr  ver- 
dienen kann  als  ein  Dienstbote,  der  „offtermahlen  von 
demselben  (dem'  Brotherrn)  und  denen  seinigen  die  un- 
erträglichsten indignitaeten  ausstehen  muß";  dazu  muß 


—    79    — 

das  Gesinde  das  ganze  Jahr  dem  Herrn  zur  Verfügrung 
stehen.  Tarißert  tnlan  den  Gesindelohn,  dann  werden  nur 
noch  faule  luid  liederliche  dienen  wollen ;  die  guten  Kräfte 
verdienen  im  Tagelohn  mfehr. 

Die  Mißbräuche,  daß  das  Gesinde  Sonntags  sich  um- 
hertreibe, und  im'  Winter  ledig  sitze,  „scheinen  nur  bloß 
ad  invidiam  des  Gesindes  exaggeriret**.  Werm  so  etwas 
vorkommt,  dann  wird  es  mehr  von  der  Herrschaft  als  von 
den  Dienstboten  verschuldet,  die  sich  hüten  werden,  einen 
guten  Dienst  ru  verlassen.  Dazu  bringt  es  dem  Gesinde 
pekuniär  gar  keinen  Vorteil,  wenn  es  im'  Winter  nicht 
in  Dienst  geht !  „Und  was  soll  denn  einen  Dienstknecht 
in  diesen  Winter  Monaten  heimzugehen  veranlassen  ?  Denn 
solche  pflegen  doch  an  denen  wenigsten  orthen  zu  spiimen. 
Schade!  daß  der  Verfasser  des  antrags  denenselben  nichts 
zu  thun  gegeben  hat  .  .  .".  Niu-  dort  komimt  Ledig- 
sitzen vor,  wo  geizige  Brotherren  in  den  stillen  Winter- 
monaten das  Gesinde  nach  Hause  schicken,  damit  sie  es 
nicht  zu  verköstigen  brauchen. 

Weiter  erklärt  Uckermann  jene  Ansicht  für  grund- 
falsch, nach  der  die  Brotherren  die  schwächere  Partei 
darstellen,  weil  sie  nicht  gleichgesiimt  seien.  Das  sind 
die  Dienstboten  aber  noch  viel  weniger.  Die  Herrschaften 
können  sich  korrespondieren  und  überhaupt  leichter  ver- 
ständigen als  die  armen,  in  ihrer  Zeit  beschränkten  Dienst- 
boten, „rumahlen  der  Vorwand,  daß  die  Dienstbotten  die 
nothwendigkeit  ihres  Dienstes  wüssten,  durc^h  den  ent- 
gegen stehenden  umlstand,  daß  auch  denen  brodherren 
die  bedürfftigkeit  derer  Dienstbothen  nicht  unbekannt  sey, 
hahnciret  und  überwogen  wird**. 

Der  zweite  Teil  von  Uckermanns  Gutachten  enthält 
weniger  bedeutungsvolle,  vorwiegend  juristische  Ausfüh- 
ningen. 

Man  meint  stellenweise,  den  verärgerten  germeroder 
Amtniaim  vor  sich  zu  sehen,  wie  er  am  Schreibtische  sitzt 


—  So- 
und sich  freut,  wenn  er  wieder  eine  besonders  wirksame 
Bosheit  herausgefunden  hat,  die  er  der  Regierung  erge- 
benst  tmterbreitet.  Dabei  muß  er  sich  die  Grundlagen  für 
seine  Deduktionen  bisweilen  arg  mrecht  miachen,  wofür 
ein  Rechenexempel  zum'  Vergleich  zwischen  den  Kosten 
des  Dienens  tuid  des  Ledigsitzens  charakteristisch  ist. 
Aber  als  erstes  und  einziges  Dokumlent  für  eine  rein  von. 
dem  Standpunkt  der  Dienenden  aus  gewonnene  Anschau- 
ung eines  den  höheren  Ständen  angehörenden  Mannes 
verliert  dadurch  der  Bericht  nichts  von  seiner  Bedeutung. 
Er  ist  der  einzige,  dem!  ein  starker  Pessimismus  gegenüber 
der  landesväterlichen  Fürsorgepflicht  für  die  bedrängten 
Untertanen  innewohnt. 

Unter  den  sonstigen  berichterstattenden  Beamten  he- 
ben viele  die  Verschiedenheit  der  städtischen  und  länd- 
lichen Gesindearbeit  hervor,  woraus  sie  herleiten,  daß 
der  Lohn  städtischer  Dienstboten  nicht  so  hoch  wie  der 
der  landwirtschaftlichen  zu  sein  braucht.  Zwei  berichten 
dazu  mit  Entrüstung,  daß  der  Luxus  des  Kaffeetrinkens, 
der  noch  vor  kurzer  Zeit  sogar  für  die  Herrschaften  etwas 
Unerhörtes  gewesen,  nun  auch  beim!  städtischen  Gesinde 
eingerissen  sei ;  Dr.  Becker  in  Wanfried  bemerkt  freilich : 
„ob  nun  gleich  der  Gaffe  sehr  dünn  und  schwach  ge- 
machet, der  Zucker  auch  sparsam  dabey  verhandreichet 
wird". 

Dr.  Becker  hält  jetzt  übrigens  eine  Lohntaxe  für 
ebenso  unmöglich,  wie  eine  solche  für  die  Handwerker  für 
praktisch  durchführbar;  als  Beweis  für  diese  letzte  An- 
sicht führt  er  an,  daß  die  Schneider  in  Wianfried  wider 
alles  Reglem«it  sich  zusamimen  getan  und  sich  selbst  eine 
erhöhte  Taxe  gemacht  haben.  Über  eine  bereits  erlassene 
Taxe  wird  ferner  aus  Neuenstein  berichtet,  die  hier  seit 
1.   Januar   1767   in   Geltung  ist^).    Die   Löhne  sind  im 


»)  Oben  S.  72. 


—    81     ~ 

Vergleich  mit  den  anderswo  gezahlten  so  niedrig,  daß 
damit  schon  dieser  Taxe  kein  langes  Leben  gegeben  war. 
Die  Naturalien  sollen  zudem  noch  in  die  Taxe  eingerechnet 
werden. 

Überraschend  günstige  Verhältnisse  scheinen  in  der 
thüringischen  Enklave  Schmialkalden  gewesen  zu  sein.  Der 
Schultheiß  Henkel  berichtet,  daß  nach  den  ihm  zugegan- 
genen Nachrichten  alle  die  von  der  Regierung  aufge- 
lählten  Mißstände  von  ihm  nicht  angetroffen  sind.  Man 
empfindet  den  Lohn  in  der  Höhe,  die  man  der  ausländi- 
schen Konkurrenz  wegen  zugestehen  muß,  nicht  als  hart; 
es  geht  nicht  aus  den  Berichten  hervor,  ist  aber  wahr- 
scheinlich, daß  Naturalien  im  Lohn  eine  besonders  große 
Rolle  spielen. 

Der  Amtsschultheiß  Vilmar  in  Brotterode  nennt  ge- 
radezu als  Grund,  weshalb  die  Mißstände  dort  nicht  vor- 
kommen, das  völlige  Fehlen  großer  Bauerngüter, 
wo  die  Sorge  um  Beschaffung  des  Gesindes  natürlich 
größer  wäre,  als  bei  kleinen  Bauern  and  Bürgern.  Gerade 
die  von  Vilmar  noch  weiterhin  getane  Äußerung  hat  auf 
die  Regierung  wohl  endgültig  bestimmend  gewirkt :  „Ein 
vemünfftiger  Brod-Herr  setzt  ab  und  thut  hinzu  ex  mero 
arbitrio,  darnach  sich  sein  Gesinde  treu  und  fleißig  ver- 
hält, und  über  das  ist  hiesigen  Amts  wegen  der  Tobacks- 
und  Zwim-Fabricken  das  gesinde  ohne  dies  seltsam  und 
rahr,  das  von  fremden  orthen  aber  lasset  sich  hierin  keine 
gesetze  vorschreiben."  Um'  diese  zuletzt  erwähnte  Schwie- 
rigkeit aus  dem  Wege  zu  schaffen,  schlagen  manche  Be- 
richterstatter Übereinkommen  mit  dem  Auslande  vor. 

Verschiedene  Gutachten  machen  schließlich  auf  die 
durch  die  Aushebungen  zxmi  Militär  hervorgerufenen  Miß- 
stände aufmerksam.  Aus  Herrenbreitungen  wird  sogar  ge- 
Jneldet,  daß  man  dort  inländische  Knechte  gar  nicht  an- 
nehme, weil  mian  stets  befürchten  muß,  daß  sie  eingezogen 
werden.  Mehrere  Male  wird  die  Bitte  ausgesprochen,  das 

KSnnecke.  6 


-     82    — 

jährliche  Garnisonexerzieren  nicht  wie  bisher  gerade  in 
die  Zeit  der  Ernte  zu  legen,  sondern  damit  bis  nach  den 
landwirtschaftlichen  Arbeiten  zu.  warten. 

Es  war  eine  Fülle  von  Anregungen,  die  die  Regierung 
laus  allen  diesen  Berichten  entnehmlen  konnte.  Wie  es 
zu  erwarten  war,  fanden  in  der  wichtigsten  Frage,  der  Tari- 
fierung,  die  beiden  von  den  Atntmännem  vertretenen  An- 
sichten Anhänger.  Allerdings  blieb  der  Regierungsrat 
B  e  r  n  e  r,  der  sich  im'  wesentlichen  auf  Hüpedens  Stand- 
punkt stellte,  allein;  die  übrigen  Räte  schlössen  sich  dem 
Gutachten  des  Vizepräsidenten  der  Regierung,  Wülck- 
n  i  t  z,  an. 

Bern  er  argumentierte  so:  Wenn  auch  der  tatsäch- 
lich gezahlte  Lohn  gegenwärtig  je  nach  der  Schwere  der 
Arbeit  in  den  verschiedenen  Ämtern  ungleich  ist,  so  ist 
die  Verschiedenheit  doch  nicht  so  groß,  daß  sich  nicht 
ein  Dtu-chschnitt  als  Maximum'  fixieren  ließe.  Jedenfalls 
ist  dies  besser,  als  es  der  Willkür  der  Parteien  zu  über- 
lassen, weil  dadurch  Prozesse  entstehen  und  einer  es  dem 
andern  in  der  Bezahlxmg  gleich  tun  will,  was  aber  unmög- 
lich ist.  Das  ausländische  Gesinde,  das  in  seiner  Heimat 
nicht  bleiben  will,  muß  sich  den  hessischen  Gesetzen  unter- 
werfen. Die  Auswanderung  aus  Hessen  muß  z.  B.  durch 
Konfiskation  des  Vermögens  gehindert  werden.  Bemer 
stellt  dann  eine  ziemlich  niedrige  Taxe  auf,  deren  Über- 
schreitung ebenso  bestraft  wird,  wie  Gewährung  von  Natu- 
ralien und  zu  guter  Kost.  In  den  übrigen  Fragen  schließt 
Bemer  sich  der  herrschenden  Meinung  der  Beamten  im' 
Lande  an. 

Es  ist  fast  selbstverständlich,  daß  die  Gedanken  Ber- 
ners über  die  Tarifierung  von  den  übrigen  Räten  nicht 
geteilt  wurden.  Einem'  glänzenden  Gutachten  des  Vize- 
präsidenten Wüleknitz  folgten  die  übrigen  Mitglieder 
der  Regierung  fast  ohne  Abweichimg. 

Nach  Wülcknitz  Meinung  ist  es  praktisch  undurch- 


—    83    — 

fährbar,  eine  Taxe  durchsetzen  zu  wollen.  „Siehet  man 
aber  zum  voraus,  daß  ein  landesherrliches  Gesetz  nicht 
gehalten  werden  wird,  noch  kan,  ist  weit  rathsamer,  solche 
nicht  zu  promulgieren,  da  m^hr  Unheil  als  gutes  daraus 
entstehen  würde."  Ehe  mlan  nicht  durch  Reduktion  der 
übrigen  Preise  hier  die  Quellen  verstopft  hat,  was  man 
aber  bei  der  Verderbtheit  der  Menschen  nicht  vornehmen 
kann,  darf  an  Festsetzung  eines  Maximiallohnes  nicht  ge- 
dacht werden.  Sodann  würde  Fleiß  tmbelohnt  bleiben, 
da  ein  guter  Knecht  die  Hoffnimgslosigkeit,  empor  zu 
kommen  im  Verdienst,  einsehen  mtiß.  „Ein  Arbeiter  ist 
audi  seines  Lohnes  werth,  mancher  arbeitet  für  zwey,  ist 
dabey  geschickt  und  treu,  so  daß  sein  Brod-Herr  ihm! 
alles  anvertrauen  kan,  und  würde  es  also  nicht  unbillig 
sondern  vielmehr  Recht  seyn,  daß  selbiger  5,  10  und 
20  Rthlr.  mehr  an  Lohn  em|pf inge  als  ein  anderer,  auch 
dieser  Zusatz  Üer  Brod-Herrschaf t  gewis  drey-  und  vierfach 
j  ersetzt  werden.**  Und  schließlich  —  dies  geht  wohl  auf 
den  Eindruck  der  Uckermlannschen  Ausführungen  zu- 
^  rück  —  wird  man  bei  einer  guten  Herrschaft  gern  unH 
i  ein  geringeres  dienen,  als  anderswo.  Auch  eine  Klassen- 
'  einteilung  in  Groß-,  Mittel-  usw.  Knechte  wäre  verfehlt ;  da 
würde  eben  jeder  nur  als  Großknecht  dienen  wollen,  ohne 
da£  das  Alter  da  eine  genügende  und  gerechte  Einteilung 
bieten  würde.  Wollte  man  femer  Ausländem  verbieten,  in 
Hessen  zu  dienen,  so  könnte  damit  leicht  Gegendruck 
hervorgerufen  werden,  worunter  Hessen  schließlich  am' 
meisten  leiden  würde,  da  über  die  Hälfte  der  Dienstboten 
nicht  Landeskinder  sind.  Die  Auswanderung  sOdann  ist 
schon  genügend  eingeengt;  eine  Konfiskation  würde  die 
Armen  nicht  hindern,  gleichwohl  das  Land  zu  verlassen. 

Im  Sinne  Wülcknitzens  ging  dann  am'  16.  Juli 
1767  ein  ausführlicher  Bericht  an  den  Geheimen  Rat  ab. 
Er  enthielt  an  Vorschlägen:  1.  Verbot  des  Leinsäens, 
2.  Festlegung  der  Ziehzeit  für  die  Schäfer  auf  Walpurgis, 


—    84    — 

3.  Strafandrohung  an  die  Beamten  (10—20  Th.),  die  nicht 
genau  auf  die  Durchführung  des  §  1  GO.  achten,  der  die 
Zahl  der  zu  hause  sitzenden  Kinder  beschränkt,  4.  Be- 
strafung des  Abspenstigtniachens,  5.  Verlegung  des  Garni- 
sonexerzierens. 

Kein  einziger  dieser  Vorschläge  war  dem  Geheimen 
Rat  genehtn.  Er  beschloß  nur,  den  Becker'schen  Bericht 
dem*  KriegskollegiumI  einzureichen,  damit  dies  sich  über 
die  Klagen  wegen  des  Exerzierens  orientieren  sollte;  fer- 
ner genehmigte  er,  daß  die  Beamten  angehalten  werden, 
besser  als  bisher  über  die  Gesindeordnimg  zu  wachen,  aber 
ohne  Strafandrohung.  Dementsprechend  erhielten  die  Be- 
amten a!m  12.  August  1767  Nachricht  von  der  Regierung  ^). 

Die  große,  vom  gudensberger  Bericht  veranlaßte  En- 
qufite  über  das  Gesindewesen  hatte  also  so  gut  wie  keinen 
praktischen  Erfolg.    Diese  Tatsache  hat  eine  hervorra- 
gende Bedeutung  in  der  Geschichte  des  hessischen   Ge- 
sinderechts.  Sie  bedeutet  die  Statuierung  des  laissez  faire 
in  Fragen  des  Preises  und  Lohnes  für  das  ganze  Land. 
Zwar  hatten  schon  die  Verfasser  der  hanauischen  Gesinde- 
or'dnimg  von  1748,  wie  später  zu  zeigen  sein  wird,   den 
Grundsatz  der  freien  Lohnbestimmung  für  die   Provinz 
Hanau  aufgestellt.    Aber  es*  hat  den  Anschein,  als  wäre 
das  nur  ein  Versuch  an  kleinem  Objekt  gewesen,  den  mlan 
gewagt  hatte,  ehe  man  eine  Ausdehnung^  auf  das  ganze 
Land  unternehmen  konnte.    Und  1764  erfolgte  ja  noch 
ein  ziemlich  gründlicher  Rückfall.    In  der  Zukunft  stand 
m!an  endgültig  davon  ab,  das  Gesindewesen  auf  dem'  Um- 
wege einer  Lohnpolitik  zu  ändern.    Es  gab  noch  genug 
andere,  für  die  bescheidenen  hessischen  Verhältnisse  aus- 
reichende Möglichkeiten  hier  vorzugehen.  Vor  allem  wur- 
den noch  auf  lange  hinaus  die  Bestinünlungen  über  das  An- 
halten von  Kindern  imd  Müßiggängern  zum!  Dienen  bei- 
behalten; erst  1816  beim  Erlaß  der  Gesindeordnung  für 
*)  LO.  VI,  S.  442. 


-     85     - 

Fulda  entschloß  inian  sich,  sie  wegzulassen.  Es  hätte  doch 
riel  näher  gelegen,  auch  physiokratischen  Grundsätzen 
enisprochen,  außer  der  Freiheit  des  Preisverkehrs  auch 
dk  der  wenigstens  theoretischen  Selbstbestimlm'ung  des 
Berufes  als  Prinzip  aufstellen. 

Zxmächst  gab  es  für  die  Idee  der  Tarif ierung  noch 
ein  paar  tragikomische  Nachspiele  zum  Abschied.  Der 
übereifrige  Amtsschultheiß  Holland  in  Neukirchen 
hatte,  gestützt  auf  die  Beamtenpflicht,  alles  zum  Besten 
des  Staates  zu  tun,  sowie  auf  die  verschiedenen  obrigkeit- 
lichen Erlasse,  welche  Reduzienmg  der  Preise  und  Löhne 
auf  den  Stand  vor  dem'  Kriege  anordneten,  im  Jahre 
1767  eine  Visitation  des  ganzen  Amtsbezirks  imtemomlmen 
und  festgestellt,  daß  in  keihem  Falle  die  vor  dem»  Kriege 
üblichen  Löhne  gezahlt  wurden,  und  daß  Attestate  ganz 
aus  der  Übung  gekomimen  waren.  So  hatte  er  von  seiner 
Befugnis  Gebrauch  gemacht,  beide  Parteien  umi  das  Du- 
plum  des  zuviel  gezahlten  ru  strafen  und  zusamimen  592 
Th.  Geldstrafen  diktiert.  Daraufhin  liefen  insgesamt  vier- 

>    zehn,  meist  von  einer  Anzahl  Personen  gemeinschaftlich 

I  abgeschickte  Beschwerden  bei  der  Regierung  ein,  die 
binnen  kurzen*  aus  den  Berichten  mit  den  anliegenden 

*  Nachweisen  ein  Aktenstück .  von  gut  zweihundert  Blatt 
zusanunenstellen  konnte.  Die  Bittschreiben  kamen  von 
Herrschaften  und  Dienstboten,  sogar  die  gesamten  Gre- 
ben  des  Amtes  richteten  eine  einmütige  Beschwerdeschrift 
mit  Nachweisen  für  sämtliche  Orte  an  die  Regierong. 

Die  Regienmg  forderte  von  Holland  Bericht  über  die 
Angelegenheit.  Dieser  bat  dringend,  die  Strafen  nicht  zu 
erlassen,  da  sein  Vorgehen  schon  Erfolg  gehabt  habe. 
In  den  Beratungen  der  Regierung  tritt  wieder  der  ge- 
wohnte Gegensatz  zwischen  Bemers  und  Wülcknitzens  An- 
schauungen  hervor.    Wülcknitz,   dem  die  anderen   Räte 

'     wiederum  beitraten,  erkennt  nur  die  Strafen  wegen  Unter- 
lassung der  Zeugniserteilung  als  gerecht  an.   Die  Strafen 


—    86     — 

auf  Überschreitung  der  Taxe  dagegen  will  er  erlassen. 
Denn  §  6  der  Gesindeardnung  setze  einen  der  Arbeitsart 
proportionierten  Lohn  fest;  zwar  heißt  es  inü  folgenden, 
daß  von  dem  hergebrachten  Lohn  nicht  abgegangen  iver- 
den  soll,  doch  wird  dies  durch  das  „nicht  leichtlich'*  ab- 
geschwächt, somit  den  Parteien  Freiheit  gelassen.  So- 
dann hätte  Holland  die  Unmöglichkeit  der  Durchführung: 
einsehen  müs^n,  da  die  Preise  noch  nicht  gefallen  sind, 
imd  die  Hebung  des  Ackerbaus  besondere  Mühe  fordert. 
Hiermit  zeigt  Wülkniti,  wie  leicht  es  ist,  eine  Bestimmung'» 
die  ihrem  ganzen  Wesen  nach  als  Übergangsstation  zwi- 
schen zwei  entgegengesetzten  Prinzipien  zu  verstehen  ist, 
im'  Sinne  der  neuen  Ideen  zu  deuten. 

Die  Strafen  wurden  dann  auch  erlassen,  wobei  jedoch 
dem  gestraften  Gesinde  (nur  diesem!)  bedeutet  wurde, 
„daß  Serenissimus  aus  besonderen  Gnaden  die  Straffe 
vor  dasmahl  erlassen  hätten". 

Noch  imimer  ging  man  nicht  daran,  die  Verordnung 
von  1764  za  beseitigen,  sei  es  aus  Scheu,  die  theoretische 
Überzeugung  in  die  Praxis  zu  übertragen,  sei  es  aus  Furcht 
vor  zu  schneller  Änderung  des  Gesetzes  und  in  der  An- 
nahme, das  Ungeschicklichkeiten,  wie  sie  Holland  mit  der 
konsequenten  Durchführung  des  Gesetzes  begangen,  nicht 
zu  oft  vorkommen  würden.  Und  doch  wurde  die  Regierung 
durch  einige  weitere  Vorkomimlnisse  darauf  hingewiesen, 
daß  ein  Vorgehen  gegen  das  Gesinde  mit  Taxen,  Kinder- 
dienstzwang  usw.  nicht  ersprießlich  sein  konnte,  im'  Gegen- 
teil unerwünschte  Kam|>fmtaßnalunen  von  ganz  unerwar- 
teter Seite  hervorrufen  mußte. 

1776  hatte  nämlich  die  dartnistädter  Regierung 
Schritte  untemomim^n,  um  ejxie  Zurückziehung  der  in 
Hessen-Cassel  als  Gesinde  dienenden  darmstädtischen  Un- 
tertanen durchzusetzen^).    Auf  einen  übertreibenden  Be- 

^)  St  A.  Marburg.  Cass.  Finanzkammer-Archiv  88,  Nr.  7,  Gene- 
ralia  (1776-1792). 


-     87     - 

rieht  des  Amtsiats  Bode  in  Neuenstein  forderte  die  casse- 
1er  Regierung:  Gutachten,  obwohl  aus  Daimstadt  eine  be- 
ruhigende Auskunft  eingegangen  war.  Das  Ergebnis  der 
Untersuchtmg  war,  daß  von  Darm^tadt  her  allerdingsl 
vorbereitende  Maßnahmen  in  der  ang^ebenen  Richtung 
getroffen  waren;  diirch  ungeschicktes  Vorgehen  des  Re- 
gierungsrates Haiwachs  in  Alsfeld  scheint  die  Nachricht 
davon  in  der  beunruhigenden  Gestalt  an  die  Öffentlichkeit 
gekommen  zu  sein.  Der  Landrat  von  Dalwigk  in  Lützelwig 
dagegen  hält  das  Ganze  nur  für  eine  —  leider  schon  von 
Erfolg  herleitete  —  Finte  des  Gesindes,  das  den  Lohn  in 
die  Höhe  treiben  wolle.  Weitere  Schritte  in  dieser  An- 
gelegenheit sind  nicht  erfolgt. 

d)    1785. 

Eine  neue  Etappe  in  der  Gesinde-Gesetzgebung  be- 
deutet die  Verordnung  vom!  16.  September  1785  über  das 
Borgen  des  Gesindes^).  Es  ist  eine  zivilrechtliche  Neu- 
redaktion des  §  14  der  Gesindeordnung  von  1736,  so  wie 
die  Verordnung  von  1752  eine  Umbildung  der  §§  13—15 
in  strafrechtlichem  Sinn  war.  Der  Inhalt  ist  kurz  der, 
daß  künftig  dem  Gesinde  auf  den  Namien  der  Herrschaft 
nur  nach  deren  schriftlicher  Erlaubniserteilimg  kreditiert 
werden  soll.  Von  wem  die  Anregung  ausging,  ist  imbe- 
kannt; sicher  ist  nur,  daß  die  Regierung  keinen  Teil 
daran  hatte.  Vielleicht  kann  der  Anstoß  von  der  Polizei- 
konttnission.  Diese  ging  später  bei  der  Neuschaffung 
des  Gesinderechts  1797  von  der  halberstädter  Gesinde- 
ordnung von  1765  aus,  die  in  Tit.  IV  §  4  eine  gleiche 
Bestinttnung  enthält  wie  die  hessische  Verordmmg  vom 
16.  September  1785. 

Jedenfalls  forderte  am  22.  Juli  1785  der  Geheime 
Rat  die  Regierung  auf,  einen  Entwurf  zu  einer  Verord- 


')  St  A.  Marburg.   Cass.  Reg.-Akten,  PoUzei-Rep.  F.  48,  Nr.  8. 


—    88    — 

nung  einzuschicken,  ^,daß  niemand  dem.'  Gesinde,  ohne 
vorgängige  Rückfrage  bey  der  Brodherrschaft,  und  darauf 
erfolgte  Bewilligung,  an  Geld,  Waaren,  oder  wie  es  sonst 
Natmen  haben  mtag,  es  sey  unter  weldhem  Vorwand  es 
imimler  wolle,  das  mindeste  dreditiren;  widrigenfalls  die 
Herrschaft,  das  geborgte  za  bezahlen,  nicht  gehalten  seyn, 
sondern  der  Betrag  oder  Werth  dem;  Creditori  lediglich  zur 
Last  bleiben,  und  dieser,  mit  seiner  allenfalsigen  Klage 
gegen  den  Brodherrn,  von  dem  Gericht  sofort  abgewiesen 
werden  solle/* 

Der  von  der  Regierung  darauf  eingereichte  Entwurf 
stimmt  fast  wörtlich  mit  diesem  Erlasse  des  Geheimen 
Rats  überein,  ein  Zeichen  dafür,  daß  der  Regierung  kein 
Anteil  an  der  Findung  des  Gedankens  zukommt.  Mit 
einigen  Änderungen  und  Vermehrungen  wurde  die  Ver- 
ordnung gebilligrt  und  am  16.  September  1785  vom  Land- 
grafen Friedrich  II.  unterzeichnet*).  Das  ganze  hat  wenig 
mehr  als  acht  Wochen  gebraucht,  um'  fertig  zu  werden. 

Vielleicht  nahm  die  Regierung  an,  daß  für  das  Ge- 
sinde nun  auf  einige  Zeit  genug  geschehen  sei.  Wenigstens 
verhält  sie  sich  1792  auf  einen  Bericht  des  Landrats  von 
Dalwigk  zu  Lützelwig  über  die  Mängel  im  Gesindewesen 
wohlwollend  ablehnend*),  Sie  empfiehlt  Dalwigk,  er 
möge  mit  mehreren  benachbarten  Landräten  über  die 
Fragen  konferieren  und  dann  nochmals  berichten.  Aus 
der  Antwort  der  Regierung,  wenn  sie  auch  äußerlich 
keinen  Unterschied  von  anderen  Regierungsäußerungen 
aufweist,  klingt  wirklich  etwas  Müdes  heraus ;  man  glaubte 
in  die  Gesindeverhältniäse  des  Landes  soweit  eingeweiht 
zu  sein,  daß  auch  die  neuen  Klagen  Dalwigks  nichts 
absolut  Neues  bringen  konnten,  daß  jedenfalls  ein  ge- 
setzgeberisches Vorgehen  dadurch  nicht  nötig  werden 
würde. 


*)  LO.  VI,  S.  1215.  —  *)  St.  A.  Marburg.    Akten   des  casselcr 
Finanzkammfer- Archivs  38,  Nr.  7,  Gencralia  (1776— 17»2). 


-     89     ^ 

e)   1797. 

Die  nun  folgenden  Ereignissfe  der  europäischen  hohen 
PoUlik  in  Verbindungr  mit  der  großen  Zeit  des  Natur- 
rechtes hatten  den  einen  offenbaren  Einfluß  auf  die  Ge- 
staltung des  'Gesinderechtes,  daß  im  Laufe  der  Zeit  in  den 
Landern  des  Zwangsdienstes  diese  Einrichtung  abgeschafft 
wurde.  Die  Literatur,  die  der  Revolution  voranging,  hat  in 
Deutschland  freilich  wenig  genug  den  alten  Standpunkt 
der  Polizei-  und  Gesindeordnungfen  verlassen,  wofür  K  r  ü  - 
nitzens^)  kleinliche  Nützlichkeitsweisheit  ei»  Beispiel 
ist.  Imln^rhin  aber  drang  auch  bei  Krünitz  eine  ganze 
Menge  von  neuer  Anschauung  durch;  er  betont  oft  an 
rielen  Stellen,  wie  die  Schuld  an  den  Übeln  Verhältnissen 
im  Gesindew^esen  auf  beiden  Seiten  liegt. 

Auch  Dorn*),  der  nürnberger  Gesindeschriftsteller, 
vertritt  die  Ansicht,  daß  das  schlechte  Gesinde  von  den 
schlechten  Zeiten  herkomtmt:  „Kann  auch  das  Gesinde 
gut  seyn  tuiter  Menschen,  die  nicht  besser  sind  ?  Kann  es 
reine  unverfälschte  Sitten  haben,  da  wo  die  Verdorbenheit 
der  Sitten  bei  allen  Ständen  so  sehr  um'  sich  gegriffen  hat  ? 
Ferner  kann  es  denen  treu  und  gehorsam'  seyn,  welche 
nicht  die  geringste  Treue  noch  Sorgfalt' beweisen,  welche  in 
ihren  Forderungen  unersättlich  und  in  ihren  Befehlen  Des- 
poten sind?  Kann  es  endlich  Liebe  hegen  gegen  die, 
welche  nicht  die  geringste  menschliche  Em'pfindung  von 
sich  blicken  lassen,  welche  es  vielmehr  zu  dem!  beständigen 
Ziel  ihrer  unerträglichsten  Launen  tmd  zu  dem  alleinigen 
Gegenstand  ihres  Hasses  und  ihrer  Verachtung  machen?** 

Kants  Stellungnahme  ist  m!aß voller  abwägend, 
aber  doch  der  fordernden  Theorie  voll,  öffentlichrecht- 
lich erkennt   er  dem  Gesinde,   femer  Tagelöhnern  und 


*)  Krönitz,  Encyclopädie,  Bd.  17,  S.  566fr.  —  *)  Lorenz 
Dorn,  Versuch  einer  ausfQhrlichen  Abhandlung  des  Gesinderechts, 
Erlangen  1794. 


—    90    — 

„allem  Frauenzimhier"  die  volle  Bürgereigenschaft  ab  und. 
läßt  diese  Personen  nur  als  Staatsgenossen  gelten^).     In 
einem  besonderen  Kapitel  der  Rechtslehre  „Das  Ha.us* 
herren-Recht**    als    „des  Rechts   der  häuslichen  Gesell- 
schaft" drittem  Teile*)  stellt  Kant  dann  das  Gesindever- 
hältnis ganz  wie  später  Gierke  als  eine  „häusliche"  bezw. 
„hausherrliche  Gesellschaft"  hin,  „welche  eine  ungleiche 
Gesellschaft   (des  gebietenden  oder  der  Herrschaft   und 
der  gehorchenden,  d,  i.  der  Dienerschaft)  . . .  sein  würde". 
In  dieser  Ijiäuslichen  Gesellschaft  gehört  das  Gesinde  ,,zu 
dem  Seinen"  des  Herrn,  und  zwar  der  Form'  nach  „gleich 
als  nach  einem  Sachenrecht",  „denn  der  Hausherr  kann, 
wenn  es  ihm  entläuft,  es  durch  einseitige  Willkür  in  seine 
Gewalt  bringen",  ebenso  wie  der  Eigentümer  sein  Eigen- 
tum von  jedem!  Besitzer  zurückfordern  kann^  „ehe  noch 
die  Gründe,  welche  sie  dazu  vermocht  haben  mögen,  und 
ihr  Recht  untersucht  werden  dürfen".   In  der  Ausübung 
seines  Rechtes  aber  kann  sich  der  Herr  nie  als  Eigentümer 
des  Gesindes  betrachten.    Nur  durch  Vertrag  ist  das 
Gesinde  in  des  Herrn  Gewalt  gekomJm^n.  Es  ist  aber  ,^cin 
Vertrag  ...,  durch  den  ein  Teil  zum'  Vorteil  des  andern 
auf  seine  ganze  Freiheit  Verzicht  tut,  mithin  aufhört,  eine 
Person  zu  sein,  folglich  auch  keine  Pflicht  hat,  einen  Ver- 
trag zu  halten,  sondern  nur  Gewalt  anerkennt,  in  sich 
selbst  widersprechend,  d.  i.  null  imd  nichtig".    „Dieser 
Vertrag  also  der  Hausgemeinschaft  mit  dem  Gesinde  kann 
nicht  von  solcher  Beschaffenheit  sein,  daß  der  Gebrauch 
desselben  ein  Verbrauch  seüi  würde,  worüber  das  Ur- 
teil aber  nicht  bloß  des   Hausherrn,  sondern  auch  der 
Dienerschaft  (die  also  nie  Leibeigenschaft  sein  kann)  zu- 
kommt ;  kann  also  nicht  auf  lebenslängliche,  sondern  allen- 
falls nur  auf  bestimimte  Zeit,  binnen  der  ein  Teil  dem 
andern  die  Verbindung  aufkündigen  darf,  geschlossen  wer- 

^)  In  der  Rechtslehre.  (Ausgabe  der  Philosophischen  Bibliothek 
S.  158).  Vgl.  £.  Hey  mann,  Sav.-Z.  1907,  S.  602.  -  *)  Ebenda  S.  9801 


—    91     — 

den".  Der  Krfolg  dieser  Ideen  Kants  war  die  Aufhebung 
des  ZwangTsdienstes,  wo  er  noch  bestand,  mögen  auch  die 
Gesetzgeber  nichts  von  Kant  direkt  gewußt  haben,  tmd 
nur  dem  iTirirtschaftlichen  Drängen  der  Zeit  gefolgt  sein. 
Aber  a.uch  die  Gesetzgeber  der  Länder,  die  von 
den  Zwan^sdiensten  verschont  geblieben  waren,  erfuhren 
die  Wirkung  dieser  Gedanken;  die  später  mitzuteilenden 
Äußerungen  hessischer  Beamter,  Mitarbeiter  der  großen 
neuen  Gesindeordnimgen,  werden  darüber  Auskunft  geben. 
Ausnahmsweise  seien  aus  der  Gesetzgebimgsgeschichte 
außerhessischer  Länder  zwei  Ereignisse  an  dieser  Stelle 
angeführt;  sie  lassen  erkennen,  wie  die  Regierenden  das 
ihnen  zugekooilmene  Gedankenmaterial  verarbeiteten. 

Molitor,  ein  aschaffenburger  Beamter,  war   1805 
dazu  bestimlmt,  ein  Gutachten  für  eine  im  Entwurf  be- 
griffene Gesindeordnimg  zu  fertigen^).   Eine  Menge  der 
neuen  Gedanken  klingen  bei  ihtri  an.    Nachdem'  er  die 
preußischen  Polizeigesetze  aus  der  Mitte  des  18.  Jhdts., 
die  „sich  stets  an  strenge  Begriffe  von  militärischer  Sub- 
ordination lehnen",  als  Muster  für  die  Einrichtung  „im 
kleinen"  hingestellt  hat,  gibt  er  seine  Empfindimgen  über 
das  Schicksal  der  Dienstboten  in  spontanen  Aussprüchen 
kund.  „Ist  es  wohl  genug  damit,  dem!  Menschen,  den  das 
iniimter  harte  Loos,  dienen  zu  müssen,  trif t,  alle  seine  Pf hch- 
ten  ausführlich  vorzuzeichnen  imd  die  Gränzen,  in  denai 
er  sich  zu  halten  hat,  scharf  zu  ziehen,  ohne  ihm'  ausser 
dem  meist  kärglichen  Dienstbottenlohne  eine  andere  Aus- 
sicht auf  Sieine  Zukunft,  wenn  er  altert,  gebrechlich,  an- 
haltend krank  wird,  wenn  ersieh  sehnt,  nicht  mehr 
lu  dienen!   —  eine   Sehnsucht,   selbst  in  hö- 
hern Sphären  oft  ohne  Gleichen — zueröfnen! 
Hr  dies  harte,  harte  Loos  nur  immer  Strafen  und 
keine  Belohnimgen."  *) 

')  Kr.  A.  Wflrzburg.   V.  2615.    —    *)  Die   Sperrungen   stellen 
Unterstreichungen  Molitors  dar. 


—    92    — 

Als  zweites  diene  eine  Stelle  aus  dem'  eingehenden 
Gutachten  der  weilburger  Regierung  an  das  n  a  s  s  a.  u  - 
ische  Ministerium,  bei  dem  1809  und  1810  Versuche  unter- 
nommen wurden,  eine  Gesindeordnung  eiimiführen  ^).  Der 
Nam.e  des   Regienmgsbeamiten,  von  dem  die  folgenden 
Äußerungen  stamlmen,  ist  leider  nicht  festzustellen.    Der 
Anonymus  sagt :  „Die  Klagen  der  Dienstherrschaften  über 
das  Gesinde  und  des  Gesindes  über  die  Dienstherrschaften 
sind  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  so  alt  als  die  bürgrer- 
liche   Gesellschaft   und  werden  auch  imlmer  fortdauern. 
Iliacos  intra  moiros  peccatur  et  extra."   Weiter  heißt  es, 
daß   die   Klagen  über  des   Gesindes  Faulheit,   Untreue, 
die  Lohnsteigerung  im'  Regienmgsbezirk  zwar  nicht  fremd 
sind.    „In  der  Regel  dienen  sie  jedoch  nur  zur  Unter- 
haltimg  der  Dienstherrschaften  in  den  Frau  Baasen  Ge- 
sellschaften und  der  Dienstboten  mit  ihren  Camaraden, 
ohne  zu  richterlicher  Erörterung  zu  gelangen,  weil  jeder 
Theil  die  Zeit  bestimlmt  weiss  in  welcher  er  derselben  durch 
die   Trennung  ein   Ende  machen   fcaain." .  .  .    „Wirklich 
wüssten  wir  nicht  wie  über  das  was  in  dem  Innern  eines 
Hausses  vorgeht  und  facti  transeuntis  ist  ohne  die  g^rösste 
Weitläuftigkeit  auf  den  Grund  zu  kommfen  wäre.**    Der 
Bericht  käm'pft  dann  gegen  die  Lohntarifierung,  weil  es 
auf  die  individuellen  Verhältnisse  ankomlmt,  und  die  Lohn- 
höhe auch  von  der  Mitwirkung  der  Nachbarstaaten  ab- 
hängt.   „Eine  jede  Sache  erhält  auf  dem  großen  Markt 
in  der  Welt  wenigstens  der  Regel  nach  und  wann  auch 
hier  und  da  manches  Ob  oder  Subject  nicht  imimer  so- 
fort gehörig  gewürdigt  werden  sollte  seinen  Preiss;  for- 
dert der  Verkäufer  oder  der  seine  Dienste  ausbietende 
zuviel,   so  läßt  man   ihm'  dieselbe  und  wendet   sich  zu 
einem  andern,  er  aber  wird  dadurch  klüger  und  fordert 
ein  anderesmal  nicht  mehr  als  was  der  wahre  Werth  mit 


*)  Akten  des  St.  A,  Wiesbaden. 


—    93    — 

sich  bringrt."  Schließlich  folgt  noch  eine  Ablehnung  der 
hessischen  Grundsätze  über  den  Dienstzwang  der  Kinder 
anner  Leute.  „Erwäget  mian  indessen  dass  die  Policei 
zwar  darüber  dass  jeder  seinen  Unterhalt  ehrlich  erwerbe 
zu  wachen  die  Art  und  Weise  dieser  Erwerbung  aber 
nicht  vorzuschreiben  hat,  dass  eine  solche  Maasregel  der 
Willkühr  der  Orts- Vorstände  und  dem'  Brod  Neide  Thür 
und  Thore  eröffnen  würde  dass  der  Stand  des  Dienst- 
boten auch  bei  der  besten  Herrschaft  doch  immer  ein 
harter  Stand  ist . . .",  so  muß  mian  die  Maßregel  für  un- 
zweckmäßig erklären.  —  Jeder  Satz  beinahe  räumt  altes 
Eisen  beiseite.  Die  Machtlosigkeit  der  Gesetzgebung  ge- 
genüber der  Hausgewalt  und  gegenüber  der  freien  Kon- 
kurrenz der  Kräfte  draußen  im!  Verkehr  ist  der  Grundsatz, 
auf  den  alle  diese  Anschauungen  zurückgehen,  Anschau- 
ungen, die  zu  einem!  Teile  AdamI  Smith  und  seiner  deut- 
schen Schule,  zum  andern  den  Lehren  der  Revolution  ent- 
stanunen. 

Die  Stimmen  aus  Aschaffenburg  und  Nassau  sind 
theoretische  Äußerungen,  gute  Ratschläge  für  die  Ge- 
staltung der  in  Arbeit  befindlichen  Gesetze.  Manches  von 
den  neuen  Gedanken  der  Zeit  nahm'  die  praktische  Gesetz- 
gebung auch  auf.  Der  Zwangsdienst  fiel  fort.  Über- 
haupt läßt  sich  beobachten,  daß  dort,  wo  der  Zwang 
herrschte,  die  Vertragstheorie  in  den  Gesetzen  weit  deut- 
licher zum  Ausdrucke  kam'^),  als  es  im  Westen  geschah^ 
beispielsweise  in  Hessen. 

Hier  ging  die  Neubildung  des  Gesinderechtes  in  den 
neunziger  Jahren  des  18.  Jhdts.  in  folgender  Weise  vor 
sich. 

Das  Bewußtsein,  auf  einige  Zeit  genug  für  das  Ge- 
sindewesen getan  zu  haben,  hat  es  wohl  veranlaßt,  daß 
man  den  casseler  Polizeidirektor  Fulda,  der  am  2. März 


')  Hedemann  S.  202fr. 


—    94    — 

1795  ein  neue  Gesichtspunkte  aufweisendes  Promemoria, 
über  das  Gesindewesen  einreiclite,  über  Gebühr  langr  hin- 
zog *).  Fulda  ging"  von  deim  aus,  womit  ihm  sein  Beruf  täg- 
lich zusamimlenbrachte,  der  Armenfrage.    Die  Armealast, 
sagt  er,  komlmt  daher,  daß  man  die  Gesindeordnung  nicht 
genügend  beachtet,  allerdings  auch  nicht  m'ehr  in  allen 
Stücken  beachten  kann,  da  mianches  daran  veraltet    ist. 
Besonders  hebt  er  den  Umüstand  hervor,  daß  das  Gesinde 
nach  Auflösung  des  Dienstverhältnisses  sich  nicht  gleich 
wieder  vermietet  oder  die  Stadt  verläßt,  sondern  ohne  Be- 
schäftigung bleibt,  daher  oft  auf  liederliche  Wege  gerät 
und  im  Alter  dann  der  Armenkasse  zur  Last  fällt.  Fulda 
schlägt  eine  zeitgemäße  Umigestaltung  der  Gesindeord- 
mmg  vor. 

Der  Geheinie  Rat,  an  den  Fulda  seine  Prom'emoria 
gerichtet  hatte,  sandte  es  an  die  Regierung  und  die  Polizei- 
kommission  zur  Begutachtung.  Dreimal  binnen  Jahres- 
frist mußte  die  Regierung  die  Aufforderung  an  die  Polizei- 
komtnission  richten,  sich  zu  äußern.  Endlich,  Anfang 
März  1796,  komimt  eine  Antwort.  Die  Polizeikommission 
legt  die  „Erneuerte  Gesindeordnung  für  die  Städte  und 
das  platte  Land  in  dem  Fürstenthimi  Halberstadt  und 
dombinirten  Graf-  und  Herrschaften  de  dato  Berlin  9ten 
April  1765",  ferner  die  alte  hessische  Gesindeordnung  von 
1736,  sowie  einen  eigenen  Entwurf  zu  einer  neuen  vor. 

Dieser  Entwurf  bedeutet  eine  „Verpreußimg**  man- 
cher, allerdings  nicht  allzu  vieler  und  nicht  allzu  wichtiger 
Vorschriften  der  Gesindeordnung  von  1736.  Die  Haupt- 
mängel des  preußischen  Gesetzes,  vor  allem  die  Tarifie- 


')  Die  AktenstQcke  für  die  Gesindeordnung  von  1797  sind:  St.  A. 
Marburg.  Cass.  Reg.-Akten,  Polizei-Rep.  F.  48,  Nr.  1  a,  sowie  Nr.l'A; 
Geh.  Rat  G.,  Nr.  28,  8895.  Die  Gesindeordnung  (GO.)  von  1797 
steht  LO.  VII,  S.  727,  die  von  1801  LO.  VIII,  S.  26.  Vgl.  auch 
Süsskind  und  Baumann  passim. 


-    95    — 

nmg  des  Lohnes,  die  Langatmigkeit  und  die  kleinliche 
Detaillierung  der  Vorschriften  hat  das  Projekt  der  Poli- 
zeikonunission  glücklich  vermieden.  Im  großen  imd  gan- 
zen ist  der  Entwiurf  von  demi  bisherigen  hessischen  Ge- 
sinderecht  abhängig. 

Die  Hauptpunkte,  in  denen  dem  Einfluß  des  preußi- 
schen Gesetzes  von  der  Polizeikomlnission  nachgegeben 
wurde,  sind  diese:  Es  dürfen  „Geschenke"  zu  Weihnach- 
ten, zur  Kirmes  usw.  nicht  im'  Vertrag  gefordert  werden, 
sondern  dem  freien  Willen  der  Herrschaft  soll  es  über- 
lassen sein,  ob  sie  einen  tüchtigen  Dienstboten  belohnen 
will.  Dann  hat  der  Entwurf  besonders  detaillierte  Be- 
stimlmfungen  über  die  Livree  der  Bedienten ;  die  preußische 
Gesindeordnimg  hat  hier  mit  einer  unglaublichen  Masse 
von  Einzelvorschriften  als  Vorbild  gedient.  Auch  einige 
Spezialregeln  über  das  Verhalten  des  Gesindes  liat  der 
Entwurf  aus  der  Fülle  der  preußischen  Bestimmungen. 
herausgegriffen:  Die  Dienstboten  sollen,  „wenn  sie  ver- 
schickt werden,  alsbald  wiederkommen,  mit  dem  Neben- 
gesinde keinen  Zanck  anfangen,  auch  insbesondere  ohne 
der  Herrschaft  Vorwissen  imd  Erlaubnis  nicht  ausgehen, 
oder  gar  Tanzboden  oder  liederliche  Gesellschaft  be- 
suchen" ;  Anregimgen,  denen  auch  in  der  endgültigen  Re- 
daktion nachgegeben  ist.  Von  formellen  Neuerungen  geht 
auf  preußischen  Einfluß  die  Einfühnmg  gedruckter  At- 
testate zurück. 

Aus  Eigenem  dagegen  glaubte  die  Polizeikommission 
vorschreiben  zu  müssen,  daß  der  Vertrag  schriftlich  ge- 
schlossen werden  soll.  Wichtig  ist  noch,  daß  die  Koni- 
ndssion  eine  Kündigungsfrist  von  sechs  Wochen  vorschlug ; 
wenn  davon  kein  Gebrauch  gemacht  wurde,  sollte  der 
Vertrag  als  stillschweigend  verlängert  angesehen  werden, 
aber  nicht  um'  die  gewöhnliche  Zeit,  sondern  immer  nur 
um  ein  halbes  Jahr.  Schließlich  sei  noch  hervorgehoben, 
daß  der  Entwurf  ein  ausdrückliches  Verbot  des  Ledig- 


—    96    — 

sitzens  enthält.  Die  ferneren  Vorschläge  der  Polizeikom 
mission  werden  aus  den  folgenden  Ausführungen  über  dei 
Regierungsentwurf  und  die  endg^ültige  Redaktion  ersieht 
lieh. 

Die  Regierung  beschäftigte  sich  mit  dem  Entivurl 
der  Polizeikomimission  im  Oktober  1796.  Manches  auf 
der  preußischen  Ordnung  streicht  sie,  einiges,  vor  allem 
daß  Gesindestrafrecht,  entnimlmt  sie  ihr  imd  fügt  es  neu 
ein.  Im  einzelnen  ist  über  die  Tätigkeit  der  Regierung 
folgendes  zu  sagen  : 

Sie  ist  mit  der  Polizeikomanission  darin  einverstanden, 
daß   die   preußische   Gesindeordnung   „so  äußerst    weit- 
läufig sey,  imd  so  sehr  in  das  detail  gehe,  daß  darunter 
die   Hauptsache  leiden  oder  gar  erliegen  müsse,   wenn 
man  sie  ganz  nachahmen  wollte.**    Die  Regierung   gibt 
weiter  der  Tatsache  Rechnimg,  daß  es  vorwiegend  städti- 
scher Einfluß  war,  der  die  Gesetzgebung  wieder  in  Fluß 
brachte,  nämlich  Fuldas  Promemoria,  der  darin  auf  spe- 
zifisch städtische  Mißstände  aufmerksam'  gemacht  hatte. 
Die  Regierung  beantragt  auf  Befürwortung  des  Vizepräsi- 
denten der  Regfierung  von  Baumjbach  für  das  platte 
Land  eine  besondere  Verordnung  später  zu  erlassen,  die 
gegenwärtig  in  Arbeit  begriffene  aber  auf  städtische  Ver- 
hältnisse   allein    zuzuschneiden;    für   die  agrarische  Ge- 
sindeordnung werden  umfangreiche  Erhebungen  bei  den 
I^ndräten  geplant,  sodaß  sich  die  Fertigstellung  hinaus- 
ziehen wird. 

;  Nach  Vorschlag  des  Regierungsrats  Hein  wurde 
außer  den  Polizeidienern  auch  den  Quartierkommissarien 
die  Aufsicht  über  die  Müßiggänger  übertragen;  „denn  es 
ist  nur  zu  bekannt,  wie  leicht  diese  Leute  (die  Polizeidiener) 
zum  Schweigen  zu  bringen  sind**.  Die  vielen  Bestimmun- 
gen des  Entwurfs  über  die  Livree  will  die  Regierung, 
wiederum  auf  Antrag  Heins,  beseitigt  wissen;  das  soll 
dem  Übereinkomtoen  der  Parteien  oder  der  einseitigen 


—    97     ~ 

Besthnimitiiig  der  Herrsc'haft  überlassen  werden.  Sodann 
hält  es  die  Regierung  für  {praktischer,  keine  Mietzeit  zu 
nonnieren,  da  die  weiblichen  Dienstboten  sich  ohnehin 
meist  auf  Viertel-  older  halbe  Jahre  vermieten;  nur  bei 
mannhcfhekn:  Gesinde  könnte  die  Zeit  sich  nach  der  üb  er- 
lassenen Livree  bemessen.  In  Befolgung  eines  Schmerf eld- 
schen  Vorschlags  wurde  die  preußische  Bestimmtung  über 
Nichtfoeendigtmg  des  Dienstes  durch  Heirat  ganz  in  den 
Entwurf  auf  gienomim'en ;  die  Polizeikommi^ion  hatte  diesen 
Fall  nicht  berücksichtigt.  Sodann  nahm  man  die  alte 
Regelimgr  wieder  auf,  daß  Nichtkündigung  den  Vertrag 
um  die  gewöhnliche  Zeit  verlängert,  nicht  bloß  um  ein 
halbes   Jahr,  wie  die  Kolmimission  vorgeschlagen  hatte. 

Auf  Hein  imd  vor  allem!  auf  den  Geheimen  Regie- 
nmgsrat  Schmerfeld  ist  die  Ablehnung  der  Straf  bestim- 
mungen  durch  die  Regierung  ziuückzuführen.  Die  Kom- 
missioo  hatte  erklärlicherweise  die  Verordnung  von  1752 
in  ihren  Entwurf  aufgenomimien.  Mit  besonderer  Ausführ- 
lichkeit geht  der  Bericht  der  Regierung  auf  die  Torheit 
und  Überflüssigkeit  der  Verordnimg  von  1752  ein,  die  nie 
angewandt  worden  ist,  auf  die  Grausamikeit,  die  in  der 
peinlichen  Bestrafung  des  Naschens  liegt  ^).  Statt  dessen 
werden  die  Bestimimungen  des  preußischen  Allgemeinen 
Landrechts  als  vorbildlich  hingestellt,  wonach  die  Un- 
redlichkeiten des  Gesindes  Antragsdelikte  sind  und  nur 
mit  Gefängnis  bestraft  werden.  Will  mian  diese  Regelung 
nicht  annehmen,  so  kehre  man  wenig^ens  zu  den  alten 
Grundsätzen  von  1736  zurück,  meint  die  Regierung.  Sie 
fügt  hier  femer  die  Verordnung"  über  das  Borgen  des 
Gesindes  von  1785  *)  ein. 

In  zwei  Punkten  ist  nach  Ansicht  der  Regierung  mit 
dem  Strafrecht  strenger  vorzugehen.  Einmal  sind  die 
Fälle  des   Einkaufsbetrugs  hart,  ohne   Unterschied  der 


')  Oben  S.  67.  -  «)  Oben  S.  87. 

Könnecke. 


—    98    — 

Betrugrssumüne  zu  strafen.  Denn  gegen  diese,  nicht  im 
Hause  begangenen  Delikte  ist  die  Herrschaft  schlechter- 
dings nicht  gesichert;  so  etwas  wird  oft  erst  bei  späten 
Rückfällen  entdeckt.  Daher  wäre  dieser  Mißbrauch  ein^r 
ganz  besonderen  Vertrauensstellung  ohne  weiteres  mit  zwei 
Jahren  Zucht-  oder  Spinnhaus  sru  bestrafen.  Ferner  will 
die  Regierung  die  Publizität  der  Strafen  erhöhen.  Zu 
dem  Zwecke  greift  Hein  auf  eine  hanauische  Verordnung, 
die  bei  Fabrikdiebstählen  Schandpfahl  bestimimt.  „Sollte 
aber  wohl  das  in  der  Herrschaft  Kost  und  Lohn  stehende 
Gnesinde  nicht  zu  mehrerer  Treue  gegen  dieselbe  ver- 
bunden seyn,  als  ein  Fabrikarbeiter,  der  im  Grunde  nur 
ein  Tagelöhner  des  Fabricanten  ist?"  Zudem  ist  die 
hanauischie  Verordnung  sehr  wirksam  gewesen. 

Zum  Schluß  hatte  die  Polizeikommission  noch  die 
Frage  auf  geworfen :  „ob  nicht  auch  über  den  Punckt,  ob  die 
Herrschaft  sich  körperliche  Züchtigungen  gegen  das  Ge- 
sinde erlauben  dürfte,  und  wie  weit  sie  darin  gehen  könne, 
etwas  zu  bestimlmen  seyin  möchte  ?"  Ihre  ablehnende  Ant- 
wort begründet  die  Regierung,  anstatt  auf  das  Rechtsbe- 
wußtsein des  Volkes  zu  verweisen,  mit  der  sehr  trockenen 
Bemerkung,  von  einer  Befugnis  zur  Züchtigung  könnte 
zu  leicht  mißbräuchliche  Anwendung  geschehen,  weshalb 
man  die  Frage  der  Komlmission  um  so  mehr  übergehen 
dürfte. 

'Regierungsaccessist  Wust,  der  die  Redaktion  des 
Entwurfs  zu  bföörgen  hatte,  ließ  noc'h  in  letzter  Stunde 
das  zunächst  aufgenomtm'ene  Verbot  der  Geschenke  weg, 
weil  ja  auch  über  den  Lohn  nichts  bestimtait  wurde;  er 
strich  ferner  die  angeordnete  polizeiliche  Zurückführung 
entlaufener  Dienstboten,  da  dies  und  die  außerdem  noch 
angeordnete  Freiheitsstrafe  doch  in  Widerspruch  mit  ein- 
ander treten  würden. 

Ein  mit  dieser  Kritik  des  Kommissionsentwurfs  über- 
einstimmender, im  übrigen  die  Gesindeordnimg  von  1736 


—    99    — 

-fiederfaolender  Entwurf  der  Regierung  ging  am  15.  Februar 
1797   an    den    Geheimen   Rat   ab,    der    Ende    Januar    1797 

die  Regierung  nochmials  um!  Einreichung  ihres  Entwurfes 
gremahnt  hatte;  Fulda  hatte  ihim'  nämUdh  inzwischen  ein 
neues  Promemöria  eingeschickt. 

Der  Geheime  Rat  nahm!  eine  unwesentliche  Ände- 
rung in  §  13  vor,  und  genehmigte  im!  übrigen  am  3.  März 
1797  den  Entwmf.  Ata  9.  März  ging  er  zum  Drucke. 
Am  15.  Mai  erfolgte  die  Unterzeichnung. 

Die  Bedeutung  des  neuen  Gesetzes  in  der  Geschichte 
des  hessischen  Gesinderechts  ergibt  sich  axis  den  Ab- 
weichungen von  der  Gesindeordnung  des  Jahres  1736. 
Zwar  ist  eine  ganze  Reihe  von  Abschnitten  nicht  geändert 
worden,  aber  zahlreich  sind  doch  die  Punkte,  in  denen 
die  beiden  Gesetze  inhaltlich  von  einander  abweichen; 
es  gibt  da  eine  Menge  wesentlich  neuer  Gestaltmigen. 

So  erfuhr  das  schon  gar  nicht  mehr  „zeitgemäße** 
Zwangsrecht  gegen  die  armen  Leute  noch  Verschärfungen  : 
Den  Eltern  soll  ernstlich  aiifgegeben  werden,  ihre  über- 
flüssigen Kinder  zu  vermieten;  dienstfähigen  Personen 
wird  ganz  verboten,  sich  mit  Tagelohn  ledig  zu  setzen. 
Der  Verzicht  auf  eine  Fixierung  der  Ziehzeit  ist  eine 
bedeutungsvolle  Neuerung,  die  die  Regierung  einführen 
mußte,  nachdem  sie  die  Berichte  der  Amtimänner 
aus  den  sechziger  Jahren  gelesen  hatte.  Ein  bisher  im- 
geregeltes  Rechtsgebiet,  die  Heirat  der  Dienstboten,  er- 
fuhr nun  endlich  Berücksichtigung  dahin,  daß  nach  preu- 
ßischem Vorbilde  Trauung  vor  Beendigung  des  Dienstes 
nicht  zulässig  war.  Neu  ist  femer  die  Bestrafung  des 
Abwendigmiachens.  Diese  Unterstützung  des  göttlichen 
Gebots  durch  den  starken  AmU  der  Polizei  hat  ein  Gegen- 
stück in  §  19.  1736  wird  den  Herrschaften  anbefohlen, 
sich  gegen  das  Gesinde  so  za  verhalten,  wie  sie  es  gegen 
Gott  verantworten  können.  In  den  zum  Gesetz  gewordenen 
Entwurf  von  1797  korrigierte  der  Vizepräsident  von  Bautoi- 


—     100    — 

bach  hinein:  „gegen  Gott  und  die  Obrigkeit**,  ein 
Vorschlag,  den  die  übrigen  Räte  stillscl^weigend  gxit 
hießen. 

Am  gründlichsten  und  offenbarsten  aber  wurde  die 
Vergangenheit  als  solche  dokumentiert  durch  die  Ent- 
fernung der  Verordnungen  von  1752  und  1764,  die  imtaer 
noch  zu  Recht  bestanden.  Dasi  grausame  Strafrecht  von 
1752  erfuhr  bei  den  Räten  eine  entschiedene  Verurteilung. 
Und  die  Frage  der  Lohnregulierung  wagte  man  nicht 
einmal  auf  die  Art  wie  1736,  geschweige  denn  wie  1764  zu 
regebi;  man  überließ  die  Bestimhiting  des  Lohnes  der 
Vereinbanmg  der  Parteien  und  gab  so  endlich  gerade 
noch  vor  dem  Jahrhundertende  der  neuen  theoretischen 
Erkenntnis  auch  in  der  Praxis  ihr  Recht. 

Darüber  freilich  lassen  sich  keine  Wahrnehmungen 
machen,  daß  das  Gesetz  die  großen  grundlegenden  Neu- 
gedanken der  Zeit  irgend  aufgenoimnen  hätte.  Die  Ge- 
sindeordnung ist  nicht  mehr  und  nicht  weniger  natur- 
rechtlicher Art  als  die  Ordnimg  von  1736.  Von  einem 
Eindringen  der  Vertragstheorie  ist  nichts  zu  merken.  Es 
ist  eben,  wie  schon  bemerkt  wurde,  so,  daß  fast  nur  in 
der  größten  praktischen  Errungenschaft  der  neuen  Zeit, 
in  der  Aufhebimg  des  Zwangisdienstes,  ein  Erfolg  der 
Vertragsidee  erblickt  werden  kann.  Hessen  brauchte  die- 
sen Weg  nicht  zu  betreten;  so  ging  das  Gesetz  unberührt 
durch  das  Feuer  der  neben  Ideen  hindiu'ch. 

f)   1798. 

Ehe  das  zweite  Hauptstück  der  Gesindegesetzgebung 
um  die  Jahrhundertwende,  die  ländliche  Gesindeordnung, 
erledigt  wurde,  kam  es  im  schaumburger  Landtag  1798  ^) 
noch  zu  einem  Zwischenspiel  eigenartiger,  nie  dagewesener 
Art. 


')  Landtagsakten  im  St.  A.  Marburg. 


—     101     — 

Unter  den  Desiderien  der  Stände  waren  zwei,  die  das 
Gesindewesen  bessern  sollten.  Das  vierte,  das  venu  Land- 
grafen bestätigt  wurde,  ging  dahin,  daß  die  Knechte  ade- 
liger Güter  vom:  Militärdienst  frei  komtnen  möchten. 

Wichtiger  ist  das  fünfte  Desiderium',  dessen  Wieder- 
gabe schon  des  Wortlautes  wegen  nötig  ist  : 

„Dem  in  dem'  vorhinnigen  Desiderio  bemerckten  Man- 
gel an  tauglichen  Dienstboten  imd  denen  besonders  jetzt 
vorkonänenden  Klagen  darüber  würde  nach  dem  unter- 
thänigsten  Dafürhalten  getreuester  Landstände  am!  füg- 
lichsten  abgeholfen  werden  können,  wenn  die  jungen  Leute 
beiderlei  Geschlechts  ziun!  Dienen  imd  um'  sich  zu  ver- 
mieten emstlichst  angehalten,  imd  den  Beamten  besser  als 
bisher  geschehen,  darauf  zu  achten  nachdrücklichst 
aufgegeben  würde,  indem:  es  eine  allgemein  bekannte 
Sache  ist,  —  daß  nicht  nur  viele  ihre  Kinder,  welche  sie 
zu  ihrem  Hausshalt  nicht  nöthig  haben  oder  gebrauchen 
und  <laher  dienen  können,  bei  sich  behalten,  sondern  sich 
auch  fast  auf  allen  Dörfern  hiesiger  Provinz  eine  Menge 
solcher  Herrenlosen  imd  zumi.  Dienen  fähigen  Persohnen 
besonders  weiblichen  Geschlechts  aufhält,  welche  für  sich 
oder  wie  sie  es  nennen,  auf  ihre  eigene  Hand  seyen,  dafür 
ein  jährliches  Schutzgeld  bezahlen,  —  am!  Ende  in  einen 
müßigen  und  lüderlichen  Lebenswandel,  wozu  sie,  da  sie 
unter  keiner  besonderen  Aufsicht  stehen,  die  beste  Ge- 
legenheit haben,  verfaUen  imd  Kinder  erzeugen  oder  zur 
Welt  bringen,  welche  zuletzt  den  Comlmtmen,  und  den 
Armien-Kasten  zur  Last  fallen. 

Tlreu  devoteste  Landstände  geben  es  daher  dem; 
höchsten  Ermessen  unterthänigst  anheim;  ob  nicht  denen 
Beamten  gnädigst  aufzugeben  seyn  dürfte,  darauf  genau 
zu  mvigiliren,  daß  alle  die  auf  deml  platten  Lande  woh^ 
öende  Bauren  welche  mehrere  Kinder  haben,  solche  wenig- 
stens auf  einige  Jahre  vermieten  müssen,  auch  fernerhin 
ohne  besondere  Ursach  nicht  zu  gestatten,  daß  sich  die 


—     102    — 

zum  dienen  fähige  Persohnen  auf  den  Dörfern  gegen 
ein  etwa  dafür  zu  entrichtendes  Schutzgeld  für  sich  sezen 
dürfen,  —  auch  keiner  Bauren  Tochter  in  Zukunft  bei 
Amt  die  Ehe  verschrie=ben  werde,  wenn  sie  nicht  glaub- 
haft dociret,  daß  sie  eine  bestimimte  Zeit  gedienet  habe.** 

Was   hier  verlangt  wurde,  war,   wie  die    Regierung 
und  ihre  Berater  gleich  erkannten,  nichts  anderes  als  eine 
Abart  des  Gesindezwangsdienstes,  allerdings  nicht  wie  die 
entsprechende  Institution  im'  Osten  zu  gunsten  einzelner 
Herren,  sondern  im  Interesse  der  Gesamtheit  der  Dienst- 
herrschaften, die  sich  in  die  Beute  teilen  wollten.    Gewiß 
hätte  man  es  wohlwollend  auch  als  eine  Weiterbildung 
der   §§   1  und   2   der  Gesindeordnungen   von    1736   luid 
1797  auffassen  können.  Jedoch  der  wichtige  Unterschied 
ist  der,  daß  diese  es  dem  Ermessen  der  Behörden  über- 
ließen, ob  sie  jemiand  zirai'  Dienste  zwingen  wollten,  wäh- 
rend  der   Vorschlag  der  schaumburgisChen   Stände   zur 
Durchführung  des  Gebots  absolute  Zwangsmittel  gab :  die 
Bauern  müssen  ihre  Kinder  vermieten,  wenigstens  auf 
einige   Jahre;   die  Bauemtöchter,   die  nicht   einige   Zeit 
gedient  haben,  dürfen  nicht  heiraten. 

Die  Regierung  äußerte  sich  über  die  prinzipielle  Ver- 
schiedenheit der  gewünschten  Rechtsänderung  von  dem 
bisherigen  Zustande  gar  nicht,  sondern  meinte  nur,  daß 
die  Bestimmtingen  wider  das  herrenlose  Gesindel  genüg- 
ten. Doch  wurde  beschlossen,  vom  Advodatus  fisci 
Eigen brodt  in  Rinteln,  der  vorher  bei  den  Ämtern 
Schaumburg  und  Rodenberg  anfragen  sollte,  eine  Mei- 
nungsäußerung einzufordern  (27.  Februar  1798). 

Die  Antwort  der  Gutachter  ging  übereinstimimend  dahin, 
daß  der  Antrag  der  Stände  zu  verwerfen  sei ;  höchstens  eine 
Erhöhimg  des  Schutzgeldes  und  der  Personalkontribu- 
tion mag  zulässig  sein.  Eigenbrodt  äußert  sich  so:  ,,Der 
Antrag  . . .  scheint  mir  gar  zu  generei  und  an  das  Verhält- 


—     103    — 

nis  der  allerstrengsten  —  der  Sclaverei  sehr  nahe  kommen- 
den Leibeigenschaft  zu  grenzen,  dessen  gnädigstes  Zu- 
geständnis bei  denen  so  gut  gesinnten  Landbewohner  die- 
ser Grafschaft  ungleiche  Sensationen  veranlassen  könnte/' 
Weshalb  i^ählt  mlan  außerdem',  meint  Eigenbrodt  weiter, 
nur  die  Bauemkinder  tvaii  Zwangsdienst,  nicht  auch  die 
Städter  ?  Zutnal  der  Bauer  seine  erwachsenen  Kinder  ganz 
besonders  nötig  hat;  miau  kann  ihm'  nicht  zimiuten,  seine 
Kinder  zu  vermieten  imd  sich  fremdes  Gesinde  statt  dessen 
zu  holen.    Das  Dienen  der  Bauemmädchen  in  der  Stadt 
,,würde  auch  die  nachtheilige  Folge  haben,  daß  viele  dieser 
Bauren  Töchter  an  eine  der  Landwirthschaft  nicht  ange- 
messene Städtische  Lebensarth  sich  gewöhnen,  sich  denen 
Ausschweifungen  überlassen,  wohl  gar  in  eine  die  Eltern 
kränkende    Verfassung,   oder  doch  wenigstens  zu   einer 
Landwirthschaf  tlichen  Hausmutter  verstinümt,  zurück  kom- 
men würden.**    Ein  wichtiger  Erwerbszweig  des  Landes, 
die  Leinweberei,  würde  durch  die  vorgeschlagenen  Maß- 
nahmen sehr  benachteiUgt  werden.   Der  Knechtemangel 
komme  übrigens  daher,  daß  die  jungen  Leute  aus  Furcht 
vor  dem  Militärdienst  auswandern.  Diurch  eine  Erhöhung 
des  Schutzgeldes  und  der  Personalkontribution  der  dieqgt- 
ßhigen  Leute  würde  der  Mangel  an  Gesinde  aufhören,   „zu- 
mal, wenn  diejenige^  welche  Gesinde  brauchen,  diesen, 
weil  nach  denen  jetzigen  Zeit-Umständen,  alle  dem  Ge- 
sinde nötige  Bedürfnisse,  theiu-er  wie  vorhin  geworden, 
^genmessenen  Lohn  geben,  und  auf  einen  ordentlichen 
und  billigen  Fus  gegen  sie  sich  betragen.** 

In  diesem  Sinne  lautete  auch  die  landgräfliche  Reso- 
luti<»  auf  das  Desiderium'  vom!  3.  Mai  1798.  Den  Ämtern 
und  Magistraten  wurde  aufgegeben,  auf  genaue  Befolgung 
der  Bestimmtmgen  wider  die  „herrenlosen  Leute**  zu  ach- 
ten (2.  Juli  1798).  Eine  Erhöhung  der  Personalkontribu- 
tKKx  \md  des  Schutzgeldes  um  1  Thaler  wurde  am  1.  August 
beschtessen. 


—     104    — 

g)   1801. 

ScliKMi  während  der  Einzelarbeit  an  der  städtischen 
Gesindeordnimg  war  die  Regierung  an  die  Sammlung  von 
Material  für  die  ländlidhe  Ordnung  gegangen^).  Ab 
es  endgültig  feststand,  daß  zwei  getrennte  Gesindeotd- 
nxmgen  geschaffen  werden  sollten,  beschloß  die  Regierung 
am  31.  Oktober  1796,  von  den  Landräten  Berichte  imd 
Gutachten  einzufordern.  Jedoch  ging,  aus  unbekannten 
Gründen,  das  Schreiben  an  die  Landräte  erst  am  3.  Febr. 
1797  ab.  Noch  am^  2.  Juni  1797  mtißte  einer  von  ihnen, 
der  Landrat  von  Meysenbug,  um'  seinen  Bericht  gemahnt 
werden. 

Es  muß  eine  gewaltige  Erregfung  gewesen  sein,  die  im 
Gefolge  der  Aufklärung  und  der  Revolution  auch  in  die 
entlegensten  Orte  imd  Menschen  ihren  Einzug  hielt.  Auch 
wo  die  neuen  Ideen  keinen  fruchtbaren  Boden  fanden, 
da  wurden  doch  wenigstens  alle  nur  einigermaßen  reg- 
samien  Menschen  mindestens  zu  neuem'  Nachdenken  über 
alle  die  vielen  Fragen  veranlaßt,  die  ihnen  jetzt  täglidi 
entgegentraten. 

Was  Wunder,  daß  das  auch  auf  die  hessischen  Land- 
räte einen  unverkennbaren  Einfluß  gehabt  hat.  Einige 
landrätlichie  Berichte  stehen  zum!  mindesten  an  Originalität 
im  allgemeinen  über  den  meisten  früheren  Äußerungen 
über  Gesindewesen,  die  oben  behandelt  wurden.  Bei  man- 
chen zeigt  sich  sogar  unverkennbar  ein  wenn  auch  mit 
Widerwillen  erfolgendes,  geringes  Nachgeben  gegenüber 
den  neuen  Idealen,  nicht  bloß  ein  unfruchtbares  Nach- 
denken darüber.  Diese  Gutachter  sehen  in  der  Gesinde- 
frage, ohne  es  natürlich  direkt  mit  diesem  Worte  zu  be- 
zeichnen, oder  es  auch  in  den  Vordergrund  zu  rücken, 
geradezu  eine  soziale  Frage.  Früher  betrachtete  man  die 
Verhältnisse  des   Gesindes  als   eines  Produktionsfäktois 


>)  Quelle  sind  die  fllr  1797  zitierten  Akten  (oben  S.  94). 


—    105    — 

der  Haus-  und  Landwirtschaft,  den  man,  als  Menschen 
allerdings  auch  etwas  anders  behandeln  mußte  als  andere 
Faktoren.  Denn  Gesetzgeber  kiairi  es  vorwiegend  darauf  an, 
den  Herrschaften  billiges  und  williges  Arbeitsvolk  zu 
schaffen,  daneben  der  Polizei  Handhaben  zu  geben,  lun 
die  äußere  Ordnung  des  Landes  aufrecht  erhalten  zu 
können.  Man  machte  eben  die  Gesetze  ganz  vom  Stand- 
punkte des  gleichfühlenden  Brotherrn  aus,  dessen  Sorgen 
die  gesetzgebenden  Räte  aus  eigener  Erfahrung  genug 
kannten.  Nicht  nebeneinander  als  Vertragsparteien  ver- 
mochte man  es,  Herrschaft  imd  Gesinde  zu  erblicken, 
sondern  hintereinander;  die  Herrschaft  verdeckte  den  An- 
blick der  Dienstboten,  die  als  geistig  minderwertige  xmd 
wirtschaftlich  schwächere  Partei  der  Herrschaft  den  Vor- 
tritt einräumen  mußten. 

Es  mag  siein,  daß  die  Proklamierung  der  Gleichheit 
und  Brüderlichkeit  einen  Einfluß  darauf  hatte,  daß  sich 
die  Anzeichen  einer  veränderten  Anschauimgsweise  gel- 
tend machten.  In  dieser  Richtung  mögen  bei  manchem 
unter  den  von  der  Regierung  befragten  Landräten  Ge- 
danken angeklungen  sein,  imd  sie  einige  neuartige  Äuße- 
rungen haben  tim  lassen,  die  sich  freilich  noch  in  ganz 
bescheidenen  Grenzen  halten,  die  von  ihnen  w.omöglich 
ausdrücklich  abgelehnt  werden.  Aber  schon,  daß  sie  die 
Ansichten  vwbringen,  zur  Diskussion  stellen,  zeigt  min- 
destens, daß  ein  Neues  vorbeigezogen  war  und  sie  berührt 
hatte. 

Schon  eine  bemerkenswerte  Äußerung  des  Accessbten 
Wust,  dem  die  Fertigstellung  des  Regierungsgutachtens 
1797  wie  1801  obgelegen  hatte,  ami  Schlüsse  des  Regie- 
nmgsberichtes  von  1797  läßt  die  Gesindefrage  plötzlich 
in  anderm,  neuartigemf  Lichte  erscheinen,  wodurch  ihre 
Lösung  freilich  komplizierter  tmd  unbequemer,  aber  auch 
unendlich  verantwortungsvoller  wurde,  als  wenn  man  in 
dem  alten  Gange  fortgeschritten  wäre. 


—     106    — 

Er  sagt :  „So  sehr  es  aber  auch  zu  wünschen  ist,  daß 
durch  die  neue  Ordnung  den  Klagen  über  schlechtes  Ge- 
sinde abgeholfen  werden  möchte,  so  wenig  wird  man  sich 
dieses  von  derselben  mit  Zuversicht  versprechen  können. 
Die  Quellen  dieser  Klagen  fließen  zu  sehr  aus  der  mora- 
lischen Verdorbenheit  und  der  schlechten  Ergehung  der 
dienenden  Volksklasse,  als  daß  man  erwarten  könnte,  sie 
durch  ieine  bloße  Verordnimg,  über  welche  jnan  ohnehin 
mit  Mühe  vielleicht  nur  eine  Zeitlang  wird  halten  können^ 
verstopfen  zu  können.  Es  ist  daher  sehr  zu  befürchten,  daß 
die  Verbesserung  des  Gesindewesens,  ohne  die  Ver- 
edelungdes  Gesindes  selbst,  ungeachtet  aller  Ver- 
ordnungen immer  ein  Gegenstand  der  frommen  Wünsche 
bleiben  werde." 

Diese  tiefe  Einsicht,  daß  es  der  Verwirklichung  der 
Gesetze  an  der  inneren  Kraft  fehle,  wäre  gleichwohl  besser 
atn  Platze  gewesen,  wenn  sie  ein  theoretischer  Pädagoge 
ausgesprochen  hätte,  als  ein  Staatsmann,  der  an  dem  Ge- 
setze selber  mitgearbeitet  hatte,  das  er  mm  fast  nicht  piehr 
als  Sieines  Geistes  Kind  gelten  lassen  wollte.  Politisch 
war  diese  Äußenmg  jedenfalls  in  der  Form  am  imrech- 
ten  Platze,  so  fruchtbar  sie  für  eine  Neubildtmg  des 
Rechts  ist.  Der  Vizepräsident  von  Baumbach  sah  es 
ein,  daß  damit  dem  Gesetze  bei  der  Gebiut  gleich  das 
Zeugnis  mangelnder  Lebensfähigkeit  mitgegeben  wurde. 
Er  strich  daher  den  ganzen  Passus  aus  dem!  Konzept, 
so  daß  sich  der  Geheime  Rat  über  Wusts  genialen  Ein- 
fall keine  Gedanken  zu  miachen  brauchte.  Die  Idee  einer 
solchen  Sozialpädagogik  war  noch  zu  jimg,  um  schon 
in  die  reale  Welt  einen  Eintritt  erzwingen  zu  können. 

In  ähnlicher  Weise,  nur  weniger  tief  greifend,  sprach 
sich  der  Landrat  von  Keudell  in  Schwebda  aus  (30. 
März  1797),  der  Wust  vielleicht  zu  seinen  Ausführungen 
angeregt  hatte.  „Allgemein  ist  bekant,  daß  der  Grund 
schlechten  Gesindes,  zuerst  in  der  schlechten  Erziehung 


-     107    — 

und  schlecht  eingerichteten  Schulen  hauptsächlich  liege/* 
Als  Praktiker  genügt  ihm  aber  nicht  diese  Feststellung 
allein,  sondern  er  schlägt  vor,  daß  die  Pfarrer  zur  Be- 
folgung ihrer  Pflicht,  die  Verordnung  von  1764  zu  ver- 
lesen, besser  angehalten  werden,  und  daß  statt  einmal  die 
Verlesung  zweimal  jährlich  erfolgen  soll,  sowie  daß  die 
Dienstboten  bei  zwölf  stündiger  Gefängnisstrafe  zum  Kirch- 
gang angehalten  werden,  die  Herrschaften  bei  Strafe  ihr 
Gesinde  nicht  grundlos  vom  Gottesdienst  fernhalten  sollen- 
Auch  mögen  die  Schulmeister  die  Gesindeordnung  alle 
Vierteljahre  in  der  Schule  erklären,  „indem'  die  sämt- 
liche Schulkinder  demlahleinst  entweder  Gesinde  nötig 
haben  oder  selbst  dienen  müssen.** 

Diese  Äußerungen  in  all  ihrer  Oberflächlichkeit  lassen 
durchschauen,  daß  das  Bewußtsein  der  Notwendigkeit 
sozialpädagogischer  Grundlagen  für  das  Wirksamwerden 
des  Gesinderechts  bei  Keudell  doch  noch  auf  Sand  ge- 
baut war,  so  bemerkenswert  das  Verlangen  nach  einer 
Vertiefung  der  Gesetzgebung  iminerhin  ist. 

£s  ist  gerade  Keudell,  dem  auch  außerdem  einige  auf- 
fallende Worte  entstammen.  Er  äußert  sich  u.  a.  folgender- 
maßen: „Überhaupt  war  ebenfalls  zu  wünschen,  daß  die 
unterschiedenen  Gesindeordnungen,  so  m'ehrentheils  nur 
auf  die  Vergehungen  des  Gesindes  gerichtet,  auf  der  an- 
dern Seite  auch  auf  das  Verhalten  der  Herrschaften  gegen 
das  Gesinde,  bestimmter  mit  zweckmäßiger  Rücksicht  ge- 
richtet werde,  dann  wenige  Herrschaften  bedencken,  daß 
Dienstbotten  unssere  Unglücklichen  Freunde  sind,  und 
daß  es  bloß  vom  Zufall  abhängt,  daß  letztere  nicht  erstere 
zu  gebieten  haben.**  Es  ist  sicher  keine  Zufälligkeit,  daß 
der  Gedanke  der  „unglücklichen  Freunde**  und  des  „Zu- 
falls" des  Standes  in  den  Jahren  der  Revolution  ausge- 
sprochen wurde;  statt  „Freunde**,  hätte  auch  „Brüder** 
stehen  können,  um  den  Zusammenhang  offenbarer  zu 
machen. 


—     108    — 

Verwandten  Geistes  einen  Hauch  hat  auch  der  Land- 
rat Lindau  in  Elbersdorf  (21.  April  1797)  verspürt.   Er 
denkt  nationalökonomisch  mindestens  modern  im  damali- 
Igen   Sinne.    Er  schätzt   die  Wiitung"  des   Gesetzes   für 
Besserung  des  Gesindewesens  nicht  hoch  ein,  „weilen  im 
Oesindewesen  gar  zuviel  vom!  freyen  Willen  der  Menschen 
abhängt.**  Er  igibt  zu,  daß  les  eine  Menge  g^reifbarer  Gründe 
sind,  denen  der  Mangel  genügenden  Gesindes  zuzuschrei- 
ben ist,  Luxus,   Hang  ta  m^hr  Selbstbestinümimg  usw. 
„Aber  ein  Mittel  g^en  diesen  Mangel  dürfte  schwehr 
auszufinden  seyn.    Es  liegt  in  dem:  natürlichen  I-au£  der 
Dinge  daß  aus  den  angeführten  Ursachen  itzt  weniger 
Menschen  als  sonst  dienen  wollen,  und  ich  sehe  nicht  ein 
wie  iman  das  Gegentheil  bewürken  will,  da  doch  bey  freyen 
Menschen  das  Dienen  einem'  immittelbahren  Zwang  nicht 
unterworfen  ist.**    „Die  in  einigen  Schriften  vorgeschla- 
genen Aufmtmterungen  zum  dienenden  Stand,  nehmlich 
daß  man  ihm  eine  politische  Achtimg  und  Auszeichnung 
gebe,  durch  Associationen  hinreichende  fonds  stifte,  woraus 
treuen  Dienstboten  bey  Heyrathen  oder  andern  etablisse- 
ments  Steuern  gereicht,  auch  ihnen  hieraus^  Aussichten 
in  ein  kumlmer-  imd  sorgenloses  Alter  verschafft  werden 
könnten,   vorstehende  Aufmunterungen  sind  schön  aus- 
gedacht, möchten  aber  theils  ohne  Würkung  theiis  gar 
nicht  ausführbar  sidn.   Jenes^,  weil  m^hrentheils  blos  die 
Hefe  des  Volks  sich  z\mi'  dienen  versteht  das  von  wegen 

4 

seiner  Erziehxmg  wenig  Ehrgefühl  hat,  und  letzteres  weil 
es  an  Gemeingeist  auch  vielleicht  hinlänglichen  Mitteln 
fehlen  dürfte,  lun  einen  solchen  Plan  zweckmäßig  aus- 
zuführen." 

Immer  wieder  tönt  in  dieser  Zeit  das  Wort  Erziehung 
an  imser  Ohr.  Die  aufkeimlende  Einsicht  in  dies  erste 
Erfordernis  nicht  bloß  aller  Gesinde-,  sondern  letztlich 
aller  Sozialpolitik  schien  sich  ausbreiten  zu  wollen.  Aber 
nichts  von  dem'  ist  in  die  Praxis  hinübergegangen. 


-     109    — 

Aus  den  landrätlichen  Gutachten  im  übrigen  seien 
nur  verschiedene  besonders  wichtige  Punkte  hervorge- 
hoben, wo  eine  neuartige  Anregung  zu  gesetzgeberischem 
Vorgehen  zur  Erscheinung  komtot.  Daß  Neues  auch  in 
toten  Formen  gebildet  werden  kann,  zeigt  eine  Äuße- 
rung des  Landrats  von  Dalwigk  zu  Gilsa  (11.  März 
1797).  Er  schlägt  noch  in  letzter  Stimde  ganz  eigenartige 
Lohnfestsetzung  vor  imd  emt>fiehlt  eine  Maximaltaxe,  die 
aber  nur  dann  in  Anwendimg  koöünfen  soll,  wenn  der 
Dienstbote  untreu  war;  anderenfalls  soll  eine  etwaige 
höhere  Vereinbarung  in  Geltung  bleiben. 

Baumbach  in  Nentershausen  will  den  Abschieds- 
zwang dadiirch  betont  wissen,  daß  später  den  Dienstboten^ 
die  kein  Zeugnis  ihres  Wohlvferhaltens  beibringen  können» 
der  Heiratskonsens  verweigert  wird.  An  ihn  war  wohl 
kein  Ausläufer  irgend  einer  Welle  französischer  Revolu- 
tionsgedanken herangeköm!men  I  Und  aus  dem  von  ihm 
ausdrücklich  zitierten  Krünitz  hat  er  auch  nur  die  Nach- 
richten über  Untreue,  Nachlässigkeit  usw.  des  Gesindes 
behalten.  Die  Landräte  von  Keudell  imd  von  Esch- 
wege  schlagen  vor,  daß  den  Dienstboten  die  Abschiede 
b  e  i  der  Kündigung  gegeben  wertien  sollen,  so  daß  sie  dem 
neuen  Mieter  vorgelegt  werden  können.  Durch  diesen 
\'orschlag  wird  der  Vertragsbruch  sehr  erschwert,  ja  un- 
möglich gemacht.  Allerdings  nur  theoretisch.  Denn  wie 
man  sich  bisher  um  die  Vorschriften  über  die  Erteilung 
eines  Attestes  nicht  gekümm"ert  hat,  so  würde  man  es 
noch  weniger  daxm  tim,  wenn  das  ganze  mit  erschweren- 
den Zutaten  versehen  würde.  Einen  originellen»  aber 
von  niemanden  aufgegriffenen  Gedanken  äußert  schheß- 
Uch  noch  ider  öfter  erwähnte  Landrat  von  Keudell.  Er 
will  den  Dienstboten  das  Recht  verliehen  wissen,  zu  ver- 
langen, daß  der  Pfarrer  ihnen  das  Attest  vorliest,  damit 
<fei  verabschiedete  Dienstbote  sich  davon  überzeugen 
kann,  was  der  Brotherr  über  ihn  geschrieben  liat. 


—     110    — 

Im  übrigen  sind  die  Landräte  darin  so  gut  wie  einig, 
daß  alle  die  alten  Klagen  über  Lohnhöhe,  Nichtbeachtung 
der  Attestate,  Leinsäen,  Ledigsitzen,  allerhand  Luxus,  be- 
sonders Kaffeetrinken,  femer  Aushebungen,  durch  die  der 
Knechtemängel  verschärft  wird,  auch  heute  noch  be- 
rechtigt sind.  Ihre  Vorschläge  bewegen  sich,  von  den 
namentlich  benannten  abgesehen,  für  diese  Fragten  meist  in 
alten  Bahnen.  Wie  schön  bemerkt,  finden  auch  Taxen  noch 
Anhänger.  Die  Mehrzahl  steht  aber  auf  dem  Boden  der  An- 
schauung, daß  es  kein  Mittel  gibt,  um  in  dieser  Hinsicht 
den  Lauf  der  Dinge  aufzuhalten.  Erwähnt  sei  noch  eine 
Nachricht  aus  Heimbressen,  daß  von  dort  die  jungen 
Leute  nach  Elberfeld  oder  Holland  gehen,  eine  Spur  des 
Zuges  nach  der  westfälischen  Industrie,  der  ja  ganz  be- 
sonders für  die  westhessischen  Bauern  heute  eine  Kala- 
mität ist. 

Schon  vor  den  Gutachten  der  Landräte  war  aus  Neu- 
kirchen ein  Bericht  eingelaufen,  in  dem  über  Lohnsteigen 
und  Ledigsitzen  geklagt  wird.  Der  Bericht  empfiehlt  Geld- 
oder Gefängnisstrafe ;  Personalkontribution,  die  gleich  fürs 
ganze  Jahr  veranlagt  wird,  erscheint  imbillig.  Gleichwohl 
weist  die  Regienmg  den  Landrat  von  Gilsa  an,  die  Kontri- 
bution von  Tagelohn  oder  Spinnrad  zu  erheben. 

Die  Vota  der  Regierungsräte  über  alle  diese  Berichte 
zogen  sich  von  Ende  September  1797  bis  Juli  1799  hin. 
Die  Verzögerung  liegt  an  den  Vizepräsidenten  von  Baum- 
bach, der  seine  Meinung  erst  anderthalb  Jahre  nach  den 
übrigen  Räten  niederschrieb;  aus  welchem  Grunde,  ist 
nicht  festzustellen.  Die  Räte  legten  ihren  Beratungen  den 
in  der  Grebenordnung  von  1739  enthaltenen  Auszug  der 
Gesindeordnung  von  1736  zu  Grunde,  da  hierin  spezifisch 
agrarische  Verhältnisse  berücksichtigt  werden;  allerdings 
nicht  miehr  als  im  Original  von  1736,  von  dem  an  Inhalt 
fast  nichts  hinweggenomtnen,  alles  nur  leichter  verstand- 


—    111    — 

lieh  und  kürzer  in  der  Grebenordnung  ausgedrückt  ist*). 
Vielleicht  war  es  gerade  dieser  Unistand,  nicht  die  agra- 
rische Eigenart,  der  die  Räte  zur  Wahl  der  Grebenordnung 
veranlaßte. 

Im  großen  iind  ganzen  wurde  die  Gesindeordnung 
nach  den  Vorschlägen  der  Regierungsräte  abgefaßt.  Nur 
deren  wichtigste  Äußerungen  sollen  im  folgenden  kurz  auf- 
gezählt werden.  Über  den  Inhalt  der  §§  1  und  2  (über- 
flüssige Kinder,  Müßiggänger)  sind  die  Meinungen  kaum 
verschieden.  Ein  Vorschlag  des  Vizekanzlers  Kunckel, 
daß  man  das  über  Erlernen  eines  Handwerks  Gesagte 
übeigehen  solle,  „indem  nach  meiner  Überzeugung  Kinder 
vom  platten  Lande  bäuerlicher  Herkunfft,  zu  Hand- 
^•ercken  und  Pr(rfessionen  nicht  anzuführen  sind**,  wird 
von  den  Regierungsräten  Ledderhose  und  Heister 
dadurch  ad  abstuxium  gieführt,  daß  sie  auf  die  Jugend 
in  den  Landstädten  hinweisen,  für  die  die  Gesindeordnung 
ja  auch  gelten  soll.  Eine  Heranziehung  der  müßig  Sitzen- 
den zu  Beisteuer  und  Personalkbntribution  findet  keinen 
Widerspruch. 

Dagegen  wird  das  Verbot  des  Leinsäens  von  Hei- 
ster und  Baumbach  mit  guten  Gründen  bekämpft. 
Das  Leinsäen  ist  zu  verbreitet  im'  Lande,  als  daß  ein  Ver- 
bot Erfolg  haben  könnte.  Femer  mtiß  man  dies  bedenken : 
-Mißrät  der  Flachs,  was  alle  3 — 4  Jahre  regelmäßig  vor- 
kommt, so  mißrät  er  dem  Gesinde,  nicht  dem  Herrn. 
Wo  aber  sollte  die  Herrschaft  bei  Mißwachs  den  Flachs 
hernehmen,  wenn  man  statt  des  Leinsäens  die  Lieferung 
fertigen  Linnens  an  die  Dienstboten  erlauben  wollte  ?  Die 
Kosten  dafür  würden  den  gegenwärtigen  Nachteil  des 
Leinsäens  übertreffen.  Außerdem  wird  es  eine  ewige 
Reihe  von  Klagen  über  die  Qualität  des  Linnens  geben. 
Zudem  ist  der  Flachs,  den  man  dem  Gesinde  säet,  der 

')  Oben  S.  66. 


—     112    — 

einzige  reale  Überrest  der  Dienstzeit,  den  die  Ma^rd  vom 
Lohn  hat.  Geld  iind  Kost  wird  veibraucht,  daigegen  Flachs 
verdirbt  nie  und  gibt  so  dem'  Mädchen  eine  gute  Beschäf- 
tigung fürs  Alter. 

Auf    Antrag    des    Geheimlen    Rats    Schmerfeld 
wurde  vorgeschlagen,  den  Zeitpunkt  der  Abschiedsertei- 
lung 0.uf  den  Kündigungstag  zu  legen,  damit  der  Dienst- 
blote   den  Abschied  dem  neuen   Mieter   vorlegren    kann. 
Femer  soll  der  neue  Mieter  die  Abschiede  wenigrstens 
bis  zum  Dienstantritt  aufbewahren,  dandt  hierdurch  ein 
Doppelvermieten  verhindert  wird.   Verworfen  wird  allge- 
mein die  Verweigenmg  des  Heiratskonsenses  wiegen  Man- 
gels eines  Abschieds,  da  das  eine  Vermtehrung^  der  unehe- 
lichen Kindergeburten  bedingen  würde.  Eine  Festlegung 
der  Ziehlzeit  femer  wird  nur  für  die  Hirten  beschlossen, 
für  das  übrige  Gesinde  wird  auf  die  gebräuchliche  Wandel- 
zeit verwiesen.  Das  Strafrecht  brauchte  nur  aus  1739  resp. 
1736  übiernom!men  zu  werden,  da  dort  ja  gerade  die  agra- 
rischen Delikte  ausführlich  geregelt  sind.  Ein  Vorschlag 
Kunckels,  die  Gesindeordnung  jedem'  Dienstboten  ge- 
druckt einzuhändigen,  wurde  von  der  Majorität  der  Räte 
wiegen  der  großen  Kosten  abgelehnt.   Kunckels  Gedanke 
ging  auf  das  Vorbild  der  Postverwaltung  zurück,  die  den 
Postillonen  die  für  sie  bestimimte  Verordnung  gedruckt 
übergab. 

Schließlich  sei  noch  eine  Anregimg  der  Reg^ierung  er- 
wähnt, der  der  Geheime  Rat  keine  Folge  gab.  Die  Re- 
gierung äußerte  nämlich  Bedenken,  daß  die  große  Menge 
ausländischer  Knechte  sic'h  um'  die  Gesindeordnung  nicht 
zu  künümiern  brauchen  und  diese  daher  zu  wenig  Geltungs- 
bereich haben  würde;  nur  für  die  wenigen  inländischen 
Knechte  sei  sie  mlaßgebend.  Daher  soll  man  beim  Ge- 
hieimen  Rat  erwägen,  ob  nicht  die  Vorschriften  über  die 
Musterungen  wenigstens  dahin  modifiziert  werden  kön- 
nen, daß  Dienstboten,  die  dem  Militär  noch  nicht  über- 


—     113     — 

wiesen  sind,  frühestens  am'  Ende  der  Dienstzeit  bei  ihrer 
Herrschaft  eingeziogrea  werden  sollen.  Damit  würde  zu- 
gleich erreicht,  daß  die  Knechte  „nicht  Gelegenhieit  er- 
halten, heimlich  aus  dem'  Dienste  zu  gehen  und  diurch  die 
Drohung  damit  der  Herrschaft  zu  trotzen**. 

Der  vorhin  erwähnte  Vorschlag*  der  Regierung  über 
die  Wandelzeit  der  Schäfer  ist  das  Ergebnis  einer  „inter- 
nationalen" Vereinbarung.  Die  Regierung  zu  Eisenach 
hatte  am;  17.  Juli  1798  die  casseler  Regierung  gebeten, 
einem  zwischen  Eisenach,  Weimar,  Erfurt  und  Gotha  ge- 
tnrffenen  Übereinkomimfen  beizutreten,  wonach  die  Zieh- 
leit  statt  auf  Martini  (wie  sie  bisher  war)  auf  Lichtmeß, 
mit  Weihnachten  als  Miet-  und  Kündigungstermin,  ge- 
legt würde  ^).  Nach  ziemlich  ausführlichen  Enquöten  kam 
die  Regierung  zu  dem'  Ergebnis,  daß  sie  statt  Lichtmeß 
Petri  wählte,  wovon  sie  der  eisenacher  Regienmg  »m 
18.  Januar  1799  Mitteilung  machte. 

Mit  dem  Regierungsentwurf  der  Gesindeordnung  war 
der  Geheime  Rat  in  der  Hauptsache  einverstanden.  Drei 
Änderungen  schlug  er  Vor,  von  denen  die  Regierung  zwei 
billigte;  einmal  die  ausdrückliche  Erwähnung  des  Bei- 
sitzergeldes in  §  2,  das  die  Müßiggänger  außer  der  Per- 
sonalkontribution entrichten  sollen,  sodann  die  wichtigere 
Bestimmung,  daß  der  Brotherr  bei  unbegründeter  Ent- 
lassung dem  Dienstboten  nicht  nur  einen  vierteljährlichen 
Lohn  zahlen  und  ihm  die  AUtagslivree  überlassen  muß  (Re- 
gierungsentwurf), sondern  daß  der  Dienstbote  sogar  die 
Obrigkeit  anrufen  fcaim,  wenn  er  sich  wegen  Dienstman- 
gels  außerhalb  der  Wandelzeit  nicht  bald  wiedervermieten 
kann;  der  Beamte  soll  ihm  zu  einer  ausreichenden  Ent- 
schädigung verhelfen.  Der  dritte  Pimktl  war  das  Straf- 
recht.  Der  Geheime  Rat  hielt  die  Strafe  in  §  13  (Diebstahl 
usw.)  für  zu  gelinde  gegenüber  der  in  §  14  (Einkaufsbe- 

*)  St  A.  Marburg.    Cass.  Reg.-Akten,  Pol.-Rep.  F  43,  Nr.  1  a. 

Köoaecke.  g 


—     114    — 

trug).  Hiermit  waren  wieder  die  Regierungsräte  nicht 
einverstanden.  Sie  argumentierten  so :  Jeder  Brotherr  wird 
die  in  seinem  Hause  begangenen  Schädigungen  seines 
Vermögens  leichter  bemerken  können,  als  die  außer  dem 
Hause  erfolgenden  (Einkaufsbetrug).  Es  müssen  diese 
Delikte  also  notwendig  mit  einer  härteren  Strafe  bedacht 
werden  als  die  andern.  Jedoch  gab  die  Regierung  zu,  daß 
die  vorgeschlagene  Strafe  zu  hart  sei. 

Mit  den  aufgezählten  Änderungen  sandte  der  Ge- 
heime Rat  den  Entwurf  am'  29.  April  1800  zurück,  der 
mm  gedruckt  werden  sollte.  Erst  am  6.  September  1800 
konnte  die  Regierung  dem  Geheimen  Rat  die  Mitteilung 
machen,  daß  der  immer  wieder  verzögerte  Druck  voll- 
endet sei.  Am'  16.  September  gingen  die  drei  Vollziehungs- 
exemplare an  die  Regierung  zurück.  Merkwürdigerweise 
tragen  die  zwei  noch  bei  den  Akten  liegenden  Stücke  kein 
Datum,  imd  das  dritte  Exemplar,  das  in  den  Geheimrats- 
akten sich  befindet,  ist  vom'  18.  Mai  1801  datiert.  Es 
ließ  sich  keine  Erklärung  für  di^e  sonderbare  Verzöge- 
rung finden.  Dieser  18.  Mai  ist  auch  das  in  der  Sammlung 
der  Landesordnungen  mitgeteilte  Datum. 

Die  Gesindeordnung  von  1801  gibt  dem  ländlichen 
Gesinde  ungefähr  das,  was  dem  städtischen  schon  1797 
zuteil  geworden  war.  Niu-  in  weiteren  Worten.  Und  dies 
ist  der  hauptsächliche  Unterschied  der  beiden  Gesetze, 
die  im  übrigen  innerlich  durchaus  gleich  sind.  Wozu  die 
verschiedene  Ausgabe  von  Gesetzen,  eines  für  das  städti- 
sche, eines  für  das  ländliche  Gesinde? 

In  der  Einleitung  zur  Gesindeordnung  von  1801  fin- 
det sich  der  Passus,  daß  die  getrennte  Behandlung  „durch 
die  Verschiedenheit,  welche  die  besondere  Verfassung  und 
Nahrungsart  der  übrigen  Städte  und  des  platten  Landes 
bringen  müssen**,  veranlaßt  sei.  Die  spezifisch  agrari- 
schen Bestimmungen,  die  1801  getroffen  werden,  1797 
sich  nicht  finden,  sind  folgende:   Verbot  des  Leinsäens, 


—     115     — 

Regelung:  der  Ziehzeit  der  Schäfer,  Unterschrift  des?  Gre- 
ben  unter  die  Attestate  von  Bauern,  Aufzählung  der  agra- 
rischen Delikte  mid  in  gewissem  Umfange  de^  Prozeßrecht. 

Die  Unterschrift  des  Greben  ist  eine  solche  Kleinig- 
keit, daß  man  derentwegen  keine  besondere  ganz  neue 
Gesindeordnung  hätte  zu.  machen  brauchen.  Das  Gesinde- 
strafrecht von  1736  war  durch  die  noch  nicht  aufgehobene 
Verordnung"  von  1752  ersetzt,  die  wie  1797  so  auch  1801 
beseitigt  wurde;  es  hätte  der  Übersichtlichkeit  der  Ge- 
sindeordnung  von  1797  kaum  geschadet,  wenn  man  die 
paar  agrarischen  Besonderheiten  in  den  strafrechtlichen 
Paragraphen  mit  imtergebracht  hätte.  Und  das  Prozeß- 
recht ließ  sich  wohl  ebenso  gut  bei  anderer  Gelegenheit: 
zu  gunsten  des  Gesindes  regehi. 

Bleibt  noch  das  Leinsäen  und  die  Ziehzeit  der  Schäfer. 
Nun,  hielt  man  dies  für  zu  ungeeignet,  in  eine  allge- 
meine Gesindeordnimg  aufgenommen  zu  werden,  so 
konnte  man  es  diu-ch  ein  besonderes  Ausschreiben  regeln ; 
daß  dieser  Weg  hierfür  durchaus  g^angbar  war,  zeigt  die 
spätere  Geschichte  der  Gesindegesetzgebimg.  So  muß  man 
also  wie  Kähler^J  imd  Süßkind*)  zu  dem  Ergebnis 
kommen,  daß  keine  innere  Notwendigkeit  der  Trennung 
bestand,  daß  es  mit  dem  spezifisch  „agrarischen**  Charak- 
ter nicht  so  weit  her  ist,  wie  der  Gesetzgeber  einen  %-lauben 
machen  möchte. 

Aber  was  steckt  dahinter?  Wie  kamen  die  uns  doch 
als  sehr  klug  und  geschickt  bekannt  gewordenen  Regie- 
rungsräte dazu,  so  vorzugehen,  wie  kam  der  Geheime  Rat 
dazu,  dies  Vorgehen  zu  billigen?  Die  Antwort  hierauf  ist 
in  dem  oben  über  die  Entstehungsg^eschichte  der  beiden 
Gesindeordnungen  gesagrten  schon  enthalten.  Die  erste 
Anregung  ging  von  dem  Polizeidirektor  Fulda  aus,  einem' 
Manne,  den  seine  tägliche  Beschäftigung  nur  städtische 


')  S.  122.  -  «)  S.  8. 

8' 


—     116    — 

Verhältnisse  keimen  lehrte.   Der  erste  Entwiirf  stamlnte 
von  der  Polizeikombiission,  die,  aiif  ihre  Berufserfahrung 
gestützt,  vor  allem  die  agrarischen  Delikte  nicht  nament- 
lich aufgezählt  und  zudem  einige  Bestimimtuigen  mehr 
formaler  Art  aufgenomlmen  hatte,  die  allerdings  nur  auf 
städtische  Verhältnisse  paßten.  Diese  Umstände  imd  die 
Erinnerung  an  die  Enqufete  aus  den  sechziger  Jahren  mö- 
gen die  Regierung  daru  veranlaßt  haben,  besonders  vor- 
sichtig zu  verfahren  und  die  landwirtschaftlichen  Verhält- 
nisse noch  einmlal  eingehender  zu  studieren ;  denn  vielleicht 
waren  hier  fragen  zu  berücksichtigen,  die  den  nur  mit 
städtischen  Verhälthissen  praktisch  vertrauten  Regierungs- 
räten noch  gar  nicht  aufg'estoßen  waren.  So  beschloß  man 
denn  die  Umfrage  bei  den  Landräten.  Deren  Ergebnisse 
abzuwarten  —  der  letzte  Bericht  traf  erst  dreiviertel  Jahre 
später  ein,  als*  man  den  dahin  gehenden  Beschluß  gefaßt 
hatte  —  wäite  aber  impraktisch  gewesen.    Denn  in  den 
wichtigsten  "Fragten  des  städtischen  Gesindewesens  und  des 
dafür  zu  schaffendien  Rechts  waren  ja  alle  maßgebenden 
Kreise  einig.   Was  sollte  mtan  da  noch  eine  Verzögerung 
zulassen,  nachdem!  mlan  sich  glücklich  wenigstens  in  diese 
Materie  eingearbeitet  hatte. 

So  kam  man  auf  den  Gedanken,  die  teilweise  „gänz- 
lich abweichenden**  ländlichen  Verhältnisse  einem  spä- 
teren Gesetze  vorzubehalten.  Und  um'  die  angebUch  vor- 
handenen Unterschiede  zwischen  den  beiden  Ordnungen 
besonders  deutlich  zu  m)achen  zog  man  die  von  1801  ganz 
besonders  in  die  Länge.  Es  war  mithin  nur  eine  durch 
innere  Gründe  nicht  gerechtfertigte  Verlegenheitsmaß- 
nahme. 

Und  dabei  mußten  gerade  die  wichtigen  agrari- 
schen Bestimmungen  recht  bald  teilweise  wieder  aufg'e- 
hbben  werden.  Auf  mlannigfache  Beschwerden  hin  ^)  wurde 

»)  St.  A.  Marburg.  Geh.  Ratsakten,  Lit.  G.,  Nr.  28,  1605; 
LO.  Vin,  S.  152. 


—     117    — 

am  21.  Januar  1804  nact  längerem  Zögern  das  Verbot  des 
Leinsäens  gänzlich  aufgehoben.  Die  in  einer  Beschwerde 
des  Landrats  von  Keudell  angedeuteten  Gründe  bestehen 
darin,  daß  in  den  schlechten  Leinjahren  der  Dienstherr 
durch  die  ihm  obüegende  Pflicht  zur  Linnenlieferung  ge- 
schadigrt  ivürde,  daß  auch  den  Dienstboten  durch  das  Ver- 
bot des  Leinsäens  die  Gelegenheit  entgehe,  sich  fürs  Alter 
Arbeit  aufzrusamim^hi.  Eine  ausdrückliche  Dispensatioin 
von  den  Bestinmiungen  über  die  Wandelzeit  der  Schäfer 
erlangte  das  Amt  Bergen  am!  31.  August  1802^);  die 
sämtlichen  Zentgrafen  des  Amtes  hatten  in  einer  Vor- 
stellung darauf  hingewiesen,  daß  die  in  der  Gesindeord- 
nung vorgeschriebene  Regelimg  für  das  Amt  imdurchf ühr- 
bar  sei,  da  die  Schäfer  mfeist  aus  dem:  „benachbarten. 
Ausland'*  stasitnen. 

IL 

Die  Nebenländer. 

Das  Königreich  Westfalen  und  das  Großherzogtum 
Frankfurt  bedeuten  für  den  Westen  Deutschlands  den 
Beginn  einer  neuen  Zeit.  Die  Modernisierung  des?  Rechts 
\md  des  Wirtschaftslebens  wurde  hier  unmittelbar  durch 
Franzosen  h^i>eigeführt,  gleichzeitig  mit  den  Umgestal- 
tungen in  Ostdeutschland,  welche  die  französisch  gebil- 
deten preußischen  Staatstnänner  veranlaßten. 

Ehe  die  Geschichte  des  hessischen  Gesinderechts  in 
dieser  Zeit  dargestellt  werden  kann,  muß  hier  ein  Be- 
richt über  die  Rechtsentwicklung  in  den  zu  Hessen  im 
Laufe  der  Zeit  hinzugekommenen  wichtigsten  Territorien 
gegeben  werden.  Dies  sind  Schaumburg  imd  Hanau 
nüt  Gelnhausen.  Im Zusamfmenhang  damit  werden auch- 


')  St.  A.  Marburg.  Kabinetsakte,  betr.  die  Dispensation  von  der 
iö  §  77,  G.  O.  vorgeschriebenen  Miethezeit  der  Schäfer  fttr  das  Amt 
Bergen,  1802. 


—     118    — 

die  allerdings  erst  nach  den  Befreiungskriegen  endgültig 
mit  Hessen  vereinigten  Gebiete  Fulda  und  Isenburg 
berücksichtigt  werden.  Von  einer  Bearbeitung*  kleinerer 
Erwerbungen,  vor  allem  der  ehemials  kurmainzischen  Orte, 
wurde  abgesehen,  weil  es  äu  weit  führen  würde,  in  diesem 
Zusamimienhang  das  Recht  größerer,  in  ihren  Hauptbe- 
standteilen abseits  belegener  Territorien,  wie  es  Kurmainz 
war,  darzustellen. 

S  4.    Schaumburg. 

Die  Grafschaft  Schaumburg  bildet  den  frühesten  Ge- 
bietszuwachs Hessens,  der  hier  211  berücksichtigen  ist; 
sie  fiel  1647  an  Hessen*). 

Das  wichtigste  von  dem  wenigen,  was  hier  an  Ge- 
sinderecht existiert,  ist  eine  umfassende  Polizeiordnung 
von  1615  *).  Diese  enthält  nicht  nur  eine  besondere  Dar- 
stellung des  Gesinderechts,  s<Midern  bietet  auch  in  den 
übrigen  Kapiteln,  die  andere  Materien  behandeln,  eine 
Fülle  von  Rechtssätzen  über  das  Gesindewesen.  Die  Poli- 
zeiordnung ist  sieben  Jahre  älter  als  die  hessische,  die  für 
Althessen  die  früheste  Behandlung  des  Gesinderechts 
bildet*).  Sie  geht  wie  diese  auf  die  Anregungen  der  ver- 
schiedenen Reichsgesetze  zurück*). 

Die  Polizeiordnung  zeigt  ihre  Verwandtschaft  mit  dem 
Reichsrecht  und  der  hessischen  Polizeiordnung  sehr  deut- 
lich. So  schon  in  ihren  Bestimmimgen  über  die  Verwer- 
tung der  Müßiggänger  (Kap.  34,  63,  25),  über  das  Hausier- 
verbot (Kap.  61).  Das  engere  Gesinderecht  steht  in  Kap. 
63.  Hier  ist  von  der  Reichung  des  Gottespfennigs  zur 
Miete  die  Rede^  vom  Zeugniswesen  (das  nicht  streng  ein- 

*)  Kersting,  Sonderrechte  S.  XII  ff.;  Rommcl  VIII  S.  645 ff., 
768  ffl  —  •)  Schauenburgische  Pollcey-Ordnung  . . .  Gedruckt  zu  Stadt- 
hagen An.  1615,  hsg.  von  Friedrich  Julius  Rottmann,  Rinteln 
1717;  auch  abgedruckt  in  Kerstings  Sonderrechten  Sp.  1202 ff., 
sowie  in  Schaumburg  -  Lippischen  Landesverordnungen  I,  S.  240.  — 
»)  Oben  S.  48 ff.  —  *)  Rottmann  S.  8,  4. 


—    119    — 

gerichtet  ist),  v<Mn  Lohne.  Der  Gesindelohn  ist,  wie  auch 
viele  andere  Preise  und  Löhne,  die  teils  tarifiert,  teils  zur 
regionalen  Einzeltaxe  angewiesen  sind,  in  der  Weise  ge- 
ordnet, daß  jeweils  in  den  verschiedenen  Orten  Taxen  ge- 
iertigt  werden  sollen.  Hierin  zeigt  sich  eine  wesentliche 
Abweichiing  von  dem  danimal  allgemein  eingerichteten 
Gebrauch.  Übereinstimmend  fürs  ganze  Land  wird  da- 
gegen das  Fruchtsäen  fürs  Gesinde  verboten  (Kap.  32). 
Über  die  gewöhnliche  Kündigung  und  Dienstlösimg  steht 
in  der  Ordnung  nichts.  Wohl  aber  wird  der  Vertragsbruch 
des  Gesindes  mit  Strafen  bedroht,  ebenso  die  Verleitung 
des  Gesindes  dazu  .(Kap.  63).  Aber  in  bemerkenswerter 
Abweichung  vom  Geist  der  Zeiten  wird  ebenda  auch  dem 
Gesinde  ein  gewisser  obrigkeitlicher  Schutz  gegen  den 
Vertragsbruch  der  Herrschaft  gewährt.  Heirat  gibt  dem 
Dienstboten  kein  Recht  zur  sofortigen  Kündigung  (Kap. 
63).  Mehrere  nicht  so  wichtige  Stellen  der  Polizeiordnung, 
die  vom  Gesinde  handeln,  sollen  hier  übergangen  werden. 

Eine  Amts-  und  Hausordnung,  gleichfalls  aus  1615  ^), 
enthält  Hirtenrecht. 

Die  Polizeiordnung  von  1615  blieb  lange  in  Geltung. 
1717  kommentierte  sie  der  oldenburger  Advokat  Rott- 
mann. Eine  Beschwerde  des  Forstmeisters  von  Münch- 
bausen  ta  Rinteln  an  das  Amt  Schaumburg  vom  20.  Okto- 
ber 1717  *)  läßt  erkennen,  wie  durch  die  Neuausgabe  der 
Polizeiordnung  ihr  Gesinderecht  dem  Rechtsbewußtsein 
wieder  nahe  gebracht  wurde. 

Von  den  Rottmannschen  Bemerkungen  sollen  hier 
nur  wenige  angeführt  werden,  so,  was  er  über  den  Begriff 
der  Dienstboten  sagt,  nänüich  daß  es  keinen  Unterschied 
ßöcht,  „was  vor  Arbeit  einer  thue**,  und  daß  „auch  unter 
solchem  Namen  begriffen  werden  Praeceptores,  Kinder- 
Lehrer  und  andere  Diener,  wenn  sie  schon  keine  schwere 

')KerstiDg,  Sonderrechte  Sp.  1259.  —  *)  Schaumburger  Akte 
<J«s  St.  A.  Marburg;  nicht  bezeichnet. 


—     120     — 

Handarbeit  thun,  sondexn  nur  um  Kost  und.  Lohn  jemandes 
dienen*'.  Die  weitere  Feststellung  Rottmianns,  daß  in  dem 
von  der  hessischen  Wirtschaftsverfassung  g^anz  ausweichen- 
den Schaumtnirg  „man  . . .  heut  ru  Tage  keine  solche 
leibeigenen  Knechte  mehr  hat,  wie  vormlals  zu  der  Römer 
Zeiten  gewesen",  ist  im'  Vergleiche  mit  den  römischen 
Sklaven  wohl  richtig.  Daß  aber  Leibeigenschaft  in 
Schaiunbtu"g  vorhanden  war,  wird  noch  für  das  19.  Jahr- 
himdert  bezeugt^);  doch  hat  sie  sich  hauptsächlich  nur 
in  gelegentlichen  Abgaben  praktisch  bemerkbar  gemacht. 
Gesindezwangsdienst  hat  nicht  bestanden. 

Aus  eigenem  tut  Rottmann  beispielsweise  noch  Aus- 
führungen über  die  Verführer  des  Gesindes  zum  Schlech- 
ten hinzu,  sowie  über  diejenigen,  welche  das  Gesinde  für 
böses  Vollbringen  loben  *).  Gegen  die  Verderber  des  Ge- 
sindes will  Rottmlann  dem  Dienstherm  eine  actio  utilis  de 
servo  corrupto  geben.  Schließlich  sei  noch  angeführt, 
was  Rottmlann  über  die  Krankenfürsorge  des  Gesindes  aus- 
führt 3).  Er  meint,  daß  dan  Gesinde  für  eine  nicht  allzu 
lange  dauernde  Krankheit  der  Lohn  nicht  gekürzt  werden 
darf,  falls  nur  später  der  Dienst  wieder  aufgenommen  wird. 
„Wobey  auch  2ru  mercken,  daß  ein  rechtschaffener  Haus- 
vater sein  kranckes  Gesinde  nicht  gleich  aus  dem  Hause 
müsse  bringen  lassen,  sondern  daß  er  nach  dem'  Exenlpel 
des  Capemaitischen  Hauptmanns  wol  thue,  wenn  er  sich 
seines  krancken  knechts  anninünt,  ihn  beherbergt  und  mit 
diensamen  Artzeneyen  versiebet.** 

Auch  1732  war  die  Polizeiordnung  noch  nicht  ab- 
geschafft, wie  sich  aus  den  „Allerhöchsten  Resolutionen 
vom  23.  Jimi  1732  auf  den  von  der  Landesvisitations- 
Commission  erstatteten  Bericht**  *)  ergibt,  worin  die  Poli- 
zeiordnung eingeschärft  wird.   Im'  Art.  21  heißt  es  sogar 


*)  Ko  pp ,  Handbuch  VI,  S.  801,  805  ff.  -  »)  S.  429.  -  «)  S.  431  ff. 
*)  Kcrsting,  Sonderrechte  Sp.  1286. 


-     121     — 

ausdrücklich,  daß  kein  Colon  seinem  Gesinde  der  Polizei- 
ordnung iruwider  anstatt  Lohnes  Früchte  säen  darf.  Sonst 
werden  Colon  und  Dienstbote  „ru  Bruche  gesetrt"  und  ge- 
bührend gestraft. 

Erst  die  allgemeine  hessische  Gesindeordnung  von 
1736  schuf  auch  für  Schatunburg  neues  Recht. 

S  5.    Hanau  mit  Gelnhausen. 

Die  Grafschaft  Hanau-Münzeriberg  fiel  1736  infolge 
eines  Erb  Vertrages  von  1643  an  Hessen-Cassel,  nachdem 
einzehie  Teile  der  Grafschaft  schon  früher  mit  Hessen 
vereinigt  worden  waren.  Die  Pfandschaft  über  Gelnhausen 
ging  mit  Hanau  auf  Hessen  über;  durch  den  lime viller 
Frieden  und  den  Reichsdeputationshauptschluß  wurde  die 
bloße  Pfandschaft  diurch  unbeschränkte  Hoheit  ersetzt  ^). 

Das  älteste  Zeugnis  von  Gesinderecht  ist  in  einer 
gelnhäuser  Rechtsmitteilung  an  die  Stadt  Mergent- 
heim aus  dem  15.  Jhdt.  *)  enthalten.  „Wann  ein  bürger 
sin  kneift  oder  tniagt  wünt  siecht,  das  siol  er  büssen 
ak  fliesende  wunden.** 

Mehr  enthält  das  im'  marburger  Staatsarchiv  aufbe- 
wahrte gelnhäuser  Stadtbucih  (Samtnlung  der  Ordnungen, 
Eide,  Verzeichnisse  der  Ratsmitglieder  usw.).  Da  Jung- 
hans') nur  eine  auf  späterer  Überlieferung  beruhende 
ungenaue  Inhaltsangabe  bringt,  so  wird  hier  der  Wortlaut 
der  auf  Donnerstag  nach  ICatharina  (28.  Nov.)  1560  da- 
tierten Verordnung  aus  dem  Stadtbuche  selbst  mitgeteilt : 

„Vonn  Dienstbotten.  Ordnen  unnd  wollen  wir, 
das  hinfuro  keiner  dem'  andern  seine  dienstbotten,  magd 
oder  knecht,  mit  ersteigung  dess  lohnes  geschencken,  oder 
andern  vortheilhaftigen  mittein  abwitzen,  abtziehen,  imd 

')  Jung h ans,  Versuch  einer  Geschichte  der  freien  Reichsstadt 
Gelnhausen,  Ztschr.  f.  hess.  Gesch.  u.  L.-K.,  N.  F.  XII  (1886),  S.  108  ff., 
bes.  S.  364,  874;  Kerstin g,  Sonderrechte  S.  VI  ff.  —  •)  Oberrhei- 
nische Stodtrechte  I,  S.  140.  —  •)  S.  262. 


—     122    — 

abwendig  machen  solle.  —  Dergleichen  soll  das  dienst- 
gesinde,  wieder  billiche  mass  ire  dienstlohn  nitt  erstei- 
gen, oder  ire  herren  und  frauen  in  versprochener  zeitt 
des  jars  one  redthche  erhebliche  Ursachen  nit  abbrechen, 
sondern  getreulichen  aussdienen.  Uberfure  aber  Jmandts 
das,  so  solle  der  abreytzer  solchs  mit  einem'  gülden  ver- 
bussen,  und  dem'  dienstbottenn  seine  belonung  nit  gevolgt, 
noch  inn  iahrs  frist  inn  der  statt  zu  dienen  zugelassen 
werden." 

Wieder  sind  es  jene  klassischen  Fälle  aus  dem  Ge- 
sinderecht, die  hier  berücksichtigt  werden:  Abspannen, 
Lohnsteigern,  Vertragsbruch.  Die  Strafe  des  Dienstver- 
botes  ist   hier  eine  neue   selbständige   Bestimmung. 

Hanauische  Verordnungen  über  Gesindefragen 
lassen  sich  erst  seit  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  nach- 
weisen, wenn  mian  von  einer  Hofordnung  des  Grafen 
Philipp  Ludwig  1,  zwischen  1561  und  1563^)  absieht. 

Bis  zum  Erlaß  der  ersten  Gesindeordnung  von  1748 
finden  sich  nur  gelegentlich  Satztmgen  für  das  Gesinde, 
fast  immer  zusammen  mit  andern,  ganz  femliegenden.  Es 
sind  fast  ausschließlich  Luxus-  und  Sonntagsordnungen. 
Im  einzelnen  handelt  es  sich  um  folgende  Gesetze:  Tauf- 
und Kleiderordnung  vom'  18.  Juli  1656  *),  Polizei-Ordnung 
(Taufen  und  Kleider)  vom  3.  November  1666»),  Polizei- 
.ordnung  (ebenso)  vom  11.  Dezember  1682*),  Sonntags- 
ordnungen vom  28.  August  1669,  29.  Juli  1678,  17.  Sep- 
tember 1698,  14.  September  1713*). 

Dagegen  muß  ein  eigenartiges  Ausschreiben  der  ha- 
nauer  Regierung  vom  29.  September  1716«)  hier  wörtlich 
wiedergegeben  werden,  da  es  zur  Beurteilung,  wie  das 
Gesindeverhältnis  aufgefaßt  wurde,  sehr  wertvoll  ist.  Kar- 


*)  A.  Kern,  Deutsche  Hofordnungen  II,  S.  94.  —  •)  St.  A. 
Marburg.  Sammlung  hanauischcr  Verordnungen,  Bd.  I,  Nr.  40.  — 
•)  Ebenda  Nr.  61.  —  *)  Ebenda  Nr.  87.  -  »)  Ebenda  Nr.  52,  72,  129; 
n,  Nr.  179.  —  •)  Ebenda  U,  Nr.  196. 


-     123    — 

dinal  Graf  von  Schönbom  will  demnächst  seine  Residenz 
von  Hanau  nach  Aschaffenburg  verlegen  und  hat  daher 
folgendes  über  das  Borgen  seiner  in  Hanau  ^rüc^kbleiben- 
den  Dienerschaft  bestimlnt: 

„1.  Gestehen  Se.  Eminentz  keinem  Menschen  keinen 
Kreuzer  za  zahlen  schuldig  zu  sein,  der  auch  das  geringste 
an  Speiss   oder  Tranckwaaren  auf  Borg  und  Rechnung 
gibt,  gestalten  Sie  täglich  das  baare  Geld  darzu  four- 
niren  lassen,  und  wer  darwider  etwas  verabfolgen  lasset, 
wird  kein  Kreuzer  bezahlt  werden,  imd  muß  sich  selbst 
zurechnen,  wenn  er  gegen  diese  öffentliche  Warnung  das 
geringfste,  wem  es  auch  sey,  creditiret.    2.  Gestehen  Se. 
Eminenz  keinem  Menschen  von  der  Kauff-  und  Handels- 
schafft,    auch  Künstler   und  Handwerksleut,  Taglöhner 
etc.,    der   das   geringste   verabfolgen  lasset,    ohne    eine 
schriftliche  Erlaubnis  oder  Attestat,  entweder  von  Dero 
Oberboffmeister,  Hofmarschall,  Stall  imd  Zahlmeister,  als 
in  welche    vier    Ämipter    Se.  Eminenz    Dero    Hoffstadt 
allhier  eingetheilet  haben,  es  seye  dann,  daß  die  Sach  ge- 
ning  und  dessfalles  gleich  baar  Geld  darbei  ist,  so  folget 
ohne  deme,  daß  mian  alles  darumi  verkauf fen  könne . . . 
3.  Gestehen  Se.  Eminentz  keinem  den  geringsten  Heller 
lu  zahlen  oder  gut  zu  thuüi  von  demjenigen,  so  die  Bediente, 
Diener  und  Domestiquen  von  Dero  Hoffstatt,  entweder 
an  baarem  Geld  und  dergleichen  einborgen,  oder  an  Waa- 
ren  ausnehmen,  oder  aber  von  Künstlern  und  Handwerks- 
leuten sich   machen  und  anfertigen  lassen,   und    gegen 
ihren  Willen  und  Wissen  miethen  oder  lehnen,  gestalten 
Sie  einem  jeden  seine  Bestallung  imd  respective  Lohn 
richtig  auszahlen,  auch  Kost  und  Quartier  geben  lassen, 
nwthin  ein  mehrers  zu  thun  sich  nicht  schuldig  halten,  der 
aher  wider  diese  Warnung  ein  mehrers  thun  und  credi- 
tiren  will,  köimen  Sie  zwar  geschehen  lassen,  Sie  gedenken 
aber  über  kurz  oder  lang,  als  ein  Sie  nichts  angehende  Sach 
nicht  über  sich  zu  nehmen,  ja  so  gar  von  der  Bestallung 


—     124    — 

weder  vorzuschießen,  weder  die  Creditoren  bezahlen  zu 
lassen,  sondern  in  solchem'  Fall  zahlen  Sie  dem,  so  man 
Gage  oder  Lohn  schuldig",  in  termino,  wie  es  verordnet 
ist,  sich  wenig  bekümmernd,  wie  es  dem  Creditoren  er- 
gehe, so  gegen  diese  Warnung  gehandelt,  mithin  sich 
seinen  schaden  selbsten  zu  imiputiren  schiddig  ist." 

An  geeigneter  Stelle  des  zweiten  Teils  wird  auf  dies 
Ausschreiben  gebührend  eingegangen  werden. 

Bis  zur  großen  Gesindeordnung  von  1748  kam  es 
noch  zu  mehreren  gesetzgeberischen  Aktionen,  wovon  hier 
aber  nur  zwei  Mühlenordnungen  vom^  13.  Februar  1727 
amd  18.  April  1739^)  angeführt  werden  sollen;  ihr  In- 
halt ist  im  großen  dem'  sonstiger  Mühlengesetze  verwandt, 
insbesondere  gilt  dies  auch  vom'  Gesinderecht. 

Mindestens  zwei  Jahre  ehe  die  Mühlenordnung  zum 
zweiten  Male  publiziert  worden  war,  geschahen  die  ersten 
Schritte  zum  Erlaß  einer  allgemeinen  Gesindeordnung*). 
Der  Extractus  Regierungs-ProtocoUi  vom  18.  April  1737 
meldet:  „No.  1661.  Der  Registrator  Maley  übergiebt  ein 
revidiertes  projekt  zu  einer  Gesinds-ordnung.  —  Wäre  nun- 
mehro  solches  an  Serenissimi  Hochfürstl.  Durchl.  unter- 
thänigst  einzuschicken  und  Höchst  Denenselben  anheim 
zu  stellen,  ob  dasselbe  gnädigst  corfirmiret  werden  wolle." 

Es  handelt  sich  also  um  einen  revidierten  Entwurf, 
über  dessen  Vorgänger  die  Akten  nichts  ergeben.  Die 
Zustellimg  an  Serenissimus  erfolgt  am  4.  März  1738.  Ein 
neues  Exemt>lar  des  RegierungrsprotokoUs,  worauf  der  Ab- 
sendungsbeschluß  vom  4.  März  1738  steht,  trägst  das  Da- 
tum 18.  April  1738  und  die  Numtner  1561.  Wie  diese 
Gegensätzlichkeit  der  Daten  zu  erklären  ist,  sei  dahin- 
gestellt. Am  27.  Jimi  1748,  zehn  Jahre  später,  erhält  die 
Regierung   den   in  einigen   Punkten  abgeänderten  Ent- 


*)  Ebenda  Nr.  30,  III,  Nr.  800.  —  *)  Fürs  Folgende  St.  A.  Mar- 
burg.   Hanauer  Geh.-Rats- Akten  1748,  Rubr.  HI,  Lit.  1  i. 


—    125    — 

Vurf  zur  Publikation  mrüclc.   Das  Datum  der  gedruckten: 
Ordnung  ist  g-leichfalte  der  27.  Juni  1748  ^). 

Wichtiger  süs  Mutmaßun^fen  über  diese  Verzögerun- 
ist  eine  Feststellung  der  Herkunft  und  des  Werdegangs^ 
der  Ordnuixgr,  soweit  er  wenigstens  aus  den  beiden  hand- 
schriftlich   vorliegenden  Entwürfen  zu  ersehen  ist. 

Die  hes®en<^asselische  Gesindeordnung  stam!mt  vom 
8.  September  1736*).  Die  ersten  Vorarbeiten  zur  hanau- 
ischen Gesindeordnung  fallen  spätestens  in  den  Anfang 
des  Jahres  1737.  Da  Hanaus  Geschicke  seit  1736  von 
Cassel  aus  gfeleitet  wurden,  so  genügen  schon  diese  Daten» 
um  auf  eine  inhaltliche  Anhängigkeit  der  hanauer  von 
der  casseler  Oesindeordntmg  hin2?uweisen.  Aber  mehr  noch 
als  die  hessische  Gesindeordnung  wurde  deren  Vorbild, 
die  hannoversche  von  1732*),  teilweise  in  allzu  getreuer 
Nachahmung',  übemomimen. 

Eine   genaue  Inhaltsangabe  der  Gesindeordnung  er- 
übrigt   sich    hier  schon  aus  diesem  Grunde.    Als  wich- 
tigstes   sei    hervorgehoben,   daß  aus  der  hannoverscheni 
Ordnung  das  Koalitionsverbot  aitnommen  wurde  und  daß 
1748  die  hessischen  Gesetzgeber  vollständig  auf  eine  Lohn- 
regulierung Verzichteten,  „gestalten  die  pretia  nicht  überall 
gleich,  mithin  das  Gesinde  an  einem  Orte  eines  mehreren 
als  am  andern  benöthiget,  auch  die  Dienst-Leistung  sehr 
unterschieden  ist,  die  Belohnung  aber  mit  der  zu  ver- 
richtenden Arbeit  eine  billige  Proportion  haben  muß." 
Femer  enthält  die  hanauer  Ordnung  selbständig  gegen- 
über ihren  Vorbildern  Bestimmungen  über  die  Pflicht  der 
Herrschaft  zur  Krankenfürsorge;  und  sie  verzichtet,  wie- 
derum selbständig,  auf  eine  Regelung  des  Zeugniswesens 
überhaupt. 

Die  Gesindeordnung  von  1748  blieb  die  einzige,  die 
gesondert  für  Hanau  erlassen  wurde.   Die  Ordnung  yon 

')  Einzeldruck  in  der  Bibliothek  des  Marburger  Staatsarchivs 
K  A,  1621.  —   *)  Oben  S.  60  ff.  —  •)  Oben  S.  59. 


-     126     - 

1797  galt  für  die  vier  hessischen  Städte  Cassel,  Hanau, 
Marburg  und  Rinteln. 

Im  übrigen  sollen  nur  ihrem  Datum  nach  hier  genanat 
werden  die  Sonntagsordnung  vom  27.  Jimi  1748  ^),  Kleider- 
ordnung vom  1.  Mai  1772*),  Tauf  Ordnung  vom!  11.  Mai 
1789*),  die  alle  gesinderechtlich  nichts  Neues  bringen. 
Gleiches  gilt  von  einer  am!  18.  Oktober  1764  erlassenen 
Hof  Ordnung*).  Unterm  10.  September  1765  und  22.  Juni 
1787  wurde  schließlich  der  Dienstherrschaft  die  Verpflich- 
tung auferlegt,  Schwangerschaft  der  Mägde  dem  Pfarrer 
und  Beamten  anzuzeigen*). 

S  6.    Fulda. 

Die  Gesetzgebungstätigkeit  ün  Gebiete  der  Abtei 
Fulda  scheint  bis  zum  Beginn  des  18.  Jahrhxmderts  nicht 
rege  gewesen  zu  sein®).  Inwieweit  dies  vielleicht  mit  dem 
geistlichen  Regiment  oder  mit  der  Eigenart  der  Bevöl- 
kenmg  zusammenhängt,  sei  dahingestellt.  Tatsache,  die 
hier  unmittelbar  interessiert,  ist  jedenfalls,  daß  in  der  vor- 
hessischen Zeit  das  Gesinderecht  nie  als  ganzes  kodi- 
fiziert worden  ist,  und  daß  sich  überhaupt  nicht  allzu 
viele  Erwähnungen  des  Gesindes  in  irgend  einem  Zu- 
sammenhange eines  Gesetzes  finden. 

Das  Früheste  ist  in  einigen  Liixusordnxmgen  des  16. 
Jhdts.  enthalten.  Solche  vom  1.  Oktober  1551  und  14. 
Februar  1586.  femer  auch  vom  15.  Februar  1602  und 
14.  April  1624^)  sprechen  nebenher  von  den  Badmägden 
u.  a.  Weiter  sind  Judenordnungen  zu  nennen,  vom 
9.   Dezember   1615,   27.   Oktober   1623,   31.   Mai   1633 «). 


^)  St.  A.  Marburg.  Sammlung  han.  Verordnungen  III,  Nr.  345. 
—  •)  Ebenda  V,  Nr.  469.  —  •)  Ebenda  VI,  Nr.  &67V«.  —  *)  Ebenda  IV, 
:Nr.  420.  —  »)  Ebenda  V,  Nr.  639.  -  •)  Thomas,  Sistem  aller  ful- 
•dischen  Privatrechte,  §§  6,  6.  —  ^)  Sammlung  fuldischer  Verord- 
nungen in  der  Bibliothek  der  Kgl.  Regierung  zu  Cassel  I,  S.  249,  874, 
467,  687.  -  •)  Ebenda  S.  633,  699. 


—     127    — 

Als  ältestes  Stück  reinen  Gesinderechts  gibt  sich  ein 
Umschreiben  vom  3.  Dezember  1652  ^).  Vollständig  lautet 
es  so: 

„Dem'  hochwürdigen  Fürsten  und  Herrn  Herrn  Joa- 
ddm  etc.  Unserm'  gnädigsten  Fürsten  imd  Herrn  etc.  ist 
eine  zeithero  nit  ohne  misfälliges  Befremden  vorge- 
kommen, daß  der  Unterthanen  sonderlich  auf  den  Dorf- 
schaften zur  unerhörten  Neuerung  von  ihrem  Dienstge- 
sinde  mit  ganz  übermäßig  und  imerträglichem  Liedlohne 
beschwCTet  imd  noch  über  solches  Alles  gezwxmgen  wur- 
den, Knechten,  Mägden  und  Jtmgen  Vieh  aufzustellen 
und  zu  unterhalten,  welches  sonsten  des  armen  Haus- 
manns beste  und  meiste  Nahrung  und  dasjenige  seyn 
müßte,  darvon  derselbe  sich,  sein  Weib,  Kinder  und  Ge- 
sinde ernähren,  erhalten,  und  einen  täglichen  Pfenning 
erwerben  sollte.  —  Wann  dann  Ihre  fürstl.  Gnaden  (in- 
massen  von  andern  benachbarten  Kurfürsten  und  Ständen 
des  h.  Reichs  auch  geschehen)  billig  tragenden  obrigkeit- 
lichen Amts  halber  dahin  sehn  und  trachten,  wie  dieser 
eingerissene  grobe  Mbbrauch  imd  Neuerung  abgestellet, 
und  alles  auf  solche  Mittel  und  Wege  wiederum  einge- 
richtet werden  möge,  damit  es  sowohl  der  arme  Hausmann 
ertragen,  als  auch  das  Dienstgesinde  dabei  zur  Billigkeit 
bleiben  und  fortkommen  könne.  —  Als  ist  demtiach  vor- 
hochgedachter  J.  F.  Gn.  befehlende  ernste  Meinung,  daß 
ein  jeder  Hausmann,  welcher  Gesindes,  es  seyen  Knecht 
oder  Mägd,  Jimgen  oder  Mägdlein  bedörftig,  bis  auf 
S.  F.  G.  hier  bei  vorbehaltende  fernere  Verordnung  da- 
hin sehen  solle,  wie  die  bishero,  über  das  vor  dem  leidigen 
Kriege  gewesene  Herkonunen  eingerissene  Misbräuche 
nach  und  nach  wieder  eingezogen  und  alle  Uebermaas 
gänzlich  verhütet  und  abgestellt  werde,  daß  auch  lüngegen 

*)  Ebenda  II,  S.57;  teilweise  in  Kersting,  Sonderrechte,  S.6, 
Weiteres  Exemplar  in  der  Freys'schen  Sammlung  im  Besitze  des 
Herrn  A.  Müller-Fulda. 


—     128    — 

das  Dienstgesinde  bei  Andingung  ihres  Liedlohnes  eine 
solche  Moderation  gebrauchen,  und  sich  also  billig  be- 
zeugen solle,  damit  es  ihr  Herr  ausstehen  und  J.  F.  Gn.  nit 
geänüßiget  werden  mögen,  die  Uebertreter  nach  Befin- 
dung von  Amts-  imd  Obrigkeitswegen  abzustrafen.  — 
Insonderheit  aber  wollen  und  gebieten  J.  F.  Gn.  hiemit 
alles  Ernstes,  daß  von  künftiger  Lichtm^s  an  keinem; 
Dienstbothen  es  sey  Ober,  Mittel  oder  Unterknecht,  des- 
gleichen keinem  Jungen,  wie  auch  keiner  Dienstmagd 
oder  Mägdlein  das  geringste  an  Vieh  weiter  von  seinem 
Herrn  aufgezogen  oder  gefüttert,  wenigstens  anstatt  sol- 
cher Viehhaltung  sonsten  das  geringste  bewilliget  gereicht 
oder  gegeben  werden  solle.  Dann,  wann  hierüber  icht  was 
practidret  würde,  solle  der  Hausmann,  welcher  seinen 
Dienstbothen  einig  Vieh  zu  halten  verstwrochen,  oder  an- 
statt dessen  ein  gleichmäßiges  bewilligen  wird,  Ihrer  fürstl. 
Gnaden  zu  wohlgedienter  Strafe  den  Werth  selbigen  Vie- 
hes oder  sonsten  gethaner  Verwilligung  ^u  erstatten  an- 
gehalten, dem  Dienstbothen  aber  solch  ein  gedingt  Vieh 
oder  sonsten  beschehene  Verwilügung"  als  verfallen  und 
cOnficirt  wirklich  eingezogen  imd  Von  Obrigkeits  wegen 
weggenomtoen,  auch  sonsten  gegen  die  Ver'brecher  solche 
schwere  Ahndung  an  Hand  genomlmen  werden,  damit  sich 
andere  daran  zu  spiegeln  haben  sollen.  Damit  mm  solcher 
J.  F.  Gn.  hochgömüssigter  Verordnimg  desto  gewisser 
nachgelebt  werde,  so  befehlen  dieselbe  hiermit  Ihrem 
zu  der  Cent  Fulda  bestellten  Centgrafen  hiermit  lemst- 
lich,  daß  er  diesen  Befehl  so  bald  nach  Em^Dfahung  allent- 
halben in  seinem  anbefohlenen  Amte  öffentlich  publiciren 
und  verkünden  und  daß  demselben  sonderlich  wegen  ver- 
botener Viehhaltung  schuldigen  Gehorsams  nachgelebt 
und  dagegen  nichts  widriges,  es  sey  unter  was  Prätext  es 
immer  wolle,  practiciret  oder  an  Hand  genommen  werde, 
beobachten,  auch  die  Uebertreter  jedesmal  mit  obver- 
standenen   xmd  andern  willkührlichen   Bestrafungen  un- 


—     129    — 

nachlässigr  ansehen  solle  und  selbige  würcklichen  einbrin- 
gen solle.  Hiemach  hat  sich  also  ein  jeder  sowohl  der 
Hausherr,  als  das  Dienstgesinde  gehorsamlich  m  achten 
und  vor  Schaden  zu  hüthen.  —  Sig.  Fuld  unter  J.  F.  Gn.  vor- 
gedrucktem fürstl.  Secret  den  3ten  December  1652/* 

Es  war  die  Zeit  nach  dem  großen  Kriege.  Die  schwere 
Not  der  Zeit  hatte  in  andern  Ländern  schon  viel  früher 
Maßnahmen  hervorgerufen ;  kaumi  irgendwo  sonst  hat  man, 
wie  hier  in  Fulda,  bis  nach  dem  Kriege  gewartet.  Und  es 
ist  weiter  auch  auffallend,  wie  hier  vorgegangen  wurde. 
Zwar  wird  über  die  Höhe  'der  Löhne  geklagt,  sie  wird  aber 
durch  ausdrückliche  gesetzliche  Maßnahmen  nicht  zu  be- 
seitigen gesucht,  sondern  es  bleibt  dem  Gutfinden  der  Herr- 
schaft überlassen,  den  Lohn  auf  den  früheren  Betrag  zu- 
rückzubringen. Die  Idee  der  Tarifierung  lag  doch  in  der 
Luft;  zumal  sich  das  Umschreiben  ausdrücklich  auf  das 
Vorgehen  von  Nachbarstaaten  bezieht,  könnte  man  an- 
nehmen, daß  von  dort  etwa  eine  Anregung  gekommen  sein 
könnte.  Aber  das  Einzige  an  fester  Regel  ist  das  Verbot 
der  Viehhaltung  für  Gesinde. 

Als  Übergang  zu  Weiterem  seien  hier  zwei  unter  ein- 
ander verwandte  Ordnimgen  genannt,  die  die  Stelle  der 
Hofordnungen  eixmehmen,  eine  Instruktion  für  den  Haus- 
hofmeister vom  12.  Juni  1724  und  eine  Stallordnung  vom 
16.  Januar  1736  ^). 

Einige  Zeit  später  geschah  das  zweite  Hauptereignis 
in  der  Geschichte  des  fuldischen  Gesinderechts.  In  ziem- 
Kch  guter  Abschrift*)  erhalten  ist  die  folgende  „Copia 
rescripti  regimjnis  an  das  hiesige  Vicedomamt  vom'  7. 
April  1761  wegen  Austretung  der  Dienstbothen  aus  dem' 
Dienste" : 

„Nachdem  bei  bochfürstl.  Regierung  von  einiger  Zeit 
her  verschiedene  Klagen  vorgekonmien  und  dadurch  of  f  en- 

*)  Reg.-Samml.  ÜI,  S.  375;  IV,  S.  427.  —  «)  Band  V  de^  Reg.- 
SammL;  auch  in  der  Freys'schen  Sammlung. 

Köaneckc  o 


—     130    — 

bar  worden,  daß  in  Ansehung  der  Dienstbothen  sich  ein 
merklicher  Unfug  verhalte,  da  diese  die  einmal  angenom- 
mene Dienste  willkührlich  aufsagen,  den  Eintritt  in  selbige 
verweigern,  oder,  wo  sie  darin  befindlich,  solche  eigenen 
Gefallens  verlassen  und  austreten,  nicht  minder  bösartige 
Leute  seyen,  welche  mit  Ableit-  und  Verreitzung  derer 
Dienstboten  sich  ein  imerlaubtes  Geschäft  miachen,  diesem 
aber  als  einem  ärgerlich  und  gemSein  schädlichen  Unwesen 
zu  begegnen,  die  Nothdurft  erfordert,  soweit   in  dieser 
Rücksicht  bereits  in  vorkommenden  besonderen   Fällen 
verfügt    worden,    daß    die    ungebührlich    ausgetretenen 
Dienstbothen  hinwieder  in  ihre  Dienste  und  deren  schul- 
dige Verrichtung  so  lange  zurückgewiesen  werden  sollen, 
bis  von  der  Obrigkeit  über  die  vermeintliche  bei  derselben 
ordentlich  anzubringende  Klage,  was  Rechtens   erkannt 
worden,  und  wie  hier  aus  die  Folge  entsteht,  daß  auch 
die  Dienstherrn  nicht  ermächtiget  seyen,  ihre  Dienstbo- 
then willkührlich  und  eignen  Gefallens  ohne   vorherige 
obrigkeitliche  Weisung  denen  Diensten  zu  entsezen  und 
fortzuschicken,  so  seye  auch  hierunter  auf  Imploration  das 
richterliche  Amt  anzuwenden,  endlichen  aber  auf  den  bis- 
herigen Misbrauch  keine  Attention  zu  nehmen,  daß  ein 
gedungener  Dienstbothe  nicht  gehalten  sey,  in  die  einmal 
angenomimene  Dienste  einzugehen,  sofern  das  Andingen 
in  gewisser  Zeit  nicht  geschehen  oder  das  stipJulierte,  doch 
keineswegs^  vorenthaltene  Dinggeld  ihm  ausgezahlt  worden 
seye.  —  Wonach  sich  also  Jedermann  zu  achten  und  von 
Obrigkeitswegen,  besonders  gegen  jene,  so  der  gehässigen 
Verreitz-  und  Ableitung  sich  schuldig  gemacht,  mit  ge- 
bührender Ahndung  zu  verfahren;  zu  welchem  Ende  die 
Publication  in  jedem  Amte  behörend  zu  bewürken  hiermit 
anbefohlen  wird.    Fuld  jui  cons.  den  7.  April  1761." 

Eine  neue  wichtige  Frage,  willkürlich  aJus  den  vielen 
Fragen  des  Gesinderechts  ausgewählt,  ist  es,  die  hier  den 
Gesetzgeber  veranlaßt,  vorzugehen :  der  Vertragsibruch  mit 


—     131     — 

seinen  B^rleiterscheinmig'en.  Nichtantritt  des  eingegan- 
genen Dienstes,  eventuell  unter  Berufung  auf  die  noch 
nicht  erfolgte  Zahlung  des  „Dinggeldes",  Verlassen  des 
Dienstes  ohne  Grund  sind  die  Vergehen,  die  vornehmlich 
den  Dienstboten  zur  Ijaät  fallen.  Grundloses  Aufkündigen 
wird  der  Herrschaft  verboten.  Und  Dritte  werden  durch 
die  Bestimmung  getroffen,  daß  die  womöglich  gewerbs- 
mäBige  „Ableit-  und  Verreitrung"  mit  Strafe  ausdrück- 
lich bedroht  wird. 

Kurz  danach  gingen  viele  Taxen  aus,  aber  nie  fürs 
Gesinde;  da  hatte  die  Ordination  in  diversis  cameralibus 
vxMn  7.  September  1754^)  für  die  Knechte  in  Altenhof 
viehnehr  bestimimt,  daß  der  Lohn  „noch  zur  Zeit  auf  sich 
beruhen"  solle.  Für  Waren  und  Tagelöhne  ist  das  Jahr 
1765  überreich  an  Taxen;  solche  sind  unterm  2.  Mai, 
29.  Mai,  28.  Juni,  1.  Juli,  12.  August  erlassen  worden'). 

Bis  zur  hessischen  Zeit  gab  es  noch  manches  inter- 
essante Stück.  So  hieß  es  am  25.  Februar  1780*)  und 
am  26.  Februar  1789  *),  „dass  die  imi  Christenthumi  noch 
nicht  hinlänglich  unterrichtete  Kinder  nicht  an  protestan- 
tische Orte  verdimgen  werden  sollen".  Und  eine  geist- 
Kche  Regierungsverfügung  vom'  16.  August  1785*)  hatte 
den  Inhalt,  „daß  die  Eltern  die  Nachtlager  der  Kinder  und 
Dienstboten  beiderlei  Geschlechtes  gehörig  absondern 
sollen,  damit  kein  Anlaß  ziun  Fall  erfolge".  —  Das  Wich- 
tigste ist  einer  Bekanntmachimg  vom  12.  Januar  1804^) 
zu  entnehmen,  wo  die  Einrichtung  einer  öffentlichen  Ar- 
menkrankenanstalt angekündigt  wird;  auch  Dienstboten 
sollen  hier  Aufnahme  finden. 


')  Ebenda  V,  S.  675.  —  «)  Sämtliche  in  Bd.  VI  der  Reg.-Samm- 
Inng;  onpaginiert.  —  •)  Ebenda  VIL  —  *)  Nur  der  Überschrift  nach 
vendchnet  in  einem  von  A.  J.  Weber  angelegten  Katalog  fal- 
<lischer  Verordnungen  (Landesbibliothek  Cassel).  —  ')  Ebenda.  — 
•)  Reg.-SammL  XI. 


—     132    — 

Über  den  Rechtszustand  um  1790  berichtet  Tho- 
mas^), der  das  Dienstbotenwesen  übrigens  im  Obliga- 
tionenrecht bei  der  Pacht  behandelt,  nicht  im  ramilien- 
recht.  Thomas  bestätigt,  daß  es  keine  Gesindeordnung- 
gibt.  Im  einzelnen  macht  er  folgende  Angaben:  1.  Die 
Dienstzeit  bei  Bauerngütern  ist  ein,  v<mi  Petri  ab  laufen- 
des Jahr,  —  2.  in  der  Stadt  entweder  ein  halbes  nach 
den  beiden  Frauentagen  (Marienfesten)  berechnetes  Jahr 
oder  ein  ganzes  Jahr,  wofür  die  Vermutung  spricht.  — 
3.  Nach  Empfang  des  Dinggeldes  kann  kein  Teil  ohne 
besondere  Ursache  zurücktreten.  —  4.  Jeder  Dienstbote 
muß  seine  Zeit  aushalten  imd  macht  sich  andernfalls  er- 
satzpflichtig *).  —  5.  Auch  der  Dienstherr  muß  die  Zeit  aus- 
halten. —  6.  Vorzugspfandrecht  der  Lohnforderung.  -  7.  Ein- 
zelne Dienstboten  haben  den  privilegierten  Gerichtsstand 
der  Herrschaft.  Doch  ist  dies  keine  Regel,  vielmehr  ist 
auf  besondere  Gesetze  und  Gewohnheiten  Rücksicht  zu 
nehmen. 

1802  hörte  das  Fürstbistum  auf  zu  existieren.  Seitdem 
ging  es  in  schneller  Folge  von  einem  Herrn  zum  andera 
über.    1815/16  fiel  es  an  Kurhessen  3). 

S  7.    Isenburg. 

Durch  Verträge  zwischen  beiden  Hessen  und  Öster- 
reich wurde  das  Rheinbundfürstentum  Isenburg  im  Jahre 
1816  in  verschiedene  Teile  zerlegt.  Der  größte  Teil  des 
Landes  fiel  an  Kurhessen.  Die  Gesetzgebtmg  des  Fürsten- 
tutns  war  erst  seit  1806  eine  einheitliche  gewesen.  Da- 
mals wurden  die  früher  politisch  getrennten  Linien  Bir- 
stein,  Meerholz  und  Wächtersbach  zusammenge- 
schlossen *). 

*  Sistem  III,  §  &56.  —  •)  Bei  den  Vorarbeiten  für  die  hessen- 
fuldische  Gesindeordnung  wurde  1816  festgestellt,  dass  nach  uraltem 
folder  Brauche  die  Vertragsbrüchigen  Dienstboten  aus  der  Stadt  ver- 
trieben wurden;  s.u.  S.1&8.  —  ')  Kersting,  Sonderrechte  S. Uff.  — 
*)  Ebenda  S.  X  ff.,  Sp.  886  ff. 


—    133    — 

Das  älteste  nacbweisbare  Zeugnis  eines  Vorgehteas! 
im  Gesinderechte  ist  die  birsteinische  Polizeiordnung  von 
1690*)-  In  §  10  werden  diejenigen  mit  Strafe  bedroht, 
die  Spinnstuben  oder  sonstige  Zusamlnienkünfte  des  „jun- 
gen Gesindes"  in  ihrem  Hause  dulden,  ein  Verbrechen, 
gegen  das  auch  später  noch  einmal  das  birsteiner  Konsi- 
storium 3XÜ  8.  Februar  1702*)  und  die  wächtersbacher 
Regierung'  am  15.  September  1755*)  eifern.  Die  Polizei- 
ordnung von  1690  enthält  in  den  §§  35  und  39  ff.  femer  noch 
Hirtenrecht*).  In  der  Kirchen  -  Disziplin  -  Ordnung  für 
Meerholz  vom  10.  Dezember  1697  ^)  steht,  soweit  sich  aus 
der  gekürzten  Überlieferung  Kerstings  sehen  läßt,  ein 
Abschnitt  über  die  Verführung  des  Hausgesindes  (Kap. 
VIII).  Hier  wird  das  Abspenstigmachen  imter  Strafe  ge- 
stellt. Einiges  Gesinderecht  ist  in  den  wächtersbacher 
Sabbathordnungen  vom  12.  Mai  1758  und  18.  März  1761 
enthalten  «). 

Zweifellos  das  wichtigste  Dokument  für  ein  Vorgehen 
einer  isenburgischen  Regierung  auf  gesinderechtlichean' 
Gebiete  ist  die  birsteiner  Verordnung  vom  8.  Dezember 
1760  wider  den  GesindediebstahF).  Sie  ist  eng  mit  der 
hessischen  Gesindekriminalordnimg  von  1752  verwandt  in 
ihrer  grausamen  Unerläßlichkeit®). 

Eine  Rügordnimg,  wohl  aus  1766,  befindet  sich  in 
einem  Verordnungsband  des  Amtsgerichts  Wächtersbach ; 
für  welches  der  drei  Fürstentümer  sie  galt,  ist  nicht  er- 
sichtlich. Sie  enthält  in  willkürlicher  Folge  die  verschie- 
densten Materien,  ganz  in  der  Art  der  mittelalterlichen 
Rechtsaufzeichnungen  gefaßt.  Punkt  19  lautet:  „Soll 
Keiner  d^n  andern  das  Gesind  abspannen**.   Außerdem 


')  Ebenda  Sp.  888  ff.,  bes.  889,  891.  —  «)  Ebenda  Sp.  901.  — 
*)  Ebenda  Sp.  922.  —  *)  Von  Kersting  fast  ganz  weggelassen.  — 
•)Kersting  Sp.894ff.,  bes.  900.  — •)  Nr.  1  und  2  des  Sammelbands 
wächtersbacher  Verordnungen  auf  dem  Kgl.  Amtsgericht  Wächters- 
bach. -  ')  Kersting  Sp.  988.  -  •)  Oben  S.  66ff. 


—     134    — 

bringt  die  Ordnung  noch  Mühlen-  und  eine  Menge  Hirten- 
recht. 

Was  sonst  noch  an  Gesinderecht  gelegentlich  irgend- 
wo in  der  Gesetzgebung  der  Fürstentümer  vorkbmtot, 
braucht  hier  nicht  namentlich  aufgeführt  zu  werd^a;  die 
verschiedenen  Bestimmlungen  werden  an  ihrer  Stelle  im 
zweiten  Teil  gebührende  Berücksichtigung  finden. 

IIL 

Die  französische  Zeit 

S  &    Das  Königreich  WestfUen. 

Die  gesetzesfrohe  Zeit  König  J^romes  hat  für  das  Ge- 
sinderecht wenig  übrig  gehabt.  Der  vortreffliche  Justiz- 
minister Sim'6on  und  der  Minister  des  Innern  Wolf  f - 
r  a  d  t,  in  deren  Händen  die  wirtschaftliche  Gesetzgebung 
lag,  kamen  über  allgemeine  Bestinüntmgen  oder  versuchs- 
weise Einzelregelungen  des  Gesinderechts  nicht  hinaus. 
Der  Gnmd  lag  darin,  daß  das  merkwürdige  politische  Ge- 
bilde des  Königreichs  Westfalen  aus  den  mannigfaltigsten 
Bestandteilen  zusanmiiengesetzt  war,  die  eine  durchaus  ver- 
schiedenartige Wirtschaftsgeschichte  hinter  sich  hatten, 
tmd  deren  auch  damals  noch  ganz  von  einander  abwei- 
chende Wirtschaftsverfassungen  eine  gemeinschaftliche 
Gesetzgebung  ausschlössen.  Und  eine  umfassende  par- 
tikuläre Regelimg  scheute  man  vielleicht  deshalb,  weil  man 
die  Einigkeit  des  großen  Königreiches  nidit  verleugnen 
wollte,  imd  mian  sich  so  auch  von  reichswegen  vorwiegend 
solchen  Stoffen  zuwandte,  die  einen  gewissen  Grad  von 
Gemeinsamkeit  für  alle  Teile  des  Reiches  aufwiesen. 

Sim^on,  vollständig  mit  dem  Rüstzeug  französischer 
liberaler  Theorien  ausgestattet,  war  vor  allem  bemüht, 
die  Errungenschaften  der  Revolution  den  unterworfenen 
Ländern  zuzuführen.  Das  Kleinwerk  des  Gesinderechts 
war  es  nicht,  das  sich  Sim^on  zur  Aufgabe  gestellt  hatte. 


—     135    — 

Ihn  beschäftigte  vornehmlich  die  Durchführung  der  per- 
sönlichen und  dinglichen  Befreituig  in  der  Agrar Ver- 
fassung. 

Der  Artikel  13  der  Ccmstitution  du  Royaume  von* 
7.  Dezember  1807  *)  zeigt  den  Weg,  auf  dem!  sich  Simöons 
Tätigkeit  bewegte:  „Tout  servage  de  quelque  nature  et 
sou$  quelqiie  <l«K>mination  qu'il  piuisse  6tre,  est  supprim^, 
tous  les  habitans  du  Royaume  de  Westphalie  devant  jouir 
des  m£ifies  'droits." 

Unter  servage,  zu  deutsch  Leibeigenschaft,  fiel  auch 
der  GesiiKiezwangsdienst,  wie  das  hochbedeutende  Dekret 
vom  23.  Januar  1808  ')  zeigt,  das  die  Verfassung  der  Land- 
wirtschaft im  Königreich  revolutioniert.  Der  erste  Titel 
»de  la  supression  des  droits  et  des  actes  de  servage"  gibt 
in  Artikel  1  eine  Aufzählung  der  verschiedenen  „actes 
de  servage",  die  künftig  aufgehoben  sein  sollen.  Ptuikt  2 
nennt  „l'obligation  des  Colons  de  servir,  oonmie  dome- 
snques,  <lans  la  maison  du  ci-devant  mlaitre,  et  le  droit  dit 
Gesinde-Zwang-Recht,  qui  consiste  ä  forcer  leurs 
enfans  k  ne  pas  servir  d'autre  maitre  que  lui**;  weiterhin 
werden  Personalfrohnen,  Heiratsgelder,  Zwangserziehung 
usw.  aufgezählt. 

Skn6ons  Tätigkeit  war  hiernach  für  die  östlichen  und 
nördlichen  Teile  des  Reiches  wichtiger  als  für  Hessen, 
dem  die  persönUchen  Abhängigkeitsverhältnisse  tmbe- 
kainnt  waren.  Es  braucht  daher  hier  nicht  näher  auf  die 
Vorgeschichte  dieser  \md  der  folgenden  Dekrete  Sim^ons 
zur  Agrarreform  eingegangen  zu  werden. 

Praktisch  für  die  hessischen  Teile  des  Reiches  war  da- 
gegen die  Tätigkeit  des  Ministers  des  Innern  Wolffradt, 
dem  die  Durchführung  der  Einzelheiten,  speziell  der  Ge- 
sindegesetzgebung, zufiel.  Die  oben  angedeutete  wirt- 
schaftliche   Verschiedenheit     der    einzelnen    Landesteile 


')  BoUetin  des  lois  1807,  S.  2  ff.  -  ')  Ebenda  2.  Aufl.  1,  S.  885. 


—     136    — 

führte  dazu,  daß,  soweit  das  Gesinderecht  überhaupt  einer 
eingehenden  Regelung  oder  des  Versuches  einer  solchen 
teilhaftig  wurde,  dies  stets  partikulär  für  einzelne  Landes- 
teile geschah.  Die  hierüber  vorhandenen  Akten  ^)  ent- 
halten nur  wenige  Stücke;  es  ist  wahrscheinlich,  daß 
auch  außerdem  sich  noch  Regungen  zur  Neubildung  von 
Gesinderecht  bemerkbar  gemiacht  haben,  zumal  die  Akten 
erst  mit   1810  einsetzten. 

Ehe  auf  die  verschiedenen  Versuche,  Einzelheiten 
des  Gesindewesens  gesetzlich  zu  behandeln,  eingegangen 
wird,  soll  eine  kurze  Übersicht  über  den  gesinderechtlichen 
Inhalt  des  Code  civil  gegeben  werden,  der  als  Gesetz- 
buch des  Königreiches  am  7.  Dezember  1807  eingeführt 
wurde  *). 

Der  Code  stellt  an  die  Spitze  seines  kurzen  Kapitels 
„du  louage  des  domestiques  et  ouvriers"  (VIII,  3,  1)  den 
Grundsatz  von  der  Unmöglichkeit  einer  Vermietung  auf 
unbestimimte  Zeit.  Für  die  Dauer  des  Dienstes  sollen  die 
folgenden  Bestimmlingen  gelten:  Der  Dienstbote  teilt  den 
Wohnsitz  seiner  Herrschaft  (109).  Er  kann  in  Ehepro- 
zessen der  Herrschaft  Zeuge  sein  (251).  Der  Dienstherr 
hat  für  den  Schaden,  den  das  Gesinde  anrichtet,  einzu- 
stehen (1384).  Die  Lohnfordenmg  ist  privilegiert  (2101), 
jedoch  ist  für  einen  Beweis  der  Forderung  der  Herr 
näher  am  Eide  (1781).  Vermächtnisse  sollen  dem  Dienst- 
boten nicht  am  Lohn  gekürzt  werden  (1023).  Lohnan- 
sprüche verjähren  in  einem  Jahre  (2272).  Während  der 
Jnventarfrist  leben  die  Dienstboten  auf  Kosten  des  Nach- 
lasses (1465). 

Die  Versuche,  im  Königreiche  das  Gesinderecht  weiter- 
zubilden, spielten  sich  in  folgender  Weise  ab. 


*)  Geh.  Staatsarchiv  Berlin,  Rep.  6  III  F.  Nr.  7  und  10.  - 
•)  Bulletin  des  lois  1807,  S.  2flf,  bes.  26  (Constitution  du  Royaume 
Art.  45). 


—     137    — 

Am  23.  März  1810  macht  der  Prefet  de  Police  zu 
Cassel  dem  Minister  Mitteilung'  von  vielen  Klagen  über 
Gesindediebstähle  imd  „m^oontentemfens  de  toute  espfece 
de  leur  p^rt**.  „La  prochaine  soire  est  ime  occasion  pour 
tous  les  m^uvais  stijets,  de  se  rendre  ä  Cassel".  Er 
legt  eine  ordonnance  bei,  die  bis  zu  dem  Augenblick 
genügen  soll,  „ou  la  police  aura  les  moyens  de  tenir  des 
Bureaux  d'enregistrement  et  de  renseignemtent  ooncer- 
nant  tous    les  ooureurs   de  profession". 

Folgendes  ist  der  Inhalt  der  für  die  Stadt  Cassel  be- 
stimmten Ordonnance. 

In  der  Einleitung  wird  auf  die  Ungebräuchlichkeit  der 
gesind^esetzlichen  Bestimmungen,  das  Bedürfnis  nach 
stärkerem  Schutze  der  Herrschaften  gregen  das  Gesinde, 
und  auf  die  vielen  „d^sordres"  verwiesen,  die  durch  das 
Betragen  der  stellenlosen  Dienstboten  entstehen.  Art.  1: 
Zum  Antritt  und  zur  Ausübimg  einer  Dienstbotenstelle 
in  Cassel  ist  eine  „d^claration  pr^alable  chez  le  commis- 
saire  de  police  du  canton  ou  demeure  son  miaitre**  nötig. 
Art.  2:  Auswärtige  Dienstboten  müssen  eine  „carte  de 
suret^"  haben,  für  die  auf  frühere  Vorschriften,  insbe- 
sondere eine  Ordonnance  der  Polizei  vom  3.  Februar 
1809^)  verwiesen  wird.  Aus  Cassel  stammfende  Dienst- 
boten bedürfen  eines  von  der  Polizei  ausgestellten  Füh- 
rungszeugnisses. Art  3:  Ein  auswärtiger  Dienstbote  er- 
hält die  carte  de  suret^  nicht,  wenn  er  nicht  bei  einem 
Dienstwechsel  ein  Zeugnis  der  früheren  Herrschaft  über 
seine  Ehrlichkeit  beibringt.  Art.  4:  Auswärtig-e  Dienst- 
boten, die  die  obig'en  Bestimimting'en  nicht  befolgen,  wer- 


*)  Diese  Ordonance  Hess  sich  nicht  feststellen.  Auch  die  vom 
Passwesen  der  Ausländer  handelnden  Dekrete  vom  9.  Januar  und 
7.  November  1808  (Bull,  des  lois,  2.  Aufl.,  II,  S.  276,  763)  enthalten 
^ne  gesinderechdichen  Bestimmungen,  erwähnen  auch  die  carte  de 
suret^  nicht;  gleiches  ist  der  Fall  mit  den  späteren  Passdekreten  vom 
U.  Mai  und  80.  Juni  1810  (a.  a.  O.  1810  II,  S.  141  ff.,  bes.  207;  120  ff.) 


-     138    - 

den  ausgewiesen.  Art.  5 :  Die  vorliegende  Ordonnance  ist 
nur  provisorisch;  femer  wird  noch  die  Art  der  Publi- 
zierung bestimlmt. 

Des  Ministers  Antwort  darauf  vom  23.   März   1810 
teilt  dem  Prefet  seine  Zustimimtmg  mit,  da  der  Kntwurf 
„oonforme  aux  reglem<ents  de  police  encore  en  vigueur" 
ist.    Nur  die  Bestimmting  des  Art.  1,  daß  das  ,, faire  sa 
declaration"  auch  zur  Ausübung  des  Dienstes    (exercer 
r^tat  de  domestique)  erforderlich  ist,  will  der   Minister 
vermieden  wissen,  da  dadurch  leicht  der  Irrtum!  entste- 
hen könne,  daß  es  auch  für  die  bereits  im  Dienste  be- 
findlichen   Dienstboten    gelten    solle.     Das    führe    ohne 
Nutzen  nur  zu  Schwierigkeiten.    Ein  paar  Tage  darauf 
scheint  die  Publizierung  der  Ordonnance  erfolgt  zu  sein  ^). 
Denn  bereits  am  27.  März  findet  der  Minister  Anlaß,  dem 
Prefet    mitzuteilen,    daß    schon    im*  Dienste    befindliche 
Dienstboten  auf  die  Polizei  bestellt  worden  seien.    Das 
widerspreche  aber  dem,  was  er  ausdrücklich  in  seinem 
Schreiben  über  die  Einschränkimg  des  Art.  1  gesagt  habe. 

Weitere  Nachrichten  über  die  Ordonnance  liegen 
nicht  vor. 

Im  nächsten  Jahre,  am=  18.  November  1811,  bittet 
der  Prefet  du  Departement  de  la  Saale  zu  Halberstadt  mtü 
Erlaß  einer  allgemeinen  Gesindeordnung  für  sein  De- 
partement*). Ein  yon  ihm»  beigelegter  Entwurf  enthält 
nicht  weniger  als  137  Paragraphen.  Eine  Äußerung  des 
Ministers   darüber   ist  nicht  vorhanden. 

Eine  nebensächliche  Erwähnung  des  Gesindes  findet 
sich  in  einem  Dekret  aus  dem'  Dezember  1811  über  die 
Personalbesteuerung  ^),  nachdem  in  ähnlichem  Zusammen- 


')  Die  offiziellen  Veröffentlichungen  (Bulletin  des  lois  und  Moni- 
teur)  bringen  keinen  Abdruck  oder  auch  nur  Hinweis.  —  ')  Geh. 
St  A.  Berlin.  Westf.  Akten.  Gesindewesen  1811—12.  Rep.  6  III  F 
Nr.  10.  -  >)  Moniteur  Westphalien  1811,  S.  1225  ff.,  bes.  1226. 


-     139     - 

hange  schOD  am  27.  Oktober  1808  eine  das  Gesinde  be- 
treffende   Bestinüntingr  ergangen  war^). 

Mehr  Glück  als  sein  halberstädter  Kollege  hatte  1813 
der  casseler  Prefet  de  Police.  Zwar  kam  der  von  ihm 
eingesandte  „Projet  de  reglement  sur  les  domestiques" 
vom  8.  Mai  1813  *)  „vorerst  ad  acta,  da  die  Vorschriften 
des  Code  Napol6on  nicht  beobachtet  sind".  Doch  hat 
es  den  Anschein,  als  wäre  das  Ministerium  dieser  An* 
regung  gegenüber  empfänglicher  gewesen;  nur  der  Sturz 
der  westfälischen  Herrlichkeit  hat  schließlich  die  Voll- 
endung des  Unternehmens  gehindert. 

Der  Entwurf  ist,  wie  der  Prefet  sagt,  „provoqu^  depuis 
longtems  par  les  justes  plaintes  du  public  contre  le  d^- 
sordre  et  l'insubordination  des  domesitiques  de  toute 
espice".  Er  fügt  über  seine  Quellen  hinzu:  „J'ai  cru 
devoir  chercher  ä  acoorder,  autant  que  possible,  les  an- 
ciens  r^glemens  hessois  avec  les  Lois  du  royaum^e 
et  le  decret  imperial  du  3  octobre  demier ^).  C'est 
ainsi  que,  sauf  quelques  exceptions  . . . ,  V.  E.  reconnaitra 
que  chaque  article  est  extrait  de  Tun  ou  de  Tautre  de 
ces  actes  publics".  Dies  naive  Zugeständnis,  daß  es  sich 
nur  um  eine  Komlpilation  ohne  vorherige  Prüfimg  der 
wirklichen  Zustände  handelt,  ist  ebenso  wichtig  zur  Be- 
urteilung des  Entwurfes,  wie  die  spätere  Bemerkung,  daß 
viele  Vorschriften  der  bestehenden  Gesindegeset'ze,  „s'ac- 
oordent  mal  avec  les  principes  de  nos  lois". 

Ein  Gesetz  wurde  zwar  aus  dem  Entwürfe  nicht.  Aber 
er  enthält  doch  teilweise  für  die  Beurteilung  der  westfäli- 
schen Gesetzesbildimg  so  bedeutungsvolle  Stellen,  daü 
CT  als  der  einzige  aussichtsreiche  Versuch,  das  Gesinde- 
recht in  einem  hessischen  Teile  des  Königreiches  um- 


')  Ebenda  2.  Band,  S.  666  ff.,  bes.  668,  672.  —  *)  Geh.  St.  A. 
Berlio.  Königreich  Westfalen.  Gesindewesen  1810—11.  Rep.  6  Hl 
F  Nr.  7.  —  •)  Ein  solcher  ist  nicht  nachweisbar. 


—     140    — 

fassaid  neuziibilden,  eine  eingehiende  Behandlung-  schon 
lohnt. 

Die  Ordonnance  zerfällt  in  sieben  Kapitel;  das  ein- 
zelne Kapitel  besteht  aus  mehreren  Artikeln. 

Das  erste  Kapitel  (art.  1—7)  handelt  von  der  inscrip- 
tion  des  domestiques.   Die  Dienstboten,  „quelque  soient 
leur  sexe,  äge,  ou  la  nature  de  leur  service",  müssen  sich 
bei  2  Fr.  Strafe  in  ein  von  der  Polizei  geführtes  Register 
eintragen  lassen,  das  alles  Wissenswerte  über  die  Dienst- 
boten enthält,  die  Dauer  ihres  Dienstes,  ihre  Führung 
usw.  (art.  1,  2).   Die  Herrschaft,  die  ein  Dienstbote  ver- 
läßt, muß  bezeugen,  „qu*il  est  r^ellement  ä  son  service 
et  qu'il  n'a  aucun  r^proche  a  lui  faire  sous  le  rapport 
de  la  fidelit^"  (art.  3).    Eine  Abschrift  der  Angaben  im 
Polizeiregister  erhalten  die  einzelnen  Dienstboten,  die  da- 
für, je  nach  Zugehörigkeit  ru  einer  eigens  konstruierten 
Klasse,  verschieden  hohe  Beiträge  entrichten  müssen  (art. 
4,  5).   In  art.  6  wird  die  Einrichtung  eines  bureau  de  pla- 
cement  angeordnet,  für  das  die  folgenden  Kapitel  noch 
eingehende  Vorschriften  bringen.    Die  den  Dienstboten 
von  der  Polizei  übergebenen  Auszüge  aus  dem  Dienst- 
botenregister bleiben  bis  zum  jedesmaligen  Dienstschluß 
in  den  Händen  der  Herrschaft  (art.  7). 

„Du  placement  et  des  mtitations**  handelt  das  zweite 
Kapitel  (art.  8 — 14).  Wer  als  Dienstbote  angestellt  wer- 
den will,  muß  ein  Zeugnis  seines  Wohlverhaltens:  vor- 
zeigen können,  und  zwar  eins  von  der  vorigen  Herrschaft, 
falls  er  schon  gedient  hat;  wer  zum  ersten  Male  in  einen 
Dienst  tritt,  erhält  das  Zeugnis  vom  Ortsvorstand  (art.  3, 
zweiter  Teil).  Diese  Papiere  muß  er  dem!  bureau  de  pla- 
cement vorlegen,  das  ihm  darauf  ein  bulletin  ausstellt 
(art.  8).  Auch  zur  Dienstverlassung  ist  ein  solches  bulle- 
tin nötig,,  das  auf  Vorzeigung  des  herrschaftlichen  Ab- 
schieds erteilt  wird  (art.  9).  Alle  derartigen  Bescheini- 
gungen der  Behörden  müssen,  worauf,  wie  es  scheint,  das 


—     141     — 

Hauptgewicht  gelegt  ist,  wieder  klassenweise  verschie- 
den bezahlt  werden  (art.  8,  9).  Einen  Dienstboten  ohne 
bulletins  ni  mieten,  ist  bei  Geldstrafe  verboten.  Sonstige 
Gebühren  werden  durch  Einrichtung  eines  amtlichen  Ver- 
mittlungsbureaus für  Mietungen,  des  biureau  de  place- 
ment,  eimöglicht;  private  Stellenvennittlimg  ist  bei  150 
Fr.  Strafe  vertwten  (art.  11,  14).  Ausnahmsweise  ist  cinmial 
nicht  eine  Geld-,  sondern  eine  Freiheitsstrafe  festgesetzt: 
der  Dienstbote,  der  es  unterläßt,  sich  dem  btireau  vor- 
zustellen, erhält  fünf  Tage  Gefängnis  (art.  12).  Und  art. 
13  bestimmt,  daß  stellenlose,  unbemittelte  Dienstboten 
höchstens  acht  Tage  in  Cassel  bleiben  dürfen;  später 
werden  sie    „trait^s  öomme  vagabond". 

Die  Beschaffung  fernerer  Papiere  ordnet  das  dritte 
Kapitel  „des  engagements"  an.  Der  Vertragsschluß  er- 
folgt schriftlich  „sous  peine  de  nullit^  de  toute  Prätention 
de  la  part  des  mattres  contre  les  domestiques  qui  vou- 
draient  quitter  avant  la  fin  d'tm  engagement  verbal,  sans 
pr^judice  cependant  aux  droits  des  maitres  ..."  (art.  15). 
Die  Herrschaft  muß  sich  für  25  Centimes  weiter  ein  livret 
kaufen,  in  das  die  Bedingungen  und  die  Dauer  des  Dienstes 
eingetragen  werden  (art.  16).  Längere  Miete  als  auf  ein 
Jahr  kann  nicht  vereinbart  werden,  sagt  art.  17.  Außer- 
ordentliche Kündigungsgründe  sind  „d^lits,  entrainant  con- 
denmation  par  tm  tribunal  correctionel**,  Einberufung  zum- 
Heere,  Schwangerschaft;  „toute  domestiqne  qui  se  sen- 
tirait  enceinte,  et  qui  n'en  ferait  pas  la  d^claration  ä 
ses  maitres  dans  les  trois  premiers  mois,  sera  punie  d'une 
d^iention  (Haft)",  heißt  es  weiter,  und  zwar  mit  Haft  von 
drei  bis  acht  Ta^en.  Ein  eigenartiger  Kündigungsgrund 
isi  für  den  Herrn  statuiert,  durchaus  ungleiches  Recht 
schaffend :  er  kann  den  Dienstboten  wegschicken  weim  er 
roh  ihm  aus  Gründen  unzufrieden  ist,  „qui  ne  peuvent 
^e  Tobjet  d'nne  plainte  juridique",  muß  ihm'  nur  einen 
Monatslohn  als  Entschädigimg  geben.    Will  ein  Dienst- 


—     142    - 

bete  den  Beruf  aufgaben,  dann  muß  er  es  binnen  24  Stun- 
den der  Polizei  anzeigen,  „qui  en  examinera  les  motifs**; 
er  darf  in  Cassel  Mahnen  bleiben,  wenn  er  für  den  nächsten 
Monat  ausreichende  Mittel  nachweist  (art.  18).  Vertrags- 
bruch des  Gesindes  wird  mit  Gefängnis  von  zwei  bis 
vierzehn  Tagen  geahndet;  will  die  Herrschaft,  dann  muß 
der  Dienstbote  wieder  eintreten. 

In  Kap.  4  werden  zum  Zwecke  einer  besseren  Be- 
aufsichtigung der  Dienstboten  außerhalb  des  Hauses  die 
Pflichten  der  Wirte  und  Zinun^rvermieter  sehr  g^^nau  fest- 
gesetzt. 

Daß  ein  dcxnestique  de  place  ou  de  louage  nur  mit 
polizeilicher  Genehmigung  sein  Gewerbe  betreiben  darf, 
ist  aus  dem  fünften  Kapitel  zu  sehen.   Was  unter  dieser 
Art  von  Dienstboten  zu  verstehen  ist,  geht  aus  der  Auf- 
zählung in  art.  24  hervor:  einmal  solche,  die  in  auberges 
tmd  hoteis  gamies  dienen,  sodann  „ceux  qui  servent  plu- 
sieurs  mattres  ä  la  fois,  log^s  en  chambre  garnie  dans 
les   maisons  partictiliires  aufwärter  Stiefelwichser,   auff- 
wärte  frau,  ou  moedgen,  garde  mialades  etc.'*  Zum  Dienst 
in  Hotels  wird  nur  zugelassen,  wer  25  Jahre  alt  ist,  deutsch 
und  französisch  sprechen  und  schreiben  kann,  seine  gute 
Führung  beweist   und   eine   ding^liche   oder  persönliche 
Bürgschaft  auf  400  Fr.  bietet.  Eine  eigenartige  Fürsorge 
für  die  Hebung  der  sozialen  Stellung  der  Hoteldienst- 
leute I    Dabei  hat  es  den  Anschein,  als  wäre  die  ganze 
Hervorhebung  gerade  der  Hotelbediensteten  nur  ein  Miß- 
verständnis von  Bestimmlmgen  der  frankfurter  Gesinde- 
ordnung von  1810*)  §  107 ff.;  hier  wird  ein  Sonderrecht 
für  die  Aufwärter  statuiert,  die  sich  frei  vermieten  odeSc 
die  in   Hotels  den   Fremden  zu  Besorgungen  stets  zur 
Verfügimg  stehen  (§  110).  • 

Was   mit  den  vielen  einlaufenden  Gebühren  ange- 
fangen werden  soll,  geht  aus  Kap.  6  (de  la  caisse  et  de 

*)  Unten  S.  147  ff. 


143 


TempkM  des  fonds)  hervor.  Teilweise  dienen  sie  zur  Ver- 
sorgung der  beteiligten  Polizeibeamten.  Der  Überschuß 
wird  zur  Verpflegimg*  kranker  Dienstboten  im'  Kranken- 
hause verwasidt  (art.  34).  Nicht  lange  danach  wiurde  üb- 
rigens der  Gedanke  öffentUcher  Krank^if ürsorge  zuerst 
der  hessischen  Regierung  zur  Dis:kussion  gestellt. 

Das  letzte  Kap.  7  enthält  dispositions  g6n6rales  ohne 
große  Bedeutung  für  das  Gesinderecht.  Art  36  sagt, 
daß  die  Verpflichtungen  der  Herrschaften  von  ihren  in- 
tendants,  soweit  solche  vorhanden,  unter  Verantwortlich- 
keit des  Herrn,  erfüllt  werden  können.  Die  Verjährungs- 
zeit beträgft  sechs  Monate  (art.  37).  Zwei  Francs  Strafe 
werden  zu  einem  Tage  Gefängnis  gerechnet  (art.  38). 
Einen  Verzicht  auf  ein  singuläres  Gesindestrafrecht 
spricht  art.  39  aus. 

Die  Ausführlichkeit  der  Bemerkungen,  die  der  Mi- 
nister zu  diesen  Vorschlägen  macht,  zeigt,  daß  es  ihm 
darum  zu  tun  war,  das  Gesinderecht  weiterzubilden.  Er 
eröffnet  seine  Anmerkungen  mit  folgenden  Betrachtun- 
gen, kurz,  aber  genügend:  „Le  projet  de  ReglemJent  poür 
les  domestiques  paiait  nedcessaire.  —  Mais  il  est  suscep- 
tible  de  quelques  observations.  —  Les  obligations  im- 
pos^es  aux  Mattres  et  aux  Domestiques  semblent  en  g^n6- 
ral  DU  trop  rigoureuses,  ou  minutieuses ** 

Kennzeichnend  für  die  StimMung,  aus  der  heraus  die 
Franzosen  in  Deutschland  .die  Gesetze  machten,  sind  na- 
moitlich  die  Einzelbemerkungen  des  Ministers,  wichtiger 
als  der  Entwurf  selber. 

Haftstrafe  auf  die  Vernachlässigung  der  Eintragung 
^art.  1)  ist  nach  Ansicht  Wolffradts  zu  streng,  da  dann 
der  Dienstbote  überhaupt  nichts  verdienen  kann.  Die  Be- 
stimiornng  scheint  ihlmf  aus  Unbekanntschait  mit  der  die- 
nenden Klasse  geschaffen.  Ausweisung  aus  der  Stadt  da- 
gegen scheint  ihm  „la  punition  la  plus  naturelle"  zu  sein  1 
Ob  die  Begründung  ein  besonders  tiefes  Verstehen  der 


—     144    — 

dienenden  Klasse  offenbart,  ist  mindestens  unwahrschein- 
lich; Wolffradt  meint  nämlich,  wer  in  die  Staxit  koimnt, 
um  da  ru  wähnen,  müsse  auch  ihre  Gesetze  beobachten 
—  sonst  habe  er  da  nichts  zu  suchen. 

So  weit  gehende  Formaüen,  wie  in  art.  3  \xad  4 
festgesetzt  sind,  kann  nach  Wolffradt  ein  „individu  des 
classes  inferieures  du  peuple"  nicht  beobachten.  Der  Mi- 
nister sieht  femer  die  Notwendigkeit  der  buUetins  de 
mutation  (art.  9)  nicht  ein.  Es  genügt  zur  Verschaffung 
einer  Übersicht  für  die  PoUzei,  wenn  die  Dienstboten 
sich  bei  ihr  melden  und  das  Zeugnis  des  letzten  Herrn 
vorlegen  müssen.  Art.  12  ist  zu  streichen.  Die  Bezie- 
hungen der  beiden  Parteien  zu  dem  Bureau  müssen  freie 
sein.  Aus  demselben  Grunde  will  Wolffradt  art.  14  weg- 
lassen. Gegen  art.  15  und  16  macht  der  Minister  geltend, 
daß  die  Dienstboten  nicht  schreiben  können,  imd  daß 
die  Formalitäten  gehäuft  werden. 

Zu  der  Aufzählung  der  Gründe  für  außerordentliche 
Kündigung  in  art.  17  »hat  Wolffradt  hinzuzufügen,  daß  auch 
die  leichteren  Beleidigungen  (die  vor  ein  tribunal  de  po- 
lice  municipale  gehören)  Grund  zur  Dienstbeendigung  ge- 
ben. Der  „prötexte  des  engagemens"  darf  nicht  die  Dienst- 
boten oder  die  Herrschaften  zwingen,  Beleidigungen  ru 
ertragen.      Über    den    merkwürdigen    Kündigungsgrund 
des  Herrn,  der  den  Dienstboten  nach  Belieben  soll  weg- 
schicken können,  meint  Wolffradt :  „On  ne  voit  i>as,  pour- 
quoi  la  R6ciprocit6  n'aurait  pas  lieu,  pourquoi,   en  cas 
de  m^contentement  d'un  domestique,  assez  g^rave  pour 
lui  rendre  le  service  de  son  maltre  insupportable,  sans 
rfitre  assez  pour  motiver  une  plainte  juridique,  il  n'aurait 
pas  aussi  le  droit  de  quitter  ce  service  en  renongant  ä 
un  mois  de  ses  gages." 

Der  Minister  reflektiert  weiter  über  das  Wesen  des 
Gesindeverhältnisses,  daß  die  Parteien  den  Vertrag  unter 
der  Bedingung  gegenseitiger  Zufriedenheit  mit  einander 


—     145    — 

schließen;  daß  wo  dies  auf  der  einen  Seite  nicht  der  Fall 
ist,  ein  Scbritt  auf  dorn  Wege  zu  den  „id^es  de  servi- 
tude"  gemacht  ist,  „rejett^es  por  le  regime  cönstitutionel". 
„Le  seul  lien  qui  doive  retenir  un  domestique  est  Tagr^- 
ment  de  Tavantage  qu'il  trouve  dans  ßon  service,  et  ce 
lien  est  sans  contredire  celui  qui  Tattache  le  plus  forte- 
ment . . .  Les  obliger  de  rester  run  avec  Tautre,  quand 
ik  ne  se  conviennent  plus,  c'est  reellement  obliger  le 
maitre  ä  se  contenter  d'un  service  mal  fait,  ou  le  Do- 
mestique ä  supporter  des  desagr^ments  qui  lui  rendent 
sa  condition  intolerable.  —  La  convenance  reciproque  peut 
donc  ßtre  consider6e  comme  la  seule  rfegle  de  ces  relations. 
Si  un  maitre  mecontent  de  son  domestique  le  renvoye, 
si  celui-ci  peu  satisfait  de  spn  service,  ou  en  trouvant 
ailleurs  un  plus  avantageux,  veut  le  quitter,  pourquoi  les 
Her  malgr6  eux,  ou  les  obliger  ä  contracter  des  engage- 
ments  dont.  chac\m  pourra  se  repentir?  II  n'est  gufere 
a  craindre,  surtout  dans  une  capitale,  que  le  miaitre  que 
i*on  quitte,  inanqu\e  de  serviteurs,  ou  que  le  domestique 
que  Ton  renvoye  ne  trouve  pas  de  service.  —  La  seule 
restricti<Mi  necessaire  ä  la  libert6  des  relations  entre  les 
uns  et  les  autres  est  celle  qu*indique  la  nature  des  choses.** 

Daß  Wolffrädt  in  seinen  weiteren  Einzelaüsführungen 
die  Bestrafung  des  Vertragsbruches  mit  14tägigem  Ge- 
fängnis (art.  19)  nicht  billigt,  ist  bei  seinen  liberalen  An-, 
sichten  über  die  Dienstlösung  selbstverständlich.  Nur  ganz 
kune  Freiheitsstrafe  ist  zulässig,  „pr^caution  command^e 
par  la  necessitö  de  oonserver  aux  domestiques  leur  mora- 
lit6,  leur  bonne  reputation,  et  leurs  moyens  d'existence** ; 
außerdem  muß  die  Strafe  dem  Vergehen  konform  sein. 

Die  besonderen  Bestimmungen  des  5.  Kapitels  über 
die  Auf  Wärter  erscheinen  dem  Minister  durch  nichts  ge- 
rechtfertigt. Höchstens  wäre  im  Interesse  der  Reisenden 
von  den  Gastwirten  zu  verlangen,  daß  sie  nur  bei  der  Poli- 
zei eingetragene  und   in  gutem   Rufe  stehende   Dienst- 

KSnnecke.  \Q 


—    146    — 

leute  annehmen.  Die  Regrel  über  die  Verwendung  der 
eingegangenen  Gelder  (art.  34)  ist  gut;  nur  sollen  die 
schwangeren  Mägde  nicht  ausdrücklich  erwähnt  werden, 
da  das  ,,encouragement  au  desordre"  ist.  Zu  art.  38  wäre 
noch  hinzuzufügen,  daß  Gefängnis  nicht  über  acht  Tage 
diktiert  werden  kann. 

Der  Entwurf  in  sich,  noch  mehr  im!  Vergleiche  mit 
Wolffradts  Ausführungen  dazu,  verkörpert  zwei  Gedan- 
kenrichtungen, die  in  schönstatn  Vereine  aus  Frankreich 
herüberkamen.  Einmlal  jener  registrierselige,  polizeilich- 
subalterne  Sekretärsgeist,  dem  es  nicht  genug  sein  kann 
mit  Schreibwerk,  buUetins,  Zeugnissen,  Registrieren  usw. 
Er  hat  die  Sucht,  imlmer  mehr  Gebiete  in  seinen  Bereich 
zu  ziehen;  er  will  nichts  wissen  von  privater  Mietung, 
privater  Stellenvermittlung,  nur  schriftliche  Mietverträge 
sollen  gültig  sein;  erst  was  in  einem  öffentlichen  Bureau 
begutachtet  ist,  miag  gehen,  wemis  gut  ist.  Auf  der  an- 
dern Seite  jene  nobel-lässige  Art  des  laissez  faire,  die 
einer  Theorie  zuliebe  gern  aus  den  Wolken  heraus  Gesetze 
macht.  So  Wolffradt  ganz  besonders.  Er  spricht  es  in 
seinem  Gutachten  aus,  was  ihn  leitet :  la  nature  des  choses  I 

Hier  haben  wir  in  herrlicher  Klarheit  die  Wurzel 
der  französischen  Doktrin  offen  vor  uns  liegen.  Es  wider- 
spricht der  nature  des  choses,  in  das  Gesindeverhälttiis 
einzugreifen.  Wem  es  nicht  gefällt  in  einem'  Dienstver- 
hältnis, der  kann  den  andern  einfach  allein  lassen;  wo- 
möglich ohne  Kündigungsfrist  weggehen  und  wegschicken. 
Die  Naivität,  mit  der  diese  gedankenvolle  Politik  von 
ferne  her  gemacht  wurde,  und  die  auf  jegliche  Kenntnis- 
nahme der  tatsächlich  vorhandenen  Zustände  verzichtete, 
ist  es  auch,  mit  der  z.  B.  die  Abschaffung  der  „esclavagre" 
beschlossen  wurde,  bloß  des  Namens  wegen,  der  der  Kon- 
stitution widerspricht;  darauf  kam  est  nicht  an,  was  die 
realen  Bestandteile  dieses  Instituts  waren,  nur  dies  so  be- 
nannte Wesen  mußte  aus  der  Welt. 


-     147    - 

Im  Oktober  1813  ließ  J^rome  Cassel  endgrültig  hinter 
sich.  Infolgedessen  iinterblieb  eine  Verwirklichung  des 
Vorhabens»  eine  französisch-liberale  Gesindeordnung  für 
die  Stadt  Casstel  zu  schaffen. 

$  9.    Das  Groftherzogtum  FrankftirL 

Auch  das  Großherzogtum  Frankfurt,  die  andere  Kul- 
turpflanze napoleoniscber  Politik,  setzte  sich  teilweise  aus 
hessischem  Lande  zusamimien.  Es  war  Hanau  mit  Geln- 
hausen, die,  nachdem  „la  maison  de  Hesse-Cassel  a  cess^ 
de  regner",  zxun  Großherzogtum'  geschlagen  wurden. 
Außerdem  gehörte  noch  Fulda  dazu,  das  1815  an  Hessen 
fiel »). 

Eine  Weiterbildung  des  Gesinderechts  für  die  hessi- 
schen Teile  des  Landes  unterblieb  aus  dem  gleichen 
Grunde  wie  in  Westfalen.  Es  war  nämlich  alles  schon 
sehr  weit  gediehen,  als  die  Tätigkeit  des  Großherzogs 
Dalberg  1813  ihr  plötzliches  Ende  nahm. 

Im  Unterschiede  vom'  Königreiche  Westfalen  scheute 
sich  die  frankfurtische  Regierung  nicht,  partikuläre  Ge- 
setze zu  machen.  Sie  eriieß  am!  26.  Juli  1810  eine  Ge- 
sindeordnung für  die  Stadt  Frankfurt,  am!  26.  Oktober 
1811  eine  darauf  beruhende  für  das  Departement  Aschaf- 
fenburg*). Wie  der  Entwurf  für  die  Stadt  Cassel  be- 
vorzugen auch  diese  Ordmmgen  eine  kleinliche  Mitwir- 
kung der  Polizei,  ein  außerordentlich  mnfangreiches  Zeug- 
nis- und  Registrierwesen;  auch  sie  geben  dem'  Polizei- 
bureau die  Stellenvermittlung  auf  und  verbieten  die  pri- 
vate Gesindemäkelei  bei  Geldstrafe. 


*)  Darmstadter,  Das  Grossherzogtum  Frankfurt  (Frankfurt 
1901),  S.  68  fL,  51  ff.  —  ')  Exemplare  beider  Ordnungen  im  marburger 
Staatsarchiv,  Akten  der  Praefektur  Fulda,  Landes -Polizei,  Aufsicht 
au&  Gesinde,  1128;  das  Material  für  die  Geschichte  der  frankfurter 
Gesindeordnung  befindet  sich  im  frankfurter  Stadtarchiv,  FürstL 
Primatische  Behörden  G.  K.  50. 

10* 


—     148    — 

1811  wurde  der  erste  Versuch  gemiacht,  auch  in  F  u  1  d  a 
das  Gesinderecht  entsprechend  zu  kodifizieren^).  Am 
28.  Oktober  fragte  der  Prefet  zu  Fulda  beim  dortigen 
Polizeidirektor  an,  ob  die  aschaffenburger  Gesindeord- 
nung für  die  Stadt  Fulda  passen  würde.  Da  die  Antwort 
durchaus  bejahend  ausfiel,  so  bat  der  Prefet  am-  7.  No- 
vember die  Präfekturen  in  Frankfurt  und  Aschaffenburg* 
um  Übersendung  einiger  Exemplare  der  Gesindeordnung, 
den  Prefet  in  Aschaffenburg  insbesondere  um  Auskunft 
über  die  vorgenomimenen  Änderungen. 

Kurz  nachdem  die  Antworten  hierauf  eingegangen, 
wtaren,  bat  der  Domkapitular  von  Hettersdorf  in 
Blankenau,  der  Prefet  möge  für  eine  mindestens  provi- 
sorische Festlegung  der  Ziehzeit  des  Gesindes  sorgen. 
Diese  Gelegenheit  kam  dem'  Prefet  sehr  gelegen,  Het- 
tersdorf um  allgemeine  Auskunft  über  die  Anfertigung  der 
Gesindeordnimg  zu  bitten  (5.  Dezember  1811);  er  sandte 
ihm  die  beiden  Gesindeordnungen  zu,  damit  er  daran  seine 
Verbesserungsvorschläge  bemerke.  Schon  acht  Tage 
später  trifft  die  Antwort  ein.  Hettersdorf  hält  die  frank- 
furter Ordnung  für  die  geeignetste;  die  aschaffenburger 
scheint  ihm  unvollständig  und  für  Fulda  nicht  so  passend. 
Abgesehen  von  einer  Fülle  weniger  bedeutsamer  Einzel- 
bemerkimgen  xmd  diem  Vorschlage,  Polizeidiener  in  die 
Landorte  zu  legen,  sagt  Hettersdorf  noch:  „Meiner  un- 
masgeblichen  Meinung  nach  könnte  gar  leicht  eine 
Dienstboten-Kasse  im  hiesigen  Lande  errichtet  wer- 
den, aus  welcher  ein  kranker  Dienstbote  verpflegt  würde, 
ein  zehnjähriger  bei  einem!  Herrn  getreu  gedienter  Dienst- 
bote eine  Gratifikation,  ein  15  jähriger  eine  noch  größere, 
jährlich  erhalten  u.  s.  w." 

Hier  muß  erst  der  deutsche  Adelige  aus  seinen  Hu- 
manitätsidealen heraus  einen  Vorschlag  tun,  der  für  die 

*)  Quellen  fbr  das  Folgende  sind  die  in  der  vorigen  Anmerkung 
zitierten  Akten  des  marburger  Staatsarchivs. 


—     149    — 

Franzosen  des  Großherzogtums  Frankfurt  etwas  Neues 
bedeutet.  Denn  die  frankfurter  Ordnung  enthält  in  §  55 
wohl  die  Pflicht  der  Herrschaft  zur  Krankenfürsorge,  die 
in  der  aschaffenburger  (§  31  e)  rur  ganz  allgemeinen  Ver- 
pflichtung ^umf  "Beistand  in  allen  billigen  Gelegenheiten** 
verflacht  ist,  aber  der  Gedanke  einer  Krankenkasse  ist 
beiden  fremd.  Der  Entwurf  des  casseler  Prefets  dagegen 
wollte,  woran  hier  erinnert  sei,  die  Gebühren  für  die 
vielen  Dienstpapiere  teilweise  zu  einer  Krankenkasse  ver- 
wandt wissen^). 

Aus  unbekannten  Gründen  blieb  die  Arbeit  an  der 
Gesindegesetzgebung  dreiviertel  Jahre  liegen.  Es  gingen 
noch  nuehrere  sachlich  nichts  bietende  Berichte  zwischen 
Fulda,  Hanau  und  Frankfurt  hin  und  her.  Das  letzte 
Stück  stajnimt  vom  25.  Juni  1813;  es  ist  eine  Mahnimg 
des  frankfurter  Polizeinrinisters  an  den  Prefet  in  Fulda. 
Zu  einer  Antwort  ist  der  Prefet  nicht  mehr  gekommen. 
Der  Entwurf  eines  vom»  4.  September  1813  datierten  Schrei- 
bens an  den  Präfekten  zu  Hanau  ist  durchstrichen  und 
trägt  den  Vermerk:  „cessat,  et  ad  acta.  Fulda  31  Jan. 
1816." 

Daß  auch  im-  Departement  Hanau  Versuche  zur  Neu- 
bildung des  Gesinderechts  xmtemomanen  wurden,  geht 
aus  dem  Gesagten  hervor.  In  einem  Schreiben  des  Polizei- 
nrinisters an  den  fuldaer  Präfekten  heißt  es,  daß  der  Poli- 
zeigerichtsdirektor in  Hanau  am'  20.  April  1812  dem  Poli- 
zeiminister  Vortrag  gehalten  und  nach  dessen  Genehmi- 
gung am  28.  Mai  1812  den  Entwurf  einer  Gesindeord- 
nung vorgelegt  hat.  Der  fuldaer  Präfekt,  der  diesen  Ent- 
wurf zur  Ansicht  zugreschickt  bekam',  hat  ihn  nicht  wieder 
zurückgegeben.  So  hat  auch  das  Unternehmen  im"  ha- 
nauer  Gebiet  zu  keinem!  Erfolge  geführt. 


')  Oben  S.  143,  148. 


—     160    — 

IV. 
§  10.    Hessen  im  19.  Jahrhundert 

Die  Vogelstraußpolitik,  mit  der  der  Kurfürst  nach 
seiner  Rückkehr  die  unter  dem'  westfälischen  Regime  ein- 
getretenen Änderungen  anfangs  verleugnete,  konnte  nur 
geringen  Einfluß  auf  das  Gesinderecht  haben;  dies  w*: 
ja  unter  Jörome  so  gut  wie  gar  nicht  weitergebildet  wor- 
den. Gerade  hier  blieb  nach  1813  alles  in  der  gründ- 
lichsten Weise  beim'  alten  ^). 

Diese  Tendenz  konnte  sich  schon  in  den  ersten  Jahren 
des  neuen  Reiches  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  zei- 
gen. Zuerst  1815,  wo  die  Stände  zum*  Landtag  ein  be- 
sonderes Desiderium-  über  die  Neubildung  des  Gesinde- 
rechts einreichten  *).  Das  Desiderium«  commune  XIV  be- 
hauptete nämlich:  „Über  das  Sittenverderbnis  des  Ge- 
sindes, das  während  der  usurpatorischen  Westphälischen 
Regierung  den  höchsten  Grad  erreicht  hat,  herrscht  nur 
Eine  Stimme."  Die  vortrefflichen  Gesindeordnimgen  von 
1797  und  1801  galten  zwar  weiter,  „ihre  Anwendung  aber 
unterblieb  in  dem«  Lauf  jenes  verhaßten  Zeitpimcts".  Die 
Stände  proponieren  deshalb  1.  eine  Einschärf ung  der  Ge- 
sindeordnungen und  2.  die  Schaffimg  einer  besonderen 
mit  der  Polizeideputation  zu  verbindenden  Gesindekom- 
mission. Diese  Komimission  sollte  folgenden  Beruf  haben : 
einmal  muß  jeder,  der  dienen  will,  sich  dort  einschreiben 
lassen.  Aus  den  eingetragenen,  xmd  nur  aus  diesen,  soll 
sich  der  Dienstherr  seine  Leute  aussuchen  und  eine  Mie- 
tung  anzeigen.  Und  schließlich  soll  jede  Herrschaft  „von 
Zeit  zu  Zeit  während  des  Dienstes  nicht  nur  Attestate 
über  das  Verhalten  der  Dienstboten  dahin  einschicken, 
sondern   auch   bei  Endigimg  der  Dienstzeit   dergleichen 


')  Vgl.  Regierungsausschreiben  vom  10.  Januar  1814  (Ges.-Samnil 
S.  8).  —  ')  St  A.  Marburg,    Landtagsakten  1815. 


—     151     — 

ertheilen,  und  für  dessen  Wahrheit  verantwortlich  ge- 
macht werden.**  ^J 

Die  Regierung  empfahl  diese  Vorschläge  dem  Kur- 
fürsten, fragte  aber  auf  seine  Veranlassimg  erst  noch 
bei  den  Regierungen  in  Marburg,  Hanau  und  Rinteln  über 
die  Zweckmäßigkeit  solcher  Einrichtxmg^  an  (25.  Mai 
1815).  Die  Regierungen  stimimen  prinzipiell  zu,  ganz  kurz 
die  marburger,  ausführlicher  die  andern  Regierungen; 
aus  Hanau  wird  noch  ein  Gutachten  der  dortigen  Polizei- 
kommission  eingeschickt. 

Das  „Prinzip**,  denn  sie  alle  ihren  Beifall  geben,  ist 
hauptsächlich  der  allgemeine  Gedanke,  daß  Mängel  im 
Gesindewesen  zu  Tage  getreten  sind.  Über  die  einzelnen 
Abhilf smittel  herrscht  keine  Übereinstimmung  zwischen 
der  hanauer  Polizeikomimission  xmd  der  Regierung  zu  Rin- 
teh,  auf  deren  beider  ausführlich  begründete  Gutachten 
es  allein  ankomimt.  Die  rintelner  Regierung  empfiehlt 
eine  besondere  Gesindekomimission,  weil  dadurch  die 
Sachen  rascher  erledigt  werden  als  vor  dem  Kollegium  der 
Polizei.  Die  Hanauer  wollen  das  nicht  zugeben.  Doch 
stimmen  auch  sie  für  eine  Vereinigung  der  Gesindestrei- 
tigkeiten, vor  allen^  der  Zivil-  und  Kriminalsachen,  vor 
einem  einheitlichen  Forum';  bisher  strafte  die  Polizei  das 
Gesinde,  über  die  Zivilansprüche  erkannten  die  verschie- 
densten Gerichte,  die  Stadtschultheißen,  die  Konsistorien 
usw.,  und  gerade  diese  Zwiespältigkeit  brachte  es  mit 
sich,  daß  die  Gesindeordnungen  so  schlecht  durchgeführt 
wurden.  Alle  lehnen  die  Verpflichtung  der  Herrschaf- 
ten zur  Zeugniserteilung  während  des  Dienstes  ab;  die 
Zeugnisse  würden  imtoier  dasselbe,  unwesentliche  sagen, 
n>eint  die  hanauer  Polizei,  denn  bei  wesentlichen  Klagen 


')  1815  wollten  auch  die  marburger  Professoren  von  sich  aus 
ein  ähnliches  Gesindebflro  nach  dem  Muster  einer  frankfurter  Ein- 
richtung gründen;  es  scheint  aber  nicht  dazu  gekommen  zu  sein  (St. 
A.  Marburg.    Universitätsakten  IV  11  A  Nr.  21). 


-    162    — 

erfolge  doch  Dienstbeendigrung.  Die  Beschränkungr  des 
Publikums  auf  die  eingetragenen  Dienstboten  scheint  der 
hanauer  Polizeikömmission  nicht  zweckmäßig;  die  Gut- 
achter in  Rinteln  haben  daran  nichts  auszusetzen.  Wäh- 
rend die  hanauer  Polizeikomimissioh  alles  gute  von  mehre- 
ren Listen  dei  Dienstboten,  Kellner,  Ladendiener  usw. 
hofft,  sieht  die  Regierung  in  Rinteln  das  Heil  in  einer 
Schärfung  der  Gesindeordnungen  nach  dem'  Vorbilde  der 
hannoverschen  Gesindeordnung  von  1732  und  des  preu- 
ßischen Allgemeinen  Landrechts.  Eigentlich  dürften  ja, 
heißt  es  im  rintelner  Gutachten,  in  den  Gesindeordnun- 
gen nur  Polizeibestimlmüngen  stehen;  das  übrige,  Zivil- 
und  gewöhnliches  Strafrecht,  gehört  in  die  allgemeinen 
Gesetzbücher.  Schließlich  bittet  die  Regierung  in  Rin- 
teln  noch  darum»,  das  „öfters  sehr  traurige  Schicksal** 
kranker  Dienstboten  zu  erleichtem  und  nach  Vorbild  des 
preußischen  Landrechtes  den  ungewissen  Rechtszustand 
in  Hessen  zu  beseitigen. 

Ehe  sich  die  Regierung  zru  Cassel  im'  Oktober  1816 
an  eine  Bearbeitung  der  Berichte  machte,  hatte  der 
Staatsminister  von  Schmerfeld  ihr  nach  Schluß  des 
Landtags  die  Mitteilung  gemacht,  daß  die  Sache  „vor 
'der  Hand  beruhen  werde**  —  ohne  Gründe,  wie  es 
scheint.  Das  erbost  die  Regierungsräte  so,  daß  sich  die 
meisten  lediglich  in  Ausführungen  über  solch  einen  un- 
verständlichen Schritt  ergehen.  Nur  der  Regierungsrat 
W  e  t  z  e  1 1  gibt  seine  Ansicht  dahin  ab,  daß  die  Gesinde- 
ordnungen gut  genug  sind,  daß  eine  besondere  Gesinde- 
kommission  Verschwendung  wäre. 

Das  war  am-  18.  Oktober  1816.  Der  große  Erinne- 
rungstag bedeutete  das  Ende  des  landständischen  Seh- 
nens.  Es  blieb  beim  alten. 

Und  es  blieb  auch  so  gut  wie  beim-  alten,  als  es 
sich  darum-  handelte,  dem  neu  erworbenen  Großherzogtum 
Fulda  ein  Gesinderecht  zu  geben.    Allerdings  ging  die 


-     163    — 

Anregungr  dazu  von  der  kurfürstlichen  Regierungskomf- 
mission  in  Fulda  aus.  Doch  ergibt  sich  aus  den  ganzen 
Verhandlungen  ziemlich  klar,  daß  es  ihr  weniger  die  Sorge 
am  Abstellung  von  Mängeln  im'  Gesindewesen  war,  die 
sie  zum  Vorgehen  veranlaßte,  als  vielmehr  der  sehr  büro- 
kratische Grund,  daß  ihr  das  Fehlen  eines  geschrie- 
benen Gesinderechts  ein  Dorn  im»  Auge  war.  Es  scheint 
sie  das  Verlangen  nach  einem'  Gesetze  als  solchem  ge- 
trieben zu  haben;  wo  das  ganze  übrige  Land  so  schön 
mit  einem  Gesinderecht  versorgt  war,  trat  die  Lücke  in 
Fulda  als  bedauerlicher  Mangel  besonders  hervor. 

Am  30.  Juli  1816  fragt  die  Regierungskammission 
bei  der  fuldaer  Polizeidirektion  an,  ob  eine  Gesindeordnung 
vorhanden  sei,  ob  Klagen  über  Gesinde  vorgekomimen, 
„ob,  wenn  keine  solche  Verordnung  besteht,  diese  be- 
sonders von  den  Dienstherm  gewünscht  wird",  nach 
welchen  Grundsätzen  bisher  das  Gesinde  behandelt 
wurde  *). 

Die  sehr  geruhsam  gehaltene  Antwort  (vom  31.  Juli 
1816)  lautet  denn  auch  so,  daß  es  eine  Gesindeordnung 
nicht  gibt.  Allerdings  hat  der  Präfekt  einmal  vor  fünf 
Jahren  die  Gesindeordnung  für  die  Stadt  Frankfurt  zur 
Begutachtung  hergeschickt,  und  die  schiai  auch  den  ful- 
daischen Zuständen  durchaus  angemessen.  „In  Erman- 
gelung eines  bestimmenden  Gesetzes  mußten  immer  nur 
die  natürliche  Billigkeit  und  die  Grundsätze  der 
Rechtslehre  zu  Rath  gezogen  werden.  Die  aus  dem 
Dienst  entlaufene  Mägde  wurden  durch  Polizeidiener  ihrer 
Dienstherrschaft  wieder  zugebracht,  mit  Zwangsarbeits- 
bausstrafe bedroht  oder  wenn  sie  vom«  Lande  waren  und 
auf  keine  Weise  ihre  Dienstzeit  aushalten  wollten,  nach 
uralt  hiesigem  Gebrauch  aus  der  Stadt  geführt, 
in  welcher  sofort  sie  nicht  wieder  in  Dienst  genommen 

*)  St.  A.  Marburg.    Fuldaer  Reg.-Akten,  Polizei-Repositur  III  A 
MO,  wo  auch  für  das  Folgende  die  Belege  zu  finden  sind. 


—     164    — 

werden  durften."  —  Vorher  hatte  sich  der  Polizeidirektor 
noch  über  die  hauptsächlichen  Beschwerden  ausg'elassen : 
„Die  meisten  Klagen,  welche  hierunter  vorkomimen,  wer- 
den durch  die  Mägde,  die  ohne  ihre  Dingzeit  auszuhalten, 
den  Dienst  verlassen,  und  durch  die  Dienstherrschaft, 
die  ihre  Dienstboten  oftmals  gar  zu  übel  mit  Wort  imd 
That  behandelt,  oder  ihnen  gar  zu  magere  Kost  ver- 
abreicht, veranlaßt.  Es  befinden  sich  Haushalte  dahier, 
wo  in  wenigen  Jahren  über  200  Mägde  aus  ähnlicher  Ver- 
anlassung davongelaufen  oder  ausgetretten  sind»  ohne  dass 
eine  Klage  von  Seiten  der  Dienstherrschaft  hierüber  er- 
hoben worden  wäre.** 

Trotzdem  aus  diesem!  allem  hervorgeht,  daß  die  Poli- 
zeidirektion eine  Aufzeichnung  des  Gesinderechts  durch- 
aus nicht  für  nötig  hielt,  sandte  ihr  die  papieresfrohe 
Regierungskomimission  doch  zur  Beurteilung  die  kur- 
hessische Gesindeordnung  von  1797  ein,  die  unter  Weg- 
lassung der  §§  14  (Bestrafung  des  Naschens)  und  16 
(Schandpfahl)  und  unter  Abänderung  einiger  Kleinig- 
keiten wohl  auch  für  Fulda  passen  würde. 

Die  Polizeidirektion  stimimt  dem=  zu  wie  1811  der 
beabsichtigten  Einführung  der  frankfurter  Gesindeord- 
nung (12.  August  1816).  Sonderbarer  Weise  ist  das  ein- 
zige, was  sie  an  Neuerung  vorschlägt,  eine  Bestimmung 
über  die  Dienstbeendigung  bei  Schwangerschaft  der 
Mägde. 

Jetzt  hat  die  Regierungskommission  nichts  Eiligeres 
zu  tun,  als  einen  Bericht  nach  Cassel  zu  schicken  über 
die  dringende  Notwendigkeit  einer  Gesindeordnung  für 
das  gesetzeslose  Großherzogtum'  (13.  Sept.  1816).  In  über- 
triebener Weise  wird  aus  den  trockenen  Mitteilungen  der 
Polizeidirektion  zurechtgemacht,  was  alles  für  Mißstände 
infolge  der  Schlechtigkeiten  der  Dienstboten  herrschten. 
Natürlich  muß  das,  was  dte  Polizeidirektion  über  die  vor- 
kommenden Dienstverlassungen  der  Mägde  gesagt  hatte, 


—     156    — 

vor  allem  herhalten ;  auch  jene  Herrschaften  mit  den  zwei- 
hundert Dienstmädchen  spielen  eine  entsprechende  Rolle. 
Wohlweislich  unterschlägt  die  Komfmission  aber,  daß  die 
Polizeidirektion  gerade  den  Herrschaften  einen  Teil  der 
Schuld  zugeschoben  hatte.  Ja,  sie  bemerkt  sogar,  daß 
eine  Gesindeordnung  von  den  Einwohnern  sehr  gewünscht 
werde.  Dies  vor  allem'  ist  merkwürdig.  Denn  auf  die 
Anfrag'e,  ob  Dienstherren  eine  Gesindeordmmg  wünschen, 
hatte  die  Polizeidirektion  ablehnend  geantwortet,  Klagen 
seien  nicht  vorgekomimen.  Auch  sonst  ist  in  den  Akten 
nichts  über  einige  direkte  Beschwerden  bei  der  Regier ungs- 
kommission  enthalten ;  vielleicht  hatten  die  Regierungsräte 
besonders  üble  Erfahrungen  mit  ihrem  fuldaer  Dienst- 
personal gremacht. 

Mit  ihrem!  Bericht  sandte  die  Regierungskommission 
einen  Entwurf  für  die  neue  Gesindeordnung  nach  Cassel. 
Der  Entwurf  ist,  wie  es  im'  Begleitschreiben  heißt,  größ- 
tenteils in  Anlehnimg  an  die  hessische  Gesindeordnung 
von  1797  entstanden,  „nur  in  wenigen  auf  die  hiesige 
Landes  Verfassung  nicht  passenden  Sätzen**  weicht  sie 
von  ihrem-  Vorbild  ab.  Das  Konzept  des  Entwurfes  ent- 
hält mehrere  sachliche  Verbesserungen  von  gebildeter 
Hand.  Der  Entwurf  wurde  unverändert  als  Gesetz  ange- 
nomimen;  datiert  ist  dies  mit  dem  28.  Dezember  1816^). 

Der  Inhalt  der  Gesindeordnung  stinmit,  soweit  im 
folgenden  keine  Abweichungen  bemerkt  sind,  vollständig 
mit  demjenigen  der  hessischen  Gesindeordnung  von  1797 
überein. 

In  der  Einleitung  wird  nur  über  das  schlechte  Be- 
tragen des  Gesindes  geklagt,  nicht  wie  1797  auch  noch  über 
Untreue  imd  Betrügereien;  dazu  hatte  die  Regienmgs- 
koromission  wohl  doch  nicht  Material  genug,  um  den 
Dienstboten    auch    dies    noch    zu  unterstellen.     Fortge- 


')  Abgedruckt  bei  Möller>Fuchs  S.  118 


—     156    — 

lassen  in  der  fuldaischen  Gesindeordnung  sind  die  beiden 
ersten  Paragrraphen  der  hessischen  über  die  Verivertung 
der   Kinder   und  Müßiggänger  —  ein  Zeichen    für    den 
neuen  Geist,  dessen  Hereindringen  man  nicht  ruletzt  der 
Schule    des  westfälischen  Regim^ents    verdankte.       Eine 
benjerkenswerte  Neuerung  ist  femer  die  Anordnung:,  daß 
die  Behörden  für  Erteilung  der  Zeugnisse  nichts  fordern 
dürfen    (§    1);     1797    war    die    Höchstsumkne    des    Ent- 
gelts auf  zwei  Albus  festgesetzt  worden  (§  3).      Sprach- 
puristische Gemüter  wird  dazu  noch  die  Ersetzung   der 
„Attestate"   durch    „Bescheinigungen"   und    „Zeugnisse^" 
erfreuen. 

§  6  der  hessischen  Ordnung  über  den  Lohn  ist  jetzt 
ganz  fortgelassen.    Was  sollte  er  auch  noch?    Er  sagte 
ja  nur  Negatives.     In    §  4    der    fuldischen  Gesindeord- 
nung (1797:  §  7)  steht  im  Einklang  mit  §  16  keine  Be- 
stimmung über  die  Nichtbeendigrimg  des  Dienstes  durch 
Heirat  des  Dienstboten.    Neues  bringt  §  7  (1797 :  §  10). 
Nach  hessischem»  Recht  konnte  der  grundlos  entlassene 
Dienstbote  kein  Kostgeld  fordern.   Die  neue  Gesindeord- 
nung bestimmt:    „Eine  mäßige  Vergütung  für  die  ent- 
zogene  Kost  hat  nur  dann  statt,  wenn  die   Herrschaft 
aus  bioser  Willkühr  gehandelt  und  der  Dienstbote  keinen 
andern  Dienst  gefimden  hat.   Kommt  über  diesen  Punkt 
eine   gütliche   Vereinigimg  nicht   zu   stände,   so  hat   die 
Obrigkeit,  nach  billigem'  Ermessen,  sumtoarisch  darüber 
zu  erkennen."    Femer  wird  in  diesem«  Paragraphen  nicht 
nur  der  Fall  berücksichtigt,  daß  die  Herrschaft  den  noch 
nicht  eingetretenen  Dienstboten  nicht  annehmen  will  (so 
1797),  sondern  auch  der,  daß  sie  den  schon  im'  Dienste  be- 
findlichen   grundlos    wegschickt.     Weise    Beschränkung 
offenbart  sich  in  §  8  der  fuldaer  Ordnimg  (1797:  §  11). 
Denn  nur  die  erste  Hälfte  des  entsprechenden  hessischen 
Paragraphen  wurde  übernommen.    Was  darüber  hinaus- 
geht,   steht   nicht   in   der   neuen   Gesindeordnung.    Das 


—     167    — 

sind  Vorschriften  über  Widerspenstigkeit,  Fluchen,  Trin- 
ken, Spielen  und  ähnliche  Dinge. 

Von  einer  geringen  Veränderung  des  §  9  gegenüber 
dem'  hessischen  §  12,  die  sachlich  nichts  hinzufügt,  ab- 
gesehen, ist  vor  allenn  die  Neubildung  des  Strafensystems 
zu  nennen.  §  10  kennt  den  Strang  nicht  mehr.  Dafür 
wird  dann  in  §  11  auf  das  Naschen  im  Rückfall  vierund- 
z^anzig^stündiges  Gefängnis  gesetzt.  Und  statt  des  Schand* 
pfahls  dient  nun  das  fuldaische  Provinzial-Blatt  dazu,  die 
vom  Gesinde  begangenen  Frevel  der  Allgemeinheit  be- 
kannt zu  machen  (§  13).  Die  Summe  beim  Einkaufsbe- 
truge  wird  auf  neim  Gulden  (statt  auf  fünf  Thaler)  ange- 
setzt. 

Die  einzige  von  der  fuldaer  Polizeidirektion  ge- 
wünschte Neuerung  enthält  §  16 :  Eine  schwangere  Magd 
kann  gleich  weggeschickt  werden.  „Zieht  es  aber  die 
Herrschaft  vor,  einen  solchen  Dienstboten  noch  auf  kür- 
zere oder  längere  Zeit  im"  Dienste  zu  behalten,  so  ist  sie 
verbunden,  bei  der  Arbeit  auf  den  Zustand  desselben  billige 
Rücksicht  zu  nehmen,  und  ihm  nicht  allzu  harte  oder  gar 
der  Gesundheit  nachtheilige  Arbeit  zuzumiuthen.** 

Da  die  Gesindeordnimg  über  die  Publikationsart  imi 
Aaihange  keine  Verfügung  enthielt,  schlug  die  Polizei- 
kommission  am  18.  März  1817  „imzielsetzlich**  vor,  sie 
im  Provinzialblatt  für  Fulda  abzudrucken.  Die  Regierung 
stimmte  dem  am  31.  März  1817  zu.  Dies  blieb  der  einzige 
Punkt,  über  den  nachträglich  eine  Verhandlung  stattfand. 
Im  übrigen  hatte  niemand  eine  Beschwerde  oder  einen 
Verbesserungs Vorschlag  einzureichen. 

Auch  das  zu  Hessen  neu  hinzugekomlmene  isen- 
burgische  Land  sollte  nun  sein  Gesinderecht  haben. 
Wenigstens  war  dies  die  Absicht  der  „Kommission  zur 
vorläufigen  Verwaltung  der  neu  acquirirten  Standesherr- 
Hchen  Districte".  Sie  teilte  es  der  hanauer  Regierung  mit, 
die  am  30.  September  1817  eine  Anfrage  an  die  Regierung 


—     168    — 

in  Cassel  richtete.  Diese  fragte  nun  bei  der  hanauer 
Polizeikomlmission  an.  Mehr  ist  aus  den  Akten  ^)  über  die 
ganze  Aktion  nicht  zu  erfahren. 

Daß  aber  nichts  dabei  herausgekomanen  ist,   greht 
aus  einem!  Schreiben  der  hanauer  Regierung  an  das  Mi- 
nisterium des  Innern  vom'  23.  Februar  1826  über  die  Ein- 
führung von  Gesindebüchem  hervor  *).  Daraus  ergibt  sich, 
daß  es  nicht  bloß  die  damals  isenbiurgischen  Länder  waren, 
die  kein  Gesinderecht  hatten,  sondern  auch  noch  die  unter 
kurmainzer  Recht  stehenden  Dörfer  Großauheim,  Groß- 
krotzenburg,  Oberrodenbach,  die  gemeinrechtlichen  Ge- 
biete Ramholz  und  Praunheim'  und  der  Huttensche  Grund 
um^  Rom]sthaH).    Damals  fragte  die  hanauer  Regierung: 
von  neuem  an,  ob  eine  Ausdehnung  der  (fuldischen)  Ge- 
^indeordnung  auch  auf  diese  Gebiete  nicht  möglich  wäre. 
Nach  langem:  Zaudern  gab  das  Ministerium'  *\m  27.  Juni 
1833  den  Bescheid,  „dass  vor  einer  Ausdehnimg  der  Ver- 
ordnung vom-  28ten  DeCember  1816  über  das  Großherzog-- 
thum  Fulda  hinaus,  dieselbe,  und  damit  zugleich  die  alt- 
hessischen Verordnungen  über  das  Gesindewesen,  einer 
Revision  zu  unterwerfen  seyn  würden,  dieses  aber  Vor- 
arbeiten und  eine  Veränderung  der  Gesetzgebung  erfor- 
dere, wozu  dermalen  nicht  der  geeignete  Zeitpunckt  sey." 

Der  „geeignete  Zeitpunckt*'  ist  auch  später  nie  ge- 
kommen, denn  bis  heute  ist  in  diesen  Gebieten  noch  kein 
Gesinderecht  eingeführt  worden  *).  Damals  war  der  Grund 
der  Absage  wohl  die  Furcht,  die  Ständeversamlmlung 
möchte  bei  einer  Neubearbeitxmg  des  Gesinderechts  zu 
radikale  Abstriche  vornehmen  —  ganz  wie  heute.  Nur 
brauchte  das  Ministerium!  1833  der  Regierung  gegenüber 


')  St.  A.  Marburg.  Cass.  Reg.-Akten  Gesindewesen  1815—1817« 
—  ')  Ebenda.   —   ')  Die  Geltung  dieser  Rechte  in  den  genannten 
Orten   ergibt    sich   aus  der  übersichUichen    Karte  in  Kerstings 
Sonderrechten.  —  ^)  Baumann  S.  6,  Süsskind  S.  8 


—     159    — 

nicht  auf  eine  Ausrede  zu  sinnen«  sondern  konnte  ohne 
Angabe  von   Gründen  eine  Absage  erlassen. 

Iiö  Februar  1826  überreichte  die  Oberpolizeidirektion 
zu  Cassel  dem  Minister  des  Innern  zwei  für  Stadt  und 
Kreis  entworfene  Gesinde bücher*).  Der  Ministerial- 
beschluß  vom  26.  Februar  1825  gfenehmigte  diese  Ein- 
richtung als  zweckmäßig  für  alle  Provinzen  und  beauf- 
tragte die  Oberpolizeidirektion,  das  Erforderliche  den  Re- 
gierungen mitfuteilen.  Diese  erhielten  darauf  ein  Probe- 
buch und  ein  Dienstbotenregister  zugeschickt.  Im'  Laufe 
des  Jahres  (in  den  kleineren  Orten  der  Provinz  Hanau 
erst  am  13.  Juli  1833)  kam'  die  Einrichtung,  zum  Er- 
satz der  bisher  gebräuchlichen  Aufenthaltsscheine,  über- 
all zur  Einführung.  In  der  Folgezeit  ergeben  sich  einige 
verwaltungsrechtliche  Streitigkeiten  über  die  Zuständig- 
keit der  Behörden;  näheres  darüber  braucht  hier  nicht 
mitgeteilt  zu  werden. 

Auch  über  Entstehen  und  Vergehen  von  verschie- 
denen Plänen  zur  Errichtung  von  Gesindekrankenanstal- 
ten und  -Kassen  an  mehreren  Orten  Hessens  wird  in 
andenn  Zusammenhange  des  2.  Teiles  *)  berichtet  werden. 

Als  wichtiges  Sondergesetz  verdient  die  große  Hirten- 
ordnung vom»  18.  Oktober  1828^)  Erwähnung.  Über  Ge- 
sindestreitigkeiten wurden  mehrmials  prozessuale  Anord- 
nungen getroffen,  so  am  8.  April  1826,  18.  Oktober  1834, 
22.  Dezember  1853*). 

In  die  letzten  fünfzehn  Lebensjahre  Kurhessens  fällt 
öoch  eine  rege  Tätigkeit  in  der  Gesindegesetzgebung, 
reger  beinahe  als  alle  früheren  Untemehmiungen.  Es  war 
die  Zeit,  da  Vihniar  im  Ministerium^  arbeitete,  imd  sein 


^)  St  A.  Marburg.  Cass.  Reg.-Akten,  Gesindewesen.  1815  bis 
1817.  Marb.  Reg.-Akten,  Rep.  III,  Tit.  IV  10.  Fuld.  Reg.-Akten  Pol.- 
Rq>.  m  A,  180.  Han.  Reg.-Akten  Nr.  815  und  816  des  Repos.  Cef. 
Rcpert.  Nr.  ffl,  O.-Nr.  2.  —  »)  Teü  2,  §  11.  -  •)  Möller-Fuchs 
a  627.  —  «)  Ebenda  S.  588,  1085,  1290  ff.,  bes.  1291,  1808. 


-     160     - 

Geist,  wo  nicht  maßgebend,  so  doch  typisch  war  für 
Anschauungen  der  Regierenden  und  der  Beamten  im 
Lande.  Kein  Wunder,  daß  selbst  das  Gesinderecht  davon 
berührt  wurde. 

1851  unternahm'  die  casseler  Regierung  eine  Enquete 
über  das  Gesindewesen  und  seine  Mißstände^).  Die  Re- 
gierung schickte  am'  10.  Juni  1851  an  die  drei  Verwaltung^s- 
ämter  in  Cassel,  Hofgeismar  und  Wolfhagen  ein  sehr  aus- 
führliches Umschreiben,  in  dem  ungefähr  folgendes  ent- 
halten ist. 

Zwar  kann  man  den  Gesindeordnungen  entnehmen, 
daß  Klagen  über  das  Gesinde  auch  schön  früher  vorge- 
kommen sind.    Aber  gerade  neuestens  erfolgt  ein  steter 
Wechsel  der  Dienstboten.   Früher  war  ein  Jahr  die  reg-el- 
mäßige  Dienstzeit.   Heute  kaum  noch  ein  halbes  und  ein 
Vierteljahr,  „und  es  sind  schon  Fälle  vorgekomimen,  daß 
ein  Individuum'  während  9  Monaten  auch  9  Dienste  ge- 
habt hat**.  Es  werden  zwölf  Fragen  gestellt.  Die  wichtigste 
geht  dahin,  ob  es  sich  empfiehlt,  Dienstboten,  die  wäh- 
rend zwölf  Monaten  den  dritten  Dienst  annehmen  wollen, 
die  Visierung  des  Dienstbuches  zu  versagen,  auswärtige 
auszuweisen.    Weiter  will  die  Regierung  wissen,  ob  man 
auch  einem  ungünstigen  Zeugnisse  der  Herrschaften  die 
Wirkung  verleihen  soll,  daß  die  Visierung  des  Dienst- 
buchs versagt  wird.   Das  Schreiben  erkundigt  sich  dann 
nach  der  Häufigkeit  der  Fälle,  in  denen  zu  grünstige  Zeug- 
nisse Veranlassimg  gegeben  haben,  den  Ausstellei:  gericht- 
lich zu  verfolgen.    Auch  darüber  soll  Auskunft  gegeben 
werden,  ob  außerehelich  geschwängerte  Mägde  oder  Ge- 
schlechtskranke  zum'  Aufgeben  des   Dienstes   veranlaßt 
worden  sind.    Wichtig  ist  sodann  die  Frage  nach  Zahl 
und  Einfluß  der  Gesindemäkler,  sowie  die  Aufforderung, 
eine  Statistik  der  Dienstboten  aufzustellen. 


*)  Fürs  Folgende    St.  A.  Marburg.    Akten  der  Cass.  •  Reg.,  Ge- 
sind ewesen  betr.  1851  ff. 


—     161     — 

Außer  den  Antworten  der  befragten  Verwaltungs- 
ämter Cassel,  Hofgeiamlar  und  Wolfhagen  liegen  auch 
noch  die  von  diesen  herangezogenen  Berichte  der  Land- 
ratsämter  vor,  alle  zusamhien  ein  ziemlich  ergiebiges  Ma- 
terial zur  Beurteilung  der  Fragen. 

Die  meisten  Berichterstatter  stimmen  dem  Vorschlag 
der  Bestrafung  zu  häufigen  Dienstwechsels  zu.  Nur  die 
Landräte  von  Melsungen,  Rotenburg  und  Homberg  wollen 
davon  nichts  wissen,  der  von  Homberg  deshalb  nicht,  weil 
es  „an  und  für  sich**  eine  Sache  der  persönlichen  Frei- 
heit ist,  wie  oft  ein  Dienstbote  sich  vermieten  will;  „es 
würde  also  einer  Norm}  bedürfen,  durch  welche  jene 
Beschränkung  gerechtfertigt  würde,  \md  eine  solche  ist 
meines  Wissens  nicht  vorhanden.**  Fast  einstimmig 
wird  dagegen  der  Gedanke  abgelehnt,  schlechte  Zeugnisse 
durch  Versagen  des  Visierens  zu  ahnden.  Das  würde  de- 
moralisierend wirken.  Klagen  wegen  Schädigung  durch 
zu  günstige  Zeugnisse  hat  so  gut  wie  nie  eine  Herr- 
schaft angestellt.  Schwangere  oder  geschlechtskranke 
Dienstboten  wurden,  soweit  so  etwas  überhaupt  vorkam», 
stets  entlassen  oder  weggeschickt,  ohne  Widerspruch  der 
Betroffenen. 

Am  bemerkenswertesten  ist  das  Ergebnis  der  Anfrage 
nach  den  Gesindemäklem.  In  keinem  der  Landbezirke  gibt 
es  solche.    Nur  die  Stadt  Cassel  kennt  sie.    Und  sie  hat 
eine  bescmdere  Instruktion  für  sie  entworfen.   Darin  ste- 
hen vornehmlich  Beschränkungen  der  „Commissionairs** 
in  der  Ausübung  ihres  Gewerbes.   Sie  dürfen  nur  polizei- 
lich legitimierte  Dienstboten  vermieten.    Sie  haben  Re- 
gister zu  führen  über  die  Herrschaften,  die  Dienstboten 
haben  wollen,  und  über  die  stellesuchenden  Dienstboten. 
Vi(»ausempfang   der   Gebühren   ist   nicht   gestattet.    Die 
Gebühr  beträgt   16   Sgr.,  wenn  ein  Vertrag  durch  den 
Mäkler  abgeschlossen  ist;  10  Sgr.  für  den  Fall,  daß  der 
Stelhmgsuchende  in  anderer  Weise  befriedigt  wird  oder 

11 


—     162    — 

eine  ihm  vom  Mäkler  angebotene  Stellung  ausschlägt. 
Der  Mäkler  darf  von  den  Stellimgsuchenden  keine  Gegen- 
stände zur  Bezahlung  in  Versatz  nehmen,  bei  Strafe  von 
1  bis  6  Th.  Über  den  Einfluß  der  Gesindevermittler  auf 
die  Dienstbotenverhältnisse  äußert  sich  das  Verwaltungrs- 
amt  sdu-  pessimistisch.  Die  Mäkler  verleiten  die  Dienst- 
boten ru  häufigem'  Dienstwechsel,  weil  sie  auf  die  Weise 
viele  Gebühren  bekomimen.  Und  die  Aussicht,  durch  die 
Mäkler  imimer  wieder  einen  Dienst  zu  bekbmtoen,  ver- 
leitet die  Dienenden  zu  Unarten  und  Ungehorsaim.  Or- 
dentliche Herrschaften  komlmen  fast  nie  in  die  Verlegen- 
heit, sich  an  einen  Comimissionair  wenden  zu  müssen; 
denn  hier  wird  sich  die  Nachricht,  daß  nächstens  eine 
Stelle   frei   ist,   bald  herumsprechen. 

Schließlich   seien   noch  die   Statistiken  des    Dienst- 
wechsels mitgeteilt,  die  einige  Berichte  enthalten.    Von 
889  Dienstboten  im'  Amt  Wolfhagen  hatten  im  Jahre  1850 
nur  16  mehr  als  einen  Dienst.   In  Hofgeismär  waren  es 
18  von  insgesamt  428  Dienstboten.  Auch  der  Prozentsatz 
in  Witzenhausen  ist  gering:  56  von  1653.    Demi  konmit 
die  Lage  im  Bezirke  Rotenburg  nahe ;  hier  hatten  68  von 
1686  mtehrere  Dienste  in  einem'  Jahre.  In  Homberg  waren 
es  nur  50  von  1807,  in  Fritzlar  zwar  noch  einmal  soviel, 
aber  immer  noch  wenig  genug :  125  von  1895.  Nur  in  der 
Stadt  Cassel  war  es  wirklich  schlimm.  Das  Verwaltungs- 
amt gibt  an,  daß  die  Hälfte  der  859  Dienstboten  mehr 
als  zwei,  ein  Sechstel  gar  mfehr  als  drei  Dienste  gehabt 
habe. 

Das  Ausschreiben  und  seine  Beantwortungen  blie- 
ben ohne  praktisches  Ergebnis.  Es  erfolgte  zunächst  nichts 
von  gesetzgeberischen  Maßnahmen.  Die  Zahlen,  die  die 
Berichte  brachten,  ließen  ein  besonders  dringendes  Be- 
dürfnis zu  gesetzgeberischem  Vorgehen  nicht  erkennen. 

Dabei  war  freilich  der  „allgemeine**  Inhalt  der  Ant- 
worten auch  durchaus  nicht  geeignet,  ein  praktisches  Vor- 


—     163    — 

gehen  zu  veranlassen.  Die  Berichte  triefen  geradezu  von 
Frönxmigrkeit.  Die  Beamten  hatten  ihren  Stahl  mit 
großem  Eifer  studiert,  und  sie  hatten  sich  die  Revolution 
als  Gegenbeispiel  tief  in  die  Seele  greifen  lassen.  Sie 
konnten  sich  aber  auch  der  unbestrittenen  Erkenntnis  nicht 
verschließen,  daß  gerade  die  Herrschaften  mit  einen 
Teil  der  Schuld  tragen  an  den  Mängeln  im»  Gesindewesen. 
Ja,  diese  Feststellung  paßt  sogar  vortrefflich  ins  System'. 
Die  Menschen  sind  ja  alle  —  so  stellen  die  Gutachter 
fest  —  von  Gott  verlassen  in  diesen  bösen  Zeiten,  auch 
die  Herrschaften;  nur  ist  das  bei  den  „niederen  Classen" 
in  stärkerem!  Grade  der  Fall  als  bei  den  „Gebildeten**., 

Die  Stellen  der  Berichte,  soweit  sie  allgemeine  Be- 
trachtungen enthalten,  sind  zu  wichtig  für  die  Zeitge- 
schichte, für  die  Art,  in  der  sich  in  diesen  neuen  Jahren 
die  Welt  in  den  Köpfen  der  Regierenden  ansah,  als  daß 
sie  hier  bloß  erwähnt  werden  könnten.  In^  folgenden 
werden  daher  die  wichtigsten,  schlagendsten  Stellen  im- 
Wortlaut  wiedergegeben. 

Hofgeismar:  „Als  die  untern  Volksklassen  noch  sitt- 
lich religiös  waren,  auf  Ordnung  und  Zucht  hielten,  ein- 
fach und  eingezogen  lebten,  da  gab  es  gute  Herrschaften 
und  gutes  Gesinde.  In  diesen  Zeiten  gehörte  das  Gesinde 
gleichsam  mit  zur  Familie  der  Herrschaft,  es  arbeitete 
mit  Lust  imd  Freude  für  dieselbe  so,  als  wenn  es  für  sich 
selbst  wäre,  war  derselben  gehorsam*  und  treu.  Selten 
wechselte  es  den  Dienst,  sondern  blieb  in  der  Regel  so 
lange  bei  der  Herrschaft,  bis  es  seinen  eigenen  Heerd 
gründete,  wobei  es  dann  für  seine  treue  Dienste  auch  hilf- 
reiche Unterstützung  bei  der  Herrschaft  fand.  Viele  der- 
selben blieben  auch  Zeit  ihres  Lebens  in  ein  und  demiselben 
t)iensthause  vom  Vater  auf  den  Sohn.  Seit  dem'  aber  die 
alten  guten  Sitten  nach  und  nach  abgestellt,  der  wahre 
Glaube  der  Väter  verlassen  worden,  ist  auch  ein  großer 
Verfall  sowohl  bei  Herrschaften  als  Dienstboten  einge- 
ll» 


—     164    — 

treten  und  es  wird  auch  wohl  dieser  so  lange  bleiben,  bis 
jene  Sitten  und  jener  Glauben  wieder  zurüdclrchren.  Dieses 
aber  zu  bewirken,  steht  in  keines  Menschen  Gewalt." 
Ahnlich  ist  der  Bericht  aus  Cassel  gestimmt. 

Noch  frömmer  ist  der  Landrat  in  Eschwege.  Er 
schreibt  so:  „Die  Klagen  über  das  Gesinde,  welche  man 
in  neuerer  Zeit  hört,  sind  leider  nur  zu  begründet.  — 
Der  Grund  liegt  in  der  Richtimg  der  Zeit.  Es  müßte 
Wtmder  nehmen,  wenn  es  anders  wäre,  wenn  in  einer 
Zeit,  wo  der  höchste  Herr  im'  Himinel  geleugnet  wird, 
und  man  die  von  diesem  den  Fürsten  der  Erde  ver- 
liehene  Gewalt  zu  zertrümimern  sucht,  bei  dem   Gesinde 

Zucht  und  Sitte  geblieben  wäre Mit  der  Irreligiosität 

hört  der  Hinblick  auf  das  Jenseits,  sowie  Verehrung-  der 
göttlichen  Welten-Ordnung  und  damit  christliche  Fügung 
und  Zufriedenheit  mit  dem  einem  zu  Theile  gewordenen 
Loose  auf.   Dieses  kann  nur  eine  Überhebung  und  Auf- 
lehnung des   Gesindes    gegen  die   Gesetze  des    Staates, 
nicht  weniger  als   gegen  die  Brodherrschaft  zur   Folge 
haben.  .•.   Wenn  die  Brodherrschaft  das  Gesinde  nicht 
mehr  als  Theil  der  Familie  bezw.  des  Hausstandes  an- 
sieht, nicht  zum'  Guten  anhält,  vom  Kirchenbesuche  wohl 
gar  abhält,  viehnehr  nur  darauf  bedacht  ist,  den  grrößt- 
möglichen  Vortheil  aus  der  Arbeitskraft  der  Dienstboten 
zu  erzielen,  wie  es  in  neuster  Zeit  meistentheils  der  Fall 
ist,  dann  läßt  sich  keine  Anhänglichkeit  an  die   Brod- 
herrschaft   seitens    des   Gesindes    erwarten,    dann    wird 
pflichttreue  Dienstübung  desselben  selten  sein  und  die 
Erscheinungen  der  Neuzeit  können  nicht  fehlen.** 

Sodann  noch  als  besonders  prägnante  Zusammen- 
fassung die  Äußerungen  im'  marburger  Bericht:  „Wenn 
es  nun  eine  historische  Erfahrung  ist,  daß  wirklich  seit 
etwa  50  bis  60  Jahren  (auch  wohl  noch  länger)  durch 
eine  Richtimg  des  mienschlichen  Geistes  —  in  der  er 
seine  eigene  Weisheit  an  Stelle  der  Weisheit  Gottes  zu 


—     165    — 

setzen  strebte,  das  Wort  Gottes  aus  Kirche,  Schule  und 
Haus  mosrlichst  verdrängt  und  anstatt  der  lautem  Offen- 
barung Gottes  in  Gesetz  und  Evangelium'  allerlei  dasselbe 
mehr  oder  weniger  fälschende  Menschentheorie  und  Weis- 
heit ohne  Saft,  Kraft  und  Leben  dem>  Volke  dargeboten 
ist,  die  selbst  dürr,  auch  nur  auszutrocknen  vermöchte 
-  und  damit  auch  die  Kirchenzucht  in  Verfall  gerathen 
ist,  so  ist  es  kein  Wunder,  im'  Gegentheil  sehr  natürlich, 
wenn  sich  die  Folgen  davon  in  den  sittlichen  Zuständen 
des  Volkes  überall,  bei  allen  Ständen  und  in  allen  Ver- 
hältnissen auf  die  oben  angedeutete  sehr  betrübende 
Weise  zeigen."  Inü  folgenden  werden  noch  Bibelstellen 
zitiert,  so  die  bekannte  Kol.  4,  1. 

Hierbei  kann  also  nichts  heraus.  Aber  was  der  um- 
fassenden Hnqufete  nicht  gelang,  erreichte  später  eine  ein- 
zige Beschwerde.  1857  erfuhr  die  Regienmg  nämlich  von 
dem  „nächtlichen  Entweichen**  eines  Knechts  in  der  Stadt 
Wabern.  Das  passierte  im'  März;  die  Regierung  erhielt 
im  April  Nachricht.  Am'  25.  Mai  erging  ein  Ausschreiben 
an  die  Regierungen,  unterzeichnet  von  Scheffer  als 
Minister  des  Innern. 

Es  lautet:  „Bei  dem»  Überhandnehmen  der  Klagen 
über  Gesindemangel  imd  über  leichtfertige  Lösung  des 
Dienstverhältnisses  haben  die  Regierungen  und  die  Regie- 
nings-Comimissionen  zum  Schutze  der  dienstherrlichen 
Autorität  und  zur  Verhütimg  des  eigenwilligen  Dienst- 
bniches  wegen  eingehender  Handhabung  der  Gesinde- 
Ordnungen  und  der  darauf  bezüglichen  Vorschriften  nicht 
allein  einschärfende  Anordnung  ru  erlassen,  sondern  auch 
zu  verfügen,  daß  Dienstboten,  welche  im»  Laufe  der  Dienst- 
zeit ohne  Einwilligung  der  Dienstherrschaft  austreten,  auf 
die  Anzeige  der  letzteren  sofort  zwangsweise  zurückge- 
führt und  denmächst  zur  Bestrafung  gebracht  werden; 
und  daneben  darauf  hinzuwirken,  daß,  unter  geeigneter 
Betheiligung  der  Ortsgeistlichen  imd  Volksschullehrer,  die 


—     166    — 

rechtlichen  und  sittlichen  Grundlagren  des  Verhältnisses 
zwischen  der  Dienstherrschaft  und  dem«  Gesinde  überhaupt 
zum  lebendigeren  Bewußtsein  gelangen." 

Auf  dies  Umschreiben  hin  sandte  die  Regierung  am 
10.  Juh  1857  ein  Zirkular  an  die  Schulvorstände  und 
Schulinspektoren,  Es  ist  außerordentlich  fromüi  ausge- 
fallen, ganz  im  Predigttone  der  Berichte  aus  dem  Jahre 
1851  gehalten,  und  hat  folgenden  Wortlaut: 

„Die  täglich  sich  mehrenden  Klagen  über  leichtfer- 
tiges, tuizuverlässiges  und  imtreues  Gesinde  weisen  in  be- 
dauerlicher Weise  darauf  hin,  dass  die  religiös  sittliche 
Bedeutung  des  Verhältnisses  zwischen  Dienstboten  und 
Herrschaften  dem  Bewusstsein  des  Volkes  bereits  in  hohem 
Grad  entschwunden  ist  und  dieses  Bewusstsein  einer  sorg- 
fältigen Pflege  bedarf,  wenn  dem»  drohenden  Verderben 
Einhalt  gethan  und  eine  nachhaltige  Besserung  angebahnt 
werden  soll.   Die  Herrn  Schulinspectoren  und  Schulvor- 
stände werden  es  sich  darum  dringend  angelegen  sein  lassen, 
auf  Beseitigung  dieses  Übels  mit  allen  ihnen  zu  Gebote 
stehenden  Mitteln  nach  Kräften  hinzuwirken.  Sie  werden 
zu  dem-  Ende  insbesondere  die  ihnen  untergebenen  Lehrer 
anweisen  und  anleiten,  bei  Behandlimg  des  4.  bezw.  5.  Ge- 
bots oder  sonst  an  passendem  Ort  auf  Grund  der  einschla- 
genden Schriftstellen  (Col.  3,  22.  23;  Eph.  6,  5—8;  1.  Petr. 
2,  18.  19;  Gol.  4,  1;  Eph.  6,9)  die  nöthigen  Belehnmgen 
und  Ermahnungen  eintreten  zu  lassen.  Es  ist  dabei  hervor- 
zuheben,   wie    das  Verhältnis  zwischen   Herrschaft  und 
Dienstboten  in  deml  rechten  Verhältniss  zwischen  Eltern 
und  Kindern  seine  Wurzel  hat  und  darum  die  Dienstboten 
als  Glieder  der  Familie  angesehen  werden  imd  sich  selbst 
als  solche  ansehen  müssen,  wie  es  erst  dann  rechter  Art 
ist,  wenn  die  Stellung  der  Herrschaft  eine  elterliche,  die 
des  Gesindes  derjenigen  fromimer  Kinder  ähnlich  gewor- 
den ist,  und  wie  das  nur  muöglich  ist,  wenn  man  sich 
beiderseits     von    einer    Vaterliebe    Gottes    im    Geiste 


—     167    — 

umschlungen,  durch  eine  Heilandsliebe  erlöst,  in  eine 
Gotteskindschaft  aufgenommen  und  der  Gemeinschaft, 
dem  Leibe  eingepflanzt  weiss,  zu  welchem'  alle  Glie- 
der gleich  nothwendig  xmd  in  Gottes  Augen  gleicher 
Ehre  werth  sind,  cf.  1.  Gor.  12,  13  ff.  Die  Heran- 
ziehung und  Teilnahme  am  gemeinsamen  Hausgottes- 
dienst ist  als  beiderseitige  segensreiche  Pflicht  einzuprägen. 
Endlich  ist  auch  die  an  die  ErfüUxmg  des  4.  bezw.  5.  Ge- 
bots geknüpfte  Verheißimg  als  eine  auch  diesem»  Ver- 
hältniss  geltende  nachzuweisen  und  durch  Beispiele  aus 
der  biblischen  Geschichte  xmd  Züge  aus  dem'  Leben  from- 
mer Dienstboten  anschaulich  zu  machen.** 

Die  Landräte,  deren  Vermittelimg  sich  die  Regierung 
bedient  hatte,  schickten  bald  Antworten  ein,  die  alle  in 
einem  übereinstimimten,  daß  nämlich  die  Schuld  nicht 
allein  bei  den»  Gesinde  liege.  Vornehmlich  die  Herr- 
schaften sind  es,  die  zur  Verkürzung  der  Dienstverhält- 
nisse beitragen,  sie  sind  hart  und  geizig,  mieint  der  Land- 
rat in  Homberg.  So  sagt  auch  der  wolfhagener  Landrat: 
die  Herrschaften  betrachten  die  Dienstboten  als  blosse 
Arbeitsmaschinen,  die  am!  allerwenigsten  gute  Behand- 
lung beanspruchen  könnten. 

Auch  in  Fritzlar  schiebt  man  die  Schuld  den  Herr- 
schaften zu ;  auch  hier  heißt  es,  die  Dienstleute  seien  nichts 
als  Arbeitsmaschinen.  Aber  erst  in  zweiter  Linie  haben 
sich  die  Herrschaften  zu  bessern.  Denn  „es  ist  dies  fast 
zur  Epidemie  gewordene  Benehmen  der  Dienstboten  leider 
ein  eigentüniiliChes  Zeichen  der  Zeit,  und  eine  Folge 
der  umi  sich  greifenden  social-demokrati- 
schen  Ideen  (18571),  der  Irreligiosität,  des  allzuleicht 
gemachten  Auswandems  und  Ar beitsuchens  in  der  Fremde, 
der  aus  Annerica  herüberschallenden  Botschaft  von  dem 
dortigen  freieren  Standpuncte  der  dienenden  Classe**. 

Die  Ansicht,  die  der  Herrschaft  viel  Schuld  zuteilen 
will,  war  auch  bei  der  Regierung  vertreten.   Am'  Rande 


-     168    — 

neben  «der  entsprechenden  Stelle  imi  wolfhagener  Schretben 
steht  mit  Bleistift  „sehr  wahr!" 

Angeführt  sei  noch  eine  im  Bericht  des  Landrats 
zu  Wolfhagen  mitgeteilte  Äußerung  des  Pfarrers  Martin 
in  Niedermeiser.  Während  die  andern  Pfarrer  des  Be- 
zirkes ihre  Zustimmtuig  dazu  geben,  daß  die  Dienstboten 
künftig  den  Pfarrern  ihre  Zeugnisse  vorzeigen  sollen,  nennt 
Martin  dies  Vorhaben  „eine  Vermischung  geistlicher  und 
weltlicher  Gewalt,  welche  unter  dem!  Scheine  gegenseitiger 
Stärkung  vielmehr  Staat  und  Kirche  venmehrt". 

Ein  ähnliches  Ausschreiben  wie  das  eben  behandelte» 
erging  im  folgenden  Jahre,  am  9.  Nov.  1858.  Die  Polizei 
hat  immer  auf  Anrufen  der  Herrschaft  tind  nach  Uörungr 
des  Dienstboten  einstweilen  eine  Entscheidung  zu  treffen, 
tmbeschadet  des  Rechtsweges.  Sie  kann  durch  „geeignete 
Zwangsmittel"  die  Dienstboten  zur  Pflichterfüllung  an- 
halten, auch  soll  sie  bei  Beschwerden  der  Dienstboten 
über  unrichtige  Zeugnisse  das  Nötige  ermitteln.  Eine  un- 
mittelbare Veranlassimg  dieses  Ausschreibens  ist  nicht 
festzustellen;  auch  irgend  welche  Folgen  sind  unbekannt. 

So  steht  es  auch  um  eine  Bekanntmiachung  der  ha- 
nauer  Polizeidirektion  aus  den^  Jahre  1858.  In  der  £n- 
qufite  von  1851  berührten  wohl  zwei  Fragen^)  den  mehr- 
fachen Vertragsbruch  desselben  Dienstboten  in  einem* 
Jahre.  Aber,  soweit  sich  feststellen  läßt,  blieb  ja  die  ganze 
große  Umfrage  ohne  Erfolg.  Nun  verordnet  die  hanauer 
Polizei  am«  29.  Mai  1858  folgendes  ^) :  „Um*  den  liäufigen 
Klagen  über  miuthwilliges  Dienst  wechseln  von  Seiten  der 
hiesigen  Dienstboten  thunlichst  abzuhelfen,  wird  hiermit 
verfügt,  dass  diejenigen  Dienstboten,  welche  in  einem 
Dienstjahre  —  vom  22.  Februar  jedesmal  an  gerechnet  — 
den  dritten  Dienst  verlassen  haben,  zu  weiterem  Dienen 
in  hiesiger  Stadt  künftig  nicht  mehr  zugelassen  werden 

*)  Oben  S.  160  ff.  —  *)  Polizeiliche  Nachrichten.  Beilage  zum 
Wochenblatt  fOr  die  Provinz  Hanau  1858,  Nr.  22  vom  8.  Juni. 


—    169    — 

sollen,  wobei  noch  besonders  darauf  auf  mlerksam  gemacht 
vird,  dass  es  ganz  einerlei  ist,  ob  die  Dienstzeit  auf  kurze 
oder  längere  Dauer  verabredet  war."  Diese  Verordnung 
wurde,  wenigstens  in  der  immittelbar  folgenden  Zeit,  mehr- 
mals angewendet^). 

N\in  ist  noch  eine  Etappe  auf  demj  langen  Wege  der 
kurhessischen  Gesindegeschichte  zu  erwähnen.  Das  Kon- 
sistorium zu  Cassel  verlangte  am  22.  Nov.  1860  eine  ge- 
setzliche Anordnung,  daß  die  Dienstboten  sicli  bei  den 
Pfarrern  melden  müssen,  ein  Weitergehen  auf  dem  durch 
das  Umischreiben  von  1867  versuchten  Wege.  Die  Re- 
gierung will  aber  nicht.  Sie  veranstaltete  Umfragen  und 
teilte  dann  denn  Konsistoriiün'  mit,  daß  sie  einen  Zwang 
nicht  für  gerechtfertigt  hält.  Einen  Grund  nennt  sie  gar 
nicht. 

So  klingt  es  aus,  ziemiiclh  still.  Noch  sechs  Jahre, 
vnd  Kurhessen  mlußte  sich  in  die  unselbständige  Rolle 
eines  preußischen  Regienmgsbeziirkes  einleben.  Die  Wei- 
terbildung des  Gesinderechts  erfolgt  seitdem  von  höherer 
Warte  aus.  Hoffaitlich  ist  die  Zeit  nicht  mehr  fem,  wo 
dem  Gesinde  von  der  höchsten  Stelle,  dem  Reiche, 
sein  Recht  gesetzt  wird  und  die  letzten  Reste  einer  ver- 
klungenen  landesväterlichen  Gesindepolitik  endlich  dahiQ- 
schwinden. 


<)  St.  A.  Marburg.    Akten  d.  hanauer  Reg.,   Nr.  815  und  816 
<ies  Repos.  Gef.  Repert,  Nr.  Ul  O,  Nr.  2. 


B«  Die  ausserhessischen  Länder 
West^  und  Süddeutschlands. 

SU. 

Den  Rah!m!en,  in  dem:  die  Geschichte  des  hessischen 
Rechts  erst  ihre  ganze  Bedeutung  offenbaren  kann,  bildet 
die  Entwicklung  in  den  übrigen  deutschen  Ländern.   Um 
die  Übersicht  der  späteren  Darstellung  zu  erleichtem,  wird 
hier  zimächst  ein  kurzer  Abriß  der  Rechtsentwicklung  in 
den  berücksichtigten  Staaten  gegeben.  Das  hierüber  Mit- 
geteilte kann,  im  Vergleich  mit  der  vorstehenden  ausführ- 
lichen Schilderung  der  hessischen  Gesinderechtsgeschichte 
über  kurze  notierende  Angaben  nicht  hinausgehen.    Ein 
zusa!mlmenfassender  abschließender  Bericht  über  den  Gang 
der  außerhessischen  Rechtsentwicklimg  ist  Aufgabe  der 
Territorialgeschichtsschreibung,  der  sich  aus  weiter  rei- 
chenden Aktenstudien  die  inneren  Zusammenhänge  in  noch 
größerem'  Umfange  ergeben,  als  es  auch  für  die  hier  ver- 
folgten Zwecke  nötig  ist.   Der  Lauf  des  Gesinderechts  in 
den  wichtigsten  ostdeutschen  Ländern  ist  bereits  mehr 
oder  weniger  ausführlich  und  gut  geschildert  worden,  so 
daß  tier  auf  die  Werke  von  Wuttke,  Knothe,  Frau- 
enstädt,  Lennhoff  und  Steffen  verwiesen  werden 
kann. 

Vorbildlich  für  das  spätere  Polizeirecht  der  norddeut- 
sehen  Territorien  sollten  nach  der  Absicht  der  beteiligten 
Stände  die  Beschlüsse  der  sächsischen  Kreistage 
werden.   1650  beschloß  der  niedersächsische  Kreis  ^)  eine 

>)  Wuttke  S.  104,  105. 


-     171     - 

regelmäßige  Untersuchung  der  Aufführung  des  Gesindes, 
1654  faßten  beide  Krebe,  der  nieder-  und  obersächsische^ 
Beschlüsse  wider  die  Vertragsbrüchigen  Dienstboten^), 
gegen  welche  Zeugnisvorschriften  helfen  sollten;  der  nie- 
dersächsische Kreis  stellte  außerdem)  ein  Muster  einer 
Gesindeordnxmg  für  die  Kreisstände  auf. 

Das  Gesinderecht  der  nördlichsten  Länder,  Schles- 
wigs und  Holsteins,  ist  für  die  älteste  Zeit  hauptsäch- 
lich in  den  Stadtrechten  enthalten.  Nur  wenige  Landrechte 
ergingen  hier. 

Schleswigs  Rechtsentwicklung  beginnt  mit  der 
apenrader  Skraa  von  1335 *).  Weiter  sind  anzuführen 
das  Landrecht  des  Nordstrands  von  1572^),  die  am 
12.  Oktober  1590  erlassenen  Stadtrechte  von  Tönning*) 
und  Garding^)  und  das  eiderstadtische  Landrecht 
vom  14.  Januar  1591  *),  Allzu  reichhaltig  ist  das  Gesinde- 
recht hier  überall  nicht.  Das  bleibt  auch  weiterhin  so, 
z.  B.  in  der  flensburger  Polizeiordnung  vom'  14.  Januar 
1600'),  die  trotz  des  zimi'  ersten  Mal  auftretenden  neuen 
Titels  nur  geringe  Versuche  polizeilicher  Reglementierung 
der  Dienstboten  enthält ;  ebenso  ist  es  im  h  u  s  u  m  e  r  Stadt- 
recht, das  am'  22.  März  1608  ^),  und  in  der  Konstitution  für 
das  Land  Stapelholm,  die  am  27.  Januar  1623*)  er- 
ging. Erst  das  Stadtrecht  für  Friedrichstadt  von 
1633  ^®)  hat  eine  größere  Zahl  von  Bestimmungen,  die  frei- 
üch  immer  noch  von  dem  zu  dieser  Zeit  in  südlicheren 
Territorien  herrschenden  Geist  der  Gesindebekämpfung 
Wesentliches  nicht  angenomimen  haben.  Aus  diesem 
Geiste  stamtot  nur  eine  von  Tönning  ausgegangene 
Verordnimg  vom  18.  August  1681  ^*),  die  wider  die  Koali- 


>)  Ebenda  5.105,  106.  ~  ')  Corpus  Statutorum  Slesvicensium  II 
S.  416.  —  •)  Ebenda  I  S.  428,  520.  —  *)  Ebenda  III  2  S.  1.  — 
•)  Ebenda  III  2  S.  88.  —  •)  Ebenda  I  S.  1.  —  ')  Ebenda  II  S.  258.  — 
•)  Ebenda  II  S.  655.  -  •)  Ebend  I  S.  616.  -  »«>)  Ebenda  Ul  1  S.  1.  — 
")  Ebenda  I  S.  812. 


-     172    — 

tionen  ausländischer  Emtearbeiter  gerichtet  ist.  Fast 
nichts  steht  in  der  Bauemsprache  für  die  Stadt  Tendern 
von  1691^).  Die  Polizeiordnung  für  Sonderburg  vom 
15.  November  1698*)  beruht  auf  der  flensburger  aus 
dem  Jahre  1600.  Landesherrliche  Gesetze  entstanden  erst 
weit  später,  als  die  ersten  Stadtrechte  nachweisbar  sind. 
Hier  ist  eine  Gemfeinschaftliche  Verordnung  wegen  des 
Lied-  und  Tagelohns  imd  Taxa  aus  dem'  Jahre  1632^) 
zuerst  anzuführen.  Weiter  gehören  hierher  die  Gesinde- 
Verordnimg  für  die  ehemals  großfürstlichen  Distrikte  vom 
23.  April  1733,  die  Gesindeordnung  vom*  24.  September 
1740,  die  Ploenische  revidirte  Policey-Ordnimg  vom  3.  Juni 
1749,  die  Großfürstliche  Polizeiordnung  vom)  29.  Januar 
1768. 

Holsteins  ältestes  Gesinderecht  enthält  wohl  das 
dithmarsische  Landrecht  von  1447*);  viel  ist  es  freilich 
nicht,  was  dem  Gesinde  hier  vorgeschrieben  wird.  Das 
spätere  Dithmiarscher  -  Recht  von  1667*)  wiederholt  die 
wenigen  Sätze  des  alten  Gesinderechtes.  Noch  weniger  er- 
giebig für  diese  Materie  ist  das  alte  Redht  der  neu- 
tnünsterschen  Kirchspielsgebräuche  und  der  b  o  r  d  e  s- 
holmer  Amtsgebräuche*). 

Die  würdigen  Stadtrechte  Hamburgs'),  Lü- 
becks®) und  Bremens')  geben  zu  einem  Teile  das 

")  Ebenda  III  2  S.  161.  —  •)  Ebenda  III  2  S.  222.  -  •)  L.  A.  G. 
Schrader,  Handbuch  der  vaterländischen  Rechte,  Hamburg  ITOB, 
8.  Teil  S.  189,  190  (200),  wo  auch  die  weiteren  hier  genannten  Ver- 
ordnungen aufgezählt  sind.  Die  Ordnungen  von  1740  und  1768  lagen 
als  Einzeldrucke  vor  (St.  A.  Schleswig,  Univ.-Bibl.  Marburg).  — 
*)  Michelsen,  Sammlung  altdithmarscher  Rechtsquellen  S.  1  ff. 
—  ')  Corpus  Statutorum  prov.  Holsatiae.  —  •)Seestern-Pauly, 
Die  NeumOnsterschen  Kirchspiels-  und  die  Bordesholmischen  Amts- 
Gebräuche,  Urk.-Buch  S.  86ff.,  87ff.  — ')  Lappenberg,  Die  ältesten 
Stadt-,  Schiff-  und  Landrechte  Hamburgs.  —  *)  Hach,  Das  alte 
Lobische  Recht  —  *)  Ölrichs,  Vollst.  Sammlung  alter  und  neuer 
GesetzbQcher  der . . .  Stadt  Bremen;  Pufendorf,  obs.  iur.  II  app. 
S.  104  ff.,  bes.  112. 


—     173    — 

bedeutende  Gesinderecht  des  Sachsenspieg^els  wieder,  bil- 
den es  aber  nach  vielen  Richtungen  hin  weiter  aus.  Selb- 
ständigkeit und  Drang  nach  Neubildung  offenbart  das  Ge- 
sinderecht des  Billwärders  um'  1400^). 

Außerordentlich  wichtige  Bekundungen  eigenen 
Rechtsdenkens  enthalten  die  friesischen  Quellen.  Von 
den  vierzehn  allgemieinen  Landrechten  *)  geht  die  Entwick- 
lung über  das  emsiger  Pf ennigschuldbuch ^)  und  das 
drenther  Landrecht*)  zu  dem'  großen  westerwol- 
der  Recht  von  1470*)  hin,  das  dem  Gesinde  ein  be- 
sonderes zusamimenhängendes  Kapitel  widmet.  In  Ost- 
friesland  regelte  Edzards  Landrecht  aus  demi  Jahre 
1515*)  ausführlich  an  verschiedenen  Stellen  das  Gesinde- 
recht im  Geiste  der  Rechtsbücher.  Dagegen  gibt  die  Poli- 
zeiordnung der  Gräfin  Anna  von  1645')  den  neu  aufge- 
kommenen Gedanken  polizeilicher  Reglementierung  nach. 
Aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  ist  der  Entwurf  emer 
Gesindeordnung®)  erhalten,  wo  jene  Tendenz  noch  offen- 
barer zu  Tage  tritt.  Daß  die  angeführten  alten  Gesetze 
auch  noch  in  viel  späterer  Zeit  in  Geltung  waren,  ergeben 
die  langwierigen  Verhandlungen  zwischen  Fürst  und  Stän- 
den, die  sich  von  1732  bis  1738  hinzogen  •).  Hierbei  wurde 
auch  ein  Auszug  aus  dem)  ostfriesischen  Landrecht  heran- 
gezogen und  schließlich  der  Plan  einer  Gesindeordnung 
doch  aufgegeben,  weil  „die  Land  und  gemeine  Rechte 
di.esem  Werck  schon  Maass  und  Ziel  setzen".  Fünfzig 
Jahre  danach  tauchten  wieder  Reformpläne  auf.  Fried- 
rich Wilhelm-  III.  von  Preußen  forderte  1798  die  Stände 


')  Lappenberg  a.  a,0. 1  S.821.  —  *)  v.  Richthofen,  Friesische 
Rechtsquellen  S.  40  ff.  —  •)  Ebenda  S.  194  ff.,  bes.  209.  —  *)  Ebenda 
S.6Ä  -  »)  Ebenda  S.  258.  —  •)  Matthias  von  Wicht,  Das  ost- 
friesische Landrecht.  —  ')  Ostfriesische  Historie  und  Landesver- 
fassung n  S.  181.  —  ■)  St  A.  Aurich.  Archiv  der  ostfriesischen 
Landschaft.  O.  B.  Polizeisachen  zu  Nr.  8.  -  •)  St  A.  Aurich.  O.  L. 
Polizeisachen,  Nr.  8,  1787/8.  —  O.  A.  Verordnungen  Polizeisachen  I  89. 


—     174    — 

auf,  sich  über  die  Verbesserung  der  Gesindeordnung:  zu 
äußern  *) :  ob  in  der  Zwischenzeit  etwa  ein  Gesetz  zustande- 
gefcommen  war,  ist  nicht  festzustellen.  Die  Verhandlungen 
dauerten  bis  1806,  ohne  daß  über  ein  Ergebnis  etwas 
verlautet. 

Für  das  oldenburger  Recht  muß  zunächst  der 
bremer  Statuten  gedacht  werden,  die  in  der  Form  von 
1303  imi  Jahre  1345  als  oldenburger  Stadtrecht  erschie- 
nen *).  Rein  oldenburgischer  Herkxmft  sind  die  seit  1566 
zu  verfolgenden  Bestrebungen  nach  Einrichtung:  der 
„Armen  Mägde-Gelder"').  Im  Jahre  1610  fertigrte  der 
Kanzler  J.  Prott  den  Entwurf  einer  Polizeiordnungr,  der 
auch  ein  wenig  Gesinderecht  enthält,  ohne  darin  vom  Geiste 
seiner  Zeit  abzuweichen*).  In  der  späteren  Zeit  erg'ingen 
einige  Einzelerlasse,  so  über  das  Zeugniswesen  am  4.  No- 
vember 1712  *),  über  die  Sonntagsruhe  am  16.  April  1736  ^), 
eine  Armfenordnung  am!  9.  Juli  1745^).  Eine  kurze  En- 
quete über  Gesindemängel  erfolgte  1794®).  Ein  Gesetz 
scheint  dabei  nicht  herausgekommen  zu  sein.  Die  erste 
Gesindeordnung  wurde  seit  1816  vorbereitet  imd  1826 
erlassen  ^). 

Ehe  sich  das  heutige  Hannover  herausbildete  imd 
sich  an  eine  wirtschaftliche  Gesetzgebimg  machen  konnte, 


*)  St.  A.  Aurich.  Archiv  der  ostfries.  Landschaft.  O.  L.  Justiz- 
sachen Nr.  17.  —  Pr.  A.  Justizsachen  Nr.  104.  —  ')  ölrichs  a«  a.  O. 
S.  786fr.;  Schröder,  Rechtsgeschichte  S.  700;  Corpus  Constitutionum 
Oldenburgicarum,  ed.  Oettken  II  S.  289.  —  ')  Oettken  a.  a.  O.  I 
S.  4.  —  *)  Haus-  und  Zentral-Archiv  Oldenburg.  Akte  Grafechaft 
Oldenburg,  Tit.  XXI,  Nr.  1—5;  nach  Mitteilung  dieses  Archivs  ent- 
halten mehrere  ältere  Polizeiordnungen  in  ähnlicher  Weise  Ge- 
sinderecht. —  »)  Oettken  a.  a.  O.  II  S.  52.  —  •)  Ebenda  Suppl.  II 
Bd.  1  S.  1.  —  ')  Ebenda  SuppL  II  Bd.  2  S.  47.  —  •)  Haus-  und 
Central  -  Archiv  Oldenburg.  B.  II— B.  VI  8,  Amt  Brake  2.  — 
I  A,  Nr.  4  conv.  5,  betr.  Dienstboten,  deren  Wechselzeit  und  Ge- 
sindeordnung 1744.  —  *)  Exemplar  in  der  Grossh.  Landesbibhothek 
Oldenburg.  Publikationspatent  in  Ges.-Samml.  V  285. 


—     176    — 

hatten  die  einzelnen  Landesteile  schon  eine  lange  Rechts- 
entwicklungr  hinter  sich. 

Nicht  das  älteste,  aber  ein  darumi  um  so  feiner  aus- 
gebildetes Recht  bestand  in  der  nördlichsten  Provinz  H  a  - 
dein.  Die  Landesordnung  von  1583  *)  bringt  Vorschriften 
über  beiderseitigen  Vertragsbruch,  Gottespfennig,  Nicht- 
antritt des  Dienstes,  Haftung  des  Herrn  für  das  Gesinde, 
Hausdiebstahl.  Es  ist  eine  Verquickung  der  alten  Art, 
das  Gesinderecht  unter  zivilrechtlichen  Gesichtspunkten 
zu  behandeln,  mit  der  neu  aufgekommenen  Kunst  des 
Polizeirechtes.  Wie  hier  wiu'de  auch  in  der  Polizeiord- 
nung  von  1597  ^)  das  Gesinderecht  inmitten  vieler  anderen 
Materien  geregelt.  Eigene  Gesindegesetze,  die  nichts  als 
dies  waren,  ergingen  am'  12.  April  1633  mit  einer  Lohn- 
taxe ')  tmd  am'  14.  April  1655  mit  einer  polizeilichen  Gesinde- 
ordnung*).  Aus  der  folgenden  Zeit  stammen  noch  einige 
kleinere  Konstitutionen  wider  das  Dienen  außer  Landes 
von  1681  und  1695*)  imd  wider  den  Hausdiebstahl  von 
1736«). 

Die  schwedische  Regierung  der  Herzogtümer  Bremen 
und  Verden  erließ  am»  3.  Juli  1680  eine  ausführliche  Tax- 
ordnung des  Gesindelohnes  ^),  für  die  Marsch  imd  K  e  h- 
dingen  bestim!mt. 

An  der  Südostgrenze  Kehdingens  liegt  Stade,  dessen 
Stadtrecht  von  1279®)  seine  Verwandtschaft  mit  dem 
Rechte  Hamburgs  und  Lübecks  auch  im  Gesinderechte 
offenbart. 


^)  Spangenberg,  Sammlung  der  Verordnungen  und  Aus- 
schreiben, welche  fQr  sämtliche  Provinzen  des  hannoverschen  Staates 
•..  ergangen  sind  4.  Teil,  8.  Abt  S.  59;  Pufendorf,  obs.  iur.  I 
app.  S.  1.  —  •)  Spangenberg  a.a.O.  S.  127.—  •)  Ebenda  S.240.  — 
*)  Ebenda  S.  817.  —  *)  Ebenda  S.  817,  828.  —  •)  Ebenda  S.  399.  — 
0  Polizeiordnung  nebst  andern  Verordnungen  far  die  HerzogthQmer 
Bremen  und  Verden,  Stade  1711,  S.  771.  —  •)  Pufendorf,  obs.  iur.  I 
app.  S.  168. 


—     176    — 

Lauenfourgs  politische  Schicksale  ließen  seine 
Staatszugehörigkeit  sehr  oft  wechseln.  Die  hauptsäch- 
lichen Gesindegesetze  fallen  in  die  Zeit,  da  es  ein  Teil 
Braunschweig-Lüneburgs  (Hannovers)  war;  dessen  gesetz- 
geberische Taten  kamlen  auch  Lauenburg  zu  Gute^).  Vor 
1689,  dem'  Jahre  der  Vereinigung,  erging  für  die  Stadt 
Lauenburg  eine  Polizeiordnung  und  Stadtrecht  *),  das  von 
1599  stamtat*);  das  Polizeiliche  überwiegt, ,  so  auch  im 
Gesinderecht.  1655  wurde  der  Gesindelohn  durch  Taxe 
festgelegt  *). 

In  dem  Recht  für  Schluchter en  bei  Himbergen 
an  der  Föhxde  aus  dem'  Jahre  1571*)  findet  sich  eine 
Stelle,  idie  von  der  Beerbimg  des  Gesindes  handelt. 

Das  neuere  verdener  Recht*),  nach  1416  entstan- 
den '),  fügt  den  Sätzen  des  stader  Rechtsbuches  noch  einige 
Vorschriften  über  Vertragsbruch,  Klage  um  Lohn,  Ver- 
mietung Minderjähriger  u.  a.  hinzu. 

So  gut  wie  nichts  läßt  sich  aus  der  Ordnung  von 
Nienburg  vom'  6.  Jimi  1569®)  an  Gesinderecht  ent- 
nehmen. Eine  Taglohntaxe  und  ein  allgemeines  Gebot 
an  arbeitsfähige  Müßiggänger,  Arbeit  zu  tun,  zeigen  die 
Wege,  auf  denen  andere  Gebiete  gleichzeitig  zu  einer 
weitergehenden  Reglementierung  des  Gesindes  gelangten. 

Im  Hochstifte  Osnabrück  entstand  am  18.  Juni 
1608  eine  Venoirdnulnig,  welche  die  Gesindelöhne  tarifiert  und 
einige  sonstige  Vorschriften  über  Gesindewesen  enthält '). 
Der  Codex  Constitutionum  Osnabrugensium  ^^)  verweist  auf 
weitere  „Verordnungen,  das  Dienstlohn  der  Handwerker 


*)  Darüber  unten  S.  180  f.  —  ')  P  u  f  e  n  d  o  r  f ,  obs.  iur.  III  app.  S.  28i. 
—  ')  Paulsen,  Privatrecht  der  Herzogthfimer  Schleswig  und 
Holstein,  2.  Aufl.  S.  872.  ~  *)  Spangenberg  a.  a.  O.,  4.  Teil, 
2.  Abt.  S.  227.  —  •)  Grimm,  Weistümer  DI  S.  200 flf.,  bes.  201.  - 
•)  Pufendorf  a.  a.  O.  I  app.  5.77.  —  ')  Gengier,  Deutsche  Stadt- 
rechte S.  507.  —•)  Pufendorf  a.  a.  O.  II  app.  S.  822.  —  •)  St  A. 
Osnabrück.    Rep.  100,  Abschnitt  200  aus  Nr.  1.  —  *^  S.  1104,  1106. 


—     177    — 

und  Taglöhner,  wie  auch  des  Gesindes  und  des  letzteren 
Verhalten  insonderheit  betr."  aus  den  Jahren  1702,  1704, 
1766.  Der  angekündigte  dritte  Teil  des  Codex  ist  jedoch 
nicht  erschienen;  nur  die  letzte  Gesindeordnimg  vom» 
3.  März  1766  ließ  sich  wenigstens  inhaltsweise  feststellen  ^). 
Angefügt  seien  emige  kleinere  Rechtsquellen  aus  denn 
osnabrücker  Gebiet;  sie  geben  ziuni  Teil  Auskunft  über 
die  Gestaltung  des  Dienstzwanges.  Es  handelt  sich  um<  das 
Recht  v<Mi  Bersenbrück  aus  dem  Jahre  1503^),  die 
Haussprache  zuCappelen  v<mi  1570 ')  und  das  undatierte 
Recht  von  Rimslohe*). 

Eine  Vorschrift  über  VertragserfüUimg  durch  das  Ge- 
sinde steht  in  der  oonstitutio  de  ixnibus  in  civitate  H  i  1  - 
densemensi  von  1249*).  Von  Schuldklagen  wider  des 
Bischofs  Gesinde  handehi  die  hildesheimfer  Statuten^),  xun 
1422  geschaffen^).  Die  polizeilichen  Statuten  der  Stadt 
Peine  im  Hildesheimischen  aus  dem  Jahre  1597®)  geben 
das  Fühlen  und  Streben  der  Zeit  durch  miannigfache  poli- 
zeiliche Strafvorschriften  wider  das  unbillige  Verhalten 
der  Dienstboten  kund. 

Völlig  andersartig  imd  im  Geiste  des  Sachsenspiegels, 
zu  einem  sehr  großen  Teile  auch  selbständig  gebildet  ist 
das  alte  Recht  Goslars  aus  deml  14.  Jhdt. ^).  Etliches 
Gesinderecht  steht  auch  in  den  zwischen  1421  und  1490 
gebildeten  Statuten  des  Forstdinges  auf  demi  Harze  zu 
Goslar  ^^)  sowie  in  einer  goslarischen  Sonntags-  und  Luxus- 
ordnung von  1668 ").  Die  andere  Harzstadt,  Osterode, 

')  Klöntrupp,  Handbuch  der  besonderen  Rechte  und  Ge- 
wohnheiten des  Hochstifts  Osnabrück  II  S.  75.  —  *)  G  r  i  m  m ,  Weis- 
tümer  III  S.  207.  -  »)  Ebenda  S.  202.  —  *)  Ebenda  S.  198.  —  »)  Ori- 
gmes  Gueliicae  IV  S.  242 flf.,  bes.  244.  — •)  Pufendorf,  obs.  iur.IV 
app.  S.  287  ff,  bes.  298.  -  ')  Gengier,  Stadtrechte  S.  197.  — 
")  Pufendorf  a.  a.  O.  S.  242 ff,  bes.  278.  —  •)  Göschen,  Die 
goslarischen  Statuten.  —  ^*)  Grimm,  Weistflmer  III  S.  260  ff,  bes. 
264.  —  *■)  Habeische  Sammlung;  Götze,  Die  archivalen  Sammlungen 
auf  Schloss  Mütenberg  (Archivalische  Zeitschrift  H  S.  146  ff.)  XII  Nr.  1. 

12 


—     178    — 

zeigt  in  ihremi  neueren  Rechte^)  der  Zeit  entsprechend 
Polizeigeist  in  Strafen  wider  das  unbotmäßige  Gesinde. 

Nicht  ganz  so  offenbar  tritt  dies  in  den  wenigen  ge- 
sinderechtlichen Satzungen  der  einbecker  Statuten  von 
1549*)  hervor. 

Und  ein  Beispiel  selbständiger  Rechtsbildimg  im' 
Geiste  der  alten  Rechte  ist  wieder  in  denn  bedeutenden 
Stadtrechte  Moringens  aus  dem  15.  Jhdt.*)  gegeben. 

Nur  Bestimmimgen  über  den  Feuerschutz  durch  das 
Gesinde  stehen  in  der  Polizeiordnung  von  Adelebsen 
aus  dem  Jahre  1550*). 

Weitaus  hervorragender  imd  reichhaltiger  als  all  diese 
Rechte  ist  das  in  Göttingen  gesetzte.  Die  wichtigeren 
der  Statuten,  die  sich  mit  Gesinde  abgeben,  sind  ein  Brau- 
verbot für  Gesinde  während  bestimmter  Jahreszeit  aus 
den  Jahren  1330—1335'^),  Maßnahmen  wider  Vertrags- 
bruch und  Abspenstigmachen  zwischen  1340  und  1354^), 
Bestimimtmgen  über  den  Vertragschluß  durch  Mie^fennig 
vom  8.  März  1402  ^),  ein  Verbot  des  Dienens  außer  Landes 
vor  1413®),  vor  allem  aber  eine  große  Lohnordnung  aus 
dem  Jahre  1445  •).  Diese  Lohnordnung  enthält  in  ähn- 
licher Spezialisierung  wie  die  vielen,  in  den  drei  folgenden 
Jahrhunderten  erlassenen  Taxordmmgen  Lohnbegrenzun- 
gen, deren  Überschreitimg  mit  Geldstrafe  bedroht  ist, 
ferner  Vorschriften  über  den  Vertragsschluß  und  das 
Dienen  außer  Landes. 

Das  alte  Recht  Duderstadts^^)  ist  ähnlich  reich- 
haltig wie  das  göttinger,  nur  innerlich  geschlossener;  die 


')  Pufendorf  a.  tu  O.  II  app.  S.  d88ff.,  bes.  264.  —  *)  Ebenda 
S.  908  fif..  bes.  905,  297,  981.  -  *)  Zeitschr.  f.  Rechtsgeschichte  VII 
S.  990 H.,  bes.  997fr.,  809,  807.  —  «)  Walch,  Beyträge  zu  dem 
teutschen  Rechte  VIII  S.  99fr.,  bes.  89,  40.  —  *)  v*  d.  Ropp,  Göt* 
tinger  SUtuten  S.  8.  —  •)  Ebenda  S.  87.  —  0  Ebenda  S.  97.  - 
•)  Ebenda  S.  105.  —  •)  Ebenda  S.  476.  —  >•)  Gengier,  Deutsche 
Stadtrechte  S.  91  fT,  bes  98. 


—     179    — 

Darstellung  der  Rechtssätze  in  systematischem'  Zusammen- 
hange ist  kaum'  in  einem'  andern  frühen  Rechte  so  streng 
durchgeführt  wie  hier.  Mietgeld,  Dienstantritt,  Lohn,  Ver- 
tragsbruch und  vorzeitige  Entlassung  finden  der  Reihen- 
folge eines  Dienstlebens  entsprechend  ihre  Regelung. 

Das  Recht  der  1705  endgültig  vereinigten  Stanrni- 
länder,  der  Fürstentümer  Lüneburg  und  Kaienberg, 
machte  vor  der  Zusanünenschließung  folgende  Entwick- 
lung durch. 

Lüneburgs  Hauptstadt,  Celle,  erhielt  1301  vOn  Her- 
zog Otto  dem  Gestrengen  von  Braunschweig  -  Lüneburg 
Statuten^),  worin  über  die  „mienasne**,  den  Gesindelohn, 
Satzung  getroffen  wird.  Späterhin  erließ  der  Rat  der 
Stadt  eine  auf  dem»  Echten  Geding  jährlich  abzulesende 
Ordnung^);  sie  handelt  auch  vom«  Gesinde  xmd  regelt 
Abspenstigmachen,  Mietgeld,  Nichtantritt  und  verwandte 
Rechtsgebiete. 

Das  älteste  lüneburger  Stadtrecht *)  gibt  gute  Rat- 
schläge, wie  der  Dienstherr  sein  Gesinde  zu  fleißiger  Hü- 
tung des  Feuers  mahnen  soll,  xmd  regelt  die  Herrenhaftung 
für  den  unter  dem»  Gesinde  angerichteten  Tierschaden. 
Geringwertige  Vorschriften  über  Gesinde  stehen  in  den 
neueren  Eddagsartikeln^).  Um!  so  reichhaltiger  an  polizei- 
lichen und  privatrechtlichen  Vorschriften  über  das  Ge- 
sindewesen ist  die  großartige  Neubildung  des  lüneburger 
Stadtrechtes,  die  wohl  demi  16.  oder  17.  Jhdt.  angehört^); 
das  Gesinderecht  ist  in  einem  zusammenhängenden  Ka- 
pitel und  noch  an  vielen  Stellen  des  Gesetzes  zerstreut 
geregelt.    Gleiches  gilt  von  der  braunschweig-lüneburgi- 


*)  Pufendorf,  obs.  iun  11  app.  S.  12fr..  bes.  16;  Gengler, 
Stadtrecbte  S.  68.  —  *)  Pufendorf  a.  a.  O.  I  app.  S.  2S9tf.,  bes. 
SS9,  380,  281,  288.  —  *)  Kraut,  Das  alte  SUdtrecht  von  Lüneburg 
S.  88,  76.  —  *)  Pufendorf  a.  a.  O.  II  app.  S.  201fr.,  bes.  201.  — 
*)  Ebenda  IV  app.  S.  624  fr.,  bes.  772,  796  fr.,  801fr.,  806. 

12* 


—     180     — 

sehen  Polizeiordnung  vom  6.  Oktober  1618^).  Niir  eine 
Lohnvorschrift  steht  in  der  Taxordnung  vom!  31.  Oktober 
1621  *).  Nicht  so  vollständig  wie  die  große  Polizeiordnung 
Von  1618  ist  ein  Auszug  aus  ihr  voM  2.  März  1640^); 
eine  gesonderte  Behandlimg  des  Gesinderechtes  erfolgt 
hier  nicht.  Von  den  Dienstzeugnissen  handelt  eine  Ver- 
ordnung vom  16.  März  1655  *),  veranlaßt  durch  die  beiden 
sächsischen  Kreisbeschlüsse  von  1654*^). 

Niu-  gelegentlich  in  zufälligem*  Zusanünenhange 
kommt  eine  Nennimg  des  Gesindes  im  großen  Stadtbuche 
Hannovers*)  vor.  Ein  Statut  der  Stadt  Hannover  von 
1309^)  erwähnt  ferner  nebenher  das  Gesinde.  Vielleicht 
das  Wichtigste,  was  sonst  im' kalenbergischen  Teile 
geschah,  ist  in  der  Kirchenordnung  von  1569,  revidiert 
1615®)  enthalten;  kaum  anderswo  werden  so  viele  Hin- 
weise auf  die  fast  familienrechtliche  Behandlung  des  Stof- 
fes gegeben.  Mannigfaltige  Vorschriften  wieder  Mißstände 
im  Gesindewesen  bringt  ein  „Edictimi  wegen  der  Lohn- 
Dröscher  tmd  Herren-losen  Gesindes"  de  dato  10.  August 
1654  ^).  Nach  einem<  Edikt  vom  10.  Februar  1700  *®)  wurde 
verboten,  dem'  Gesinde  Korn  zu  säen  statt  Lohn  zu  geben: 

Aus  der  Zeit  des  vereinten  Hannovers  sind 
zahlreiche  wichtige  Gesetze  zu  nennen,  die  für  die  west- 
deutsche Rechtsentwicklimg  während  des  18.  Jhdts.  die 
größte  Bedeutimg  erlangten.    Am«  19.  Jimi  1709  erging 


^)  Chur- Braunschweig -Lflneburgische  Landesverordnung,  1741^ 
Cap.  4  Bd.  1  S.  1.  —  *)  FQrstl.  Braunschweig-Lüneburgische  Zellischen 
Theils  Policey  -  Ordnung  und  andere  . . .  Verordnungen  . . . ,  1700, 
S.  175.  —  •)  Landesverordnungen  a.  a.  O.  S.  141.  —  *)  Ebenda  S.  968. 
—  »j  Oben  S.  171.  —  •)  Vaterland.  Archiv  des  bist  Vereins  für  Nieder- 
sachsen, Jahrg.  1844  (Hannover  1846)  Heft  2-4  S.  688,  547.  — 
')  Pufendorf  a.  a.  O.  IV  app.  S.  148fr.,  bes.  218.  —  •)  Chur- 
Braunschweig  •  Lüneburgische  Landes  -  Ordnungen  und  Gesetze  . . . 
zum  Gebrauch  der  FQrstenthflmer  . . .  Calenbergischen  Theib,  Teil  1 
S.  1.  -  •)  Ebenda  Teil  4  S.  205.  —  »•>  Ebenda  S.  209. 


—     181     — 

ein  Edikt  „wegen  Bestrafung  der  Haus-Dieberey**  ^),  das 
auch  in  Lauenburg  galt  ^).  Schon  am)  7.  Januar  1710  folgte 
eine  renovatio  et  declaratio '),  späterhin  noch  am!  8.  März 
1725,  27.  Mai  1725,  27.  August  1728,  24.  November  1733 
und  22.  März  resp.  2.  April  1734  *),  für  Lauenburg  1727  *). 
Am  17./28.  März  1732  ging  eine  große  Gesindeordnung*) 
ins  Land,  nach  deren  Vorbilde  das  deutsche  Gesinderecht 
des  18.  Jhdts.  zu  einem  großen  Teile  geschaffen  wurde '). 

Bis  ins  13.  Jhdt.  ragt  das  braunschweiger  Recht 
zurück.  Das  Stadtrecht  aus  dieser  Zeit®)  handelt  an  zwei 
Stellen  vom  Gesinde,  einmal  gelegentlich  von  der  Kost 
und  dann  von  der  „menasle**,  dem'  Lohne.  Mit  sprach- 
lichen Abweichungen  geben  die  Stadtrechte  von  1265  •), 
1279*<>),  das  undatierte  Recht  der  Neustadt  i^)  und  ein 
Stadtrecht  vom!  Ende  des  13.  Jhdts.  **)  diese  Sätze  wieder. 
Ohne  Benutzung  der  alten  Vorlagen  wurde  das  Gesinde- 
recht fari  folgenden  Jahrhundert  neu  bearbeitet*');  aber 
noch  dürftiger  als  früher  fällt  die  Rechtsbildung  aus, 
welche  die  Haftung  der  Herrn  für  den  vom  Gesinde 
verursachten  Feuerschaden  sowie  Verbote  des  „dobel- 
spels"  seitens  des  Gesindes  betrifft.  Hier  übergangen  wer- 
den können  einige  urkundliche  Erwähnungen  des  Ge- 
sindes im  Laufe  des  14.  Jhdts.**).  In  einer  gleichfalls 
dem  14.  Jhdt.  angehörenden  erweiterten  Stadtrechtssamm- 
lung**) stehen,  außer  anderem  minder  Wichtigem,  Straf- 


')  Ebenda  Teil  2  S.  686.  —  >)  Spangenberg  a.  a.  O.  S.  866. 
— ')  Landes-Ordnungen  Cal.  a.a.O.  S.688;  LQn.  S.  744.  —  ^)  Landes- 
Ordnungen  Cal. a.a.O.  a708,  706;  Teü  1  S.  816;  Teü  2  S.  718,  772, 
706.  —  »)  Spangenberg  a.  a.  O.  S.  416.  —  •)  Landes-Ordnungen 
Cal.  4  S.210;  LOn.  4  Cap.l.Bd.  S.47d;  Lauen  bürg:  22.  Dezember 
1792  (Spangenberg  a.  a.  O.  S.  461).  -.  ')  Oben  S.  69  ff.,  126,  162. 
—  *)  Hänselmann,  Urkundenbuch  der  Stadt  Braunschweig  I 
S.  8.  —  •)  Ebenda  S.  10.  —  '«)  Ebenda  II  S.  180.  —  ")  Ebenda  I 
S.  21.  —  »«)  Ebenda  II  S.  220.  —  ")  Ebenda  S.  44.  —  ")  Ebenda  n 
S.  199,  888,  ra  S.  26,  218,  886.  -  «•)  Ebenda  I  S.  68. 


—     182     — 

drohungen  wider  den  Vertragsbruch  und  Kleidervorschrif- 
ten für  die  Dienstboten.  Gleichen  Inhalt  hat  das  Echteding^ 
des  15.  Jhdts.  ^).  Weit  reichhaltiger  ist  das  Gesinderecht 
des  Echtedinges  von  1532  *).   Über  das  Doppeltvermieten 
und  die   Berechtigung  des   Dienstherm,   schlechtes    Ge- 
sinde zu  entlassen,  sind  ausführliche  Anordnungen  neu 
geschaffen  worden.    Mit  den  Polizeiordnungen  von  1573 
und   1579')  erfolgte  die   Überleitung  dieser  Grundsätze 
in  die  bewußte  Polizeizeit,  ohne  daß  dies  an  dem  Geiste 
der  Gesetze  freilich  zu  merken  wäre*).    Durch  Verord- 
nxmg  vom  23.  Oktober  1621  *)  ging  man  gegen  die  ledig- 
sitzenden Müßiggänger  vor  zu  gunsten  eines  gesteigerten 
Arbeitsangebotes  von  Dienstboten.  Die  Taxordnimg  vom 
22.  Januar  1622  ^)  setzte  eine  Menge  Preis-  und  Lohnhöhen 
fest,  darunter  auch  solche  für  Dienstboten;  Naturallohn 
soll  verboten  sein.   Die  beiden  Verbote,  zu  Schaden  der 
Gesindezahl  müßig  zu  sitzen  sowie  den  Dienstboten  Frucht 
xmd  andere  Naturalien  zu  geben,  wurden  vereint  am  19. 
November  1637')  wiederholt.    Einen  andern  Weg,  dem 
Gesindemängel  zu  steuern,  fand   man  gegen  Ende  des 
Jahrhimderts :  das  Dienen  außer  Landes  wurde  am  19. 
September  1692®)  untersagt.    Teilweise  Wiederholungen 
bringt  das  18.  Jahrhundert.    Das  Ledigsitzen  dienstlosen 
Gesindes  wurde  durch  Erlasse  vom  29.  März  1703  und 
3.  Dezember  1744^),  sowie  durch  §  23  einer  1744  nicht 
näher  zitierten  Landesordnimg  bekämj)ft.    Eine  Verord- 
nung vom  27.  Oktober  1740*®)  verbot  das  Komsäen  fürs 


')  Ebenda  S.  126.  -  *)  Ebenda  S.  835.  --  *)  Ebenda  S.  i(H, 
468.  —  *|  Hampe,  Das  particulare  Braunschweigische  Privatrech t^ 
1861,  S.  447,  fahrt  weiter  eine  Polizeiordnung  des  Herzogs  Julius 
von  1689  (Cap.  80)  an.  -  •)  Archiv  Wolfenbattel  Nr.  1688.  —  •)  In 
einem  Sammelbande  der  Stadtbibliothek  Mainz.  Hampe  a.  a.  O. 
nennt  weitere  Taxordnungen  von  1644,  1646.  —  ')  Archiv  Wolfen- 
bOttel  Nr.  1984.  —  •)  Ebenda  Nr.  8488.  —  •)  Ebenda  Nr.  6480.  — 
'*)  Ebenda  Nr.  6998. 


—     183    — 

• 

Gesinde ;  am  14.  September  1747  mid  7.  Dezember  1748  ^) 
wurde  das  Zeugniswesen  neu  eingeführt.  Ganze  Gesinde- 
ordnungen wurden  dem  Gange  der  Zeit  gemäß  geschaffen 
am  29.  Oktober  1748  für  Wolfenbüttel«),  am  2.  Oktober 
1758  für  Stadt  Braunschweig  »),  am  16.  Juli  1764  für  Helm- 
städt  *). 

Besonders  für  sich  genannt  zu  werden  verdient  eine 
Handwerker-,  Tagelöhner-  und  Gesindeordnung  für  das 
Gebiet  der  Stifte  Magdeburg,  Halberstadt,  Hildesheim 
und   der    Herzogtümer    Braunschweig    und  Lüne- 
burg vom*  26.  Juni  1445*).   Sie  beruht  auf  einer  Verein- 
barung dieser  Territorien ;  damit  ist  ein  wichtiger  Gedanke 
des  16.  Jhdts.  schon  in  der  Praxis  vorweggenommen,  die 
später  interterritoriale  Abmiachungen  häufig  wählte,  um 
den  Übermlit  des  Gesindes  zu  brechen^).   Weiter  ist  für 
die  frühe  Zeit  bemierkenswert,  daß  eine  sehr  ausführliche 
und  genaue  Gesuidelohntaxe  das   ganze  einleitet.    Und 
es  folgen  dann  eine  Reihe  Vorschriften  über  den  Gesinde- 
vertrag, ganz  wie  sie  später  in  den  Polizeiordnungen  des 
18.  Jhdts.  auftreten. 

Sehr  reichhaltig  ist  die  Geschichte  des  Gesinderechts 
in  den  beiden  lipp eschen  Ländern. 

Lippe- Detmold  beginnt  zu  der  Zeit,  da  alle  an- 
dern Territorien  gleiches  tim,  1620  mit  einer  Polizeiord- 
n\mg^);  sie  enthält  einige  Paragraphen  vornehmlich 
mit  Lohn-  und  Kostbestimmungen.  Entsprechende  Fort- 
bildung fanden  diese  in  der  großen  Taxordnung  von 
1655®),  die,  durch  die  Nöte  im  Gesindewesen  veranlaßt, 
Taxen  für  die  verschiedenartigsten  Preise  und  Löhne  ent- 

')  Ebenda  Nr.  7112.  —  *)  Ebenda  Nr.  7097.  —  •)  Zitiert  bei 
Hampe  a.  a.  O.  —  *)  Ebenda  erwAhot  —  ^)  Zeitschrift  des  Harz- 
Vereins  ftkr  Geschichte  und  Altertumskunde  (Ed.  Jacobs)  27.  Jahrg. 
1»4  S.  427.  —  •)  Wuttkc  S.  102ff.;  oben  S.  170f.  —  ')  Landes- 
verordnoogen  der  Grafschaft  Lippe  I  S.  858;  Einzeldruck  in  der 
Uiiiv.*BibI.  Marburg.  —  •)  Landesverordnungen  a«  a«  O.  I  S.  408. 


—     184    - 

hält.  Diese  Taxordniing  verweist  aiif  eine  nicht  vorhandene 
vom  8.  August  1654.  Gleichermaßen  fand  die  1655er  Ord> 
nung  ihre  Ergänzung  xmd  teilweise  Erneuerung  1 658  ^).  Die 
zwei  schon  bekannten  Mittel  gegen  den  Leutemiangel,  näm- 
lich Verbot  des  Ledigsitzens  xmd  des  Auswandems  der 
Dienstboten,  wendet  auch  das  detmolder  Recht  in  der  fol- 
genden Zeit  an.  Solche  Verordnungen  ergingen  1658, 1667, 
20.  Februar  1680,  6.  Februar  1682,  25.  Januar  1721,  4.  April 
1730,  22.  Februar  1734,  12.  November  1749*),  ja  auch 
später  noch  am  4.  Juli  1780  ^)  und  23.  Januar  1781  *).  Da- 
zwischen fällt  das  wichtigste  Dokument^  die  Gesindeord- 
nung vom  6.  Februar  1752*),  deren  erster  Paragraph 
(Pflicht,  auf  dem'  Lande  3  Jahre  zu  dienen,  ehe  Heirats- 
erlaubnis erteilt  wurde)  durch  Verordnimg  vom  30.  Sep- 
tember 1777^)  eingeschärft  werden  mußte.  Eine  Erneue- 
rung des  Ganzen  folgte  schon  am!  24.  Februar  1778'). 
Und  ein  Regienmgsausschreiben  vom  6.  Januar  1783®) 
schärfte  den  Beamten  amtlich  die  Befolgung  der  Ordnung 
ein.  Besonderes  über  den  Antrittstag  enthält  eine  1789 
am  16.  März  erlassene  Verordnimg. 

Die  entsprechende  Polizeiordnimg  fällt  in  Schaum- 
burg-Lippe  etwas  früher  als  in  Detmold:  1615*);  es 
ist  die  im  hessen-schaumburgischen  Teil  dieser  Arbeit 
eingehend  behandelte.  1620  folgte  eine  Polizei-  und  Tax- 
ordnung ^®),  die  auch  das  Gesinde  bedenkt ;  sie  wird  1645 
und  1654  erneuert  ^^).  Verschiedenartige  gesinderechtliche 
Sätze  in  kleinem  Rahmen  werden  im  Dezember  1654  ver- 
öffentlicht ^*).  Wider  das  Ledigsitzen  ist  eine  Verordnung 
vom  4.  Oktober  1729*^)  gerichtet,  wider  den  Einkaufs- 


')  Ebenda  I  S.  4^.  -  >)  Ebenda  I  S.  429,  460,  487,  772,  886, 
872,  n  S.  20.  ^  »)  Ebenda  U  S.  726.  —  *)  Ebenda  S.  748.  —  •)  Ebenda 
S.  47.  -  «)  Ebenda  S.  642.  —  ')  Ebenda  S.  646.  ~  ')  Ebenda  IH 
S.  57.  —  *)  Schaumburg  •  Lippische  Landesverordnungen  I  S.  240; 
oben  S.  118  ff.  ^  >•)  Ebenda  S.  404.  —  ")  Ebenda  II  S.  16,  28.  - 
>*)  Ebenda  S.  25.  -*-  '«)  Ebenda  S.  201. 


—     185     — 

betrüg  eine  vom  1.  Februar  1730^),  die  am  3.  Februar 
1747  imd  24.  Dezember  1749  Auffrischxmgen  erfährt*). 
Vorher  war  eine  Gesindeordnimg  gewöhnlichen  Inhalts 
und  Umfangs  erschienen,  den  21.  August  1738^).  Ein 
Weistum  des  schaumburgischen  Ortes  Vehlen*)  han- 
delt  vom  Lohne  und  von  beiderseitigem  Vertragsbruche. 

Die  wichtigsten  Rechtsgebiete  des  thüringer  Lan- 
des sind  Nordhausen  und  Mühlhausen,  für  die  spätere  Zeit 
Frankenhausen. 

In  den  nordhauser  Statuten  von  1300^)  wird  eine 
Bestimmung  über  die  gegen  Gesinde  verwirkte  Buße  ge- 
troffen. Die  Statuten  von  1308  ®)  bilden  dies  Recht  weiter, 
geben  außerdem  Anordnungen  über  Verspielen  von  Her- 
rensachen durch  den  Knecht  sowie  Kleidervorschriften  für 
alle  Stände,  so  auch  fürs  Gesinde.  Mehr  Wert  haben  die 
Neuerungen  des  Rechtes  von  1350  ^),  wo  ziun  ersten  Male 
der  Vertragsbruch  eine  Regelimg  findet.  Gleiches  gilt 
von  den  1470er  Statuten«).  Am  28.  Juli  1421  wurde 
zwischen  Räten  und  Handwerksmeistern  vereinbart,  daß 
niemand  bei  Strafe  vertragsbrüchiges  Gesinde  mieten 
dürfe  *).  Die  nordhauser  Polizeiordnimg  von  1628  ^°)  geht 
gegen  die  müßig  sitzenden  Dienstboten  vor,  die  besteuert 
werden  sollen. 

Mühlhausen  besitzt  seine  ältesten  Dokumente  in 
den  Willküren  von  1311  (lateinisch)  und  1351   (deutsch) 

')  Ebenda  S.  906.  ~  ')  Ebenda  S.  869,  888.  -  ')  Ebenda  II 
S.886.  — *)  Grimm,  Weistümer  HI  S.812ff.,  bes.  816.  — »)  Forste* 
mann,  Neue  Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  historisch-antiquarischer 
Forschungen  ni  1  S.  44  ff.,  bes.  «1.  —  *)  Ebenda  III  2  S.  1  (f.,  bes. 
11,  29,  88.  —  ')  Ebenda  ÜI  8  S.  89  fT.,  bes.  45,  47,  52,  56,  57,  58 ;  III 
4  S.82ff.,  bes.  58.  —  •)  Ebenda  VI  2  S.  42ff.,  bes.  48,  51,  61,  65,  78, 
80;  IV  1  S.  56  ff.,  bes.  68.  —  •)  Stadtarchiv  Nordhausen.  U  Na.  2-11 
Bbtt  6  V.  Nachtrag  zu  den  statuta  seu  decreta  der  Stadt  Nord* 
lausen  (um  1870) ;  gleichzeitiger  Eintrag.  —  ^^)  StAdt.  Museum  Nord«» 
liausen;  Druck. 


—     186     — 

und  den  Statuten  von  1401  ^).  Sie  erwähnen  des  öfteren 
das  Gesinde;  hervorgehoben  seien  Anordnungen  über  den 
Zeitpunkt  der  Mietung*),  Abspenstigmisichen *),  sowie 
Taxen  des  Zimtaiermanns-,  Steinmetzen-  etc.  Lohns;  der 
Gesindelohn  ist  nicht  bestimmt.  Die  Heimburgenordnun^r 
von  1544*)  bringt  Anordnungen  über  die  landwirtschaft- 
liche Arbeit  des  Gesindes,  ferner  wider  die  Untreue,  Ver- 
tragsbruch und  Abspannen.  Das  Heimbuch  von  1582  *) 
wandelt  die  1544  auf  Untreue  gesetzte  Körperstrafe  in 
Geldbuße  um.  Im  17.  Jhdt.  ergingen  mehrfach  Bestim- 
mungen vornehmlich  wider  den  Vertragsbruch,  so  in  einer 
undatierten  Verordnung®),  femer  am  28.  März  1655  •) 
und  m  den  Statuten  von  1692  Tit.  24  Nr.  20  Art.  46«). 
Die  Fragen,  die  der  Zeit  bedeutsam:  erscheinen,  behan- 
delt das  erneuerte  Heimbuch  von  1736®)  ausführlich  in 
einem  besonderen  Abschnitte  „Vom  Gesinde". 

Zu  den  bedeutendsten  Rechtssystemen  gehören  die 
f rankenhäuser  Rechte,  die  Statuten  von  1534^^)  und 
die  Polizeiordnung  von  1558  **).  Trotzdem  darin  das  Ge- 
sinderecht an  verschiedenen  Stellen  verstreut  ist,  kommt 
doch  ein  großer  Teil  der  gesinderechtlichen  Gesetzge- 
bimgskunst  dieser  Zeit  zum:  Ausdruck. 

Unter  der  Masse  der  übrigen  selbständigen  Rechts- 
gebiete im  mittleren  und  südlichen  Thüringen  ragen  weiter 
Gotha,  Erfm-t,  die  weimarischen  Länder  und  Altenburg 
hervor. 


^)  Die  Rathsgesetzgebung  der  freien  Reichsstadt  Mohlhausen 
i.  Th.  im  U.  Jhdt.,  hsg.  von  E.  Lambert  (Halle  1870);  Mühlhäuser 
Geschichtsblatter  9  S.  14  ff.  — «)  Lambert  a.  a.  O.  S,  124.  —  »)  Ebenda 
S.  12B.  —  *)  Im  Stadtarchiv  zu  Mühlhausen.  —  »)  Ebenda.  —  •)  Ebenda ; 
den  Heimbüchem  angeheftet  —  0  Edictbuch  der  Stadt  Mflhlhausen 
1688.  Stadtarchiv  Abt.  Y  Fach  1  Nr.  8  S.  419.  -  •)  StatuU  und 
Willkühr,  der  Kayserlichen  Freyen  und  Heil.  Rom.  Reichs -Stadt 
Mohlhausen  1693.  ~  •)  Stadt.  Bibliothek  Mühlhausen.  -  ^<')  Michelsen, 
Rechtsdenkmale  aus  Thüringen  S.  466  ff.,  bes.  475,  480,  481,  487,  488, 
489.  —  ")  Walch,  Beytrftge  I  S.  286  ff. 


—     187    —  . 

Das  alte  Stadtrecht  Gothas^)  handelt  von  Haftung 
und  Vertretung  im  Gesmdeverhältnisse  und  vom  beider- 
seitigen Vertragsbruche.  In  einer  vor  1541  entstandenen 
Stadtordnung  ^)  sowie  in  den  neuen  Statuten  von  1579') 
kommen  nur  ganz  nebensächliche  Erwähnungen  des  Ge- 
sindes vor.  Eine  fürstlich  gothaische  und  altenburgische 
Gesindeordnung  reichen  Inhaltes  stamtot  vom  4.  Januar 
1719  *). 

Aus  Erfurt  sind  Polizeiordnungen  von  1577^)  und 
1583*)  zu  nennen,  aus  späterer  Zeit  die  Instruktion  für 
die  „Zweyermanns-Camimer'*  von  1704^)  imd  die  Dorf- 
ordnung von  1786®)  mit  mannigfachen  Grimdsätzen  im 
Sinne  des  Jahrhunderts®). 

Weimar  erhielt  zuerst  in  der  Landesordnung  von 
1482")  Gesinderecht  gesetzt;  Bestimimungen  über  Ab- 
spenstigmachen,  Neuvermietung,  Kündigrung,  sowie  Lohn- 
taxe sind  darin  enthalten.  Zeugnisse  wurden  durch  die 
Polizeiordnung  von  1531  **)  eingeführt.  Über  Borgen  an 
Gesinde  trifft  die  Landesordnung  von  1556  **)  gleiche  An- 
ordnung wie  die  Landesordnimg  von  1589  **).  Diese  Ord- 
nung von  1589  handelt  weiter  über  die  gewöhnlichen  Dinge 
gesinderechtlichen   Polizeiwissens,  Vertragsbruch    beider 


^  Ortloff,  Samml.  Deutscher  RechtsqueJIen  II  S.819  ff.,  bes.  882; 
Strenge-Devrient^  Stadtrechte  von  Eisenacb,  Gotha  u.  Walters- 
hausen (ThOr.  Geschichtsquellen  Bd.  9)  S.  196  ff.,  bes.  222.  —  *)  Strenge- 
Devri ent  a.  a.  O.  S.  894  ff.,  bes.  898.  —  •)  Ebenda  S.  817  ff., bes.  882.  — 
^  Univ.-BibL  Marburg.  XVm  f  A  870.  —  •)  Dorn,  Gesinderecht 
S.828.  —  •)  In  der  Univ.-BibL  Marburg.  —  ')  Churfilrstliche  Mayntzische 
Gnädigste  Ordnungen  vor  deren  Stadt  Erffurth  S.  186  ff.,  bes.  142, 
155,  156.  —  ')  He  ine  mann,  Die  statuUrischen  Rechte  för  Erfurt 
S.  866  ff.,  bes.  869.  —  *)  Weitere  unvachtige  kurmainzische  Erlasse 
ftr  das  Eichsfeld  mit  gelegentlichen  Vorschriften  Aber  das  Gesinde- 
wesen in  Scbepplers  Codex  ecclesiasticus  Moguntinus  novissimus 
lS.108ff.,  148ff.  — *")Joh.Schmidt,  Ältere  und  neuere  Gesetze  .. . 
f.  d.  Fflrstenthum  Weimar  IV  S.  187,  144,  147,  162.  —  ")  Ebenda  IV 
S.  187.  —  »•)  Ebenda  IV  S.  82.  —  ")  Ebenda. 


—     188    — 

Teile  und  Zeugnisse^).  W<enig  steht  in  den  Statuten  der 
Stadt  Weimlar  von  1590  2).  Reichhaltiger  noch  als  die 
Ordnung  von  1589  ist  die  Verordnung  vom'  22.  Juli  1651  *). 
Nur  geringe  Ausbeute  gibt  das  sonst  so  reiche  18.  Jhdt. 
Am  10.  September  1759  traf  man  Vorkehrungen  wider  Mie- 
tungen johne  Zeugnisse  *),  am  30.  Mai  1763  erging  eine  Tax- 
ordnung*), und  gegen  Kreditnehmföi  des  Gesindes  wurde 
am  17.  März  1777  *)  eingeschritten.  Weitreichende  Zeugniis- 
vorschriften  traten  1805  imd  1807 ')  in  Kraft.  Was  hier  im 
18.  Jhdt.  fehlte,  ist  jenaischen  Teiles  in  um'  so  größerer 
Reichhaltigkeit  vorhanden.  Die  Statuten  von  1704  ^)  lassen 
vorahnen,  was  durch  die  große  Gesindeordnung  vom'  2.  De- 
zember 1751  *)  in  gewaltiger  Menge  reglementiert  wurde. 
Was  sonst  noch  im  18.  Jhdti  sich  ereignete,  verschwindet 
gegen  diese  beiden  Gesetze.  Ein  Patent  wider  das  dienst- 
lose Gesinde  voml  11.  Mai  1757  ^^),  eine  der  gleichzeitigen 
Weimarer  Ordnung  entsprechende  Taxordnung  vom  10. 
Juni  1763*^)  leiten  zu  den  am  19.  April  1804  erlassenen 
Zeugnis vorschrif t en  ^^)  über,  die  das  angeführte  Weimarer 
Recht  von  1805  und  1807  vorbereiten.  Wie  die  jenaische 
Gesindeordmmg  von  1751,  so  ist  auch  die  in  Sachsen- 
Ei  s  e  n  a  c  h  am  6.  Oktober  1757  *^)  erlassene  Ordnxmg  ein 
Muster  des  Könnens  der  Zeit,  während  die  früheren  eise- 
nacher  Statuten  von  1670")  sich  mit  einer  Bestimmung 
über  den  Vertragsbruch  und  über  die  Haftung  des  Herrn 
begnügten. 


»)  Ebenda  S.  188,  140,  141,  146.  —  •)  Ebenda  Vni  S.  101.  — 
*)  Ebenda  S.  141,  146,  147,  148,  149,  150,  162,  VI  S.  864,  366.  —  Dorn 
S.  241  fbhrt  weiter  ein  herz,  sächsisches  Edikt  von  1626  Aber  die 
Gesindeuntreue  an.  —  *)  Ebenda  S.  140.  —  »)  Ebenda  VIII  S.  416. 
—  •)  Ebenda  IV  S.  148,  144.  168.  -  »)  Ebenda  XI  S.  184 ;  Kr.  A. 
WOrzburg.  V.  2616,  Abschrift  aus  der  Nationalzeitung  der  Deutschen 
vom  November  1806  S.  886.  —  ")  Ebenda  IV  S.  142,  144,  160,  VH 
S.  416.  —  •)  Ebenda  IV  S.  188  ff.  —  »•)  Ebenda  IV  S.  146.  -  ")  Ebenda 
VIII  S.  416.  —  *«)  Ebenda  IX  S.  406.  -  ")  Kr.  A.  München.  G.  R. 
Fasz.  402  Nr.  3.  —  >«)  Strenge-Devrient,  Sudtrechte  S.  120ff., 
bes.  162,  168. 


—     189    — 

Fürstlich  altenburgisches  Gesinderecht  erging* 
am  8.  Juli  1650  mit  einer  Verordnung  wider  ledigsitzendes 
Gesinde*),  weiter  am  3.  Februar  1665  in  einer  Gesinde- 
und  Tagelöhnerordnung  ^).  Eine  fürstlich  gothaische  und 
altenburgische  Gesindeordnung  wurde  am  4.  Januar  1719 
erlassen  ').  Auf  dem!  Landtage  von  1734  trugen  die  Stände 
vor,  daß  die  alte  Gesindeordnung  von  1665  außer  Ge- 
brauch gekomimen  sei*).  Daraufhin  wurde  eine  Neube- 
arbeitung in  Angriff  genommen.  Eine  große  Gesinde-  und 
Taglöhnerordnimg  von  1744  ^)  war  der  Erfolg,  bemerkens- 
wert vor  allem'  durch  die  Bestimmungen  über  den  Dienst- 
zwang.  Ein  Mandat  vom  1.  Dezember  1750®)  forderte  von 
den  Beamten  Berichte  über  Befolgung  verschiedener  Ge- 
setze, insbesondere  wurde  auch  nach  dem  Erfolge  der 
Vorschriften  wider  das  ledigsitzende  Gesinde  gefragt 
(Frage  13,  14). 

Nur  wenige  von  den  sonstigen  Satzungen  der  zahl- 
reichen kleinen  Städte  und  Ländchen  des  thüringischen 
Landes  können  Anspruch  auf  individuelle  Wertimg  ihres 
Gesinderechtes  erheben.  Für  die  meisten  genügt  eine  kur- 
sorische Aufzählung.  Die  folgenden  Rechte  bringen  ge- 
legentlich einmial  gesinderephtliche  Anordnimgen  ^) :  Sta- 
tuten und  Polizeiordnung  für  Zeitz  von  1573  ®),  Statuten 
für  Gera  vom  11.  Juni  1658»),  Eisenberg  von  1610"), 
Bürgel  von  1567*^),  Rastenberg  von  1491*2),  ßut- 
telstedt  von  1491"),  Buttstedt  von  1410"),  Neu- 

') St. A.Wiesbaden.  VII 1  Nassau-Weilburg generalia XIV  c  Nr.  18. 
-  *)  Zitiert  in  der  Gesindeordnung  von  1744.  —  •)  Univ.-Bibl.  Marburg. 
XVIII  f  A  870;  s.  oben  S.  187.  — *)  Ergibt  sich  aus  Eingangsworten 
<icr  Gesindeordnung  von  1744.  —  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVIII  f  B 
1119  g.  -.  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVIII  f  A  870.  -  ')  Reihenfolge 
voo  Osten  nach  Westen.  —  •)  Schott,  Sammlungen  zu  den  Deutschen 
Lad-  und  Stadtrechten  I  S.  268.  —  •)  Ebenda  S.  146.  —  ")  Walch, 
B«ytragc  II  S.  212.  -  ")  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  VII 
S.  280.  -  !•)  Ebenda  VIII  S.  2.  -  >»)  Ebenda  VII  S.  822.  — 
")  Ebenda  S.  841. 


—     190    — 

mark  Von  1510^),  Greußen  von  1556*),  Magdala. 
von  1671«),  Berka  von  1674*),  Teichel  von  1596^), 
Rem  da  aus  dem  13.— 14.  Jhdt.«)  und  von  1635'),  Um 
von  1350»),  Saalfeld  aus  dem  13.  Jhdt.*),  Leuten - 
berg  aus  dem  15.  Jhdt.i»),  Schleiz  von  1625"),  Wal  - 
tershausen  aus  dem  17.  Jhdt. ^^).  Reicher  und  viel- 
gestaltiger sind  die  übereinstimmenden  Statuten  R  u  d  o  1  - 
stadts  und  Blankenburgs  von.  1594^«).  Auch  das 
ältere  Recht  in  Rudolstadt  von  1404  und  1488")  nmß 
einiger  Gesinderechtssätze  wegen  bescmders  angeführt  wer- 
den. Die  hennebergische  Landesordnung  von  1539  ^*) 
regelt  den  beiderseitigen  Vertragsbruch.  Gleichen  Geistes 
ist  die  1580  gedruckte  Polizei-  imd  Landesordnung  für 
Sachsen -Koburg^*);  nur  von  der  Antrittspflicht  und 
dem  Vorrechte  der  alten  Dienstherrschaft  vor  dem  neuen 
Mieter  handehi  die  Statuten  der  Stadt  Koburg^').  1814 
wurde  in  Kobiurg  der  Zwangsdienst  aufgehoben^®). 

Aus  Waldeck  stanmit  eine  sehr  alte  Gesindelohn- 
taxe.  Sie  ist  vom  Jahre  1386*');  am  Schluß  wird  ferner 
das  Dienen  außer  Landes  verboten.  In  einem  Sammel- 
bande alter  waldeckischer  Verordnung  (1525 — 1775)  der 


*)  Ebenda  S.  618.  -  •)  Walch  a.a.O.  VII  S.61.  —  •)  Schmidt 
a.  a.  O.  S.  501.  -  *)  Ebenda  S.  206.  —  »)  Wa  Ich  a.  a.  O.  V  S.  166. 
•)  Ebenda  VIII  S.  232.  - ')  Schmidt  a.  a.  O.  VIII  S.  27.--«)  Walch 
a.  a.  O.  V  S.  1.  —  •)  Ebenda  I  S.  1.  —  *•)  Michelsen,  Rechts- 
denkmale  S.  425.  —  ")  Walch  a.  a.  O.  VIII  S.  54.  -  ")  Strenge- 
Devrient,  Stadtrechte  S.  860 ff.,  bes.  861.  —  ")  Walch  a.  a.  O. 
V  S.  21  ff.,  78  ff.  —  >«)  Michelsen,  Rechtsdenkmale  S.  207  ff.,  bes. 
210,  216;  S.  226ff,,  bes.  226.  —  ")  Schmidt  a.  a.  O.  IV  S.  164.  — 
'*)  G.  M.  von  Weber,  Darstellung  der  sämtlichen  Provinzial-  und 
Statutarrechte  des  Kgr.  Bayern  I  S.  1128.  -  ^*)  Ebenda  S.  1128.  — 
")  Ebenda  S.  1124.  —  »•)  Collitz-Bauer,  Wald.  Wörterbuch,  1902 
S.  801;  Urkunden  zur  Gesch.  der  FQrstentOmer  Waldeck  und  Pyr- 
mont, Beilage  zu  Bd.  1  u.  2  der  Beiträge  zur  Gesch.  der  FQrsten- 
tOmer W.  u.  F.,  S.  62«  —  Curtze,  Gesch.  und  Beschreibung  des 
FOrstenthums  Waldeck,  1850  S.  288  datiert  die  Ordnung  mit  1886. 


—     191     — 

fürstl.  Regierung  Arolsen  sind  weiter  folgende  Stücke  ent- 
halten. Einmal  eine  Landesordnung  vom  15.  April  1581, 
die  5  Th.  Strafe  auf  den  Vertragsbruch  setzt.  Diese  Be- 
stiimnung  wiederholt  die  Landesordnung  vom  16.  Oktober 
1607.  Der  Gesindelohn  wird  in  der  Taxordnung  vom  24. 
August  1632  bestimtait.  Eine  Verordnung  vom  20.  März 
1720,  welche  die  Gesindediebstähle  mit  harten  Strafen 
belegt,  und  eine  vom  20.  April  1736  wider  den  Vertrags- 
bruch leitet  über  m  der  großen  Gesindeordnung  vom: 
4.  Dezember  1736,  die  im  Anschluß  an  die  hannoversche 
Gesmdeordnung  von  1732  und  die  hessische  von  1736 
alles  regelte,  was  man  damals  am  Gesinde  der  Regelimg 
wert  hielt.  Am  2.  September  1761  schließlich  folgte  eine 
Wiederholung  des  Verbotes,  außer  Landes  zu  dienen. 

Die  katholischen  Länder  des  westlichsten  Deutsch- 
land fassen  das  Gesinderecht  nicht  anders  auf  als  die 
protestantischen,  von  einer  Einzelheit  abgesehen:  das  an- 
derswo bestehende  m^rlcantilistische  Verbot,  außer  Lan- 
des zu  dienen,  bekommt  hier  manchmal  die  Gestalt,  daß 
das  Dienen  im;  protestantischen  Auslande  verboten  wird, 
^wogegen  häufig  die  Protestanten  auch  ihrerseits  die  Dienst- 
boten im  katholischen  Lande  für  gefährdet  halten.  Der 
Orundton  und  die  Ausgestaltimg  im  übrigen  sind  gleich. 
So  im  Hochstifte  Paderborn.  Eine  Polizeiordnung 
^'on  1655*)  ist  hier  zu  nennen,  deren  25.  Kapitel  die  ge- 
wöhnlichen polizeilichen  Maßnahmen  gegen  das  Gesinde 
enthalt.  Auch  über  die  Beschaffung  der  nötigen  Dienst- 
boten durch  Anhalten  der  Müßigen  enthält  die  Ordnung 
eine  Stelle;  weitergebildet  wurde  dies  durch  eine  Verord- 
nung vom  26.  Oktober  1702 »),  und  in  neuer  Weise  durch 
^  allgemeine  Verbot,  nach  Holland  auszuwandern,  vom 
13.  Januar  1781 »). 

0  Hochflirstlich  Paderbörnische  Liindes  •Verordnungen .. .  in 
^r  Sammlung  herausgegeben,  4  Teile,  Paderborn  1786-1788;  T.  1 
S.  «ff.  _  ■)  Ebenda  II  S.  88.  —  •)  Ebenda  IV  S  140. 


—     192     — 

In  der  nahebei  liegenden  Stadt  Salzkotten  wur- 
den nach  einem'  Berichte  von  1670  ^)  die  Gartendiebe  den 
Dienstboten  tind  Kindern  zum  warnenden  Beispiele  öffent- 
lich ausgestellt. 

Die  alten  Statutarrechte  für  Rüden  aus  dem  14. 
Jhdt.  *)  bringen  außer  einer  eigenartigen  Satzung  über 
den  Schutz  der  Mägde  gegen  Verführer  (Art.  62)  Bestim- 
mungen über  den  Vorzug  im  Beweisrechte  bei  Lohnfor- 
derungen. 

Wenig  ergiebig  ist  das  Recht  Lippstadt s.  Das 
dritte  Stadtrecht  von  1575^)  handelt  einmal  von  den  In- 
jurien, die  zwischen  Gesinde  \'orkonlm!en. 

Das  Recht  des  hof hörigen  Gesindes  ergeben  zum  Teil 
die  Bestimmungen  für  den  Hof  zu  E  i  k  e  1  an  der  Lenne  *). 

Bedeutsamer  für  das  allgemeine  Gesinderecht  ist  die 
Bürgersprache  für  Bielefeld  von  1578^),  wo  vornehm- 
lich über  Mietgeld  und  Dienstantritt  Bestimmungen  ge- 
troffen werden. 

In  die  neuere  Zeit  hinein  ragt  das  Recht  der  Graf- 
schaft Ravensberg.  Eine  Landesordnung  von  1655*)  hat 
Gesindelohntaxe,  Bestimmungen  über  Kündigung,  Antritt, 
Müßigsitzen,  außer  Landes  gehen  usw. ;  diese  Vorschriften 
sind  der  Schatzkamtmer  entnommen,  an  der  kein  Staatdamais 
vorüberging,  ohne  sich  zu  versehen.  Ebenso  erweist  sich 
die  Gesindeordnung  von  1766  ^)  als  Ergebnis  ihrer  Zeit ;  sie 


^)  Wigands  Archiv  ftlr  Geschichte  und  Altertumskunde  West- 
phalens  III  3  S.  881.  -—  *)  Seibertz,  Urkundenbuch  zur  Landes- 
und Rechtsgeschichte  des  Herzogthums  Westfalen  II  S.  69 ff.;  Wi- 
gands Archiv  V  S.  56ff.  —  ')  Veröff.  der  bist  Kommission  för 
Westfalen,  Rechtsquellen,  Stadtrechte  I,  Stadtrechte  der  Grafschaft 
Mark  I:  Overmann,  Lippstadt  S.  70  ff.,  bes.  71.  —  *)  Grimm, 
Weistümer  II!  S.  60  ff.,  bes.  68.  —  »)  Walch,  Beyträge  III  S.  58  ff., 
bes  69, 73, 75;  Wi gand ,  Provinzialrechte  des  Fflrstenthums  Minden . . . 
II  S.  ^flf,  —  •)  18.  Jahresbericht  des  Historischen  Vereins  für  die 
Grafschaft  Ravensberg,  1899,  S.  124.  —  "*)  Auszug  aus  ihr  in  den 
Ravensberger  Blättern  für  Geschichts-,  Volks-  und  Heimatskunde 
1909  S.  62. 


—     193    — 

tarifiert  gleichfalls  den  Lohn.  Nur  wexüge  gesinderecht* 
liehe  Bestimlmiungen  trifft  die  Dorfordnung  für  Minden» 
Ravensberg,  Tecklenburg  und  Lingen  vom'  7. 
Februar  1756  ^). 

VcKri  Rechte  Münsters  ist'  ninächst  eines  Statutes 
von  1373')  zu  gedenken,  wo  da^  Doppeltvennieten  mit 
Strafen  bedroht  wird.  Mancherlei  Gesinderecht  an  ver- 
schiedenen Stellen  enthält  die  Polizeiordnung  der  Stadt 
Münster  aus  der  zweiten  Hälfte  deö  16.  Jhdts. ').  Immer 
wieder  das  Recht  des  Vertragsschlusses  und  des  Dienst- 
antrittes wird  geregelt  in  einem  undatierten  Zusätze  zu 
einem  sandwellischen  Landurteil  des  16.  Jhdts.  ^),  sowie 
in  Godingsartikeln  des  Domkapitels  in  Fassimgen  von 
1665  imd  1715*).  Im!  18.  Jhdt.  ergingen  schUeßUch  eine 
große  Gesindeoid&ung  ani  6.  Februar  1722^)  und  eine 
Polizeiordnuxig  1740^),  die  ein  ganz  kurzes  Kapitel 
über  Dienstboten  enthält.  In  der  Eigentimisordnung  vom 
10.  Mai  1770®)  erfuhr  das  Zwangsdienstrecht  eine  Kodi- 
fikation. 

Die  Statuten  Koesfelds  von  1574*)  handeln  vom 
Vertragsbruche  und  vom  Auswärtsdienen.  Einige  Ein- 
blicke in  das  Recht  der  hofhörigen  Dienstboten  gewährt 
das  Recht  des  Hofes  zu  Loen  von  1363  und  1547  ^<'). 

In  der  benthei mischen  Gerichts-  und  Landes- 
ordnung   von    1600^^)    steht    eine    Gesindelohntaxe    zu- 


*)  Schlot  er,  Provinzialrecht  der  Provinz  Westfalen  II  S.  168. 
-*')Niesert,  Mflnstersche  Urkundensanunlung  III S.  ISSl.  — ')  Samm- 
lung der  Gesetze  und  Verordnungen,  welche  in  dem  KOn.  Preuss. 
Erbßtarstenthume  Mflnster  ...  ergangen  sind  I  S.  147;  Schlüter, 
Pravinzialrecfat  I  S.  117;  die  Datierungen  der  beiden  Ausgaben  wider- 
sprechen sich  —  ^) Philip pi,  Landrechte  des  Monsterlandes  (VerOff. 
d.  Hist  Kommission  für  Westfalen.  Westf.  Landrechte  I)  S.  68.  — 
*)  Ebenda  S.  180ff.;  Wigands  Archiv  VI  S.  862.  -  <")  Sammlung 
a.a.O.I&868.  —  ') Univ. BibL Marburg. —  •) Ebenda.  -  •)Niescrt 
a, a.0.  &  170 ff.,  bes.  171, 178.  —  *«)  Gri mm,  Weistümer  III  S,  146 ff., 
bes.  147,  166.  -  ")  Schlüter,  Provinziah-echt  I  S.  486. 

18 


—     194    — 

satnmen  mit  sonstigen  Rechtssätzen  über  das  Gesinde- 
wesen. 

Eines  der  wichtigsten  Dokumente  der  westfälischen 
Gesetzgebung  kann  an  dieser  Stelle  eingefügt  werden,  die 
am  29.  September  1423  zwischen  Ritterschaft  und  zahl- 
reichen Städten  vereinbarte  Gesinde-  imd  Tagelohnsord- 
nung*). Sie  ist  eine  außerordentlich  frühe  Verwirklichung 
der  Idee,  durch  gemeinschaftliches  Vorgehen  die  Lohn- 
steigerung mit  Hilfe  einer  Taxe  zu  bekämpfen.  Daneben 
kommen  noch  weiterreichende  Bestimmungen,  so  über 
das  Mietgeld,  vor. 

Unter  den  erneuerten  Statuten  für  Arnsberg  von 
1608  2)  sind  Vorschriften  über  Haftimg  des  Herrn  für 
Feuerschaden  und  über  Abschiedszeugnisse. 

Das  Wichtigste,  was  die  alte  soester  Schrae  von 
1350')  an  Gesinderecht  bringt,  ist  eine  Bestimmung  über 
die  gerichtliche  Vertretung  des  Hausherrn  diurch  sein 
Gesinde. 

In  Dortmunds  großem  Stadtbuche  aus  dem  14. 
Jhdt.  *)  stehen  Strafvorschriften  wider  den  Knecht,  der 
die  Herrin  begehrt;  weiter  wird  der  Verlust  der  Bürger- 
schaft einem'  Bürger  angekündigt,  der  sich  zum  Knecht 
vermietet.  In  einem  Urteile  für  Wesel  äußerte  sich  der 
dortmunder  Richter  im  15.  Jhdt.*)  über  den  Vertrags- 
bruch. 

Das  Landrecht  der  „sieben  Freien**^)  enthält 
Strafandrohimgen  wider  den  Nichtantritt  des  Dienstes. 

Weit  zurück  reicht  das  Gesinderecht  in  Gl e v e.  Das 
alte  clever  Stadtrecht ')  hat  einen  besonderen  Titel  ,,Van 

')  Seibert z,  Urkundenbuch  Ol  S.  48ff.  -  *)  Ebenda  S.  SlOff., 
bes.  825.  827,  —  •)  Ebenda  ü  S.  887flf.,  bes.  418,  414.  —  *)  Frens- 
dorff,  Dortmunder  Statuten  und  Urteile  (Hansische  Geschichts- 
queUen  lU)  S.  67flf.,  bes.  77,  78.  -  »)  Ebenda  S.  278  flf.,  bes.  284.  - 
^  Grimm,  Weistümer  III  S.67flf.  —  ^  v.  Kamptz,  Die  Provinzial- 
und  statutarischen  Rechte  in  der  Preussischen  Monarchie  III  S.  24  ff., 
bes.  89. 


—     195    — 

Dyenst knechten".  Für  das  Land  Cleve  ist  das  älteste 
nachweisbare  Stück  erst  die  Tax-  iind  Gesindeordnimg' 
vxm  2.  Augrust  1608^),  bemerkenswert  schon  wegen  der 
Zusammenstellimg  des  Titels.  Sie  enthält  eine  ausführliche 
Regelmig  des  G^esindewesens  im  Geiste  der  polizeiUch  all- 
mächtigen Beaufsichtigimg,  ebenso  wie  die  beiden  fol- 
genden großen  Gesindeordnimgen  vom'  2.  Juni  1644*) 
und  vom  29.  September  1696'),  deren  Emeuenmg  am 
6.  März  1727  erfolgte*).  Zwischendurch  fällt  eine  Rege- 
lung des  Zeugniswesens  (2.  April  1708)*).  Eine  Reihe 
einzelner  Bestimmtingen  aus  dem  Gesinderechte  in  will- 
Icürlicher  Zusammensetzung,  die  am  12.  Februar  1731  als 
Verordnung  erlassen  wurde  *),  bereitete  die  beiden  großen 
Gesindeordnungen  des  18.  Jhdts.  vor,  die  eine  vom  7.  De- 
zember 1753')  nur  für  die  Städte,  die  andere  fürs  platte 
Land;  sie  erg^ing  am  7.  Januar  1769®).  Kaum  etwas, 
was  sich  im  Gesindeverhältnis  reglementieren  läßt,  wurde 
übersehen ;  in  teilweise  getreuer  Übereinstimmung  werden 
von  beiden  Ordnimgen  Rechte  der  Herrschaft,  Pflichten 
des  Gesindes  festgesetzt. 

Schon  im  Anfang  des  16.  Jhdts.  erhoben  die  Räte, 
Ritter  und  Städtefreunde  in  Jülich  Beschwerden  über 
den  hohen  Gesindelohn  (30.  März  1512)*).  Erst  in  den 
Verhandlungen  des  Jahres  1547  taucht  der  Gedanke  wieder 
auf ;  in  die  Zwischenzeit  fällt  die  Erwähnung  des  Beitrags 
der  Dienstboten  zur  Türkensteuer  von  1544  ^^).  1547  wird  auf 
weitere  Beschwerden  der  Stände  erwidert,  daß  mit  Aachen 
und  Köln  über  die  Gesindefragen  verhandelt  werden  solle. 


^)  Scotti,  Sammlung  der  Gesetze  und  Verordnungen,  welche 
in  dem  Herzogthum  Cleve  und  in  der  Grafschaft  Mark  . .  .  ergangen 
snd  1 S.  216.  —  «)  Ebenda  I  S.  260.  -  •)  Ebenda  I  S.  690.  —  *)  Ebenda 
II  S.  1065.  —  »)  Ebenda  II  S.  756.  -  •)  Ebenda  U  S.  1004.  — 
'l  Ebenda  Ol  S.  1452.  —  •)  Ebenda  III  S.  1894.  —  •)  Landtagsakten 
von  Jüüch-Bcrg,  hsg.  von  von  B e low.  Bd.  1 S.  189, 141.  —  *•)  Ebenda 
IS.  647. 

18* 


—   1%  — 

Das  geschah  auch,  wie  aus  einer  beigefügten  Notiz  zu 
sehen  ist.   Doch  scheint  ein  Gesetz  dabei  nicht  zustande 
gekomimen  zu  sein.  Die  am  15.  Mai  1558  erlassene  Polizei- 
ordnung*) erwähnt  des  Gesindes  nur  in  zufälligem  Zu- 
sammenhange.  Und  1566  werden  die  alten  Beschwerden 
wieder  geltend  gemacht  *).  Die  hierauf  ergehende  Antwort 
des    Herzogs')    verheißt   wiederum   Verhandlimgen    mit 
Köln.    Über  das  Ergebnis  dieser  und  weiterer  Verhand- 
lungen verlautet  nichts*);  hingewiesen  sei  atif  eine  Stelle 
in  der  Entgegnung  der  Räte  vom  8.  September  1570^), 
wo  es  heißt,  daß  die  Einführung  von  „pasportzen"  der 
reisigen  Knechte  „des  reichs  Ordnung  und  policei  ge- 
meess**  ist.   Das  Nächste,  was  auf  dem  Gebiete  des  Ge- 
sinderechts geschah,  ist  erst  eine  Polizeiordnung  für  die 
Stadt  Düsseldorf  aus  dem  Jahre  1706^).   Ferner  eitstan- 
den im  18.  Jhdt.  noch  mehrere  Einzelverordnungen,  so 
am  16.  Februar  1739  wider  den  Vertragsbruch ').   Gleich- 
zeitig mit  der  Regelung  der  Mietzeit  wurde  am  16.  No- 
vember 1744  eine  Taxe  angekündigt®).    Über  Zeugnisse, 
Kündigungsfrist  imd  Vertragsbruch  wird  allerlei  unterm  15. 
Dezember  1751  bestimmt  ^),  eingeschärft  am  18.  September 
1794*®).    Im  gleichen  Jahre,  am  2.  Dezember  1794  ging 
man  gegen  die  Hundstagsfeiern  des  Gesindes  vor**).   All 
diese  einzelnen  Verordnungen  erfuhren  eine  großzügige 
Zusaminenfassxmg  in  der  Dienstbotenordnung  vom  4.  De- 
zember 1801**),  der  am  16.  November  1809  eine  nicht 
minder  ausführliche  für  die  Stadt  Düsseldorf  folgte  ^^). 

*)  Univ..  Bibl,  Marburg.  —  «)  v.  Below  a.  a.  O.  S.  90,  98.  — 
•)  Ebenda  S.  142.  ^  *)  Ebenda  S.  164,  173,  178,  180.  —  »)  Ebenda 
S.  180.  —  •)  St.  A.  Düsseldorf,  Nr.  1009  Der  Sammlung  jQlichscher 
etc.  Verordnungen.  —  ^  Scotti,  Sammlung  der  Gesetze  und  Ver- 
ordnungen, welche  in  den  ehemaligen  HerzogthQmem  JOlich,  Cleve 
und  Berg  . . .  ergangen  sind  S.  860.  ^  ')  Ebenda  S.  400.  —  *)  Ebenda 
S.  444;  St.  A.  Düsseldorf.  Akten  des  bonner  Hofrats,  Kurköln  Re^ 
gierungssachen  Nr.  47.  —  ")  Ebenda  S.  746.  —  >»)  Ebenda  S.  747. 
—  ")  Ebenda  S.  880.  —  >•)  Ebenda  S.  1262. 


—     197     — 

Als  letztes  Stück  sei  noch  ein  Erlaß  wider  die  Hausdieb- 
stahle vom  16.  Februar  1814^)  angeführt. 

In  K  ö  1  n  erging  1407  ein  Statut  wider  das  Abspenstig- 
machen  •).  Mit  geringen  Änderungen  wurde  es  etwa  1460 
wiederholt ').  Soinst  kdmmen  in  der  älteren  Zeit  hier  und  da 
noch  eintmal  nebensächliche  Erwähnimgen  des  Gesindes 
vor.  Für  Kurköln  fällt  die  Zeit  der  großen  Systeme  in 
die  erste  Hälfte  des  17.  Jhdts.  Vorbereitet  durch  die 
beiden  Polizeiordnungen  von  1538  imd  1595^)  erschienen 
am  15.  Februar  1645  (für  Westfalen),  28.  Juni  1647  und 
28.  Januar  1656  (für  Westfalen)  Polizei-  und  Taxordnim- 
gen*).  Die  von  1645  gibt  in  ihrem!  Titel  als  Polizei-  und 
Gesindeordnung  schon  die  bedeutende  Stellung  des  Ge- 
sinderechts  kund,  das  auch  in  den  beiden  andern  Ord- 
nungen die  entsprechende  Rolle  spielt.  Aus  dem  acht- 
zehnten Jahrhundert  ist  vorweg  die  für  Westfalen  be- 
stimmte Polizeiordhimg  vom  20.  September  1723  *),  deren 
28.  Titel  „Von  Abdjngung  anderer  Leuthen  Reisigen, 
Knechten  xmd  Dienstbotten"  handelt,  zu  nennen,  als  letzter 
\'ersuch  das  Gesinderecht  in  dem  Zusammenhang  des 
gesamten  Rechtssysteimes  darzustellen.  Im  übrigen  be- 
schränkt mian  sich  während  der  späteren  Zeit  in  auf- 
fallender Weise  gerade  in  Köln  auf  das  Vorgehen  mit 
Einzelverordnungen  von  Fall  zu  Fall.  Man  verbietet  für 
Westfalen  1716  das  Dienen  in  protestantischen  Gegen- 
^^^^)y  geht  später  gegen  den  Vertragsbruch  und  die  Un- 
regebnäßigkeiten  in  der  Wandelzeit  vor,  wie  am  2.  Mai 


')  Ebenda  S.  1550.  —  *)  Walther  Stein,  Akten  zur  Geschichte 
^r  Verfassung  und  Verwaltung  der  Stadt  Köln  (Publikationen  der 
(Gesellschaft  Ar  Rheinische  Geschichtskunde  X)  I  S.  842  ff.,  bes.  948. 

-  •)  Ebenda  S.  386ff.,  bes.  887.  —  *)  Scotti,  Sammlung  der  Ge- 
setze und  Verordnungen,  welche  in  dem  ehemaligen  ChurftkrsCenthum 
Cöin . . .  ergangen  sind  1  1  S.  80,  168.  —  *)  Ebenda  S.  S48,  S5S,  i88. 

-  *)  Ebenda  S.  688;  Einzeldruck  in  der  Univ.  •  Bibl.  Marburg.  ^ 
')  Ebenda  S.  609. 


—     198    - 

1718,  12.  Oktober  1722  (Westfalen),  22.  Dezember  1738»). 
Oder  es  wird  arusaimnen  mit  diesem  in  derselben  Verord- 
nimg das  Abspenstigmiachen  mit  Strafe  bedroht  mid  das 
Zeugniswesen  geregelt  (10.  Dezember  1751, 17.  Juli  1770  *) ). 
In  zwei  aufeinanderfolgenden  Jahren,  am  20.  September 
1761  und  3.  April  1762 '),  wird  für  Westfalen  die  Natural- 
entlöhnung  verboten.  Am  21.  November  1763  ergeht 
gleichfalls  für  Westfalen  ein  Auswanderungs verbot*). 
Mietzeit,  Mietgeld,  Dienstjahr,  Gesindekost  sind  die  Stoffe, 
mit  denen  sich  ein  Erlaß  für  Recklinghaus^i  vom  26.  Juni 
1764*)  beschäftigt;  von  Kündigimg  und  Mietzeit  handelt 
eine  Verordnung  für  Westfalen  vom  23.  Dezember  1785  *). 
In  der  Leibeigentumsordnimg  für  Recklinghausen  vom 
3.  April  1781  ^)  wurde  das  Zwangsdienstrecht  kodifiziert®). 
Die  älteste  Quelle  trierischen  Gesinderechts  bil- 
det eine  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jhdts.  angehörende 
Dienstordnung  für  die  Beamten  imd  Diener  des  Dom- 
kapitels®). Weiter  findet  sich  in  Beschlüssen  des  trierer 
Konzils  von  1310  ^^)  die  Bestinünimg,  ne  religiosi  habeant 
servos.  Gelegentliche  Erwähnung  des  Gesindes  erfolgt 
sodann  in  einem  Vertrage  zwischen  dem  Ritter  Arnold 
von  Blankenheim'  und  dem  Er^bischof  von  Trier  vom 
6.  Februar  1358^*).  Ein  früher  Versuch  voa  Lohntaxen 
(aber  ohne  Auffühnmg  des  Gesindes)  erfolgte  1404  ^').  Sehr 
ergiebig,  insbesondere  auch  für  das  Kost-  und  Arbeits- 
recht des  Gesindes  sind  die  trierer  Kellnereiordnung  von 


*)  Ebenda  S.  618,  621;  I  2  S.  726.  -  «)  Ebenda  I  2  S.  771; 
St  A.  Düsseldorf,  Akten  s.  oben  S.  196  Anm.  9.  —  ')  Scotti 
a«  a.  O.  S.  841,  842.  —  «)  Ebenda  S.  846.  -  •)  Ebenda  S.  849.  - 
*)  Ebenda  S.  1115.  —  ')  Ebenda  S.  1004.  —  •)  Über  das  Gesinderecht 
in  Aachen  Hessen  sich  weder  ungedruckte  noch  gedruckte  Quellen 
nachweisen.  -  •)  Trierisches  Archiv  1898  S.  87flf.  —  »•)  Scotti, 
Sammlung  der  Gesetze  und  Verordnungen,  welche  in  dem  vormaligen 
Churfbrstenthum  Trier  . . .  ergangen  sind  S.  1  ff.,  bes.  28.  —  ")  Lamp- 
recht, Deutsches  Wirtschaftsleben  III  S.  281  ff.,  bes.  282,  288.  — 
**)  Scotti  a.  a.  O.  S.  1540. 


—     199    — 

1500  ^)  und  die  um  1530  festgestellten  Haushaltungspflich- 
ten des  Amtmanns^).  Judengesinderecht  nebensächlicher 
Art  steht  in  den  Judenordnungen  von  1518,  1563,  1618  *). 
Unter  den  Sendfragen  von  1599*)  stehen  Bestimmungen 
vornehmlich  über  des  Gesindes  erziehliche  Beaufsichti- 
gung durch  die  Herrschaften.  Über  Gesindekost  bringt 
die  Instruktion  für  den  Adjunkten  des  Küchennieisters 
im  Kloster  St.  Maximin  (um  1600)  *)  einige  wertvolle  An- 
gaben. Merkwürdigerweise  enthalten  die  beiden  Ausgaben 
des  kurtrierischen  Landrechtes  von  1668  und  1713^)  kein 
besonderes  Kapitel  vom'  Gesinde,  sondern  nur  einmal  eine 
Bestimtnimg  über  den  Vorrug  des  Lidlohnes  im  Konkurse. 
Zwischendurch  1690  tmd  dann  weiter  1719  ergingen  Gebote 
über  die  Pfarrmägde  '^).  Wegen  des  Judengesindes  wurden 
1723  und  1725«)  neue  Bestimmungen  getroffen.  Agrar- 
tedmische  Besonderheiten  fanden  1743,  1751,  1755  ^)  ihre 
Regelung  unter  Berücksichtigung  gesinderechtlicher  Ver- 
hältnisse. In  Verordnungen  über  Militärverhältnisse,  den 
Besuch  der  Christenlehre,  einer  Feuerordnung  aus  den 
Jahren  1761,  1779,  1783*®)  fallen  nebenher  auch  einige 
Kleinigkeiten  fürs  Gesinderecht  ab. 

Über  die  Miniaturterritorien  am  Mittelrhein  ist  nicht 
viel  zu  sagen.  Die  wiedschen  Lande  versenkten  ihr 
Gesinderecht  in  die  beiden  Kirchenordnungen  vom:  4.  Fe- 
bruar 1643  imd  24.  September  1683  ").  In  geistlicher  Auf- 
machung wird  hier  von  der  Leichtfertigkeit  des  Gesindes 
gehandelt,   die  Sonntagsarbeit   wird   eingeschränkt   usw. 

^)  Lamprecht  a.  a.  O.  S.  807  ff.,  bes.  811,  812.  —  *)  Ebenda 
S.  814«:  -  •)  Scott!  a.  a.  O.  S.  269flf.,  bes.  260,  268;  382;  591.  - 
*)  Ebenda  S.  1541.  ^  *)  Habeische  Sammlung.  —  ')  Mauren- 
brecher, Die  Rheinpreussischen  Landrechte  II  S.  Iff.;  42  ff.,  bes. 
186.  —  ')  Scotti  a.  a.  O.  S.  728;  801  ff.,  bes.  818.  —  •)  Ebenda 
S.86»ff.,  bes.  878,  875,  881;  908.  -  •)  Ebenda  S.  1085,  1059,  1094.  — 
^)  Ebenda  S.  1127,  1810,  1882.  —  ")  Scotti,  Sammlung  der  Gesetze 
und  Verordnungen,  welche  in  den  vormaligen  Wied-Neuwiedischen  . . . 
Landcs-Gebieten  . . .  ergangen  sind  S.  4,  18. 


—    200    — 

In  den  verschiedenen  sayn sehen  Gd>]etsteilen ^)  kam 
es  za  ein  paar  Maßregehi  wider  ausländische  Knechte 
und  Judengesinde  (4.  Dezieinber  1739,  21.  Juni  1743,  14. 
Jianuar  1805)*).  Was  dagegen  die  in  der  sayn-wittg^n- 
steiner  Polizeioidnümg  von  1776')  enthaltene,  große  Ge- 
sindeordnung bringt,  ist  bedeutsam  diu-ch  die  in  der  äuße- 
ren Anordnung  und  auch  in  einem  Teile  des  Inhaltes  zu 
Tage  tretende  Selbständigkeit  gegenüber  den  sonstigen 
Zeiterscheinimgen. 

Das  Recht  der  Kinder  von  Moselweis  aus  dem 
Jahre  1580^)  imd  zwei  Weistiemler  des  Ortes  Langezi- 
lonsheim  bei  Kreuznach^)  enthalten  einige,  wenn  auch 
nicht  bedeutende  gesinderechtliche  Bestimmungen. 

Vor  dem  endgrültigen  Übergang  zu  Süddeutschlaiud 
ist  noch  Nassau  zu  erledigen.  Es  beginnt  mit  einer  Ver- 
ordnung vom  1.  Januar  1559  für  Katzenelnbogen  wider 
das  Dienen  außer  Landes  ®).  Wichtig  ist  femer  die  Mon- 
tagsordnung  vom  18.  August  1586^).  Keine  Möglichkeit 
näherer  Datierung  besteht  für  eine  Gesindelohntaxe,  wohl 
vom  Ende  des  16.  Jhdts.  ®).  Eines  der  allerwichtigsten  Ge- 
setzgebungswerke ihrer  Zeit  ist  die  nassau-katzenelnbo- 
gener  Polizeiordnung  vom'  8.  März  1597  %  die  eine  Fülle 
bedeutsamer  Rechtssätse  aus  allen  Gebieten  des  Gesinde- 
rechtes enthält.  Dagegen  bringt  die  katzenelnbogener 
Landordnung  vom  1.  Mai  1616  ^^)  nichts  Gesinderechtliches« 
Aus  dem  Jahre  1618,  vom;  23.  Dezember,  stammt  die 
erste  vollständige  nassaiier  Gesindeordnung  ^^),  für  Beil- 
stein bestimimt.   Weniger  hat  eine  katzenelnbogener  Ge- 

^)  Des  dynastischen  Zusammenhanges  wegen  an  dieser  Stelle 
behandelt  —  *)  Ebenda  S.  665, 702, 1057.  —  •)Univ.-Bibl  Marburg.  XVm 
f  B  1999  m.  -  «)  Grimm,  WeistQmer  II  S.  509.  -  «)  Ebenda  S. 
158  ff.,  bes.  165 ;  III  S.  769.  --  «)  St.  A.  Wiesbaden.  VI  1  Nassau- 
Weilburg.  Generalia  XIV  c  Nr.  18.  —  ^  Corpus  Constitutionum 
Nassovicarum  I  S.  609.—  ')  Siehe  Anm.  6.  —  *)  Nach  einem  Druck 
von  1616  in  der  Universitätsbibliothek  Marburg.  —  '*)  Ebenda.  — 
")  Corp.  Const.  Nass.  II  1  S.  29. 


—     201     — 

sindeostliiuiii:  vom  7.  Dezember  1643^),  die  neben  einer 
Taxe  nur  das  Veibot  des  Müßigsitzens  und  Dienens  außer 
Landes  enthält»  Tvofür  insbescmdere  auf  ein  Mandat  vom 
16.  Oktober  1641  verwiesen  wird.  Am  20.  Dezember  1643 
erging  femer  eine  allgemeine  Gesindeordnung').  Das 
katzenelnbogener  Aktenstück')  läßt  sehen,  daß  die  Gesinde- 
ordnun^r  vom  7.  Dezember  1643  am  6.  September  1649 
und  im  Jahre  1654,  diesmal  imter  Weglassimg  der  Taxe, 
eme  Erneuerung  erfuhr.  Unterm  9./19.  September  1656 
imd  9.  August  1658  wurden  Bestimimungen  über  die  Mie- 
tung des  Gesindes  getroffen^).  Mehrfach  wiederholen  sich 
die  Verbote,  außer  Landes  in  Dienste  zu  gehen,  so  am 
20.  Dezember  1702*),  für  Usingen  1699  und  1701«). 
Außer  diesem  Gebot  kominit  sämtliche  Weisheit  der  Zeit 
über  Gesindewesen  zum'  Ausdruck  in  einer  undatierten 
MHochfürstlichen  Regierungs  -  Verordnung"  (Gesindeord- 
nung), wohl  aus  dem  Anfang  des  18.  Jhdts.  '^).  Eine  ebenso 
undatierte,  etwa  derselben  Zeit  angehörende  Rügordnimg 
für  die  Herrschaft  Idstein  ^)  bringt  heftige  Bestimimungen 
wider  Abspenstigmiachen  und  Vertragsbruch.  Am  14.  Mai 
1718  entstand  eine  weitere  Gesindeordnimg  für  den  siege- 
ner  Landesteil');  hier  wird  allgemein  auf  die  katzeneln- 
bogener  Polizeiordnung  verwiesen,  die  befolgt  werden  soll. 
Aus  d«n  18.  Jhdt.  liegen  schließlich  noch  zahlreiche  wei- 
tere Verordnungen  für  die  Herrschaft  Idstein  vor,  die 
wm  verschiedenen  Arten  eines  zwangsweisen  Gesinde- 
dienstes handeln.  Die  Verordnungen,  deren  Bedeutung 
in  §  2  des  zweiten  Teiles  dargelegt  werden  wird,  sind 
^tiert  vom   1.   März  1736,    15.   Dezember  1766,    1768, 

^)  St.  A.  Wiesbaden.  VI  1  Nassau-Weilburg.  Generalia  XIV  c 
Nr.  18.  —  «)  Corp.  Const  Nass.  II  1  S.  204.  —  »)  S.  200  Anm.  6.  — 
')  Ebenda  H  2  S.  48,  G9.  —  •)  Ebenda  S.  248.  —  «)  Zitiert  in  der 
oanger  Gesindeordnung  vom  Anf.  18.  Jhdts.  in  der  Akte  St  A.  Wies- 
Men.  V  Nassau -Usingen  1.  Generalia  II  a  Verordnungen  Band  V 
Seite  188.  —  ^  S.  vor.  Anm.  —  •)  Ebenda.  —  •)  Corp.  Const  Nass. 
in  S.  170. 


—     202     — 

23.  April  1774,  26.  September  1776,  7.  Dezember  1778. 
1.  März  1782,  28.  Februar  1783 1). 

Angereiht  sei  hier  das  rheingauische  Landrecht, 
nicht  die  Fälschimg  Bodmlanns,  sondern  das  neuere  von 
1643  *),  das  über  Dienstmiete,  Antritt  und  Abspannen  des 
Gesindes  Anordnungen  trifft. 

Weit  reichhaltiger  und  bedeutender  als  die  Geschichte 
des  Gesinderechts  im  Lande  Hessen--Darmstadt, 
dessen  frühere  Entwicklimg  ja  mit  der  Kurhessens  zu- 
sammenfällt, ist  die  Rechtsgeschichte  des  Gesindes  in 
den  darmstädtischen  Nebenländern  verlaufen,  die  teil- 
weise erst  später  dem  Gebiete  zugefügt  wurden. 

Am  weitesten  in  die  Vergangenheit  zurück  reicht  hier 
das  Recht  der  Burg  und  Stadt  Friedberg.  Gelegent- 
liche Erwähnungen  des  Gesindes  traten  in  verschiedenen 
Verträgen  zwischen  Stadt  imd  Burg,  in  Friedeaisverkün- 
dungen  der  Könige,  Steuerfestsetzungen  und  andern  Ur- 
kunden auf.  Daten  solcher  Akte  sind  25.  März  1301, 
21,  Juli  1306,  21.  Juli  1331,  7.  April  1335,  31.  Januar 
1354,  28.  April  1394  ^).  Wichtigere  Anordnungen  verschie- 
dener Art  enthält  die  Polizeiordnung  der  Burg  Friedberg 
aus  dem  Jahre  1680*).  Auf  ein  hohes  Alter  blickt  weiter 
das  mockstädter  Recht  zurück.  Ein  Weistum  von 
1365^)  hat  eine  Stelle  über  Befreiung  des  Pfarrgesindes 
von  einer  Fastnachtsabgabe,  eine  andere  über  Hirtenrecht. 
Von  weiteren  Sonderrechten  Hessen-Darm^tadts  nördlich 


^)  Verzeichnet  in  dem  von  H.  L,  Benz  1784  angelegten 
Kataloge  idsteiner  Gesetze  (St.  A.Wiesbaden.  V  1  Nassau  -  Usingen. 
Generalia  II  a  Verordnungen)  S.  210,  221,  227,  259,  260,  261,  271. 
—  ')  Im  Stadtarchiv  Mainz;  vgl.  auch  Paul  Richter,  Geschichte 
des  Rheingaues,  in  „Der  Rheingaukreis**,  Rfldesheim  1902,  S. 
240,  241.  —  •)  Foltz,  Urkundenbuch  der  Stadt  Friedberg  I  (Vcröflf. 
der  historischen  Kommission  (tXr  Hessen  und  Waldeck)  S.  64,  72, 
114,  180,  198,  447.  —  «)  Druck  Giessen  1729  in  der  Univ.-Bibl. 
Marburg.  -  *)  Grimm,  Weistflmer  III  S.  485 flf.,  bes.  486. 


—    203    — 

des  Maines  versagt  das  solmisische  Landrecht  von 
1571^)  fast  ganz;  niir  eine  zivilrechtliche  Regelung  (II 
3)  „von  Leyhen  anderer  beweglicher  Ding  und  Haab** 
läßt  sich  zur  Erläuterung  des  Gesinderechts  vcmi  ferne 
heranziehen.  Weit  bedeutsamer,  insbesondere  nach  der 
verwaltungsrechtlichen  Seite  hin,  ist  die  Gesindeordnung 
für  die  Grafschaft  Gedern  vom  11.  Januar  1681*).  Sie 
bemüht  sich,  nichts  von  ihren  auswärtigen  Vorgän- 
gerinnen Abweichendes  anzuordnen.  Angefügt  ist  ihr 
ein  „Kurtzer  Begrriff  der  Gesindeordnimg"  *).  Völlig 
andersartig  als  in  den  nassau-katzenelnbogenschen  Poli- 
zeiordnimgen*)  wird  das  Gesinderecht  in  der  Polizeiordnung 
für  hessisch-Katzenelnbogen  aus  der  Zeit  des  Land- 
grafen Georg  I.  (1567—1596)'*)  behandelt.  In  Nassau  eine 
großzügige,  eingehende  Behandlimg  des  allgemeinen  Ge- 
sinderechtes;  hier  nur  gelegentliche  Äußerungen  darüber 
unter  sehr  aiisf  ührlicher  Hervorhebung  des  Müllergesinde- 
rechtes. Das  alte  Landrecht  für  Katzenelnbogen ')  ent- 
hält nur  eine  Anordnung  über  das  Lohnvorrecht  beim 
Tode  des  Herrn. 

Über  die  Maingrenze  nach  Norden  ragten  weiter  ver- 
schiedene kurm'ainzische  Gebietsteile ^).  Für  die  Stadt 
Orb  winde  1579  eine  Polizeiordnung®)  erlassen,  in  der 
eine  Bestin^mtmg  über  das  Abwendigmachen  vorkommt. 
Über  das  Gesinderecht  in  Mainz  selber  geben  einige 
Notizen  über  Aufnahme  und  Austreibung  von  Juden  und 


*)  Nach  Druck  von  Joh.  Wolffin  Frankfurt  1671,  in  der  Univ.- 
Bibl.  Marburg.  —  ')  Gräflich  Stolbergisches  Archiv  in  Gedern.  B.  XX 
Allerhand  Verordnungen  und  Befehle  so  in  der  Grafscha£Et  Stolberg- 
Gedem  ergangen  S.  61.  —  ')  Abgedruckt  in  den  Giessener  Familien- 
bUutern  (Beil.  zum  Giessener  Anzeiger)  1907  Nr.  59.  —  *)  Oben  S.  200, 
M.  —  *)Selchows  Magazin  UXr  die  teutschen  Rechte  und  Geschichte  I 
S.  476  ff.  —  •)  Druck  Darmstadt  1796.  —  ^)  Über  das  kurmainzische 
Recht  ftir  Thüringen  s.  oben  S.  187.  —  •)  St.  A.  Marburg.  Akten  orb 
Nr.  488. 


—     204    — 

Judengesinde  Auskunft,  wk  sie  Bodnuuin  gesammelt  hat^). 
Die  früheste  Nachricht  stammt  aus  1365,  wo  man  ,,meister 
Jacob  den  judden"  aufnahm;  bis  ins  17.  Jhdt.  ziehen  sich 
solche  Aufzeichnimgen  hin.  Rechtzeitig  zu  ihrer  Zeit  er- 
ging am:  13.  Oktober  1623  eine  Taxordnung*),  in  der  auch 
dem  Gesinde  ein  Höchstlohn  gesetzt  wird;  weiterer  Text 
gesinderechtlichen  Inhaltes  fehlt  aber  —  im  Gegensatze 
zu  so  vielen  anderen  allgemieinen  Taxordnungen  jener 
Zeit,  die  g^radie  das  Gesinde,  weniger  andere  .Stände, 
mit  polizeilichen  Vorschriften  bedenken.  Einige  kirchen- 
rechtliche Gesindevorschriften*)  können  hier  übergangen 
wierden.  Selbst  eine  große  Kirchenordnung  aus  dem  Jahre 
1669*)  bringt  nur  kurze  Ordnung  der  Christenlehre  und 
d)er  Soimtagsarbeit,  woraus  dem  Gesinde  Nutzen  er- 
wuchs. In  zufälligem  Zusammenhange  erwähnt  das  Ge- 
sinde weiter  eine  Notsteuerveranlagungsordnung  vom'  20. 
Dezember  1701*).  Die  bedeutsamste  Erscheinimg^  main- 
zischen Rechts  ist  erst  die  Verordnung  wider  die  Haus- 
diebstähle vom'  25.  April  1749  •).  Ein  hartes  Straf  recht 
soll  die  Unredlichkeit  heilen;  durch  Zeugnisse  will  man 
sonstige  Mängel  heben.  Nur  das  Konkiu^vorrecht  des 
Lohnes  wird  in  dem'  Landrecht  von  1755')  berück- 
sichtigt. 

Über  das  Recht  der  Mainfahrt  verglichen  sich  am 
11.  Oktober  1730  das  Kloster  Altenmünster  ru  M  a  i  n  z  und 
die  Gemeinde  Kost  heim®).  Dabei  wurde  auch  die 
Höhe  der  Abgaben  für  Herrschaft  und  Gesinde  festgesetzt. 


')  In  Belegen  zu  einer  Abhandlung  aber  kurmainzisches 
Judenrecht;  Habeische  Sammlung.  —  ')  In  einem  Sammelbande 
der  Stadtbibliothek  Mainz.  —  ')  Scheppler,  Codex  ecdesiasticus 
Moguntinus  novissimus  I  S.  8fi.,  bes.  IS;  131;  142;  196;  901.  — 
*)  Ebenda  S.  164;  Kersting,  Sonderrechte  Sp.  1086.  —  »)  Habcl- 
sehe  Sammlung.  —  •)  Kersting  a.  a.  O.  Sp.  1067.  -  ')  Ebenda 
Sp.  1071.  —  *)  Aus  Notizen  Bodmanns  aber  das  Recht  der  Mainfahrt 
zu  Kostheim  (in  der  Habeischen  Sammlung;  Götze  VII  95). 


—    205    — 

Gering«  Ausbeute  ergibt  das  wormser  Recht.  In 
der  mn  1400  entstandenen  Ordnung  der  Fergen*)  wird 
dmnal  nebenher  der  Abgabenfreiheit  bestimmter  Bürger 
und  ihres  Gesindes  gedacht,  ähnlich  wie  in  dem  eben 
genannten  kostheimler  Vergleiche.  Eine  Satzung  von 
1469')  bedroht  das  Abspenstigmachen  mit  Geldbuße» 
Leider  enthält  die  große  1505  bestätigte  wormser  Refor* 
mation  ^)  keinerlei  gesinderechtliche  Vorschrift.  Zwei  Ver- 
träge von  1509  und  1519  zwischen  Bischof  imd  Stadt*) 
verheißen  für  verschiedene  Angelegenheiten  gleiche  Be- 
handlung der  Dienstboten  und  deren  Herrschaften. 

Das  alte  Stadtbuch  Oppenheims*)  regelte  den 
Vertragsbruch  des  Gesindes,  ein  Weistum:  aus  H  eppen- 
heim  von  1497*)  gab  dem  Lidlohnarbeiter  ein  vorzüg- 
liches Pfandrecht  wider  den  Arbeitgeber.  Ob  eine  Satzung 
des  Kanzelgerichtes  zu  Oberbeerbach  von  1498 ')  von 
Knechten  als  Gesinde  handelt,  oder  mit  „knecht**  einen 
umfassenderen  Simi  verbindet,  mag  dahin  gestellt  sein. 

Für  das  Land  Hessen- Darmstadt  beginnt  die 
Rechtsgeschichte  des  Gesindes  mit  einer  Münz-  und  Tax- 
ordnung vom  8.  Januar  1626*).  Diese  hat  eine  Gesinde- 
lohntaxe und  spricht  außerdem  das  Verbot  des  Abwendig- 
inachens  aus.  Geradeso  wird  das  Gesinderecht  in  der  er- 
neuerten Taxordnung  vom  29.  April  1639  gehandhabt. 
In  einer  Menge  von  Erlassen  wird  das  Dienen  auß^^ 
Landes  verboten,  nämlich  durch  Verordnimgen  vom  18. 
März  1650,  20.  Juni  und  24.  August  1653,  12.  November 

')  Boos,  Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt  Worms  I  8  S.  649. 
-  *)Baur,  Hessische  Urkunden  IV  S.  202.  —  »)  Univ.-BibL 
Marburg.  XVIII  b  A  887  c.  —  *)  Moser,  Reichs-Stättisches  Hand- 
Buch  0  S.  977,  998.  -  •)  Wilhelm  Franck,  Geschichte  der  ehe- 
maligen Reichsstadt  Oppenheim  S.  178 ff.,  bes.  209.  —  ")  Grimm, 
Wdstümer  V  S.  681.  —  »)  Maurer,  Geschichte  der  Dorfverfassung 
n  S.  487  ff.,  bes.  489.  —  •)  In  der  Höpfner sehen  Ediktensammlung 
<les  Grossherzoglichen  Haus-  und  Staatsarchivs  zu  Darmstadt,  wo- 
auch  die  weiter  angefahrten  Verordnungen  zu  finden  sind. 


—    206    — 

1654  *),  3.  November  1655,  10.  November  1656,  1.  Juli 
1672,  7.  März  1673  und  schließlich  am  15.  Dezember 
1710.  Das  einzig  interessante  von  diesen  Ausschreiben 
ist  das  von  1673,  wo  den  Untertanen  imtersag^t  wird, 
ins  katholische  Ausland  zum  Dienen  zu  gehen.  Eigen- 
artige Bestimlmungen  über  Lohnpfändung  imd  Herren- 
haftung  wurden  am  5.  März  1700  getroffen,  worüber 
später  im  Zusammenhang  gehandelt  werden  wird. 

Wie  in  Mainz  ist  auch  in  Frankfurt  die  früheste 
nachweisbare  gesinderechtliche  Satzimg  judenrechtlichen 
Inhaltes:  die  Judenordnung  von  1617*)  bringt  verschie- 
dene Beschränkungen  in  der  Gesindehaltung  der  Juden. 
1642  erging  eine  Taxordnung '),  die  auf  einer  Vereinbarung 
mit  Nachbarstaaten  beruht  *).  Ebensolche  Vereinbarungen 
fanden  nach  dem  Kriege  statt.  Eine  Taxordnung  ent- 
stand 1654*);  sie  geht  auf  Anregung  des  mainzischen 
Rezesses  vom  1.  Mai  1654*)  zurück.  Hundert  Jahre 
später  wurden  Versuche  imtemommen,  das  Gesinderecht 
selbständig  zu  kodifizieren.  Einige  Gedankenaustausche 
zwischen  Senat  und  Konsistorium  über  den  Entwurf  einer 
Gesindeordnung  fanden  1756  statt ;  das  hierbei  vorgelegte 
Projekt  ist  der  einige  Jahre  zuvor  (1748)  erlassenen  ha- 
nauer  Gesindeordnung  mehr  als  nachempfunden^). 

Die  heute  politisch  zu  Bayern  gehörenden  Gebiete 
zeigten  zur  Zeit  ihrer  Getrenntheit,  vornehmlich  im  17. 
Jhdt.,  in  großem  Umfange  das  Bestreben,  sich  kreisweise 
oder  durch  besondere  Einzelberedungen  über  Maßnahmen 
zur  Bekämpfung  des   Gesindes  zu  einigen®).    1636  und 

*)  St.  A.  Wiesbaden.  VI  1  Nassau- Weilburg  generalia  XIV  c  Nr.  18. 
—  ")  Moser,  Reichs-Stättisches  Hand-Buch  I  S.  575 flF.,  bes.  682, 
585,  598.  —  »)  Stadtarchiv  Frankfurt.  Corpus  legum  Francofurtensium 
III  Nr.  81.  —  *)  Hierzu  Notiz  in  der  Akte  des  Stadtarchivs  Frankfurt 
Ugb  B.  69  Nr.  9,  letzte  Seite.  —  •)  Corp.  leg.  Francof.  III  Nr.  68.  - 
•)  Ebenda  Nr.  65.-0  Stadtarchiv  Frankfurt  Ugb  B.  69  Nr.  9;  die 
hanauer  Ordnung  s.  oben  S.  134  f.  —  ")  Über  die  sächsischen  Kreise 
s.  oben  S.  170;  Reichsrecht  oben  S.  77flf. 


—    207    — 

1638  erließ  der  fränkische  Kreis  eine  Taxe  für  Tag- 
werker ^).  1643  folgte  dann  eine  fränkische  Kreistaxe  für 
Taglöhner  und  Dienstboten  ^).  Auch  der  fränkische  Kreis- 
konvent von  1651 ')  hatte  wenigstens  in  Bamberg  als  Folge 
den  Erlaß  einer  Gesinde-  und  Taxordnung  fl652),  die 
dann  den  Beteiligten,  nämlich  dem  Markgrafen  von  Bran- 
denburg, den  Regienmgen  zu  Würzbiu-g,  Amberg,  Nürn- 
berg, Koburg  und  Onolzbach  (Ansbach)  mitgeteilt  wurde*). 
Weiter  sind  ni  verzeichnen  Vereinbarungen,  die  Würzburg 
seit  1652  mit  benachbarten  Territorien,  insbesondere  Bam- 
berg, zu  treffen  versuchte,  die  auch  praktische  Ergeb- 
nisse hatten*).  1654  beschäftigte  sich  der  Kreistag  zu 
Bamberg  wieder  mit  der  Gesindefrage.  Das  Ergebnis 
ist  zunächst  der  Rezeß  vom'  25.  Oktober  und  4.  November 
1654*).  In  ihm  wird  des  Gesinderechtes  wegen  auf  ein 
nähere  Bestimmimgten  enthaltendes  Patait  verwiesen.  Er- 
folglos scheinen  dagegen  zwei  Verhandlimgen  gewesen 
ni  sein,  die  vierzig  Jahre  danach,  1698,  zwischen  Würz- 
burg und  anderen  fränkischen  Staaten  geführt  wurden. 
Das  eine  Mal  ging  die  Anregung  von  Kurpfalz  aus,  wo- 
bei für  Würzburg  jedenfalls  nichts  herauskam  ^).  Auch  das 
andere  Unternehmen,  wobei  Würzburg  (für  Mainz),  Kur- 
pfalz, WormJs,  Hessen-Darmstadt  sich  zusammentun  woll- 
ten, um  gegen  den  hohen  Dienstlohn  einzuschreiten, 
scheint  ergebnislog  verlaufen  zu  sein  8).    Schließlich  ist 

')  Kamann,    Altnflmberger    Gesindewesen,  in  den  Mitt.  des 
Vereins  ftr  Geschichte  der  Stadt  Nürnberg  U.  Heft  (1901),  S,  lOL 

-  ■)  Ebenda  S.  102;  Kr.  A.  Würzburg  V  9661;  Kr.  A.  Bamberg, 
Ausschr.  28.  Januar  1644  in  Bamberger  Verordnungen  Rep.  141  Nr. 
59;  Kr.  A,  München,  G.  R.  Fasz.  402  Nr.  1.  -  •)  Wuttke  S.  106. 
^  *)  Kr.  A.  Bamberg.    Bamberger  Verordnungen  Rep.  141  Nr.  69. 

-  ')Kr.  A.WOrzburg.  MiscelL  4972.  — •)  Moser.  Des  Fränckischen 
Crayses  Abschiede!  S.  dOOfif.;  Sammlung  der  hochförsUich  -  wirz- 
burgischcn  Landesverordnungen  I  S.  248.  —  '')  Kr.  A.  Würzburg. 
Sammlung  Kurf.  Mainz.  Verord.  8.  Teil  Nr.  866.  —  »)  Gen.  L.  A. 
Karlsruhe,  Baden  Generalia  6888;  Kreisarchiv  Würzburg,  Sammlung 
Kurf.  Mamzischer  Verordnungen  8.  Teil  Nr.  866. 


—    208    — 

noch  zu  erwähnen,  daß  am  8.  September  1780  die  kur- 
pfälzische Regierung  benachbarten  Staaten  eine  Verlegrung 
der  Ziehzeit  des  Bäuemgesindes  von  Weihnachten  auf 
Martini  vorschlug.  Baden  lehnte  ab;  ob  gleichwohl  in 
Kurpfalz  die  beabsichtigte  Änderung  vorgenommen  wurde, 
ist  unbekannt*). 

Die  Einzelgesetzgebung  der  Territorien  ist  freilich 
schon  viel  früher  auf  dem  Plane.  Die  Darstellimg  der 
fränkischen  Geschichte  sei  mit  Würzburg  begon- 
nen, wenn  hier  das  Recht  auch  bei  weitem  nicht  die  frühe 
Entwicklimg  zeigt  wie  etwa  in  Nürnberg  und  Bamberg. 
Würzburgs  ältestes  Gesindegesetz  ist  eine  Verordnung 
vom  26.  Oktober  1593,  die  in  einer  späteren  Gesinde- 
ordnung (von  1744)  einleitungsweise  zitiert  wird.  Über 
den  Inhalt  des  alten  Gesetzes  war  nichts  festzustellen. 
Ebenso  ist  es  mit  einer  1652  genannten  Taxordnung  von 
1643.  Erhalten  ist  dagegen  eine  Taxordnung  aus  dem 
Jahre  1644*)  (die  auf  den  Kreisschluß  von  1643  zurück- 
geht). Die  auch  schon  erwähnten  Verhandlungen  mit 
Bamberg  führten  zu  einem  Ausschreiben  an  die  Amt- 
männer imd  Vögte  vom'  24.  Juli  1652'),  wonach  die  aus 
Bamberg  (und  wohl  auch  aus  den  andern  nicht  genannten 
Vertragsländern)  aufs  würzburgische  Gebiet  übergetretenen 
Dienstboten  ausgeliefert  werden  sollten.  Einige  Tage  zu- 
vor, am  17.  Juli  1652  war  eine  Taxordnung  ergangen*); 
sie  bringt  auch  mehrere  Verhaltensmaßregeln  mit  Straf- 
drohungen. Die  schon  angeführte  Dienstbotenordnung  des 
fränkischen  Kreises  von  1654  galt  auch  in  Würzburg  s); 
eine  Taxe  ist  nicht  darin  enthalten.  Eine  Wiederholung  der 
1652  er  Taxordnimg  vom  22.  Juni  1696  läßt  gleichfalls 
gerade  die  Taxe  des  Gesindelohns  (und  einiger  wichtiger 


>)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia  6d91.  -  *)  Kr.  A. 
Würzburg  V.  9561.  -  »)  Kr.  A.  WOrzburg.  Miscell.  4972.  —  *)  Kr. 
A.  WQrzburg.  V  9561.   —  »)  Wirzb.  Landesverordnungen   I  S.  248. 


-     209     - 

Handwerkspreise)  Yieannissen  *).  1698  und  1723  wurden 
vergebliche  Versuche  gemiacht,  ein  neues  Gesindegesetz 
zustande  zu  bringen  *) ;  aus  1723  sind  drei  nicht  allzu  be- 
deutimgsviolle  Gutachten  über  einen  nicht  erhaltenen  Ent- 
wurf erhalten.  Erst  am!  22.  September  1749  kam  wirklich 
eine  Gesindeordnung  zustande^),  die  von  dem!  allgemein 
Bräuchlichen  der  Zeit  wenig  abweicht.  Zur  Verbesserung 
der  Gesindeordnimg  samimielte  man  seit  1791  Material^ 
teilweise  durch  ein  Preisausschreiben;  Änderungen  er- 
folgten nicht*).  Bald  darauf  versuchten  Erfurt  (1798  bis 
1802)  und  Aschaffenburg  (seit  1804),  Bestandteile  des 
Fürstentums  Würziburg,  selbständig  Gesinderecht  neuzu- 
schaffen  *).  Erfurt  kam  über  ein  allzu  umfangreiches  Pro- 
jekt nicht  hinaus ;  Aschaffenburg  erhielt  auf  neuen  Grund- 
lagen 1811  eine  großherzoglich  frankfurtische  Gesinde- 
Ordnung  •). 

Weiter  gehört  Bamberg  hierher.  Das  alte  große 
Stadtrecht ')  enthält  ein  besonderes  Kapitel  vom'  Gesinde, 
das  vornehmlich  über  des  Vertrages  Abschluß  und  Lösung 
handelt  In  einer  Verordmmg  Bischof  Weygands  vom 
3.  Dezember  1533*)  bjefinden  sich  außer  andern  Vor- 
schriftai  auch  solche  wider  den  Vertragsbruch  und  das 
Abwendignuachen.  Dies  wurde  1542  und  1566  wieder- 
holt*). Eine  Menge  in  dem  zitierten  Aktenstück  enthal- 
tener Taglohntaxen  des  16.  Jhdts.  führen  schließlich  zu 
der  großen  Tax-  und  Gesindeordnung  vom  12.  Juü  1652  *®), 
die  den  Anregungen  des  bamiberger  Kreistages  von  1651  ^*) 
uiKi  der  gleich  ta  erwähnenden  branidenburg-bayreuther 

»)  Kr.  A.  Würzburg  V.  «661.  —  •)  Kr.  A.  Würzburg.  Samm- 
l«ig  Kurf.  Mainz.  Verord.  8.  Teü  Nr.  «66.  —  V.  2616.  —  •)  Würzb. 
UndesverordDungen  II  S.  689.  —  *)  Kr.  A.  Würzburg.  V.  9Xm.  — 
•)  Kr.  A.  Worzburg.  V.  8616.  —  •)  Oben  S.  147.  —  ')  Zöpfl,  Das  alte 
B>inberger  Recht  als  Quelle  der  Carolina,  Urkundenbuch,  bes.  S.  109. 
—  •)  Kr.  A.  Bamberg.  Bamberger  Verordnungen  Rep.  141.  Nr.  69.  — 
*)  Ebenda.*—  **)  Ebenda;  eine  femer  dort  vorhandene  Gesindetaze» 
^>ndatiertf  kann  im  16.  Jhdt  noch  entstanden  sein.  —  ")  Oben  S.  207. 

Köimecke.  14 


-    210    — 

Gesindeordnung  vom  31.  Januar  1652  im  allerweitestea 
Umfange  nachgibt;  was  über  Gesinde  überhaupt  be- 
stimmt werden  kann,  wird  hier  auch  beinahe  bestimmt, 
insbesondere  wird  auch  das  Recht  der  Vormiete  gegen 
die  Untertanenkinder  statuiert.  Nun  schweig^i  die  Quellen 
über  hundert  Jahre.  Erst  1760  kommt  wieder  einmal  ein 
Dekret  wider  das  Ledigsitzen  ^).  Das  bambergische  Land- 
recht von  1790*)  hat  nxu-  eine  Bestimmxmg  über  das 
Dienen  der  Kinder  bei  den  Eltern,  unter  zivilrechtlichem 
Gesichtspimkte  behandelt.  1790  schließlich  setzt  großzügig 
die  Arbeit  zur  Einrichtung  eines  Krankeninstituts  für 
Dienstboten  ein*),  das  noch  in  der  Gegenwart  mit  Er- 
folg weiterarbeitet. 

Dem  Alter  nach  steht  das  Recht  Nürnbergs  der 
bamberger  Entwicklung  nicht  nach.  Die  ältesten  Ver- 
ordnungen stammen  auch  hier  schon  aus  dem  14.  Jhdt.  ^) ; 
darin  wird  das  Abwendigmachen  des  Gesindes  behandelt. 
Ausgebildet  wurde  dies  Recht  in  ausführlicher  Weise 
durch  Statuten  des  15.  Jhdts.  *).  1478  erging  weiter 
ein  Gebot,  daß  die  Bettelkinder  zum  Dienen  gebracht 
werden  sollen*).  Die  ersten  Zusammenfassungen  des  Ge- 
sinderechtes geschahen  1521  und  1525 ').  Wichtig  ist  so- 
dann die  Verordnung  vom  7.  August  1579  ®),  die  das  Ge- 
sinderecht früherer  Mandate  vereint  und  erweitert.  Noch 
weit  ausführlicher  geschieht  das  durch  ein  Mandat  von 
1628  *),  welches  das  Recht  seiner  Zeit  gibt,  aber  auf  eine 
ausdrückliche  Tarifienmg  des  Lohnes  verzichtet.     Dies 

*)  Kr.  A.  Bamberg  a.  a.  O.  —  ')  v.  Weber,  Statutarrcchtc  I 
S,  IfF,  bes.  64.  —  •)  Ebenda;  Sippel,  Das  bam berger  Dienstboten- 
Institut,  in  der  Festschrift  zum  lOOjfthrigen  Jubiläum  des  allgemeinen 
Krankenhauses  zu  Bamberg  1889.  —  ^)  Siebenkees,  Beyträge  zum 
teutschen  Rechte  II  S.  209 flf.,  bes.  228.  -  »)  Baader,  NOmbergcr 
Polizeiordnungen  aus  dem  13.  bis  15.  Jhdt.  (Bibliothek  des  Litterarischen 
Vereins  Stuttgart  Bd.  68)  S.  28.  —  •)  Ebenda  S.  816.  —  ^)  Karoann 
a.  a.  O.  S.  68.  —  •)  Kr.  A.  Nürnberg.  Bestand  A.  Akten  Nr.  24  S.  I 
L.  566.  -  •)  Ebenda. 


—    211     — 

wird  1653  eingeholt*);  Nürnberg  war  von  andern  Lohn- 
taxen her  schon  aus  dem:  15.  Jhdt.  diese  Art  der  Regelung 
gewöhnt*).    Eine  große  Gesindeordnung  erschien  im  18. 
Jhdt.;  sie  stamtot  vom  21.    April  1741  und  enthält  auf- 
fälügerweise  noch  eine   Lohntaxe*).     Mehrmlals  wurden 
schließlich  Maßnahmen  getroffen,  um  ländliche  Dienst- 
boten zur  Arbeit  anzuhalten;   insbesondere  scheint  eine 
Verordnung  vom'  15.  Dezemlber  1775  wichtig  zu  sein*). 
Die  benachbarten  brandenburgischen  Gebiets- 
teile erfuhren  1626  die  Einführung  des  .Gesindezwangs 
dienstes  nach  östlichem  Muster*);  die  fürstl.  Resolution 
auf    die   Beschwerden    der    voigtländischen  Ritterschaft 
spricht    weiter  noch  von  Abspenstigmiachen  und  Zeug- 
nissen,    wofür    auf    Reichsabschied    und    Reichspolizei- 
ordnung hingewiesen  wird.  Eine  1643  erlassene,  aber  nicht 
beobachtete  Taxordnimg  wird  in  der  fürstl.  Resolution 
vx)m  22.   Juni  1657®)  unter  §  45  zitiert;  verschiedenen, 
dem  Gesinde  ungünstigen  Regelungen  des  Kündigungs- 
rechts sowie  der  Einschärfung  der  Vorschriften  über  das 
Abwendigmächen  stimmt  der  Fürst  hier  px.  Vorher  schon, 
1644,  war  nochmals  eine  auch  das  Gesinde  imifassende 
Taxordnung  entstanden'),  xmd  am  28.  November  1639®) 
hatte  die  fürstl.  Resolution  die  Zurückfühnmg  Vertrags- 
brüchiger Dienstboten  gutgeheißen  und  weiter  aufgefor- 
dert, ein  Mittel  zu  ersinnen,  „wie  die  großen  Löhne  der 
Dienstboten  möchten  moderirt  und  ihre  Widersezlichkeit 
und  eigoier  Will  gebrochen,  die  umschweifigen  Schub- 
kamer  zu  Hausssässigen  Wesen  und  bestendiger  üienst- 
barkeit  gehalten  werden  könnten".    Und  am  31.  Januar 
1652  war  eine  neu  revidierte  Taxordnung  für  des  Fürsten 

>)  Kamann  a.  a.  O«  S.  100.  —  ')  Ebenda  S.  d5.  --  ')  Ebenda 
S.  68,  108;  Dorn  S.  183.  -  *)  Kamann  a.  a.  O.  S.  87.  -  »)  Kr.  A. 
Bamberg.  Collectanca  Rep.  187  h  nr.  1.  -  •)  Ebenda.  —  ^  Corpus 
Constitutionuni  Brandenburgico-Culmbacensium.  II  1  S.  1192.  — 
')  Kr.  A.  Bamberg.    CoUectanea  Rep.  187^.  nr.  1. 


—    212     — 

Christian,  Markgraf  von  Brandenburg  usw.  Fürstentum 
ins  Land  gegangen  ^).  Sie  ist  eng  verwandt  mit  der  oben 
genannten  Bamberger  Tax*  und  Gesindeordnimg  von  1652; 
auch  das  Recht  der  Vormiete  erfährt  hier  wieder  seine 
Regelung*).  Der  Rezeß  viotri  8.  Juni  1662*)  verweist  auf 
die  Polizeiordnung  imd  den  Rezeß  von  1626  und  die  Tax- 
ordnung von  1643;  eine  Neuregelung  wird  ang-ekündigt. 
Dies  Versprechen  wird  in  der  Polizeiordnun^  von  1672 
eingelöst  *),  Dienstantritt,  Kündigung,  Vertragsbruch  usw. 
werden  behandelt.  Für  die  Lohnhöhe  wird  auf  „Unsere 
Tax-Ordnimg"  (wohl  die  von  1643)  verwiesen.  Aus  dem 
folgenden  Jahrhundert  sind  die  hauptsächlich«!  Zeugnisse 
für  eine  Weiterbildung  des  Gesinderechts  ein  Reskript 
über  Judengesinde  vom  12.  JuH  1715*)  tmd  ein  Reskript 
vom'  19.  Oktober  1731*),  das  die  Beamt^i  auffordert, 
den  Dienstherrschaften  hilfreich  zu  sein  gegtn  ihre  Dienst- 
boten, das  auch  noch  besonders  die  „Erlas-Scheine**  zur 
Mietung  vorschreibt.  Am'  14.  April  1745  erging  eine  Ver- 
ordnung ^),  die  wie  auch  anderswo  um'  die  Mitte  des  Jahr- 
hunderts das  Gesindestrafrecht  ganz  besonders  streng 
regelt.  Und  am  1.  September  1746  vmrde  noch  eirunal 
—  eine  Seltenheit  für  diese  späte  Zeit  —  eine  Polizeiord- 
nung verfaßt®),  die  die  bekannten  Bestimmungen  ver- 
hältnismäßig vollständig  bringt,  für  die  Lohnhöhe  jedoch 
auf  jedes  Ortes  Herkomlmön  verweist.  Bei  weiten'  das 
bedeutendste  Gesetizjgebungswerk,  das  im'  Brandenburgi- 
schen des  Gesindes  wegen  geschaffen  wurde,  ist  die  am 
10.  Juli  1769  von  Ansbach  aus  erlassene  große  Gesinde- 


')  Kr.  A«  Amberg.  Zugang  6  Fasz.  24  N.  S12.  Akte  der  pfalz- 
sulzbachschen  Kanzlei  der  Ehehalten  Lohn  betr.  165S/5.  —  *)  Die  arti 
Eingang  der  Ordnung  zitierten  Ordnungen  von  1622,  1628  und  1^ 
sind  nicht  bekannt.  —  •)  Kr.  A.  Bamberg.  CoUectanea  Rep.  lö^i 
nr.  1.  —  *)  Corp.  Const.  Brand.  -  Culmb.  11  1  S.  656  ff.,  bes.  694.  — 
»)  v.  Weber,  Statutarrechte  I  S.  1046.  -  •)  Corp.  Const  Brand.- 
Culmb.  n  1  S.  990.  —  ")  Ebenda  S.  998.  -  «)  Ebenda  S.  675. 


-     213    — 

Ordnung^),  die  unübersehbar  ausgedehnte   Regeln  über 
den  Gesindevtertrag  bringt. 

Kurz  angeführt  sei  hier  die  Ritterordnung,  die  Kaiser 
Ferdinand  IIL  für  die  Ritter  der  „Sechs  Ort  in 
F  r  a  n  c  k  e  n"  gab  *) ;  sie  enthält  mancherlei,  was  für  das 
Recht  des  Hausgesindes  wichtig  ist. 

Eine  große  Zahl  kleiner  Orte  in  Bayern  erhielten 
oder  schufen  sich  ein  besonderes,  freilich  gewöhnlich  nicht 
allzu  bedeutsames  Recht.  In  Unterfranken  beispielsweise 
Hof  he  im',  wo  ein  Weistum  mit  einer  Erwähnung  des 
Hausgenossengesindes  entstand^).  Femer  erging  in  dem 
Würzburg  zxmächst  liegenden  Markt  Einersheim  1626 
eine  Polizeiordnung*)  mit  Bestimmtingen  über  Vertrags- 
bruch, Abspenstign^chen,  Neumietung  ohne  Wissen  des 
vorigen  Dienstherrn.  Das  Ehhaftrecht  der  Vogtei  H  ahn- 
bach  in  der  Oberpfalz  vom;  27.  Juli  1559^)  traf  ähnliche 
Bestimmungen.  Nur  wenige,  wenig  bedeutsame  Rechts- 
sätze über  das  Gesindewesen  enthält  das  alte  Willküren- 
buch von  Rothenburg  ob  der  Tauber^);  trotz  der 
frühen  Zeit  (13.  imd  14.  Jhdt.)  sind  aber  alle  die  Vor- 
schriften polizeilicher  Art.  Ausgebildete  Polizeikunst  läßt 
die  (undatierte)  Polizeiordnung  Dinkelsbühls ^)  er- 
kennen.  In  Nördlingen  erließ  der  Rat  am  26.  Mai 
1564  eine  Deklaration  wegen  der  Stellung  des  Lidlohnes 
im  Konkurse  ®).  Vom  Judengesinde  handelt  die  vom  Für- 
sten zu  öttingen  von  Wallerstein  aus  1779  erlassene 
Judenordnung  *). 

»^rKr-'A.  Nürnberg.  S.  23  ^  Nr.  779  Repert.  283.  —  •)  Des 
Heil.  Rom.  Reichs  ohnmittelbahrer  Freyer  Ritterschafft  Der  Sechs 
Ort  in  Francken,  Erneuerte,  vermehrte  und  Confirmirte  Ordnungen  . . . 
Nürnberg  (Bleuel)  1710.  -  •)  Grimm,  WeistOraer  VI  S.  94flf.,  bes. 
96.  -  *)  V.  Weber,  Statutarrechte  II  S.  1101  ff.,  bes.  1104.  — •)  von 
Fink,  Die  geöffneten  Archive  für  die  Geschichte  des  Kgrs.  Bayern, 
1.  Jahrg.  S.  361  ff.,  bes.  868.  —  ^)Bensen,  Historische  Untersuchungen 
über  die  ehemalige  Reichsstadt  Rotenburg  S.  486 ff.  —  ')  v.  Weber, 
Statutarrechte  II  S.  1016.  —  •)  Habeische  Sammlung  (Götze  IV  11). 
-  •)  von  Fink  a.  a.  O.  2.  Jahrg.  S.  271  ff.,  bes.  287. 


—     214    — 

Über  die  Maßen  ausgearbeitet  ist  das  Gesinderecht 
in  der  1707  erlassenen  Polizeiordnung  für  das  Bistum 
Eichstätt^);  kaum  ein  Gedanke  fehlt,  soweit  jene  Zeit 
ihn  erfaßt  hatte.  Nebenher  erwähnt  sei  aus  Eichstätt  noch 
ein  1677  entworfenes  Projekt  ru  einer  Schuldenordnung*); 
die  Vorzugsstellung  des  Lidlohns  wird  da  mit  gelehrten 
Gründen  dargelegt.  In  Regensburg  erging  im  14.  Jhdt. 
zuerst  Gesinderecht.  Statuten  aus  dieser  Zeit*)  brachten 
neben  Bestim!mimgen  über  die  Haftung  des  Herrn  ein 
Veiljot  des  Vertragsbruches  fürs  Gesinde  und  die  Ge- 
stattung der  sofortigen  Vertragslösung  durch  die  Herr- 
schaft. Das  Verbot  der  christlichen  Judenmägde  wurde 
im  15.  Jhdt.  ausgesprochen*).  Die  Gesindeordnung  vom 
21.  Januar  1656*)  bildete  das  Gesinderecht  zu  weiterer 
Vollkomimenheit  im  polizeilichen  Machtgeiste. 

Uraltes  Lohn-  und  Züchtigungsrecht  steht  in  einem 
passauer  Rechtsbriefe  von  1300*);  weiter  handelt  er 
von  gerichtlicher  Behandlung  eines  Knechtes.  Das  Recht 
Landshuts  beginnt  mit  einigen  Erwähnimgen  der 
Mägde  in  Kleiderordnungen  von  1361  imd  1400^).  1408, 
am  13.  Oktober,  erging  ein  Statut,  das  von  Nichtantritt 
des  Dienstes  handelt  ®).  Gegen  Ende  des  18.  Jhdts.  wurden 
die  Amtspflichten  des  Spitalmeisters  rum  heiligen  Geiste 
aufgezeichnet*);  mehrere  Vorschriften  für  die  Spital- 
dienstboten kom'men  darin  vor.  Eine  Besteuerung  des 
Gesindes  zu  Gunsten  eines  Krankenhauses  geschah  seit 
1738 10). 


*)  Habeische  Sammlung  (Götze  IV  13).  —  •)  Ebenda.  —  »)  v. 
Frey  berg,  Sammlung  historischer  Schriften  und  Urkunden  V  S.  7 ff.f 
bes.  60;  109  ff.,  bes.  111.  — -  *)  Beiträge  zur  Rechtsgeschichte  Bayerns 
Heft  3,  1892:  Gengier,  Die  Quellen  des  Stadtrechts  von  Regens- 
bui^  S.  118.  —  »)  V.Weber,  Statutarrechte  V  S.86.  -  •)  Erhard, 
Geschichte  der  Stadt  Passau  I  S.106ff.,  bes.  108,  110,  111;  Gengier, 
Stftdtrechte  S.  848ff.,  bes.  851.  —  ^)Staudenraus,  Chronik  der 
Stadt  Landshut  I  S.  108,  102.  -  •)  Ebenda  S.  107.  —  •)  Ebenda  IH 
S.  208.  -  «•)  Ebenda  S.  148. 


—    215    — 

Das  Kloster  Thierhaupten  in  der  Gegend  von 
Augsburg  schuf  sich  in  der  Zeit  von  1475  bis  1568  eine 
Ehaltenordnung  ^),  die  für  den  Betrieb  des  Klosters  be- 
rechnet war.  Augsburgs  Gesinderecht  wurde  in  dem 
Stadtrecht  von  1276*)  geregelt,  unvergleichlich  an  Tiefe. 
Auch  spätere  Zusätze')  sind  nun  Teil  bedeutend.  Sonst 
ließen  sich  für  Augsburg  nur  noch  die  bischöflichen  Ar- 
men- und  Bettelordnungen  vom;  5.  November  1720  und 
1749  *)  feststellen,  in  denen  die  Unterbringung  armer  Leute 
bei  Dienstherrschaften  angeordnet  wird. 

Zuerst  im  Rechtsbuche  von  1396*),  danach  in  einer 
noch  1772  geltenden,  „nicht  eben  alten"  Zuchtordnung*) 
wurden  für  Memmingen  einige  Kapitel  des  Gesinde- 
rechtes geregelt.  Nur  eine  Mahnung  zum  Kirchgang  des 
Gesindes  steht  in  den  „neuerer  Zeiten**  gesetzten  Statuten 
Kaufbeurens^).  Vom  beiderseitigen  Vertragsbruche 
handeln  die  Statuten  der  Stadt  Rons  bürg  von  1517^). 
In  den  1749  erneuerten  Statuten  für  Kempten*)  steht  nur 
eine  Anordnung  über  die  Verleihimg  des  Bürgerrechtes 
an  Dienstboten.  Nur  über  den  Vertragsbruch  trafen  die 
Statuten  von  Rothenbuch  (Reitenbuch)  1676 ^ö)  Be- 
stimmung, während  das  undatierte  Recht  des  Klosters 
Ursberg**)  femer  noch  einige  Vorschriften  zu  gunsten 
des  Gesindes  enthält.  Das  Recht  des  St.  Clarenklosters 
zu  München  aus  dem  16.  Jhdt.  **)  fügt  sich  hier  an. 

Aus  den  Bergen  seien  schließlich  noch  das  Recht 
Oberzells   von  1676**)  mit   Bestimmungen  über  den 

")  Grimm,  WeistOmcr  VI  S.  199.  —  •)  Chr.  Meyer,  Das 
Stadtbuch  von  Augsburg;  Walch,  Beytrfige  IV  S.lff.  —  •)  Meyer 
a.a.O.  S.  78,  74.  —  *)  Bisle,  Die  öffentliche  Armenpflege  der 
Reichsstadt  Augsburg  S.  146.  ~  *)v.  Freyberg,  Sammlung  bist. 
Schriften  u.  Urt  V  S.  289ff.,  bes.  282,  292,  812.  -  •)  Walch,  Bey- 
Wgc  II  S.  27Bff.,  bes.  298,  804,  829.  -  ')  Ebenda  III  S.  298  ff.,  bes. 
*».«•)  V.  Weber,  Statutarrechte  IV  S.318.  -  •)  Ebenda  S.  708. 
-^  Ebenda  & 888 ff.,  bes.  884.  —  ")  Ebenda  S.  882.  -  »)  Grimm, 
Wcistftmcr  VI  S.  179 ff.  ~-  »)  v.  Weber  a.  a.  O.  S.  287. 


-     216    — 

Vertragsbruch  und  die  Stadtordnung  für  Traunstein 
Von  1375  *)  genannt ;  diese  enthält  als  wichtigste  Gesinde- 
rechtssätze BestimlmUngien  über  das  Abspenstigmachen  und 
die  Haftung  bei  Schadenfeuer.  Das  große  Landrecht  des 
Gerichtes  Raschenberg  von  1671*)  vernachlässigt  das 
Gesinderecht ;  nur  an  einer  Stelle  findet  sich  die  Verpflich- 
tung der  Herrschaft  zur  Vertragsleistung  verzeichnet.  Ein 
Recht  der  „Hof  mark  zu  T."  von  1554*)  mag  an  dieser 
Stelle  seinen  Platz  finden. 

Eine  wichtige  Gruppe  für  sich  bilden  die  aufs  engste 
mit  dem  Schwabenspiegel  verwandten  Systeme:  Rup- 
rechts Stadt-  (1328)  und  Landrechtsbuch*),  Kaiser 
Ludwigs  Rechtsbuch  von  1346*),  das  münchener 
Stadtrecht  von  1347*)  und  das  freisinger  Stadtrecht 
von  1359 ').  Es  hat  keinen  Zweek,  hier  den  Inhalt  dieser 
Rechte  aufzuzählen.  Die  Bestimmungen  entstammen  zum 
Teil  dem  Sachsenspiegel;  wichtige  Rechtssätze  sind  selb- 
ständig gebildet  und  geben  bisweilen  hochbedeutsamie  Ein- 
blicke in  die  Anschauungen  der  Zeit  vom  Gesindover- 
hältnis. 

Die  Gesetzgebung  im  Lande  Altbayern  baute  zu- 
nächst nicht  auf  diesen  Grundlagen  auf.  Die  ersten 
Äußerimgen  der  Staatsgewalt  sind  polizeilicher  Natur. 
1488  wurden  die  Landgerichte  beauftragt,  unbeschäftigten 
Dienstboten  den  Aufenthalt  zu  versagen  ^),  Auf  dem'  Land- 


^)Westenrieder,  Glossarium Germanico-Latinum I S. XXQI ff.i 
bes.  XXIV,  XXIX,  XXX,  XXXI.  —  «)  Grimm,  WcistOmer  VI  S. 
151fr.,  bes.  167.  -  »)  Ebenda  IH  S.  689  ff.,  bes.  643.  —  *)  Maurer, 
Das  Stadt-  und  das  Landrechtsbuch  Ruprechts  von  Freysing  S.  64, 
140,  156,  189,  829flF.  —  »)  v.  Fre  yberg,  Sammlung  bist.  Schriften 
u.  Urk.  IV  S.  883 fif.,  bes.  402,  425,  426,  489,  440,  478;  Rockinger, 
mQnchener  Sitz.-Ber.  1878  S.  899  ff.  —  «)  Au  er.  Das  Stadtrecht  von 
München  S.  27,  88,  58  fl.,  80fr.,  182,  274.  —  ^  v.  Freyberg  a.a.O. 
V  S.  162ff.,  bes.  168,  183,  184,  219,  220,  235.  -  •)  Piatzer,  Ge- 
schichte der  l&ndlichen  Arbeitsverhältnisse  in  Bayern  (Altbayrische 
Forschungen  11,  III)  S.  67. 


~     217     — 

tage  zu  Landshut  beschwerten  sich  gleichzeitig^  die  Stände 
über  den  Gesindelohn ;  es  wurde  ihnen  eine  Lohnordnung: 
verheißen^).    Doch  kam  es  mnächst  nicht  dazu,    auch 
nicht,  als  1497  die  Stände  einen  positiven  Taxvorschlag 
machten  ').  Eine  Kleiderordnung  von  1500  ^)  erwähnt  auch 
des  Gesindes.   In  größerem  Zusammenhange  erging  dann 
1500  eine  Polizeiordnung  ^),  die  auch  Anordniuigen  über 
Dienstboten    brachte,  nämlich    ein  Gebot,  daß    arbeits- 
fähige Leute  dienen  sollen,  sowie  Strafbestünmungen  wider 
den  Vertragsbruch.    So  wurde  das   Recht  auch  ii^  die 
Landesordnung    von   1501*)    übernommen.     1607,   1508, 
1514  und  1515^)  stand  die  Gesindefrage,  Vertragsbruch, 
Lohnhöhe  und  Beschaffung  des  Menschenmaterials,  auf 
den  Landta>?en  wieder  zur  Verhandlung.   Es  kam  in  der 
Landesordnung  von  1516  (Landpot)')  zu  einer  Regelung 
vieler  Einzelpunkte  aus  dem  Dienstbotenwesen,  vorwie- 
gend polizeilicher  Art.    Zum  ersten  Mal  wird  auch  das 
Vonpieterecht  auf  den  herzoglichen  Hofbäuen  gestattet  ®). 
Die  Reformation  des  Landrechtes  von  1518*)  übernahm 
die  Bestimimungen  des  Rechtsbuches  von  1346.   Mit  eini- 
gen Zusätzen  wurde  das  Recht  von  1516  in  der  Landesord- 
nung von  1553*^)  wiederholt.    Die  wichtigste  Weiterbil- 
dung gegenüber  1516  ist  die  Einführung  des  Vormiete- 
rechts  auch  zu  gunsten  anderer  privater  Herrschaften*^). 
Emschärfungen  mid   Bestätigungen  erfolgten   1554  imd 
1557**).    Kleinere  Zwischenereignisse  leiten  zu   Maximi- 
lians I.  großefni  Landrecht  von  1616**)  über.  Hier  erfährt 
das  Recht  von  1553  eine  außerordentlich  bedeutende  Neu- 
bearbeitung.   Diesmal  wird  der  Lohn  nicht  tarifiert,  was 


^)  Krenner,  Bayrische  Landtagshandlungen  XII  S.  280.  — 
')  Ebenda  Xffl  S.  1  ff.,  bes.  30.  — »)  P 1  a  tz  e  r  S.  52.  —  *)  Ebenda  S.  76. 
-  •)  Ebenda  S.  78;  Krcnner  a.  a.  O.  XIII  S.  261  ff.,  bes.  301.  - 
•)  Platz  er  S.  80,  86,  87.  —  ^  Ebenda  S.  88.  —  •)  Ebenda  S.  6.  - 
•)  Ebenda  S.  96.  —  ")  Ebenda  S.  97.  —  ")  Ebenda  S.  7.  —  ")  Ebenda 
S.  101, 108.  —  ")  Ebenda  S.  107. 


218 


als  eine  der  auffallenderen  Besonderheiten  des  Land- 
rechtes hier  vermerkt  sei.  1637  *)  dag0gen  griff  man  auch 
in  die  Lohnbildung  ein  und  verbot  die  Naturaliengewöh- 
nimg,  und  1638  wurden  zwei  Lohntaxen ')  erlassen,  deren 
eine  durch  Hinzufügung  mehrerer  weiterer  Bestimmungen 
fast  schon  als  Gesindeordnung  erscheint.  Als  Knlturku- 
riosa  des  südlichen  Katholizismus  mögen 'zwei  Erlasse  von 
1628  imd  1652  wider  das  Luthertum  der  Dienstherrschaf- 
ten *)  Erwähnung  finden.  Die  Aufsicht  auf  sittliches  Ver- 
halten des  Gesindes  wurde  den  Herrschaften  am  20.  Sep- 
tember 1635  *)  ernstlich  eingeschärft.  Verschiedene  Male, 
1640,  1642,  1651  gingen  Ermahnungen  zur  Befolgung  des 
Gesetzes  von  1638  ins  Land*). 

In  die  folgende  Zeit  fallen  mehrere  für  einzelne  Lan- 
desteile (Rentämter)  bestimmte,  selbständige  Gesindeord- 
nungen, selbständig  insofern,  als  sie  von  dem  Zusammen- 
hange der  großen  Landesordnungen  losgelöst  sind;  unter 
einander  hängen  sie  alle  zusammen  mit  Ausnahme  viel- 
leicht einer  „Ordnung  der  Tagwerchen,  Ehehalten,  unnd 
annderen  bey  der  Curfrl.  Statt  \md  Lanndt  Gericht  Frid- 
berg  von  Georgi  biss  MichaeH  1651**  •).  1652  erging  eine 
Gesindeordnung  für  Landshut '),  1654  für  München  «),  1656 
für  Burghausen  ^),  1660  für  München  ^ö).  In  demselben 
Jahr,  1660,  wurden  weiter  Taxen  des  Gesindelohnes  für 
die  Rentämter  Landshut  und  Burghausen**)  geschaffen, 
weiter  nochmals  1666  "),  stets  zusammen  mit  andern  poli- 


^)  v.  Freyberg,  Pragmatische  Geschichte  der  bayerischen  Ge- 
setzgebung II  S.  185.  -  »)  R.  A.  München.  Gen.  Samml.  Rep.  S.  9 
Nr.  5;  v.  Freyberg  a.  a.  O.  S.  187;  Platzer  a.  a.  O.  S.  IIT,  118. 
—  •)  Ebenda  S.  116.  —  *)  R.  A.  München.  Gen.  Samml.  Rep.  S.  9 
Nr.  4  Bd.  8.  —  *)  Platzer  S.  119,  121;  v.  Freyberg  S.  190.  - 
*)  Kr.  A.  Neuburg,  ad  H.  &887.  Augsburg  Hochstift  ad  Generalia 
XI  Nr.  2;  Friedberg  liegt  OSO.  von  Augsburg.  —  ')  R.  A.  München. 
Gen.  Samml.  Rep.  S.  9  Nr.  5.  —  •)  Ebenda.  —  •)  Kr.  A.  München. 
G.  R.  Fasz.  402  Nr.  1.  —  ^«)  Ebenda ;  Churbaiertsches  InteUigenzblatt 
28.  Sept.  1776  Nr.  88.  —  ")  v.  Freyberg  a.  a.  O.  S.  190,  191.  - 
"»)  Ebenda  S.  191. 


219 


zeirechtlichen  Vorschriften.  1669  mußte  auf  Wunsch  eine 
Einschärfung  des  Gesinderechts  erfolgen  ^).  Als  wichtigste 
Ereignisse  des  späteren  17.  Jhdts.  seien  dann  noch  ein 
Verix)t  wider  das  Dienen  im*  Auslande  vom  5.  Dezember 
1681*)  und  die  auch  für  das  Gesindewesen  wichtige  Ein- 
richtung des  mtinchener  Zuchthauses  angeführt,  die  am 
4.  Juni  1682  erfolgte«). 

Auch  das  18.  Jhdt.  beherrschen  mehrere  bedeutende 
Gesindeordnungen,  von  denen  einige  nur  für  Provinzen 
bestimmt  waren*).  Unter  fast  wörtlicher  Übernahme  der 
Bestimmimgen  von  1660  schuf  man  in  Burghausen  1746 
eine  Ehehaltenordnung^).  1753  begannen  die  Vorarbeiten 
für  neue  Gesetze«).  Sie  ergingen  1755^)  und  1761^).  Alle 
diese  stellt  die  gemeinsame  Gesindeordnung  aus  dem 
Jahre  1781  •)  in  Schatten.  Mit  einer  seltenen  Fülle  von 
Einzelvorschriften  regelt  sie  alles,  woran  ein  guter  Ge- 
setzgeber der  Zeit  nur  denken  konnte.  Unter  den  Vor- 
arbeiten ru  dieser  Ordmmg  befindet  sich  ein  absonder- 
liches Gutachten  eines  AjMMiymtis  B.  W.  ^°),  der  in  unab- 
sichtlicher und  auch  wohl  gewollter  Spaßhaftigkeit  mit 
gelehrten  Erörterungen  und  Vergleichen  aufwartet ;  leider 
fehlt  der  Platz,  um  auch  mir  die  bezeichnendsten  Klagen 
des  Anonymus  über  die  Ehehalten,  diese  „lause  im  pelz**, 
anführen  ru  können.  Daß  er  Einfluß  auf  die  Gestaltung 
der  Ordnung  von  1781  gehabt  hätte,  läßt  sich  nicht  be- 
haupten. Ob  späterhin  aus  einem  Entwürfe  französischen 
Geistes  vom  Jahre  1812^*)  etwas  geworden  ist,  läßt  sich 


*)  Platzer  a.  a.  O.  S.  129.  —  ')  R.  A.  München.  Gen.  Samml. 
Rcp.  S.  9  Nr.  6.  —  •)  Ebenda.  —  *)  Die  pßdzischen  Ordnungen  werden 
onten  im  Zusammenbange  der  Entwicklung  in  den  pfälzischen  Lflndem 
genannt  werden.  —  »)  Kr.  A.  München.  G.  R.  Fasz.  402  Nr.  9.  — 
•)  Ebenda.  —  »)  Churb.  Intelligenzblatt  vom  5.  Oktober  1776  Nr.  89. 
-  •!  Kr.  A.  München.  G.  R.  Fasz.  404  Nr.  7.  —  •)  Kr.  A.  München. 
A.  R.  Fasz.  459  Nr.  209.  —  '•)  Kr.  A.  München.  G.  R.  Fasz.  402 
Nr.  9.  -  ")  Kr.  A.  München.    G.  R.  Fasz.  404  Nr.  11. 


—    220    — 

nicht  feststellen.  Was  während  des  18.  und  19.  Jhdts. 
sonst  noch  an  Einzelerlassen  über  das  Gesindewesen  er- 
ging, verschwindet  meist  neben  den  großen  £hehalten- 
ordnungen.  Nur  die  Einführung  des  absoluten,  strengen 
Zwangsdienstes  durch  den  Codex  Maximilianeus  1756^) 
ist  ein  Ereignis,  dem  in  der  bayrischen  Gesindegeschichte 
kaum  eins  an  Bedeutsamkeit  gleichsteht.  1801  und  völlig 
1808  erfolgte  die  Aufhebimg  der  Last^). 

Es  bleiben  noch  die  pfälzischen  Länder.  Die  von 
Amberg  aus  geleitete  Oberpfalz  bekam  eine  Gesinde- 
ordnung 1628'),  eine  „Provisionaltaxordnung**  für  das 
Landgericht  Parkstein  und  Weiden  am'  30.  Juni  und 
10.  Juli  1652  sowie  am  28.  Dezember  1654^);  in  diesen 
beiden  stehen  übereinstimmend  außer  einer  Gesindelohn- 
taxe verschiedene  gesinderechtliche  Bestimmungen.  Ein 
Patent  der  Regierung  zu  Amberg  vom  27.  April  1775^) 
enthält  Maßnahmen  zur  Bekämpfung  des  Müßigganges 
und  der  Tanzlust  der  Dienstboten.  Eine  besondere  Be- 
arbeitung der  großen  Gesindeordnung  von  1781  für  die 
Oberpfalz  erschien  am  21.  August  1801*);  die  neue  Aus- 
gabe ist  kürzer  als  das  Vorbild  und  unterscheidet  sich 
von  diesem  vornehmlich  darin,  daß  sie  die  vielen  Bos- 
heiten des  Gesindes  außer  durch  polizeiliche  Reglemen- 
tienmg  auch  diu-ch  beachtenswerte  pädagogische  Maß- 
nahmen austreiben  will. 

Für  das  Gebiet  des  früheren  Fürstentums  Neu- 
burg  ließ  sich  nur  eine  Gesindeordnung  nachweisen. 
1790  erhielt  Neuburg  —  wie  später  1801  die  Oberpfalz  — 
eine  eigene  Bearbeitung  der  bayerischen  Gesindeordnung 


")  Platzer  a.  a.  O.  S.  7.  —  «)  Ebenda  S.  8,  9.  —  •)  Ebenda 
S.  128.  —  *)  Kn  A.  Amberg.  Zugang  6  Fasz.  24  N.  212,  Akte  der 
pfalzsulzbachschen  Kanzlei  der  Ehehalten  Lohn  betr.  1652/5.  -  »)  Kr. 
A.  Amberg.  Zugang  20  Fasz.  5  N.  126.  —  •)  Kr.  A.  München.  M. 
A.  Fasz.  1821  Nr.  1166;  Kr.  A.  Amberg.    Zugang  120  N.  176  fasz,  7. 


—    221     -- 

von  1781  *) ;  seit  1788  wurden  die  Vorarbeiten  betrieben. 
Die  Ordnung  hat  nicht  allzubedeutende  Unterschiede  von 
der  Gesindeordnung  aus  dem'  Jahre  1781  auf  ^weisen; 
bemerkenswerte  Neuerungen,  wie  später  1801  vorgenom- 
men wurden,  sind  in  der  vor  der  Revolution  entstandenen 
neuburger   Ordnimg  nicht  zti  finden. 

Nicht  allzuviel  ist  von  dem'  früheren  Rechte  der  zu  der 
beute  bayrischen  Pfalz  links  d'te's  Rheins  gehörenden  Ge- 
biete zu  sagen.  In  der  Strafordntmg  der  Stadt  Speier  von 
1328  *)  finden  sich  einige  Stellen  wenig  bedejutender  Art,  wo 
auch  vom  Gesinde  gehandelt  wird.  Die  Stadt  Speier  ierließ 
weiter  im  16.  \md  17.  Jhdt.  eine  ganze  Anzahl  Taxordnungen 
für  verschiedene  Arbeitslöhne,  aber  vom'  Geisinde  ist  nie  die 
Rede').  Auf  Erfordern  übersandte  der  Bürgermeister  von 
Neustadt  eine  Gesindeordnimg,  datiert  vom'  22.  Dezeaonjyear 
1640,  die  auch  in  L  Lindau  galt ;  Taxen,  Verhaltensregeln 
und  Kändigungsbestim!mungen  sind  darin  enthalten.  Wie 
Speier  sich  dieser  Anregung  gegenüber  verhalten  hat, 
bleibt idunkel.  Im'  Herzogtum  Z weiibrücken  scheinen.1700 
und  1701  Versuche  gemSacht  worden  zu  sein,  eine  Gesinde- 
ordnung zu  schaffen.  Zwei  Entwürfe  aus  den  beiden 
Jahren  sind  vorhanden*);  ob  das  Stück  von  1701  mehr 
als  einen  Entwurf  darstellen  soll  oder  ob  später  ein  Gesetz 
aus  ihm  geworden  ist,  läßt  sich  nicht  ermitteln,  erscheint 
aber  zweifelhaft.  Zwei  Reskripte  wider  den  Vertragsbruch 
fallen  in  das  Jahr  1742  (28.  Juni  und  7.  Juli)  *).  Unergiebige 
Strebungen  folgten  von  1770  an;  1773  wurde  ein  Ver- 
zicht auf  Regelung  des  Gesindewesens  ausdrücklich  aus- 
gesprochen  ^).    Kurz  zuvor,  am  22.  Dezember  1772,  liatte 

')  Kr.  A.  Manchen.  M.  A.  Fasz.  1821  Nr.  1165.  —  *)  Christophori 
I-ehmanni  Chronica  der  freyen  Reichs  Stadt  Speyer,  8.  Aufl.,  S« 
»4«:,  bes,  286,  288.  —  •)  Archiv  der  Stadt  Speier.  Fasz.  Nn  648  a, 
^^  548  c,  647.  -  *)  Kreisarchiv  Speier.  Bestand  Zweibrücken  IlL 
Rep.  24  Nr.  1845  >.  Kirchenschaffnei-Archiv  ZweibrQcken.  Nr.  8852. 
Fach  197.  —  »)  Kr.  A.  Spcier.  Bestand  Zweibrücken  HL  Rep.  24 
Nr.  1845b.    Bl.  56.  -~  •)  Ebenda.    Ferner  Nr.  1845  c, 


-     222     - 

man  sich  darauf  beschränkt,  durch  ein  Reskript  Prüfung 
der  Gesinde-Führungsatteste  vormschreiben  ^).  Einige  Er- 
wähnungen des  Gesindes  in  einem  Weistum  für  Haß- 
loch  bei  Neustadt  von  1492*),  in  einem  Gereidenspruche 
von  Maikammer  und  anderen  zwischen  Neustadt  und 
Edenkoben  liegenden  Dörfern  aus  dem  Jahre  1577*), 
einem  Weistume  von  Gleißweiler  bei  Landau  von 
1568*)  und  in  der  Dorfordnung  von  Altenglan  bei 
Kusel  aus  den  Jahren  1581  und  1630^)  seien  hier  ange- 
merkt. 

Nach  Baden  leitet  K  u  r  p  f  a  1  z  (Heidelberg)  über.  Das 
älteste  Stück,  die  „Christliche  Policey  Ordnung"  vom 
30.  Juli  1565  *)  gibt  nur  geringe  Ausbeute.  Mehr  enthalten 
die  Hof  Ordnung  von  1578')  und  die  vornehmlich  für  die 
Stadt  Heidelberg  bestimmte  Taxordnung  vom  1.  Januar 
1579  ®),  die  wie  gewöhnlich  außer  den  Lohnbestimmungen 
auch  noch  allgemeine  Verhaltensvorschriften  gibt.  In  lun- 
fassender  Weise  fanden  große  Abschnitte  des  Gesinde- 
rechts ihre  Regelung  in  der  kurpfälzischen  Landesord- 
nung  von  1582®),  mehr  zivilrechtlich  im  erneuerten  Land- 
rechte von  1610^).  Die  Polizeiordnung  von  1658^°)  sieht 
das  Heil  in  einer  demnächst  abzuschließenden  Vereinigung 
mit  Nachbarstaaten  über  die  Gesindeschäden.  Wie  die  er- 
neuerte Polizeiordnung  von  1684  ")  ergibt,  kam  eine  solche 
Vereinbarung  inzwischen  nicht  zustande;  daher  wtu-den 
einige  sachliche  Zusätze  zu  dem)  Text  von  1658  hinzugefügt. 
Früh  geht  man  gegen  die  Koalition  des  Gesindes  vor; 

*)  Kirchenschaffneiarchiv  Zweibrücken  Nr.  8360.  Fach  197. 
Kreisarchiv  Speier.  Bestand  Zweibrücken  III.  Rep.  24  Nr.  18451 
Blatt  56.  -  «)  Grimm,  WeistümerV  S. 677  ff.,  bes.  580. —  »)  Ebenda 
VI  S.  415  ff.,  bes.  418.  -  *)  Ebenda  V  S.  667  ff.,  bes.  670.  -  •)  Maurer, 
Geschichte  der  Dorfverfassung  II  S.  416  ff.,  bes.  419,  420.  —  •)  Univ.- 
Bibl.  Marburg.  —  0  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Kopiar  Nr.  508.  —  •)  Ebenda; 
Kr. A.Würzburg.  V.  9661 ;  Univ.Bibl.  Marburg  XVIH  f  B  1292  angcb. 
—  •)  Univ.-Bibi.  Marburg.  —  ")  Ebenda.  —  ")  Ebenda  XVIII  f  B 
1259b.  -  11)  Ebenda. 


—    223    — 

ob  freilich  die  1683  gemachten  Versuche  zu  Ergebnissen 
in  der  Gesetzgebimg  geführt  haben,  ist  ungewiß  ^).  Erst 
am  19.  Oktober  1731  wurde  eine  Gesindeordnimg  ausge- 
geben*); ohne  des  Lohnes  zu  gedenken,  regelt  sie  einige 
der  gewöhnlich  in  dieser  Zeit  berücksichtigten  Rechts- 
fragen, vornehmlich  Kriminalrecht.  Unveränderte  Neu- 
drucke erscheinen  am  12.  März  1755,  8.  Mai  1767  und 
30.  Januar  1771^).  1780  gab  die  Regierung  Nachbar- 
staaten Anregung,  die  Ziehzeit  von  Weihnachten  auf  Mar- 
tini zu  verlegen  *).  Mit  welchem'  Erfolge  für  das  Land,  er- 
geben die  Akten  nicht;  in  Baden  wurde  der  Vorschlag 
abgelehnt. 

Ehe  zu  dem  sonstigen  badischen  Territorialrechte 
übergegangen  wird,  muß  die  hochbedeutende  Entwicklung 
des  älteren  Gesinderechts  der  badischen  Städte, 
Dörfer  und  Klöster  dargestellt  werden. 

Das  früheste  Recht  entstand  im  südlichen  Baden. 
Freiburg  erließ  1308  und  1324  zwei  Polizeiverordnun- 
den*),  daß  das  Gesinde  die  Geschicke  seines  Herrn,  der 
.,hinnan  varn"  will,  teilen  muß.  Ein  freiburger  Stadtrecht 
von  1520  befindet  sich  in  der  Habeischen  Sammlung®). 
In  dem  Dingrodel  von  St.  Trudbert  zu  Krotzingen 
aus  dem  15.  Jhdt. ''),  in  „des  gotzhuses  von  Witnowe 
iWeitnau)  recht"  von  1344®),  dem  Dingrodel  von  St. 
Peter  bei  Freiburg  aus  dem  15.  Jhdt. ^),  dem  hiervon 
abhängigen  Rechte  für  U  w  i  n  g  e  n  an  der  Fils  *®),  sowie 
in  der  sehr  instruktiven  (xmdatierten)  Gesindeordnung  des 
Klosters  Königsbrück^^)  stehen  interne  Vorschriften 

*)  Gen.L.  A.Karlsruhe.  Pfalz  Generalia  5046.  —  *)  Ebenda 5047. 
-  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Provinz  Niederrhein  Gesindepolizei.  Lit 
B.  Nr.  1.  1755-1809  (IV  2).  -  *)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden 
Generalia  6891;  oben  S.  208.  —  »)  Schreiber,  Urkundenbuch  der 
Stadt  Freiburg  I  S.  180,  251.  —  •)  Über  das  spätere  österreichische 
Recht  für  Freiburg  s,  u.  S-  229.  -  »)  G  r  i  m  m ,  Weistümer  VI  S.  881  ffl, 
bes.  885,  -  •)  Ebenda  I  S.  810  ff.,  bes.  811.  -  •)  Ebenda  S.  846  ff., 
bes.  853.  —  »•)  Ebenda  S.  406  ff.,  bes.  408.  —  ")  Zeitschrift  f.  d.  Ge- 
schichte d.  Oberrheins  I  S.  179  ff. 


—    224    — 

für  das  zum  Kloster  oder  zum  Hofe  gehörende  Gesinde. 
Reich  ist  das  Recht  Überling-ens.  Insbesondere  die 
gesinderechtlichen  Kapitel  im  zweiten  Stadtrecht  (um 
1400)  ^)  stehen  an  Fülle  und  Reife  der  Gedanken  keinem 
gleichzeitigen  Systeme  nach.  Die  Gerichtsordnung  des 
Spitak  in  der  dem  15.  Jhdt.  angehörenden  Fassung  -)  sowie 
in  neuer  Redakticxi  von  1532 ')  handelt  „von  lidlon",  und 
die  in  den  Jahren  1558,  1503  bis  1572  jährlich  veröffent- 
lichte Ratsverordnung  wegen  des  Lohnes*)  bringt  kon- 
stante Lohntaxen.  Eine  nebensächliche  Bestimmtmg  ent- 
hält sodann  das  1566  erteilte  Judenprivileg  für  Über- 
lingen*). Villingens  Dependenz  Kürnach  erhielt 
früher  Gesinderecht  gesetzt  als  Villingen  selber®),  näm- 
lich schon  1508'),  später  noch  um'  1652®).  Die  „Gesündts- 
ordnimg"  für  V  i  1 1  i  n  g  e  n  von  1668  •),  enthalten  in  einer 
Polizeiordnung,  weist  jedoch  darauf  hin,  daß  auch  schon  in 
Villingen  vor  vergangenen  Jahren  eine  Ordnung  wegen 
des  Lohnes  gemacht  worden  ist.  Gegen  die  seitdem  ein- 
geschlichenen Mißbräuche  wurden  nun  1668  alle  die  Mittel 
vorgeführt,  mit  denen  man  um  jene  Zeit  die  Übel  des 
Gesindewesens  zu  heilen  wähnte.  Um'  1710  erhielt  auch 
das  von  Villingen  abhängige  Brigachtal  Vorschriften 
wider  die  Frevel  der  Ehehalten  ^®). 

In  dem'  westlichen  Gebiete  Nordbadens  ist  die  Zahl 
der  für  die  ältere  Zeit  anzuführenden  Rechtsquellen  groß, 
der  gesinderechtliche  Inhalt  aber  kärglich,  so  daß  eine 
Aufzähltmg  der  Satzimgen  teilweise  genügt.  Kurz  vor 
1752  schuf  sich  die  Stadt  Dur  lach  eine  Taxordnung 


0  Oberrheinische  Stadtrechte  II  2  S.  52  ff.,  bes.  70,  71,  74,  84, 
111.  —  «)  Grimm,  WeistOmer  V  S.  218  ft,  bes.  216.  — •)  Oberrbein. 
Stadtrechte  II  2  S.  862 ff.,  bes*  868.  —  «)  Ebenda  S.  457.-  *)  Moser, 
Reichs-Stfttt  Hand  -  Buch  II  S.  748.  —  <)  Die  in  der  villinger  Zunft- 
ordnimg Ende  16.  Jhdts.  (Oberrh*  Sudtrechte  II  1  S.  96)  mehrfach 
genannten  eehalten  bedeuten  Handwerksgesinde.  — ')  Oberrheinische 
Stadtrechte  H  1  S.  109.  -  •)  Ebenda  S.  112,  115.  ~  *)  Ebenda  S.  211 
—  ^•)  Ebenda  S.  118  ff.,  bes.  120. 


—    225     - 

für  Löhne  ^);  ob  auch  das  Gesinde  darin  berücksichtigt 
ist,  geht  aus  den  wenigen  darüber  überlieferten  Akten- 
stücken nicht  hervor.    Am'  1.  Juni  1752  wurde  die  Aus- 
dehnung dieser  Taxe  auf  die  Stadt  Karlsruhe  ange- 
ordnet*), am'  1.  April  1775  folgte  eine  Erneuerung  •).  Ge- 
ringen Wert  hat  das  Gesinderecht  in  der  Darstellung  der 
folgenden  Quellen:    Rechte  des   Stifts   Odenheim  in 
Bruchsal  von  1507 *),  Statuten  für  Eppingen  von  1566 *), 
Satzung  für  Stadt  und  Stift  S  i ns  h e  i  m  von  1429 %  Weis- 
tum  für  Zuzenhausen  von  1551  ^),  Rechte  zu  N  eckar- 
steinach  von   1537®),   heidelberger  Stadtordnung 
von  1465  »),  Ordnung  für  U  d  e  n  h  e  i  m'  von  1525  ^%  Stadt- 
ordnung für  Wieinheim'  von   1489");   über  Ziistände 
des  Gesindewesens  bei  den  Deutschherren  in  Weinheim 
geben  einige  Einträge  in  deren  Zinsbuche  vcmi  1505  bis 
1517*')  Aufschluß.  Viel  wertvoller  sind  die  gesinderecht- 
lichen Bestimlmmgen  in  der  Stadtordnung  f ür  W  a  1 1  d  ü  r  n 
aus  dem  Jahre  1492*').  Für  Walldürn,  Amorbach  und 
Buchen  ergingen  1653  \md  am?  2.  März  1654  von  Kur- 
mainz  imd  Würzburg  aus  gemeinschaftliche  Taxordntm- 
gen**)  mit  Festsetzungen  auch  über  Gesindelöhne.    Aus 
Amor b ach  sind  femer  einige  Gesindestreitfragen  be- 
treffende Einträge  in  den  Gerichtsbüchern  des  beginnen- 
den 15.  Jhdts.  **),  soWie  das  Recht  von  1528  *^)  anzuführen. 
Weniger  läßt  sich  dem:  Recht  Mergentheims  aus  dem 
15.  Jhdts.  *^)  entnehmen.  Das  adelsheimer  Stadtrechts- 

*)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.    Baden  Generalia  6886.  —  *)  Ebenda. 

-  •)  Ebenda.   —   *)  Oberrheinische  Stadtrechte  I  S.  901  ff.,  bes.  906. 

-  •)  Ebenda  S.  816  ff.,  bes.  818,  819.  —  •)  Ebenda  S.  416  ff.,  bes.  419. 

-  0  Ebenda  S.  728  ff.,  bes.  782,  784.  —  •)  Ebenda  S.  877  ff.,  bes.  881, 
^  —  *)  Ebenda  S.  488ff,  bes.  485,  487;  ferneres  Landesrecht 
Heidelbergs  und  Oberhaupt  der  kurpfälzischen  Orte  oben  S«  222  f.  — 
^  Ebenda  S.  962  ff.,  bes.  971.  —  ")  Ebenda  S.  894  ff.,  bes.  897,  898. 

-  '•)  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  1  S.  191  ff.  —  ")  Oberrhein* 
Stadtrechtc  I  S. 248 ff.,  bes.  250 ff.,  254,  259,  260.  271.—  ")  Habeische 
Sammlung.  —  >»)  Ebenda  (G  ö  t  z  e  IV  16).  —  »•)  Oberrheinische  Stadt- 
rechte I  S  228  ff.,  bes.  281,  282.  —  ")  Ebenda  S.  187  ff.,  bes.  140 
(gebihftuser  Oberhot);  142 ff.,  bes.  145,  151. 

Konnecke.  15 


—    226    — 

buch  von  1527,  neu  1596  ^),  und  schon  vorher  verschiedene 
bedeutsame  miltenberger  Satzungen  von  1379,  1422, 
1440 — 1459*)  bringen  dagegen  eine  große  Anzahl  sehr 
wichtiger  gesinderechtiicher  Sätze.  Für  Stadt  und  Amt 
Miltenberg  erging  am  9.  November  1623  eine  Taxord- 
nung')  von  Aschaffenburg  aus. 

Außer  diesem  gab  es  noch  in  folgenden  Gebieten 
des  heutigen  Baden*)  ein  besonderes  territoriales  oder 
gemeinsames  Gesinderecht.  Die  ältesten  Bestimmungen 
hat  die  durlachische  Herrschaft  Rotte  In,  die  etwa  1630 
bis  1640,  ferner  am  6.  Dezember  1631  und  am  28.  April 
1665  Taxordnungen  erhielt*);  die  beiden  jüngeren  tari- 
fieren  den  Gesindelohn  im  Gegensatz  zu  der  zuerst  ge- 
nannten nicht  mehr,  da  „khein  gewissheit  hierin  zusetzen*'. 

Für  das  Gesinderecht  des  Landes  Baden  älteren 
Bestandes  im  übrigen  stehen  nur  Quellen  aus  dem  18.  Jhdt. 
zur  Verfügimg.  Nur  von  Vertragsbruch  und  Untreue  handelt 
das  Landrecht  von  1710.  Zwischen  1715  und  1717  wurde  die 
Tarif ierung  der  Tagelöhne  angeordnet®),  worauf  1718  der 
Versuch  gemacht  wurde,  durch  Vereinigung  mit  Nachbar- 
staaten auch  eine  Gesindetaxe  festzusetzen ') ;  doch  scheint 
infolge  einer  abschlägigen  Antwort  der  markgräflich  badi- 
schen Rentkammer  zu  Rastatt  und  wegen  Weiterungen, 
die  die  Regierimg  zu  Speier  machte,  die  Absicht  nicht 
verwirklicht  worden  zu    sein.     Zur  Herbeischaffung  ge- 


^)  Ebenda  S.  648  f^,  bes.  678  ff.  ~  >)  Ebenda  S.  807  ff.,  bes.  810, 
814 ff.;  820,  321;  828.  -  »)  Habeische  Sammlung.  —  *)  Wenn  auch 
einige  der  angeHlhrten  Orte  —  so  Miltenberg,  Amorbach  —  politisch 
nicht  zu  Baden  gehören,  liegt  doch  keine  Veranlassung  vor,  sie  bloss 
aus  diesem  Grunde  aus  dem  Zusammenhange  mit  den  verwandten 
Rechtsgebieten  zu  nehmen.  —  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Herrschaft 
Rütteln.  Fasz.  959,  961,  962.  Ober  Rötteln  vgl.  Krieger,  Topo- 
graphisches Wörterbuch  des  Grossh.  Baden,  1898,  S.  595  ff.  —  ")  Ergibt 
sich  aus  Gen.  L.  A.  Karlsruhe,  Baden  Generalia  6887  und  dem  Cx- 
tractus  Durlacher  Raths  Protocolli  vom  18.  März  1717  in  Baden 
Generalia  6888.  —   ^)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.    Baden  Generalia  6888. 


-     227     - 

nügender  Dienstbotemnengen  wurde  am  7.  August  1724 
verfügt,  daß  Eltern  ihre  Kinder  in  Dienste  geben  sollen  ^), 
Bestrebungen  zur  Abstellung  von  Klagen  über  das 
schlechte  Gesinde,  die  1747  in  Gang  kamen,  blieben,  wie 
es  scheint,  erfolglos*).  Aus  Erhebungen  über  den  Ge- 
sindemangel gingen  1764  zwei  merkwürdige  Ausschrei- 
ben an  die  Ämter  hervor,  worin  die  Vermehrung  der  Ge- 
sindezahl (durch  eifrigere  Kinderzeugimg)  befürwortet 
wurde').  Am  9.  Juli  1774  wurden  scharfe  Zeugnisvor- 
schriften gegeben*).  Eine  Erweiterung  des  Edikts  \x>n 
1724  erfolgte  am  13.  Mai  1778*).  1780,  unterm  4.  De- 
zember, veröffentlichte  das  Oberamt  Durlach  eine  voll- 
ständige Gesindeordnung').  Vorbildlich  fürs  ganze  Land 
wurde  sie  aber  nicht.  Man  begnügte  sich  da  einstweilen 
mit  kleinerem.  So  pflog  man  1780  auf  eine  Anregung  der 
kurpfälzischen  Regierung  Erwägungen  über  die  Verlegung 
der  Ziehzeit  des  Bauemgesindes  von  Weihnachten  auf 
Martini,  kam  aber  zu  dem*  Schluß,  daß  solche  Ände- 
rung für  das  Land  nicht  passe ').  1788  gelangt  der  Hofrat 
auf  eine  Beschwerde  des  Amtes  Grävenstein  zu  dem  Er- 
gebnis, „dass  ein  Verboth  . . .  ausserhalb  Landes  zu  dienen 
einer  Sclaverey  ziemlich  ähnlich  werde**®).  Mancherlei 
Neues  über  Judengesinde  wurde  —  unter  Ablehnung  weiter 
reichender  Wünsche  der  karlsruher  Judenschaft  —  am" 
28.  August  1792  bestimmt  •).  Endlich  sollte  dann  auch 
die  Erfüllung  alter  Pläne  kommen.  Nach  zwölfjähriger, 
immer  wieder  unterbrochener  Vorarbeit  konnte  am  15. 
April  1809  eine  allgemeine  Gesindeordnung  ins  Land  ge- 


')  Gen.  L.  A.  Karlsruhe  Baden  Generalia  6886.  —  *)  Gen  L.  A. 
Karlsruhe.  Baden  Generalia  6888.  —  ')  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden 
Generalia  6891.  -  *)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia  6886 
(1772i.  Ebenda  Generalia  6891.  Ebenda  Polizei-Sache  1197  (Zugang 
1B99  Nr.  12).  -  *)  Ebenda.  —  *)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia 
6991.  -  *)  Ebenda;  oben  S.  206,  228.  —  *)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe. 
Baden  Generalia  6886.  -  *)  Gen  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia  6891. 

16* 


—    228    — 

schickt  werden*).  Sie  gehört  in  die  Reihe  der  modernen, 
unter  französischer  Bemutterung  entstandenen  Gesinde- 
gesetze, deren  Musterbeispiele  die  1811  im  Großherzogrtum 
Frankfurt  geschaffenen  sind*). 

Aus  späterhin  an  Baden  gefallenen  Gebieten  verdient 
zunächst  die  Grafschaft  Kletgau'))  genannt  zu  werden. 
Aus  dem  Jahre  1603  stammt  eine  Polizei-  und  Landes- 
ordnung *),  die,  ohne  den  Lohn  zu  tarif  ieren,  gegen  die  von 
ihrer  Zeit  empfundenen  Mißverhältnisse  im  Gesindewesen 
vorzugehen  sucht  imd  dabei  Kündigung,  Vertragsbruch, 
Abwendigmachen  usw.  berücksichtigt.  Aus  einer  von  den 
Gräflich  Sulzischen  Räten  ru  Tiengen  int  Klet^au  dem 
Vogt  der  Herrschaft  Gutenburg  (Grafschaft  Bonn- 
dorf*))  am'  13.  August  1652  mitgeteilten  ausführlichen 
Ehehaltenordnung  ^)  geht  hervor,  daß  u.  a.  für  die  Herr- 
schaft B  e  i  s  1  i  n  g  e  n  am  3.  November  1651  und  4.  August 
1652  (?)  Lohnordmmgen  erlassen  waren.  Eine  weitere 
Taxordnung  für  die  Herrschaft  Bonndorf  folgte  am 
18.  November  1652^),  für  das  frauen hauser  Amt  am 
20.  November  1652«).  Die  Herrschaft  Gutenburg  er- 
hielt 1653  wieder  eine  Lohntaxe  •),  in  der  ferner  die  Miet- 
zeit auf  ein  Jahr  von  Johannis  an  festgesetzt  wurde.  Der 
Großprior  des  Johanniterordens  erließ  am  24.  Januar 
1620  von  Heitersheim'  aus  eine  Polizeiordnung ^®)  ge* 
wohnlicher  Art,  worin  ein  Eid  der  Dienstboten  bei  Dienst- 
antritt sowie  Maßnahmen  wider  den  Gesindemangel  ver- 
ordnet wxu-den. 


^)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Provinz  Niederrhein.  Gesindepolizei. 
Lit  B  Nr.  1.  1755-1809  (IV  2).  Ebenda  Baden  Generalia  6391. 
Ebenda  Breysgau  acta  generalia  1574.  Ebenda  Generalia  Polizei  1397. 

—  •)  Oben  S.  U7ff.  -  »)  Krieger,  topogr.  WB.  S.  839ff:  - 
^)  Habeische  Sammlung.  (Götze  III  88).  —  *)  Krieger  a.  a.  0. 
S.  22,  790,  70.  -  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  CopiarbQcher  Nr.  6921. 
Ordnungen  . . .  der  Herrschaft  Guettenburg.  —  ^  Ebenda.  —  *)  Ebenda. 

—  •)  Ebenda.  —  *•)  Habeische  Sammlung. 


—    229    — 

In  der  rhein-  und  wildgräflichen  Landesord- 
nung  von  1754^)  komimit  nur  einmal  eine  zufällige  Er- 
wähnung des  Gesindes  vor.  Aus  ^enl  Breisgau,  der  ja 
unter  Maria  Theresia  und  Josef  II.  eine  Zeit  fruchtbarer 
und  tüchtiger  Gesetzgebimgsarbeit  durchlebte*),  sei  für 
jene  österreichische  Zeit  eine  große  Gesindeordnimg  der 
Stadt  F  r  e  i  b  u  r  g  von  1782  *)  angeführt.  Sie  enthält  noch 
ungeordnet  nebeneinander  Sätze  der  alten  Polizeikunst 
und  Äußerimgen,  die  deutlich  neue  Einflüsse  erkennen 
lassen.  Bei  den  Vorstudien  zu  der  allgemeinen  badischen 
Gesindeordnung  wurde  auch  diese  freiburger  Ordnung 
1797  zu  Rate  gezogen. 

Reichhaltig  wie  in  Baden  sind  auch  die  Ortsrechte 
im  Schwäbischen.  Am  weitesten  südlich  von  diesen 
Rechtsgebieten  liegt  die  Reichsabtei  Ochsenhausen, 
wo  gegen  1695  Statuten  mit  Vorschriften  über  den  Ver- 
tragsbruch ergingen*).  Biber  ach  erhielt  in  dem!  Stadt- 
recht von  1624  *)  und  in  einer  imdatierten  Stadtgerichtsord- 
nung ^)  einige  Satzimgen  gesinderechtlichen  Inhalts.  1651 
folgte  eine  besondere  Handwerker-,  Ehehalten-  und  Tag- 
werkerordnung  ^).  Ein  wenig  Gesinderecht  enthalten  die 
Klosterordnung  von  Blaubeuren  aus  dem'  Jahre  1558 ®) 
und  das  dem  14.  Jhdt.  angehörende  Stadtrecht  für  H  o  r  b  ®). 
Auch  in  der  Stuttgarter  Stadtordnung  von  1492*®) 
kommen   hier  und  da  Erwähnungen  des   Gesindes  vor, 


•)  Walch,  B«ytrage  V  S,  2120.,  bes.  215.  -  «)  E.  Gothein, 
Der  Breisgau  unter  Bilaria  Theresia  und  Josef  II.  (Neujahrsblätter 
<Icr  badischen  historischen  Kommission  N.  F.  10).  —  •)  Gen.  L,  A. 
Karlsruhe.  Baden  Generalia  6891;  v.  Weber,  Statutarrechte  IV 
S.  1866 ff.  —  *)  v.  Weber,  Sututorrechte  IV  S.  289 ff.,  bes.  292.  - 
•)  Habeische  Sammlung.  —  •)  Ebenda.  —  ')  Kr.  A.  Neuburg,  ad  H. 
M87.  Augsburg  Hochstift  ad  Generalia  XI  Nr.  2.  —  *)  Reyscher, 
Sammlung  altwUrttembergischer  Statutar-Rechte  S.  829.  --  *)  Schmid» 
Geschichte  der  Pfalzgrafen  von  Tübingen,  Urkundenbuch  S.  247  ff., 
bes.  262,  —  *•)  Sattler,  Geschichte  des  Herzogthums  Würtenberg 
unter  den  Graven  V  Beil  S.  86  fi.,  bes.  44,  51,  52,  59. 


—    230    - 

jedoch  ohne  daß  Graf  Eberhard  der  Ältere,  der  die  Ord- 
nung gegeben  hat,  die  Grundsätze  der  k<Mnmenden  Polizei- 
zeit schon  erfaßt  hä|te.  Gleiches  gilt  für  ihre  Zeit  von 
der  Ordnung  des  Dorfes  Ebersberg  aus  dem  Jahre 
1736^),  den  Satzungen  des  Fleckens  Winzelhausen 
aus  1593  *)  und  der  1599  entstandenen  Stadt-  und  Gerichts- 
ordnung Bönnigheims').  Wertvolle  Rechtssätze  über 
Lohn  und  beiderseitigen  Vertragsbruch  weisen  dagegen 
die  Rechtsgebräuche  Botwars  von  1552*)  auf.  Eine 
Polizeiordnung  für  Schwäbisch-Hall  von  1703 *)  ent- 
hält Bestinmnmgen  über  den  Vertragsbruch  des  Gesindes. 
Infolge  dankenswerter  Publikationsarbeit  der  Würt- 
tembergischen Kommission  für  Landesgeschichte®)  lassen 
sich  die  östlicheren  Dorfrechte  in  zusammenhängenderer 
Reihe  verfolgen^).  Ein  Vergleich  „zwischen  denen  im 
flecken  Trochtelfingen  sesshaf ten  adelspersonen  und 
denen  gemeindsleuthen"  von  1655®)  behandelt  die  Feld- 
frevel des  Gesindes  der  adeligen  Herren.  Auch  ein  Ge- 
meindebrief von  Oberschneidheim  aus  dem  Jahre 
1568  ®)  regelt  die  Feldfrevel  des  Gesindes  xmd  die  dadurch 
entstehende  Haftung  des  Herrn.  Mit  dem  „landfarend 
gesind*',  dessen  Beherbergung  für  länger  als  drei  Tage 

*)Reyscher,  Statutarrcchte  S.  186 flF.,  bes.  186, 142.  —  *)  Ebenda 
S.  492  flf.,  bes.  408.  -  »)  Ebenda  S.  447  ff.,  bes,  462  -  *)  Ebenda 
S.  484  ff.,  bes.  488.  -  »)  S  i  c  k  e  1 ,  Vertragsbruch  S.  99.  -  •)  WQrttcm- 
bergische  ländliche  Rechtsquellen,  hsg.  von  der  K.  WQrtt  Kommission 
fQr  Landesgeschichte.  1.  Band:  Die  östlichen  schwäbischen  Landes- 
teile, bearb.  von  F.  Wintterlin,  1910  (vgl.  hierzu  von  Belows 
Anzeige  in  der  Vierteljahrsschrift  f.  Sozial-  und  Wirtschaftsgeschichte 
1911  S.  464).  —  Die  folgende  Darstellung  schliesst  sich  der  von 
Wintterlin  gewählten,  durch  die  Gebietsherrschaften  bestimmten 
Reihenfolge  an;  natOrlich  kann  diese  den  strengsten  Anforderungen 
geographischer  Ordnung  nicht  genügen.  ~  ^)  Auf  das  regelmässig  in 
all  den  vielen  Dorfordnungen  vorkommende,  nicht  sehr  variierte 
Hirtenrecht  wird  im  Folgenden  nicht  jedesmal  ausdrücklich  ein- 
gegangen; dieser  allgemeine  Hinweis  mag  genügen.  —  ■)  Wintter- 
lin a.  a,  O.  S.  60  ff.,  bes.  61.  -  •)  Ebenda  S.  117  ff.,  bes.  118. 


231 


von  der  thannhauser  Dorfordnung  aus  der  Zeit  um 
1600*)  verboten  wird,  ist  wohl  nicht  nur  das  gewöhnliche 
Gesinde   gemeint;  das  Wort  wird  als  „Gesindel"  exten- 
siver zu   interpretieren  sein.    Diu'ch  einen  Landgerichts- 
spruch von  Zipplingen^)  erhielt  Hans  der  Fuchs  1319 
für  einen  Hof  das  Recht,  „Scheidhirtein**  sich  zu  halten, 
die  nur  seine  Herde  zu  treiben  hatten ;  dies  Privileg  sollte 
sogar  dann  bestehen,  wenn  Hans  und  seine  Erben  nicht 
auf  dem   Hofe  wohnteb,  sondern  nur  Gesinde  sich  dort 
aufhielt.    Von  Pfändung  des  Gesindes  bei  Übeltaten  han- 
delt die    1567   gebildete   Polizeiordnung  für   Disc hin- 
gen*).  Die  MüUerknechte  sollen  einen  Treueid  schwören 
nach  der  Müllerordnung  des  Klosters  Neresheim  aus 
dem  16.  Jhdt.  *).   Gesinderechtliche  Satzimgen  nebensäch- 
licher Art  findet  man  in  der  für  Elchingen  imd  meh- 
rere andere  Orte  bestimmten  Dorf  Ordnung  von  1766*). 
Wieder  einmial  die  Haftung  des  Herrn  für  Frevel- 
strafen des  Gesindes  wird  in  der  neunheinier  Gemeinde- 
ordnung von  1724*)  festgesetzt.    Die  Gesindeordnungen 
für  Bühlerzell  von  1617^)  und  für  Bühlertonn  von 
1643*)  sprechen  des  Gesindes  Verpflichtung  zur  Mitfeier 
emes  angeordneten  regelmäßigen  Hagelfeiertages  aus ;  da- 
neben enthalten  sie  noch  einige  Vorschriften  gesinderecht- 
lichen Inhalts,  die  hier  ihrer  Geringfügigkeit  wegen  nicht 
genannt  zu  werden  brauchen.    Ein  wenig  über  Kost  der 
herrschaftlichen  Fronbauern  und  über  des  Gesindes  Ar- 
beitspflicht erfährt  mian  aus  der  1546  aufgestellten  Ord- 
nung für  den   Hofbau  zu   Hohenalf ingen®).    Nach 
den  Freiheiten  und  Gerechtigkeiten  für  Oberkochen 
von  1535*®)  mtiß  Gesindeimtreue  angezeigt  werden;  die 


")  Ebenda  S.  148  flF.,  bes.  146.  —  •)  Ebenda  S.  170  f.,  bes.  171.  - 
")  Ebenda  S.  196  E,  bes.  198.  -  *)  Ebenda  S.  289  flf.,  bes.  289,  240.  — 
•)  Ebenda  S.  241  ff.,  bes.  242,  246.  -  •)  Ebenda  S.  299.  —  ')  Ebenda 
^  884ff.,  bes.  884,  885,  886.  ^  •)  Ebenda  S.  804ff.,  bes.  820,  825, 
»2, 888.  —  •)  Ebenda  S.  881,  882.  —  »•)  Ebenda  S.  407  ff.,  bes.  408, 409. 


—    232    — 

„Kunckelstuben"  der  Knechte  und  Mägde  werden  ver- 
boten. Von  der  Strafe  des  fronpflichtigen  Bauern,  der  zur 
Fronarbeit  einen  ungeeigneten  Dienstboten  schickt,  spricht 
die  Büß-  und  Frevelordnung  für  Wellstein  und  A b  t s - 
gern  und  aus  dem  Jahre  1573*). 

Mehrere  Verbote,  so  das  der  Auszehendimg  *)  durch 
das  Gesinde,  der  Verwendung  fremden  Gesindes  zur  Acker- 
arbeit, knechtlicher  Tätigkeit  während  der  Sonntagsruhe 
enthalten  die  dem  Ende  des  16.  Jhdts.  angehörenden  Ge- 
bote imd  Verbote  für  Hohenstatt  imd  einige  andere 
Orte  ^) ;  neu  ausgestaltet  wurde  der  polizeilich-gesinderecht- 
liche Inhalt  dieser  Gebote  imd  Verbote  in  einer  späteren 
Samtnlxmg  lun  1700*);  noch  weiter  geht  die  Polizeiord- 
nung  jener  Orte  von  1748^).  Das  Polizeiliche  überwiegt 
im  Gesinderechte  der  Polizei-  und  Dorfordnung  für  Adel- 
mannsfelden von  1680*):  das  Gesinde  soll  zum  Kirch- 
gange veranlaßt  werden;  die  Schlafgemächer  müssen  für 
Knechte  und  Mägde  im  Her  renhause  getrennt  sein;  das 
nächtliche  Auslaufen  des  Gesindes  soll  der  Dienstherr 
verbieten  usw.;  die  Ordnung  hat  ferner  einen  besonderen 
Abschnitt  „von  ehehalten,  knecht  imd  mägden**,  in  dem 
die  Beeidigrung  der  Knechte  und  die  Pflichtmahnung  der 
Mägde  angeordnet  wird.  Nicht  allzu  wichtige  Gesinde- 
rechtssätze —  teilweise  in  Verwandtschaft  mit  den  bisher 
angeführten  Rechten  —  enthalten  die  Weilerordnung  für 
H  im  ml  in  gen  von  1662'),  die  Gemeindeordnungen  für 
Essingen  von  1554  und  1649®)  sowie  die  Dorfordnung 
ebenfalls  für  Essingen  von  etwa  1710*),  femer  die  Dorf- 
ordnimg für  Lauter  bürg  um  1723^°),  der  Gemeinde- 

*)  Ebenda  S.  428  ff.,  bes.  432.  -  •)  Auswahl  der  Zehntfrucht.  — 
*)  Ebenda  S.  485  ff.,  bes.  4d6,  488,  489,  441.  -  «)  Ebenda  S.  442  ff., 
bes.  442,  444,  448,  449.  —  •)  Ebenda  S.  449  ff.,  bes.  449,  450,  451,  456. 
—  •)  Ebenda  S.  468  ff.,  bes.  464,  467,  471,  472,  478,  480,  481.  - 
')  Ebenda  S.  482  ff.,  bes.  488.  -  •)  Ebenda  S.  512  ff.  bes.  518,  514.  - 
*)  Ebenda  S.  528  ff.,  bes.  529,  588.  — >»)  Ebenda  S.  587  ff.,  bes.  588, 589. 


L 


—    233    — 

brief  Ig^g^ingens  von  1535^),  die  Dorf  Ordnungen  von 
Herlikofen  (1700)*)  und  Dewangen  aus  dem  Jahre 
1584'),  Zeaisur-  und  Rügordnung  des  spraitbacher 
Amtes  vcMi  1658*),  Gemeindeordnung  für  Schlecht- 
bach v<Äi  1680*).  Meist  handelt  es  sich  hier  um:  Vor- 
schriften über  Kirchbesuch  durch  das  Gesinde,  Sonntags- 
arbeit,  Feldfrevel,  Beeidigung  der  Knechte. 

Der  Tarifierungsgedanke  taucht  in  den  Statuten  und 
Ordnimgen  für  Rechberg  und  andere  Orte  von  1577*) 
auf.  Taglöhjier  und  Metzger  werden  hier  mit  Taxen  be- 
dacht.    Fürs    Gesinde    kom:men    daneben  Anordnimgen 
wegen  Sonntagsarbeit  u.  a.  vor;  Dienstboten  können  in 
Prozessen  der  Herrschaft  nicht  Zeuge  sein;  wichtig  ist 
die  Festsetzxmg  des  Lohnverlusts  auf  den  Vertragsbruch. 
Ein  geordnetes  Kapitel,  das  nur  von  den  Hauptstücken 
des  polizeilichen  Gesinderechts  handelt,  enthält  das  Vogt- 
buch von  Ramsberg  aus  dem  Jahre  1556 ^).  Abspenstig- 
tnachen,  Vertragsbruch,  Nichtantritt  des  Dienstes,  Dop- 
peltvermietung  finden  hier  eine  Regelung.    Das    rams- 
berger  Eidbuch  von   1556®)  ist  deshalb   hervorzuheben, 
weil  es  außer  dem'  beim  Diensteintritt  zu  leistenden  Eid 
auch  noch   eine  entsprechende   Versicherung  beim   Ab- 
gang des  Knechtes  verlangt.   Wichtig  ist  schließHch  die 
Gerichts-    und    Polizeiordmmg  Wißgoldingens    von 
1612*).   Deren  zweiter,  polizeilicher  TeiP°)  bringt  neben 
Vorschriften  über  Sonntagsarbeit  xmd  Müllerknechte  eine 
Strafdrohimg  wider  den  Dienstherm,  der  sich  an  seiner 

')  Ebenda  S.  585  jS*.,  bes.  587.  -  *)  Ebenda  S.  589  ff.,  bes.  5d2. 
-  *)  Ebenda  S.  604  ff.,  bes.  605,  607.  -  *)  Ebenda  S.  612  ff.,  bes. 
^f  629,  686.  Diese  Ordnung  ist  den  grossen  wQrttembergischen 
l^andesordnungen  von  1567  und  1671  (unten  S.  284)  und  deren  Vor- 
g&ngem  nachgebildet ;  W  i  n  1 1  e  r  1  i  n  S.  612.  Eingangsworte.  —  *)  Ebenda 
S.  651  ff.,  bes.  668.  -  •)  Ebenda  S.  682  ff.,  bes.  685,  698,  711,  714, 
715,  717,  718,  727,  728.  -  ')  Ebenda  S.  759  ff,  bes.  759,  767.  - 
•)  Ebenda  S.  767  ff.,  bes.  771,  772.  -  •)  Ebenda  S.  798  ff.,  bes.  880, 
«ö,  860,  865.  -  »•)  Von  S.  829  an. 


—     234    — 

Magd  vergreift.  Ein  besonderes  Kapitel  „von  ehehalten" 
regelt  den  beiderseitigen  Vertragsbruch  und  spricht  das 
Verbot  aus,  den  Kindern  und  Dienstboten  Sachen  abzu- 
kaufen. 

In  seltener  Regelmäßigkeit  wurde  das  Landes- 
gesinderecht  in  Württemberg  weitergebildet.  Fast 
gleich  ausführlich  enthalten  zeitgemäßes  Gesinderecht  die 
erste  Polizeiordnung  vom  30.  Jtmi  1549  ^),  die  fünfte  Lan- 
desordnimg  vom'  2.  Januar  1552*),  die  siebente  Landes- 
ordnung vom'  11.  November  1621  *).  Dazwischen  liegt 
außer  einigen  für  das  Gesinderecht  weniger  erg^iebigen 
Landrechten  (aus  1555,  1567  und  1610  *) )  und  einer  Tax- 
ordmmg  von  1579  *)  ein  Generalreskript,  das,  am  8.  August 
1555  erlassen,  wider  den  Vertragsbruch  gerichtet  ist*). 
Ein  weiteres  speziell  dem'  Gesinderecht  gewidmetes  Aus- 
schreiben trägt  das  Datiun'  vom:  22.  Dezember  1641'). 
Ihm  folgte  mit  mehreren  gesindepolizeilichen  Bestimmun- 
gen die  vierte  Taxordnung  vom'  30.  April  1642®),  am  21. 
August  1651  eine  sehr  wichtige  Schaf erordnung  •)  imd 
daim  der  „Fürstliche  Befehl  in  Betreff  der  durch  den 
schwäbischen  Kreis  festgesetzten  Taxen  tmd  Regeln  für 
Dienstboten  und  Handwerker"  vom  15.  Mai  1652  ^^).  Die 
„Vergleichimg"  des  schwäbischen  Kreises  ^^)  für  die  Städte 
und  Ämter  Stuttgart,  Kannstadt,  Weiblingen,  Eßlingen, 
Leonberg,  Deckendorf  \md  Ulm',  auf  der  dieser  Fürstliche 
Befehl  beruht,  stamimt  vom'  12.  April  1652");  darin  ist 
eine  Überfülle  von  Regelungen  enthalten,  ganz  im  Geiste 

')  Reyscher,  Sammlung  der  wOrttembergischen  Gesetze  XII 
S.  149,  154,  166.  -  «)  Ebenda  S.  198,  217,  228,  287.  -  •)  Ebenda 
S.  717;  s.  oben  S.  288.—*)  Reyscher  a.a.O.  IV  S.96ff.,  bcs.808; 
171  ff.,  bes.  808,  V  S.  1  ff.,  bes.  212;  s.  oben  S.  288.  -  •)  Ebenda  XU 
S.  422.  —  •)  Ebenda  S.  288.  —  ')  Ebenda  XIII  S.  11.  —  •)  Ebenda 
S.  17.  —  •)  Ebenda  S.  103.  —  ")  Ebenda  S.  114.  —  ")  Auf  einen 
Beschluss  des  schwäbischen  Kreises  von  1651  bezieht  sich  die  oben 
(S.  229)  genannte  Ordnung  Biberachs  aus  demselben  Jahre.  —  **)  St 
A.  Stuttgart.    Druck. 


—    236    — 

dessen,  was  gleichzeitig  von  andern  Kreisen  vereinbart 
wurde.  £ine  „Neue  Revidirte  Tax-Ordtnungen  zwischen 
den  Statt-  imdt  Ämbtern  Wüsenstaig,  Aurach,  Göppingen, 
Türckheimb,  Nürttingen,  Neuffen,  Clöster  Adelberg  und 
Lorch"  kam'  am  3.  und  4.  Mai  1669  ^)  zustande  und  hatte 
das  Generalreskript  vom  19.  November  1669  *)  zur  Folge. 
Das  österreichische  Recht  wird  in  der  folgenden 
Darstellung  mu*  da  ziuri  Vergleiche  herangezogen  werden, 
wo  es  besonders  bemerkenswerte  Äußerungen  enthält. 
Regelmäßig  berücksichtigt  ist  ntir  das  Recht  zweier  Ge- 
sindeordnungen des  18.  Jhdts.,  von  1765  fürs  Erzherzogtum 
unter  der  !Enns,  von  1779  für  Österreich  ob  der  Enns*). 
Beide  entsprechen  in  ihrem  Wesen  zu  sehr  den  im  übrigen 
Deutschland  gleichzeitig  veröffentlichten  Gesindegesetzen, 
als  daß  sie  hier  übergangen  werden  könnten. 


Die  Verwandtschaft  der  deutschen  Ge- 
sindegesetze unter  einander  läßt  sich  im  einzel- 
nen mit  Gewißheit  nur  schwer  feststellen.  Einige  große 
Richtlinien  sollen  hier  gezeichnet  werden. 

Das  älteste  Recht  folgt  zum  größten  Teil  dem  Sach- 
senspiegel. Nur  wenige  der  bedeutenderen  Stadtrechte 
hielten  sich  im  Gesinderecht  ganz  frei  von  seinem  Einflüsse. 
Mitdelm  16.  Jhdt.  beginnt  das  Reichsrecht  die  Landes- 
^esetzgebimgen  zu  beherrschen ;  die  von  den  Reichspolizei- 
ordnungen  kreierten  Kampfmittel  wider  den  Vertragsbruch 
(Taxen,  Zeugnisse)  eignen  sich  so  gut  wie  alle  Territorien 
an  und  schreiten  iml  Sinne  des  Polizeirechts  weiter.  Das 
Weiht  so  bis  zum'  Beginn  des   18.  Jhdts.    Das  Reichs- 

*)  Ebenda.  Handschrift  ~  ")  Rcyscher  a.  a.  O.  S.  496.  — 
*)  Kr.  A.  München.    G.  R.  Fasz.  403  Nr.  1,  S. 


—    236     — 

recht  wird  jetzt:  abgelöst  von  den  großen  hannover- 
schen Systeotnien,  den  Gesindekriminalordnungrcxi  seit 
1709  und  vor  allem!  der  Gesindeordnung  von  1732.  Diese 
Ordnung  schuf  den  Typ  des  Gesindegesetzeis,  wie  es  im 
18.  Jhdt.  allüberall  Mode  wurde.  Auch  wo  nicht  —  wie 
vor  allem:  in  Hessen  —  eine  bewußte  Nachahniung  der 
Ordnung  von  1732  geschah,  lassen  fast  alle  Gesinderechte 
doch  erkennen,  daß  sie  Geist  vom'  Geiste  der  hannover- 
schen Rechtsfindxmg  genominen  haben.  Um  die  Wende 
vom  18.  zum'  19.  Jhldt.  imterliegen  die  Gesetzgeber  zu 
einem  Teile  der  Macht  des  preußischen  Allgemeinen 
Landrechts.  Offensichtlicher  freilich  sind  die  momentanen 
Strohfeuerwirkungen  des  französischen  Rechtes. 


Zweiter  Teil. 


Systematische  Darstellung 
der  Rechtsentwicklung. 


S  L    Begriff  des  Gesindes;  die  Muntidee  als  leitendes 

Prinzip. 

Merkwürdig  wie  die  Wandlungen,  die  das  Gesinde- 
recht  durchgemacht  hat,  sind  auch  die  Veränderungen, 
denen  der  Begriff  „Gesinde"  unterworfen  war.  Die  Um- 
gestaltungen, die  gar  schon  mit  dem  Wort  „Gesinde**  vor 
sich  gingen,  sind  zwar  aus  den  gelegentlichen  Darstellun- 
gen vor  allem  in  Brunners  Rechtsgeschichte  und  in 
Grimms  Wörterbuch  ersichtlich;  eine  kurze  zusammen- 
fassende Feststellung  der  Forschungsergebnisse  auch  für 
die  von  den  Genannten  behandelte  ältere  Zeit  kann  gleich- 
wohl als  Einführung  zur  systemlatischen  Darstellung  hier 
nicht  überflüssig  sein. 

Wie  das  Wort  Gesinde  bei  der  Entstehung  des  Stan- 
des freier  Hausarbeiter  aus  dem  Sprachschatze  lange  ver- 
gangener Zeiten  hervorgesucht  wurde,  ist  ein  ganz  be- 
sonders  reizvolles   Schauspiel. 

In  der  frühgernoianischen  Zeit  nämlich  war  es  nie- 
mand geringeres  als  die  Gefolgen  des  Fürsten,  die  als 
„Gesinde**,  gasindi,  gisind  usw.  bezeichnet  wurden  ^).  Der 
Stamm  sint,  sind  bedeutet  Weg,  Reise.    Es  gehört  zum 


*)  Hierfür  und  ftkr  das  Folgende  massgebend  Schröder  RG. 
S.d8fr.;  Brunner  RG.  I  S.  188,  II  S.  260;  Brunner,  Gefolgschaft; 
Schmid.  Gesetze  der  Angelsachsen  (2  Aufl.  1858)  S.  599 ff ;  Grimm, 
RechtsaltertOmer  S.  818;  Grimm,  Wörterbuch  s.  v.  Gesind,  Gesind- 
eben,  Gesinde,  Gesindlein,  Gesindlich,  Hausgesinde.  —  Gothisch  ga- 
sin^ja  «B  ReisegefUirte;  M.  Heynes  Wörterbuch  zu  Ulfilas. 


240 


Wesen  der  Gefolgschaft,  daß  die  Gefolgen  Hausgenossen 
des  Fürsten  sind.  Daraus  entnehmen  die  Angelsachsen 
auch  die  Bezeichnung  hiredmän  oder  die  Nordgermanen 
das  schöne  Wort  huskarl.  Die  Gefolgen  speisen,  zechen 
und  schlafen  unter  dem'  Dache  des  Fürsten;  besonders 
betont  wird,  daß  die  Gemahlin  des  Fürsten  ihnen  die  zer- 
rissenen Gewänder  flickt^).  Für  die  fränkische  Zeit  ist 
weiter  bezeugt,  daß  der  Gefolgsherr  für  den  gasindu3 
haftet  tmd  ihn  vor  Gericht  vertreten  kann*).  Später  kam 
die  Bezeichnimg  der  Gefolgen  mit  Gesinde  völlig  ab ;  sie 
hießen  von  da  an  vassi.  Der  bis  ins  19.  Jhdt.  hinein  vor- 
kommende Name  „Hofgesinde",  mit  dem  ebensowohl 
Grafen  wie  Stallknechte  umfaßt  wurden,  ist  vielleicht  noch 
eine  Reminiszenz  an  jene  frühere  Zeit. 

Als  sich  im  Mittelalter  der  neue  Stand  bildete,  als 
hausangehörige  freie  Diener  häufiger  vorzukommen  be- 
gannen, griff  man  auf  das  alte  Wort  wieder  zurück.  Wie 
ist  aber  ein  so  eigenartiges  Auferstehen  zu  erklären  ?  Viel- 
leicht so,  daß  das  wichtigste  Charakteristikum  der  alten 
Gefolgsmänner,  die  Angehörigkeit  an  fremden  Haussland 
mit  allen  daraus  herkommenden  Folgen  (wie  der  gegen- 
seitigen Vertretungsmacht)  doch  noch  derartig  nach- 
wirkte, daß  man  es  als  das  Merkwürdigste  erkannte,  was 
bei  den  alten  Gefolgen  und  bei  den  neuen  zur  Familie 
gehörenden  Knechten  und  Mägden  übereinstimmte.  Den 
bestimmenden  Einfluß  der  Hausgemeinschaft  auf  die  Ent- 
stehung des  Namens  „Gesinde**  erkennt  man  auch  daran, 
daß  die  im  Herrschaftshofe  wohnenden  Hörigen  anfangs 
„Ingesinde**  hießen,  im'  Gegensatz  zu  den  übrigen  auf  ab- 
geteiltem Sonderlande  sitzenden  zinspflichtigen  Hörigen '). 
Daß  die  Hatisgemeinschaft  zur  Übernahme  des  alten  Na- 
mens verleitete,  ergibt  sich  weiter  aus  der  Bezeichnung 


*)  Brunner  RG.  I  S.  188.  -  •)  Brunner  RG.  II  S.  260.  - 
*)  Wein  hold,  Deutsche  Frauen  S.  811. 


—    241     — 

selbst  der  Wohnimgstnieter  mit  „ingesinde"  ^).  Dazu 
kommt  dann  noch  die  Untertänigkeit  des  Gesindes  imter 
den  Herrn  —  vielleicht  reichen  diese  Tatsachen  schon  aus, 
eine  Rechtfertigung  des  sonderbaren  Ereignisses  zu  geben. 

Das  Wort  begnügte  sich  aber  nicht  mit  dem  einen 
Beruf.  Fort  und  fort  sucht  es  nach  neuen  Gelegenheiten, 
wo  es  sich  anbringen  kann.  Es  sei  dafür  (was  ja  hier 
nicht  sehr  in  Betracht  kommt)  auf  das  in  Grimms  Wör- 
terbuch*) sub  voce  Gesinde,  Gesindlein,  Gesindel  usw. 
Mitgeteilte  verwiesen.  Am;  absonderlichsten  ist  es,  daß 
man  in  den  russischen  Ostseeprovinzen  Gesinde  „den  ge- 
samten Grundbesitz  —  Hof  imd  Ländereien  —  eines 
bäuerlichen,  früher  leibeigen  gewesenen  Wirthes"  nennt  *). 

„Gesinde"  war  der  gebräuchlichste  Name  des  Stan- 
des, so  auch  in  Hessen  vom  Kaiserrechte  an  bis  zu  den 
letzten  Tagen  des  Kurfürst entumes.  „Brötlinge",  „ge- 
brotte dinner",  „gebrote  gesinde"  sind  früh  vergangene 
Benennungen*),  aus  denen  man  ersehen  kann,  welcher 
Umstand  den  Alten  als  das  Charakteristische  im  Ge- 
sindeverhältnis erschien.  Das  16.  und  17.  Jhdt.  bevor- 
zugte in  auffallender  Weise  die  Bezeichmmg  „Dienst- 
bote**. Dies  Wort  bedeutet  ursprünglich  einen,  der  in 
Dienst  genommen  ist,  um  Bestellungen  auszurichten,  Bo- 
tendienste zu  tim*).   Auch  der  bloße  Stamm  „Dienst*" 


*)  Münchener  Stadtrecht  Art.  80,  ingolstadter  Recht; 
Grimm,  Wörterbuch  IV  1  Sp.  4112;  Schmeller,  bayr.  Wörter- 
buch I  Sp.  96.  —  •)  IV  1,  2. Teil  Sp.  4n2ff.  -  »)  Ersch-Gruber, 
Encydopadie  64  S.  285;  Grimm,  Wörterbuch  IV  1  Sp.  4111.  — 
')  Grimm,  RechtsaltertOmer  S.  818.  —  *)  Grimm,  Wörter- 
buch II  Sp.  1128;  im  mhd.  viele  fthnliche  Zusammensetzungen,  Fron- 
böte,  Sentbote,  Waltbote.  —  Gesinde  ist  Reisegefährte,  Dienstbote 
bezeichnet  einen  anderswohin  Verschickten,  Lidlohn  ist  der  Lohn 
der  bei  der  Wanderung  gezahlt  wird  (unten  §  8);  vielleicht  ist  es 
kein  Zufall,  dass  diesen  drei  wichtigsten  Worten,  die  im  Gesinde- 
wesen vorkommen,  ursprünglich  gemeinsam  ein  rüstiger  Wanderungs- 
sinn innewohnte. 

KÖDoeckc.  16 


—    242    - 

mit  Plural  „die  Dienste*'  kam  und  kommt  noch  heute  in 
der  Bedeutung  von  Dienstbote  vor  ^) ;  im  Schwäbischen  gibt 
es  weiter  die  schöne  Be^seichnung  „Dienstlein**  *).    In 
Süddeutschland  entstand  auch  das  jetzt  verklungene  Wort 
„£  h e  ha  1 1**.  Wie  „Gesinde"  hat  auch  es  eine  edlere  Ver- 
gangenheit.  Der  die  6,  das  Gesetz,  das  Gebot  des  Herrn 
hält,    war    im  Althochdeutschein    der  Priester,    ehalto'). 
„Bediente**  hießen  —  außer  den  Staatsbeamten  —  nur 
die  herrschaftlichen  Untergebenen,  die  meist  Livree  tra- 
gen. „D  i  e  n  e  r**  wird  das  eigentliche  Gesinde  nie  g^enannt, 
wenigstens  in  den  Gesetzen  nicht ;  Handelsdiener  und  La- 
dendiener nahmen  das  Wort  für  sich  in  Anspruch  und 
gaben  ihm  so  einen  höheren  sozialen  Rang.  Mit  der  fran- 
zöselnden  Zeit  kamen  die  „Domes tiques**  auf;   imd 
sie   spielten   eine  bedeutende   Rolle  lange  Zeit,   so   daß 
die  j^romteschen  Gesetzgeber  gar  nichts  Neues  einführten, 
als  sie  Imit  großem  Eifer  Verordnungen  für  die  domestiques 
entwarfen.    Durchaus  nicht  einheitlich  ist  der  Sinn  der 
Worte  „Knecht**  und  „Magd**.  Von  seinen  vielen  Be- 
deutungen hat  „Knecht**  am  längsten  die  als  männliches 
Gesinde  und  als  öffentliches  Dienstpersonal  behalten*). 
Und   welche   Mannigfaltigkeit  in  den   Bedeutungen  der 
„Magd**!   Die  „reine  Magd**  Maria,  Magd  statt  Mädchen 
usw.    Ob  Riehls  Ableitumg^)  des  Wortes  von  angels. 
Ma^gd  (Magschaft,  Verwandtschaft)  richtig  ist,  sei  da- 
hingestellt; in  Grimms  Wörterbuch*)  wird  sie  nicht  ak- 


»)  Schiller-Lübben  I  S.  506;  M.  Heyne,  Dt  Wörterbuch  I 
Sp.  576;  als  Beispiele:  Grimm,  Weistflmer  I  S  968;  Gotthelf, 
UU  der  Knecht  S.  1  u.  ö.  —  ')  Velhagens  Monatshefte  U.  Jahrg. 
11.  Heft  S.  824.-  »)  Grimm,  Wörterbuch  111  Sp*  43  —  *)  Grimm, 
Wörterbuch  V  Sp.  1880  ff.  Den  Sp.  1894  angeftlhrten  Bezeichnungen 
öffentlicher  Dienststellen  sei  der  hessische  Waldknecht  (Unterförster) 
zugefügt;  Vilmar,  Hess.  HistorienbQchlein,  4.  Auft.  1909,  S.  2.  - 
»)  Naturgeschichte  des  Volkes  als  Grundlage  einer  deutschen  Sodal- 
poHtik  UI  (FamiUe),  1866,  S.  158.  -  •)  VI  Sp.  1480. 


—    243    — 

zeptkrt,  vielmehr  auf  die  StantiHbedeutung  „Erwachsen- 
sein" hingewiesen. 

Als  auffallende  Gemeinsamkeit  der  sämtlichen  Worte, 
mit  denen  Hausarbeiter  bezeichnet  werden  oder  wurden, 
ist  festzustellen,  daß  ihnen  allen  eine  Proletarisierung  des 
Wortsinnes  zuteil  geworden  ist.  „Gesinde**  wie  „Knecht**, 
„Dienstbote**  und  „Magd**  will  sich  niemand  mehr  nennen 
lassen;  den  Ausdrücken  haftet  etwas  Verächtliches  an. 
Zu  welcbetn  Ergebnissen  die  gegenwärtigen,  krampfhaf- 
ten Versuche,  neue  Namten  zu  ersinnen,  führen  werden, 
muß  man  abwarten;  darüber  voraussagen  läßt  sich  zur 
Zeit  nichts. 

Mit  eine  Folge  der  eigenartigen  Geschichte  schon 
des  Wortes  „Gesinde**  ist  auch  die  heute  noch  nicht  über- 
wundene Unklarheit  in  der  Bestimmung  der  Personen- 
klassen, die  zum'  Gesinde,  zu  den  Dienstboten  gehören. 
Das  alte  germanische  Recht  wußte  nichts  von  einem  freien 
Arbeitsvertrage  zur  Verrichtung  niederer  Dienste.  Solche 
Arbeit  wurde  von  den  Unfreien  getan*).  Schon  in  der 
Karolingerzeit  kommt  bisweilen  eine  Erwähnung  freier 
Arbeitsverträge  vor^).  Die  Rechtsbücher  behandeln  den 
Vertrag  über  freie  Diensttätigkeit  als  etwas  Regelmäßi- 
ges; imfreies  Gesinde  wird  nur  selten  noch  erwähnt,  z.  B. 
im  Sachsenspiegel  I  20,  1.  Damit  war  auch  die 
Schaffumg  des  neuen  Berufes,  des  freien  Gesindes,  voll- 
endet. Sachsenspiegel,  Schwabenspiegel  und  Kaiserrecht 
sowie  die  gleichzeitige  Literatur  kennen  einen  besonderen 
Stand  von  Knechten  und  Mägden,  für  die  der  gemein- 
same Ausdruck  Gesinde  gebraucht  wird.  Irgend  eine  Spe- 
zialbierung  der  Berufsklassen  kann  man  aus^  den  Ger 
setzen  nicht  entnehmen;  es  ist  nicht  zu  ersehen,  welche 
Tätigkeiten  dem'  Arbeiter  zum*  „Gesinde**  machten,  ihn 
als  „Dienstboten**  erscheinen  ließen. 

*)  Schröder  RG.  S,  47,  48.  —  •)  Lamprecht,  Wirtschaftsr 
icbcn  I  S.  1167. 

16' 


—     244    — 

In  den  Städten  war  um  diese  Zeit  eine  derartige  Be- 
rufsabsonderung besonders  schwer  zu  treffen.  Zum  „Ge- 
sinde" wurden  nämlich  Gewerbegehilfen  ebensowohl  wie 
Hausarbeiter  gerechnet,  deren  Tätigkeiten  noch  dazu  oft 
in  einer  Person  vereinigt  waren ^).  Für  Hessen  bei- 
spielsweise ist  spätestens  mit  Beginne  des  16.  Jhdts.  die 
Scheidung  des  alten  Gesindes  in  Gewerbearbeit«-  und 
Hausbediente  (Gesinde  im  engeren  Sinne)  vollzogen ;  das 
ergibt  sich  schon  aus  der  Reformation  in  Polizeisachen  von 
1526*),  worin  angeordnet  wird,  daß  arme  Kinder  zum 
Dienste  oder  zum  Erlernen  eines  Handwerkes  ange- 
halten werden  sollen. 

Immerhin  hat  dieser  Gnmdsatz,  daß  künftig  Gesinde 
im  neuen  Simie  und  Handwerksarbeiter  zwei  getrennte 
Gruppen  bilden,  nicht  die  Bedeutung  eines  ausnahme- 
freien Gesetzes.   Es  gibt  stets  Übergänge. 

Über  solche  eigenartige  Rückbildungen  zum  früheren 
Zustand  der  Ungeschiedenheit  von  Handwerks-  und  Haus- 
gesindearbeit in  Nürnberg  zu  Anfang  des  16.  Jhdts. 
liegen  Nachrichten  vor  3).  Manche  Handwerker  mieteten^ 
um  männliche  Arbeitskräfte  zu  sparen,  Mägde,  die  sie  dann 
in  der  Werkstatt  beschäftigten.  Das  wurde  zwar  verboten ; 
aber  1514  z.  B.  mlißte  der  Rat  den  Beutlern  usw.  nach- 
geben, „das  inen  ire  hausm:aid  zuln  handwerk  ziemliche 
handreichimg  thun  mögen";  nur  daß  die  Mägde  in  der 
Werkstatt  arbeiteten,  wurde  verboten.  Konkurrenten  in 
andern  Städten  beklagten  sich  sehr  über  die  nürnberger 
Frauenarbeit.  Über  einen  ähnlichen  Fall  schon  zu  viel 
früherer  Zeit  scheint  das  große  hannoversche  Stadt- 
buch *)  Auskimft  zu  geben.  1399  wurde  dort  eingetragen : 
„Wad  io welkes  borghers  vrowe  unde  maghet  van  lene- 
wande  tughen  (=  verfertigen)  dat  se  dat  vorkopen  moghen 

»)  Kollmann  S.  288ff.  —  •)  LO.  I  S.  49.  —  ')  Kamann, 
S.  75.  —  *)  Vaterland.  Archiv  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  Jahrg. 
1844  Heft  S-4  S.  488. 


—    246     — 

to  allen  tiden  weme  se  kimnen."  ^)  Umgekehrt  gestattete 
die  Reichshandwerksordnung  von  1731^)  Ge- 
sellen, die  ihr  Handwerk  redlich  gelernt  hatten,  einige 
Zeit  ihren  Erwerb  durch  Dienst  bei  Herrschaften  zu 
suchen;  das  soll  zum  weiteren  Fortkommen  als  Ge- 
sell oder  Meister  nicht  hinderlich  sein.  Während  des 
Dienstes  darf  der  Gesell  aber  „durch  anmassende  fremde 
.Arbeit  für  unprivilegirte  Personen**  den  Meistern  des 
Orts  keinen  Eintrag  tun.  Vielleicht  ist  es  auch  eine  Re- 
miniszenz an  die  frühere  Ungetrenntheit  der  niederen  Haus- 
tätigkeiten, wenn  bisweilen  noch  in  ganz  späten  Gesinde- 
gesetzen eine  Vorschrift  über  die  gewerblichen  Gehilfen 
im  Hause  mit  imterläuft,  und  zwar  bei  der  Behandlung 
der  Hausgenossenschaft,  so  in  der  hannoverschen 
Ordnung  von  1732*),  der  hessischen  von  1801*). 

Nur  eine  Verwechselung  darf  hierbei  nicht  gemacht 
werden.  Die  sehr  wichtigen  Gesinderegister  des  hessi- 
schen Gutes  Loshausen ^)  aus  dem  17.  und  18.  Jhdt. 
berichten  über  angestellte  Gärtner  und  eine  Spinnerin, 
und  die  Deutschordensregister  von  Marburg^),  die  ferner 
als  Beispiele  genaimt  seien,  führen  als  „Gesinde**  1378 
u.  ö.  Bäcker,  Steindecker,  Schnüed,  Schröder,  Fischer^) 
auf.  Dadurch  wird  nicht  berührt,  was  eben  gesagt  wurde. 
Diese  Leute  sind  auf  dem'  Gut  ständig  angestellt  als  Ge- 
sinde, das  mit  besonderen  Arbeiten  betraut  ist.  Genau  wie 
es  auf  großen  Gütern  heute  noch  vorkommt,  und  wie  es 
zum  Beispiel  Jonas  Lie  in  dem  berühmten  dritten  Kapitel 
seines  „Hellsehers**  auch  aus  Norwegen  berichtet. 

0  Vgl.  auch  Bacher,  Die  Frauenfrage  im  Mittelalter,  1889 
S.  11;  aus  späterer  Zeit  z.  B.  kurhessische  Zunftordnung  1816  §  6 
(Malier -Fachs  S.  88).  —  ')  Druck  im  städt  Museum  Nordhausen; 
hess.  LO.  IV  S.  119 ff.  —  »)  Spangen berg,  Verord.  f.  Hannover 
IV  2  S.  461.  —  *)  LO.  VIII  S.  26.  -  »)  St  A.  Marburg.  -  •)  Ebenda. 
^  *)  VgL  weitere  Beispiele  bei  Steffen  S.  43.  —  Ober  die  erheb- 
^che  gewerbliche  Spezialisierung  bei  den  mittelalterlichen  hörigen 
Knechten  BOcher,  Entstehung d. Volkswirtschaft,  5.  Aufl.  (1906)  S.106. 


—    246    — 

Eine  im  Vergleich  mit  der  rein  städtischen  Scheidung 
in  Gewerbegehilfen  und  Hausgesinde  bedeutend  feinere 
Verschiedenheit  bildete  sich  in  der  Art  der  von  dem  Ge- 
sinde in  der  Stadt  und  auf  dem  Lande  zu  verrichtenden 
Arbeit.  Das  Gesinde  (im  engeren  Sinne)  mietete  man 
in  der  Stadt  zur  Leistung  von  Arbeiten  im  Hause,  beim 
Wagen  usw.,  eventuell  auch  noch  im  Garten  oder  im  Felde, 
wenn  etwa  welches  vorhanden  war  ^) ;  aber  derartige  Tätig- 
keit liegt  dem'  Gesinde  nur  im  Nebenberuf  ob,  als  An- 
hang der  Haupthausarbeit.  Dagegen  auf  dem  Lande  ver- 
langen die  Bedürfnisse  der  Wirtschaft  das  Vorhanden- 
sein von  ständig  gemietetem  Personal,  das  in  gleicher 
Weise  die  Hausarbeit,  die  Stallarbeit  und  die  Feldarbeit 
verrichtet.  Ja,  die  Feldarbeit  steht  im'  Vergleich  zu  den 
andern  so  im  Vordergnmd,  daß  sie  geradezu  als  Maß- 
stab zur  Beurteilimg  der  Fähigkeit  (im  letzten  iirunde 
zur  Bemlessimg  des  Lohnes)  genommen  wird*). 

Hier  haben  wir  schon  eine  weitere  Eigenart  des  Ge- 
sindebegriffes:  Ob  die  Zofe  in  der  Stadt  die  „gute  Stube" 
des  Patrizierhauses  in  Ordnimg  bringt,  oder  ob  der  rustikale 
Knecht  das  Jauchefaß  auf  die  Äcker  fährt  —  beide  Extreme 
sind  „Gesinde", soim verträglich  mit  einander  ihreBetätigun- 
gen  auch  sind.  Die  gemeinsamen  Begriff  smerkmale,  auf  die 
solche  Ungeschiedenheit  zurückgeht,  sind  folgende.  Ein- 
mal handelt  es  sich  um  Arbeitskräfte,  die  auf  einer  niedri- 
geren sozialen  Stufe  stehen  als  die  Arbeitgeber ;  die  Arbeit 
ist  schon  aus  diesem  Grunde  eine  inferiore,  manuelle. 
Ferner  wohnen  alle  diese  Gesindeleute  der  Art  und  Häufig- 
keit ihrer  Arbeit  wegen  im  Herrenhause.  Die  Arbeits- 
pflicht ist  aber  nicht  auf  einzelne  Handlungen  gerichtet, 
die  im  Vertrag  gefordert  und  im  Gesetz  allgemein  ange- 


^)  Über  die  Häufigkeit  ländlichen  Besitzes  der  BQrger  im  Mittel- 
alter, auch  zu  selbsttätigem  Betriebe,  Caro  in  Conrads  Jahrb.  f.  N. 
Oe.  u.  Stat  86  S.  721ff;  Frauenstädt  S.  874  (Ober  Namslau).  — 
*)  So  in  den  Taxordnungen  vornehmlich  des  17.  Jahrhunderts« 


—    247     - 

ordnet  "werden  könnte.  Vielnitehr  erstreckt  sich  die  Pflicht 
des  Gesindes  auf  alle  niedere  Arbeit,  die  vorkommt  und 
in  sein  Ressort  fällt.  Eine  bestiminte  Begrenzung  der 
Arbeitspflicht  läßt  die  Natur  des  Haushalts  und  der  Land- 
wirtschaft nur  in  einem  beschränkten  Umfange  zu  (aller- 
dings inxmer  mehr,  je  weiter  die  Spezialisierung  vorschrei- 
tet) i).  Das  Gesinde  wird  nicht  gemietet,  um  täglich  zu 
der  festgesetzten  Stunde  die  und  die  vorherbestimmte  Ar- 
beit zu'  machen,  sondern  nur,  damit  dem  Arbeitgeber  die 
Zeit  des  Dienstboten  ziu*  Verfügung  steht*). 

Die  Zusammengehörigkeit  alles   so  begrifflich    ver- 
einigten „Gesindes**  wird  noch  offenbarer  durch  den  Ge- 
gensatz zu  anderen  Arbeitergruppen.   Vor  allem  sind  das 
die  landwirtschaftlichen  Tagelöhner.    Sie  tun  gleichfalls 
geringe   Arbeit,  aber   es  fehlt  ihnen  die  dauernde  An- 
stellung, es  fehlt  ihnen  vor  allem'  auch  die  Zugehörigkeit 
zum  Hausstand  der  Herrschaft.   Einen  gesetzlichen  Hin- 
weis auf  diesen  Unterschied  kann  man  in   Hessen  der 
Verordnimg  über  die  Taglöhner  von  1571*)  entnehmen; 
klar  ausgesprochen  ist  der  Unterschied  in  den  Taxord- 
nungen des  17.  Jhdts.,  denen  Gesinde-  \md  Taglöhner- 
ordnungen  angehängt  sind.  Eine  Verwischung  der  Gren- 
zen zwischen  den  auf  längere  Zeit   gemieteten   Dienst- 
boten und  den  von  Tag  zu  Tag  beschäftigten  Arbeitern 
geschieht  da,  wo  es  Landarbeiter  gibt,  die  mit  der  Ver- 
pflichtimg zur  Tagearbeit  auf  längere  Zeiträume  vom'  Ar- 
beitgeber angesiedelt  werden,  wie  es  in  der  modernen 
Seßhaftmachung  der  Landarbeiter  versucht  wird  und  es 
schon  von  jeher  in  den  Heuerlings v^-liältnissen  oder  bei 
den    schleswig-holsteinischen    Insten    der    Fall     war*). 
Hessen  kannte  diese  Art  der  Taglöhner  nicht. 

M  Für  Gesinde  in  einem  einzelnen  Haushalt  (Hofgesinde) 
oder  fllr  Dienstboten  mit  abgegrenztem  Berufe  (MOlierknechte,  Hirten) 
lassen  sich  sogar  Landesgesetze  mit  grösserer  Aus.sicht  auf  Befolgung 
machen  als  für  die  Masse  der  individuellen  Haushalte  eines  Landes. 
-  •)  Löning;  oben  S.  »ff.   —   •)  LO.  I  S.  680    -  *)  Ver.  f.  Soz. 


—    248    — 

Noch  ein  anderes,  oben  festgestriltes  Merkmal  fehlt 
hier,  die  Hausangehörigkeit.  Das  ist  aber  auch  noch  bei 
anderen  Haus-  und  Landarbeitern  der  FalL  Hierbei  han- 
delt es  sich  vornehmlich  um  verheiratete  Leute.  Sie  sind 
zur  Verrichtung  niederer  Dienste  von  einem  Arbeitgeber 
ständig  (nicht  zu  Taglohn)  angestellt,  aber  sie  wohnen 
natürlich  nicht  in  dem  meist  nur  für  eine  Familie  berech- 
neten Hause  des  Dienstherm.  Das  sind  Hirten,  Vögte 
(Schultheißen),  herrschaftliche  Förster  und  Jäger  und 
ähnliche  Berufe,  dazu  die  gewöhnlichen  verheirateten 
Knechte.  Und  das  Merkwürdige  ist,  daß  trotz  Fehlens 
der  oben  ab  Charakteristikum  des  Gesindes  kurz  ge- 
nannten Hausangehörigkeit  diese  Leute  doch  zum  Gesinde 
gerechnet  werden,  heute  wie  früher. 

Die  Hirten  werden  in  der  hessischen  Gesindeordnung 
von  1801^)  und  in  den  loshauser  Gesinderegistem  von 
1644  bis  ins  zweite  Drittel  des  18.  Jhdts.  ^)  als  Gesinde  ver- 
zeichnet. Eben  diese  loshauser  Register,  die  überhaupt 
eine  Menge  neues  Material  geben,  nenn^i  die  Jäger  und 
Förster  imterm  Gesinde.  Der  Schultheiß  steht  seit  1725 
auch  in  der  Lbte.  Die  Überschrift  lautet  hier  freilich 
„Register,  über  Bedient^i  Besoldung  undt  Gesindes 
Lohn",  so  daß  vielleicht  der  Schultheiß  seiner  immerhin 
prominenten  Stellung  halber  als  „Bedienter"  eine  „Be- 
soldung", nicht  Gesindelohn  bekam;  später  aber  bleibt 
diese  Differenzierung  fort,  und  es  bt  nur  noch  von  Ge- 
sinde die  Rede.  Der  Schultheiß  wird  öfters  auf  andere 
Güter  versetzt;  er  hat  die  Stellung  wie  anderswo  der 
Vogt.  Über  dessen  Zugehörigkeit  zum  Gesinde  herrschte 
in  Kursachsen  z.  B.  Ungewißheit »),  während  Brandenburg 
die  Gesindemeier,  die  die  Aufsicht  führten,  inrnier  zum 


Pol.  Bd.  B8flf.;  zum  vorigen  vgl  auch  die  bei  Lotmar,  Arbcitsvc^ 
trag  I  S.  19  geäusserten  Bedenken. 

«)  LO.  Vm  S.  86.    -   »)  St  A.  Marburg.   ^  •)  Wuttke  S.  6; 
dag.  S.  87. 


—     249    — 

Gesinde  rechnete  ^).  Eine  gesetzliche  Äußerung  aus  Hessen 
über  die  Stellung  der  Vögte  (Gutsschultheißen)  und  herr- 
schaftlichen Jäger  liegt  nicht  vor.  Nach  einer  Prozeßent- 
scheidungr')  soll  der  Ökonomieverwalter  nicht  zum  Ge- 
sinde gehören*). 

Wie  soll  man  den  Widerspruch  erklären,  daß  die  ge- 
naimten  Arbeitsleute,  trotzdem  sie  selbständig  wohnen 
mässen,  meist  zum  Gesinde  gezählt  wurden?  Ist  etwa  das 
Merkmal  der  „Hausangehörigkeit**,  wie  es  kurz  genannt 
wurde,  falsch?   Oder  wenigstens  ungenau? 

Eine  Lösimg  der  Schwierigkeiten  führt  zu  den  feinsten 
Fragen  des  Gesinderechts,  zu  den  Quellen,  aus  denen 
dieser  wichtige  Teil  des  Sozialrechts  sein  Leben  nimmt, 
seine  Vorzüge  imd  Schäden.  Ein  weiteres  Ausholen  ist 
daher  nicht  zu  umgehen*). 

Es  gibt  im  Leben  eines  jeden  Volkes  (vielleicht  am 
offenbarsten  bei  den  Deutschen)  eine  Staffelimg  von  Per- 
sonengemeinschaften,  die  durch  die  Macht  des  Lebens 
da  sind,  nicht  infolge  von  Vereinbarungen  künstlich  ge- 
schaffen; höchstens  werden  sie  rechtlich  anerkannt  und 
ak  Objekt  rechtlicher  Behandlung  benutzt.  Solche  Ge- 
meinschaften sind  die  Familie,  in  kleinen  Städten  weiter 
die  Bewohner  eines  Hauses,  dann  die  Gruppe  der  Bewoh- 
ner nahe  bei  einander  stehender  Häuser  (die  Nachbar- 
schaft), die  Bewohner  einer  Straße,  einer  abgeschlossenen 
Gegend,  des  ganzen  Städtchens,  der  Landschaft,  des  Lan- 

*)  Lennhoff  S.  88.  Für  das  Ordensland  vgl.  Steffen  5.48. 
^  ^  St  A.  Marburg.  Notiz  in  Strippelmanns  Collectaneen.  —  ')  Dass 
^  Privatlehrer  hflufig  zum  Gesinde  gerechnet  wurden,  mag  hier 
^cfagt  sein.  So  ftkr  Narnberg  des  17.  Jhdts.  Kamann  S.  75; 
Air  Cleve  Erlass  vom  28.  September  1795  aber  die  Judenlehrer 
<Scotti,  Cleve  S.  1087);  ftkr  Schaumburg  Rottmanns  Bemerk- 
^gen  (oben  S.  119);  für  Isenburg  scheint  die  RüRordnung  von 
1766  (Sammlung  Amtsgericht  Wächtersbach)  gleicher  Auffassung  Aus» 
<^ck  zu  geben.  —  *)  Vgl.  fbr  das  Folgende  auch  Jellinek,  Allg. 
Staatslehre  S.  84  (Rousseau),  87  (Mohl),  88  f.,  92. 


—    250    — 

des.  Jede  von  diesen  unbewußten  Organisationen,  wie 
man  sie  nennen  könnte,  solange  sie  von  juristischer  Be- 
handlung und  Betätigung  noch  unberührt  sind,  hat  ihr 
Individualleben,  anders  als  die  entsprechenden  Konkur- 
renzgemeinschaften, zu  denen  sie  sich  als  Gesamtheit  in 
unabsichtlichen  und  absichtlichen  Gegensatz  bring^en. 

Die  Grundlage  dieses  Individuallebens  ist  zum  größ- 
ten Teil  (wenn  auch  nicht  ausschließlich)  durch  die  Per- 
sönlichkeit derjenigen  bestimmt,  die  immer  gerade  Mit- 
glieder der  Gemeinschaft  sind;  je  nachdem  die  einzelnen 
innerlich  zusammenstimmen,  ist  das  Band  mehr  oder 
weniger  fest.  Es  bedarf  einer  besonderen  Anstrengung, 
eines  Studiums  für  einen  bisher  Außenstehenden,  wenn 
er  in  die  ungeschriebenen  Gesetze  der  einzelnen  Gemein- 
schaft eindringen  will.  Alle  diese  Gemeinschaften  sind 
darauf  angelegt,  Fremden  gegenüber  eine  Art  Feindschaft 
und  Abschließung  durchmführen.  Nur  den  nehmen 
sie  mit  freundlichem  Willen  auf,  der  verstehend  sich  ihren 
Eigenarten  anpaßt  (ohne  zu  merken,  wie  eine  Veränderung 
durch  das  Hinzukommen  des  Neuen  auch  in  der  alten 
Gemeinschaft  erfolgt). 

Die  festeste  von  diesen  Gemeinschaften  ist  das  Haus, 
genauer  die  Familie.  Infolge  der  Stetigkeit  des  Zusammen- 
seins bildet  sich  hier  (von  anderen  Gründen  ganz  abge- 
sehen) eine  im  Vergleich  zu  den  andern  Gemeinschafte« 
unerhörte  Individualität  aus,  deren  wichtigstes  Kennzei- 
chen vielleicht  die  absolute  Unnahbarkeit  andern  gegen- 
über ist.  Wenn  ein  Fremder  hier  sich  anschließen  soll, 
bedarf  es  bei  ihm  im  weitesten  überhaupt  denkbaren; 
Maße  des  Verzichtes  auf  Individualität;  schon  er  als  Ein- 
zelner muß  gegenüber  der  Familieneinheit  in  ihrer  Eigen- 
art zurücktreten,  nachgeben. 

Die  vornehmliche  Besonderheit  der  Familie  gegen- 
über den  andern  Personenvereinigungen  ist  die,  daß  sie 
eine    Gemeinschaft     kraft     herrschaftlicher     Gewalt    ist 


—    251     — 

(Gierke).  Eine  solche  ist  „ein  Gemeinschaftsverhältnis, 
das  zwischen  mehreren  Personen  in  Folge  einer  personen- 
rechtlichen Über-  und  Unterordnung  besteht"^).  „Zum 
Träger  der  einheitlichen  Sphäre  ist  hier  allein  eine  herr- 
schende Person  berufen,  in  der  nach  innen  \md  nach  außen 
die  im  Bereiche  der  Verbimdenheit  geltende  Personen- 
einheit zur  rechtlichen  Enscheinung  kommt.  Gleich- 
wohl liegt  ein  Gemeinschaf  ts Verhältnis  vor, 
das  sich  nach  innen  in  gegenseitigen  Rechten  und  Pflichten 
zwischen  dem  Gewalthaber  und  dem  Gewaltunterworfenen 
offenbart,  nach  außen  aber  darin  zu  Tage  tritt,  daß  die 
Darstellimg  der  Personeneinheit  durch  den  GewalthaJ)er 

eine  Vertretung  der  Gewaltunterworfenen  einschließt 

Ihre  älteste  Erscheinungsform  ist  die  vom  Hausherrn  kraft 
seiner  Munt  beherrschte  und  vertretene  Hausgemein- 
schaft." Das  sind  Worte  Gierkes,  grundlegende  Aus- 
fühnmgen,  die  in  der  Behandlung  von  gesinderechtlichen 
Fragen  bisher  kaum  beachtet  worden  sind*). 

Kraft  seiner  Munt  beherrscht  und  vertritt  der  Haus- 
herr die  Mitglieder  der  Familie.  „Die  Stellung  des  Haus- 
herrn äußert  sich  nach  innen  als  Herrschaft,  nach  außen 
als  Haftung')."  Wenn  Fremde  als  Dienstboten  in  das 
Haus  der  Familie  eintreten,  so  könnte  allein  dies  schon 
ein  Anlaß  sein,  die  Dienstboten  der  gleichen  Behandlung 


*)  Gierke  Fr.  R.  I  §  80a;  fQrs  Folgende  auch  Brunner  RG. 
1  S.  92.  —  ')  Vgl.  aber  E.  Heymann,  Sav.-Ztschr.  germ.  Abt  88 
S  603,  der  immer  wieder  auf  die  Bedeutung  des  Muntgedankens  für  das 
Gesinderecht  hingewiesen  hat  und  auch  für  die  legislatorichen  Fragen 
bemerkt:  „Die  geschichtliche  Entwicklung  lehrt  denn  auch,  dass  der 
Muntgedanke  allein  eine  praktische,  brauchbare  und  edle  Ausgestal» 
tiuig  des  Gesindewesens  zu  tragen  vermag;  nichts  ist  verfehlter,  als 
im  Kampf  gegen  heutige  Überbleibsel  der  alten  rohen  Ausartungen 
des  Gesindeverhältnisses  ...  in  das  Extrem  einer  rein  obligatorischen 
Auffassung  des  Gesindeverhältnisses  zu  verfallen  und  dessen  per- 
sonenrechtlichen  Charakter  zu  vergessen  oder  zu  zerstören."  — 
•)  Brunner  RG.  I  S.  92. 


—    252    — 

2u  unterstellen.  Dazu  komtnen  noch  verschiedene  Gründe. 
Einmal  die  lange  Zeit,  auf  die  ein  Zusamtnenleben  be- 
absichtigt, wenn  auch  nicht  stets  ausgeführt  wird.    Die 
Dienstboten  stehen  ferner  m<eist  im  Alter  von  15 — 25  Jah- 
ren, wo  sie  noch  erziehungsbedürftig  sind^).    Besonders 
wichtig,  wenn  auch  nicht  ausschlaggebend,  ist  weiter  die 
Art  der  Beschäftigiuvg  zunächst  der  häuslichen  Dienst- 
boten.  Um  diesen  die  Erfülltmg  ihrer  Aufgabe  zu  ermög- 
lichen, ist  es  nötig,  sie  in  einem'  für  Nichtmitglieder  ganz 
außerordentlich  weitgehendem'  Maße  in  die  Kleinigkeiten 
^xnd   Kleinlichkeiten  des  im'  herrschaftlichen   Hause  ge- 
bräuchlichen täglichen  Lebens  einzuweihen  und  ihnen  eine 
gewisse  notwendig  tmbeschränkbare  Freiheit  des  Handeln 
innerhalb  des  häuslichen  Getriebes  zu  geben.  Dazu  gehört 
v<Mi  Seiten  des  Arbeitgebers  größeres  Vertrauen  als  er  es 
einem  Handwerker,  Arzt  usw.  entgegenzubringfen  braucht. 
Ein  solches  Vertrauen  wird  der   Hausherr  vielmehr  zu 
einem  solchen  „Dienstboten**   haben,  dessen  technische 
und  geistige  Qualitäten  er  in  umfassenderem  und  inten- 
siverem Maße  keimen  gelernt  hat,  als  er  dies  bei  einem 
sonstigen  Arbeitspflichtigen  feststellen  kann  und  festzu- 
stellen braucht.    Mit  einer  gewissen  Notwendigkeit  hat 
dies  ein  —  in  seiner  Stärke  historisch  gewandeltes  —  Auf- 
sichtsrecht zur  Folge,  dem  wiederum  ein  bestimmtes  Maß 
von  Gehorsamspflicht  entsprechen  muß,  beides  mehr  als 
bei   schwächeren  Arbeitsverträgen.    Eine  fernere  durch 
die  Art  der  Arbeit  bedingte  Besonderheit  des  Gesindever- 
hältnisses ist  die,  daß  der  Umfang  der  Arbeitsleistiuigen 
nicht  im  voraus  spezialisiert  werden  kann.   Das  Gesiade 
muß  stets  „imgemessene  Dienste**  versprechen,  wenn  es 
erlaubt  ist,  den  Ausdruck  in  diesem  übertragenem  Sinne 
zu  gebrauchen.  Und  der  Umfang  der  Arbeit  richtet  sich 
nach  dem  obersten  Gesetz,  der  Wohlfahrt  des  Hauswesens. 


')  v.  d.  Goltz,  Sociale  Bedeutung  S.  14. 


—     253     — 

Hierdurch  ist  notwendig  ein  teilweises  Aufgeben  der  per- 
sönlichen Selbständigkeit  für  den  Dienstboten  gefordert; 
er  muß  bald  zu  dieser,  bald  zu  jener  Zeit,  bald  für  diese,, 
bald  für  jelne  Zwecke  der  Herrschaft  zui  Verfügung  stehen^ 
soweit  er  nicht  zur  Verrichtung  besonders  gearteter 
DIepste  geimietet  ist. 

All  dies,  mehr  oder  minder  imwägbar,  drängt  gerade- 
zu dahin,  die  Dienstboten  dem'  zu  unterstellen,  was  man 
die  „hausherrliche  Gewalt"  nennt.  Die  häuslich  enund 
im  Hause  wohnenden  Dienstboten,  wohlgemerkt. 

Aber  schon  in  den  ältesten  Fundstellen  wird  das  Wort 
„Munt"  nicht  schlechtweg  lediglich  zur  Bezeichnung  der 
hausberrlichen  Gewalt  verwendet.  Es  „tritt  die  Bedeutung 
vx)n  Schutz,  Schirm,  Friede  hervor,  indem  es  auch  auf 
Schutz  Verhältnisse  angewendet  wird,  denen  das 
Merkmal  der  Hausgenossenschaft  fremd 
ist"i).  Daß  sich  damit  die  entsprechende  Entwicklung 
der  emäncipatio  der  Hauskinder  nicht  im  Einklang  be- 
findet, sei  nur  im  Vorübergehen  erwähnt ;  es  kann  an  dem 
gewonnenen  Ergebnis  kaum  etwas  ändern*). 

Möglich  wäre  es  hiernach  wohl,  daß  eine  Überfüh- 
rung der  Mimt",  der  „herrschaftlichen  Gewalt",  auch  auf 
das  Gesinde  erfolgte,  das  nicht  im'  Hause  des  Herrn  wohnte 
das  keine  häusliche  Arbeit  verrichtet.  Die  spätere  Zeit„ 
besonders  die  beiden  an  Gesetzgebung  reichhaltigsten  Jahr- 
hunderte, das  17.  und  18.,  haben  diese  Konsequenzen, 
ohne  Zweifel  gezogen.  Die  Taxordnungen  vom  Beginn 
des  17.  Jhdts.  an  scheiden  die  „Dienstboten"  und  die 
Taglöhner  oder  landwirtschaftlichen  Lohnarbeiter,  deren 
Vertrag  auf  kurze  Zölt  reicht  imd  meist  Tag  für  Tag 
läuft.  Die  im  Kapitel  von  den  Dienstboten  gegebenen 
Lohnbestim'mtmgen     und    Verhaltensmaßregeln     gelten 

*)  Branner  RG.  I  S.  92.  —  *)  Stobbe,  Die  Aufhebung  der 
^terlichen  Gewalt . . ,  in  seinen  Beitragen  zur  Gesch.  des  deutschen 
Äechts,  1865  S.  Iff.,  bes.  28  ff. 


—     254    — 

ihrem  ganzen  Inhalt  nach  ganz  offensichtlich  für  alle  zu 
niederen,  im  voraus  nicht  beschränkten  Diensten  auf 
längere  Zeit  gemieteten  Leute.  Von  der  Hausange- 
hörigkeit, genauer  dem  Wohnen  im'  Herrenhause,  ist  nie 
etwas  Ausdrückliches  gesagt.  Da  dem'  imstillbaren  Regle- 
mentierungsdrang der  damaligen  Zeit  nichts,  aber  auch 
nichts  entgehen  konnte  und  nicht  entgangen  ist,  so  ist 
es  ausgeschlossen,  daß  m:an  die  ständig  angestellten 
außer  Hauses  wohnenden  niederen  Arbeiter  von  der  ge- 
setzlichen Regelimg  ausschließen  wollte.  Kein  anderer 
Abschnitt  der  Taxordnimgen  läßt  es  zu,  daß  man  ihm 
das  außerhalb  hausende  Dienstpersonal  subsumiert;  es 
ist  absolut  kein  Anlaß  gegeben,  anzunehmen,  daß  diese 
Leute  vom  Gesetzgeber  (imd  seinem  Volke)  nicht  unter 
den  Begriff  „Dienstboten**  oder  Gesinde  gestellt  wurden. 
Es  bedurfte  auch  für  die  Zeit  um'  die  Wende  des  18. 
und  19.  Jhdts.  kaum!  der  hervorhebenden  Bestimmung 
z.  B.  im  hessischen  Cresinderecht,  daß  alles  Gesinde  dem 
besonderen  Gesindestrafrecht  imtersteht,  mögen  die  Leute 
in  oder  außer  dem'  Hause  der  Herrschaft  wohnen.  Es 
ist  ein  dringendes  Verlangen  der  neuen  Zeit,  dem'  Arbeit- 
geber die  muntartige  Aufsicht  auf  das  Privatleben  des 
mit  seinem'  Hause  gar  nicht  mehr  in  Verbindimg  ste- 
henden Dienstboten  zu  nehmien.  Aber  aus  diesem  be- 
rechtigten Wunsche  heraus  darf  man  nichts  in  die  Ge- 
sindegesetze hineininterpretieren,  die  meist  in  sehr  ent- 
legenen Zeiten  entstanden  sind;  am'  allerwenigsten  ist  es 
da  zulässig,  wo  (wie  im'  hessischen  Recht)  die  klare  Ge- 
setzesbestimmung das  Gegenteil  ausdrücklich  feststellt. 
Hier  hat  das  freie  Interpretationsrecht  des  Richters  seine 
Grenze,  die  ihm'  erst  ein  neues  Gesetz  öffnen  kann.  Das 
verkennt  Süßkind  bei  seiner  Polemik  gegen  Hey- 
mann und  vor  allem  gegen  Kahler^). 

*)  Sasskind  S.  96ff,,  Heymann  in  der  Sav.-Ztschr.  gern. 
Abt.  28,   S.  600  fr.;    Conrads   Jahrb.    NF.  16   S.  S65;    Beilage  zur 


--     265     — 

Das   Ergdbnis  entspricht  auch  durchaus  d&ü  Cha- 
akter  des  ländlichen  Gutsherrn  imd  dem  Wesen  seines 
rerhältnisses  zu.  dem   von    ihm=    beschäftigten  Gesinde, 
.seinen"  Leuten.   Er  als  der  wirtschaftlich  Mächtigere 
bestimmt  die  Art,  in  der  sich  der  gegenseitige  Zustand 
regelt.    Die  Leute,  die  er  zu  niederen  Arbeiten  für  Haus 
und  persönlichen  Außenbedarf  (Kutscher)  mietet,  gehen 
fast  alle  ira  Sommer  zur  Zeit  der  dringenden  Arbeit  mit 
hinaus.  Da  tim  sie  die  gleiche  Arbeit  wie  die  Knechte,  die 
zur  Acker-  imd  Feldarbeit  gemietet  sind.   Mit  den  Haus- 
dienstboten kommt  der  Hausherr  das  Jahr  über,  nament- 
lich im  Winter,  wo  das  Leben  „verdichtet**  wird,  täglich 
zusammen.    So  ist  die  größte  Möglichkeit  gegeben,  daß 
er  sich  allen  ihm  gegenüber  sozial  „niederen**  ein  Ver- 
halten und  Verhältnis  einrichtet,  das  den  Verkehr  mit 
dem  Hausgesinde  zum  Muster  hat.    Der  ländliche  Ge- 
sindehalter gewöhnt  sich  an  diesem  ein  Betragen  an,  das  zu 
bequem  ist,  als  daß  er  es  den  andern  seiner  „Leute**  gegen- 
über ablegte.  Er  ist  „patriarchalisch**  hier  wie  dort.  Und 
instinktiv  geht  er  darin  weiter  und  zieht  Folgerungen,  die 
innerlich  nur  dem  Hausgesinde  gegenüber  berechtigt  sind ; 
er  will  Einblicke  in  die  Haushalte  der  „Leute**  tun,  er 
^^ill  ihr  außerdienstliches  Leben  unter  seinen  Augen  haben, 
er  will  für  sie  sorgen  mit  Darreichimg  von  Natm-alien,  und 
er  will  sie  von  der  Macht  des  Geldes  fernhalten,  weil  das 
die  Leute  verdirbt,  für  die  er  doch  zu  „sorgen**  liat.   Ge- 
wiß, allein  schon  die  Verhältnisse  auf  dem  Dorfe  haben 
etwas  „Patriarchalisches**,  ohne  Rücksicht  auf  das  Ver- 
hältnis von  Dienstherr  und  Diener,  wenigstens  in  West- 
deutschland.   Aber  sie  erfahren  dm-ch  diese  Beziehung 
eine  Steigerung ;  erst  so  läßt  sich  die  intensive  „Geschäfts- 
intimität*', wie  man  das  „Patriarchalische**  besser  nennen 
könnte,  erklären. 

t  der  Landwirtschaftskammer  für  die  Provinz  Schlesien  1897  S.  40 
(oben  a  251);  Kahler  S.  188. 


^    256    — 

In  derselben  Richtung  bewegen  sich  einige  Ausfüh- 
rungen, die  Sombart^)  gelegentlich  macht.  „Ist  der  Er- 
werb dem  Edelmaim  verhaßt,  so  nicht  minder  die  Form, 
in  der  er  sich  abzuspielen  pflegt:  das  Geschäft.    Alles 
Rechenhafte,  alles  Rationalistische,  alles  Geldmäßige  stößt 
ihn  ab.  Deshalb  mag  er  auch  die  Beziehungen  zu  seinen 
Leuten,  d.  h.  dem!  Volke,  das  im'  Dienste  des  Vogts  seine 
Güter  bestellt,  nicht  gern  als  rein  geschäftliche  betrachtet 
sehen.  Fremd  dem  inneren  Wesen  nach  sind  der  feudalen 
Wirtschaft  der  Lohnvertrag  über  bestimlmte  Leistungen, 
der  Lohnvertrag  mit  kurzer  Kündig^ungsfrist,  der  Lohn- 
vertrag mit  reiner  oder  auch  nur  vorwiegender  Geldlöh- 
nung.   Weil  die  Wirtschaft  noch  keine  ausgesprochene 
Saisonwirtschaft  ist,  wie  die  moderne  Landwirtschaft,  weil 
sich  die  Technik  in  den  alten  gewohnten  Bahnen  bewegt, 
darum  braucht  man  ständige,  womöglich  angesessene,  am 
liebsten  Schollenpflichtige  Arbeiter,  die  das  ganze  Jahr 
über  zur  Verfügung:  stehen,  hat  also  an  einem  gebtmdenen 
Arbeitsverhältnis  —  ganz  im  Gegensatze  zum  kapitalisti- 
schen Unternehmer  auch  in  der  Landwirtschaft    —  ein 
Interesse.   Weil  aber  die  Geldeinnahmen  gering  sind,  so 
ist  es  selbstverständlich,  daß  m!an  den  Arbeiter  in  Ge- 
brauchsgegenständen entlohnt.  Am  liebsten  beteiligt  man 
ihn  am  Ertrage  diu^ch  eine  Anteilslöhnimg,  wie  sie  die 
Insten  alten  Schlages  hatten,  gliedert  ihn  also  in  die  eigene 
Wirtschaft  ein,  mit  der  er  verwachsen  soll,  er  und  seine 
Familie,  Geschlecht  auf  Geschlecht.    Dann  tritt  der  Ar- 
beiter zum  Gutsherrn  wirklich  in  eine  Art  Vasallenverhält- 
nie,  in  ein  Verhältnis  gegenseitiger  Treue,  es  entsteht  aus 
innerer   Notwendigkeit   eine  patriarchaUsche   Arbeits  Ver- 
fassung, die  der  kapitalistische  Unternehmer  in  Industrie 
und   Handel  als  traurige   Karikatur  zu  wiederholen  be- 
müht ist." 


')  Die   deutsche  Volkswirtschaft    im    19.  Jhdt,  2.   Aufl.   190^ 
S.  504. 


—    257    — 

Wie  dem  (Jesindeherm  die  so  erworbenen  Befugnis.se 
gegenüber  seinen  Dienstleuten,  seinen  „Mündlingen"  *), 
gesetzlich  nicht  nur  bestätigt,  sondern  gar  übertragen  wer- 
den, ist  reizvoll  zu  beobachten.  Ohne  Unterscheidung, 
ob  der  Dienstbote  im'  Hause  oder  außerhalb  wohnt,  wird  er 
der  Familie  gegenüber  üi  ein  Verhältnis  gebracht,  das 
bald  mehr  bald  weniger  deutlich  imd  vollständig  die  Züge 
der  „Munt"  aufweist,  manchmal  ganz  erstaimlich  weit- 
gebend. Und  in  Verfolgung  dieser  Ideen  wird  das  Ge- 
sinde noch  über  den  Rahm^  der  Muntschaft  hinaus  in 
einer  Weise  gleich  den  Familiengliedem  behandelt,  daß 
fast  nur  noch  der  Unterschied  der  Verwandtschaft  das 
Verhältnis  des  Gesindes  imd  der  Familiengenossen  gegen- 
über dem  Hausvater  zu  einem  unterschiedenen  machte 
—  bliebe  nicht  die  stets  betonte  krasse  Scheidxmg  der 
Stände  *). 

In  den  älteren  hier  in  Betracht  kommienden  Rechts^ 
quellen  ist  das  Muntverhältnis  vomehmUch  dadurch 
zum  Alisdruck  gekommen,  daß  die  Haftung  des  Herrn 
und  die  entsprechende  Stellvertretung  statuiert  sind. 
Dagegen  fehlt  es  an  Rechtssätzen,  die  das  besondersartige 
Herrschaf ts Verhältnis  ausdrücklich  bestätigen.  Des- 
halb soll  hier  von  den  Fällen  der  Haftung  imd  Vertretung 
ausgegangen  werden®). 


*)  Grimm,  Rechtsaltertümer  S.  311.  —  «)  Die  folgende  Schilde- 
rung des  Gesetzgebungswerkes  erstreckt  sich  nur  auf  diejenigen 
Gegenstände,  die  eine  besonders  prägnante  Äusserung  der  Muntidee 
und  des  Familienverhältnisses  enthalten.  Im  letzten  Grunde  könnte 
ja  das  ganze  Gesinderecht  fast  ohne  Ausnahme  dazu  verwendet 
werden,  jene  Begriffsmerkmale  aufzudecken.  Was  etwa  im  Lohn- 
rechte, im  Rechte  des  Vertragsbruches  beider  Teile  u.  s.  w.  an  munt- 
rechtlichen  Elementen  enthalten  ist,  kann  erst  im  Zusammenhange 
der  folgenden  speziellen  Kapitel  dieses  zweiten  Teiles  dargestellt 
werden.  —  •)  Wichtiger  als  die  verschiedenen  von  Friedrich 
Oetker  (Kriminelle  und  civile  Haftung  Dritter  nach  hessischen 
Rechtsquellen;  Juristische  Festgaben   der  rostocker  Juristenfakultät 

Kfoaecke.  17 


—     258    — 

Der  Hausherr  trägt  die  Verantwortung  für  straf- 
bare Handlungen  der  Personen,  die  in  seinem  Hause  sind ; 
für  alles,  was  er  „to  miet  ende  to  mele",  „zu  bier  und  brod", 
„zu  brod  imd  muss**  hat  *),  mußte  der  Herr  ursprünglich 
einstehen. 

Über  den  Rahmen  der  verwandten  Familie  hinaus 
wird  dies  selbst  für  fremde  Gäste  bestimmt,  so  im 
braunschwöiger  Recht*):  „Malk  scal  sen,  wene  he 
herberghe,  dat  he  darvore  antworden  moghe.  Sceghe  dar 


zum   50.  Doktorjubiläum  Iherings  1892,  Stuttgart  1892,  S.  85  ff.)  mit 
grosser  SchArfe  durchgeführten  Unterscheidungsmerkmale   ist   doch 
wohl  die  Feststellung  der  Munt  als  leitenden  Gedankens  in  der  Ober- 
wiegenden Zahl  der  HaftungsßÜle.    Es  w&re  eine  wertvolle  Arbeit, 
festzustellen,  wo  einmal  nicht  die  Munt  fbr  die  Haftung  Dritter  be- 
stimmend war;  welches  die  Gründe  für  solche  Satzung  waren.  —  Das 
rOmischeRecht  steht  den  Erscheinungen  muntschaftlicher  Haftung 
verständnislos   gegenüber.     Der   Herr   haftete   für   ein  Verschulden 
seiner    Angestellten    unter    zwei    Bedingungen:    »»Die    eine   Gruppe 
bilden  ...  die  Fälle  der   custodia  •  Haftung,   denn   für   die   custodia- 
Pflichtigen  ist  das  Verschulden  seiner  Leute  niederer  Zufall,  für  den 
er  aufzukommen  hat;  die  zweite  Gruppe  umfasst  eine  Gruppe  hono- 
rarischer Klagen,  bei  denen  für  Zufall  eingestanden  wird;  auch  hier 
ist  das  Verschulden  der  Angestellten   für  den   Herrn   vertretbarer 
Zufall.    Ausserhalb  dieser   beiden   Gruppen  haftet  man  . . .  nur  für 
culpa  in  eligendo  . .  .   Als  Justinian  die  custodia  -  Hafhmg  strich  und 
sie  in  eineculpa-Haftung  abmilderte,  musste  er  natürlich  auch  die  in  der 
custodia  gelegene  unbedingte  Haftung  für  die  Angestellten  in  eine 
Haftung  für  Verschulden  des  Herrn  verändern"  (F.  Schulz,  Die 
Haftung  für  das  Verschulden  der  Angestellten  im  klassischen  römischen 
Recht;  Zeitschr.  f.  d.  Privat-  u.  öff.  Recht  der  Gegenwart  38,  1911, 
S.  9  ff.,  bes.  10,  54).    Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  aber  noch  ausdrück- 
lich durch  besondere  Studien  festzustellen,   dass  die  Minderung  der 
Muntverhältnisse,  die  im  Laufe  der  Zeit  in  Deutschland  vor  sich  ging, 
mit  auf  den  verflachenden  Einfluss  des  weiter  vordringenden  römischen 
Rechts  zurückzuführen  ist  —  Auf  Herrenhaftung  nach  flandrischem 
Gesinderechte    weist   A.  Behaegel   hin   (Servantes   et   serviteurs 
d'autrefois;  Bulletin  du  comitö  central  du  travail  industriel  1906  S.  663). 
*)  Zitate  nach  Hertz  S.  42.   —   >)  Hänselmann,  Urkunden- 
buch  I  S.  44;  Sammlung  spätestens  1849. 


—     259     — 

scade  af  an  morde,  an  brande,  an  duve  eder  an  ienegoa 
anderen  dingen,  de  rad  wel  eme  dar  umlme  tospreken.*' 
In  ähnlicher  Weise  läßt  die  Stadtordnung  für  Walldürn 
von  1492  ^)  dein  Hausherrn  gestraft  werden,  wenn  ein  in 
seinem  Hause  wohnender  Fremder  auf  den  Gassen  oder 
in  Spinnstuben  angetroffen  wird.  Besonders  entschieden 
spricht  das  f  rankfenhauser  Stadtrecht  von  1558*)  den 
Grundsatz  aus:  „Nietmöndt  soll  einen  froembten  ein- 
nehmenn  unndt  herbergemn,  er  wolte  dann  leib  unndt 
gudt  vor  jhenenn  einnsetzenn,  unnd  wass  einn  gast  ann- 
dernn  leutenn  schaden  thutt,  dass  soll  der  wirdt  nach 
erkandtnüss  desis  Rathss  etintgeldenn,  wo  der  theter  einn- 
konunielm  ist.**  Auch  im  spÄterön  Rechte  komlmt  ähnliche 
Satzung  vor.  Ein^  Dorf-  imd  Gerichtsordnung  von  1766 
fürElchingeln  imd  einige  andere  Dörfer  in  Schwaben  *) 
setzt  fest :  „Bey  schwerer  straf  solle  nimand  verdächtigen 
gesind  *)  unterschleif  geben,  und  so  von  solchen  ein  dieb- 
stall begangen  würde,  ziehet  der  beherberger  sothanen 
liederlichen  gesindels  auch  wegen  ersezung  des  Schadens 
besondere  rechtfertigung  auf  sich.**  Wenn  femer  selbst 
die  Hausmieter  dem  Hausfriedensschutze  unterstellt  wer 
den,  wie  nach  goslarer  Recht  (darüber  unten),  oder 
wenn  das  münchener  Stadtrecht  auch  die  Mieter  als 
,ingesinde**  bezeichnet*),  so  kann  es  nicht  verwundeim, 
daß  auch  das  ständig  dienende  Gesinde  durch  seine  Hand- 
lungien  den  Haus-  und  Dienstherrn  ^ur  Verantwortung 
zwingt. 

Unabwendbare  Haftung  des  Herrn  für  Straftaten  der 
Dienstboten  bestand  einmal  in  den  Fällen,  wo  der  Herr 
dem  Gesinde  Auftrag  zur  Tat  gegeben  hat.    Nach  ost- 


*)  Oberrhein.  Stadtrechte  I  S.  248  ff.,  bes.  252.  —  •)  Walch, 
Beytrage  I  S.  286flF.,  bes.  866.  —  •)  Wintterlin,  Würltemb.  länd- 
liche Rechtsquellen  I  S.  241  ff.,  bes.  245.  —  *)  Hier  zweifellos  nicht 
in  der  Bedeutung  „Dienstbote",  sondern  „Gesindel".  —  »)  Oben  S.  241. 

17* 


—     260    - 

friesischem  Landrechte*)  muß  der  Herr  haften,  wenn 
der  Knecht  handelte  „uth  Bevel  sines  Broet-Heren**,  für 
den  Fall,  „dat  de  Heere  des  Huisses  den  Knecht  sülvest 
hefft  geheeten  off  solckes  em  belevet  is'*.  Für  die  gräflich 
adelmannschen  Orte  Hohenstatt  u.  a.  erging  gegen 
1585  das  Gelbot*):  „Wan  es  zu  der  emdzeit  kombt,  so 
solle  kein  imderthan  ainiche  erwachsene  fruchten  wie  die 
nomen  gehoben  mag  weder  für  sich  selbsten  oder  auss 
seinem  bevelch  durch  seine  kinder  oder  knecht  oder  mägd 
im  wenigsten  nichts  ohne  besichtigung  auch  darauf  von 
der  herrschaft  erlangter  bewilligung,  es  seye  zu  tag  oder 
nacht,  abschnieiden  bei  ernstlicher  straff  1  fl.  15  kr." 
Die  Polizei-  und  Dorf  Ordnung  von  A  de  Im'anih  sf  ai- 
de n  aus  dem  Jahre  1680')  enthält  die  folgende  Satzung 
über  Holz-  imd  andere  Diebstähle:  „Wie  wir  dann  alle 
haussvätteir  \md  mütter  von  obigen  diebstählen  ihre  kin- 
der imd  gesind  fleissig  abzuwamen  erinnern  mit  diesem 
austrucklichem  befehl,  wo  solche  ungerathene  kinder  oder 
gesind  betretten  und  in  . . .  diebstählen  ergriffen  werden, 
selbe  mit  dem  thum  imd  narrenhäussle,  mit  brod  und 
wasser  gespeist,  gestraft,  auch  die  eitern,  wann  heraus- 
kommt, dass  solches  mit  deren  anleitung  und  ver- 
will igung  geschehen,  ein  weg  alss  den  andern  in  vor- 
bereite straf  gefallen  seyn  sollen,"  Schon  vor  dieser  Fest- 
sietzxmg  ordnete  die  katzenelnbogener  Polizeiord- 
nung von  1597  *)  an,  daß  Dieinstboten,  die  auf  Geheiß  der 
Herrschaft  gestohlen  haben,  milde,  die  Herrn  in  erster 
Linie  gestraft  werden.  Nach  der  sdhaumburger  Poli- 
Äiiordnimg  von  1615  ^)  soll  das  Gesinde  mit  fünf  Pfennigen 
für  jedes  abgehauene  Stück  fruchtbares  Buchenreis  büßen. 


')  Wicht  I  24,  72.  -  •)  Wintt erlin,  Württemb.  Iflndliche 
Rechtsquellen  I  S.  485  ff.,  bes.  486.  Fast  wörtlich  wiederholt  in 
der  Dorfordnung  flSr  Lauterburg  von  etwa  1728  (ebenda  S.  587 ff, 
bes.  588).  -  •)  Ebenda  S.  468  ff.,  bes.  471  f.  -  *)  Univ.-Bibl.  Marburg. 
—  •)  Rottmann  S.  288  (Kap.  28). 


—    261     — 

Hat  es  der  Dienstherr  zu  dem  Diebstahl  angestiftet  (um 
Hob  für  Hopfejnstangen  tu.  bekommen),  dann  wird  statt 
des  Gesindes  der  Herr  mit  fünf  Thalem  für  jedes  Stück 
gestraft.     Abgesehen    von    solchen    ländlichen  Strafvor- 
schriften begegnet  die  herrschaftliche  Strafsatzung  noch 
in  einigen  religiösen  Geboten.  In  der  trierischen  Ord- 
nung wegen  der  Sendfragen  von  1599  ^)  wird  bestimmt : 
„Sollen  diejenigen  so  auf  verbottenen  Tagen  vor  sich,  ihr 
Gesind  oder   Fremde  Fleisch  speisen  werden,    12  Alb. 
(geben)  et  Superioribus  denuntietur.**  *)  In  ganz  ähnlicher 
Weise,    fast    mit    wörtlicher  Übereinstimmtmg,    bestand 
solche  Satzimg  in  gräflich  adelmannschen  Orten  Hohen- 
stadt  ti.  a.  in  Schwaben  nach  Ordnxmg  von  etwa  1700'). 
Weitergehend  ließen  verschiedene  Rechte  den  Herren 
haften,  schon  wenn  er  um  die  Tat  wußte  —  bloß  dieser 
Wissenschaft  und  seiner  Herrenstellung  wegen.  Die  Poli- 
zeiordnung für  die  Stadt  Münster  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jhdts.  *)  enthält  zum  Schlüsse  unter  Nr.  9  und  10 
einige  Bestimtnlmgen  über  die,  welche  sich  ehehafter  Ge- 
brechen usw.  halber  die  „Bürgerschaft  nicht  gewinnen" 
können.    Sie  sollen  dem  Rat  gleichwohl  ganz  wie  die 
Bürger  „mit  Hidden  und  Aeydtspflichten**  verbunden  sein. 
Bei  Ungehorsam  hiergegen  werden  sie  ausgewiesen ;  sind 
e  jedoch  Dienstleute,  dann  sollen  sie  nicht  die  Strafe  er- 
fahren: „dan  ein  jeder  i Herrschafft  oder  jHausswirth  solle 
Uns  in  diesem  Fall  wegen  seines  Dienst volcks  und  Ge- 
sindes derselben  Treu  halben  zu  antworten  (s  o  viel  ihnen 
davon  kendtlich  bewußt)   schuldig  seyn**.    Nach 


*)  Scott! ,  Trier  S.  1541.  —  «)  „Unter  Selbsthaftung"  sollen  die 
Hausväter  ihre  Kinder  zur  Christenlehre  schicken,  wurde  1779  in 
Trier  angeordnet  (Scott i  S.  1810);  auch  hierin  darf  man  wohl  die 
Festsetzung  der  herrschaftlichen  Haftung  für  die  vom  Gesinde  ver- 
wirkte Strafe  des  Ausbleibens  sehen.  —  •)  Wintterlin,  Württemb. 
ländliche  Rechtsquellen  I  S.  442  ff.,  bes.  444.  —  *)  Sammlung  f.  Münster 
1  S.  147;  Schlüter,  Provinzialrecht  I  S.  117. 


—    262     - 

hessischem  Rechte  durften  die  Hirten  nicht  in  Gärten 
hüten,  vor  allem  auch  nicht  die  Zäime  und  Hecken  zer- 
trü;m!m|e|m,  um  mit  der  Herde  in  die  Gärten  hineinzu- 
kommeln  (Edikte  vom  12.  Mai  1629,  9.  Oktober  1647, 
21.  April  1654,  16.  August  1688,  24.  April  1702 1)).  Die 
Hirten  wurden  dafür  gestraft.  Ebenso  die  Eigentümer, 
aber  mit  dem  Unterschiede,  daß  1629  der  Herr  ohne 
Rücksicht  auf  Wissien  oder  Nichtwissen  mit  Strafe  beleget 
wurde,  während  die  übrigen  Edikte  die  Klausel  enthalten : 
„wofern  derselbe  Wissenschafft  danmub  gehabt".  Ähn- 
licheis wollte  wohl  die  hessische  Judenordmmg  von  1749  *) 
statuielren ;  für  die  Zivilschulden  seiner  Leute  haftet  der 
jüdische  Gesindeherr,  „was  aber  die  Delikte  e.  g.  stehlen 
und  dergleichen  betrif t,  wann  der  Hausvatter  kein^i  Theil 
daran  hat,  ihm  dissfalls  auch  nichts  beygemessen  werden 
soll".  Eine  isenburg-birsteiner  Verordnung  vom 
28.  Februar  1791  *)  wählte  ebenso  wie  die  vorgenannten 
Gesetze  die  Regeltuxg,  daß  der  Herr  haftet,  wenn  er  Feld- 
diebstähle seines  Gesindes  „gut  geheißen"  hat;  der  Herr 
soll  die  Strafe  des  Täters  bezahlen. 

Soweit  es  auf  diese  Kenntnis  des  Herrn  ankommt, 
wird  ihm  bisweilen  ausdrücklich  gestattet,  sich  durch  E  i  d 
oder  bloße  Versichenmg  von  seiner  Verantwortung  für 
dem  Knecht  zu  befreien  oder  doch  seine  Haftung  zu  min- 
diem.  Unter  den  vierzehn  friesischen  Landrechten 
aus  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhdts.*)  bestimtnt  das  zwölfte: 
„So  wat  ta;nt  Idolelt  .  .  .  ofte  knecht  .  .  .  ofte  man  un- 
vorwarendes  achter  rugghe  selven  doe,  ofte  he  by  syner 
witscap  swiedren  wil,  dat  it  eme  was  unwitliken  ende  un- 
wetene,  ende  nicht  myt  willen  is  ghedaen;  so  sal  men 
dat  boten  al  myt  halver  böte,  ende  nynen  vrede  den  luden 
noch  broke  den  richter".    Ähnlich   ist  die   Satzung  im 

»)  LO.  II  &  80,  136,  219,  HI  329,  481.  —  «)  Ebenda  IV  S.  1012. 
—  •)  Sammlung  des  Amtsgerichts  Langenselbold  Nr.  87.  —  *)  v.  R i  cht- 
hofen,  Rechtsquellen  S.  40  ff.,  bes.  60,  61. 


—     263    — 

10.  Landrechte  *),  besonders  deutlich  auch  im  d  r  e  n  t  h  e  r 
Landrechte  von  1412*),  wo  statt  des:  Eides  Beweis  mit 
zwölf  Magen  angeordnet  wird.  Ebenso  wie  die  älteren 
Friesenrechte  gestattet  das  ostfriesische  Landrecht 
von  1515*)  detoi  Herrn,  sich  mit  dem'  Wissenseide  frei 
zu  machein.  Eine  Bestimmung  aus  den  „Stadtrechten, 
welche  in  dem'  Königreich  B  ö  h  e  i  m  b  und  Marggraf thum 
Mähren  üblich"  Von  1579  sei  angereiht  *).  In  Kap.  XXVI 
heißt  es:  „Und  wann  Jemand  ein  frevel  wiederführet, 
oder  ein  Hochlnuth  von  dess  andern  Haussgesinde  oder 
Diener  vjerursacht  wird,  so  soll  dieser,  dem  etwas  zu  nahe 
gewesen,  Ihrem  Herrn  mit  aussgeschnittenen  Zettel,  oder 
durch  eine  mündliche  Bottschafft  befragen,  ob  dasi  mit 
semem  willen  oder  auff  seinem  befehlich  geschehen  ist, 
so  soll  man  detm  Herrn  danunb  fümehinien;  Sagt  er  aber, 
das  es  ohne  seinen  willen  geschehen  sey,  so  kan  man  sein 
Haussgesinde  danunb  hösichuldigen/*  Das  hadelner 
Landrecht  von  1583*)  gestattet  dem'  Dienstherm  „Ent- 
schuWigung**  mit  Unwissteinheit. 

Als  eine  den  Herrn  zur  Haftung  führende  Billigung 
der  Straftat  des  Gesindes  gilt  es  einigen  Rechten,  wenn 
das  Gesinde  nach  der  Tat  im  Hause  behalten, 
wird.  Dief  bei  Hertz*)  genannten  Quellen  geben  dem' 
Gedanken  in  mannigfachen  Formen  Ausdruck.  Das  gos- 
larer Recht  ^)  zieichnet  sich  dadurch  aus^,  daß  es  die 
Aushaltung  dies  Dienstes  bis  zum  Ablaufe  des  Vertrages 
gestattet,  trotÄiem'  das  Gesinde  vervestet  ist;  behält  der 
Herr  es  über  die  Zeit,  dann  muß  er  antworten. 

Weiter  haftete  der  Herr  für  Straftaten  des  Knechts 
^heschränkbar,  die  dieser  in  seiner  Begleitung  a;u^- 
geführt    hat.     Solche  Regelung  findet  sich  in    friesi- 


')  Ebenda  S.  68,  59.  —  «)  Ebenda  S.  527  (§  27).  -  •)  Wicht  I 
7^  —  *)  Habeische  Sammlung  (Götze  III  12).  -  *)  Pufendorf, 
Obs.  iur.  I  app.  S.  Iff.,  Teil  II  Tit.  XXI.  -  •)  S.  43.  -  ')  Göschen 
S.eO;  Hertz  S.  44. 


—    264    — 

sehen  Quellen^)  xind  im  regensburger  Rechte  von 
1331*):  „Swielich  khecht  auch  mit  seinen  Herren  firet> 
swaz  der  mit  im'  tuet,  . . .  daz  schol  der  here  puzzen,  ob 
daz  ist,  daz  dör  Herre  e  swert  ruchet  e  der  chnecht." 
Die  eben  genannte  schaum'burger  Polizeiordnung: 
von  1615  läßt  in  deim  angegebenen  Zusammenhang  den 
Herrn  jauch  dann  gestraft  weiden,  wenn  er  den  Taten 
des  Gesindes  „bey,  an  imd  über'*  ist. 

Die  Zeit  der  Polizeiordnungen  schuf  noch  weitere 
Gründö,  die  Dienstherren  allgemein  für  Delikte  des  Ge- 
sindes haften  zu  lassen.  Die  genannte  katzenelnbo- 
giemer  Polizeiordnung  von  1597  befiehlt  den  Herrn,  sich 
vor  der  Mietung  die  Zeugnisse  der  Dienstboten  vorleg'en 
zu  Lassen;  „zum  fall  sie  ein  solches  nit  thim,  und  hier- 
nechsten  sich  finden  würde,  daß  solche  jre  dienstbotten, 
emtweder  Imit  dieberey,  hurerey,  oder  andern  ohnthaten  be- 
fleckt, und  dergleichen  in  unserm  gebiet  zu  thim  ang^e- 
fangiein  hatten:  Sollen  herren  und  frawen  weniger  nicht, 
als  die  dienstbotten  selbsten,  hierumb  der  gebür  ange- 
sehen, und  zu  behörender  straf  gezogen  werden."  Da- 
mit die  rhein-  und  wildgräfliche  Landesordnung 
von  1754*)  besser  gekannt  imd  mehr  befolgt  werde,  ent- 
hielt sie  die  Bestimmung:  „Wie  denn  auch  alle  Eltern, 
Pflegvätter  und  Angesessene  ihren  Kindern,  Handwercks 
Gesellen,  Arbeits  Leuten  und  Dienstbotten  dasjenige,  w^as 
selbigen  zu  wissen  nötig  zu  ihrer  Nachachtung  sorgfältig 
einzuschärfen  und  so  gewis  darauf  zu  halten  haben,  als 
sonsten  sie  sielbsten  bey  vorfallenden  Vergehungen  vor 
Schaden  imd  Strafe  haften  sollen.** 

Unviermeidbare  Haftimg  wurde  des  öfteren  femer 
für  Einzeldelikte  festgesetzt,  ohne  daß  einer  jener 
Gesichtspunkte,  Auftrag,  Billigtmg  usw.  seitens  des  Herrn, 
für    die  Verantwortungspflicht  maßgebend  wäre.     Vor- 

»)  Hertz  S.  46.  —  ")  v.  Freyberg,  bist.  Schriften  u.  Urk.  V 
S.  109 ff.,  bes.  171.  -  •)  Walch,  Beytrflge  V  S.  212 ff.,  bes.  215. 


—    265    — 

oeiunlich   handelt  es  sich  dabei  um  Feld-  und  sonstige 
agrarische  Delikte.   In  einem;  Gemeindebrief  von  Ober- 
schneidheim im  östlichen  Schwaben  von  1568  ^}  findet 
sich  die  Bestimmtmg:  „Nach  deme  sich  bisshero  unssere 
weiber  und  töchter  auch  mägd  tmzimblicher  weiss  mit 
kom  abschneiden  auch  andern  fruchten  gehalten,  gebieten 
wir  einen  ieden  bei  vier  Böhmischen  solchess  grassen^ 
zu  vermeiden ;  alss  oft  er  oder  ein  haussgesinde  begriffen 
wird,  ist  for  die  ohne  gnad  verfallen".    Ähnlich  wurde 
1595  in   Lonsheim  bei   Kreuznach^)  die  Verrückung 
der  Malsteine  durch  Gesinde,  1680  in  Schlechtbach*) 
die  Beschädigung  der  Felder  durch  Fahren,  Weiden  u.  a., 
in  Neunheim  1724^)  das  Grasen  zu  v<erbotener  Zeit 
mit  Strafe  bedroht.  Nach  einem  hanauer  Ausschreiben 
vom  4.  Mai  1725^)  wurden  in  gleicher  Weise  die  Herr- 
schaften mit  der  öffentlichen  Rüge  belegt,  wenn  ihr  Vieh 
unter  dem  Gesinde  Schaden  getan  hat.  In  Trier  erging 
am  22.  Januar  1743  ein  Erlaß «),  der  feststellt,  daß  „grund- 
begierige Ackers-  und  Bauersi-Leuthe**  und  ihre  Eaiechte 
den  Nachbarn  Ackerfurchen  abackem.   Die  Täter  sollen 
gestraft  werden,  „diesenthalben  [soll]  auch  der  Herr,  aller 
Einwendungen  imgehindert,  jederzeit  angesehen  werden". 
Eine  Haftung  der  Pfarrer  für  die  von  ihrem  Gesinde  ver- 
wirkten Hutestrafen  ergibt  sich  aus  zwei  hessischen  Be- 
kanntmachtmgen  vom  16.  Januar  1787  und  6.  August 
1787');  der  geschädigte  Dienstherr  kann  sich  an  dem 
Lohne  des  Gesindes  erholen.  Als  ländhches  Sonderrecht 
ähnlicher   Art   erscheint  weiter  die  Vorschrift   des  vor- 
hin angeführten  Gemeindebriefes  für  Oberschneid- 


')  Wintterlin,  Württemb.  ländliche  Recbtsquellen  I  S.  117 ff., 
bes.  118.  —  >)  Grimm,  Weistümer  IH  S.  769.  —  •)  Wintterlin 
a.  SU  O.  S.  661  ff.,  bes.  668.  —  *)  Ebenda  S.  299.  -  »)  St.  A.  Marburg. 
Abschrift  in  den  Akten  der  hanauer  Regierung«  Rcp.  B.  Gef.  47—52. 
Ord.  Nr.  86.  Unten  wird  auf  dies  Ausschreiben  noch  weiter  einzu- 
gchen sein.  —  •)  Scott i,  Trier  S.  1086.  -  ')  LO.  Vü  S.U2,  184. 


-     266     - 

heim  von  1568^).  Das  Flachsdörren  darf  nicht  in  den 
Stuben  am  Ofen  gleischehen.  Handeln  Dienstboten  dem 
ehtgegen,  dann  wird  der  Herr  gestraft. 

Sonstiger  —  mit  dem  ländlichen  Wirtschaftsleben  nicht 
unmittelbar  zusammienhängender  —  Einzeldelikte  unter 
unabwemdbarer  Herrenstrafe  seien  folgende  genannt.  Ein 
göttinger  Statut  vün  1444 *)  trifft  folgende  Anordnung : 
W"elnn  bei  Geschrei  uiid  Sturmläuten  ein  Knecht  nicht 
„to  deir  jacht"  (d.  h.  Verfolgung  der  Feinde,  verfolgende 
Meinge)  komimt,  dann  sollen  sein  Herr  und  er  selber  je 
ein  Lot  „to  broke  ghevten" ;  ist  der  Knecht  der  Aufforde- 
rung dies  Herrn  nicht  gefolgt,  dann  wird  die  Strafe  vom 
Kniechte  allein  erhoben.  Nach  der  Ordnung  des  Echten 
Gedings  in  Celle*)  soll  jedamlann  seine  Kinder,  Schü- 
ler und  Geisinde  zu  ruhigem'  Betragen  in  Straße  unjd 
Kirche  ermahnen ;  „wessen  Kinder,  Schüler  oder  Gesinde 
darwieder  handeln  werden,  derselbe  [soll]  in  3fl.  Lübisch 
Straffe  verfallen  seyn,  und  die  Ihrigen,  so  darwieder  ge- 
handelt, [sollen]  andern  zum:  Exempel  mit  Gefängniss 
gestraffet  werden.**  Ein  anderes  „Straßendelikt**  fand  in 
Hessen  steine  Regelimg.  Am  31.  Mai  1706  erging  eine 
Verordnung  über  die  Straßenreinigung  in  C  a  s  s  e  1  *).  Da- 
nach haftet  der  Herr  mit  zwei  Gulden,  wenn  seine  Dienst- 
boten den  in  der  Ordnung  enthaltenen  Geboten  zuwider 
handeln.  In  zwei  fuldischen  Erlassen  kommt  die  herr- 
schaftliche Strafhaftung  zum  Ausdruck.  Die  Bettelord- 
nung vom'  7.  Jiuli  1725*)  verbietet,  den  Bettlern  an 
der  Haustür  etwas  zu  geben,  „wiedrigen  Falls  gegen 
die  Ubertrettere  und  vermlesisentliche  Verächtere  dieses 
Landes  Fürstlichen  Verbotts,  es  geschehe  auch  solches 
von  ihnen  selbsten,  öder  ihren  Angehörigen,  und  Dienst- 
Botten**  auf  10  GM.  Strafe  erkannt  wird.   Ebenso  ist  es 


*)  Oben  S.  266  Anm.  1.  -  •)  v.  d.  Ropp,  Göttinger  Statuten 
S.  168.  -  •)  Pufendorf,  obs.  iur.  I  app.  S.  229 ff.,  bes.  288.  - 
*)  LO.  III  S.  548.  —  »)  Samml.  d.  cass.  Reg.  DI  S.  981. 


—     267     — 

in  denn  Mandat  wider  das  Rauchen  vom  25.  Oktober 
1764^);  die  Hausväter  haften  für  die  von  ihren  Kindern 
und  Diexistboten  verwirkten  Strafen  und  erhalten  außer- 
dem „auch  die  ihrer  Seit  wohl  verdiente**  Strafe. 

Dieser  unumgän^hchen  Strafhaftung  des  Herrn  ge- 
genüber trat  schon  in  frühen  Zeiten  die  Beschränkiuig: 
der  herrschaftlichen  Verantwortung  auf  den  Betrag  des 
Lohnes.  So bestümmt  der  Sachsenspiegel')  den  rück- 
ständigen Lohn  als  Maß  der  Herrenhaftung:  „Nieman 
en  ist  vor  sinen  knecht  phlichtic  zu  antwurtene  vorbaz, 
wen  als  sin  Ion  gewieret,  her  en  werde  sin  bürge.**  Diese 
Lösung  findet  sich  ferner  in  friesischen  Quellen,  im 
Rechte  Goslars,  Gothas,  Hadelns  (1583)*);  im 
Schwabenspiegel,  in  Ruprechts  Landrechts- 
buch *).  Von  neuerem'  Rechte  bedarf  eine  Bestimmtung  des 
mühlhäuseir  Heimbuches  von  1736*)  näherer  Erläu- 
terung: „Welchen  Bürger,  Inwohner  imd  Landes-Unter- 
thanen,  die  Schützen  und  Knechte,  auf  Befehl  derer  Heiml- 
bürgen  fordern,  derselbe  soll  selbst  erscheinen,  und  nicht 
sein  Gesinde  schicken,  bey  Straffe  acht  guter  Groschen, 
masseii  ein  jeder  vor  sich  imd  sein  Gesinde  Rede  und 
Antwort  zu  geben  hat.  £s  wäre  dann,  dass  der  Dienst- 
bothe  keinen  Lohn  stehen  hätte^  und  solches  von  dem* 
Herrn  dem  Heimbürgen-Amte  angezeiget  würde,  welchen- 
fals  das  Amt  an  den  Freveler  allein  sich  halten  soll.** 
Die  Stelle  kann  nur  folgenden  Sinn  haben :  Gesinde  hat 
etwas  Strafbares  begangen.  Da  der  Herr  nicht  nur  für 
die  Strafe  einstehen,  sondern  auch  selber  für  das  Ge- 
sinde auftreten  mtiß,  so  werden  acht  Groschen  Strafe 
angedroht  für  den  Fall,  daß  der  Herr  doch  nicht  selber 


*)  Ebenda  Bd.  VI  ohne  Seitenzahl  -  «)  II  82.  —  •)  Pufendorf, 
Obs.  iur,  I  app.  S.  Iff.,  Tit.  XXL  —  *)  Maurer  S.  166  (Cap.186); 
die  flbrigen  Stellen  bei  Hertz  S.  44.  Vgl.  z.  B.  auch  Estors 
Teutsche  Rechtsgelahrtheit  II  §  4691«  ^  ')  Stftdt.  Bibliothek  Mflhl- 
hausen. 


—    268     - 

kommt.  Ddr  zweite  Satz  handelt  nicht  von  dieser  Ord- 
mmgsstrafe,  sondern  von  der  dem  Gesinde  für  das  Delikt 
'droheinde  Strafe.  Für  diese  also  haftet  der  Herr  nur  so- 
wieit,  als  noch  Lohn  rückständig  ist. 

Noch  weitere  Beziehimgen  hatte  die  Herrenhaftimg 
ziün  Lohnrechte,  Beziehimgen,  die  schon  deutlich  die  Ba- 
nalisierung des  alten  Mimtgedankens  verraten.   Cin  1655 
abgeschjossener  Vergleich  „zwischen  denen  im   flecken 
Trochtfelfingen  sesshaften  adelspersonen  und  denen 
gemeindsleuthen"  ^)  handelt  davon,  daß  die  Dienstboten 
der  Adeligen  für  ihre  Feldfrevel  von  ihren  Herren  zur 
Strafe  angehalten  werden  sollen;  der  Herr  hat  die  Ver- 
pflichtung,  „da  derselbe   (Dienstbote)  vor  erlegung  der 
straf  davon  gehlen  würdt,  an  seiner  statt  zuebezahlei^ 
derentwegen  ihme  der  edelmann  mit  zeitlicher  inn- 
haltung  seines  lohns  ihme  zu  yigilirn  wissen  würdt*'. 
Hier  tritt  ziun  ersten  Male  erkennbar  das  Prinzip  auf, 
daß  der  Herr  bloß  um  deswillen  haftet,  damit  der  Staat 
die  Geldstrafe  bekommt;  der  Fiskus  hält  sich  lieber  an 
den  kapitalkräftigen  und  ansässigen  Dienstherm  als  an 
dein  Dienstboten,  der  keine  .bleibende  Statt  imd  kein  greif- 
bares Vermögen  zur  Straf vollstreckimg  hat.  Ähnlich  findet 
sich  in  den  kurfürstlich  hannoverschen  Landgerichts- 
artifceln,  die  unter  Ernst  August  (1679 — 1698)  galten*), 
!die  Anordnung,  daß  ein  Dienstherr  den  Lohn  seines  Ge- 
sindes, das  „in  Unzucht  betreten"  wird,  nicht  auszahlen 
darf;  vielmehr  soll  der  Herr  von  dem  zurückgehaltenen 
Lohne  die  Strafe  erlegen.  Am  offenbarsten  tritt  jene  Miß- 
bildung der  Mimtidee  im  hessen-darmstädtischen 
Rechte  auf.   In  einem  Erlasse  vom  5.  März  1700*)  wird 
mitgeteilt,  daß  das  Gesinde  im  Sommer  allerhand  Feld- 
frevel und  sonstige  Exzesse  verübt ;  wenn  die  Deliquenten 

»)  Wintterlin,  Württemb.  ländliche  Rechtsquellen  I  S.  50 ff., 
bes.  51.  —  •)  Pufendorf,  obs.  iun  II  app.  S.  849 ff.,  bes.  356.  - 
*)  Haus-  und  Staatsarchiv  Darmstadt  Höpfnersche  Ediktensammlung- 


-     269     - 

später  bestraft  weriien  sollen,  sind  sie  nicht  mehr  zur 
Stelle  oder  haben  doch  keinen  rückständigen  Lohn  mehr 
zu  fordern,  der  sich  als  Strafe  pfänden  ließe.  Daher  wird 
bestimlmt:    Wjenn  hinfür  Feldschützen  Gesinde  treffen, 
das  im  Felde  Schaden  tut,  haben  sie  es  den  Beamten  an- 
zuzeigen. Dieise  sollen  sogleich  dem  Brodherm  anbefehlen, 
dem  Frevler  so  viel  oder  etwas  mehr  vom!  Lohn  einzu- 
halten, als  die  Beamten  meinen,  daß  an  Strafe  verwirkt 
ist.  Dem  Brotherrn  ist  anzukündigen,  daß  er  dafür  stehen 
und  zahlen  mtiß,  wenn  er  dem  Gesinde  soviel  Lohn  nicht 
zurückbehält,  Imd  wenn  infolge  davon  die  Strafe  nicht  er- 
langt we|r<den  kann.    Nachlässige   Beamte  haften  dafür 
ebenfalls.  Ganz  ähnlichen  Sinn  hat  ein  Bescheid  des  Land- 
grafen Ernst  Ludwig  für  den  breidenbacher  Grund  vom: 
20.  Oktober  1738^).    Genau  dieselbe  Regelimg  wie  1700 
in  Darmstadt  —  nur  imter  Weglassung  der  Beamtenhaft- 
pflicht —  geschah  1710  in  der  villinger  Dependenz  Bri- 
gachtal*).    In  der  hessischen  Feldrügordnung  von 
1826')  lautet  die  Vorschrift  übefr  die  Herrenhaftung  für 
Hirten:  „Für  die  einem'  Hirten  zur  Last  fallenden  Kosten 
und  Schadenserstattung  sollen  bei  deren  Unbeitreiblich- 
keit  die  Besitzer  des  Viehes,  welche  nicht  schon  als  Mit- 
schuldige des  etwa  mit  ihrem  Vorwissen  begangenen  Fre- 
vels solidarisch  verurteilt  worden  sind,  nach  Verhältnisi 
<ter  Anzahl   der  ihnen  .zugehörenden   Stücke  Vieh  mit- 
haften, vorbehaltlich  ihres  Regresses  an  dem  Hirten  mit- 
telst Abzuges  an  dessen  Lohne  oder  auf  sonst  statthafte 
Weise."   Der  weitere  Inhalt  dieser  Bestimmung  läßt  er- 
keamen,  daß  wohl  nicht  der  Muntgedanke  in  erster  Linie 
diese  Festsetzung  der  Herrenhaftung  veranlaßt  hat,  als 
vielmehr  die  Absicht,  dem  Geschädigten  die  Verfolgung 
seiner  Ansprüche  tunlichst  zu  erleichtern. 

')  St.  A.  Marburg.  Sanimelband  von  Verordnungen  u.  s.  w.  aus 
dem  Breidenbacher  Grund,  S.  879/80.  —  ")  Oberrhein.  Stadtrechte  II 
1  S.  120.  —  •)  Möller-Fuchs  S.  660ff.,  bes.  566, 


—    270     - 

Des  Herrn  Haftung  für  Strafe,  die  das  Gesinde  ver- 
wirkt hatte,  fand  einen  gewissen  Ausgleich  in  der  seltenen 
Bestimmung,  daß  eine  Buße,  die  der  Knecht  wegen 
einer  Körperverlet2ung  ta  fordern  hatte,  in  gleicher  Höhe 
auch  dem  Herrn  zufiel.    Der  Sachsenspiegel^), 
Schwabenspiegel*),    das  goslarer  Recht')    und 
'Ruprechts  Landrechtsbuch*)  bestimmen  in  ähnlicher 
Weise  (Ssp.):    „Swer  so  eines  miannes  knecht  slet  oder 
v»eht  oder  raubet  nicht  wen  durch  des  herren  schult,  nah 
iiefchte   sal   her  in  beiden  buze  gebn,   her   en   turre 
daz  iiffen  heiligen  geweren,  daz  erz  deme  herren  zu  lästere 
noch  zu  schaden  habe  getan ;  so  ist  her»  der  einen  buze 
ledic.**    Der  Sachsenspiegel  fügt  eine  rationalistische  Be- 
gründmxg  an:   „Zu  lästere  siege  ich  dar  umbe,  ab  her  in 
slet  diirch  des  herren  schult  und  nicht  durch  des  knechtes 
oider  durch  ir  .beider  schult.    Zu  schaden  sage   ich  dar 
utnbe,  ob  her  in  also  geslagen  hat,  daz  ein  herre  sines 
dmstes  an  ime  gehindert  ist;  daz  sal  her  deme  herren 
biezzern,  also  der   knecht   solde,  ab   her  uz  des    herren 
dinste  ane  recht  were  komen,  und  buze  in  beiden,  her 
en  neme  sich  des  lasters  und  des  schaden  ab  uffen  heiigen 
gein  des  mannfes  herren,  den  her  geslagen  oder  gevangen 
hat.**    Gleichwohl  muß  man  aimehmfen,  daß  die  Munt- 
schaft  des   Gesindeverhältnisses   mindestens  .in   gleicher 
Wiedse  Veranlassung  zu  jener  Bestimmung  gab  wie  die 
Erwägung,  daß  durch  die  Arbeitsunfähigkeit  des  Knechtes 
auch  der  Dienstherr  geschädigt  wird. 

Noch  freudiger  als  im  Strafrecht  mußte  eigentlich 
dter  Staat  die  günstige  Gelegenheit  ergreifen,  von  der 
zahlungsfähigem  Dienstherrschaft  die  dem  Gesinde  ob- 
liegenden öffentlichen  Abgaben  einzuziehen.  Aber 
—  von  deim  nachher  behandelten  Sonderrechte  des  Juden- 
schutzgeildes  abgesehen  —  lassen  sich  nur  wenige  Beispiele 

»)  II  34.  -  »)  Art.  179,    -   »)  Göschen  S.  46.    -   *)  Maurer 
3.  140. 


—     271     — 

dafür  aufwedsen,  daß  das  vom  Hausherrn  erlegte  Steuer- 
oder Gebührengekl  allgeinein  für  die  Hausgenossen  und 
so  auch  fürs  Geäinde  gilt,  oder  daß  der  Herr  geradezu  für 
die   dem    Gesinde    im    einzelnen    auferlegten    Abgaben 

haftet. 

Im  Gögenteil  setzt  zami  Beispiel  das  mo  r  i  n  g  e  r  Stadt- 
recht^)  fest,  daß  die  Bürger  die  sie  selber  angehenden 
Steuern  bezahlen  müssen,  „wor  ok  kyndere,  knechte  edder 
iri^ede  woren,  dede  gud  hedden,  dat  schuUen  se  dem 
rade  vorschoten  lik  anderen  unsen  borgern  und  borger- 
schejQ." 

Die  Erstreckung  der  hausherrlichen  Abgabenzahlung 
auf  seine  Familie  xmd  damit  auch  das  Gesinde  wird  in 
folgernden  Satzungen  angeordnet.  1337  erhielt  Diedrich 
von  Wielverlinge  vom  Rat  der  Stadt  Braunschweig 
die  Erlaubnis,  ein  Haus  ta  bauen  *).  „Van  deme  sulven 
hus  schal  he;  gbeven  alle  jar  deme 'Rade  to  der  sthottyd 
\w  schillingie  vor  sek  imde  vor  sin  ghesinde,  dhe  dar 
mne  wonet".  Daß  das  von  dem  Herrn  gezahlte  Wachtgeld 
für  die  Familie  vmd  das  Gesinde,  aber  für  keine  weiteren 
Hausbewohner  gelten  soll,  bestintote  ein  kölner  Statut 
von  1462  ^) :  „Want  sich  erfonden  hait  eyne  zejt  her,  dat 
man  mit  ddm'  gelde^  die  tymüneistere  lieveren,  nyet  en 
mach  zokomen,  den  nachtzwechteren  damyt  yren  gewoen- 
lichen  loyn  zo  ghöven,  so  haint  unse  heren  v.  r.  darup 
verdragen,  wae  in  eyme  hüyse  mte  dan  eyn  par  volcks  as 
man  ind  wyff  mit  yrem  gesijnde  woenent,  dat 
die  tyrmmeistere  aldair  van  yederem'  par  volcks,  manne 
md  wyff,  heysschen  ind  boeren  soilen  besonder  wachgelt, 
ind  yeder  par  volcks*  sali  dat  wachtgelt  sonder  indracht 
schuldich  sijn  zo  ghelven/* 


'}  Zeitschr.  f.  Rechtsgeschichte  VII  S.  290  fr.,  bes.  307.  — 
*)  Hänselmann.  Urkundenbuch  III  S.  386.  —  »)  Walther  Stein , 
Akten  II  S.  888. 


—    272    — 

Als  1544  in  Jülich  die  kaiserliche  Türkensteuer  rc 
partiert  werden  sollte,  entwarf  man  ein  Verzeichnis,  ii 
dem  es  heißt:  „Ein  ider  huisgeseess  sal  für  sich  und  sii 
huisgesint  gevien  und  sulchs  dem  huisgesint  an  sinec 
loen  afzehen/*  ^).  Aus  H  e  s  s  e  n  ist  gleichfalls  des  Türker 
steuerrechtes  zu  gedenken.  Anders  als  1544  in  Jülicl 
bestimmte  die  hessische  Türkensteuerordhung  von  1532  ^] 
daß  die  Dienstboten  selbständig  besteuert  werden  sollteii 
Die  Steuererhebung  freilich  geschah,  wie  das  im  Ori^rinal 
vorhandene  Türkensteuerverzeichnis  des  Amts  Ziegenhaü 
aus  1542*)  ergibt,  in  der  Weise,  daß  ru  dem  Werte  de 
steuerbaren  Vermögens  der  Dienstherrschaften  der  den 
Gesinde  gezahlte  Lohn  hinzugezählt  imd  die  gesiamt< 
Steuer  so  vom  Herrn  erhoben  wurde.  Weiter  muß  eii 
marburger  Konsistorialausschreiben  vom  8.  Mai  1769^ 
genannt  werden.  Es  schafft  den  beim  Abendmahl  in  pro 
testantischen  Kirchen  Von  der  Gemeinde  noch  entrichteten 
Beichtpfennig  ab,  weil  „allerhand  ärgerliche  Stellungen 
dabey  vorgingen",  ja  wohl  gar  böses  Geld  hingelegt  wurde 
Künftig  soll  jeder  Kominunikant  den  Predigern  einen 
Cass.  Albus  ziun  neuen  Jahr  geben  „imd  jeder  Hausvattei 
für  seine  übrige  Hausgenossen  stehen". 

Eine  mainzische  Notsteuerordnung  vom  20.  De- 
jsember  1701  *)  Verquickt  in  ganz  sonderbarer  Art  Haftung 
des  Herrn  für  eine  Subjektsteuer  der  Dienstboten  mit 
deren  Objektbesteuerung.  Die  Ordnung  setzt  fest,  wie 
die  Kopfsteuer  von  den  Geistlichen  im  Erzstift  zu  er- 
heben ist.  Zunächst  enthält  sie  eine  Übersicht  über  die 
vier  Klassen  der  Steuerträger,  von  den  Weihbischöfen 
bis  herab  zu  den  Organisten  und  Glöcknern.  Weiter  folgt 
der  Steuersatz  für  die  über  vierzehn  Jahre  alten  Kinder 
der  weltlichen  Bedienten.    Und  schließlich  kommen  die 

»)  V.  Below,  Landtagsakten  I  S.  647.  —  «)  LO.  II  S.  245.  - 
•)  St  A.  Marburg.  -  *)  LO.  VI  S.  541;  Büff,  Kirchenrecht  S.  868. 
^  *)  Habeische  Sammlung. 


—     273    — 

Hubriken:  „Dienstbotten**  (Knecht,  Junge,  Magd)  und 
,,Das  Viehe**;  von  jedem  Stück  Vieh  wird  genau  so  eine 
Abgabe  erhoben  wie  von  den  Dienstboten.  Soll  diese 
Steuer  der  Dienstboten  nim  eine  Subjektsteuer  sein,  für 
die  den  Behörden  die  Dienstherren  haften,  oder  gilt  das 
Gesinde  gleich  dem  besteuerten  Vieh  als  Objekt  etwa 
einer  Art  Luxussteuer  ?  Aus  Mainz  ist  noch  eine  Ver- 
einbarung der  Gemeinde  Kostheim  mit  dem  Kloster 
Altenmünster  zu.  Mainz  vom  11.  Oktober  1730  ^)  zu  nennen. 
Da  wird  angeordnet:  „Sollen  die  Färchen  (Fährmänner) 
von  einem  jeden  einzelnem  Inwohner  zu  Costheim  .  .  . 
mit  allem  seinem  Hausgesind  das  Jahr  diu-ch  den  Mayn 
über  tmd  herüberzufahren,  erheben  fünffzehn  Kreuzer." 

In  dem  Kopfschatzedikte  fürs  Fürstentum  Pader- 
born von  1788*)  heißt  es  imter  9:  „Jeder  Hausswirth 
ist  schuldig,  für  die  Seinige  xmd  sein  Gesinde,  wie  auch 
für  seine  Häuslinge  imd  deren  Hausgenossen  das  halbe 
Jahr  über^  in  welchen  der  Kopfschatz  beygefordert  wird, 
einzustehen,  und  für  selbige  das  Kopfgeld  zu  entrichten, 
jedoch  ist  ihme  auch  gestattet,  an  deren  Lohn  oder  son- 
stige Habseligkeit  sich  zu  erholen  \uid  schadloss  zu  halten.'* 

Schließlich  noch  einige  kurze  Feststellimgen  über  den 
Rechtszustand  im  Königreich  Westfalen,  der  be- 
sonders durchsichtig  ist.  Ein  Dekret  über  Personalbe- 
steuerung vom  27.  Oktober  1808*)  ordnete  an:  „L'impöt 
personnel  sera  assis  sur  les  familles;  le  chef  payera  potu* 
tous  ceux  qui  la  composent  ...";  aber:  „les  domestiquea 
de  tout  genre  ne  seront  pas  cens^s  faire  partie  de  la  fa- 
mille;  ils  seront  cotis^s  s^par^ment*'.  Dies  umständliche 
Verfahren  bei  der  DienstbotenbestJeuerung  behielt  man 
nicht  bei;  man  sah  ein,  daß  eine  Erhebimg  der  Steuer 


')  Nach  Aufzeichnungen  Bodmanns  über  das  Recht  der  Main- 
fahrt zu  Kostheim  (Habeische  Sammlung).  —  *)  Landesverordnungen 
Paderborn  IV  S.  381.  —  *)  Bulletin  des  lois  8.  Band  S.  666  £f.,  bes. 
668,  672. 

18 


—     274    — 

vom  Hausherrn  auch  für  die  Abgaben  seitens  des  Ge- 
sindes das  bequemste  sei.  So  bestimimte  deim  die  Per- 
spnalsteuerordnung  vom'  Dezember  1811  ^),  daß  die  Haus- 
hbrm  für  ihr  Gesinjde  die  Steuer  zahlen  sollen.  Reixi 
praktischie  Gesichtspirnkte  waren  für  diese  Änderung  be- 
stimmend ;  völlig  fem  liegt  der  Gedanke  einer  mimtschaf t- 
lichen  Stellvertretung*). 

Bei  der  Aufnahmie  von  Juden  in  den  landesherr- 
lichen oder  städtischen  Schutz  wurde  das  Schutzgeld 
wohl  sti^s  für  die  gan^  zuziehende  oder  neiubegründete 
Familie  erhoben^). 

Als  Beleg  sieien  einige  Notizen  aus  Mainz*)  geboten. 
1365  nahm  die  Stadt  gegen  80  Goldgulden  auf  „meister 
Jacob  den  judden,  raby  von  Northüsen,  Bolte  sin  hus- 
frauwe  imd  sin  zwene  sone  Kauffman  und  Liebman  und 
ire  hausfrauwen,  Meyem  sin  enkeln  und  ire  Kinder  .  .  . 
und  Gesinde  die  in  irem  brode  sint  und  keyn 
eygen  gut  nit  enhan".  In  ähnlicher  Weise  erfolgten 
Jude-nannahmen  seitens  des  Erzbischofs  zum  Beispiel  1463. 
Hier  gilt  das  Geld  aber  nur  für  einen  Knecht  imd  eine 
Magd  mit.  Der  hessische  Landgraf  Ludwig  I.  nahm 
1414  geigen  drei  rhein.  Gulden  einen  Meier  aus  Frank- 

^)  Moniteur  Westphalien  1811  S.  1225  ff.,  bes.  1226;  das  genaue 
Datum  der  Ordnung  ist  nicht  angegeben.  —  *)  Es  mag  in  diesem 
Zusammenhange  auf  die  —  freilich  anders  begründete  —  Anordnung 
des  neuen  deutschen  Reichsgesetzes  Ober  den  Versicherungsvertrag 
von  1908,  §  85,  verwiesen  werden,  wo  die  Rede  von  der  Erstreckung 
der  herrschafUichen  Feuerversicherung  auf  die  Sachen  des  haus- 
angehörigen  Dienstpersonals  ist  —  *)  Über  die  Judenabgaben  im 
allg.  vergleiche  L  Rösel,  Die  Reichssteuem  der  deutschen  Juden- 
gemeinden von  ihren  Anf)Uigen  bis  zur  Mitte  des  14.  Jhdts.  (Schriften 
der  Gesellschaft  zur  Förderung  der  Wissenschaft  des  Judentums), 
Berlin  1910.  Leider  ist  für  die  speziellen,  hier  und  an  anderen  Stellen 
dieser  Arbeit  behandelten  Fragen  des  Judensteuerrechts  bei  Rösel 
gar  kein  Material  zu  finden,  selbst  nicht  im  Kapitel  von  der  Auf- 
bringung der  Jahressteuer  (S.  89  ff«).  —  *)  AuszOge  aus  Materialsamm- 
lungen Bodmanns  über  das  Judenschutzrecht  (Habeische  Sammlung). 


—    275    — 

fürt  auf,  ihn,  seine  Frau  Sara,  sieine  Kinder  und  sein  Haus- 
gfesinde  ^). 

Auch  gieisetzlich  wird  der  Gedanke,  daß  das  Gesinde 
mit  in  die  durch  das  Schutzgeld  bezahlte  Aufnahme  ein- 
begriffen ist,  ausjgesprochen.  So  1684  in  Schaumburg- 
Lippe  in  einer  der  angeführten  hessischen  Regelung 
verwandten  Art ').  Das  vom  Judenvater  für  seine  Familie 
zu  erlegende  Schutzgeld  galt  auch  für  eine  Magd  mit; 
für  einen  Knecht  (mehrere  ru  halten  war  den  Juden  ver- 
boten) imd  für  zwei  tmd  mehr  Mägde  mußte  besonderes 
Schutzgeld  gegeben  werden*).  Vielleicht  lassen  auch  die 
Art.  11  imd  9  der  hessischen  Judenordnimgen  von 
1739  und  1749^)  den  Schluß  darauf  zu,  daß  das  vom 
jüdischen  Hausherrn  erlegte  Schutzgeld  für  das  Haus- 
gesmde  mit  galt.  Ein  Jenaer  Reskript  vom  12.  Dezem- 
ber 1783*)  schließlich  bestimmte,  daß  ein  Jude,  der  auf 
den  buttstedter  Markt  reist,  „nur  für  seine  Person  und 
für  <seiDe{n  Judenfcnecht  vom  Leibgleit  an  21  gr.  frey**  ist. 

In  einer  Fülle  von  Rechtssätzen  kommt  der  Gedanke 
dermuntschaftlidhenStellvertretungzum  Aus  - 
druck.  Die  zivilrechtliche  Haftung  des  Herrn  für  rechts- 
geschäftliches oder  einseitig  verpflichtendes  Handeln  des 
Knechts  wird  gesetzlich  ausgesprochen  oder  sie  wird  aus- 
drücklich ausgeschlossen,  woraus  man  auf  ein  früheres 
Leben  der  Idee  schließen  darf. 

In  kaum  wieder  anzutreffender  Verfolgung  des  Ge- 
dankens bis  zur  letzten  Möglichkeit  setzt  das  kleine 
Kaiserrecht®)  fest:  „Ein  iglich  knecht,  den  der  here 
gedinget  hat  zu  dienst,  im  hat  sin  gewalt  sins  gescheftes,  der 

*)  Salfeld,  Die  Judenpolitik  Philipps  des  Grossmfltigen,  in 
Philipp  d.  Gr.,  Beitrage  z.  Gesch.  s.  Lebens  u.  s.  Zeit,  hsg.  vom 
Hist.  Verein  f.  d.  Grossherzogtum  Hessen,  Marburg  1904  S.  519  ff.  — 
')  Landesverordnungen  Schaumb.  -  Lippe  II  S.  91.  —  •)  VgL  auch 
Scotti,  Trier  S.  260,  382  (aus  1518,  1568).  —  *)  LO.  IV  S.  689,  1018. 
-  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  V  S.  19.  —  •)  Endemann 
n  29;  oben  S.  16. 

18* 


-    276     - 

mag  im  sin  varndes  gut  veruzzern,  ab  er  wil  un- 
recht tun,  daz  ez  der  here  enbem  muz.  Er  mag  auch 
im  schulde  machen  zu  den,  die  im  borgen,  daz  er  sie 
gelten  muz  ..."^).  Die  beiden  hauptsächlichen  Möglich- 
keiten, wie  der  Knecht  den  Herrn  in  Schuld  und  Verlust 
bringen  kann,  sind  hier  genannt :  Veräußenmg  von  Eigen- 
tiun  des  Herrn,  Begründung  von  Schulden  durch  rechts- 
geschäftliches Handeln.  Im  Zusammienhang  mit  einigen 
weiteren  Fällen  sollen  diese  Arten  der  herrschaftlichen 
Haftung  für  Zivilverbindlichkeiten,  die  das  Gesinde  ein- 
gegangen hat,  im  folgenden  behandelt  werden,  imd  zwar 
in  dieser  Anordnung:  1.  Veräußerung  von  Eigentum  der 
Herrschaft,  2.  Verlust  oder  Beschädigimg  von  Sachen 
der  Herrschaft,  3.  von  der  Herrschaft  zu  vertretende 
Schädigungen  Dritter,  4.  Begründung  von  Schulden  durch 
Vertrag  zu  Lasten  der  Herrschaft. 

Die  Regelung  der  Frage,  ob  der  Dienstbote  Sachen 
seines  Herrn  ohne  dessen  Zustimmxmg  veräußern 
kann,  ist  schon  zur  Zeit  der  Rechtsbücher  durchaus  nicht 
miehr  überall  in  der  vom  Kaiserrechte  gewählten  weit- 
gehenden Art  geregelt  worden.  Überhaupt  herrschte  bei 
weitem  die  Auffassxmg,  daß  der  Gewalthaber  durch  Ver- 
pflichtungshandlungen seiner  Untergebenen,  der  Frau  und 
der  Kinder,  nicht  gebxmden  werde*).    Für  die  Stellung 

*)  Das  ganze  Kapitel  ist  oben  S.  16  mitgeteilt;  es  sei  hier  auf 
die  weiteren,  immer  wiederkehrenden  Ausftlhrungen  des  Gedankens 
in  diesem  einen  Kapitel  verwiesen.  —  •)  Zum  Beweise:  Schröder, 
Gesch.  d.  ehel.  Güterrechts  II  1  S.  109;  schleswiger  altes  Recht 
12.Jhdt.  §  89  (Thorsen,  d.  d.  jütischen  Low  verwandten  Stadtrechte 
S.  88  fr.),  Flensburg  er  Stadtrecht  1284  Nr.  88  (ebenda  S.  55  ff.); 
Stadtrecht  von  Augsburg,  Zusatz  zu  1276  Art.  48,  Nordhausen 
1808  (Förstemann  III  2  S.  29),  M 0hl hausen  14.  Jhdt  (Lambert 
S.  146),  Manchen,  Zusatz  zu  1847  (Auer  S.  279),  Traunstein 
1875  (Westenrieder,  Glossar.  IS  XXXI),  Überlingen  1566  (Mosers 
Reichsstfltt.  Handbuch  II  S.  798),  Bielefeld  1578  (Wigand,  Provin- 
zialrechte  II  S.  40),  Frank  f  u  rt  1617  (Moser  a.  a.  O.  I  S.  585),  Trier 
1618,  1725  (Scott!  S.  591,  881),  Rem  da  1685  (Joh.  Schmidt,  Gesetze 
.  Weimar  VUI  S.  80). 


—    277     — 

des  Herrn  gegenüber  Rechtsgeschäften  des  Gesindes  ist 
die  folgrende  Stelle  des  Sachsenspiegels^)  maßge- 
bead:    „Vortoppelt  (=  verspielt)  ein  knecht  sines  herren 
gut  oder  verseczet  erz  oder  verkouft  erz,  der  herre  maö 
ez  wol  vorderen  mit  rechte,  deste  her  sich  dar  zu  zihe, 
als  recht  ist.*'*)   Fast  alle  Rechtsbücher  und  Stadtrechte 
Nord-  und  Süddeutschlands  übernahmen  diese  Regelung  ^) 
lind  erkannten  damit  an,  daß  das  Gesinde  mangels  Be- 
sitzes auch  keinen  geschützten  Besitz  übertragen  kann*). 
Einige,  vornehmlich  süddeutsche  Quellen,  legen  dem 
Diensther m  erst  noch  den  Beweis  (gewöhnlich  durch  Eid) 
über  sein  Eigentum  auf.   Das  augsburger  Recht  von 
1276  *)  verlangt  von  der  Herrschaft,  sie  solle  „bereden  . . . 
daz  ez  ir  gut  si".    In  einem  Zusätze  zum  Stadtrecht  *J 
heißt  es  dann:   „Sprichet  aber  iener,  dem  ez  da  gesetzet 
ist,  daz  er  des  nicht  gelouben  welle,  daz  ez  sin  gut  si, 
so  sols  in  der  herre  bewisen  mit  seinem  eide:  und  als 
€z  danne  an  den  eit  gat,  so  mag  der  man  einen  siner  ehalten 
wol  da  hin  stellen  mit  rehte,  der  den  eit  für  in  tu,  wände 
ez  im  baz  chunt  ist  danne  sime  herren.    Und  als  daz 
geschiht,  so  sol  manz  im  wider  geben  an  allen  schaden." 
Nach  Kaiser  Ludwigs  Rechtsbuch')  und  dem  f  rei- 
singer  Stadtrecht«)  soll  der  Dienstherr  sein  Gut  wieder 
bekommen,  „ob  er  swert,  daz  ez  sein  guot  ist".  Aus  Nord- 
deutschland ist  das  nordhauser  Recht  von  1308®)  an- 
zuführen:   „Vorspelt  eines  mannes  .  .  .  knecht  .  .  .  sines 
herren  .  .  .  dinges  icht,  daz  sal  iene,  des  is  ist,  uszy  uf 
yen  heligin,  abhe  wil,  ab  hez  ieme  nicht  gelegin  het 

*)  III  6.  —  *)  Eis  folgt  die  Bestimmung,  dass  der  Knecht  seine 
eigenen  Sachen  verftussem  darf,  ohne  da-s  ein  Recht  des  Herrn  ent- 
gegensteht; weitere  Quellen  Hertz  S.  62.  —  »)  Hertz  S.  62.  — 
)  Hierauf  beruht  wohl  auch  das  Sprichwort  „Lieber  vom  Herrn  ge- 
kauft als  vom  Knechte";  Simrock,  Sprichwörter  S.  248.  —  *)  Meyer 
Art  106.  188. -•)  Ebenda  S.  220.  — ')  v.  Frey  berg,  bist. Schriften 
«•  Urk.  IV  S.  883fr.,  bes.  478.  -  \  Ebenda  V  S.  219  -  •)  Forste- 
mann,  Neue  Mitteilungen  IH  2  S.  Iff,  bes.  29. 


—     278    — 

unde  sal  daz  sine  mit  sechs  phenningen  lose,  Loukeat 
aber  iene  des  phiandes,  di  eod  inne  het,  90  git  hi  zen 
Schillinge  demie  rate."  Diese  Stelle  gesi6attet  femer  dem 
Herrn  die  Zurückforderung  nur  gegen  Erlegung  eines 
gjeringen  Lösegeldes^). 

Einen  besonderen  Fall  der  Verfügung  des  Knechts 
über  Vermögensstücke  des  Herrn,  nämlich  über  einkas- 
sierte Forderungen,  regelt  Ruprechts  Stadtrechts- 
buch'): „Ist  das  ein  herr  seinen  knecht  aussenndt  nach 
gellt,  das  nUan  jm'  .gelltnn  sol,  unnd  der  gellter  geit  dem 
knecht  das  guet,  unnd  der  knecht  kümpt  zue  seinem 
herm  imd  spricht,  es  sey  jm  nicht  wordenn,  unnd  be- 
hallt das  guet,  imd  stet  abx>  untz  das  der  herr  seinem 
gielter  selbs  anvodert,  imnd  der  spricht,  er  hab  jm  es 
giesanndt  bey  seinem  knecht.  Wir  sprechen  alzo.  Er  sol 
den  chnecht  das  guet  anvodemn  imd  nicht  den  gellter/* 
Also  durch  Leisttmg  an  den  beauftragten  Knecht  wird 
der  „gelter**  frei;  der  Streit  spielt  sich  zwischen  Herm 
und  Knjeicht  ab. 

In  der  späteren  Zeit  blieb  das  Recht  bestehen,  daß 
der  Dienstherr  an  Verfügungen  von  Dienstboten  über  sein 
Vermögen  nicht  gebunden  ist.  Durch  Strafvorschriften 
widär  ungetreue  Dienstboten«)  imd  Leute,  die  Dienst- 
boten offensichtlich  veruntreute  Sachen  abkaufen  oder 
zum  Pfände!  abnehmen,  sollte  dem'  Rechtsgebilde  zur 
Wirksamkeit  verholfen  werden. 

Vereinzelt  komimen  derartige  Sichienmgsvorschriften 
schon  im  14.  Jhdt.  vor.  Die  Stadtordnung  für  T raun- 
st ein  von  1375*)  bestimmt:  „Wer  icht  chauft  von  der 
burger  chinid,  oder  ir  diener,  iVon  chnecht  oder  Diem 
heimlich  chawf,  wo  mlan  dez  irm  würt,  der  shol  dem 
Richter  bc,  der  Stat  Ix,  dem  sherigen  IUI.**   Zwei  Mark 

')  Hierzu  Hertz  S.  62,  58.  —  ")  Maurer,  S.  829ff;  (II  79, 
90).  —  •)  Ober  Gesindestrafrecht  unten  §  7.  —  *)  Westenried  er, 
Glossorium  Germ.Lat.  I  S.  XXm ff.,  bes,  XXXI. 


—    279    — 

ist  die  Hehlerstrafe,  die  in  kern  da  wohl  im  14.  Jhdt. 
festgesetzt  wurde  ^);  „hetten  Sie  des  ^ths  nicht,  So  sol 
man  ihn  dass  abnehmen.  An  den^  Leibe,  Und  darfür  sol 
niemoiKl  bitten". 

Die  bielefelder  Bürgersprache  von  1578*)  be- 
gnüirte  sich  mit  dem  Verbote,  Hausangehörigen,  darunter 
auch  Dienstboten,  ohne  Wissen  des  Hausherrn  Pfand- 
stücke abzunehmen ;  das  Pfand  muß  wieder  herausgegeben 
werden.  Einen  Gulden  betrug  die  Strafe  desjenigen,  der 
Herrengut  von  Hausangehörigen  ohne  Wissen  des  Haus- 
herrn kaufte,  nach  einem  Weistiune  des  Fleckens  Lan- 
genlonsheim  (zwischen  Kreuznach  \md  Bingen)*). 
Die  Gerichts-  und  Polizeiordnung  für  Wissgoldingen 
in  Schwaben*)  setzte  kategorisch  fest:  „Welcher  oder 
welche  ehehalten  oder  kindiem  wasi  abkaufen,  sind  1  fl.  z\ir 
straff  verfallen**.  Insblesondere  den  Goldschmieden  unld 
den  Juden  wurde  ein  solches  unredliches  Verhalten  Unter 
Strafen  verboten,  so  in  Fulda  mit  den  Judenordnungent 
von  1615,  1633*),  1751«),  Schaumburg  durch  die  Poli- 
zeiordnung von  1615 ^),  F ran kfurt  1617 «),  Kö In  1700 »), 
Lauenburg  1709  und  1735 1<>),  Trier  1723"),  Mainz 
1749"),  Isenburg  1760"),  Nassau  1770^*),  Sayn- 
Wittgenstein  1776"),  Weimar  1777"). 


')  Wa  Ich,  Bcytrage  VIII  &  286 ;  wiederholt  1686:  Joh.  Schmidt, 
Ges.  f.  d.  Forst  Weimar  VIII  S.  27  ff.,  bes.  80.  Die  frankenhauser 
Statuten  von  1568  IV  88  (Walchs  Beyträge  I  S.  848)  scheinen  dem  un- 
treuen Gesinde  mit  Strafe  zu  drohen. --■)Wigand,  Provinzialrechte 
des  Fürstenth.  Minden  II  S.  40.  —  »)  Grimm,  WeistOmer  II  S.  16801, 
bes.  166.  —  *)Wi n  1 1  e  rl  i  n  »Württemb.  landliche  Rechtsquellen  I S.  798 ff., 
^  866.  —  »)  Sammlung  der  cass.  Reg.  I  S.  688, 699.  —  •)  St.  A.  Marburg. 
- ')  Rottmann  S.  898  (Kap.  62).  —  •)  Moser.  Reichstatt.  Handbuch  I 
S.675ff:,bcs.686,  —  •)Scotti,  Kölnll  S.667.  -  '•)  Spangenberg, 
Verord.f.HannoverIV2S.864,609.— ")Scotti,TrierS.881.— ")Kers- 
^ing.  Sonderrechte  Sp.  1067.  —  »•)  Ebenda  Sp.  988.  —  »•)  Corp.  Const. 
Nass.  VI  S.  59.  —  >»)  Polizeiordnung.  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  >•)  Joh. 
Schmidt,  Ges.  f.  Weimar  IV  S.  168. 


—    280    — 

Anders  als  bei  der  unredlichen  Verschleppungr  von 
Eigentum  der  Herrschaft  lassen  mehrere  Rechte  einen 
unbeabsichtigten  Verlust  oder  eine  solche  Beschä- 
digung eines  herrschaftlichen  Vermögensstückes  durch 
das  Gesinde  zum  Nachteile  des  Dienstherm  ausschlagen. 

Der  Sachsenspiegel  fährt  an  der  angeführten 
Stelle^)  fort:  „Wirt  aber  ime  sin  phert  oder  ander  sin 
gut  dubliche  oder  roubliche  genomen  in  des  herren  dinste, 
ane  des  knechtes  schult,  daz  muz  ime  der  herre  gelden." 
Kaiser  Ludwigs  Rechtsbuch  von  1346*)  führt  den 
Unterschied  durch,  ob  der  Knecht  in  des  Herren  Dienste 
oder  zu  seinem  eigenen  Vorteil  die  Arbeit  verrichtete, 
bei  der  ihm  ein  Verlust  zustieß.  Wenn  dem  Knecht  sein 
eigenes  Gewand  oder  Pferd  im  Dienste  des  Herren  weg- 
genommen wird,  dann  muß  ihm  der  Herr  Ersatz  leisten. 
Dagegen  braucht  der  Herr  nichts  zu  geben,  wenn  der 
Knecht  mit  eigener  Habe  und  mit  solcher  des  Herrn  für 
diesen  über  Land  fährt,  und  Sachen  beiderlei  Art  ihm 
genommen  werden ;  hier  verliert  der  Knecht  seine  eigenen 
Sachen  und  zugleich  zu  schaden  des  Herrn  dessen  Eigen- 
tum ').  Wenn  der  Knecht  ohne  Erlaubnis  des  Herrn  dessen 
Pferd  zu  eigener  Verwendung  ausreitet  und  das  Tier  ein- 
büßt, dann  gilt  der  Schaden  nicht  wider  den  Herrn;  der 
Knecht  haftet*).  In  weiterer  Ausgestaltung  gibt  das  f  rei- 
sin g  e  r  Recht  in  der  Fassung  von  1359  *)  diese  Sätze 
wieder.  Sodann  ist  noch  ein  Vertrag  zwischen  dörn- 
bergschen  Familiengliedem  vom  19.  Augrust  1536^) 
anzuführen,  worin  es  heißt :  „Worde  aber  ein  teil  in  sienen 
eigen  ader  frembden  Sachen  einen  ader  meher  gemein 
knecht  bruchen  ader  vorschicken  und  alsdan  der  ader 
dieselbigen  knechte  in  solchem  rithen  ader  dienst  an  iren 


»)  III  6.  —  «)  v.  Freyberg,  bist.  Schriften  u.  Urk.  IV  8.888 ff., 
bes.  426,  478.  —  •)  Art.  98.  —  *)  Art.  276.  —  »)  v.  Freyberg  a.a.O. 
V  S.  162  ff.,  bes.  184,  220.  —  •)  St  A.  Marburg.  Depositum  der 
Freiherren  von  DOmberg. 


-     281     - 

pferden  schaden  nemen  ader  vorderben  worden,  so  selten 
dieselbigen  pferdtsschaden  von  denihenigen,  in  des  bevele 
und  geheis  sie  geritten  weren,  one  des  andern  zuthun 
bezalt  und  entricht  werden."  Daß  jeder  Vertragsteil  eines 
Leihvertrages  für  die  Beschädigung,  die  der  Leihgegen- 
stand durch  sein  Gesinde  erleidet,  die  Schuld  gegenüber 
dem  andern  zu  tragen  hat,  bestimmt  auch  das  s  o  1  m  s  e  r 
Landrecht  1571  ^) ;  da  über  den  Rückgriff  auf  das  lässige 
Gesinde  nichts  weiter  im  Gesetze  bestinmit  ist,  muß  diö 
Regel,  daß  der  Dienstherr  den  Schaden  trägt,  auch  im' 
Verhältnis  zwischen  Herrn  imd  Gesinde  gelten. 

Über  SchädigungdritterPersonen  durch  Ge- 
sinde zu  lasten  seiner  Herrschaft  ist  bereits  oben  im  Ab- 
schnitte von  der  strafrechtlichen  Verantwortimg  des  Herrn 
gehandelt  worden ;  die  Bußleistungen  enthalten  Strafe  und 
Ersatz  in  sich.  Die  im  folgenden  angeführten  Rechts- 
satze regeln  keine  mit  Strafen  verfolgten  Delikte,  sondern 
behandeln  straflose  Schädigungen  anderer  Personen,  für 
welche  die  Ersatzleistung  geregelt  wird. 

Das  westerwolder  Landrecht*)  ordnet  folgenden 
Rechtsfall:  „Of  ene  hadde  een  denstknecht,  den  hy  be- 
vole  syn  buerschap,  die  salmen  anders  geen  warck  be- 
velen;  bevelmen  hem  wark,  dat  hy  bewysen  konde,  wat 
schade  daer  over  geschege,  solde  die  here  des  huses 
voer  staen."  Wenn  also  der  Herr  dem  Knecht  ein  Werk 
anbefiehlt,  das  über  die  buerschap  hinausgeht,  dann  soll 
der  Herr  den  schaden  vertreten,  der  dadurch  entsteht. 
Eine  andere  Art  genereller  Haf  txmg  des  Herrn  setzen  die 
goslarer  Statuten  fest'):  „Welk  unse  borghere  ridet 
in  örloghe,  de  schal  wif  unde  kindere  unde  ghesinde  sich 
volghen  laten  ut  unser  stad  gherichte.    Ne  dede  he  des 


')  II  8.  —  •)  v.  Rieht hofen,  Fries.  Rcchtsquellen  S.  258 ff., 
^.270.  buerschap  =  Amt  eines  Bauernleisters?  vgl  Schiller- 
LObben  I  S.  457.  -»)  Göschen  S.lOl.  orloge  =  Krieg,  Schiller- 
Lübben  III  S.  285. 


-     282     - 

nicht,  nimt  dar  umiDie  ienich  unser  borghere  schaden, 
denle  !5chial  be  irleghen  unde  de  sin  mf  tmde  kindere  unde 
ghesinde  heghet  unde  halt.**  Das  freisinger  Recht  von 
1359^)  läßt  den  Müller,  nicht  den  Knecht,  für  alles  Gut 
antworten,  das  in  die  Mühle  kommt,  „unc2  daz  er  ez  dem 
mann  wider  haim  chumlpt  ze  haus  und  ze  hoff**.  In  den 
hessischen  herrschaftlichen  Mühlen  bestand  dagegren 
eine  Haftung  des  einzelnen  schuldigen  MüUerfcnechtes  *). 
Die  eisenacher  Statuten  von  1670 •)  setzen  ausdrück- 
lich die  Lohnhöhe  alsi  Grente  herrschaftlicher  Schadens- 
haftung fest:  „Wird  Jemand  von  wegen  seines  Knechts 
oder  Magd,  die  einem  Andern  Schaden  gethan,  beklagt, 
so  ist  der  Herr  weiter  vor  den  Knecht  oder  Magd  zu 
haften  oder  tu  bezahlen  nit  schuldig,  als  sich  sein  Lohn 
erstrecket,  oder  soviel  daran  noch  hinterständig  ver- 
bUeben.** 

Aus  später  Zeit  sei  außer  Art.  1384  des  Code  civil, 
der  den  Hausherrn  für  den  vom  Gesinde  in  Ausführung 
obliegiender  Geschäfte  angerichteten  Schaden  haften  läßt, 
ein  isen burgisches  Ausschreiben  vom'  20.  April 
1804  *)  angeführt,  das  den  Pächtern  Mietimg  nur  gut  be- 
leumtmdieten  Gesindes  aufgibt.  Entgegenhandelnde  Dienst- 
herren müssen  den  durch  solches  Gesinde  in  Waldungen 
angerichteten  Diebstahlsschaden  ersetzen;  entsteht  ihnen 
selber  ein  derartiger  Schaden,  dann  sind  sie  „in  subsidium 
für  alle  desfalls  entstehende  .Untersuchungskosten  tenent.** 

Ein  mit  großer  Ausführlichkeit  und  Regelmäßigkeit 
imtner  wieder  behandelter  Fall  der  Herrenhaftung  ist  der 
Tier  schaden,  der  unter  Aufsicht  des  Gesindes  ent- 
steht. Von  der  altdeutschen,  ursprünglich  aus  der  Mimt 
des  Eigentümers  über  das  Vieh  hergeleiteten   Haftung 


')  V.  Freyberg  a,  a»  O.  V  S.  286.  -  *)  Mühlordnung  1616  VI 
(LO  1  S.  582).  —  »)  Strenge-Devrient,  Stadtrecbte  S,  120 flf.,  bcs» 
168.  —  *)  Sammlung  des  Amtsgerichts  Langenselbold. 


—    283    — 

des  Herrn  für  den  Tierschaden ^)  gibt  der  Sachsen- 
spiegel zwar  in  den  Anfangssätzen  von  II  40  noch 
Kunde.  Aber  die  weiter  festgesetzte  primäre  Haftung  des 
Gesindes  für  das  in  seinier  Hut  befindliche  Vieh  enthält 
nichts  nüehr  von  der  schlechthinnigen  Vertretungsmacht 
des  Herrn,  bloß  wteil  es  sein  Vieh  ist.  Solche  Haftung 
scheint  dem  Rechtsbewußtsein  schon  ru  widersprechen, 
wenigstens  so  lange  im  hütenden  Gesinde  dem  Geschä- 
digten die  unmittelbar  beteiligte  Person  zur  Verfügung 
steht.  Anders  wenn  das  Gesinde  flüchtig  wird.  Der  Sach- 
senspiegel fährt  fort :  „Wirt  aber  her  abrinnic,  und  werden 
des  mannes  pherde  oder  ochsen  und  wagen  bestetiget  in 
der  hanthaften  tat,  und  mac  man  daz  gezugen,  der  man 
muz  bezzem,  des  daz  vihe  und  der  wagen  ist,  ab  erz  nicht 
enreden  en  fcan,  ab  veme  als  sin  wagen  imd  sine  pherde 
oder  ander  sin  vihe  wert  ist,  daz  dar  uf  gehalden  ist, 
oder  her  muz  es  entberen,  imd  so  behelt  ez  jene  vor  sinen 
schaden.**  Die  Grundsätze  des  Sachsenspiegels,  Haftung 
des  Herrn  für  die  schädigenden  Tiere  oder  Ersatz  ihres 
Wertes  bei  Flucht  des  Gesindes  zusanmien  mit  hanthafter 
Tat,  finden  sich  in  den  meisten  der  bedeutenderen  mittel- 
alterlichen Quellen,  sei  es  direkt  übernommen  oder  mehr 
oder  minder  abgewandelt  ^). 

Eine  direkte  Haftung  des  Tiereigentümers  und 
Diensthlerm  ohne  weitere  Beschränkung  begegnet  dem- 
gegenüber selten.  Das  Stadttecht  von  Moringen')  ge- 
stattet dem  Geschädigten,  sich  am  Pferdehalter  zu  er- 
holen; dieser  mag  gegen  dien  schuldigen  Knecht  vor- 
gehen. In  einem  Gereidenspruch  von  vier  Dörfern  an  der 
Hardt  aus  dem'  Jahre  1577*)  heißt  es,  daß  man  „dem 


*)  Isay,  Die  Verantwortlichkeit  des  Eigentamers  itr  seine  Tiere, 
in  Jahrb.  f.  Dogm.  89  S,  209  ff.,  bes.  288,  288  ff.  -  »)  Auf  die  voll- 
sündige  Übersicht  bei  Hertz  S.  48 ff.  sei  verwiesen.  —  »)  I  §  82. 
Zcitschr.  f.  Rechtsgeschichte  VH  S.  290 ff.,  bes.  297.  -  *)  Grimm, 
Weistümer  VI  S.  416  ff.,  bes.  418. 


—     284    — 

geschirr  nachgehet**^).  Weiter  gehören  die  Statuten  der 
schwarzburgischen  Stadt  Teichel  von  1596')  hierher. 
Aus  neuerer  Zeit  sei  ein  hanauer  Regierungsausschrei- 
ben vom  4.  Mai  1725')  genannt,  „wie  es  mit  Bestraffung 
der  geistüchen  Gesind t  bey  den  Bussätzen  gehalten  wer 
den  soll".  Bisher  wurden  die  Pfarrer  inmier  mit  dei 
öffentlichen  Rüge  belegt  wie  andere  Leute,  wenn 
durch  Unachtsamkeit  des  Gesindes  von  ihrem  Vieh  Scha- 
den angerichtet  wurde.  Da  „solches  aber  dem  Ministerio 
fast  despectirlich  und  nachtheilig  seyn  will**,  so  soll  der 
Flurschütz  künftig  es  dem  Ortsschultheißen  melden,  wenn 
durch  ein  Pfarrgesinde  Schaden  angerichtet  ist,  und  der 
Schultheiß  soll  zum  Pfarrer  gehen  und  die  Schadens 
summe  einholen.  Der  Pfarrer  darf  sich  dann  am  Ge- 
sinde schadlos  halten,  wenn  dies  die  Schuld  hat. 

Mit  Dritten  konnte  das  Gesinde  weiter  auch  durch 
rechtsgeschäftliche  Handlungen  eine  Schuld 
begründen,  die  in  Verfolgung  der  Muntidee  dem  Dienst- 
herm  zur  Last  fallen  mußte.  Aber  wieder  ist  es  so,,  daß 
der  oben  angeführte  weitgreifende  Grundsatz  des  Kaiser- 
rechtes  keine  Gefolgschaft  in  seiner  Zeit  imd  späterhin 
mehr  finden  konnte. 

„£n  knecht  ne  mach  nen  gud  uppe  enen  kopen,  de 
here  geve  eme  breve  darup,  so  wat  he  koft,  dat  he  dat 
gelden  wille**,  dieser  Grundsatz  des  hamburger  Rechts 
von  1270  findet  sich  auch  in  den  andern  imtereinander 
abhängigen  norddeutschen  Stadtrechten  Lübecks,  Bre- 
mens,  Stades,  Verdens*). 

Die  spätere  Zeit  blieb  bei  solcher  Regelung.  Für 
Wirtsschulden  bestimmten  die  weimarischen  Landes- 
ordnungen von  1556  und  1589  ^),  daß  der  Dienstherr  für 

*)  Hierzu  die  Anm.  bei  Grimm  a.a.O.  —  ■)  Walch,  Bey  trage 
V  S.  166  ff,  bes.  177.  -  »jSt  A.  Marburg.  Abschrift  in  den  Akten  der 
hanauer  Regierung  Rep.  B.  Gef  47  -  52.  Ord.  Nr.  86.  S.  auch  oben 
S.  266  —  *)  Belege  bei  Hertz  S.  61.  —  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze 
f.  Weimar  IV  S.  82. 


-     286     - 

Getränke  und  Speisen,  die  das  Gesinde  ohne  seinen  Befehl 
sich  geben  ließ,  nicht  aufzukommen  braucht;  der  Wirt' 
mag  sich  an  die  Dienstboten  halten.  Gleiches  steht  in  der 
schaumburger  Polizeiordnung  von  1615^);  die  Wirte 
sollen  sogar  gestraft  werden. 

Nach  der  trierer  Judenordnung  von  1618*)  haben 
die  Juden  keinen  Anspruch  auf  Rückerstattung,  wenix 
sie  einem  Ehemann  ohne  Wissen  der  Frau,  einer  Frau 
ohne  Befragung  des  Mannes,  ferner  Kindern,  Dienstboten 
und  Studenten  Geld  borgen.  Das  charakteristischste  Stück 
ist  oben*)  mitgeteilt  worden:  das  pompöse,  stolze  Aus- 
schreiben der  h  a  n  a  u  e  r  Regierung  über  das  Verbot  des 
Borgens  an  die  Gräfl.  Schönbomschen  Bedienten  vom 
29.  September  1716.  Allgemeiner  wurde  in  Hanau  der 
Grundsatz,  daß  Juden  an  Dienstboten  bei  Anspruchsver- 
lust nicht  borgen  dürfen,  in  der  Verordnung  vom  10. 
Oktober  1754  ausgesprochen*).  In  Fulda  am  15.  No- 
vember 1754^)  und  in  Hessen-Cassel  1739  und  1749®) 
wurde  hingegen  die  Haftung  der  Juden  für  die  von  ihren 
Knechten  eingegangenen  Schulden  statuiert. 

Sonnenfels  empfahl  in  seinen  ruerst  1765  er- 
schienenen Grundsätzen  der  Policey-  Handlungs-  imd  Fi- 
nanzwissenschaft im  Anschlüsse  an  gesetzgeberische  Vor- 
bilder, wider  das  betrügerische  Kreditnehmen  des  Ge- 
smdes  dem  Kreditgeber  seine  Ansprüche  auf  Erstattung 
ni  nehmen^).  Diese  Anregung  nahmen  die  Gesetzgeber 
dankbar  auf,  wie  die  sich  häufende  Zahl  derartiger  Be- 
stinnnungen  in  der  Gesetzgebimg  des  ausgehenden  18. 
Jhdts.  zeigt.  Die  clever  Gesindeordnung  von  1769 8) 
geht  in  dieser  Weise  vor,  ähnlich  wie  schon  ihre  Vor- 


*)  Rottmann  S.  268,  264  (Kap.  25).  —  •)  Scotti,  Trier  S.691. 
•)  S.  122ff.  —  *)  Kopp,  Handbuch  V  S.  499.  —  *)  In  A.  J.Webers 
Verzeichnis  fuldischer  Verordnungen  aufgefahrt  (Landesbibliothek 
Cassel).  —  •)  LO  IV  S.  586,  1012.  —  ')  8.  Aufl.  Wien  1777  Nr.  188. 
•)  Scotti,  Clcvc  S.  1894. 


—    286    — 

läuferin,  die  Ordnung  von  1753^).  In  Nassau  wurde 
1770  Anspruchsverlust  des  Kreditgebers  statuiert*),  in 
Hessen  1785 ')  und  in  allen  folgenden  Gesindeordnun 
gen.  Die  ansbacher  Gesindeordnung  von  1769*),  die 
sayn-wittgensteiner  Polizeiordnung  von  1776*),, 
eine  Weimarer  Verordnung  von  1777  •)  und  die  moderne 
badische  Gesindeordnung  von  1809^)  stellen  ähnlich 
den  Satz  auf,  daß  die  Herrschaft  für  die  auf  ihren  Namen 
gemiachten  Schiilden  nicht  haftet,  falls  sie  nicht  schrift- 
liche Erlaubnis  gi^eben  oder  bei  d»n  kreditgebenden 
Kaufmann  ein  Ausgabebuch  stehen  hat^). 

Umgekehrt  konnte  der  Grundsatz  von  der  Stellver- 
tretung des  Herrn  durch  sein  Gesinde  auch  dahin  führen, 
daß  jeglicher  Erwerb  des  Knechtes  als  für  den  Dienst- 
herm  geschehen  betrachtet  wmxle,  daß  selbständige 
Geschäftsbetätigung  der  Hausangehörigen 
ausgeschlossen  war.  Der  vom  Hausherrn  regierte 
Hausstand  ist  eine  derart  monarchische  Einrichtung  (Ge- 
nossenschaft mit  herrschaftlicher  Spitze),  daß  er  neben 
sich  keine  Betätigung  duldet,  die  ihm  von  seiten  der 
untergebenen  Genossen  in  der  Idee  (und  auch  materiell) 
irgend  Konkurrenz  macht.  Wie  wirs  aus  dem  modernen 
Handelsrecht  kennen,  schlingt  der  vom  Hausherrn  ge- 

')  Ebenda  S.  1462.  ~  ")  Corp.  Const.  Nass.  VI  S.  59.  —  »)  LO. 
VI  S.  1216;  oben  S.  87  f.  -  *)  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  28  Y  Nr.  779 
Repcrt.  238.  -  »)  Univ.-Bibl.  Marburg.  -  •)  Job.  Schmidt,  Ge- 
setze f.  Weimar  IV  S.  143,  144.  -  ^)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Provinz 
Niederrhein.  Gesindepolizei.  Lit  B  Nr.  1.  1756-1809  (IV  2).  - 
•)  Schon  1546  setzte  das  belgische  Recht  Anspruchsverlust  und  Strafe 
gegen  den  Kaufmann  fest,  der  Dienstboten  auf  Kredit  Seide  lieferte; 
ob  freilich  auf  eignen  Namen  oder  auf  den  der  Herrschaft  der  Kredit 
genommen  sein  musste,  ergibt  die  Überlieferung  nicht;  Behacgel, 
Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du  comitö  central  du 
travail  industriel  1905  S.  620).  Vielleicht  soll  aber  durch  diese  Be- 
stimmung weniger  die  Herrenhafhmg  jför  unredliches  Schulden  machen 
der  Dienstboten  ausgeschlossen  werden  als  vielmehr  dem  Kleider- 
luxus  der  Dienstboten  ein  Hindernis  bereitet  werden. 


—     287     — 

leitete  Betrieb  alle  kleinen  Versuche  der  Genossen  zu 
selbständiger  Betätigung  in  sich;  es  ist  ja  alles  nur  ein 
Unternehmen,  dem  sich  die  Genossen  nicht  entziehen 
können.    Selbständigkeit  löst  die  Gemeinschaft. 

Selten  nur  finden  sich  gegenteilige  Gestattungen.  So 
in  der  Stadtordnung  für  Walldürn  von  1492^):  „Item 
wer  feiln  kauf  tribt'  alhie,  der  nit  burger  ist,  als  burger 
sone  und  dinstknecht,  imd  nit  eigen  kost  hielten,  sollen 
auch  bede,  Schätzung  geben  und  reiss^elt,  inmiassen  als 
ein  ander  burger." 

Die  Ausnahmie  verschwindet  unter  der  Fülle  der 
widersprechenden  Bestim!mungen.  So  wird  in  den  Statuten 
Rudolstadts  von  1488*)  bestimmt:  „Ouch  sal  keyn 
myte  gesinde,  das  der  stad  nicht  geschost  noch  recht 
thut,  kouffen  nach  vorkouffen  uff  gewyn  wider  körn  noch 
gersten  noch  haffem  noch  keynerleye  getreyde.**  In  dem 
späteren  Stadtrecht  Rudolstadts  und  Blanken- 
burgs  von  1594^)  fehlt  die  einschränkende  Voraus- 
setzung, „das  der  stad  nicht  geschost  noch  recht  thut**, 
und  es  heißt  allgemein:  „Kein  Dienst-  oder  Mitgesinde 
soll  Getreidigk  oder  anders  uff  vorkauff  einkauffen,  imd 
hernach  wieder  verfcauffen,  bey  Verlust  der  Wahre,  viel- 
weniger andere  Bürgerliche  Handthierung  treiben***). 
Auch  nach  der  nassauer  Spitalordnung  für  Siegen  von 
1546*)  durfte  vom  Spitalgesinde  „kein  personn  in  iren 
eigenn  nutzenn  arbeidtenn,  sonder  ins  hauss  imnd  zu  ge- 
meiaem  nutz  des  hauses**.  Zwei  braunschweig-lüne- 
burgische  Edikte  vom  4.  Oktober  1676  und  25.  März 
1696  ^)  verbieten  die  Handelsschaft  der  Knechte,  die  Vieh 


^)  Oberrhein.  Stadtrechte  I  S.  248fif.,  bes.  250.  —  *)  Michelsen, 
Rechtsdenkmale  S.  2%  ff.,  bes.  226.  —  ')  Wa  1  ch ,  Bey  träge  V  S.  21  ff., 
bes.  46;  78  ff.  —  *)  Man  vergleiche  hiermit,  was  zu  Eingang  dieses 
Kapitels  (oben  S.  244  f.)  über  die  Verwendung  des  Gesindes  zu  Hand« 
Werksarbeiten  durch  die  Arbeitgeber  gesagt  wurde.  —  *)  Corp.  Const. 
Nass.1  S.115.  —  *)  Landesordnungen  Lüneburg 4.  Cap.  l.Bd.  S.281, 288. 


—     288    — 

ins  Ausland  Verkaufen;  die  inländischen  Händler  sollei 
von  den  Produzenten  kaufen.  Die  hessischen  Gesinde 
Ordnungen  von  1736  tmd  1801  ^)  zählen  in  §  13  unter  dei 
Fällen  der  Gesindeuntreue  die  Möglichkeit  besonders  auf 
daß  die  Dienstboten  für  fremde  Leute  arbeiten  tmd  dei 
Lohn  für  sich  behalten*).  Auch  in  der  freiburgei 
Gesindeordnung  von  1782  ')  findet  sich  eine  entsprechend< 
Anordnung:  Versteht  ein  Dienstbote  ein  zunftmäßiges 
steuerbares  Handwerk,  dann  darf  er  dies  nur  zum  Nutzei 
der  Hausgeanieinschaft  ausüben,  nicht  aber  für  außen 
stehende  Personen. 

Der  wirtschaftliche  Hintergedanke  hier  und  in  der 
oben  angeführten  älteren  Rechtsquellen  tritt  ja  deutlici 
genug  hervor.  Noch  offenbarer  wird  dies  in  den  vieler 
Bestimmungen  aus  dem'  Judenrecht.  Als  erste  An 
deutungen  seien  eine  Notiz  aus  Mainz  von  1365^)  und 
das  Konzept  einer  hessischen  Judenordnung  von 
1543 '^)  genannt.  Der  mainzer  Rat  nahm  einige  #Juden 
zum  Schutze  auf  mit  ihrem'  Gesinde  „die  in  irem  brode 
sint  tmd  keyn  eygen  gut  nit  enhan**.  Der  hessische 
Entwurf  vert>ot  jedem  Juden,  „durch  sich  oder  sein  ge- 
sinde"  Geldwechsel  zu  treiben.  Die  späteren  hessischen 
Judenordnung^en  von  1739  und  1749  *)  und  das  Ausschrei- 
ben vom  4.  September  1794'')  lassen  erkennen,  daß  nur 
die  Sorge  über  das  Überhandnehmen  der  handelnden  Ju- 
den imd  über  die  Entziehtmg  des  Schutzgeldes  dazu  ver- 
anlaßten,  die  sog.  Profitknechte  zu  verbieten ;  solche  trie- 
ben Handel,  ohne  den  Schutz  zu  besitzen,  und  ließen  ihren 


>)  LO.  IV  S.  410;  VIII  S.  26.  -  »)  Vgl  auch  Reglement  für  die 
Porteurs  vom  11.  August  1731  §  10  (LO.  IV  S.  66).  —  •)  L,  A.  Karls- 
ruhe. Baden  Generalia  6391.  —  ^)  In  der  Sammlung  von  Belegen 
zu  einer  Abhandlung  Bodmanns  Ober  Judenrecht;  bereits  oben 
S.274  verwendet  —  »)  U.F.Kopp,  Bruchstücke  zur  Erläuterung  der 
tcutschen  Geschichte  und  Rechte»  Cassel  1799.  I  S.  167.  -  *)  LO. 
IV  S.  &89,  1013.  -  ^  LO.  VU  S.  617. 


—    289    — 

Dienstherm  am  Gewinn  teilnehmen^).  Auch  in  juidern 
Ländern  galten  solche  Verbote:  in  Braunschweig- 
Lüneburg  nach  der  Judenordnung  vom  9.  Juni  1733*), 
in  Köln  nach  Verordmmgen  vom  11.  März  1741  und 
21.  Juli  1768^),  in  Fulda  gemäß  Circular  vom  15.  No- 
vember 1754*),  in  Nassau  modifiziert  auf  Grund  der 
Judenordnung  vom  17.  Januar  1770*). 

In  den  Zeiten  wirtschaftlicher  Enge  und  Bescheiden- 
heit konnte  sich  die  herrschaftliche  Gewalt  über 
das  Gesinde  in  vielfältiger  G^estalt  als  heilige  Sitte  aus- 
bilden. Jener  friedlicheren  Zeit  erschienen  die  Dienst- 
boten, von  dem'  höheren  Gesichtspunkte  der  Hauseinheit 
aus  betrachtet,  als  einsi  mit  den  übrigen  Hausgenossen, 
die  demselben  Hausherrn  imterstanden.  Es  war  nicht 
bloß  der  Idingeiide  Reim  „Kind  und  Gesind",  der 
es  veranlaßte,  daß  tu  unzähligen  Malen  wieder  und  inuner 
wieder  jenes  Wortbild  in  den  Gesetzen  der  Vergangen- 
heit wiederkehrt,  imd  zwar  nicht  nur  in  Gesindegesetzen, 
sondern  zum  größeren  Teil  in  obrigkeitlichen  Äußerungen, 
die  sich  mit  der  Regelung  des  inneren  Familienlebens; 
abgeben.  Und  die  Benennung  desi  Leiters  eines  Haus- 
wesens mit  dem  Worte  „Hausvater"  *)  läßt  erkennen,  daß 
unsere  Ahnen  für  die  Kennzeichnung  des  Verhältnisses 
zwischen  Herrn  und  Dienstboten  innerlicher  wirkende 
Momente  maßgebend  sein  ließen  als  Arbeit,  Lohn  und 
Kost.  Wie  den  Kindern  gegenüber  hat  der  Hausvater  auch 
auf  das  Verhalten  der  Dienstboten  die  Aufsicht.  Und 
nicht  nwc  insoweit,  als  sie  durch  den  Vertrag  dem'  Herrn 
zur  Arbeit  verpflichtet  sind.  Nein,  der  Hausherr  soll  auch 


^)  Vgl.  auch  Koppi  Handbuch  V  S.  590.  — ')  Landesordnungen 
Uneburg  4.  Cap.  1.  Bd.  S.  281,  288.  —  •)  Scotti,  Köln  I  2  S.  781, 
879.  —  *)  Sammlung  d.  cass.  Reg.  V  S.  267.  —  •)  Corp.  Const  Nass. 
VI  S.  59.  ~  *)  In  Norwegen  nennen  die  Bauern  ihren  Geistlichen 
und  die  Dienstboten  ihren  Herrn  „Vater";  Björn  so  n,  Fischermfldchen 
(Reclam)  S.  124  Anm. 

K5aa«cke.  19 


-     290    — 

durch  seinen  eigenen  Ld>enswandel  den  Kindern  und 
Dienstboten  ein  Beispiel  sein,  er  soll  dafür  sorgen,  daß 
Kinder  und  Gesinde  zur  Kirche  gehen,  sich  mit  dem 
Catechismo  abgeben  usw. 

Es  ist  unmöglich,  die  Fülle  von  Material  hier  vor- 
zutragen, die  für  das  Erziehungsrecht  ^)  und  die 
Ecziehungspflicht  des  Dienstherrn  gegenüber  seinem  Ge- 
sinde in  vergangenen  Gesetzen  .enthalten  ist.  Jedes  Vor- 
kommen des  Wortspieles  „Kinder  und  Gesinde**  in  den 
vielen  Kirchen-,  Sormtags-,  Katechismus-,  Kinderlehr- 
ordnungen  müßte  von  Rechts  wegen  hier  verzeichnet 
werden.  Statt  dessen  seien  nur  einige  prägnante  Äuße- 
rungen dieser  Art  mitgeteilt. 

„Gleichwie  die  Kinder  ihren  Eltern,  die  Unterthanen 
ihrer  Obrigkeit,  und  die  Unmündigen  ihren  Vormündern, 
also  seynd  auch  die  Dienst-Boten  ihren  Herrn  und  Frauen 
erbietig,    treu,    hold,    gewärtig   imd    gehorsam    zu    seyn 
schuldig**,    heißt    es    im  neueren  lüneburger   Stadt- 
rechte*).     Eine    braunschweig  -  lüneburgische 
Verordnung  vom  31.  Mai  1684*)  heißt  die  Dienstherm, 
selbst  zur  Katechismuslehre  zu  gehen,  Kinder  und  Ge- 
sinde   hinzuschicken,    daß    sie   dadurch   „Ihr   und  der 
Ihrigen**  Heil  fördern.    In  einem  späteren  Edikt  von 
1732*)   findet  sich  gar  die  verblüffende  Zusanuntenstel- 
lung:   Es  sollen  „sowol  die  natürlichen  als  Hauss- 
Väter**  schuldig  sein,  sobald  sie  merken,  daß  ihre  Söhne 
oder  Knechte  in  Kriegsdienste  gehen  wollen,  das  anzu- 
zeigen.   Das  Staidtrecht  von  Teichel  aus  dem  Jahre 
1596*)  heißt  die  Hausherrn,  sie  sollten  zum  Kirchgange 
„die  Ihrigen  .  .  .  anhalten,  auch  Kinder  tmd  Gesinde  zur 
respective  Schulen  und  Kinderlehr  und  Kirchen  Exami- 
nibus väterlich  treiben."  Der  Hausvater  wird  nach  einem 

*)  Vgl.  auch  unten  §  10.  —  «)  Pufendorf,  obs.  iun  IV  app. 
S.  624  ft,,  bes.  796.  — »)  Landesverordnungen  Lüneburg  Gap.  1  S.  1046. 
—  *)  Ebenda  Cap.  8  S.  112.  —  »)  Walch,  Beytrilge  V  S.  166. 


—    291     — 

bayrischen  Mandat  vom  5.  Dezember  1681,  das  als 
Beispiel  für  viele  gleicher  Art  dienen  mag  ^),  gestraft,  wenn 
seine  Kinder  und  Dienstböten  der  Kinderlehre  fernbleiben. 
Einige  böse  Eigenschaften  des  Gesindes  werden  be- 
sonders angeführt;  auf  sie  soll  sich  die  herrschaftliche 
Aufsicht  vornehmlich  beziehen  *).  Das  nächtliche  Gassen- 
laufen und  die  Nachttänze  der  Dienstboten  muß  die  Herr- 
schaft durch  Beaufsichtigung  des  abendlichen  Aus-  imd 
Einganges  verhindern,  so  nach  der  katze nein bo ge- 
il er  Polizeiordnung  von  1597*),  die  der  Herrschaft  mit 
Geldstrafen  droht,  einer  nassauischen  Verordnimg 
vom  1.  Oktober  1612*),  der  schaumburger  Polizei- 
ordnung von  1615^).  Wider  Fluchen  und  Schwören  des 
Gesindes  sollen  die  Herrschaften  vorgehen,  wie  die  ka- 
lenbergischen  Landgerichtsartikel  aus  dem  letzten 
Drittel  des  17.  JHdts.  (Geldstrafe  der  Herrschaft)«),  die 
eichstätter  Polizeiordnung  von  1707^),  die  kölner 
Polizeiordnung  von  1723  ®)  und  manche  andere,  hier  über- 
gangene Ordnung  befehlen.  Ein  jülichsches  Aus- 
schreiben von  1682  über  die  Eintracht  der  Konfessionen  *) 
verbietet  Kindern  und  Gesinde  den  Leuten  der  Religion 
halber  nachzurufen  usw.,  „dessfalls  die  Eiteren,  Schul- 
Meisteren,  und  bey  welchen  das  Gesinde  wohnet,  selbiges 
jedesmaM  abmahnen,  und  dafern  sie  solches  unterliessen, 
oder  auch  zu  dergleichen  Ungebundenheit  connivirten, 
nicht  weniger  auch  selbsten  mit  würcklicher  Bestraffung 
angesehen**  werden  sollen.  Die  „nicht  eben  alte**  Zucht- 
ordnung der  Stadt  Memmingen *°)  will  das  Lärmen  und 
Schwätzen  bei  Hochzeitsf eiern  in  der  Kirche  abgeschafft 


')  R.  A.  München.  Gen.  Samml.  Rep.  S.  9  Nr.  5.  —  *)  Vggl. 
«uch  unten  §  6.  —  »)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  *)  Corp.  Const.  Nass.  1 
S.  674.  —  »)  Rottmann  S.  54  (Kap.  6).  —  •)  Pufendorf,  obs.  iur. 
n  app.  S.  349  ff.,  bes.  361.  —  ')  Habeische  Sammlung.  —  •)  Scotti, 
Köln  II  S.  628.  — •)  Scotti,  Jülich  S.  184.  —  '«)  Walch,  Beyträge 
ns.  275  ff.,  bes.  293. 


-     292     - 

wissen.  Es  sollen  „die  Haus  -Väter  und  Haus  -  Mütter  ihre 
Kinder  und  Gesind  von  solcher  Unbescheidenheit  und 
Fürwiz  ernstlich  ab-  und  hingegen  zur  Arbeit  anhalten, 
damit  ein  Wohllöbl.  Magistrat  sich  nicht  gezwungen  sehen 
mögte,  solche  Leuthe  [die  Eltern?]  ihres  freventlichen 
Ungehorsams  halber  mit  Ernst  anzusehen  und  zu  straffen." 
Diebstähle  darf  die  Herrschaft  ihren  Dienstboten  nicht 
auftragen,  sonst  wird  sie  gestraft^);  so  die  Ordnung  des 
Dorfes  Altenglan,  Amt  Lichtenberg  von  1581  und 
1630  *).  In  einer  Polizeiordnung  von  1748  für  die  gräflich 
Adelmannschen  Dörfer  Hohenstatt  u.  a. *)  wurden  die 
Dienstherrn  bei  Vermeidung  ernstlicher  Strafe  ange- 
wiesen, „ihren  jungen  austrieb-  und  dienstbuben,  die  sich 
vor  der  zeit  dem  tabacktrincken  ergeben,  dasselbige  gänz- 
lich niderzulegen.** 

Auf  breiterer  Grundlage  ist  die  mit  der  herrschaft- 
lichen Erziehungsaufgabe  eng  verbundene  Anzeige- 
p  f  1  i  c  h  t  *)  an  die  Behörden  von  Taten  des  Gesindes  aus- 
gebildet. Die  neumünsterschen  und  bordeshol- 
mer  Gebräuche*)  handeln  davon,  „offt  einer  seine  Klage 
verschwiegen  würde":  „Wann  etwa  einem  Dienstknecht 
in  einem  Dorffe,  einem  andern  Dienstbotten  überfallen 
und  blutigen  schaden  zufügen  würde,  muß  derjenige,  in 
dessen  Hause  die  That  geschihet,  dem  Bauer  Voigt  solches 
klagen";  geschieht  das  nicht,  dann  ist  von  dem,  welcher  die 
Anzeige  unterließ,  der  Bruch  verfallen. 


*)  Daneben  besteht  die  muntschafUiche  Haftung  ftlr  die  Gesinde- 
strafen; oben  S.  259 flf.  —  «)  Maurer,  Dorfverfassung  II  S.  416 ff.,  bes. 
419.  —  •)Wintterlin,Warttemb.  ländliche  Rechtsquellen  I  S. 449 ff., 
bes.  460.  —  *)  Ein  Recht  der  Anklage  (Rügung)  stand  dem  Hausherrn 
nach  dem  Schwabenspiegel  (Art  821)  zu:  „£z  mag  ein  man  sin 
gesinde  undc  sin  wip  wol  rügen,  . . .  ob  er  . . .  eine  vergift  machet, 
da  man  die  liute  mit  toetet.**  Umgekehrt  besass  nach  Art.  820  Schwsp. 
das  Gesinde  neben  den  nflchsten  Verwandten  das  Rügerecht  gegen 
die  ehebrecherische  Hausfrau.  Vergleiche  auch  Art.  875  Schwsp.  — 
»)  Seestcrn-Pauly,  Urk.  S.  104,  105. 


—    293    — 

Außerordentlich  häufig  kommen  Bestimmiungen  vor, 
nach  denen  der  Herr  Schwangerschaft  seiner  Mägde 
anzeigen  muß. 

Das  älteste  Dokument  allerdings,  das  Stadtrecht  des 
westfälischen  Rüden  ^),  versäumt  es,  direkt  diese  Pflicht 
auszusprechen.  Der  Hausherr  soll  den,  welchen  er  bei 
seiner  Magd  findet,  nicht  „vaen  off  halden**,  „simder 
hey  sal  enne  laten  enwech  gan  simder  broke**.  Die  Idee 
der  Hausgemieinschaf  t  ist  hier  nicht  bis  in  ihre  letzten  Kon- 
sequenzen durchgedacht;  nur  für  die  engeren  Familien- 
glieder wird  dem  Herrn  ein  Selbsthilferecht  zugestanden; 
die  Magd  ms^g  sehen,  daß  ihre  Verwandten  ihr  beistehen. 

Diese  Erwägungen  treten  später  hinter  den  für  die 
Polizeigesetzgeber  mäJ3gebendesren  Gründen  des  öffent- 
lichen Wohles  zurück.  Ein  Beispiel  solcher  Auffassung 
bieten  die  lüneburger  Eddagsartikel  späterer  Fassung 
aus  dem  16.  Jhdt.  *),  welche  die  Dienstherm  bei  Unter- 
lassung der  Anzeige  von  der  Schwangerschaft  „alss  gleich- 
schiddig"  strafen  wollen.  Ungefähr  gleichen  Alters  ist 
die  verwandte  Bestimtnlmg  in  der  hessischen  Verord- 
nung vom  25.  Mai  1554').  Weiter  gehören  aus  Hessen 
hanauer  Erktsise  vom  10.  September  1765  imd  22.  Juni 
1787*)  hierher.  Genannt  seien  noch  die  flensburger 
Polizeiordnung  vom  14.  Januar  1600^)  mit  der  sonder- 
burger  Polizeiordniuig  vom  15.  November  1698®),  eine 
trierer  Verordnung  vom  24.  April  1690''),  die  clever 
Gesindeordnung  von  1753  Tit.  V  §  4,  Tit.  9  §  10»), 
das  clever  Edikt  vom  8.  Februar  1765*),  die  clever  Ge- 
sindeordmmg  von  1769  §  56 ^ö),  die  schleswiger  Poli- 

0  Wigands  Archiv V  S.  55 ff.,  bes.  78.  —  >)  Pufendorf,  obs. 
iur.  II  app.  S.  197  ff.,  bes.  201.  —  »)  LO.  I  S.  157.  —  *)  St.  A.  Mar- 
burg. Bd.  IV  und  V  der  Samnilung  hanauer  Verordnungen.  — 
')  Corp.  Stat.  SIesv.  II  S.268.  —  •)  Ebenda  Dl  2  S.245.  — ')  Scotti, 
Trier  S.  728.  —«)  Scotti,  Cleve  S.  1452;  diese  Satzung  beruht  wohl 
auf  einem  Edikt  vom  10.  April  1710.  -  •)  Ebenda  Nr.  1877.  — 
**)  Ebenda  S.  18d4. 


—    294    — 

zeiordnung  von  1768*),  ein  kurmainzer  Ausschreiben 
vom  8.  April  1783*)  und  die  Gesindeordnung  für  Düs- 
seldorf vion   1809   Art.   10,   14»). 

Hiern^-ch  ist  es  nicht  verwunderlich,  daß  den  Dienst- 
herren auch  die  liebevolle  Fürsorge  für  die  letzten 
Stunden  der  Dienstboten  aufgegeben  wird.  Die  Poli- 
zeiordnung des  Bischofs  Johann  Anton  von  Eichstädt 
aus  dem  Jahre  1707*)  gibt  den  Geist  ihres  Urhebers  in 
Zornesworten  wider  den  Leichtsinn  kund,  mit  dem!  Haus- 
väter die  Sakramentsversorgimg  ihrer  schwerkranken  Ehe- 
gatten, Kinder,  Dienstboten  imd  sonstigen  Hausgenossen 
versäumfen;  oft  ist  es  zu  spät.  „Solchem  noch  gebiethen 
und  befehlen  Wir  allen  Hatiss  Vättem,  Hauss  Müttern, 
und  denen,  so  die  auffsicht  bey  jedwedem  Hauswesen 
obliget,  bey  Vermeydung  unaussbleibenden  geschärpften 
Einsehens  die  zeitliche  providirung  der  erkranckten  mög- 
lichster Dinge  zu  befördern,  und  hierbey  sich  selbsten 
zu  gemüeth  ru  führen,  wie  vielles  einem  jeden  dass  er  in 
der  letzten  und  Kostbahristen  Zeit  seines  Lebens  nicht 
verkürtzet  werde,  daran  gelegen  seye***). 

Von  noch  anderen  Sakramentspflichten  (wenn  man 
in  diesem  Falle  d^.von  reden  darfl)  spricht  die  kölner 
Judenordntmg  vom'  28.  Juni  1700,  Qap.  1  §  7  ^).  Da  heißt 
es  geradezu :  „Falls  nun  ein  oder  ander  Jud  seine  Kinder, 
Knecht  oder  Magd  verheyrathen  würdei. . ."  Der  Jude, 
der  Hausherr,  „verheiratet"  hier  seine  Dienstboten  gerade 
so  wie  er  seine  Kinder  verheiratet. 

Aufsichtspflichten,  deren  Versäumtmg  Haftung  des 
Dienstherm  nach  sich  zog,  bestanden  femer  wegen  der 


*)  St.  A.  Schleswig.  Sammlung  grossförstl.  Verordnungen.  — 
•)  Kersting,  Sonderrechte  Sp.  1168.  —  »)  Scotti,  Jülich  S.  1262. 
—  *)  Habeische  Sammlung.  —  *)  Der  Tod  des  Gesindes  gehört  zu 
den  sieben  Notsachen,  die  nach  dem  friesischen  Landrechte  (v. 
Richthofen,  Rechtsquellen  S.  48)  dem  Herrn  die  Befugnis  geben,  auf 
eine  Ladung  hin  auszubleiben.  —  *)  Scotti,  Köln  IIS.  557. 


—    295    — 

Feuersgefahr;  inrniier  wieder  wird  den  Einwohnern 
eingeschärft,  auf  sorgsames  Umgehen  mit  Fefuer  und  Licht 
bei  ihrem  Gesinde  zu  dringen. 

Der  göt tinger  Rat  gebot  den  Bürgern  1339^): 
„Welker  unser  borgere  knecht  oder  maged  ginge  in  den 
hof  oder  in  de  schunen  mit  eyme  bkise  oder  mit  eyme 
lichte  ane  luchten,  unde  wert  he  des  besecht  von  synen 
neygburen,  so  mach  de  rad  oren  heren  eder  ore  vrowen 
laten  panden  vor  eyn  pimt.  Irhove  seck  ock  eyn  vur  von 
deme  silven  lichte  oder  blase,  dar  scade  af  geschege, 
so  scolen  desilve  knecht  oder  maghed  von  stayt  an  von 
Gotingen  wyken  unde  nicht  hir  weder  inkonnen,  se  en 
duynt  myt  orlove  des  rades.** 

Andere  Rechte  der  Zeit  gehen  nicht  so  weit,  schon  das 
Umgehen  mit  offenem  Lichte  deim:  Herrn  zur  Haftimg 
werden  zu  lassen.  Sie  begnügen  sich  mit  einer  Bestrafung 
des  Herrn  für  den  Fall,  daß  durch  des  Gesindes  leicht- 
sinniges Verhalten  ein  Brand  ausbricht.  So  das  friesische 
westergoer*),  das  braunschweiger*)  Recht: 
,,Malk  scal  sen  to  sineme  viure.  Wes  ghesinde  it  vorsiu- 
mede,  it  gheyt  in  sin  lif ;  wert  he  vorevluchtich,  mien  scal 
eme  volgen  mit  ener  vestinge".  Die  lüneburger  Bauer- 
sprache aus  dem'  14.  Jhdt. ^)  gibt  ntur  gute  Ratschläge: 
„De  werd  schal  seen  to  sinen  vure  und  to  sinem  lichte, 
he  schal  wesen  de  leste  to  bede  und  de  erste  uptostande, 
he  enschal  ok  nemende  staden,  dat  he  mit  lichte  in  den 
hoff,  edder  in  den  stal  ga  ane  luchten,  und  enschal  nen 
los  licht  dreghen.**  Späterhin  wurde  in  Lüneburg  auch  die 
zivil-  und  strafrechtliche  Haftung  des  Herrn  für  Brand- 
schaden statuiert,  so  im  neueren  Stadtrechte*).  Aus  der 
älteren  Zeit  ist  weiter  das  traunsteiner  Recht  von 


')  v.  d.  Ropp,  Göttinger  Statuten  S,  188.  -  •)  v.  Richthofen, 
Rechtsquellen  S.  478.  —  ')  Hänselmann,  Urkundenbuch  I  S.  44 
(spätestens  1849),  68  (um  1880),  825  (1582).  —  0  Kr  au  t,  Stadtrecht  von 
LflDcburg  S.  88.  —  •)  Pufendorf,  obs.  iur  IV  app.  S.  624  ff.,  bes.  806. 


—    296    — 

1375^)  anzuführen,  worin  festgesetzt  wird,  „daz  wem  ez 
sich  entzünt,  brüft  ez  der  wirt  oder  sein  ingesind,  so 
ist  er  unschuldig,  beruft  er  sein  nicht,  so  ist  er  schuldig 
dem  Richter  XXX,  der  Stat  XXX,  dem  shergen  II."  Die 
Haftung  ist  hier  so  konstruiert,  daß  der  Herr  auch  für 
die  von  seinem  Gesinde  unterlassene  Anzeige  Strafe  geben 
muß.  Im  15.  Jhdt.  wtu-de  die  Herrenhaftimg  tü  Köln*) 
und  besonders  ausführlich  1492  zu  Stuttgart^)  fest- 
gelegt. 

Dem  allmächtigen,  erziehenden  Gedanken  der  Zeit 
entspricht  es,  wenn  die  Ermahnungen  an  die  Dienstherren 
zu  besserer  Beaufsichtigung  des  Gesindes  vom'  16.  Jhdt. 
an  den  absoluten  Strafvorschriften  gegenüber  immer  häu- 
figer auftreten.  Die  Statuten  der  thüringischen  Stadt  Neu- 
mark von  1510*)  und  die  vor  1541  erlassene  Stadtord- 
nung  für  Gotha^)  setzen  noch  eine  Horrenstrafe  fest 
für  den  Fall,  daß  das  Gesinde  beim  Feuer  leichtsinnig  um- 
geht; und  die  rudolstädter  und  blankenburger 
Statuten  von  1594  ^)  lassen  in  ähnlicher  Weise  wie  das  eben 
angeführte  traunsteiner  Recht  die  Erhebung  des  Ge- 
rüftes  maßgebend  sein.  Eine  Bestraf tmg,  wie  es  scheint, 
des  Gesindes  wird  in  der  Ordmmg des  Dorfes  Altenglan 
von  1581  und  1610^)  festgesetzt;  wer  bei  einem  andern 
Feuer  holt,  muß  auf  dem  Hafen  einen  Deckel  haben. 

Die  Erziehungspflicht  des  Hausherrn  dagegen  tritt  be- 
sonders deutlich  zu  Tage  in  den  uia  1530  festgestellten 
Haushaltspflichten  des  trierischen  Amtmlanns^).  Zu 
diesen  Pflichten  gehört  auch  die,  „des  abentz  das  feur 

*)  Westenrieder,  Glossarium  Germ.-Lat.  I  S.  XXlIIff., 
bes.  XXIX;  „brüft"  =  erhebt  er  Gerüfte.  —  *)  Walther  Stein, 
Akten  I  S.  849,  368.  —  »)  Chr.  Fr.  Sattler,  Gesch.  d.  Herzogth. 
Würtenberg  unter  den  Graven  V  S.  51,  52.  —  *)  Joh.  Schmidt, 
Gesetze  f.  Weimar  VII  S.  518 ff.,  bes. 520.—  *)  Strenge-Devrient, 
Stadtrechte  S.  394  ff.,  bes.  398.  —  •)  Wal c h ,  Bej'träge  V  S.  21  ff.,  bes. 
70,  73 ff.  -  ^)  Maurer,  Gesch.  d.  Dorfverfassung  II  S.  416 ff.,  bes. 
420.  —  •)  Lamprecht,  Wirtschaftsleben  III  S.  314. 


—    297    — 

und  sonsten  uf  die  lichte,  damit  in  allen  gemachen  vleissig 
usgelescht  und  verwahret,  in  guter  achtung  imd  Versor- 
gung haben,  tmd  sich  in  deme,  deweil  oftmials  großer  und 
unordentlichen  schaden  daraus  entspringt,  nit  uf  das  ge- 
sind verlassen'*.  Kraftlos,  weil  ohne  Straf  Satzung,  ist  auch 
die  in  den  einbecker  Statuten  von  1549^)  atisgespro- 
cbene  Ermahnung,  die  Herren  sollten  ihre  Kinder  und 
Gesinde  zur  Achtsamkeit  auf  Feuer  anhalten,  und  hindern, 
mit  offenem'  Licht  an  gefährliche  Orte  zu  gehen.  War- 
nungen zur  Vorsicht  sprechen  weiter  aus  die  Bürgersprache 
zu  Bielefeld  1578^)  (mit  Straf haftung  des  Herrn),  die 
katzenelnbogener   Polizeiordmmg   1597 *). 

Im  17.  Jhdt.  überwiegt  die  Anemlxfehlung  sorgsamer 
Aufsicht  des  Herrn  auf  sein  Gesinde.  Die  1608  erneuerten 
Statuten  von  Arnsberg*)  haben  solchen  Inhalt;  sie  er- 
legen weiter  dem  Hausherrn  zehn  Mark  Strafe  auf,  falls 
die  Feuerglocke  seinetwegen  gerührt  werden  mtiß.  Eben- 
so mahnen  die  Statuten  der  sachsen-altenburgischen  Stadt 
Eisenberg  1610*)  die  Bürger,  auf  Kinder  und  Ge- 
sinde des  Feuers  wegen  zu  achten,  nichts  Feuerge- 
fährliches an  unsicheren  Plätzen  im  Hause  liegen  zu 
lassen  usw.;  wer  dawider  handelt  wird  gestraft.  Ähn- 
lich ist  die  Anordmmg  in  der  schaumburger  Po- 
lizeiordnung von  1615*).  Die  Statuten  von  Schleiz 
aus  dem  Jahre  1625')  geben  das  alte  Gerüfterecht  wie- 
der. Die  Devolvienmg  der  polizeilichen  Fürsorgepflicht 
auf  den  Vorsteher  des  Einzelhauses  tritt  besonders  deutlich 
in  den  Statuten  Waltershausens  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  17.  Jhdts.  ®)  hervor.    Es  mag  ein  jeder  auf 


*)  Pufendorf.  obs.  iur.  II  app.  S.  203 flf.,  bes.231.  —  *)  Walch, 
Beytrftge  III  S.  68  ff.,  bes.  69.  —  »)  In  der  Univ.  -  Bibl.  Marburg.  — 
*)  Seibertz,  Urkundcnbuch  III  S.  310 ff.,  bes.  825.  —  »)  Walch, 
Beyträge  H  S.  212 ff.,  bes.  262.  —  •)  Rottmann  S.  245  (Kap.  24). 
-')Walch  a.  a,  O.  VIII  S.54ff.,  bes.  127.  -  »)  Strenge-Devrient, 
Stadtrechte  S.  360  ff.,  bes.  369. 


—    298    — 

das  Feuer  in  seinem  Hause  achten,  „denn  es  ist  unmöglich, 
daß  der  Rath  uff  eines  Jeden  Haushalt,  Geisindt  und 
Kinder  Tag  imdt  Nacht  sehen  kan". 

Als  Beispiel  für  die  Weiterbildimg  im=  18.  Jhdt.  sei 
das  hessische   Recht  angeführt;   es  lohnt   nicht,  die 
sämtlichen  einander  so  ähnlichen  Vorschriften  der  vielen 
deutschen  Gesinde-  und  Feuerordntmgen  des  Jahrhunderts 
vorzuführen.  Die  hessischen  Gesindeordntmgen  seit  1736  ^) 
und  die  hanauische  von  1748*)  stellen  die  Haftung  des 
Herrn  erst  ersatzweise  fest.    Das  Gesinde  soll  von  der 
Herrschaft  nachdrücklichst  gemahnt  werden,  an  Orte,  wo 
leicht  brennbare  Stoffe  lagern,  nicht  mit  offenem  Licht 
oder  brennenden  Pfeifen  zu  gehen,  auch  nicht  bei  Licht  am 
Flachs  zu  arbeiten.   Handelt  das  Gesinde  dage^ren,  dann 
soll  es  der  Brotherr  der  Obrigkeit  anzeigen,  widrigenfalls 
außer  dem  Gesinde  atich  er  zur  Strafe  gezogen  wird,  seinen 
Regreß  aber  am'  Gesinde  nehmien  kann.  Aus  Hessen  sind 
weiter  die  Feuerordnxmgen  vom  Juni  1775  und  16.  März 
1781*)  ni  nennen.    Hausväter  sollen  bei  20  Kamnüergul- 
den  Strafe  nicht  gestatten,  daß  die  Mägde  kleines  Holz 
zum   Feueraimiachen  nachts  um  die  Öfen  heruttilegen; 
die  Dienstboten  sind  beim  Dienstantritt  darüber  zu  unter- 
richten.   Nachlässiges  Gesinde  wird  nach  Befinden  mit 
Gefängnis,  auch  an  Leib  tmd  Leben  gestraft  *).  Das  Ver- 
bot   brennenden   Lichts    steht    in   Nr.   44.     Ähnlich    ist 
die  Satzung  der  Feuerordnung,  die  sich  die  Stadt  H  e  r  s  - 
feld   1734  errichtete^). 

Eine  Folgerung  aus  der  herrschaftlichen  Gewalt  ist 
in  einigen  Bestimmlmgen  des  Prozeßrechtes,  vor- 
nehmlich im  Mittelalter  gegeben. 

Das  bedeutsame  Verbot,  daß  das  Gesinde  grundsätz- 
lich nicht   in   Sachen  der  Dienstherrschaft  als  Zeuge 


*)  §  17 ;  LO.  IV  S.  410;  VII  S.  727;  VIH  S.  26.  -  *)  §  16;  St  A. 
Marburg  IX  A  1621.  —  »)  LO.  VI  S.  828,  1019.  —  *)  Nr.  88.  - 
»)  Demme,  Nachr.  u.  Urk.  II  S.  322  ff.,  bes.  328,  329. 


—    299    — 

auftreten  durfte,  stimlmt  mit  der  gleichartigen  Erscheiniing 
überein,  daß  Hausgenossen  allgemiedn  zur  Zeugenschaft 
untereinander  unfähig  sind.  Ein  Familienglied  ist  zu  sehr 
an  den  Familieninteressen  beteiligt,  als  daß  es  objektiv 
etwas  aussagen  könnte,  was  im  Rechtsstreit  gegen  einen 
andern  verwendet  werden  könnte.  Das  Recht  war  früher 
strenger  als  jetzt,  wo  es  dem  Vetrwandten  freigestellt  ist, 
ob  er  aussagen  will,  tmd  wo  der  Richter  die  freie  Würdi- 
gung der  Verwandtenaussage  hat.  Eine  Darstellung  des 
durch  einige  nicht  sehr  bedeutungsvolle  Ausnahmen  durch- 
brochenen Zeugnisrechtes  der  Dienstboten,  das  so  gut  wie 
'ganz  'der  älteren  Zeit  angehört,  ist  bei  Hertzin§6  voll- 
ständig gegeben;  zui  Vermeidung  überflüssiger  Wieder- 
hohingen  wird  hier  auf  Hertz'  Ausführungen  verwiesen  ^). 
Nur  der  Code  civil  sei  als  Muster  eines  neueren  Ge- 
setzes angeführt.  Er  gestattet  *)  die  Vernehmung  der  Ver- 
wandten und  des  Gesindes  in  Ehescheidxmgsprozessen ; 
„mais  le  tribunal  atu-a  tel  ^gard  que  de  raison  aux  d^- 
positions  des  parens  et  des  domestiques**,  d.  h.  die  Wür- 
digung dieser  Aussagen  ist  dem  freien  richterlichen  Er- 
nvessen  iiberlassen. 

Aus  der  herrschaftlichen  Gewalt  gefolgert  wurde  fer- 
ner die  prozessuale  Vorschrift,  daß  gerichtliche  Ladun- 
gen des  Dienstboten^)  den  Umweg  über  die  Herr- 
schaft nehmen,  oder  daß  diese  doch  wenigstens  benach- 
richtigt werden  müßte.  Eine  Stelle  des  augsburger 
Rechts  *)  kann  nur  so  verstanden  werden,  daß  die  Ladung 
an  den  Dienst  her  m  zu  richten  ist:  „Ist  er  ein  wirt,  der 
die  notnumpht  begangen  hat,  dem!  sol  man  ze  sime  huse 

^)  Die  interressanten  Wandlungen  der  späteren  schwäbischen 
Dorfrechte  seien  ferner  vermerkt  (Wintterlin,  Württembergischc 
landl.  RechtsqueUen  I  S.  682  ff.,  bes.  698  (1577)  einerseits,  S.  196  ff., 
bes.  211  (1567),  S.  798  ff.,  bes.  810  (1612)  anderseits).  —  •)  Art.  251. 
^  ') -.Allgemeine  Zusammenfassung  über  die  verschiedenen  Formen 
der  Ladung  bei  OsenbrOggen,  Der  Hausfrieden  S.  85  ff. —  *)  Meyer 
Art  81. 


—    300    — 

furgebieten:  ist  ee  ein  knecht  der  die  notnumpht  began- 
gen hat,  so  sol  mian  imi  furgebieten  zem  ersten  male  bi 
swem  er  gewaesen  ist,  unde  diu  andern  zwai  fur- 
gebot  sol  im  der  vogt  tun  an  dem-  gerihte."  Die  Be- 
nachrichtigung des  Dienstherm  von  einer  bösen  Tat  seines 
Knechtes  wird  in  Pas  sau  1300^)  angeordnet:  „Wirt 
eins  burger  knecht  oder  ein  gast  des  nachtes  gefangen 
auf  der  Strasse  an  liecht,  den  sol  man  füren  an  seinen 
herren  oder  seines  wirtes  tür,  und  so  sol  er  in  zu  recht 
stellen." ») 

Über  diese  Frage  liegen  im  übrigen  nur  noch  Zeug- 
nisse aus  späterer  Zeit  vor. 

In  Hessen  war  der  Rechtszustand  während  des  18. 
Jhdts.  verschiedenartig.  Ein  Urteil  des  Oberappellations- 
gerichtes in  CasseP)  äußerte  sich  über  den  modus  cita- 
tionis  so:  „Dieser  muss  billig  so  beschaffen  seyn,  dass 
aller  Anstoss  und  coUisiones  vermieden  bleiben.  Ein  Be- 
dienter lebt  unter  einem  doppelten  imperio,  indem  er 
miter  den  Befehlen  seiner  Obrigkeit,  imd  unter  den  Be- 
fehlen seines  Brodherren  stehet.  Da  er  nun  ohne  seines 
Brodherren  Befehl  oder  Erlaubniss  nirgends  hingehen, 
und  also  auch  nicht  vor  Gericht  erscheinen  kann:  so 
muss  diese  ausgewürckt  werden,  damit  er  jene  obrigkeit- 
liche Befehle  befolgen  kann.  Es  kann  also  zwar  der  Be- 
diente bey  seinem  Herrn  um=  die  Erlaubniss  nachsuchen; 
allein,  wann  er  es  nicht  thut,  imd  hernach  etwa  lealiter 
citiret  werden  soll:  so  kann  doch  der  Herr  nicht  vorbey- 
gegangen  werden.** 

»)  Alexander  Erhard,  Gesch.  der  Stadt  Passau  I  S.  106  ff., 
bes.  111;  Gengier,  Stadtrechte  S.  851.  -  ")  Nicht  hierher  gehören 
die  Festsetzungen  des  augsburger  Rechtes  von  1276  (Meyer  Art 
105),  der  hildeshcimer  Statuten  aus  dem  15.  Jhdt.  (Pufendorf,  obs. 
iur.  IV  app.  S.  298),  des  Vertrages  zwischen  Bischof  und  Stadt 
Worms  von  1519  (Moser,  ReichsstÄtt  Handbuch  II  S.  1017);  hier 
handelt  es  sich  um  Festsetzung  der  Kompetenz  des  geistlichen  Ge- 
richtes. —  •)  Canngiesser,  Collectio  notabilium  decisionum  dec.2U. 


-     301     - 

Genaueren  Aufschluß  über  die  hessischen  Verhält- 
nisse gibt  eine  1741  veranstaltete  Umfrage  ^).  Die  Ladung 
von  Dienstboten  wurde  in  verschiedener  Weise  gehand- 
habt. Einfach  war  die  Praxis  im  Amte  Ziegenhain.  Für 
Dienstboten  von  Herrn,  die  unter  der  Regierung  stehen 
und  Jurisdiktion  haben,  wird  erst  der  Dienstherr  requi- 
riert, wenn  die  Dienstboten  vor  Gericht  erscheinen  sollen ; 
hat  der  Herr  keine  Jurisdiktion,  dann  wird  der  Dienst- 
bote unmittelbar  geladen.  Im'  Landgericht  Cassel  ist  der 
andere  Unterschied  maßgebend:  Hat  der  Grundbesitzer 
das  Gut  in  Eigenbewirtschaftung,  dann  wird  der  Guts- 
herr um  Sistierung  seines  Gesindes  ersucht;  ist  das  Gut 
verpachtet,  dann  werden  Pachter  und  Gesinde  ohne  Um- 
weg vor  Gericht  geholt.  Vor  1731  wurden  die  Bedienten 
der  Herrn,  die  unter  der  Regierung  unmittelbar  ihr  fo- 
rum haben,  ohne  Requisition  zitiert;  jetzt  wird  aber  — 
von  dem  eben  genannten  Falle  abgesehen  —  die  Herr- 
schaft stets  um  Requisition  des  Gesindes  ersucht.  In  Fels- 
berg herrscht  gleichfalls  diese  Praxis  ausnahmslos.  Am  3. 
Dezember  1748  wurde  dann  angeordnet,  daß  es  in  Cassel 
bleiben  solle,  wie  es  war;  auf  dem  Lande  sollen  die  von 
Adel  und  andere  privilegierte  Personen,  die  keine  Juris- 
diktion haben,  die  Dienstboten  „auf  vorgängige  Notifi- 
cation  vor  denen   Untergerichten  sistiren**  *). 

Daß  dies  in  der  Praxis  befolgt  wurde,  zeigen  ver- 
schiedene Einzelerlasse.  So  wird  am  6.  August  1787  einem: 
Geistlichen  aufgegeben,  seine  wegen  Hutefrevels  belang- 
ten Dienstboten  ni  sistieren^).  In  einer  Verfügung  vom 
15.  November  1793*)  wird  abschwächend  nur  von  einer 
Benachrichtigung  des  Pfarrers  gesprochen. 

*)  St  A.  Marburg.  Akten  des  Geh.  Rats.  Die  Zitation  der 
Domestiquen  betr.  1748.  Lit  D.  num.  18.  —  •)  LO.  IV  S.  1007.  — 
*)  LO.  VII  S.  184.  —  *)  Ebenda  S.  672;  St.  A.  Marburg.  Oberappel- 
ifttioDsgerichtsakten  von  Keude]l  gegen  Collmann  wegen  Sistierung 
eines  Knechts  1797/8. 


—    302    - 

Von  außerhessischem  Rechte  mag  eine  clevische 
Bekanntmachung  vomi  10.  April  1816  ^)  die  abgeschwächte 
Gestaltung  des  Ladungsrechts  in  der  neuen  Zeit  zeigen; 
die  Herrschaft  soll  von  Ladungen,  Verhaftungen  ihrer 
Dienstboten  benachrichtigt  werden*). 

Im  ersten  Teile  diesleis  Abschnittes  wurde  gezeigt, 
wie  die  Munt  die  rechtsgeschäftliche«  Vertretung  des  Herrn 
durch  seine  Dienstboten  postulierte.  Die  altsprechende 
Bestimlm'ung,  daß  der  Herr  Rechtsgeschäfte  für  den 
Dienstboten  abschließen  kann,  die  diesen  für  sein  Ver- 
mögen verpflichten,  fehlt  in  dieser  AUgemjeinheit.  Nur 
für  den  Prozeß  wird  dem  Herrn  die  Stellvertre- 
tung seiner  Dienstboten  überwiesen. 

In  enger  Anlehnung  an  das  frühere  Recht  der  un- 
freien Leute  *)  werden  hier  einige  Rechtssätze  ausgebildet. 
Kraft  seiner  Herrschaft  kann  der  Herr  für  alle  seiner  Ge- 
walt unterstellten  Personen  sowie  für  die  Magschaft  vor 
Gericht  auftreten;  der  Kreis  der  Personen,  für  die  ein 
solches  „versprechen"  des  Hausvaters  zulässig  ist,  wird 
eng  begrenzt:  „Ez  sol  auch  nieman  den  andren  vor  ge- 
richte  versprechen,  ern  si  danne  sin  m)ag  oder  sin  eigen 
oder  sin  lehen  oder  sin  gedingter  chnecht  oder  er  sitze 
ouf  sinem  eigen  oder  ouf  sinem  lehen  oder  ouf  sinem 
lipgedinge  oder  ouf  sinem  cinslehen . .  /*,  heißt  es  im 
augsburger  Rechte*). 

Daß  der  Herr  Schaden,  der  dem  Dienstboten  zu- 
stieß, selbständig  einklagen  kann,  wird  ausdrücklich  des 

»)  Scotti,  Cleve  S.  2939.  -  •)  Als  lex  sui  generis  mag  hier 
noch  ein  hannoverscher  Erlass  vom  81.  Januar  1749  genannt  sein, 
dass  Dienstboten  ohne  Benachrichtigung  der  Herrschaft  auf  der 
schwerinisch-wismarischen  Post  nicht  aufgenommen  werden  dürfen 
(Spangenberg  Nachtr.  I  S.  188);  es  sollte  wohl  ein  Präventiv  gegen 
den  Vertragsbruch  sein?  —  »)  Schröder,  RG.  S.  288,  468.  - 
*)  Meyer  S.  74;  ferner  westerwolder  Landrecht  (v.  Richthofen, 
Rechtsquellen  S.  274),  auch  bayerisches  Landrecht  XIII  148,  U9 
<v.  Freyberg,  bist.  Schriften  u.  U.  IV  S.  489,  440). 


—    303    — 

öfteren  festgesetzt.  So  findet  sich  in  den  Spiegeln^) 
die  Beatimimlung  wegen  dem  Knechte  umgestoßenen  Scha- 
dens :  „Wirt  aber  ime  sin  phert  oder  ajidelr  sin  gut  dub- 
liehe  oder  roubliche  genomen  in  des  herren  dinste,  ane 
des  knechtes  schult,  daz  miiz  ime  der  herre  gelden,  da 
vor  muz  nüan  auch  deime  herre  antwurten,  ab  her  dor 
uf  claget/*  Das  zweite  überlinger  Stadtrecht ^)  gibt 
um  1400  demselben  Gedanken  in  folgender  Weise  Aus- 
druck: „Es  sol  jeglicher  sinen  aigen  schaden  rügen;  der 
gliche  sine  kind  und  wib,  und  sine  dienst  in  acht  tagen 
den  nechsten,  nachdem  im'  der  schad  gescheen  ist." 

Für  'den  Fall,  daß  der  Knecht  nicht  imistiande  ist,  die 
Klage  zu  erheben,  gestatteit  das  augsburger  Recht 
die  vertretungsweise  Einklagung  des  Schadens  durch  den 
Herrn*):  „Ist  auch  daz  eines  mannes  chneht  wimt  wirt, 
der  selbe  von  chranchiait  siner  wunden  niht  gechlagen 
mak,  noch  auch  der  miage  noch  der  friwende  niht  hat 
die  umb  in  gechlagen  .mtugein  mit  reht,  so  chlagt  sin 
herre  mit  allem!  rehte  .wol  an  sines  chnechtes  stat  untz 
an  die  aechte.  Sweraie  der  chneht  danne  für  mag  chomen, 
so  sol  man  im!  rihten  mit  der  aehte.  Ist  aver  daz  der 
chneht  stiibet,  so  sol  man  dem  herren  rihten  mit  der 
aehte  daz  ist  reht/**) 

Auch  die  Vertretung  des  beklagten  Gesindes  vor 
Gericht  wird  dem  Dienstherm  bisweilen  gestattet,  so  in 
einigen  mährischen  Quellen*).  Auch  die  vorhin^)  an- 
geführte Stelle  des  passauer  Rechtes  ist  in  der  Weise 
zu  Ideuten,  daß  dem  Herrn  durch  die  Zuführung  des  schul- 
digen Knechtes  zunächst  seine  Befugnis  gewahrt  werden 


')  Ssp.  ni  6,  Schwsp.  259.  —  »)  Oberrhein.  Stadtrechte  II 2  S.  52  ff., 
bes.  111.  —  »)  Meyer,  Zusatz  zu  Art.  86.  —  *)  Die  umgekehrte  Ge- 
stattung, dass  der  Herr  seinem  Gesinde  für  den  einzelnen  Fall  Voll- 
macht zur  Pro2 es s Vertretung  gibt,  wird  im  soester  Recht  des 
beginnenden  16.Jhdts.  erwähnt  (Seibcrtz,  Urkundenbuch  II  S.  413, 
«4).  -  •)  Hertz  S.  39.  -  •)  Oben  S.  300. 


—     304     — 

soll»  für  seinen  Knecht  aufzutreten;  „nymbt  man  in  nicht 
aus,  so  sol  man  in  behallten  auf  das  recht' \  heißt  es 
im  Fortgange  der  zitierten  Stelle.  Der  Herr  m'uß  für 
sein  wegen  Deliktes  belangtes  Gesinde  bei  Strafe  auf- 
treten, wie  das  mühlhäuser  Heimbudi  von  1736  be- 
stimmt^); selbständiges  Erscheinen  des  Gesindes  ist  ver- 
boten. 

Die  in  einem  solchen  Verfahren  nötig  werdenden 
Eide  darf  nach  den  genannten  mährischen  Rechten 
der  Herr  für  sein  Gesinde  zur  Reinigung  schwören  *).  Das 
gleichfalls  schon  angeführte  bayerische  Landrecht^)  da- 
gegen verlangt  den  Eid  von  dem  jeweils  durch  den  Herrn 
vertretenen  Prozeßbeteiligten  selber:  „get  ez  aber  zuo 
dem  ayde,  den  sol  der  man  selb  swem**.  Verwandt  mit 
jenem  Rechte,  das  den  Herrn  im'  Prozesse  für  den  Knecht 
schwören  läßt,  ist  die  Bestimmung  des  kölnischen 
Rates  von  1407  *)  über  den  Eid  des  öffentlichen  Rechtes : 
„Vort  alle  verwer,  de  nu  zertrijt  synt  ind  namails  werden 
mögen,  yeckliger  besonder,  soillen  unsen  heren  v.  r.  siche- 
ren ind  geloyven  by  yrme  eyde,  dat  sy  off  yre  ge- 
synde  soillen  de  wairbeit  sagen  denghenen,  de  de  assyse 
davan  gepeicht  haint,  off  yrme  gesynde  van  den,  dat  sy 
de  weche  verwerwet  betten.** 

Als  Bestimlmting  des  Prozeßrechtes  ist  schließlich 
noch  die  Regelung  des  Gesinde  -Gerichtsstandes  an- 
zuführen. Der  nahe  liegende  Gnmdsatz,  daß  das  Gesinde 
dem  forum^  der  Herrschaft  folgt  *),  wird  in  der  Tat  mehr- 
fach ausgesprochen. 

1301  hatten  die  Burgmannen  zu  Friedberg  mit 
den  Bürgern  eine  Beredung*);  es  sollten  bei  künftigen 
Streitigkeiten,    die    während    der    gemeinsamen    Unter- 


^)  Stadt.  Bibliothek  Mohlhausen;  oben S. 267 f.  —  *)  Hertz  5.89. 
—  »)  V.  Freyberg,  bist  Schriften  u.  Urk.  IV  S.  388  ff.,  bes.  439, 
440;  oben  S.  802,  -  *)  Walther  Stein,  Akten  U  S,  197.  -  »)  Cann- 
giesser,  Decisiones  dec.  167.  —  •)  M.  Foltz,  Urkundenbuch  I  S.  64. 


—     306    — 

Stützung  des  Königs  Albrecht  atifkommen  könnten, 
Schiedsrichter  eingesetzt  werden.  „Diz  han  die  bturcman, 
di  sich  daringesazt  han,  vur  sich  und  ir  gesinde 
getan."  Der  Erzbischof  von  Mainz  verhieß  im  Jahre 
1518  einigen  Juden ^),  er  wolle  sie  und  ihr  Gesinde 
„an  khainem  andern  gericht  oder  an  keiner  andern  statt 
bezeugen  oder  besagen  lassen"  *). 

Als  Beispiel  für  die  spätere  Zeit  mag  wieder  Hessen 
dienen.  Nur  in  der  Stadt  Cassel  untersteht  das  Gesinde 
den  Gerichten,  denen  seine  Herrschaft  imt ergeben  ist, 
also  bei  Schriftsässigen  auch  den  Obergerichten.  A\if 
dem  Lande  dagegen  ist  das  Gesinde  unbeschränkt  den 
schneller  arbeitenden  Untergerichten  unterstellt  •).  Dies 
wurde  später,  am  9.  Februar  1819,  auch  auf  Hanau  ausge- 
dehnt und  für  Cassel  (-Land)  nochmals  bestätigt*).  Das 
Gesinde  der  Hofdiener  folgte  dem  Gerichtsstande  seiner 


')  Auszüge  aus  Belegen  Bodmanns  zu  einer  Abhandlung  über 
Jadenrecht  (Habeische  Sammlung).  —  ')  Dagegen  lassen  sich  die 
Festsetzungen  Pfalzgraf  Ottos  fQr  Stadt  und  Stift  Sinsheim  von 
U29  (Oberrhein.  Stadtrechte  I  S.  419)  und  der  Rachtungsvertrag 
zwischen  Bischof  und  Stadt  Worms  von  1519  (Moser,  Reichsstatt 
Handbuch  II  S.  1015  fr.)  nicht  als  Belege  verwenden;  der  Streit 
zwischen  geistlichem  und  weltlichem  Gericht  soll  hier  geschlichtet 
werden.  Vgl.  auch  Grimm,  Weistümer  VI  S.  179,  180  (Ciarenkloster 
in  München),  885  <St.  Trudbert  zu  Krotzingen).  Auch  oben  S.  300 
Anm.  -  »)  Zitate  bei  Kopp,  Handbuch  IV  S.  438,  489;  vgl.  femer 
Erlasse  vom  U.  Nov.  1752,  11.  Mai  1787,  3.  September  1796  (LO.  V 
S.  57,  VII  S.  174,  687);  Canngiesser,  decisiones.  dec*  167,  157.  — 
^  St.  A.  Marburg.  Geh.  Rats-Akten,  den  Gerichtsstand  des  Gesindes 
schriftsassiger  Personen  . . .  betr.  1819.  ■—  Für  Klagen  der  Dienst- 
boten gegen  schriftsAssige  Herrschaften  wurde  1787  das  summarische 
Gericht  in  Cassel  geschaffen  (LO.  IV  S.  430).  In  der  GO.  von  1801 
jttioch  Qbertrug  man  den  Untergerichten  im  Lande  die  Jurisdiktion 
in  Gesindesachen,  da  der  Landrat  von  K  e  u  d  e  1 1  begründete  Bedenken 
gegen  das  weitabgelegene  casseler  Gericht  geltend  gemacht  hatte 
(St.  A.  Marburg.  Cass.  Reg.-Akten.  PoLRep.  F 48  Nr.  1  a) ;  weiter 
St  A.  Marburg.  Universitatsakten  betr.  der  Studenten  Bedienten 
sowie  die  Erscheinung  vor  der  Polizei  1786  (IX  4  A  Nr.  30). 

KSnaecke.  ^ 


—     306     — 

Brotherrschaft  nach  Verordnungen  von  1801  und  1802^). 
Die  schaumburgis  che  Ritterschaft  bemühte  sich 
im  18.  Jhdt.,  die  erstinstanzliche  Gerichtsbarkeit  über  ihre 
Dom^estiken  neu  zu  erwerben  ').  In  einer  Eingabe  aus  detn 
Jahre  1737  *)  weisen  die  Ritter  darauf  hin,  daß  „die  Do- 
mestiquen  nach  althergebrachter  Gewohnheith  des  Schrift- 
Sassiats  participiren  und  nicht  am)  Bruch  Gericht,  son- 
dern ihren  foro  ordinario  an  der  Cantzley  mögen  belanget 
werden**.  Im  Fuldischen  war  1790  der  Rechtszustand 
der,  daß  einzelne  Dienstboten  den  privilegierten  Gerichts- 
stand ihrer  Herrschaft  hatten.  „Doch  ist  dies  keine  Regel, 
vielmehr  auf  besondere  Gesetze  und  Gewohnheiten  Rück- 
sicht zu  nfehmien*'*). 

Im  Anschluß  hieran  sei  gleich  über  den  Kirchen- 
stand des  Gesindes  einiges  mitgeteilt.  Nach  hessi- 
scher Konsistorial- Verordnung  vom  1 .  Februar  1726  soll 
das  auswärts  dienende  Gesinde  an  dem  Kirchort  seiner 
Herrschaf t  zum' Abendmiahl  gehen  *) ;  „es  ist  aber  mehr  als 
Recht  «einer  zweiten  Kirche,  denn  als  Ausschluß  der  Kirche 
des  Heimathorts  aufzufassen,  und  darum'  vielfach  Her- 
konümien,  daß  die  Dienstboten  am  letzteren  zumi  Abend- 
mahl gehen** «).  Umgekehrt  stellt  ein  Ministerialausschrei- 
ben  vom  24.  März  1860  zur  Erteilung  der  Absolution  die 
prinzipale  Zuständigkeit  nicht  des  Pfarrers  des  Dienst- 
orts, sondern  desjenigen  des  Heimatsorts  fest^);  nur  bei 

»)Kopp,  Handbuch  V  S.  226. -«)  Näheres  in  §2(5.386)  bei  Be- 
handlung des  Zwangsdienstes.  ~  ')  St  A.  Marburg.  Akten  der 
rinteiner  Kanzlei  betr.  die  y,von  der  Schaumb.  Ritterschaft  praeten- 
dirte  Jurisdiction  über  ihre  Eigenbehörige  und  Domestiquen  ....'' 
1786—1787.  -*)  Thomas,  Sistem  der  fuldischen  Rechte  III  §  566. 

—  Nach  Code  civil  Art.  109  teilt  hausangehöriges  Gesinde  den  Wohn- 
sitz der  Herrschaft.  —  Auf  die  spfitere  Rechtsentwicklung  im  ausser- 
hessischen  Deutschland  einzugehen,  hat  hier  nicht  viel  Zweck,  da  es 
sich  um  eine  prozessrechtlich  zwar  wichtige  Institution  handelt,  die 
aber  fOr  das  engere  Gesinderecht  nur  nebensächliche  Bedeutung  hat. 

—  *)  BOff,  Kirchenrecht  S.  256;  LO.  IH  S.  978  fr.,  bes.  982.  - 
•)  Büff  a.  a.  O.  -  ')  Ebenda  S.  262. 


—    307    — 

Übertragrung  durch  den  zuständigen  Pfarrer  oder  bei 
Krankheit  des  Dienstboten  darf  der  Pfarrer  des  Dienst- 
orts amtieren.  Der  zuständige  Pfarrer  soll  die  Dimisso- 
rialen  (die  nötige  Zustimimfung)  nicht  verweigern,  wenn 
die  Forderung,  daß  der  Dienstbote  bei  dem'  zuständigen 
Pfarrer  die  Buße  ablege,,  wegen  weiter  Entfernung  oder 
aus  anderen  Gründen  imtunlich  oder  hart  erscheint  (Mi- 
nisterial-Ausschreiben  vom  14.  März  1860)  *).  Der  Dienst- 
ort sipielt  schließlich  auch  eine  Rolle  bei  Proklamationen 
von  Ehen*). 

Was  über  den  Sitz  in  der  KircJhe  bekannt  geworden 
ist,  soll  kurz  in  Verbindung  hiermit  angeführt  werden.  In 
den  mittelalterlichen  zweistöckigen  Doppelkapellen  war 
der  Platz  der  Dienstleyte  in  dem  einfacher  ausgestatteten 
untern  Ratime ;  durch  eine  öf fnxmg  in  der  Zwischendecke 
konnten  sie  an  dem  im^  oberen  Geschoß  abgehaltenen 
Gottesdienst  teilnehmen  ^).  Ein  Beispiel  aus  Hessen  ist 
die  Pfalzkapelle  in  Oberkauftmgen  *).  Über  die  Kirchen- 
stühle erging  z.  B.  in  Oldenburg  am  31.  März  1701 
ein  Konsistorialreskript  *).  Die  Mägde  sollen  in  den  Kir- 
chenstühlen den  Frauen  und  Kindern  die  Oberhand  lassen. 
Wie  die  Mägde  in  die  Kirche  komanien,  sollen  sie  in  den 
Stuhl  hineinrücken,  ohne  die  Ordnung  einzuhalten,  die 
ihren  Wirtinnen  gebührt.  In  gleicher  Angelegenheit  be- 
stiminte  am  6.  Septemlber  1816  das  hessische  Kon- 
sistorium^): Wenn  ein  Kirchenstand  miehreren  Familien 
zusteht,  so  mluß  das  Gesinde  der  einen  den  Familien- 
gliedem  der  andern  bei  mangelndem^  Räume  weichen. 

Schon  im  Verlaufe  dieses  Abschnittes  wurden  mehrere 
Belege  dafür  gebracht,  daß  die  Gesetzgeber  die  Einheit 


*)  Ebenda  S.  276.  —  »)  Ebenda  S.  257.  —  »)  Piper,  Burgen- 
kunde S.  560,  561.  —  *)  Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  im  Reg.-Bez. 
Cassel  Bd.  IV  (Kreis  Cassel  Land,  bearbeitet  von  A.  Holtmeyer), 
Marburg  1910,  Textband  S.  184.  —  *)  Corp.  Const.  Oldenb.  I  S.  146. 
-  •)Büff  a.a.O.  S.  777. 

20» 


—    308    — 

des  Hauses  anerkannten,  daß  sie  Bevorzugungen  und  Zu- 
rüdkJsietzimgen,  die  sie  dem  Hausherrn  zuteil  werden  ließen, 
auch  seinen  Gewaltuntergebenen,  der  Familie  und  eben- 
so dem  Gesinde,  zufügten.  Nur  das  Maß  war  verschieden. 
Denn  lals  Stand  wurde  das  Gesinde  inunier  ungleich  gregen- 
über  der  Herrschaft  behandelt. .  Aber  wo  es  die  Familien- 
einheit  forderte,  mußten  auch  dem'  Gesinde  die  Rechte 
und  Pflichten  gemärt  oder  gemindert  werden,  je  nachdem 
sie,  freilich  in  größereim  Umfange,  auch  zu  gimsten  oder 
zu  lasten  des  Hausherrn  eine  Veränderung  erfuhren.  Die 
Geschichte  dieser  Erscheinung,  der  einheitlichen 
rechtlichen  Behandlung  von  Herrschaft  und 
Gesinde,  sei  als  letztes  Glied  in  der  Reihe  der  wich- 
tigsten Merkmlale  des  Gesindebegriffes  hier  dargestellt. 

Die  Einheit  des  Hauses  imd  des  Hausrechtes  kommt 
am  offenbarsten  im*  Rechte  des  Hausfriedens  zum 
Ausdrucke,  wo  das  Gesinde  der  Herrschaft  völlig  gleich- 
gestellt wird.  Die  Tatsache  des  Wohnens  ist  das  Ent- 
scheidende dafür,  daß  eine  bestimmte  Person  im  Haus- 
frieden geschützt  wird  ^).  Selbst  die  Hausmieter  sind  des 
Hausfriedensrechtes  teilhaftig  wie  der  Hausherr,  seine 
Familie  und  sein  Gesinde*). 

Die  goslarer  Statuten*)  sprechen  dies  klar  aus: 
„We  in  emtoe  huse  medinghe  hevet  unde  darinne  wonet, 
de  unde  sin  ghesinde  scal  darinne  hebben  also  guden 
vrede  alse  de  wert  selve  oder  sin  ghesinde,  dar  si  vey- 
linghe  oder  nen."  Gleiches  steht  in  dem  „Fridgerichts- 
Puech"  von  Regens  bürg,  das  vielleicht  noch  dem  13. 
Jhdt.  angehört*);  der  Hausfriedensbruch  wird  begangen 
gegen  den  Wirt,  „sein  leut  oder  sein  hausgenossen". 

Die  ausdrüdkliche  Nennimg  des  Gesindes  geschieht  in 
den  demnächst  hier  anzuführenden  Quellen  in  der  Art, 

>)  OsenbrOggen,  Hausfrieden  S.  6,  7.  —  «)  Ebenda  S.  6; 
oben  S,  259.  —  •)  Göschen  S.50;  ferner  S.  34. —  <)  vonFreyberg, 
bist.  Schriften  u.  Urk.  V  S.  64  ff.,  bes.  69. 


—     309     - 

daß  das  Gesinde  an  bevorzugter  Stelle  als  Schützer  des 
Hausfriedens  oder  als  Zeuge  des  Friedensbruches  bezeich- 
net wird.  Die  Strafordnung  der  Stadt  Spei  er  von  1328^) 
sagt:  ,,£s  mag  auch  ein  biu-ger  und  sin  gesinde  einen, 
der  wider  ihren  willen  in  jrme  husse  sitzet  oder  ist,  den 
sie  dri  wofbe  uss  habent  heißen  gehn,  und  uss  nicht 
wil  usstreiben,  tuid  soUent  danunibe  nicht  Verliesen,  ob 
sie  Hant  an  jhne  legent,  ane  den  Todtschlag,  den  sol 
man  richten  allewege."  Als  Zeuge  wird  das  Gesinde  er- 
wähnt im  zweiten  Stadtrecht  von  Überlingen  um 
1400  *) :  „Welcher  burger  dem  andern  in  sin  hus  gat,  es 
sie  tags  oder  nahtes,  und  im  sin  wirtinen,  sin  tochter,  oder 
sin  swoster,  sin  mtimfen  oder  sin  erber  gehuset  schraiet 
und  übel  handlet,  und  si  benotzogen  wil,  wirt  daz  geschrai 
also  gross,  daz  er  imd  sin  htisgesind  und  sin  nachbaren 
sin  geindert  werden . .  .**,  dann  soll  der  Täter  mit  Geld 
und  Ausweistmg  gestraft  werden. 

Späterhin  tritt  das  Gesinde  —  wie  im  goslarer  Rechte 
—  wieder  als  der  durch  den  Friedensbruch  Verletzte  auf. 
So  im  Rechte  der  thüringischen  Städte  Greußen  (von 
1556)  und  Frankenhausen  (von  1558)'):  „Von  hauss- 
friede  Bruchs  straffe.  Ein  jeder  Bürger,  sampt  demi  gan- 
zen Haussgesinde,  sol  in  seinem  hause  undt  hoffe,  rech- 
ten friede  haben,  wurde  ehr  oder  die  seinenn  hierueber 
von  jemande  vorwimdet  oder  geschlagen  inn  dem;  seinenn, 
oder  einer  stiesse  ihme  mlit  gewalt  seine  haussthur  auff, 
schlüge  oder  wurffe  ihmie  seine  fenster  aus,  mit  frevel 
undt  bösem  fiu-satze,  der  sol  die  rechte  hiandt  vorwar- 

loset  haben,  oder  ewigk  vorweiset  werden **    Und  im 

Kapitel  vom  Hausfrieden  der  braunschweiger  Po- 


')  Christophori  Lehmanni  Chronica  der  freyen  Reichs  Stadt 
Speyer  3.  Aufl.  1698  S.285;  Gengier,  Stadtrecbte  des  M.A.  S.i48. 
—  *)  Oberrhein.  Stadtrechte  II  2  S.  52 ff.,  bes.  74.  —  »)  Walch, 
Bcytrage  VII  S.  61  ff.,  bes.  217 ;  I  S.  285  ff.,  bes.  866. 


-     310    - 

lizeiordnungen  von  1573  und  1579^)  sowie  des  neueren, 
lüneburger  Stadtrechts*)  heißt  es:  „Wurde  er  den 
hauswirdt,  sein  weih,  kinder  oder  gesinde  beschedigen 
und  wunden,  er  sol  den  kopff  verloren  haben/'  Der  Schutz 
reichte  noch  weiter ;  auch  obrigkeitlichen  Eingriffen  wehrte 
der  Frieden  des  Hauses.  So  beispielsweise  im  neuen  g  o  - 
thaer  Rechte  von  1579*),  wo  es  im  Kapitel  vom!  Haus- 
frieden heißt:  „Ein  iglicher  burger  soll  in  seinem  haose 
vor  sich,  sein  weib,  kinder  und  Gesinde  für  gefenglichen 
angriffen  in  bürgerlichen  sachen  gefreiet  sein. . ."  Das 
f riedrichstadter  Recht  von  1633*)  übernahm  den 
Grundsatz  des  lünebiwger  Rechtes.  Als  Beispiel  süddeut- 
schen Rechts  diene  die  Jahrgerichtsordnung  Kürnachs, 
einer  villinger  Dependenz,  von  ca.  1652  *) :  „Welcher  dem 
anderen  heimblicher  weiss  bei  nacht  oder  nebel  in  sein 
gewahrsambe,  als  in  sein  behausung  oder  andere  gefähr- 
liche orth  gienge  oder  darin  befunden  würde,  desselbigen 
weib,  döchteren,  khünder  oder  eehaJten  zue  schmähen 
imderstuonde  oder  schmähung  an  sie  legte",  der  soll  mit 
Geldstrafen  beirrt  werden. 

Auch  der  bürgerliche  Frieden,  der  zwi^hen  den  ein- 
2»lnen  Familien  des  Orts  herrschen  soll,  m^uß  vom  Ge- 
sinde gehalten  werden  und  muß  ihm!  zu  gute  kommi^i. 
Ein  Satz  der  Weilerordnimg  für  Hitnimllingen  in  Schwa- 
ben von  1662^)  mag  hierfür  zeugen:  Es  „sollen  alle  und 
jede  gemeinde^enossene,  die  jezund  zu  Himlingen  sein 
und  künftighin  sich  daselbsten  wohnhaft  ergeben  werden, 
samt  ihren  weib,  kinder  und  gesind  aller  freyndüchkeit, 
erbarkeit  und  Verträglichkeit  gegen  einander  sich  bef leissi- 


')  Hanselmann,  Urkundenbuch  I  S.  404 ff.;  458 ff.  Gap.  24. — 
■)  Pufendorf,  obs.  iur.  IV  app.  S.  624 ff.,  b6s.  772.  — •)  Strenge- 
Devrient,  Stadtrechte  S.  817  ff.,  bes.  882.  —  *)  Corp.  Stat  SIesv. 
m  1  S.  514.  -  •)  Oberrhein.  Sudtrechte  II  1  S.  106  ff.,  bes.  112.  ~ 
*)  Wintterlin,  WOrttemb.  ländliche  Rechtsquellen  I  S.  488£, 
bes.  484. 


—    311     — 

gen,  alles  uiuiethig  gezänck,  hass,  feindschaft  und  Wider- 
willen einstellen  und  sicih  dergestalt  erweisen,  wie  christ- 
bchen  nachbarn  gebührt  und  es  die  christliche  lieb  an  sich 
Selbsten  erfordert." 

Wie  der  strafrechtliche  Schutz  des  Hauisfriedens  sind 
auch  die  sonstigen  Minderungen  und  Mehrungen  des 
Rechts,  an  denen  den  Dienstboten  als  Familiengenossen 
des  Herrn  ein  Anteil  gegeben  wird,  öffentlicher  Natur. 
Aus  dem  Gebiete  des  Strafrechtes  gehören  weiter- 
hin nvehrere  BestinKmungen  über  die  Behandltmg  von 
Delikten  hierher,  die  gegen  Gesinde  begangen  wurden. 
Da  soll  kein  Unterschied  gemacht  werden,  ob  der  Ver- 
letzte ein  Herr  oder  ein  Knecht  ist,  vielmehr  des  Gesindes 
Tötung  oder  Verwundung  gleich  den  Taten  wider  Bürger 
behandelt  werden,  da  das  Gesinde  im  Dienste  eines  Bür- 
gers steht. 

So  setzen  die  verwandten  alten  Rechte  von  Ham- 
burg, Lübeck,  Bremen,  Oldenburg,  Goslar, 
Stade  imd  Verden^)  fest:  „So  welk  knape  an  xmses 
borghers  denste  is  unde  syn  knecht  heft  ghewesen  worde 
he  wundet  ofte  dot  geslagen  de  wile  he  in  synes  heren 
denste  were  buten  desser  stat  imn  en  were  de  knecht 
nen  borgber  dat  were  doch  an  den  liken  steden  ofte  he 
borgher  were  de  wile  dat  he  unsen  burgher  de- 
nede."  Eine  ähnliche  Bedingung  für  die  Festsetzung 
einer  gleichmäßigen  Buße  enthalten  die  nordhäuser 
Statuten  von  1300,  1308,  1350,  1470 ») :  „Swelch  buze  ge- 
sazt  iz  uf  unse  borger  imi!m)e  cheinen  vorebil,  di  Vorwerken 
der  borger  gesinde,  ab  su  or  rechte  gemitte  gesinde  sint. 

')  Lappenberg,  Hamburg  1270  VIII  4,  1292  K  4,  N  10,  1497 
F  6,  1608  IV  20;  Hach,  Lübeck  849;  Ölrichs,  Bremen  (S.  117) 
1B08  Stat.  86,  (S.  840)  1428  SUt  48,  1488  Stat  75;  ebenda  (Oldenburg 
S.  818)  Art.  87;  Göschen  S.  49ff.,  UfL;  Pufendorf,  obs.  iur.  I 
app.  S.  168  flf.  (Stade),  bes.  218;  ebenda  S.  77  ff.  (Verden),  bes.  117. 
-*)  Förstemann,  Neue  Mittheil.  UI 1  S.44ff.,  bes. 61.  III  2  S.lflf., 
bes.  11,  m  8  S.  89ff.,  bes.  45,  VI  2  S.  42flf.,  bes.  51. 


—    312    — 

unde  men  vorwerket  an  on  di  selben  buze  also  daz  su 
or  brot  ezin  sin  unde  gerndt  ein  virteil  iaris  edir  rae" 
(so  1308).  Der  an  einem!  Pfaffen  und  seinem  Gesinde  be- 
gangene Straßenraub  gilt  in  jedem  Falle  als  ein  „rechter" 
nach  deim  SchwabenspiegeP)  und  dem'  augs  bur- 
ger Recht  2).  „Schilt  einer  einen  man  oder  eine  frawen 
oder  ihr  gesinde  in  seinem  hausse,  diss  ist  ein  frevel", 
wird  im  alten  gothaer  Rechte*)  verordnet.  Unterm 
Gesichtspunkte  des  Hatisf riedens  wird  auch  in  der  oben  *) 
erwähnten  Stelle  des  neueren  lüneburger  Stadtrechtes 
die  Verwimdimg  des  Gesindes  gleich  der  des  Wirtes  und 
sfeiner  Familie  mit  dem  Tode  bestraft. 

Dagegen  enthalten  die  Statutai  Hannovers  von 
1309*)  Festsetzimg  der  rechtlichen  Ungleichheit:  „Welc 
borgere  des  andern  knechte  bot  dede,  de  denet  ununie  Ion, 
he  sie  borgere  ©der  nen,  dar  an  ne  Brac  he  nicht  der 
stad  köre."  Das  kann  nur  so  verstanden  werden,  daß 
Mißhandlimg  eines  Knechtes  nicht  die  städtische  Geld- 
strafe nach  sich  ziehen  soll.  Auch  in  Memm'ingen, 
wurde  1396*)  verschiedwie  Bestraf tmg  angeordnet:  „Wer 
ains  andern  gedingt  mägt  oder  knecht  misshandelt  mit 
fräveln  worten  oder  werken,  der  nit  burger  oder  biurgers 
kind  sint,  an  dem  verliuret  miau  gelt,  aber  weder  jar  noch 
manod . . .". 

Der  umgekehrte  Fall,  Bestrafung  des  Gesin- 
des für  ein  von  ihm  begangenes  Delikt,  gerät  einige  MaJe 
auch  in  Abhängigkeit  von  dem  engen  Zusamtmenhalt  des 
herrschaftlichen  Hauses,  so  daß  die  bevorzugte  Stellung 
des  Hausherrn  auch  dem  Gesinde  zu  gute  komänt.  In 
Friedberg  verkündete  1331  der  Kaiser  einen  Frieden 


*)  Art.  42.  —  •)  Meyer,  Art  82.  —  »)  Strenge-Devrient, 
Stadtrechte  S.  196  ff,,  bes.  212;  die  folgende  Gegenüberstellung  der 
„missethadt"  erwähnt  des  Gesindes  nicht.  —  *)  S.  810.  —  »)  Pufen- 
dorf,  Obs.  iur.  IV  app.  S.  148 ff,,  bes.  218.  —  •)  von  Freyberg, 
bist.  Sehr.  u.  Urk.  V  S.  289  ff.,  bes.  282. 


—    313    — 

zwischen  Burg  und  Stadt  ^).  Hier  wurde  einigen  Bürgern 
zugebilligt,  daß  ausnahmsweise  ihre  vergangenen  „schul- 
den" nicht  gerichtet  werden  sollten;  dies  Vorrecht  sollte 
sich  auch  erstrecken  auf  ihre  Kinder  und  „gesinde,  die 
ir  brot  essent".  .Nach  der  Stadtordnung  von  Walldürn 
aus  dem  Jahre  1492  *)  wurde  der  Feldbirnendiebstahl  mit 
acht  Pfennigen  weniger  als  sonst  geahndet,  wenn  des 
Bürgermeisters  Frau  oder  Gesinde  sowie  die  Dienstboten 
der  Priester,  Edelleute,  Zentgrafen  und  Zentbüttel  Täter 
waren. 

Auch  auf  dem  Gebiete  des  hohen  Staatsrechts 
teilte  das  Gesinde  in  miancher  Hinsicht  Vonrugsstelltuig  und 
Benachteiligung  seines  Dienstherm.  Der  Genuß  des  Stiadt- 
rechtes  wurde  in  B  rilon  1290  ^)  nur  den  miständigen  Dienst- 
boten versag:  „Vort  mer  havei  wy  gesät,  dat  mtegede,  de 
in  der  mathe  *)  nicht  en  synt,  diat  synt  ntilegede,  de  in  eynen 
unsteden  denste  synt,  also  dat  se  de  eyne  wile  dem  eynen 
deynet,  ind  de  anderen  tyt  dem  anderen,  ind  gevet  sich 
in  manniger  legge  hantneringe  *)  ind  unstedes  denstes, 
de  en  suUen  nicht  gebruken  des  vurgeschr.  Stades 
rechten*',  öffentlichrechtliche  Verträge  über  den  Frie- 
den und  gegenseitigen  Schutz  der  Vertragschließenden 
bezogen  auch  das  Gesinde  ein.  So  der  bereits  angeführte 
Vertrag  zwischen  Stadt  und  Burg  Fried  berg  von  1301'), 
den  die  Bxirgmannen  „vor  sich  xmd  ir  gesinde**  geschlossen 
haben;  ausgemacht  wtude  hierbei  unter  anderm*,  daß  „di 
burcman  Stilen  ane  angest  sin  libes  und  gudes  vor  den 
bürgere  und  die  bürgere  sin  ane  angest  libes  und  gudes 
vor  den  buromannen**.  Die  freie  Reichsstadt  Spei  er 
verheißt  in  der  Strafordnung  von  1328  ^)  dem  Gesinde  den 

*)  Foltz,  Urkundenbuch  I  S.  114.  —  ')  Oberrhein.  Stadtrechte 
IS.  248flF.,  bes.  269.  -  »)  Seibertz,  Urkundenbuch  I  S.  582.  - 
*)  Durch  das  folgende  erklärt;  dazu  Schiller-Lübben  III  3.48.— 
•)  Nahrung,  durch  Handarbeit  verdient ;  S  c  h  i  1 1  e  r  -  L  ü  b  b  e  n  II  S.  199. 
-  •)  Foltz,  Urkundenbuch  I  S.  64;  oben  S.  304f.  —  ^)  Lehmann! 
Chronica  S.  384  ff.,  bes.  288. 


-    314    — 

Schutz:  „Wer  auch  nicht  gezünfft  hat,  an  den  frevelt 
man  nicht,  und  ist  auch  in  uns^m  Schinne  nit,  ane 
eines  Mannes  gedinget  Gesinde,  imd  sine  Kindt,  die  un- 
beraden  sindt,  an  den  soll  man  frevelen,  und  sollent  in 
unserm  Schirm  sin."  In  ähnlicher  Weise  wie  in  Fried- 
berg behandelt  die  1358  getroffene  Vereinbarung  zwischen 
Ritter  Arnold  von  Blankenheim  und  dem  Erzbischof  von 
Trier^)  das  Gesinde.  Der  Ritter  verpflichtet  sich,  die 
Stadt  Hillesheim  also  zu  bestellen,  „daz  unser  vorg.  herre 
sine  nakomen  und  der  stieft  der  wol  sicher  sin,  und  daz 
sie  ire  frund  tmjd  gesinde  dar  us  und  in  zu  allen  iren 
willen  und  noeden  varen  riden  und  sich  behelfen  mugen 
wider  allermenlichen . . ." ;  weiter  folgen  Bestimknimgen 
über  die  Verköstigung  des  Ritters  und  seines  Gesindes 
zu  Kriegszeiten.  Dieser  Anteil  des  Gesindes  an  dem'  ins 
alber gariae')  kommt  beispielsweise  auch  in  den  1507 
aufgezeichneten  Rechten  des  Stiftes  Odenheim  in  B  r  u  c  h  - 
sal  gegenüber  der  Stadt')  vor.  Darin  steht  die  Auf- 
forderung an  die  Bürger,  die  Stiftsleute  und  ihr  Gesinde 
gut  m  behandeln  und  wohl  zu  schirmen.  Weiter  ist  für 
die  Frage  der  öffentlichrechtlichen  Gleichbehandlung  ein 
Weistum  des  würzburgi sehen  Städtchens  Hof- 
h  e  i  m  *)  zu  nennen ;  es  verleiht  den  Kindern,  Geschwistern 
und  Dienstboten  eines  Hausgenossen  alle  Freiheiten,  die 
dieser  selber  hat.  Ein  gewerberechtlicher  Vertrag  zwischen 
den  braunschweiger  Lakenmachem  und  den  Juden 
von  1312*)  endlich  verdient  hier  angeführt  zu  werden, 
weil  in  ihm  das  beiderseitige  Gesinde  für  die  Erledigung 
der  geregelten   Fragen   (Verpfändung  von  Laken  ttaw) 


>)  Lamp recht.  Wirtschaftsleben  HI  &  232,  283.  -  *)  du 
Gange,  Glossarium  I  S.  168,  III  S.  656;  Pufendorf,  de  iurisdic- 
tione  p.  II  scct.  III  §  209;  Wal ch,  Beyträge  VI  S.  258  Anm.  - 
•)  Oberrheinische  Stadtrechte  I  S.  901  flf.,  bes.  905.  —  *)  Grimm, 
WcistOmcr  VI  S.  94 ff.,  bes.  96  (§  26).  —  »)  Hänselmann,  Ur- 
kundenbuch  II  S.  888. 


—    316    — 

den  kontrahierenden  Arbeitgebern  völlig  gleichgestellt 
wird*). 

Wi©  die  Bürgerrechte  half  das  Gesinde  dem  Herrn 
auch  Mühen  tragen,  die  diesem  von  der  Öffentlichkeit 
auferlegt  wurden.  Die  goslarer  Statuten  gaben  den 
Bürgern  auf,  Weib,  Kinder  imd  Gesinde  sich  in  den 
Krieg  folgen  zu  lassen,  bei  Meidimg  der  Haftung 
für  die  Schäden,  die  durch  die  Ztu-ückgebliebenen  an- 
gerichtet werden*).  Zu  Freiburg  im  Breisgau  wurde 
1308,  verstärkt  1324*),  verordnet:  „Nimet  ouch  ieman  ür- 
lop  vor  deim'rate,  und  wil  hinnan  vam  kriegen,  oder  anders 
tuon  das  imie  füget,  der  sol  dar  nach  nüt  me  in  die 
stat  vam,  er  noch  enkein  sin  knecht,  noch  nieman  der  imie 
dar  zuo  hilfet."  Für  einen  Einzelfall  wurde  gleiches  1410 
in  Hannover  besftimjralt *). 

Schließlich  hatte  das  Gesinde  in  verschiedenen  Ge- 
genden Teil  an  den  Erleichterungen  der  Steuer-  und 
sonstigen  Abgabenlast,  die  der  Dienstherr  erfuhr. 

Als  in  Friedberg  1354*)  eine  Fruchtabgabe  ein- 
geführt wurde,  erhielten  die  Btu-gmannen  samt  ihrem  Ge- 
smde  Freiheit  von  der  Steuer  mgebilligt.  Die  beschränkte 
Menge  Wein,  die  nach  einem  Revers  von  1394  •)  der 
Pfarrer  Johann  Fyde  in  seinem  zu  Friedberg  neu  gekauften 
Hause  halten  dtu^fte,  war  so  bestimmt:  „Auch  so  sal 
und  enwil  ich  keynen  wyn  da  kellern  odir  nyderlegen,  ez 
enware  'dan  zum  jare  ejn  fuder  wynss,  daz  ich  selbis  drin- 
ken  wulde  mit  myme  gesynde,  und  nit  darubir,  des  ich 


')  Ober  den  Judenschutz  wurde  oben  S.  274  ff.  bei  Behandlung 
<ier  Herrenhaftung  ftkr  das  Schutzgeld  das  Nötige  mitgeteilt.  — 
"JObcn  S.281.  —  •)  Schreiber,  Urkundenbuch  der  Stadt  Freiburg 
i-  Br.  I  S.  180,  251.  —  *)  Im  grossen  Stadtbuche  enthalten ;  Vaterl. 
Archiv  des  bist  Vereins  f.  N.-Sachsen  Jahrg.  1844  Heft  2—4,  S.  64l 
-•)Foltz,  Urkundenbuch  I  S.  198.  —  Für  Älteres  Recht  Nord- 
deutschlands vgl  auch  Goschen,  Goslarer  Statuten  S.  84.  — 
•)  Foltz  a.  a.  O.  S.  447. 


—    316    — 

auch  nymande  virkauffen  sal  noch  enwil  und  auch  nit  me 
ktellem  noch  nyderlegen.**  ^) 

Auch  in  Mockstadt  hatte  das  Pfarrgesinde  teil 
an  der  Befreiung  seiner  Herrschaft  von  der  Fastnachts- 
huhnabgabe,  wie  ein  Weistum  von  1365*)  anordnet.  Zu 
Worms  wurde  in  der  um'  1400  entstandenen  Ordnung 
der  Fergen  ^)  den  Bürgern,  die  auf  ihre  Wiesen  gelangen 
wollten,  der  Rheinzoll  erlassen.  „Item  suUen  sie  von  der 
btffger  mfedem  siejmjmeneim  knechten  mieden,  die  uff  ir 
wiessen  gent,  von  den  armen  luden,  die  rore  imd  holtze 
holent,  und  von  gresem  nusnit  nemen.**  Als  weiter  in 
Worms  1509  die  Freiheiten  der  Geistlichen  und  ihres  welt- 
lichen Gesindes  geordnet  wurden  *),  wurde  auch  bestimmt, 
daß  die  Objektlasten,  d.  h.  die  „Beschwerden  und  Bür- 
den, so  andern  weltlichen  Bürgern  ihrer  güttere  halber 
aufgelegt  werden",  von  den  Dienst leuten  gleich  andern 
Personen  getragen  werden  sollten.  „Was  aber  den  Per- 
sonen und  nicht  den  Güttern  aufgelegt  wird,  dess  sollen 
sie  frey  und  ledig  stehen,  ohn  alle  Beschwerde**. 


^)  Dies  Privileg  des  Haustrunks  zu  gunsten  des  Gesindes  besteht 
z.  B.  auch  nach  dem  münchener  Stadtrecht  Art  340  (Auer 
S.  132)  verbietet,  dass  die  Wirte  nach  der  Bierglocke  abends  noch 
ausschenken;  „doch  fleust  (s=  verleust)  chain  leitgeb  danimb,  ob  er 
seinem  ingesind  oder  seinen  gesten,  die  datz  im  ze  herberg  sind, 
nach  der  glocken  ze  trincken  geit''.  Ähnlich  ist  die  Bestimmung  in 
einem  Bierrezess  zwischen  Landgrafen  Wilhelm  von  Thüringen 
und  dem  von  Erffa  a\is  dem  Jahre  1463  (Strenge  -  Devrient,  Stadt- 
rechte  S.  69).  Wohl  um  nicht  zu  viele  Personen  des  Vorteils  ge- 
messen zu  lassen,  ordnete  das  duderstadter  Recht  (Gengier,  Dt 
Stadtrechte  S.  98)  an:  „Nymant  en  schal  der  ackerknechte,  noch  der 
deinstmegede  mehr  in  sin  huss  nehemen  wen  sesse,  dat  dey  kumpanie 
in  synen  huse  heffen,  den  hey  beyer  vorkouppen  wille."  Vgl.  ferner 
Stadtordnung  Heidelbergs  von  1465  (Oberrhein.  Stadtrechte  I 
S.  488 ff.,  bes.  487).  —  «)  Grimm,  Weistümer  III  S.  436 ff.,  bes.  436. 

—  •)  H,  Boos,  Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt  Worms,  I  3  S.  649. 

—  *)  Moser,  Reichsstätt.  Handbuch  II  S.  977. 


—    317    — 

In  ähnlicher  Weise  wie  in  Friedberg  1394,  nur  mit 
Herauskehnmg  der  Steuerfrage,  wurde  um  die  Mitte  des 
15.  Jhdts.  in  Miltenberg*)  angeordnet,  daß  nicht  „ver- 
bedet"  zu  werden  braucht,  „wie  viel  ein  man  hiissrat  hat, 
bette,  kann,  pfanne,  heffen,  wie  es  genant  si,  das  dar 
zu  gehöret,  .  .  .  den  er  zu  sinem  hussgesinde  hat  und 
heWet**,  ferner  Frucht,  Fleisch,  Obst,  das  der  Hausherr 
„mit  sinem  gesinde**  essen  will  „und  nit  verkeuffen  an- 
geverde".  InWeinheim  sicherte  die  Stadtordnung  von 
1489*)  auch  dem  Gesinde  der  „frien  person"  Freiheit 
von  „ungelt,  leggeh  imd  ander  bürgerlicher  beswer- 
niss"  zu. 

Eine  Festsetzung  aus  dem  1540  zwischen  Philipp  dem: 
Gr.  von  Hessen  und  den  Pfännem  zu  Sooden  an  der 
Werra  geschlossenem  Vertilge*)  sei  sodann  angeführt. 
Philipp  verheißt  den  Pfännem  und  ihren  Knechten  Frei- 
heit von  aller  Dienstbarkeit,  die  er  seinen  Salzknechten 
usw.  vielleicht  auferlegen  wird.  Daß  auch  in  späterer 
Zeit  die  Großen  im  Lande  Steuerprivilegien  für  sich  und 
ihr  Gesinde  sich  auszubedingen  verstanden,  zeigt  eine  Be- 
schwerde der  hessen -schau mburger  Ritter  von  1737*), 
die  sich  hierin  auf  Zusicherungen  von  1731  berufen.  Ganz 
Ähnliches  wie  die  wormser  Fergenordnung  ^)  bestimmte 
schließlich  die  Satzung  eines  Vergleiches  zwischen  der  Ge- 
naeinde  Kostheim^  und  dem  Kloster  Altenm-ünster 
zu  Mainz  vom  11.  Oktober  1730*).  Das  Recht  der 
Nachenfahrt  über  den  Main  haben  die  zur  Überfahrt  be- 
fahrt  bestellten  Fährleute  nicht  ausschließlich:    „wo  ein 


*)  Oberrhein,  Stodtrechte  I  S.  828.  —  «)  Ebenda  S.  894  ff.,  bes. 
3W,  398.  —  •)  U.  F.  Kopp,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Salzwerks 
in  den  Soden  bey  Allendorf  an  der  Werra.  Marburg  1788.  S.  100. 
—  *)  St  A.  Marburg.  Akten  der  Rintelner  Kanzlei  betr.  die  von 
i  Ritterschaft  beanspruchte  Jurisdiction,  1786—87,  Bl.  72  v.  - 
•)  Oben  S.  816.  -  •)  Nach  Notizen  Bodmanns  über  das  Recht  der 
Mainfahrt  zu  Kostheim  (Habeische  Sammlung). 


—    318    — 

Bürger  .  .  .  einen  eigenen  Nachen  hätte,  soll  demselben 
damit  für  sich  und  sein  Hausgesind  nach  Mainz  zu  fahren 
.  .  .  erlaubt  .  .  .  seyn**^). 

An  dieser  Stelle  angefügt  sei  schließlich  eine  Er- 
wähnung des  Gesindes  in  besonderem  Zusamknenhan^e. 
Die  Gemeindeordnung  für  Bühlertann  in  Schwaben 
von  1643*)  ordnet  an:  „Wan  gemeind  und  darinen  ein 
umfrag  gehalten  würdt,  soll  ainicher  gem^indsman  dem- 
andern,  auch  weder  weib,  kinder  und  ehehalten  im  wenig- 
sten nichts  davon  offenbahm,  wass  einer  oder  der  ander 
gtemeindsman  für  ein  antwort  oder  stimm  gegeben,  bey 


^)  Über  die  sonstigen  Beziehungen  des  Gesindes  zum  Steuerrecht 
seien  kurz  einige  Angaben  beigefügt.  Als  Steuersubjekt  kommt  das  Ge- 
sinde ausserordentlich  hftufig  vor,  insbesondere  auch  in  den  Zeiten  der 
Kopfsteuer,  in  den  TQrkensteuerordnungen  des  Reichs  und  den  daraufhin 
erlassenen  Landesordnungen.  Ein  sehr  frühes  Beispiel  solcher  Notbe- 
steuerung auch  des  Gesindes  wird  in  der  halberst.  Sachsenchronik  für 
1429  gemeldet  (Casper  Abels  Ausgabe,  Braunschweig  1732  S.  215); 
„de  Werlde  wart  geschattet"  wider  „de  Bemische  Ketter",  das  ge- 
meine Volk,  so  auch  die  Dienstboten,  geben  einen  böhm.  Groschen. 
Femer  Reichsabschied  1512  I  §  2  (Neue  u.  vollst  Sammlung  II  S.  Id8); 
späterhin  noch  weitere  Besteuerungen.  Aber  auch  als  Steuerobjekt 
muss  das  Gesinde  dienen,  als  Wertmesser  für  eine  gewisse  Höhe 
des  Wohlstandes.  Dienstbotensteuern  gab  es  vornehmlich  im 
Ausland,  England,  Holland,  Schweiz  (Wörterbuch  d.Volksw.  IIS.  442); 
in  England  insbesondere  wurde  während  der  letzen  Zeit  des  18.  Jhdts. 
eine  Bedientensteuer  eingeführt  (KrQnitz  S.  712).  In  Preussen  schuf 
Hardenberg  1810  eine  allgemeine  Luxussteuer  auf  Dienstboten,  Pferde, 
Hunde  und  Wagen  (Treitschke,  Deutsche  Gesch.  l  S.  870).  Auf  der 
Grenze  von  Subjekt-  und  Objektsteuer  steht  das  oben  S.  272f.  mitge- 
teilte mainzer  Recht  von  1701.  —  Einen  eigenartigen  Einfluss  auf 
die  Steuerlast  des  Dienstherm  übte  das  Gesinde  nach  eisenacher 
Willkür  des  14.  Jhdts.  aus  (Strenge  -  Devrient,  Stadtrechte  S.  82). 
Vom  Grundbesitz  braucht  nur  der  dritte  Teil  versteuert  zu  werden, 
„darumb  das  eym  yglichen  beerbten  manne  sein  erbe  auf  ein  ihaer 
nicht  mehr  den  den  dritten  teil  nuz  brenget,  wen  das  eine  teil  leigt 
in  brache,  das  ander  teil  wirdt  den  gesinde  zu  lohn,  der  dritte  teil 
kumpt  ym  zu  nuze".  —  ■)  Wintterlin,  Württemb.  Iflndl.  Rechts- 
quellen  I  S.  304  ff.,  bes.  882  f. 


—    319    — 

1  fl.  straff/'  Das  Gesinde  wird  hier  neben  Hausfrau  und 
Kindern  als  besondere  Vertraueasperson  des  Hausherrn 
genannt,  denen  gegenüber  die  Amtsverschwiegenheit  aus- 
drücklich eingeschärft  werden  muß. 

Die  hier  gegebenen  zahlreichen  Beispiele  dafür,  daß 
das  Gesinde  in  gleicher  Weise  wie  sein  Dienstherr  an 
Rechten  und  Pflichten  Anteil  bekam,  dürfen  nicht  zu  dan 
Irrtum  vteirleiten,  als  habe  dadurch  eine  soziale  Gleich- 
^ellung  in  die  Wege  geleitet  werden  müssen.  Nichts  lag 
unsem  klassenbewußten  Ahnen  femer.  Der  Unter- 
schied des  Standes  bleibt.  Das  Muntschaftliche  im 
Gesindeverhältnis  verlangt  nicht  nach  einer  Ausgleichung 
des  sozialen  Unterschiedes.  Im  Gegenteil;  die  Gemein- 
schaft kraft  herrschaftlicher  Gewalt  braucht  Untergebene. 
Zwar  stehen  die  der  Herrschaft  des  Hausvaters  Untertanen 
verwandten  Familienglieder  mit  diesem  auf  derselben  so- 
zialen Stufe.  Ihre  Unterstelltmg  unter  die  Macht  des 
Gemeinschaftsführers  wird  anders  als  durch  soziale  Min^ 
derung  herbeigeführt.  Die  Munt  verlangt  nicht,  daß  auch 
im  Stande  der  nicht  vorhandene  Unterschied  zwischen 
den  Gliedern  und  dem  Leiter  künstlich  herbeigeführt  wird. 
Aber  ebenso  gilt  das  umgekehrt.  Wo  die  soziale  Scheidung 
besteht  (wie  zwischen  Herrn  und  Gesinde),  liegt  kein  An- 
laß vor,  diesen  Unterschied  durch  Hebimg  des  Gesindes 
aus  seinem  Stande  heraus  zu  beseitigen  ^). 

Ja,  das  Klassenrecht  des  Mittelalters  ging  noch  wei- 
ter*). Es  nahm  einem«  Bürger,  der  in  Gesindedienste  ein- 

■)  Nur  vor  der  höchsten  Gewalt  fand  wenigstens  die  Theorie 
der  frommen  Betrachtung  einen  Ausdruck  für  die  allgemeine  Menschen- 
gleichheit von  Herrn  und  Diener.    Eüne  alte  Inschrüt  sagt  es: 

Der  Tod  ist  blind,  sieht  doch  all'  an, 

Er  schiesst  gewiss,  trifil  jedermann, 

Herr,  Knecht,  Frau,  Magd,  reich,  arm,  jung  alt, 

Wie,  wo,  wann  und  wer  ihm  gefallt. 
*)  Dass  das  Gesinderecht  aus  der  Zeit  der  Unfreiheit  der  Form 
nach  noch  hftrter  war,   braucht  nicht    hervorgehoben   zu   werden; 
Grimm,  Rechtsaltertümer  bes.  S.  839 ff. 


-    320    — 

trat,  seinen  sozialen  Ran^^  und  versafi^te  ihm  so  beispiels- 
weise das  Recht  des  Einhgers.  1303,  1428  und  1433 
wurde  in  Bremen  bestimmt^):  „Thenet  oc  en  borghere 
ether  enes  borgheres  sone  ummte  loon,  ed  scal  in  theneste 
wesen.  Hevet  ok  en  mfcui  enen  mach,  then  he  set  to  siner 
boden  tafle,  the  loon  openemet,  the  scol  oc  in  theneste 
wesen.  Jeghen  aldusdanne  knechte,  also  hir  vore  bescre- 
ven  stat,  en  schal  nen  borgere  to  leghere  ^)  komen,  noch  se 
jeghen  nenen  borgere."  Ebenso  war  das  Recht  in  0 1  d  e  n  - 
bürg*)  imd  in  Verden*).  Noch  deutlicher  redet  das 
Recht,  das  im  großen  Stadtbuch  Dortmunds*)  enthalten 
ist :  „Were  eyn  borghere,  dey  knecht  oder  ghesinne  werde 
eynes  heren,  ritters  eder  knapen,  die  gheseten  is  tusghen 
Wezere  unde  Ryn,  die  sal  siner  borgherscap  entweret  siin, 
hie  en  dede  dat  met  wulbort  des  rades.** 

Wenn  auch  diese  Quellen  einer  Zeit  angehören,  die 
vielleicht  die  Gegensätzlichkeit  der  Handwerker  zu  dem 
sich  ausbildenden  neuen  Stande  der  Hausdienstleute*) 
besonders  kräftig  hervorkehrte,  so  blieb  der  Unterschied 
zwischen  Handwerkern,  die  für  eine  künftige  Selbständig- 
keit arbeiteten,  und  Diensitboten,  die  eine  solche  Selb- 
ständigkeit nie  zu  erwarten  hatten,  doch  bestehen').   In 

»)  Ölrichs  S.  44;  337,  338;  1433  Stat.  77.  —  •)  Schiller- 
Lübbcn  II  S.  661.  —  •)  Ölrichs  S.  786fr.,  bes.  800.  —  *)  Pufen- 
dorf,  obs.  iur.  I  app.  S.  77 ff.,  bes.  117.  —  »)  Frcnsdorff,  Statuten 
und  Urteile  S.  67  ff.,  bes.  78  (Nr.  48,  49).  —  •)  Oben  S.  244  f.  - 
0  Gelegentlich  vorkommende  unbedeutendere  Rechtsunterschiede 
zwischen  Bürgern  und  Gesinde  kennen  den  Eindruck  noch  verstarken. 
So  wenn  in  Rastenberg  1491  nur  den  gesessenen  Bürgern,  nicht 
auch  Kindern,  Ges  i  nde,  Hausgenossen  u.  s.  w.  das  Fischen  gestattet 
wird,  oder  in  Rem  da  1686  das  Verbot  ergeht,  dass  Gesinde, 
Gflste  und  Bürger,  die  unter  fünf  Mark  verschossen,  Messer  tragen, 
die  langer  sind  als  das  Mal  an  Hofmanns  Haus  (Joh.  Schmidt,  Gesetze 
f.  Weimar  VIII  S.  2  ff.,  bes.  14 ;  27  ff.,  bes.  30).  Vgl.  ferner  Weistum 
von  Langenlonsheim,  letzter  Satz  (Grimm,  Weistümer  US. 
163  ff.,  bes.  166).  —  Zu  Goethes  Zeiten  war  Mägden  (und  Hand- 
werksgesellen) der  Aufenthalt  in  den  Esplanadeaniagen  zu  Weimar 


—    321     — 

den  Städten  gehörte  eben  das  Gesinde  nicht  zu  den  Bür- 
gern, ^^cmdem  nur  tvL  den  „Einwohnern"  ^).  Und  auch  auf 
den  Dörfern  mit  ihrer  noch  heute  unvermindert  harten 
Standesscheidung  zählte  man  das  Gesinde  nicht  als  voll- 
berechtigte Gemeindeglieder,  sondern  als  Beisassen  wie 
die  noch  nicht  selbständigen  Kinder*).  Die  ächtende  Wir- 
kimg des  Gesindedienstes  verlor  sich  späterhin  in  einem 
gewissen  Maße.  Nach  der  oben  *)  angeführten  Reichs- 
handwerksordnung  von  1731  sollte  einem  Hand- 
werksgesellen ein  vorübergehender  Herrschaf  tsdielnst  nicht 
hinderlich  sein. 

Die  im  Verlaufe  der  Dai^elltmg  mitgeteilte  Fülle  von 
Belegen  für  die  müntschaftliche  Anschauung  des  Gesinde- 
verhältnisses reicht  bis  ins  19.  Jhdt.  hinein.  Nicht  überall 
hat  die  rationalistische  Auffassung  des  Gesinde  Vertra- 
ges, die  gegen  Ende  des  18.  Jhdts.  in  die  Praxis  überzu- 
gehen anfing,  die  Ausscheidtmg  jener  Elemente  bewirkt. 
Im  preußischen  Recht  ist  eine  Entfernung  verschiedener, 
bequemer  Weise  „jÄtriarchalisch**  genannter  Bestimmun- 
gen aus  dem  Gesinderecht  in  der  Zeit  des  ALR.  er- 
folgt *).  Vielleicht  ist  das  in  eineon'  Zuge  mit  der  Zertrüm- 
merung der  vielen  Feslseln  des  Gesindes,  die  damials  ge- 
sprengt wurden,  vor  sich  gegangen.  Die  rtihigere  Ent- 
wicklung im  Welsten,  die  solche  Gewaltkuren  nicht  nötig 
hatte,  ging  zu  einem*  sehr  großen  Teile  damials  nicht  zu 
anderen  Grundsätzen  über,  sondern  begnüg^te  sich  mit 
einer  formellen  Neubildung  des  Gesinderechts.  Typisch 
hierfür  sind  die  beiden  großen  hessischen  Gesindeord- 
nungen, die  ja  in  die  hohe  Zeit  der  preußischen  Rechts- 
geschichte fallen.    Sie  nehmen  Einiges  aus  dem-  preußi- 


verboten  (Wilhelm  Bode,  Damals  in  Weimar,  Weimar  1910,  S.  24); 
gleiches  Verbot  bestand  für  die  Aue  in  Gas  sei  nach.  Verordnung 
von  1745  (LO.  IV  S.  842), 

*)  Schröder  RG.  S.  648*   —  •)  Maurer,  Dorfverfassung  I  S. 
143.  -  »)  S.  245.  -  *)  Hedemann  S.  202. 

K8BD«eke.  fl 


—    322    — 

sehen  Recht  hinüber ;  aber,  was  sie  an  Äußerungen  über 
die  muntschaf  tliche  Art  des  Gesindewesens  enthielten,  das 
behalten  sie  auch.  Nichts  wird  hinzugetan  und  nichts  ge- 
nommen; das  Verhältnis  zwischen  Brotherm  und  Dienst- 
boten ist  genau  so  viel  und  so  wenig  Vertragszustand  wie 
bisher. 

Wie  die  Übertragiuig'  der  Herrschaftspflichten  und 
Rechte  auf  den  Dienstherm  sogar  durchaus  mit  den  da- 
maligen modernen  Vertragsideen  verträglich  war,  zeigt 
die  aschaffenburger  Gesindeordntmg  von  1811  *),  die 
ihre  neufranzösische  Abkunft  in  nichts  verleugnet.  Die  all- 
mächtige Polizei  verleiht  hier  dem  Hausvater  das  uralte 
Hausrecht  unter  neuem!  Namien  zu  neuem  Rechte.  §2  lau- 
tet: „Insofern  der  Dienstherr  als  Familienhaupt  die  häus- 
liche Ordnung  handhabt,  überträgt  die  Polizei  dem  Dienst- 
herrn die  Wachsamkeit  über  das  Dienstgesinde,  und  in 
Zuversicht  auf  diese  häusliche  Wachsamkeit  begiebt  sich 
die  Polizei  jeder  Einmengung  in  Dienstbothen  Angelegen- 
heiten in  solange,  als  solche  das  Innere  der  Hausshaltun- 
gen nicht  überschreiten,  oder  der  Dienstherr  und  Gesinde 
ihren  Beistand  anzurufen  nicht  nothwendig  findet."  Völlig 
in  Einklang  hiermit  ist  es,  wenn  in  §  26,  wo  die  Treu- 
pflichten des  Gesindes  aufgezählt  werden,  ihm  insbeson- 
dere auferlegt  wird,  „im  Falle  der  Noth  und  augenblick- 
licher Gefahr  das  zu  thun,  was  jedes  andere  Glied 
der  Familie,  nach  seinen  Kräften  und  Um'ständen,  in 
diesem  Falle  nicht  verweigern  würde."   Und  dann  heißt 
es  noch  in  §  31:  „Der  Dienstgeber  a  1  s  Familienvater 
und   Hausherr  ist  verbunden",  dem  Gesinde  Lohn, 
Kost  imd  das  übrige  zu  reichen. 

Es  handelte  sich  in  diesem«  Kapitel  darum',  den  Begriff 
des  Gesindes,  seine  Unterscheidungsmerkmale  gegenüber 
andern   Berufen  xmd   Ständen  festzustellen.    Wirkungen 

■)  St.  A.  Marburg  Akten  der  Pracfektur  Fulda,  Landes-Polizci, 
Aufsicht  aufs  Gesinde,  1128. 


—     323     — 

gerade  der  Muntidee  treten,  wie  schon  bemerkt,  noch  an 
vielen  andern  Stellen  des  gesamten  Gesinderechts  auf, 
ohne  daß  in  dieser  grundlegenden  Feststellimg  zunächst 
darauf  eingegangen  zu  werden  brauchte.  An  ihrem  Platze 
wird  auf  die  Hervorhebimg  der  sonstigen  muntartigen  Be- 
sonderheiten der  nötige  Bedacht  genommen  werden.  Viel- 
leicht das  wichtigste  Stück  aus  dem  weiterhin  zu  berück- 
sichtigenden Muntrechte  ist  die  Pflicht  der  Dienstherr- 
schaft zur  Krankenfürsorge*),  deren  Grundlagen  ja 
erst  in  der  neuesten  Zeit  so  völlig  verändert  worden  sind. 

S  2.    Die  Beschaffung  der  Dienstboten 
(Der  Gesindemarkt). 

Nicht  die  Lohntaxen  und  nicht  die  Vorschriften  über 
Vertragstoruch,  Abspenstigmachen  oder  Untreue  sind  die 
häufigsten  Rechtssätze,  die  im  Gesinderecht  vorkommen; 
das  sind  vielmehr  die  meist  nur  nebenher  beachteten 
(und  allerdings  auch  nur  nebenher  erscheinenden)  Bestim- 
mungen über  die  Herbeischaffimg  des  nötigen  Gesinde- 
materials, was  auf  die  mannigfaltigste  und  absonderlichste 
Weise  versucht  wird. 

Die  Klagen  über  Mangel  an  Gesindeangebot  sind  bei 
weitem  die  dringendsten,  welche  die  Dienstherrschaften 
erheben;  mit  der  größten  Regelmäßigkeit  geben  die  Re- 
gierenden, die  ja  auch  Dienstherrschaften  zu  sein  pflegen, 
dem  herrschaftlichen  Empfinden  nach  imd  bringen  die 
Klagen  vornehmlich  in  Einleitimgen  zu  gproßen  Gesetzen 
beweglich  zum  Ausdruck.  Aus  diesen  vielen  Äußerungen 
der  Gesetzgeber  darf  man  keine  weitgehenden  Schlüsse 
auf  den  Gesindemangel  herleiten;  man  bekommt  ja  doch 
nur  eine  Partei  zu  hören. 

Eine  fortlaufende  statistische  Berechnimg,  wie  weit 
die  Beschwerden  über  das  Auseinandergehen  von  An- 

>)  Unten  §  11. 

21* 


—     324    — 

gebot  und  Nachfrage  auf  dem  Gesindemarkt  in  der  Ver- 
gangenheit berechtigt  waren,  läßt  sich  aus  Mangel  an  jeg- 
lichem Material  nicht  ausführen.  Volkszählungen  konnten 
keinen  Stoff  zur  Beurteilung  liefern,  da  über  den  Um- 
fang der  Ai^beitslosigkeit  in  der  Vergangenheit  Erhebun- 
gen nicht  veranstaltet  worden  sind;  die  Volkszählungen 
könnten  bei  ihrem  vereinzelten  Auftreten  auch  immer  nur 
Material  für  ihr  Jahr  geben,  das  durch  vorangegangene 
Kriege,  Krankheiten  oder  Hungersnöte  vielleicht  ein 
außergewöhnliches  Gepräge  erhält. 

Jedenfalls  steht  das  fest,  daß  die  Behauptung  einer  vor- 
wiegenden Gesindenot  in  der  Vergangenheit  aus  Quellen 
nicht  bewiesen  werden  kann.  Die  Tatsache,  daß  während 
des  Mittelalters  auch  in  der  dienenden  Klasse  das  weibliche 
Geschlecht  überwogt),  sagt  nichts  zu  dieser  Frage,  son- 
dern bekundet  nur  etwas  über  die  Zusammensetzung  des 
Gesindes  in  sich,  ohine  es  in  Beziehung  zu  den  nach- 
fragenden  Dienstherrschaften  zu  setzen. 

Das  bei  weitem'  wirksamste  Mittel  zur  Gesindebeschaf- 
fung war  der  Zwangsdienst.  Man  muß  hierbei  ver- 
schiedene Arten  unterscheiden. 

Der  Zwangsdienst  des  älteren  Rechtes  bestand 
in  Westfalen  und  Hannover.  Hier  mußten  schon 
im  14.  und  15.  Jhdt.  die  Kinder  der  Eigenbehörigen  dem 
Herrn  als  Gesinde  ein  Jahr  lang  dienen  ^).  Welches  der 
Ursprung  dieses  Rechtes  war,  mag  dahingestellt  bleiben. 

Wichtiger  ist  der  Zwangsdienst  des  neuerenRech- 
t  e  s,  wie  er  vornehmlich  in  Ostdeutschland  und  in  Bayern 
vom  16.  Jhdt.  an  entstand;  er  erfuhr  eine  weitergehende 
Ausbildimg.  Es  gibt  zwei  Formen  dieser  Art  Untertanen- 
pflicht. 


»)  Bücher,  Die  Frauenfrage  im  Mittelalter  S.5.  -  «)  Wittich, 
Die  Grundherrschaft  in  Nord  Westdeutschland  S.  289  ff.;  dazu  Grimm, 
Weistümer  III  S.  68,  147,  156,  199,  901,  208,  207;  Kind linger,  Gc- 
schichte  der  Hörigkeit  S.  97  ff. 


—     325    — 

Die  Kinder  der  unfreien  Bauern  waren  entweder  ver- 
pflichtet, sich  für  den  Fall,  daß  sie  sich  zu  vermieten 
vorhatten,  der  Gutsherrschaft  ziun  Dienen  anzubieten.  Erst 
\sitnn.  diese  Herrschaft  erklärt  hatte,  von  dem  ihr  zu- 
stehenden Vormieterechte  keinen  Gebrauch  zu  ma- 
chen, oder  wenn  die  mehreren  Jahre  Dienst,  auf  die  der 
Herrschaft  das  Vorrecht  zustand,  von  dem  Dienstboten 
ausgedient  waren,  durfte  dieser  sich  auch  an  anderen  Stel- 
len vermieten.  Die  andere  Form  bestand  darin,  daß  der 
Herrschaft  ein  absolutes  Recht  auf  einige  Dienstjahre  der 
Bauemkinder  zustand,  mochten  diese  nun  überhaupt  die 
Absicht  haben,  zu  dienen,  oder  nicht.  Dies  ist  der 
Zwangsdienst  im  engeren  Sinne. 

Man  darf  aber  zwischen  den  beiden  Arten  keine 
allzu  großen  Verschiedenheiten  annehmien.  Denn  die 
Kinder  der  untertänigen  Bauern  hatten  doch  stets  die  Ab- 
sicht, vor  der  Heirat  erst  einige  Zeit  in  Gesindedienste 
zu  gehen.  In  Wirklichkeit  stellt  sich  das  Vormieterecht 
nur  als  eine  Benachteiligimg  der  anderen  Dienstherrschaf- 
ten im  Lande  dar,  während  es  für  die  Bauemkinder  nur  in 
den  Ausnahmefällen,  wo  sie  wirklich  einmJal  nicht  die  Ab- 
sicht zu  dienen  hätten,  eine  Grausamkeit  und  Ungerechtig- 
keit im  Vergleiche  zum'  absoluten  Zwangsdienste  war.  Die 
Form  der  Vonniete  schont  anscheinend  das  Selbstbestim- 
mungsrecht  der  Bauemkinder  mtehr,  als  es  der  absolute 
Zwangsdienst  tut.  Ein  praktischer  Unterschied  aber  ist  in 
der  Regel  nicht  vorhanden. 

Über  das  Vorkomimlen  des  neueren  Zwangsdienstes 
beider  Formen  iml  O  sten  Deutschlands  liegen  schon  meh- 
rere teilweise  gründliche  Arbeiten  vor  ^),  durch  welche  die 
Frage  für  diese  Gebiete  genügend  geklärt  ist.  Es  sei  vor 
Behandlung  der  west-  imd  süddeutschen  Geschichte  ganz 


*)DieWcrke  von  Fuchs,  Wut tke,  Knothe,  Frauenstädt, 
Lenn hoff  sind  im  Literaturverzeichnis  näher  bezeichnet. 


—    326     — 

kurz  auf  die  Entwicklung  des  Rechtes  im  Osten  einge- 
gangen. 

Schon  im  ersten  Teile  wurde  ausgeführt,  welches  die 
Gründe  für  das  Vorkommen  des  Zwangsdienstes  im  Osten 
waren,  die  Größe  der  Betriebe,  die  dadurch  bedingte 
Leutenot,  die  politische  Macht  der  Großgrundbesitzer^). 

Mit  dem  Beginne  des  16.  Jhdts.  gelangten  die  meisten 
der  östlichen  Staaten  zur  Einführung  des  Zwanges.  In 
Brandenburg  begann  man  1518  nüt  der  Vor- 
miete*). Eine  „subsidiäre  Gesindedienstpflicht**  der  Bau- 
emkinder  entwickelte  sich  in  Pommern  zu  Anfang 
desselben  Jahrhunderts*).  Schlesien  führte  1545 
die  Vormiete  ein*).  Wie  in  Pomimem  liegen  auch 
für  die  Oberlausitz  die  ersten  Beispiele  von  Dienst- 
zwang aus  dem  Anfange  des  16.  Jhdts.  vor;  die  Lan- 
desordnimg  von  1539  sanktionierte  den  Zustand*).  Am 
spätesten  geschah  etwas  in  dieser  Richtung  in  Kur- 
sachsen. Es  kommen  gelegentliche,  ganz  vereinzelte 
Maßnahmen  großer  Herren  zur  Begründiuig  eines  Dienst- 
zwanges in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  vor;  1568 
wurde  auf  den  kurfürstlich  sächsischen  Vorwerken  das 
Vormieterecht  eingeführt.  Die  allgemeine  Einrichtung  des 
Zwangsdienstes  geschah  nach  langen  Vorverhandlimgen, 
die  besonders  von  1609  an  dringlich  von  den  Gutsbesitzern 
betrieben   wurden,   erst   1651   in   Form  der  Vormiete®). 

»)  Oben  S.  29ff.  -  «)  Lennhoff  S.  2,  105.  -  •)  Fuchs  S.  54. 
—  *)  Frauenstädt  S.  875.  —  »)  Knothe  S.  280.  —  •)  Wuttke 
S.  40,  42,  80,  84  Welche  Ersparnis  der  Zwangsdienst  fl\r  den  Guts- 
herrn bedeuten  konnte,  sieht  man  aus  einer  Notiz  in  R.  C.  Ben* 
ningsens  Abhandlung  vom  Anschlag  der  Gother  in  Sachsen;  1771 
S«  821.  Benningsen  gibt  hier  als  Musterbeispiel  den  Anschlag  eines 
fingierten  Ritterguts  Adelsheim  und  bemerkt:  „Der  Dienstzwang  ist 
hier  gar  beträchtlich, . . .  daher  fast  niemals  frem  des  Gesinde 
not h ig  ist."  Da  Benningsen  praktisch  brauchbare  Ratschläge  und 
Anschl&ge  geben  will,  ist  wohl  kaum  anzunehmen,  dass  er  dies 
Idealbild  eines  bloss  auf  Zwangsgesinde  angewiesenen  Gutes  frei 
erfunden  hat;  er  wird  genug  Besitzungen  kennen  gelernt  haben,  die 


—     327     — 

Die  Befreiungsgesetze  des  19.  Jhdts.  berichten  überall  die 
endgültige  Abschaffung  des  Dienstzwanges. 

Für  die  Länder  des  westdeutschen  Kleinbetriebes 
bedeutete  der  Zwangsdienst  —  in  der  Form'  des  absoluten 
Zwanges  oder  des  Vormieterechtes  —  eine  Ausnahme. 

Am  rusamimenhängendsten  ist  das  Gebiet  des  Zwangs- 
dienstes in  B  a  y  e  r  n.  Hier  durften  die  Grundherrn  zur  Er- 
richtung eines  Hofbaues  die  Scharwerke  ihrer  imtertänigen 
Bauern  nur  in  beschränktem  Maße  heranziehen;  die  dar- 
über hinaus  erforderliche  Arbeit  verrichteten  Taglöhner 
und  Gesinde*).  Die  Schaffung  des  Zwangsdienstes  zur 
Sicherung  des  nötigen  Gesindematerials  lag  daher  nahe. 

Schon  1516  wurde  die  Einführung  der  Vormiete  auf 
den  herzoglichen  Hofbäuen  gestattet  *).  1553  erfolgte  die 
Verleihung  dieses  Zwangsrechtes  auch  an  die  sonstigen 
Herrschaften  des  Landes;  das  Landrecht  von  1616  blieb 
dabei  ^).  Im  Codex  Maximilianeus  schließlich  geschah 
1756  die  Einführung  des  absoluten,  allgemeinen  Gesinde- 
zwangsdienstes der  Bauemkinder  *),  es  wurde  nämlich  be- 
stinmit,  „dass  die  Jurisdiktionstmtertanen  auf  dem  Land 
sich  ihrer  Herrschaft,  sofern  sie  dieselbe  bedarf,  sowohl 
zum  Schloss-  und  Hofbau,  als  anderen  anständigen  Dien- 
sten, jedoch  andergestalt  nicht,  als  in  der  Hofmark  und 
um  gebräuchlichen  Lohn,  wenigstens  auf  einige  Jahre 
zu  verdingen  schuldig  sind**. 

Wie  weit  die  Gutsherrn  in  der  Geltendmachung  ihrer 
ungerechten  Rechte  zu  gehen  wagten,  zeigt  ein  Bericht 
des  Pfleggerichtes  Biburg  an  den  Kurfürsten  vom  2. 
August  1781  *).  Es  wird  hier  die  Bestimmung  der  neuen 
Gesindeordnung  (von  1781)  erwähnt,  daß  Ziehzeit  Licht- 
tatsächlich  nur  den  geringeren  Zwangslohn  in  ihr  Budget  einzustellen 
brauchten. 

*)  Brentano,  Warum  herrscht  in  Altbayem  bäuerl.  Grund- 
besitz? in  Ges.  Aufsätze  I  S.  228 ff.,  bes.  248.  —  *)  Platzer  S.  6  - 
•)  Ebenda  S.  7.  —  *)  Ebenda  S.  6.  —  »)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz. 
404  Nr.  7. 


—    328    — 

meß  und  Michaelis  mit  jährlichen  Dienstzeiten  sein  soll. 
„Da  nun  in  hiesigen  und  andern  viellen  gegenden  die  Hof- 
marchs  Herrschaften  ohne  alle  Rücksicht  mitten  in  der 
Dienstzeit  je  nach  ihrer  Willkühr,  und  Bedürfnis  ihre  Un- 
terthans  Kinder  aus  fremden  Diensten  ab,  und  zu  sich 
in  Zwang  Dienste,  zu  welchen  Sie  durch  Herfcommfen 
berechtigt  zu  seyn  behaupten,  zu  ruffen  pflegen",  wird 
leine  Resolution  hierüber  erbeten.  Diese  in  Form  eines 
allgemeinen  Patentes  an  mehrere  Ämter  am  13.  und  24. 
August  1781  lerlassene  Resolution  geht  dahin,  „dass,  wenn 
schon  eine  Hofmarchs  Herrschaft  befugt  seyn  sollte,  die 
Kinder  ihrer  Unterthanen  zu  sich  in  zwang  Dienste  zu 
nehmen,  so  darf  jedoch  dieselbe  ein  solches  unter  der  zeit 
einem  andern  Baum  oder  Dienstherrn  außer  den  be- 
stimmen Tetminen  keineswegs  abnehmen,  und  kann  ein 
derley  Unfug  durch  kein  auch  uraltes  Herkommen,  oder 
sonstigen  Titl  jemals  gerechtfertiget  werden.** 

Erst  1801  aber  wurde  wieder  das  frühere  mildere 
Vormieterecht  neu  geschaffen,  1808  schließlich  mit  der 
Leibeigenschaft  auch  es  abgetan  *).   In  Bayern  imd  öster- 


*)  Platzer  S.  8,  9.  In  seinem  oben  angeführten  Aufsatze  bemüht 
sich  Brentano,  zu  beweisen,  dass  es  in  Bayern  mit  dem  Zwangs- 
dienste gar  nicht  so  schlimm  gewesen  sei,  dass  die  brandenburgischen 
Gutsherren  jedenfalls  in  viel  weiterem  Umfange  sich  des  Mittels  be- 
dient haben.  Der  Vergleich  ist  soweit  ohne  Zweifel  richtig.  Aber 
das  Gemeinsame  zu  betonen,  unterlässt  Brentano  leider.  Diese  Gleich- 
heit der  Entwicklung  aber  ist  nicht  wegzuleugnen.  Bayern  war  das 
Land,  wo  ausser  im  Osten  der  Zwangsdienst  —  ob  als  Vermiete 
oder  als  strenger  Zwangsdienst,  ist  nach  dem  Gesagten  einerlei  — 
am  verbreitesten  war.  Weshalb  noch  Unterschiedlichkeiten  kon- 
struieren zwischen  dem  freien  Bayern  imd  dem  egoistischen,  gross- 
agrarischen Preussen,  Unterschiede,  die  in  Wirklichkeit  gerade  das 
Gegenteil  darstellen,  nftmlich  eine  für  Bayern  beschämende  Überein- 
stimmung der  Rechtsentwicklung  mit  der  preussischen  Geschichte. 
Es  gibt  doch  noch  genug  andere  in  der  Tat  vorhandene  Verschieden- 
heiten zwischen  der  Geschichte  der  beiden  Länder,  womit  man  in 
ausreichendem  Umfange  operieren  kann. 


—    329     — 

reich  heißen  die  Jahre,  die  ein  Bauernkind  beim  Zwangs* 
herrn  dienen  muß,   „Waisel jähre*'  oder  Pariser  Jahre  ^). 

Das  Gebiet  des  Zwangsdienstes  war  nicht  auf  Alt- 
bayem  beschränkt.  Noch  weitere  Gegenden  südhch  der 
freimachenden  Mainlinie  hatten  Teil  daran. 

Das  brandenburgische  Franken  ist  in  erster 
Linie  zu  nennen.  In  einem'  Rezeß  mit  der  voigtländischen 
Ritterschaft  vom  8.  Juni  1626  2)  lieferte  der  Fürst  das 
Gesinde  den  Herren  aus.  Unter  Nr.  27  heißt  es :  „Halten 
wir  nicht  vor  unbillig,  dass  deren  von  Adel  Unterthanen 
Kinder  um  gebührl.  billigen  Lohn  vor  andern  imd  frem- 
den Ihnen  zu  dienen  angewiesen  werden;  jedoch  dass 
gleichwohl  kein  Missbrauch  imd  diese  Ungebühr  mit  unter- 
laufe, dass  da  einer  oder  der  andere  mit  Vorwissen  seiner 
Herrschaft  in  andere  Dienste  sich  eingelassen,  er  hernach 
ehe  und  dann  die  bedingte  Zeit  sich  endet  ztim  Nach- 
theil und  Ungelegenheit  des  Dritten  abgefordert  werden 
möchte.** 

Die  Taxordnung,  datiert  Hof  31.  Januar  1652^),  setzt 
gleiches  Recht,  in  der  Begründung  beschönigend  auf  die 
Guttaten  der  Zwangsherrschaft  verweisend:  ,,Es  ist  bey 
Unserer  Cantzley  auch  klagend  vorkommen,  dass  der  Un- 
terthanen oder  Hintersassen  erwachsene  Kinder,  die  ohne 
das  andern  dienen  und  arbeiten,  ihrer  Lehen- Herrschafft 
^er  Gerichts-Herrn  weniger,  als  einem  frembden,  zu 
willen  seyn  wollen,  da  ihnen  doch  eben  der  Lohn,  den  sie 
l^ey  andern  haben,  geboten  worden.  —  Wann  aber  dieses 
ein  blosser  Muthwill,  Eigensinnig-  und  Undanckbarkeit  zu 
seyn  scheinet;  In  betrachtung,  daß  der  gleichen  Personen 
von  solch  ihren  Lehen-  und  Gerichts-Herrschafft  allerley 
Gutthat,  Hülff  tmd  Schutz  empfangen  und  geniessen,  auch 
hinter  derselben,  nach  ihrer  Eltern  Tod,  der  Erbschafft 

*)  Schmeller,  W.  B.  II  Sp.  1020;  Scherz,  Glossar  Sp.  1926; 
P^atzcr  S.  4.  —  •)  Kr.  A.  Bamberg.  CoUectanea  Rep.  187H  nr.  1. 
■"  ')  Kr.  A.  Amberg«    Zugang  6  Fasz.  24  N.  212. 


—    330    — 

lind  Güter  zu  gewarten.  Als  sollen  Unserer  und  anderer 
Lehen-  und  Gerichts-Herrn  Kinder  schuldig  seyn,  denen- 
selben,  auff  begehren,  vor  anderen  zudienen  und  zu  ar- 
beiten, widerigen  Falls  mögen  sie  bey  andern  auf fgetrieben 
und  verfolget  werden." 

Auch  in  Bamberg  bestand  das  Vormieterecht,  wohl- 
geregelt.  Die  Tax-  und  Gesindeordnung  von  1652*)  setzt 
für  der   Untertanen   Kinder  fest:    „Sollen    auch    schul- 
dig und   verbunden   sein,   da  sie   jhre   Eltern  in   deren 
Hausshaltungen  nicht  selbsten  bedürfftig,  sich  zu  fremb- 
den  nicht  ehender  zu  verdingen,  sie  haben  sich  dann  zu- 
vor bey  ihrem  Herrn,  undter  dem'  sie  gebohren  und  er- 
zogen, vor  sich  oder  durch  die  Eltern  angebotten,  welchen 
falls  sie  auff  begehren  jhrer  Herrschafft  zwey  Jahr  umb 
den  in  diser  unserer  Ordnung  gesetzten  Lohn  vor  andern 
zu  dienen,  oder  auch  da  sie  nit  zu  dienen  und  doch  umb 
das  Taglohn  zu  arbeiten  pflegen,  ebnermassen  jhren  Erb- 
herrn vor  f rembden  arbeiten,  im'  widreigen  und  da  sie  ohne 
ursach  jhrer  Obrigkeit  die  Dienst  oder  Arbeit  entziehen 
und  tmangezaigt  an  andere  Orth  vermieten  würden,  sollen 
sie  mit  Vorwissen  und  Hülff  der  Obrigkeit,  worunter  sie 
betretten  auffgetrieben  und  diu-ch  zwangs  Mittel  zur  Ob- 
servanz dieser  Ordnung  angehalten  werden.  —  Da  aber 
eines  Unterthanen  Sohn  oder  Tochter  nach  beschehener 
Anbietimg  inner  14  Tagen  von  jhrem  Herrn  nicht  ange- 
nommen würden,  solle  jhnen  alssdan  zugelassen  sein,  sich 
an  andere  Orth  zu  vermiethen,  in  massen  auch  diejenige 
so  sich  bereits  vor  Publicierung  dieser  unserer  Ordnung 
anderwerts  verdinget  hatten,  biss  zu  Endimg  dess  Jahrs  un- 
geirret  bleiben." 

Daß  in  K  o  b  u  r  g  Zwangsdienst  herrschte,  ergibt  sich 
aus  der  Gesindeordnung  von  1814*).    Da  wird  vqn  den 


*)  Kr,  A.  Bamberg.    Verordnungen  Rcp.  141   Nr.  69.   —  *)  v. 
Weber,  Statutarrechte  I  S.  1124. 


—     331     — 

Kindern  der  Hintersassen  die  Last  der  Zwangsdienste 
g^enommen,  die  sie  auf  den  Rittergütern  zu  leisten  hatten. 

Im  Fürsten txime  Altenburg  war  der  Zwangsdienst 
streng,  wie  die  Gesindeordnung  von  1744^)  sehen  läßt. 
Die  Untertanenkinder  müssen  ihren  Herrn  zwei  Jahre 
zwangsweise  dienen.  Der  Zwangslohn  ist  in  einer  Taxe 
seiner  Höhe  nach  begrenzt.  Aber  auch  nach  den  zwei 
Jahren,  die  sich  der  Herr  nach  Belieben  wählen  kann, 
sind  die  Dienstboten  noch  nicht  frei.  Ehe  sie  sich  später 
anderswohin  vermieten,  müssen  sie  sich  immer  wieder 
dem  vormieteber echtigten  Herrn  zum  Dienste  anbieten; 
doch  gilt  dies  merkwürdigerweise  als  freiwilliger  Dienst, 
wenigstens  soll  hier  die  Taxe  des  „frey willigen  Lohnes" 
angewandt  werden.  Sind  an  einem  Orte  zwei  Gerichts- 
herrn, dann  hat  jeder  Anspruch  auf  ein  Dienstjahr.  Da- 
mit das  Gesinde  rechtzeitig  weiß,  ob  es  in  dem  jeweiligen 
Jahre  zum  Dienste  genommen  wird,  soll  es  sich  sechs 
Wochen  vor  der  gewöhnlichen  Ziehzeit  dem  Zwangsherm 
zum  Dienste  anbieten.  Vierzehn  Tage  hiernach  muß  der 
Herr  erklären,  daß  er  den  Dienstboten  annehmen  will. 
Sonst  ist  dieser  für  dies  eine  Jahr  frei.  Wenn  ein  Unter- 
tan sein  Kind  selber  im  Hause  nötig  hat,  oder  wenn  das 
Kind  heiraten  kann,  dann  braucht  es  den  Zwangsdienst 
nicht  anzutreten  imd  darf  sogar  den  laufenden  Dienst 
verlassen  —  vorausgesetzt,  daß  ein  geeigneter  Ersatzdienst- 
bote beschafft  werden  kann. 

Früh  trat  die  Begehrlichkeit  der  Leibeigenherren  in 
Baden  auf.  In  Weitnau  bestimmte  1344  „des  gotz- 
huses  recht***):  „Swa  ouch  ein  gotzhus  man  het  ein  sim 
ald  zwen,  wen  su  dienon  umb  Ion,  so  son  su  dem  gotzhus 
umb  gewonlichen  Ion,  üb  ir  der  probst  bedarf.**  Zwei- 
hundert Jahre  danach  machte  sich  ein  Jimker  Vormiete- 
rechte auf  Tagelöhner  aus.  Ein  1551  gebildetes  Weistum 

')  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVIII  f  B  1119«.  -  «)  Grimm,  Weis- 
tümer  I  S.  811. 


—     332    — 

von  Zuzenhausen^)  setzt  nämlich  fest:  „Ein  iglicher 
taglohnner  zu  Zucaenhiausen  seihen  jtinckher  Hannsen 
von  Venningen  vor  andern  umb  den  tagklohn  zu  schaffen 
schuldigk**.  Auf  dem  Wege  war  mlan;  aber  die  Einflüsse 
mangelten,  die  auf  eine  Verwirklichung  des  Dienstzwanges 
mit  Erfolg  hinwirken  konnten. 

Genau  dieselbe  Feststellimg  kann  man  an  einem  an- 
derthalb Jahrhunderte  jüngeren  Fall  aus  der  württemb'er- 
gischen  Geschichte  machen.  Um'  das  Jahr  1700  schu- 
fen die  Grafen  Adelmiann  in  Schwaben  für  mehrere  ihrer 
Dörfer,  Hohenstatt  u.  a.,  erneuerte  Gebote  und  Ver- 
bote 2),  darunter  auch  dies:  „Sollen  ohne  vorwissen  und 
vergönnen  gnädiger  herrschiaft  keines  underthanen  noch 
haussgenossen  kind  noch  die  eitern  selbsten  in  aussherri- 
sche orth  sich  verdingen,  weniger  verheurathen  bey  unauss- 
bleibender  straff."  Noch  ein  Schritt  weiter  und  das  off en- 
barste  Vormieterecht  ist  in  voUkomimenster  Gestalt  ausge- 
bildet. Nichts  zeigt  so  deutlich  wie  dieser  adelmannsche 
Erlaß,  welche  Gefahr  die  gesetzgeberische  Allmächtigkeit 
der  adeligen  Grund-  oder  Gutsherren  in  sich  barg.  Auf 
dem  Umwege  über  ein  allgemeines  Aus wanderungs verbot 
ließ  sich  der  Dienstzwang  außerordentlich  leicht  herbei- 
führen. Der  Gesetzgeber  brauchte  nur  durch  eigenen 
Grundbesitz  an  der  Beschaffung  des  nötigen  Leutemate- 
rials interessiert  zu  sein ;  oder  die  Großgrundherren  muß- 
ten den  nötigen  Einfluß  auf  die  Regierenden  haben. 

In  Nassau  gab  es,  wie  es  scheint,  zunächst  auch  nur 
ein  Vormieterecht  der  Tagelöhner.  Zum-  Heumachen  und 
andern  Emtearbeiten  statuiert  sich  die  Herrschaft  ein 
solches  Recht  am  26.  Juni  1634^).  Spätestens  im'  I^ufe 
des  18.  Jhdts.  hat  sich  ein  seiner  Art  nach  nicht  bestimm- 
bares Zwangsrecht  zu  Gesindediensten  in  der  usingi- 

*)  Oberrhein.  Stadtrechtc  I  S.728flF.,  bes.  734.  — «)  Wintt erlin, 
Württembergische  landliche  Rechtsquellen  I  S.  442  ff.,  bes.  448.  — 
*)  Corps.  Const.  Nass.  II  S.  160. 


—     333     — 

sehen  Herrschaft  Idstein  herausgebildet;  wie  es  den 
Anschein  hat,  aber  nur  zu  gunsten  der  Landesherrschaft. 
Das  «ergibt  sich  aus  einem  Erlaß  vom'  15.  Dezember  1766  ^). 
Da  ist  von  einer  Beschwerde  der  Hofbeständer  über  die 
Untauglichkeit  der  gestellten  Knechte  die  Rede.  Bei  drei 
Gulden  Strafe  sollen  die  Schultheißen  nur  taugliche  Per- 
sonen 2ruln  Dienste  auswählen.  Diese  Dienste  werden  üb- 
rigens aus  zwei  Gründen  geleistet,  „m  Aufrechterhaltung 
der  Gerechtsamte  derer  Herrschaftl.  Höfe  und  nöthigen 
Application  jimger  Bauerskinder  zur  Landwirthschaft." 
Nach  dem  Inhalte  der  Ordnung  scheint  es  sich  um'  eine 
bestimimten  Dörfern  allgemein  obliegende  Pflicht  zur  Ge- 
stellung junger  Leute  für  vorübergehende  Arbeiten  zu 
handeln,  nicht  um'  Leistung  ständiger  Zwangsgesinde- 
dienste bestimtnter  untertäniger  Bauemfamilien.  Es  war 
also  m!ehr  eine  Art  der  gewöhnlichen  Bauernpflichten, 
wie  es  bei  den  Scharwerken  der  Fall  war. 

Daß  es  aber  außerdem  wirklichen  Gesindedienst- 
zwang gab,  zeigt  ein  Reskript  vom  7.  Dezember  1778  2), 
das  „die,  denen  leibeigenen  Unterthanen  Kindern  des 
Fürstl.  Oberamths  Idstein  gestattete  gänzliche  Redemtion 
ihres  Dienstzwangs  auf  die  herrschaftl.  Höfe,  und  zwar 
derer  Knechtsidienste  mit  1  Rthlr.,  der  Magdsdienste  aber 
mit  1  Fl.  zu  Fürstl.  Kellerey . .  .**  betrifft. 

Auch  noch  in  die  neuere  Zeit  setzte  sich  der  alte 
westfälische  Zwangsdienst 5)  fort,  wohl  unterstützt 
durch  die  Tendenz,  die  anderswo  srtir  Schaffung  des  Zwangs- 
dienstes neueren  Rechtes  führte.  Im'  18.  Jhdt.  wurde  in 
Münster  und  im  kölnischen  Recklinghausen  die  Frage 
des  Zwangsdienstes  geregelt.  In  der  münsterschen 
Eigentumsordnung  vom'  10.  Mai  1700*)  und  der  kurköl- 


*)  Verzeichnet  in  dem  von  H.  L.  Benz  1784  angelegten  Kata- 
loge idsteiner  Gesetze  S.  269  (St.  A.  Wiesbaden.  V  1  Nassau-Usingen. 
Generalia  II  t  Verordnungen).  —  •)  Ebenda  S.  889,  —  »)  Oben  S.  824. 
-  *)  Originaldruck  in  der  Univ.-Bibl.  Marburg. 


—     334    — 

ni sehen  Ordnimg  für  die  Leibeigenen  vom  3.  April 
1781  ^)  wird  fast  übereinstimmend  angeordnet  *) :  „Dann 
müssen  auch  der  Eigenbehörigen  Kinder  nach  erreichtem 
Dienstfähigem  Alter  bey  ihren  Guts-Herren  den  Zwang- 
Dienst  verrichten,  und  ein  halb  Jahr  (es  wäre  dann,  dass 
der  Guts- Herr  einen  längeren,  oder  der  Eigenbehörige  einen 
kürtzeren,  oder  gar  keinen  Zwang-Dienst  hergebracht  zu 
seyn,  beweisen  könte)  ohne  Lohn  für  die  Kost  dienen, 
jedoch  muss  der  Aufbott  zum-  Zwang-Dienst,  wann  die 
Kinder  bey  andern  würcklich  dienen,  zu  rechter  Edict- 
mäßigen  Mieth  Zeit  geschehen**  (Münster). 

Das  Vorkonunen  von  Zwangsdi^nsten  berücksichtigt 
ferner  die  clevische  Gesindeordnung  von  1753^1.  In 
§  5  wird  von  den  jungen  Dienstboten,  die  noch  nicht  ge- 
dient haben,  ein  Zeugnis  des  Predigers  oder  der  Gerichts- 
obrigkeit verlangt,  „und  zwar  von  Letzterer  sonderlich  in 
dem  Fall,  wenn  die  Kinder  der  Unterthanen  derselben 
zuforderst  zu  dienen  schuldig  sind**. 

In  Hessen  ist  es  nie  bis  zur  Ausbildung  auch  nur 
von  Ansätzen  des  Zwangsdienstes  gekommen.  Die  ge- 
messenen und  ungemessenen  Hand-  und  Spanndienste 
berührten  nur  die  Freiheit  der  Selbstbestinuntmg  bei  den 
arbeitspflichtigen  Bauern,  imd  auch  hier  nicht  auf  längere 
zusammenhängende  Zeiträume,  sondern  nur  für  die  Ver- 
richtung der  einzelnen  schuldigen  Arbeit.  Auf  die  Kin- 
der der  Bauern  imd  für  eine  längere  Zeit  erstreckten  sich 
die  Pflichten  nur  in  Ausnahmefällen.  Gab  es  somit  keine 
Gesindezwangsdienste,  so  koimten  doch  die  gewöhnlichen 
Hand-  und  Spaimdienstpf lichten  ihrerseits  einem  anderweit 
abgeschlossenen  Gesindedienstvertrag  hinderUch  sein,  so 
daß  indirekt  eine  Art  Zwang  zum  Diensteintritt  gerade 
beim  Gutsherrn  bestand. 


')  Scotti,  Köln  I  2  S.  1004.   -    •)  IV  6;  II  17.   —    •)  Scotti, 
Cleve  S.  1452.  - 


—    335    — 

Von  diesen  Verlegenheiten,  in  die  der  Mieter  von 
handdienstpflichtigem  Gesinde  kommen  konnte,  gibt  ein 
Brief  des  marbnrger  Deutschordenskomthurs  Georg  Da- 
niel von  Habel  an  Rudolf  Wilhelm  von  Radenhausen, 
datiert  21.  Juni  1651  ^),  Kimde :  „Ich  habe  hierdurch  zu- 
ersuchen  gehabt,  Nachdem  sich  Merten  Ebert  von  Grossen 
Seelheimb  bey  mtein  Geschirr  daselbsten  vor  einen  Knecht 
bestellen  lassen,  dem  Vettern  aber  mit  gehenden  Diensten 
?erhafft  undt  bey  dehrer  Verrichtung  das  Geschirr  zu 
meinem  mercklichen  schaden  undt  uffhalt  still  halten  moiß. 
Er  wolle  obgedachten  Merten  Ebert  solcher  gehenden 
Diensten  befreyen.  Welches  ich  umb  den  Vettern  ander- 
wertig  vorschulden  will,  ihn  darmit  Gott  zu  gnaden  emp- 
felent." 

Weiter  als  in  Hessen  reichte  die  Begehrlichkeit  der 
großen  Herren  in  der  Provinz  Schaumburg.  Der 
schaumburgischen  Ritterschaft  stand  auf  Grund  einer  Ver- 
leihung durch  Elisabeth  Gräfin  von  Schaumburg  aus  dem 
Jahre  1640  2)  die  Jurisdiktion  über  ihr  Hausgesinde  in 
kleinen  Sachen  zu.  Während  des  18.  Jhdts.  bemühten 
sich  die  Ritter  um  neuerliche  Anerkenmmg  ihres  Rech- 
tes^). Ob  dies  Streben  Erfolg  gehabt  hat,  ist  den  Akten 
nicht  zu  entnehmen;  wahrscheinlich  ist  es  aber  nach  dem 
Inhalte  der  Vorberichte  nicht.  Kein  Erfolg  war  den  1798 
auf  dem  Landtage  gemachten  weiteren  Bemühungen  der 
Ritter  um  Einführung  einer  Art  Zwangsdienst  beschieden ; 
im  ersten  Teile  *)  wurde  das  Nähere  hierüber  ausgeführt. 

Die  Geschichte  des  Zwangsdienstrechtes  in  Deutsch- 
land außerhalb  des  Ostens  und  Bayerns  ist  hiemach  nicht 
allzu  umfangreich.  Es  konnten  hier  vorwiegend  nur  die 
Rechtssätze    des  Zwangsrechtes    dargestellt  werden. 


')  St.  A.  Marburg.  Amöneburger  Stiftsarchiv.  —  •)  St.  A.  Mar- 
burff.  Rintelner  Kanzleiarcliiv  betr.  die  von  der  schaumburg.  Ritter- 
schaft prartendirte  Jurisdiction  Ober  ihre  Eigenbehörige  und  Domes- 
tiqucn.  1786-87,  Bl.  10.  -  »)  Ebenda.  —  *)  Oben  S.  100  ff. 


—     336     — 

Über  Üie  wirtschaftlichen  Grundlagen  der  für  die  Ländei 
des  westdeutschen  Kleinlandes,  so  Nassau,  auffallenden 
Erscheinung  mögen  weiter:gehende  Studien  vielleicht  nocli 
Erklärungen  finden.  Ein  Eingehen  hierauf  verbietet  sich 
jedoch  an  dieser  Stelle  ^). 

Zum  Abschliisse  der  Darstellung  des  Zwangsrechtes 
sei  die  Äußerung  Seumes,  eines  der  edelsten  Deutschen, 
darüber  wiedergegeben.   Anfang  November  1805  schrieb 
er  in  einem  Briefe  an  Karl  August  Böttiger  *) :    „Ich  bin 
eben  kein  Gegner  der   Monarchie,  werde  aber  bis  zum 
letzten  Athenlzuge  Gegner  sein  der  Ung'erechtigkeiten  und 
Bedrückungen  imd  Freiheiten  und   Privilegien  und  des 
ganzen  Unfugs  der  Unvernimft,  mit  welchem  wir  über- 
schüttet sind.    Dass  es  noch  schlimmer  sein  könnte,  ist 
wahr;   dass  es  aber  schlinümi  genug   ist,   kann  nur  der 
Blödsinn  oder  der  weggeworfene   Eigennutz   übersehen. 
Der  Landmlann  soll  nun  fechten.  Für  wen  denn?  Schlägt 
er  für  sich?   Wird  ihm  der  Sieger  nicht  noch  mehr  auf- 
bürden?   Ein  Grenadier  soll  sich  in  die  Bajo- 
nette   stürzen,    dessen    Schwester    oder  Ge- 
liebte zu  Hause  bei  dem  gnädigen  Krautjun- 
ker    jährlich     für    acht    Gulden    zu    Zwange 
dient;  dessen  Mutter  oder  alte  Muhme,  die  selten  satt 
Brot  und  Salz  hat,  ihre  halbblinden  Augen  noch  damit 
verderben  muss,  dass  sie  zur  Frohne  für  den   Hof  ihre 
nicht  kleine  Quantität  Garn  abspinnt ;  dessen  kleiner  Bru 
der  für  einen  Groschen  von  der  Herrschaft  wöchentlich 
einige    Male  Boten  gejagt   wird?"    Diese  hochverräteri 
sehen  politischen  Folgerungen  sollten  kurz  danach  ihre 
volle  Bestätigung  erfahren.    Erst  der  heilsame  politische 
D^bacle  war  imstande,  den  Bauern  eine  Art  Freiheit  zu 
verschaffen  ^). 

*)  Verfasser  behalt  sich  vor,  darauf  zurQckzukommen.  " 
')  Planer  u.  Reissmann,  Joh.  Gottfr.  Seume  S.  581.  -  •)  Gerade 
im  Anschluss  an  diese  letzten  Feststellungen   lohnt  es  sich,  darauf 


—    337    — 

Eine  weit  regelmäßiger  über  ganz  Deutschland  ver- 
breitete Maßnahm^e  zur  Beförderung  der  Gesindezahl  ist 
die  Anhaltung  von  Arbeitslosen  zum  Dienen. 
^»Müßiggänger'*,  Bettler  und  deren  Kinder  sind  beliebte 
Objekte  der  Polizeigesetzgeber*). 

In  den  frühesten  gesetzlichen  Äußerungen  hierüber 
ist  die  Maßregel  vornehmlich  als  solche  der  Armenpflege 
gedacht;  nur  nebenbei  komimt  auch  ein  Erfolg  für  die 
Vergrößerung  der  Dienstbotenzahl  heraus.  So  ist  es  vor 
allem  ständig  in  der  Gesetzgebung  des  Reiches.  Die 
Reichsabschiede  von  1496,  1498,  1500,  1530,  1548*)  re- 
geln in  besonderen  Artikeln  „Von  Bettlern  und  Müssig- 
gängem'*  das  Bettelwesen,  ver'bieten  kräftigen  Personen 
das  Betteln  und  wollen,  daß  die  Bettelkinder  „zeitlich,  so 
sie  ihr  Brod  zu  verdienen  geschickt  seyn,  von  Ihnen  ge- 
nonmüen,  und  zu  Handwercken  oder  sonst  zu  Diensten 
geweist  werden,  damiit  sie  nicht  alsso  für  und  für  dem 
Betteln  anhangen**. 

hinzuweisen^  dass  in  unserer  modernsten  industriellen  Ent- 
wicklung sich  alle  Ansfltze  zur  Ausbildung  eines  regul&ren  Zwangs- 
dienstes der  Arbeitersöhne  zeigen,  dass  die  Industrieritter  von  dem 
Egoismus  der  |,Krautjunker"  nicht  mehr  unterschieden  sind.  Die  in 
tinnatOrlicher  Verdrehung  ,,Wohlfahrts''-£inrichtungen  genannten  In- 
stitutionen (wie  der  Bau  von  Arbeiterwohnungen)  kommen  nur  den 
gefügigen  Arbeitern  zu  Gute.  Verschiedene  Verträge  zwbchen  den 
Ruhrzechen  und  ihren  Arbeitern  Ober  Mietung  von  V^ohnungen  be- 
tonen noch  weitergehend  aufs  deutlichste,  „dass  für  denSohn  eine 
Pflicht  besteht,  beim  Arbeitgeber  des  Vaters  in  Dienst  zu 
treten,  eine  Pflicht,  auf  deren  Nichterfüllung  auch  der  Verlust  eines 
unter  Umstflnden  vierteljährlichen  Mietzinses  gesetzt  ist''  (Ver.  f.  Soz. 
PoL  114  S.  lOB). 

^)Allgemeines  über  die  Armen-  und  Bettelordnungen,  insbesondere 
auch  ihre  Erfolglosigkeit,  bei  Riebe  1  im  Archiv  f.  Kultiurgeschichte 
n  S.  893 ff.;  femer  Nobbe  in  der  Zeitschr.  f.  Kirchengeschichte  X 
S.  569  fil,  sowie  in  den  sonstigen  im  Verlaufe  der  Darstellung  ge- 
nannten Aufsätzen  von  Gooss,  Schorer,  Frauenstadt  und  in 
Bis!  es  Buch  Ober  die  Off.  Armenpflege  in  Augsburg  (Paderborn  1904). 
-  *)  Neue  Sammlung  II  S.  89,  48,  78,  882,  &87. 

KSnnccke.  28 


—    338    — 

Die  Zeit  nahm  d^i  Gedanken  auf.  Man  soll  „unnützei 
Letite  aber,  die  wider  ta  wehren  noch  zu  nähren  dienen, 
sondern  niu-  zehren,  fatdlenzen  und  miiissigsrehen  könnea, 
nicht  leiden,  sondern  aus  dem!  Lande  ja^en,  oder  rum 
Werke  halten,  ^fleichwie  die  Bienen  thun  und  stechen 
die  Hiuntoeln  weg,  wilche  nicht  arbeiten,  und  den  an- 
dern Bienen  ihr  Honig  auffressen."   So  Luther^). 

Seine  Äußerung  beeinflußte  direkt  die  hessischen 
Gesetzgeber,  auf  deren  Tätigkeit  zunächst  eingiegangen 
werden  soll.  Die  Taglöhnerordnung  vom!  24.  März  1571 '} 
wurde  erlassen,  da  „der  gem^eine  Mann"  statt  zu  arbeiten 
sich  inümier  m^ehr  dem  Müssiggang  hingibt,  und  sich  Und 
seine  Familie  an  den  Bettelstab  bringt.  Mit  daher  kommt 
es  auch,  daß  Taglöhner  so  schwer  zu  bekomimien  sind. 
Und  idie  wirklich  Armfen,  werden  umf  ihre  Portion  von  der 
allgtemieinen  Wohltätigkeit  gebracht;  es  ist  so,  daß  den 
Armen  „durch  bös  Buben  oder  Bübinnen,  auch  starke 
oder  junge  Bettler  und  faulentzer,  gleich  wie  die  lose 
Humm^eln,  denen  arbeitsamen  Bienen  be- 
schicht,  mit  ihrer  Faulheit,  das  brod  vom*  matihl  abge- 
schnitten" wird. 

Schon  vorher  waren  in  Hessen  Schritte  zur  Bekäm][>- 
fung  der  Mißstände  in  gleicher  Richtung  erfolgt.  In  Wil- 
helms II.  (1483—1509)  Reformationsordnung')  heißt  es: 
„Was  fcettler  jm  lande  gesessen  und  gebrechlich  syn  die 
kinder  haben  sobakle  solche  kynder  jre  jare  emeichen, 
daz  sie  jre  broit  verdienen  können,  sal  mian  sie  dienen 
laissen  tmd  dem  Bettel  nit  anhängig  machen  by  unser  un- 
gnedigen  straiffe."  Noch  deutlicher  tritt  die  Tendenz,  prin- 
zipiell für  die  Amüenpfl^e  zu  sorgen,  in  der  Reforma- 
tionsordnung von  1526*)  zu  Tage;  hier  handelt  Pimkt  7 
„Von  armen  kindem  und  weysscn".    „Es  sollen  Ampt- 

^)  H.  Wiskemann,  Darstellung  der  in  Deutschland  zur  Zeit 
der  Reformation  herrschenden  national^onomischen  Ansichten,  1861, 
&  «0,  -  •)  LO.  I  S.  eao.  --  *)  Ehenda  S.  8S.  —  «)  Ebenda  S.  49. 


—     339    — 

leut  und  Räthe  an  eynem  jeden  Ort  fleissig  insehen  haben, 
so  arm  kinder  waren,  die  kein  eitern  oder  kranck  oder 
arm  verstorben  eitern  hatten,  die  äu  arbeyten  erwachsen 
weren,  das  mian  dieselben  zu  arbeyt  zyhe,  und  an  dienst, 
bey  fromlmie  leuth  verdinge,  oder  sie  handtwerck  lernen 
lasse,  damit  sie  auch  narung  zu  uberkomimen  mit  der 
zeit  geschickt  und  dem'  bettelstande  entzogen,  dadurch 
die  brüderliche  liebe  unter  uns  allen  beweyst  werde**. 

Auch  Moritzens  Armenordnimg  vom«  20.  Jimi  1601  ^) 
ist  auf  ähnlichen  Ton  gestimmt.  Der  Müßiggang,  „als 
welcher  eine  wurtzel  alles  bösen  ist**,  reißt  imimieir  mehr, 
besonders  in  Cassel,  ein.  Die  schädlichen  Folgen  äußern 
sich  auch  in  der  Verlegenheit,  in  der  sich  Handwerker 
und  Hausleute  umi  die  Beschaffung  von  Hilfspersonen 
befinden.  Daher  sollen  Beamte  und  Bürgermieister  dar- 
auf acht  haben  und  dafür  sorgen,  daß  alle  zu  tauglicher 
Arbeit  herangezogen  werden,  denn  lässige  Hände  ma- 
chen arm,  fleißige  aber  reich.  Um  die  Absicht  leichter 
zu  verwirklichen,  sollen  in  Cassel  zwei  Censores  ernannt 
werden,  die  auf  die  Knaben  und  Mädchen  achten,  die  sich 
des  Betteins  und  Müßiggehens  befleißigen,  „sie  seyen 
gleich  von  sieben  oder  acht,  biss  in  die  achtzehen  oder 
zwantzig  Jahr'*;  die  Kinder  sollen  dann  denjenigen,  die 
ihrer  Arbeit  bedürfen,  zugewiesen  werden,  ma  gegen  Lohn 
zu  dienen. 

Diesen  Bemühimgen  zur  Versorgxmg  der  Handwerker 
und  Dienstherrschaften  mit  Arbeitsleuten  blieben  die  Re- 
gierenden treu,  solange  sich  nicht  ergiebigere  Verwen- 
dungsmöglichkeiten für  das  überschüssige  Menschenma- 
terial zeigten.  Am  13.  März  1617  *),  „nachdem«  in  Unsem 
Fürstenthümem  .  .  .  stattliche  und  ansehnliche  Berg- 
wercke  sich  aufthim**,  wird  verordnet,  daß  zunächst  ein- 
mal die  Untertanen  in  den  Bergwerksorten  sich  doch  an 
der   Bergwerksarbeit    beteiligen    sollen.     Sodann   sollen 

*)  Ebenda  S.  490.  -  *)  Ebenda  S.  591. 

22* 


—     340     — 

# 

„über  das  auch  alle  starcke  Bettler,  Biersäuffer,  so  stetigs 
in  Wirthshäusern  liegen,  und  das  ihre  miuthwillig  ver- 
sauf fen,  desgleichen  das  Hermlose  gesinde  (=  Gesindel) 
und  Gartenknechte,  so  sich  des  bettelns  bey  uns^n  Unter- 
thanen  befleißigen",  zur  Arbeit  in  den  Bergwerken  ange- 
halten und  nötigenfeiUs  zwangsweise  hingebracht  werden  ^). 
Eine  Rüdkkehr  zu  den  Grundsätzen  des  früheren  Bett- 
lerrechtes geschah,  ab  1622  nach  dem  Vorbild  des  Reichs- 
rechts die  Polizeiordnung  erlassen  wurde*).  Schon  das 
Kapitel  vom  Gesinde  (17)  droht  den  Dienstboten,  die  statt 
um'  den  geringen  Taxlohn  ^u  arbeiten,  sich  lieber  gar 
nicht  vermieten,  „sondern  lieber  ihr  eygen  Herr  seyn, 
und  tmterm  schein  des  Taglohhens  müssig  gehen  wollen", 
Turmistrafe;  hier  ist  es  ziun'  ersten  Male  die  Gesindenot, 
die  direkt  ein  Vorgehen  gegen  die  Müßiggänger  veran- 
laßt. Und  auch  das  folgende  18.  Kapitel  der  Polizeiord- 
nung „Von  Hermloss  Gesinde  unnd  Müssiggängem ..." 
steht  imter  dean!  leitenden  Einfluß  der  Gesindefrage,  weit 
offenbarer  als  die  sonst  vorbildliche  Reichsgesetzgebung. 
Es  gibt  im'  Lande,  so  'wird  dort  ausgeführt,  „viel  müßiges 
fretnbdes  ungerathenes  loss  Gesinde,  Htiren  und  Buben, 
so  an  andern  Orten  bissweilen  dess  Landes  verwiesen 
oder  vferlauffen,  unterm'  schein,  dass  sie  sich  bey  andern 
vtermiethen  wollen . .  .**,  die  aber  „gleichwohl  hemacher 
wann  sie  ein  Jahr  oder 'hällbes  gedienet,  imnd  sich  f romb  ge- 
stellet,  jhre  alte  böse  Art  imd  gewonheit  wieder  annehmien, 
lieber  ohne  Herrn  seyn  und  müßig  gehen,  als  sich  ver- 
v<ermiethen  wollen,  auch  offt  gegen  anbietung,  ziemblich 
giesetzten  Tag  Lohns  nicht  arbeiten  wollen . ." ;  sie  steh- 
len und  treiben  Unzucht  imd  verreizen  „auch  andere 
frontoe  Dienstbotten,  auch  Hausssöhne  imd  Töchter  zu 
solchieim*  jhrem  bösen  Leben  unnd  Wandel**.   Solch  frem- 

*)  Über  den  Umfang  der  hess.  Bergwerke  und  die  geringen 
Löhne  der  dort  beschäftigten  MOssiggftnger  Rommel  VI  S.  674  ff., 
bes.  675.  —  »)  LO.  I  S.  616;  oben  S.  48flF. 


—     341     — 

des  Gesindel  soll  künftig'  nur  noch  mit  obrigkeitlichem 
WohlVerhaltenszeugnis  aufgenomjmen  werden,  und  es  soll 
ihm  nicht  erlaubt  sein,  „unterm  praetext  dess  Taglohns" 
ledig  2u  sitzen,  sondern  wer  arbeiten  kann,  miag  sich  zum 
Dienen  vermieten.  Die  Taxordnung"  von  1653  ^)  enthält  im 
Anschluß  an  das  Gesinderecht  das  Verbot  des  Taglöh- 
nems  diuxrh  kräftige  Personen ;  sie  sollen  sich  zum'  Dienjen 
vermieten. 

Die  Armien-  und  Bettelordntmg  von  1627^)  bringt 
wieder  die  Anordniuxg,  daß  Bettler  wenigstens  ihre  Kin- 
der zum'  „Handwerk  oder  sonsten  zu  dienen"  bringen. 
In  der  Bettelordnimg  von  1651  *)  steht  derartiges  nicht 
ausdrücklich.  Ein  Fürstl.  Befehl  vom'  28.  Septemlber 
1672  *)  ordnet  die  Ausweisung  des  ledig  sitzenden,  taglöh- 
nemden  Gesindes  an.  Zwei  Ausschreiben  von  1702  und 
1703*)  dagegen  wollen  die  Müßiggänger  zirni«  Militär 
stecken.  Wieder  anders  ist  es  nach  den  Edikten  vom 
3.  August  1723  und  23.  September  1724  *) ;  fremde  Müßig- 
gänger sollen  ausgewiesen,  einheimische  ins  Zuchthaus  ge- 
bracht w«erden. 

Eine  bewußte  Aufmunterung  der  „geringen  Leute" 
zum  Dienen,  nicht  um  der  Armenpflege,  sondern  des  Ge- 
sindewesens willen,  enthält  die  Gesindeordnung  von  1736  ^) 
in  §§  1  tmd  2.  Gering^e  Leute  sollen  ihre  Kinder  in  den 
Dienst  schicken;  Zwangsmittel  sind  nicht  gegeben.  §  2 
r^elt  die  Anhaltung  arbeitsfähiger  Müßiggänger  zum 
Arbeiten,  falls  sie  nicht  dienen  wollen.  Der  Entwurf  des 
Geh.  Rats  hierzu  wollte  die  Widerspenstigen  imbeschränkt 
ausweisen  oder  besteuern.  Die  Regierung*  verwies  aber 
darauf,  daß  eine  Ausweisung  auch  aus  dem  Geburtsort 
dazu  führen  müßte,  daß  das  müßige  Volk  immer  im 
Lande  umhergeschickt  würde;  auch  sei  eine  Besteuerung 

»)  LO.  II  S.  134,  190;  oben  S.  61  f.  —  •)  LO.  II  S.  4.  —  •)  Ebenda 
S.  149.  —  *)  LO.  in  S.  6.  —  »)  Ebenda  S.  604.  -  •)  Ebenda  S.  917, 
960.  —  0  LO.  IV  S.  410. 


—    342    — 

wirkungslos,  weil  die  Leute  doch  nichts  hätten^).  Beidea 
Anregungen  gibt  die  endgültige  Fassung  nach;  einhei- 
mische Müßiggänger  sollen  ernstlich  zur  Arbeit  ange- 
halten weisen,  von  Steuer  und  Ausweistuigen  ist  nicht 
die  Rede. 

Die  weiteren  Armlen-  imd  Bettelordnungen  des  18. 
Jhdts. ')  erwähnen  das  Dienen  nicht  mehr  ausdrücklich; 
es    war    ja    durch    die   Gesindeordnung  selber  gesorgt. 

Im  ersten  Teile')  ist  bereits  dargestellt  worden,  wie 
nach  den  Untersuchxmgen  der  sechziger  Jahre  die  Frage 
eine  neue  Färbung  teilweise  bekam^;  durch  das  Leinsäen 
werden  die  Dienstmägde  veranlaßt,  im«  Winter  ledig  zu 
sitzen,  um  den  Flachs  zu  verspinnen. 

Die  Armenlast  war  es  geradezu,  die  Anlaß  gab  zu 
den  beiden  großen  Gesindeordnmigen  von  1797  und 
1801*).  Infolgedessen  erfolgte  eine  ausführlichere,  aber 
sachlich  gegenüber  1736  nur  unbedeutend  geänderte  Be- 
handlung der  Frage  der  Müßiggänger  und  ihrer  Kinder. 
Daß  aber  noch  imi  19.  Jhdt.  die  Bestimmungen  prak- 
tisch durchgeführt  wurden,  ist  aus  einem  Ausschreiben 
vom  1.  September  1804  ^)  tmd  aus  mehreren  polizeilichen 
Entscheidungen  zu  entnehmen.  Der  Jungfer  Christine 
Gschwind  z.  B.  wurde  am'  8.  Oktober  1804  mitgeteilt, 
daß  ihr  zum  Vermieten  noch  bis  Christtag  Frist  vergönnt 
sei«). 

Die  fuldaer  Gesindeordmmg  von  1816')  hat  Regeln 
über  die  Beschäftigung  armer  Kinder  und  Müßiggänger 
nicht  mjehr. 


')  Oben  S.  60f.  —  «)  1787,  1752,  1763,  1773,  1784  cLO.  IV  S. 
467,  V  S.  49,  VI  S,  72,  707,  1155);  vgl.  auch  Reglement  für  das 
Findelhaus  von  1761  Nr.  14  (LO.  VI  S  20).  -  •)  Oben  S.  73  ff.  — 
*)  Oben  S.  93,  94.  -  »)  LO.  VIII  S.  195.  —  •)  St  A.  Marburg.  Cass. 
Reg.-Akten  Pol.  Rep.  F.  43  Nr.  7»,  wo  auch  für  weitere  gleiche  Falle 
Material  vorhanden  ist.  —  Ferner  Akten  des  Landratsamts  Melsungen, 
Gesindesachen  1829  ff.  Rep.  IX  Gef.  J  Nr.  10  (St.  A.  Marburg).  — 
')  Möller. Fuchs  S.  113;  oben  S.  155f. 


—    343    — 

Ähnlich  wie  in  Althessen  waren  die  verwandten  Be- 
stimmtingen  in  Schaum'burg^.  Die  Polizeiordnung  von 
1615  verbietet  das  Müßigsitzen  früherer  Dienstboten,  die 
ledig  sind  tind  kein  Vermiögen  haben  ^).  Ein  besonderes 
Kapitel  34*)  behandelt  die  Angel^enheit  der  Müßig- 
gänger noch  als  Frage  des  Armenrechts.  „Gemieine 
schändliche  Handthierung'*  wie  Hausieren  außer  Landes 
wird  „Bauern  und  Gesindlein**  verboten*);  dagegen  wird 
gerade  den  Dienstmägden  Flachsarbeit  erlaubt,  da  sie 
vom  Bettel  abhält. 

Hanau  kennt  keine  Vorschriften  solcher  Art;  die 
Gesindeordnimg  von  1748  hat  sie  von  ihren  Vorbildern 
nicht  übemomimlen.  In  Fuldas  geistlicher  Regienmgsr 
zeit  wurden  Bestimimungen  über  Betätigung  der  Müßig- 
gänger imd  Unterbringimg  der  armen  Kinder  in  Dienste 
am  15.  Oktober  1688*),  20.  Juni  1722,  im«  Jahre  1725«*) 
rmd  am  31.  August  1784*)  erlassen.  Eine  Beschränkung 
der  Taglöhnerzahl  mit  Rücksicht  auf  die  „Nachbarschaft" 
erfolgte  am'  22.  April  1789 '). 

Das  älteste  außerhessische  Gebot  wider  die  Müßig- 
gänger ist  ein  kölner  Ratsstatut  vom!  14.  Jimi  1437®). 
„Muylenstoisser,  weigener  ind  ledichgenger,  knechte  und 
maichde**,  die  aus  dem  Ausland  in  die  Stadt  gekom- 
men sind  und  hier  lüderlichen  Müßiggang  treiben,  obwohl 
sie  dienen  können,  sollen  binnen  acht  Tagen  „sich  tzer 
arbeit  stellen  ind  umlb  yre  broit  dienen**.  Wer  es  nicht 
tut,  wird  ausgetrieben,'  und  wenn  er  wieder  in  die  Stadt 
kommt,  soll  er  ins  Halseisen  gelegt  imd  dann  nackt  mit 
Ruten  aus  der  Stadt  gejagt  werden.  Kölnische  Bestimmun- 
gen hierüber,  die  unzweifelhaft  rein  gesinderechtlich  sind. 


*)  Rottmann  8.428  (Kap.63).  — •)  Ebenda  8.342.  —  »)  Ebenda 
S.  414  ff.  (Kap.  61).  —  *)  Verordnung  in  marburger  Privatbesitz.  — 
*)  Samml.  der  Cass.  Reg,  Bd.  IIL  —  •)  Journal  von  und  für  Deutsch- 
land 1.  Jahrg.  (1784)  10.  Stück  8.  27«  ff.  —  ')  Einzeldruck  im  St.  A. 
Marburg.  —  •)  Habeische  Sammlung. 


—    344    — 

staimnien  weiter  aus  deirt  17.  und  18.  Jhdt.  Daß  Bettler 
und  Müßiggängler  sowie  amie  Kinder  ztim'  Dienen,  Tag- 
löhnem,  zur  Übernahme  eines  wüsten  Hofs  u.  dergl.  an- 
giehalten  wierden  sollen,  steht  in  der  Gesindeordnung  vom 
15.  Februar  1645,  Art.  4,  der  Polizeiordnung  vomi  28.  Ja- 
nuar  1656,  Art.  8,  der  Polizeiordnung  vom  20.  September 
1723,  Tit.  13  §  3,  und  in  den  Verordnungen  vom?  22. 
Oktober  1732  und  21.  April  1749 1). 

Das  benachbarte  Trier  heißt  in  der  Bettelordnung 
vom  1.  Juli  1533*)  taugliche  jimge  Bettler  zum  Hand- 
werk bringen,  daß  sie  sich  von  ihrer  Arbeit  nähren  können. 
AUgi^miein  von  Bettlerarbeit,  ohne  Nennung  eines  be- 
stimimitein  Berufes,  ist  in  der  Armfenordnung  vom  7.  April 
1768  die  Rede  3). 

Jülichs  ältestes  Armengesetz  stammt  vom  5.  Ok- 
tober 1546*).  Es  heißt  da:  Welche  jre  kinder  nit  dienen 
oder  leren  lassen,  auch  nit  zu  der  arbeit,  sonder  zu  dem 
betlen  halten,  die  sollen  diu-ch  die  Fürstendere  vermiant 
werden,  und  wo  solchs  nit  hülf,  jhnen  die  almüsen  ent- 
zogen werden."  Ebenso  sollen  die  Fürstender  die  Waisen 
in  Lehre,  Dienst  oder  Arbeit  unterbringen.  Gleiches,  nur 
ausführlicher,  sagt  ein  Erlaß  voml  10.  Oktober  1554**). 
Als  Gesindegesetz,  nun!  Wohl  der  letitesuchenden  Dienst- 
herrschaften, wird  am  2.  Augxist  1608  bestimlmt^):  Wer 
früher  gedient  hat  und  sich  dann  Züxa^  Müßiggang  und 
Bettelstab  begeben  hat,  der  soll  nacfh  Befinden  gestraft 
werden  und  die  Almosen  verlieren. 

Von  Cleve  liegen  keine  Zeugnisse  aus  früherer  Zeit 
vor.  Am'  12.  Februar  1731^)  wird  den  Knediten  und 
Mägd^i  verboten,  sich  auf  die  eigene  Hand  zu  setzen.  Die 
Gesindeordmmgen  von  1753  und  1769  ®)  verschärfen  diese 


»)  Scotti,  Köln  IIS. 349,  268,  628,  12  S. 712,  762.  — «)  Scott i, 
Trier  S.  298.  —  »)  Ebenda  S.  1218.  —  *)  Scotti,  Jülich  S.  84.  - 
*)  Ebenda  &  180.  —  •)  Ebenda  S.  219.  —  «)  Scotti,  Cleve  S.  1104. 
—  ')  Ebenda  S.  1452,  1894. 


—     345    -- 

Bestinumingen ;  die  von  1769  in  merkwürdigrer  Weise: 
alles  junge  Volk  soll  dienen,  bis  es  heiratet.  Auf 
eigene  Hand  sitzen  ist  verboten.  Geringer  Leute  Kinder 
sowie  Waisen  sollen  mlit  Nachdruck  nuni  Dienen  ange- 
halten werden.  Statistiken  über  den  Gesindemiangel  von 
1725,  1735,  1740  seien  weiter  erwähnt^). 

Die  paderborner  Polizeiordnimg  von  1655*)  will 
gleichfalls  die  Müßigen  zum!  Dienst  gebracht  wissen. 
Durch  Contribuierung  luid  Registriemng  der  Ledigsitzen- 
den sollte  das  Gebot  am  26.  Oktober  1702 ')  mehr  Lebens^ 
kraft  gewinnen.  Münster  geht  nicht  so  vor.  Es  schickt 
die  arbeitsfähigen  inläjodischen  Bettler  ins  Arbeitshaus 
(18.  November  1698)*).  Die  ravensbergische  Lan- 
desordnung von  1655^)  hat  einige  Besonderheiten:  Da- 
mit es  an  Gesinde  nicht  miangelt,  soll  keine  unver- 
heiratete junge  gesunde  Person  künftig  ohne  erheb- 
liche Ursache  sich  heuerlingsweise  bei  anderem  auf- 
halten. Solche  Ledigsitzenden  werden  mit  der  SumJme 
gestraft,  die  sie  in  einem!  halben  Jahr  hätten  erarbeiten 
können;  gleiches  geschieht  mit  denen,  die  solche  Leute 
herbergen. 

Von  ihiem  Vorbilde,  der  hannoverschen  Ordnung  von 
1732,  nimmst  die  Gesindeordnung  für  Wal  deck  von 
1736^)  die  Besteuerung  der  arbeitslosen  Hausgenossen, 
die  nicht  dienen  wollen.  Vermögenslose  Eltern  dürfen 
nur  so  viele  Kinder  im  Hause  behalten,  als  sie  zur  eigenen 
Arbeit  nötig  haben;  nach  der  Konfirmiation  müssen  die 
Kinder  vermietet  werden.  Berufslose  fremde  Müßiggän- 
ger, die  die  Dienstboten  nur  zum  Bösen  verleiten,  werden 
ausgiewiesen. 

Widerspruchsvoll    ist    im'    Anfang    das    Recht    von 


0  Ebenda  S.  108S,  1154,  1805.  -^ ')  Landesverordnungen  Pader- 
born I  S.  6.  -  •)  Ebenda  U  S.  88.  —  *)  Samnüung  f.  Münster  I  S.  829. 
—  *)  18.  Jahresbericht  des  Hist  Vereins  f.  d.  Grafschaft  Ravensberg 
S.  l%i.  —  *)  Sammlung  der  Reg.  Arolsen. 


—    346    — 

Schaumburg-Lippe.  Die  Polizeiordnung  von  1615 
wurde  bereits  oben  bei  Gelegenheit  der  hessen-schauxnbur- 
gischen  Rechtsgeschichte  behandelt^).  Durch  eine  Ver- 
ordnung aus  dan  Dezember  1654*)  wurde  ihre  Tendenz 
weiter  verfolgt.  Harte  Strafe  steht  auf  deml  Müßigsitzen; 
bloß  Leuten,  die  ihrer  Kinder  wegen  ledig  sitzen  müssen 
und  nur  von  Zeit  ^zu  Zeit  auf  Arbeit  gehen  können,  soll  das 
gestattet  sein.  Kleinlichst  spezialisiert  wurde  all  das  durch 
durch  einen  Erlaß  vom!  4.  Oktober  1729');  Alter  und 
Zahl  der  Kinder,  die  ein  Ehepaar  zu  hause  haben  durfte, 
werden  genau  nach  den  Umiständen  der  Leute  besthnmt. 
Die  Gesindeordnung  von  1738*)  bezieht  sich  hierauf  und 
legt  den  untätigen  Einliegem  außerdem!  noch  Steuern  und 
Personaldienste  auf*). 

In  Lippe-Detmiold  wird  der  Grundsatz,  daß  die 
Armlen  zum  Dienst  angehalten  werden  sollen,  zuerst  von 
der  Polizeiordnung  aus  dem'  Jahre  1620  *)  ausgesprochen '). 
Schon  die  Taxordnung  von  1655®)  verläßt  diesen  Stand- 
punkt. In  der  Bestim'miung,  daß  dienstloses,  tagelöhnern- 
des Gesinde  sich  miit  des  Hauswirts  Getränke  genügen 
las9^i  soll,  ist  die  Erlaubnis  des  Ledigsitzens  enthalten; 
allerdings  wird  solchem  Gesinde  Steuer  je  nach  Vermögen 
auferlegt.  Diese  Besteuerung  wird  weiterhin  auch  durch 
die  Verordnungen  von  1658  und  1667»)  bestätigt.  1682  *«) 
dagegen  geht  mian  dazu  über,  die  Müßiggänger  tum  Die- 
nen zu  zwingen.  Sie  sollen  von  der  Obrigkeit  „beim*  Kopfe 
genomtaien"  imd  in  der  Hofhaltung  oder  sonstwo  in  Dien- 
ste gesteckt  werden.  Einen  neuen  Grund  für  den  Kampf 
gegen  die  bettelnden  Häuslinge  und  Einlieger  nennt  eine 
Verordnung  vom!  25.  Januar  1721^^).    Jetzt  wird  gegen 


*)  Oben  S.  843.  —  •)  Landesverordnungen  Sch.-Lipppe  II  S.25. 
—  »)  Ebenda  S.  901.  —  *)  Ebenda  S.  386.  -  »)  Art  12  ff.  —  •)  Landes- 
verordnungen L.-DetmoId  I  S.  868.  —  ')  24.  Titel.  —  •)  Landesver- 
ordnungen a.  a.  O.  S.  408.  -  •)  Ebenda  S,  429,  460.  —  ")  Ebenda 
S.  488.  -  ")  Ebenda  S.  772. 


—    347     — 

sie  vorgegangen,  weil  sie  stehlen  und  rauben.  Vom!  Ge- 
sindedienst ist  dabei  keine  Rede;  \\re|der  so,  daß  der 
Dienstbotenmiangel  als  Grund  des  Vorgehens  genannt 
wird,  noch  auch  sielbstverständlich  in  der  Weise,  daß 
die  Diebe  und  Räuber  den  Herrschaften  in  den  Dienst 
geschickt  würden.  Eine  radikale  Rückkehr  zu  dem'  frü- 
heren Gedankengang  bedeutet  die  Verordnung  vomi  4. 
April  1730^).  Die  jungen  Leute  auf  dem!  platten  Lande 
dürfen  sich  nicht  verheiraten,  wenn  sie  vorher  nicht  zwei 
Jahre  gedient  haben ;  die  Ledigsitzenden  werden  besteuert. 
Und  noch  verstärkt  wurde  jener  nahezu  ostelbische  Grund- 
satz durch  §  1  der  Gesindeordnimg  von  1752  ^) :  So  wie 
die  Handwerker  in  den  Städten  ihre  Jimgen  aufs  Hand- 
werk reisen  lassen,  müssen  die  Bauern  ihre  Kinder  erst 
drei  Jahre  in  (Dienst  schicken;  vorher  wird  eine  Ver- 
heiratung nicht  erlaubt.  Der  Zusam'm'enhang  zwischen  der 
Wanderschaft  der  Handwerksburschen  und  dem  subjekt- 
losen Gesiiidezwangsdienst  läßt  sich  nur  mit  logischen 
Sprüngen  finden.  Aber  nicht  genug  damit.  Am«  30.  Sep- 
tember 1777^)  wird  festgestellt,  daß  §  1  der  Gesindeord- 
nung nicht  genügend  nachgelebt  wird.  Das  Heiratsverbot 
wird  daher  eingeschärft,  und  nachdrückliche  Strafe  oben- 
drein noch  angedroht.  Drei  weitere  Erneuerungen  dieser 
Vorschriften  vom  4.  Juli  1780,  23.  Januar  1781  und  2.  Juli 
1782*)  sind  weniger  energisch  gehalten;  sie  nennen  das 
anstößige  Einzelne  der  Bestimimungen  nicht  noch  einmal. 

Eine  für  die  Zeit  charakteristische  tmd  sehr  verständ- 
liche Begründung  des  Verbotes,  Wolle  zu  spinnen  imd 
nicht  zu  dienen,  gibt  eine  sachsen-altenburger  Ver- 
ordnimg vom  8.  Juli  1650*);  von  den  gerügten  Übeltaten 
heißt  es:  „darbey  .  .  .  die  Erhaltimg  Menschlicher  So- 


1)  Ebenda  S.  836.  —  «)  Ebenda  II  S.  47.  —  •)  Ebenda  S.  642. 
-  *)  Ebenda  S.  726,  748,  UI  S.  22.  —  »)  St.  A.  Wiesbaden.  VI 
1.  Nassau- Weilburg  generalia.    XIV  £  Nr.  18. 


—    348    — 

cietät,  diirch  Entstehung  dienstwertiger  Leuthe,  blol 
allein,  daß  dadurch  etlichen  wenigen,  auch  wohl  Auss 
ländischen,  einiger  Vortheil  zuwächst,  zum  höchsten  be 
schwerlich  gemiacht  wird**.  Später  wird  das  Ledigsitzei 
ohne  derartige  nähere  Begründung  verboten  oder  er 
Schwert.  Die  fürstlich  gothaische  und  altenbur 
gische  Gesindeordnung  von  1719^)  läßt  jährlich  zu  re 
vidierende  Listen  der  ledigsitzenden  Erwachsenen  uiw 
Kinder  aufstellen.  Müßiggänger,  die  sich  unter  „unerheb 
lichem**  Vorwande  bei  Angehörigen  aufhalten,  müssei 
monatlich  einen  Gulden  Strafe  zahlen.  1724  erging  ein< 
Almbsenordnung  in  Altenburg,  die  von  der  großen  Ge 
Sindeordnung  des  Jahres  1744^)  übernommen  wurde.  Ii 
dieser  Gesindeordnimg  wird  das  Verbot  müßiger  „Stuben 
art)eit**  (Stricken,  Spinnen  usw.)  öfter  und  energischei 
ausgesprochen  als  1719.  Die  dienstfähigen  Personen,  di€ 
sorgfältig  kontrolliert  werden,  sollen  von  der  Obrigkeit 
mit  Geld-  und  Freiheitsstrafen  zum  Dienen  angehalten 
werden.  Will  jemiand  aus  erheblichen,  von  der  Behörde 
zu  billigenden  Gründen  bei  Angehörigen  ein  Gewerbe 
für  sich  treiben  und  nicht  in  Dienst  treten,  dann  ist  ein 
jährlich<es  Schutzgeld  von  zwei  Gulden  zu  entrichten. 
Armier  Leute  Kinder,  „so  zu  keiner  andern  Ldbens-Art 
sich  begeben  haben,  oder  zu  begeben,  in  Begriff  stehen'*, 
odier  die  die  Eltern  nicht  für  sich  nötig  haben,  müssen 
sich  ein  Jahr  nach  deml  ersten  Abendmahlsgang,  eventuell 
mit  deta  14.  (Knaben)  oder  13.  (Mädchen)  Lebensjahre 
vermieten.  Durch  Mandat  vomi  1.  Dezember  1750*)  wur- 
den die  Behörden  angewiesen,  über  den  Erfolg  dieser 
Maßnßlunlen  zu  berichten. 

In  Weimar  ordnete  schon  die  Landesordnung  von 
1482*)  an,  daß  zum!  Dienen  geschicktes  Gesinde  binnen 

>)  Univ.-ßibl  Marburg.  XVIII  f  A  870.  —  •)  Ebenda  XVIfl  f  B 
1119i.  —  •)  Ebenda.  XVm  f  A  870.  —  *)  Job.  Schmidt,  Gesetze 
f.  Weimar  IV  S.  144. 


—    349     — 

möU  Tagen  nach  Dienstende  wieder  vermietet  sein  muß  ; 
jonst  hat  «s  soviel  Strafe  zu  zahlen,  als  sein  Jahresver- 
lienst  betrug.  Weiter  wurde  1531,  1556,  1589,  1742, 
1776^)  verordnet,  daß  die  Armlenkinder,  wenn  sie  selbst 
verdienen,  nicht  zuml  Bettel  gezogen  werden  sollen.  Alle 
Ledigen,  die  dazu  geeigenschaftet  scheineia,  sind  nach  den 
Verordnungen  von  1589  (Landesordnung)  und  1651*)  zu 
Dienst  xmd  Ait)eit  anzuhalten.  In  der  Stadt  Jena  ging 
man  stets  mit  Ausweisung  vor,  so  1704  laut  den  Statuten  •), 
femer  nach  der  Gesindeordnimg  von  1751  *),  die  jährliche 
Visitationien  anordnete;  hat  das  Gesinde,  das  sich  bei 
Mäklern  aufhält,  nach  sechs  Tagen  keinen  Dienst  ge- 
funden, daim  wird  es  ausgewiesen.  Ein  Patent  von  1757  *) 
heißt  die  dienstlosen  Dienstboten  wegschaffen;  die  Be- 
hörden sollen  sich  —  bei  50  Th.  Strafe  für  die  Außer- 
achtiasstmg  —  dabei  unterstützen.  Im  Eisen  achschen 
sollen  Armte  geimäß  der  Gesindeordnung  von  1757  *)  ihre 
Kinder  dienen  lassen,  Müßiggänger  kömimien  ins  Zucht- 
haus. Hilfsmittel  sind  weiter  Steuer,  Strafen  der  nach- 
sichtigten Eltern,  vierteljährliche  Hausvisitationen.  Wai- 
senkinder werden  Petritags  im  Wochenblättchen  ange- 
zeigt. 

Auch  Stadti^echte  Thüringens  operieren  mit  der  Aus- 
^sung.  Die  frankenhauser  Statuten  von  1558') 
wenden  sich  geigen  die  arbeitsfähigen  Müßiggänger,  „un- 
angiesehenn,  dass  sie  mit  jhreim  diennstenn  undt  arbeit 
jhress  leibess  nahruimg  einsttheilss  wol  erlangenn  könn- 
tenn,  dadmxrh  mlann  auch  nicht  woU  zu  dienstbothenn, 
taglöhnemn  oder  gesinnde  komtmien  mag".  Solche  Leute 
sollen  zu  Arbeit  und  Dienste  veranlaßt  oder  ausgewiesen 
^rden.    Ebenso  gebieten  die   1594   verfaßten   Statuten 


*)  Ebenda  I  S.  221,  222,  427.  — «)  Ebenda  IV  8. 188.  -  »)  Ebenda 
S.  144.  -  *)  Ebenda,  sowie  S.  188.  —  »)  Ebenda  S.  146.  -  •)  Kr.  A 
MflnchcD.  Sign.  GR.  Fasz.  402  Nr.  8.  —  *)  Walch,  Beyträge  I  S 
^^~  T.,  bes.  240. 


—    350    — 

Rudolstadts  und  Blankenburgs^),  Müßiggänger, 
die  kein  ehrlich  Gewerb  und  Handlung  treiben,  so  auch 
herrenloses  Gesinde,  in  der  Stadt  nicht  zu  dulden.  Nach 
nordhauser  Polizeiordnung  von  1628*)  werden  müßig 
sitzende  Dienstboten  besteuert ;  Herberger  solcher  Di«ist- 
boten  werden  mit  Geld  und  Gefängnis  gestraft,  wenn 
sie  ihre  Gäste  nicht  zu  der  Steuer  anm>elden.  In  Mühl- 
hausen wtirden  im"  17.  und  18.  Jhdt.  Beratungen  ge- 
pflogen, wie  die  Leute  ^ur  Emteaibeit  (Taglohn)  veran- 
laßt werden  könnten*). 

BraunsChweig-Wolfenbüttel  verbietet  öfters 
das  Müßigsitzen  der  ai1>eitsfähigen  Leute,  weil  das  „pes- 
simi  exemipli  unnd  gantz  unleitlich**  ist.  So  am  23.  Okto- 
ber 1621,  19.  November  1637,  31.  Juli  1654,  29.  März 
1703,  7.  Dezelmber  1744,  29.  Oktober  1748  (Gesindeord- 
nung) *) ;  auch  das  Verbot  an  arme  Leute,  ruviele  Kinder 
bei  sich  zu  behalten,  ist  darin  meist  ausgesprochen. 

Als  Übergang  zum'  folg»enden  dient  hier  die  Lohnord- 
nung für  die  Länder  am:  Harz,  danmter  Bratinschweig 
und  Lüneburg,  von  1445*).  Binnen  acht  Tagen  sollen 
sich  die  ledig  liegenden  Dienstboten  zu  Dienst  und  Ar- 
beit vermieten,   „id  benomfe  one  deinne  echte  nod". 

Eine  Verfolgung  dieser  Grundsätze  bildet  die  spätere 
Rechtsgeschichte  inBraunschweig-Lüneburg. Das 
neuere  Stadtrecht  Lüneburgs^)  entzieht  die  Almosen  den 
starken  Bettlern,  die  nicht  arbeiten  und  dienen  wollen, 
„dadurch  man  schier  zu  Dienst-Boten,  Pflegs-Leuten,  Tag- 
löhnern  oder  Gesinde  nicht  mehr  wohl  kommen  mag". 
Der  „Pracher Voigt**  soll  den  Bettlern  die  Kinder  wegneh- 
men und  201  Dienst  oder  Handwerk  bringen.  Der  Londes- 


*)  Ebenda  V  S.  21fr.,  bes.  62;  78flF.  —  •)  Stadt.  Museum  Nord- 
hausen; Druck.  —  •)  Stadtarchiv  Mühlhausen  i.  Th.  Abt.  ?  Fach  1 A 
Nr.  68ji.  -  *)  Herz.  Archiv  Wolfenbüttei.  Nr.  1528,  1984,  2417,  MO, 
7097.  —  »)  Zeitschr.  des  Harzvereins,  27.  Jahrg.  S.  427.  -  •)  Pufen- 
dorf,  Obs.  iur.  IV  app.  S.  624  ff.,  bes.  801—808. 


—    351     - 

vater  befiehlt  von  sich  aiis  in  der  Polizeiordnung^  von  1618^), 
mit  der  die  von  1640*)  in  den  hier  zu  berücksichtigen- 
den Punkten  übereinstimlmt,  daß  Kinder  armer  Leute  zum 
Dienst  gebracht  werden  sollen  *).  Beide  Ordnimgen  gehen 
ferner  gegen  die  entlaufeinen  Knechte  und  Mägde  vor*), 
,,so,  zumal  zu  wolfeilen  Jahren,  entweder  gar  nicht  dienen 
wollen,  oder  aus  böser  Liebe  imd  Zimeigung,  die  sie  zu 
dem   hoch  -  schädUchen    Müßiggang    tragen'*,    entlaufen, 
„auch  eines  theils  lose  Bestien  tmd  unzüchtige  Wedber 
seyn,  in  Städten,  Flecken  und  Dörffem  sich  einlosiren, 
und  an  etlichen  Oertem  von  den  Bürgern  und  Bauern 
sonderliche  Spiecker,  darinnen  miehr  als  eine  Parthey  sol- 
ches Gesindleins  zusamimien  liegen,  erbauet  werden'*.   Es 
sind  Leute,  die  viel  Böses  treiben,  die  „den  Hausswirthen 
mit  listigen  behenden  Worten  ihr  Gesinde  der  Andacht 
und  Meintuig  abspannen,  dass  sie  in  dessen  Mangel  von 
den  Hausswirthen  ztir  Arbeit   gebrauchet   werden,  imd 
insonderheit   in  der   Emdte,  imd  wann  es  sonsten  am 
hillesten  und  nöthigsten  ist,  die  Hausswirthe  gleichsam^ 
zwingen     mögen,     ihnen     den     Taglöhnem,    an    Essen, 
Trincken  und  Taglohn,  was  sie  nur  fordet^i  und  haben 
wollen,  zu  reichen  und  zu  geben;  imd  dadurch  imter  an- 
dern auch  dieses   verursachet  wird,   dass  entweder  das 
Gesinde  übel  zu  bekomimen,  oder  je  an  Lohn  nicht  zu 
ersättigen..."     Daher    sollen  unbekannte  Fremlde    nicht 
zum  Wohnen  aufgenomim^,  ledige  Dienstboten  nicht  ge- 
duldet werden,  sondern  entweder  Dienste  nehmen  oder 
<äas  Land  verlassen.    Eine  Arm<enordnung  vom'  19.  No- 
vember 1712^)  ordnet  an,  daß  starke  Bettler  in  Dienste 
gehen. 

Der  in  der  kalenbergischen  Kirchenordnung  von  1569 
^  1615  *)  enthaltene  mildere  Grundsatz,  wonach  arbeits- 

')  Landesverordnungen  Lüneburg  Cap.  4  Bd.  1  S.  1.  — ')  Ebenda 
S.  Ut  «  •)  Kap.  9.  ~  *)  Kap.  60.  —  »)  Ebenda  Cap.  1  S,  610.  — 
•)  Undesordnungen  Kaienberg  I  S.  1  ff.,  bes.  879  ff. 


—    352    — 

willigen  Armlen  zu  einem}  Verdienst  verhelfen  werden  soll 
mlußte  mit  deta'  Edikt  vom  10.  August  1654^)  dem  schar 
fen  Gebot  Platz  mlachen,  daß  arbeitsunlUstige  Leute  aus 
gewiesen  weirden  sollen.  Diesie  zwei  Arten  der  Fürsorge 
treten  auch  im!  18.  Jhdt.  auf.  Die  Armenordnung  füi 
die  Stadt  Hannover  aus  dem'  Jahre  1700  *)  spricht,  wenn 
auch  nicht  mit  der  schroffen  Strafdrohung,  den  zuletzt 
genannten  Grundsatz  aus,  daß  die  Arbeitsmiüden  dem 
Müßiggang  entfriemdet  werden  sollen*).  In  der  Armen- 
ordjiung  von  1702*)  dag^egen  wird  den  Mädchen,  die 
dienten  wollen,  aber  kein  G^eld  zur  notdürftigen  Kleidung 
haben,  Unterstützung  aus  der  Armienkasse  versprochen^!. 
Und  ein  Edikt  voml  17.  Mai  1721  *)  regelt  die  Züchtung 
der  Waisienkinder  zu  Diensten  oder  sonstiger  Arbeit;  die 
Mittel  sollen  ihnen  aus  der  Arm'enkasse  vorgeschossen 
werben. 

Im!  Lande  H  adeln  werden  die  Müßiggänger  mit 
den  „landesüblichen  Bürden  und  Steuern**  belegt^).  Im 
Hochstifte  Osnabrück  wurde  1608  am  18.  Juni  den 
„Hüsselten**,  das  sind  armle  Ledigsitzende,  anbefohlen, 
sich  zürnt  Dienen  zru  vermieten®). 

Die  in  ganz  Hannover  erlassene  große  Gesinde 
Ordnung  von  1732*)  hat  dieselben  Grundsätze;  sie  gefällt 
sich  in  der  genauen  Bestimimung  der  zulässigen  Zahl  ledig 
sitzender  Kinder.  Auch  ein  späterer  haimoverscher  Er- 
laß vom'  12.   November  1764  ^<>)  setzt  Besteuerung  fest. 

Ausschließlich  Armengesetz  ist  die  Bestimmriung  der 
o Id  en b u  rge  r  Armfenordnung  vom'  9.  Juli  1745  *^).  Nach 


')  Ebenda  IV  S.  206.  —  «)  Ebenda  I  S.  968;  hierzu  auch  Goos 
in  den  Hannov.  Geschichtsblattem  VIII  S.  146  ff.  —  •)  Nr.  XVII.  - 
*)  Ebenda  S.  948.  —  »)  Nr.  XXXffl.  —  •)  Landesordnungen  a.  a.  0. 
S.  983.  —  0  Gesindeordnung  1656;  Spangcnbcrg,  Verord.  f.  Han- 
nover IV  8  S.  966.  —  •)  St  A.  Osnabrück.  Rep.  100  Abschn.  800 
aus  Nr.  1.  —  •)  Spangenberg  a.  a.  O.  IV  2  S.  461.  -  *")  Ebenda 
II  S.  106.  —  ")  Corp.  Const  Old.  Suppl.  Xl  Bd.  II  S.  47  AT.,  68. 


—     353     — 

Nr.  19  sollen  Armenkinder  ihren  vagierenden,  bettelnden 
Eltern  abgenommen  und  zum  Hüten  der  Schweine  oder 
Gänse  angestellt,  nach  ihrem  Alter  auch  zu  Egge  und 
Pflug  oder  sonst  in  Dienste  getan  werden. 

Ebenso  ist  es  mit  den  Vorschriften  des  tönninger^) 
und  des  gardinger^)  Stadtrechts,  beide  vom  12.  Ok- 
tober 1590^).  Arme  Kinder  sollen,  sobald  sie  dazu  ge- 
schickt sind,  von  den  Eltern  zum  Dienen  oder  zum  Hand- 
werk angehalten  werden.  Nach  gemeinsamer  schles- 
wiger  Verordnung  vom  25.  Februar  1632*)  werden  her- 
renlose Knechte  und  Mägde  nicht  geduldet.  Mit  Gefäng- 
nis und  andern  Strafen  werden  sie  zur  Arbeit  angehalten, 
und  wenn  das  nichts  hilft,  „als  schädliche  und  verfaulte 
Gliedmaßen  hinweggeschafft".  Greifbarer  als  die  son- 
stigen Rechtssätze  sind  die  in  der  holsteiner  Gesinde- 
ordnimg  von  1740  enthaltenen  *).  Geringe  Leute,  die  nicht 
dienen  oder  ihren  Angehörigen  helfen,  werden  besteuert, 
Männer  bis  zum  40.  und  Frauen  bis  zum  30.  Jahre.  Be- 
steuerung ist  es  auch,  womit,  die  kieler  Polizeiordnung 
von  1768  ®)  die  Eltern  zur  Verdingung  ihrer  überflüssigen 
Kinder  treiben  will. 

An  die  Spitze  des  süddeutschen  Rechts  gehört  das 
Gebot  des  Schwabenspiegels''),  nach  dem  Findel- 
kinder, sobald  sie  alt  genug  geworden  sind,  ihren  Pfleg- 
eltern dienen  sollen;  „ez  sol  den  dienen,  der  im  sins  libes 
geholfen  hat**.  Wollen  die  echten  Eltern  das  Kind  wieder 
nehmen,  dann  müssen  sie  dem  Pfleger  Kostgeld  ersetzen. 

Daß  ledige,  zu  hause  überflüssige  Personen  nicht? 
,,auf  ihren  eygenen  Zaun  gehen**  sollen,  steht  in  den 
nassau-weilburger  Ordnungen  vom  20.  Dezember 
1643  und  9./19.  September  1656  ^)  und  den  usinger  Edikten 

')  Tit.  26.  —  »)  Art.  24.  —  »)  Corp.  Stat.  Slesv.  lU  2  S.  21,  108* 
—  *)  Schradcr  III  S.  192.  —  •)  St.  A.  Schleswig.  Sammlung  Gross- 
fiirsü.  Verordnungen.  —  •)  Ebenda,  —  ')  Art  368.  —  ')  Corp.  Const. 
Nass.  II  S.  266,  461. 


—     354    — 

von  1699,  1700,  die  in  einer  weiteren,  undatierten  Ver- 
ordnung zitiert  werden^).  Im  nassauischen  Katzeneln- 
bogen  mahnte  die  Polizeiordnung  von  1597  ^),  die  Kinder 
doch  von  Bettel  und  Müßiggang  abzuhalten.  Wer  das 
unterläßt,  die  Kinder  „zu  handwercken,  oder  andern  dien- 
sten  (zu)  verdingen",  der  wird  gestraft,  ebenso  die  Kin- 
der. Die  Behörden  sollen  darauf  sehen,  daß  solche 
Kinder  den  Eltern  genommen  werden ;  das  LehSrgeld  wird 
aus  dem  Almosenkasten  bestritten.  Auch  starke  Müßig- 
gänger sollen  zu  Handwerk  und  sonstiger  Hantierung 
veranlaßt  werden.  Die  katzenelnbogener  Gesindeordnun- 
gen von  1641  und  1643*)  verbieten  das  Sitzen  auf  eigenen 
Zaun. 

Auch  in  Frankfurt  sollen  die  Müßiggänger,  die 
nicht  arbeiten  wollen,  ausgewiesen  werden;  es  beruht  auf 
dem  am  1.  Mai  1654  mit  benachbarten  Staaten  verein- 
harten  Mainzer  Rezeß*). 

Für  das  hessen-darmstädtische  Stück  von 
Katzenelnbogen  erließ  Landgraf  Georg  I.  (1567 — 1596) 
eine  Landesordnung*).  Unter  Hinweis  auf  die  Reichispolizei- 
ordnungen  werden  die  Eltern  ermahnt,  ihre  Kinder  etwas 
lernen  zu  lassen;  starke  Bettler,  die  imi  gebührende  Be- 
lohnung nicht  arbeiten  wollen,  kommen  in  die  „Betzen- 
kammer"  oder  werden  sonst  gestraft.  Für  die  Burg 
Friedberg  wurden  1680  in  der  Polizeiordnung ^)  mit 
Turmstrafe  verschärfte  Gebote  erlassen,  daß  Kinder  den 
Eltern  oder  fremden  Herrschaften  dienen  sollen.  Die  Ge- 
sindeordnung für  Gedern  von  1681 ')  verbietet  das  Hau- 

')  St.  A.  Wiesbaden.  V.  Nassau-Usingen.  Generalia  11^.  Ver- 
ordnungen Band  V  Seite  123.  —  «)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  »)  St  A. 
Wiesbaden.  VI  1  Nassau -Weilburg.  Generalia  XI V^  Nr,  13.  — 
*)  Stadtarchiv  Frankfurt.  Corpus  Legum  Francof.  Nr.  68.  —  *)  Sel- 
ch ows  Magazin  f.  d.  teutschen  Rechte  und  Geschichte  I  S.  475.  — 
*)  Üniv,-Bibl  Marburg,  —  ')  Grafl.  Stolb.  Archiv  in  Gedern  B.  XX. 
Allerhand  Verordnungen  und  Befehle  so  in  der  Grafschaft  StoUberg- 
Gedern  ergangen  S.  61. 


—    355     — 

sieren  und  das  Ledigsitzen  dienstloser  Hausgenossen  bei 
Verwandten ;  sie  sollen  Dienste  suchen. 

Ganz  besonders  reichhaltig  ist  das  Recht  Bayerns. 

In  Nürnberg  wurden  schon  früh  die  Ledigsitzenden 
zum  Dienen  angehalten;  wollten  sie  nicht,  dann  verloren 
sie  alle  Almosen  im»  Alter  und  in  der  Not  und  wurden  aus- 
gewiesen ^).  Nach  der  Bettlerordnung  von  1478  *)  soll  ver- 
sucht werden,  die  über  acht  Jahre  alten  gesimden  Kinder 
von  Bettlern  im  Dienste  unterzubringen.  Einen  Mittelweg 
bedeutet  es,  wenn  öfters,  so  am*  15.  Dezember  1^75,  imter 
Androhung  von  Geldstrafen  imd  Ausweisung  geboten 
wurde,  daß  ländliche  Dienstboten,  die  den  Winter  in  der 
Familie  eines  Bauern  zugebracht  hatten,  im  folgenden 
Frühling  dessen  Felder  bebauen  sollten^). 

Die  durch  die  Würzburger  Taxordnung  von  1644 *) 
angeordnete  Strafe  auf  den  Müßiggang  ledigsitzenden  Ge- 
sindes geht  auf  eine  Vereinbarimg  der  Mitglieder  des 
fränkischen  Kreises  vom'  September  1643*)  zurück.  In 
Tit.  I  'der  Taxordnung  von  1652®)  wird  jene  Straf drohung 
dahin  geändert,  daß  den  Übeltätern  ein  monatliches  Geld 
von  4 — 6  und  mehr  Batzen  auferlegt  wird,  bis  sie  sich 
vermieten.  Es  soll  auch  (1652)  auf  Betrügereien,  Unzucht 
solcher  Leute  gesehen  werden,  und,  so  oft  es  vonnöten  ist, 
Erkundigung  von  Haus  zu  Haus  nach  Einliegem  erfolgen. 
Mit  besonderer  Verordnung  ging  der  fränkische  Kreis 
am  20.  Dezember  1654  vor').  Die  Obrigkeiten  sollen 
fleißige  Aufsicht  aufs  entlaufene,  müßig  sitzende  Gesinde 
haben.  Späterhin  werden  in  Würzburg  das  freiwillig  ar- 
beitslose Gesinde  oder  die  Bettler  überhaupt  zur  öffent- 
lichen Arbeit  gebracht ;  der  Zweck  der  Sorge  für  die 
Herrschaften  verschwindet.    So  ist  es  nach  den  Verord- 


^)KaniannS.  88,  84.  —*)  Baader,  Polizeiordnungen  S.  816. 
*  •)  Kamann  S.  87.  —  *)  Kr.  A.  Würzburg.  V.  9561.  —  *)  Kr.  A, 
München.  Sign.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  -  •)  In  der  zit.  Würzburger 
Akte.  —  *)  Landesverordnungen  Würzburg  I  S.  248. 

28» 


—    356    — 

nungen  vom  20.  Mai  1726*),  10.  Mai  1730»),  nach  den 
Almosenordnungen  für  die  Stadt  Würzburg  vom«  24.  Juni 
1732  und  26.  Novemlber  1749*),  sowie  nach  der  Ver- 
ordnung vom'  7.   November  1746*). 

Im  Fürstbistum'  Bamberg  war  es  die  Tax-  und 
Gtesindeordnung  vom!  12.  Jtili  1652  5),  die  merst  die  Frage 
der  Dienstbotenbeschaffung  regehe;  sie  ist  der  branden- 
burgischen Taxordnung  für  Bayreuth  vom  31.  Januar 
1652*)  nachgebildet.  Ausgetretene  Dienstboten  müssen 
nacfh  vierzehn  Tagen  wieder  vermietet  sein;  armie  Leute 
mit  vielen  Kindern  sollen  zum  Verdingen  der  Kinder  an- 
gehalten werden.  Die  Eigenbrödler,  die  vorgeben,  „sich 
in  aigenen  Rauch  zunehren"  imd  sich  nur  zur  Ernte  gegem 
übermäßigen  Lohn  (gleich  einem'  Jahreslohn)  verdingen, 
sollen  zu  Arbeit  tmd  Dienst  vermahnt,  mit  starker  Con- 
tribution  belegt  tmd  wöchentlich  festgestellt  werden.  Dem 
ledigsitzenden  früheren  Gesinde  ist  nicht  erlaubt,  Han- 
tierung oder  Gewerbe  zu  treiben,  insbesondere  dürfen  sie 
kein  Kräuterwerk  über  Land  tragen ;  sie  sollen  auch  nicht 
Getreide  bauen  bei  Verlust  des  Getreides  und  anderer 
Strafe.  Ähnlich  ging  mtan  später  vor.  Ein  bambergisches 
Dekret  vom'  26.  November  1760  ^)  befiehlt  allen  früheren 
jungen  Dienstboten,  sich  bei  Arbeitshaus  -  Straf  e  binnen 
vier  Wochen  wieder  zu  vermieten.  Ein  bayreuthisches 
Reskript  verwandter  Art  vom  19.  Oktober  1731®)  tmter- 
ssagt  Dienstboten,  sich  ohne  Mittel  einen  eigenen  Haus- 
stand zu  gründen.  In  der  Oberpfalz  verboten  ein  Man- 
dat vom'  14.  März  1761  und  ein  Patent  vomi  27.  April 
1775^)  das  Sitzen  entbehrlicher  dienstfähiger  Leute  zu 

*)  Ebenda  S.  760.  —  «)  Ebenda  H  S.  64.  —  •)  Ebenda  S.  62, 
664.  —  *)  Ebenda  S.  468.  —  *)  Kr.  A.  Bamberg.  Verordnungen  Rep. 
141  Nr.  69.  —  •)  Kr.  A.  Amberg.  Zugang  6.  Fasz.  24  Nr.  212.  - 
Auch  Gesindeordnung  von  1769  (Onolzbach)  Art.  26;  Kr.  A.  NQmberg 
S.  28  V  Nr.  779.  Repert.  288.  —  ')  Kr.  A.  Bamberg.  Verordnungen 
Rep.  141  Nr.  69.  —  •)  Corp.  Const.  Brand.  -  Culmb.  11  1  S.  990.  - 
•)  Kr.  A.  Amberg.    Zugang  20.    Fasz.  6  Nr.  126. 


—    357    — 

hausie  oder  gar  in  Herbergren;  Zwangsmittel  wie  Arbeits- 
haus tL  ä.  stehen  darauf. 

Eine  eichstädter  Polizeiordnung  von  1707*)  ord- 
net unter  Nr.  129  an,  daß  arme  Kinder  von  Obrigkeits 
wegen  vermietet  oder  za  einem*  Handwerker  getan  werdem. 
Mit  recht  erheblichen  Kam)pf esmitteln  ging  mian  in  D  i  n  - 
kelsbühl  vor.  Eine  undatierte  Polizeiordnimg* *)  erlegt 
den  gelnieinen  Bürgersleuten,  denen  die  Erhaltimg  ihrer 
Kinder  zvl  schwer  fällt,  auf,  für  einen  geeigneten  Dienst' 
zu  sorgen.  Bleiben  solche  Kinder  gleichwohl  m  hausie! 
sitzen,  dann  erfolgt  Wamimg  und  demmächst  Ausweisung 
aus  der  Stadt.  Nicht  so  streng  war  das  Recht  der  Herr- 
schaft Stauffen  von  1621');  die  in  Armlut  geratenen 
Leute  sollen  ihre  Kinder  za  billig'er  Handarbeit  treiben. 

In  Aug^sburg  bestand  nach  den  Bettelordnimg'eii 
von  1720  und  1749*)  die  Gewohnheit,  jährlich  die  Ar- 
beitsfähigkeit der  Armfen  festzustellen.  Wer  Dienstboten 
oder  Taglöhner  nötig  hatte,  sollte  solche  einheimischen 
Kräfte  Fremden  vorziehen.  Welchen  Umfang  die  Bettelei 
in  Augrsburg  bisweilen  hatte,  geht  aus  einer  Denkschrift 
der  1770er  Jahre  über  die  neue  Armlenanstalt  hervor*). 
Da  werden  viele  Beispiele  von  Leuten  angeführt,  die  die 
ganze  Woche  arbeiten,  Sonntags  wohlgekleidet  und  nicht 
sparsam  rechen,  aber  ami  Samlstag  sich  in  alte  Lumpen 
hüllen  und  mit  Weibern,  Kindern,  Gesellen  und  Dienst- 
mägden  die  ganze  Stadt  abbetteln  und  so  den  wahren 
Armen  die  Almosen  fortnehmten.  Über  Verwirklichimgen 
des  Zwanges  Müßiger  zur  Arbeit  wird  aus  Landshut 
fürs  17.  Jhdt.  berichtet«). 


*)  Habeische  SammJung.  —  *)  v.  Weber,  Statutarrechte  II 
S.  1016.  —  •)  Ebenda  IV  S.  819 ff.,  bes.  820.  —  *)  Max  Bisle,  Die 
öffentliche  Armenpflege  der  Reichsstadt  Augsburg.  (Paderborn  1904) 
S.  146.  —  *)  Schorer,  Das  Bettlertum  in  Kiu-bayern,  in  Forschungen 
zur  Gesch.  Bayerns  XII  S.  176fi'.,  bes.  191.  —  ')  Staudenraus, 
Chronik  von  Landshut  II  S.  179,  180. 


—    358    — 

In  Altbayern  ging  die  Entwicklung  größtenteils 
ähnlich  wie  anderswo.  1488  zuerst  wurden  die  Landge- 
richte beauftragt,  „fürder  ledigen  Knechten,  Ehehalten 
und  anderen  nicht  zu  gestatten,  in  ihrem  Amt  ohne  Dienst 
zu  liegen,  zu  zehren,  noch  Wohnung  zu  haben".  Das  zog 
sich,  zusamlmen  mit  den  Geboten  wegen  Vermietung  der 
Kinder,  über  das  16.  und  17.  bis  zum'  18.  Jhdt.  hin;  die 
großen  Landesgesetze  enthalten  stets  derartige  Sätze  als 
wesentliche  Bestandteile.  Nebenher  geht  noch,  verschie- 
dentlich abgewandelt,  das  Verbot  an  Dienstboten,  zu  hei- 
raten.' Im  einzelnen  sei  hier  auf  die  übersichtliche  Dar- 
stellung Platzers  verwiesen  *).  Hervorgehoben  muß  wer- 
den, daß  bei  einer  Umfrage  1762  ein  Gutachter  den  Man- 
gel an  Dienstboten  vornehmlich  auf  den  Bettel  zurück- 
führte 2). 

Das  Recht  der  badischen  Länder  beginnt  mit 
der  kurpfälzischen  Landesordnung  von  1582^), 
welche  die  Unterbringung  der  Armenkinder  in  Handwer- 
ken, Bauers-  und  anderer  Arbeit  und  imi  Dienste  anordnet. 
In  Waisenhäusern  sollen  die  Kinder  zu  Handwerken  „und 
anderem"  angehalten  werden.  Die  spätere  kurpfälzischc 
Polizeiordnung  von  1684*)  operiert  sogar  mit  der  Aus- 
weisungsstrafe wider  die  müßigsitzenden  jungen  Leute. 
Nach  dem  Stadtrechte  für  Villingen  aus  dem«  Jahre 
1592*)  soll  der  Vogt  die  Waisenkinder  zur  Gottesfiu-cht, 
„kunst  oder  zue  einemi  handtwerck  .  .  .  ufferziehen**. 

In  der  Polizeiordnung  für  den  Kletgau  von  1603*) 
wird  den  starken  Müßiggängern,  die  keine  Arbeit  an- 
nehmen, Ausweisimg  angekündigt.  Die  Eltern  sollen  die 
Kinder  nicht  auf  der  Straße  umher  laufen  lassen,  sondern 
sie  zur  Arbeit  erziehen.  Eine  Taxordmmg  der  Herrschaft 

*)  Die  Tagwerkenordnung  des  Landgerichts  Friedberg  (Kr.  A. 
Neuburg,  ad  H.  5887.  Augsburg  Hochstift  ad  Generalia  XI  Nr.  2) 
licss  Ausweisung  der  massigen  Dienstboten  zu.  —  •)  Schorcr  a.  a.  0. 
S.  188.  —  •)  Univ.  -  BibL  Marburg.  —  *)  Ebenda.  -  *)  Oberrhein. 
Stadtrechte  II  1  S.  166  ff.,  bes.  189.  —  •)  Habeische  Sammlung. 


—       359       -r 

Rotte  In  von  ca.  1640 1)  ordnet  die  Begteuerung  der 
Müßiggänger  an.  Durch  ein  baden-durlachisches 
Umschreiben  an  die  Ämter  vom  7.  August  1724  *)  wird  den 
Eltern  aufgegeben,  ihre  entbehrhchen  Kinder  in  Dienst 
zu  geben;  die  Ämter  sollen  von  Zeit  zu  Zeit  Nachricht 
über  den  Erfolg  einziehen.  Das  Ausschreiben  von  1724 
erfuhr  modifizierende  Ausdehnung  am  13.  Mai  1778  ^).  Be- 
sonders ausführlich  behandelt  schließlich  die  freiburger 
Gesindeordnung  von  1782  *)  die  Frage  in  §  34.  Dienstlos 
gewordenes  Gesinde  darf  nur  mit  Erlaubnis  des  Gesinde- 
kommissars bis  zum  nächsten  Wandeltermin  dienstlos 
bleiben.  Solche  „Nachsicht**  verdienen  aber  Dienstboten 
mit  schlechten  Zeugnissen  nicht;  denen  droht,  wenn  sie 
ausländisch  sind,  Ausweisung,  wenn  sie  im'  Lande  geboren 
sind  und  keine  Verwandten  haben,  die  sie  „zu  einem'  sitt- 
lich-christlichen Betrag  anhalten**,  Spinnhaus.  Die  Be- 
herberger ledigen  Gesindes,  sowie  Leute,  die  ihm  Ge- 
legenheit zum  Saufen  usw.  geben,  werden  mit  Turm-  oder 
sonstiger  Leibesstrafe  bedacht. 

Nicht  viel  anders  als  anderswo  ist  schließlich  das 
Recht  in  W  ü  r  1 1  e  m-  b  e  r  g.  Nach  der  vierten  Taxordnung 
vom  30.  April  1642  ^)  kommen  Dienstboten,  die  sich  „auff 
anerbieten  dess  gemachten  billichen  Lohns,  lieber  faul- 
lentzen  \md  müssig  gehen,  dann  arbeiten  tmd  schaffen 
wollen**,  in  das  Narrenhäuslin.  Schon  1652  wird  dies 
aber  abgeschafft.  Die  Gesindeordnung  vom  15.  Mai  dieses 
Jahres^)  bestimlmt  in  Ausführung  der  Vergleichung  des 
schwäbischen  Kreises  vom  12.  April  1652'),  daß  sich 
junge,  gesunde  Knechte  und  Mägde  vierzehn  Tage  nach 
Weihnachten  vermietet  haben  müssen.    Sonst  werden  sie 


')  Gen,  L.  Archiv  Karlsruhe.  Herrschaft  Rötteln  Fasz.  969.  — 
')  Gen.  L,  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia  6886.  —  •)  Ebenda.  Poli- 
zcisache  1197  (Zugang  1899  Nr.  12).  —  *)  Ebenda.  Baden  Gen.  6391. 
-•)Reyscher,  Gesetze  XIU  S.  17.  —  •)  Ebenda  S.  114.  —  ')  St. 
A.  Stuttgart.    Druck. 


—    360    — 

bestraft  ebenso  wie  die  „UndersChleuffer,  und  wer  ihnen 
sonsten  Anlaß  hiezu  giebt".  Armie  Leute  mit  vielen  Kin- 
dem  sollen  diese  dienen  lassen.  Und  starke  Faulenzer 
werden  bestraft,  dürfen  nicht  behaust  werden.  In  die- 
selbe Kerbe  schlägt  die  Verordnung  vom!  19.  November 
1669  ^),  die  durch  eine  Vereinbanmg  schwäbischer  Städte 
vom  3./4.  Mai  1669  ^)  veranlaßt  ist.  Nach  einer  Ordnimg: 
für  Biberach  von  1651*)  konnte  das  müßiggehende 
Gesinde  ausgewiesen  werden.  In  Gräflich  Adelmannschen 
Orten,  so  Hohenstatt  u.  a.  erging  1748  eine  Polizei- 
ordnung *),  die  auch  wider  die  Bettler  Bestimmungen  trifft. 
Wenn  ein  Bettelkmd  „besser  in  die  Höhe  komimen, . . .  folg- 
lich in  den  stand  gelangen  würde,  zu  dienen  tmd  sein  stück 
jbrod  Selbsten  zu  erwerben",  dann  soll  ihm!  der  Bettel 
künftig  verboten  sein  und  es  m  Diensten  und  ehrlicher 
Nahrung  angehalten  werden^). 

Der  Osten  und  einige  Länder  im!  Westen  und  Süden 
kannten  ja  das  viel  praktischere  und  radikalere  Mittel 
des  Zwangsdienstes*),  um'  den  Dienstherrschaften  Ge- 
sinde zu  verschaffen.  Unbemittelte  Leute  werden  gezwun- 
gen, Gesindedienst  anzunehmien.  Das  ist  das  übereinstim- 
mende Merkmial  von  Zwangsdienst  und  Bekämp- 
fung des  Müßiggangs.  Aber  es  bestehen  gewaltige 
Verschiedenheiten  zwisch«!  beiden  Einrichtungen, 
die  eine  Gleichstellung  ausschließen. 

Die  Müßiggänger  wurden  zu  Anfang  im'  Interesse 
der  Armenpflege  zur  Arbeit  angehalten;  dies  Charakte- 

*)  Rey  seh  er  a.a.O.  S.  496.  —  »)  St.A.  Stuttgart.  Handsehrift. 
—  •)  Kr.  A.  Neuburg,  ad  H.  6887.  Augsburg  Hochstift  ad  Generalia 
XI  Nr.  2.  —  *)  Wintterlin,  Württembergische  ländl.  Rechtsquellen  I 
S. 449 ff.,  bes. 456.  —  •)  Recht  energisch  ging  das  ältere  flandrische 
Recht  von  1588  gegen  die  arbeitsscheuen  Dienstboten  vor,  was  hier 
nebenbei  angemerkt  sei.  Dienstboten,  die  unter  nichtigem  Vorwande 
sich  ihrem  Berufe  entziehen  wollten,  sollten  als  ,,Vagabonden  ende 
Ledighgangbers"  behandelt  und  mit  Prügeln  und  Verbannung  gestraft 
werden  (Behaegel,  Servantes  et  serviteurs  d' autrefois,  im  Bulletin 
du  comit^  central  du  trayail  industriel  1905  S.  619).  —  *)  Oben  S.  824  ff*. 


—    361     — 

Tistikum  blieb  auch  späterhin  noch  zu  merken.  Der 
Zwangsdienst  der  Untertanenkinder  dagegen  wurde  einge- 
führt nur  im'  Interesse  des  leutebedürftigen  Zwangsherm; 
Nebenerwägungen  altruistischer  Art  waren  diesem!  so  fem, 
wie  ihm  nur  etwas  fem  sein  konnte.  Der  Dienstzwang 
wurde  weiter  sru  Gimsten  eines  einzelnen  Arbeitgebers  ge- 
schaffen; der  Müßigen  Arbeit  aber  sollte  zum-  Heile  der 
sämtlichen,  vielen,  großen  und  kleinen  Dienstherrschaf- 
ten eines  Landes  führen.  Für  die  Durchsetzung  des 
Dienstrwanges  sorgte  der  einzelne  Herr  (und  auf  seinen 
Befehl  die  Polizeigewalt  des  Landes),  während  der  Zwang 
gegen  die  Müßiggänger  von  der  vielbeschäftigten  Poli- 
zei ausgeübt  werden  sollte,  die  ein  immittelbares,  ak- 
tuelles Interesse  (wie  der  Zwangrsherr)  nicht  hatte.  Der 
Zwangsdienst  ist  ein  aristokratisches  Instrument,  das  Vor- 
gehen gegen  die  Ledigsitzenden  hat  alle  Mängel  einer 
Masseninstitution.  Der  wichtigste  Unterschied,  der  aus 
alledem  folgt,  ist  der,  daß  der  Zwangsdienst  großzügig 
durchgeführt  werden  konnte  und  auch  immer  großzügiger 
durchgeführt  wurde ;  die  andere  Maßregel  ist  eine  Hand- 
habe der  Polizei  wie  so  viele  andere  auch. 

Man  sollte  annehmen,  daß  die  Länder  des 
Zwangsdienstes  so  zarte  Maßnahmlen  nicht  nötig 
gehabt  hätten  wie  Besteuerung  oder  sonstige  Versuche, 
die  Ledigsitzenden  und  armen  Kinder  in  Dienst  ta  brin- 
gen. Jedoch  es  gab  neben  den  großen  Zwangsherm  auch 
noch  andere  Dienstherrschaften  im'  Lande,  besonders  auch 
in  den  Städten.  Für  die  wurde  auf  die  bescheidenere  Art 
gesorgt.  Teilweise  läßt  sich  auch  beobachten,  wie  die 
Maßregeln  gegen  die  Müßigen  der  Einführung  der  Vor- 
miete  oder  des  strengen  Dienstzwanges  zeitlich  voran- 
gehen; es  scheint,  als  habe  die  äußerliche  Ähnlichkeit 
zu  einem  Vorgehen  auf  dem'  in  Wirklichkeit  doch  ganz 
fem  liegenden  Wege  des  Zwangsdienstes  geführt.  Über 
das  Vorkommen  der  gelinden  Formen  des  Müßigenzwan- 


—    362    — 

ges  in  den  wenigen  westlichen  und  südlichen  Ländern 
der  Vormiete  und  des  Dienstzwangs  (Bayern,  Nassau, 
Köln  usw.)  wurde  im:  Zusairtmenhange  schon  berichtet. 

Für  die  östlichenLänder  besonders  durchsichtig 
ist  die  Entwicklung  in  Kursachsen.    Bereits  im  15. 
Jhdt.  setzen  hier  neben  Auswanderungsverboten  vor  allem 
Maßregeln  gegen  die  Müßiggänger  ein^),  so  Ausweisung 
der  Faulenzer,  Bestrafung  des  CJesindes,  das  acht  Tage 
nach  Ablauf  seiner  letzten  Dienstzeit  imvermietet  ange- 
troffen wird.    Die  Sprache  ist  hier  energischer  als  man 
es  aus  dem  Westen  gewohnt  ist;  1482  erhalten  die  Räte 
in  den  Städten  die  Anweisimg,  „Gesind  in  die  Dienst  zu 
zwingen***).   Auch  aus  dem'  16.  Jhdt.  liegen  Zeugnisse 
für  ähnliches  Vorgehen  vor  *).   Das  17.  Jhdt.,  in  dem  der 
Zwangsdienst  eingeführt  wurde,  beginnt  mit  Maßnahmen 
gegen  die  „Hausgenossen**,  das  sind  ledige  Personen,  die 
sich  zur  Beschäftigimg  mit  Heimarbeit  bei  andern  ein- 
mieten, und  so  den  Gesindemangel  erhöhen*).   Die  Vor- 
arbeiten zur  Gesindeordnung  von  1651  und  diese  selber 
enthalten  Vorschläge  und  Vorschriften  wider  die  Haus- 
industrie, über  die  Besteuerung  ledig  sitzenden  Gesindes, 
Auswanderungs verbot  *).    Die  Annahme  der  Gesetzgeber 
von  einer  inneren  Verwandtschaft  des  Zwangsdienstes  mit 
all  diesen  Maßnahmen  ergibt  sich  daraus,  daß  der  zweite 
Abschnitt  des  Gesetzes  „von  dienstlosem  Gesinde,  Haus- 
Genossen  imd  Müssiggängem**  sowie  „von  derer  Un- 
terthanen  Kinder-Diensten**  handelt,  also  beides 
in  innigem  Vereine*). 

In  Pommern  wurde  1621  auf  Antrag  der  Ritter- 
schaft angeordnet,  daß  alle  unter,  40  Jahre  alten  arbeits- 

0  Wuttke  S.  8,  9.  —  «)  Ebenda  S.  11.  —  •)  Ebenda  S.  20,  21; 
Statuten  vonZitUu  1667,  zit.  bei  Emmi ngh aus  S.  9, 10.  -  *)  Wuttke 
S.  61.  —  »)  Ebenda  S.  78,  83.  —  •)  Über  den  Fortgang  der  Entwick- 
lung in  der  spateren  Zeit  s.  Wuttke  S.  127,  161,  169,  162,  Ifö, 
191,  194. 


—     363     ^ 

fähigen  Personen  nicht  bei  andern  zur  Heuer  hegen  dür- 
fen; haben  sie  keine  eigene  Wohnung,  daim  sollen  sie 
sich  zu  Diensten  begeben  oder  an  andern  Orten  Unter* 
halt  suchen  *). 

Auch  Brandenburg  kannte  neben  dem'  Zwangs- 
dienste das  Verbot  des  „Sizens  des  Gesindes  auf  seine 
eigene  Hand  und  zur  Miethe".  Eine  derartige  Bestimmung 
komimt  regelmäßig  vor*). 

Schlesien  führte  1545  die  Vormiete  ein*).  Weit 
älter  aber  sind  schon  die  Klagen  darüber,  daß  sich  dasi 
Gesinde  nicht  vermieten  wolle,  daß  es  die  Bauern  durch 
Verlangen  nach  Lein-  imd  Getreidesäen  auswuchere.  Die 
Verbote  helfen  nicht  *).  In  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts. 
wurde  das  Wohnimgsvermieten  an  dienstfähige,  aber 
dienstlose  Personen  verboten.  Weigern  sich  die  ^ledig 
sitzenden  Dienstboten,  einen  Dienst  zu  nehmen,  dann  be- 
kommen sie  hohe  Geld-  und  Gefängnisstrafe^). 

Im  Ordenslande  wurde  das  Vermieten  von  Unter- 
kunftsstellen an  ledig  sitzendes  Gesinde  schon  1420  ver- 
boten^). Nicht  länger  als  vierzehn  Tage  dürfen  Knechte 
und  Mägde  dienstlos  gelitten  werden^).  Später  wurde 
immer  wieder  verboten,  daß  das  Gesinde  sich  nach  einer 
Dienstbeendigung  auf  mehrere  Monate  zur  Ruhe  setzte 
und  sich  erst  später  wieder  für  den  Rest  des  Jahres  ver- 
mietete, aber  zu  vollem  Jahreslohn  ^).  Wer  sich  als  Dienst- 
bote der  Gesindearbeit  entzieht,  der  soll  in  die  Ketten 
gespannt    oder    genötigt    werden,    ein  Jahr  um'sonst  zu 

»)  Fuchs  S.  172.  —  •)  Lcnnhoff  S.  88.  Lennhoff  inter- 
pretiert die  Worte  irrtümlich  dahin,  als  sei  es  dem  Gesinde  ver- 
boten, wahrend  des  Dienstes  ausserhalb  des  Hauses  zu  wohnen. 
-  »)  Fraucnstädt  S.  876.  -  *)  Ebenda  S.  878.  —  »)  Das  Sitzen 
auf  eigene  Hand  heisst  in  Schlesien  „Sitzen  zu  ledigem  Sattel"; 
Frauenstadt  S.  879.  Ober  das  spatere  Bettclwesen  in  Schlesien 
Frauen  Stadt  in  der  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Strafrechtswissenschaft  17 
S.  712ff.  -  •)  Frauenstadt  S.  879  Anm.  —  ')  Ebenda;  Steffen 
S.  U.  —  •)  Steffen  a.  a.  O. 


—    364    -^ 

dienen  ^).  Bestraft  werden  auch  die  Personen,  die  arbeits- 
loses Gesinde  länger  als  drei  Tage  herbergen*). 

Durch  Wanderungen  der  Dienstboten  vornehm- 
lich ins  Ausland  wurde  die  Gesindenot  verschärft.  Nicht 
nur  dies.  Die  vielen  großen  Lohntaxen  •)  wurden  damit 
illusorisch  gemacht.  Ein  Hauptzweck  jener  Vorschriften 
über  die  Unterbringung  der  feiernden  Müßiggänger 
konnte  nicht  erreicht  werden,  wenn  den  mm'  Dienen  Taug- 
lichen der  Weg  ins  Nachbarland  (der  ja  manchmal  sehr 
kurz  war)  offenstand.  Und  schließlich  wurde  auch  die  ab- 
strakte Theorie,  daß  die  Auswandernden  die  Bevölkerungs- 
zahl des  Landes  schädlich  minderten  imd  auch  Geld 
außer  Landes  führten,  durch  Gestattung  der  Wanderung 
nicht  befriedigt. 

Hessen  alten  Bestands  kannte  kein  Auswanderungs- 
verbot. Auch  dann  erließ  es  noch  keins,  als  ihm'  hessen- 
darmstädtische  Ang^riffsmlaßregeln  1776  das  a.uswärtige 
Gesinde  aus  dem  Lande  za  ziehen  suchten*).  Aus  dem 
später  an  Hessen  gefallenen  miainzischen  Amöneburg 
liegt  dagegen  ein  Auswanderungsverbot  schon  aus  dem 
15.  Jhdt.  vor.  Das  Stadtrecht ^)  sagt:  „Item  sal  keyn 
knecht   von  deme   slosse  gen  czwen  dagin  adder  drey 


')  Ebenda  S.  15.  —  ')  Ebenda.  —  Was  Goethe  einmal  gelegent- 
lich  Ober  die  Ausbildung  der  Arroenkinder   zum  Dienste  sagt,  mag 
anhangsweise  hier  angeführt   sein.    Im   ersten  Buche   von   Dichtung 
und  Wahrheit  (Hempel  XX  S.22)  erzählt  er  von  der  Pfingstweidc: 
„Dorthin  trieb  man  zu  Pfingsten  die  Schafherden,  und  zu  gleicher  Zeit 
liess  man  die   armen  verbleichten  Waisenkinder   aus  ihren  Mauern 
ins  Freie;  denn  man  sollte  erst  spät  auf  den  Gedanken  geraten,  dass 
man   solche   verlassene   Kreaturen,   die   sich   einst   durch   die  Welt 
durchzuhelfen  genötigt  sind,  früh  mit  der  Welt  in  Verbindung  bringen, 
anstatt  sie  auf  eine  traurige  Weise  zu  hegen,  sie  lieber  gleich  zum 
Dienen   und  Dulden  gewöhnen  müsse  und  alle  Ursach  habe, 
sie   von   Kindesbeinen   an  sowohl   physisch   als   moralisch  zu  kw 
tigen  ..."  -  »)  Unten  §  8.  —  *)  St.  A.  Marburg.  Cass.  Finanzkammer- 
Archiv  88  Nr.  7  Generalia  1776—1792;  oben  S.  86  f.  —  »)  Oben  S.  SO. 


—     365     — 

noch  sanct  Jadobtisdagie  (25.  Juli),  ob  mian  er  dorffte, 
biss  die  lüde  er  fruchte  von  dem  felde  brengin;  wilcher 
dass  tbede  demle  solde  inlan  funff  Schill,  pennige  abnemen, 
wen  he  widder  quemie."  Fulda  erließ  ein  Auswanderungfs- 
terbot  erst  am  25.  J\mi  1803*).  Da  das  „Landgehen** 
in  die  Wetterau  zur  Erntezeit  für  Gesundheit,  Sitten  und 
Landwirtschaft  schädlich  ist,  wird  (zunächst  provisorisch) 
verordnet,  daß  wandernde  Arbeiter  in  den  Orten  ihrer 
Durchreise  nicht  weitergelassen  werden  sollen,  wenn  sie 
nicht  mit  Amtszeugnissen  über  ihre  EntbehrHchkeit  ver- 
sehen sind. 

Das  übrige  Deutschland  ist  energischer  vorgegangen. 
K  u  r  k  ö  1  n  zum'  Beispiel  ordnete  in  seiner  Polizeiordnung 
von  1645  *)  Art.  3  an,  „daß  den  Arbeitern  das  aus  Trotz 
auswärts  geschehende  Suchen  der  Arbeit  in  der  Zeit  wo 
man  ihrer  am  meisten  einheimisch  bedarf,  bei  Strafe  der 
Nachsendtuig  ihrer  Familien  oder  sonst  verboten  wer- 
den soll";  das  „oder  sonst"  wird  in  Artl.  10  dahin  er- 
läutert, daß  Brüchtenstrafe  festgesetzt  wird,  bis  zu  dereoi 
Entrichtung  das  etwaige  Besitztum!  der  Ausgewanderten 
mit  Arrest  bestrickt  wird.  Auch  die  folgende  Polizeiord- 
nung von  1656*)  wählt  als  bequemstes  Mittel  die  Ver- 
mögenskonfiskation. Himdert  Jahre  danach  wird  den  im 
Ausland  lebenden  Dienstboten  „durch  Verordnimg  vomi 
21.  November  1763  *)  die  Rückkehr  binnen  sechs  Wochen 
bei  drei  Gulden  Strafe  anbefohlen.  Andere  Hilfen  gegen 
die  Auswanderungsnot  wählt  die  clever  Gesindeord- 
nung aus  dem!  Jahre  1608^).  Sie  drückt  sich  so  aus:  „Zum 
Fall  obgemelte  Taglöhnere  und  Dienstbotten  auch  außer- 
halb Landes,  dieser  Ordnimg  zum!  abbruch,  und  frevent- 
licher widersetzung,  es  seie  lange  ader  kurtze  zeit,  dienen 


*)  Fürstl.  Oranien- Nassau -Fuldaische  wöchentliche  Polizei-Kom- 
merzien-  und  Zeitungsanzeigen  1808  Nr.  27  (Samml.  der  cass.  Reg. 
Bd.  X).  —  »)  Scotti,  Köln  I  1  S.  249.  -  •)  Ebenda  S.  268.  - 
*)  Ebenda  I  2  S.  846.  —  »)  Scotti,  Cleve  S.  219. 


—    366    — 

und  arbeiten  wurden,  das  alssdan  dieselbe  des  Landes, 
mit  verluiss  jrer  freiheit  zu.  verweisen,  und  ohne  erlaub 
nuss  der  Obrigkeit  nit  wider  einzukomlmien,  jenen  auch 
Weib  und  Kindern  nachzujagen". 

Recht  früh  lernten  die  westfälischen  Ritter  und 
Städte  den  Wert  der  Auswanderungsverbote  kennen.  Die 
Gesindeordnung  von  1423*)  bringt  das  Verbot  geschickt 
in  Zusammenhang  mit  gegenseitiger  Schutzverheißung : 
„Wert  ok,  dat  welck  arbeydes  persone  ume  des  brokes 
wyllen,  toghe  in  eyne  andere  stat,  der  vorg.  stede  jenich, 
effte  op  de  borde  der  vorg.  ridderschap,  waner  dat  men 
dat  de  stat  effte  den  amptman  dat  wetten,  de  vorg.  brocke^) 
salmen  van  deme  ghenen  nemen  und  keren  den  brocke 
an  de  stat,  dar  de  ghen  her  ghecohmen  is  und  dan  seien 
se  den  ghenen  van  stunt  von  sich  driven  und  nicht  behol- 
den in  eyrer  stat  effte  ampte,  des  gelikes  sollen  de  stedde 
wedderum  don.** 

In  der  Landesordnung  für  Ravensberg  von  1655 ^) 
wird  willkürliche  Strafe  denen  in  Aussicht  gestellt,  die 
außer  Landes  dienen.  Die  entsprechende  Stelle  der  gleich- 
zeitigen paderborner  Polizeiordnung  von  1655*)  läßt 
auf  nachbarliche  Vereinbarung  schließen.  Es  heißt  zum 
Schluß :  Dienstboten,  die  zum  Dienen  auswandern,  sollen 
„versichert  seyn,  dass  man  bey  den  benachbarten  Herr- 
schaften sie  verschreiben,  handfest  machen,  und  remit- 
tiren  lassen,  demnächst  aber  an  ihren  Leibe  sie  ernstlich 
bestrafen  werde,  worinn  man  dann  auch  denselben  Herr- 
schaften in  gleicher  Begebenheit  zu  deferiren  erbietig  ist; 
und  da  sie  nicht  zu  ertappen  seyn  sollten,  wird  man  ihnen 
Weib  und  Kinder  nachschicken,  imd  weder  Zutritt  noch 
Herberge  ihnen  dahier  gestatten.*'  Später  erging  in  Pa- 
derborn noch  ein  allgemeines  Verbot,  nach  Holland  auszu- 

»)  Seibertz,  Urkundenbuch  III  S.  48 ff.,  bes.  45.  —  »)  Eine 
Mark  oder  Haft  —  •)  18.  Jahresber.  des  bist.  Vereins  f.  d.  Grafschaft 
Ravensberg  S.  134.  —  *)  Landesverordnungen  Paderborn  I  S.  6. 


—    367    — 

wanifern^).  Es  enthält  die  eigentümliche  Sonderbestim- 
mung für  die  Knechte,  die  um  Cathedra  Petri  (22.  Fe- 
bruar) ihren  Dienst  wechseln,  daß  sie  vorher  ihremi  alten 
Herrn  den  neuen  Mieter  nennen  müssen.  Tim  sie  dies 
nicht,  oder  geben  sie  einen  falschen  an,  darm  sind  sie 
verdächtig,  nach  Holland*)  auswandern  zu.  wollen.  Der 
alte  Dienstherr  ist  in  solchemi  Fall  bei  5  Thaler  Strafe 
verpflichtet,  den  Knecht  anzuzeigen,  der  arretiert  und  ins 
Zuchthaus  gebracht  wird. 

Weit  früher  war  Koesfeld  zu  einer  Satzung  ge- 
langt. Wie  es  scheint,  hatten  die  Stadtväter  beim'  Er- 
lasse des  dem'  16.  Jhdt.  angehörenden  Statuts  3)  Fälle 
politischer  Not  im  Auge,  während  der  das  Auswärtsdienen 
verboten  war:  „Item-  is  verordnet,  dat  gein  Borger  oder 
Inwohner  in  noetfällen  und  sunsten  sich  uth  dieser  Stadt, 
buten  bei  frembde  Herrn,  imd  up  den  Junkern  Huessern 
in  Dienst  geven  oder  annhemen  und  bestalten  laten  soll, 
ohne  Vorweten  des  Rhades,  oder  thom-  wenigsten  der 
Burgermeistern,  bey  Verluess  der  Borgerschafft  und 
Rueminge  der  Stadt."  In  Münster  spielte  vielleicht 
auch  die  Sorge  tun  Erhaltung  des  Gesindebestandes  neben- 
her mit,  als  man  1372  die  Versetzung  des  imfreien  Ge- 
sindes nach  außerhalb  imtersagte  *) :  „Welk  Mann,  de 
unse  Borger  iss,  und  egene  Lüde  kopet,  de  bynnen  imser 
Stadt  wohnachtig  sien  of  de  in  et,  de  soll  de  Lude  nicht 
von  bynnen  Munster  hen  doen,  he  en  doe  dat  mit  I?aede 
der  Borgermester  und  Scheppen."  (Es  folgt  eine  Vor- 
schrift über  Aushaltung  bestehender  Dienste  durch  sol- 
ches Gesinde.) 

Eines  der  ältesten  Rechte  ist  ferner  das  der  wal- 
decker  Lohnordnung  von  1386*).   Arbeitsleute,  die  zur 

')  13.  Januar  1781 ;  ebenda  IV  S.  140.  —  «)  Vgl.  die  Bemerkung 
ober  das  „Hollandgehen"  der  westfölischcn  Heuerleute  bei  A.  Neu- 
mann,  Die  Bewegung  der  Löhne  der  ländlichen  „freien"  Arbeiter 
S.  114.  —  •)  Niesert,  ürkundensammlung  III  S  178.  —  *)  Ebenda 
S.  12Bff:,  bes.  126.  —  »)  Bauer-Collitz,  Wald  Wörterbuch  S.  801. 


I  _    368    — 


Umgehung  der  Lohntaxe  außer  Landes  gehen,  sollen  mit 
drei  Mark  gestraft  werden,  „se  en  mochte  dan  mit  der 
warheyt  erwysen,  daz  se  in  unszme  lande  to  keyme  arveyde 
komen  künden".  Besondersartige  Weiterbildungen  dieser 
Gedanken  enthält  späterhin  die  Gesindeordnungr  von 
1736  ^).  In  Art.  3,  5  und  6  wird  das  Dienen  außer  Landes 
verboten.  Nur  daim  soll  es  mlässig  sein,  wenn  der  Aus- 
wandenmgslustige  sich  vorher  an  drei  Orten  des  Landes 
bei  je  vier  Herrschaften  angeboten  hat.  Übertreter  müs- 
sen bei  ihrer  Rückkehr  soviel  Strafe  asahlen,  als  sie  aus- 
wärts verdient  haben;  bei  Unvermögen  erhalten  sie  vier 
Wochen  Gefängnis,  und  tui  Sicherung  der  Geldstrafe 
wird  ihr  Kindteil  beschlagnahmt.  In  derselben  Weise  wird 
der  bestraft,  der  eine  falsche  Bescheinigung  ausstellt,  der 
Dienstbote  habe  sich  bei  ihmj  lun  Dienst  beworben.  Eng^er 
konnten  die  Maschen  nicht  gezogen  werden.  Daß  die 
Art  arg  kompliziert  war,  gab  der  Gesetzgeber  zu,  als  er 
am  2.  September  1761  auf  alles  Zubehör  verzichtete  und 
nur  Vermögenskonfiskation  auf  das  Dienen  außer  Landes 
androhte '). 

In  der  detmolder  Taxordnung:  aus  dem!  Jahre 
1655  •)  wird  dem  zum  Dienste  außer  Landes  Gegang'enen 
langedroht,  daß  ihm!  Weib  und  Kind  nachgeschickt  wer- 
den, die  Rückkehr  und  der  Genuß  von  „Wohltaten" 
von  Seiten  der  Seinigen  verboten  wird.  Wirksamer  mußte 
die  Strafe  von  10  Goldgulden  sein,  die  auf  das  gemeinsame 
Dienstsuchen  imi  Ausland  durch  eine  Verordnung  vom: 
20.  Februar  1680*)  gesetzt  wurde.  Eine  spätere  Verord- 
nung vom:  22.  Februar  1734^)  schränkte  dies  ein,  imd 
verbot  nur  das  Auswandern  des  Dienstvolks  nach  Holland 
und  Friesland  ohne  Paß.  Die  Übertretung  dieser  Vor- 
schrift bedachte  dann  die  Gesindeordnung  von  1752*) 

*)  Sammlung  der  Regierung  Arolsen.  —  ■)  Ebenda.  —  •)  Landes- 
verordnungen L.-Detmold  I  S.  408.  —  *)  Ebenda  S.  487.  —  »)  Ebenda 
S.  872.  —  •)  Ebenda  II  S.  47. 


—    369     - 

in  §  2  mit  Geldstrafe.  Das  Recht  in  Schaumburg- 
Lippe  bringt  keine  sachlichen  Neuerimgen.  Die  Münz- 
und  Taxordntuig  vom  19.  Dezember  1620  ^)  erklärt  die  Aus- 
ge'wanderten  ihrer  Benefizien  verlustig;  dazu  bekommen 
sie  ihre  Familie  nachgeschickt.  Vermögenskonfiskation 
ist  das  Mittel,  mit  dem'  in  der  Taxordnung  aus  dem  No- 
vember 1654*)  vorgegangen  wird.  Nach  der  Gesinde- 
ordnung von  1738^)  darf  Gesinde  nur  mit  Konsens  aus- 
wandern,  insbesondere  wieder  nach  Holland  imd  Fries- 
land; auf  tmerlaubtes  Austreten  steht  Er b teils verlust  *). 

Den  einzig  möglichen  Gedanken,  wie  die  Auswande- 
rung zu  unterbinden  sei,  faßten  die  Gesetzgeber  Wei- 
mars. Hier  verglich  mjan  sich  mit  Nachbarn  über  die 
Auslieferung  der  abgewanderten  Dienstboten,  wovon  eine 
Verordnung  aus  dem  Jahre  1651  ^)  Kunde  gibt.  Mit  Turm- 
strafen und  anderm  Zwange  sollen  die  Dienstboten  nach 
dieser  Verordntmg  zum'  redlichen  Ausharren  im  Lande 
gezwungen  werden.  Die  eisenacher  Gesindeordnung 
von  1757*)  formuliert  den  Gnmdsatz  so''),  daß  Dienst- 
boten erst  an  ihrem'  Orte,  dann  im  Lande,  dann  im  Aus- 
lande Arbeit  suchen  sollen. 

Sogar  innerhalb  des  Fürstentiuns  Altenburg 
wurden  die  Wanderungen  des  Gesindes  eingeschränkt. 
Nur  mit  behördlicher  Erlaubnis  dürfen  sich  ledig  sitzende 
Leute  bei  Überfluß  an  Gesinde  zu  Feldnachbam  des  Für- 
stentums vermieten,  wie  die  Gesindeordnung  von  1719®) 
bestimmt.  Diese  etwas  unklare  Vorschrift  will  wohl  den 
Gesindevorrat  der  einzelnen  Orte  konstant  erhalten.  Ein 
offenbares  Verbot,  im  Lande  zu  wandern,  steht  in  der 
Gesindeordnung  von  1744^).   Wenn  ledigsitzende  Müßig- 


*)  Landesverordnungen  Schau mburg.-L.  I  S.  404.  —  •)  Ebenda  U 
S.  28.  —  •)  Ebenda  S.  836.  —  *)  §§  18,  14.  —  »)  Job.  Schmidt, 
Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  152.  —  •)  Kr.  A.  München.  Sign.  GR.  Fasz. 
402  Nr.  8.  ~  ')  §  8.  —  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVIIl  f  A  870.  — 
•)  Ebenda  XVIII  f  B  1119«. 

Könnecke.  24 


—    370     — 

ganger  sich  den  Anordnungen  der  Behörden  nicht  führen 
wollen  und  deshalb  an  einen  anderen  Ort  ziehen,  dann 
(sollen  sie  zurückgebracht  und  mit  schweren  Freiheits- 
strafen, bei  wiederholtem'  Rückfalle  gar  mit  Zuchthaus, 
gestraft  werden.  Auswanderung  aus  dem!  Lande  hat  Ver- 
mögenskonfiskation  nach  sich.  Und  die  Angehörii^en 
müssen  schwören,  daß  sie  dem  Ausgewanderten  keinerlei 
Unterstützung  zukommen  lassen  wollen.  Nach  derselben 
Ordnung  soll  sich  das  freigewordene  Zwangsgesinde  am 
Orte  selbst  oder  in  der  Nachbarschaft,  aber  nicht  leichtlich 
im'  Auslande  anderweit  vermieten. 

Von  braunschweiger  Recht  ist  die  mit  andern 
Staaten  vereinbarte  große  Gesindeordnung  von  1445  ^)  zu 
nennen.  Dienstboten  und  Taglöhner,  die  „umme  dusses 
gesettes  [der  Taxe]  willen"  außer  Landes  gehen,  sollen 
nicht  zurückkehren,  sie  erlegten  denn  zehn  Gulden  Strafe. 
Ende  des  17.  Jhdts.  miachten  aber  gerade  die  Nachbarn 
ihren  eigenen  Landeskindem  das  Dienen  in  Braunschweig 
streitig.  Eine  Verordnung  vom'  19.  September  1692  *)  stellt 
dies  fest  sowie  weiter,  daß  die  Braimschweiger  von  ihrer 
Ziehfreiheit  zuviel  Gebrauch  machen.    Auswärts  dienen 

# 

und  überhaupt  auswandern  soll  mian  künftig  nur  noch 
mit  Konsens^). 

Von  den  hannoverischen  Gebieten  hat  Göt- 
tingen die  ältesten  Auswanderungsregeln.  Vor  1413 
schon  wurde  den  Dienst-  und  Arbeitsleuten  geboten,  nie- 
miandem  zu  arbeiten  als  den  Bürgern,  bei  Stadtverweisung 
von  einem;  Jahre;  die  Familie  wird  mit  vertrieben*).  Wer 
der  Taxe  von  1445  entgehen  will  und  deshalb  nach  aus- 
wärts geht,  der  soll  nicht  wieder  konttnlen,  er  zahle  denn 
eine  Geldbuße  0).  Ami  15.  März  1467  wurde  den  Knechten 


*)  Zeitschr.  des  Harzvereins  für  Gesch.  u.  A.  27.  Jahrg.  S.  427. 

—  ■)  Archiv  Wolfcnbüttel  Nr.  8488.  —  »)  Über  Auswanderungsrecht 
Kursachsens  Wuttke  S.  10,  11.  —  *)  v.  d.  Ropp,  Statuten  S.  lOB. 

—  •)  Ebenda  S.  476  flF. 


—    371     — 

gar  bei  ewiger  Landesverweisung  und  Erbschaf tsverlusf 
verboten,  ,,in  dussin  kriges  geloufften"  aus  der  Stadt  zu 
ziehen  ^). 

Das  Land  H  adeln  droht  in  der  Gesindeordnung 
von  1655^)  auf  Arbeiten  außer  Landes  zur  Pflug-  und 
Erntezeit  60  Mark  Strafe.  Ebenso  geschieht  es  am  13.  Mai 
1681  ^)  und  aiö  26.  Juni  1695  *) ;  auf  die  Auswanderungs- 
lustigen soll  Real-  und  Personalarrest  gelegt  werden.  In 
der  Verordnung  von  1681  wird  mit  zierlicher  Verdeckimg 
des  herrschaftlichen  Egoismus  eine  Rechtfertigung  und 
Begründung  des  Auswandenmgsverbots  gegeben,  das 
nicht  um  des  Wohles  der  Dienstherrschaften  willen  er- 
lassen worden  ist,  sondern  weil  es  die  Billigkeit  selber 
heischt,  daß  das  Gesinde  sich  redlich  inü  Lände  nähret, 
„weilen  Knechte  imd  Mägde,  Jungen  imd  Diener  raehren- 
theils,  auch  viel  Meyerleute,  Arbeiter  und  Tagelöhner, 
von  den  Eingesessenein  dieses  I.  H.  F.  D.  Erblandes 
Hadeln,  von  Kinderbeinen  ernähret,  aufgefüttert  und  gross 
gemachet  worden,  auch  täglich,  insonderheit  wenn  nicht 
viel  zu  verdienen,  oder  Sie  imd  die  Ihrigen  krank,  ohne 
Vermögen,  oder  alt  werden,  hiesigen  Einwohnern  für  den 
Thüren  und  auf  deml  Halse  liegen,  imd  von  denselben, 
dafem  sie  nicht  Hungers  sterben,  oder  in  ihrer  Dürftig- 
keit verderben  sollen,  durch  die  Allmosen  und  allerhand 
freiwillige  Zusteuer  unterhalten,  ja  theils  in  die  Gast-  und 
Armenhäuser  aufgenommen,  zu  Weges  Ende,  wie  man 
allhier  redet,  gebracht,  und  aus  dem'  Gotteskasten  zur 
Erden  bestattet  werden  müssen." 

Nach  der  Lohnordnung  für  die  Marsch  und  für 
Keh dingen  vom  3.  Juli  1680*)  soll  das  Gesinde,  das 
um  höheren  Lohnes  willen  das  Land  verläßt,  auf  ewig 
verbannt  und  des  Vermögens  verlustig  sein. 

') Ebenda  S. 204.  -—■)  Spangenberg,  Verord.  f.  Hannover  IV 8 
S  366.  —  •)  Ebenda  S.  617.  -  *)  Ebenda  S.  828.  —  »)  Polizeiordnung  nebst 
andern  Verordnungen  f.  d.  Herzogthflmer  Bremen  u.  Verden  S.  771. 

24* 


—    372     — 

Aus  dem  äußersten  Norden  kann  nur  die  holstei- 
ner Gesindeordnung  von  1740^)  genannt  werden,  die 
wieder  eine  kleine  Besonderheit  bringt.  Nach  §  2  naüssen 
Knechte  bis  zum  30.,  Mägde  bis  zum  20.  Jahre  im  Lande 
bleiben  imd  um  gewöhnlichen  Lohn  dienen.  Bei  Erb- 
schaftsveriust  dürfen  sie  dies  Gebot  nicht  übertreten.  Es 
gilt  nicht  für  Livreebediente. 

Mißgünstig  gegen  ihre  Nachbarländer  wie  die  im  Nor- 
den waren  auch  die  Süddeutschen.    In  Nassau  wech- 
selten Vermögenskonfiskation  imd  arbiträre  Strafen  als 
Mittel  gegen  das  Auswandern  der  Dienstboten.    So  be- 
stimmte eine  katzenelnbogener  Verordnung  vom   1.  Ja- 
nuar 1559*),  daß  ausgetretene  Dienstboten  zehn  Thaler 
ohne  Ablaß  zahlen  müssen,  wenn  sie  wieder  ins  Land 
wollen.  Die  katzenelnbogener  Gesindeordntmg  vom  7.  De- 
zember 1643  3)  imd  das  von  ihr  zitierte  Mandat  vom  16. 
Oktober  1641  verbieten  außer  dem  Ledigsitzen  auch  das 
Auswandern  der  Dienstleute  bei  Vermögensverlust.   Dies 
ist  auch  die  in  der  Gesinde-  und  Taglöhnerordnung  vom 
20.  Dezember  1643,  in  der  Verordnung  vom  6.  September 
1649  und  einem  Ausschreiben  von  1654*)  angekündigte 
Folge  des  Auswanderns.  Am!  9./19.  September  1656  wird 
nur  arbiträre  Strafe  angedroht  *).  Die  Rückkehr  zur  Erb- 
schaftskonfiskation  (samt   Leibesstrafe)   geschah  am  20. 
Dezember  1701  *).   In  zwei  usinger  Edikten  von  1699  und 
1701,  die  in  einer  undatierten  Verordmmg')  zitiert  wer- 
den, ist  die  Regelimg  auch  so.  Nur  wenn  die  Dienstboten 
keinen  inländischen  Dienst  haben  finden  köimen,  soll  ihnen 
besonders  erlaubt  werden,  ein  Jahr  auswärts  zu  dienen. 

Die    Rechtsgeschichte    des   Gesindes    in   Hessen- 


*)  SL  A.  Schleswig.  Sammlung  Grossftirstl.  Verordnungen,  — 
•)  St.  A.  Wiesbaden.  VI  1  Nassau- Weüburg.  Generalia  XIV±  Nr.  18. 
—  •)  Ebenda.  -  *)  Ebenda;  Corp.  Const.  Nass.  II  1  S.  204.  —  •)  Corp. 
Const  Nass.  II  2  S.  48.  —  •)  Ebenda  S.  248.  —  ')  St.  A.  Wiesbaden. 
V  Nassau-Usingen.    Generalia  lU  Verordnungen  Bd.  V  S.  123. 


—    373    — 

Darms tadt  setzt  sich  von  1650  an  ruiri  größten  Teil 
aus  Auswandeningsverboten  zusamtoen.  Di©  Daten  der 
vielen  Ausschreiben  über  diese  Fra^e  wxirden  in  Teil  I  ^) 
angegeben.  Nach  der  Polizeiordnung  für  Burg  Fried- 
berg von  1680*)  mußten  die  Diaistboten  sich  erst  im' 
Lande  zu  Dienste  anbieten,  ehe  sie  ins  Ausland  gehen 
durften;  wer  dawider  handelte,  wurde  nicht  wieder  ins 
Land  hineingelassen  imd  verlor  Erbschaften  und  Vermö- 
gen. In  der  gederner  Gesindeordnung  vom!  11.  Januar 
1681  ^)  wird  das  Dienen  außer  Landes  eine  „ungebührliche 
Wieder spenstigkeit**  genannt.  Alle  auswärts  Dienenden 
sollen  sogleich  kündigen  und  sich  bis  Lichtmeß  in  ihrer 
Heimat  melden.  Finden  sie  hier  keinen  Dienst,  dann 
dürfen  sie  auf  ein  Jahr  aus  dem'  Lande  gehen,  müssen 
sich  aber  danach  erst  wieder  im'  Lande  zum'  Dienen  mel- 
den. (Die  Art  erinnert  an  die  Diffikultäten,  die  die  wal- 
decker  Dienstboten  späterhin  zu  überstehen  hatten.)*) 

Alle  Möglichkeiten  des  Vorgehens  wider  das  Dienen 
inil  Auslande  sind  in  der  bisherigen  Darstellimg  schon  er- 
schöpfend aufgezählt  worden.  Bayern  kann  sachlich 
Neues  nicht  miehr  bringen. 

Und  doch  liegt  hier  das  allerälteste  Beispiel  eines 
Kampf  Versuches  wider  die  Auswanderer  —  allerdings  nur 
Tagelöhner,  nicht  auch  Gesinde  —  vor  in  den  dem  13.  oder 
14.  Jhdt.  angehörenden  Willküren  von  Rothenburg 
ob  der  Tauber '^).  Ganz  wie  in  der  chronologisch  hier 
folgenden  waldecker  Ordniuig  wird  das  Auswandern  mit 
der  Lohntaxe  in  Verbindung  gebracht.  Tagelöhner,  die 
um  der  Taxe  willen  aus  der  Stadt  gehen  und  um  den  ge- 
setzten Lohn  nicht  arbeiten  wollen,  sollen  auf  ewig  ver- 
bannt  sein. 

*)  Oben  S.  205  f.  —  »)  Univ.  -  Bibl.  Marburg.   —  •)  Gran.   Stolb. 

Archiv  in  Gedem.    B.  XX  Allerhand  Verordnungen  und  Befehle  so 

in  der  Grafschaft  Stolberg  -  Gedem  ergangen.  —  *)  Oben  S.  868.  — 

)  Bensen,  Histor.  Untersuchungen  über  Rotenburg,  Nürnberg  1887, 

S.  486ff.,  bes.  606,  507. 


—    374    — 

Auf  feinem'  Gegeriseitigkeitsvertrage  fränkischer  Terri- 
torien, Idarunter  Würzburg  und  Bamberg,  beruht  die  w  ü  r  z- 
burgische  Verordnimg  vom  24.  Juli  1652^),  wonach 
die  von  den  andern  Vertragsländem  ins  Würzburgische 
übergetretenen  Dienstboten  dem'  durch  den  Austritt  ge- 
schädigten Lande  wieder  zugeliefert  werden  sollen;  es 
ist  wohl  mehr  als  Maßregel  wider  den  Vertragsbruch  denn 
als  Auswanderungsverbot  gegenüber  nicht  im  Dienste  be- 
findlichen Dienstboten  gedacht. 

In  Altbayern  hatte  die  Ritterschaft  auf  dem=  Land- 
tag von  1497  den  Antrag  gestellt:  Dienstboten,  die  um 
den  vorgeschlagenen  Lohn  nicht  dienen  wollten,  und  des- 
halb auswanderten,  sollten  mit  Verlust  des  Erbrechts  und 
ewiger  Verbannung  gestraft  werden*).  In  der  Polizeiord- 
nung von  1500  wurde  daraus  ein  Verbot  des  Vertrags- 
bruchs^). Das  „Buch  der  gemeinen  Landpot**  von  1516 
Nr.  6  fügte  der  Ordnung  des  Vertragsbruchs  das  Laufen 
ins  Ausland  als  erschwerendes  Merkmal  ein,  und  sprach 
in  Nr.  9  auch  drei  Jahre  Landesverweisung  auf  Dienen 
im  fremden  Lande  aus  ^).  1543  kamen  Beschwerden,  daß 
die  Bauerssöhne  und  Knechte  jährlich  zum!  Mähen  ins 
Elsaß  gingen^).  Die  Landesordnung  von  1553  wieder- 
hiolte  denn  auch  die  Vorschriften  von  1516  und  ver- 
schärfte sie  noch  durch  Maßnahmen  wider  das  Auswan- 
dern verheirateter  Dienstboten*).  Aus  dem  17.  Jhdt.  sei 
angeführt  die  Taxordnung  vom!  23.  Mäxz  1638^);  wer 
auswärts  um  hohem  Lohn  arbeitet,  darf  nicht  mehr  ins 
Land  hinein.  Strafen  imd  Einbehaltung  des  Erbteils  bis  zur 
Rückkehr  stellt  die  Tagwerkenordmmg  des  Landgerich- 
tes  Friedberg  von  1651^)   den    auswandernden  Dienst- 


')  Kr.  A.  Würzburg,  MiscelL  4972.  —  *)  Krenncr,  Bayr. 
Landtagshandlungen  XIII  S.  80.  —  >)  Platzer  S.  75.  -  ^)  Ebenda 
S.  87.  -  »)  Ebenda  S.  97.  -  •)  Ebenda  S  97,  98.  — »)  R.  A.  München. 
Gen.  Sammlung  Rep  S.  9.  Nr.  7  Bd.  1.  ^  ')  Kn  A.  Neuburg,  ad 
H.  5887.    Augsburg  Hochstift  ad  Generalia  XI  Nr.  2. 


-     375    — 

boten  in  Aussiebt.  Ob  mit  dem  in  §  13  der  Gesindeordntm^ 
von  1755  ^)  genannten  Verbot  das  Tanzen  oder  das  Dienen 
im  Auslande  mit  Arbeitshaus  bestraft  werden  soll,  läßt 
der  Zusamlmenhang  nicht  erkennen;  wahrscheinlicher  ist 
wohl  die  Bestrafung  des  Tanzens  mit  der  geringen  Er- 
ziehimgsstrafe  des  Arbeitshauses.  Die  Gesindeordnung 
von  1781*)  gedenkt  der  Flucht  ins  Ausland  nur  bei  Be- 
handlung des  Vertragsbruchs  in  §  19;  in  §  37  wird  Aus- 
treten einheimischen  Gesindes  in  der  Ernte  verboten. 

Vielleicht  das  wichtigste  Auswanderungsverbot,  das 
überhaupt  erlassen  wurde,  ist  das  bereits  an  anderer  Stelle') 
angeführte  Gebot  der  Grafen  Adehniann  in  Schwaben, 
daß  die  Einwohner  von  H  o h en s  tat  t  imd  anderen  Orten 
sich  ohne  herrschaftliche  Erlaubnis  nicht  anderswohin  ver- 
dingen durften^).  Es  wurde  bereits  darauf  hingewiesen» 
daß  der  enge  Zusamimenhang  zwischen  Wanderungsver- 
bot imd  Zwangsdienst  hier  besonders  deutlich  zu  dmrch- 
schauen  ist. 

Diesen  vielen  Auswanderungsverboten  gegenüber  er- 
scheint die  Anordnimg  eines  Jenaer  Reskriptes  von 
1792^),  daß  den  Dienstboten  der  Aufenthalt  in  Jena  nur 
für  die  Zeit  des  Dienens  gestattet  ist,  fast  als  ver- 
schwenderischer Luxus.  Freilich  venmag  die  Fiu-cht  vor 
der  Armenlast  diesen  Schritt  genügend  zu  erklären. 

Für  die  Dienstherrschaften  m!ochte  durch  die  Aus- 
wanderungsverbote ja  gesorgt  sein.  Auch  der  eine  Satz 
des  Merkantilismus,  daß  dichte  Bevölkerung  ein  wesent- 
liches Moment  nationaler  Stärke  sei,  erfuhr  durch  die 
Auswanderungsverbote  eine  Anerkennimg.  Aber  ein  weite- 
les,  wichtigeres  Dogma  jener  Schule  konnte  einer  sot 


*)  Kr.  A,  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  Churbayr.  Intelligenz- 
blatt Nr.  89.  1776.  -  «)  Kr.  A.  München.  A.  R.  Fasz.  469  Nr.  909. 
-  *)  Oben  S.  889.  —  «)Wintterlin,  Württembergische  ländliche 
Rechtsquellen  I  S.  449 ff.,  bes.  448.  —  *)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f. 
Weimar  IV  S.  140. 


—    376    — 

chen  Praxis  widersprechen.  Das  Dienen  im!  Ausland  ließ 
die  Landesangehörigen  nicht  das  ganze  Leben  draußen 
bleiben;  wenn  die  jungen  Dienstjahre  um'  waren,  kamen 
die  Leute  nach  hause  xmd  brachten  Vermögen,  bares 
Geld  mit,  das  dann  im!  Lande  verzehrt  wurde.  Mochte 
es  weiter  auch  vom  Standpimkte  der  „Peuplinmgs-'Treude 
schön  imd  nützlich  sein,  wenn  gar  ausländische  Arbeiter 
ins  Land  kamen  und  die  Volkszahl  vermehrten,  so  kom- 
pensierte diesen  Vorteil  doch  bei  weitem!  die  Tatsache, 
daß  die  Ausländer  mfeist  nicht  ihr  Leben  lang  im'  Lande 
blieben,  sondern  nach  einigen  Jahren  —  mit  barem 
Gelde  —  wieder  hinauszogen.  Und  wo  es  ihnen  nicht 
gelang,  Reichtümer  zum  Fortschleppen  anzusammeln,  da 
blieben  die  Fremden  im  Lande,  der  Armenpflege  zur 
Last^).   Hier  hakte  die  Gesetzgebung  ein. 

Solche  Gedanken  kamen  beispielsweise  der  kurpfäl- 
zischen Regierung,  als  sie  1682  die  Ausarbeitung  eines 
Gesindegesetzes  unternahm*).  Ein  Gutachten  klagt  über 
all  die  Unsitten  des  Gesindes,  das  den  Lohn  steigert,  sich 
nur  auf  kurze  Zeit  vermieten  will,  sich  kostbarer  als  der 
Landmann  kleidet,  „auff  die  Sontag  doli  undt  voll  sich 
mit  Pichlleuthen  belustigt,  darauff  den  folgenden  Mon- 
tag sie  ihre  arbeit  nicht  recht  vorsehen  köimen";  daß 
dagegen  „der  Aussländische,  so  Spahrsamb, 
dass  baare  geldt  auss  der  Pfaltz  in  frembde 
Lande  trage,  welches  bey  jetzigen  sehr 
schlechten  Zeiten  wohl  zu  consid er iren,  undt 
zueremedirenhochnöthig"...  Zu  dem  Zweck  soll 
eben  eine  Gesüideordnimg  erlassen  werden;  ob  es  dazu 
gekomimen  ist,  war  nicht  festzustellen.  In  einem  Memo- 
riale  des  dur lachischen  Hofrats  an  das  Fürstl.  Ge- 
heimeraths-CoUegium  vom  3.  Mai  1724  ^)  tritt  der  gleiche 

^)  Vgl.  das  eben  mitgeteilte  Jenaer  Reskript  von  1792.  — 
*)  Gen.  L.  Arch.  Karlsruhe,  Pfalz  Generalia  5016.  —  *)  Ebenda.  Baden 
Generalia  6886. 


—    377    — 

Gedanke  auf.  Man  hält  für  gut,  daß  die  Untertanen  ihre 
Kinder  dienen  lassen  nnüssien.  Die  jungen  Leute  werd^i 
dann  vom  Müßiggang  abgehalten,  und  es  geht  kein 
Geld  durch  das  f  rem'de  Gesinde  ins  Ausland. 
Den  Vorzug  des  einheimischen  Gesindes  vor  dem 
ausländischen  verheißt  jene  schon  öfters  zitierte  unda- 
tierte usinger  Verordnung^),  die  zwei  weitere  Edikte 
von  1699  und  1701  heranzieht.  In  Augsburg  ordneten 
die  Armengesetze  von  1720  und  1749  an,  daß  die  Dienst- 
herrschaften das  ihnen  an  arbeitsfähigen  armen  Leuten 
zur  Verfügtmg  stehende  einheimische  Gesindematerial  aus- 
wärtigen Angeboten  vorziehen  sollen*).  Auch  in  Nr.  2 
der  Gesindeordmmg  für  Eisenach  von  1757^)  stehli 
ein  solcher  Grundsatz.  Die  Absicht,  die  Niederlassung 
fremder  vermögensloser  Leute  im  Lande  ta  verhindern, 
hatte  1739  die  (eisenach-)  sayner  Regierung  zu  denn  stren- 
gen Verbot  bewogen,  Knechte  außerhalb  Landes  zu  din- 
gen und  bereits  im  Dienst  befindliche  noch  länger  als  ein 
Jahr  zu  behalten;  das  Verbot  wurde  aber  ausdrücklich 
für  Dienstboten  1743  wieder  aufgehoben*).  Noch  viel 
später  dagegen  wurden  in  Isenburg  ähnliche  Verbote 
erlassen.  Am  18.  Dezember  1798*)  erging  eine  Verord- 
nung wider  die  ausländischen  Hirten,  „indem!  solche  zm* 
Viehhuth  öffters  ganz  untüchtig  und  nicht  selten  so  un- 
vermögend sind,  dass  sie  weder  den  durch  ihr  Verschul- 
den, dem  Eigenthümer  des  Viehes  zufügenden  Scha- 
den zu  vergrüten  noch  die  verwürckte  Strafe  zu  bezahlen 
vermögen,  zuletzt  aber  mit  einer  zahlreichen  Familie  dem 
Ort  und  Land  rur  Last  fallen."  Ausländische  Hirten  dür- 
fen nur  dann  gedungen  werden,  wenn  keine  einheimischen 


*)  St.  A.  Wiesbaden.  V  Nassau  -  Usingen  Generalia.  Ili:  Verord- 
nungen Band  V.  S.  128.  -  ■)  Bisle,  Armenpflege  in  Augsburg 
S.  146;  s.  oben  S.  867.  -  •)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  3. 
—  *)  Scotti,  Neuwied  S.  666^  702.  —  »)  Sammlung  des  Amtsgerichts 
Wächtersbach  Bd.  I. 


-     378     - 

zu  haben  sind;  nur  zwei,  höchstens  drei  Jahre  ^llen  sie 
auf  gute  Zeugnisse  hin  inü  Lande  geduldet  werden.  Ein 
Ausschreiben  vom  20.  April  1804^)  verbot  den  Pachtern 
wegen  der  vielen  Walddiebstähle  die  Mietung  ausländi- 
scher  Dienstboten. 

Diese  letzten  Erlasse  enthalten  miehr  oder  weniger 
deutlich  andere  Gründe,  aus  denen  die  ausländischen 
Dienstboten  mit  Mißbehagen  von  den  Gesetzgebern  ange- 
sehen wurden,  tmd  Mittel,  mit  denen  man  gegen  solche 
Plage  vorging;  ein  prinzipielles  Aufenthaltsverbot  wird 
nicht  ausgesprochen.  Es  ist  die  Unkenntnis;  man  weiß 
nichts  von  den  hinzuziehenden  Neulingen.  Daher  wird 
zu  verschiedenen  Zeiten  Legitimierung  durch  Zeugnisse 
und  obrigkeitliche  Erlaubnis  zum!  Dienstantritt  vorge- 
schrieben. So  mehr  oder  weniger  abgewandelt  im  a  d  e  1  s- 
heimer  Stadtrechte  von  1527  imd  1596*),  in  der  nas- 
sauer  Montagsordnung  von  1586'),  der  katzeneln- 
bogener  Polizeiordnung  von  1597*),  der  flensburger 
Polizeiordnung  von  1600  Tit.  30*),  der  Jülich  er  Ver- 
ordnung vom  4.  April  1789  ^),  die  Gesundheitsscheine  ver- 
langt, der  (französisch-)  j  ü  1  i  c  h  e  r  Bekanntmachung  vom 
8.  September  1813^),  der  kurhessischen  Verordnung 
vom  29.  November  1823  §  29^), 

Zwei  Petitionen  von  ad  hoc  gebildeten  Interessentenver- 
einigungen wider  die  ausländischen  Dienstboten  und  Land- 
arbeiter mögen  diesen  Abschnitt  schließen.  187  Taglöhner 
in  Mühlhausen  tmd  Nachbardörfern  richteten  1787 
eine  Bittschrift  an  die  Stadt  •),  der  ein  (nicht  erhaltenes) 

»)  Ebenda  Bd.  2.  -  •)  Oberrhein.  Stadtrechte  I  S.  648  flf.,  bes. 
678.  -  •)  Corp.  Const.  Nass.  I  S.  609.  -  *)  Univ.-BibL  Marburg. 
-  •)  Corp.  Stat.  Slesv.  II  S.  268.  —  •)  Scotti,  Jülich  S.  706.  - 
*)  Ebenda  S.  1610.  —  •)  Möller-Fuchs  S.  468ff.  -  Dass  aus- 
landische Knechte  ebenso  wie  die  inländischen  bisweilen,  besonders 
nach  süddeutschen  Rechten,  beeidigt  wurden,  sei  hier  erwfthnt;  in 
§  8  wird  auf  den  Knechtseid  des  näheren  eingegangen  werden.  — 
^  SUdtarchiv  Mühlhausen.    Abt.   $  Fach  1  A  Nr.  68«.. 


—     379     — 

Memöriale  beila?.  Sie  beantragen  „eine  Drescher  Ord- 
nung, und  Inniing^,  sohin  denen  fremibden,  besonders  denen 
Voigtheyischen  Innwohnem,  das  Dreschen  bey  hiesigen 
Bürgern  und  auf  denen  Dorffschaften  zu  untersagen"; 
Das  Gesuch  wurde  aber  „schlechterdings  abgeschlagen". 
Nicht  besser  erging  es  vier  kurhessischen  Knechten» 
die  1827  den  Mut  hatten,  sich  direkt  an  die  Regierung 
zu  wenden^),  da  sie  sich  „gleichsam!  berufen  fühlen,", 
der  Regierung  mitzruteilen,  „dass  der  Einländer  beinahe 
keinen  Dienst,  wenigstens  keinen  hinreichenden  Lohn 
mehr  finden  kann,  weil  der  ausländischen  Knechte,  be- 
sonders aus  dem  Fürstlich- Waldeckischen  imtaier  mehr 
und  mehr  herüber  kommen  und  tms  verdrängen,  oder 
den  Lohn  schmälern."  „Wenn  wir  auch  nicht  selbst  dem 
Grundsatz  huldigten:  bleibe  im!  Lande  imd  nähre  dich; 
so  nöthigt  uns  doch  imsre  Militairverfassimg  dazu.  Wir 
bitten  deshalb  unterthänigst,  diesem!  Uebel  abzuhelfen." 
Der  Entscheid  der  Regierung  ging  sehr  kurz  dahin; 
„Nachsuchenden  bekannt  zu  machen,  dass  ihrem  Gesuche 
nicht  zu  willfahren  stehe." 

Die  eben  erwähntei  Militärverfassung  Kur- 
hessens  beeinflußte  das  Gesindewesen  erheblich  und 
wurde  umgekehrt  immer  wieder  von  der  Knechtenot  der 
Landwirtschaft  berührt.  Das  hessische  Recht  ist  über- 
reich an  Bestimmungen  über  Schonung  tmd  Heranziehung 
<ler  Dienstboten  ztun-  Militärdienst.  Bald  war  das  Wohl  des 
Heeres  maßgebend,  bald  wieder  erhielt  das  Interesse  der 
Landwirtschaft  die  Überhand  über  die  Forderungen  der 
LandesverteidiiTung. 

Der  Landtagsabschied  vom'  9.  November  1658  *)  emp- 
fahl, darauf  zu  sehen,  „dass  dem*  Haussmann  seine  Kinder» 
Gesinde  imd  Dienstbotten,  so  in  würcklichen  Diensten 


')  St  A.  Marburg.  Cass.  Reg.- Akten.  Gesindewesen  1815—1817. 
^  *)  St  A.  Marburg.    Landtagsakten  1658. 


—    380    — 

begriffen,  nicht  abgehalten  werden  mögen".  Daß  land- 
wirtschaftliches Gesinde  teilweise  schon  früher  mit  der 
Aushebung  verschont  wurde,  ergibt  ein  Deutschordeos- 
prozeß  aus  dem  Jahre  1702  ^).  Der  Syndikus  des  Ordens 
beruft  sich  darauf,  daß  auch  in  den  beschwerlichsten 
Kriegen  die  Ordensknechte  mit  Heerdienst  verschont  und 
auch  Ersatzleute  nicht  verlangt  worden  sind ;  das  ist  nach 
Behauptung  des  Syndikus  in  alten,  von  Kaiser  Ruprecht 
bestätigten  Verträgen  ausgemiacht  worden. 

Schon  ein  Ausschreiben  vomi  22.  Juni  1702  ^)  änderte 
die  Anordnungen  des  Landtagsabschiedes.  Von  Gesinde 
im  allgemeinen  ist  gar  nicht  die  Rede.  Frei  von  der 
Ausnahme  zum  Kriegsdienst  sind  Schäfer,  die  wirklich 
leine  Herde  ru  hüten  haben.  Ein  weiteres  Aus- 
schreiben vom]  September  1740*)  bestätigte  dies,  be- 
fahl aber  weiter  Rücksichtnahme  auf  „Contribution,  Feld- 
Bau,  Commerce,  Fabriquen,  Manufacturen** ;  soweit  Leute 
dem  Militär  größeren  Nutzen  als  diesen  Tätigkeiten  brin- 
gen, sollen  sie  ausgehoben  werden.  Schon  die  Landmiliz- 
ordnung vom'  30.  Mai  1741*)  sprach  in  Art.  1  die  Be- 
freiung der  „würcklichen  Dienstbotten"  aus,  aber  nur  für 
sich,  nicht  auch  ihre  Kinder.  Doch  führte  diese  xmbe- 
schränkte  Freiheit  zu  Mißbräuchen.  Daher  wurde  am 
28.  Juni  1743*)  verordnet,  daß  Dienstboten,  auch  die 
landgräflichen  und  ritterschaftlichen,  nicht  mehr  frei  sein, 
sondern  zu  Nebenmäimem  nach  Befinden  eingestellt  wer- 
den sollen.  Zur  Musterung  muß  das  Gesinde  unbedingt 
erscheinen,  es  sei  denn,  daß  die  Dienstherrschaft  die 
völlige  Unabkömlmlichkeit  bescheinigt. 

So  ging  es  nun  imimer  weiter,  bald  mehr,  bald  weniger 
abgeschwächt.   Auch  auf  drei  Landtagen  kam!  es  zu  Ver- 


')  St  A.  Marburg.  Deutschordensakten.  Akte  in  Klag  Sachen 
Syndici  Ordinis  contra  den  Ober  Schultheiss  Klappmeier  zu  Marburg 
1702  (N.  1,  755).  —  «)  LO.  Ill  S.  487.  —  •)  LO.  IV  S.  710,  —  *)  Ebenda 
S.  750.  —  »)  Ebenda  S.  844. 


—    381     — 

handlimgen  darüber,  1779,  1798,  1799  (Schaiuniburg)  ^). 
Das  Ergebnis  war,  daß  die  Ritterschaft  ihre  nötigeia, 
eine  bestinümte  Größe  nicht  überragenden  Knechte  nicht 
zum  Militär  zu  stellen  brauchte,  daß  aber  bei  Betrugs^ 
versuchen  das  betreffejnde  Gut  für  imnier  das  privile^ 
gium  (reale)  verlieren  sollte*). 

Von  der  Lohnregelimg  im!  Falle  der  Abberufung  eines 
Knechtes  aus  dem  Gesindedienste  nun  Heer  handelt  ein 
Reskript  vom  11.  April  1741*).  Es  teilt  die  Verfügung 
des  KriegskoUegiiunls  mit,  daß  die  Brotherren  ihren  weg- 
gemusterten Knechten  gleichwohl  pro  rata  temporis  den 
Lohn  zahlen  müssen.  Die  Herrschaften  hatten  sich  für 
solche  Fälle  auf  den  18.  Artikel  der  Gesindeordnung  von 
1736  *)  berufen,  wonach  der  Dienstbote  den  rückständigen 
Lohn  verliert,  wenn  er  unter  irgend  einem  Vorwande  den 
Dienst  vor  der  Zeit  verläßt.  Das  KriegfskoUegiiun'  gibt 
zwar,  wenn  auch  nicht  ausdrücklich,  zu,  daß  hier  ein 
Dienstverlassen  wider  den  Willen  der  Herrschaft  vorliegt, 


*)  St  A.  Marburg.  Landtagsakten  dieser  Jahre.  —  ')  Die  Daten 
der  verschiedenen  obrigkeitlichen  Erlasse  über  diese  Fragen  sind: 
10.  Dezember  1762  (LO.  VI  S.  55),  7.  März  1775  (Kopp,  Handbuch  I 
S.  865),  9.  Mai  1775  (Kopp  I  S.  864),  5.  März  1776  (Kopp  I  S  865)» 
16.  November  1778  (LO.  VI  S.  77;  Kopp  I S.  865),  4.  März  1788  (LO.  VI 
S.  1101),  18.  JuU  1784  (LO.  VI  S.  1161),  7.  Februar  1785  (Kopp  I 
S.  364),  12.  Mai  1786  (LO.  VII  S.  70),  1.  Februar  1787  (LO.  VII  S. 
144),  14.  August  1798  (Kopp  I  S.  865),  18.  April  1796  (LO.  VII  S.  668), 
19.  Januar  1798  (LO.  VII  S.  774),  2.  März  1805  (LO.  VIII  S.  225).  — 
Femer  enthalten  folgende  Akten  des  St.  A.  Marburg  Material:  Cass. 
Rcg.-Akten,  die  Einrichtung  der  Werbe-Cantons  betr.  1762  flf.;  Geh, 
Rats  Akten^  Die  von  denen  Land  Räthen  ...  zu  besorgende,  das 
Militare  .  .  .  concemirende  Angelegenheiten  betr.  1776—1788;  Akte, 
die  Ausnahmegeschäfle  in  der  Grafschaft  Hanau  überhaupt  betr. 
1788—1792;  Akte,  die  von  der  schaumb.  Ritterschaft  praetendirte 
Jarisdiction  über  ihre  Eigenbehörige  . . .  betr.  1786,  1787  Bl.  72  v.; 
Akte  der  rittersch.  Deputation  Schaumburg  enth.  Schreiben  des  Kriegs- 
kollegiums an  den  Oberforstmeister  von  Bardeleben  vom  20.  März 
1800.  -.  »)  LO,  IV  S.  748.  -  *)  Ebenda  S.  410. 


—    382    — 

doch  ist  „dieser  Fall  in  faveiir  der  Werbung  allerdings 
auszunehmen,  und  denen  Leuten  dessenthalben  von  ihrem 
billigen  Verdienst  nichts  zu  entziehen". 

Nach  den  Freiheitskriegen  wurden  die  alten  Grund- 
sätze ausdrücklich  erneuert. ano!  17.  September  1816^). 
Aber  die  Verfassungsurkunde  von  1831  kündigte  in  §  40 
ein  Gesetz  an,  das  die  ausnahmslose  Dienstpflicht  fest- 
setzen sollte.  Nachdem'  erst  noch  durch  Gesetz  vom  23. 
Juni  1832*)  Dienstboten,  Lehrlinge  usw.  von  dem'  be- 
sonderen Dienst  in  der  Bürgergarde  ausgeschlossen  wor- 
den waren,  sprach  das  Rekrutierungsgesetz  vom  10.  Juli 
1832  *)  den  Grundsatz  der  allgemeinen  Wehrpflicht  imbe- 
schränkt aus.  Von  Dienstboten  ist,  abgesehen  von  einer 
nebensächlichen  Vorschrift  in  §  42,  gar  nicht  miehr  aus- 
drücklich die  Rede.  So  blieb  es  auch  in  den  späteren 
Rekrutierungsgesetzen  von  1834  imd   1848*). 

Die  Entwicklung  als  solche  ist  interessant  genug. 
Von  der  allgerp^inen  Freiheit  des  Gesindes  im  Interesse 
der  Dienstherrscnaften  ging  es  in  immer  weiteren  Em- 
schränkungen  fort;  schließlich  waren  es  vornehmlich  nur 
noch  die  Adeligen,  denen  das  Privileg  zustand.  Und  auch 
ihnen  nahm'  es  die  Bewegung  der  dreißiger  Jahre. 

Der  Lauf  der  militärrechtlichen  Geschichte  in  Hessen 
ist  bei  weitem'  am'  reichhaltigsten,  so  daß  sie  eine  voll- 
ständige Musterkarte  aller  gesetzgeberischen  Gedanken 
über  das  Verhältnis  von  Gesindenot  und  Landesverteidi- 
gung gibt.  Da  diese  Frage  immerhin  nur  nebenher  fürs 
Gesinderecht  in  Betracht  kommt,  wesentlich  militärrecht- 
lich ist,  so  miag  die  Darstellimg  der  hessischen  Rechts- 
geschichte hier  genügen.  Nur  an  zwei  außerhalb  Hessens 
entschiedenen  Rechtsfällen  soll  noch  gezeigt  werden,  in 


*)  Kurh.  Ges  Sammlung  S.  101.  —  «)  Ebenda  S.  121.  —  •)  Ebenda 
S.  188.  —  *)  Ebenda  S.  113,  95.  —  Auch  den  Standcsheirn  wurde 
Militärfreiheit  nur  noch  für  die  engere  Familie  zugesichert,  nicht  auch 
fürs  Gesinde;  Edikt  v.  29.  Mai  1888  §  11  (Möller-Fuchs  S.  945). 


—    383    — 

welche  Lagen  durch  die  Militärverfassung  die  Parteien 
eines  Gesindevertrages  gebracht  werden  können. 

Aus  Frankfurt  wurde  1785  der  Schleichweber 
Walther  ausgewiesen^).  „Was  aber  dessen  angebliches 
Eheweib  Margaretha  Schmelzern  aus  Biebelsheim  Ober- 
Amts  Abey  betrifft,  welche  dermialen  bey  dem  Goldar- 
beiter Otto  an  der  Faul  Pomipe  allhier  in  Diensten  seyn 
solle,  so  könnte  gedachter  Otto  vorgefordert,  imd  ihm'  be- 
deutet werden»  dass  er  die  Schmelzern  aus  seinem'  Dienst 
entlassen  solle."  Und  in  Jülich  wurde  1813*)  ein  Ur- 
teil des  Kassationshofes  zu  Paris  verkündet:  Wer  einen 
Deserteur  oder  Refractair  als  Knecht  oder  Bedienten  an- 
nimüxit,  ohne  ihn  vorläufig  der  Munizipalobrigkeit  vorge- 
stellt zu  haben,  wird  wegen  dieser  bloßen  Versäiunnis 
als  Hehler  betrachtet,  und  mit  300 — 3000  Fr.  sowie  mit 
einer«  Jahr  Gefängnis  bestraft. 

Noch  sind  alle  Mittel,  die  zur  Hebtmg  der  Gesinde- 
zahl führen  sollen  oder  doch  außer  zu  anderml  Ziel  auch 
dorthin  führen  können,  bei  weiteml  nicht  erschöpft.  Einen 
Emfluß  auf  die  andern  Leuten  rur  Verfügung  stehende 
Dienstbotenmenge  konnte  zirai  Beispiel  auch  das  alt- 
bayerische Gebot  über  das  Dienen  der  Kinder  bei 
ihren  Eltern  habem.  Es  hängt  nicht  mit  dem  früher*) 
behandelten  Streben  zusammen,  arme  Kinder  in  Dienste 
w  bringai,  hat  vielmehr  seinen  besonderen  Gnmd  im 
Erbrecht.  Die  Landesordnimg  von  1516  hatte  das  Dienen 
bei  den  Eltern  noch  erlaubt,  aber  Anrechnung  des  er- 
baltenen  Lohnes  bei  Erbschaft  imd  Ausstattung  ange- 
ordnet*). Die  Landesordnung  von  1553  und  Maximilians 
Landrecht  von  1616  aber  verboten  das  Dienen  der  Kinder 
bei  den  Eltern  gegem  Lohn  überhaupt  und  verhießen 


*)  StadUrchiv  Frankfurt.  Act.  milit  Tom.  XLVII  Krieg  und 
Frieden  189  BL  812.  818.  —  «)  Scott!,  Jüüch  S.  1485.  -  »)  Oben 
S.387flf.  -  *)  Platzer  S.  88 ff. 


—     384     — 

den  Eltern  Rechtsschutz  gegien  das  Lohnverlangen  der 
Kinder  i). 

Ein  solches  Verbot  kommt  außerdem  noch  im  Klet- 
gau  vor,  dessen  Polizeiordnung  es  1603  ausspricht-). 
Haben  die  Kinder  gleichwohl  den  Eltern  gedient  und  Loha 
dafür  erhalten,  dann  können  die  Geschwister  später  am 
Erbteil  einen  Abzug  durchsetzen. 

Erbrechtliche  Folgen  hatte  das  Dienen  der  Kinder 
bei  den  Eltern  auch  für  die  Inhaber  der  Erbgüter  des 
Propstes  zu  Usingen  im-  Württembergischen^). 
Die  Kinder,  „die  jr  müss  und  brot  essy,  imd  vatter  und 
muter  nit  drangkten,  das  sy  in  Ion  geben,  die  erbt  ein  propst 
nit,  hatt  er  aber  eigen  gut  \md  geben  sy  im;  Ion,  so  erbt 
ein  propst  was  er  hatt  on  das  erbgut**.  Eine  weitere 
schwäbische  Quelle  weiß  gleichfalls  nichts  von  denn  stren- 
gen Verbot,  das  in  Bayern  und  im!  Kletgau  durchge- 
setzt wurde.  Im  Gegenteil.  Es  heißt  in  der  Polizeiord- 
nung für  die  Gräflich  Adehnaimschen  Orte  Hohenstatt 
usw.  von  1748*),  daß  oft  zwischen  Eltern  und  verheira- 
teten Kindern  imi  den  Lohn  keine  Satzung  gemacht  wird 
und  dadurch  Unfrieden  entsteht.  Daher  sollen  sich  Eltern 
und  Kinder,  nötigenfalls  auch  Enkel,  über  den  zu  reichen- 
den Lohn  bestimimt  vergleichen. 

Die  Landesordnung  der  Herrschaft  Stauffen  von 
1621*)  und  das  bamiberger  Landrecht  von  1769^)  be- 
fahlen den  Kindern  geradezu,  bei  ihren  Eltern  zu  dienen, 
ordneten  also  das  Gegenteil  von  dem'  an,  was  man  in 
Bayern  und  im  Kletgau  für  das  richtige  Recht  hielt. 
Sind  die  Kinder  erwachsen,  so  daß  sie  anderswo  Lohn 
beanspruchen   könnten,  und  sparen  die  Eltern  dadurch 


*)  Kr.  A.  Amberg»  Repert.  Landrechtspolizei  Fasz.  1  Akt.  9; 
Platz  er  S.  100,  108.  -  »)  Habeische  Sammlung.  —  »)  Grimm, 
Weistümer  I  S.  406 ff.,  bes.  408.  —  *)  Win tt erlin,  Württemberg- 
ische ländliche  Rechtsquellen  I  S.  449,  460.  —  »)  v.  Weber,  Statu- 
tarrechte  IV  S.  iB20.  —  •)  Ebenda  I  S.  1  ff.,  bes.  64. 


—    385    — 

Arbeitskräfte,  dann  nmiß  diesen  Kindern  bei  der  Erb- 
teilung eine  billige  Belohnting  zuteil  werden,  weil  sie  zum 
Besten  der  Miterben  den  Eltern  geholfen  haben  (Bam- 
berg). Auch  in  Nassau- Usingen  begünstigte  man 
während  des  18.  Jhdts.  ^)  das  Dienen  der  Kinder  bei  den 
Eltern,  wenn  auch  nicht  mit  direkter  Absicht.  Während 
das  Dienstverhältnis  bestand,  war  der  Sohn  auf  eine  Reihe 
von  Jahren  der  öffentlichen  Dienstpflichten  ledig*). 

Ganz  absonderlich  und  singulär  ist  das  Mittel  zur 
Hebung  der  Gesindezahl,  das  ein  badisohes  Aus- 
schreiben an  das  Specialat  Badenweiler  vomi  29.  Novem- 
1765  enthält  ^).  Es  bedarf  keines  Kommentars ;  es  spricht 
für  sich  selbst:  „Die  verabscheuimgswürdige  Sünde  der 
freywillig  verhindernden  Erzeugung  derer  Kinder  iml  Ehe- 
stand ist,  dem  VemehmiMi  nach,  in  einigen  Vogteien  der 
Herrschaft  Badenweiler  eine  derer  Ursachen  des  in  dor- 
tiger Gegend  sich  äussernden  ...  Mangels  an  Letuten. 
Da  kein  anderer  Weg  übrig  zu  seyn  scheinet,  diesem' 
höchstverderblichen  Übel  zu  steuern,  als  dass  die  Abscheu- 
lichkeit dieses  Lasters  mit  dem  darauf  gesetzten  göttlichen 
Fluch  !und  Strafen,  denen,  welche  sich  desselben  ver- 
dächtig miachen,  von  ihren  Seelsorgern  in  behöriger  Art 
nachdrücklich  vorgestellet  werde:  So  hat  das  Specialat 
sämtl.  Pfarrer  der  Dioeces  Badenweiler  hiemach  zu  be- 
scheiden, damit  dieselben  von  Zeit  zu  Zeit  in  denen  Beicht- 
stühlen deshalb  die  nöthige  Erinnerungen  mit  der  er- 
forderlichen Behutsamkeit  anzubringen,  und  ihre  Zuhörer 
von  den  schweren  imd  schädlichen  Folgen  dieser  Sünde  zu 
überzeugen,  sich  angelegen  seyn  lassen."  An  die  übrigen 
Oberämter  ging  an  demselben  Tage  ein  Befehl,  daß  zur 


^)  St  A.  Wiesbaden.  V  1  Nassau-Usingen.  Generalia  IIa  Ver- 
ordnungen. Verzeichnis  von  usingischen  Gesetzen  (H.  L.  Benz) 
S,  210,  221,  227.  -  »)  Vgl.  fftr  schweizerisches  Recht 
Grimm,  Weistümer  VI  S.  871.  —  »)  Gen.-L.  A.  Karlsruhe.  Baden 
Gen,  6891. 

KAnnecke.  25 


—    386     ~ 

Hebung  des  Gesindemtangels  die  Annehmting  von  Hinter- 
sassen künftig  begünstigt  werden  sollte. 

Die  hessischen  Hofordnungen  beschränken 
die  Zahl  der  Dienstboten,  die  das  an  den  Hof  berufene 
Hofgesinde  sich  mitbringen  darf.  Nach  den  Hofordnun- 
gfen  von  1570,  1682  und  1710^)  bestimmt  sich  die  Anzahl 
der  Dienstboten,  je  nachdem^  der  Gesindeherr  zwei,  drei 
oder  vier  Pferde  hat;  er  soll  über  diese  nicht  „mehr 
Jungen,  Bemheuter,  und  dergleichen  ungesindes  an  sich 
hencken".  In  den  späteren  Hofordnimgen  ist  von  der 
Anzahl  der  „Cavaliers  Dienere"  nicht  mehr  die  Rede. 
Auch  die  niederen  Hofgesindeleiute,  Stubenknechte  usw. 
sollen  sich  nach  den  Hofordnimgen  von  1682,  1710,  1752 
und  1762*)  kein  weiteres  Untergesinde  mit  an  den  Hof 
bringen,  „welche  vor  sie  die  Arbeit  verrichten,  und  sie 
darbey  müssig  sitzen  mögen**.  Hessisches  Mühlenrecht 
verlangte,  daß  die  Müllerknechte  unverheiratet  sein  soll- 
ten; heirateten  sie,  dann  mußten  sie  die  Mühle  verlassen. 
So  bestimmt  die  Mühlenordnung  vom  11.  Januar  1615'). 
Indirekt  auf  den  Gesuidemarkt  konnte  auch  die  casselef 
Verfügung  vom  3.  August  1790  *)  wirken,  wonach  künftig 
in  den  herrschaftlichen  Gärten  und  Bauuntemehmiungen 
die  Taglöhner  entlassen  werden  sollen,  wenn  sie  über 
fünfzig  Jahre  alt  werden.  Erwähnt  sei  auch  noch  das 
isenburgische  Verbot  vom^  1.  Jimi  1804^),  daß  Amts- 
leute und  Forstbediente  die  im»  herrschaftlichen  Dienste 
angestellten  Amtsdiener,  Fruchtmesser  imd  Waldförster 
zu  Privatdiensten  verwenden. 

Besonderer  Art  ist  schließlich  eine  Reihe  verschie- 
dener kirchenrechtlicher  Gebote,  die  den  Gesinde- 
mlarkt  beeinflußten. 


*)  LO.  III  S.  177,  157,  625.   —   ■)  LO.  V  S.  88,  VI  S.  46.  - 

•)  LO.  I  S.  580,  —  *)  St  A.  Marburg.    Cass.  Rcg.-Aktcn.    Nr.  81 

d.  V.  54  Acc.  1904/45.  —  ■)  Bd.  2  der  Wächtersbacher  Sammlung 
Nr.  161. 


—     387     — 

Da  ist  zunächst  das  Spezialrecht  zu  nennen,  dem' 
das  Pfarrgesinde  in  katholischen  Ländern  untersteht. 
Das  alte  kanonische  Verbot  jugendlicher  Pfarrmägde  ^) 
findet  sich  partikularrechtlich  gestaltet  beispielsweise  in 
der  hessischen  Reformationsordnung  Wilhelms  II.*). 
Pfarrer  dürfen  nur  ihre  Schwester  oder  Schwesterkind 
im  Hause  haben,  von  nichtverwandten  Frauen  nur  solche 
über  fünfzig  Jahren,  die  ehrbar  sind.  Ähnliche  Gebote, 
teilweise  unter  bedenklichem'  Hinweise  auf  das  periculum, 
offendiculum'  et  scandalum,  woru  der  Umgang  der  Geist- 
lichen mit  personis  alterius  sexus  führt  ^),  finden  sich  z.  B. 
in  den  mainzischen  Synodalbeschlüssen  von  1548*),  der 
mainzischen  Kirchenordnung  fürs  Eichsfeld  von  1605*), 
der  Charta  visitatoria  fürs  Eichsfeld  von  1668^),  einer 
trierischen   VIerortintmg  vom!   26.   April   1690^). 

In  Trier  fand  ferner  auch  das  Verbot  der  D  iener- 
haltung  durcfh  Mönche  besonderen  Ausdruck,  das 
prinzipiell  in  den  Bedürfnislosigkeit  heischenden  Mönchs- 
regeln seinen  Grund  hat.  Das  Provinzialkonzil  ordnete 
am  29.  April  1310  an®):  „Item  inhibemus,  ne  Monachi, 
vel  Moniales  habeant  famulos  vel  servientes  utriusque 
sexus  si>eciales,  nisi  forsitan  in  talibus  constituti  sint  of- 
ficiis,  quod  ipsis  onmim)odo  carere  non  possint.  Et  tunc 
de  consensu  Praelatorum!  suorum  assumant  eosdem.  Si 
quis  autem  alias  tales  personas  retinere  praesumserit,  ex- 
pelli  eas  de  Monasterio  sub  poena  exconumlinicationis 
praecipimtis  per  Praelatos,** 

Auch  aus  ganz  andern  Gründen  konnten  eineml  Geist- 
lichen seine  Dienstboten  genommen  werden.  Die  casse- 
1er  Statuten  von  1444  ®)  verbieten  Auflassungen  vor  geist- 

«)  Hinschius,  Kirchenrecht  I  S.  131— 188,  —  «)  LO^  I  S.  88.  — 
')  Vgl  auch  Hinschius  a.  a.  O.  sowie  V  S.  252,  258,  260fif,  — 
^)  Scheppler,  Codex  eccl.  Moguntinus  S.  8 ff.,  bes.  12.  —  *)  Ebenda 
S.  108 ff.,  bes.  105,  106.  -  •)  Ebenda  S.  148  ff.,  bes.  152.  -  ')  Scotti, 
Trier  S.  728.  —  •)  Ebenda  S.  28.  —  •)  Kopp,  Gerichtsverfassung  I, 
Beilagen  zu  dem  ersten  Stück  S.  27  ff.,  29,  80;  I  S.  196. 

25* 


—     388    — 

liehen  Gerichten.  Ein  Laie,  der  das  Verbot  übertrat,  wurde 
auf  vier  Wochen  aus  der  Stadt  gewiesen.  „Were  es  aber 
ein  geystlic^h  i>ersone,  was  dann  der  wemtliche  gesynt 
hatte,  es  were  knecht  adder  nDagt,  dem  solten  und  wolten 
wir  zu  stundt  gebietten  aus  seinem  Dienste  zugehen,  unnd 
nicht  wider  darin  zukommen  bissolange  solche  Ladunge 
imd  Bann  apgethan  würde.**  Dem  geistlichen  Übertreter 
werden  also  —  völlig  einzigartig  in  allen  Strafensystemen 
—  seine  weltlichen  Dienstboten  zur  Strafe  genomlmen  (und 
es  darf  ihm  nichts  gemiahlen,  gebacken  und  verkauft 
werden)  ^). 

Kirchlichen  Rechtes  sind  ferner  einige  Satzungen  i  n  - 
terkonfessioneller  Dienst  verböte.  Evangeli- 
sche Potentaten  verboten  ihren  Untertanen,  ins  katholische 
Ausland  oder  auch  nur  zu  katholischen  Dienstherrn  zu 
gehen;  und  nach  Auffassung  der  zur  Wache  über  das 
Seelenheil  angestellten  geistlichen  und  weltlichen  Fürsten 
mußten  umgekehrt  evangelische  Brotherrschaften  die  ka- 
tholischen Dienstboten  arg  gefährden.  Keine  von  beiden 
Parteien  kann  der  anderen  etwas  nachsagen;  allseits 
herrschten   solche  kleinlichen   Eiferungen, 

Das  älteste  Stück,  das  hier  anzuführen  ist,  zeugt  von 
der  Intoleranz  der  evangelischen  Reichsstadt  Nürnberg 
im'  16.  und  17.  Jhdt.  1532,  in  den  Reformationskämpfen, 
nimmt  die  Befürwortung,  katholische  Dienstboten  auszu- 
schließen, nicht  wunder*).  Aber  noch  anderthalb  Jahr- 
hunderte danach,  1687,  wurden  die  Kirchenpfleger  ersucht, 
„denen  herren  geistlichen  zu  bedeuten,  dass,  indeme  das 
papistisch  gesind  allhie  allzusehr  überhand  nehmie  und  zu 
sehen  sei,  was  für  ohngelegenhedt^i  solches  nach  sich 
ziehe,  sie  dahero  ihre  beichtkinder,  wo  es  nutzlich  imd 
thunlich  befunden  werde,  privatim'  oder  nach  dem  beicht- 
stuhl  ermahnen  mögte,  sich  des  catholischen  gesinds  so 

^)  Über  besondere  Erwähnung  des  Pfarrgesindes  als  Steuer- 
subjektes, jOUch,  27.  Juni  1668:  Scotti  S.  136, 187.  -  ^  Kamann  S.89. 


—    389     — 

viel  möglich  zu  entschlagen  und  lieber  ihre  glaubensge- 
nossen  in  dienst  anzunehimien"  ^). 

Vom!  Corpus  EvangeliöorumI  gehört  weiter  Hessen- 
Darm' Stadt  hierher.  Eins  seiner  vielen  Auswanderungs- 
dekrete, vom:  7.  März  1673  ^),  wendet  sich  mit  großer  Aus- 
führlichkeit gegen  „die  jenige  Unterthanen,  so  Ihre  Kin- 
der außerhalb  Lands  unter  frembde,  Päbstlicher  und  Re- 
formierter Religion  zu  gethane  Leuthe,  in  der  Nachbar- 
schafft gern  verdingten".  Daher  wird  in  den  Haupt  orten 
ein  Amt  errichtet,  das  inländische  Dienststellen  nach- 
weisen luid  nötigenfalls  die  Erlaubnis  zum!  Dienen  außer 
Landes  erteilen  soll. 

Auch  der  deutsche  Orden  in  Hessen  beanspruchte 
von  der  Regierung  zu  Marburg  1724  das  Recht,  nur  evan- 
gelische Bedienten  annehmien  zu  brauchen  ^) ;  katholische 
Ritter  müßten  zwar  aufgenomlmen  werden,  aber  auf  die 
Dienerschaft  sei  das  nicht  auszudehnen ;  es  sei  früher  auch 
nie  anders  gehandhabt  worden,  eine  Änderung  nicht  zu 
empfehlen  „aus  vielen  erheblichen  Ursachen,  Und  sonder- 
lich zu  Verhüthung  derer  grossen  inconvenientien,  so  sich 
einige  Zeithero  im  Deutschen  Hauss  begeben".  Im  be- 
nachbarten Waldeck  wurde  1736*)  das  Vermieten  der 
Kinder  außer  Landes,  besonders  an  Orte  anderer  Religion, 
den  Eltern  bei  willkürlicher  Strafe  verboten. 

Aus  Hessen  selber  aber  stamlmt  das  jüngste  Doku- 
ment *).  Dem  casseler  Konsistorium  war  vom  Konsistorium 
in  Münster  1859  mitgeteilt  worden,  daß  sich  die  hessi- 

^)  Ebenda  S.  90.  —  *)  St*  A«  Darmstadt.  Höpfnersche  Sammlung. 
—  ')  St.  A.  Marburg  Ordensakten,  an  FQrstl.  Reg.  zu  Marbm*g,  pcto. 
der  Besetzung  der  Baley  * . .  Bedienungen  mit  Römisch  Catholischen 
Subjects;  seit  1734.  —  *)  Gesindeordnung  in  der  Sammlung  alter 
Wald.  Verordnungen  bei  der  Fürstl.  Regierung  zu  Arolsen.  —  •)  St.  A. 
Marburg,  acc.  1882/86  Akten  der  Reg.  der  Prov.  Niederhessen,  „betr. 
die  Maasregeln  wegen  des  gefährdeten  Confessionsstandes  kurhessischer 
Staatsangehöriger,  namentlich  Dienstboten  evangelischen  Glaubens, 
im  katholischen  Auslande"  1859. 


—    390    — 

sehen  Dienstboten  im  katholischen  Westfalen  in  „con- 
fessioneller  Gefahr"  befinden.  Die  Metropolitane  der 
hauptsächlichen  hessischen  Auswanderungsgegenden  gut- 
achteten,  daß  eine  Einrichtung  wünschenswert  sei,  wo- 
nach die  auslandslustigen  Dienstboten  vorher  zu  ihrem 
Seelsorger  komlmien  müssen;  der  soll  sie  an  die  Gefahren 
erinnern,  ihnen  die  Treugelübde  ins  Gedächtnis  rufen  und 
sich  nötigenfalls  mit  dem  westfälisch«!  Amtsbruder  in 
Verbindimg  setzen.  Atif  Vorschlag  des  Konsistoriums  ver- 
fügte Idie  Regierung  am'  13.  Januar  1860  an  die  Landräte, 
die  Bürgermeister  sollten  doch  junge  evangelische  Unter- 
tanen, <iie  zur  Arbeit  ins  Ausland  gehen  wollen,  zu  einem 
Besuch  beim'  Pfarrer  veranlassen. 

Daß  die  Katholiken  den  Evangelischen  besondere  In- 
toleranz nicht  vorwerfen  können,  zeiget  die  bayerische 
Geschichte.  Eltern  sollen  Kinder  imd  Ehehalten  zum  Be- 
suche der  Kinderlehre  anhalten,  heißt  es  in  einer  Ver- 
ordnung von  1628,  „weil  sie  gemieiniglich  gar  wenig 
wüssten  und  ebendahero,  wann  sie  in  die  Fremde  kom- 
men, von  den  Akatholischen  leicht  überworfen  und  zum 
Abfall  gebracht  würden"  ^).  1652  wurde  die  Haltung  evan- 
gelischer Ehehalten  verboten  wegen  der  großen  Gefahr 
für  'der  Herrschaften  und  ihrer  Kinder  Seelenheil  *).  Sehr 
langatmig  ist  ein  Mandat  vom!  5.  Dezember  1681  ^),  das 
den  Hausvätern  auferlegt,  ihr  Gesinde  in  die  Kinderlehre 
zu  schicken.  Weiter  heißt  es  dann :  „Sovil  aber  in  Specie, 
die  ledige  Dienst-Mägd,  Diendien,  und  dergleichen  Weibs- 
Personen  anbelangt,  nach  demie  die  Tägliche  Erfahrung 
gibt,  dass  von  Ihnen  das  Ausslauffen  an  frembde  unCatho- 
lische  Orth  eine  Zeit  hero  auss  Connivenz  Ihrer  Eltern, 
Vormlinder,  und  Befreundten,  wie  auch  der  Obrigkeiten 
und  Beambten,  allzugemein  gemächt  werden  wollen,  und 
zwar  mehrern  theils  ohne  Noth,  auss  lauter  Muthwillen, 

•)  Platz  er  S.  116.  —  »)  Ebenda.  —  *)  R.  A.  MOnchen.  Gene- 
ralien-Sammlung Rep.  S.  9  Nr.  5. 


—     391     — 

und  umb  üppiger  Kleider-Hoffartswillen,  oder  damit  Sie 
nur  desto  freyes  imd  iingezämlbtes  Leben  führen  mögen, 
durch  welches  wie  auch  sonsten  durch  allerhand  Schanck- 
und  Versprechungen,  und  andern  schmleichlerischen  Ein- 
blasen, schon  maniche  Persohn,  wie  wir  mit  imgnädigsten 
Missfallen  veme}mlm:en  müssen,  zu  den  leidigen  Abfall 
von  dem  Catholisch  allein  Seligmachenden  Glauben,  und 
Annemmung  anderer  verderblichen  Secten,  gebracht,  und 
verführt  worden,  oder  noch  in  Gefahr  stehet".  Deshalb 
wird  das  Auswandern  der  Dienstboten  überhaupt  ^^erbo- 
ten;  doch  wird  „bey  Catholischen  Leuthen,  auch  in  un- 
Catholischen  Ort  zu  dienen,  Ihnen  verwilliget**. 

Ku r  kö  In  verbot  am'  22.  November  1716  das  Dienen 
in  unkatholischen  Orten  ^).  Die  tri  er  er  Generalvika- 
riatsordnimg  von  1719  *)  empfahl  den  Eltern  an,  ihre  Kin- 
der nicht  in  unkatholischen  Dienst  oder  gar  solche  Schule 
zu  schicken;  da  lernen  die  Kinder  „irrige  Principia  und 
Meinxmg",  werden  auch  im!  Glauben  „kaltsinnig  und  lau**. 

Dann  ist  noch  eine  Verordnung  des  Fürstbistumis 
Fulda  vom  25. Februar  1780 ^),  die  einen  goldenen  Mittel- 
weg zu  finden  sucht.  Sie  lautet :  „Es  ist  an  sich  zwar  sehr 
bedenklich,  daß  die  Kinder  katholischer  Inwohner  sich 
ohne  Unterschied  in  fremde  protestantische  Dienste  be- 
geben; gleichwolen  ist  es  eben  so  bedenklich,  dergleichen 
Dienstannahme  völlig  zu  versagen,  sondern  man  verord- 
net vielmehr,  dass  denen  Eltern  nicht  eher  gestattet  werde, 
ihre  Kinder  in  solche  auswärtige  protestantische  Dienste 
abgehen  zu  lassen,  bis  sie  sich  mit  einem'  vom  Pfarrer 
und  Schulmeister  abgefertigten  Attestate  bei  Amte  legiti- 
miret,  daß  sie  die  für  den  Unterricht  in  Schulen  und  krist- 
lichen  hehren  bestimlmte  Zeit  ausgehalten,  und  darinnen 
genugsam!  bevestiget  seien.  Und  sollten  vor  dieser  Zeit 
auch  ohne  solche  Beglaubigung  Eltern  ihre  Kinder  von 

*)  Scotti,  Köln  I  1  S.  609.  -  »)  Scotti,  Trier  S.  801.  ~ 
*)  Bd.  VII  der  cass.  Reg.-Sammlung. 


—    392    — 

sich  lassen,  so  ist  gegen  selbe  mit  emsthaifter  wiUkühr- 
licher  Strafe  nach  Beschaffenheit  des  Vermögens  und  der 
Hartnäckigkeit  unxiachsichtUch  zu  verfahren;  wobei  die 
welthche  Obrigkeit  ihres  Orts  den  Elteim  die  schwere 
Verantwortung  begreiflich  zu  machen  hat."  Am  26.  Fe- 
bruar 1789  wurde  das  Gebot  erneuert^). 

Ein  zeitgeschichtliches  Ruriosum:  ist  schließlich  die 
Satzimg  der  kurpfälzischen  Landesordnung  von  1582  ') : 
„Wenigers  nit  wollen  wir  jedermleinniglich  ernstlich  ge- 
botten  haben,  dass  keiner  einigen  W ledert a uf  f  e r  oder 
Wiedergetauffte  Person  in  Dienst  imd  Arbeit  annemmen, 
oder  wissentlich  underschleiffen  sol.** 

In  brüderlichem  Vereine  gehen  Katholiken  und  Pro- 
testanten gegen  den  Juden  und  seine  Dienstboten  vor. 
Ganz  sonderbare  und  mlannigfaltige  Gestaltung  erfährt 
das  Recht  des  Judengesindes. 

Um  die  Zahl  der  Juden  zu  beschränken,  verbietet 
man  ihnen,  mehr  als  eine  bestimmte  Anzahl  Dienstboten 
zu  haben.  Als  1518  der  Erzbischof  von  Mainz  einige 
Juden  aufnimlmt,  wird  ihnen  je  ein  Knecht  und  eine 
Magd  zu  halten  erlaubt.  Als  Rechtsgrundsatz  wird  das 
in  der  Judenordnung  vom  8.  Dezember  1662  ausgespro- 
chen*).   Am  17.  Mai  1563  wurde  in  Trier  das  Juden- 

*)  Verzeichnet  in  A.  J.  Webers  Katalog  fiildischer  Verordnungen 
(Landesbibliothek  Cassel).  —  Eine  Stimme  aus  der  Gegenwart  sei 
hier  angemerkt,  aus  dem  vom  katholischen  Volksverein  herausge- 
gebenen Schriftchen  A.  Pipers,  Dienstbotenfrage  und  Dienstboten- 
vereine (M..Gladbach  1908)  S.  82 :  „Gar  viele  sind  in  der  Stadt,  die 
diese  „Einfalt  vom  Lande"  bewusst  ausnutzen.  Die  Mädchen 
gehen  leichtfertige  Bekanntschaften  ein,  ohne  von  der 
Hausfrau  oder  vom  Vereinsgeistlichen  sich  beraten  zu  lassen  und 
bringen  erst  spflt  in  Erfahrung,  dass  sie  mit  einem  Andersgläu- 
bigen, vielleicht  mit  einem  religiös  Gleichgflltigen  sich  eingelassen 
haben."  (Sperrungen  sind  eingefügt)  —  ')  Univ.-Bibl  Marburg.  - 
')  Beide  Zitate  aus  Belegen  zu  einer  Abhandlung  Bodmanns: 
lus  recipiendi ,  protegendi ,  iudicandique  ludaeos  • . . ;  Habeische 
Sammlung. 


—    393    — 

geleit  erneuert*).    Danach  werden  23  bezeichnete,   „aus 
den  Eheleuten,  ihren  Kindern  und  ihremi  nur  nothdürf- 
tigen  Gesinde**  bestehende  jüdische  Haushaltungen  ge- 
duldet.  Ähnlich  ist  der  Grundsatz  der  Judenordnung  von 
1618*).     Die  frankfurter  Judenordnung   von   1617*) 
bestimmte  die  zulässige  Zahl  genauer  auf  eine  Magd  und 
einen  Knecht.  Dies  ist  auch  das  Recht  der  fuldischen 
Judenordnun^en   von   1623   und   1633*).    Ebenso   ist  es 
in    Schaumburg    nach   Verordnung    vom   6.   August 
1684  *).    Gar  bloß  ein  Knecht  ist  es,  den  sich  die  Juden  in 
brandcnburgisch  Franken  gemäß  Reskript  vom 
12.  Juli    1715^)   halten  dürfen.    Der  hessische   Land- 
tagsabschied von  1731 ')  ging  dahin,  daß  die  Juden  in 
den  Städten  nicht  über  zwei  Domestiquen  haben  sollten. 
Das  bestätigten  die  Judenordnungen  von  1739  imd  1749  ®), 
diese  mit  dem  weiteren  Zusatz,  daß  auf  dem  Lande  nur 
ein  Dienstbote  erlaubt  sei  ^).  Noch  mehr  wurden  die  Juden 
1733  in  Hannover*®)  eingeengt:  Ein  Jude,  der  Söhne  hat, 
darf  keine  Handlungsknechte  haben;  deren  darf  er  sonst 
immer  nur  einen  annehmen,  imd  auch  diesen  einen  nur  mit 
besonderer  Vergünstigung  des  Geheimen  Rats  CoUegii.  Die 
Judenordmmg  des   Fürsten  zu   öttingen,   erlassen   in 
Wallerstein  1779"),  bestimmte  folgendes;    „Es  mag  ein 
Jeder  in  Unserm'  Schutz  stehender  Jud  nach  seiner  Noth- 
durft  Knechte  imd  Mägde  (wobey  jedoch  aller  Ueberfluss 
und  unwahrhafter  Prätext  zu  meiden  ist)  .  .  .  annehmen.** 


')  Scotti,  Trier  S.  882.  -  »)  Ebenda  S.  591.  —  ')  Moser, 
Reichsstatt.  Handbuch  I  S.  575  ff.,  bes.  598.  ~ «)  Sammlung  der  cass. 
Regierung.  —  *)  Landesverordnungen  Schaumburg -L.  II  S.  91.  — 
*)  V.Weber,  Statutarrechte  I  S.  1045,  —  ^  SL  A.  Marburg.  Land- 
Ugsakten  von  1731.  —  »)  LO.  IV  S.  590,  1012.  —  •)  Wie  es  scheint, 
wurde  1688,  oder  schon  vorher,  auch  in  Hanau  die  Zahl  beschrankt: 
Kopp,  Handbuch  V  S.  516.  «  ^^  Landesverordnungen  Lüneburg 
4.  Cap.  1.  a  S.  427,  Kalenb»  IV  S.  428;  Estor,  Teutsche  Rechts- 
gelahrthcit  II  §  4699.  —  ")  von  Fink,  Die  geöffneten  Archive  f.  d. 
Geschichte  des  Kgr.  Bayern  2.  Jahrg.  S.  271  ff.,  bes.  287. 


-     394    — 

Ins  19.  Jhdt.  hinein  ragt  das  kölnische  Recht  mit 
einem  Erlassse  vom  30.  Januar  1804^),  daß  die  unver- 
gleideten  Judenfamdlien  sowie  die  überzähligen  Juden- 
knechte ausgewiesen  werden  sollen.  Noch  ein  sayner 
Gebot  vom'  14.  Januar  1805*)  mag  genannt  sein,  das 
bei  10  Fl.  Strafe  Mietung  von  Judengesinde  ohne  vor- 
herige Anzeige  untersagt.  Und  in  der  Stadt  München 
erging  am  17.  Jimi  1805  ein  Regulativ*),  das  die  Zahl 
des  jeweiligen  Judengesindes  auf  den  nötigen  Bedarf  der 
Herrschaften  beschränkte. 

Nicht  bloß  die  Zahl  der  Judendienstboten  wurde  be- 
schränkt, auch  ihre  Art  unterlag  kleinlichen  Vorschriften. 

Daß  keine  unbegleideten  Judenknechte  aufgenommen 
werden  sollen,  war  eine  selbstverständliche  allgemieine 
judenrechtliche  Bestimmung,  die  in  Paderborn  1719*) 
besonders  ausgesprochen  wurde. 

Auswärtige  Juden  durften  als  Gesinde  nur  mit  aus- 
drücklicher Erlaubnis  angenomimien  werden,  wie  in  Hes- 
sen am'  21.  November  1798  bestimimt  wurde*).  Die  frü- 
heren hessischen  Judenordnungen  von  1739  imd  1749  ent- 
halten auch  schon  das  Verbot,  fremde  Juden  „unterm 
Schein  des  Gesindes**  aufzunehmien ;  es  galt  hier  vor- 
nehmlich der  Bekämpfung  der  „Profitknechte**®).  Auch 
das  fuldische  Zirkular  vom«  15.  November  1754')  ord- 
net die  vorherige  Anmfeldimg  imd  Erlaubniserteilung  zur 
Niederlassimg  fremder  Judenknechte  an.  Die  ausländi- 
schen Judenknechte  müssen  nach  kölner  Recht  vom 
16.  März  1781^)  „genugsam  bekannte  tmverdächtige 
Leute**  sein. 

Auch  das  19.  Jhdt.  hielt  anfangs  an  diesen  alten  Grund- 
sätzen zxmi  Teile  fest,  wie  die  kurhessischen  Verord- 


0  Scotti,  Köln  II  1  S.  87.  -  •)  Scotti,  Neuwied  S.  1067.  - 
•)  v.  Weber,  Statutarrcchte  I  S.  1046.  —  *)  Landesverordnungeo 
Paderborn  II  S.  66.  —  •)  LO.  VII  S.  798.  -  •)  Oben  S.  SSSf.  - 
')  Sammlung  der  cass.  Reg.  V  S.267.  — •)  Scotti,  Köln  I  9  S.  100». 


—    395    — 

Ordnungen  vom'  14.  Mjai  1816  §  10  Nr.  3,  §  14  ^),  29.  No- 
vember 1823  §  31*)  lind  das  Ausschreiben  vom  30.  De- 
zember 1828^)  zeigen.  Auch  durch  hanauer  Regierungs- 
ausschreiben  vom  31.  März  1821  wurde  das  Halten  aus- 
ländischer israelitischer  Dienstboten  untersagt.  Darüber 
geriet  die  Regierung  mit  den  bockenheimer  Juden  in  Kon- 
flikt; die  mit  der  Angelegenheit  befaßte  Polizeidirektion 
gab  tatsächlich,  aber  sehr  diplomatisch  nach,  und  erklärte, 
daß  einstweilen  die  Anordnung  noch  nicht  durchgeführt 
werden  könne,  da  vorher  die  Einschreibung  des  Gesindes 
bei  der  Polizei  angeordnet  werden  müsse*).  Erst  die  in 
der  Verfassung  angekündigte  Israelitenordnung  vom-  29. 
Oktober  1833 ^)  hob  die  „nur  auf  das  Glaubensbekenntniss 
gegründeten  Verschiedenheiten**  auf®). 

AnnahmJe  verheirateter  Judenknechte  war  ganz  ver- 
boten in  Hannover  gemäß  dem  Judenedikt  vom  9. 
Juni  1733')  tmd  nach  kölner  Verordnung  vom  11.  März 
1741  8). 

Ein  mierkwürdiger  Umstand  mußte  die  Gesindenot 
noch  verschärfen.  In  Baden  wurde  1792  eine  Juden- 
gsesindeordnung  geplant^).  In  einem  bei  dieser  Gelegen- 
heit entstandenen  Schreiben  findet  sich  folgende  Stelle, 
die  Aufschluß  über  den  Zweck  des  Vorhabens  gibt :  „Da 
der  Handelsjude  dadurdh  imimer  leidet,  wenn  ihme  ein 
Knecht,  der  das  innerliche  seines  Handels  und  die  Kimd- 
schafft  kennt,  aus  seinem!  Dienst  gelockt  imd  dahier  in 


')  Ges.  Samml.  S«  57.  —  Zur  Auslegung:  St  A.  Marburg.  Akten 
der  judenschafUichen  Kommission  zu  Cassel,  die  Duldung  der  fremden 
israelitischen  Dienstboten  betr.  1821.  —  »)  Ges.  Samml.  S.  57.  — 
')  Ebenda  S.  68.  —  *)  St  A.  Marburg.  Han.  Reg.-Akten,  das  Halten 
aosL  Israel  Dienstboten  betr.  1822/8.  IX  Nr.  6Ö  (512).  —  »)  G.  S. 
S- 144.  —  •)  Soweit  jene  Vorschriften  auch  Fremdenrecht  in  sich 
begreifen,  blieben  sie  bestehen;  Möller-Fuchs  S.  465  Anm.  — 
0  Landesverordnungen  Lüneburg  Cap.  4  Bd.  1  S.  427;  Kaienberg 
IV  S.  428.  —  •)  Scotti,  Köhi  I  2  S.  781.  -  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe. 
Baden  Generalia  6891. 


—    396    — 

einen  andern  gleichen  gezogen  wird.**   Zustande  kam  am 
28.   August  das   folgende  eigenartige   Conclusum: 

„1.  dass,  wenn  ein  Dienstherr  aus  der  hiesigen  Ge- 
mieinde  seinem  Gesinde  den  Dienst  aufsagt,  der  Dienst- 
bote alsdann  des  Dienstherrn  Einwilligung  nicht  brauche, 
um  in  einen  andern  Dienst  in  hiesiger  Stadt  zu  gehen. 
2.  dass,  wenn  aber  das  Gesinde  den  Dienst  aufkündet 
und  die  Rede  von  einem  Handelsmann  ist,  alsdann  der 
zur  Handlung  gebrauchte  Diener  nacher  wenigstens  ein 
halbes  Jahr  außer  Unsrer  hiesigen  Residenzstadt  dienen 
solle,  ehe  er  dahier  wieder  in  einen  andern  Dienst  gehet,  es 
wäre  denn,  daß  er  zu  dem  letztern  seines  vorigen  Dienst- 
herrn Einwilligung  hätte  oder  von  seinem  Dienstherrn 
durch  würckliche  Mishandlungen  zum  Aufkündigen  er- 
weislich genötiget  worden  wäre,  als  welches  ihr  bei  ein- 
tretenden Fällen  rechtlich  zu  entscheiden  habt.  3.  Den 
Knechten  imd  Mägden  aber,  wenn  keine  Abspannung 
erwiesen  werden  kann,  soll  es  frei  stehen,  wenn  sie  die 
gehörige  und  gewöhnliche  Aufkündigungs  Zeit  beobach- 
ten, in  hiesiger  Stadt  in  andere  Dienste  ohngehindert  zu 
gehen.  4.  Wenn  aber  eine  Debauchirung  erwiesen  werden 
kann,  so  soll  außer  obigem  alsdann  der  Debaucheur  um 
zwei  Reichsthaler  .  .  .  gestraft  auch  derselbe  solange 
bis  er  den  Handelsdiener  oder  gemeinen  Dienstboten  wie- 
derum ausser  Dienst  thut,  in  den  kleinen  Bann  gethan 
werden.** 

Also  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  eine  „Debauchierung" 
im  Interesse  des  neuen  Mieters  erfolgt  ist,  soll  der  Diener 
ein  halbes  Jahr  nicht  dienen  dürfen,  damit  die  Geschäfts- 
geheimnisse des  bisherigen  Dienstherrn  nicht  verraten 
werden.  Auf  der  Debauchierung  (Abspannimg)  selber 
steht  Strafe. 

Statt  defe  badischen  halben  Jahres  galten  in  Hes- 
sen   gar    zwei    Jahre    nach    dem  Konstituten-Buch  der 


—     397     — 

Juden*),  das  seit  1726  den  Beratungen  der  judenschaft- 
lichen  Komlmission  als  maßgebend  zu  Grunde  gelegt 
wurde.  Kopp*)  berichtet  von  weiteren  Bestätigungen 
aus  dem  Jahre  1790*). 

Die  wichtigste  Beschränkung  der  Juden  im  Gesinde- 
halten bildet  das  uralte  kanonische  Verbot  der  Dingting 
christlicher  Mägde  und  Knechte  durch  Juden, 
jenes  Verbot,  daß  Christen  mit  Juden  unter  einem  Dache 
wohnen.  Von  Gregor  dem  Großen  an  zog  es  sich  über 
die  Jahrhunderte  hin  in  die  neueste  Zeit  hinein*).  Über  die 
früheren  Jahrhunderte  gibt  Stobbe*)  vorzügliche  Aus- 
kunft ;  er  zeigt,  wie  wenig  alle  die  Gebote  befolgt  worden 
sind. 

Nachdem  schon  der  Schwabenspiegel  den  Satz  aus- 
gesprochen hatte,  daß  Christen  den  Juden  nicht  dienen 
sollen*),  kam  er  in  Hessen  zum  ersten  Male  1538  zur 
Diskussion  bei  den  Vorbereitungen  zu  einer  Judenordnong. 
Martin  Butzer  und  sechs  andere  Geistliche  gutachteten 

^)  Im  St.  A.  Marburg ;  ferner  ebenda  cass.  Reg.  Akte,  die  denen 
Juden  Simon  Jacob  und  Abraham  Hertz  . . .  aufgegebene  Abschaffung 
ihrer  Bedienten  betr.  1790 ;  Kopp,  Handbuch  V  S.  517,  II  S.  466 
(der  zweiten  Zahlung,  da  4&6  irrtümlich  doppelt  vorkommt);  U.  F. 
Kopp,  Bruchstücke  zur  Erläuterung  der  teutschen  Geschichte  und 
Rechte,  Cassel  1799,  Bd.  II  S.  168.  -  »)  Handbuch  V  S.  617.  — 
*)  Ausserhalb  des  Judenrechts  galt  eine  ahnliche  Vorschrift  nach 
dem  unter  Mitgliedern  der  Familie  von  Boineburg  vereinbarten 
Burgfrieden  vom  28,  November  1446  (St.  A.  Marburg;  Boineb.  Archiv). 
Da  heiast  es :  „Ouch  so  sal  unsir  keyner  dess  andern  gesinde  innemen, 
«z  en  sij  dan  ein  vierteil  jars  uss  syme  huse  und  von  syme 
brode  gewest,  ez  gesche  dan  mit  willen  des  yennen,  mit  deme  daz 
gesmde  gewest  were,  ussgescheidin  doch  alle  gemiete  gesindte,  daz 
^n  iglicher  miedin  und  innemen  mag,  wan  sin  czit  und  dinst  uss  bt 
und  were,  sonder  geverde.*'  Was  der  hier  vorkommende  Unterschied 
zwischen  „gesinde'^  und  „gemiete  gesindte"  bedeuten  soll,  sei  dahin- 
gestellt. —  Vgl.  mit  diesem  Rechtsgebilde  das  Konkurrenzverbot 
unseres  neuen  Handelsrechtes  (HGB.  §  74).  —  *)  Stobbe.  Die  Juden 
in  Deutschland,  1866,  S.  4,  197.  —  »)  S.  66,  171,  172,  178,  272,  278. 
-"  •)  Art.  262;  oben  S.  14. 


—    398    — 

jdarüber  und  erklärten,  die  alten  Kaiser  und  Bischöfe 
hätten  die  Juden  luiter  bestimmten  Voraussetrungen  ge- 
duldet ;  „sie  haben  ihnen  auch  nicht  zugelassen,  Christen- 
leut  zu  kaufen  und  eigen  zu  haben,  dergleichen  auch  kein 
Gewalt  oder  ehrlich  Amt  über  die  Christen  zu  führen"  ^). 
Die  Judenordnimg  von  1539  *)  enthält  jedoch  nichts  über 
Dienstboten. 

Erst  1679  brachte  die  Judenordnung  ^)  die  Vorschrift, 
daß  Juden  tnit  Christen  nicht  imter  einem  Dache  wohnen, 
insbesondere  kein  christliches  Gesinde  haben  sollen  bei 
zehn  Gulden  Strafe.  Die  antisemitische  Agitation  hatte 
in  der  Zwischenzeit  gerade  die  Frage  des  christlichen 
Judengesindes  aufgegriffen  \md  in  der  danDals"  gewohnten, 
verhetzenden  Weise  Reklamie  für  ihre  Ansichten  ge- 
macht*). Es  waren  namentlich  die  „Schabbesgojim", 
gegen  die  mlan  vorging ;  da  Juden  Sabbaths  nicht  arbeiten 
dürfen,  pflegten  sie  für  den  einen  Tag  sich  christliche 
Aushilfen  zu  nndeten,  die  ihnen  Feuer  anmachen,  Licht 
anstecken  usw,  Imimer  wieder  eifern  dagegen  vornehmlich 
die  Pastoren. 

Aus  demi  Jahre  1730  liegt  eine  Beschwerde  der  Juden 
in  Zwesten  vor*).  Ihnen  hatte  der  Pfarrer  das  Sabbaths- 
gesinde  genomlm^n,  und  bei  fünf  Thaler  Strafe  seinen 
Pfarrkindern  den  künftigen  Dienst  verboten.  Der  Ordens- 
vogt   untersagte  den  Einwohnern  von  Goßfelden  1737 


^)  S.  Salfeld,  Die  Judenpolitik  Philipp  des  Grossmatigen ;  in 
yyPhil.  der  Grossm.  Beiträge  zur  Gesch.  seines  Lebens  und  seiner 
Zeit",  hsg,  vom  Histor.  Verein  für  das  Grossherzogtum  Hessen. 
Marburg  1904.  S.  519  flF.,  bes.  528  flF.  -  »)  LO.  I  S.  120.  -  •)  LO.  IH 
S.  120.  —  *)  „Theologisches  Bedencken,  wie  und  welcher  gestalt 
Christi.  Obrigkeiten  den  Juden  unter  Christen  zuwohnen  gestatten 
können,  und  wie  mit  ihnen  zu  verfahren  sey.  Von  etlichen  Theologis 
hiebevor  unterschiedlich  gestellet  Sampt  einer  Vorrede  der  Theo- 
logischen Facultflt  von  der  Universität  zu  Giessen*',  1612;  zitiert  nach 
einem  Neudruck  Cassel  1882.  —  »)  St.  A.  Marburg.  Akte  der  Juden 
Sabbaths  Magde  betr.  1781. 


—    399    — 

bei  Gefängnisstrafe,  den  Juden  am  Sabbath  zu  helfen^); 
unter  Berufung  auf  eine  Kirchenverordnung  hatte  der 
Superintendent  den  Vogt  vorher  dazu  veranlaßt. 

Diese  (und  wohl  noch  mehr)  Vorkonunnisse  werden 
bewirkt  haben,  daß  1739  in  die  Judenordnung-)  die 
Bestimlm'ungen  aufgenommen  wurden,  Juden  dürften  kein 
christliches  Gesinde  haben,  insbesondere  nur  imi  höchsten 
Notfall  eine  christliche  Säugamme;  „dieweil  übrigens  aber 
die  Juden  auf  ihre  Sabbaths-Tage  zu  Anzündung  des 
Feuers  und  Lichtes  sich  Christlicher  Weibs-Personen  zu 
bedienen  pflegen,  so  sollen  diese,  unter  Vermeydung 
scharffer  Gefängniss-Straffe,  sich  nur  selbigen  Tages  bis 
gegen  Abend,  länger  aber  nicht,  in  derer  Juden  Behausung 
aufhalten,  sondern  sich  alsdann  sofort  wieder  von  dannen 
begeben".  So  wird  es  auch  1749  wiederholt^);  statt  der 
1739  festgesetzten  Strafe  von  50  Th.  auf  das  Dinge« 
christlicher  Amimen  werden  1749  allgemein  nur  10  Th. 
angeordnet.  Etwas  anders  sind  die  Bestimmungen  in  der 
Judenordnung  von  1816*)  formuliert.  Die  Hälfte  des  zur 
Landwirtschaft  eines  Juden  nötigen  Gesindes  muß  aus 
Juden  bestehen.  Wenn  auch  nach  Erlaß  der  Israeliten- 
ordnung von  1833  *)  die  Schärfe  des  Gesetzes  den  kon- 
fessionellen Eiferern  genonmien  war,  so  hinderte  das  die 
Konsistorien  doch  nicht,  selbst  noch  1858  anzuempfehlen, 
daß  junge  Christen  anü  Eintritt  in  jüdischen  Dienst  ver- 
hindert werden  sollten,  „umi  das  Vergessen  christlicher 
Sitte  zu  verhüten*'«). 

^)  St  A.  Marburg.  Deutschordensakten,  die  sämbtl.  Juden  zu 
Gossfelden  wegen  abschaffung  der  Christlichen  Sabbaths-Mfigde  betr« 
1787  (Xm  88).  -  «)  LO.  IV  S  586.  -  >)  LO.  IV  S.  1012  -  *)  Ges. 
SammL  S.  57.  —  »)  G.  S.  S.  144.  —•)  Büff,  Kirchenrecht  S.  223.— 
In  Wageners  Staats-  und  Gesellschaftslexikon.  Bd.  7  (1861)  S.  15 
findet  man  folgende  Auslassungen :  „Es  ist  eine  bemerkenswerthe 
Erscheinung,  dass  christliche  Dienstboten,  welche  längere  Zeit  in 
JMischen  Familien  beschäftigt  waren,  auf  grosse  Schwierigkeiten 
«tossen,  wenn  sie  einen  christlichen  Dienst  suchen.    Der  Grund  liegt 


—    400    - 

Die  Länder  um  Hessen  haben  eine  besonders  ausg( 
dehnte  Geschichte  des  Rechtes  der  Schabbesgojim.  Ei; 
absolutes  Verbot  der  Werktags-  und  Sabbathsmägde  eni 
halten  die  fuldischen  Judenordnungen  von  161£ 
1623,  1633  *) ;  „dürftige"  Juden  mögen  bei  Juden  Gesind« 
dienste  tun. 

In  Hanau  erging  am'  24.  August  1724  ein  Dekret 
wonach  die  Sabbathentheiligung  der  Schabbesgojiii 
schwer  und  unnachlässig  gestraft  werden  sollte.  Zehi 
Jahre  danach  kam  es  in  Rodheim  zu  einem  ergötzlicher 
Kampf  zwischen  Pfarrer  und  Juden  wegen  dieser  Mägde  -) 
Auf  die  Einzelheiten  kann  leider  nicht  eingegangen  wer 
den.  Der  Erfolg  war  ein  Ausschreiben  vom«  23.  Dezembei 
1734,  wonach  den  Mägden  bei  unfehlbarer  Strafe  das 
Schabbesdienen  am'  Weihnachts-  und  Neujahrstage  unter- 
sagt wurde.  Da  halfen  sich  die  hanatier  Juden  sehr  ein- 
fach in  der  Weise,  daß*  sie  sich  christliche  Männer  zur 
Schabbesarbeit  ins  Haus  holten.  Die  Regierung  merkte 
die  köstliche  Ironie  nicht,  sondern  wollte  ernsthaft  gegen 
die  Übeltäter  vorgehen.  Umfragen  bei  Nachbarstaaten 
wurden  veranstaltet.  Das  Ergebnis  dürfte  in  der  Juden- 
Capitulation  vom  20.  September  1738  zu  sehen  sein*). 
Danach  sollen  die  Juden  bei  ihren  Versamtadtuigen  an 
Sabbath-  und  Festtagen  bei  20  Gld.  Strafe  durch  keinen 
hanauer  Bürger  sich  Lichter  anzünden,  putzen  oder  son- 
stige Dienste  tun  lassen.    Auch  werden  Schabbeanägdfi 

erlaubt;   aber   sie    dürfen    sich    nicht    über   den  Abend 

I 

hinaus  im  Judenhause  aufhalten.  Ein  Judenvergleich  von 

darin,  dass  der  jfldische  Dienst,  wegen  der  UnfiÜiigkeit  der  Judeflj 
dem  GemQth  durch  sittliche  Würde  zu  imponieren,  die  einzige  sittj 
liehe  Unterlage  des  Dienstverhältnisses :  den  auf  Achtung  gcstötztfl^ 
und  deshalb  gern  geleisteten  Gehorsam,  zerstört  und  die  Dicnstboteij 
durch  die  an  Stelle  dieses  Bandes  höchst  unpassend  angewandt^ 
Vertraulichkeit  demoralisiert!"  I 

»)  Samml.  der  cass.  Reg.    Bd.  I.  —  «)  St  A.  Marburg.   Akt^ 
des  Hanauer  Konsistoriums  1784.  --  *)  K op p »  Handbuch  II S.  216,  8»^ 


—    401     — 

1744,  wie  es  scheint,  für  Gelnhausen  bestimJmt^),  be- 
schränkt den  Sabbathdienst  in  der  Weise,  daß  die  Mägde 
während  des  christlichen  Gottesdienstes  „sothane  Actus" 
nicht  vorzunehmen  haben. 

Als  von  Hanau  aus  während  des  Kampfes  lun  die 
Schabbesgojim  1734  bei  Nachbarstaaten  Umfrage  getan 
wurde,  liefen  von  Darnistadt  mehrere  Verordnungen 
ein,  wonach  1602  das  Sabbathsdienen  erlaubt,  1639  *)  aufs 
strengste  verboten  wiu'de;  1642  aber  wurde  das  Verbot 
schon  wieder  aufgehoben,  und  1651  und  1698  erfolgten 
Bestätigungen  der  Aufhebung.  Die  Stadt  Frankfurt 
erklärte  auf  die  Anfrage  hin,  sie  würde  zwar  gern  das 
Verbot  einführen,  doch  stehe  dem!  die  vom  Kaiser  kon- 
firmierte Juden-Stättigkeit  entgegen.  In  der  Judenord- 
nung von  1618  ^)  war  freilich  auch  in  Frankfurt  das  Verbot 
der  christlichen  Säugamimen  und  des  „beständig  geding- 
ten" Christengesindes,  „darimter  die  Samibstags-Weiber 
mit  verstanden  werden  sollen'*,  ausgesprochen  worden.  Für 
den  Tag  sollte  ein  zuwiderhandelnder  Jude  zehn  Gulden 
Strafe  geben.  Das  Gesinde  komimt  in  den  Turm.  Die 
kurmainzer  Judenordnung  vom  8.  Dezember  1662*) 
verbot  die  Mietung  christlicher  Säugamimen  in  und  außer 
dem  Hause;  „beständig  Christengesind"  durfte  nur  für 
den  Samstag  gehalten  werden.  In  Nassau  bringen  das 
Verbot  der  Christenmiägde  die  beiden  Judenordnungen 
von  1682  Und  1770*). 

Aus  dem  übrigen  Deutschland  sind  vornehmlich  noch 
katholische  Länder  reich  an  Vorschriften  über  die  Sab- 


*)  St  A«  Marburg.  Han.  Reg.-Akte.  Beil.  zum  Commissarischen 
Gutachten,  den  Zustand  der  Stedt  Gehihausen  betr.  1804.  (Zu  ^  VI). 
—  •)  Diese  Verordnung  meint  wohl  Estor,  Teutsche  Rechtsgelahrt- 
hcit  II  §  4695.  —  »)  Moser,  Reichsstatt  Handbuch  I  S.  576 ff.,  bes. 
^-  ^  *)  Zitiert  in  Belegen  zu  einer  Abhandlung  Bodmanns:  lus 
rcäpiendl,  protegendi  iudicandique  ludaeos  (Habeische  Sammlung).  — 
•)  Corp.  Const  Nass.  K  2  S.  181,  VI  S.  61. 

Kfinnecke.  26 


—    402    — 

bathsmägde ^).  Münstei*  untersagte  ihren  Dienst  für 
die  Wochentage  1662»),  Paderborn  folgte  1686,  wo 
die  Kirchenordnung*)  solches  bestimtote;  die  Judenord- 
nung von  1719*)  wiederholte  es.  Auch  Köln  kannte 
die  Art,  wie  die  Judenordnimg  von  1700  und  deren  Ein- 
schärfung vom  2.  Juni  1750^)  zeigen.  In  Trier  verbot 
die  Judenordnung  vomi  10.  Mai  1723«)  auch  das  Dienen 
am  Sabbath ;  doch  soll  es  den  Christen  erlaubt  sein,  „auss 
Nachbarschafft**  den  Juden  Feuer  und  Licht  anzuzünden. 
Christliche  Hebiamimen  sind  nur  erlaubt,  wenn  man  keine 
jüdischen  bekomlmen  kann;  christliche  Säugammen  da- 
gegen sollen  stets  verboten  sein.  Eine  Einschärfung 
dieser  nicht  beachteten  Vorschriften  folgte  schon  am 
1.  September  1725');  jede  „zu  Verachtung  des  römisch- 
katholischen allein  seeligtnachenden  Glaubens  sowohl,  als 
zur  Gefahr  des  Seelenheiles  gereichende**  Entgegenhand- 
lung soll  Unterlassen  werden. 

Au§  bayerischem'  Rechte  seien  das  regensbur- 
ger  Recht  des  15.  Jhdts. ®)  und  das  alte  bamiberger 
Recht  §  369  angeführt^):  „Aber  welich  Christenknecht 
oder  mieide  den  Juden  dienen  dy  mügen  urlaup  nemen 
wenn  sie  wollen  imd  den  sol  man  Ionen  und  sol  in  ir 
gelube  nichts  daran  schaden  sie  verziehen  sein  odir  nicht." 
Dies  ist  der  einzige  Fall  in  der  Geschichte  des  Gesinde- 
rechts, daß  der  willkürliche  Dienstaustritt,  der  Vertrags- 
bruch des  Gesindes,  nicht  mit  den  gewöhnlichen  harten 
Strafen  bedroht,  vielmehr  noch  gefördert  wird. 

Die  umigekehrte  Lage,  daß  jüdische  Dienstboten  zu 
Christen  in  Dienst  gehen,  ist  denkbar.   1652  hieß  in  Los- 

MlnPreussen  bestand  das  Verbot  seit  1612  (Dorn  S.  121). 
—  ')  Landesverordnungen  Münster  I  S.  257.  —  *)  Landesverordnungen 
Paderborn  I  S.  214  ff.,  bes.  297.  —  *)  Ebenda  II  S.  66.  —  »)  Scotti, 
Köln  II  S.  657,  I  2  S.767.  —  •)  Scotti,  Trier  S.861.  —  ')  Ebenda 
S.  908.  -  *)  Beiträge  zur  Rechtsgeschichte  Bayerns,  Heft  8,  1892: 
Gen  gl  er,  Die  Quellen  des  Stadtrechts  von  Regensburg  S.  118.  — 
•)  Zöpfi,  Urk.-B.  S.  110. 


—     403    — 

hausen  die  eine  Viehmia^d  „Sara";  wer  weiß,  was  die» 
chronische  Gesindenot  nicht  alles  heraufbeschwor  1  Von 
gesetzeswegen  berücfksichtigrt  wird  der  Fall  —  natürlich  ab- 
gesehen von  den  allgemleinen  Verboten  des  Zusammen- 
wohnens  von  Juden  und  Christen  —  nur  einmtal:  durch 
Ausschreiben  des  ktirhessischen  Staatsministeriumls 
vom  30.  Dezember  1828  ^)  wird  den  Christen  die  Haltung 
jüdischer,  ausländischer  Dienstboten  untersagt;  maßge- 
bend für  das  Verbot  war  weniger  die  Eigenschaft  jener 
Dienstboten  als  Juden  denn  als  Ausländer  oder  gienauer: 
als  ausländischer  Juden. 

Die  meisten  bisher  genannten  polizeilichen  Mittel  zur 
Hebung  der  Gesindezahl  waren  niu-  darauf  angelegt,  dies 
Menge  der  Dienstboten  zu  vergrößern  (direkt  oder  durch 
Beschränkung  einzelner  Herrschaften  imi  Gesindehalten), 
ohne  daß  auf  die  einzelnen  Dienstherrschaften,  die 
gerade  Gesinde  nötig  hatten,  Bedacht  genommien  wurde. 
Um  die  Erfolge  solcher  Maßnahmen  den  Arbeitgebern 
zukomtmen  zu  lassen,  standen  vornehmlich  zwei  Mittel 
zur  Verfügtmg:  die  ErmögUchung  von  Anzeigen  in  Zei- 
tungen und  die  Einrichtung  von  Arbeitsnachweisen  für 
Gesinde. 

Bei  ider  geringen  Verbreitung  der  älteren  Zeitungen, 
die  vor  allem  die  gesuchten  Dienstboten  höchstens  durch 
Zufall  einmal  in  die  Hände  bekonunen  konnten,  war  das 
Annonzieren  früher  ein  kärgliches  Mittel  für  Dienst- 
herrschaften, die  Gesinde  suchten.  Nur  gelegentlich  finden 
sich  bisweilen  obrigkeitliche  Aufm^unterungen  zum  Inse- 
rieren von  Gesindegesuchen;  wie  die  Zeitimgen  ergeben, 
wurde  katun  je  Gebrauch  davon  gemacht. 

1731  erhielt  Johann  Heinrich  Hampe  in  C  a  s  s  e  1  Kon- 
zession zur  Herausgabe  einer  wöchentlichen  Zeitung*). 
Er  zeigte  dies  an  und  teilte  mit,  was  alle  „nach  jedes- 

')  Ges.  Samml.  S.  68.  — «)  G.  Könnecke,  Hess.  Buchdrucker- 
buch,  1894,  S.  A4 ;  LO.  IV  S.  48. 

96» 


—    404    — 

mahligen  Umständen"  in  der  Zeitung  „nun  Vorschein 
kommen'*  wird;  dabei  werden  auch  genannt  unter  Art. 
VII  „Personen,  so  Bediente  verlangen",  unter  Art.  VIII 
„Personen,  so  Dienste  suchen".  Die  Würzburger  Ge- 
sindeordnung von  1749*)  stellte  den  Herrschaften  und 
Dienstboten  das  gedruckte  wöchentliche  Kundschaftsblätt- 
chen  zum  Annonzieren  zur  Verfügung,  sicherlich  nicht 
ohne  Entgelt.  Und  die  eisenacher  Gesindeordnung 
von  1757*)  kündigte  an,  daß  jährlich  um-  Petritag  die 
Waisenkinder,  die  zum'  Dienen  reif  sind,  im  Wochenblätt- 
lein bekannt  gemacht  werden  sollen.  In  München  wurde 
am  10.  April  1782  dem  Zeitungs-Comptoir  die  Befugnis 
übertragen,  Gesinde  zu  vermitteln  \md  Wohnungen  zw 
verstiften  ^).  Hier  sind  die  Dienstboten  lun'sonst  zu  be- 
scheiden ;  von  den  Herrschaften  werden  tarifierte  Beträge 
erhoben. 

Wirksamer  war  jedenfalls  das  andere  Mittel,  die  bei- 
den Teile  einander  nahe  zu  bringen.  Hier  früher,  dort 
später  kam'  man  dazu,  daß  man  von  obrigkeitswegen  be- 
stimmte Personen  damit  betraute,  den  Kontakt  zwischen 
Nachfrage  und  Angebot  herzustellen.  Die  Gesinde- 
vermittlung (Mäkelei)  wurde  eine  eigenartige  Zwi- 
schenbildung zwischen  privatem-  Gewerbe  und  amtlicher 
Tätigkeit*).  Die  obrigkeitlichen  Reglemientierungen  der 
Mäkler  befassen  sich  mit  ihrer  Anstellung  imd  Entlassung ; 
die  Verhaltensvorschriften  wenden  sich  besonders  oft  ge- 
gen das  Abwendigmachen  der  Dienstboten  durch  Mäkler, 

')  Landesverordnungen  Würzburg  11  S.  689.  —  *)  Kr.  A.  München. 
Sign.  GR.  Fasz.  402  Nr.  3;  s.  auch  oben  S.  849.  —  *)  R.  A.  München. 
Generalien-Sammlung.  Rep*  S.  9  Nr.  7  Bd.  1.  —  *)  Ludwig,  Die 
Gesindevermittlung  in  Deutschland  (Zeitschriil  fbr  die  ges.  Staats- 
wissenschaft, Erg&nzungsheft  10)  Tübingen  1908;  Reitzenstein, 
Der  Arbeitsnachweis  (Schriften  der  Centralstelle  für  Arbeiter -Wohl- 
fahrtseinrichtungen Bd.  2)  Berlin  1897;  Jay,  Die  Frage  des  Arbeits- 
nachweises in  Frankreich  (Archiv  ftkr  soziale  Gesetzgebung  und 
Sutistik  Bd.  IX,  S.  1  ff.)  1896. 


—    405    — 

die  so  ihre  Gebühr  öfters  verdienen  wollen,  femer  wider 
das  Beherbergen  Vertragsbrüchiger  Dienstboten  durch  die 
Mäkler.  Bisweilen  sehr  früh,  mianchmal  auch  gar  nicht 
beschäftigen  sich  die  Polizeigesetzgeber  mit  der  Vermitt- 
lung, die  ihrer  Natur  nach  in  den  verkehrslosen  Zeiten 
eine  spezifisch  städtische  Einrichtimg  sein  mußte.  In 
einigen  Ländern  entwickelte  sich  die  Einrichtung  aus 
andern  Ämtern,  z.  B.  solchen  für  Gesindeaufsicht  oder 
für  Auswanderung. 

Gesinde-„Zubringerinnen**  gab  es  am)  frühesten  in 
Nürnberg^).  Sie  wurden  vom-  Rat  schon  am  Ende 
des  14.  Jhdts.  bestellt;  jährlich  mußten  sie  den  Dienst- 
eid leisten.  Nur  imbescholtene  Frauen  wurden  ausgewählt. 
Die  Herrschaften  diurften  sich  ihre  Dienstboten  ohne  die 
Vermittlung  der  Zubringerinnen  aussuchen.  Aber  zum  Ver- 
tragsschluß mußte  stets  eine  Zubringerin  hinzugezogen 
werden,  weil,  wie  §  22  der  Gesindeordnung  von  1741 
sagt,  „in  vorkommenden  Irnmgen  und  Klagen  zwischen 
Dienstherrschaften  und  Ehehalten  mit  der  Entscheidung 
nicht  wohl  fortgekommen,  dem  Zeugnis  der  Zubringerin 
aber,  als  einer  verpflichteten  Person,  Glauben  beizumessen 
seye".  Schon  sehr  früh,  jedenfalls  im'  16.  Jahrhundert*), 
wurden  besondere  Taxen  für  die  Zubringerinnen  aufge- 
stellt; ein  Teil  wurde  von  der  Herrschaft,  einer  vom! 
Dienstboten  bezahlt.  Wider  die  gewinnsüchtigen  Zubrin- 
gerinnen wird  oft  mit   Strafen  vorgegangen. 

Auch  Breslau  und  Leipzig  sind  früh  auf  dem'  Plan. 
Am  16.  August  1616  beklagt  sich  der  Rat  der  Stadt 
Leipzig  über  die  Mittlerinnen.  „Sie  verhetzen**,  so 
wird  berichtet*),  „das  Gesinde  so,  dass  es  alle  Viertel- 
jahre, ja  alle  Monate  seinen  Dienst  wechsle  und  keine 
Strafe  seines  Unfleisses  von  Herren  und  Frauen  leiden 
wolle.    Gegen  Ende  der  Dienstzeit  müssten  die  Dienst- 

*)  Kamann  S.  69ff.;  Dorn  S.  186 ff.  —  •)  Kamann  S.  78.  — 
*)  Wuitke  S.  58. 


—    406    — 

herrschaften  das  Gesinde  bitten,  im'  Dienst  zu  bleiben 
und  sich  vor  ihren  Dienstboten  gleichsam!  demütigen,  da 
es  doch  Sache  des  Gesindes  sei,  „solches  zu  thuen  und 
ihren  Herren  und  Frauen  die  Ehre  anzulegen  gebühret, 
ob  sie  in  demselben  Dienst  länger  geduldet  werden  könn- 
ten.**" Die  breslauer  Gesindeordnimg  von  1640^)  be- 
stimmt zwölf  „Mägdeschickerinnen**  zur  Bestellung  des 
Gesindes;  sie  werden  konzessioniert  und  auf  ihr  Amt  ver- 
pflichtet. 

Nicht  allzu  spät  konnmen  die  ersten  Ansätze  einer 
Regelung  für  ganze  Länder  vor.  Emibryonal  ist  die  kom- 
mende Entwic'klung  schon  in  der  Armenordnung  für 
Jülich  vom  5.  Oktober  1546*)  enthalten.  Da  werden 
die  „Fürstender"  eingesetzt.  Die  sollen  die  Eltern  er- 
mahnen, daß  sie  ihre  Kinder  dienen  lassen.  Und  weiter: 
„Aber  welche  jre  kinder  gern  wölten  lernen,  dienen,  oder 
arbeyden  lassen,  und  kein  Behülff  haben,  das  sie  darzu 
kbmlen.  Denen  sali  durch  die  Fürstender  darzu  anweisung 
geschehen,  mmd  stuer  gethan  werden**.  Die  Fürstender 
sollen  weiter  sich  der  Waisenkinder  annehmien,  und  ihnen 
behilflich  sein,  in  Lehre,  Dienst  oder  Arbeit  zu  kommen. 

Den  gleichen  Rechtszustand  schafft  für  Cleve- 
Mark  die  Verordnung  vom  10.  Oktober  1554^).  Am 
Ende  des  folgenden  Jahrhunderts  ist  hier  die  Entwicklung 
so  weit  gediehen,  daß  eine  umfassende  Regelung  des 
Mäklerrechts  erfolgen  muß.  Sie  ist  in  der  Gesindeordnung 
vom  29.  September  1696*)  enthalten.  Danach  sollen  die  Ver- 
mieter, die  hier  eine  rein  privjate,  nur  durch  die  folgenden  Be- 
stimmungen der  Obrigkeit  untergebene  Stellimg  haben, 
sich  genau  nach  dem'  Ruf  der  von  ihnen  zu  vermietenden 
Dienstboten  erkundigen.  Zu  den*  Zweck  haben  sie  sich  bei 
der  vorigen  Herrschaft  danach  umzutxm,  ob  der  Dienst 
ausgehalten  worden  ist,  imd  wie  das  Betragen  war.  Fahr- 

")  Kollmann  S.  Ä49.  —  •)  Scotti,  JüWch  S.  84.  —  •)  Scotti, 
Cleve  S.  180.  —  *)  Ebenda  S.  690. 


—    407    — 

lässigrkeit  der  Vermieter  bei  diesen  Erkundigungen  kostet 
Geldstrafe.   Erfahren  sie  von  Unehrlichkeit  und  Unfleiß 
der  Dienstboten»  oder  von  erfolgtem!  Vertragsbruch,  dann 
dürfen  sie  bei  Geldstrafe  diese  Leute  nicht  weiter  ver- 
mieten.   Gleiche  Strafe  droht  den  Vermietern,  wenn  sie 
gar   schon  vermietete  Dienstboten  nochmals  vermieten, 
dazu  raten  oder  helfen  „direct6  oder  indirectö**,  oder  wenn 
sie  Dienstboten  durch  Versprechen  hohem  Lohnes  ihrer 
Herrschaft  abspenstig  miachen  oder  sie  sonst  zum  Ver- 
tragsbruch bewegen.  Stärker  .„veramltlicht**  wird  die  Stel- 
lung der  clevischen  Gesindevermieter  durch  die  Gesinde- 
ordnung vom  7.  Dezember  1753  ^).  Im  Titel  II  handeln  die 
§§  8 — 10  von  ihnen.  Es  .  .  „sind  gewisse  verehelichte 
Leute    zu.  Gesinde-Mäcklern,    imd    zwar  in  den    großen 
Städten  derer  zwey,  in  den  kleinen  aber  Einer  dergleichen 
zu  bestellen,  deren  Nah'men  allemahl  zu  Rath  Hause  zu 
erfahren .  .**.    Mäkler  wird  nur,   wer  vorher  vom  Magi- 
strat ordentlich  angewiesen  und  vereidigt  worden  ist.  Auf- 
gabe der  Mäkler  ist,  Dienstboten  zu  vermieten,  Verzeich- 
nisse über  sie  zu  führen.    Sie  dürfen  keinen  Dienstboten 
abspenstig  mac'hen,  imd  nur  dann  weiter  vermieten,  wenn 
Kündigung  wirklich  erfolgt  ist;  nur  Gesinde  mit  Zeug- 
nissen darf  von  ihnen  vermietet  werden,  imd  sie  müssen 
sich  noch  dazu  ^ach  allen  Lebensverhältnissen  des  Ge- 
sindes erkundigen.  Es  ist  ihnen  verboten,  dem  in  Diensten 
stehenden  Gesinde  Zusaimnienkünfte  in  ihrer  Wohnung 
zu  ermöglichen,  oder  ihre  Sachen  und  „Coffres"  aufzu- 
bewahren.    Als  Entgelt    erhalten    die  Vermieter  die 
Hälfte  des  Mietgeldes;  auf  Gebührenüberhebung 
steht  Haftstrafe.    Geld-  und  eventuelle  Haftstrafen  sind 
in  §§  4  und  5  des  9.  Titels  auf  Vermietung  von  Gesinde 
ohne  Zeugnisse  Und  auf  Abspenstigmiachen  angesetzt.  Die 
Gesindeordnimg  fürs  platte  Land  von  1769*)  nennt  im! 


>)  Ebenda  S.  1452.  -  *)  Ebenda  S.  1894. 


—    408    — 

Unterschied  von  der  vorigen  die  Mäkler  nur  ganz  neben- 
her. Nach  §  43  sind  Zusammenkünfte  des  Gesindes  bei 
den  Vermietern  verboten.  §  51  untersagt  den  Vermietern 
die  Unterbringung  von  Dienstboten  ohne  Atteste.  Die 
unterschiedliche  Behandlimg  der  Frage  im-  Vergleich  mit 
der  städtischen  Gesindeordnung  erklärt  sich  wohl  dadurch, 
daß  im  Gesindeverkehr  des  platten  Landes  die  berufs- 
mäßige Vermittlung  kaum  eine  Rolle  spielen  konnte. 

Zahlreiche  Bestimmungen  über  Gesindemäkler  wur- 
den in  Süddeutschland  getroffen^). 

Maximilians  Landrecht  für  Bayern  von  1616 
enthielt  in  Tit.  12  Art.  2  etliches  „Von  den  Hindingerin- 
nen" ^).     Ernstliche  Strafe,    auch    Stadtverweisimg,  wird 
ihnen  angekündigt,  wenn  sie  Dienstboten  nach  dem'  Dienst- 
austritt noch  einige  Tage  herbergen  imd  beköstigen.  Bei 
Strafe  dürfen  sie  auch  nicht  ungekündigte  Dienstboten 
weitervermieten ;  sie  sollen  sich  vielmehr  zu  Vermietungen 
vorher  bei  der  früheren   Herrschaft  über  die   Dienstbe^ 
endigung  erkundigen.  Zur  Unterbringung  müßigsitzender 
Dienstboten  wurde  durch  die  burghausener  Gesindeord- 
nung von  1655^)  die  Nieder lassimg  von  Hindingerinnen 
mehreren  Orts  angeordnet.    Sie  sollen  ehrlichen  Wandel 
treiben,  das  müßigsitzende  Gesinde  in  Dienste  bringen, 
es  beaufsichtigen  und  Widerspenstige  der  Obrigkeit  an- 
zeigen. Die  der  burghausener  Ordnung  nachgebildete  Ge- 
sindeordnung fürs  Amt   München  von  1660*)   gibt  die 
bösen  Erfahrungen  kund,  die  man  mit  den  Hindingerinnen 
wohl  gemacht  hatte.    Die  Bestinunungen  von  1656  er- 
halten den  bekräftigenden  Zusatz,  daß  die  Vermieterinnen 
bei  Geigen-  und  anderer  Schandstrafe,  auch  Entziehung 
des  Amtes  Gesinde  nicht  vermieten  dürfen,  bevor  sie  bei 
der  früheren  Herrschaft  angefragt  haben.  Zur  Ergänztmg 
der  Ehehaltenordnung  von  1781  ergmg  am  10.  April  1782 

')  Über  das  frühe  Recht  Nürnburgs  s.  o.  S.  i06.  —  •)  PI  atzer 
S.  109.  —  *)  Kr.  A.  München.    GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  -  *)  Ebenda. 


—    409    — 

eine  Verordnung^),  die  auch  über  die  Hindingerinnen 
Vorschriften  bringt.  Es  hat  sich  ergeben,  daß  die  Hin- 
dingerinnen an  dem  „Aufbochen**  der  Dienstboten  Schuld 
tragen.  Allen  Hindingerinnen  imd  Zimlmer-Verstifterinnen 
wird  daher  ihr  Gewerbe  künftig  verboten.  Statt  ihrer 
stellt  die  Obrigkeit  acht  „bewährt  ehrbar  redlich  und 
Christliche  Persohnen**  zu  Hindingerinnen  an,  deren  Na- 
men bekannt  gemacht  werden  sollen.  Sie  dürfen  sich 
auch  mit  dem  Zimmer-  und  Wohnungverstiften  abgeben 
und  werden  nach  einer  Taxe  bezahlt.  Wenn  ein  Dienst- 
bote sich  nur  einige  Tage  ohne  Dienst  aufhält,  dann 
soll  er  mit  der  Entschuldigung,  er  habe  keinen  Dienst 
bekommen  können,  nicht  gehört  werden,  er  liabe  sich 
denn  bei  einer  der  Hindingerinnen  (oder  beim'  Zeitungs- 
Comtoir)  gemeldet.  Ähnliche  Zusätze  zu  der  als  Vorbild 
verwendeten  Gesindeordnung  von  1781  hat  auch  jene  von 
1790  für  das   Herzogtum'  Neuburg 2). 

Die  bamberger  Taxordnung  von  1652^)  droht  den 
Vermittlerinnen  („ Vorkauf f er-  oder  Tändtlerinnen**),  die 
die  Dienstboten  zur  Vertragsimtreue  verleiten,  mit  Geige 
oder  Pfeife  an  öffentlichen  Markttagen.  Nur  das  Verbot, 
vertragsbrüchiges  Gesinde  weiterzuvermieten,  steht  in  der 
regensburger  Gesindeordnung  von  1656*).  Aus  glei- 
chem Anlaß  erinnert  die  Polizeiordnung  für  Eichstätt 
von  1707*)  die  Fürlegerinnen  „ernstlich"  an  das  Verbot 
des  Abspenstigmiachens. 

Die  brandenburgisch-fränkische  Gesinde- 
ordnung von  1769®)  gibt  ein  ganzes  System'  des  Mäkler- 
rechts. Zwei  männliche  und  zwei  weibliche  beeidete  Mäk- 
ler sollen  in  der  Residenzstadt  bestellt  werden  mit  jedes- 


*)  R.  A  Manchen.  Generalien-Sammlung  Rep.  S.  9  Nr.  7  Bd.  1« 
-  *)  Kr.  A.  München.  M A.  Fasz.  1821  Nr.  1165  —  •)  Kr.  A  Bamberg. 
Verordnungen  Rep.  141  Nr.  69.  —  *)  v.  Weber,  Staiutarrechre  V 
S.  86.  —  ■)  Habeische  Sammlung.  —  •)  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  23  V 
Nr.  779  Repert.  288. 


—    410    — 

inialigeT  Confinnierung  durch  die  Regierung.  Gewissen- 
hafte, ehrliche  und  wohlhabende  Personen  sind  da- 
für auszusuchen,  „die  da  nicht  aus  Armiuth  und  Dürftig- 
keit,  betrügliche  Händel  miit  dem  Gesind  verdingen  zu 
treiben,  veranlasset  werden  mögten**.  Sie  sollen  Liste  über 
das  gemeldete  Gesinde  führen;  sie  dürfen  bei  schwerer 
Strafe  keinen  Dienstboten  über  Nacht  beherbergen,  ihnen 
keine  Kleider  usw.  aufbewahren,  es  nicht  verführen  oder 
abspannen.  Gegen  dies  Abspannen  wird  eine  eigenartige, 
sehr  wenig  wirksame  Maßregel  eingeführt ;  um  den  Mäk- 
lern das  Interesse  an  den  öfteren  Mietpfennigen  zu  neh- 
men, soll  die  Hälfte  des  Mietgelds  von  der  Herrschaft 
selbst  dem  'Mäkler  ausgehändigt  werden. 

Von  früherem  Rechte  Süddeutschlands  ist  dann  noch 
dasdarmistädtischezu  nennen.  Auf  sonderbare  Weise 
kam'  man  hier  dazu,  eine  Art  amtliche  Gesindevermittlung 
zu  schaffen.  Eine  Verordnung  vom  7.  März  1673*)  will, 
wie  viele  vorhergehende,  das  Dienen  außer  Landes  mög- 
lichst verhindern.  Die  Leute,  die  ihre  Kinder  zum  Dienen 
ins  Ausland  schicken,  geben  vor,  im!  Lande  sfelber  sei 
keine  Gelegenheit.  Daher  wird  nun  angeordnet,  „daß 
in  dem  f ürnehmsten  Haubtorth  iedes  Ambts  iemand  etwan 
tmib  eine  geringe  recompens  bestellet,  und  beaydiget 
werde,  bey  deme  so  wohl  die  jenige  Leuth  ausser  Land 
in  und  auss  dem?  Amt,  so  Gesind  bedürfen,  als  auch  die 
welche  ihre  Kinder  gern  in  oder  außerhalb  Landes  ver- 
dingen wolten,  sich  anmelden,  der  auch  eine  gewisse  Spe- 
cification  darüber  halte."  Danach  soll  dann  eventuell  die 
Vermietung  außer  Landes  erlaubt  werden. 

Diese  darmtetädter  Einrichtung  gibt  schon  einen  V^or- 
geschmack  von  der  Art,  wie  die  Gesindevermittlung  spä- 
ter veramItlicht  wtdde. 

Ein  ganz  frühes,  verfrühtes  Beispiel  reiner  behörd- 

*)  Oben  S.  389. 


—    411     — 

lieber  Gesindevemuttlung' *)  bietet  Kursachsen,  dessen 
Gesindeordnung*  von  1735  *)  die  Bestätigung  der  privaten 
Mäkler  wegen  all  der  vielen  Mängel,  die  sich  bei  ihnen 
gezeigt  haben,  unter  harter  Strafdrohung  verbietet.  Die 
Ordnung  heißt  die  Dienstboten,  sich  sofort  nach  ihrer 
Ankunft  amj  Dienstbrte  der  Behörde  vorzustellen;  dort 
wird  ein  Register  über  die  vorhandenen  Dienstboten  ge- 
führt Weiter  heißt  es:  es  „hab^  .  .  .  alle  diejenigen, 
welche  Dienstbothen  brauchen,  sich  künftighin  bey  der 
Obrigkeit  des  Orts,  und  dem-  oder  denenjenigen,  welche 
selbige  aus  denen  Raths-  und  Gerichtspersonen  dazu  zu 
deputiren  gut  finden  möchte,  zu  melden,  und  allda  von 
dem  vorhandenen  dienstlosen  Gesinde,  und  dem  Orte 
ihres  Aufenthalts,  Nachricht  zu  erwarten". 

Unter  Beibehaltung  der  Privatmäkler  bürdete  auch 
diealtenburger  Gesindeordnung  von  1744 *)  der  Ver- 
waltungsbehörde  eine  Art  fakultativer  Vermittlertätigkeit 
auf.  Das  Gesinde  soll  sich  sofort,  nachdem  es  einen  Dienst 
verlassen  hat,  bei  der  Behörde  mielden  imd  angeben,  wo- 
hin es  sich  wenden  will.  Dabei  soll  das  Gesinde  auch 
anfragen,  ob  nicht  irgendwo  ein  Dienst  frei  ist.  Allzu 
wirksam:  wird  diese  nebenher  erfolgende  behördliche  Ver- 
mittlung freilich  kaum!  gewesen  sein.  Privatmäkler,  die 
Gesinde  abspenstig  miaChen,  sollen  nach  demselben  Ge- 
setze nrit  mehrwöchigem  Gefängnis  gestraft  werden. 

Eine  andere  Art  amtlicher  Aufsichtsstelle  auf  Dienst- 
boten wurde  in  Dur  lach  1780  diurch  die  „Gesinds  Ord- 
nung oder  Instruction  vor  den  Aufseher  aiif  das  Gesinde**  *) 
geschaffen.  Der  Aufseher  führt  eine  Tabelle  der  Dienst- 
boten, in  die  bei  jeder  Dienständeriui^  Namie  der  Herr- 


')  Vgl  auch  das  Amt  der  jQlicher  Forstender,  oben  S.  406.  — 
")  Codex  Augusteus  1.  Forts.  1.  Bd.  Sp.  624 ff.,  bes.  625;  Wuttke 
S.  150.  -  •)  Univ.-Bibl.  MarburR.  XVIII  f  B  11191^.  -  *)  Gen.  L.  A. 
Karlsruhe.    Baden  Generalia  6891. 


—    412    — 

Schaft,  bedingte  Dienstzeit  u.  a.  eingetragen  werden  muß. 
Will  ein  Dienstbote  in  neuen  Dienst  eintreten,  dann  muß 
er  dem  Aufseher  ein  Zeugnis  des  Wohlverhaltens  im 
früheren  Dienst  beibringen.  Der  Aufseher  hat  darauf  zu 
sehen,  daß  das  Gesinde  ehrlich  usw.  ist.  Beim!  Aufseher 
haben  die  Parteien  alle  kleineren  Klagen  anzubringen, 
die  hier  erledigt  werden.  Die  eigentliche  Gesindevermitt- 
lung steht  nicht  ausdrücklich  in  dem'  Verzeichnis  der 
Amtspflichten. 

Mit  dem  Konsulat  imd  dem  Kaiserreich  zog  eine 
immer  weiter  schreitende  Bürokratisierung  und  Ausdeh- 
nung der  polizeilic'hen  Befugnisse  auf  die  Arbeitsnach- 
weisbehörden ein^).  Nur  war  das  für  Deutschland,  das 
die  sächsische  Gesindeordnung  von  1735  erlebt  hatte, 
nichts  Neues  mehr. 

Unter  französischem  Einflüsse  steht  das  Recht  der 
großen  badischen  Gesindeordmmg  von  1809*).  §  6 
läßt  konzessionierte  Privatmäkler  zu.  In  §  7  aber  wird 
auch  das  Vermittlungsamt  der  Polizei  angeordnet,  welche 
Listen  der  Stelle  oder  Dienstboten  Suchenden  führt ;  jeder 
kann  sich  dort  einzeichnen  oder  sich  die  Listen  umsonst 
vorlegen  lassen. 

Auch  Hessen  sollte  in  seiner  westfälischen  Zeit  eine 
sogar  noch  weiter  gehende  Veramtlichung  der  Maklerei 
erfahren,  wäre  es  nicht  vorher  mit  dem  Regime  J^romes 
vorbei  gewesen.   Jener  projet  von  1813  plante  eine  rein 


^)Reitzensteina.a.O.S.19;  Jay  a.a.O.S.5.  Ober  die  hochbedeu- 
tende frühere  Entwicklung  der  (teilweise  amtlichen)  Stellenvermittlung 
für  Gesinde  in  französischen  Ländern  s.  Reitzenstein  S  8 ff.,  12 E; 
Jay  S. Iff.;  Behaegel,  Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin 
du  comit^  central  du  travail  industriel  1905  S.  658,  659);  des  Marez, 
Les  bureaux  de  placement  ä  Bruxelles;  le  projet  de  Fran^ois  Feig- 
naux  1791  (Revue  de  l'Uni versitz  de  Bruxelles  1905  S.  241  ff);  de 
Ryckere,  La  servante  criminelle  S.  424.  —  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe. 
Provinz  Niederrhein.  Gesindepolizei.  Lit  B  Nr.  1.  1755—1809  (IV  3). 


—    413    — 

polizeiliche  Stellenvermittlung^  unter  Verbot  jeder  privaten 
Konkiirrenz  bei  Geldstrafen^). 

Die  kurhessische  Regieningskunst,  di^  sich  vorher 
an  Bestimmungen  über  Gesindemäkler  nie  herangemacht 
hatte,  wurde  durch  die  J^romieschen  Pläne  beeinflußt, 
allerdings  ergebnislos.  Auf  dem  Landtag  von  1815  ging, 
wie  im  Zusammenhange  des  ersten  Teils  des  näheren  schon 
ausgeführt  wurde*),  ein  Vorschlag  a\if  Einsetzung  einer 
„Gesindekommission**,  der  außer  einer  Dienstvermittler- 
rolle Befugnisse  übertragen  werden  sollten,  wie  sie  der 
durlacher  Gesindeaufseher  etwa  hatte;  es  wurde  aber 
nichts  aus  dem  Vorhaben.  Auch  auf  die  ähnlichen  Pläne 
der  marbiu-ger  Professoren,  die  nach  dem  Vorbilde  eines 
frankfurter  Institutes  1815  ein  Gesindebüro  errichten 
wollten^),  sowie  auf  die  1851  von  der  Regierung  getanen 
Umfragen,  deren  eine  sich  auf  die  Gesindemäkler  bezog, 
ist  im  ersten  Teile  *)  schon  hingewiesen  worden ;  das  ein- 
zige, was  bei  der  Untersuchimg  von  1851  hierüber  zur 
Kenntnis  der  Regienmg  gelangte,  war  die  inhaltlich  an 
der  genannten  Stelle  mitgeteilte  casseler  Mäklerordnung, 
welche  die  gxitachtlichen  Bestinmiungen  über  die  amt- 
lich beaufsichtigten  Gesindevermieter,  ihre  Anstellung  und 
ihre  Pflichten  enthält  ^), 


')  Oben  S.  140  ff.  —  Der  erste  kommunale  Arbeitsnachweis  des 
19.  Jhdts  nach  der  eben  erwähnten  badischen  Einrichtung  von  180^ 
wurde  1818  in  Dresden  begründet,  nachdem  schon  1808  in  Leipzig 
eine  Gesindeexpedition  mit  ähnlichen  Aufgaben  wie  die  des  Gesinde- 
aufschers  in  Durlach  (1780)  errichtet  worden  war;  Wuttke  S,  146; 
Ludwig  S.  12.  —  •)  Oben  S.  150 ff.  -  •)  Oben  S.  161.  -  *)  Oben 
S,  160  ff.  —  •)  Zu  vergleichen  ist  noch  eine  Bekanntmachung  der  Stadt 
Folda  Ober  die  Gesindebureaus  vom  9.  August  1866  (abgedruckt  im 
Wochenblatt  fllr  die  Provinz  Fulda  1866  S.  609). 


—    414    — 

$  3.    Der  Vertragsschluss. 

Ein  sächsischer  Gutsbesitzer  hat  vor  etlichen  Jahren 
die  Art  erzählt,  wie  er  sein  Gesinde  mietet^),  charakte- 
ristisch genug,  um  hier  wiedergegeben  zu  werden:  A. 
„Ihr  wollt  bei  mir  in  Arbeit  treten?"  —  B.  Ja.  —  A.  „Ihr 
habt  euch  'schon  darnach  erkundigt,  was  ich  Lohn  zahle?" 
—  B.  Ja.  —  A.  „Nun,  dann  werde  ich  am  Sonntag  vor 
dem  1.  April  eure  Sachen  holen  lassen,  wieviel  Wagen 
braucht  Ihr?"  —  B.  Zwei.  —  A.   „Es  ist  gut;  Adieu." 

So  oder  ähnlich  mlag"  die  Abrede  zwischen  Gutsherrn 
und  Arbeitnehmer  auf  dem  Lande  immer  stattgefunden 
haben.  In  den  Städten  bedarf  es  der  Berücksichtigung 
komplizierterer  Verhältnisse.  Deren  Beredung*  und  das 
Feilschen  um!  den  Vertragsprofit  bringt  es  bei  der  noto- 
rischen Rechtsungewandtheit  mindestens  des  einen  Kon- 
trahenten in  vielen  Fällen  mit  sich,  daß  Streit  über  die 
Vollendung  des  Vertrages  entsteht;  was  der  eine  Teil 
nachher  für  unverbindliche  Vorbesprechungen  erklärt,  will 
der  andere,  der  vielleicht  ein  besonders  gutes  Geschäft 
gemacht  zu  haben  glaubt,  als  Vertragsabschluß  gelten 
lassen. 

Derartige  Erwägungen  möchten  wir  von  heute  allein 
als  Veranlassung  gelten  lassen,  daß  auf  einigen  Rechts- 
gebieten für  den  Abschluß  von  Verträg^en  die  Darreichung 
eines  CJegenstandes  vorgeschrieben  wird,  wodurch  das  Ab- 
kommen der  schwierigen  Beweisführung  des  Konsensual- 
vertrages entzogen  wird  und  die  greifbare  Grundlage  des 
Realvertrages  erhält.  Aber  diese  Bedeuttmg  der  arrha 
ist  nicht  die  ursprüngliche.  Nicht  Beweissichenmg  will 
die  arrha  in  den  Anfängen  der  Rechtsentwicklung  b^ 
zwecken ;  sie  stellt  vielmehr  nach  G  i  e  r  k  e  s  *)  neuer,  wohl- 

')  Ver.  f.  Soz.  Pol.  VII  S.  6.  —  «)  Otto  Gierke,  Schuld  und 
Hafhing  (Untersuchungen  zur  dt  Staats-  und  Rechtsgeschichte  Heft  100) 
S.  887  flf.,  auf  dessen  Darstellung  hier  verwiesen  wird;  von  filtert 
Literatur,  die  im  Obrigen  bei  Gierke  angef&hrt  ist,  sei  nur  Stobbe 


—    415    — 

begründeter  Anschauung  das  zu  dem  Schuldgeschäft  hin- 
zutretende Haftungsgeschäft  dar. 

Eine  besonders  wichtige  Rolle  spielt  die  arrha  in 
Form  des  Mietgeldes  im  Gesinder^chte.  Aber  gleich 
von  vornherein  zeigt  sich  hier  eine  Zwiespältigkeit  in  der 
Bedeutung  der  arrha  für  das  Zustandekommen  des  Ge- 
sindevertrages.  Nach  einigen  Rechten  bringt  erst  die 
Gabe  des  Mietgeldes  den  Vertrag  zustande.  Da  die  gleich- 
zeitigen, noch  weniger  vorhergehende  formlose  Äußerun- 
gen der  Vertragsteile  Wirkung  nicht  haben  sollen,  son- 
dern erst  die  arrha  die  Beredungen  gültig  mächt,  stellt 
sich  die  Darreichimg  mid  Hinnahmie  der  arrha  in  Wirk- 
lichkeit als  eine  Vertrags-(Willens-)Erklärung  dar,  nicht 
aber  als  bloße  Bestärkimg  mündlicher  Vereinbarungen^). 
Jede  andere  Art  der  Vertrags voUendimg  wird  ausge- 
schlossen. Anderswo  wird  die  Gabe  imd  Annahmt  des 
Mietgeldes  ausdrücklich  oder  stillschweigend  für  unnötig 
erklärt,  und  sonstige  bindende  Vertragsweisen  sind  zu- 
gelassen. 

Vorschriften  dieser  letzten  Art  sind  in  der  Minder- 
zahl. Hierzu  gehört  das  alte  bamberger  Recht.  In 
§  392*),  wo  es  vom;  Vertragsschlusse  handelt,  spricht  es 
nur  davon,  daß  Dienstboten  „einem'  geloben  odir  gereden 
zu  dienen  auf  ein  benante  zeit" ;  das  ganze  Gesinderecht 
und  auch  die  sonstigen  Kapitel  des  Rechtsbuches  erwähnen 
das  Mietgeld  nicht.  Entsprechend  ist  die  Regelung  im 
Rechte  Stades  und  Verdens*),  sowie  iml  ostfrie- 
sischen Landrechte*).  Einen  ausdrücklichen  Verzicht 
auf  das  Mietgeld  gibt  das  zweite  Stadtrecht  von  Über- 
Hngen  kund*):    „Welche  frow  oder  man  einen  dienst 

genannt:  Reurecht  und  Vertragsschluss  (Z.  f.  Rechtsgesch.  18  S.  äOBfü); 
Stobbe-Lehmanu  111  S.  168  fif. 

')  Gierke  S.  889  Anm.  12.  -  •)  Zöpfl,  Urk,-B.  S.  109.  — 
*)  Pufendorf,  obs.  iur.  I  app.  S.  168 flf.,  bes.  217  (Vin  1);  77  fr.,  bes. 
118  (129).  —  *)  Wicht  II  282.  -  »)  Oberrheinische  Stadtrechte  II  2 
S.  52  ff.,  bes.  70. 


—    416    — 

dinget  und  in  winkof  git  oder  ane  winkouf  mit  worten 
uberkomen . . .". 

Die  bayerische  Landesordnung  von  1553^)  ver- 
pflichtet die  Dienstboten,  die  den  Dienst  aufsagen,  „so 
sy  ein  hafftelgelt  empfangen",  dies  zurückzugeben.  Da- 
nach scheint  es  möglich,  daß  die  Mietung  auch  ohne 
hafftelgelt  erfolgen  konnte  —  wenn  die  bequeme  Rechts- 
sprache des  Gesetzes  solch  strikte  Auslegimg  gestattet. 
Klar  sprechen  dagegen  die  Statuten  der  Stadt  G  r  e  u  ß  e  n 
in  Schwarzburg  von  1556*)  in  B.  4  Art.  74  und  ebenso 
die  frankenhauser  Statuten  von  1558')  in  Art.  83 
vom  „Versprechen"  des  Dienstes,  ohne  des  Mietpfennigs 
zu  gedenken.  Die  Bürgersprache  zu  Bielefeld  aus  dem 
Jahre  1578*)  stellt  die  Annahme  des  Mietgeldes  in  das 
Belieben  des  Dienstboten:  „offt  ock  Jennige  Dienstmagk 
oder  Knecht  sich  vermiedet  und  des  einen  Weinkauff 
entpfangen  oder  doch  sonder  Weinkauff  zu  frieden 
wurde . .  .**. 

Alternativ,  aber  ohne  Hervorhebung  des  Beliebens 
auf  Seite  der  Dienstboten  ist  auch  die  Fassung  in  der 
jüngeren  Vergleichimg  des  schwäbischen  Kreises 
vom  12.  April  1652*).  Hier  wird  offen  die  Wahl  gelassen: 
Wenn  das  Haftgeld  genomimen  oder  der  Dienst  (bloß) 
versprochen  imd  zugesagt  ist,  dann  findet  kein  Abwandel 
mehr  statt.  So  ist  es  auch  mit  der  hiermit  verwandten 
Taxordnung  vom  3.  tmd  4.  Mai  1669,  die  schwäbische 
Städte  unter  sich  vereinbarten*).  Das  in  der  Frage  des 
Mietgeldes  wandelbare  Cleve  bestimmte  nach  Vorgang 
der  gegensätzlichen  Gesindeordnung  von  1644')  in  der 
Gesindeordnung  von  1696  §  5»)  ganz  ausdrücklich:   Der 


*)  Kr.  A,  Amberg.    Repert.    Landrecht  Polizei  Fasz.  1.  Akt  9. 

-  •)  Walch,  Bcy trage  VII  S.  61  flf.,  bes.  224.  —  ')  Ebenda  I S.  236ff^ 
bes.  366.  -  *)  Ebenda  III  S.  58  flf.,  bes.  75.  —  •)  St  A.  Stuttgart,  Druck. 

—  •)  St.  A.  Stuttgart,   Handschrift.  —  »)  Scott! ,  Cleve  S.  260.  - 
')  Ebenda  S.  690. 


—    417    — 

Dienst  miuß  von  den  Dienstboten  nach  Vertragsschluß 
angetreten  "Werden,  „es  seye  dass  sie  deswegön  einen  Miet- 
pfenning empfangen  haben  oder  nic^ht".  Auch  Münster 
machte  diese  Entwicklung  durch.  Die  Godingsartikel 
des  Dom!kapiteb  in  der  Fassung  von  1665^)  erklärten 
den  Mietpfennig  für  nötig;  1715*)  dagegen  ist  es  einerlei, 
ob  der  Dienstbote  mit  oder  ohne  Mietgeld  sich  vermietet. 

Zirai  Rechte  des  18.  Jhdts.  ist  femer  die  Bestimmung 
der  altenburger  Gesindeordmmg  von  1744*)  anzu- 
führen, wonach  auf  denn  Lande  eis  zwar  bei  der  Gewohnheit 
wegen  des  Mietgeldeis  belassen  werden  soll,  während  ies  in 
der  Stadt  ganz  der  Willkür  der  Herrschaft  überlassien 
ist,  ob  sie  Mietgeld  geben  will  oder  nicht.  In  Fulda  ge- 
nügte schon  das  Versprechen  des  Mieitgeldeis,  um'  die 
Bindung  herbeizuführen.  Das  Reskript  vom'  7.  April  1761  *) 
erklärt  den  Emipfang  des  Mietgeldes  für  nicht  nötig.  Der 
Mißbrauch,  heißt  es,  soll  gänzlich  abgeschafft  sein,  daß 
das  Gesinde  den  Dienstantritt  weigtert,  ehe  „das  stipu- 
lirte,  doch  keineswegs^  vorenthaltene  Dinggeld  ihm. aus- 
gezahlt worden  seye";  es  geinügt  das  bloße  Abreden  des 
Vertrages,  ohne  daß  es  auf  das  nochmalige  „Andingien" 
(d.  h.  wohl  Auszahlimg  des  versprochenen  Mietgeldes) 
ankomimt  ^). 

Die  häufigere  Art,  daß  Gabe  des  Mietgeldes  als  we- 
sentliche Voraussetzung  des  Vertragsschlusste  gilt,  findet 
sich  in  vielen  mittelalterlichen  Quellen«).  Zur  Ergänzung 
der  Hertzschen  Darstellung  angeführt  sieien  göttinger 
Statuten  des  15.  Jhdts.  ^):  „Welk  miauet  siek  vormiedet 
unde  m^epeiuiinge  opnomJet,  demie  schal  se  deynen", 
heißt  es  1402;  imd  1445:    „We  sek  vormiedet  und  den 


0  Philipp!,  Landrechte  des  MOnsterlandes  S.  181.  —  ')  Ebenda. 
-  •)  Univ,.Bibl.  Marburg.  XYDI  f  B  1119«..  -  *)  Bd  V  der  Cass» 
Reg.-SaminL;  weiteres  Exemplar  in  der  Freysschen  Sammlung  Mflller« 
Fulda.—  ■)  Hiemach  ist  die  Angabe  in  Thomas'  Sistem  III  §  566  zu 
berichtigen.  —  «)  Hertz  S.ll,  12.  — *)  v.d.Ropp,  Statuten  S. 97,476. 

97 


—    418    — 

berkop  (Bierkauf)  upgenomknen  hedde,  de  sal  solken  denst 
holden  dem  he  sek  vormedet  heft/'  Die  verhaftende  Wir- 
kung allein  der  Gabe  des  Gottespfennigs  wird  femer  in 
H  a  d  e  1  n  mehrfach  ausgesprochen,  in  der  Polizeiordnun^^ 
von  1583  Teil  II  Tit.  20  und  der  Gesindeordnunir  von 
1645*).  Ein  ostfriesischer  Entwurf  zu  einer  Gesinde- 
ordnimg vom  Ende  des  16.  Jhdts. ')  drückt  den  Gedanken 
so  aus:  „Alle  Knechte,  Mägde,  .  .  .  welche  sich  mitt 
einem  Handtpfenningk  auff  S.  Jürgen,  oder  Michaelis  ver- 
mieten. Sollen  gehalten  sein  .  .  .  anzutreten".  Das  Recht 
in  Osnabrück  gemäß  Verordnung  vom  18.  Juni  1608 ') 
und  später  Gesindeordnung  von  1766*)  hat  gleichfalls 
die  ausschließliche  Geltung  des  Weinkaufsvertrages. 

Auch  die  meisten  Rechtsgebiete  der  näheren  imd 
ferneren  Nachbarschaft  arbeiten  mit  diesem  Grundsatze, 
so  Schaumburg  nach  der  Polizeiordnung  von  1615 
Kap.  63  §  1^)  und  später  der  Gesindeordnung  von  1738 
§  4*),  Sayn- Wittgenstein  nach  der  Polizeiordnung 
von  1776^),  Bentheim'  gemäß  Gericht-  und  Landes- 
ordnung von  1690®),  Münster  nach  Vorbild  seines  alten 
Rechtes  von  1390  •)  in  einem  Zusätze  zu  einem  sandwelli- 
schen  Landurteil  des  16.  Jhdts.  i®),  dann  in  einem:  Ge- 
dingsartikel  von  1665^^)  sowie  —  nach  vorübergehender 
Anerkennung  der  Formlosigkeit  1715")  —  in  den  1722 
imd  1740  entstandenen  Gesindeordnimgen  ^'),  Hanau 
laut  §  5  seiner  Gesindeordnun^r  von  1748  ^*) :  „So  bald  der 

*)  Spangenberg.Verordf  Hannover  IV 2  S.  78, 265.  -  •)  St  A. 
Aurich.  Archiv  der  ostfriesischen  Landschaft.  OB.  Polizeisachen  zu 
Nr.  8.  —  »)  St.  A.  Osnabrück.  Rep.  100.  Abschnitt  200  aus  Nr.  1.  — 
*)  Klöntrupp,  Handbuch  U  S.  76.  — »)  Rott mann  S. 427.  —  •)  Landes- 
verordnungen Schaumburg-L.  11  S.  886.  —  ')  Univ.-BibL  Marburg.  - 
■)  Schloter,  Prov.  Rechte  Westfalen  1  S.  486.  —  •)  Niesert,  Ur- 
kundenbuch  III  S.  121;  vgl.  auch  Seih  er  tz  U.-B  IH  S.  45  (1428).- 
'*)  Philippi,  Landrechte  des  MOnsterlandes  S.  68.  —  ^^)  Ebenda 
S.  181.  ~  ")  Oben  S.  417.  —  ")  Sammlung  I  S.  868;  Univ.-BibL 
Marburg.  -  ")  St.  A.  Marburg.  IV  A  1621. 


—     419     — 

Dienstbotte  das  Miethgeld  genomimien,  kann  er,  wann  der 
so  es  gegeben,  darauf  bestehet,  nicht  wieder  los  kommen". 
Cleve  hatte  im  Laufe  des  17.  Jhdts.  seine  1644  ver- 
tretenen Grundsätze  über  die  Ausschließlichkeit  des  Wein- 
kaufsvertrages ^)  verlassen,  nahm  sie  aber  mit  der  großen 
Gesindeordnung  von  1753*)  wieder  ganz  auf:  ohne  Miet- 
pfennig ist  keine  Vermietung  giltig.   Gleiches  Recht  setzt 
die  Gesindeordnung  für  Ravensberg  von  1766 ^).  Noch 
ins  19.  Jhdt.  hinein  gelten  solche  Grundsätze  in  dieser 
Gegend.   Die  jülicher  Dienstbotenordnimg  von  1801*) 
hat  eine  besondere  Auffassimg  von  der  Bedeutung  des 
Weinkaufs,  wie  Art.  5  ergibt :  „Zur  Schließung  des  Mieth- 
Contractes  ist  kein  schriftlicher  Ansatz  nöthig,  imd  ver- 
tritt der  Miethpfennig  gewöhnlich  dessen  Stelle".    Noch 
mehr  in  eine  subsidiäre  Stellung  verdrängt  die  d  ü  s  s  e  1  - 
dorfer   Gesindeordnung  von   1809^)   den   Mietpfennig. 
Soll  der  Vertrag  nicht  vor  dem  Gesindebureau  abgeschlos- 
sen werden  —  diese  Art  gilt  als  die  Regel  — ,  dann  ver- 
tritt ein  Mietpfennig  „die   Stelle  des   Mieth-Vertrages". 
Hier  ist  der  französische  Gedanke  der  Schriftlichkeit  des 
Gesindevertrages  unter  amtlicher  Aufsicht,  was  ja  ähn- 
lich  auch   J^romes  Räte    1813    in  Hessen  erstrebten^). 
Während  die  arrha  anderer  Verträge  in  der  Rezeptions- 
zeit durch  Beurkundung  auf  dem  Gericht  oder  beim  Notar, 
vornehmlich  vor  Justizbehörden,  ersetzt  wurde'),  kam 'es 
mit  dem  Eindringen  des  fremden  französischen  Rechtes  so 
schließlich  auch  inn  Gesindewesen  zu  Verdrängungsver- 

*)  Oben  S.416f.  —  «)  Scotts,  Cleve  S.1452.  — •)  Ravensberger 
Blätter  für  Geschichts-,  Volks-  und  Heimatskunde  1909  S.  62.  — 
'IScotti,  Jülich  S.  880.  —  »)  Ebenda  S  1252.  -  •)  Oben  S.  141. 
Vgl  auch  die  Gestattung  des  schrilUichen  Vertrages  im  flandrischen 
Rechte  von  1708;  Behaegel,  Servantes  et  serviteurs  d'autrefois 
(Bulletin  du  comitö  central  du  travail  industriel  1905  S.  624)  Das 
Mietgeld  scheint  hier  nur  Bedeutung  einer  freiwilligen  Leistung  ge- 
habt zu  haben  (so  Recht  von  1719);  ebenda  S.  660.  —  ')  Stobbe^ 
Reurecht  S.  260. 

27» 


—    420    — 

suchen  gegenüber  der  arrha  zugunsten  des  Abschlusses 
vor  Behörden;  nur  mlußten  dies,  der  Struktur  des  fran- 
zösischen Rechtes  entsprechend,  Verwaltungsämter  sein. 
In  Süddeutsdhland  war  inzwischen  eine  ganz 
ähnliche  Entwicklung  vor  sich  gegangen.  Der  Grund- 
satz des  alten  münchener  Stadtrechts  von  der  Notwen- 
digkeit des  Mietgeldes*)  galt  über  die  Jahrhunderte  hin- 
aus ;  auch  Neubayern  wich  davon  nicht  ab.  Die  a  1 1  b  a  y  e- 
rische  Gesindeordnung  von  1652*),  das  Landrecht  yon 
1654'),  die  bayreuther  Polizeiordnung  von  1672  Tit. 
XII*),  die  Gesindeordnung  für  Würz  bürg  aus  dem 
Jahre  1749 0)  geben  davon  Kunde.  Das  rheingauer 
Landrecht  von  1643«),  die  württem'berger  Gesinde- 
ordnung aus  dem  Jahre  1652^)  und  eine  österreichi- 
sche Gesindeordnung  von  1779»)  sollen  weiter  hier  ge^ 

nannt  sein. 

Die  für  den  Norden  teilweise  festgestellte  Entwicklung 
der  Verdrängung  des  Mietgeldes  in  eine  Stellung  zweiten 
Ranges  läßt  sich  in  Baden  beobachten.  Die  villinger 
Polizeiordnung  von  1668^)  hatte  Mietgeld  und  Eintritts- 
versprechen zur  Bindung  für  nötig  erklärt.  Während  so 
auch  von  den  beiden  „modernen**  badischen  Gesindeord- 
nungen die  von  Freibxurg  aus  dem  Jahre  1782  *®)  in  §  12 
noch  ausdrückUch  erklärt,  daß  erst  mit  Gabe  der  Haftung 
eine  Verbindlichkeit  entsteht»  heißt  es  1809  (§  8) ") :  „Das 
Geben  vaid  Annehnten  des  Haftgelds  vertritt  die 
Stelle  der  schriftlichen  Übereinkunft.** 

»)  Auer  S.  81  (Art.  209).  —  «)  R.  A.  Manchen.  Generalien- 
Sammlung  Rep.  S.  9  Nr.  5.  -  »)  Platzer  S.  190.  —  *)  Corp.  Const 
Brand.  -  Culmb.  11  1  S.  556  ff.,  bes.  594.  —  ■)  Landesverordnungen 
Wfirzburg  II  S.  589.  —  *)  Abschrift  in  einem  Sammelbande  der 
Stadtbibliothek  Mainz.  —  *)  Reyscher,  Gesetze  XUI  S.  114.  — 
•)  Kn  A.  Mönchen.  GR.  Fasz.  402  Nr.  2.  —  •)  Oberrh.  Stadtrechte  II 
1  S.  208  ff.,  bes.  215.  —  '<»)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Gen.  6891. 
—  ^')  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Provinz  Niederrhein.  Gesindepolizei 
Lit  B  Nr.  1.    1756-1809.    (LW  2). 


—    421     — 

Die  Herkunft  des  Mietgeldes  als  Teiles  des 
Lohnes  oder  als  einer  davon  unabhängigen,  s^bständigen 
Leistung  ^)  läßt  sich  mit  Gewißheit  nicht  mtehr  feststellen. 
Für  bestimlmte  Werkverträge  ist  bewiesen  worden,  daß 
hier  zweifellos  die  arrha  nur  eine!  Anzahlung  auf  den 
künftigen  Lohn  darstellt^).  Nur  aus  späterer  Zeit  liegen 
verschiedenartige  gesinderechtliche  Zeugnisse  für  jede  von 
jenen  beiden  möglichen  Anschauimgen  vor. 

Für  die  Auffasstuig,  daß  die  arrha  im!  Gesinderecht 
eine  selbständige  form'ale  Gabe,  nicht  eine  An- 
zahlung auf  den  Lohn  ist,  spricht  die  gelegentlich  vorkomi- 
mende  ZaMung  einer  Anerkennungsgebühr  durch  den  ge- 
mieteten Dienstboten  statt  wie  gewöhnlich  durch  den 
Herrn»). 

Es  scheint  sich  lun  eine  vornehmliche  Eigenart  des 
Schäferrechtes  zu  handeln.  Nach  der  württemberger 
Schäferordnimg  von  1651  §  13*)  mußte  der  gemietete 
Schäfer  einen  „Einstand  und  Meistergeld"  ru  der  Zunft- 
lade, der  Rentkamimer  imd  der  Meisterlade  erlegen.  Diese 
Gabe  scheint  bei  der  Zunftorganisation  der  württemberger 
Schäfer^)  erklärlich. 

Aber  in  Hessen  herrschte  ähnliche  Sitte  noch  viel 
später;  eine  Schäferorganisation  gab  es  hier  nicht.  1828 
berichtete  der  Pfarrer  in  Hernianrode  über  die  große 
Unsittlichkeit,  die  bei  der  Hirtenmiete  herrsche*).  Es 
ist  Sitte,  „dass  die  Gem^einden  an  den  Sonntagen  vor  oder 
nach  Johannis  ihre  Kuh,  Schweinehirten  imd  Schäfer  von 
neuem  auf  das  folgende  Jahr  miethen,  bei  welcher  Gelegen- 
heit  die  Gemdetheten  denen,  die  sie  miethetn,  ein  söge- 

')  Gierke  S.  888,  889.  —  «)  Rothenbücher,  Geschichte  des 
Werkvertrages  nach  deutschem  Recht  (Untersuchungen  zur  dt.  Staats- 
^d  Rechtsgeschichte  87)  S.  81.  —  »)  Also  eine  Ausnahme  der  von 
Gierke  S.  851  aufgestellten  Regel.  —  *)  Reyscher,  Gesetze  XIII 
S.  108.  —  •)  über  Hirtenrecht  s.  u.  §  17.  —  •)  St  A.  Marburg.  Caas. 
Reg.. Akten  Pol..Rep.  F 48  Nr.  8;  226.  Akte  betr.  Wechselzeit  der 
Schflfer  und  Hirten  1828-1852. 


—    422    — 

tianntes  Miethegeid  entrichten  müssen,  also  gerade  das 
Gegentheil  von  dem'  thun,  was  sonst  in  den  gesellschaft- 
lichen Verhältnissen  zwischen  Herrschaften  und  Dienst- 
boten etc.  üblich  ist,  nemlich  dem  Gemietheten  zur  Be- 
festigtmg  des  gegebenten  Worts  ein  Miethegeid  zu  geben**. 
Dies  Mietgeld  ist  entweder  eine  bare  Sumime,  die  regel- 
mäßig in  Gemeinschaft  vertrunken  wird,  oder  von  vorn- 
herein naturaliter  geleisteter  Schnaps.  Die  Klagen  des 
Pastors  über  Sonntagsentheiligimg,  Schlägereien  usw.,  die 
beim  Gelage  vorkomlmen,  gaben  der  Regierung  Anlaß 
zu  einer  Umfrage  über  die  Sitte  im  Kreis  Witzenhausen. 
Es  ergab  sich,  daß  mit  den  Hirten  jährlich  eine  „Miet- 
feier** abgehalten  wird,  wobei  die  Gemfeindeangehörigen 
den  Hirten  neu  mieten  imd  ihre  Beschwerden  über  seine 
Amtsführung  anbringen.  Der  Hirt  gibt  ein  Mietgeld  an 
die  Gemeinde,  wofür  gemeinsam  getrunken  wird.  Da- 
gegen in  Hebenshausen  bekommt  der  Hirte  zwei  Thaler 
Mietgeld  aus  der  Gemeindekasse,  wovon  er  Bier  und 
Schnaps  für  die  Gemeindeglieder  kauft;  „jedoch  ge- 
schieht letzteres  von  ihm  freiwillig**.  Die  Hirtenordnung 
von  1828^)  bestimimte  nun  in  §  13:  „Bei  keiner  Gelegen- 
heit dürfen  der  Gemeindevorstand  imd  der  Hirt  von  ein- 
ander Geschenke  oder  Bewirtimg  begehren  oder  anneh- 
men**. Doch  hatte  dies  Verbot  wohl  keinen  Erfolg.  Noch 
heute  bestehen  in  Hessen  die  alten  Bräuche.  Petri  Stuhl- 
feier (der  22.  Februar)  ist  mieist  der  Ziehtag  der  Schäfer. 
Dann  ist  der  neue  Hirt  (oder  der  alte,  wenn  er  bleibt) 
durch  Volksrecht  verpflichtet,  der  „  Schaf enei**  ein  Bock- 
essen in  seiner  Wohnimg  zu  geben;  zur  „Schäferei**  ge- 
hören alle,  denen  er  Schafe  hütet*). 

')  Möller-Fuchs  S.  627.  —  •)  Werner  (Böttc),  Aus  einer  ver- 
gessenen Ecke  (8.  Aufl.  Langensalza  1911)  S.  87.  Vielleicht  gehen 
auch  die  uralten  Schfifertage  zu  Markgröningen  in  WOrttemberg 
(vgl.  Schaferordnung  von  1651  bei  Reyscher,  Gesetze  XIU  5.  108; 
L.  F.  Heyd,  Gesch.  der  .  .  .  Stadt   Markgröningen,  Stuttgart  1839, 


—    423    — 

Außerhalb  des  Schäferrechts  bestfeht  gleiches  Recht 
noch  heute  in  Hohen  zollern.  Der  Dienstbote  gibt 
der  Herrschaft  ein  Mietgeld;  die  Herrschaft  muß  es  ihm 
nach  vier  Wochen  doppelt  —  wenn  der  Dienstbote  schuld- 
los nicht  antritt,  einfach  —  wenn  er  schuldhaft  ausbleibt, 
gar  nicht  zurückgeben^). 

Dafür,  daß  jene  Sitten  bei  der  Schäfermiete  für  die 
Auffassrung  des  selbständigen  Charakters  des  Mietgeldes^ 
sprechen,  läßt  sich  die  Ähnlichkeit  der  geschilderten 
Szenen  mit  den  mittelalterlichen  Leitkäufen  heranziehen  *). 
Solche  Gelage,  auch  Wein-  oder  Bierkäufe  genannt,  be- 
weisen, daß  nun  kein  Zwiespalt  mehr  zwischen  den  Kon- 
trahenten besteht,  daß  der  Vertrag  zustande  gekomtoen 
ist.  Ein  Leitkauf  wurde  beispielsweise  auch  bei  der  An- 
nahmie  eines  Gesellen  durch  den  Meister  veranstaltet^). 

Die  einzige  Erwähnung  eines  deml  gewöhnlichen  Ge- 
sinde  von  der  mietenden  Herrschaft  gesetzten  Leitkauf- 
gelages findet  sich  in  der  m!ünchener  Gesindeordnung 
von  1660  *),  wo  vierboten  wird,  daß  ein  Dienstbote  von 
der  Herrschaft  „mit  bezahlung.  eines  Thruncks,  oder  in 
andere  weeg  etwas   verhüfftelt  wird"^). 

Von  einer  Anzahlung  auf  die  künftig  zu  erlegende 
Summe  kann  hier  kaum  noch  die  Rede  sein,  sicherlich 
dann  nicht  mfehr,  wenn  beim  Weinkauf  bisweilen  die 
Kosten  von  beiden  Kontrahenten  zu  Teilen  getragen  wer- 
den  ^).    Und  wenn  gar,  wie  imi  württembergischen  und 

S.  152—167)  auf  solche  jährlichen  Mietfeste  zurQck,  Doch  scheint  es 
im  Schwäbischen  nicht  Sitte  gewesen  zu  sein,  dass  der  Hirt  das  Ge- 
lage bezahlen  musste;  die  Gemeindeordnung  fflr  Killingen  von  1665 
(Wintt erlin,  WOrtt  ländl. Rechtsquellen  I  S.  857 ff.,  bes.  868}  Iflsst 
dies  eiicennen« 

»)  Kahler  S.  140,  141.  —  •)  Stobbe,  Reurecht  S.  281  flf.  — 
>)  Ebenda  S.  288.  —  «)  Kr.  A.  München.  Sign.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1. 
-*  *)  Ähnliche  Herkunft  hatten  vielleicht  die  „Kolbelbraten'S  die  in 
Nflrnberg  nach  der  Vermietung  von  Zubringerin  und  Dienstboten 
verspeisst  wurden;  die  Sitte  wurde  1656  verboten  (Kamann  S.  91). 
~  •)  Stobbe  S.  284;  Gierke  S.  851,  852,  868 ff. 


—    424    — 

hessischen  Hirtenrecht,  der  Gemietete  alles  zahlt,  ist  die 
Selbständigkeit  des  Mietgeldels  gegenüber  deml  Lohne 
völlig  offenbar. 

Auch  die  Einrichtung  des  sog.  trockenen  Weinkaufs, 
wo  den  Zeugen  des  Vertrages  statt  Gelages  das  Geld 
gegeben  wird^),  dokumentiert  die  Auffassung,  daß  die 
hier  verwandte  Sumimie  mit  der  Geschäftsleistong  keinen 
Zusaimnienhang  hat.  Hier  ist  nur  noch  eine  Zeugenge- 
bühr vorhanden.  Auch  im:  späteren  Gesinderecht  lassen 
sich  analoge  Erscheinungen  feststellen,  die  aber  nur  eine 
äußere  Ähnlichkeit  mit  dem  trockenen  Weinkaufe  haben. 
Denn  aus  dem  Umstände,  daß  in  Franken  bisweilen  das 
„Mietgeld**  zu  einem  Teile  gar  nicht  einer  der  Vertrag- 
schließenden, sondern  einer  dritten  Person,  der  Zubringe- 
rin, zufällt,  darf  man  nicht  2u  weitgehende  Folgerungen 
dahin  ziehen,  als  spreche  sich  hier  klar  die  Auffassung 
einer  Verschiedenheit  von  Lohn  und  Mietgeld  aus. 

In  Nürnberg  erhielt  seit  1579  die  Zubringerin  die 
Hälfte  des  (tarifierten)  Mietgeldes*);  nach  der  ans- 
bacher  Gesirideordnung  von  1769*)  soll  die  Hälfte  des 
Mietgeldes  dem  Mäkler  von  der  Herrschaft  selber  aus- 
gehändigt werden,  da  die  Mäkler  wegen  ihres  (geringeren) 
Anteils  am  Mietpfennig  die  Dienstboten  zu  häufigerem 
Dienstwechsel  verleiteten.  Vornehmlich  diese  Begründung 
gibt  Aufschluß  darüber,  daß  der  Anteil  des  Mäklers  wahr- 
scheinlich nicht  an  dem'  Mietgelde  in  dessen  Eigenschaft 
als  Mietgeld  bestand,  sondern  daß  der  Mäkler  wie  von 
der  Herrschaft,  so  auch  vom  Dienstboten  sich  eine  Ge- 
bühr bezahlen  ließ;  und  das  nächstliegende  war,  daß 
der  Dienstbote  zur  Zahliuig  dieser  Gebühr  den  eben  ver- 
dienten Mietpfennig  verwandte,  der  ihm!  ja  direkt  durch 
die  Bemühungen  des  Mäklers  zugekommen  war.  Be- 
stärkt wird  diese   Annahme  gewissermaßen  eines    still- 

»)  Stobbe  S.  284 flF.;  Gierke  S.  871.  -  •)  Kamann  S.  74.  - 
•)  Kr.  A.  Nürnberg.    S.  28  V  Nr.  779.    Repert.  288, 


—    426    — 

schweigenden  Vorzugsrechtes  des  Mäklers  an  dem'  (^- 
nächst  vom  Dienstboten  verdienten)  Mietgelde  durch  die 
im  18.  Jhdt.  bestehende  nürnberger  Einrichtimg  zweier 
verschiedener  Mietgelder,  des  einen  für  den  Mäkler, 
des  andern  für  den  Dienstboten  („Fadengeld")  ^).  Statt 
des  vom  Mäkler  mm  ganz  in  Anspruch  genommenen  herr- 
schaftlichen Mietgeldes  erhält  der  Dienstbote  diese  be- 
sondere Anerkemmngsgebühr,  die  jetzt  allein  als  arrha 
fungiert;  das  „Mietgeld**  für  den  Mäkler  ist  das  Geld, 
das  dieser  für  seine  Bemühungen  mti.  die  Vermietung 
erhält,  es  hat  also  mit  der  arrha  gar  nichts  mehr  zu  tim  '). 
Klare  Belege  für  die  Anschauung,  daß  Mietgeld  und 
Lohn  nichts  mit  einander  gemein  haben,  enthalten  die 
Gesinderegister  des  von  Lüderschen  Gutes  Loshausen 
in  Hessen  aus  den*  17.  und  18.  Jhdt*).  In  den  ersten 
Jahren  fehlt  eine  Erwähmmg  des  Miet^eldes.  Bei  der 
an  Gewohnheit  gemiahnenden  Regelmäßi^fbeit,  mit  der 
dies  später  imimer  verzeichnet  wird,  kann  es  kaum  so 
sein,  daß  es  auf  einmial,  plötzlich  auf  dem'  Gute  zur  Sitte 
geworden  ist.  Es  spricht  nichts  gegen  die  Annahme,  daß 
der  Lohnausteiler  tmd  Buchführer  den  Charakter  des 
Mietgekls  als  etwas  ganz  vom  Lohn  verschiedenen  er- 
kannte und  danach  handelte.  Die  Löhne  enthalten  die 
Register,  Geld  imd  Naturalien,  d.  h.  regelmäßiges,  von 
Monat  zu  Monat  sehr  tropfenweise  fließendes  Entgelt. 
Was  einmalig  alle  Jahre  und  als  Anerkennung  des 
Vertragsschhisses  gegeben  wurde,  gehörte  nicht  hinein. 
Diese  Annahme  wird  durch  weitere  Tatsachen  bestätigt. 
1655  heißt  es:  „hatt  meine  frauw  den  15  Januar  Anna 
Cristina  von  Zigenhain  zur  kamimer  magt  gedingt  giebt 

*)  Dorn  S.147,  189.  —  *)  Das  Kanzelgericht  zu  Oberbeerbach 
gab  1498  den  Knechten  auf,  jährlich  zu  Lichtmess  dem  Pfarrer  eine 
halbpftkndige  Kerze  darzureichen  (Maurer,  Dorfverfassung  II  S*  487  ff., 
bes.  489);  die  Bedeutung  dieser  Pflicht  ist  zu  offenbar,  als  dass  man 
sie  auf  ein  froheres  (j&hrliches)  Mietgeld  an  dritte  Personen  zurück- 
zuführen brauchte.  -—  *)  St.  A.  Marburg. 


—    426    — 

ihr  7  Rthlr.  zu  lohn  vor  alles  und  alles  und  hatt 
ihr  2  Kopfstücke  zum  mietpfenig  geben".  Weiter 
ebenda:  „den  4  may  hatt  meine  frauw  Anna  Catarin  von 
Cassel  so  auch  ein  jungen  hatt,  zur  köchin  gedingt  g  i  e  b  t 
ihr  in  allem  bis  zu  neuwem  Jahr  3  Rthlr.  und  hatt 
ihr  IVj  Kopfstück  zum'  mietpfenig  geben".  „Alles 
in  allem"  ist  mit  dem  Lohn  bezahlt.  Was  soll  da  noch 
mit  dem  Mietgeld  bezahlt  werden?  Für  die  materielle 
Bestimmung  des  Mietgelds  bleibt  hier  nichts  mehr  über; 
einzig  möglich  ist,  daß  es  von  jedem  Anspruch  auf  ma- 
terielle Ausgleichung  losgelöst  ist  und  seinen  Beruf  in 
der  „Gegenleistung"  der  Anerkennung  des  Vertragpes 
findet. 

Für  das  Vorherrschen  der  Anschauimg,  daß  das 
Mietgeld  vom  Lohne  in  seinem  Wesen  nicht  unter- 
schieden ist,  würde  dagegen  der  Umstand  sprechen, 
daß  —  von  wenigen  Ausnahmen  abgesehen  —  späterhin 
den  Herrschaften  immer  gestattet  wird,  das  Mietgeld  imter 
Umständen  auf  den  Lohn  anzurechnen^).  Nur  darf  man 
das  Vorkommen  solcher  Bestimmungen  weniger  auf  ein 
Weiterleben  früherer  Anschauimgen  zurückführen,  als 
vielmehr  darauf,  daß  die  Gesindegesetzgeber  wie  über- 
all so  auch  hier  sich  zu  gtmsten  der  Dienstherrschaft 
gegen  das  Gesinde  äußern  wollten.  Es  entspricht  durchaus 
dem  stets  verfochtenen  Interesse  der  Dienstherrschaften, 
weim  sie  vorkommenden  Falles  nichts  weiter  bar  auszu- 
zahlen brauchen,  sondern  den  Dienstboten  auf  das  bereits 
gegebene   Mietgeld  statt   Lohnes  verweisen  können. 

Das  Prinzip  der  Selbständigkeit  der  arrha  findet  sich 
denn  auch  rein  nur  in  der  ganz  modernen  jülicher 
Dienstbotenordnimg  von  1801  *),  die  ausdrücklich  die  An- 
rechnimg des  Mietgeldes  auf  den  Lohn  verbietet. 

Die  beiden  Gesindeordnimgen  für  Cleve  von  1753 


')  Gierke  S.  888,  852.  -  •)  Scotti,  Jülich  S.  880. 


—    427    — 

I 

und  1769^)  benutzen  dagegen  schon  den  Grundsatz  der 
Getrenntheit  von  Mietgeld  und  Lohn,  um!  etwas  für  die 
Dienstherrschaften  herauszuschlagen :  Über  eine  gegebene 
Taxe  des  Mietgeldes  darf  das  Gesinde  nicht  fordern,  „weil 
der  Mieths-Pf  ennig  ohnedem  kein  Theil  vom  Lohne,  son- 
<iern   nur  ein  Zeichen  des  errichteten  Dienst  Contracts 
ist".  Diese  merkwürdige  Begründung,  mit  der  vom  Dienst- 
Tx)ten  die  Genügsamkeit  verlangt  wird,  er  solle  sich  mit 
einer  Anerkennimgsgebühr  begnügen,  muß  kurz  danach 
in  denselben  Gesetzen  wiederum  dem  hohem  Einfluß  der 
Herrschaft  weichen.    Wird    der  Dienstbofre    um'    eigene 
Schuld  des  Dienstes  im  ersten  halben  Jahre  entlassen, 
dann  kann  ihm  das  Mietgeld  am  Lohne  abgezogen  werden, 
heißt  es  weiter.    Das  Geldwerte  der  Weinkaufsleistung 
soll  also  nur  für  den  Herrn,  nicht  auch  für  den  Dienst- 
boten in  Rechnung  gezogen  werden. 

Genau  wie  jene  erste  Kalkulierung  der  clevischen 
Gesetzgeber  war  schon  vorher  die  Überzeugung  der  Ver- 
fasser einer  für  Altenburg  1744  erlassenen  Gesinde- 
ordnung*). Hier  wurde  dem  Gesinde  aufgegeben,  die 
Höhe  des  gegebenen  Mietgeldes  nicht  zu  bemängeln,  „weil 
der  Mieth-Groschen  ohnedemi  kein  The^il  vom  Lohne,  son- 
dern nur  als  ein  Zeichen  des  errichteten  Dienst-Contracts 
anzusehen  ist**. 

Die  sonstigen  Gesetzgeber  geben  sich  jener  Zwie- 
spältigkeit, wie  sie  im:  clever  Rechte  zu  Tage  tritt,  gar 
nicht  erst  hin,  sondern  berücksichtigten  von  vornherein 
das  Mietgeld  nur  als  Wertobjekt,  das  der  Diemstbote 
abverdienen  muß  oder  das  ihm  am  Lohne  eventuell  ab- 
gezogen  werden  kann,  falls  er  vorzeitig  aus  dem  Dienste 
ohne  Schuld  des  Herrn  scheidet.  So  ist  es  nach  den  a  1 1- 
bayerischen  Gesindeordnimgten  von  1755  und  1761  ^)y 

»)  Scotti.  Qeve  S.  1462,  1894.  -  «)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVUI 
f  B  11191.  —  »)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1  (Churbair. 
IntcUigenzblatt  1776  Nr.  39);  GR.  Fasz.  404  Nr.  7. 


—    428    — 

nach  österreichischem  Rechte,  insbesondere  der 
Gesirideordnung  von  1765^),  ebenso  in  Nürnberg'), 
im  Ansbachschen  nach  der  Gesindeordnung  von 
1769'),  in  Sayn-Witt genstein  nach  der  Polizeiord- 
nung von  1776 *),  femer  nach  der  hessischen  Ordnung 
von  1797*)  §  8  und  schließlich  den  beiden  badischen 
von  1782  und  1809«). 

Die  sonderbarsten  Rechtsbildungen  finden  sich  unter 
diesen  im  nürnberger  und  im  österreichischen 
Recht  ^).  Ein  österreichischer  Rechtssatz  lautet,  „dass 
nur  dem  Dienstbothen,  der  14  oder  weniger  Tage  an 
einem  Orte  dient,  das  Miethgeld  bleibet,  dem  aber,  der 
eine  längere  Zeit  dienet,  von  dem  Lohne  abgezogen  wer- 
den solle".  Dies  erhält  erst  einen  Sinn  durch  Dorns 
Mitteilungen  über  die  gleichartige  nürnberger  Rechtslage: 
Bleibt  der  Dienstbote  nur  vierzehn  Tage,  dann  kriegt 
er  keinen  Lohn,  „weil  er  erst,  wie  es  heißt,  liat  den 
Leihkauf  abverdienen  müssen". 

Von  dem  weiteren  wesentlichen  Charakteristikum  des 
Mietgeldes,  das  mit  verschwindenden  Ausnahmen  nie  als 
Reugeld  aufgefaßt  wird,  soll  im  nächsten  Abschnitt 
bei  der  Behandlung  des  Nichtantrittes  des  Dienstes  und 
und  der  Nichtannahme  gehandelt  werden. 

Die  Mietung  des  Gesindes  erfolgt  in  mehr  als  einer 
Hinsicht  auf  „die  zceit",  wie  das  Weisttun  sagt«).  Es 
hängt  eng  mit  den  landwirtschaftlichen  Betriebsverhält- 
nissen zusam^men,  daß  die  Dienstboten  gewöhnlich  auf 
eine  bestimimte  Zeit,  meist  ein  Jahr»),  gemietet  werden, 
selten  auf  unbestimmte  Dauer.  Ist  das  Jahr  um,  dann  be- 
darf  es  neuer  Mietung  nach  vorheriger  Anfrage  ^*>).   Das 

»)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1;  Dorn  S.  146,  82.  - 
«)  Dorn  S.  146.  —  •)  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  28  V  Nr.  779  Repert  288. 
—  *)  Univ,.Bibl.  Marburg.  ~  •)  LO.  VII  S.  727.  -  •)  Gen.  L.  A. 
Karlsruhe.  Baden  Gen.  6891;  Provinz  Niederrhein.  Gesindepolizei 
Lit.  B.  Nr.  1.  1766—1809  (IV  2).  —  »)  Quellen  s.  oben.  —  •)  Oben 
S.  24  flF.  —  •)  Näheres  unten  §  4.  —  ><>)  Näheres  unten  §  12  (Kündigung). 


-     429     ~ 

Einhalten  der  jährlichen  Frist  zur  Neumietung  wird  bei 
der  regelmäßigen  Gestaltung  des  jährhchen  !)Lebens  den 
Landleuten  nicht  schwer  fallen ;  meist  sind  feste  Ziehzeiten 
gebräuchlich.  Bei  dem  neuen  Abschluß  des  Vertrages 
müßten  streng  genommen  dieselben  Förmlichkeiten  ge- 
wahrt werden,  wie  sie  für  den  ersten  Vertrag  angewandt 
wurden,  vor  allem  müßte  danach  das  Mietgeld  jähr- 
lich gegeben  werden.  Bisweilen  ist  diese  Folgerung  auch 
von  Gesetzgebern  gezogen  worden;  noch  öfter  freilich 
wurde  es  als  ein  ungerechtfertigtes  Verlangen  des  Gesindes 
angesehen,  das  im!  Interesse  der  Dienstherrschaft  nicht 
geduldet  wurde. 

Vor  Anführung  von  gesetzlichen  Äußerungen  über 
diese  Frage  sei  einiges  über  die  in  zwei  g^roßen  Gutsbe- 
trieben herrschende  Sitte  mitgeteilt.  Die  Knechte  des 
Klosters  Königsbrückin  Baden  bekamen  im  15.  Jhdt. 
alljährlich  bei  Verlesung  der  Gesindeordnung  eine  kleine 
Geldgabe,  deren  Charakter  als  Miettmgsgeld  kaum  zwei- 
felhaft sein  dürfte^). 

Besonders  reichliche  Ausbeute  geben  wieder  die  Ge- 
sinderegister des  hessischen  Gutes  Los  hausen^).  In 
zahlreichen  Fällen  wird  hier  denselben,  schon  im  Vor- 
jahr angestellten  Dienstboten  bei  der  Mietung  fürs  neue 
Jahr  wiederum  ein  Mietgeld  gegeben.  Ztun  erstenmal  ge- 
schieht das  nachweisbar  1652:  Peter  Colus,  der  Bey- 
stenner,  und  Hans  Jürgen,  der  Junge,  waren  schon  im 
vorigen  Jahr  auf  dem'  Gut;  sie  bekommen  aber  doch  ein 
Kopfstück  als  Mietpfennig.  Das  läßt  sich  weiterhin  ver- 
folgen. 1653  bekomlmen  die  beiden  wieder  Mietgeld,  dies- 
irtal  sogar  IV2  Kopfstücke.  Ebenso  ist  es  mit  dem  Ober- 
knecht und  der  Viehmiagd;  so  ist  es  auch  1655.  Eine  an- 
dere Auffassung  komimt  im  18.  Jahrhimdert  auf,  macht 


*)  Mone,  Zcitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  I  S.  179.  —  *)  St.  A. 
Marburg. 


—     430     — 

aber  bald  wieder  der  alten  Gewohnheit  Platz.  1725  findet 
sich  beim?  Laquay  Johann  Henrich  Doricke  der  Ver- 
merk :  „. . .  ist  . . .  zu  einem  Laquayen  . . .  wieder  ange- 
nommen worden,  Es  ist  ihme  aber,  weil  Er  das  vorige 
Jahr  auch  schon  hier  gedienet,  kein  Miedtpf  enning, 
wie  gebräuchlich,  weiter  gegeben  worden".  Dieselbe 
Notiz  steht  unterm  Namen  des  Kutschers,  des  Vorreuthers. 
Im  Widerspruch  hiermit  heißt  es  über  das  Mietgeld  der 
Haushälterin:  „. . .  ist  ...  uff  dies  jähr  wieder  gemie- 
thet  worden.  Hat  zu  miethgeldt  bekommen  1  Fl." 
Und  auch  die  Cammer  Magdt  ist  wieder  gemietet  und  er- 
hält doch  Mietgeld;  ebenso  ist's  mit  der  Hausmagd  und 
der  Oberviehmagd.  Von  dem  alten,  wie  der  gemieteten 
Personal  erhalten  folgende  Personen  gleichwohl  jährliches 
Mietgeld :  1726  Oberviehmagd ;  1728  Haushälterin,  Haus- 
magd; 1733  Oberviehmagd,  Hausmagd;  1734  Kammer- 
jungfer; 1735  Gärtner,  Köchin,  Hausmagd;  1736  Gärtner, 
Kutscher,  Kammer jimgf er ;  1741  Haushälterin  (laut  eines 
bei  den  Akten  liegenden  Zettels);  1742  Kutscher,  Haus- 
magd, Köchin,  Ober-,  Unter viehmagd,  Hühnermädchen; 
1743  erhält  das  ganze  verzeichnete  Personal,  das  aus  dem 
vorigen  Jahr  übernommen  ist,  Mietgeld;  1744  Obervieh- 
magd, Hühnermädchen.  Anderen  Wiedergemieteten  ist 
kein  Mietgeld  beigeschrieben,  vielleicht  aus  Verseheu? 
Die  männlichen  speziell  landwirtschaftlichen  Dienstboten, 
Oberknechte  usw.,  sind  seit  einiger  Zeit  überhaupt  nicht 
mehr  verzeichnet.  Auch  für  die  Jahre  von  1644  an,  in 
denen  die  Register  das  Mietgeld  noch  nicht  kennen,  läßt 
sich  die  Annahme  der  jährlichen  Neumietung  auch  des 
alten  Gesindes  begründen.  Es  heißt  stets:  N  N  wurde 
„angenommen"  als  Kutscher  usw.,  mag  es  sich  um  altes 
oder  neues  Gesinde  handeln.  Wäre  der  Dienstbote  schon 
beim  ersten  Vertragsschlusse  für  unbestimmte  Zeit  imd 
nicht  nur  für  ein  Jahr  gemietet  worden,  dann  brauchte 
es  nicht  jährlich  einer  neuen  Annehmimg. 


—    431     — 

Nur  von  vier  Gebieten  ließ  sich  nachweisen,  daß 
dort  der  wirklichen  Art  des  Vertrages  entsprechend  jähr- 
lich eine  Erneuerung  mit  Gabe  des  Mietgeldes  vorüber- 
gehend vorgeschrieben  war.  Es  handelt  sich  um!  Würt- 
temberg nach  der  Vergleichung  imd  der  Gesindeord- 
nung aus  dem  Jahre  1652^),  Bayern  nach  der  Gesinde- 
ordnxmg  von  1652*)  und  später  der  kurpfälzischen  Ge- 
sindeordnimg  von  1801^),  sowie  das  Fürstbistum^  Mün- 
ster gemäß  Gesindeordnxmg  von  1722*);  auch  in  N ürn- 
berg  soll  für  ländliches  Gesinde  die  Gewohnheit  jähr- 
licher Neumietung  durch   Mietgeld   bestanden  haben*). 

Häufig'er  imterliegen  die  juristischen  Erwägungen 
dem  Bedenken  für  das  Wohl  der  Dienstherrschaften, 
denen  die  regelmäßige  Gabe  des  Mietgeldes  nicht  zu- 
gemutet werden  soll.  Auf  der  Grenze  zwischen  beiden 
Auffassungen  stehen  —  von  einer  unklaren  Bestimmung 
im  badischen  Rechte  abgesehen®)  —  die  Gesindeord- 
nung von  1755  imd  1761  für  Bayern^).  Sie  haben  als 
Regel,  daß  nur  einmal,  bei  der  ersten  Vermietung,  das 
Mietgeld  fällig  sein  soll;  doch  wird  abweichendes  Her- 
kommen zugelassen.  Durchaus  ablehnend  verhalten  sich 
dagegen  Bamberg,  wie  eine  Taxordnimg  aus  dem 
16.— 17.  Jhdt.  und  die  Tax-  vmd  Gesindeordnung  von 
1652*)  ergeben,  und  die  schwäbischen  Städte  nach 


')  St.  A.  Stuttgart,  Druck;  Reyscher,  Gesetze  XIII  S.  114.  — 
*)  R.  A.  München.  Generaliensammlung  Rep.  S.  9  Nr.  5.  —  ')  Kr.  A. 
München.  AR.  11  Vz.  84.  Fasz.  8  Nr.  94.  —  *)  Sammlung  Münster  I 
S.  368.  —  »)  Dorn  S.  149.  —  Höhere  Bediente,  Lakaien,  Jäger, 
Haushälterinnen  etc.  erhielten  bisweilen  keinen  Mietpfennig,  dafür 
aber  jährlich  ein  Neujahrsgeschenk  (was  demnach  bei  dem  sonstigen 
geringeren  Gesinde  fortfiel);  Estor,  Teutsche  Rechtsgelahrtheit  II 
§  4660.  Vielleicht  sind  diese  „Geschenke**  Überreste  früheren  jähr- 
lichen Mietgeldes.  —  *)  In  einer  Gesindeordnung  für  Gutenburg  aus 
16B2  (Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Copiarbücher  Nr.  6921).  —  ')  Kr.  A. 
Monchea  GR.  Fasz.  402  Nr.  1;  GR.  Fasz.  404  Nr.  7.  —  •)  Kr.  A. 
Bamberg.    Verordnungen  Rep.  141  Nr.  69. 


—    432    — 

der  Vereinigung  von  1669  ^) ;  aus  dem  nördlichen  Deutsch- 
land sodaiui  gehören  die  clevischen  Gesindeordnun- 
gen von  1644  und  1753*),  die  Polizei-  und  Gesindeord- 
nung für  Köln  von  1645*)  und  die  Gesindeordnung  der 
Stadt  Wolfenbüttel  aus  dem=  Jahre  1748*)  hierher. 
In  besonderer  Gestalt  erscheint  das  Verbot  des  regel- 
mäßig sich  folgenden  Mietgeldes  in  gelegentlichen  Be- 
stimmungen für  Köln  imd  für  Württemberg.  Statt 
des  in  der  eben  genannten  kölner  Ordnung  v<mi  1645 
ausgesprochenen  Verbotes  ordnet  die  Polizei-  und  Gesinde- 
ordnung  von  1656*)  an,  daß  man  bei  4  Gld.  oder  Leibes- 
strafe den  Mietpfennig  nicht  auf  zwei  und  mehr  Jahre 
(im  voraus  auf  einmal)  annehmen  darf.  Die  Scheti  vor  dem 
durch  hohes  Mietgeld  reizvoller  gemachten  Vertragsbruch 
hat  dies  Verbot  hervorgerufen,  aus  dem  man  entnehmen 
kann,  daß  bis  dahin  die  gegenteilige  Ubuni:  bestand^). 
Die  oben  dargelegte  Stellung  der  schwäbischen  Städte 
veranlaßte  ferner  eine  Einschränkimg  der  bis  dahin  auf 
dem'  Standpunkte  der  Geschiedenheit  des  alten  und  des 
neuen  Vertrages  stehenden  württembergischen  Ge- 
sindepolitik ^).  Ein  Reskript  vom  29.  November  1669^) 
verbietet  es,  derselben  Dienstherrschaft  in  einem  Jahre 
mehrere  Mietgelder  abzunehmen.  Ob  sich  auch  eine  Stelle 
der  villinger  Polizeiordnung  von  1668*)  in  ähnlichem 
Siime  deuten  läßt,  ist  zweifelhaft.  Da  wird  festgesetzt, 
daß  während  des  gewöhnlichen  Dienstjahres  klein  Dienst- 
bote von  einer  neuen  Herrschaft  gemietet  werden  darf^ 
es  sei  denn,  daß  die  vorige  Herrschaft  den  Diener  gut- 

»)  St.  A.  Stuttgart  Handschrift.  —  •)  Scotti,  Cleve  S.  260, 
1452.  —  •)  Scotti,  Köln  I  1  S.  249.  -  *)  Herzog],  Archiv  Wolfen- 
büttel.  Nr.  7097.  —  »)  Scotti,  Köln  I  1  S.  268.  —  •)  Im  hessischen 
Loshausen  wird  der  Vorreuther  1728  und  1788  mit  Vi  Fl.  Mictgeld 
für  2  Jahre  gemietet.  Ob  der  Mietpfennig  hier  gedoppelt  oder  ob 
es  der  gebrauchliche  ist,  kann  nicht  gesagt  werden,  da  Angaben  flsr 
die  andern  Jahre  fehlen.  —  0 Oben  S.481f.  — •)Reyschcr,  Gesetze 
Xm  S.  496.  —  •)  Oberrhein.  Stadtrechte  n  1  S.  208  f^  bes.  216. 


—    433    — 

willig  entlassen  hat.  Doch  soll  hier  die  Neumietung  „ohne 
entgeh* *  vorgenomtaen  werden;  dies  kann  ein  Verbot 
des  Mietgeldes  sein,  kann  aber  auch  bedeuten,  daß  der 
Dienstbote  für  den  Rest  des  Jahres  keinen  neuen  Lohn 
m^hr  bekommen  soll. 

Solches  sind  nicht  die  einzigen  Bemühungen  der  Ge- 
setzgeber, ru  Gimsten  der  Herrschaften  auf  das  Mietgeld 
einzuwirken.  Vom  16.  Jhdt.  an  zieht  sich  über  die  beiden 
folgenden  Jahrhimderte  das  Bestreben  hin,  den  Miet- 
pfennig durch  Tarifierung  auf  eine  möglichst  geringe 
Höhe  hinabzudrüdken.  Nichts  anderes  ist  dies  als  ein 
Stück  der  imimer  wieder  mit  Taxen  operierenden  Lohn- 
politik der  allmächtigen  Polizeigesetzgeber;  vmten  in  §8 
wird  über  die  Lohntaxen  im!  besonderen  des  näheren  be- 
richtet werden.  Daß  selbst  der  meist  nur  einmal  für  jeden 
Dienst  fällige,  imi  Vergleich  zu  dem'  großen  Lohne  nichts- 
sagende Mietpfennig  mit  Gewalt  herabgedrückt  werden 
soll,  zeugt  von  der  oft  über  das  Maß  hinausgehenden 
Sorge  der  Regierenden  tmil  Wohl  imd  Wehe  der  Dienst- 
herren. 

Ja,  in  Hessen  beispielsweise  erfährt  das  Mietgeld 
seine  Begrenzung  nach  oben  viel  früher  als  die  systemar 
tische  Politik  der  Gesindetaxordnungen  einsetzte ;  lind  das 
einzige,  was  in  Hessen  über  das  Mietgeld  tun  seiner  selber 
willen  bestimmt  wird,  ist  die  mehrmalige  Taxierung.  Das 
Vorbild  für  die  Taxordnungen  des  17.  Jhdts.  bildet  hier  die 
Taglöhnerordnung  vom:  24.  März  1571^).  Zum  Schluß 
ider  Ordnung  wird  festgestellt,  daß  „auch  der  Dienst- 
botten  halben,  ein  Zeitlang  große  Unordnung  eingeführet, 
Sonderlichen  aber  der  Meidt  imd  Dienstpfennig  halben^ 
die  man  nicht  groß  genug  geben  können,  und  jhe  einer 
dem  andern  in  denselben  übersetzt".  Der  Mietpfennig 
wird  daher  je  nach  Gesindeklasse  tarifiert ;  einer  gemeinen 
Dienstmagd  soll  „nicht  mehr,  als  von  alters  herkommen 

>)  LO.  I  S.  680. 

KBuccko.  28 


—     434    — 

ist",  nämlich  ein  Schillini^,  einer  Köchin  oder  Haupt- 
magd drei  Albus,  einem  Knecht  ein  Schreckenberger  und 
einem  Jungen  drei  Albus  gegebem  werden.  Überschrei- 
tungen werden  mit  zwei  Gulden  (wohl  an  der  Herrschaft) 
geahndet.  So  blieb  es  auch  während  des  17.  Jhdts.  Die 
Gesindeordnimg  von  1736  ^)  ging  von  ihremi  Vorbild,  der 
hannoverschen  Gesindeordnung  von  1732*),  die  den 
Gottespfennig  tarif ierte,  ab  imd  verordnete  nur,  daß  Lohn 
und  Mietgeld  der  Arbeit  „billig  proportionirt"  sein  sollen. 
Späterhin  wird  in  Hessen  die  Höhe  des  Mietgeldes  nicht 
mehr  erwähnt,  weder  in  den  Taxen  des  18.  Jhdts.  noch 
in  den  großen  Gesindeordnungen. 

In  den  übrigen  Gebieten  kommt  es  zu  Bestimmungen 
über  die  Höhe  des  Mietgeldes  meistens  erst  im  17.  Jhdt.» 
zugleich  mit  den  Lohntarif ierungen.  So  in  Nassau; 
hier  wurde  am'  9.  August  1658')  ein  Erlaß  wider  die 
hohen  Mietpfennige  veröffentlicht;  die  Behörden  sollen 
genau  auf  den  Mißstand  achten.  Eine  feste  Tarifierung 
für  Usingen  erfolgte  in  einer  Gesindeordnimg  aus  der 
Zeit  nach  1700^).  Im:  17.  Jhdt.  kam  mit  den  allgemeinen 
Taxen  in  Köln  auch  eine  solche  des  Mietgeldes.  Die 
Polizei-  und  Gesindeordnimgen  von  1645  und  1656*),  aus 
späterer  Zeit  die  Verordnimg  vom  26.  Juli  1764  •)  sind 
dafür  zu  nennen.  Auch  die  ravensbergischen  Ge- 
setze, Landesordnung  von  1655  und  Gesindeordnung  von 
1766  ^),  bringen  neben  Lohntaxen  Bestimmungen  über  die 
Höhe  des  Mietgeldes.  Selbst  1809  noch  wird  in  der  Ge- 
sindeordnung für  Düsseldorf  8)  der  Mietthaler  eben 


')  LO.  IV  S.  410.  —  *)  Spangenberg,  Verordnungen  flir  Han- 
nover IV  2  &  461.  —  •)  Corp*  ConsL  Nass.  11  2  S,  69.  —  *)  St  A. 
Wiesbaden.  V.  Nassau  -  Usingen.  1.  Generalia  II«  Verordnungen 
Band  V  S.  128.  -  »)  Scotti.  Köln  I  1  S.  249,  268.  -  •)  Ebenda  1 2 
S.  849.  —  *)  18.  Jahresbericht  des  Histor.  Vereins  f.  d.  Grafschaft 
Ravensberg  S.  124;  Ravensberger  Blfltter  ftkr  Geschichts-,  Volks-  und 
Heimatskunde  1909  S.  62.  ~  >)  Scotti,  jQlich  S.  1252. 


—    435    — 

auf  einen  Thaler  angesietzt.  Osnabrück  tarifiert  durcbt 
Verordnung  vom;  18.  Jimi  1608^)  den  Mietpfennig  wiel 
die  Löhne;  die  Gesindeordnung  von  1766*)  ordnet  die 
kirchspielweise  Normierung  an.  In  der  altenburger 
Gesindeordnung  von  1719')  wird  auf  die  Sitte  verwiesen; 
über  4,  6,  bis  höchstens  8  und  12  Groschen  darf  niemiand 
geben.  Vermittehid  schließlich  ist  der  Standpunkt  der 
Gesindeordnung  für  die  Stadt  Wolfenbüttel  aus  dent 
Jahre  1748^).  Prinzipiell  wird  die  Bestimmung  der  Höhe 
des  Mietgeldes  dem  Ermessen  der  Herrschaften  über- 
lassen; niu:  soll  bei  Gesinde,  das  zu  „gemeiner  und  ge- 
wöhnlicher Hausarbeit  imd  Dienstleistung"  gebraucht 
wird,  nicht  mehr  als  sechzehn  Gutegroschen;  gegeben 
werden,  „wol  aber  darunter". 

Aus  Süddeut  sc  bland  können  außer  einer  öster- 
reichischen Gesindeordnung  von  1778*)  nur  baye- 
rische Gesetze  und  die  mehrerwähnte  Polizeiordnung 
für  Villingen  von  1668  angeführt  werden.  Am  ältesten 
ist  das  nürnberger  Recht.  Hier  wurde  der  Mietpfennig 
seit  1579  tarifiert^),  wie  auch  das  Mandat  von  1628^) 
ergibt.  In  verschiedener  Weise  wurde  die  Beschränkung 
des  Mietgeldes  inAltbayern  gehandhabt.  Die  Gesinde- 
ordnung von  1781^)  verbietet  beiden  Teilen  bei  Geld- 
oder Arreststrafe,  m^hr  als  Vso  des  Lohnes  zu  Mietgeld 
anzusetzen.  In  der  Gesindeordnimg  von  1801')  wird  die 
Höchstsumme  dagegen  mit  einem  Gulden  bestimmt.  In 
der  villinger  Polizeiordnung  von  1668")  wird  eine 
Strafe  von  drei  Pfund  auf  Überschreitimg  der  Taxe  ange- 


*)  St  A.  OsnabrQck.  Rep.  100  Abschnitt  200  aus  Nr.  1.  — 
*)  Klöntrupp,  Handbuch  II  S.  76.  -  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVm 
f  A  870.  —  *)  Hcrzogl.  Archiv  Wolfenbüttel  Nr.  7097.  -  •)  Kr.  A. 
München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  2.  -.  •)  Kamann  S.  78.  —  ')  Kr.  A. 
Nürnberg.  Bestand  A.  Akten  Nr.  24  S.  I  L.  565.  —  *)  Kr.  A.  München. 
AR.  Fasz.  459  Nr.  209.  —  •)  Kn  A.  München.  MA.  Fasz.  1821  Nr. 
1165.  -  '•)  Oberrhein.  Sudtrechte  U  1  S.  208  ff.,  bes.  214. 

28» 


—    436    — 

setzt;  wer  die  Strafe  zahlen  soll,   Herrschaft   oder  Ge- 
sinde, ist  nicht  gesagt. 

Die  sämtlichen  hier  mitgeteilten  Taxen  setzen  ledig- 
lich bares  Geld  fest.  Dies  Vorgehen  ist  gerechtfertigt. 
Die  überwiegende  Regel  wird  stets  die  Reichung  von 
Mietgeld  sein.  Nur  ein  einzigesmal  ließ  sich  das  Vor- 
kommen eines  naturaliter  gegebenen  Mietmittels 
feststellen.  In  Loshausen  erhäk  1654  (?)  die  Kammer- 
magd  als  Mietpfennig  ein  Kopfstück  (Geld)  und  zwei  Ellen 
,,schmial  duch". 

Soviel  zunächst  über  das  Recht  der  arrha  beim  Ge- 
sindevertrage ^). 

Ein  besondersartiges  Bestärkungsmittel  für  den  Ab- 
schluß eines  Dienst  Vertrages  ist  der  E  i  d  des  Gemieteten. 
Er  kommt  in  verschiedenen  Formen  und  verschiedener 
Bedeutung  vor.  Entweder  wird  er  dem-  Mieter  zm*  Ver- 
heißung guten  Betragens  geleistet*),  oder  er  dient  dazu, 
der  obrigkeitlichen  Verwaltung  besondere  Treue  zu  ge- 
loben'). Bisweilen  wird  von  der  Leistimg  des  Eides  die 
Gültigkeit  des  abgeschlossenen  Vertrages  abhängig  ge- 
macht. Aber  nie  wohnt  dem  Eide  die  Wirkung  inne, 
daß  er  «-st  den  Vertrag  zustande  bringt.  Und  nie  hat 
der  Eid  auch  die  Bedeutung  des  Treugelübdes*). 

Von  jener  ersten  Art,  daß  der  Eid  dem'  Mieter  selber 
geleistet  wird,  ist  die  Satzung  in  Kaiser  Ferdinands  III. 
Ritterordnung  für  die  reichstmmittelbare  fränkische 
Ritterschaft*):  „Und  damit  des  Gesindes,  wie  sonder- 
lichen der  Knecht  und  Diener  halber,  um  so  viel  bessere 
Zucht,  Folge,  Gehorsam,  und  daraus  verhoffter  mehrer 
Fleiss,  Treu  tmd  Bescheidenheit  erhalten,  dann  leider  I 


>)  Ober  Reugeld  unten  §  4.  —  •)  Im  Sinne  der  fidelitatis  pro- 
missio;  Gierke  S.  188,  —  •)  Ebenda  S.  186,  187.  —  *)  Eben<^« 
S.  182  ff  -  »)  Des  H  R.  Reichs  ohnniittelbahrer  Freyer  Ritterschaft 
der  sechs  Ort  in  Francken  . . .  Ordnungen  . . .,  Nürnberg  1710,  S.  l&r 

86. 


—    437     — 

jetziger  Zeit  fast  insgemein  gespüret  wird,  so  ist  für  rath- 
sam,  nützlich  und  nothwendig  ermessen,  daß  hinf  uro  keiner 
aus  der  Ritterschafft  Fränckischen  Craises,  und  xvelcher 
sich  dieser  Satzung-  und  Ordnungen  unterworffen,  einigen 
Knecht  oder  Diener  beständiglich  annehmien,  oder  in  die 
Harr^)  aufhalten  solle,  er  habe  dann  auf  nachfolgende 
Articul,  selbige  bestes  Fleisses,  und  so  viel  uimier  mög- 
lich, Achtung  zu  haben,  und  sein  Thun  und  Wesen  dar- 
nach zu  richten,  gelobet  und  geschworen."  Und  nun  fol- 
gen  Versprechungen,  daß  der  Gemietete  dem  Jimker  treu 
und  hold  sein,  seinen  Schaden  warnen  usw.  will. 

Solchen  Ergebenheitseid  ließen  sich  weiterhin  auch 
Großbetriebe  schwören,  die  einen  ganzen  Gesindestaat 
in  Diensten  hatten,  so  z.  B.  das  badische  Kloster  Königs- 
brück')  oder  die  fürstlichen  Hofhaltungen,  wie  z.  B. 
die  hessischen  Hof  Ordnungen ')  ergeben.  Auch  die 
Hirten  schwuren  ihrer  Dienstherrin,  der  Stadt.  In  Amor- 
bach war  es  so  seit  1528*):  „Es  sollen  auch  hinfurtter 
die  hirthen  durch  unsere  amptleut  iederzeit  zu  glubde 
und  eidt  angenommen  werden,  ires  bevelhs  und  be- 
schaidts  geleben  tmd  nachgeen." 

Daß  Knechte  nach  ihrer  Mietung  einen  Eid  an  die 
Obrigkeit  schwören  müssen,  wird  sehr  oft,  vornehmlich 
in  Süddeutschland,  angeordnet.  Schon  1451  wurde  in 
Köln*)  der  Inhalt  des  Eides  normiert,  freilich  ohne  Be- 
zugnahme auf  den  Zusammenhang  mit  der  Neumietung. 
Nach  Graf  Eberhards  d.  ä.  Stadtordnung  für  Stutt- 
gart von  1492  •)  dagegen  mußte  jeder  Dienstherr  seinen 
Knecht  acht  Tage  nach  der  Mietung  denn  Amtmann 
stellen.  Der  Knecht  soll  an  Eides  Statt  versichern,  „imss 


»)  harre  =  Handgeld;  Lexer,  mhd.  Taschen -W.  B.  S.  68.  — 
•)  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  I  S.  179.  —  •)  LO.  III.  S.  157-182, 
€26,  996,  V  S.  88,  VI  S.  46.  —  *)  Oberrhein.  Stadtrechte  I  S.  228  ff., 
bes.  281.  — »)W.  Stein,  Akten  I  S.  867»  —  •)  Sattler,  Geschichte 
d.  Herz.  Wörtenbcrg  unter  d.  Graven  V  Beil.  S.  86  ff.,  bes.  44. 


-    438     - 

und  unser  statt  Stuttgarten  als  lang  er  daselbs  Wonen 
werde  fromloien  und  Nutze  ze  schaffen  und  Schaden  ze 
warnen  und  ze  wenden  und  unsem  und  unsem  Amtlüten 
und  der  Oberkait  diser  Unser  statt  gepotten  und  verpotten 
gehorsam!  und  gewärtig  ta  sinde  und  von  hinen  nit  ze 
ziehen,  er  hab  dann  mlen^klich  dem  er  gelten  solle,  ent- 
richt  . . .".  Nur  für  Versehxmg  der  Wache  verlangt  die 
Stadtordnun^:  Walldürns  von  1492^)  Beeidigung  der 
Knechte.  Imi  Sinne  des  Stuttgarter  Rechtes  ist  die  Rege- 
lung in  einer  Ordnung  Überlingens  aus  dem;  15. 
Jhdt. *),  Udenheimls  von  1525*),  Adelsheims  von 
1527, 1596*),  wohl  auc^h  Neckar  steinachs  von  1537*), 
Ranisbergs  von  1556®),  Gleissweilers  (bei  Lan- 
dau) von  1568^),  Rechbergs,  Heuchlingens  und 
Weilers  von  1577®),  Hohenstatts  imd  einiger  weite- 
rer Gräflich  Adelmannscher  Orte  von  etwa  1585'),  des 
Fleckens  Winzelhausen  (Amteis  Botwar)  von  1593^^). 
Eine  Polizeiordnung,  die  der  Großprior  des  Johanniter- 
ordens  am:  24.  Januar  1620  von  Heitersheim  aus 
erließ"),  die  Zensur-  und  Rügordnung  des  sprait- 
b  acher  Amtes  von  1658"),  die  Polizei-  und  Dorf  Ord- 
nung von  Adelmiannsf  elden  aus  dem  Jahre  1680"), 
die  essinger  Dorf  Ordnung  von  etwa  1710^*)  enthalten 
gleiches  Recht. 

Die    bedeutsanüste   unter    den    angeführten  Rechts- 
quellen   ist    die  Polizei    und  Dorf  Ordnung    von  Adel- 


*)  Oberrhein.  Stadtrechte  I  S.  248 £F.,  bes.  271.  —  «)  Grimm, 
Weistümer  V  S.  218  ff.,  bes.  216.  —  •)  Oberrh.  Stadtrechte  I  S.  962  ff.» 
bes»  971.  —  *)  Ebenda  S.  648  ff.,  bes.  674,  676.  —  »)  Ebenda  S.  877  ff., 
bes.  882.  —  •)  Win tt erlin,  Württembergische  ländliche  Rechts- 
quellen  I  S.  789  ff.,  bes.  767,  769.  — ')  G  rim m ,  Weistümer  V  S.  669  ff.# 
bes.  670.  —  •)  Winttcrlin  a.  a.  O.  S.  682 ff.,  bes.  711,  714.  - 
*)  Ebenda  S.  486  ff.,  bes.  441.  —  *<^)  R e y  sc h er,  Statutarrechte  S.  492  ff., 
bes.  498.  —  ")  Habeische  Sammlung.  —  ")  W i n  1 1  e r ii n  a. a. O.  S. 612ff , 
bes.  686.  —  ^  Ebenda  S.  468ff.,  bes.  480,  481.  — '«)  Ebenda  S.  628  ff., 
bes.  688. 


-     439     - 

mfannsfelden  (1680).  Wie  so  viele  Polizeifesetze  ihrer 
Zeit  enthält  auch  sie  einen  besonderen  Abschnitt  ,,von 
ehehalten,  knecht  und  mägden".  Der  Eingang  zu  diesem 
Sonderkapitel  bilden  wie  stets  bittere  Klagen  über  des 
Gesindes  Halsstarrigkeiten  und  Bosheiten.  Aber  statt  nun 
mit  einer  Reihe  von  Zwangsmaßnahmien  widetr  Vertrags- 
bruch, Lohnsteigerung  usw.  zu  komimen,  begnügt  sich 
die  Ordnung  damit,  als  Allheilmittel  nichts  als  den  Eid 
anzuordnen.  Wer  einen  Knecht  auf  (länger  als)  ein  Jahr 
gemietet  hat,  der  darf  ihn  keine  vierzehn  Tage  im  Hause 
behalten,  ohne  daß  der  Knecht  der  Obrigkeit  den  Eid 
der  Treue  abgelegt  hat.  „Die  dienstmägd  und  ander  ge- 
sind kan  von  dem'  haussvatter  tmd  mutter  bei  antritt 
des  diensts  der  Schuldigkeit  imd  fleisses  treulich  erinnert 
werden,  sollte  es  aber  nichts  verfangen  imd  klagen  vor- 
kommen, hat  man  von  ims  die  behörige  obrigkeitliche 
hülfe  zu  erwarten.*'  Eine  Besonderheit,  nämllich  ein  Ge- 
lübde bei  der  Dienstbeendigung,  enthält  femer  das  vorhin 
gleichfalls  genannte  Eidbuch  f ür  R  a  m*  s  b  e  r  g  von  1556  ^). 
Besonders  nahe  lag  es,  gerade  die  Müller  knechte 
(und  Müller)  der  Öffentlichkeit  gegenüber  eidlich  zu  ver- 
pflichten. Es  hat  keinen  Zweck,  die  vielen  Mühlenord- 
nungen hier  aufzuzählen,  die  alle  solche  Satzung  ent- 
halten. Als  Probe  sei  der  Eidesinhalt  der  hier  vorbildlichen 
Landesordnimg  des  hessischen  Katzenein  bogen  aus 
aus  dem  17.  Jhdt.  *)  mitgeteilt.    Die  Müller  sollen  alle- 


')  Den  aUgemeinen  Untertaneneid  leisten  die  ausländischen 
Knechte  nach  dem  württemberger  Recht  des  16.  und  17.  Jhdts. 
(Reyscher,  Gesetze  XII  S.  56,  118,  217,  717,  XIII  S.  60,  108,  819, 
XIV  S*  414,  XV  S.  471,  U  S.  277).  Bei  manchen  der  in  vorstehender 
Darstellung  angeführten  Quellen  ist  der  Charakter  des  Eides  —  ob 
allgemeiner  Untertaneneid  oder  Knechtseid  —  mit  Gewissheit  viel* 
leicht  nicht  festzustellen ;  es  ist  da  mehrfach  von  „fremden"  Knechten 
die  Rede,  denen  der  Eid  abgefordert  wird,  so  z.  B.  im  Rechte  Rech* 
bergs (1577), Spraitbachs (1658), Essingens (1710).  -  ')Selchows 
Magazin  £  d.  teutschen  Rechte  u.  Gesch.  I  S.  475  ff. 


—    440    — 

m!al,  wenn  sie  einen  neuen  Knecht  annehmen,  mit  ihm  zum 
Centgrafen  komlmen  und  dort  ihn  schwören  lassen,  „dass 
er  treu  und  fleissig  seyn,  auch  eineml  jeden  gleich  und 
recht  thim,  das  Seinige  unverfälscht  xmd  unverwechselt 
mahlen  und  wiedergeben,  danmter  a:ber  den  geringsten 
Vortheil  oder  Betrug  nicht  suchen,  noch  ausserhalb  des 
gebräuchlichen  Molters  davon  etwas  nehmen,  verkaufen 
oder  sonsten  veruntreuen,  sondern  sich  aufrichtig  und 
dieser  Unsrer  Ordnung  gemäß  verhalten  wollen,  bey  un- 
gnädiger Leib-^  imd  Lebensstraf".  Weiter  soll  auf  die 
(kur-) hessischen  Mühlenordnungen ^),  auf  das  früheste 
Stück  derartigen  Rechts  in  Hessen,  eine  marburger  Rech- 
nimg von  1464  *),  sowie  femer  für  das  eidesreiche  badische 
Land  auf  die  Stadtordnimg  Heidelbergs  von  1465  •), 
das  Stadtrecht  von  Osterburken  aus  dem'  15.  Jhdt. *) 
Und  die  Müllerordnung  Bruchsals  von  1555*)  ver- 
wiesen werden. 

Daß  auch  die  Hirten  den  Behörden  einen  Eid  leisten 
mußten,  in  dem  sie  vornehmlich  Beachtung  der  Forst- 
und  Wildschutz-  sowie  der  Seuchenbestimlmungen  ver- 
sprachen, ergeben  hessische  Gesetze  vomi  1.  Dezember 
1659,  1.  Juni  1682,  16.  Oktober  1731,  6.  November  1739, 
1.  September  1789,  17.  Juni  1796,  18.  Oktober  1828 «)- 

In  den  Rechnungien  des  Pfarrhofes  Selzen,  die 
der  Pfarrer  Peter  Suleffel  von  1501  bis  1512  führte^), 
komimt  regelmäßig  vor,  daß  zu  dem  Vertragsschluß  mit 
dem  Gesinde  Zeugen  zugezogen  wurden;  ein  Mietgeld 
wird  nie  erwähnt.   Ob  es  sich  hier  um'  eine  Gewohnheit, 


')  LO.  I  S.  &80,  m  S.  90,  897,  V  S.  61.  -  »)  Oben  S.  20.  - 
^  Oberrhein.  Stadtrechte  I  S.  488  £F.,  bes.  485.  —  *)  Ebenda  S.  1040  ff., 
bes.  1044.  —  »)  Ebenda  S.  913,  —  •)  LO.  U  S.  676  ff,,  bes.  588,  589; 
m  S.  216  ff,,  bes.  284,  287;  IV  S.  64  ff.,  bes,  65;  S.  608  ff.,  bes,  681, 
622,  688;  VII  S.  862;  S.  675;  MöUer-Fuchs  S.  627 ff.,  bes.  682.- 
Der  Hirteneid  wird  im  Interesse  des  Staates  diesem  geschworen; 
anders  der  Eid,  den  die  amorbacher  Hirten  ihrer  Arbeitsherrin, 
der  Stadt,  schwören  (oben  S,  487).  —  ')  Habeische  Sammlung* 


-    441     - 

die  Befolgtmg  eines  Rechtssatzes  oder  ntir  um!  Eigenheiten 
eines  besonders  vorsichtigen  Di^istherrn  handeke,  mliß 
dahingestellt  bleiben.  Nirgends  sonst  begegnet  eine  ähn- 
liche Erscheinung. 

Für  die  beiden  Vertragsteile  im?  Gesindewesen  galten 
bisweilen  besondere  Vorschriften.  So  war  Zustimmting 
der  Eltern  des  Dienstboten  nötig,  vornehmlich  wenn  dieser 
minderjährig  war. 

Die  Gesindegesetze  sprechen  diese  dem'  allgem,einen 
Rechte  angehörigen  Vorschriften  mieist  nicht  aus.  An- 
geführt sei  ein  Urteil  des  Oberhofes  Dortmund  für 
Wesel  aus  dem!  15.  Jhdt.  ^),  in  dem  —  allerdings  ohne 
Erwähnung  der  Minderjährigkeit  —  davon  die  Rede  ist, 
daß  eine  Frau  ihre  Tochter  zu  Dienste  vermietet;  geht 
die  Toöhter  gnmdlos  axts  diesem;  Dienste,  und  nimmt  die 
Mutter  sie  auf,  dann  ist  diese  schuldig,  dem'  Mieter 
einen  versprochenen  Lohn  zu  ersetzen. 

Ähnliche  Bedeutung  hat  folgender  Eintrag  im  Ge- 
richtsbuche Amorbachs  von  1433'):  „Item  tobelin 
dagt  von  der  hinderer,  daz  sie  ym  eyn  medelin  bevollen 
habe,  ym  zu  dienen,  und  gesprochen,  er  solle  daz  zum 
besten  wysen  und  zijhen  als  sin  eygen  kind.  Nu  habe 
sie  daz  medelin  ym  genomen  imd  heyme  gezogen,  an 
sin  willen,  und  fordert  doch  den  lone  gancz.  Und  er 
habe  an  sie  daz  medelin  widder  gefordert.  Da  by  sin 
erber  lüde  gewest,  tmd  loss  ym'  daz  medelin  nit  zu  dinste 
kommen,  imd  uss  dienen.  Ist  ym  leyder  und  schader 
dann  1  gulde  zucht  zu  den  erbem  beden."  *). 


*)  Frensdorff,  Statuten  S.  284.  —  •)  Habeische  Sammlung; 
<lie  amorbacher  Gerichtsbacher  enthalten  noch  mehrere  gleichartige 
Eintrage  aus  jener  Zeit.  —  •)  Vielleicht  lasst  sich  in  gleichem  Sinne 
die  Bestimmung  des  moringer  Stadtrechts  I  86,  46  (Zeitschr.  f. 
Rechtsgcsch.  VII  S.  290  ff.,  bes.  298.  299)  verwenden,  wo  davon  die 
l^ede  ist,  „dat  des  knechtes  eidern  den  knecht  sinem  herm  wedder 
to  huss  brochten  eder  bringen  wolden". 


—    442    — 

Ob  Bestiimmiiigai  des  bremer»  oldenburger 
und  verdener  Rechtes  über  den  durch  den  Gewalt- 
haber vorzunehnüenden  Vertragsschhiß  von  ,,knecht  idher 
roegedike"  ^)  hier  als  besonderes  Gesmderecht  zu  ver- 
zeichnen sind,  ist  fraglich.  In  der  ursprünglichen  bremer 
Fassung  steht  dies  Statut  weit  weg  von  den  sonstigen 
gesinderechtUchen  Sätzen;  erst  später  wurde  es  als  letzte 
Bestimmung  dem  Kapitel  über  Gesinderecht  angefügt. 
Es  soll  wohl  nur  den  allgaooteinen  Grundsatz  ^'om  Ver- 
tragsschluß Minderjähriger  aussprechen  (Knedit  ist 
Knabe). 

Besondere  elterliche  Genehmigung  verlangte  das 
brandenburger  Recht');  von  modemeiea  Gesetzen 
gehören  beispielsweise  die  jülicher  Dienstbotenordnung 
von  1801  und  die  düsseldorfer  von  1809  hierher^). 
Nach  Baumiann^)  ist  in  Hessen  die  Zustimmung  des 
Gewalthabers  nur  für  die  jeweils  erste  Vermietung  nötig; 
wieweit  diese  Deduktion  von  auswärtigen  Gesetzen  her  in 
der  Praxis  befolgt  wurde,  steht  nicht  fest*). 

Aus  besonderem  Grunde  wurde  der  Konsens  der  Eltern 
1427  im  Ordenslande  erfordert*).  Preußische  Dienst- 
boten, die  sich  an  Preußen  vermieten,  imd  deutsche  Dienst- 
boten, die  zu  Deutschen  in  Dienst  treten  wollen,  bedür- 
fen der  Zustimmung  der  Eltern  —  ohne  Rücksicht  auf 
Voll-  oder  Minderjährigkeit.  Diese  können  stets  wider- 
rufen, ohne  daß  das  Alter  der  Kinder  dabei  maßgebend 
wäre.  1444  wurde  den  Bauemkindem,  die  sich  ohne  Ge- 
stattung der  Eltern  vermieteten,  mit  Verlust  des  Erbteiles 
gedroht.  Weigerte  sich  der  Dienstherr,  das  Gesinde  auf 
Verlangen  der  Eltern  herauszugeben,  dann  erhielt  er  eine 

>)  Bremen  (Oelrichs)  1808  Stat  125,  1428  U  80,  1488Stat82; 
Oldenbuiig  1845  II  26;  Verden  (Pufendorf,  obs.  iur.  I  app.  S.  77ff., 
bes.  119)  Stat  181.  —  «)  Lennhoff  S.  41.  — •)  Scotti,  JüÜch  S.880, 
1252.  —  *)  S.  11.  —  •)  Vgl.  auch  Kraut,  Die  Vormundschaft  nach 
den  Grundsätzen  des  Deutschen  Rechts  II  (1847)  S,  880«  —  ^  Hert2 
S,  16;  Steffen  S.  7fr. 


-     443     - 

halbe  Mark  Strafe;  1445  wurde  diese  gar  verdoppelt  und 
auch  auf  das  Gesinde  ausgedehnt^). 

Uralt  ist  das  Recht  der  Hausfrau  zur  vorläufigen 
Mietung  der  Dienstboten.  Im  Mittelalter  „konnte  die 
Hausfrau  allerdings  Verträge  mit  ihnen  schließen,  allein 
die  Giltigkeit  derselbem  hing  von  der  Bestätigung  des 
Mannes  ab"').  Juristischer  ausgedrückt  bedeutet  dies 
nichts  weiter,  als  daß  die  Hausfrau  die  Gesindemiete 
nicht  vornehmen  kajin.  Das  entspricht  durchaus  den 
mittelalterlichen  Quellen,  die  nie  ausdrücklich  der 
Frau  die  Mietung  auch  nur  des  Hausgesindes  zuweisen. 
Nur  über  kleine  Beträge  konnte  die  Frau  in  genau  gezoge- 
nen Grenzen  selbständig  kontrahieren').  Die  speziellen 
Gesindegesetze  der  späteren  Jahrhunderte  handeln  nie  von 
der  Stellung  der  Hausfrau  zur  Gesindemiete.  Die  tatsäch- 
Uch  hier  erfolgte  Ausdehnung  der  Schlüsselgewalt  ist  in 
den  allgemeinen  Gesetzen  des  Familienrechts  enthalten. 

Für  Hessen  des  19.  Jhdts.  spricht  Baumann ^)  der 
Frau  das  Recht  zui  Mietimg  zu.  Daß  dies  auch  früher 
schon  dem  Volksrecht  entsprach,  ergeben  die  loshauser 
Gesinderegister*).  1652  ist  hier  notiert:  „hatt  mein  fraw 
ein  maitgen  von  Zigenhain  gedingt  heist  Barbling  und 
gibt  ihm  1  Kthlr.  8  Ellen  duch  1  par  schuh,  und  1  Kopf- 
stück zu  mit  Pfennig  ist  den  26  july  eingangen.'*  Eben- 
so wird  1644  imd  1655  das  ganze  weibliche  Personal  von 
der  Frau  gedingt,  imd  zwar  nicht  nur  das  Hausgesinde, 
sondern  auch  die  beiden  Viehmägde.  Und  die  Frau  dingt 
nicht  bloß,  sie  „gibt*'  auch  den  Lohn,  d.  h.  natürlich 
nur:  sie  verspricht  ihn;  die  Auszahlimg  fand  gemeinsam 
für  das  ganze  Gesinde  durch  den  Buchführer  statt. 


')  Steffen  S,  8.  —  ")  K,  Wein  hold,  die  deutschen  Frauen  in 
dem  Mittelalter,  1861,  S.  311.  —  •)  Schröder,  Gesch.  d.  ehelichen 
Güterrechts  U  1  S.  100  flF.,  II  2  S.  8  flf.,  II  8  S.  218  ff.  -  *)  S.  10.  - 
*)  St  A.  Marburg. 


—    444    — 

S  4.    Der  Dienstantritt    Ziehzeit  und  Dienstdauer. 

War  die  Schuld  begründet  iind  die  Haftung  durch 
Hingabe  und  Annahme  des  Mietgeldes  erwirkt,  dann  gab 
es  regelmäßig  keinen  Rücktritt.  Ein  Reurecht  kennt 
das  deutsche  Recht  in  nicht  allzu  vielen  Fällen^).  Nur 
ausnahmsweise  nimimt  das  Mietgeld  den  Charakter  eines 
Reugeldes  an,  gegen  dessen  Verzicht  der  rurücktretende 
Vertragsteil  sich  befreien  kann. 

Ohne  Einschränkung  ist  ein  derartiges  Recht  in  fol- 
genden Satzungen  enthalten.  Das  lübische  Recht  sagt 
1294  *) :  „So  we  so  'deme  anderen  gif  t  des  hileghen  gheystes 
penninch  up  enen  koop  oder  up  en  lovede,  dat  is  also 
stede  alse  he  hebbe  den  litkop  gegheven,  it  ne  si  also  dat 
er  en  den  penning  weder  gheve  oder  de  andere  ene  weder 
esche  er  se  sie  vuUen  scheden".  Und  ein  göttinger 
Statut  von  1402^)  bestimmt:  „welk  maget  sek  vormedet 
unde  medepenninge  opnomet,  deme  schal  se  deynen,  efte 
se  ome  de  miedetpenninge  joch  wol  weder  sende  eder 
brechte". 

Ganz  merkwürdig  ragt  hier  das  hohenzollern- 
sche  Recht  in  imsere  Zeit  hinein.  Die  bereits  erwähnten 
Gesindeordnungen  von  1843  lassen  das  Mietgeld  von  dem 
Gesinde  an  die  Herrschaft  gezahlt  werden  und  bestimmen 
darüber*):  „Die  Herrschaft,  welche  vomi  Dienstboten 
Mietgeld  angenomlmien  hat,  muß  es  diesem  nach  vier- 
wöchentlicher Dienstzeit  doppelt  —  wenn  der  Dienstbote 
ohne  eigene  Schuld  nicht  antreten  kann,  einfach  — ,  wenn 
er  schuldhaft  oder  ohne  genügenden  Grund  nicht  antritt, 
gar  nicht  zurückgeben."  Dieser  letzte  Passus  gibt  dem 
Gesinde  die  Möglichkeit,  gegen  Verlust  des  Mietgeldes 
ohne  weitere  Folgen  zurückzutreten. 

In  anderer  Gestalt  erscheint  die  gestattete  Reue  da, 

')  Gierke,  Schuld  und  Haftung  S.  81^8 ff.;  Stobbe,  Reurecht 
S.  261  ff.  —  ")  Hach  Nr.  117.  —  «)  v,  d.  Kopp,  Statuten  S.  97.  - 
^)  Kahler  S.  Ul. 


—    445    — 

wo  derAusschluß  des  Rücktrittes  erst  bestimUnte  Zeit  nach 
Empfang  des  Mietgeldes  angeordnet  wird,  während  inner- 
halb jener  Zeit  Reue  gestattet  ist.  So  setht  im  de  Her 
Stadtrecht  ^) :  „Es  sollen  die  Diensten,  bey  denen  der 
Gottes  oder  Miedes-Pfeamig  benachtet  demjenigen, 
dem  sie  sich  verpflichtet,  Dielnste  halten."  Gleiches  in 
anderer  Form  sagt  an  zwei  Stellen  das  Stadtrecht  (II) 
von  Überlingen  imii  1400*).  Der  Dienstherr  darf  am 
Tage  der  Mietung,  nachher  nicht  mtehr,  Mrücktreten : 
„. . .  dazselb  mag  sinen  dienst  wol  absagen  und  den  win- 
kouf  widememen  uf  den  tag,  alz  es  gedinget  hat,  und 
darnach  nit,  an  alle  gevaerde".  „Und  desgelichen  ist 
ouch  den  diensten  gen  iren  herren  und  frowen  auch  be- 
halten: Welche  knecht  oder  magt  zu  ieman  dinget,  die 
sond  iren  winkouf  nit  widergeben,  si  rügen  es  denn  uf 
denselben  tag,  alz  si  gedingt  hand,  an  gevierde".  Ein 
sandwellisches  Landurteil  aus  dem  16.  Jhdt. ')  setzt  für 
Münster  eine  dreitägige  Frist  fest:  „Derselbe,  so  den 
Dienst  nicht  anzimehmien  veitneinte,  soll  den  Weinkauf  bey 
der  dritter  Sohnnen  ahn  seinen  Ohrt  wieder  einzuHeferea 
schuldig  sein,  oder  einen  ^deren,  wohmit  die  künftige 
Herr  und  Fraw  einen  Frieden  haben,  ahn  seinen  Platz 
bestellen."  Auf  eine  ähnliche  frühere  Sitte  inWürtteml- 
berg  läßt  die  Schäferordnung  von  1651*)  schließen.  Bei 
einer  Mark  Zunftstrafe  wird  hier  verboten  tmd  für  die  Zu- 
kunft abgeschafft,  daß  die  Kontrahenten  sich  gegenseitig 
acht  Tage  nach  der  Vermietung  kündigen  dürfen.  Auch  in 
Bayern  mußte  die  Gesindeordnung  von  1781  *)  ausdrück- 
üch  verbieten,  daß  die  Sitte,  wonach  beide  Teile  vier- 
zehn Tage  nach  dem  Dienstantritte  wieder  ziurücktreten 
dürfen,  beibehalten  wurde. 


*)  P  u  f  c  n  d  o  r  f ,  obs.  iur.  I  app.  S.  229  ff.,  bes.  281.  -  «)  Oberrhein. 
Stadtrechte  II  2  S.  52 ff.,  bes.  7ü.  —  •)  Philippi,  Landrechte  des 
Monsterlandes  I  S.  68.  —  *)  Reyscher,  Gesetze  XIU  S.  108.  « 
*)  Kr.  A.  Manchen.    AR.  Fasz.  469  Nr.  209. 


—    446    — 

Vereinbaren  die  Parteien  ein  Dienen  auf  Probe, 
so  ist  auch  dies  als  Ausmachiuig  eines  Reurechtes  an- 
zusehen. Eine  derartigie  Sitte  bestand  zumi  Beispiel  im  Ge- 
werberechte Straßburgs  nach  der  Innungsordnung  von 
1536^):  bei  festem'  Engagement  auf  ein  Vierteljahr  wird 
der  Weinkauf  getrunken;  wird  nur  probeweises  Arbeiten 
auf  vierzehn  Tage  ausgenaacht,  dann  ist  der  Weinkauf 
nicht  nötig.  Fürs  Gesindewesen  wird  über  den  Brauch 
eines  Probemonats  aus  Hessen  berichtet.  Aus  einer  Bcr 
schwerdeakte  vom'  Jahre  1830  *)  ergibt  sich,  daß  die  Ver- 
tragsparteien die  ersten  vier  Wochen  als  Probemonat  für 
beide  Teile  betrachteten^). 

Sobald  dem  vom  Vertrage  Zurücktretenden  eine 
Hauptleistung  auferlegt  wird,  die  nicht  auf  die  arrha  zu- 
rückführbar ist,  nimmt  diese  Verpflichtimg  den  Charakter 
einer  Strafe  an.  Dann  fehlt  das  Reurecht,  das  die  Ge- 
stattung der  Reue  voraussetzt.  Ebensowenig  wie  eine 
mit  Strafe  bedrohte  Tat  rechtlich  gegen  Verbüßung  der 
angedrohten  Strafe  gestattet  ist,  wird  die  Reue  da  erlaubt, 
wo  die  für  die  Nichterfüllung  des  Vertrages  angekündigten 
Folgen  den  zivilrechtlichen  Charakter  verHeren  und  als 
Privatstrafe  erscheinen.  Wenn  insbesondere  im!  Gesinde- 
recht der  eine  oder  andere  Teil  bei  Nichtantritt  des  Dien- 
stes oder  Nichtannahme  dem  Gegenkontrahenten  den  hal- 
ben oder  ganzen  Jahreslohn  auszahlen  muß,  so  wird  hier- 
mit nicht  etwa  Rücktritt,  Reue  gegen  Entrichtung  des 
Lohnes  erlaubt;  vielmehr  ist  der  Rücktritt  prinzipiell  ver- 
boten, und  es  steht  ^ine  Strafe  in  Höhe  des  Lohnes  auf 


^)  S  c  h  a  n  z ,  Gesellen  verbände  a  252;  S  t  o  b  b  e ,  Reurecht  S.  8S3. 
—  *)  St.  A.  Marburg.  Fuldaer  Reg.-Akte  in  Betreff  Beschwerden  der 
Dienstherrschaften  gegen  ihr  Gesinde  und  umgekehrt.  PoL-Rep.  A 
Nr.  8  (in  Sachen  von  Buttlar  gegen  Vollmoellcr).  —  ■)  Ober  einige 
weitere  Falle  von  Reurecht  zu  gunsten  des  Bleibens  bei  der  bis* 
herigen  Dienstherrschaft  wird  in  diesem  Abschnitte  weiter  unten 
in  anderm  Zusammenhange  berichtet 


—    447     — 

der  trotzdem  erfolgenden  Weigerung,  den  Vertrag  zu  ear- 
füllen.  Den  Hauptteil  der  Verpflichtung  des  ErfüUungs- 
tinhistigen  bildet  nicht  der  Mietpfennig  —  der  doch  das 
eig^entliche  Reugeld  sein  müßte  —  sondern  die  Zahlung 
eines  miehr  odier  weniger  großen  Teiles  der  Vertragslei- 
sttingr,  des  aiisgemiachten  Jahrlohnes. 

Der  Strafchaiakter  solcher  Anordnungen  tritt  in  der 
Zeit  der  Polizeigesetze  noch  deutlicher  hervor.  Bestand 
schon  früherhrn  die  Geldleistung  des  Dienstboten  bei 
Nichterfüllung  meist  in  emem  größeren  Lohnteile,  als 
die  Vertragsbrüchige  Herrschaft  zu  zahlen  hatte,  so  wer- 
den dem  Gesinde  die  Geldbußen  bald  in  Leibes-  (Freiheits-) 
Strafen  und  Ausweisung  umgewandelt,  und  es  kommt 
noch  —  der  Vertragsnatur  gänzlich  zuwiderlaufend  —  der 
Gedanke  zwangsweiser  Zuführung  zum  Dienste  auf.  Nur 
gelegentlich  einmial  aber  wird  der  Symmetrie  halber  auch 
der  Vertragsimtreue  der  Dienstherrschaften  gedacht. 

Von  der  Auffassung,  daß  nur  dem  geschädigten  Ver- 
tragsgegner eine  Genugtuung  gebührt,  dagegen  dem  Staat 
kein  Strafanspruch  zusteht,  geben  von  älteren  Rechten 
beispielsweise  die  von  Hamburg,  Lübeck,  Bremen 
und  Oldenburg  Kunde;  der  untreue  Dienstbote  muß 
dem:  Gegner  „halff  wedderfceren  dat  eme  lovet  was"*). 
Weiter  geht  aus  dem  ältesten  Rechte  eine  h  i  1  d  e  s  h  e  i  - 
m  e  r  Quelle  von  1249  *),  wo  es  heißt :  „Si  quis  conducit 
servum  vel  ancillam,  et  illi  recedunt  sine  licentia,  tantum 
premii  debent  ipsi  lestituere,  quantiun  eis  fuit  promissum." 
Eine  göttinger  Lohnordnung  von  1445 •)  zeigt,  daß 
die  anfängliche  Zubilligung  des  Reurechtes  nicht  mehr 
uneingeschränkt  aufrecht  erhalten  wird.  An  erster  Stelle 


»)  Hamburg  (Lappenberg)  1270  VIII  1,  1292  K  1,  1497  F  2; 
1608  II  9  Art  2.  8;  Ltkbeck  (Hach)  1294  Stat.  846;  Bremen  (Öl rieh s) 
1808  Stat  88;  1428  Stat  88;  1488  Stat  80;  Oldenburg  (Ölrichs)  1845 
Art.  84.  -  ")  Origincs  Guclficae  IV  S.  242  ff.,  bes.  244.  -  •)  v.  d.  Kopp, 
Statuten  S.  476. 


—    448    — 

steht  das  Gebot  des  Dienstantrittes,  erst  danach  foli 
die  wahlweise  Festsetzting  eiaer  bestimmten  Lösung: 
summe:  „Unde  we  sek  vormedet  und  den  berkop  u] 
genomen  hedde,  de  sal  solken  denst  holden  dem  he  se 
vormedet  heft.  We  des  nicht  en  dede  und  des  so  nid 
holden  en  wolde,  de  sol  demjennen  deme  he  solken  dens 
gelovet  eder  togesecht  heft,  3  gott.  m.  gheven  und  Ix 
talen  eder  solken  denst  holden."  Das  ostfriesisch 
Landrecht  ^)  setzt  als  Leistimg  des  Dienstboten  bei  Nicbl 
antritt  den  Lohn  fest,  „alse  se  solden  vordenet  hebben*' 
Im  Anschluß  an  ihre  älteren  Vorbilder  legen  dai 
eiderstadter  Landrecht  von  1586*)  und  die  Stadt 
rechte  für  Husum!  von  1608')  imd  Friedrichstadl 
von  1633*)  dem  zurücktretenden  Vertragsteil  —  Herr 
sChaft  oder  Gesinde  —  Zahlung  des  halben  Jahrlohns  aD 
den  Gegner  auf ;  der  Rechtszustand  erhielt  sich  in  solcher 
Gleichmäßigkeit  auch  noch  weiterhin  im  Lande,  wie  die 
Polizeiordniuig  für  P 1  o  e  n  von  1749  *)  beweist.  Auch  in 
dem  nahe  dabei  liegenden  Lande  H  a  d  e  1  n  galt  in  der 
nachmittelalterlichen  Zeit  gleiches  Recht  gemäß  dem 
Landrecht  von  1583«)  und  der  Gesindeordnung  von 
1655  ^) ;  die  Regelung  ist  hier  „von  Alters  her  gebräuch- 
lich*'. Bei  zivilem  Schadensersatze  läßt  es  auch  die  henne- 
bergische  Landesordnung  von  1539*)  bewenden.  Eine 
genauere,  individuellere  Schadensermessung  wählte  die 
bayerische  Ehehaltenordnung  von  1656 •).  Nach  ihr 
kann  sich  der  Dienstbote  durch  Stellung  eines  tauglichen 
Ersatzmannes  befreien.  Die  Berechnung  und  Ersetzung 
des  wirklichen  Schadens  in  Geld  wurde  in  Mühlhau- 


•)  Wicht  n  282.  -  >)  Art.  42;  Corp.  Stat.  SIesv.  I  S.  1.  "- 
•)  ra  Tit.  44;  ebenda  H  S.  66.  —  •)  U  2  Tit  XI  §  86;  ebenda  IH 1 
5  1.-»)  Tit  8  Art  2;  Schrader,  Handbuch  ül  S.  19ß-  " 
•)  Pufendorf,  obs.  iur.  I  app.  S.  Iff.  II  20.  -  ')  Spaogenbcrgr 
Verord.  f.  Hannover  IV  8  S.  266.  —  •)  Sickcl,  Vertragsbruch  S,l(» 
—  •)  Kn  A.  München.    GR.  Fasz.  402  Nr.  1. 


—    449    - 

sen  durch  Statut  von  1692^)  und  das  erneuerte  Heimbuch 
von  1736*)  angeordnet  •).  Dies  mußte  auch  der  Grund- 
satz des  gerechteren  mjodemen  Rechts  werden,  wovon 
die  Gesindeordnnng  für  Jülich  von  1801^)  und  die  für 
Düsseldorf  von  1809^)  Ktuide  geben. 

Besonders  für  sich  genannt  werden  miuß  eine  Stelle 
aus  dem'  bereits  genannten  Statut  der  Stadt  Münster 
von  1372  •),  wo  von  dem  Kaufe  tmfreien  Gesindes 
in  der  Stadt  die  Rede  ist;  nur  mit  besonderer  Er- 
laubnis des  Bürgermeisters  darf  solches  Gesinde  aus  der 
Stadt  heraus  gebracht  werden.  Weiter  heißt  es:  „Wer 
ock  jennich  Mensche,  de  gekoft  worde,  jemimande  deinde 
of  Deinst  gelavet  hadde,  de  sali  dat  halve  Jaer  uth  deinen 
dem  gennen,  dem  he  dat  gelavet  hevet."  Eine  Strafe 
fehlt.  Der  Grund  hierfür  ist  einfach  der,  daß  es  sich  ja 
um*  kein  Gebot  an  die  Dienstboten  handelt,  als  vielmehr 
um  eine  Beschränkung  des  Eigenherm,  dem  die  Ver- 
wertung seines  Gesindes  auf  eine  Zeit  entzogen  wird. 

In  sonstigen  Gesetzen  komimt  die  Ersatzpflicht  nur 
neben  dem  kriminellen  Mittel,  der  Geld-  und  Leibesstrafe 
oder  Ausweisung,  und  dem  polizeilichen  Mittel,  der 
zwangsweisen  Zuführung  zum!  Dienste,  vor.  Der  Zweck 
der  Bestrafung  ist  bisweilen  direkt  dem!  praktisch  erstreb- 
ten Erfolge,  der  Zwingung  in  den  Dienst,  imterstellt; 
es  heißt  in  solchen  Fällen,  daß  der  Dienstbote  solange 
ins  Gefängnis  gesperrt  werden  soll,  bis  er  sich  zum'  Dienst- 
eintritt versteht.  Meist  ist  aber  die  Strafe  absolut  in  ihrer 
Höhe  bestimtait,  xmd  der  Poliaei  ist  zur  Zuführung  in 
den  Dienst  weiter  keine  Vorschrift  gemacht,  sondern  es 
bleibt  ihr  überlassen,  von  dem  wirksamsten  Mittel  Ge- 


')  In  der  stfidt  BibUothek  Mahlhausen.  —  ')  Tit.  24  Nr.  20  Art.  46 
§  4;  Stadtarchiv  Mahlhausen.  —  ')  Nach  Sickel  (a.  a.  O.  S.  102) 
galt  zivilrechtliche  Ausgleichung  in  Schwein  fürt  1720  und  1780.  — 
•)  Scotti,  JflUch  S.  880.  -  »)  Ebenda  S.  1262.  -  •)  Niesert,  Ur- 
kundensammlung  DI  S.  125  ff.,  bes.  127 ;  oben  S.  867. 

K5nn«ckc.  29 


—    450    — 

brauch  zu  machen.  Wenn  es  auch  leichter  wäre,  hier  die 
Gesindegesetze  aufzuzähl^i,  welche  Bestimimungen  über 
die  mit  Zwang  zu  erreichende  Antrittspflicht  nicht  ent- 
halten, so  ist  die  Erscheinung  zur  Beiu-teilung  der  Ge- 
schichte des  Gesinderechts  doch  allzu  wichtig,  als  daß 
sie  hier  kurz  erledigt  werden  könnte. 

Mit  das  älteste  Zwangsrecht  kennt  Bayern.  Schon 
das  münchener  Stadtrecht  von  1347  ^)  drohte  dem'  Gesinde, 
das  nicht  antreten  will,  mit  Haft  bis  zur  Gefügigkeit,  einer 
Geldstrafe  imd  Ersatzpflicht:  „Waer  aber,  ob  ain  knecht 
oder  diern,  der  sich  also  verdingt  hielt,  das  nicht  tuon 
wolt,  und  wolt  die  pfening  wider  geben  und  dem-  nicht 
dienn,  als  er  im'  versprochen  hat,  so  sol  der  selb  man 
oder  frau,  zuo  dem  er  sich  vferdingt  biet,  im  für  recht 
pieten;  kumpt  er  nicht,  so  sol  er  im  ze  dem  andern  mal 
^ürpieten  und  kumpt  er  dann  nicht,  so  sol  er  ez  dem 
richter  ze  wizzen  tuon,  der  sol  enen  dann  in  die  schergen- 
stuben  antwnrten,  und  da  sol  er  es  als  lang  innen  ligen, 
hinz  daz  er  seinem  herren  oder  fraim  iren  dienst  ver- 
wizzt,  und  im  sein  schaden  abtuot,  den  er  des  rechten 
genomen  hat,  und  dem  richter  XX II II  pfening,  der  stat 
XXXVI."  Auch  die  Landesordnung  von  1501  ^)  stellt  den 
Dienstboten  in  Aussicht,  daß  sie  nicht  los  gelassen  und 
bei  hartnäckigem  Weigern  auf  drei  Jahre  ausgewiesen 
werden  sollen.  Seit  1507  wurde  neu  beraten.  Es  kam 
schließlich  1516  in  der  Landesordnung  als  Ergebnis  her- 
aus, daß  die  Landesverweisung  aufgehoben  wurde;  die 
Dienstboten  sollten  dafür  unter  Strafdrohungen  zum  Ein- 
tritt in  den  Dienst  angehalten  werden,  niemand  diurfte  wäh- 
rend des  vertragswidrigen  Verhaltens  die  Dienstboten 
in  sein  Haus  aufnehmen*).  Die  Landesordnung  von 
1553*)   ging  wieder  ziu:  Ausweisimg  über;   wollten  die 

M  Auer,  Art.  209,  —  ')  Krenner,  Landtagshandlungen  XIII 
S.  261  ff.,  bes,  301.  —  •)  PI  at  z  er  S. 80.  —  *)  Kr.  A.  Amberg.  Repert. 
Landrecht  Polizei  Fasz.  1  Akt.  9. 


—    451     — 

Dienstboten  nidit  eintreten,  dann  durften  sie  sich  ein 
Jahr  lang  an  dem  Mietort  nicht  verdingen.  Auch  das 
bayerische  Recht  des  späten  18.  Jhdts.  ging  mit  dem 
direkten  gerichtlichen  Zwang  gegen  die  ungetreuen  Diener 
vor ;  dafür  sei  §  7  der  Gesindeordnung  von  1781  ^)  ange- 
führt. 

Im  lands huter  Rechte  von  1408*)  heißt  es  von 
dem  Dienstboten,  der  nicht  antreten  will:  „Dem  soll  die 
Stadt  verboten  seyn,  von  demselben  künftigen  Lichtmessen 
über  ein  ganzes  Jahr  imd  soll  darin  nichts  genießen, 
weder  Freiung,  Fried,  Gelait,  gewaltiger  Herrn  oder 
Frauen  Bitt  oder  Both,  noch  kein  ander  Sach."  Rückgabe 
des  Mietgeldes  und  empfindliche  Strafe  waren  nach  der 
Polizeiordnxmg  Dinkelsbühls')  die  Folgen,  die  der 
Nichtantritt  für  die  Dienstboten  hatte.  In  Nürnberg 
mußte  der  Dienstbote  selbst  bei  triftigem  Grunde  einen 
Ersatzmann  stellen,  ehe  er  von  der  Antrittspflicht  ent- 
bunden wurde.  Das  Mandat  von  1628*),  das  diese  Be- 
stimommgen  enthält,  ordnet  weiter  für  den  wegen  des 
Ausbleibens  nicht  entschuldigten  Dienstboten  acht  Tage 
Eisen  und  zwei-  bis  vierjährige  Veirbannung  aus  der 
Stadt  an. 

Die  Würzburger  Taxordnimg  von  1652 *)  heißt  den 
^derspenstigen  Dienstboten  ins  Gefängnis  stecken,  bis 
er  in  den  versprochenen  Dienst  gehen  will.  Die  in  demh 
selben  Jahre  erlassene  Taxordnung  für  das  branden- 
burgische Franken  •)  verfolgt  ähnliche  Gedanken  wei- 
ter. Bringt  das  Gesinde  das  angenommene  Mietgeld  wie- 
^cr,  dann  soll  der  Herrschaft  ^Amtshilfe  hiergegen  ge- 
währt werden.  Die  Kamipfmittel  bei  Nichtantritt  sind  wahl- 

*)  Kr.  A.  München.    AR.  Fasz.  459.    Nr.  209.  —   •)Stauden- 

faus,  Chronik  I  S.  107.  -  •)  v.  Weber,  Statutarrcchte  II  S.  1016. 

^  *)  Kr.  A.  Nürnberg.    Bestand  A.    Akten  Nr.  24  S.  I  L.  666.  — 

*)  Kr.  A.  Würzburg.  V.  9661.  —  •)  Kr.  A.  Amberg.  Zugang  6  Fasz.  24 
Nr.  212. 


—    452    — 

weise  Auferlegung  der  doppelten  Mietgeldzahlung  und 
Leibesstrafen.  In  der  späteren  Gesindeordnung  von  1769  *) 
werden  die  anerkannten  Gründe  des  Nichtantrittes  ge- 
nauer aufgezählt;  ihre  Bergung  durch  ärztliche  Zeug- 
nisse oder  auf  sonstige  Weisel  wird  angeordnet.  Bleibt 
ein  Dienstbote  ohne  solche  Gründe  und  Beweise  aus,  dann 
wird  er  von  obrigrkeitswegen  für  die  Herrschaft  aufge- 
sucht Und  auf  48  Stunden  in  den  Turm  geatzt ;  die  Herr- 
schaft ist  aber  nicht  mlehr  verpflichtet,  einen  solchen 
Dienstboten  anzunefamien. 

Daß  die  österreichische  Gesindeordnung  von 
1779')  Arrest  als  Zwangrsmittel  wählt,  magr  im  Anschlufi 
hieran  kurz  erwähnt  sein. 

Aus  Süddeutschland  gehört  sonst  noch  hierher  das 
Vogtbuch  für  Ramsberg  von  1556*).  „Wölche  knecht 
öder  ander  ehehalten  in  die  versprochen  dienst  nit  ein- 
standen, die  sollen  auch  in  diser  oberkait  nit  gedult,  sonder 
ain  jar  lang  auss  disem  gerichtszwang  gepotten  werden.** 
Ein  anderes  Recht  steht  in  der  Polizeiordnimgr  für  den 
Kletgau  von  1603*).  Sie  erklärt  den  Dienstboten,  der 
nicht  antreten  will,  des  Lohnes  verlustig  und  droht  mit 
Turmstiafe;  außerdem  darf  er  während  der  Zeit,  für  die 
er  sich  verdimgen  hatte,  nicht  anderwärts  dienen.  Diese 
Ausbildimg'  des  Boykotts  ist  von  der  gewöhnlichen,  auf 
eine  bestimimte  Zeit  angesetzten  Ausweisung  oder  Dienst- 
untersagung  aus  besondereml  Grunde  verschieden.  Was 
eigentlich  erreicht  werden  sollte.  Zwingung  in  den  Dienst 
für  die  versprochene  Zeit,  sollte  so  wenigstens  zum  Schaden 
des  Dienstboten,  wenn  auch  ohne  Nutzen  für  die  Herr- 
schaft durchgesetzt  werden;  während  der  abgemachten 
Zeit  wurde  der  Dienstbote  gestellt,  als  sei  er  der  Dienst- 
verabredimg  entsprechend  tatsächlich  ani  Annehmen  eines 

»)  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  28  ^^  Nr.  779  Repcrt  288.  —  «)  Kr.  A. 
München.  GR.  Fasz.  402  Nr. 2.  -»)  Wintt erlin, Württembergische 
ländl.  Rechtsquellen  I  S.  759  ff.,  bes.  767.  —  «)  Habeische  Sammlung. 


—    463    — 

neuen  Dienstes  gehindert^).  Die  andere  Formt  grvmd- 
lieberer  wirtschaftlicher  Schädigung  der  untreuen  Dienst- 
boten wählte  die  villinger  Polizeiordnung  von  1668*). 
Der  Dienstbote  wird  auf  ein  Jahr  der  Stadt  verwiesen. 
Schließlich  sollen  noch  die  badischen  Gesindeordnun- 
gen  von  1782  (für  Stadt  Freibtirg)  und  1809»)  genannt 
sein;  diese  beiden  verzichten  auf  Bestrafung  des  Nicht- 
antritteSy  lassen  aber  polizeiliche  Zwangsmittel  zu. 

Von  mitteldeutschen  Rechten  reicht  die  Entwicklung 
in  Kurhessen  ami  weitesten  zurück.   Nach  der  Polizei- 
ordnimg von  1622*)  ist  die  „Leichtfertigkeit  gar  nicht 
zu  dulden"  tmd  mit  Tturm  zu  strafen,  daß  das  Gesinde 
den  Mietpfennig  zurückbringt  und  nicht  antritt.   Die  Ge- 
sindeordnung von  1736  *)  regelt  die  Fragen  in  §  7  ff .  Der 
Dienstbote   „sol  .  .  .  allerdings  schuldig    und    gehalten 
seyn  zu  versprochener  Zeit  in  den  Dienst  zu  gehen,  und 
wiedrigen  Falls  darzu  von  der  Obrigkeit  nach  vorgängiger 
Bestraffung  ernstlich  angehalten  werden".  Straffrei,  aber 
zur  Rückgabe  des  Mietgelds  verpflichtet  ist,  wer  aus  er- 
heblichem' Grunde    (Krankheit)  zur    rechten    Zeit    nicht 
kommen  kann.  Ausführlicher  noch  sind  die  gleichartigen 
Bestimmungen  der  hanauer  Gesindeordnung  von  1748*) 
§  5;  der  Dienstbote  muß  den  Schaden  ersetzen,  den  die 
Herrschaft  durch  Zuziehung  fremder  Arbeitskräfte  zum 
Ersatz  erlitten  hat.    Die  drei  letzten  Gesindeordnungen 
von  1797,  1801,  1816*)  lassen  eine  mißverständliche  Un- 
klarheit über   der  Frage  der  Antrittspflicht.    §  8  regelt 
die  Frage  des  Doppeltvermietens  und  droht  Strafe  darauf. 
Dieser   Paragraph  ist  von  1736  her  übernommen.    Der 
1736  vorangehende  Paragraph  über  die  Pflicht  des  Ge- 


*)  Hertz  S.  26.  — «)  Oberrhein.  Stadtrechte  II  1  S.  208flf.,  bes. 
216.  —  »)  Gern  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia  6891 ;  —  Provinz 
Niederrhein.  Gesindepolizei.  Lit.  R  Nr.  1  IV  2.  -  *)  LO.  I  S.  616. 
-  •)  LO.  IV  S.  410.  -  •)  St  A.  Marburg.  IX  A  1621.  -  ')  LO.  VH 
S.  727;  Vm  a  26;  MöllerFuchs  S.  118. 


—    454    — 

sindes  zum  Dienstantritt  ist  1797  und  später  erw^tert: 
§  7:  „Der  Dienstbote  ist  schuldig,  die  ganze  Miethzeit 
ün  Dienste  auszuhalten,  und  darf  sie  nicht  eigenmächtig 
abkürzen."  Man  glaubte  wohl  mit  dieser  umfassenderen 
Regelung  auch  die  Fälle  der  Abkürzung  der  Dienstzeit 
nach  vom  getroffen  zu  haben,  imd  unterließ  so  eine  aus- 
drückliche Erwähnung  der  Antrittspflicht  ^). 

In  Schaumburg  brachte  die  Polizeiordnung  von 
1615*)  keine  ausdrückliche  Regelung  der  Antrittsfrage. 
Bei  der  Behandlung  des  Abspenstigmachens ')  nur  wird 
ein  besonderer  Unterschied  zwischen  dem  Abspannen  eines 
schon  dienenden  und  dem'  eines  erst  gemieteten,  aber 
noch  nicht  im  Dienst  stehenden  Dienstboten  gemacht. 
Die  Betonung  des  Zustandes  dienstloser  Vermietung  macht 
die  Annahme  wahrscheinlich,  daß  die  öffentlich-rechtliche, 
nicht  bloß  kontraktliche  Pflicht  zirni  Dienstantritt  hier 
wie  anderswo  damals  auch  bestand,  wenn  auch  zur  Durch- 
setzung direkt  keine  Mittel  gegeben  waren.  Stumpfe  Waf- 
fen sind  es  auch,  die  das  f  u  1  d  i  s  c  h  e  Reskript  von  1761  *) 
den  Herrschaften  und  der  Polizei  in  die  Hände  gibt;  der 
gedungene  Dienstbote  ist  nur  gezwungen,  „in  die  einmal 
angenommene  Dienste  einzugehen",  ohne  daß  Zwangs- 
mittel angegeben  werden. 

Eine  Gesindeordnung  aus  dem!  18.  Jhdt.  für  Nassau- 
Usingen*)  bringt  die  bekannte  Verquickung  von  Strafef 
und  Polizeizwang;  bis  der  Dienstbote  sich  zum:  Eintritt 
hergibt,  soll  er  im=  Gefängnis  bleiben.  In  der  sayn- 
wittgensteiner  Polizeiordnung  von  1776*)  stehen 
neben  dem  Polizeizwang  zweitägige  Gefängnisstrafe  oder 
Geldstrafe  von  täglich  15  Kreuzer  der  geschädigten  Herr- 
schaft als  Machtmittel  zu  Gebote. 

M  Heute  durch  preuss.  Gesetz  von  1886  ausdrOcklich  bestätigt 
(Süsskind  S.  112).  —  «)  Nach  Rottmann.  —  •)  Kap.  68.  —  *)  Bd.  V 
der  cass.  Reg.-SammL;  Freyssche  SammL  Mflller^Fulda.  —  *)  St  A. 
Wiesbaden.  V.  Nassau-Usingen.  Generalia  11  •  Verordnungen  Band  V 
S.  128.  —  •)  Univ.-Bibl.  Marburg. 


—    455    — 

Cleve  ging  von  10  Thlr.  Geldstrafe,  die  die  Ge- 
sindeordnting  von  1696^)  deml  ausbleibenden  Gesinde  an- 
kündigte, 1753*)  zur  zwangsweisen  Zuführung  über;  der 
Scherge   soll   20   Stüber   Lohn  bekommen.    Früh  schon 
kam  in  Westfalen  die  Strafe  auf.    Eine  Mark  oder 
bei  Armut  Haft  hat  der  ausbleibende  Dienstbote  nach 
der  1423  von  Rittern  und  Städten  vereinbarten  Gesinde- 
ordnung') zu  gewärtigen.    Iml  Münsterlande  setzten 
die   Godingsartifcel  des  Domkapitels  nach  der  Fassung 
von  1665*)  fünf  Mark  Strafe  fest:  der  Knecht  „soll  den 
Dienst  halten  oder  einen  andern  Knecht  lohnen  und  der 
Obricheit  fimf  Marck  rue  Straeff  gieben".    Die  Fassung 
von  1715^)  dagegen  erkennt  die  Lösung  durch  Angebot 
eines  Ersatzmiannes  an,  wohl  aus  Mißverständnis  der  vor- 
hergehenden Bestimmung.  Es  heißt:   „Derselbe  soll  den 
Dienst  halten  oder  einen  andern  Knegdt,  wan  der  Wirth 
damitt  zufrieden,  ahn  seinen  Platz  schicken,  wiedrigen 
Falss  dem'  Wirthen  nicht  allein  den  Lohn  undt  erhttenen 
Schaden  zu  ersetzen  schuldig,  sondern  auch  dem  Fisco 
Verfallen  sein  in  5  Marök  Straeff*.  Die  Strafe  folgt  also 
nur,  wenn  der  Knecht  nicht  antritt  tmd  auch  keinen  Er- 
satzmann stellt.  Die  Gesindeordnung  von  1722  *)  dagegen 
spricht  offen  die  gewohnte  Strafdrohung  schon  für  den 
Fall  des   Nichtantrittes  aus;  ebenso  ist  wohl  die  Pi)ü- 
zeiordnimg  von  1740'')  m  verstehen. 

Eines  der  ältesten  Zeugnisse  für  strafendes  Vorgehen 
liegt  in  dem  dem  13.  oder  14.  Jhdt.  angehörenden  Stadt- 
rechte von  Duderstadt  vor®).  Der  Dienstbote  wird 
-auf  ein  Jahr  der  Stadt  verwiesen,  wenn  er  sein  Verspre- 
chen nicht  hält.   Willkürliche  Strafen  dagegen  droht  die 


*)  Scott! ,  Cleve  S.  690,  —  «)  Ebenda  1452.  —  •)  Seibertz, 
Urkundenbuch  II(  S.  48  fr.,  bes.  45.  —  *)  Philippii  Landrechte  des 
MQnsterlandes  S.  181.  —  ■)  Ebenda.  —  *)  Sammlung  Münster  I  S.  868. 
^  Univ. -Bibl.  Marburg.  —  ')Gengler,  Deutsche  Stadtrechte  des 
Mittelalters  S.  91. 


—    466    — 

detmolder  Polizeiordnung  von  1620^).  In  Weimar 
bestand  1651  ^)  Geldstrafe  in  Höhe  des  Vierteljahrslohnes. 
Die  jenaische  Gesindeordnung  von  1751  •)  dagegen  hat 
die  Musterkarte  Haft,  Zwangsmittel,  willkürliche  Strafen, 
Ersatz.  Die  altenburger  Gesindeordnung  von  1744*) 
setzt  die  Strafen  auf  zwei  Gulden  oder  sechs  Tage  Ge- 
fängnis fest.  Drei  Jahre  lang  sollen  die  Dienstboten  nach 
celler  Rechte^)  ausgewiesen  werden,  wenn  sie  nicht  in 
den  versprochenen  Dienst  eintreten. 

Außerordentlich  weit  geht  die  gründliche  hanno- 
versche Gesindeordnung  von  1732  •),  das  Vorbild  für  so 
viele  Ordnungen  des  18.  Jhdts.  Wenn  der  Dienstbote 
zwar  kommt,  aber  nicht  rechtzeitig,  dann  bleibt  es  ja  beim 
zivilen  Ausgleich:  ihm  wird  der  Lohn  um  die  durch  sein 
Fernbleiben  nötig  gewordenen  Taglohnausgaben  gekürzt. 
Wenn  er  aber  ganz  ausbleibt,  ohne  durch  Krankheit,  Hei- 
rat „oder  sonst  bevorstehendes  Glück,  welche  Sache  keinen 
Verzug  litte",  verhindert  zu  sein,  daim  kommt  er  bei  Wasser 
und  Brot  ins  Gefängnis  und  wird  später  auf  Verlangen 
zwangsweise  in  den  Dienst  geführt,  oder  er  muß  den 
Schaden  ersetzen  „und  bey  Ermangelung  des  Vermögens 
am  Leibe  dafür  büßen".  Und  auch  wenn  ihm  ein  hin- 
derndes „Glück"  wie  eine  Krankheit  dazwischen  kommt, 
ist  er  nicht  ohne  weiteres  frei.  Das  muß  der  Herrschaft 
gleich  angezeigt  werden,  damit  sie  sich  nach  Ersatz  uni- 
sehen  kaim.  Oder  es  muß  ein  Ersatzmann  gestellt  wer- 
den; der  abtrünnige  Dienstbote  hat  „ehender  seine  Loss- 
lassung  nicht  zu  gewärtigen".  So  spezialisiert  war  das 
Recht  der  hessischen  Gesindeordnungen  von  1736  und 
1748,  die  gleichfalls  Ableger  dieser  großen  Gesindeord- 
nung sind,  nicht,  wie  eben  gezeigt  wurde  ^).    Auch  die 

^)  Landesverordnungen  L.-Detniold  I  S.  858.  —  *)  Joh.  Schmidt, 
Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  162.  -  •)  Ebenda  S.  168.  —  0  Univ.  -  Bibl. 
Marburg.  XVIII  f  B  1119 1 .  -  *)  P u f en  d or f ,  obs.  iur.  I  app.  S.  S89 fi; 
bes.  281.  ~~  *)  Spangenberg,  Verordiu  f.  Hannover  IV  2  S.  461. 
—  ')  Oben  S.  468  f. 


—    457    — 

waldecker  Gesindeordnting  von  1736^)  folgte  ihrenü 
Muster  hier  nicht,  sondern  droht  nur  Geldstrafe  für  ver- 
späteten Dienstantritt. 

Die  bremer  Bursprake  von  1350*)  und  kundige 
Riolle  von  1489')  verhängen  über  den  ausbleibenden 
Dienstboten  ein  Jahr  Dienstverbot  nebst  Ersatzpflicht. 
Aus  Schleswig-Holstein  kommeDi  nur  die  neueren 
Provinzialrechte  in  Betracht  *).  So  bestimante  die  Gesinde- 
ordnung von  1740*),  daß  bei  verspätetem  Antritte  der 
Lohn  für  jeden  versäumten  Tag  gekürzt  werden  könne; 
auf  gänzliches  Ausbleiben  sind  Gefängnis,  zwangsweise 
Zuführung  und  Schadensersatz,  bei  Unvermögen  noch- 
mals Leibesstrafe  angesetzt.  Die  Polizeiordnung  von 
1768*)  stellte  dagegen  nur  zwei  Thaler  Geldstrafe  mit 
Verlust  des  Mietgeldes  imd  zwei  Tage  Haft  zur  Wahl. 

Ein  besonderer  Fall  des  Nichtantrittes  ist  der,  daß  der 
Dienstbote  sich  auf  dieselbe  Zeit  mehrfach  ver- 
mietet imd  es  sich  so  unmöglich  macht,  in  die  sonst 
versprochenen  Dienste  einzutreten. 

Hier  überschreitet  das  Verhalten  des  Dienstboten  in 
der  Tat  die  bloßem  zivilrechtlichem  Ausgleich  gesetzten 
Schranken  und  ninmit  strafrechtlichen  Charakter  an.  Um 
so  auffallender  ist,  daß  die  Gesetzgeber  von  der  ihnen 
gegebenen  Möglichkeit,  das  mißliebige  Gesinde  beson- 
ders energisch  zu  strafen,  nur  sehr  zurückhaltend  Ge- 
brauch machen.  Ja,  die  Auffassimg  der  älteren  Zeit  ging 
sogar  teilweise  dahin,  daß  nur  der  Nichtantritt  bei  dem' 
Erstmieter  als  Vertragsbruch  erscheint,  während  das  doch 
zweifellos  betrügerische  Verhalten  gegenüber  den  späteren 
Mietern  Straffolgen  nicht  zu  haben  braucht^).  Späterhin 
wird  allerdings  sehr  oft  das  Doppelt  vermieten  neben  dem 


*)  Saminlung  der  Regierung  in  Arolsen.  —  *)  Pufendorf,  obs. 
iur.  n  app.  S.  104 flf,,  bes.  112.  —  •)  Ölrichs  S.  647  flf.,  bes.  669.  — 
*)  Abweichende  Regelung  1749  oben  S.  448.  —  •)  St.  A.  Schleswig. 
Sammlung  grossfürsti.  Verordnungen.  —  •)  Ebenda.  —  ')  Hertz  S.  28. 


—     458    -- 

Nichtantritt  als  selbständige  Tat  genannt.  Aber  in  der 
Strafart  finden  siüh  keine  allzu  großen  Unterschiede,  viel- 
leicht deshalb,  weil  alles,  was  an  Strafe  möglich  erscheint, 
schon  für  die  einfache  Antrittsweigerung  angedroht  ist. 
Eine  in  zahlreichen  Fällen  vorkomtoende  Besonderheit 
bei  der  Behandlimg  des  Doppelt vermietens  gegenüber  der 
einfachen  Versagung  des  Dienstantrittes  ist  die  Bestra- 
fung der  späteren  bösgläubigen  Mieter,  die  luü  den  vorher 
abgeschlossenen   Mietvertrag  bei  der  Dingung  wußten. 

Unter  Einhaltung  der  eben  befolgten  geogiaphischeii 
Anordnung  gewinnt  man  folgendes  Bild. 

Die  Landesordnung  für  Bayern  von  1501^)  weist 
den  Dienstboten,  der  mehrfaches  Mietgeld  nimmt,  auf 
drei  Jahre  aus  dem'  Lande ;  das  ist  auch  die  Strafe  für  das 
hartnäckig  den  Antritt  weigernde  Gesinde.  Imi  Laufe  der 
Zeit  milderte  sich  die  Strafe  zu  einer  imbestinunten,  bloß 
„ernstlichen",  wie  es  in  der  Ehehaltenordnung  von  1652  *) 
heißt;  die  übrigen,  unredüchen,  Mietpfennige  sollen  den 
Mietern  wieder  zurückgegeben  werden,  die  jedoch,  falls 
sie  in  bösem  Glauben  handelten,  auch  emstUche  Strafe 
erfahren  sollen.  Die  imbestimimte  Strafe  erhielt  sich  auch 
im"  folgenden  Jahrhundert.  Die  Gesindeordnimg  von 
1781')  legt  dem;  Dienstboten  Rückgabe  der  später  ge- 
nommenen Mietgelder  und  Schadensersatz  für  die  ge- 
täuschten Herrschaften  auf;  die  Bestrafung  geschieht 
nach  Befinden. 

Milder  ist  das  fränkische  Recht.  Die  alten  bam- 
berger  Sätze*)  zwar  verfügen  wider  das  doppeltvermietete 
Gesinde,  das  dem'  ersten  Mieter  die  Treue  nicht  halten 
mag,  stetes  Dienstverbot.  Jedoch  begnügt  sich  die  bam- 
berger Taxordnung  von  1652*)  mit  der  Anordnung,  daß 


*)  Krenner,  Landtagshandlungen  XIII  S.  261  ff.,  bes»  801.  — 
■)  RA.  Manchen.  Generalien-Sammlung  Rep.  S.  9  Nr.  5.  —  •)  Kr.  A. 
München.  AR.  Fasz.  459  Nr.  209,  —  *)  Zöpfl,  Urk.-B.  S.  109  (§  892^ 
893).  —  •)  Kr.  A.  Bamberg.  Bamberger  Verordnungen.  Rep.  141  Nr.  69.. 


—    459    — 

dem  fersten  Mieter  der  Dienst  gehalten  werden  mtiß ;  den 
späteren  Mietern  ist  ein  Ersatzmann  211  stellen  oder  Scha- 
densersatz zu  leisten.  Gerade  so  ist  die  Rechtslage  in  den 
brandenburgischen  Ciebieten;  die  Polizeiordnungen 
von  1672  imd  1746^)  beweisen  das.   Die  Gesindeordnung 
von  1769  *)  setzte  zunächst  eine  Strafe  für  die  Mäkler  an, 
welche  die  Dienstboten  zum'  mehrfachen  Nehmen  des  Miet- 
geldes verführen;  den  Dienstboten  selber  wird  auferlegt, 
die  später  erhaltenen  Gelder  zurückzugeben  und  24  Stun- 
den im  Timn  bei  Wasser  und  Brot  zuzubringen.    Die 
Dienstboten  in  der  Vogtei  Hahnbach  (Oberpfalz)  wur- 
den nach  demi  Ehhaftrecht  von  1559^)  mit  Lohnverlust 
und  fünf    Gulden   gestraft.    In  Würzburg  waren  die 
Dienstboten  nach  der  Taxordnung  von  1652*)  straffrei, 
wenn  sie  sich  mehrfach  vermieteten.    Sie  mußten  beim 
ersten  Mieter  eintreten  und  den  späteren  Ersatzmann  cder 
Schadensersatz  verschaffen.  Strafe  ist  in  demselben  Para- 
graphen für  die  Dienstboten  angedroht,  die  sich  vermie- 
ten, aber  vor  dem'  Antrittstag  „uffsagen".  Diese  kommen 
in  Verhaft,  bis  sie  ihre  Pflicht  erfüllen.    Diese  Polizei- 
strafe, nicht  um'  ru  vergelten,  sondern  um:  den  Dienst- 
antritt zu  erzwingen,  kann  auf  das  Doppelt veamieten  keine 
Anwendung  erfahren;  hier  wird  die  Bereitwilligkeit  des 
Dienstboten  zum»  Eintritt  bei  dem  ersten  Mieter  unterstellt, 
so  daß  ein  Zwang  dazu  nicht  ausgeübt  zu  werden  braucht. 
Straflos  bleiben  die  doppeltvermieteten  Dienstboten 
auch  nach  württembergischem  Rechte,  wenigstens 
wird  die  auf  den  einfachen  Nichtantritt  gesetzte  Strafe 
für  den  Fall  der  betrügerischen  mehrfachen  Verdingung 
nicht  gesteigert  oder  überhaupt  geändert.    Nur  die  spä- 
teren Mieter  sollen  bestraft  werden.   So  ist  es  nach  deM 


')  Corp.Const.  Brandenb.-Culmb.  II 1  S.6&6ff.,  bes.  694;  S  675  ff. 
•"  ")  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  28  Y  Nr.  779  Repert.  288.  -  •)  von  Fink, 
geöffnete  Archive  S.  861  ff.,  bes.  868.  -  *)  Tit  IV  §  1 ;  Kr.  A.  Würz- 
burg. V.  9661. 


-    460    — 

Vogtbuch  für  Ramlsberg  von  1556*):  „Wölcher  auch 
ain  solchen  vor  versprochen  ehehalten  wissentlich  dingt, 
der  soll  umlb  ain  gtddin  gestraaft  werden."  Noch  weiter 
geht  mit  Auf stelltmg  einer  ganz  eigenartigen  Präsumption 
die  württemlberger  Schäferordnung  von  1651  •).  Der  zweite 
Mieter  wird  stets  giestraft,  „weil  wohl  zu  vennluthen,  dass 
er  den  Knecht  verführet**. 

Die  hessischen  Gesindeordnungen  von  1736, 1748, 
1797,  1801  und  1816*)  gehen  ständig  mit  Strafen  vor. 
Auf  Verlangen  des  ersten  Mieters  wird  der  Dienstbote 
ihm  zwangsweise  in  den  Dienst  geführt.  Außerdem  er- 
hält der  Dienstbote  einige  Tage  Gefängnis.  Den  spä- 
tem Mietern,  soweit  sie  gutgläubig  waren,  ist  das  Mietgeld 
zurückzugeben.  Bösgläubige  zweite  Mieter  erhalten  das 
Geld  nicht  zurück;  statt  ihrer  bekommen  es  die  Armen, 
und  die  Herrschaften  werden  gebührend  gestraft.  So  be- 
stimmen die  genannten  Gesindeordnungen  übereinstim- 
mend ;  die  hanauer  von  1748  stellt  in  §  6  den  ersten  Mieter 
sogar  noch  besser:  der  Dienstbote  muß  ihm  das  Miet- 
geld zurückgeben  tmd  außerdem  einen  vierteljährlichen 
Lohn  erstatten. 

Die  Polizeiordnimg  für  Nassau-Katzenelnbo- 
gen  von  1597*)  stellt  den  Dienstleuten,  die  mehrere  Miet- 
gelder nehmen,  in  Aussicht,  daß  sie  (wie  bei  Entlaufen 
aus  dem  Dienst)  „der  gebür  angesehen'*  werden  sollen. 
„Würde  aber  ein  Leichtsinniges  gemüthe  sich  zweyen 
Herren  zugleich  vermiethen'*,  dann  muß  es  den  ersten 
Dienst  antreten  imd  dem  späteren  Mieter  das  Mietgeld 
zurückgeben  oder  einen  Ersatzmann  stellen  —  dies  steht 
in  der  gederner  Gesindeordnung  von  1681*^).   Die  Po- 

*)  Wintterlin,  Württembergische  ländL  Rcchtsquellen  I S.  759flf., 
bes,  767.  —  *)  Reyscher,  Gesetze  XIII  S.  108.  —  •)  LO.  IV  S.  410; 
St.  A.  Marburg.  IX  A  1621;  LO.  VII  S.  727;  Vill  S.  26;  MöIIer- 
Fuchs  S.  118.  -  *)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  »)  Gräfl.  Stolb.  Archiv 
in  Gedem.  B  XX«  „Allerhand  Verordnungen  und  Befehle  so  in  der 
Grafschaft  Stolberg-Gedem  ergangen",  &  61. 


—     461     — 

lizeiordnung  für  Sayn-Wittgenstein  von  1776^)  er- 
härtet ihre  ähnlidhen  Bestimlmungen  durch  Strafdrohun- 
gen wider  das  Gesinde  und  die  bösgläubigen  späteren 
Mieter ;  diese  haben  keinen  Ersatzanspruch  und  bekomlmen 
2  bis  6  Tbaler  Strafe,  das  Ciesinde  erhält  zwei  Tage  Ge- 
fängnis. 

Strafdrohungen  enthält  ziemlich  regelmäßig  auch  das 
rheinische  Recht.     Die  kölnische  Polizeiordnung 
von    1723*)    bedenkt    die    betrügerischen,     sich    mehr- 
fach vermietenden  Dienstboten  mit  einer  Mark  Strafe; 
ebenso    die    Herrschaften,    die    einem    schon    vermiete- 
ten Dienstboten    den  Mietpfennig    „wissentlich    auftrin- 
gen".   Die  clevische  Gesindeordnung  von  1753 •)  be- 
handelt die  Frage  an  verschiedenen  Stellen*).   Der  erste 
Mieter  hat  den  Vorrang.  Das  Geisinde  miuß  die  späteren 
Mietpfennige  erstatten  imd  kommt  etliche  Tage  ins  Ge- 
fängnis. Etwas  dimkel  sagt  die  Gesindeordnung  fürs  Land 
vom  7.  Januar  1769^)  in  §  8:    „Im  Fall  aber,  dass  ein 
Dienst-Bothe  doppelt  Mieths-Geld  angencHiiimen  hätte,  soll 
er  das  erste»  mit  dem  letzteren  verlustig  seyn  (d.  h.  wohl, 
er  soll  sie  beide  verlieren),  oder  mit  dreytägiger  Gefäng- 
niss-Strafe beleget  werden".    Später  heißt  es  dann  noch 
IQ  §  53,  daß  der  doppeltvermietete  Dienstbote  den  letzten 
Mietpfennig  erstatten  mluß   imd  Gefängnisstrafe  erhält. 
Noch  die  alte  Boykottierungsstrafe  in  einiger  Beschrän- 
kung steht  in  der  Dienst botenordnung  für  Düsseldorf 
von  1809  •).  Nach  Art.  4  sind  nicht  nur  die  späteren,  son- 
dern alle  Mietpfennige  zurückzugeben,  xmd  der  Dienst- 
bote darf  inü  nächsten  Jahre  bei  keiner  der  b^iachteÜigten 
Herrschaften  Dienst  nehmen.  Außerdem  muß  der  Dienst- 
bote den  Betrag  der  erschwindelten  Mietpfennige  noch- 


')  Univ..BibU  Marburg.  —  •)  Scotti,  Köln  S.  I  1  S.  628.  — 
")  Scotti,  Qevc  S.1452.  — *)  In  Tit  II  §§  11  und  12  und  in  Tit.  IX 
S  6.  ^  •)  Scotti  a,  a.  O.  S.  1894,  —  •)  Scotti,  JüUch  S.  12B2. 


—    462    — 

mials  zur  Armenkasse  erlegen,  aus  seinem  Vermögen  oder 
von  künftigem'  Lohne. 

In  Münster  bestand  schon  nach  Statut  von  1373^) 
die  Ausweisxmgsstrafe  der  miehrfach  vermieteten  Dienst- 
boten. Die  Gesindeordnung  der  westfälischen  Ritter 
imd  Städte  von  1423  *)  setzt  eine  Mark,  bei  Unvermögen 
Haft  als  Strafe  der  Herrschaft  an,  die  wissentlich  einen 
schon  vermieteten  Dienstboten  annimmt.  Nach  dem  Land- 
rechte der  sieben  Freien  in  Westfalen *)  schuldet  der 
doppeltvermietete  Dienstbote,  der  zu  einem  der  späteren 
Mieter  eintritt,  „die  höchste  broeke**;  er  muß  einen  Er- 
satzmann stellen,  ja  auch  der  spätere  Mieter  scheint  den 
ungetreuen  Dienstboten  nicht  behalten  zu  dürfen.  Eine 
besondere  Berechnimg  der  Geldstrafen  kannte  Biele- 
feld nach  der  Bürgersprache  von  1578*):  „Wan  ock 
einer  zween  offt  mehr  Weinkauffe  aufbürde  den  ersten 
sol  Er  holden  imd  den  andern  Dienst  lohnen  und  so 
mannigen  Weinkauff  boven  den  ersten  so  mannige  vier 
Schillinge  Schwaer**.  Drei  Mark  ist  die  Straf sumtae  der 
paderborner  Polizeiordnung  von  1655  Tit.  25^). 

Auch  die  Gesindeordnung  der  Vertragsstaaten  am 
Harze  von  1445®)  setzt  eine  feste  Geldbuße  von  zwei 
Schock  Groschen  fest.  In  Braunschweig  sollte  die 
vom  Echteding  1532 '')  festgesetzte  Geldstrafe,  bis  zu  deren 
Erlegimg  der  Dienstbote  keine  Stelle  annehmen  durfte, 
wohl  auch  für  das  Doppeltvermieten  Geltung  haben.  Die 
Polizeiordnungen  von  1573  und  1579®)  stellen  einjähriges 
Dienstverbot  zur  Wahl  mit  dem  Eintritt  beim  ersten  Mie- 
ter.    Die  Gesindeordnimg  für  Wolfenbüttel    von    1748  •) 

*)  Niesert,  Urkundensammlung  III  S.  121.  —  •)  Selber tz, 
Urkundenbuch  III  S.  48  flF.,  bes.  46.  —  •)  Grimm,  Weistümer  III  S,  67ff 
—  *)Walch,  Bey trage  III  S  58 ff,  bes.  75.  —  •)  Landesverordnungen 
Paderborn  I  S.  6.  —  •)  Zeitschr.  des  Harz- Vereins  für  Geschichte  und 
Altertumskunde  27.  Jahrg.  S.  427.  —  ^)  Hänselmann,  Urkunden- 
buch I  S.  825  Art.  22.  —  •)  Ebenda  S.  404,  458  (Art.  94).  —  •)  Archiv 
Wolfenbüttel  Nr.  7097. 


-     463    — 

erklärt  die  erste  Mietung  wie  stets  für  allein  gültig ;  später 
genommene  Mietspfennige  müssen  zurückgegeben  werden, 
und  dazu  wird  der  Dienstbote  noch  eines?  Vierteljahrs- 
lohnes für  verlustig  erklärt  oder  er  muß  zwei  Tage  Ge- 
fängnis absitzen.  Wer  bösgläubig  bereits  vermietete 
Dienstboten  „an  sic'h  ziehet  und  miethet**,  hat  5  bis  10 
Th.  Strafe  zu  zahlen  tmd  „den  imbefugter  Weise  gemie- 
theten  Dienstboten  fahren  zu  lassen". 

In  Weimar  wtirden  Doppelt  vermieten  und  Nicht- 
antritt 1651  ^)  gleichermlaßen  mit  einer  Geldstrafe  in 
Höhe  des  Vierteljahrslohnes  belegt.  Genauere  Regelung 
bringt  die  Jenaer  Ordnung  von  1751 2).  Beim'  ersten 
Mieter  ist  anzutreten,  den  getäuschten  Dienstherrn  ge- 
bührt Rückgabe  des  Mietgeldes  und  Ersatz ;  während  Ab- 
sitzung der  verwirkten  zwei  bis  drei  Wochen  Gefängnis 
muß  der  Dienstbote  dem  Herrn  einen  Ersatzmann  stellen 
oder  sich  Lohn  abziehen  lassen.  Diealtenburgischen 
Gesindeordnomgen  von  1719  und  1744*)  erklären  den 
ersten  Dienst  für  giltig;  die  getäuschten  späteren  Mieter 
haben  gegen  den  Dienstboten  Anspruch  auf  Stellung  eines 
Ersatzmaimes.  Außerdem  wird  der  Betrüger  gestraft,  will- 
kürlich 1719,  mit  zwei  Gulden  oder  sechs  Tagen  Gefäng- 
^s  1744.  Diese  Regelung  ist  1744  dieselbe  wie  die  des 
einfachen  Nichtantrittes. 

Nicht  zur  ganzen  Klarheit  durchgednmgen  sind  die 
Polizeistatuten  der  Stadt  Peina  (Peine)  von  1597*).  Der 
Dienstbote,  der  sich  mehrfach  vermietet,  soll  den  ersten 
Dienst  antreten  oder  —  wohl  für  den  Fall,  daß  er  nir- 
gends eintreten  will  —  ein  Jahr  lang  nicht  in  der  Stadt 
<lienen.  Wer  solch  Gesinde  behaust  oder  anninimt  „ohne 
dess  vorigen  (d.  h.  des  ersten  Mieters?)  Bewilligung",  er- 
hält drei  Gulden  Strafe.    „Es  were  dan,  das  einer  sich 

*)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV  S,  152.  —  •)  Ebenda 
S.  158.  ^  »)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVIII  f  A  870;  XVIII  f  B  1119« . 
-  *)  Pufcndorf,  Obs.  iur.  IV  app.  S.  242  ff.,  bes.  278. 


—    464    — 

zu  seinen  Eltern  begeben  und  einkommen  müßte'*;  dies 
kann  wieder  nur  für  den  Fall  einfachen  Nichtantrittes 
gelten.  Auch  das  lüneburger  Stadtrecht  des  16.  oder 
17.  Jhdts.^)  wählt  ak  Strafe  für  das  Doppeltvermieten 
Ausweisung;  der  Dienstbote  „soll ...  in  unsrer  Stadt  nicht 
geduldet  werden".  Bösgläubige  Herrschaften  erhalten  für 
das  spätere  Mieten  zehn  Mark  Strafe.  Die  Polizeiord- 
nung Braunschweig-Lüneburgs  von  1618*)  straft 
das  Gesinde  für  den  Mietbetrug  überhaupt  nicht ;  aber  die 
bei  der  Mietung  bösgläubige  Herrschaft  erhält  eine  Geld- 
buße auferlegt.  Das  Stadtrecht  Lauenburgs  von  1599'} 
will  mit  zweijähriger  Ausweisung  den  Dienstboten  züch- 
tigen, der  dem  ersten  Mieter  nicht  den  Vertrag  hält. 

Daß  die  große  Gesindeordnimg  für  Hannover  von 
1732*)  sehr  ausführliche  Bestinmnmgen  wider  das  Dop- 
peltvermieten bringt,  ist  nicht  verwunderlich.  Die  erste 
Herrschaft  hat  den  Vorrang.  Die  späteren  Mieter  muß 
der  Dienstbote  durch  Rückgabe  des  Handgeldes  und  Stel- 
lung eines  Ersatzmannes  zufriedeostellen.  Ist  dies  nicht 
timlich,  dann  hat  der  Dienstbote  jedesmal  einen  halbjähr- 
lichen Lohn  zu  erstatten.  Außer demi  erhält  er  einige  Tage 
Gefängnis  bei  Wasser  und  Brot.  Im"  weiteren  Verlauf  der 
Ordnimg  wird  nochmials  eine  Strafe  für  das  Gesinde  fest- 
gesetzt :  nach  Vermögen  Geldstrafe,  bei  Unvermögen  Ge- 
fängnis. Bösgläubige  Herrschaften  werden  mit  Geldstra- 
fen je  nach  ihrem  Vermögen  belegt.  Die  Gesindeord- 
nung des  Hochstiftes  Osnabrück  aus  dem  Jahre  1766 ^) 
sichert  den  späteren  Mietern  dreifache  Erstattung  des 
durch  Betrug  vom'  Gesinde  eingenommenen  Mietgeldes 
zu.  Bei  diesen  Dienstherrschaften  darf  das  Gesinde  nicht 
wieder  dienen.  Bösgläubige  Mieter  werden  mit  5 — 10  Th. 


*)  Pufendorf  a.a.O  S.624flF.,  bes.  796.  —  *)  Landesordnungen 
Lüneburg  Cap.  4  Bd.  1  S.  1.  -  »)  Pufendorf  a.  a.  O.  Ul  app.  S.9Wff* 
bes.  817.  —  *)  Spangenberg,  Verord.  f.  Hannover  IV  2  S.  461.- 
•)  Klöntrupp,  Handbuch  H  S.  75,  76. 


—    466    — 

gestraft.  Als  Strafe  des  Gesindes  werden  zum  Schluß 
24  Stunden  Gefängnis  angekündigt ;  auch  erfolgt  zwangs- 
weise Anhaltung  der  Dienstboten  zur  Schuldigkeit^). 

Das  Wohlwollen  der  Gesetzgeber  für  die  Dienstherr- 
schaften ging  so  weit,  daß  unter  gewissen  Umständen 
den  Dienstboten  sogar  das  Doppeltvermieten  erlaubt  oder 
doch   milder  angesehen  wurde.    Wenn   eine   Herrschaft 
glücklich  einmal  einen  Dienstboten  hatte,  dann  sollte  sie 
ein  besonderes  Recht  an  ihm  haben,  daß  er  ihr  seine 
Dienste  fortsetzte,  ehe  er  sie  andern  anbot.   Das  konnte 
die  Herrschaft  ja  zunächst  einfach  durch  Abrede  erreichen. 
Aber  ihr  Recht  am  Dienstboten  ging  weiter  noch  dahin, 
daß  trotz  bereits  geschehener  anderweiter  Vermietung  des 
Dienstboten  derjenigen  Herrschaft,  bei  der  dieser  gerade 
in  Diensten  stand,  ein  Vorzugs-  und  Widerspruchsrecht 
gegen  die  neue  Mietung  gehörte.    Die  alte  Dienstherr- 
schaft ist  es,  „de  were  dar  neger  tho  beholdende**.  Hatte 
sich  der  Dienstbote  also  während  seines  alten  Dienstes 
noch  bei  einem  neuen  Herrn  vermietet,  dann  konnte  unter 
gewissen  Bedingungen  die  alte  Herrschaft  gleichwohl  mit 
dem  Dienstboten  ihren  Vertrag  erneuem;  das  galt  dann 
Aach  manchen  Rechten  nicht  als  ein  gleich  sonstigen 
Doppeltvermietungen  strafbares  Vergehen  des  Dienstbo- 
ten. Immerhin  bedeutet  die  Gültigkeit  des  nach  der  Neu- 
vennietung geschlossenen  Vertrages  mit  der  alten  Herr- 
schaft und  die  Entkräftung  des  inzwischen  abgeschlosse- 
nen Mietvertrages  eine  Ausnahme  von  den  allgemeinen 
Rechtsg^rundsätzen ;  nur  wo  die  besondere  Regel  ausdrück- 
lich ausgesprochen  ist,  kann  sie  wirken.  Zeitlich  ist  kein 
Unterschied  zwischen  der  Erlaubnis  und  dem  ausdrück* 
liehen  Verbot  eines  Vorzugsrechtes  der  alten  Herrschaft 
festzustellen.   Vom  15.  bis  ins  19.  Jhdt.  hinein  wird  der 
alten  Herrschaft  die  besondere  Gunst  zugesichert.  Wäh- 

')  Es  sei  ferner  auf  die  bei  Dorn  S.  188  ff.  angefahrten  Gesinde- 
gesetze des  18.  Jhdls.  verwiesen. 

KSnneckc.  3Q 


—     466     — 

rend  derselben  Zeit  geben  andere  Gesetzgeber,  die  aller- 
dings in  der  Überzahl  sind,  ihrem  Mißfallen  über  eine 
solche  Gewohnheit  Ausdruck  und  vterbieten  sie. 

Eine  ausdrückliche  Gestattimg,  daß  die  alte  Herr- 
schaft trotz  anderer  Abrede  des  Dienstboten  diesen  im 
Dienste  behält,  wird  zuerst  in  der  Gesindeordnung  der 
Harzländer  von  1445 ^)  ausgesprochen.  Der  Dienstbote 
soll  aber  seine  Absicht,  beim  alten  Herrn  zu  bleiben,  dem 
lieuen  Mieter  vier  Wochen  „tovom",  wohl  vor  dem  ver- 
abredeten Antritt,  anzeigen.  Hierauf  beriiht  wohl  die  ent- 
sprechende Bestimmung  des  braunschweiger  Echt^ 
dings  von  1532  und  der  Polizeiordnungen  von  1573  und 
1579*).  Ähnliche  Vorschriften  kannte  das  friesische 
Recht.  Das  westerwolder  Landrecht  von  1470')  will 
wohl  denselben  Fall  regeln,  wenn  es  festsetzt:  „Weert 
sake  ene  queme  ende  ontwonne  ene  synen  denst,  ende  die 
denst  na  der  tyt  sick  verenichde  myt  synen  heren,  dat 
mach  he  doen  sonder  gebreck,  in  den  he  in  enen  anderen 
denst  nyet  weer  in  gegaen.**  Vielleicht  sollte  aber  diese  be- 
sondere Rechtsfolge  nur  für  den  Fall  des  Abwendig- 
machens *)  gelten.  Das  ostfriesische  Landrecht *)  da- 
gegen setzt  ausdrücklich  ohne  Rücksicht  auf  das  Abwen- 
digmachen eine  unterschiedliche  Behandlung  des  Falles 
fest.  Es  belegte  den  Nichtantritt  mit  Verlust  des  ganzen 
Lohnes,  das  Bleiben  bei  der  alten  Herrschaft  dagegen 
mit  der  Buße  in  Höhe  nur  des  halben  Jahrlohnes.  Solche 
Bestimmungen  galten  ferner  in  folgenden  Gebieten. 

Die  bayerische  Landesordnung  von  1553*)  ver- 
pflichtet den  Dienstboten,  der  lieber  bei  der  alten  Herr- 


^)  Zeitschr.  des  Harzvereins  f.  Gesch.  u.  Altertumskunde  27,  Jahrg. 
S.427.-  •)  Hänselmann,  Urkundenbuch  I  S.825flf.,  bes. 887;  404flC; 
468 ff.  (Kap.  M).  —  •)  V.  Richthof en,  Rechtsquellen  S.  268 ff.,  bes. 
270.  —  «)  Dies  bedeutet  „entwinnen",  Schiller-Lübben  IS.  709. 
—  »)  Wicht  II  282.  —  •)  Kr.  A^  Amberg,  Repert.  Landrecht  Polizei 
Fasz.  1  Akt.  9. 


-     467     - 

Schaft  bleiben  will,  dero  neuen  Mieter  den  Mietpfennig 
zuräckzugeben  und  ihm  die  geänderte  Absicht  anzuzeigen« 
In  der  Bürgersprache  zu  Bielefeld  aus  1578^)  ist  die 
Regelung  so,  daß  die  frühere  Dienstherrschaft  zwei  oder 
drei  Tage,  nachdem:  sie  von  der  Neuvemüetung  ihres 
Dienstboten  erfahren  hat,  sich  über  die  Ausübung  ihres 
Weitennietrechtes  erklären  muß ;  danach  muß  der  Dienst- 
bote seine  Verabredung  mit  dem  neuen  Mieter  halten. 
Auch  eine  Willkür  von  Zittau  aus  dem  Jahre  1567  ge- 
stattete die  Vorzugsstellung  der  alten  Dienstherrschaft  und 
Heß  das  Gesinde  straflos*).  Etliche  Schwierigkeiten  be- 
reiten  der  alten  Herrschaft  die  Statuten  Koburgs  vom 
Ende  des  16.  oder  Anfang  des  17.  Jhdts.  *).  Binnen  acht 
Tagen  muß  der  Dienstbote  dem  bisherigen  Mieter  den 
neuen  Vertrag  melden,  binnen  nochmals  acht  Tagen  hat 
der  alte  Dienstherr  dem  Neumieter  das  Mietgeld  zurück- 
zugeben und  kundzutun,  daß  der  bisherige  Vertrag  weiter- 
laufen soll. 

Späterhin  verliert'  sich  dies  Recht  mehr  und  mehr. 
In  den  vielen  polizeilichen  Gesindeordnungen  des  17, 
Jhdts.  ließ  es  sich  nur  einmal  nachweisen.  Das  nürn- 
berger Mandat  von  1628*)  spricht  das  Recht  aus;  der 
Dienstbote  muß  dem  neuen  Mieter  das  Mietgeld  zurück- 
geben Und  seine  neue  Absicht  fünf  Wochen  vor  dem  ab- 
gemachten Antrittstag  anzeigen.  Über  das  nürnberger 
Recht  des  18.  Jhdts.  wird  folgendes  berichtet*).  Will 
der  Dienstbote  lieber  doch  beim  alten  Herrn  bleiben,  dann 
kommt  es  darauf  an,  ob  der  neue  Mieter  schon  den  Leih- 
kauf gegeben  hatte.  War  er  schon  24  Stunden  in  den 
Händen  der  Dienstboten,  dann  kann  dieser  vom  neuen 
Vertrag  nicht  mehr  zurücktreten;  während  der  ersten 
24  Stunden  aber  hat  er  zu  gxmsten  der  alten  Herrschaft  ein 

»)Walch,  Bcyträge  III  S.  58flf.,  bes.  75.  —  »)  Dorn  S.  158; 
Hertz  S.  28.  -  •)  v.  Weber,  Statutarrcchte  I  S.  1128.  —  *)  Kr.  A. 
Nürnberg.    Bestand  A  Akten  Nr.  24  S.  1  L.  565,  —  »)  Dorn  S.  158. 

80* 


—    468    — 

Rücktrittsrecht.  Ein  weiteres  hiermit  eng  verwandtes  Bei- 
spiel aus  dem  18.  Jhdt.  fand  sich  nur  noch  in  der  ans- 
bacher  Gesindeordnung  von  1769^).  Wenn  nur  24  Stun- 
den über  der  Neumietung  verflossen  sind,  darf  die  alte 
Herrschaft  einen  Vertrag  auf  Fortsetzimg  des  Dienstes 
nicht  mehr  abschließen.  Merkwürdigerweise  steht  auch 
die  Gesindeordnung  für  Jülich  von  1801*)  noch  auf 
solch  antiquiertem  Standpunkt.  Bei  Doppeltvermieten  hat 
der  erste  Mieter  den  Vorzug,  „es  sey  denn  dass  der  Dienst- 
bote mit  seiner  alten  Herrschaft  einen  neuen  Mieth-Con- 
tract  geschlossen,  alsdenn  hat  diese  den  Vorzug  vor  allen 
übrigen**  (Art.  6). 

Hiemeben  verhält  sich  freilich  die  große  Masse  der 
Gesetze  ablehnend;  die  Nichterwähnung  des  Grundsatzes 
gibt  dies  kimd.  Bisweilen  findet  sich  auch  eine  ausdrück- 
liche Hervorhebung  solcher  Anschauung.    So  im  Stadt- 
recht für  Duderstadt  aus  dem  13.  oder  14.  Jhdt.'), 
in  einer  landshuter  Satzung  von  1408*),   den  ein- 
becker  Statuten  von  1549*^),  im  rheingauer  Land- 
i:echt  von  1643*)  in  der  ha  deiner  Polizeiordnimg  von 
1645''),  den  Jenaer  Statuten  von  1704®),  der  hanno- 
verschen Gesindeordnung  von  1732  und  ihrem  Nach- 
läufer, der  Gesindeordnung  für  Hanau  aus  dem  Jahre 
1748 •),  femer  in  der  altenburger  Gesindeordnung  von 
1744 ^®).  Die  bamberger  Taxordnung  von  1652 "),  spä- 
terhin dieschleswigsche  Gesindeordnung  von  1733 ^*) 
und  die  sayn-wittgensteiner  Polizeiordnung   von 

*)  Kr.  A.  Nürnberg  S  28  ^  Nr.  779  Repcrt  288.  -  •)  Scotti, 
Jfllich  S.  880.  -  •)  Gen  gier,  Deutsche  Stadtrechte  des  Mittelalters 
S.  98.  —  *)  Staudenraus,  Chronik  I  S.  107.  —  »)  Pufcndorf, 
Obs.  iur.  II  app.  S.  208  ff.,  bes  227.  —  •>  Abschrift  in  einem  Sammcl- 
bände  der  Stadtbibliothek  zu  Mainz.  —  ')  Spangenberg,  Verord.  f^ 
Hannover  IV  8  S.  266.  -  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  VU 
S.  416.  -  »)  St.  A.  Marburg.  IX  A  1621.  -  ";  Univ  -Bibl.  Marburg. 
XVIII  f  B  1119«.  —  "I  Kr.  A.  Bamberg.  Bamberger  Verordnungen 
Rep.  141  Nr.  69.  -  ")  Sehr  ad  er,  System  III  S.  191. 


-    469    — 

1776*)  verbieten  den  Dienstherren,  ihre  Domestiquen  an 
anderweiter  Vermietung  zu  hindern. 

Anstatt  der  bisherigen  Dienstherrschaft  eine  A»rt  Vor- 
mieterecht gegen  die  bereits  anderswo  geschehene  Neu- 
vermietung  einzuräiunen,  verlangen  einige  ältere  Rechte, 
daß  Gesinde  nur  mit  Vorwissen  der  alten  Herr- 
schaft gemietet  werden  darf*).  Hieraus  leitete  sich  spä- 
terhin das  Zeugniswesen  her;  gleiches  bezweckte  die  den 
mietenden  Dienstherrschaften  bisweilen  auferlegte  Pflicht 
zur  Erkundigung  bei  der  vorigen  Herrschaft,  ob  der  Dienst 
dort  beendet  sei*). 

Praktischer  ist  das  von  den  ältesten  Zeiten  bis  ins 
18.  Jhdt.  hinein  gebräuchliche  Verfahren,  daß  für  die 
Ding^ung  des  Gesindes  eine  bestimmte  Zeit  vor  der 
Beendigung  des  alten  Dienstes  vorgeschrieben  wird, 
oder  daß  womöglich  erst  nach  Dienstbeendigung  die  Neu- 
roietimg  gestattet  wird.  Diese  letzte  Art  trifft  man  im 
Mittelalter,  solange  sich  noch  keine  Kündigungsfristen 
herausgebildet  hatten*).  Späterhin  ist  meist  die  Kündi- 
gungsfrist *)  als  Zeit  der  Neumiete  erlaubt ;  vorherige  Ver- 
mietimg ist  verboten.  Oder  die  Gesetzgeber  verlassen  sich 
auf  die  Sitte  gleichzeitiger  Mietung  im  Lande  und  setzen 
eben  bestimmten  Jahrestag  an,  von  dem>  an  die  Dingung 
neuen  Gesindes  vorgenommen  werden  darf*).  In  außer- 
ordentlich engem  Zusammenhange  stehen  diese  Rechts- 
gebilde mit  den  häufigen  Verboten  des  Abspenstig- 
machens,  auf  die  unten  in  §  15  näher  eingegangen  wird; 

*)  Univ.-Bibl. Marburg.  —  •)  Hertz  S.  17,  18.-»)  Ober  Zeugnis- 
wesen unten  §  16;  über  die  Anordnung  mündlicher  Erkundigung 
unten  §  18.  -  *)  Hertz  S.  17,  18.  -  •)  Hierüber  unten  §  12.  — 
)  Diese  Dingungstage  sind  nicht  mit  den  weiter  unten  behandelten 
Tagen  des  Diensteintrittes  zu  verwechseln.  —  Wie  sehr  die  Gesinde- 
^t  zu  immer  früherer  Mietung  der  Dienstboten  auf  späte  Termine 
verleitet,  wird  in  Hesslers  hessischer  Landeskunde  II  S  815  be- 
lichtet; schon  Mitte  Sommer  oder  noch  früher  wird  das  Gesinde  au& 
nächste  Jahr  verpflichtet 


—    470    — 

hier  mag  zunächst  nur  eine  Übersicht  über  das  Recht  ge- 
geben werden,  wonach  die  Dingung  vor  einem  bestimmten 
Tage  verboten  ist. 

Während    im    hamburger  Recht    von   1292  und 
1497^)  die  Nennung  von  Ostern  und  Michaelis  als  Miet- 
termine  nur  als  Beispiel  zur  Erläuterung  der  Vorschrift 
über  den  Antrittstermin  zu  gelten  hat,  ohne  daß  eine 
Rechtsnorm  mit  weitergehender  Wirkung  damit  geschaf- 
fen werden  sollte,  setzen  die  Statuten  für  Mühlhausen 
nach  1311 ')  den  Andreastag,  30.  Noviember,  als  frühesten 
Miettermin  fest.  Vorherige  Mietung  ist  nichtig  und  wird 
mit  zwölf  Schillingen  an  der   Herrschaft  gestraft,    un- 
gefähr gleichen  Alters  ist  ein  göt tinger  Statut'),  das 
einem  nicht  zu  „rechter**  Zeit  mietenden  Herrn  Schadens- 
ersatz an  die  dadurch  benachteiligte  Dienstherrschaft  auf- 
gibt.    Noch    dem'    14.  Jhdt.    gehört    die    Stadtordnung 
Traunsteins  (1375)  an*),  welche  „Entfremdung"  des 
Gesindes  „e  der  zeit**  bei  Strafe  untersagt.  Wichtig  fat  das 
im   15.  Jhdt.  in  Nürnberg  geschaffene  Recht*).    Zu- 
nächst bestehen  keine  Aufsagefristen.    Daher  wird  bei 
Strafe  der  Herrschaft  und  des  Gesindes  verboten,  einem 
andern  die  Dienstboten  „vor  irem  zil**  abzudingen.  Danach 
ergeht  ein  gleiches  Verbot,  aber  für  die  Abmietimg  früher 
als  sechs  Wochen  vor  dem  Dienstende.   Die  weimari- 
sche Landesordnung  von  1482^)  untersagte  den  Dienst- 
boten die  Vermietung  in  einen  neuen  Dienst,  ehe  der  alte 
gekündigt  ist. 

Aus  dem  16.  Jhdt.  ist  die  umständliche  Festsetzung 
des  Jakobitages  in  der  Lohnordnung  des  überlinger 


*)  Lappenberg  I  S.  87flF,,  166ff ;  1292:  K  7,  1497:  F  1.  - 
*)  Lambert,  Rathsgesetzgebung  S.  124, 125.  — ')  v.  d.  Ropp,  StatuteD 
S.  87.  —  *)  Wcstenricder,  Glossarium  Germ.-Lat.  1  S.  XXIIIE, 
bes.  XXIV,  —  »)  Baader,  Polizeiordnungen  S.  28;  Siebenkces^ 
Beyträge  zum  teutschen  Rechte  II  S.  228 ;  vgl.  bes.  auch  unten  §  Ib- 
—  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV  S.162;  wiederholt  166L 


—    471     — 

Rates  für  die  Jahre  1558  bis  1572  ^)  zu  nennen :  „Ob  ain 
maister  oder  fraw,  ain  knecht  oder  magd,  ain  winter 
aussgef  üetteret  und  also  ain  dienst  nach  dem'  winter  seinemi 
meister  oder  frawen  noch  weiter  biss  sant  Jacobs  tag 
zu  dienen  versprochen  hat,  und  sich  aber  zutrieg,  das 
also  ainer  dem'  andern  ain  dienst  nach  dem  winter  und 
vor  verscheinung  oder  aussgangs  seins  zils  abgedinget» 
demselben  dienst  soll  weiter  alhie  zu  dienen  nit  zugelassen 
noch  gestattet  werden/*  Die  katzenelnbogener  Poli- 
zeiordnung von  1597*)  erklärt  Mietverträge,  die  vor  der 
ein  Vierteljahr  betragenden  Kündigungsfrist  abgeschlos^ 
sen  werden,  für  „ohnbündig  und  ohnkräftig". 

Auch  im  lüneburger  Stadtrecht,  das  dem  16.  oder 
17.  Jhdt.  angehört^),  ist  dies  Verbot  zu  finden,  ebenso  in 
dem  nürnberger  Gesindemandat  von  1628  ^)  mit  Sechs- 
wochenfrist, im  rheingauer  Landrecht  von  1643*)  un- 
ter Ansetzimg  von  Martini.  Besonders  ausführlich  ge- 
dachte die  1660  erlassene  Gesindeordnung  fürs  Rentamt 
München^)  der  Dingzeit.  Es  heißt  da:  „Ist  vorkom- 
men, das  etlicher  Orten  auff  dem  Land  diser  schädliche 
Missbrauch  eingerissen,  dass  die  Ehehalten  schon  zu 
Jacobi  oder  Michaeli  (siel),  in  andere  Dienst  angeredt 
und  wo  nit  also  gleich  gedingt :  doch  mit  bezahlung  eines 
Tnmcks,  oder  in  andere  weeg  etwas  verhäff telt :  und  dar- 
durch  verursacht  worden,  das  nachgehends  dergleichen 
Ehehalten  bey  jhren  Herrschafften  die  übrige  Zeit  dess 
Jahrs  sich  sehr  unfleissig,  trutzig:  und  pucherisch  ver- 
halten, imnd  der  Arbeit  nit  mfehr  wie  vorhero  abgewartet 
haben,  welche  frühezeitige  Anred-  und  Abdingung  der 
£behalten  hiemit  solle  abgeschafft:  und  keinem  ehender 
nit,  dann  erst  zwischen  Martini  und  Andraee  einigen  Ehe- 


*)  Oberrhein.  Stadtrechte  II  2  S.  457  flF.,  bes*  4B8.  —  »)  Univ.- 
BibL  Marburg.  -•)  Pufendorf,  obs.  iur.  IV  app.  S.  624flE:,  bes. 796» 
-  *)  Kr.  A.  Nürnberg.  Bestand  A.  Akten  Nr.  24.  S.  1  L.  506.  — 
»)  Stadtarchiv  Mainz.  —  •)  Kr.  A.  München.    GR.  Fasz.  402  Nr.  1. 


—    472    — 

halten  in  seine  Dienst  anzweden  oder  zu  dingen  ^'erlaubt 
und  zugelassen."  Die  Mietung  ungekündigten  Gesindes 
war  es  auch,  was  in  Gedern  1681^)  verboten  wurde. 
Das  Recht  Münsters  blieb  sich  stets  gleich  in 
der  Bestimmung  der  Ding^eiten.  Ein  alter  Godingsar- 
tikeP)  nennt  Neujahr  und  Johannis  Baptistae  [24.  Juni); 
fünf  Mark  Poen  stehen  auf  der  Übertretung  des  i^botes. 
Die  Godingssartikel  des  Domkapitels  in  der  Fassung  von 
1715«)  ermäßigen  die  Strafe  auf  drei  Mark.  Auch  die 
Gesindeordnung  von  1722*)  verbietet  Dingung  vor  den 
genannten  Terminen.  Durch  Edikt  von  1733  *)  wtirde  dies 
gemildert.  Es  soll  künftig  gestattet  sein,  das  eigene  oder 
doch  in  keines  anderen  Dienste  stehende  Gesinde  jeder- 
zeit zu  mieten;  nur  auf  das  in  einer  fremden  Herrschaft 
Diensten  befindliche  Gesinde  soll  das  Verbot  der  Ordnung 
noch  angewandt  werden. 

Mit  zehn  Gulden  Herrschaftsstrafe  bedroht  eine  un- 
datierte Gesindeordnung  für  Nassau-Usingen  aus 
dem  18.  Jhdt.  ^)  die  Mietung  (locken  imd  abspannen)  des 
in  fremdem  Dienste  stehenden  Gesindes  vor  Michaelis. 
Eine  Jülich  er  Verordnung  von  1744')  erklärt  Dienst- 
boten, die  sich  früher  als  ein  Vierteljahr  vor  Dienstende 
neu  vermieten,  ihres  Lohnes  verlustig;  die  so  zu  Unrecht 
mietenden  Dienstherrschaften  werden  mit  25  Goldgulden 
gestraft.  Die  in  demselben  Jahre  erlassene  fürstlich  alten- 
burgische  Gesindeordnung ^)  enthält  das  Verbot,  daß 
Gesinde  gemietet  wird,  ehe  es  bei  der  alten  Herrschaft 
seinen  Abschied  genonmien. 


*)  Gräfl.  Stolbergisches  Archiv  Gedern.  B.  XX  „Allerhand  Ver- 
ordnungen und  Befehle  so  in  der  Grafschaft  Stolberg- Gedern  er- 
gangen'' S.  61.  —  «)  Archiv  f.  Gesch.  u.  Alterthumskunde  Westphalens 
VI  S.  »62.  -  •}  Philippi,  Landrechte  S.  181.  -  *)  Landesverord- 
nungen Münster  I  S.  868.  —  »)  Ebenda  S.  869.  —  •)  St.  A.  Wiesbadea 
V.  Nassau  •  Usingen  Generalia  IIjl  Verordnungen  Band  V  S.  128.  — 
•)  Scotti,  Jülich  S.400.-»)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVffl  f  B  11191. 


—    473    — 

Streng  ist  das  Recht  der  osnabrücker  Gesinde- 
ordnung von  1766^).   Mit  der  Mietung  soll  bis  zum  Be- 
ginn der  nach  Jahrestagen  genau  bestimmten  Kündigungs>* 
zeit  und  bis  zur  tatsächlich  geschehenen  Kündigung  ge- 
wartet werden.  Vermietimgen  vorher  sind  gleichwohl  un- 
gültig,  mag  auch  noch  so  lange  zuvor  gekündigt  sein. 
Dienstboten,  die  sich  vermieten,  solange  sie  noch  bei 
der  alten  Herrschaft  (ungekündigt)  in  Diensten  stehen, 
erhalten  24  Stunden  Gefängnis  bei  Wasser  und  Brot  und 
können  zur  Erfüllung  ihrer  Pflichten  zwangsweise  ange- 
halten werden.  Milder  war  das  Recht  der  Gesindeordnung 
für  Ravensberg  aus  dem  Jahre  1766*).   Gesinde  darf 
bei  3  bis  10  Thaler  Strafe  nicht  gemietet  werden,  be- 
vor es  von  der  alten  Herrschaft  entlassen  und  hierüber 
Zeugnis  beigebracht  ist. 

Eine  Mietui^g,  die  zu.  anderer  Zeit  als  Josephi  oder 
Martini  vorgenomlnen  wurde,  sollte  nach  dem«  Willen  der 
österreichischen  Gesindeordnung  von  1779')  un- 
gültig sein.  In  Bayern  beschränkte  man  sich  während 
des  18.  Jhdts.  *)  darauf,  die  Verdingung  ungekündigter 
Dienstboten  bei  Arreststrafe  zu  verbieten,  und  den  neuen 
Mietern  Anzeige  bei  der  vorigen  Dienstherrschaft  anzu* 
empfehlen  (Gesindeordnung  von   1781*)). 

Nach  einigen  Quellen  durfte  das  Gesinde  noch  nicht 
einmal  bei  dem  Austritte  aus  dem<  alten  Dienste  neuge- 
dungen werden,  sondern  der  neue  Mieter  mtißte  erst  noch 
eme  Zeit  lang  warten,  damit  das  Gesinde  nicht  in  frischer 
Erinnerung  an  die  Besonderheiten  des  früheren  Dienstes 
jener  ersten  Herrschaft  einen  Schaden  bereitete.  Der 
boineburger  Burgfriede  von  1446*)  ließ  die  Mietung 
von  Gesinde  aus  anderm  Dienste  nicht  zu,  bevor  ein  Vier- 


*)  Klöntrupp,  Handbuch  II  S.  76.  -  •)  Ravensb.  Blätter  für 
Geschichts-,  Volks-  und  Heimatskunde  1909  S.  62.  —  ')  Kr.  A.  MOnchen. 
GR.  Fasz.  402  Nn  2.  —  *)  Bayern  früher:  oben  S.  471.  —  •)  Kr.A. 
München.    AR.  Fasz.  459  Nr.  209.  —  •)  Oben  S.  897. 


—    474    — 

teljahr  seit  Beendigoing  des  vorigen  Dienstes  verflossen. 
Nach  hessischem  Judenrechte  des  18.  Jhdts. ^)  betrug 
die  Frist  zwei  Jahre,  nach  badischem  Judenrechte  von 
1792')  ein  halbes  Jahr. 

Nur  wenig  sei  über  die  Stellimg  Brandenburgs 
zu  der  Frage  des  Dienstantritts  und  des  Doppeltvermie* 
tens  gesagt').  Die  Herrschaft  konnte  bei  Versäumung 
der  Antrittspflicht  für  jede  nicht  eingehaltene  Woche  zwdi 
Thaler  vom  Lohne  abziehen  oder  unentgeltliches  Nach- 
dienen verlangen.  Handelte  es  sich  nicht  um  bloße  Ver« 
zögerung  des  Dienstantritts,  sondern  tun  dessen  völlige 
Verweigerung,  dann  erhielt  der  Dienstbote  schwere  Frei* 
heitsstrafen.  1810  wurde  die  polizeiliche  Zufühnmg  zum 
Dienst  eingeführt;  erst  wenn  dies  ergebnislos  war,  soll- 
ten Gefängnis,  Geldstrafe,  Verpflichtung  ziun'  Schad^is- 
ersatz  und  zur  Rückgabe  des  Gottespfennigs  Platz  greifen. 
Das  Doppelt  vermieten  *)  wollte  man  1620  mit  Festungs- 
strafe, 1635  mit  Ausweisung  ahnden.  Im  18.  Jhdt.  aber 
merkte  man,  daß  Freiheits-  und  Axifenthaltsstrafen  die 
Gesindenot  noch  verschärfen  mußten.  Daher  erhielt  das 
Gesinde  als  Strafe  nur  die  Erlegung  des  doppelten  zu 
Unrecht  empfangenen  Betrags  an  die  Armfenkasse  auf- 
gegeben ;  der  erste  Dienst  mußte  angetreten  werden.  Die 
bösgläubige  Herrschaft  blieb  von  peinlicher  Strafe  frei; 
sie  verlor  niu:  ihren  Ersatzanspruch. 

Im  Ordens  lande  stand  auf  Nichtantritt  und  Dop- 
peltvermieten  Geldstrafe*).  Konnte  der  Dienstbote  diese 
nicht  zahlen,  dann  mußte  er  ein  Jahr  lang  dem  ersten 
Mieter  imisonst  dienen;  der  erste  Mieter  hatte  vor  den 
späteren  Mietern  ein  Vorrecht  auf  Eintritt  des  Dienst- 
boten.   Auch   die    schlesische  Gesindeordntmg   von 


')  Oben  S.  896 f.  —  «)  Oben  S.  896 f.  —  »)  Lennhoff  S.  64.  - 
*)  Ebenda  S.  48.  -  •)  Steffen  S.  16,  16;  auch  Frauenstftdt 
S.  880. 


—    476     - 

1623  wendet  sich  gegen  das  Doppelt  vermieten  und  den 
Nichtantritt  ^). 

Die  angeführten  zahh?eichen  und  vielfältigen  Bestimf- 
mux^en  über  die  Antrittspflicht  des  Gesindes  enthalten 
nur  geringe  tuid  kümmerliche  Gegenstücke  in  Anordnun- 
gen   über  die  entsprechende  Annahmepflicht  der 
Herrschaft.    Das  Prinzip  wird  überall  hochgehalten: 
nur  wer  eine  (andere)  Dienstherrschaft  oder  die  Gesamt- 
heit der  Herrschaften  schädigt,  hat  Zwangsmaßregeln  zu 
gewärtigen,  und  wenn  er  auch  selber  zu  diesem;  hohen 
Stande  gehört.  Bei  der  Regelung  der  Nichtannahme  ge- 
mieteter Dienstboten  ist  die  Gesetzgebung  —  von  einer 
leichten  Ausnahme  abgesehen  —  immer  auf  den  juristisch 
richtigen  Standpunkte  geblieben,  daß  eine  strafbare  Hand- 
lung in  diesem  Vertragsbruch  nicht  zu  sehen  ist.  Während 
für  den  umgekehrten  Fall  —  Nichtantritt  des  Dienstes 
durch  das  Gesinde  —  sich  bald  ein  Strafrecht  ausbildete, 
fehlt  die  entsprechende  Entwicklung  hier  bei  der  Regelung 
der  Nichtannahme  der  gemieteten  Dienstboten  durch  den 
Dienstherm.    Der  Dienstbote  ist  dem  Gesetzgeber  nicht 
wert,  daß  um  seinetwillen  die  vertragsuntreue  Herrschaft 
gestraft  wird;  will  diese  den  Gemieteten  nicht  annehmen» 
dann  genügt  ein  Ersatz  —  oder  überhaupt  nichts.    Mit 
dem  ältesten  Rechte,  das  durch  Hingabe  der  arrha  niur 
den  Empfänger,  nicht  auch  den  Geber  gebunden  werden 
ließ«),  wurde  so  ejine  eigenartige  Analogie  geschaffen; 
das  Wesen  der  beiden  Erscheinungen  aber  ist  verschieden. 
Daß  beide  Teile  den  Vertrag  nicht  ohne  weiteres 
schon  vor  der  faktischen  Vollziehung  lösen  dürfen,  ist  im 
Norden  Deutschlands  altes  Recht.  Nachdem  im  wester- 


')  Frauenst&dt  S.  881.  —  Strenge  Strafen  auf  Nichtantritt 
und  Doppeltvermieten,  ganz  ähnlich  wie  in  Deutschland  bestanden 
nach  flandrischem  Rechte  von  1708  und  1719;  Behaegel,  Ser^ 
vantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du  comitö  central  du  travail 
mdustriel  1906  S.624,  660).  -»)  Gierke,  Schuld  und  Haftung,  S. 846 ff. 


—    476    — 

wolder  Recht  von  1470^)  dem  Dienstboten,  der  dea 
Vertrag  nicht  halten  will,  Zahlung  des  ganzen  Lx)hnes 
taiuf erlegt  worden  ist,  heißt  es  weiter:  „of  een  here  se 
niet  ontfangen  wolde,  sal  he  hem  dat  loen  geven*'.  Die 
bordesholmer  Gebräuche^)  machen  gleichfalls  kei- 
nen Unterschied,  ob  Herr  oder  Diener  dem  Vertrag  nicht 
Genüge  tun;  stets  muß  der  Ungetreue  dem  Gegner  den 
halben  Lohn  ersetzen.  Dies  ist  auch  der  Grundsatz  der 
späteren  sc'hleswig-holsteinischen  Rechte:  des  jüngeren 
lübischen  Stadtrechts  von  1586*),  des  eiderstädter 
Landrechts  von  1591*),  des  husumer  Stadtrechts  von 
1608*),  des  friedrichstädter  Rechts  von  1633«). 
Auch  das  spätere  schleswig-holsteinische  Provinzialrecht 
sicherte  dem  nicht  genommenen  Dienstboten  einen  Halb- 
jahrslohn zu  —  so  1749^);  oder  es  gab  ihm  (1768®)) 
den  Mietpfennig  und  einen  Quartalslohn,  während  der 
Herrschaft  vom  nicht  antretenden  Dienstboten  außer  dem 
Mietgeld  zwei  Thaler  feste  Summe  gegeben  werden  muß- 
ten, wofür  Gefängnis  eintreten  konnte. 

Zu  den  wenigen  Gesetzen,  die  in  löblichem  Paritäts- 
streben auch  die  Herrschaften  ziu:  Vertragstreue  veran- 
lassen wollen,  gehören  weiter  die  späteren  der  hessi- 
schen Gesindeordnungen.  Die  von  1736*)  und  1748**) 
zwingen  nur  den  Dienstboten  zum  Antritt  des  Dienstes; 
die  Herrschaft  kann  ungefährdet  den  Dienstboten  zurück- 
weisen. Aber  die  beiden  Gesindeordnungen  von  1797  imd 
1801  *i)  und  die  fuldische  von  1816 ")  statuieren  in  §  10 
resp.  §  8  eine  Pflicht  der  Herrschaft,  das  gemietete  Ge- 
sinde anzunehmen.    1797  Und   1801  findet    eine    unter- 

*)  v.Richthofen,  Rechtsquellen  S.  258 ff.,  bes.  269. —»)  See- 
Stern. Pauly  S.  112.  —  •)  B.  III  Tit.  8  Art.  6;  Corp.  Stat  prov. 
Hols.  —  *)  Art  42;  Corp.  Stat.  Slesv.  I  S.  1.  —  »)  HI  Tit  44;  ebenda 
II  S.  5&6.  -•)  II  2  Tit  XI  §  86;  ebenda  III  1  S.  1.—  ')  Seh  rader, 
Handbuch  II  S.  195  —  •)  St.  A.  Schleswig.  Sammlung  Grossftkrst  Ver- 
ordnungen. —  •)  LO.  IV  S.  410.  —  >•)  St.  A.  Marburg.  IX  A  1681 
")  LO.  VII  S.  727,  VIII  S.  26.  -  ")  Möller-Fuchs  S.  118. 


—    477    — 

schiedslose  Behandlung  der  beiden  Fälle  statt,  daß  die 
Herrschaft  die  Annahme  mit  „erheblichen  Ursachen"  ver- 
weigert oder  „um  ihrer  blossen  Convenienz  willen**.  Beide 
Male  ist  die  Herrschaft  zur  Entrichtung  eines  vierteljähr- 
lichen Lohnes  verpflichtet ;  aber  Kostgeld  braucht  sie  nicht 
zu  bezahlen.  Hier  wird  1816  eine  gerechtere  Unterschei- 
dung gemacht.  Außer  dem  Vierteljahrslohn  erhält  der 
Dienstbote  Kostgeld,  wenn  die  Herrschaft  aus  bloßer  Will- 
kür gehandelt  und  der  Dienstbote  außerdem  noch  keinen 
andern  Dienst  gefunden  hat ;  in  diesem  zweiten  Erfordernis 
komtnt  der  Herrenstandpimkt  freilich  wieder  deutlich  zuni 
Vorschein. 

In  hessischen  Nachbarländern  wird  gelegentlich  ein- 
mal von  der  Verpflichtung  der  Dienstherrschaft  zur  Ver- 
tragstreue gesprochen,  so  in  G  e  d  e  r  n  1681  ^),  wo  aber  das 
vertragswidrige  Verhalten  keine  Folgen  zu  ung^unsten  der 
Herrschaft  hat,  in  Waldeck  1736*)  (dem  Dienstboten 
soll  zu  seinem  Recht  verholfen  werden)  und  in  Schaum- 
burg-Lippe; hier  gibt  die  Gesindeordnung  von  1738*) 
den  nicht  angenommenen  Dienstboten  einen  Anspruch 
gegen  die  Herrschaft  auf  Belassung  des  Mietgeldes  und 
Zahlung  des  halben  Jahrlohnes.  Weiter  noch  geht  die 
Gesindeordnung  für  Münster  von  1722*).  Außer  dem 
Mietpfennig  kann  der  Dienstbote  den  ganzen  ausgemach- 
ten Jahrlohn  fordern. 

Aus  ganz  Süddeutschland  lassen  sich  gerade  zwei^ 
^im  man  will  drei  Rechtsgebiete  anführen,  wo  den 
Dienstherren  die  Erfüllung  des  Vertrages  ernstlich  auf- 
erlegt wird.  Die  Polizeiordnung  Dinkelsbühls*),  die 
dem    ausbleibenden     Dienstboten    empfindliche     Strafe 


*)  Grad  Stolbergisches  Archiv  in  Gedem.  B  XX  „Allerhand 
Verordnungen  und  Befehle  so  in  der  Grafschaft  Stolberg-Gedern  er- 
gangen", S.  61.  —  •)  Sammlung  der  Regierung  Arolsen.  -  •)  Landes^ 
^rordnungen  Schaumburg -L.  II  S.  886.  —  *i  Sammlung  Münster  I 
S.  868.  -  •)  V.  Weber,  Statutarrechte  II  S.  1016. 


-    478    — 

droht,  gibt  der  Herrschaft  für  den  Fall,  daß  sie  den 
Vertrag  nicht  halten  will,  nur  auf,  dem  Dienstboten  den 
Mietpfennig  und  einen  Vierteljahrslohn  tu.  überlassen.  So- 
idann  verdient  Baden  der  Hervorhebung,  dessen  mo- 
dernes Recht  das  einzige  Beispiel  eines  über  die  Geld- 
buße hinausgehenden  Zwangs  der  Herrschaft  zur  Annahme 
kennt.  Es  ist  in  der  großen  Gesindeordnung  der  Stadt 
Freiburg  von  1782  enthalten^).  §  12  bestimmt,  daß  die 
Herrschaft  annehmen  muß,  und  dazu  zwangsweise  ange- 
halten werden  kann.  Hilft  dies  nichts,  dann  muß  sie 
dem  Dienstboten  einen  anderen  Dienst  verschaffen  oder 
ihn  umsonst  ein  Vierteljahr  lang  in  oder  außer  dem  Hause 
verpflegen.  Die  moderne  Gesindeordnung  für  Baden  von 
1809*)  gibt  keine  derartigen  vorherigen  Bestinmiungen 
des  Schadeins,  den  der  Dienstbote  erlitten  haben  soll, 
soindern  läßt  die  Entschädigung,  auf  die  er  Anspruch  hat, 
frei  bestimmen  (§  18);  nur  aus  erheblichen  Gründen  darf 
die  Herrschaft  den  Dienstboten  zurückweisen'}. 

Es  scheint  uns  von  heutzutage  das  Natürliche  zu 
sein,  daß  der  Eintritt  des  Dienstboten  in  den  Dienst  am 
verabredeten  Tage  zu  erfolgen  hat.  Früheren  Zeiten  so- 
wie zurückgebliebelnen  Verhältnissen  der  Gegenwart  war 
und  ist  diese  Auffassung  nicht  in  dem'  Maße  selbstver- 
ständlich. In  seinem  Allmachtsbewußtsein  glaubte  na- 
mentlich der  Polizeistaat  auch  hier  Regeln  vorschreiben  zu 
können,  denen  sich  die  Vereinbarung  anpassen  sollte. 
Ihm  war    um   die  Schaffung   einer    einheitlichen   Miet- 

*)  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Gen.  6891.  —  ■)  L.  A.  Karlsruhe, 
Prov.  Niederrhein.  Gesindepolizei  Lit.  B  Nr.  1  1756-1809  IV  2.  - 
•)  Mit  Strafe  der  Herrschaft  und  Ersatzpflicht  wollte  das  fland- 
rische Recht  von  1719  den  Dienstboten  ihr  Recht  aus  dem  Vertrage 
sichern.  Aber  daneben  war  es  doch  den  Dienstherm  gestattet,  die 
Annahme  des  gemieteten  Gesindes  zu  weigern  aus  ,,motifs  lögaox 
arrivös  ä  leur  connaissance  depuis  le  jour  auquel  l'engagement  6tait 
pris'*;  Behaegely  Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  da 
comitö  central  du  travail  industriel  1905  S.  624). 


—    479    — 

und  Ziehzeit  des  Gesindes  und  um  möglichst  srleichmäßige 
Dienstdauer  m  tun;  denn,  so  war  hauptsächlich  der  Ge- 
danke, wenn  der  eine  heute,  der  andere  in  14  Tagen, 
Ider  dritte  in  IV«  Monaten  sein  Gesinde  erst  braucht, 
wie  kann  da  der  gegenseitige  Austausch  von  Gesinde 
und  Herrschaften  von  statten  gehen.  Da  muß  doch  immer 
ein  Teil  der  Dienstboten  ledig  dasitzen.  Es  war  die  be- 
kannte nationalökonomische  Betrachtungsart,  die  sich  in 
Fiktionen  gefiel,  der  die  Aufstellung  einer  Theorie  wert- 
voller war  als  die  Betrachtung  des  Lebens,  und  die  nicht 
merkte,  wie  das  Leben  sich  an  die  aufgepflanzten  Vogel- 
scheuchen nicht  kehrte,  weil  sie  eben  nur  in  der  Theorie 
existierten. 

Noch  weitere  Erwägrungen  führten  zur  Festlegung 
der  Dienstzeiten.  Der  Vertragsbruch  des  Gesindes  konnte 
leichter  kontrolliert  und  bekämpft  werden;  jeder  außer- 
halb der  anberaumten  Zeiten  dienstlos  gefundene  Dienst- 
bote war  des  Vertragsbruchs  verdächtig.  Zusammen  hier- 
mit muß  auch  der  bereits  behandelten  Verbote  gedacht 
werden,  die  sich  gegen  die  Mietung  des  Gesindes  vor 
Beginn  der  Kündigrungsfristen  oder  vor  einem  bestimmten 
Jahrestag  wendeten.  Weiter  erleichterte  die  Bestimmung 
einer  festen  Dienstdauer  das  Bestreben  der  Dienstherr- 
schaften, die  Dienstboten  möglichst  lange  fest  zu  halten  ^), 
Und  noch  etwas  bestimmte  die  Gesetzgeber  zum  Vor- 
gehen in  dieser  Richtimg,  Das  Gesinde,  das  sich  seiner 
Stärke  bewußt  ist,  bringt  es  fertig,  sich  nur  für  die  Zeit 
der  Ernte  zu  vermieten  und  die  stille  Zeit  zu  hause  zuzu- 
bringen, aber  sich  gleichwohl  den  vollen  Jahreslohn  aus- 


0  Diesem  Zwecke  dienten  die  Massregeln  zur  Festlegung  der 
Pienstdauer  nicht  allein.  Auch  die  Vorschriften,  dass  der  bisherige 
Dienstherr  das  Gesinde  trotz  anderweiter  Vermietung  behalten  darf 
<oben  S.  465  ff.),  gehört  beispielsweise  hierher,  ebenso  einif^e  Be- 
stimmungen, wonach  nur  die  ständig  angestellten  Dienstboten  be- 
sonderer Vorzüge  teilhaftig  werden  sollen  (oben  S.  818  mit  Hertz  S.  6). 


—    480    — 

zahlen  zu  lassen.  Die  Arbeiten,  die  das  landwirtschaft- 
liche Gesinde  zu  leisten  hatte,  brachten  es  mit  sich,  daß 
die  Dienstzeit  £ast  stets  auf  ein  Jahr  festgesetzt  wurde; 
die  Frage,  an  welchem  Tage  dies  Jahr  beginnen  sollte, 
wird  verschiedenartig  zu  lösen  ^^esucht.  In  den  Städten 
genügten  den  Gesetzgebern  oft  kürzere  Fristen. 

Für  die  aus  all  den  genannten  Gründen  immer  wie- 
der gewählten  Mittel,  Festlegimg  eines  bestimmten  An- 
trittstages  und  Bestimmung  d^  Dienstdauer  ^)  in  mehr 
oder  weniger  absoluter  Form,  findet  sich  in  Hessen 
das  erste  Beispiel  im  Weistum  von  Kaltensundheim 
aus  dem  Jahre  1447*):  „Wer  einen  dienstboten  hat  ge- 
dinget, geschiehet  auff  meynimg  in  einem  jar  ixler  be^ 
pante  Zeit  zu  dienen".  Im  Zweifel  also  gilt  das  Jahr 
als  Mietzeit,  aber  Abmachung  einer  andern  rkürzeren) 
Zeit  ist  zulässig.  Die  Landesgesetzgebung  in  Hessen  setzt 
erst  im  18.  Jhdt.  ein,  wenn  man  von  den  Hofordnungea 
absieht,  die  ständig  die  Mietzeit  des  Hofgesindes  auf  zwei 
Jahre  angeben'). 

Ehe  auf  jene  späten  Errungenschaften  der  hessischen 
Gesetzgebung  für  das  gewöhnliche  Gesinde  eingegangen 
wird,  sollen  einige  Angaben  über  die  tatsächlich  ge- 
bräuchlichen Ziehzeiten  in  der  vorhergehenden  Zeit  ge- 
macht werden.  Aus  einem  Prozeß  des  Knechts  Witte- 
kind in  Ottershausen  gegen  seinen  früheren  Dienstherm 
Gilbrachten  in  Rodenhausen  aus  dem  Jahre   1531  und 


0  Dass  Glosse  zum  Sp.  Art.  88  sowie  Code  civil  Art  1780  die 
Vermietung  auf  ewig  bezw.  auf  unbestimmte  Zeit  nicht  aner- 
kennen,  sei  hier  angemerkt;  abhängig  von  Code  civil  in  Ähnlicher 
Weise  Gesindeordnung  f.  Düsseldorf  1809  (Scotti,  jQlich  S.  1258).  — 
»)  Oben  S.  Mffl  —  »)  LO.  III  S.  167-182,  626,  996,  V  S.  88,  VI  S,  46. 
^  FOr  die  S  alz  knechte  in  Sooden  erwflhnt  der  Vertrag  zwischen 
Philipp  d.  Gr.  und  den  PßUinem  von  1640  als  Dienstzeit  ein  Jahr; 
U.  F.  Kopp,  Beytrag  zur  Geschichte  des  Salzwerks  in  den  Soodeik 
bey  AUendorf  an  der  Werra,  1788,  S.  99. 


—    481     — 

1532  ^)  ergibt  sich,  daß  der  Kläger  auf  ein  Jahr  gemietet 
war.  Henn  Maurer,  der  1533  g^egen  Tutores  heredum 
Adolph  Schwalbachs  um'  Lohn  klagte,  war  als  einziger 
Knecht  während  einer  Pestzeit  von  Martini  bb  Cathedra 
Petri  (22.  Februar),  also  auf  ein  Vierteljahr,  gemietet 
worden,  später  noch  einmal  von  Jakobi  (25.  Juli)  bis 
Martini,  etwas  mehr  als  ein  Vierteljahr.  Eine  reichhaltige 
Quelle  sind  weiter  die  loshauser  Gesinderegister  aus 
den  Jahren  1644 — 1743.  In  den  allermeisten  Fällen  liegt 
der  Tag  des  Dienstantritts  um'  Neujahr  herum»;  Neujahr 
selbst,  Weihnachten  oder  Tage  im'  Januar.  Auch  Michae- 
lis, Johannis,  Jakobi  xmd  Cathedra  Petri  kommen  öfter 
vor.  Die  einzige  Regel,  die  sich  daraus  ergeben  könnte, 
ist  höchstens  die,  daß  in  den  meisten  Fällen  das  Miet- 
jahr mit  demi  bürgerlichen  Jahr  zusammenfällt.  Gemietet 
wird  fast  stets  auf  ein  Jahr.  Es  komlnen  auch  einige 
Fälle  vor,  wo  der  Mietpfennig  gleich  für  ein  paar  Jahre 
gegeben  wird.  Wo  der  Dienstbote  im'  Laufe  eines  ange- 
brochenen Dienstjahres  (z.  B.  an  Stelle  eines  kranken 
oder  entlaufenen  Genossen)  gemietet  wird,  geschieht  es 
oft,  daß  die  Zeit  bis  zum'  Ende  dieses  Jahres  als  Miet- 
dauer gewählt  wird.  Der  Lohn  ist  dann  entsprechend 
gemindert;  es  heißt  wohl  auch:  er  bekommt  das,  was 
der  Vorgänger  noch  zu  fordern  hatte. 

Wenn  nach  den  angeführten  Beispielen  im'  landwirt- 
schaftlichen Leben  auch  stets  irgend  eine  Regelung  der 
Ziehzeit,  der  Dienstdauer  gebräuchlicher  war  als  andere, 
so  war  doch,  wie  das  Gesagte  ergibt,  oft  ein  Bedürfnis 
vorhanden,  von  der  Regel  abzugehen.  Daß  das  geschah, 
lag  im  Interesse  des  individuellen  Wirtschaftsbetriebs. 
Nun  wird  sich  zeigen,  wie  in  der  hessischen  Gesetzge- 
bung das  Wohl  der  Universalwirtschaft  zu  betonen  ver- 
sucht wird,  wie  beide  Lebenskreise  mit  einander  ringen, 

^)  Ebenso  wie  der  weiter  genannte  Prozess  in  Akten  des  mar- 
burger  Samthofgerichts  enthalten  (St.  A.  Marburg). 

Kfinnecke.  ^^ 


-     482     - 

und    schließlich    immer   ein  Kompromiß   dabei    heraus- 
kommt. 

Erst  1736  ging  Hessen  zu  einer  gesetzlichen  Erwäh- 
nung der  Ziehzeit  über.  §  7  der  Gesindeordnung  ^) 
schreibt  die  Kündigung  auf  Johannis  oder  Christtag  vor, 
läßt  jedoch  daneben  Mietimg  des  Dienstboten  für  „ge- 
wisse", zu  anderer  Jahreszeit  endende  Zeitspannen  zu. 
1766  machte  das  Amt  Gudensberg  tmter  andern  Vor- 
schlägen auch  den,  die  Ziehzeit  fürs  Gesinde  auf  Johannis 
zu  legen*).  Die  Regierung  lehnte  ihn  jedoch  ab,  schlug 
dafür  aber  dem  Geh.  Rat  wenigstens  eüie  Festlegung  der 
Schäfermiete  auf  Walpurgris  vor.  Diese  Vorschläge  ka- 
men aber  nicht  zur  Verwirklichung,  vor  allem«  vielleicht, 
weil  andere  Ämter  wieder  andere  Termine  zur  Annahme 
empfahlen. 

Auch  1797  wollte  die  Regierung  die  Fixierung  einer 
Ziehzeit  nicht  vornehmen,  nur  bei  männlichen  Dienstbo- 
ten die  Zeit  mäßgebend  sein  lassen,  für  die  die  Livree 
gegeben  wird').  Die  Lösimg  erfolgte  in  der  Weise  (1797 
§  7)  *),  daß  die  Dienstboten  verpflichtet  wurden,  die  ganze 
Zeit  auszuhalten,  sie  mag  durch  Abrede  oder  durch 
Observanz  bestinünt  sein.  „Diese  letztere  nemlich  ist 
hierin  bey  weiblichen  Bedienten,  und  bey  solchen  männ- 
lichen Dienstboten,  welche  keine  Alltagslivree  erhalten, 
alsdann  die  Richtschnur,  wenn  die  Dienstzeit  nicht  durch 
ausdrückliche  Verabredung  festgesetzt  ist.  Wo  aber  eine 
Alltagslivree  gegeben  wird,  da  bestimmt  die  2^it,  worauf 
dies  geschieht,  zugleich  die  Länge  der  Dienstzeit."  Über 
die  Dauer  des  zweiten  und  folgenden  Mietjahrs  wird  be- 
stimmt :  Wenn  keine  Kündigung  erfolgt,  „so  ist  die  ^'orige 
durch  Vertrag  oder  Observanz  bestimmte  Miethe  still- 
schweigend für  fortgesetzt  und  erneut  zu  halten".  Da- 
durch ist  der  ursprüngliche   Gesetzentwurf  der   Polizei- 

*)  LO.  IV  S.410.  —  •)  HierftJr  und  ftlrs  folgende  ist  oben  S,7Öff: 
das  Nähere  mitgeteilt.  —  »)  Oben  S.  112  f.  -  *)  LO.  VII  S.  727, 


—    483    - 

kom'mission  abgeändert  worden,  der  eine  Fortdauer  stets 
um  ein  halbes  Jahr  gelten  lassen  wollte^}. 

Daß  trotz  der  im  ganzen  liberalen  Grundsätze  der 
Gesindeordnung  zu  kurze  Dienstfristen  nicht  dem  Rechts- 
gefühl der  Zeit  entsprachen,  geht  aus  einem!  Votumi  des 
Oberapellationsgerichts  von  1801  in  Sachen  des  Reit- 
knechtes Austermühl  gegen  die  Witwe  seines  Dienstherrn, 
Major  Eigenbrodt  in  Hofgeismar*),  hervor:  „Vielmiehr 
fällt  ins  unerhebliche,  was  sie  (Klägerin)  davon  führt, 
dass  die  Dienstzeit  des  Querulanten  mit  jedemi  Monathe 
zu  Ende  gegangen,  weU  ihm:  ein  monatlicher  Gehalt  von 
4  Th.  nebst  dem'  Brod  wäre  zugesagt  gewesen.  Der  ver- 
storbene Major  wäre  gewiss  in  Campagne  übel  daran 
gewesen,  wenn  am  Ende  jeden  Monaths  seine  Domestiquen 
hätten  von  ihrem'  Dienste  abgehen  können.  Auf  derglei- 
chen Weise  miethet  niemand  sein  Gesinde." 

Das  in  der  Gesindeordnimg  von  1797  Enthaltene 
steht  auch  in  der  Gesindeordnung  fürs  Land  von  1801  ')• 
Inzwischen  war  (1799)  mit  sächsischen  Staaten  die  Ver- 
einbarung über  die  Wandelzeit  der  Schäfer  abgeschlossen 
worden*).  So  konnte  denn  noch  eingefügt  werden,  daß 
die  Schäfer  Weihnachten  gemietet  werden  und  Petri 
ziehen  müssen. 

Doch  erfuhr  diese  Bestimmung  häufige  Abänderun- 
gen. So  wurde  das  Amt  Bergen  1802  schon  von  der  Be- 
folgrung  befreit*).  1816  erhielt  der  Amtmann  in  Nieder- 
aula auf  seine  Mitteilungen  von  der  Unmöglichkeit  der 
Durchführung  den  Bescheid,  die  Gesindeordnung  sei  hier- 
in „nicht  so  genau"  zu  halten.  Er  könne  gestatten,  nach 
dem  jeweiligen  Interesse  die  Mietzeit  zu  bestimmen.  Nur 
wenn  sich  ein  Teil  auf  die  Gesindeordnimg  beruft,  müsse 
danach  verfahren  werden  •). 

*)  Oben  S.  96.  -  »)  St,  A.  Marburg.  —  »)  LO.  VIII  S,  26.  — 
*)  Oben  S.  118.  —  •)  Oben  S.  117.  —  •)  St.  A.  Marburg.  Cass.  Reg.« 
Akten  Pol.-Rep.  F  48  Nr.  7±  (Vol.  I),  letzter  Teil  des  Bandes. 

81* 


—    484    — 

Hingegen,  als  die  kurfürstlicbe  Deputation  des  Land- 
Wirtschaftsvereins  der  Provinz  Oberhessen  1823  bat,  die 
Bestimmungen  über  die  Ziehzeit  der  Schafer  einzuschär- 
fen^), wurde  ihr  bereitwillig  gestattet,  eine  zweimalige 
Bekanntmachung  solchen  Inhalts  im  Provinzialwochen- 
blatt  zu  erlassen;  sie  erfolgte  in  Nr.  26  vom  28.  Juni 
und  Nr.  27  vom  S.  Juli  1823. 

Gleichzeitig  kam  freilich  die  casseler  Regierung  zum 
entgegengesetzten  Ergebnisse ').  Am  3.  April  1823  fragte 
der  Landwirtschaftsverein  zu  Cassel  bei  ihr  an,  ob  der  nütz- 
lichen Bestimmung  über  die  Wechselzeit  der  Hirten  über- 
all nachgelebt  werde.   Die  Antwort  der  Regierung  ging 
aber  dahin,  daß  man  es  bei  Abfassung  der  Gesindeord- 
nung von  1816  nicht  für  ratsam  gehalten  habe,  einen 
Termin  zu  bestimmen;  die  Ziehzeit  soUte  sich  vielmehr 
nach   dem    beiderseitigen    landwirtschaftlichen  Interesse 
regeln.  Auf  nochmaliges  Drängen  des  Vereins  veranstal- 
tete die  Regierung  jedoch  eine  Rundfrage.  Das  Ergebms 
war,  daß  nirgends  im  Lande  (Niederhessen)  die  Vorschrif- 
ten der  Gesindeordnxmg  über  die  Ziehzeit  der  Schäfer  rich- 
tig befolgt  wurden.  Auf  einen  hiemach  erstatteten  langen 
Bericht  der  Regierung  über  für  und  wider  antwortete  das 
Ministerium  nicht;  noch  1828  wurde  es  gemahnt.    Die 
Hirtenordnung  vom  18.  Oktober  1828 ')  erklärt  das  Schwei- 
gen :  Nach  §  11  „entscheiden  hinsichtlich  der  Mieth-  und 
Wechselzeit  Verabredungen  und  Observanz". 

Auch  das  spätere  19.  Jhdt.  wird  nicht  ohne  Klagen 
über  die  stete  Abkürzung  der  Ziehzeiten  fertig.  Bei  der 
Enquete  von  1851  bekam  die  Regierung  dann  genug  zu 
hören  *).  Diese  Enqu6te  ging  auch  dahin,  ob  es  zu  billigen 
sei,  daß  man  den  Dienstboten,  die  in  einem  Jahre  in  den 

»)  St  A.  Marburg.  Marb.  Reg.  -  Akten  Rep.  III  Tit  IV  10.  - 
*)  St  A.  Marburg.  Cass.  Reg.-Akten.  Pol.-Rep.  F48  Nr.  8;  226.  Acte 
betr.  Wechselzeit  der  Schaferund  Hirten  a828— 1852).  —  »)  Möller- 
Fuchs  S.  627.  —  *)  Oben  S.  löOffl 


—    485    — 

dritten  Dienst  g^hen  wollen,  die  Visierung  de!5  Dienst- 
buchs verweigere,  ausländische  Dienstboten  ausweise. 
Wie  nach  langen  Jahren  dies  Vorgehen  zu  der  Bekannt* 
machiing  der  hanauer  Polizeidirektion  vom  29.  Mai  1858 
führte,  in  der  der  hier  ausgesprochene  Gedanke  verwertet 
wjurde,    ist  früher  dargestellt  worden^). 

Über  Fuldas  Rechtszustand  teilt  Thomas')  mit» 
daß  auf  dem  Land  die  Dienstzeit  ein  Jahr  ist,  von  Cathedra 
Petri  zu  Petri.  In  der  Stadt  ist  es  ein  halbes  Jahr,  das  sich 
nach  den  beiden  Marientagen  richtet,  oder  auch  ein  Jahr» 
wofür  die  Vermutung  spricht*).  Die  hanauer  Gesinde- 
ordnung von  1748  setzt  Petritag  als  Ziehzeit  *)  fest,  „damit 
die  bisherige  Unordnung  der  Auf-  und  Losskündigung 
'derer  Dienste  vermieden  werde**.  Der  Dienst  soll  im 
Zweifel  ein  Jahr  währen,  aber  Vereinbarungen  sind  nicht 
ausgeschlossen. 

Einen  der  frühesten  Belege  für  das  Vorkommen 
von  Jahresdiensten  außerhalb  Hessens  bietet  die  Ende  des 
15.  Jhdt.  entstandene  Gesindeordnung  für  das  Kloster 
Königsbrück^).  Sie  spricht  davon,  daß  alle  Jahr  dem 
Gesinde  die  Ordnung  vorgelesen  wird.  Daraus  ergibt  sich 
mit  großer  Wahrscheinlichkeit,  wie  M  one  bemerkt,  „dass 
regelmässig  das  Gesinde  auf  ein  Jahr  gedinget  wurde  und 
sämtlich  an  einem  und  demselben  Tage  aus-  und  eintrat'*. 
Das  sind  Beobachtungen  über  den  Brauch,  der  im 
Kloster  herrschte.  Sich  selber  eine  immer  einzuhaltende 
Ziehzeit  vorzuschreiben,  dazu  hatte  die  Klosterverwaltung 

natürlich  keinen  Anlaß. 

-  • 

^)  Oben  S.  168  f.  —  Eine  Menge  Material  über  die  gegenwärtige 
Gewohnheit  der  Ziehzeiten  in  Hessen  bietet  Hesslers  Landeskunde 
n  S.  165,  816,  867,  888,  678;  auch  Werner  (Bötte),  Aus  einer  ver- 
gessenen  Ecke  S.  87.  Bald  ist  es  Weihnachten,  bald  Petn,  Lichtmess, 
Ostern,  Michaelis.  Kaum  sind  diese  Sitten  anders,  als  sie  vor  Jahr- 
hunderten waren.  —  «)  Sistem  III  §  66;  oben  S.  182.  —  »)  Hessler 
a.a.O.  S.  867  (Lichtmess).  —  *)  Ebenda  S.  888  (Petritag).  —  •)  Mone, 
2cit8chr,  ftr  Geschichte  des  Oberrheins  Bd.  I  S.  179. 


—    486    — 

Aus  der  späteren  badisc'hen  Rechtsgtechichte  ist 
die  Festle^rung:  der  Ziehzeit  auf  ein  von  Johannis  oder 
Weihnachten  an  laufendes  Jahr  zu  nennen,  wie  sie  in  der 
Gesindeordnung  der  Herrschaft  Gutenburg  von  1652 ^} 
enthalten  ist.  In  der  Kurpfalz  wtirde  1684  durch  die 
Polizeiordnung')  das  Austreten  zu  Johannistag  verboten, 
da  das  dem  Bauer  schädlich  sei,  zugleich  aber  die  Fest- 
legung einer  gemeinsamen  Ziehzeit  fürs  ganze  Land  wegen 
Verschiedenheit  der  landwirtschaftlichen  Sitten  für  nicht 
praktikabel  erklärt.  Kurpfalz  richtete  weiter  1780  an  die 
Nachbarstaaten  einen  Vorschlag '),  man  solle  die  bisherige 
Ziehzeit  des  Bauemgesindes  von  Weihnachten  auf  Mar- 
tini verlegen.  Weil  Martini  aber  noch  viele  Feld-  und 
Weingartarbeiten  zu  tun  sind,  lehnt  die  badische  Regie- 
rung ab.  Die  freiburger  Gesindeordnung  von  1782*) 
setzt  als  Mietzeit  1  Jahr  fest;  doch  mag  anderes  abge- 
macht werden.  Kündigung  darf  aber  nur  auf  die  gebräuch- 
lichen Wandelzeiten  Ostern,  Johannis,  Michaelis,  Weih- 
nachten erfolgen*).  1809  wird  in  Baden*)  unterschie- 
den  nach  Stadt-  und  Landarbeit.  Für  jene  wird  Vi 
Jahr  als  Mietzeit  bestimmt;  für  Bauemgesinde  1  Jahr. 
Verabredungen  anderer  Art  sind  gültig.  Die  vier  Wandel- 
zeiten werden  in  ihrem  Redht  belassen. 

Aus  Süddeutschland  hat  ferner  die  württember- 
ger Gesindeordnimg  von  1652^)  hier  Platz,  die  ebenso 
wie  ein  Reskript  vom  19.  Novem^ber  1696®)  die  Mietzeit 
auf  ein  von  Johannes  Evangelista  (27.  Dezember)  an  lau- 
fendes Jahr  bestimmt ;  Vermietxmg  auf  nur  ein  halbes  Jahr 
wird  ausdrücklich  verboten.  Die  Anordnung'  geht  wie 
überhaupt  die  Gesindeordnung  von  1652  auf  die  in  dem- 


*)  Gen.  L,  A.  Karlsruhe.  Copiarbücher  Nr.  6921.  —  •)  Univ.- 
Bibl.  Marburg  —  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generah'a  6891  - 
*)  Ebenda.  —  »)  §  11.  -  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Provinz  Niederrhcin. 
Gesindepolizei.  Lit  B  Nr.  1.  1756-1809  (IV  2).  -  ')  Reyscber, 
Gesetze  XIH  S.  lU.  —  ')  Ebenda  S.  496. 


—    487    — 

selben  Jahre  erfolgte  Vergleichung  des  schwäbischett 
Kreises^)  zurück;  an  zwei  Stellen  wird  hier  das  Gebot 
ausgesprochen.  Auch  die  gemeinsame  Taxordnimg  schwä- 
bischer Städte  von  1669*)  läßt  nur  Vermiettmgen  auf 
ein  Jahr  zu.  Ebenso  ist  das  Recht  der  Gesindeordnung 
für  Biberach  von  1651*). 

Während  die  österreichische  Gesindeordnuilg 
von  1769*)  zur  Bekämpfung  des  Abspenstigmachens  die 
Einhaltung  der  Miettermine  für  unbedingt  notwendig  er- 
klärt*), ist  sie  in  der  Bestimmung  der  Eintrittstage  tole- 
ranter. Sylvester  und  Walpurgis  sollen  imbeschadet  an- 
derer Observanz  als  Anfangstage  des  Dienst  Jahres  gel- 
ten; muß  eine  Mietimg  vor  diesen  Tagen  erfolgen,  dann 
rechnet  das  Dienstjahr  doch  erst  von  jenen  Terminen 
an,  während  Lohn  höchstens  vom  Tage  des  faktischen 
Einstandes   gezahlt  zu  werden  braucht. 

Bei  weitem  am>  ältesten  in  Bayern  ist  die  Bestim« 
mung  des  augsburger  Stadtrechts  von  1276 •):  „Swaer 
einen  ehalten  dinget  der  mak  des  niht  vertriben  e  ze 
sinem  jare."  Das  Rechtsbuch  der  Stadt  Memmingen 
von  1396^)  straft  den,  der  sein  Gesinde  für  einen  andern 
Termin  als  Lichtmeß  mietet,  mit  30  Schillingen  und  so- 
gar einem  Monat  Stadtverweisung;  eine  Frau  gibt  drei 
Pfimd  Strafe.  Auch  inLandshut  wurde  1408  Lichtmeß 
als  Ziehtag  genannt®);  zu  welcher  Zeit  auch  sich  ein 
Dienstbote  für  das  folgende  Jahr  vermietet,  stets  muß 
er  Lichtmeß  antreten. 

Deutlicher  als  der  Gesetzgeber  in  Augsbiurg  spricht 
den  Gedanken  des  Jahresdienstes  die  altbayerische 


*)  St  4.  Stuttj?art  Druck.  —  »)  Ebenda.  Handschrift.  —  •)  Kr, 
A.  Neuburg.  Ad.  H.  5387.  Augsburg  Hochstift,  ad.  Gen.  XI  Nr.  1 
-  *)  Kr.  A  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  2.  -  •)  Oben  &  478.  — 
•)  Meyer  Art  129.  —  ^M.  von  Freyberg,  Hist  Schriften  u.  Urk. 
V.  S.  289flf.,  bes.  812.  —  •)  Staudenraus,  Chronik  I  S.  107. 


—    488    — 

Ehehaltenordnung  von  1652^)  aus.    „Durchgehends  und 
aller  ortten"  sollen  Dienstboten  sich  stets  auf  ein  Jahr 
von  Lichtmeß  an  verdingen;  ebenso,  nicht  anders 
fen  die  Herrschaften  mieten.  Nur  wo  in  Städten 
Mietzeit,  ein  halbes  oder  Vierteljahr,  üblich  ist,  mag  es 
so  bleiben.  Das  Landrecht  (Gesindeordnung)  von  ].654') 
setzte  ebenfalls  Jahresmiete  fest,  gestattete  aber  den  Herr- 
schaften Mietung  auf  kürzere  Zeit;  dies  ist  auch    der 
Rechtszustand  nach  der  Ebehaltenordnung  fürs  Amt  Burg- 
hausen von  1656  und  der  für  München  von  1660').    So 
bleibt  es  auch  im  18.  Jhdt.  nach  den  Gesindeordnungen 
von  1746,  1766,  1761,  1781*)  für  ländliche  Verhältnisse. 
Die  Gesindeordnung  von  1755  überläßt  die  Festlegung 
der  Ziehtage  der  Ortsobservanz,  die  aber  wohl  maßgebend 
sein  soll;  1781  dagegen  werden  dem  ländlichen  Gesinde 
Lichtmeß  und  Michaelis,  dem  städtischen  eben  diese  Tage 
sowie  Georgii  (23.  April)  und  Jakobi  (25.  Juli)  als  An- 
trittstage vorgeschrieben.   Bei  billigen  Ursachen  will  die 
Ordnung   von   1781   Abkürzung  des   ländlichen   Dienst- 
jahres in  beiderseitigem  Einverständnis  zulassen ;  muß  Ge- 
sinde vor  der  ordentlichen  Ziehzeit  angenommen  werden, 
dann  rechnet  das  Jahr  doch  erst  vom  nächsten  Ziehter- 
min ab*^).    Durch  Patent  vom»  13.  August  1781  •)  wurde 
auch  für  die  Hofmarchsherrn  des  Pfleggerichtes  Biburg 
wegen  ihres  Zwangsgesindes  bestimmt,  daß  sie  sich  nach 
den  festgesetzten  Ziehzeiten  bei  der  Einforderung  von 
Zwangsdiensten  richten  müßten.  In  Eichstätt  war  nur 
ein   halbes  Jahr   Mietzeit  nach  der   Polizeiordnung  von 
1707  ^). 

Für   die  Mitglieder   des   fränkischen  Kreises 


')  R.  A.  Manchen.  Generalien  •  Sammlung  Rep.  S.  9  Nn  5.  — 
")  Ebenda  Nr.  7  Bd.  1;  Platzer  S.  190.  —  •)  Kr  Manchen.  GR. 
Fasz.  403  Nr.  1.  —  M  Ebenda;  femer  Churbaierisches  IntdUgenzblatt 
1776  Nr.  89,  und  AR.  Fasz.  459  Nr.  909.  -  •)  Art  2,  4,  10,  12.  - 
*>  Kr.  A.  Manchen.  GR.  Fasz.  404  Nr.  7«  —  ^  Habelache  Sammlung. 


-     489    — 

chreibt  die  Dienstbotenordnunfir  von  1654^)  ohne  Fest- 
egxins  eines  Ziehtages  vor,  daß  Dienstboten  nur  auf  ge- 
Mrisse  Zeit  gemietet  werden  dürfen. 

In  Nürnberg  scheint  gleichwohl  die  Dienstzeit  nur 
Ivirch    die  Sitte  bestimmt  gewesen  zu  sein'),  und  zwar 
wenigstens  bis  zum  15.  Jhdt.  auf  ein  Jahr.  Es  galten  nämf- 
lieh  damals  die  Vorschriften  '),  „dass  Knechte,  Mägde  und 
Jungen  nur  einmal  im«  Jahre  sich  verdingen  lassen  durften, 
mit  Ausnahme  jener  Dienstboten,  welche  von  den  Herr- 
schaften freiwillig  entlassen  worden  waren,  oder  aus  trif- 
tigen Gründen  .  .  .  die  Genehmigung  zum*  Stellenwechsel 
erhalten  hatten".    Die  Taxordnung  für  Bamberg  von 
1652  *)  «verzichtet  auf  Ansetzung  von  Dienst-Tagen,  ord- 
net jedoch  ein  Jahr  als  regelmäßige  Dienstzeit  an.   „Es 
were  dan  sach  das  der  Zustandt  dess  Hausswesens  ein 
anders  imn  nemblich  dises  erforderte,  das  etwa  ein  Dienst- 
bott  nur  uff  ein  halb  oder  Viertel  Jahr  angenommen  wer- 
den  müste*';  dann  darf  aber  Lohn  nur  pro  rata  terot- 
poris  gegeben  werden.   Erheischen  so  „der  Sachen  umb- 
stände"  etwas  Besonderes,  dann  soll  man  bei  der  Obrig- 
keit anfragen.    Wird  nicht    gekündigt,    dann    läuft    der 
Dienst  um  ein  Jahr  weiter. 

Für  die  brandenburgischen  Länder  Frankens 
bringt  die  der  bamberger  Taxordnung  verwandte  Ordnung 
von  1652*)  die  erste  Regelung;  wenn  die  Gewohnheit  der 
Miete  auf  Lichtmeß  oder  Walpurgis  nicht  befolgt  wird, 
soll  doch  wenigstens  der  Lohn  nur  der  wirklichen  Dienst- 
zeit entsprechend  gezahlt  werden.  Die  „Chur-  und  F  ürstL 
Vormundschaftliche  Resolution  auf  die  Voigtlandische 
Ritterschaftlichen  Gravamma",  Bayreuth  22.  Jxmi  1657  •), 
gibt  zu,  daß  eiii  Dienst  um  ein  Jahr  fortdauert,  wenn 


')  Landesverordnungen  WOrzburg  I  S.  248.  —  *)  Kamann  S.  72. 

—  •)  Ebenda  S.  74.  —  *)  Kr.  A.  Bamberg.  Bamberger  Verordnungen 
Rep.  Ul  Nr.  69.  —  •)  Kn  A*  Amberg.    Zugang  6.  Fasz.  24  N.  212. 

—  •)  Kr.  A.  Bamberg.  .Collectanea  Rep.  187^,  nr.  1. 


—    490    — 

nicht  gekündigt  wird.  So  steht  es  auch  in  der  Polizei- 
Ordnung  von  1672  ^).  Anders  will  es  die  Gesindeordnang 
von  1769  *).  Die  bisherigen  vier  Termine  Lichtmeß,  Wal- 
purgis,  Laurentii  (10.  August)  und  Martini  brauchen  di 
nicht  eingehalten  zu  werden,  wo  es  anders  Sitte  ist.  Wird 
zu  spät  gekündigt,  dann  läuft  der  Dienst  ein  Vierteljahr 
weiter.  Ziemlich  am  Schluß  der  Ordnung  findet  sich  noch 
die  väterliche  Mahnung:  „Wir  halten  übrigens  nicht  vor 
nöthig,  weitläufftig  anzurathen,  oder  vorzuschreiben,  sich 
vor  offtermaligen  Dienst- Veränderungen,  als  einer  denen 
Hausshaltungen  höchst  schädlichen  Sache,  möglichst  zu 
hüten,  indem  eine  Christliche  und  auf  ihr  eigen  Bestes 
sehende  Dienst-Herrschafft  fromme  und  wohlgeartete 
Dienstbothen  je  länger  je  lieber  beyzubehalten,  von  sich 
selbst  beflissen  seyn,  und  dergleichen  vernünftige  Dienst- 
bothen bey  guten  Herrschafften  beständig  bleiben  zu  kön- 
nen, wünschen  und  sich  bestreben  werden". 

Angeführt  sei  noch  die  Gesindeordnung  der  Städte 
Neustadt  tmd  Landau  von  1640'),  die  ein  Jahr  als 

xmumgängliche  Mindestzeit  ansetzt. 

Über  die  Mietung  des  Gesindes  auf  Johannis  wurden 
in  Nassau  Klagen  Jaut.  Deshalb  legte  man  am  9./19- 
September  1656  *)  als  Ziehtag  Michaelis  fest,  und  erklärte 
andersartige  Mietverträge  für  nichtig.  Verschärft  wurden 
diese  Bestimmungen  am  9.  August  1658*).  Für  Usingen 
wurde  im  18.  Jhdt.  Weihnachten  als  Mietzeit  verordnet*). 
Die  Gesindeordnung  für  Ge dem  von  1681  ^)  setzte  Petri 
(22.  Februar)  als  Ziehtag  an,  ohne  daß  aber  diese  Äuße- 

*)  Corp.  Const.  Brand.-Culmb.,  II  1  S.  666  ff.,  bes.  6^.  —  »)  Kr. 
A.  Nürnberg  S.  28  ^^-  Nr.  779  Repert.  288.  —  »)  Archiv  der  Stadt 
Speier.  Fasz.  648^..  —  *)  Corp.  Const  Nass.  II  2  S.  48.  —  •)  Ebenda 
S.  69.  —  •)  St  A.  Wiesbaden.  V.  Nassau -Usingen.  Generaüa  III 
Verordnungen  Band  V  S.  128.  —  »)  Gräfl.  Stolbergisches  Archiv  ift 
Gedem.  B  XX  ,,Allerhand  Verordnungen  und  Befehle  so  in  der 
Grafschaft  Stolberg-Gedem  ergangen",  S.  61« 


—    491     — 

rung  'die  strenge  Form  eines  Befehles  erhalten  hätte.  Die 
Polizeiordnung  Sayn-Wittgensteins  von  1776^)  ge- 
stattet die  Beibehaltung  der  Sitte,  daß  von  Weihnachten 
zu  Weihnachten  ein  Dienstjahr  läuft. 

iKölner  Recht  ist,  daß  seit  der  Polizeiordnung  von 
1645  *)  die  Dienstzeit  einjährig  läuft ;  halbjährige  Mietung 
soll  nicht  mehr  stattfinden.  Ziehzeit  der  ländlichen  Dienst* 
boten  soll  Lichtmeß  sein,  im»  Herzogtum  Westfalen  da- 
gegen für  alle  Dienstboten  Martini  —  so  wird  am  2.  Mai 
1718  und  am  12.  Oktober  1722  verordnet  ^).  Energischer 
wird  die  Bestimmung  für  Westfalen  in  der  Polizeiordnung^ 
von  1723  ausgesprochen*);  wird  ohne  Not  dawidergep 
handelt,  dann  verliert  das  Gesinde  den  verdienten  Lohn,, 
die  Herrschaft  erhält  ansehnliche  Brüchtenstrafe.  Die  Ver- 
ordnungen vom  10.  Dezember  1751  und  17.  Juli  1770*) 
weisen  auf  den  „Jahresdienst"  hin,  während  dessen  kein 
fremder  Knecht  ohne  obrigkeitlichen  Erlaubnisschein  ge- 
mietet werden  darf.  „Zur  Abstellung  der  Unordnungen: 
im  Gesindewesen  imi  Vest  Recklinghausen''  wird  am  26. 
Juni  1764*)  angeordnet,  daß  künftig  keine  Vermietung^ 
auf  eine  Zeit  vor  Johannis  oder  Neujahr  erfolgen  darf; 
»JDienstboten,  welche  ohne  gemachten  Vorbehalt  wegen 
6  monatlichen  Dienstaus trittes  sich  vermiethen,  sind  zur 
Aushaltung  des  ganzen  Dienstjahres  verpflichtet." 

Nach  der  clevischen  Gesindeordnung  von  1608^) 
folgt  der  Zug  des  Gesindes  in  der  Oster-  tuld  Michaelis- 
woche. Daß  es  hier  nicht  halbjährige  Mietzeit  gab,  son- 
dern ganzjährige,  geht  aus  der  Gesindeordnung  von  1644  ^y 
hervor.  Weitere  Spezialisierungen  bringt  die  vom  29.  Sep- 
tember 1696  •).    Der  Antritt  muß  mindestens  drei  Tage 


*)  Univ..Bibl. Marburg.  —  •)  Scott!.  Köln  II  S.249.-  •)  Ebenda 
S  618,  621.  -  *)  Ebenda  S.  628.  -  »)  Ebenda  I  2  S.  771;  St.  A. 
DOsseldorf.  Sammlung  jülichscher  Verordnungen.  —  •)  Scott!  a.  a.O^ 
S  849.  -  T  Scott!,  Cleve  S.  216.  —  •)  Ebenda  S.  260.  -  •)  Ebenda 
S.  690. 


—    492    — 

nach  der  stipulierten  Zeit  erfolgien.  Nach  der  stipu- 
lierten  Zeit  —  also  ist  jetzt  die  Vereinbarung  der  Miet- 
dauer erlaubt.  Die  frühere  Herrschaft  soll  den  Dienst- 
boten zu  der  genannten  Zeit  entlassen.  Denn  für  jeden 
Tag,  den  das  Gesinde  zu  spät  kommt,  erhalt  es  15  Stüber 
Lohn  weniger.  Und  für  jeden  Tag,  den  die  bisherige 
Herrschaft  zu  spät  entläßt,  muß  sie  15  Stüber  Strafe 
zahlen.  Erfolgt  keine  Kündigung«  dann  läuft  eine  iveitere 
Mietezeit  von  sechs  Monaten.  Für  Cleve  wurden  im  18. 
Jhdt.  noch  die  beiden  Gesindeordnungen  von  1753  ^)  und 
1769')  geschaffen,  die  beide  von  einander  abweichen. 
Wenn  keine  Verabredung  erfolgt,  gilt  ein  Jahr  vereinbart; 
so  1753.  Dagegen  schließt  die  Gesindeordnung  von  1769, 
die  fürs  platte  Land  bestimmt  ist.  Mietungen  imter  einem 
Jahr  aus,  und  sagt  aufmimtemd,  daß  die  Vermietung 
auf  1,  2,  3  und  mehr  Jahre  erfolgen  kann.  Mietzeit  ist 
nach  der  Gesindeordnung  von  1753  die  Zeit  von  Ostern 
bis  Victoristag  (10.  Oktober),  auch  wenn  der  Dienstbote 
schon  einige  Zeit  vorher  eintritt.  Das  gilt  seit  1769  nur 
für  Cleve;  im  Märkischen  sind  die  Termine  Ostern  und 
Michaelis.  Nach  beiden  Rechten  bedeutet  Unterlassen 
der  Kündigung  Verlängerung  des  Dienstverhältnisses  um 
ein  Jahr. 

Hinweise  auf  einjährige  Mietzeiten  f laden  sich  in  der 
Gesindeordnung  für  Düsseldorf  vom  15.  Dezember 
1751');  schon  vorher  war  hier  in  den  Polizei-  und  Tax- 
ordnungen von  1706  und  1728*)  dem  Dienstboten  un- 
tersagt worden,  ohne  Ursache  in  seinem  Dienst  j  a  h  r  aus 
dem  Dienst  zu  gehen.  Dem  gegenüber  stellt  die  Gesinde^ 
Ordnung  von  1809*)  die  Geltung  des  Vertrags  an  die 
Spitze.    Und  nur  „zur  Bequemlichkeit  des  Diensthalters 


«)  Ebenda  S.  1452.  —  «)  Ebenda  S.  1894.  —  •)  St.  A.  Dflsseldofl 
Akten  des  Bonner  Hofrats,  Kurköln,  Rechnungssachen  Nr.  47.  — 
^)  St.  A.  Düsseldorf.  Nr.  1009  der  Sammlung  jOlichscher  etc.  Ver- 
ordnungen. —  »)  Scotti,  Jülich  S.  1252. 


—    493    - 

sowohl  als  des  Gesindes  sind  jedoch  folgende  Miethzeiten 
festgesetzt :  Ostern,  Johannis,  Michaelis  und  Weynachten", 
Im  Zweifel  gilt  nur  das  kommende  Qxiartal  als  Mietzeit» 
beißt  es  weiter.  Wird  von  der  vierzehntägigen  KündigTung 
kein  Gebfauch  gemacht,  dann  verlängert  sich  der  Ver- 
trag um  ein  Vierteljahr.  Der  Vorläufer  dieser  düssel- 
dorfer  Gesindeordnung,  die  jülidher  von  1801^),  hatte 
die  Mietzeit  auf  in  dubio  ein  Jahr  festgesetzt,  und  zwar 
ein  mit  dem>  Tage  des  faktischen  Diensteintritts  begin- 
nendes Jahr.  Damit  wurde  natürlich  die  Festlegimg  be^ 
stimmter  Zeittermine  überflüssig.  Der  ungekündigte  Miet- 
vertrag läuft  ein  Jahr  weiter. 

Die  wenigen  aus  Westfalen  überlieferten  Bestim- 
mungen betreffen  vornehmlich  die  Ziehtage.  Nur  Pa- 
derborn setzt  in  seiner  Polizeiordnung  von  1655*)  die 
Dienstzeit  auf  ein  Jahr  an;  für  Ackerknechte  läuft  das 
Jahr  von  Petri  bis  Petri.  Die  Landesordnung  für  Ret- 
vensberg  von  1655  •)  sieht  MichaeUs  imd  Ostern  als 
gewöhnliche  Ziehtage  an,  ohne  gerade  diese  Zeiten  zur 
Aufstellimg  einer  Norm  zu  verwenden.  Dieselben  Tage 
gelten  in  Münster  als  genau  einzuhaltende  Termine; 
die  Godingsartikel  des  Domkapitels  in  der  Fassung  von 
1715*)  drohen  mit  drei  Mark  Poen  auf  Übertretungen. 
Die  Gesindeordnung  von  1722*)  scheint  es  bei  diesen 
Tagen  zu  lassen,  wie  die  Bestimmimgen  über  die  Mietungs- 
termine  ergeben;  ein  Gebot  gar  mit  Straf ankündigungen 
wird  aber  nicht  ausgesprochen. 

Ständig  ein  ganzes  Jahr  wird  in  Detmold  als  Miet- 
et beibehalten.  So  nach  der  Taxordnung  von  1655,  der 
von  1658  und  der  Gesindeordnung  von  1752  ^).  Während 

')  Ebenda  S.  880.  ^  ')  Landesverordnungen  Paderborn  I  S.  6. 
"*  *)  18.  Jahresbericht  des  Hist.  Vereins  für  die  Grafschaft  Ravens- 
borg  a  124.  —  *)  Philippi,  Landrechte  S.  181.  —  »)  Sammlung 
Münster  I  S.  868.  —  •)  Landesverordnungen  L.  -  Detmold  I  S.  408^ 
*^  II  S.  47. 


—    494    — 

1655  ein  bestimtnter  Ziehtermin  nicht  festgesetzt 
erscheint  1658  Michaelis  als  Wandeltag;  1752  wird  da- 
zu noch  Ostern  zur  Wahl  gestellt.  Ein  Regierungrsaus- 
schreiben  vom  6.  Januar  1783^)  schärfte  die  Gesinde- 
ordnung von  1752  teilweise  ein,  darunter  auch  die  Be- 
stimmungen über  die  Mietzeit.  Noch  Genaueres  sollte 
dann  durch  Verordnung  vom  16.  März  1789  bestimmt 
werden  ^) ;  lange  Bestimmungen  über  den  Wochentag  des 
Dienstwechsels  (darüber  unten)  lassen  erkennen,  daß 
Ostern  und  Michaelis  feste  Ziehzeiten  sein  sollen.  In 
Waldeck  ist  nach  der  Gesindeordnung  von  1736*)  die 
—  durch  besondere  Abmachung  veränderliche  —  Dienst- 
zeit  ein  Jahr. 

In  den  braunschweiger  Polizeiordnungen  von 
1573  und  1579*)  wird  einmal  auf  Ostern  imd  Michaelis 
als  Ziehzeiten  hingewiesen;  mehr  als  Nennung  einer  Ge- 
wohnheit soll  dies  aber  kaum  sein.  Die  Gesindeordnun^r 
für  die  Stadt  Wolfenbüttel  von  1748*)  läßt  Abwei- 
chungen von  den  angesetzten  vier  Mietterminen  Ostern, 
Johannis,  Michaelis  und  Weihnachten  und  von  der  vor- 
geschlagenen einjährigen  Dienstdauer  zu;  wird  nach  Be- 
ginn eines  Vierteljahres  der  Dienst  angetreten,  dann  darf 
der  Lohn  nicht  für  das  ganze  Quartal,  sondern  nur  für 
die  tatsächlich  abgediente  2^it  gegeben  werden. 

Eine  Stelle  des  alten  duders tadter  Rechts*)  kann 
nur  so  verstanden  werden,  daß  eine  Mietzeit  auf  Weih- 
nachten festgelegt  werden  soll:  „Welk  Borger  eynen 
Ackerknecht  meydet,  dey  schal  on  meyden  weter  up  Wy- 
nachten.  Pena  eyn  Pimt."  Nicht  ganz  klar  ist  auch  die 
Bedeutung  der  folgenden  Stelle  der  ilmischen  Sta- 
tuten^):  „Nach  cristi  gebmrt  tausend  ffunff  hundert  und 


*)  Ebenda  III  S.  57.  -  >)  Ebenda  S.  541.  -  «)  Sammlung  der 
Regierung  Arolsen.  —  *)  Hflnselmann,  Urkundenbuch  I  S.  404 fif.; 
453 ff.  (Kap.  94).  —  »)  Archiv  WolfenbOttel.  Nr.  7097.  — •)  Gengier, 
Stadtrechte  S.  98.  -  ^)  Walch,  Beyträge  V  S.  Iff.,  bes.  80. 


—    495    — 

ym  Sibenzdehenden  Jare  uff  mitwochen  in  der  gemein 
Wochen  (30.  Sept.)  ist  durch  drei  Rethe  beschlossen  das 
alle  f urmunden  hinfurt  uff  Bartholomei  ire  rechnunge  thun 
sollen  bey  des  rats  straffe  dor  nach  mögen  sich  alle 
dinstboten  adir  gesinde  widerumb  bie  einem«  newen  rathe 
ümb  ilienste  bewerbenn.**  Es  mag  sein,  daß  dieser  Termin 
den  allgemein  gebräuchlichen  Tag  des  Dienstwechsels 
oder  vielleicht  auch  der  Neumietung  bedeutete.  In  Fran- 
kenhausen hatte  der  Rat  1534  erfahren,  „das  etlic^he 
muthwillige  dinstgesinde  sich  nicht  änderst  wan  auf  eine 
Wochen  imd  urab  wochenlon  vermiethen  wollen".  Es  soU 
sich  künftig  niemland  mehr  auf  weniger  als  ein  halbes 
Jahr  vermieten^).  Hier  wollte  man  zunächst  nur  im 
Sinne  der  Müßiggänger-BestimMungen  *)  gegen  die  tage- 
oder  doch  wochenlöhnemden  Leute  vorgehen;  gleich- 
zeitig gelangte  man  aber  auch  211  einer  Fixierung  der  Min- 
destmietzeit.  Neujahr  imd  Johannis  sollen  mangels  an- 
derer Vereinbarung  als  Ziehzeiten  in  Mühlhausen  gel- 
ten (Heimbuch  1736  1 1  3 ») ).  Die  fürstlich  gothaische 
und  altenburgische  Gesindeordnung  von  1719*)  be- 
läßt es  beim  Landesbrauch,  daß  die  Dienstboten  ein  Jahr 
lang  von  Neujahr  an  dienen.  Erwähnt  seien  von  den  thü- 
ringer  Re<^hten  schließlich  noch  die  Jenaer  Gesinde- 
ordnimg von  1751*),  wonach  die  ordentliche  Dienstzeit 
ein  halbes  Jahr  von  Ostern  bis  Michaelis  imd  wieder  bis 
Ostern  bt,  sowie  die  eisenacher  Gesindeordnung  von 
1757*),  die  für  die  Ziehzeit  auf  Ortsgebräuche  ver- 
weist. 

Das  Stadtrecht  von  Lüneburg')  spricht  von  den 
gewöhnlichen  Ziehzeiten,  außerhalb  deren   Gesinde  nur 


')  Michelsen,  Rechtsdenkmale  S.  466 ff.,  bes.  481.  —  *)  Oben 
S  9.  —  *)  In  der  stftdt  Bibliothek  MQhlhausen.  -  ^)  Univ.-Bibl.  Mar- 
burg. XVm  f  A  870.  —  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV 
S.  146.  —  •)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  8.  -  0  Pufen- 
dorf,  Obs.  iur.  Bd.  IV  Appendix  S.  624  ff.,  bes.  797. 


—    496    — 

mit  Kundschaft  redlichen  Abschiedes  angenommen  wci- 
den  soll.  Die  allgemeine  Gesindeordnung  für  Hannover 
von  1732  ^)  erlaubt  abweichende  Vereinbarungen  von  der 
auf  ein  oder  ein  halbes  Jahr  bestimmten  Dienstdauer.  Ais 
Antrittstermine  sollen  die  Quartalsanfänge  gelten.  Kom- 
plizierter ist  die  Regelung,  die  für  H  ade  In  am  11.  Man 
1789  vorgenomimen  wird').  Knechte  und  Jungen  ziehen 
im  Frühjahr  um  Maria  Verkündigimg  (25.  März),  im 
Herbste  auf  Allerheiligen ;  Mägde  xmd  Spinnerinnen  gehen 
am"  achten  Tage  nach  Ostern  und  Michaelis.  Nach  Vor- 
bildern der  Zeit  wurde  gegen  Ende  des  16.  Jhdts.  für 
Ostfriesland  eine  Gesindeordnung  entworfen*).  Als 
Antrittstag  sind  hier  St.  Georg  (23.  April)  und  Michaelis  be- 
stimmt; ist  es  nötig,  zwischen  diesen  Terminen  Gesinde 
anzunehmen,  dann  darf  der  Lohn  nur  der  wirklich  aus- 
gedienten Zeit  entsprechen ;  Übertreter  zahlen  einen  Vier- 
teljahrslohn. Bei  Umfragen,  die  in  Oldenburg  seit 
1794  veranstaltet  wurden*),  stellte  sich  heraus,  daß  die 
Dienstzeit  verschieden  war,  meist  ein  Jahr  von  Ostern 
oder  Michaelis  an. 

Von  den  nördlichsten  Rechten  bringt  die  Ansetzung 
fester  Fristen  für  die  Gesindemietung  zuerst  das  h  a  m  b  u  r- 
ger  Stadtrecht  in  der  Fassung  von  1292*);  die  schon  an- 
geführte Stelle  K.  7  setzt  Ostern  und  Michaelis  als  Mie- 
tungs-,  die  dritte  Woche  danach  als  Eintrittszeit  fest.  Von 
den  späteren  Stadtrechten  gehört  hierher  die  flensbur- 
ger Polizeiordnung  von  1600®).  Kündigimg  erfolgt  Jo 
haimis  und  Weihnachten.  Wann  daraufhin  der  Umzug  des 
Gesindes  stattfinden  soll,  ist  nicht  gesagt;  es  wird  wohl 
wie  fast  überall  ein  Vierteljahr  später  sein.  Dienstboten, 


*)  Spangenberg,  Verord.  f. Hannover  IV  2  S  461.  —  *)  Ebenda 
III  S.  404.  —  •)  St.  A.  Anrieh.  Archiv  der  ostfriesischen  Landschaft 
O.  B.  Polizeisachen  zu  Nr.  8.  —  *)  Grossh.  Haus-  und  Central-Archiv 
Oldenburg.  B  II-B  VI  8  Amt  Brake  2.  I  A  Nr.  4  conv.  5.  - 
•)  Lappenberg  S.574;  oben  S.  470.  — •)  Corp. Stat. SIesv.  II S Ä 


—    497    — 

die  sich  zu  ungidegener  Zeit  vermieten,  kommen  ins  Ge- 
fängnis. Ganz  wie  hier  ist  es  sjÄter  in  Sonderburg 
nach  der  Polizeiordnung  von  1698^).  In  den  Landes-Ge- 
sindeordnungen  des  18.  Jhdts.  wechselten  hier  Viertel-  und 
Halbjahre  als  Mietzeiten  ab.  1733  war  es  ein  halbes 
Jahr^),  1740  und  1749  wurden  die  Quartalsanfänge  als 
Eintrittstermine  bestimimt*);  bei  Nichtkündigung  lief  der 
Dienst  um  die  ursprünglich  abgemachte  Zeit  von  einem 
halben  oder  ganzen  Jahr  weiter.  Die  Gesindeordnung  von 
1749  erfuhr  aber  1756  eine  declaratio  authentica  dahin, 
daß  nur  noch  Ostern  und  Michaelis  das  Gesindfe  antreten 
solle*).  So  ist  auch  der  Rechtszustand,  der  von  der  Ge- 
sindeordnim^  des  Jahres  1768*)  eingeführt  wird. 

Da  vornehmlich  in  den  Fällen,  wo  das  Gesinde  zum 
neuen  Dienst  an  andere  Orte  ziehen  muß,  Austritts-  und 
Eingangstag  kaum  derselbe  sein  können,  so  werden  bis- 
weilen bestimimte  Tage  vor  Ostern,  Michaelis  usw.  als 
Ausrugstermine,  Tage  nach  dem'  Fest  als  Antrittszeiten 
festgesetzt ;  oder  es  heißt,  daß  das  Umziehen  in  der  Fest- 
woche zu  erfolgen  habe.  Auf  diese  Bestimmungen  braucht 
hier  ihrer  Geringfügigkeit  wegen  nicht  weiter  eingegangen 
zu  werden*). 


^)  Ebenda  HI  2  S.222.  — *)  Schrader,  Handbuch  II  S.202. — 
*)  St  A.  Schleswig.  Sammlung  Grossf.  Verordnungen;  Schrader 
a.  a.  O.  —  ^)  Schrader  a.  a.  O.  —  •)  St.  A.  Schleswig.  Sammlung 
Grossf.  Verordnungen,  —  •)  Beispiele:  bayerische  Landesordnung 
1516,  ravensberger  Landesordnung  1655,  nassau-usinger  Ge- 
sindeordnung des  18.  Jhdts.,  Godingsartikel  des  Domkapitels  Münster 
1715,  Gesindeordnung  ftkr  Osnabrück  1766,  Polizeiordnung  Hlr  Sayn- 
Wittgenstein  1776,  Gesindeordnung  für  Hadeln  1789,  Düssel- 
dorfer Dienstbotenordnung  von  1809.  In  der  detmolder  Gesinde- 
ordnung von  1789  (Landesverordnungen  III  S.  541)  heisst  es:  „Zur 
Ausrottung  des,  sonst  hiebey  noch  nachtheilig  bleibenden  aberglfiu- 
bigen  Vorurtheils,  dass  ftir  Zugehen  der  Dienstag  und  der  Freitag 
nur  die  glücklichen,  die  übrigen  aUe  aber  die  unglücklichen  Tage 
seyen,  . , .  haben  Wir,  da  sie  durch  Gesetzgebung  nicht  geschehen 

K&iDeoke.  32 


—    498    — 

Nur  über  die  vom:  Gesinde  öfters  vorgenamimeiien 
eigenmächtigen  Verlängerungen  der  Zwischenzeiten  und 
den  Kampf  der  Gesetzgeber  hiergegen  sei  kurz  eiiiigres 
gesagt.    Es  bandelt  sich  uni  die  in  Bayern  bekämpfte 
Erscheintuig  der  Kälberweilen,  Schlender-,  Schlexikl- 
zeit,  oder  Rockenreiß.    Die  Gesindeordnung  von  1801  *) 
erklärt  sie  so:    „Nach  hiesiger  Landessitte  eine  kleine 
Zeitfrist,  binnen  welcher  der  Ehehalt  zwischen  dem  Aus- 
tritt  aus  seinem'  vorigen,  und  der  Einstehimg  in  seinen 
neuen  Dienst  zu  seinen  Eltern  oder  Verwandten  nach 
Hause  geht,  und  seine  Leibwäsche  und  Kleidungsstücke 
zusaminienrichtet.**  Doch  kam  es  dabei  vor,  daß  die  Dienst- 
boten von  der  Herrschaft  während  der  Zeit  Brot,  Schmalz, 
Eier,  Mehl,  Käse  usw.  begehrten.    Diese  „Mißbräuche" 
werden  durch  Maximilians  Landrecht  von  1616  verfolgt. 
Das  Landrecht  verbietet  all  das  und  droht  dem  Gesinde 
imd  auch  den  Herrschaften  mit  Strafen  *).   „Nachdem  je- 
doch bisweilen  ein  Ehehalt  etwa  sein  Gewand  auszubes- 
sern oder  sonst  zu  seiner  Notdurft  etwas  zu  verrichten 
habe,  solle  ihm  vergönnt  sein,  zwei  Tage  vor  denn  Ziel 
auszustehen  und  zwei  Tage  nachher  erst  einzustehen,  also 
4  Tage  Schlenklweil  zu  haben."  Die  schon  erwähnte  Ge- 
sindeordnung von  1801  erlaubt  die  Schlenklzeit  nur  bei 
Gestattimg  der  neuen  Dienstherrschaft.   Ganz  energnische 
Polizeimaßiegeln,  vornehmlich  Kontrolle  der  während  der 
Faschingszeit  zu  hause  sitzenden  Dienstboten,  werden  1809 
angeordnet  ^). 

Am   27.   April   1775  erließ  die   Regienmg  in  Am- 
berg ein  Patent*)  wider  die  Dienstboten,  die  sich  nur 


können,  dem  Consistorium  die  zweckmässige  VerfQgung  aufgetragen, 
dass  sie  durch  Unterricht  und  Lehre  geschehen." 

*)  Kr.  A.  München.  MA.  Fasz.  1821  Nr.  116&.  —  «)  Platzer 
S.  108.  —  •)  Kn  A.  München.  GR.  Fasz.  404  Nr.  9.  —  Döllingers 
Gesetzsammlung  Bd.  18  T.  2  S.  1828.  —  *)  Kr.  A.  Amberg.  Zugang 
90.  Fasz.  5  Nr.  126. 


—    499    — 

unter  <ler  Bedingtuig  Vermietien,  daß  ihinien  Sonntags,  ja 
sogar  tempore!  sacrato  et  vietito  ,,übe(r halbnächtiges  Dan- 
zen,  Pichlen"  und  andere  Leichtfertigkeit  verstattet  wird; 
an  Werktagen  dagegen  miachen  sie  die  „Rocken-Reiss", 
d.  h.  sie  sagen  den  Dienst  auf,  sietzen  sich  211  ihren  Eltern 
oder  in  Herbergen  und  ernähren  sich  dxirch  Spinnen  und 
Entfremdung  von  Feldfrüchten.  Hier  ist  also  wieder  der 
Konnex  mit  den  Kampf  mittein  *  gegen  die  Müßiggänger 
und  ledigsitzenden  Dienstboten. 

Vielleicht  will  auch  die  altenburger  Gesindeord- 
nung von  1744^)  eine  Art  „SchlenW-Sitte  bekämpfen. 
Die  Ordnung  vierbietet  nämlich,  daß  die  Knechte  und 
Mägde  „in  denen  so  genannten  12.  Nächten*)  ihres  Ge- 
fallens auslaufen'*.  Hier  kann  es  sich  aber  auch  um  eine, 
allgemeine  Gesindesitte  handeln,  die  auch  bei  fortdauern- 
dem Dienste,  liicht  bloß  zwischen  altemi  und  neuem  Dienst, 
geübt  wurde*). 

Ohne  daß  die  weisen  Gesetzgeber  dawider  ankämpf- 
ten, machte  sich  eine  gleiche  Sitte  wie  in  Bayern  auch 
in  Hessen*)  geltend.  In  Oberhessen  bleiben  die  Knechte 
und  Mägde  zwischen  den  Diensten  zwei  bis  vier  Tage  im 
Eltemhause,  inn  ihre  Kleidimgsstücke  auszubessern.  Die 
Knechte  werden  dann  von  ihren  Kameraden  unter  Peit- 
schenknall in  den  neuen  Dienst  geleitet,  die  Mägde  be- 
gleitet der  Gesang  der  Freundinnen ;  im'  Hause  des  neuen 
Herrn  werden  alte  bewirtet.  An  manchen  Orten  Ober- 
hessens ist  das  Gesinde  sogar  vom'  dritten  Weihnachtstag 
bis  zum'  Dreikönigstag,  also  vierzehn  Tage  frei;  es 
arbeitet  währenddem'  für  sich  und  besorgt  dem)  Herrn 
Iwichstens  das  Füttern.  In  der  Rhön  wird  der  Dienst  noch 
^Hn  zwei  Tage  hinter  Lichtmjeß  ausgedehnt.  Da:  Tag  nach 


*)  Univ..BibL  Marburg.  XVIII  f  B  1119g..  —  ")  Nach  Weihnachten. 
-')  Siehe  unten  §6.  —  *)  Fürs  Folgende  Kessle  r,  Landeskunde  II 
S.  164,  166,  578. 


89 


• 


—    500    — 

Lichtmieß  ist  der  „Töppestag",  an  dem  die  Dienstbotea 
das  während  des  Diensteis  zerbrochene  Geschirr  abver- 
dienen müssen.  Der  nächste  Tag  erst  ist  der  „Scherz- 
tag", wo  die  Mägde  „schürzen**,  aus  dem'  Dienst  gehen. 
Auch  im  Schatunburgscben  wird  der  alte  Dienst  am  Tage 
nach  Ostern  verlassen  und  lelrst  am!  folgemden  Donnerstag 
tangetreten  ^). 


§  5.    Pflichten  des  Gesindes. 
L  Verrichtung  der  Arbeit   Arbeitszeit   Sonntagsarbeit 

Im  fersten  Abschnitt*)  wurde  als  ein  wesentliches 
Kennzeichen  deflr  mieisten  unter  dem*  Namen  „Gesinde**  zti- 
samlmengefaßten  Berufsarten  die  Unbestimtnlbarkeit  des 
Arbeitsumfanges  festgestellt.  Die  Hirten  und  die  Müller- 
knechte haben  eine  begrenzte  und  relativ  leicht  begrenz- 
bare Tätigkeit.  Wann  und  wie  imd  auf  was  für  Land  der 
Schäfer  weiden  darf,  kann  immerhin  schon  für  ein  größe- 
res Gebiet  gleichmäßig  oder  doch  mdt  bewußten  Abwei- 
chungen verordnet  werden.  Wenn  man  es  ebenso  mit  den 
Pflichten  des  Oberknechts  und  des  Mittelknechts,  der 
.Oberviehm;agd  tuid  des  Hühnermädchens,  des  Hausmäd- 
chens und  des  Stallburschen  machen  wollte,  dann  müßte 
man  ebenso  viele  einzelne  Gesetze  schaffen,  als  es  Haus- 
halte gibt  —  und  würde  auch  dann  noch  ins  offene  Faß 
gießen,  da  sich  der  Bedarf  des  Haushalts  nach  Arbeit  jähr- 
lich, täglich,  stündlich  ändert. 

Da  eine  Bestimmung  des  Arbeitstunfanges  mithin  sehr 
schwierig  ist,  die  Dienstherrschaften  aber  eine  Vorschrift 


0  Mit  einem  Gulden  täglichem  Lohnabzuge  wollte  man  1719  im 
flandrischen  Rechte  die  Pünktlichkeit  des  Diensteintrittes  auf  den 
Tag  durchsetzen;  Behaegel,  Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bul- 
letin du  comit6  central  du  travail  industriel  1905  S.  659).  —  *)  Oben 
S.  S47,  252. 


—    501     — 

nicht  entbehren  wollten,  welche  die  Dienstboten  rum  Ar- 
beiten verpflichtete,  griff  man  bisweilen  dazu,  demi  Ge- 
sinde Ausführung  aller  aufgetragener  Arbeiten  zu  be- 
fehlen, mit  mehr  oder  weniger  geringen  Ausnahmen.  Der 
Gesetzgeber  beschränkte  sich  darauf,  die  höchste  Vollzugs- 
gewalt zu  besitzen  imd  dem  Dienstherm  den  Rahmen  zu 
liefern,  den  dieser  nach  Gutdünken  ausfüllen  konnte.  Auf- 
zeichnimgen  einztebier  Arbeitspflichten  komtoen  wohl  hier 
und  da  einmal  vor,  spielen  aber  imi  Vergleich  zti  der  F  üUe 
von  Tätigkeiten,  die  dem  Gesinde  obliegen,  gar  keine 
Rolle.  Daß  selbst  diese  kümimerlichen  Arbeitsvorschriften 
noch  zu  weit  gehalten,  zu  wenig  spezialisiert  sind,  als 
daß  die  Praxis  sie  verwerten  könnte,  ergibt  sich  daraus, 
daß  unter  den  zahlreichen  zu  diesem  Werke  benutzten  Pro- 
zeßakten ein  Hinweis  aiif  derartige  Vorschriften  mit  einer 
Ausnahnve  nicht  tu  finden  ist. 

Welche  Gefahr  für  die  Dienstboten  in  dieser  Unbe- 
stinünbarkeit  und  daher  fehlenden  Festsetzung  des  Ar- 
beitsimifanges  liegt,  braucht  nicht  betont  zu  werden.  Es 
wird  nicht  allzuviel  über  die  übermäßige  Dauer  und 
Schwere  der  Arbeit  aus  der  Vergangenheit  berichtet*). 
Das  liegt  aber  nur  daran,  daß  die  Quellen,  die  auf  uns 
herabgekomlmen  sind,  so  gut  wie  ausschließlich  Kund- 
gebungen des  einseitigen  Standpunktes  der  Dienstherrai 
sind,  während  Äußerungen  der  Dienenden  allzu  selten 
vorkomtoen.  Daß  die  Dienstboten  mit  Arbeiten  nicht  ver- 
schont wurden,  zeigt  schon  das  Sprichwort:  „Das  Ge- 
sinde soll  arbeiten ;  was  im  Hause  zu  feiern  ist,  das  können 
Herr  und  Frau  selbst  verrichten'**). 

In  kleinerem  Maßstabe  treten  die  festgestellten 
Schwierigkeiten  der  Rechtssetzung  schon  bei  den  größe- 
ren Einzelhaushaltungen  des  Landes  hervor.  Aus 

')  Beispiel:  K.  Weinhold,  Deutsche  Frauen  in  d.  M.-A.  S.  8^ 
über  die  harte  Mflgdearbeit  des  Waschens  und  Heizens.  —  ")  Sim- 
rock,  die  deutschen  Sprichwörter  S.  187. 


—    502    — 

den  genannten  Gründen  ist  es  für  diese  inuner  mit  einem 
Risiko  verbunden,  sich  autonom!  Wirtschaftsgesetze  auch 
für  das  Gesinde  zu  schaffen.  Da  es  dem'  Hausherrn  hier 
unmöglich  ist,  jedem  einzelnen  Dienstboten  Verhaltungs- 
maßregehi  m  geben,  teilt  er  sie  schriftlich  und  durch  jähr- 
liche Verlesung  dem  Personal  mit  xmd  gibt  sein  Aufsichts- 
recht dem  ihm  immittelbar  untergebenen  Hausmleister  ab, 
der  die  Einzelbefehle  austeilt.  Die  Stelle  der  unmittel- 
baren Herrenweisung  vertraten  so  vornehmlich  die  H  o  f  • 
Ordnungen  wohl  aller  Länder,  die  über  des  Hofgesindes 
Arbeit  imd  Arbeitsart,  Essen  und  Trinken,  Fluchen  und 
Zanken  gar  viele  einzelne  Bestimimungen  trafen^).  So 
konnten  es  ferner  die  klösterlichen  Großwirtschaf- 
ten  tun. 

Ein  lehrreiches  Beispiel  hierfür  ist  die  Gesindeord- 
nung des  badischen  Klosters  Königsbrück*),  die  z.B. 
ausführliche,  sehr  spezialisierte  Vorschriften  über  das  Um- 
gehen der  Knechte  mit  den  Hunden  des  Klosters  ent- 
hält^); weiter  soll  der  Knecht,  der  seinen  Torschlüssel 
verUert,  ihn  auf  seine  Kostien  neu  machen  lassen,  eventuell 
kann  es  am  Lohn  einbehalten  werden*);  ein  oder  zwei 
Knechte  sollen  imtaHer  auf  dem  Hofe  bleiben*);  es  darf 
nichts  ohne  Erkiubnis  weggeliehen  ^)  und  nichts  zu  eigenem 
Nutzen  gebraucht  werden^)  und  so  weiter. 

Weitere  Beispiele  gleicher  Art  bieten  die  trierer 
Dienstordnimg  aus  dem  13.  Jhdt.  ®),  die  trierer  Kellnerei- 
ordnung  von  1509*),  die  Klosterordnung  zu  Blaubeu- 
ren  aus  dem  Jahre  1558^*^)  und  die  Instruktion  des  Spi- 
talmeisters am'  Bürgerhospital  zu  Landshut"). 


')  Näheres  über  das  (hessische)  Recht  des  Hofgesindes  unten  in 
§  18.  —  ■)  Mone,  Zeitschr,  f.  Gesch*  des  Oberrheines  I  S.  179  ff.  — 
•)  Nr.  28ff.  -  *)  Nr.  42.  —  »|  Nr.  5.  —  •)  Nr.  9.  ~  ')  Nr.  11.  - 
•)  Trierisches  Archiv  1898  S.  87.  —  •)  L  a  m  p  r  e  c  h  t ,  Wirtschaftsleben 
m  S.  807.  —  »«)  Reyscher,  Statutarrechte  S.  829.  — ")  Stauden- 
raus,  Chronik  von  Landshut  III  S.  208. 


—    503    — 

Es  ist  neicili  dem  Gesagten  eine  leicht  begreifliche 
Sicherungsimiaßregel,  wienn  die  Urheber  dieser  großen 
Haushaltsordnungen  zur  Stützung  der  vielartigen  Einzel- 
vorschriften weiter  gehen  und  auch  nodh  dazu  greifen, 
allgemein  gehaltene  Arbeits-  und  Verhal- 
tensvorschriften für  ihr  Gesinde  zu  geben. 

So  geschieht  es  zum  Beispiel  auch  in  jener  Gesinde- 
ordnung für  Königs  brück:  „20.  Item'  die  knecht  und 
alles  gesindt,  wo  sie  unssern  schaden  sehen,  erfaren 
oder  innen  werden,  es  sie  in  weiden,  veldern  oder  matten, 
nist  ussgenomimen,  so  sollen  sie  es  wenden,  als  ferne 
es  in  irem  vermügen  ist".  „50.  Item  die  knecht  sollen 
auch  thun,  was  mian  sie  heist,  es  sie  der  Schaffner  oder 
die  Schwestern,  und  sich  keiner  arbeit  entsla- 
gen,  die  gebührlich  zu  thun  ist,  und  nit  sagen, 
er  sie  nit  zu  disseml  oder  dem  gedingt,  sunder 
nach  sinem  vermiügen  das  best  thun  .  .  ."  „60.  Item  es 
soll  auch  ein  jeder  bei  seinem-  aidt,  wozu  er  dingt, 
vleissig  verrichten,  darnach,  so  solcheis  geschehen, 
wass  der  Schaffner  oder  hofmieister  einemj  jeden  zu  thun 
oder  ussrurichten  weiter  bevelhen  würde,  soll  ein  jeder 
solches  zu  thun,  ohne  einige  einrede  verbimden  sein." 
Und  in  demselben  Sinne  lautet  der  Eid:  „.  .  .  ewerer 
oberkeit  gehorsam,  getrew  und  holt  zu  sein,  dess  clo- 
sters  nutzen  in  allen  sachen  furdem  und  schaden  warnen, 
gebott,  verbott  nach  gehorter  Ordnung,  so  vil  dieselben 
alle  und  jede  betreffen,  halten  wollen,  also  imd  der  ge- 
stalt,  das  ermeltemi  Closter  von  euch  kein  schade  noch 
einige  geferde  wie  der  erdacht  werden  mochte,  es  sey 
heimlich  oder  öffentlichen  geschehen  solle,  getrewlich 
^ind  mit  vleiss  nachzukommen." 

Noch  weiter  geht  ausdrücklich  diel  Art,  mit  der  das 
Gesinde  der  Deutschhenen  m  W  e  i  n  h  e  i  m^)  imi  16.  Jhdt. 

^)  Mone  a.  a.  O. 


—    504    — 

zur  Arbeit  angehalten  wurde.  Da  wird  beispielsweise  ein 
Fuhrknecht  gedingt  „für  alle  ding,  und  soll,  so  er  von 
holtz  kompt,  andere  arbeit  thun,  wass  man  in  anrieht"; 
oder  ein  „wingartknecht**,  der  aber  doch  auch  andere 
Arbeit  noch  tun  soll,  m  der  man  ihn  bestellt.  Beides  sind 
Knechte,  die  für  eine  im  voraus  individuell  bestimmte 
Tätigkeit  gemietet  sind.  Gleichwohl  ist  ihre  Arbeits- 
pflicht dadurch  noch  nicht  umgrenzt;  sie  haben  „unge- 
messen** sich  zu  betätigen. 

Auch  eine  Spitalordnung  für  Siegen  aus  dem  Jahre 
1546^)  kann  hier  angeführt  werden.  Sie  sagt,  die  Spital- 
genossen imd  die  Dienstboten  „sollen  dem  geordneten 
haussvatter  und  der  haussmutter  gehorsamb  leistenn,  sie 
horenn,  irem  bevelch  nit  widder  siein,  usrichtain  was  sie 
geheissenn  werdenn,  die  vermuglichen  allerley  arbeit  thun, 
daran  imnd  dahin  sie  gestelt  werdenn,  es  sey  im  hauss,  in 
gartenn,  zu  felth,  zu  holtzt,  nichts  usgescheidenn,  soviel 
Ine  mtiglich  .  .  .** 

Die  mitgeteilten  Auszüge  aus  der  königsbrücker  Ge- 
sindeordmmg  geben  zugleich  eine  Überschau  aller  Mittel, 
mit  denen  dem'  Gesinde  seine  allgemeine  Arbeitspflicht 
klar  gemacht  werden  kann;  der  Mittel,  die  alle  die  spä- 
teren Gesetzgeber  je  für  ihr  ganzes  Land  anwandten  und 
auch  allein  anwenden  konnten:  vor  allem  Feststellung 
der  Gehorsantöpflicht  des  Gesindes,  seiner  Obliegenheit 
zur  Verridhtung  aller  vom  Herrn  aufgetragenen  Arbeit, 
seiner  Verpflichtung  mr  Anwendxmg  von  Fleiß,  zur  Hin- 
derung allen  Schadens.  Geleitet  werden  diese  Ideen  von 
dem  allgemeinen  Grundsatz,  daß  der  Staat  dem  Haus- 
herrn die  Bestimmung  der  Arbeitsart  notwendig  über- 
lassen muß  und  demgemäß  auch  überläßt. 

Soweit  möglich,  soll  der  Unnrfang  der  Arbeit  gleich 
beim  Eintritt  in  den  Dienst  bestimimt  werden.    So  heißt 


')  Corp.  Const.  Nass.  I  S.  115. 


—    505     — 

es  in  einem  österreic'hischen  Mandat  vom'  27.  März 
1784  ^) :  „Damit  aber  den  zwischen  demi  Gesinde  und  den 
Herrschaften  vorfallenden  Streitigkeiten  so  viel  möglich 
vorgebogen  werde,  so  sollen  die  wechselseitigen  Verbind- 
lichkeiten auf  das  klarste  bestimtot  werden." 

Nur  darf  diese  Abmachung  beim«  Arbeitsbeginn  nicht 
soweit  gehen,  daß  sich  der  Dienstbote  durch  „Auf- 
bochen"  eine  bestimmt  umgrenzte  Arbeit  aus- 
macht. Das  galt  den  Gesetzgebern  als  ein  besonders 
raffiniertes  Mittel  des  Gesindes,  sich  das  Leben  bequem 
zu  machen  tmd  die  Herrschaft  zur  Mietung  von  noch 
mehr  Dienstboten  zu  zwingen.  Das  Prinzip  des  weisen 
Colerus*)  fand  stets  Anerkennung:  „Man  weiss  doch 
wol  dass  Knechte  nicht  waschen  oder  melcken,  Stuben 
kehren  oder  spinnen,  man  findet  aber  gleichwohl  örter, 
da  Knechte  eben  so  wol  spinnen  oder  melcken,  als  die 
Mägde,  und  warumb  solte  nicht  ein  jedes  Gesinde  seiner 
Herrschaft  nutz  schaffen,  imd  schaden  verhüten  helffen, 
wo  es  imimer  könte  und  möchte?  Wann  gleich  einem 
jeden  G^esinde  seine  besondere  Arbeit  gehörte,  warumb 
soll  es  aber  nicht  im  Nothfall,  wann  eines  oder  das  an- 
dere nicht  zur  Stelle  wäre,  den  andern  die  Hand  reichen, 
und  ein  jedes  nach  seinem  Verstand  imd  Vermögen  alles, 
was  im  Hauss  m  thun  ist,  verrichten  helffen?  wollen  sie 
doch  alle  essen  und  trincken,  in  weichen  Betten  schlaffen, 
und  ihren  Lohn  haben,  so  sollen  sie  auch  zugleich  ar- 
beiten." 

So  wtuxie  beispielsweise  in  Österreich  1769®)  im 
Zusammenhange  mit  dem  Gebot,  alle  aufgetragene  Ar- 
beit zu  tun,  den  Dienstboten  auch  untersagt,  der  Herr- 
schaft „allerhand  unanständige  auch  sünd-  und  laster- 
hafte Bedingnussen  vorzuschreiben,  worunter  nicht  nur 
die   gute   Hausiucht  empfindlich   leidet,   sondern  anbey 

*)  Dorn  S.  202,  32.  —  ■)  Oeconomia  ruralis  et  domestica  S.  7. 
-  »)  Kn  A.  München.    GR.  Fasz.  402  Nr.  2. 


—    506    — 

ein  Herr  in  seiner  Wirthschaft  merklich  verkürzet,  und 
Gott  Selbsten  sehr  schwer  beleidiget  wird**.  Besonders 
häufig  hat  sokbe  Verbote  das  bayerische  Recht. 
Maximilians  Landrecht  von  1616  spricht  es  aus;  die 
Dienstboten  sollen  sich  nicht  von  der  Herrschaft  be- 
stimmte Arbeit  ausbedingen  und  sie  sollen  sich  anbe- 
fohlener Arbeit,  die  sie  wohl  verrichten  können,  nicht 
weigern^).  So  steht  es  auch  in  den  Gesindeordnungen 
von  1654  und  1656*).  Auch  das  18.  Jhdt.  bleibt  hierbei. 
Die  Gesindeordnung  von  1755  *)  droht  dem:  Gesinde  mit 
Arbeitshaus;  dies  ist  auch  das  von  der  1761  erlassenen 
Gesindeordnung*)  gewählte  Kampfmittel.  Aus  dem  17. 
Jhdt.  ist  noch  die  Vergleichimg  des  schwäbischen 
Kreises  von  1652*)  anzuführen;  die  angedrohte  Strafe, 
10 — 12  Th.  <^er  Turm',  soll  wohl  für  die  sämtlichen  im 
Zusamim^nhang  dort  aufgezählten  Delikte,  auch  für  das 
Ausbedingen  beschränkter  Arbeit,  gelten. 

Eine  direkte  Erlaubnis,  sich  mit  der  Herrschaft  über 
den  Umfang  der  Arbeit  im'  voraus  tu.  einigen,  gibt  §  20 
der  freiburger  Gesindeordnung  von  1782*);  ähnlich 
ist  die  Fassung  in  §  24  der  auf  der  freiburger  Ordnung 
mit  beruhenden  badischen  Gesindeordnung  von  1809 '). 
Auch  die  Gesindeordnung  für  Ansbach  aus  dem  Jahre 
1769®)  läßt  aus  einigen  eigenartigen  Rechtssätzen  er- 
kennen, daß  sie  Vereinbarungen  von  Dienstboten  und 
Herrschaften  über  die  Arbeitsteilung  unter  dem  Gesinde 
zulassen  will.  Wird  ein  Dienstbote,  so  heißt  es,  zu  einer 
andern  Arbeit  verwendet,  als  wozu  er  angenommen  ist, 
und  verdirbt  er  dabei  etwas  ohne  Vorsatz,  dann  kann  der 

^)  Platzer  S.  110.  —  ')  R.  A.  München.  Generaliensammlung 
Rcp.  S.  9  Nr.  7  Bd.  1.  —  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  — 
•)  Abgedruckt  im  Churbair.  Intelligenzblatt  1776  Nr.  89.  —  *)  Kr.  A. 
München.  GR.  Fasz.  404  Nr.  7.  —  »)  St.  A.  Stuttgart.  Druck.  — 
*)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia  6891.  —  ')  Gen.  L.  A. 
Karlsruhe.  Provinz  Niederrhein.  Gesindepolizei.  Lit.  B  Nr.  1.  1765 
bis  1809  (IV  2).  -  »)  Kr.  A.  Nürnberg  S.  28  V  Nr.  779,  Repcrt.  283. 


—    507 

Dienstherr  Entschädigting  von  ihm  nicht  verlangen.  In 
seinem  Tätigkeitsbereich  aber  hat  jeder  Dienstbote  cul- 
pam  levem=  ru  vertreten. 

Soweit  solche  Mietung  211  beschränkter  Arbeit  nicht 
erfolgt  oder  nicht  zugelassen  ist,  muß  sich  der  Dienstbote 
aller  vorkommenden  Arbeit  iinterziehen,  die  ihm  der  Herr 
atisdrücklich  oder  auch  (im'  Einzelfall)  stillschweigend  auf- 
gibt; die  Grenzen  für  die  Anordnungen  der  Dienstherr- 
schaft sind  weit  gezogen,  so  daß  diese  nicht  auf  atißer- 
gewöhnliche  Umstände  zu  warten  braucht,  tun  dem  Ge- 
sinde eine  möglichst  große  Menge  Arbeit  aufzulegen.  Not- 
stände rechtfertigen  eine  intensive  Heranziehung  der 
* 

Dienstboten.  Der  Knecht  Henn  Maurer  in  T  r  e  y  s  a  findet 
nichts  dabei,  daß  er  während  einer  Pestzeit  1533  alle 
Arbeit  für  seinen  Herrn  hat  txm  müssen^);  er  hat  „alle 
heusslich  arbeit  allein  gethan,  hauss  und  hoff  gar  müssen 
versorgen  imd  verwaren",  die  Frucht  vom  Felde  geholt 
und  ausdreschen  lassen. 

Das  spielte  sich  in  einer  Zeit  ab,  wo  Hessen  noch 
keine  Gesetze  über  das  Gesinde  imd  seine  Arbeit  kannte ; 
erst  im  18.  Jhdt.  bringen  in  Hessen  die  Gesindeord- 
nungen Vorschriften  über  den  Umfang  der  Gesindetätig- 
keit. 1736*)  enthalten  die  §§  11  ff.  Bestimmungen  über 
des  Gesindes  Pflicht  zur  Verrichtung  seiner  Arbeit.  Es 
soll  keine  ehrliche  Arbeit  ablehnen  „unter  dem  praetext, 
dass  Ihnen  dergleichen  nicht  zukommie,  oder  sie  nicht  darzu 
angenonrnien  worden**.  Dafür  wird  aber  auch  der  Herr- 
schaft die  Pflicht  auferlegt,  das  Gesinde  nicht  mit  un- 
erträglicher und  allzu  harter  Arbeit  zu  beschweren.  Der 
Herrschaft  Nutzen  ist  zu  fördern,  Schaden  von  ihr  ab- 
zuwenden. Ebenso  sind  auch  die  Bestimmungen  der  drei 
späteren  Gesindeordnimgen  ').  Nur  fehlen  in  der  von  1816 

*)  St.  A.  Marburg.  Akten  des  marburger  Samthofgerichts  in 
Sachen  Henn  Meurer  gegen  Tutores  Adolph  Schwalbachs.  —  ')  LO. 
IV  S.  410.  -  »)  LO.  Vn  S.  727;  VH!  S.  26;  Möller-Fuchs  S.  118. 


—    508    — 

die  Hinweise  auf  Förderung  herrschaftlichen  Nutzens  und 
Abwendung  des  Schadens;  sie  enthält  die  neue  Vor- 
schrift, daß  die  Herrschaft,  die  aus  Gutmütigkeit  ein 
schwangeres  Dienstmädchen  eine  Zeit  lang  noch  im 
Dienste  behält,  auf  dessen  Zustand  „billige  Rücksicht"  zu 
nehmen  hat,  »und  ihm-  nicht  nachteilige  Arbeit  zumuten  soll. 

Viel  älter  ist  auch  hier  das  schon  früh  sehr  ausgebil- 
dete Recht  des  südlicheren  Deutschlands,  vornehmlich 
Kurbayerns.  Die  Landpolizeiordnimg  von  1516 ^)  sagt : 
„Die  BestinüTumg  der  Arbeit  hängt  von  der  Bescheidenheit 
des  Dienstherm  ab.**  Die  Dienstboten  dürfen  sich  keine 
besonderen  Vorteile  in  Kost  imd  sonsten  ausmachen,  dem- 
nach sicherlich  auch  nicht  in  der  Beschränkimg  der  Ar- 
beitsmenge. Auch  Maximilians  Landrecht  von  1616*)  ge- 
bot, daß  die  Dienstboten  sich  aller  anbefohlenen  Arbeit, 
die  sie  verrichten  können,  unterziehen.  In  Österreich 
bestimmte  die  Gesindeordnung  von  1765^),  daß  das  Ge- 
sinde bei  scharfer  Strafe  sich  keiner  Arbeit  weigern  darf ; 
ohne  gerade  hierauf  solche  Strafe  anzudrohen,  spricht  auch 
die  Gesindeordnimg  von  1769*)  von  dieser  Pflicht  im  Zu- 
samlnenhange  mit  der  strafbaren  Erwirkung  von  „Be- 
Üingnussen**.  1784  wurde  hier  in  dem  schon  vorhin*) 
genannten  Mandat  das  Arbeitsgebot  dahin  erläutert,  daß 
das  Gesinde  sich  keiner  Arbeit  weigern  darf,  auch  wenn 
diese  vorher  nicht  ausbedungen  war.  Auch  in  Ansbach 
statuierte  man  1769^)  die  Verpflichtung  der  Dienstboten 
zu  allen  vorkomlmenden  Arbeiten;  aber  die  Herrschaft 
soll  dem  Gesinde  keine  unmöglichen  und  imanständigen 
Arbeiten  zumuten. 

Dann  gehören  noch  die  bereits  genannten')  beiden 

')  Max  vonFreyberg,  Pragmatische  Geschichte  der  bayerischen 
Gesetzgebung  und  Staatsverwaltung  seit  den  Zeiten  Maximilians  I. 
Bd.  II  S.  185.  —  «)  Platzer  S.  110.  -  •)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz. 
402  Nr  1.  -  *)  Ebenda.  Fasz.  402  Nr.  2.  —  •)  Oben  S.  606.  —  •)  Kr. 
A.  Nürnberg  S.  28  V^  Nr.  779  Repert.  233.  —   ')  Oben  S.  606. 


—    509     — 

ba'dischen  Gesindeordnungen  hierher.    In  der  frei- 
b  u  r  g  e  r  von  1782  wird  dem'  Gesinde,  das  nicht  durch  be- 
sondere Abmlachiing  ntir  für  bestimmte  Arbeitsgattungen 
gemietet  ist,  auferlegt,  alle  vorkommende,  angemessene 
Arbeit  zu  tun,  „indem'  das  Gesinde  überhaupt  m  Erleich- 
terung, und  Verrichtung  der  Hausgeschäfte,  die  sich  nach 
ihrer  verschiedenen  Vorfallenheit  nicht  allzeit  zum  vor- 
aus genau  bestimlm)en  lassen,  angenommen  wird,  und  dafür 
seine  Kost  und  Lohn  erhält**.   Die  Gesindeordnung  von 
1809  beginnt  die  Aufzähltmg  der  Gesindepflichten  in  §  23 
mit  der  Bestimimimg,  daß  die  Dienstboten  sich  bei  der 
Arbeit  nicht  vertreten  lassen  dürfen.    Weitergehend  als 
die  freiburger  Ordnung  verpflichtet  §  24  auch  die  zu.  be- 
stimmten Arbeiten  gemieteten  Dienstboten,  in  Notfällen 
alle  Arbeit  zu  tun.    Wie  in  der  früheren  Vergangenheit 
ähnliches   Recht    gehandhabt  wurde,  zeigt    das  amor- 
bacher  Gerichtsbuch  aus  1409/10^).  Da  heißt  es:  „Item 
lemlins  frauwe  clagt  von  düczelin,  daz  er  ir  gedingter 
knechte  waz  und  wolte  ir  nit  zu  walde  farn  und 
weit  ir  nit  dun,  daz  er  nun  geli<^h  tun  salte» 
. .  .  Daz  ist  ir  leider  dan  X  pfunt.** 

Aus  Norddeutschland  sei  noch  einiger  hannoverscher, 
jülicher  und  clevischer  Gesetze  gedacht.  Die  Gesindeord- 
nung von  1732  für  Hannover*)  gibt  wie  die  schon  ge- 
nannte hessische  von  1736^),  deren  Vorbild  sie  war,  den 
Dienstboten  Ausführung  aller  geheißenen  Arbeit  auf,  legt 
aber  den  Herrschaften  ans  Herz,  dem  Gesinde  nicht  allzu 
viel  Arbeit  zuzumuten.  Die  Gesindeordnimg  für  Osna- 
brück aus  dem  Jahre  1766*)  vertritt  den  Standpunkt, 
die  Herrschaft  solle  ihr  Gesinde  in  der  Arbeit  so  halten, 
daß  darüber  keine  gegründete  Beschwerde  entsteht.  Un- 
verdrossen und  ohne  Murren  soll  vom  Gesinde  alle  auf- 

')  Hab«lsche  Sammlung.  —  ')  Spangenberg,  Verordn.  f.  Han- 
nover IV  2  S.  461.  -  •)  Oben  S.  507.  -  *)  Klöntrupp,  Handbuch 
IS.  76. 


—    510    — 

getragene  Arbeit  vierrichtet  werden.  Der  Herrschaft 
Nutzen  suchen,  schaden  von  ihr  wenden  —  alles  das  sind 
die  Ideale,  die  die  jGesindeordnung  für  C 1  e  v  e  von  1753  *) 
stellt.  Und  nicht  anders  will  es  die  Gesindeordnung  von 
1769  '),  die  fürs  Land  gilt.  Deshalb  (nämlich  wegen  ihres 
agrarischen  Charakters)  verlangt  sie  auch,  daß  die  Dienst- 
boten nicht  nur  alle  vorkomitaende  Hausarbeit  tun,  sondern 
auch  die  Feld-,  Wiesen-  und  Gartenarbeit,  kturz  alle  öko- 
nomischen Verrichtimgen  ausführen.  Die  jülichsche 
Gesindeordnung  von  1801  •)  und  die  verwandte  d üs sal- 
do rf  er  von  1809*)  wollen  dasselbe  wie  all  die  genann- 
ten Gesetze  erreichen.  Besonders  energisch  ist  das  Vor- 
gehen 1809 :  Hier  wird  „unter  Dienst  .  .  .  jede  häusliche 
Verrichtimg  verstanden,  in  so  fem  sie  gegen  die  Moralität 
nicht  anstößt,  und  die  Freyheit  des  Dienenden  nicht  auf 
unbestimmte  Zeit  einschränkt".  Verletzt  der  Dienstbote 
die  Pflicht  des  Fleißes,  indem'  er  Aufgetragenes  nicht  tun 
will,  dann  kann  er  laut  Art.  17  gleich  entlassen  werden. 

Bittere  Ironie  ist  es,  weim  das  brande nburger 
Gesinderecht  verlangt,  die  Dienstboten  sollten  die  Arbeit 
so  verrichten,  „als  wenn  alles  ihre  eigene  Wirtschaft  und 
Nutzen  beträfe"  *).  Wie  sollten  diese  unselbständigen,  stets 
geknechteten  Dienstboten  überhaupt  einen  Begriff  dawn 
haben,  wie  der  handelt,  der  eine  „Wirtschaft"  sein  eigen 
neimt!  Radikal,  aber  ohne  Zweifel  praktisch  'bestimmt 
dann  das  ALR.,  ähnlich  wie  es  in  den  schon  genarmten  ba- 
dischen Gesindeordnungen  geschieht,  daß  das  Gesinde,  das 
nicht  zu  bestimmten  Arbeiten  angenommlen  ist,  alle  ver- 
richten m;uß,  vor  allem'  wenn  Mitgesinde  krank  ist  ®).  Auch 
im  Ordenslande  waren  die  Verrichtungen,  die  den 
Dienstboten  oblagen,  nicht  besonders  festgesetzt  ^). 

In  der  geschilderten  Weise  stellten  die  Regierungen 

»)  Tit.  IV  §  1,  2;  Scotti,  Cleve  S.  1452.  —  «)  Ebenda  S.189i 
*)  Scotti,  Jülich  S.  830.  —  *)  Ebenda  S.  1252.  -  »)  Lennhoff 
S.  91.  —  •)  Ebenda  S.  61.  —  ')  Steffen  S.  10. 


—    511     — 

(die  Rahmen  atif ,  die  dann  in  der  Praxis  von  den  einzelnen 
Herrschaften  und  ihren  Dienstboten  auszufüllen  waren. 
So  erfolglos  also  Einzelbestimimiungen  aus  den  angegebe- 
nen Gründen  auch  sein  mußten,  so  unternahmen  es  doch 
einzelne  Gesetze,  über  die  von  der  Macht  der  Verhältnisse 
gebildete  Grenzte  hinweg  zu  gehen,  und  den  einzelnen  Herr- 
schaften gewissermaßen  ins  Zeug  211  pfuschen. 

Scheinbar  am!  tiefsten  greift  die  Gesindeordnung  von 
1769  für  Cleve^)  in  die  Bestimlmungssphäre  des  Einzel- 
haushalts ein.  Aber  nur  scheinbar.  Denn  wenn  sie  in 
§  16  auch  Vorschriften  über  einzelne  Tätigkeiten  und  die 
Art  ihrer  Vornahme  bringt,  so  gibt  sie  doch  gleichwohl 
ihre  eigene  Überflüssigkeit  (in  dieser  Beziehimg)  zu  und 
verweist  auf  den  Brauch  in  der  einzelnen  Wirtschaft.  Die 
Knechte  sollen  den  Acfcer  auf  keine  andere  Weise  pflügen, 
als  der  Herr  will;  sie  sollen  den  Pferden  und  dem 
übrigen  Vieh  kein  anderes  oder  mehr  Futter  geben  als 
der  Herr  will;  „wie  denn,  wenn  sich  Knecht,  Magd  oder 
Hirthe,  dem*  zuwider,  unterstünde,  aus  unzeitiger  Zunei- 
gung für  das  Vieh  zu  stehlen",  er  als  Entwender  bestraft 
werden  soll»). 

Einige  spezielle  Verhaltungsmaßregeln  für  das  Ge- 
sinde komimen  mit  einer  gewissen  Regelmäßigkeit  in  meh- 
reren Gesetzen  vor.  Anvertraute  Sachen  soll  das 
Gesinde  zurückgeben  und  nicht  verderben.  So  steht  in 
allen  hessischen,  hanauer  und  fuldischen  Gesindeord- 
nungen von  1736  an;  ferner  z.  B.  in  der  Gesindeordnimg 
för  Hannover  von  1732^)  und  in  §  2  derjenigen  für 
Cleve  von  1753*).  Wenn  das  Gesinde  zu  Aufträgen 
verschickt  wird,  soll  es,  wie  ein  weiterer  derartiger 
Rechtssatz  lautet,  rasch  wiederkommen.  Das  stand 
ini  Entwurf  zur  hessischen  Gesindeordnimg  von  1797*) 

0  Oben  S.  510.  —  *)  Man  vergleiche  hier  das  eigenartige 
l>elikt  unseres  Strafgesetzbuchs,  den  Futterdiebstahl  in  §  870  Nr,  6.  — 
')  Oben  S.  509,  —  «)  Oben  S.  510.  -  »)  Oben  S.  95. 


—    512    — 

und  wurde  auch  Gesetz  (§  11)^).  Der  wesentlich  kürzer 
gefaßte  §  8  der  fuldischen  Gesindeordnung  von  1816^» 
hat  diese  besondere  Bestimmung  dagegen  wieder  nicht. 
Als  hessische  Gewohnheit  erwähnt  sei,  daß  vor  dean'  Dienst- 
austritt die  Knechte  noch  Hof  und  Ställe  in  Ordnung 
bringen,  die  Mägde  alles  Geschirr  reinigen  müssen  *).  Von 
außerhessischen  Rechten,  die  Bestimtniungen  in  der  Art 
der  Gesindeordnung  von  1797  enthalten,  sollen  wieder  die 
beiden  mehrfach  angeführten  clevischen  Ordnungen 
von  1753  und  1761,  §  6,  20  genannt  sein. 

Galten  diese  Vorschriften  vornehmlich  dem'  Wohl  der 
einzelnen  Dienstherrschaft,  so  kam  in  anderen  Bestimimim- 
gen  auch  einmal  das  Gemeinwohl  zur  Geltimg,  das  Fest- 
setzimg bestimmten  Verhaltens  der  Dienstboten  bei  der 
Arbeit  forderte.  So  wenn  die  mühlhäuser  Statuten 
1351  *)  festsetzen,  „daz  eyn  yclich  ackirknecht  eyne  grelle  ^) 
mit  yme  füre  sal  czcu  Holcz  imd  czcu  dem  ackire,  und  sal 
die  habe  uff  sime  phluge  und  ensal  die  nicht  by  sich 
nider  lege,  by  eymfe  Schillinge  phennynge"  •).  Noch  miehr- 
fach  ergingen  agrartechnische  Einaelvorschriften  in  Mühl- 
hausen. Die  Heimburgenordnung  von  1544^)  verbot  bei- 
spielsweise das  Wenden  mit  dem«  Pfluge  „in  eines  andern 
saith";  der  Herr  wird  mit  einem  Schilling,  der  Knecht 
mit  sechs  Pfennigen  gestraft  ß).  Nach  derselben  Ordnung 
verwirkte  der  Knecht  einen  Schilling,  wenn  er  von  des 
Herrn  Pfluge  ging ;  Weiber  diuiten  den  Pflug  überhaupt 


*)  LO.  Vn  S.  727.  -  •)  Möller-Fuchs  S.  118.  -  •)  Kessler, 
Landeskunde  II  S.  164.  —  *)  Lambert,  Rathsgesetzgebung  S.  79. 
—  •)  „grelle"  ist  ein  landwirtschaftliches  Instrument,  vielleicht  auch 
Waffe?  Grimm,  WB.  V  Sp.  1982,  8^,^.  •)  Vgl.  auch  Strafordnung 
Speiers  von  1828  Nr.  82  (Lehmanni  Chronica  S.  285)  über  die 
Erlaubnis,  dass  Knechte  bestimmte  Messer  tragen;  ähnlich  Remda 
1636  (oben  S,  820  Anm.).  —  ')  Stadtarchiv  MQhlhausen.  -  *)  Das 
Heimbuch  von  1786  (in  der  Stadt.  Bibliothek  Mühlhauscn)  erwähnt 
in  IV  16  die  Knechte  nicht  mehr  ausdrücklich. 


—    513    — 

nicht  bedienen.  Vom  Ackern  handelten  auch  schon  früher 
die  nordhäuser  Statuten  von  1350^),  die  gleichfalls 
bei  Strafe  eines  Schillings  untersagten,  daß  die  Knechte 
von  Pflug,  Wagen  oder  Pferden  weggingen. 

Strenge  Strafen  setzte  die  altenburger  Gesindeord- 
nung von  1744  *)  fest  gegen  die  Knechte,  die  „bey  Ackern, 
Egen  und  Waltzen,  die  aufgegebene  Feld  Arbeit  nicht  so, 
wie  selbige  angeordnet  worden,  und  nicht  anders,  als  mit 
2  Pferden,  unter  Vorschütrung  einer  hergebrachten  Lan- 
des-Gewohnheit,  vierrichten,  auch  wohl  mit  Ochsen  solche 
Arbeit  zu  thun,  sich  vor  eine  Schande  achten".  In  Trier 
wird  1743  den  Bauern  und  Knechten  bei  Strafe  das  Ab- 
ackem  von  Nachbarfurchen  untersagt^),  1751  die  Vieh- 
hütung  diwch  Weibspersonen  verboten,   „in  Berücksich- 
tigung der  dadurch  befördert  werdenden  Veranlassungen 
zur  Unsittlichkeit" *).  Die  bayerische  Gesindeordnung 
von  1761  *)  hingegen  steigt  sich  besorgt  um  die  einheimi- 
sche „Gespiuist**-Industrie.    Um  deren  Rückgang  aufzu- 
halten, wird  den  Herrschaften  bei  Arbeitshausstrafe  an- 
befohlen, das  Gesinde  zur  Fertigung  des  Gespimstes  amw- 
halten«). 

Zu  Frankenhausen  verbot  1534  die  Polizeiord- 
nung 7)  unter  fünf  Schilling  Strafe,  daß  Gesinde  dazu  ver- 
wendet wurde,  das  Holz  zum  Feuermachen  aus  dem  Walde 
zu  holen ;  das  sollen  die  Dienstherrschaften  selber  oder  die 
Kinder  besorgen.  Der  Grund  ist  der,  „das  uns  imd  unsern 
bürgern  von  dem  holcz  tragen  beide  an  reisigk  imd  stocken 
roerglicher  schade  zugewanth  werde,  imd  am-  meisten  von 
dehnen  die  des  nicht  hoch  benötiget  seint,  und  g  e  s  i  n  d  e 


OFörstemann,  Neue  Mittheilungen  III  8  S*  89 ff.,  bes.  58; 
Buch  2  Nr.  79.  ~  «)  Univ.  -  Bibl.  Marburg.  XVIII  f  B  1119^.  - 
•)  Scotti,  Trier  S.  1015.-*)  Ebenda.  S.  1059.  —»)  Kr.  A.  München. 
GR.  Fasz.  404  Nr.  7.  —  •)  Hierzu  vergleiche  man  das  oben  S.  244  f. 
<lber  Kompetenzkonflikte  zwischen  Haushalts-  und  Zunftindustrie  Mit- 
geteilte.  —   ^Michelsen,  Rechtsdenkmale  S.  466 ff.,  bes.  488,  489. 

KSnnecke. 


—    614    — 

darauf  f  halten,  und  von  frombden,  so  sich  hie  nidder 
schlahen,  uns  und  unser  Stadt  nichts  vorwandt  noch  zu- 
gethan  seinth,  die  aus  solchem;  holcz  tragen  ire  herberge 
und  nahrunge  haben".  In  schwäbischen  Dorfrechten 
komimt  bisweilen  das  Verbot  der  eigenmächtigen  Aus- 
zehendimg,  der  Auswahl  der  Zehntfrucht,  durch  die  Bauern 
oder  ihre  Ehehalten  vor.  So  heißt  es  in  den  Geboten  und 
Verboten  für  die  Gräflich  Adelmannschen  Orte  Hohen- 
statt  usw.  von  etwa  1585^)  sowie  in  der  Dorf  Ordnung 
für  Laut  er  bürg  von  etwa  1723*):  „So  soll  niemands 
für  sich  selbst,  seine  kinder,  knecht  oder  mägd  ausszehen- 
dcn  oder  zehlen,  sonder  solches  diurch  die  verordnete  \md 
geschworene  zehentknecht  geschehen  solle  und  derselbigen 
erwarten." ') 

Besondere  Eigenschaften  wurden  von  dem  Knechte 
Verlangt,  den  ein  Bürger  oder  Bauer  an  seiner  Statt  zur 
gemein-bürgerlichen  Gesmeindearbeit  oder  zum  Fronwerke 
schicken  wollte*).  So  heißt  es  im'  braunsöhweiger 
Rechte  <ies  14.  Jhdts.  *) :  „Wenn  de  rad  bevelet  uppe  den 
idoren  to  slapende,  de  sdal  dar  uppe  slapen,  oder  scal  dar 
enen  vromfen  knecht  up  senden  vor  one,  dar  deme  rade 
Idimket,  dat  se  miede  bewaret  sin".  Der  Rat  von  Butt- 
städt  verlangte  1410*),  daß  der  zur  Wache  geschickte 
Knecht  zwanzig  Jahre  mindestens  alt  sein  müsse.  In  der 
celler  Ordnung  für  das  echte  Ding^)  wird  weitergehend 
festgesetzt :  „So  jemiand  Knechte  oder  Mägde  oder  andere 
zum   Bürgerwerk  schicken  würde,  die  zur  Arbeit  nicht 

^)  Wintterlin,  Warttembergische  Iftndliche  Rechtsquellen  1 
S.  485  ff.,  bes.  486.  —  «)  Ebenda  S.  687  ff.,  bes.  589.  -  •)  Vgl.  auch 
an  beiden  angeführten  Stellen  die  Anordnung  des  Zehntrufes  bei  Not 
im  Verzuge.  -^  *)  Dass  lüneburger  Eddagsartikel  des  16.  Jhdts. 
(Pufendorf,  obs.  iur.  II  app.  S.  197  ff«,  bes.  201,  202)  von  den  Borgern 
verlangten,  sie  sollten  den  Schoss  selber  bringen  und  nicht  durch  das 
Gesinde  schicken,  sei  hier  nebenbei  vermerkt.  —  *)  Hänselmann, 
Urkundenbuch  I  S.  68 ff.,  Nr.  185.  —  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f. 
Weimar  VII  S.  841.  —  ')  P  u  f  e  n  d  o  r  f ,  obs.  iur.  I  app.  S.  229  ff.,  bes.  280. 


—    615    — 

Slüchten,  der  soll  5  fl.  Lübisch  vierbrochen  hiabto,  der- 
jenige, welchen  er  geschicket,  auch  wieder  heimgehen 
•und  er  nichts  desto  weniger  einen  andern  schicken."  An 
süddeutschem  Rechte  seien  ländliche  Satzungen  aus 
Württemberg  angeführt.  Zur  öffentlichen  Gemeinde^ 
arbeit  durfte  man  Ehehalten  schicken,  wie  ein  Gemeinds- 
brief  von  Iggingen  aus  dem'  Jahre  1535^)  zeigt: 
„So  man  an  der  gemaind  schaffen  will,  an  weegen,  Stegen 
oder  anderen,  so  sollen  all  imd  jeglich  inwohner  darzue 
helfen  oder  ain  taugentlichen  ehehalten  darzue  schicken 
bey  peen  5  ß.  heller".  Für  die  zur  Fronarbeit  geschick- 
ten Dienstboten  verlangt  auch  die  Büß-  imd  Frevelord- 
ordnung  für  Wellstein-Abtsgemünd  von  1573*) 
Tauglichkeit  zur  Arbeit;  und  zur  Sicherheit  wird  dem 
arbeitspflichtigen  Dienstherm  tnit  Strafe  gedroht:  „Wel- 
che ehalten  oder  kinder  an  dienst  schicken,  die  vor  dass 
taglon  nit  geschafft  haben  und  ein  taglon  nit  verdienen 
roechten,  dieselbigen  mag  die  herrschaft  auch  strafen  umb 
3  Pfd.  5  ß."  ») 

Die  Liste  von  Vorschriften  über  die  einzelnen  Tätig- 
keitspflichten der  Dienstboten  ist  hiemach  nic'ht  allzu  um- 
fangreich«; nach  dem  Gesagten  durchaus  verständlich. 

Die  aufgezählten  Gründe  sind  es  auch,  die  eine  Fixie- 
rung der  Arbeitszeit  unmöglich  machen.  Solange  der 
extreme  Individualism^is  der  einzelnen  Haushaltungen  sich 
nicht  auch  nur  ein  wenig  imiformieren  lassen  will,  und 
solange  der  Landwirtschaft  früher  noch  nicht  so  \iele 
Hilfsmittel  über  die  Schäden  der  Natur  hinaushalfen  — 
wie  wäre  da  eine  Vorausbestimimtmg  der  Arbeitsdauer 
und  gar  für  eine  große  Menge  von  Haushaltimgen  zu 
treffen.  Es  war  nicht  die  Art  aller  Staaten  (vornehmlich  in 


0  Wintterlin,  Wflrttembergische  Iftndliche  Rechtsquellen  I 
S.  585  ff,  bes.  587.  —  «)  Ebenda  S.  428  flf.,  bes.  482.  —  •)  Vgl  weiter 
ein  bayerisches  Weistum  von  1554  bei  Grimm,  Weistümer  m 
5.  689  ff.,  bes.  648. 

88* 


—    516     — 

Westdeutschland  nicht),  daß  sie  in  solch  energischer  Weise 
den  Knoten  durchhieben,  wie  es  in  Brandenburg: 
geschah:  Die  „Hofdiener"  müssen  ihre  Feldarbeit  tun,  so- 
lange die  Sonne  am  Himimel  steht^).  Wo  dies 
nicht  behagte,  mußten  farblosiere  Bestimmungen  getroffen 
werden,  wie  die,  daß  sich  das  Gesinde  immer  arur  Arbeit 
im'  Hause  halten  muß  \md  nur  mit  Erlaubnis  ausgehen 
darf.  Alles  dies  sind  —  dem  Geist  der  Gesindegesetze  ent- 
sprechend —  Maßnahmen  n\u-  gegen  die  Verkürzung 
der  Arbeitszeit. 

Es  gibt  tatsächlich  nur  eiue  einzige  Bestimtmung,  die 
die  Arbeitszeit  um'  des  Gesindes'  selber  willen  beschränkt, 
imd  auch  diese  Vorschrift  der  u  s  i  n  g  e  r  Gesindeordnung 
aus  dem  18.  Jhdt.  *)  beläßt  es  beim'  Gutfinden  der  Dienst- 
herrschaft. Da  wird  dem!  Gesinde  Einzug  in  den  neuen 
Dienst  genau  auf  den  dritten  Weihnachtstag  geheißen. 
Der  Herrschaft  aber  wird  die  „Bescheidenheit"  anemp- 
fohlen, dem  neuen  Dienstboten  mr  Regelimg  seiner  Ange- 
legenheiten täglich  bis  Neujahr  etliche  Stunden  nach  Ge- 
legenheit freizulassen.  Dagegen  ist  hier  nicht  zu  verwerten 
eine  —  ab  bloße  Definition  zudem'  praktisch  recht  unwirk- 
samte  —  Äußerung  der  düsseldorfer  Gesuideordnung 
yon  1809*):  „Unter  Dienst  wird  jede  häusliche  Verrich- 
tung verstanden,  in  so  fem  sie  gegen  die  Moralität  nicht 
anstößt,  und  die  Freyheit  des  Dienenden  nicht 
auf  unbestimmte  Zeit  einschränkt";  hier  soll 
nur  die  neue  persönliche  Freiheit  von  der  Leibeigenschaft 
festgestellt  werden,  ohne  daß  über  die  einem  Dienstboten 
während  der  Arbeit  zustehende  freie  Zeit  etwas  gesagt  wird. 

Im  Gegenteil;  ganz  wie  oben  schon  zur  Frage  der 
besonderen  Arbeitsart  festgestellt  wurde,  gefallen  sich 
auch  hier  die  Gesetzgeber  öfters  darin,  den  Dienstboten 

*)  Lennhoff  S.  60.  —  •)  St  A.  Wiesbaden.  V.  Nassau-Usingen. 
Generalia  Ili  Verordnungen  Band  V  S.  123.  -  *)  Scotti,  Jülich 
S.  1252;  oben  S.  480  Anm. 


—     517     — 

streng  die  vorherige'  Ausbedingung  freier  Arbeitszeit  zu 
verbieten.  Hierfür  kann  im  ailgenueinen  auf  das  oben^) 
Ausgeführte  verwiesen  werden ;  die  da  genannten  Gesetze 
regehl  meistens  die  beiden  „Unbotmäßigkeiten**,  Ausbe- 
dingung besonderer  Arbeit  und  bestimimter  Ruhezeit,  über- 
einstinuniend. 

Das  Gesinde  soll  die  gehleißene  Arbeit  ?un,  solange 
die  Herrschaft  es  verlangt.  Das  ist  imgeschrieben  in  diesen 
Bestimmungen  und  überhaupt  m  den  Gesindegesetzen  ent- 
halten. Bisweilen  wird  auch  der  Umfang  der  Arbeitszeit 
durch  Einzelvorschriften  in  diesem'  Sinne,  also  wiedenuö 
als  Maßnahmfe  gegen  das  Gesinde  zu  regeln  versucht. 

Jener  Vorschrift  des  brandenburger  Rechts*)  ver- 
wandt ist  der  Satz  der  detmolder  Taxordnung  von 
1655  ^),  daß  das  Gesinde  nach  Gutfinden  der  Herrschaften, 
insonderheit  zur  Erntezeit,  morgens  imd  abends  von  und 
zu  der  Arbeit  gehen  soll.  In  demselben  Jahre  erfolgte  in 
Ravensberg  eine  Regelung  des  sog.  Uchtwerks *),  der 
Arbeit  während  der  Morgen-  und  Abenddämimerung ;  die 
Tätigkeit  soll  von  Michaeüs  bis  Petri  dauern.  Ob  dies  zu- 
gunsten des  Gesindes  oder,  was  das  Wahrscheinlichere  isf , 
im  Interesse  der  herrschaftlichen  Arbeit  angeordnet  ^vurde, 
sei  dahingestellt;  die  bei  Schiller-Lübben  a.  a.  O.  über 
Uchtwerk  der  Taglöhner  mitgeteilten  Stellen  sprechen 
nicht  für  die  Absicht  einer  Bevorzugung  der  Arbeiter. 

Nach  Hof  recht,  wofür  die  schon  öfters  genannten 
hessischen  Hofordnimgen  als  Beispiele  angeführt 
seien,  darf  niemand  vomi  Hofgesinde  ohne  Erlaubnis  in 
eigenen  Sachen  verreisen,  sondern  muß  immer  präsent 
sein.  Die  m  manchen  Mühlenordnungen  z.  B.  der 
hessischen  von  1615*)  vorkommenden  Begrenzungen 

*)  S.  605  ff.  —  ")  Oben  S.  616.  —  •)  Landesverordnungen  L.- 
Detmold I  S.  408.  —  *)  18.  Jahresbericht  des  histor.  Vereins  für  die 
Grafschaft  Ravensberg  S.  124;  Schiller-LObben,  mittchiieder. 
deutsches  Wörterbuch  V  S.  1.  —  »)  LO.  I  S.  680, 


—    518    — 

der  Arbeitszeit  geh^  nur  die  subalternen  Angestellten  an, 
dagegen  nicht  die  niederen  technischen  Arbeiter,  die  Müh- 
lenknechte. Schon  auf  der  Grenze  zum!  Rechte  des  Ver- 
tragsbruchs steht  die  Regelung  des  b  i  1 1  w ä  r  de  r  Rechts 
Nr.  79^),  das  die  tagelange  Versäumung  der  Gesinde- 
arbeit behandelt*). 

Nur  an  der  gem^insamto  Sonntagsf  rieiheit  sollte 
auch  das  Gesinde  seinen  Anteil  haben.  Die  vielen  Sonn- 
tags- oder  Sabbathsordnungen  betreffen  auch  die  Dienst- 
boten in  ihrer  Arbeit,  meist  allerdings  nur  indirekt  oder 
durch  allgemeine  Ruhegebote. 

Solch  generelle  Rechtssätze  wie,  „das  des  sontags 
.  .  .  Niemandts  einige  arbeit  vokibringe,  noch  uff  den 
märckten,  gassen,  oder  andern  Ortten  stehe,  Sonderlich 
vormittag  und  die  zeit  war  man  prediget  .  .  ."  ^)  brauchen 
bei  der  Darstellung  des  Gesinde-Sonderrechts  nicht  be- 
sonders hervorgehoben  zu  werden.  Nur  die  in  obrigkeit- 
lichen Erlassen  bisweilen  vorkomlmlende  ausdrückliche  Be- 
tonimg der  Ruhe  des  Gesindes  von  siuiner  Arbeit  ver- 
dient hier  Berü(^ksichtigmxg.  So  wie  es  z.  B.  in  einem 
hessischen  Ausschreiben  vom  10.  April  1628*)  ge- 
schieht. Durch  den  schlechten  Besuch  des  Gottesdienstes 
und  gar  die  Arbeit  währenddessen  wird  „Gottes  gerechter 
zom  je  mehr  imd  mehr  über  uns  gehäuf f et"  und  „ver- 
ursachet, uns  seines  heiligen  Worts  imd  unserer  wahren 
Religion  (als  welche  bey  jetzigen  fast  gefährUchen  Zeitai 
ohne  das  sehr  periclitiret)  gänzlichen  zu  berauben".  Da- 
her soll  alles  in  die  Kirche  kommen  imd  die  Bürger  sollen 
nicht  nur  selber  das  Arbeiten  währenddem  unterlassen, 
y,sondem  auch  ihres  Gesindes  unter  solchen  Predigten 
mit  der  Arbeit  verschonen"  und  es  erst  nach  der  Predigt 
an  die  Arbeit  lassen.   Übertretungen  werden  bestraft.   In 

*)  Lappenberg  I  S.  821fr.  —  *)  Näheres  unten  §  18.  — 
')  Hessisches  Ausschreiben  wegen  des  Sabbaths  vom  35.  Februar 
1546  (LO.  I  S.  147).  -  *)  LO.  U  S.  26. 


—    519    — 

den  weiteren  bessischen  Ausschreiben  usw.  vom  9.  No- 
vember 1638,  20.  Juli  1642,  28.  April  1649,  25.  Juli  1651, 
28.  September  1672,  21.  Mai  1683  imd  weiterhin  1.  Ok- 
tober 1777,  13.  Mai  1801,  17.  Juni  1801,  6.  Dezembier 
1804  ^)  wird  allerlei  Arbeit  „imter  der  Predigt"  verboten, 
so  auch  die  Haus-  lutid  Feldarbeit,  das  Viehtreiben  und 
Hüten;  auf  Übertretungen  stehen  Geld-  lutid  Gefäng- 
nisstrafen. 

Ähnliche  Bestimimiung  hatte  die  Stadt  Hersfeld 
laut  Taxordnung  vomi  19.  August  1643*)  und  Stadtord- 
nung von  1665  ^),  von  hessischen  Nebionländem  Hanau 
in  den  Sonntagsordnungen  vom  22.  August  1669,  29.  Juli 
1678,  17.  September  1698,  14.  September  1713*),  Fulda 
in  den  Sonntagsordnungen  vom  21.  Juli  1702  und  16. 
August  1770  sowie  in  einigen  SpezialOrdnungen  über  Vieh- 
hüten vom  5.  März  1767,  4.  Juni  1771,  6.  August  1772  0). 
Im  großen  und  ganzen  geradeso  vierlief  die  Entwicklung 
inisenburg,  das  am  12.  Mai  1758,  14.  Mai  1760,  9.  Juli 
1760,  18.  März  1761  und  in  der  Rügordnung  von  1766  •) 
insbesondere  auch  eingehende  Vorschriften  über  die  Sonn- 
tagsarbeit der  Hirten  erließ. 

Geldstrafe,  später  schweme  herrschaftliche  Strafe  kün- 
digt der  Erzbischof  von  Mainz  denen  an,  die  Soimtags 
»JeibUche  Handarbeit  zu  Feld  und  zu  Haus"  vierrichten; 
in  der  Hirtenordnung  von  1669^)  Und  in  der  Sabbath- 
ordnxmg  von  1769®)  ist  solches  ausgesprochen.    Gleich- 


*)  LO.  n  S.  77,  84,  142,  148;  lü  S.  6,  242;  VI  S.  900;  VH!  S.  26 
Nr.  18,  44,  216.  -  »)  Demme,  Nachr.  u.  Urk.  II  S.  182 flF.,  bes.  188. 
—  ')  Ebenda  S.  206  ff.,  bes.  208.  —  *)  St  A.  Marburg.  Sammlung 
hanauer  Verordnungen  I  Nr.  62,  72,  129;  II  Nr.  179.  —  »)  In  Bd.  H 
und  VI  der  cass.  Reg.-Sammlung;  die  Verordnung  von  1771  in  A.  J. 
Webers  Verzeichnis  fuldischer  Verordnungen  (Landesbibl.  Cassel). 
'-  *)  Sftmtlich  in  den  Verordnungsbänden  der  Amtsgerichte  Langen* 
Mlbold  und  Wächtersbach;  dort  auch  der  Antrag  einiger  Müller  um 
Gestattung  der  Sonntagsarbeit  vom  Jahre  1846.  —  ^  Codex,  ecd. 
Mogunt.  nov.  I  S.  164.  •—  *)  Kersting,  Sonderrechte  Sp.  1149. 


—    520     — 

falls  mit  Geldstrafen  arbeitet  die  nassau-katzeneln- 
bo gener  Polizeiordnnng  von  1597^).  Mit  dem'  bloßen 
Verbot  aller  „Arbeiten  und  Geschäfte,  sie  haben  Nahmen 
wie  sie  wollen",  begnügen  sich  die  beiden  Kirchanord- 
nimgen  für  Neuwied  von  1643  und  1683 2). 

Derselbe  Eifer  ist  in  den  katholischen  Ländern  des 
weiteren  Westens  festmstellen.  Wie  schon  Mainz,  so  wen- 
det auch  Köln  Geldstrafen  an;  die  Polizeiordnimg  von 
1723*)  verbietet  bei  zwei  Mark  Buße,  an  Sonntagen  zu 
pflügen,  Korn  und  Heu  ernten,  Holz  imd  Mist  fahren  und 
was  dergleichen  „knechtliche  Arbeit*'  mehr  ist,  oder  was 
sonst  für  Handtierung  in  christlich-katholischen  Gemein- 
heiten verboten  ist,  ohne  Rücksicht  Standes  und  der  Wür- 
den. Doppelte  Strafe,  als  wenn  die  Tat  an  einem  Werktag 
geschieht,  steht  auf  dem  Abweiden  fremder  Wiesen  am 
Sonntag.  Am  11.  Mai  1790*)  wurde  wiederum  ein  ähn- 
liches Verbot  knechtlicher  Sonntagsarbeit  erlassen.  Die 
trierer  Ordnung  wegen  der  Landfragen  vom  15.  Ok- 
tober 1599  *)  sagt  unter  9 :  „Welcher  an  den  h.  Sonn-  oder 
gebotenen  Feyertägen  mit  öffentlicher  Aergemiss  nicht 
feyert,  sondern  im  Feld  oder  sonsten  in  Arbeit  sich  finden 
läßt,  soll  erlegen  4  Flor.  2  Pfund  Wachs.  Diejenigen  aber, 
die  ihr  Gesind  an  solchen  Tagen  vom  Gottesdienst  zur 
Arbeit  halten,  um  doppelt  so  viel  gestraft  werden." 

Aus  besonderem  Grunde  pflegten  die  Dienstboten  in 
Schaumburg-Lippe  Sonntagsarbeit  zu  tun.  Eine  Ver- 
ordnung vom  18.  März  1671^)  verbietet  den  Knechten, 
an  Sonntagen  ihr  eigenes,  ihnen  an  Lohnes  statt  ausge- 
gesäetes  Korn  zu  bearbeiten;  die  Mägde  dürfen  Sonntags 
nicht  ihren  Flachs  spinnen.  Sie  sollen  sich  dazu  von  den 
Herrschaften  freie  Zeit  an  Werktagen  ausbitten.   Mit  be- 


0  Univ*-BibL  Marburg.  —  »)  Scotti,  Neuwied  S.  4,  18.  — 
•)  Tit.  8  §  2;  Scotti,  Köln  I  1  S.  623.  -  *)  Ebenda  II  S*  908.  - 
')  Scotti,  Trier  S.  1641.  —  •)  Landesverordnungen  Schaumburg-L. 
II  S.  70. 


—     521     — 

sonders  sdiöner,  urwüchsiger  Sprache  zieht  die  lippe- 
detmolder  Kirchenordnung  von  1571  ^)  gegen  die  Sonn- 
tagsarbeiter los :  „Etliche  Geitzwänste,  so  gar  in  irdischen 
Kaufhändeln  ersoffen  sind,  und  sich  schändlichs  Gewinsts 
gelüsten  lassen,  obliegen  entweder  unter  den  Predigten 
ihren  Gewerben  imd  Krämlereien  auf  den  Kirchhöfen,  als 
in  Flecken  und  Dörfern  201  sehen  ist  an  den  heiligen 
Tagen,  oder  bleiben  mit  ihremi  Gesinde  daheim,  mit  Ver- 
säumnis tmd  Verachtung  des  Gottesdienstes,  auf  dass  sie 
ihren  Wein,  Bier,  Brodt,  Brandtewein,  und  dergleichen 
Ware  verkaufen,  oder  sonst  im  Felde  arbeiten  mögen, 
träumen  fleischlich  und  vermeinen  aus  heidnischem  zwei- 
felhaftigem  Gemüth,  sie  werden  auf  die  Feiertage  in  ihrer 
Nahrung  verhindert,  wo  sie  nicht  gleichwol  Kaufenschaft 
üben,  imd  knechtische  Arbeit  treiben."  Das  soll  durch 
strenge  Edikte  verboten  und  mit  Strafen  bedroht  werden  ^). 

Das  weimar  ische  Sabbathsmandat  von  1756^)  un- 
tersagt den  Dienstherrn  bei  nachdrücklicher  Strafe,  das 
Gesinde  durch  Auftrag  lumötiger  Arbeit  am  Besuche  des 
Gottesdienstes  zu  hindern. 

Nach  den  braunschweiger  Polizeiordnungen  von 
1573  imd  1579*)  dürfen  während  der  Sonntagspredigt 
Bürger,  Bürgerin,  Kinder  oder  Gesinde  nichts  auf  dem 
Markte  feilhalten;  ein  Gulden  ist  die  Strafe.  Gleichfalls 
durch  gottesdienstliche  Rücksichten  eingegeben  ^vurde  die 
in  Braunschweig-Lüneburg  (Stadt  Celle)  am'  22. 
März  1689*)  geschehene  Beeinflussimg  der  Arbeitszeit. 
Dienstboten  und  andere  Arbeitsleute  sollen  zur  Abend- 
beichte nicht  mehr  Sonntags,  sondern  schon  am  Sonn- 
abend komtnen,  und  „von  ihrer  Arbeit  so  lange  sich  ab- 


*)  Landesverordnungen  Lippe-D.  I  S.  83.  —  »)  Der  Ton  der 
Kirchenordnung  klingt  hier  an  des  Erasums  Alberus  Ehbachlin  S. 
G.  41,  sehr  an.  —  »)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  188. 

—  *)  Hänselmann,  Urkundenbuch  I  S.  404flF.;  458ff.   (Kap.  IX). 

—  ■)  Landesordnungen  Lüneburg  IIS.  448. 


—     522    — 

¥ 

müssigen".  Eine  ähnliche  Bestimmung  erging  am  16.  Fe- 
bruar 1705  ^).  Die  beiden  Sonntagsordnimgeii  für  den  ka- 
lenbergischen  Teil  von  1710  imd  1735*)  verbieten, 
wie  es  auch  anderswo  geschieht,  landwirtschaftliche  Sonn- 
tagsarbeit, außer  im  höchsten  Notfall.  Differenzierte  Ar- 
beitseinschränkungen für  die  Sonntagsarbeit  der  verschie- 
denen Mühlenarten  stehen  in  der  Verordnxmg  vom'  15. 
Juli  1710  ^) ;  andere  als  Mahhnühlen  dürfen  Sonntags  über- 
haupt nicht  gehen,  Mahhnühlen  niu-  zu  Notzeiten  und 
auch  dann  nicht  über  der  Predigt.  Wieder  andere  Ge- 
sichtspimkte  kommen  in  der  hannoverschen  Sabbathord- 
nung  vom  17.  Juli  1777  *)  ziuni  Vorschein.  An  den  Sonn- 
tagen und  den  beiden  Tagen  der  drei  hohen  Feste  sollen 
keine  Hochzeiten  und  großen  Gastereien  sein,  „wodurch 
die  Dienstboten  von  den  Kirchen  abgehalten  werden". 

Noch  weiter  unten  im  Norden,  in  Oldenburg  be- 
stimmt die  Sonntagsordnimg  vom  16.  April  1736*)  (ohne 
das  Gesinde  besonders  zu  nennen),  daß  nicht  vor  Cnde 
des  Nachmittagsgottesdienstes  auf  dem  Lande  gearbeitet 
werden  darf.  Mühlen  dürfen  Sonntags  überhaupt  nicht 
gehen,  ebenso  darf  kein  Vieh  ausgetrieben,  kein  Ackerbau 
getan  werden,  außer  in  der  Ernte  bei  der  höchsten  Not. 
Mit  dem  allgemeinen  Verbot  sonntäglicher  Landarbeit 
begnügt  sich  die  schleswiger  Polizeiordnung  von 
1768  •). 

Als  Beispiele  süddeutschen  Rechtes  mögen  einige 
schwäbisch-ländliche  Quellen  dienen.  Mehrfach  verbieten 
diese  Dorfrechte  die  „knechtliche"  Arbeit  am  Sonntage» 
so  die  Ordmmgen  für  Essingen  von  1554,  1649^)  und 
um    1710«),     Rarasberg    von     1556»),    Redhberg, 

*)  Ebenda  S.  948.  —  *)  Landesordnungen  Kaienberg  1  S.  416,  432. 
—  ■)  Ebenda  S.  422.  —  *)  Spangenberg,  Verordn.  f.  Hannover  II 
S.  646.  -  »)  Corp.  Const  Old.  Suppl.  U  Bd.  1  S.  1.  —  «)  St  A.  Schleswig. 
Sammlung  GrossfQrstl.  Verordnungen.  —  ^  Wintterlin,  WOrttem- 
bergische  IflndL  Rechtsquellen  I  S.  512  ff.,  bes.  514.  ^  *)  Ebenda 
S.  528  ff.,  bes.  529.  —  •)  Ebenda  S.  789  ff.,  bes.  759. 


—    523    — 

Heuchlingen  tmid  Wiöiler    von    1577^),    Hohen- 
statt  und  andere  Orte  von  1585*),  Wißgoldingen 
von  1612*),  das  spraitbacher  Amt  von  1658*),  El- 
c  hin  gen  und  weitere  thum  und  taxissche  Orte  von  1766  *)» 
Feierung  eines  besonders  angesetzten  „Hagelfeiertages** 
durch  Herrn  tmd  Gesinde,  insbesondere  durch  Arbeits- 
ruhe, ordneten  die  Gesindeordnungen  für  Bühlerz  eil 
von   1617«)  und  Bühlerthann  von  1643^)  an.    Das 
Gesinde  hatte  hinreichenden  Nutzen  von  der  hier  angeord- 
neten  Sonntagsruhe,  wie  Aufzählimgen  der  verbotenen 
Tätigkeiten    zeigen:     „hin-    und    widerlaufen,    waschen, 
misten,   brechen,  bachen,  treschen,  fahren,  reuten,  itenn 
sichlen  und  seegessen  denglen**,  ferner  „fuhren  auf  die 
sonn-  oder  feyrtäg  verschieben,  an  solchen  laden  oder 
verrichten  ,  .  .,  bachen,  waschen,  aufhencken  und  öffent- 
lich trücknen  oder  tuech  auf  die  plaich  legen**®).    Aus- 
drücklich das  Gesinde  nennen  das  Vogtbuch  von  R  a  m  s  - 
berg  (1556)  und  die  Statuten  für  Rechberg,  Heuch- 
lingen und  Weiler  von  1577:   „Es  sollen  auch  weder 
meyster,  frauen,  knecht  oder  miegt  an  sonn-  oder  feyer- 
tagen  under  der  predigt  noch  davor  grass  miehen,  miesten^ 
trom  uffschlagen,  kaufen  oder  verkaufen  oder  sonsten  ob- 
gemelter  miassen  hantieren  noch  treyben**  (Rechberg).  Nur 
hei  Vorliegen  von  Notständen  mag  „bey  gnädiger  herr- 
schaft  und  mit  wissen  eines  jeweiligen  herm  pfarr-vicary 
um  erlaubnuss  (zur  Sonntagsarbeit)  nachgesucht  werden** 
(Elchingen  1766). 

Dieser  letztgenannte  Umstand,  landwirtschaftliche 
Notstände,  gab  den  Gesetzgebern  Anlaß  zu  weiterem  Vor- 
gehen.  Größere  Länder  verwiesen  für  solche  Fälle  nicht 


')  Ebenda  S.  682  ff.,  bes  685.  -  *)  Ebenda  S.  486  ff.,  bes.  489. 
-  •)  Ebenda  S.  798  ff^  bes.  880.  —  *)  Ebenda  S.  612  ff.,  bes.  629.  — 
*)  Ebenda  S.  241  ff.,  bes.  242.  —  «)  Ebenda  S.  884  ff.,  bes.  884,  885.  — 
')  Ebenda  S.  804 ff.,  bes.  820.  -  •)  Essingen  1554,  1649;  Hohen- 
statt  usw.  1585. 


-    524    — 

auf  jedesmalige  Einzelbefreiimgen,  sondern  gewährt^i 
gleich  fürs  ganze  Gebiet  Dispense.  Als  Beispiel  für  die 
überall  gleichartige  Gesetzgebung  sei  Hessen  angeführt. 
Ein  Regierungsausschreiben  vom  22.  August  1771^)  ge- 
stattete der  Witterung  wegen,  daß  die  Einemtung  der 
Früchte  auch  an  Sonntagen  vorgenonünien  werde.  Genauer 
steht  das  noch  in  einem  Ausschreiben  vom'  27.  August 
1785*);  die  Feldarbeit  darf  nach  der  Frühkirche  fort- 
gesetzt, das  Gesinde  dazu  angehalten  werden.  Wie  es 
scheint,  waren  die  Dienstboten  damit  durchaus  nicht  ein- 
verstanden. Denn  eine  Erneuerung  des  Ausschreibens  vom 
30.  Juli  1789  ^)  droht  dem  Gesinde  und  den  Tagelöhnern 
Gefängnis  an,  für  den  Fall,  daß  sie  sich  der  Sonntags- 
arbeit weigern.  Auch  1795  war  das  Wetter  naß.  Ein 
Regierungsausschreiben  vom  10.  August*)  erlaubt  dahcT 
wiederum  die  Sonntagsarbeit;  bemerkenswert  ist,  daß  das 
Gesinde  nun  gar  nicht  mehr  genannt  ist,  ebenso  daß  die 
Strafdrohungen  fehlen  —  ein  Zeichen  dafür,  wie  innii; 
beides,  Gesinde  imd  Strafe,  msaminengehören. 

Ein  weiterer  Grimd,  gegen  die  Feiertagsruhe  vorzu- 
gehen, war  schließlich  für  katholische  Länder  in  der  fort- 
gesetzten Abschaffung  von  Feiertagen  und  dem  Beharren 
des  Gesindes  bei  der  alten  Ruhegewohnheit  gegeben  *).  In 
Köln  zum  Beispiel  wurde  die  ami  11.  Mai  1770  hier- 
über erlassene  Verordnung  nicht  befolgt,  die  für  die  Zu- 
kunft den  Dienstboten  Werktagsarbeit  an  den  ausrangier- 
ten Feiertagen  anbefahl.  Deshalb  erfolgte  am  16.  März 
1784  eine  Einschärf ung  •),  wonach  die  Dienstboten  an 
solchen  Tagen  bei  ^1^  Goldgülden  Strafe  ihren  Dienst- 
herm  die  Arbeit  nicht  weigern  durften.  Weit  energischer 


*)  LO.  VI  S.  616.  -  »)  Ebenda  S.  1214.  - »)  LO.  VII  S.  868.  - 
*)  Ebenda  S.  650.  —  »)  Vgl.  Schönfei  dt  in  der  Vierteljahrsschrift 
f.  Soz.-  u.  Wirtsch.-Gesch.  I  S.  38  ff.,  bes.  89.  -  •)  St  A.  Düsseldorf. 
Akten  des  Bonner  Hofrats,  Kurköln.  Regienmgssachen  Nr.  47.  Ge- 
sinde 1770—1784;  Scotti,  Köln  I  2  S.  903,  1070. 


—    525     - 

ging  Bayern  vor.  Die  Gesindeordnung  von  1781^)  läßt 
die  an  abgeschafften  Feiertagen  widersässigen  Dienstbo- 
ten polizeilich  zur  Arbeit  anhalten  und  verheißt  Arbeits- 
haus, Prügel,  Geige  und  Stock ;  bei  beharrlichem  Weigern 
komroien  die  Dienstboten  auf  ein  Jahr  ins  Arbeitshaus 
oder  gleich  auf  sechs  Jahre  ad  Militiam.  Diese  Grundsätze 
mit  einigen  Abwandlimgen  gibt  auch  eine  besondere  Ver- 
ordnung wider  die  abgeschafften  Feiertage  vom  14.  Januar 
1785  wieder*);  die  Herrschaften  sollen  an  diesen  Tagen 
selber  mit  Hand  anlegen  und  ihren  Angestellten  ein  „er- 
bauliches  Bey spiel**  geben. 

Die  vielen  Sonntagsgesetze  darf  man  in  ihrer  Be- 
deutsamkeit dturchaus  nicht  überschätzen;  wir  von  heute 
neigen  vielleicht  zu  solcher  Auffassung,  obwohl  doch  un- 
sere modernen  Gesetze  über  die  Sonntagsruhe  auf  einer 
ganz  anderen  Grundlage  stehen  als  die  frommen  Sonn- 
tagsordnungen der  Vergangenheit.  Schließlich  waren 
diese,  soweit  einmal  das  häusliche  Gesinde  von  ihnen  be- 
troffen wurde,  bloß  Aufzeichnungen  des  herrschenden,  un- 
überwindlichen Brauches.  Die  Sonntagsarbeit  des  Haus- 
gesindes ist  in  normalen,  nicht  mit  außergewöhnlicher  Ar- 
beit erfüllten  Zeiten  fast  ausschließlich  dmrch  den  Be- 
darf dieses  einen  Tages  bestimmt.  Vorsorgende  und 
nachholende  Arbeit  wird  an  andern  Tagen  vorgenommen. 
Dafür  sorgt  schon  die  Macht  des  dritten  Gebots.  Und  wo 
diese  fehlt,  die  allzu  fest  gewordene  Sitte ;  denn  es  ist  kein 
Mensch  so  gottlos,  die  christlichen  Feiertage  feiert  er 
doch  mit,  sagt  Hebbel  in  den  Tagebüchern.  In  den  städti- 
schen Häusern  war  tmd  ist  das  Gesinde  also  gegen  Ar- 
beitsüberlastung am  Sonntage  auch  ohne  Gesetze  in  der 
Regel  geschützt.  Noch  viel  mehr  ist  dies  aber  auf  dem» 
Lande  der  Fall.  Die  Ernte  ist  eine  Ausnahme,  gewiß; 
hier  hat  sich  von  je,  auch  in  katholischen  Gegenden,  ein 

')  Kr.  A.  München.  AR.  Fasz.  459  Nr.  209.  —  •)  R.  A.  München. 
Generalien-Sammlung  Rep.  S.  9  Nr.  7  Bd.  1. 


—    526    — 

Gewohnheitsrecht  gegen  die  staatlichen,  bischöflichen, 
konsistorialen  Sonntagsordnimgen  durchgeisetzt.  Aber  in 
ruhigen  Zeiten  ist  es  ausgeschlossen,  daß  am'  Sonntag  mehr 
als  die  beim  Vieh  und  sonst  für  den  Tag  nötige  Arbeit  gre- 
scfhieht.  Das  hindern  nicht  bloß  Religion  imd  Sitte,  son- 
dern vor  allem  auch'  die  Lebensfreude  des  bäuerlichen 
Volkes. 

S  6.    Pflichten  des  Gesindes. 
2.  Das  allgemeine  Verhalten. 

Es  ist  hier  imigefcehrt  wie  bei  den  im*  vorigen  Kapitel 
behandelten  Fällen.  Dort  schloß  der  Drang  nach  Indivi- 
dualisierung eine  großzügige  Gesetzgebung  aus.  Dageg^en 
kami  es  keinen  Unterschied  in  der  Betrachtungsart  für 
die  vielen  vorhandenen  Dienstherrschaften  geben,  wenn 
es  sich  darum'  handelt,  die  allgemieinen  Verhaltungsmaß- 
regeln für  die  Dienstboten  festzustellen.  Jede  Dienstherr- 
schaft will  ehrliches  imd  treues  Gesinde  haben;  es  soll 
nicht  trinken,  nicht  fluchen,  nicht  liederlich  sein,  und  was 
dergleichen  Eigenschaften  noch  sind. 

Möglich  wäre  eine  Gesetzgebung  schon,  die  von  den 
Dienstboten  bestimtaite  Eigenschaften  allgemeinster  Art 
verlangt,  andere  Eigenschaften  ihnen  zu  verbieten  sucht. 
Die  Frage  ist  nur,  ob  solche  Gesetzgebung  nötig  ist.  Wäh- 
rend bei  den  meisten  Untertanen  zur  Herbeiführung  eines 
der  hohen  Obrigkeit  genehmen  Betragens  aUgemeine  Ge- 
setze oder  der  Religionsunterricht  genügen,  werden  dem 
Gesinde  die  erforderlichen  Eigenschaften  noch  einm)al  be- 
^nders  eingeschärft.  Ein  Grund  dafür  ist  in  der  be- 
sonderen Arbeitsvierfassimg  der  Gesindetätigkeit  gegeben. 
Fleiß,  Ehrlichkeit,  Schweigsamkeit,  Gehorsamj,  Unter- 
lassung von  Beleidigxmgen  der  Dienstherrschaft  postuliert 
die  Verfassung  des  Hauses,  in  das  die  Dienstboten  als 
Freunde  aufgenonmien  werden.  Gegenstück  hierzu  ist  die 


—    527    — 

manchmal  in  Gesindeordnungen  vorkommjende  Mahnung 
an  die  Dienstherrschaften,  ihr  Gesinde  gut  zfu  behandehi  ^). 
Was  aber  an  Vorschriften  über  das  Betragen  des  Ge- 
sindes weitergeht,  was  sich  nur  mit  Mühe  als  Forderung 
der  besonderen  Tätigkeitsart  des  Gesindes  auffassen  läßt, 
das  ist  aus  dem  Geiste  geboren,  der  die  Gesindeordnimgen 
überhaupt  eingegeben  hat :  die  angeborene  Schlechtigkeit 
des  Gesindes  soll  öoerciert  werden.  „Tragkeit  findt  man 
in  allen  gschlechten,  Vorusz  in  dienstmägten  und  knech- 
ten" ').  Daher  stamlmteai  die  immier  wieder  vorkommenden 
Bestimimtmgen  über  die  schätzenswerten  Eigenschaften, 
die  ein  Dienstbote  haben  soll. 

Wo  immer  Gesindeordnungen  erlassen  wurden,  gab 
es  auch  eine  Aufzählimg  dieser  besonderen  Dienstboten- 
Begabungen,  deren  Nichtvorhandensein  mit  Geld-  und 
Freiheitsstrafen  geahndet  wurde :  Das  Gesinde  soll  fromm*, 
züchtig,  ehrbar,  fleißig,  treu,  aufmierksam*,  sorgfältig,  ehr- 
erbietig, gehorsam,  schweigsami,  ehrlich,  friedfertig,  de- 

• 

mutig  tmd  so  weiter  sein,  es  soll  sich  mit  dem  Mitgesinde 
oder  mit  Freunden  oder  gar  mit  der  Herrschaft  nicht 
zanken,  sie  nicht  verleumden,  nicht  schimpfen,  über  Nacht 
nicht  aus  dem  Hause  bleiben,  nicht  fluchen,  nicht  Gott 
lästern  oder  die  Kirche  versäumen,  die  Kinder  nicht  ver- 
führen. Wie  für  das  Betragen  im  Hause  oder  doch  unter 
den  Augen  der  Herrschaft,  so  werden  auch  für  das  Ver- 
halten der  Dienstboten  außerhalb  des  Hauses  und  Dienstes 
regelmäßig  wiederkehrende  Vorschriften  gegeben.  „Sau- 
fen", spielen  und  tanzen  gehören  nicht  zu  den  Betätigun- 
gen, deretwillen  eine  Herrschaft  ihr  Gesinde  mietet; 
strengstens  werden  solche  üblen  Dinge  daher  untersagt. 
Selbst  Kriminalfälle,  wie  Messerzücken,  Schlägereien,  wer- 
den des  öfteren  mit  besonderer  Beziehung  aufs  Gesinde 
erwähnt.   Streng  ist  auch  die  Bestrafimg  der  alten  Volks- 

M  Unten  §10.  -  «)  Seb.  Brant,  NarrenschifF,  Zit.  bei  Grimm, 
WB.  II  Sp.  1180. 


—    628    — 

brauche,  des  Besuches  der  Spinnstuben,  der  „Rocken- 
reiss"  und  Fastnachtstänze,  überhaupt  der  „liederlichen 
Gesellschaften**,  das  alles  „zur  Unzucht  keinen  geringren 
Anlass  giebt**. 

Die  Gesetzgeber  suchten  oft  die  Verlegenheit,  in  die 
sie  kamen,  wenn  sie  in  die  Treupflichten  des  Gesindes 
gegen  die  Herrschaft  wirksam;  kodifizieren  wollten,  da- 
durch zu  umgehen,  daß  sie  eine  Formel  einsetzten.  In 
sehr  zahlreichen  Gesindegesetzen  aller  Zeiten  heißt  es  so 
immer  wieder,  das  Gesinde  solle  der  Herrschaft  Nutzen 
und  Frommen  fördern,  Schaden  meiden  imd  warnen, 
Nachteiliges  nicht  verschweigen.  Das  sind  Ausdrücke,  die 
nicht  nur  im  Gesindeverhältnisse,  sondern  immer  und  über- 
all gebraucht  werden,  wo  es  gilt,  ein  Treuverhältnis  zu 
dokumentieren^).  Diese  Worte  können  durch  den  vielen 
Mißbrauch,  der  in  allen  Lebenslagen  mit  ihnen  getrieben 
wurde,  schließlich  nur  noch  als  Phrase  wirken.  Und  das 
taten  sie  wohl  sicher  auch,  wenn  sie  in  den  Gesindegesetzen 

^)  Zum  Beweise  seien  aus  vielen  Fällen  nur  folgende,  beliebig 
vermehrbare  Beispiele  angeführt:  1508  wurde  Heinrich  von  Swartz- 
perg  als  Diener  des  Landgrafen  Wilhelm  von  Hessen  angenommen; 
Swartzperg  soll  „unsern  schaden  alzeit  wamnen,  bestes  werben  und 
sust  alles  das  thun,  das  ein  getreuwer  diener  seynem  herm  zu  tund 
schuldig  und  pflichtig  ist"  (St.  A.  Marburg.  Dienerbuch  der  Land- 
grafen Wilhelm  II.  und  III.  1489-1508.  Kopiar  181  Blatt  21).  1531 
nahm  Philipp  der  Grossmütige  einen  Diener  an,  ,, . .  •  also  das  er  uns 
getreu  hold  . . .  gehorsamb  und  ge wertig  sein,  unsern  schaden  ailet- 
zeit  getreulich  warnen,  fromen  und  bestes  fordern  ..."  (St.  A.  Marburg. 
Dienerbuch  I  Philipps  des  Grossmütigen  1516—1581.  Kopiar  132). 
Verpflichtung  des  Gemeindeknechts  zu  Pflaumloch  in  Schwaben 
1480;  Wi n  1 1  e  r  1  i n ,  Württembergische  ländl.  Rechtsquellen  I  S.  10  ff.^ 
bes.  12.  Simplicii  Revers  für  den  Kommandanten  von  Lippstadt; 
H.  Kurz,  Grimmeishausens  Simplicianische  Schriflen  I  S.  811,  812. 
Dienerbestellungen  mit  gleichen  Zusagen  wie  zuvor  ferner  z.  B.  bei 
Abraham  Säur,  Formular  und  volkommlich  Notariat  -  Buch  oder 
Spiegel  . . .  (Frankfurt  1598)  S.  686—670,  Urfehden  ebenda  S.  725  ff., 
Lehnsbriefe  ebenda  S.  266  u.  ö.  Siehe  ferner  den  Eid  oben  S.  487; 
auch  oben  S.  507  ff. 


—    529    - 

alle  Jahre  und  Tage  wieder  mm  Vorschein  Kamen.  Ir- 
grend  em  erziehender  Einfluß  auf  das  Gesinde  war  diesen 
Vorschriften  schon  ihrer  gedankenlosen  Wiederholung 
wegen  versagt. 

Wie  schon  bemterkt,  würde  es  mit  einer  Aufzählimg 
fast  sämtlicher  Gesindegesetze  gleichbedeutend  sein, 
wenn  hier  das  jedesmialige  Vorkonmien  des  Ehrenkodex 
für  das  Gesinde  mit  Quellen  belegt  werden  sollte.  Es 
kann  daher  hier  imterbleiben,  umisomiehr  als  diese  Vor- 
schriften, wie  kaum  eine  andere,  als  Ausfluß  landes^äter- 
lic?her  Fürsorge  erscheinen,  deren  Vollziehung  in  der  rich- 
terlichen Praxis  sich  nicht  nachweisen  läßt,  soweit  jene 
allgemeinen  Pflichten  der  Ehrbarkeit,  Wohlanständigkeit 
und  so  fort  in  Betracht  komlmen.  Nur  insofern  können 
derartige  Bestimimtungen  größere  Bedeiutimg  erlangen,  als 
deren  Nicht befolgung  der  Dienstherrschaft  etwa  Grund 
zur  vorzeitigen  Entlassung  gibt^).  Aus  der  Fülle  der  Vor- 
schriften hervorgehoben  zu  werden  verdienen  einige  Ge- 
setzesstellen, die  dem'  Verlangen  der  Gesetzgeber  vor  alleml 
durch  Wahl  eigenartiger  Strafmittel  besonders  bezeich- 
nenden Ausdruck  geben ;  femer  rechtfertigt  sich  eine  kurze 
Darstellung,  wie  die  Bekämpfung  alter  Volkssitten  des 
Gesindes  versucht  wurde. 

Aus  dem  Rahmen  heraus  fällt  di^  Fesfeet^ung  einer 
dem  Dienstherm  vomi  Gesinde  zu  entrichtenden  Privat- 
buße, wie  sie  das  Recht  des  Billwärders*)  für  nächt- 
liches Ausbleiben  des  Gesindes  trifft:  „Vor  islifce  nacht, 
dat  knecht  unde  mieghede  uthslapen,  sonder  der  gennen 
willen,  deme  se  denen,  darvoer  scholen  se  geven  deme 
gennen,  deme  se  denen,  enen  schillingh  alse  dicke  sei 
dat  doen,  imde  dat  miach  mien  in  oreme  lone  afrekenen." 
Eine  noch  tiefer  greifende,  der  Schuldhaft  entsprechend 
ausgebildete  Verqtuckimg  des  Privatinteresses  mit    der 


*)  Darüber  unten  §  14.  —  «)  Lappenberg  I  S.  821ff.  Nr.  80. 

Könii«cke.  34 


—    530    — 

öffentlichen  Strafgteiwalt,  nämlich'  Üblertragimg  des  Voll- 
zugs einer  Freiheitsstrafe  an  den  Dienstherm,  enthalten 
Idie  Zeitz  er  Statuten  von  1573^):  „So  mag  auch  ein 
jeglicher  Bürger,  sein  imgehorsaml  Gesinde,  oder  tmbe- 
sessene  Schuldiger  luid  die  ihm!  in  seinen  Hausse  frevel- 
hafft  üben,  ohne  Laube  des  Richters,  wohl  ins  Gefängniss 
setzen,  ohne  sein  Wissen  aber  nicht  heraus  lassen." 

Noch  weitergehend  schuf  mian  selbst  besondere  Straf- 
mittel wider  das  ungehorsame  Gesinde.  Mit  dem  einen 
Hauptzwecke,  das  schlechte  Dienstgesinde  zu  strafen  und 
zu  bessern,  wurde  in  München  1682  ein  Zuchthaus  er- 
richtet*), Zuchthaus  im  Sinne  von  Arbeitshaus:  „Damit 
nun  diesem  allemi  mit  besserml  Nachtruck,  als  biss  da- 
hero  geschehen,  abgeholffen,  auch  anders  hailloses  Ge- 
sindl  vertrieben:  die  übermüthige  Hermdiener,  stitzige 
und  schlimme  Ehehalten,  tmd  haillose  Dienstbotten,  die 
liederliche  und  insolente  Handwerckspursch,  die  klein- 
nutzige  Lehrjungen,  ungl  sträffliche  Schuellerbueben,  in 
bessern!  zäum«,  gehorsamb,  und  Respect  gegen  jhren  re- 
spective  Herrschafften,  Maistem  imd  Praeceptorn  gehal- 
ten. Die  ungerathne  Kinder  gegen  jhren  Eltern  tmd  Ger- 
haben zu  mehrerm  Gehorsamb  gebracht,  freche  und  leicht- 
fertige Menscher,  faule,  und  wol  in  der  nöthigsten  Arbeit 
auss  den  Diensten  stehende  Ehehalten,  Bauernknecht  und 
Mägd,  schlimme  und  langsame  Zimmerknecht  und  Maurer- 
gesellen, welche  z\i  Nachts  mehrer  haimb-  und  dem  Baw- 
herm  abtragen,  als  selbige  etwan  den  gantzen  Tag  hin- 
durch mit  jhrer  Handarbeit  verdient  haben,  faule  Hand- 
langer imd  Tagwercker,  so  lieber  feyren,  als  umb  einen 
rechten  Lohn  arbeiten:  in  Sunüna  ein  jeder,  der  sonst 
nit  gut  thun,  oder  sich  auff  den  Betl  und  Müssiggang^ 
legen  will,  zur  Buss,  Arbeit  und  ru  besserem  Leben  ge- 
bracht, oder  an  ein  solches  Orth  gesetzt  werde,  wo  er 

*)  Schott,  Land-  und  Stadtrechte  I  S.  368 ff;  bes.  268.  —  *)  R. 
A.  Manchen.    Generalien-Sammlung  Rep.  S.  9  Nr.  5. 


—    531     — 

niemiaiKl     mtelir    ttebchwlerein :    noch    andere    verführen 
kan/* 

Ein  anderes  Mittel,  das  den  Vorzug  hatte,  die  he- 
straften  Dienstboten  dem*  Publiktim  zur  Warnung  bekannt 
zu  machen,  wählte  die  schaumburger  Gesindeord- 
nung von  1738  ^).  Dienstboten,  die  gegen  ihre  Herrschaft 
drohende  Worte  ausstoßen,  sollen  an  den  Schandpfahl  ge- 
stellt werden.  Es  wird  sogar  ein  besonderer  Pfahl  für 
die  Dienstboten  errichtet  mit  der  Inschrift:  „Strafe  für 
ungehorsame,  ruchlose  und  faule  Dienst-Boten". 

In  Verhaltensvorschrift  und  Strafe  können  die  gro- 
ßen Einzelhaushalte  gerade  wie  bei  der  Statuienmg  der 
Arbeitspflichten  in  ihren  Gesindesatzungen  weiter  ins  ein- 
zelne gehen  als  die  Landesgesetze.    Als  Beispiel  mögen 
wieder    die    Satzungen   des    Klosters  Königsbrück*) 
Öienen.    Hier  ist  die  Spezialisierung  bis  zur  Spitze  ge- 
trieben.   Weiter  geht  es  kavon  noch.    Die  Knechte  und 
Mägde  sollen  in  die  Kirche  gehen;  tun  sie  es  nicht,  dann 
bekommen  sie  kein  Fleisch  zu  essen  oder  der  Lohn  wird 
ihnen  gekürzt.  Auch  zur  Strafe  von  Tanzen,  Spielen  und 
ähnlichen   Extravaganzen  erleiden  sie  Lohnabzug.    Das 
Gesinde  soll  sich  nicht  schelten  und  zanken,  nichts  ohne 
Erlaubnis  verleihen,  oder  für  eigenen  Nutzen  brauchen. 
Wollen  die  Knechte  in  eigenen  Geschäften  sich  entfernen, 
was  sie  ohne  besondere  Gestattung  nicht  können,  dann 
dürfen  sie  nicht  reiten,  sondern  müssen  zu  Fuß  gehen. 
Beschädigtes   müssen   sie  auf   eigene  Kosten  herstellen 
lassen.    Die  Klosterschwestem  sollen  nicht  spöttisch  ber 
handelt  werden.  Es  folgen  dann  außerordentlich  ins  ein- 
zelne geführte  Vorschriften  über  das  Verhalten  mit  Hun- 
den, die  gemeinsamen  Speisungen,  das  rechtzeitige  Schla- 
fengehen, den  Gehorsam  gegen  den  Schaffner  u.  a.  nn. 
Natürlich  dürfen  die  Knechte  nicht  in  die  Küche  zu  den 

')  Landesverordnungen  Schaumburg-L.  11  S.  886.  —  ")  Ztschr.  f. 
Gesch.  d.  Oberrheins  I  S.  179. 

84* 


_    532    — 

Mägden  giehieii;  auch  sollen  sich  die  Knechte  nicht  ,,zar 
samlnien  fügen".  Schließlich  wird  noch  eine  Zwangsmaß- 
regel unter  Nr.  59  gegeben  „Item!  wann  ein  knecht  oder 
fein  magt,  so  im  closter  dienet,  nit  wie  sich  das  geburte, 
l^ten  wurde,  sollen  wir  oder  der  Schaffner  nach  ge- 
legenheit  mit  einem  oder  einer  nach  gedienter  zeit  abzu- 
rechnen gut  fug  imd  macht  haben,  und  nit  den  gantzen 
Ion  zu  geben  schuldig  sein".  Ähnlich,  wo  nicht  noch 
ausführlicher,  ist  die  Regelung  in  der  Ehehaltenordnung 
des  bayerischen  Klosters  Tierhaupten^). 

Aus  der  Landesgesetzgebung  hat  wohl  die  größte  Be- 
deutung das  Vorgehen  zur  Erhaltung  oder  Mehnmg  des 
sittlichen  Anstandes  des  Gesindes,  vornehmlich  der 
Mägde.  Zwar  so  wie  in  Pommiern  unter  dem  Regime 
der  Gnmdherren  wird  es  nicht  überall  gewesen  sein,  be- 
sonders in  den  vom  Gesindezwangsdienst  freien  Landern : 
„Gemeiniglich  wird  (in  Pomimem)  den  Mägden  das  Hei- 
raten  nicht  eher  nachgegeben,  als  nachdem  sie  sich  vor- 
her verjungfert  haben" *).  Im  Ordenslande  bestanden 
Strafen  wider  den  Bienstherm,  der  diei  Magd  geschwängert 
hatte;  mit  dem'  vollen  Jahieslohn  mußte  sie  zudem  ent- 
lassen werden*). 

Die  Nachrichten  aus  südlicheren  Gegenden  in  dieser 
Richtung  treten  durchaus  nicht  in  der  Masse  auf,  daß 
man  daraus  kühne  Verallgeimeinenmgen  herleiten  dürfte. 
Das  Fehlen  der  rechtlich  bestätigten  Zwangsgewalt  der 
großen  Herren  über  die  Untertanenkinder,  die  die  Ost- 
elbier 90  mächtig  machte,  würde  es  schon  zur  Genüge  er- 
klären, wenn  eine  —  leider  nicht  bewirkbare  —  Statistik 
hier  stark  zu  gunsten  der  südlicheren  Länder  des  land- 
wirtschaftlichen Kleinbetriebes  sprechen  würde.  Immer- 
hin mag  auch  genug  Pharisäertum«  dabei  mitsprechen, 
daß  die  Gesetzgeber  fast  nie  von  der  Verfolgung  der 

*)  Grimm,  Weistümer  VI  S.  199E  —  •)  Fuchs  S.  186.  — 
•)  Steffen  S.  20. 


—    533    — 

Mägde  dxirdi  ihre  Dienstherm  reden,  dafür  aber  iimso 
energischer  gegen  die  „unsittlichen  Beysamim'enwohnimr 
gen"  von  Burschen  und  Mädchen,  insbesondere  Knechten 
und  Mägden,  eifern. 

Nur  eine  schwäbische  Rechtsquelle  behandelt  in 
strafrechtlicher  Hinsicht  den  Umgang  des  Dienstherm 
mit  den  Mägden.  In  der  Polizeiordnung  für  Wiß gol- 
din gen  von  1612  ^)  steht  folgende  Satzung:  „Es  ist  auch 
hinfüro  gesezt,  geordnet  und  gebotten,  welcher  ein  frauen- 
bild,  die  er  freundschaft  halb  zue  der  ehe  nit  gehaben 
mag  oder  sein  befohlene  vogttochter  ald  sein  gedingter 
ehehalt  ist,  beschwengeren  wurde,  der  soll  von  mir  alss 
der  herrschaft  nach  gestalt  der  sachen  gestraft  werden.**  *) 

In  vielen  ländlichen  Bezirken  Hessens  beispiels- 
weise war  (und  ist)  vorehelicher  Geschlechtsumigang  nichts 
Seltenes,  auch  durchaus  nichts  Anstößiges.  An  der 
Schwahri  wird  die  Legitimation  der  imehelichen  Kinder 
durch  nachfolgende  Ehe  oft  absichtlich  hinausgeschoben, 
•damit  die  Braut  inzwischen  als  Amlme  sich  ihre  Aus- 
steuer   verdient*).    Die   hessische   Reformlationsordnung 


^)  W  i  n  1 1  e  r  1  ]  n ,  Würtembergische  ländl.  Rechtsquellen  I S.  798  ff., 
bes.  842.  —  *)  Beispiele  von  Alimentenklagen  der  Mflgde  gegen  ihre 
früheren  Dienstherm  aus  Fulda  1784;  Bd.  VIII  der  Sammlung  der 
Reg«  in  Cassel.  Vgl.  femer  Karl  Bachmann,  Gesch.  der  Kirchen- 
zucht in  Kurhessen  (Marb.  theol.  Diss.  1910)  S.  54  Anm.  6,  S.  56 
Anm.  1.  Pierre  Ayrault  plaidierte  1615  dafQr,  dass  bei  Schwanger- 
schaft einer  Dienstmagd  eine  Rechtsvermutung  dafür  spricht,  dass  der 
Dienstherr  der  Schwängerer  sei ;  Pierre  Ayrault,  Playdoyers  (1615), 
Playdoyer  VI.  Dem  Verfasser  stand  nur  eine  schlechte  Abschrift  der 
fraglichen  Stelle  aus  dem  einzig  nachweisbaren  Exemplar  der  Play- 
doyers im  Britischen  Museum  zur  Verfügung*  Er  muss  sich  daher 
grösstenteils  auf  die  Mitteilung  in  Claude  Joseph  de  Ferridres  Dic- 
tionnaire  de  droit  et  de  pratique  II  S.  642  verlassen.  —  •)  Die  Ver- 
erbung des  ländlichen  Grundbesitzes  im  Kgr.  Preussen  IV  (O.L.G.- 
Bez.  Cassel),  hsg.  von  Serin g,  bearb.  von  Holzapfel,  S.  87« 
Vgl.  auch  Bachmann,  Kirchenzucht  S.  58.  Leider  gibt  es  keine 
Statistik,  mit  der  sich  feststellen  liesse,  dass  solche  naive  Anschauung 


—    534    — 

von  1656^)  hätte  daher  zweifellos  nach  Auffassung  der 
Gesetzgeber  Grund  geniig,  gegen  die  „heimlichen  Ver- 
löbnisse und  fleischlichi«!  Vermischimgen"  *)  m  kämpfen. 
Damit    die    Ehe    „nüchtern    mit    wolbedachtem    Muth, 
Hertaen  und   Sinn**   beginne,   richtet  die  Refoimations- 
ordnung  an  Pfarrer,  Eltern  und  Dienstherrschaften  die 
folgenden  Mahnungen :  „Desshalben  dann  nicht  allein  die 
Prediger  jederzeit  und  vomemlich  aliff  die  Sontage  das 
jimge  Volck  treulich  erinnern  und  vermahnen,  sondern 
auch  die  Eltern  und  Haxissherren  selbst  ihre  Kinder  und 
Gesinde,  insonderheit  hierinnen  imterrichten  und  verwar- 
nen, auch  fleissig  mit  zusehen,  und  die  ihren   in  acht 
nehmen  sollen,  dass  sie  in  solche  und  dergleichen  Schandt 
und  Laster  nicht  gerathi^i,  noch  aliff  eine  solche  unchrist- 
liche unartige  und  verbottene  weiss,  die  Ehe  anzufangen 
sich  xmtemehmen.**   In  Schaum'burg  bestrafte  die  Po- 
lizeiordnung von  1615  •)  den  außerehelichen  Verkehr  am 
Burschen  mit  zwanzig,  ami  Mädchen  mit  zehn  Thalern. 
Die  Herren  freier  schaumburger  Höfe  hattien  das  Privileg, 
daß  sie  die  von  ihreiml  Gesinde  erlegten  Geldstrafen  ein- 
nahmien^}. 

In  mianchen,  vomeÜmilich  katholischen  Ländern 
herrscht  das  Bestreben  vor,  den  Herrschaften  die  Un- 
terbringung der  Knechte  und  Mägde  in  demselben  Schlaf- 
raumie  tu.  imtersagein.  So  erging  in  Bayern  am»  20. 
September  1635  ein  besonderes  Ausschreiben  wider  die 
Unzucht  der  Ehehaltjen  *).  Die  Herrschaften  sollen  ihren 


zu  einer  Verminderunj;  der  Kindesmorde  beiträgt  Im  allgemeincD 
ist  der  Kindesmord  auf  dem  Lande  häufiger  als  in  den  Städten,  allein 
deshalb  schon,  weil  hier  die  künstlichen  Hinderungsmittel  verbreiteter 
sind  als  unter  den  Bauern;  de  Ryckere,  La  servante  criminelle 
S.  150  f. 

*)  LO.  n  S.  417.  —  «)  Kap.X.  - »)  Rottmann  S.  50  (Kap.  6). 
*)  Ebenda  S.  51.  —  ■)  R.  A.  München.  Generalien-Sammlung  Rcp.  S.  9 
Nn  4  Bd.  8. 


-     536    - 

Dienstboten  das  nächtliche  Auslaufen,  „die  Gunckeln  und 
das  Nächtliche  Fensterlein  (wie  sie  es  ins  gemain  zu  nennen 
pflegen)**  verbieten.  Auch  wird  den  Dienstherrn  auferlegt, 
„dass  sief  auch  besagtet  jhre  Kinder  und  Ehehalten,  jhr 
nächtliche  ruhe,  nit  wie  anhero  miehrem  theils  geschehen 
seyn  solle,  in  offnen  und  bloss  mit  Brettern  ünderschlag- 
nen,  ja  wol  etwan  in  e  i  n  e  r  Kamimier  beysanümien  nemmen, 
sondern  dieselbe,  zum  wenigsten  mit  ainem  Schloss  ver- 
wahren, tmd  verschließen  lassen.**  Die  Herrschaften  sollen 
auch  öfters  visitieren,  ob  ihre  Söhne,  Knechte  tmd  Mägdei 
nachts   „anheimb**  sich  zur  Ruhe  befinden.    Ist  jemand 
von  ihnen  nicht  zu  hause,  dann  soll  er  den  folgenden 
Morgen  nach  seinem  Verbleib  gefragt  werden.  „Zum  fall 
sich  mm  zaigen  tmd  befinden  solte,  dass  er  die  Nacht 
über,  ausserhalb  des  Hausse,  oder  über  Feld,  polterisch 
umbgeschwaifft,  etwan  auch  in  einemi  Schlüff winckel,  oder 
bey    einer    leichtfertigen   verdächtigen  Zusammenkunfft, 
verzehrt**,  dann  soll  er  angezeigt  imd  von  der  Polizei  ge- 
straft werden.  Die  große  bayerische  Gesindeordnung  von 
1781  ^)  huldigt  ähnlichen  Grundsätzen :   „Jeder  Hausvater 
hat  gute  Obsorge  zu  tragen,  dass  die  Dienstboten  männ- 
lich- und  weiblichen  Geschlechts  wohl  abgesondert  werden, 
alle  ungebührliche  Verträidichkeit  möglichst  vermieden 
bleibe,  tmd  derselbe  solchergestalten  bey  Gott  und  der 
Obrigkeit  nichts  zu  verantworten  habe**;  den  Obrigkeiten 
wird  ernstliche  Aufsicht  anbefohlen.      » 

Auch  im'  Schwäbischen  sind  ähnliche  Gebote  zu 
treffen.  Die  Polizei-  und  Dorf  Ordnung  für  Adelmanns- 
felden von  1680*)  und  Gebote  und  Verbote  für  die 
gleichfalls  gräflich  adelmännschen  Orte  Hohenstatt 
usw.  (um  1700) «)  stellen  übereinstimimend  fest :  „So  haben 
wir  auch  mit  grossem  befremden  erfahren  müssen,  dass 

*)  Kr.  A.  München.*  AR.  Fasz.  459.  Nr.209.  —  •)  Wintterliii, 
WOrttembergische  Itodbche  Rechtsquellen  I  S.  462fif.,  bes.  467.  — 
•)  Ebenda  S.  442ft.,  bes.  449. 


—    536    — 

untersthiedlichej  eitern,  baussvätter  und  mütter  ihre  er- 
wachssene  kinder,  söhn  tind  töchter,  knecht  und  mägd 
zusamimen  in  eine  kaminier  gelegt  und  damit  zu  der- 
gleichen tumicht  nicht  wesdg  gelegenheit  gemacht  .  .  .". 
Bei  fünf  Gulden  Straf©  sollen  die  Dienstherrschaften  künf- 
tig dafür  sorgen,  das3  solche  „Gelegenheit  zu  Unzucht'* 
nicht  miehr  gegeben  wird. 

Daß  die  Dienstherrschaften  dadurch,  daß  sie 
Knechte  imd  Mägde  in  derselben  Kamimer  schlafen 
lassen,  „bey  Gott,  imd  der  Obrigkeit"  eine  schwere  Ver- 
antwortung auf  sich  nehmten,  ist  auch  die  Auffassung  der 
Gesindeordnimg  für  österreic'h  ob  der  Enns  von 
1779^).  Die  Herrschaft  soll  so  etwas  ja  verhindern, 
damit  „alle  imgeziemende  Vertratdichkeit  vermieden 
bleibe";  die  Obrigkeit  sieht  hierauf  stets  von  amts- 
wiegen.  Von  einer  fuldisChen  geistlichen  Regierungs- 
yerfügung  vom  16.  August  1785  schließlich  war  leider 
nur  die  Überschrift  erhalten  *) ;  sie  besagt,  „dass  die  Eltern 
die  Nachtlager  der  Kinder  imd  Dienstboten  beiderlei  Ge- 
schlechtes gehörig  absondern  sollen,  damit  kein  Anlass 
zum  Fall  erfolge". 

In  Würzburg  hiatte die  Gelsindeordnung  von  1749 *) 
als  Hauptübeltäter  das  Militär  entdeckt  und  gezeichnet: 
„Nicht  weniger  imd  nachdem'  die  Erfahmiss  zeithero  ge- 
geben hat,  dass  durch  fast  allgemeinen  Umjgang  der 
Dienstmägde  mit  den  Soldaten  nicht  nur  verschiedene 
Ungebühren  vorgehen,  sondern  auch  den  Dienstherren 
grosse  imd  merklichei  Beschädigimgen  vermittist  heim- 
licher Abtragung  Brod,  Fleisch,  Weui  und  dergleichen 
durch  die  Dienstmägde  zugezogen  werden,  imd  noch  wei- 
tere böse  Folgerungen  daraus  entstehen;  als  wird  hiemit 
den  Dienstmägden  aller  Um<gang  sowohl  auf  den  Gassen, 

')  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  2.  -  •)  In  A.  J.  Webers 
Katalog  fuldischer  Verordnungen  (Landesbibl  Cassel).  —  »)  Landes- 
verordnungen Würzburg  II  S.  539. 


—    537    — 

als  in  den  Häusern  mit  dem  Soldaten  dergestalten  ver- 
bothen»  dass  im!  widrigen  solche  Diensttnägde  sogleich 
ihres  Diensts  ohn6  zti  gewarten  habenden  Lohn  verlusti- 
get, und  dieselben  aus  der  Stadt,  auf  weiters  ßetretten 
aber  in  das  Zuchthaus  verwiesen  werden/* 

Mit    der    ganzen   Wucht   altdeutscher  Satzung   und 
Rechtssprache  redet  das  dort  munder  Stadtrecht  ^)  von 
der  Strafe  des  höherbegehrenden  Knechtes,  der  sich  an 
Familienmitglieder  vergreift :   „Were  eyn  man  efte  vrowe 
dey  knechte  hedden  in  iren  brode,  dey  dey  vrowen  efte 
eyne  dochter  efte  suster  beslepe  unde  enterede,  dey  in 
eren  brode  weren,  dey  knecht  sal  sinen  hals  verloren 
hebben."    Und  umgekehrt  dokumientiert  das  Recht  der 
westfälischen  Stadt  Rüden  aus  dem'  14.  Jhdt. *)  von  an- 
derer Seite  her  die  rechtliche  Ungleichheit  scheinbar  in 
verblüffender  Deutlichkeit.   Da  wird  mnächst  festgesetzt, 
daß  der  Hausherr  den  töten  darf,  welchen  er  bei  seiner 
Frau  findet;  der  Verführer  der  Tochter  kann  sich  durch 
Zahlung  von  zehn  Mark  von  der  Heiratspflicht  loskaufen. 
„Vortmer  so  en  madh  noch  en  sali  neymant  van  rechte  by 
syner  gemieden  miaget  eyn  man  vaen  off  halden,  sunder 
hey  sal  enne  laten  enwech  gan  sunder  broke.**  Der  tiefere 
Grund  für  diese  Auffassung,  diei  noch  nicht  völlig  durch- 
geführte   „Consequenz    der    Geschlossenheit    des    Haus- 
halts'* wurde  oben')  des  näheren  angegeben*). 

Als  besondere  Verführungsmittiel  zur  Unsittlichkeit 
erschienen  den  Gesetzgebern  durchaus  nicht  ohne  Grund 
von  je  die  alten  Volks  brau  che,  wie  Fastnachtstänze, 


*)  Frensdorff,  Statuten  S.  57flf.,  bes.  77.  —  ■)  Wigands 
Archiv  V  S.  65  ff.,  bes.  78;  s.  oben  S.  293.  -  »)  Oben  S.  298.  - 
*)  Hier  sei  auf  ein  französisches  Strafurteil  von  1644  hingewiesen  das 
^tt  i,qu*un  serviteur  merite  peine  afüictive,  lors'qu'il  abuse  de  la 
fiUe  de  son  maltre  quoique  majeure,  et  quoiqu'  eile  dise  Ten  avoir 
Pri^,  et  m^me  qu'  eile  veuille  V  öpouser";  FerriÄre,  Dictionnaire 
n  S.  642. 


—    538    — 

Spinnstuben,  ja  selbst  Kirmessen  und  einfache,  gelegent- 
liche Tanzereien.  So  wie  schon  in  Augsburg  1384 
ging  man  späterhin  gegen  die  Tanzbelustigungen  mit  be- 
schränkenden Maßnahmen  vor^):  1384  „hat  der  rat  (zu 
Augsburg)  erkant,  daz  die  med  und  knecht  an  den  vier- 
tagen dheinen  tantz  nach  mittemtag  in  den  husem  niht 
haben  suUen,  si  mugen  aber  wol  uf  der  strazz  einen  tantz 
haben  alz  von  alter  her  körnten  ist,  biz  man  vesper  lut 
daz  si  dann  in  irrer  herschafft  huser  sien,  und  nach  dem 
abentezzen  suUen  sie  zu.  dheinem  tantz  gann,  er  wer  dann 
vor  iren  husem,  und  wer  in  sin  huz  zu  tentzen  licht, 
ez  si  nach  mittemtag  oder  nach  abentessen,  der  geit  der 
stat  5  pfd.  dn.  in  den  graben  ze  pezzerunge". 

Das  bayerische  Recht  ist  in  dieser  Beziehung  über- 
haupt reichhaltig.  Die  Gesindeordnungen  von  1660,  1755, 
1761,  1781  *)  engen  die  Gelegenheiten  zur  Tanzfreude  im- 
mer mehr  ein.  Ein  besonderer  Erlaß  vom  15.  Dezember 
1760^)  nennt  die  „teutsche  walzende  auch  schuzende 
Tänze"  imd  verbietet  den  Bauerssöhnen  und  Knechten, 
Töchtern  und  Mägden  Tanzeieien  „mit  solcher  aussge- 
lassenheit,  und  frechen  gebärdte".  Die  Spinn-  imd  Rocken- 
stuben sind  es,  gegen  deren  Besuch  durch  Dienstboten 
beispielsweise  die  fürstlich  brandenburgische  Tax- 
ordnung von  1652*),  bestätigt  dwcdh  landesherrliche  Re- 
solution von  1657  auf  ständische  Gravamina  *),  in  S  c  h  w  a  - 
ben  schon  1651  die  Ehehaltenordntmg  für  Biberach*) 
vorgehen.   Kirchweihen,  „Ganimeltäg",  Rockenstuben  be- 

*)  Meyer,  Stadtbuch  von  Augsburg  S.  267.  —  ")  von  Frey- 
berg,  Pragmat.  Geschichte  der  bayerischen  Gesetzgebung  II  S.  190. 
—  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  i08  Nr.  1.  —  Ebenda.  Churbaierisches 
Intelligenzblatt  1776  Nr.  89.  —  Ebenda.  GR.  Fasz.  4M  Nr.  7.  - 
Ebenda,  AR.  Fasz.  469  Nr.  909.  —  »)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz. 
404  Nr.  7.  -  *)  Kr.  A.  Amberg.  Zugang  6.  Fasz.  24  Nr.  212.  - 
*)  Kr.  A.  Bamberg.  Collectanea  Rep.  187  *[  nr.  1  (Corpus  Recessuum 
et  Resolutionum  ...).  —  •)  Kr.  A.  Neuburg,  ad  H.  5887.  Augsburg 
Hochstift  ad  Gen.  XI  Nr.  2. 


—    539    — 

kämpft  auch  die  Vergleichung  des  schwäbischen  Kreises 
von  1652^).  Im  Anschluß  daran  verbietet  die  württem- 
berger Gesindeordnung  von  demiselben  Jahre  2),  daß  das 
Gesinde  sich  die  Erlaubnis  ta  solchen  Unsittlichkeiten 
ausbedingt  *). 

Auch  das  Gesinde  der  kathoUschen  Gegenden  West- 
falens und  am  Rhein  feierte  seine  besonderen  Feste. 
Die  paderborner  Polizeiordnimg  von  1655*)  mußte 
bei  drei  Mark  Strafe  die  Fastnachtsversammlungen  der 
Handwerksgesellen  imd  Ackerknechte  verbieten,    deren 
Umlaufen,  das  Samlnieln  von  Würsten  und  Geld,  Veran- 
staltung von  Mmmnereien  und  dergleichen.  Darauf  heißt 
es:  „Und  weilen  dann  auch  an  einigen  Orten  die  Acker- 
knechte den  Missbrauch  haben,  dass  sie  die  einkommende 
Knechte  mit  ihren  Peitschen  durchs  Rad  jagen,  es  sey 
dann  dass  solches  mit  Gelde  von  ihnen  abgekauft,  und 
eine  2jech  dafür  ausgelegt  werde;  so  wird  solches  auch 
hiermit  verboten,  und  soll  ein  jeder,  so  darwider  handlet^ 
in  Zwey  Mark  Straf  verfallen  seyn." 

In  Cleve  bestimlmlte  man  am  25.  Januar  1656^): 
Fastnacht  sollen  keine  unsittlichen  Mummereien  ge- 
trieben werden.  Knechte  und  Mägde  sollen  auch  jetzt 
nichts  als  ihre  Arbeit  tim.  Die  kölner  Obrigkeiten  rüg- 
ten laut  Gesindeordnung  von  1645*)  allerlei  Mißstände, 
die  im  Gesindewesen  bestehen,  „alss  mit  abforderung 
fastellabentsshästen,  samblimg  Kees,  Butter,  Eyer  zu 
Meyergelagen,  schertzdäntzen  und  andere  dergl.  verbot- 
tene  gesellschafften  .  .  .**.   Bei  Strafe  eines  Goldguldens 

')  St  A.  Stuttgart.  Druck.  —  ■)  Reyscher,  Gesetze  XIII 
S.  114.  —  «)  Vgl.  aus  Schwaben  beispielsweise  weiter  die  Gemeinde- 
ordnung von  Oberkochen  aus  dem  Jahre  1678  und  die  Polizei- 
önd  Dorfordnung  für  Adelmannsfelden  von  1680;  Wintterlin, 
Württembergische  itodl.  RechtsqueUen  l  S.  407  ff.,  bes.  409  (Nr.  12); 
*®fi.,  bes.  478.  —  *)  Landesverordnungen  Paderborn  I  S.  6.  — 
*)  Scotti,  Qeve  S.  821.  —  •)  Scotti,  Köhi  I  1  S.  249. 


—    540    — 

für  die  Teilnehmer  und  von  zehn  Goldgulden  für  den 
Wirt  wurden  weiter  1656  in  der  Poliaeiordniing  ^)  die 
„Fastelabends-Bursen,  Hastesambelen,  und  üppige  Bei- 
sammenkünfte  der  Knechte,  Söhne  und  Mägde"  verboten. 
Die  neuwieder  Kirchenordnungen  von  1643  und  1683 *) 
untersagten  die  „Jahr-,  Fress-  und  Tantz-Kirühmessen" 
mit  Strafdrohungen  gegen  „ein  jede  Person,  Mann  od» 
Weib,  Knec'ht  oder  Magd".  Geldstrafe  stand  insbesondere 
auf  den  „leichtfertigen  von  gesambten  Knechten  und  Mäg- 
den angestelleten,  mit  geheischenen  Eiern  und  Braten, 
Fastnachts-,  Mai-  imd  Pfingst-Tänzen,  Lehnausrufen, 
Nac'hts-Garben,  Laub-  und  Heu-Tragen,  Brunnenausfegen 
und  dergleichen  Nachts-Conventen  imd  Arbeiten." 

Von  späterem  rheinischem«  Rechte  ist  noch  aus  Jü- 
lich des  mit  Erlaß  vom!  2.  Dezember  1794*)  erfolgten 
Vorgehens  gegen  Gesindefeste  zu  gedenken.  Hier  heißt 
es :  „Uns  ist  die  Anzeige  geschehen,  . . .  dass  an  andern 
Orten  von  den  Knechten  imd  Mägden  am  Ende  des 
Dienstjahres  die  sogenannten  Himdstage*)  gehalten  und 
diese  in  Wirths-  und  Privat-Häussern  mit  Tanzen,  Schwel- 
gen, und  dergleichen  mgebracht  werden,  bei  welcher  Ge- 
legenheit dann  der  verdiente  Lohn  nicht  selten  auf  ein- 
mal verschwendet,  auch  wohl  gar  auf  den  künftigen  ge- 
borget, imd  somit  der  Dienstboth  der  Mitteln  I^eraubet 
wird,  die  nöthigen  Kleidimgsstücke  sich  anzuschaffen;  — 
Da  wir  nun  diese  die  bürgerliche  Ordnung  und  das  allge- 
meine Wohl  der  Unterthanen  störenden  Missbräuchen  ab- 
gestellt wissen  wollen,  und  dem  gemäss  verordnet  haben, 
dass  diejenige,  welche  sich  solche  Missbräuche  femer  er- 
lauben, mit  6  Rthlr.  bestraft  werden  sollen;  So  befehlen 
Euc'h  gnädigst,  den  Inhalt  zu  jedens  Nachricht  bekannt 


»)  Ebenda  S*  268.  —  •)  Scotti,  Neuwied  S.  4,  18.  —  »)  Scotti, 
Jülich  S.  747,  748.  —  *)  Grimm,  WB.  s.  v.  „Hundstage"  und  andre 
Lexikographien  kennen  das  Wort  nicht  in  dieser  besonderen  Bedeo* 
tung  einer  Festlichkeit. 


—    541     — 

machen  zu  lassen,  tuid  demaiach  mit  der  Bestrafting  wider 
'die  Uebertreter  ohne  Nachsicht  ta  verfahren.** 

Hessen  verbot  durch  Konsistorialausschreiben  vom 
1.  Februar  1726^)  die  Spinnstuben,  „worinnen  die  Weibs- 
Persohnen  mit  ihren  Spinnrädern  des  Nachts  zusammen 
kommen  imd  die  Manns-Persohnen  sich  bey  ihnen  ein- 
finden, folglich  ihren  Eltern  und  Herren  die  Arbeit  ver- 
sätunen,  hingegen  allerhand  Üppigkeit  und  Muthwillen  zu- 
sammen treiben/*  *)  In  F ul da  erging  am'  11.  Januar  1731 
ein  Geistliches  Regierungsausschreiben  wider  die  heim- 
lichen Zusammenkünfte  tmd  Privattänze  der  jungen  Leute, 
insbesondere  des  Gesindes •).  Die  schaumburgör  Po- 
lizeiordmmg  von  1615  ^)  wandte  sich  gegen  die  Fasthachts- 
tanzerei  des  Gesmdes,  die  „zur  Unzucht  keinen  geringen 
Anlass  giebt".  Veranstalter  von  Spinnstuben  Und  son- 
stigen Zusamtaenkünften  des  „jxmgen  Gesindes**  sollen 
nach  der  isenburger  Polizeiordnung  von  1690*),  einem 
Konsistorialausschreiben  von  1703')  tmd  einer  Verord- 
mmg  von  1755^)  gerügt  werden. 

Auch  im  höheren  Norden  eiferten  bußfertige  Gesetz- 
geber wider  sündig-frohe  Bräuche  des  Gesindes.  Ganz 
ähnlich  wie  1615  in  Schaumburg  ist  die  Regelung  der 
lüneburger  Polizeiordnung  von  1618^).  Sie  verbietelE 
außer  Sonntagsgelagen  insbesondere  die  Fastnachtsfeiem 
des  Gesindes  ^) ;  den  Kindern  und  Dienstboten  etwas  Bier 
zu  geben,  soll  erlaubt  sein,  wenn  es  nur  „ohne  Täntze, 
Volsaufen  und  andere  Üppigkeit"  zugeht,  „gleichwol  sol- 
ches zu  thun  niemand  wider  seinen  guten  freyen  Willen 
und    Gelegenheit   gezwungen   seyn**.     Später  in  Herzog 

*)  LO.  III  S.  978.  —  «)  „Schäferhochzeiten",  durch  die  die  Forst- 
beamten  die  Untertanen  bedrücken,  verbietet  die  hess.  Sportelordnung 
vom  16.  Mai  1666  (LO.  U  S.  312  flf.,  bes.  816,  818).  -  •)  Verzeichnet 
in  A.  J.  Webers  Katalog  fuldischer  Verordnungen  (LandesbibUothek 
Cassel).  —  *)  Rottmann  S.  64  (Kap.  6).  —  •)  Kersting,  Sonder» 
rechte  Sp.  888  fif.,  bes.  889.  —  *)  Ebenda  Sp.  901.  —  ^)  Ebenda  Sp.  922. 
—  •)  Landesordnungen  Lüneburg  Cap.  4  Bd.  I  S.  1.  —  •)  Kap.  86. 


—    642    — 

Friedrichs  Polizeiordntiiifir  von  1640  ^)  wird  den  Knechten 
und  Mägden  verboten,  Bier  aufzulegen  und  sich  gegen- 
seitig einzuladen.  Sie  dürfen  auch  nicht  wie  bisher  durdi 
Nachttänze  zu  „solcher  lästerlicher  Unzucht**  Anlaß  geben. 
Gleichfalls  gegen  die  Fastnachtsmummereien  von  Hand- 
werkern, Kindern  und  Gesinde  wendet  sic!h  auch  ein 
lauenburger  Erlaß  vom  15.  Februar  1691*). 

Wieder  anders  erlustierte  sich  das  Volk  in  Lippe- 
Detmold.  Eine  Verordnung  vom<  4.  Februar  1684  wider 
die  Entheiligung  der  Fastenzeit  *)  verbot  insbesondere  den 
„Misbrauch  in  Umtrag  Und  Setzung  des  Becken  am^  Christ- 
fest, und  was  dabei  in  Auskleidung  des  unbändigen  Ge- 
sindeis,  auch  Umlaufung  mit  den  Sternen  für  Gaukelei 
mehr  vorgehet,  imd  durch  den  Misbrauch  des  also  ge- 
nannten Kränzens  von  dem!  Hausgesind  als  eine  Schätzung 
betrieben  wird.** 

Die  fürstlich  gothaische  und  altenburgischie 
Gesindeordnung  von  1719*)  verbietet  die  Sitte,  daß 
Knechte  in  der  Wirtschaft  mit  neu  eingetretenen  Knechten 
„eine  Arth  der  so  genannten  Hänselung**  vornehmen,  „in 
dem  diese  die  andern  tmterm'  Nahmen  einer  Neu-Kanne 
Zech-frey  halten  müssen'*.  Derartiges  „Hänseln**  ist  über- 
haupt, auch  außerhalb  des  Gesindewesens,  bei  Aufnahme 
neuer  Mitglieder  in  eine  Genossenschaft  oder  geschlossene 
Gesellschaft  gebräuchlich*).  In  der  altenburger  Gesinde- 
ordnung von  1744  •)  wird  gesagt,  daß  „die  bereits  ver- 
mietheten  Knechte  imd  Mägde,  in  denen  so  genannten 
12.  Nächten')  ihres  Gefallens  auszulaufen,  nicht  befugt 
seyn**  sollen^). 

^)  Tit.  4.  Landesordnungen  a.a.O.  S.  141.  —  *)  Spangenberg, 
Verordn.  f.  Hannover  IV  2  S.  821.  —  ■)  Landesverordnungen  L.-Det- 
mold  I  S.  496.  —  *)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVIII  f  A  870.  —  »)  Oben 
S.  589  (Paderborn);  Gottbelf,  Uli  der  Knecht  (Ausgabe  Janssen) 
S.  168;  Grimm,  Wörterbuch  IV  2  Sp.  464. —  •)  Univ.-Bibl.  Marburg. 
XVIII  f  B  1119 «..  —  ^)  Zwischen  Weihnachten  und  Epiphanias.  — 
')  Siehe  auch  oben  S.  499. 


—    543    — 

Auch  die  Teilnahme  von  Gesinde  an  Hochzeiten  und 
Ändern  Familienfesten  war  den  Gesetzgebern  nicht  ge- 
nehm. Der  Grund  für  solches  Empfinden  war  allerdings 
nicht  in  erster  Linie  die  Völlerei,  die  die  Knechte  bei  der 
Gelegenheit  treiben  konnten.  Es  war  vielmehr  das  Be- 
streben, den  Luxus  der  Privatfestlichkeiten  durch  Be- 
schränkung der  Besucherzahl  zu,  vermindern.  Daher  ging 
das  Verbot  an  die  Teilnehmer,  ru  Hochzeiten  mehr  als 
eine  bestimtate  Anzahl  Dienstboten  mitzubringen.  Das 
alte  bamberger  Recht  aus  dem  Jahre  1326^),  welches 
das  Mitnehmen  von  Dienstboten  zu  Hochzeiten  überhaupt 
verbot,  und  das  Recht  der  Stadt  Rothenburg  ob  der 
Tauber  aus  dem  14.  Jhdt.*),  durch  das  die  Zahl  der  mit- 
zubringenden Dienstboten  auf  einen  Knecht  beschränkt 
wurde,  sind  die  frühesten  Zeugnisse  für  die  Betätigung 
der  Polizeimacht  auch  auf  den  Hochzeiten.  In  langem 
Zuge  geht  es  so  weiter  durch  die  Jahrhunderte  hin ;  kaum 
ein  Land,  das  in  der  einen  oder  andern  Weise  nicht  nach- 
folgte »). 

Noch  wichtiger  als  der  Kampf  gegen  den  nur  bei 
außergewöhnlichen  Anlässen  bemerkbaren  Festluxus  war 
dem  Polizeistaat  das  Vorgehen  gegen  die  Tag  für  Tag  dem 
Auge  des  Gesetzes  mißliebig  auffallende  Kleiderpracht 
der  Vornehmen  und  ebenso  des  Gesindes.  Die  Geschichte 
der  Kleiderordnungen,  eine  der  zierlichsten  Komö- 
dien  der  Rechtsentwicklung,  beginnt  im  14.  Jhdt.  *).   Ge- 

*)  Zopf  1  S.  241;  Urk.-Buch  S.  163.  -  •)  H.  W.  Bensen,  Histo- 
rische  Untersuchungen  über  die  ehemalige  Reichsstadt  Rotenburg, 
1837,  S.  486  iF.,  bes.  492.  —  *)  Darstellungen  dieser  für  das  Gesinde- 
Brecht  weniger  bedeutsamen  Erscheinungen  geben  beispielsweise  H. 
Bodcmeyer,  Hannoversche  Rechtsalterthümer  I,  die  Luxus-  und 
Sitten-Gesetze,  1867;  J.  Schwarten,  Verordnungen  gegen  Luxus 
und  Kleiderpracht  in  Hamburg,  Ztschr.  f.  Kulturgeschichte  VI  S.  67, 
170.-.*)  G.  Liebe,  Die  Kleiderordnungen  des  Erzstifls  Magdeburg, 
Geschichtsblätter  für  Stadt  und  Land  Magdeburg,  87.  Jahrg.  S.  177  flf., 
bes.  179;  Hänselmann,  Urkundenbuch  I  S.  68  ff.  Nr.  128 ffl;  Stauden- 
raus,  Chronik  von  Landshut  I  S.  108,  102. 


—    544    — 

gen  Ende  des  15.  Jhdts.  befaßten  sich  auch  die  Reichs- 
tage mit  der  Angelegenheit.  1495  in  Worms  wurde  dea 
Einzelgebieten  aufgegeben,  wegen  der  „ubermessigen 
Cleydung  und  ander  unzymlichen  Köstlichkeit"  etwas  „in 
Handelung**  tu  nehmen  *).  Ein  Entwurf  einer  Kleiderord- 
ntuig  von  reichswegen  kam!  in  Lindau  1496  und  1497  zu- 
stande*); der  entgültige  Beschluß  darüber  wurde  für 
den  folgenden  Reichstag  verschoben.  Das  Gesinde  nennt 
der  Entwurf  nicht  bei  Namen;  Handwerker  und  ihre 
Knechte,  ferner  „der  gemain  Paursman  und  arbaitend 
Leut  in  Stetten,  oder  auff  dem'  Land**  bekommen  ihre 
einfache  Kleidungsart  vorgeschrieben.  1498  wurde  in  Frei- 
burg dieser  Entwurf  seiner  Bestinmiung  zugeführt  ^).  Die 
im  augsburger  Reichsabschied  von  1500  *)  enthaltene  Klei- 
derordnung, desgleichen  die  Reichspolizeiordnimgen  von 
1530,  1548  und  1577*)  ändern  die  Stellen,  welche  von 
der  Arbeiterkleidimg  handeln,  nur  wenig*). 

Die  Einzelstaaten  folgten  diesem  Beispiele.  In  Hes- 
sen setzte  das  Bestreben,  die  Kleiderpracht  im  Lande 
pi  mindern,  1598  ein.  Auf  dem-  Landtag  dieses  Jahres 
baten  die  Stände  xun'  Erlaß  einer  Polizeiordnung  wider  den 
Kleiderluxus ;  der  Abschied  vom'  31.  Dezemiber  sagte  ihnen 
ein  Vorgehen  zu').  Ein  Gesetz  scheint  aber  nicht  zu- 
stande gekomimen  zu  sein.  Erst  mußte  auf  dem!  Landtag 
von  1650  der  Wunsch  der  Stände  von  neuem:  ausgespro- 
chen werden^).  Dann  kam  1654  ami  12.  Dezember  eine 
Verordnung  ^),  die  bestimmte,  daß  „der  eingerissene  Miss- 
brauch in  Kleydung  des  Gesindes  gäntzlich  eingestellet 

»)  J.  J.  Müller,  Reichstagstheatrum  I  S,  461.  —  »)  Ebenda  II 
S.  57.  —  •)  Ebenda  II  S.  615,  677.  —  *)  Neue  und  vollständigere 
Sammlung  der  Reichs- Abschiede  II  S.  78.  —  »)  Ebenda  II  S.  882,  587, 
879.  —  •)  Ohne  Erw&hnung  der  Dienstboten  forderte  ein  kais.  Com- 
missionsdekret  vom  80.  August  und  9.  September  1667  Gutachten 
Über  die  Kleiderpracht  und  andern  Luxus;  a,  a*  O.  IV  S.  51«  — 
0  St  A.  Marburg.  Landtagsakten  1598.  —  •)  Oben  S.  46  ff.  —  •)  LO. 
n  a  226. 


—    645    — 

bleibe",  und  daß  audi  andere  luxuriöse:  Betätigungen  un- 
terlassen -wierden  sollten.    Sehr  ausführlich  redet  später 
die  Kleiderordnung  vom'  7.  August   1723^)  über  alles, 
was  den  treuen  Untertanen  an  Kleidting  zu  tragen  ver- 
boten ist.   Da  kiomimt  dann  vor,  daß  allen  Bürgern,  Tag- 
löhnem,  Bauern  und  Handarbeitern,  insbesondere  Mäg- 
den, Knechten,  Dienern  und  Lakaien,  sowie  Judenweibem 
und  Kindern  anbefohlein  wird,  nichts  mit  „Faden-Gold, 
Süber,  oder  Seyde"  m  tragen,  und  sidbl  ausländischen 
Cattuns,     Spitzel    u.s.w.    zu    enthalten.     Zur    Beförde- 
rung  der    Arbeit    in   den   teilweise    brachliegenden    in- 
ländischen Wollfabriken  wurde  der  geringeren  Bevölke- 
rung, darunter  auch  ausdrücklich  deiti  Gesinde^  ami  27. 
Juni  1739  ^)  geboten,  nur  inländische  Wollstoffe  für  ihre 
Kleidimg  zu  verwenden;  eine  Beschränkung  dieser  Vor- 
schrift zugimsten  der  gehenden  Förster  und  Lakaien  er- 
folgte am'  24.  Oktober  1739 »).  Wie  1723  werden  die  Be- 
stiramlungen   auch    in   der  Kleiderordnung  vom  1.  Mai 
1772*)  erlassen. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jhdts.  ergingen  zwei 
fuldische  Kleiderordnungen:  am'  19.  April  1766  und 
25.  November  1767  *).  Die  zweite  enthält  nichts  über  der 
.Dienstboten  Kleidungsart.  In  der  ersten  finden  sich  die 
absonderlichen  Bestimimungen  wie  in  der  hessischen  Klei- 
derordnung, nur  noch  spezialisierter«  Den  Livreebedienten 
darf  Silber  imd  Gold  nur  auf  den  Hut  gegeben  werden, 
^nd  nwc  bei  herrschaftlichen  Bedienten  ist  noch  ein  dau- 
menbreiter Streifen  auf  der  Veste  zulässig.  Wollen  sie 
sich  für  eigene  Rechnung  etwas  anschaffen,  dann  mliß 
€8  dem  Stand  ihrer  Herkunft  angemessen  sein,  ohne  Rück- 
sicht auf  die  gegenwärtige  Herrschaft.   Gleiches  soll  von 


*)  LO.  m  S.  909.  —  •)  LO.  IV  S.  577.  —  •)  Ebenda  S.  607.  - 
*)  LO.  VI  S.  647.  —  •)  Beide  Bd.  VI  der  cass.  Regieniogssammlung. 
Vgl  auch  Hohmann,  Fuldaer  Luzusgesetze;  Fuldaer  Geschichts- 
blätter 1911  S.  129  ff. 

KSnnecke.  85 


—    646    — 

den  weiblichen  Bedient^i  beachtet  werden,  die  mehr  sein 
sollen  als  gewöhnliche  Dienstboten.  Geringere  Dienst* 
boten,  Taglöhner  u.  dgl.  dürfen  halbseid^ies  2^eug,  Spitzen, 
deren  Elle  mehr  als  30  Kreuzer  kostet,  halb  Zitz,  dessen 
Wert  über  40  Kr.  die  Elle  „hinaus  schiesset",  nicht  tragen» 
am  wenigsten  aber  „gestec'kte  Hauben". 

Gerade  wie  die  Hochzeitsordnungen  sind  auch  die 
Kleidergesetze  Kuriosa,  die  für  die  Gesindegeschichte 
keine  allzu  große  Bedeutimg  haben.  Auch  hierfür  genügt 
nach  Darstellung  der  hessischen  Entwicfklung  6in  Hinweis 
auf  die  oben  genannten  Schriften^). 

Hier  sei  nur  ktirz  etwas  über  die  tieferen  Gründe  und 
die  Durchführung  der  Kleidergesetze,  besonders  gegen- 
über den  Dienstboten,  angeführt. 

Nicht  die  einzige,  aber  doch  bei  weitem,  die  haupt- 
sächliche Veranlassung  bot  der  Standesstolz.  Der  verarmte 
Adel  wollte  dem  reidh  gewordenen  Bürgertum)  nicht  pitmk- 
voUeres  Auftreten  gestatten^).  Und  gem!einsaim«  wandten 
sich  alle  gegen  die  noch  tiefer  stehenden,  die  kleinen 
Handwerker,  die  Bauern,  diei  Dienstboten*).  Ein 
weiterer  Grund  für  die  Schaffung  der  Kleidergesetze  wurde 
bereits  angedeutet :  die  einheimischen  Gewerbe,  vomehmr 
lieh  die  Textilindustrie  sollen  befördert,  die  Auswanderung 

^)  Bodemeyer,  Liebe,  Schwarten.  Ferner  M.  German, 
KurfCLrstliche  Kieiderordnungen  und  ihre  DurchftÜirung  in  Meissen, 
Mitteilungen  des  Vereins  fth*  Gesch.  der  Stadt  Meissen  V  S.  1;  Kopp, 
BruchstQcke  Bd.  U  S.  154,  Qber  ein  frankfurter  Verbot  von  1458,  dass 
Knechte  Schnftbelschuhe  tragen.  Als  Beispiele  aus  dem  Auslande 
mögen  Behaegels  Mitteilungen  Ober  Flandern  dienen  (Behaegel, 
Servantes  et  serviteurs  d'autrefois;  Bulletin  du  comit^  central  du 
travail  industriel  1905  S.  621,  622).  Wie  aber  viele  andere  Dinge 
schrieb  Ed.  Heyck  auch  über  „Dienstmftdel «Trachten''  ein  bildge- 
schmflcktes  FeuiUeton  (in  Velhagen  u.  Klasings  Monatsheften  24.  Jahrg., 
9.  Heft,  S.  94 ff.),  —  •)  Liebe  a.  a.  O.  S.  178.  —  •)  Selbst  das  Ued 
gibt  dem  Ausdruck:  „Lange  Kleider  und  spitze  Schuh,  die  kommen 
keiner  Dienstmagd  zu'';  O,  Bö  ekel,  Deutsche  Volkslieder  aus  Ober- 
hessen (1885)  S.  9,  10. 


—    547    — 

des  Geldes  in  die  Länder  der  Modeischiaf fung  verhindert 
v^erden.  Es  wirkten  femer  hier  und  da  auch  fronmue 
Kasteiung  auf  eine  Einschränkung  der  kostbaiiein  Moden 
hin,  besonders  in  der  Refomiationszeit,  sicher  auch  in 
den  späteren  Jahren  der  großen  Kri^rsnot. 

Im  Gegensatz  zu  anderen,  bisweilen  ausgesprochenen 
Ansichten  sei  noch  dieis  betont :  Ein  plötzlich  zunehim^ider 
Kleiderluxus,  der  in  solchem:  Umfang  früher  noch  nicht 
dagewesen,  hat  die  vielen  R^lemientierungsversuchiei 
sicherlich  nicht  hervorgerufen,  mag  reiche  Kleidungsaif 
immerhin  die  notwendige  Voraussetzung  für  die  Kleider- 
ordnungen  gewesen  sein. 

Vielmehr:  Als  die  Zeit  herankam,  da  man  mit  ge- 
schriebenem' Gesetze  alles  Leben  regeln  zu  köxmen  glaubte» 
und  sich  des  Bewußtseins  der  vermeintlichen  Kraft  freute, 
griff  man,  wie  an  andern  Stellen  so  auch  hier,  ins  frische 
Leben  hinein.  Als  diese  Zeit  vorüber  gegangen  war,  ver- 
schwanden auch  die  Kkiderordnungen,  und  mSan  ließ  den 
Kleiderluxus  unbehelligt  weiter  leben.  Dies  war  gut  und 
nützte  'dem  Ansehen  der  Gesetzgeber.  Denn  mit  so  vielen 
Polizeig^etzen  teilten  die  Kleiderordnungen  das  Schick- 
sal, nie  beachtet  zu  weiden.  Die  oben  hierzu  angeführten 
Schriften  geben  zahlreiche  Beispiele,  wie  vergeblich  die 
Mühen  der  Obrigkeiten  waren,  wenn  diese  auf  der  Durch- 
setzung ihrer  fromlmlem  Erziehungsabsic^hten  bestehen 
wollten. 

S  7.    Pflichten  des  Gesindes. 
3.  Insbesondere  Pflicht  der  Ehrlichkeit  Gesindestrafrecht 

In  höherem'  Maße  als  andere  Arbdtsverhälthi^e  gibt 
der  Gesindedienst  bevorzugte  Gelegenheit  zu  einer  Reibe 
von  Delikten,  „cfrimleis  profe^ionek*'  ^).  Denn  Dienstboten 

')  Vgl  im  allgemeinen  Tardes  Bericht  Qber  die  „Criminalit^ 
professionelle"  in  Comptes-rendus  des  travaux  du  4.  Congrte  inter- 

86* 


—    548    — 

stehen  zur  Verrichtung  der  Arbeit  notwendig  die  meisten 
Räume  luid  Schränke  des  Hauses  offen.    Weitere  Ver- 
suchtmg  schaffen  ihm'  die  Arbeiten,  die  er  außerhalb  des 
Hauses  besorgen  muß ;  beim«  Einkaufe,  beim  Säen,  Vieh- 
füttem  bekomimen  die  Dienstboten  Vermögenswerte  der 
Herrschaft  in  die  Hand.  Eine  fernere  Klasse  von  Gesinde- 
verbredhen  bilden  die  Rachehandlimgen  gegen  die  Dienst- 
herrschaft, in  erster  Linie  der  Giftmord  0.   Diese  Rache- 
delikte haben  mit  den  Unredlichkeiten  gemeinsam,  daß 
sie  tmter  Mißbrauch  des  zwischen  Herrschaft  imd  Gesinde 
tiestehenden   Vertrauensverhältnisses    begangen   werden. 
Die  Vermögenswerte  wie  schließlich  die  Person  der  Dienst- 
herrschaft sind  dem'  Gesinde  mehr  als  sonst  jemandem 
überantwortet ;  niemand  kann  hier  auf  eine  so  leichte  Weise 
wie  die  Dienstboten  unentdeckt  verbrecherisch  wirken. 
Weiter  aber  reichen  die  gem.einsam)en  Grundlagen  der 


natioiyü  d'anthropologie  criminelle  (Genf  1896)  S.  76  ff.  Femer  gehören 
die  wichtigen  Arbeiten  Raymond  deRyckeres  hierher :  La  servante 
criminelle,  Paris  1908;  La  criminalit^  ancillaire,  in  Comptes-rendus  du 
6.Congr6s  international  d'anthropologie  criminelle  (Turin  1908)  S.  253ff.; 
der  Vortrag,  den  Ryckere  auf  dem  kölner  Kongress  für  Kriminal- 
anthropologie  1911  über  dasselbe  Thema  gehalten  hat^  wird  demnftdist 
erscheinen  (bei  Winter,  Heidelberg). 

^)  de  Ryckere,  La  servante  criminelle  S.  194 ff.  Was  de 
Ryckere  weiterhin  an  Gesindedelikten  behandelt,  crimes  passioneis 
(S.  282  ff.),  crimes  poliüques  (S.  261  ff.),  empoissonement  (S.  264  ff., 
vgl.  jedoch  die  Ausführungen  oben  im  Text),  Prostitution  (S.  277  ff.), 
suidde  (S.  859  ff.),  sind  Stoffe,  die  ftlr  den  Kriminalpolitiker  gewiss 
von  höchster  Bedeutung  sind.  Aber  für  eine  Darstellung  des  Gesinde- 
rechts der  Vergangenheit  scheiden  sie  schon  aus  dem  Grunde  aus, 
weil  niemals  ein  Sonderrecht  des  Gesindes  f&r  diese  Fftlle  ausgebildet 
worden  ist.  Es  wird  auch  kaum  möglich  sein,  hier  gesetzliche  Normen 
für  den  Fall  aufzustellen,  dass  der  Tater  Dienstbote  ist  und  dass 
dieser  Umstand  Einfluss  auf  die  Tat  gehabt  hat  Vielmehr  gilt  auch 
hier  (vgl  den  Text  weiterhin),  dass  es  für  den  Richter  Aufgabe  des 
psychologischen  Abwftgens  ist,  inwieweit  die  Beurteilung  des  Delikts 
etwa  durch  die  Berufsumstftnde  des  Tftters  beeinflusst  werden  muss. 
Das  Gesetz  kann  dem  Richter  den  Rahmen  bieten,  mehr  nicht 


—    549    — 

Untreue-  und  Rachehandlungen  nicht.  Denn  was  diese 
Rachedelikte  als  besondere  Gesindeverbrechen  erscheinen 
läßt,  das  ist  lediglich  das  Motiv,  aus  dem  diese  Delikte 
hegan^^en  werden;  die  Motive  za  den  Unredlichkeiten 
des  Gesindes  dagegen  hängen  regebnäßig  nicht  oder  nur 
nebenher  mit  dem  Gesindedienst  zusammen;  dieser  bietet 
lediglich  eine  bevomigte  äußere  Grundlage  mr  Begehung. 
Die  Gesetzgebim^  hat  für  die  Fälle  des  Hausdieb- 
stahles und  des  Einkaufsr(Kredit-)Betruges  ein  Sonder- 
Gesindeiecht  ausgebildet.  Nirgends  aber  begegnen  Vor- 
schriften, die  sich  mit  einem!  der  Rachedelikte  als  sol- 
chem beschäftigen.  Die  Gründe  für  diese  verschiedene 
Behandlung  sind  offenbar.  Wie  gesagt,  bietet  für  die 
Radiedelikte!  das  Gesindeverhältnis  nur  ein  Motiv.  WeaxK 
aber  die  Gesetzgebung:  die  Delikte  je  nach  ihren  Motiven 
immer  weiter  differenzieren  wollte,  dann  würde  sie  eine 
vernünftige  Rechtspflege  hindern.  Es  ist  viehnehr  Sache 
des  Richters,  die  feineren,  durch  gesetzliche  Bestimmun- 
gen oft  doch  nicht  mehr  faßbaren  Motive  der  Verbrecher 
bei  der  Strafbemessung  zu  berücksichtigen  und'  danach 
strenger  oder  schärfer  Recht  zu  sprechen.  Zudem!  fra^t 
es  sich,  ob  gerade  in  den  vorliegenden  Fällen  die  im:  Ge- 
sindeverhältnisse liegenden  Motive  überhaupt  eine  der- 
art ausschlaggebende  Rolle  spielen  dürfen.  Weiter  haben 
auch  die  folgenden  Gründe  dam  beigetragen,  daß  von 
einer  besonderen  gesetzgeberischen  Behandlung  der 
Rachedelikte  als  solcher  abgesehen  wurde.  Diese 
Rachehandlimgen  sind  selten  vorkommende  Fälle, 
causes  cöl^bres.  Hausdiebstähle  und  Kreditbetrügereien 
dagegen  ereignen  sich  Tag  für  Tag  in  vielen  Haus- 
halten. Sie  fordern  daher  durch  ihre  Menge  besondere 
Vorbeugungsmittel.  Schließlich  imterblieb  eine  gesonderte 
Gesetzgebung  für  die  Rachehandlimgen,  weil  die  allge- 
mein schon  festgesetzten  Strafen  (Tod)  eine  Verschärfung 
nur  durch  Hinzufügung  unzulässiger  Grausamkeiten  ge« 


—    560    — 

statteten.  Die  normale  Diebstahls-  und  Betrugsstrafe  da- 
gegen duldete  mleist  eine  weitere  Ausgestaltung. 

Dabei  darf  freilicfh  durchaus  niüht  als  ^Ibstverständ- 
lieh  vorausgesetzt  werden,  daß  die  besondere  Art  des 
Gesindediebstahls  und  des  Gesindebetruges  gerade  eine 
Erhöhung  der  Strafen  postulierte.  Ein  kunaes  Eingehen 
auf  die  kriminalistischen  Grundlagen  dieser  Vergehen  wird 
zeigen,  daß  eine  solche  Auffassung  mindestens  einseitig 
ist  1). 

Die  Dienstboten,  vomehlmlich  auch  die  weiblichen, 
kommen  aus  kleinen  Verhältnissen  plötzlich  in  den  Glanz 
(oder  doch  den  vermeintlichen  Glanz)  des  HerrschaftSr 
hauses.  Sie  finden  hier  Dinge,  die  ihnen  in  solcher  Herr- 
lichkeit noch  nim!mer  vorgekonunien  sihd^).  Es  ist  ihnen 
gleichwohl  eine  mehr  oder  weniger  freie  Verfügungsmacht 
über  sehr  viele  dieser  Kostbarkeiten  gegeben.  Wenn  ein 
Dienstbote  das  erste  Mal  ein  wenig  über  die  Grenzen  seiner 
verliehenen  Macht  hinausgeht,  und  sich  vielleicht  aus 
Nascherei  irgend  etwas  von  den  herrschaftlichen  Vorrät^i 
aneignet*,  was  ihm  streng  genomimen  nicht  zukomimai 
darf,  dann  entschuldigt  sich  der  Täter  vor  sich  selber 
damit,  daß  das  Genommene  so  gering  ist  im-  Vergleiche 
ta  der  Fülle  des  herrschaftlichen  Reichtumis,  daß  die  Tat 
nur  eine  extensive  Interpretation  des  Dienst  Vertrages  be- 
deutete; vielleicht  einen  kleinen  Ungehorsam,  aber  bei- 
leibe nichts  Strafbares  oder  gar  etwas,  mit  dem  die  Ge- 
richte belästigt  werden  könnten.   So  geht  das  auch  noch 

^)  Auf  de  Ryckeres  geistvolle  Ausftlhrungen,  vor  allem  in 
„La  servante  criminelle'',  sei  hier  überhaupt  verwiesen;  die  Kapitel 
1,  8  und  12  sind  ftU*  die  Frage  der  besonderen  Gesindeunredlichkeiten 
die  wichtigsten;  über  strengere  oder  mildere  Bestrafung  auch  Tarde 
a*  a.  O«  S.  79,  80,  —  ')  Dieser  Umstand  trägt  mit  dazu  bei,  dass  in 
den  Grossstädten  die  Kriminalität  der  weiblichen  Dienstboten  weit 
grosser  ist  als  auf  dem  Lande,  wo  immer  doch  eine  Art  Lebensgleich- 
heit oder  wenigstens  Ähnlichkeit  der  LebensfiOhrung  bei  Herrschaft 
und  Gesinde  besteht;  vgl.  de  Ryckere  S.20,  68  (Lombroso,  Ferrero). 


—    561     — 

das  zweite  und  das  dritte  Mal.  Dann  werden  die  Zwischen- 
räume kleiner  und  die  Portionen  größer.  Und  schließlich 
sind  alle  Merkimiale  des  Gelegi^iheits-  und  des  Gewöhn^ 
heitsdiebs  vorhanden.  Zur  Beförderung  der  diebischen 
Neigung:  trägt  weiter  das  Beispiel  naher  Angehöriger  oder 
der  Mitdiemer  bei.  Und  eä  bildet  sich  aus  den  ersten  An- 
fängen der  entschtildigenden  Ausrede  die  feste  und  in 
ihrem  Sinne  ehrliche  Überzeugung  heraus,  daß  Entwen- 
dung mid  Betrug  gegen  die  Dienstherrschaft  eine  ge- 
stattete Sitte,  ein  durch  Gewohnheit  erworbenes  Recht 
sind.  Was  wissen  bisweilen  die  imverbildeten  Dienstbo* 
ten,  wenn  sie  vom'  Lande  herüberkbmlnien,  auch  weiter 
über  die  sittliche!  Mißbilligimg  der  Unredlichkeit?  Kaum 
daß  sie  das  siebente  Gebot  mühsam  auswendig  her- 
sagen können;  ins  Bewußtsein  ist  ihnen  oft  wenig  genug 
übergegangen.  So  komimt  es  denn,  daß  der  Dienstboten- 
beruf den  größten  Prosaentsatz  der  Diebe  überhaupt  stellt  ^). 

All  diese  Um'stände  kann  man  als  Anlaß  za  milderer 
Beurteilung  der  Gesindedelikte  auffassen.  Als  Hauptmittel 
zu  ihrer  Bekämpfung  würde!  eine  solche  Anschauung  sicher 
nicht  die  Strafe  wählen,  sondern  Vorbeugungsmaßnah- 
men, in  erster  Linie  eine  Aufbesserung  des  Erziehungs- 
wesens. 

Es  braucht  nicht  betont  2^  werden,  daß  bei  dem 
Klassencharakter  des  Gesinderechtes  derartige  Ansichten 
sicher  nicht  die  Regel  bilden.  Kaum  in  einigen  Rechten 
des  Mittelalters  und  in  Zeiten  sozialer  Erregimg  tauchen 
diese  milderen  Ideen  einmtal  auf ;  nicht  sehr  oft  verdichten 
sie  sich  zu  gesetzgeberischen  Betätigungen. 

Die  regelmäßigen  Meinungen  der  Gesetzgeber  gingen 
dahin,  daß  die  Gesindeunredlichkeiten  Verbrechen  seien, 
die  gleich  streng  oder  womöglich  noch  strenger  als  an- 
dere Diebstähle  bestraft  werden  mußten,  oder  deren  Ver- 


')  Ebenda  S.  24. 


—    552     - 

worfenheit  doc^h  häiifigier  und  ilegelmäßiger,  als  sonst  zu 
geschehen  pflegte,  den  Untertanen  dienenden  Standes  klai 
zu  mächen  war.   Die  Schwierigkeit  der  Entdeckung  und 
die  Möglichkeit  größter  Schädigung  der  Dienstherrschaf- 
ten mächten  den  Gesetzesverfassem  die  Untreue  des  Ge- 
sindes  zu  besonders  verabsCheu^iswürdigen  Arten   von 
Verbrechesi.    Noch  etwas  müßte  diese  Auffassiuigr    be- 
stärken.   Die  Gesindedelikte  spielen  sich  fast  völlig  im 
Verborgenen  ab  und  komimien  säudem  so  gut  wie  nie  ans 
Tageslicht;  die  Geschädigten  selber  unterlassen  es  näm- 
lich; Anzeige  zu  erstatten;  m^eist  werden  die  Hausdieb- 
stähle durch  bloße  Entlassiung  des  untreuen  Gesindes  ge- 
sühnt, teilweise  weil  die  Herrschaft  die  Unbequemlich- 
keiten der  Strafvierfolgung  scheut  oder  weil  sie  Mitleid 
hat  und  den  Dienstboten  wegen  Kleinigkeiten  nicht  der 
ganzen  Strenge  der  Strafe  aussetzen  will,  zum  Teile  aber 
auch  deshalb,  weil  nlan  als  Rache  der  angezeigten  Dienst- 
boten Aufdeckung  oder  Erdichtung  von  allerlei    bloß- 
stellenden Skandalen  fürchtet^).   Daß  imter  diesen  Um- 
ständen die  Gesetzgeber  mit  imtaiier  größerer  Strenge  vor- 
gehen zu  müssien  glaubten,  ist  nicht  zu  verwundem,  wo 
mian  doch  in  der  Regel  Gesetze  nur  gegen  die  Dienst- 
boten zu  verfassen  pflegte. 

Die  Meinung  des  Volks  und  der  Literatoren,  die  ja 
selber  dem  Stande  der  Dienstherrschaften  angehörten, 
stimmt  mit  solcher  Auffassimg  überein.  Das  Sprichwort 
sagt  es:  „Wieviel  Knecht  einer  im  Hause  hat,  soviel 
Dieb  hat  er  auch**  *).  Und  aus  der  Literatur  sei  des  Pfarrers 
Colerus^)  Stimime  angeführt:  „Darum  soll  ein  recht- 
schaffener Haussvater  lund  eine  rechtschaffene  Hausswirtin 
gute  Spürhunde  seyn,  und  alle  Tage  in  allen  Winckeln 
einmal  herumlb  suchen,  sonderlich  in  Knechte  und  Mägde 

>) Schnapper- Arndt,  Sozialstatistik,  1906,5.604;  deRyckere 
a.  a.  O.  S.  21,  22,  72ff.;  Tarde  a.  a.  O.  S.  77.  —  «)  Colerus, 
Oeconomia  ruralis  et  domestica  S.  6.  —  *)  Ebenda  S.  5. 


—    553    — 

Betten  und  Bettstroh,  und  an  anderen  Orten  mehr,  da 
Tnaji  sonst  selten  pfleiget  hinzuzukomlmen,  als  in  den 
Scheuren,  auff  den  Heuböden,  da  wird  man  offt  verhör* 
gene  und  aAigedeCkte  heimliche  Schätze  finden,  Rocken, 
Gersten,  Haber,  Eyer,  Käse,  Brod,  Obst,  Butter  etcf.  Man 
soll  ihnen  auch  bissiweilen,  wann  sie  nicht  ziu  wege  sind, 
ihre  Laden  besuchen,  darzu.  man  ihm!  dann  sonderliche 
Dietericbei  miachen  lassen  soll  .  .  /'. 

Ehe  die  Gesetzgebung  der  beiden,  milderen  oder 
strengeren,  Richtungen  dargestellt  wird,  sei  kurz  eine  Be- 
merkung ^ur  juristischen  Charakterisierung  der  ver- 
schiedenen vorkommenden  Verbrechen  vorausgeschickt. 
Die  vielen  alten  und  neueren  Verordnungen  wider 
die  „Hausdiebereyen"  zählen  an  strafbaren  Fällen 
auf,  was  alles  dem  Gesetzgeber  einfiel,  in  buntem 
Wirrwarr  und  mit  möglichst  genauer  Beschreibung  der 
einzelnen  Tatumlstände.  Eine  Charakterisierung  der  Hand- 
lungen als  Veruntreuimg,  Unterschlagung,  Diebstahl  usw. 
war  der  Gesetzgebtmgspraxis  früherer  Zeiten  fremd.  Eben- 
so ist  es  bei  den  verschiedenen  außerhalb  des  Hauses  be- 
gangenen spezifischen  Dienstbotendelikten.  Systematisie- 
rung der  einzehi  genannten  Dehkte  wird  nicht  versucht; 
die  Stiafen  sind  stets  die  gleichen.  Infolgedessen  hat 
es  kaum  Wert,  die  bunte  Menge  der  Einzelfälle  etwa 
in  unsere  neuerworbenen  Strafrechtsbegriffe  einzuschach- 
teln, und  kritische  Betrachtungen  darüber  anzustellen,  ob 
das  imd  das  Diebstahl,  Unterschlagung  oder  sonst  et- 
was sei^). 

Das  Vorkomtaien  einer  grimdsätzlich  milderen  Be- 
handlung der  Hausdiebstähle  und  sonstiger  Unredlich- 
keiten des  Gesindes  ist  im  Vergleiche  mit  den  gewöhn- 
lichen Diebstählen  nach  dem  Gesagten  selten ;  im<  Zusam- 

^)  Hier  interressiert  nur  die  strafrechtliche  Seite  der  Delikte; 
über  die  zivilrechtliche  Hafhing  wurde  in  §  1  (oben  S.  275  ff.  das 
Erforderliche  mitgeteilt 


—     664    — 

mienhiange  der  folgenden  Darstellung  des  reg^ehnäßigen, 
strengen  Gesindestraf  rechtes  werden  diese  Fälle  gebüh- 
rend hervortretien  ^). 

Nur  eine  Klasse  von  ihnen  verdient  besondere  Her- 
aushebung.  Die  innerhäuslichen  Unredlichkeit^i  lassen 
eine  Untersucfhung  und  Erledigung  des  Falles  im'  Rahmen 
der  Hausordnung  m,  fordern  solches  sogar  bisweilen; 
und  die  Praxis  des  Lebens  handelt  gewöhnlic!h  auch  dem- 
gemäß, wie  oben  *)  bereits  festgestellt  wurde.  Aber  nur 
wenige  Gesetzgeber  jener  Zeit,  da  es  noch  eine  häusliche 
Strafgewalt  gab,  verstanden  sich  dam,  ein  solches  Vor- 
gehen der  Parteien  ausdrüdklich  m  gestatte^  imd  es  dem 
Herrn  zu  überlassen,  ob  er  die  Angelegenheit  kraft  seiner 
Hausgewalt  selber  erledigen  oder  der  Staatsgewalt  über- 
geben wollte. 

Solche  Überreste  häuslichen  Strafrechtes  kommen  im 
älteren  lübisdhen  Rechte')  vor:  „Stelt  ok  jenich  def 
sinem  rechten  heien  boven  vier  ß.,  wil  he  ene  richten 
laten,  zo  henghet  mfe  ene  boven  de  anderen  deve.**  Auch 
das  Rechtsbuch  Kaiser  Ludwigs  von  1346*)  und  — 
weniger  ausführlieh  —  das  münchener  Recht*)  haben 
den  Grundsatz:  „Vindet  ain  man  oder  ain  frawe  in  irem 
haus  hausgeraet,  daz  in  verstoln  oder  ab  dem'  wege  ge- 
tan waer  von  iren  ehalten,  dez  mugen  si  sich  imderwinden 
und  haimen  an  daz  gericht  in  selb  an  schaden,  ob  si 
den  ehalten  fürbaz  haben  wellent,  daz  mögen  si  wol  tuon, 
und  ist  daz  der  herr  oder  die  frawe  mit  dem«  ehalten  nicht 

')  Eine  ganz  untergeordnete  Rolle  spielen  einige  Vorbeugung^ 
und  Heilmassnahmen,  die  von  Bestrafung  absehen.  Man  verbietet 
beispielsweise  den  Dienstboten,  ihre  Truhen  und  sonstigen  VermögcDs- 
stüdce  ausserhalb  des  Herrenhauses  aufzubewahren  (näheres  unten 
§18);  es  wird  untersagt,  dem  Gesinde  besondere  ScUOssel  anzu- 
fertigen oder  ihnen  verdächtige  Sachen  abzukaufen  (oben  S.  278  f.). 
—  •)  S.  562  Anm.  1.  -  •)  Hach  S.  286.  —  *)  v.  Freyberg,  bist- 
Schriften  u.  Urk.  IV  S.  888  ffi,  bes.  402  (Art.  82).  —  •)  Aucr  S.  ^ 
(Art.  64). 


—    555    — 

^ent,  und  dhainerlay  guot  dar  xun'b  nement  haim- 
leich  oder  offenleich,  so  sol  der  richter  dhäin  puozz  auch 
dar  inne  haben ;  geschaech  aber  ez  so  sol  der  richter  gen 
den  ehalten  sein  puozz  haben  nach  des  puochs  sag." 

Die  frühesten  Anfänge  diös  regulären  strengen 
Strafrechtes  finden  sich  in  Süddeutschland.  Rup- 
rechts Stadtrechtsbuch  ^)  behandelt  den  Fall,  daß  der 
Herr  den  Knecht  zur  Einholting  einer  Schuld  ausschickt. 
Der  Knecht  vollzieht  den  Auftrag,  sagt  aber  dem  Herrn, 
er  habe  nichts  bekbm^nien,  und  behält  den  Gegenstand. 
Zunächst  wird  der  Bewieis  geregelt*).  Dann  wird  dem 
Knechte  aufgegeben,  das  Veruntreute  samt  Schaden  zu 
ersetzien,  dem  Richter  „für  dy  gewishait"  62  Pfennige  zu 
geben*).  „Und  hat  er  deiri  herren  nicht  zugelltenn,  man 
sol  jm  den  knecht  gefangenn  anntburttnn  bey  der  hannt. 
Der  fürt  jn  dann,  wo  er  wil,  da  er  jn  behaltenn  wil.  Er 
sol  auch  jn  behaltenn  an  eisne  panntt.  Er  sol  jn  unnter 
ein  potting  stürtzenn,  dy  dröy  vinger  hoch  ob  der  erdenn 
sweb,  und  sol  jm'  ein  käs  und  ein  laib  obnn  auf  dy  poting 
legenn  unnd  ainem  napf  mit  wassen  darznie,  imd  sol  jn 
alzo  lassenn  ligenn  untz  an  den  drittenn  tag.  So  sol 
er  jm  dann  wasser  unnd  prot  hinwider  gebnn  sein  not- 
turft." 

Weniger  originell  imd  vom  rechten  Diebstahl  nicht 
unterscheidend  ist  die  Regehmg  im  freisinger  Recht 
von  1359*).  Findet  die  Herrschaft  gestohlenes  Gut  bei 
ihren  Dienstboten,  dann  kann  sie  es  an  sich  nehmen; 
„chumpt  ez  an  den  richtßir,  imd  ist  ez  under  vier  und 
zwainczig  pfening,  so  sol  der  Richter  sein  recht  haben, 
alz  hinCz  anidern  deuben  darnach  imd  die  haut 
tat  ist". 

Das  alte  bani berger  Rechtsbuch ^)  gibt  dem  Ge- 

')  Kap.  79,  80;  Maurer  S.  829-888.  —  «)  Kap.79.  — •)  Kap. 80. 

—  *)  V.  Freyberg,  histon  Schriften  u.  Urk.  V  S.  162 ff.,  bes.  168. 

-  •)  Zöpfl,  UrlL-B.  §  897,  898. 


-     666     - 

sinäe  eine  besondere  Möglichkeit,  &ich  vom  Verdacht  des 
Diebstahls  z\i  reinigen:  „Und  waz  in  einem)  haus  ver- 
loren wirt,  da  mage  man  knechten  und  meiden  unib  zu 
sprechen  odir  sie  dorumlb  bekümem.  Aber  die  weil 
sie  ledig  sein  und  daz  sie  behaben  daz  sie  dorumb  nicht 
wissen  und  s^in  selber  nicht  getan  haben  und  ez  gern 
bewart  heten  und  ir  schult  nicht  sei  daz  er  verwarlost 
sei  on  ge verde,  des  genieszen  sie**. 

Zu  Nürnberg^)  wurden  während  des  15.  Jhdts. 
diebische  Dienstboten  ausgewiesen;  häufig  wurden  ihnen 
beide  Ohren  abgeschnitten.  Das  Kloster  Tierhaup- 
ten*)  nahm  den  Knechten  16  Pfennige  ab,  wenn  diese 
dem  Vieh  Futtter  entzogen;  8  Pfennige  Lohnabzug  ward 
dem'  zuteil,  der  „ergriffen  wirt  in  öpflen,  pim,  ärbis  oder 
anders  on  erlaubt**. 

Von  außerbayerischem  Rechte  aus  dieser  frühen  Zeit 
gehören  vor  allem  die  nordhauser  Statuten  von  1350 
bis  1456^)  hierher.  Wenn  eine  Magd  Malz,  Korn  oder 
Kleie  einem  Fremden  ohne  rechte  „molen  mietzen**  *)  gibt, 
muß  sie  der  Stadt  eine  Mark  zahlen;  gleiche  Buße  trifft 
den  Mitkontrahenten.  Weiter  heißt  es  an  späterer  Stelle: 
„Ez  ensal  dikeynes  männes  gesinde  sines  herren  körn 
vergeben,  weder  an  den  garben,  oder  an  samen.  wer 
iz  dar  bobin  tut  den  sal  man  burnen  dordh  die  backen." 
Wahrscheinlich  handelt  es  sich  hier  mn  einen  späteren 
Zusatz,  der  in  Unkenntnis  des  geltenden  Rechtes  oder  zu 
dessen  Aufhiebung  geschaffen  wurde.  Das  erste  dith- 
marsische  Landrecht*)  spricht  im  Kapitel  vom  Dieb- 
stahle den  Grundsatz  aus:  „Ofte  jemant  sineme  volke 
(=  Dienstvolk)  schult  gheve,  wat  sake  dat  were,  dat  schal 
he  don  binnen  jar  imd  daghe,  ofte  he  dat  nidht  en  dede  und 


*)  Kamann  S.  188.  -  •)  Grimm,  Weistümer  VI  S.  199ff., 
bes.  200.  -  »)  Förstemann,  Neue  Mittheilungen  Ol  8  S.  89flf., 
bes.  62,  68.  —  *)  Bedeutet  wohl  ein  Mass;  Schiller-Lobben  IH 
S.  118.  —  »)  Michelsen,  Dithm.  Rechtsquellen  S.  Iff.,  bes.  22. 


—     557    — 

dar  na  beschulden  wolde  und  nene  bewisinghe  liadde 
edder  in  der  hant  begrepe,  de  schal  dar  nicht  ens  up 
antworden."  Die  Stadtordnung  von  Stuttgart  aus  dem 
Jahre  1492^)  hat  keine  besondere  Strafe,  verbietet  nur 
den  Schlossern,  dem'  Gesinde  ohne  Befehl  des  Hausherrn 
Nachtschlüssel  zu  fertigen. 

Im  Jahrhundert  der  Carolina  wird  das  besondere  Ge- 
sindestrafrecht nur  wenig  lebhafter  fortgebildet,  obwohl 
docb  die  Carolina  eine  Regelung  des  Deliktes  nicht  brachte 
und  so  den  Einzelstaaten  Spielraum!  ließ.  Der  Grund  für 
die  geringe  Straflusf  der  Territorien  ist  einmal  darin  zu 
sehen,  daß  man  die  Carolina  als  vollständiges,  miuster- 
haftes  Vorbild  nicht  durch  Erfindung  neuer  Delikte  er- 
gänzen zu  müssen  glaubte;  sodann  trug  auch  die  mangel- 
hafte Durc'hbildung  und  Durchführung  des  damaligen  Ge- 
sindesonderrechts  dazu  bei,  daß  auch  von  einer  beson- 
deren Bestrafung  zunächst  Abstand  genommen  wurde. 
Drei  süddeutsche,  drei  mitteldeutsche  und  einige  teilweise 
von  eniander  abhängige  nördliche  Rechtsgebiete  bildeten 
in  jener  Zeit  ein  Sonderrecht  zur  Bekämpfimg  der  Gesinde- 
delikte aus. 

Nürnberg*)  bestimlmlte  seit  dem  16.  Jhdt.  die  Strafe 
je  nach  dem'  Grade  des  Diebstahls ;  die  Straf  stuf  en  waren 
Landesverweisung,  Ausstreichen  mit  der  Rute,  Tragen 
des  Lastersteins,  Pranger,  Galgen  und  Schwert ;  die  Todes- 
strafe wurde  oft  an  diebischen  Dienstboten  vollzogen'). 
Die  kurpfälzisdhe  Landesordnung  von  1582*)  kommt 
nach  einigen  Erwägimgen  über  die  Straftheorien  des  Ge- 
sindediebstahls zu  einer  mit  den  gewöhnliöben  Diebstahls- 
strafen  übereinstimimienden  Behandlung.  Im  56.  Titel  des 
5.  Teils  heißt  es:  „Wiewol  von  etlichen  darfür  gehalten 
wird,  dass  die  Ehehalten  und  Haussgenossen,  als  Knecht 

*)  Chr.  Fr.  Sattler,  Geschichte  des  Herzogthums  Wflrtenberg 
unter  den  Graven,  V,  Beilagen  S.86if.,  bes.59.  — ■)  Kamann  S.188. 
-  •)  Ebenda  S.  184.  —  *)  Univ.-Bibl.  Marburg. 


—    558    — 

und  Mägd,  wegen  b^^angenen  Diebstals,  härter  als  ge- 
meine Diebe,  ru  strafen,  dieweil  für  denselbigen  nicht  wie 
für  fremden  auffgehoben  und  verschlossen  werden  mag, 
so  lassen  wir  es  dodh  bey  dem',  daß  zwischen  jhnen,  da  sie 
ein  Diebstal  begangen,  unter  andern  Dieben  kein  Unter- 
scheidt  gehalten.  Sonder  die  Straff  obverordneter  massen 
angelegt  werde."  *)  Auf  dem  Rügzettel,  weldier  der  Stadt- 
und  Gerichtsordnung  von  Bönnigheim  aus  detai  Jahre 
1599  *)  beigefügt  ist,  findet  sich  auch  die  Frage,  ob  „Ehe- 
halten iren  Herrn,  Meister,  und  Frawen,  untrewlich  mit 
abtrag,  und  sonnsten  tumützlichen  dieneten"'). 

Die  Spitalordnung  für  Siegen  von  1546*)  sagt  in 
ihren  Anweisimgen  für  das  Spitalgesinde:  „Es  soll  auch 
kein  person  wenig  nodh  vil  clein  noch  gross  nit  vergebenn, 
verschenckenn  noch  Imland  In  geheimb  noch  sunst  zustos- 
senn"  bei  Strafe.  In  offenbarem  Anklänge  an  das  nord- 
hauser  Recht*)  wurde  in  Mühlhausen  1544*)  verord- 
net: „Auch  soll  kein  knecht  seines  hem  getreidich  vor- 
geben an  samien  ader  an  garben,  thütt  er  dar  poben,  so 
soll  man  inen  durch  einen  backen  bomen,  ader  erkent 
ein  rath,  das  es  der  diebe  wert  sey,  so  soll  man  jhn  dar- 
umb  hengen  lass^en.'*  Schon  1586  bringt  die  emeuerfe 
Heimburgenordnung  ^)  in  Art.  32  mildietres  Recht.  Sie  be- 
zieht sich  auf  eine  Willkür,  nach  der  jene  Untreue  eine 
Mark  Strafe  nach  sich  zieht.  Eine  Übernahme  der  Rechts- 


^)  Wiederholt  im  Landrecht  von  1610;  in  der  Univ.-BibL  Marburg. 
—  ■)  Reyscher,  Statutarrechte  S. 447 ff.,  bes.  452. ^ ")  Eine  Satzung 
für  Graflich  Adehnannsche  Orte  Hohenstatt  u.  a.  aus  der  Zeit  um 
1585  (Wintterlin,  Württembergische  landl.  RechtsqueUen  I  S.  43501, 
bes.  488,  Nr.  9)  soll  wohl  nicht  dahin  aufgefasst  werden,  dass  sie 
den  Dienstboten  verbieten  will,  fbr  fremde  Leute  zu  arbeiten.  Viel- 
mehr scheint  darin  untersagt  werden  zu  sollen,  dass  ein  Bauer  mit 
Hilfe  seines  Gesindes  dem  Nachbar  heimlich  seine  Felder  bestiehh. 
Immerhin  ist  die  Auslegung  zweifelhaft  —  *)  Corp.  Const  Nass.  I 
S.  115.  ^  *)  Oben  S.  556.  —  *)  Heimburgenordnung;  Stadtarchiv 
Mahlhausen.  ^  ^)  Ebenda. 


—    559    — 

g^edanken  der  nordhäuser  und  älteren  mühlhänser  Ord- 
nungen ist  es,  wenn  in  F ranken hausien  1534^)  und 
1558*)  das  „Vorgeben"  von  Korn  diircli  Dienstboten  mit 
vier  Mark  geahndet  wird. 

Das  einzige  norddeutsche  Recht  dieser  Zeit,  das  aus- 
drücklich von  der  Bestrafung  des  untreuen  Gesindels  han- 
delt, ist  das  lauen  burger  aus  dem  letzten  Drittel  des 
16.  Jhdt.»).  In  Teil  IV  Nr.  18  „von  Untreu  des  Haus- 
g^esindes"  wird  festgeseifzt :  „Knechte,  Mägde,  Tagelöhner 
und  dergleidhen  Dienstbbhten,  sollen  nicht  weniger  als 
andere  Dieibe,  sondern  auch  schärffer  nach  gelegenheit  des 
Diebstahls  gestraffet  werden.  Um!  geringe  Übertretung 
aber  sollen  ihre  Herren  und  Frauen  sie  zu  züchtigen  ans 
Hals  Eysen  stellen  zu  lassen,  und  sie  mit  Verweisung 
ihres  dienstes  ohne  Lohn  zu  straffen  macht  haben.'* 

Was  sonst  in  Norddeutschland  wegen  der  Gesinde- 
delikte b^timtot  wird,  ist  mit  Strafen  nicht  ausgestattet. 
Ganz  das  Gegenteil  der  lauenburger  Ordnung  ist  die  h'a- 
delner  Polizeiordnung  von  1583*).  Auch  sie  hat  ein 
Kapitel  *)  „Von  Diebstall  so  von  Hausgenossen  geschieht". 
Trotzdem  Strafrecht  in  Menge  vorausgeht,  heißt  es  hier 
nur :  „Da  einem  seine  Dienste,  Knecht  und  Megde  etwas 
aus  dem;  Hause  würdiön  entwenden,  dasselbige  andern  ver- 
kaufen, oder  Versetzen,  da  solchs  der  Herr  oder  Frau  ge- 
wahr wirdt,  mügen  sie  das  entfretobte  Guth  für  das  ihre 
wieder  an  sich  nehlmien,  und  verbrechen  nichts  daran." 
Die  strafrechtliche  Verantwortung  des  Dienstherm  soll 
hier  wohl  geregelt  werden,  nicht  die  des  Gesindes.  Das 
dithlmarsische  Landrecht  von  1567  Art.  83*),  das 
eyderstadter  Landrecht  von  1591  Art.  42^)  und  das 
husumer   Stadtrecht   von   1608  Tit.   44')  wiederholen 

*)Michelsen,  Rechtsdenkmale S. 466 ff.^  bes.487.^*)  Walch, 
Beytrfige  1  S.  285fr.,  bes.  848.  -  *)  Pufendorf,  obs.  iur.  UI  app. 
S.  384 ff:,  bes.  841.  —  *)  Pufcndorf,  obs.  iur.  I  app.  S.  Iffl,  bes.  59. 
-  •)  IV  24.  —  •)  Corp.  Stat,  Hols.  —  ')  Corp.  Stat  Slesv.  I  S.  92.  — 
•)  Ebenda  II  S.  555. 


—    560    — 

unter  Verkürzung  der  Fristen  den  Grundsatz  des  alteo 
Dithmarserrechtes  ^),  daß  mit  Geltendnüachung  der  Dieb^ 
Stahlsklage  nicht  beliebig  lange  vom:  Dienstherm  gewar- 
tet werden  darf. 

Auch  das  17.  Jhdt.  läßt  —  der  Menge  nach  —  keinen 
Fortschritt  feststellen;  die  Regelung  des  Gesindewesens 
vom  polizeilichen  Standpunkt  aus  war  den  Gesetzgebern 
wichtiger  als  die  Ausbildung  eines  neuen  Deliktbegriffes, 
deren  die  Carolina  auf  weit  hinaus  einstweilen  genug  ge- 
schaffen hatte. 

M^  beschränkte  sich  vielfach  auf  Wamungen  an 
Juden  und  Goldschmiede,  von  Dienstboten  verdächtige 
Sachen  zu  kaufen^).  Oder  man  versuchte  auch,  pädago- 
gisch  auf  das  Gesinde  einzuwirken,  wie  in  der  westfäli- 
schen Stadt  Salzkotten;  deren  Magistrat  berichtete 
nämlich  1670  ^),  „dass  jeder  Gartendieb  ...  in  der  Ost- 
pforte gesetzt  und  ihm  das  gestohlene  Gewächs  über  den 
Kopf  gehangen  werde,  damit  das  vorübergehende  Ge- 
sinde mit  den  Kindern  solchies  anstehen  imd  zumi  Bey- 
spiel  nehmlein  mögen." 

Straf  recht  enthält  ein  herzoglich  sächsisches 
Edikt  von  1626*):  „Hat  auch  eure  Magd  an  Kleidern 
soviel  gestohlen  und  dieblicherweise  entwendet,  dass  es 
über  5  Ungar.  Dukaten  austrägt,  wenn  sie  nun  gkich 
dessen  geständig,  auch  sonsten  in  dergl.  Fall,  und  wenn 
von  dem  Gesinde  Diebstahl  begangen  wird,  soll  auch  die 
ordentliche  Strafe  des  Stranges  statthaben.**  In  Weimar 
wurde  1651  *)  den  Obrigkeiten  aufgegeben,  über  die  Per 
sonen  zu  wachen,  die  das  Gesinde  zu  Diebstahl  und  Par- 
tiererei veranlassen;  Pranger  und  Gefängnis  stehen  auf 
solchen  Handlungen.  Die  Taxoidnung  von  1652  für  das 
brandenburgische  Franken«)  läßt  in  Kap.  3  \inttr 

0  Oben  S.  566.  -  •)  Oben  S.  554.  -  »)  Wigands  Arclüv  fijr 
Gesch.  u.  Altcrthumskunde  Westphalens,  III 8  S.  281.  —  *)  Dorn  S.»*^ 
-  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  150.-*)Kr.  A.  A^i- 
berg.    Zugang  6  Fasz.  24  N.  212. 


-    561    — 

Vertragsbrudi  ausgetretenes  diebisches  Gesinde  als  ge- 
wöhnliche Diebe  strafen.  Schließlich  gehören  noch  die 
hannoverschen  Landgerichtsartikel  aus  der  Zeit  Kur- 
fürst Ernst  Augusts  (1679 — 1698)^)  hierher.  Sie  liandeln 
vom  Futterdiebstahl :  „Welcher  Knecht,  Junge  oder  Magd 
ihren  Herrn  das  Korn  aus  der  Scheune  oder  vom  Boden 
stehlen,  xmd  dem  Vieh  etwas  zustellen  möchten,  sollen  mit 
Gefängnisse  gestraffet  werden.**  In  der  Polizeiordnung 
Dinkelsbühls*)  wird  dem'  diebischen  Gesinde  emp- 
findliche  Strafe  angekündigt. 

Das  18.  Jhdt.  bildet  den  Höhepxmkt  des  Gesinde- 
strafrechts. Hier  lassen  sich  verschiedene  teilweise  neben- 
einander herlaufende  Entwicklimgsreihen  verfolgen.  Eine, 
wichtigere,  geht  von  dem  hannoverschen  Rechte  aus, 
eine  andere,  auf  die  erste  Hälfte  des  Jahrhimderts  be- 
schränkt, beruht  auf  Fortbildung  der  Traditionen  des  17. 
Jhdts.,  zum  Teil  auch  auf  selbständigen  Neuerungsver- 
suchen ;  kleinere  Ereignisse  laufen  nebenher  oder  schließen 
sich  an. 

Unabhängig  von  harmöverschem  Recht  ist  das  ba- 
dische Landrecht  von  1710»).  Teil  7  Titel  59  „Von 
Diebstal  der  Ehehalten,  als  Knecht  und  Mägd**  ordnet 
an,  daß  von  Dienstboten  verübte  Diebstähle  härter  als 
gewöhnliche  Fälle  bestraft  werden  sollen,  „dieweil  vor 
denselben  nicht,  wie  vor  Frembden,  auffgehoben  und  ver- 
schlossen werden  mag**.  Spezielles  Straf  recht  für  Hof- 
gesinde steht  in  einem  württem'bergischen  Reskript 
vom  16.  Oktober  1718*).  Nur  ein  gefährlicher  Diebstahl 
des  Hofgesindes,  der  durch  Einsteigen  oder  Einbrechen 
geschieht,  wird  gemäß  Art.  159  der  Carolina  mit  dem 
Tode  gestraft,  ohne  Rücksicht  auf  den  Wert  des  Ent- 
wendeten, 


*)  Pufendorf  obs.  iur.  II app. S.  849 ff.,  bes. 868.  —  •)  v.  Weber, 
Statutarrechte  II  S.  1016.  —  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  *)  Dorn  S.  240. 

Könnecke.  2/ß 


—    662    — 

Eine  nassau-usinger  Gesindeordnung  vom  An- 
fang des  18.  Jhdts.  *)  setzt  auf  Veruntreuungen  und  über- 
haupt pflichtwidriges  Verhalten  des  Gesindes  Zuchthaus 
bei  Wasser  und  Brot,  bis  der  Dienstbote  Besserung  ver- 
spricht und  im  Dienst  auch  erweist.    Bei  schweren  Ver- 
brechen ist  nach  gemeinem  Recht  zu  verfahren.  Die  Ver- 
führer des  Gesindes  („Gesindt  Diebe")  erhalten  Geldstrafe 
von  10  Thalem  oder  Strafe  am  Leibe.    Prozessual  wird 
angeordnet,  daß  schleunige  Justiz  geübt  werden  soll  ohne 
Kosten   und  ohne   „Erforderung  eines   förmlichen   Be- 
weisses, als  welcher  in  dergleichen  fällen  niemahlen  oder 
doch  selten  za  haben,  sondern  (dass)  es  bey  einer  sonst 
glaubwürdigen  Persohn  gewissenhaffter  Betheuer ung  an 
Eidesstatt  solchenfalls  wohl  belassen  werden  ralag". 

In  dem  neuen  nnühlhäuser  Heimbuch  von  1736*) 
werden  Gefängnis,  DrehhäxisChen  imd  Schandkorb  als 
Strafen  zur  Wahl  gestellt;  je  nachdem'  das  Verbrechen 
bedeutend  ist,  soll  vor  dem  Kriminalgericht,  nötigenfalls 
auch  peinlich,  gegen  Stehler  und  Hehler  verfahren  werden. 
Die  fürstlich  gothaische  und  altenburgische  Ge- 
sindeordnung von  1719*)  setzt  allgemein  fest,  daß  Ver- 
untreuungen durch  Gesinde  gerade  wie  andere  Unredlich- 
keiten, ja  noch  strenger  geahndet  werden  sollen.  Wenn 
Knechte  beim  Holzfahren  etwas  unterschlagen,  dann  ist 
die  Strafe  ein  Gulden  für  jedes  entwendete  Scheit  Holz. 
Einkaufsbetrug,  den  das  Gesinde  „durch  allerhand  Pup- 
peley*'*)  begeht,  wird  mit  willkürlicher  Geld-  und  Frei- 
heitsstrafe gestraft;  die  Dienstboten  müssen  das  zurück- 
behaltene oder  „durch  Puppel  erhaltene"  Geld  zurück- 
geben. 

*)  St.  A.  Wiesbaden,  V  Nassau  -  Usingen.  Generalien  11«  Ver- 
ordnungen Bd.  II  S.  123.  —  •)  Stadt.  Bibliothek  Mühlhausen.  — 
»)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVffl  f  A  870.  —  *)  In  den  Wörterbüchern 
nicht  nachzuweisen;  vielleicht  irgendwie  mit  „poppe"  =  Schwelger, 
Grosssprecher  (Lexer,  mhd.  Taschenwörterbuch  S.  141)  zusammen- 
hängend ? 


—    563    — 

Das  Recht  in  Schaumburg-Lippe  gibt  sich  des 
öfteren  mit  dem  „Thames-Beutel-Betrug**  ab.  Der  Thames 
ist  der  Speisesack,  den  ein  Dienstbote  auf  Reisen  mitbe- 
kommt. Eine  Verordnimg  vom'  1.  Februar  1730^)  ver- 
bietet den  reisenden  oder  sonst  verschickten  Dienstboten, 
mehr  Speisen  zumi  Mitnehmen  ru  fordern,  als  den  Ver- 
hältnissen der  Herrschaft  entspricht.  Vor  allem:  das  Ver- 
kaufen des  Mitgegebenen  wird  je  nach  Rückfall  mit  Stra- 
fen bedroht.  Der  Dienstbote  soll  doch  bedenken,  „wie 
sauer  tmd  schwer  einem  Dienstherrn  die  Unterhaltung 
des  Gesindes  falle,  und  dass  er  dermaleins  selbst  in  solchen 
Stand  gerathen  werde,  also  durch  dergleichen  Uebermuth 
und  Untreue  gegen  seinem  Dienstherm,  ihml  leicht  Gottes 
gerechte  Strafe  mziehen  könne".  Wer  den  Dienstboten 
Brot  usw.  abkauft  oder  gegen  Bier  imd  Branntwein  um- 
tauscht, wird  das  erste  Mal  init  Geld,  später  mit  Karren- 
schieben gestraft.  Am.  3.  Februar  1747  folgte  eine  Ein- 
schärfung ^).  Jetzt  soll  schon  gestraft  werden,  wenn  über 
das  (in  der  Verordnimg  näher  bestimimte)  Maß  von  Speisen 
gefordert  und  gegeben  wird.  Im'  übrigen  verweist  §  10 
der  Gesindeordnimg  von  1738*)  für  Gesindeuntreue  auf 
gemeines  Strafrecht. 

Besonders  wichtig  imter  den  selbständigen  Rechten 
aus  der  ersten  Hälfte  des  Jahrhunderts  ist  die  hessische 
Gesindeordnung  von  1736  *).  Sie  bestraft  Unterschlagxmg, 
Diebstahl,  Betrug,  alles  in  krausem  Durcheinander*): 
„.  .  .  sollen  diejenige,  so  ihre  Brod-Herren  uff  einige  Weise 
zu  vervortheilen,  oder  denenselben  etwas  an  Geld,  Ess- 
Waaren,  Garten-  und  Feld-Früchten  oder  sonsten,  es  sey 
auch  noch  so  gering,  und  bestehe  worin  es  wolle,  aus 
denen  Häusern,  Scheuren,  Garten  oder  vom'  Feld  zu  ent- 
wenden sich  imterstehen",  falls  die  Tat  nicht  „zur  Pein- 
lichkeit qualificirt**  ist,  im'  ersten  Fall  mit  Gefängnis  bei 

')  Landesverordnungen  Schaumburg-L.  II  S.  206.  ^  *)  Ebenda 
S.  869.  —  »)  Ebenda  S.  386.  —  *)  LO.  IV  S.  410.  —  •)  Art  18. 

86» 


—    564    — 

Wasser  und  Brot,  das  zweite  Mal  mit  dem  Turm  (in 
Cassel  mit  Zuchthaus),  das  dritte  Mal  mit  opere  publice, 
oder  nach  Befinden,  wenn  der  Wert  der  Sache  10  Th. 
übersteigt,  mit  demi  Strange  bestraft  werden.  Bis  dahin 
galt  für  Gesindediebstähle  in  Hessen  das  gemeine  Recht 
der  Carolina.    Eme  Gegenüberstellung  ist  lehrreich: 

Der  erste  Diebstahl:  CCC.  Zweispiel,  ev.  Kerker; 
GO.  Gefängnis. 

Der  zweite  Diebstahl :  CCC.  Ausweisung ;  GO.  Turm. 

Der  dritte  Diebstahl:  CCC.  Tod;  GO.  opus  publi- 
cum, wenn  über  10  Th.,  nach  Befinden  Strang. 

Das  ganze  ist  1736  milder.  Höchstens  die  Ersetzung 
der  Ausweisung  durch  Turmstrafe  könnte  aus  wirtschaft- 
lichen Gründen  hart  erscheinen.  Mit  Ausweisimg  arbei- 
teten die  Strafgesetzgeber  im  Mittelalter  erstaunlich  leicht- 
sinnig. Die  geringsten  Vergehen  wurden  mit  monate-  oder 
jahrelanger  Stadtverweisung  geahndet;  zahlreiche  Bei- 
spiele aus  dem  Gesinderecht  wurden  imi  Verlaufe  der 
Darstellung  bereits  mitgeteilt.  Vielleicht  bedeutete  aber 
die  Ausweisimg  —  wenigstens  für  die  nicht  mit  Grund- 
besitz imd  Geschäft  ansässigen  Einwohner  —  keine  so 
harte  Sühne,  wie  sie  uns  heute  erscheint,  wo  die  Auf- 
fassung vom  xmentreißbaren  Grtuidrecht  der  Staatsange- 
hörigen auf  Aufenthalt  im'  Heimatslande  herrscht.  Hessen 
beispielsweise  lag  fast  überall  nicht  allzuweit  von  irgend 
einem  „Ausland"  entfernt.  Da  war  es  bei  der  ständigen 
Leutenot  den  Dienstboten  leicht,  draußen  in  Waldeck 
oder  Westfalen  oder  „drüben  im  Hessischen"  (Darmstadt) 
Arbeit  zu  finden,  die  womöglich  von  längerer  Dauer  war. 
Die  Sorge  um  die  Dienstbotenbeschaffung  im  eigenen 
Lande,  überhaupt  das  Streben  nach  „Peuplirung"  haben 
bei  der  Ersetzung  der  Ausweisung  durch  eine  Freiheits- 
strafe sicher  eine  ^ößere  Rolle  gespielt  als  himiane  Er- 
wägtmgen. 

Die  Gesindeordnimg  kennt  ferner  einige  Fälle  von 


—    565    — 

Veruntreuung  im  Sinne  des  heutigen  Strafrechts.  In  dem- 
selben Artikel  imd  imter  denselben  Strafdrohungen  wer- 
den das  Entziehen  von  Futter,  das  Nichtaussäen  von  Sa- 
men behandelt.  Eine  unbewußte  Strenge  gegen  die  Dienst- 
boten liegt  in  der  Zusammenhäufimg  der  verschiedenen 
Delikte  ^).  Denn  bei  der  Berechnimg  der  Rückfälle  werden 
alle  diese  ganz  und  gar  nicht  mit  einander  zu  vergleichen- 
den Delikte  hinzugezählt,  so  daß  die  Höchstziffer  viel  eher 
erreicht  wird,  als  wenn  Diebstähle,  Veruntreuungen  und 
Betrugsfälle  gesondert  zur  Berechnung  gestellt  würden. 
Weder  Veruntreuung  noch  Betrug  im  Sinne  des  mo- 
dernen Rechts  kannte  die  Carolina.  Auch  für  das  Betrugs- 
recht schuf  die  Gesindeordnung  1736  etwas  Neues.  Sie 
zählt  in  xmgeregelter  Folge  eine  Reihe  von  Betrugsfällen 
mit  Namen  auf.    Davon  betroffen  werden  die  Knechte, 

1.  die  „ohne  ihrer  Herren  Vorbewust  und  Einwilli- 
gung andern  das  Land  heimlich  ackern,  den  dafür  emp- 
fangenen Acker-Lohn  aber  vor  sich  behalten", 

2.  bei  Einkäufen  für  die  Herrschaft  weniger  ausgeben, 
als  sie  ihr  nachher  angeben,  oder 

3.  ein  geringeres  Maß  der  Ware  einkaufen,  als  ihnen 
aufgetragen  ist  imd  sie  nachher  als  gekauft  angeben, 

4.  „ohne  Vorwissen  imd  Geheiss  ihrer  Herrn  uff 
äeren  Namen  imd  Rechnung  Waaren  und  andere  Sachen 
ausnehmen". 

Dos  zu  1  genannte  Vergehen  findet  sich  in  demselben 
Artikel  wie  die  Unterschlagungen  und  Veruntreuungen, 
und  wird  mit  gleicher  Strafe  bedroht.  Die  drei  andern 
Delikte  bilden  eine  besondere  Gruppe;  hier  „sollen  uff 
solchen  Fall  die  Ubertrettere  nebst  Ersetzung  des  ihrer 
Herrschaft  dadurch  zugefügten  Schadens  ohne  alle  Nach- 
sicht mit  dem  opere  publico  abgeschafft  werden".  Der 
„Betrug"  besteht  im  Fall  1  darin,  daß  der  Knecht  dem 


^)  Es  kommen  auch  noch  Betrugsfälle  hinzu;   darüber  sogleich. 


—    666    — 

Herrn  den  Lohn  abnimtnt,  obwohl  er  an  dem!  betreffenden 
Tage  nicht  für  ihn  arbeitet,  sondern  heimlich  auf  Tage- 
lohn geht.  Doch  fallen  nach  dem  Wortlaute  des  Gesetzes 
auch  solche  Fälle  unter  diese  Strafbestimmung,  in  denen 
der  Knecht  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  seine  freie 
Zeit  für  fremde  Arbeit  verwendet.  Diese  Konsequenz  ent- 
spricht durchaus  der  Anschauung  der  Zeit,  die  in   Ver- 
folgung der  Mimtidee  alles,  was  der  Knecht  erwirbt,  dem 
Herrn  zufallen  läßt  ^).  In  den  unter  2  imd  3  aufgeführten 
DeUkten  ist  der  Betrag  gleichfalls  gegen  die  Herrschaft 
gerichtet,  die  der  getäuschte  und  geschädigte  Teil   ist. 
Das  betrügerische  Kreditnehmen  dagegen  (Fall  4)  erfolgt 
nicht  gegen  die  Herrschaft,  sondern  gegen  den  kredit- 
gebenden Kaufmann,  der  Getäuschter  und  Geschädigter 
in  einer  Person  ist.   Soweit  reichte  damals  die  Kraft  des 
Muntgedankens  schon  lange  nicht  mehr,  daß  etwa  die 
Herrschaft  für  die  betrügerischen  Handlungen  des  Ge- 
sindes civiliter  einstehen  müßte  *) ;  vielmehr  geschieht  alles 
hier  zum  Schaden  des  Kreditgebers^). 

In  der  hessischen  Gesindeordnung  von  1736  wird 
weiter  auch  die  Teilnahme  dritter  Personen  an  den  Ge- 
sindedelikten berücksichtigt.  Die  Carolina  hatte  in  Art. 
177  „hilff,  beistandt  oder  fürderung,  wie  das  alles  namen 
hat"  mit  peinlicher  Strafe  bedroht.  „Fürderung"  bedeutet 
wohl  das  Verhalten  nach  begangener  Tat ;  „hilff  und  bey- 
standt"  werden  dem  Verbrecher  bei  Verrichtung  der 
Handlung  zuteil,  imd  der  Anstifter  ist  mit  der  clausula 
generalis  „wie  das  alles  namen  hat"  auch  genügend  be- 
zeichnet.  Die  Gesindeordnung  macht  es  ähnlich;  sie  nennt 

0  Belege  oben  T.  2  §  1,  a  286  flf.  —  «)  Oben  S.  284.  -^  •)  Die 
strenge  Bestrafung  des  Einkaufsbetruges  steht  vielleicht  in  Zusammen- 
hang mit  der  damals  wohl  auch  in  Hessen  unter  dem  Gesinde  weit- 
verbreiteten Anschauung,  dass  die  Zurückbehaltung  von  etwas  Ein- 
kaufsgeld  fQr  das  Gesinde  ein  selbstverständliches  Recht  sei.  In 
Bayern  scheint  diese  Ansicht  die  Regel  gewesen  zu  sein  (Stillich 
S.  bS,  bi). 


—    667     — 

Anstifter,  Sachhehler  und  Begünstiger  zusammen.  Die 
sollen  mit  noch  härterer  Strafe  als  der  Täter  selber  nach 
Befinden  bedacht  werden.  Ein  Unterschied  liegt  darin» 
daß  Anstiftung  bei  allen  Gesindedelikten  strafbar  ist; 
Sachhehlerei  imd  Begünstigung  werden  ausdrücklich  nur 
beim  TJFnterschlagen  von  Sachen  aus  Haus,  Scheuem, 
Garten  und  Feld  erwähnt.  Vergeßlichkeit  oder  Versehen 
des  Gesetzgebers  haben  hier  wahrscheinlich  den  Aus- 
schlag gegeben;  über  irgendwelche  innere  Gründe  geben 
Gesetz  und  Material  keine  Auskunft. 

Die  ha  n  au  er  Gesindeordnimg  von  1748^)  die  ja 
die  gleiche  Wurzel  hat  wie  die  hessische  von  1736,  bringt 
einiges  Strafrecht  in  den  §§  17  tmd  19.  Hier  trifft  man 
fast  dieselben  Gedanken;  nur  die  Strafen  sind  gering  ge- 
ändert. Einkaufsbetrug  und  betrügerisches  Borgen  auf 
der  Herrschaft  Namen  haben  Ersatzpflicht  und  arbiträre 
Gefängnisstrafe  nach  sich*).  Sonstige  Übervorteilungen 
der  Herrschaft,  Entwendung  von  Geld  und  Früchten,  Fut- 
ter entziehen,  übergebenen  Samen  veruntreuen,  für 
Fremde  arbeiten,  werden  bei  kleineren  Werten  das  erste 
Mal  mit  acht  Tagen  Gefängnis  bestraft,  das  zweite  Mal 
mit  Schanzarbeit  für  Männer,  während  für  Frauen  die  Ge- 
fängnisstrafe auf  vier  Wochen  erhöht  wird;  amm  dritten 
Mal  kommt  der  Täter  zur  Ausstellimg  auf  die  Schand- 
bank und  es  erfolgt  relegatio  in  perpetutun,  womit  also 
der  alte  Gedanke  der  Carolina  doch  wieder  zur  Erschei- 
nung kommt.  Ist  das  Gestohlene  über  10  Thaler  wert, 
dann  wird  der  Täter  aufgeknüpft.  Die  gleichen  Strafen 
drohen  den  Tdlnehmem. 

Wichtiger  als  all  dies  für  die  Geschichte  des  Ge- 
sindestrafrechts  ist  die  Bewegung,  welche  von  dem  am 
19.  Juni  1709  in  Hannover  erlassenen  „Edictum  wegen 
Bestraffung  der  Haus  -  Dieberey"  eingeleitet  und  wesent- 

*)  St.  A.  Marburg.   IX  A*  1621.  —  •)  §  17. 


—    568    -^ 

lieh  bestinünt  wurde  ^).  Das  Edikt  ist  erlassen,  um  einen 
jeden  in  seinem  Hause  wider  die  Hausdiebe  zu  schützen, 
da  trotz  der  schweren  Strafen  der  CCC.  „eine  Zeithcro 
verschiedene  Haus-Diebstähle  sich  hervorgethan" .  Alle 
Hausbediente  sollen  befundenen  Umständen  nach  am 
Leben  oder  mit  perpetuierlicher  Condemnation  ad  opus 
publicum  bestraft  werden,  wenn  sie  „sich  unternehmen, 
ihrem  Haus-Herrn  oder  Haus-Frauen  etwas  von  ihren 
Sachen,  Gelde,  Silber,  Pretiosis,  Kleinodien,  Linnengc- 
räth,  imd  anderen  ansehnlichen  Meublen,  auch  gar  £ss- 
und  Trinckel-Waaren,  weim  sie  solche,  schnöden  Gewinsts 
halber,  verpartiren  und  verkauften,  boshafft-  oder  vor- 
setzlicher  Weise  zu  entwenden",  „es  wäre  denn  dass  es 
nur  Kleinigkeiten  von  gar  geringen  Wehrt,  so  gestohlen, 
oder  der  Thäter  noch  sehr  jung  von  Jahren**.  Das  Edikt 
soll  gehörig  publiziert,  dam  jährlich  an  dem  Tage,  wenn 
das  Evangelium  vom  imgerechten  Haushalter  erklärt  wird, 
von  den  Kanzeln  verlesen  werden. 

Weil  dies  Edikt  gegen  den  Willen  der  Gesetzgeber 
von  einigen  Gerichten  so  ausgelegt  wurde,  daß  die  Stra- 
fen als  arbiträr  galten,  erfolgte  am  7.  Januar  1710  eine 
Präzisierung  *).  Ohne  Rücksicht  darauf,  ob  der  Täter  schon 
rückfällig  ist  oder  nicht,  ob  er  das  Gestohlene  wiederer- 
stattet hat  oder  nicht,  wird  er  mit  dem  Tode  bestraft. 
Nur  wenn  der  Diebstahlswert  unter  5  Th.  geblieben  ist, 
oder  wenn  Eß-  imd  Trinkwaren  nicht  Gewinnstes 
halber  bei  Seite  geschafft  worden  sind,  oder  schließlich, 
wenn  der  Täter  erst  18  Jahre  alt  ist,  tritt  an  Stelle  der 
Todesstrafe  Verurteiltmg  ad  perpetuum  opus  publicum 
toder  zu  Werk-  imd  Spinnhaus.  Eine  Erläuterung  der 
5  Thaler-Summe,  die  nicht  als  currente  Münze,  sondern 
„nach  speciebus**  angeschlagen  werden  soll,  folgte  am 

*)  Landesordoungen  Kaienberg  11  S.  686;  Spangenberg, 
Verordnungen  f.  Hannover  IV  2  S.  365.  —  ■)  Landesverordnimgen 
a«  a.  O.  II  S.  688. 


—    569    — 

23.  Mai  1725  ^).  Zwei  Monate  vorher,  am  8.  März  2),  war 
eine  neue  Einschärfung  der  Kriminaledikte  erfolgt.  Zu 
besserem  Bekanntwerden  soll  der  Sonntag,  an  dem  die 
Verlesung  von  der  Kanzel  vorgenommen  wird,  allemal 
acht  Tage  vorher  angekündigt  werden.  Die  Prediger  „wer- 
den wohl  thun**,  in  den  rugehörigen  Predigten  auf  „die 
Materie  des  Diebstahls  und  insonderheit  die  Enormität 
der  Haus-Dieberey'*  kürzlich  einzugehen,  „und  ihre  Ge- 
meine davor  zu  warnen".  Am  27.  August  1728  kam!  schon 
wieder  eine  Einschärfimg  ^),  die  sich  mit  der  Publikations- 
art beschäftigte. 

Die  Gesindeordnimg  von  1732  bezieht  sich  auf  die 
vorangegangenen  Edikte  *).  Um  der  Gesindeordnung  zur 
besseren  Wirkimg  zu  verhelfen,  die  sie  infolge  der  Nach- 
lässigkeiten der  Beamten  noch  nicht  hat,  wird  am  13. 
November  1732  die  Errichtung  eines  besonderen  Straf- 
pfahls binnen  acht  Tagen  angeordnet  *) ;  §  11  der  Gesinde- 
ordnung, wo  der  Befehl,  aber  ohne  Fristsetzung,  schon 
stand,  ist  nicht  befolgt  worden.  Eine  Ausdehnung  der 
Kriminaledikte  auf  den  Harz  wurde  am  24.  Novem,ber 
1733  vorgenominen*).  Und  um'  das  Maß  voll  zu  machen, 
wurde  am  22.  März  und  2.  April  1734  ^)  gegen  die  Dienst- 
boten, die  fremden  Dieben  im  Hause  Vorschub  leisten, 
die  Strafe  angesetzt,  als  hätten  sie  die  Tat  selber  be- 
gangen. 

Im  Herzogtum  Lauenburg  wurde  vorsichtshalber  am 
5.  August  1735  ®)  verordnet,  „dass  die  Schmiede  auf  keines 
Dienstboten  Begehren,  ohne  Vorbewust  ihrer  Brodherrn, 

*)  Ebenda  II  S.  705.  -  *)  Ebenda  II  S.  703.  -  ")  Ebenda  I 
S.  816,  U  S.  713;  die  bei  Spangenberg  T.  IV  Abs.  II  S.  416  nur 
mit  dem  Titel  genannten  zwei  Erlasse  wider  die  Hausdieberei  be- 
deuten wohl  Ausdehnungen  auf  Lauenburg.  —  *)  Ebenda  IV  S.  210; 
Spangenberg  a*a.  O.  IV  2  S.  461.  —  »)  Landesverordnungen  a.  a.  O. 
IV  S.  228;  Landesverordnungen  Lüneb.  I  S.  988.  —  •)  Kaienberg  II 
S.  772.  —  ')  Ebenda  U  S.  706.  —  •)  Spangenberg  IV  2  S.  609. 


—    570    — 

Nach-  oder  doppelte  Schlüssel  miachen,  noch  Koffer,  Cas- 
setten,  Laden  etc.  aufdircken  (?)  sollen***). 

Eine  Mißbildung  brachte  schließlich  die  allgemeine 
hannoversche  Verordnung  vom  24.  November  1772  *) ;  das 
Alter  für  die  Todesstrafe  und  der  für  sie  maßgebende 
Wert  des  Diebstahlsobjektes  wurden  heraufgesetzt.    Wer, 
über  20  Jahre  alt,  Gewinnes  halber  einen  Hausdiebstahl 
begeht,  und  auf  einxnlal  oder  nach  imd  nach  sich  15  Thaler 
oder  30  Gulden  zusamlmenstiehlt,  wird  gehängt.    Minder- 
jährige sowie  Hausdiebe,  die  weniger  stehlen  als  die  ge- 
nannte Summe,  komimen  2um  Karren  oder  ins  Zuchthaus, 
und  zwar  lebenslänglich  ( I ).   Die  Nascher  erhalten  harte 
Leibesstrafe,  können  nach  Befinden  auch  mnl  Festungs- 
bau, zu  Zuchthausarbeit  verdammt  werden.   „Nachdrück- 
liche" Strafe  steht  dem  Futterdiebe  bevor,  und  zwar  dem 
Futterdiebe  nicht  im  Sinne  des  hessischen  Rechts,  son- 
dern so,  wie  ihn  unser  heutiges   Strafrecht  kennt.    Es 
heißt  nämlich:   „Sollte  auch  das  Haus-Gesinde,  welchem 
die  Futterung  des  Viehes  anvertrauet  ist,  seiner  Haus-Herr- 
schaft Korn,  Stroh,  tmd  andere  Futterung  nicht  Gewinn- 
stes  halber,  sondern  deren  Vieh  damit  zu  füttern,  heimlich 
imd  treuloser  Weise   hinwegnehmen;   so  soll   diese  be- 
gangene Untreue  tmd  Unterschleif  jedesmal  nachdrück- 
lich bestraft  werden."  Wie  ein  Dieb  wird  femer  bestraft, 
wer  Geld  imterschlägt,  das  er  verwalten  soll.  Harte  Leibes- 
strafe droht  dem,  der  Anleitung  oder  Vorschub  gibt ;  par- 
tizipiert er  hernach  an  dem  Gestohlenen,  dann  wird  er 
als  ein  Dieb  bestraft.    Im  Unterschied  vom  hessischen 
Recht  erfolgt  Mildenmg  nach  gemeinem  Kriminalrecht, 
wenn  das  Entwendete  wieder  erstattet  wird.   Es  macht. 


^)  Spangenberg  a.  a.  O.  S.  574  (Lauenburg)  und  Teil  IV 
Abt  8  S.  899  (Hadeln)  teilt  zwei  Erlasse  vom  6.  August  und  20.  De- 
zember 1786  mit,  die  wohl  das  frühere  Recht  Air  jene  Gebiete  in 
Geltung  bringen  sollen;  mehr  als  die  Überschrift  über  Hausdieberei 
gibt  Spangenberg  hier  nicht  an.  —  *)  Spa n genberg  a. a.  O.  II S. 45L 


—    571     — 

wie  dann  nodi'  gesagt  wird,  zur  Beurteilung  der  Tat  keinen 
Unterschied,  ob  die  Sachen  der  Herrschaft  gehörten  oder 
ihr  nur  geborgt  waren.    Jährlich  wird  die  Verordnung 
von  den  Kanzehi  verkündet  und  überall  gehörig  affigieret  ^). 
In  Hannover  war  man  so  zuerst  auf  den  Gedanken 
gekommen,  wider  die  Gesindexmtreue  besondere,  kleinere 
Verordnungen  mit  ausgesprochen  strengen  Strafvorschrif- 
ten zu  erlassen.  Diese  Art  wurde  rege  in  andern  Staaten 
nachgeahmt,  und  mit  der  Art  auch  der  Inhalt.    Wie  in 
Hannover  wurde  dieser  bisweilen  auch  in  imifassende  all- 
gemeine Gesindegesetze  übernommen.    Für  beide  Arten 
der  Ausführung,  Einzelgesetz  tmd  Einreihung  in  die  Ge- 
sindeordnung, gibt  Waldeck  Beispiele.    Am  20.  März 
1720  erging  eine  Verordnung  wider  die  Untreue  des  Haus- 
gesindes*).   Der  Diebstahl  im'  Lande  nimant  überhand^ 
auch  beim  Gesinde,  das  umsomlehr  strafbar  ist.  Daher  soll 
ein  Dienstbote,  der  über  5  Thaler  Wert  stiehlt,  mit  Stau- 
penschlägen und  ewiger  Landesverweisung  gestraft  wer- 
den. Diebstahl  im  Werte  von  mehr  als  10  Thalern  kostet 
den  Hals.  Anstifter,  Hehler  und  Helfer  werden  dem'  Dieb 
gleichgestellt.  Die  Gesindeordnimg  von  1736  *)  führte  ge- 
nauere Unterscheidimgen  ein:   Übervorteilimg  der  Herr- 
schaft wird  das  erste  Mal  mit  Gefängnis  bei  Wasser  und 
Brot,  das  zweite  Mal  mit  Schubkarrnarbeit  im  Zuchthaus 
zu  Schloß  Waldeck  (für  Männer)  oder  mit  dem  Pranger 
(für  Frauen)  bestraft;  beim  dritten  Fall  wird  der  Täter 
mit  Staupenschlägen  aus  dem  Lande  gejagt.    Wird  die 
in  der  Halsgerichtsordnung  (Carolina)   gesetzte   Summe 
von  5  Gulden  erreicht,  dann  komhit  der  Täter  an  den 
Galgen.  Einbruchsdiebstähle  mit  Werkzeug  werden  gleich 


*)  Weitere  Bestimmungen  über  das  Verlesen  der  Verordnung 
ergingen  noch  am  19  Januar  1778  (Spangenberg  II  S.  467),  2.  Februar 
1778  (II  S.  463)  und  19.  März  1778  (II  S.  468).  -  «)  Sammlung  der 
Regierung  Arolsen;  Curtze,  Gesch.  u.  Beschr.  des  FOrstenthums 
Waldeck,  1860,  S.  283.  —  »)  In  der  genannten  Sammlung. 


—    572     — 

beim  ersten  Mal  mit  Staupenschlägen  imd  Ausweisung 
gestraft.  Hehler  und  Verführer  werden  wie  der  Täter 
behandelt;  sie  müssen  auch  den  Schaden  ersetzen,  wenn 
der  Dieb  selber  dazu  außer  Stande  ist.  Wer  von  einer  Ge- 
sindeuntrexie  weiß  und  sie  nicht  anzeigt,  erhält  willkür- 
liche Geld-  oder  Gefängnisstrafen. 

Der  Zeit  nach  ist  hier  die  kurpfälzische  Ge- 
sindeordnimg von  1731  ^)  einmfügen.  Da  Gesindeuntreue, 
wie  §  7  sagt,  weit  gefährlicher  ist  als  fremder  Leute  Un- 
redlichkeit, muß  besonders  strenge  Bestrafung  erfolgen. 
Nach  der  Peinlichen  Gerichtsordnimg  (der  Carolina)  wird 
der  Dieb  von  Sachen  im  Wert  von  20  Gulden  am  Leben 
bestraft,  mögen  die  20  Gld.  auch  niu-  nach  und  nach 
2usammengestohlen  sein.  Auf  geringeren  Diebstählen 
steht  Fustigation,  ewige  Landesverweisung,  öffentliche 
Schanzarbeit.  Bei  20  Th.  Strafe  muß  die  Herrschaft  den 
Dieb  anzeigen,  „er  sey  gering,  mittelmässig  oder  gross" 
<§  8).  Die  Hehler  werden  wie  die  Stehler  gestraft  (§  10). 
Am  16.  April  1755  wurde  die  Gesindeordnimg  unverän- 
dert neu  erlassen^). 

Von  süddeutschem'  Rechte  ist  femer  die  Verordnung 
wider  die  Hausdiebstähle  zu  nennen,  die  am'  14.  April 
1745  für  die  bayerischen  Teile  Brandenburgs  er- 
lassen wurde  ^).  Wenn  ein  Dienstbote  über  20  Gulden 
Rheinisch  stiehlt,  wird  er  gehenkt,  ohne  Rücksicht  auf 
Rückfall  oder  tätige  Reue.  Diebstähle  von  mehr  als  10 
Gulden  werden  mit  Staupenschlägen  imd  ewiger  Landes- 
verweisimg  oder  mit  10  bis  12  jährigem  Zuchthaus  ge- 
straft. Übersteigt  der  Wert  des  Gestohlenen  einen  Gulden, 
dann  kommt  der  Dienstbote  auf  ein,  zwei  oder  miehr  Jahre 
ins  Zuchthaus. 

Eine  sehr  ausführliche  kurm'ainzer  Verordnung 
wider  die  Hausdiebstähle  vom'  25.  April  1749*1  hat  teil- 

')  L.  A.  Karlsruhe.  Pfalz  Generalia  6047.  —  *)  Ebenda.  —  *)  Corp- 
Const.  Brand.-Culmb.  11 1 S.  ^8.  — *)  K  e  r  s  t i  n  g,  Sonderrechte  Sp.  1067. 


—    573    — 

weise  Präventivmittel,  wie  Verbote  der  Aufnahmen  unbe- 
kannten liederlichen  Gesindels,  Zeugnisvorschriften.  „Und 
weil  die  Untreue  und  Diebstähle  eines  Dienstboten,  als  vor 
andern  Diebshändeln  weit  gefährlicher,  folglich  auch  .mit 
mehrerer  Schärfe  und  Strenge  zu  bestrafen  ist,  als  soll 
.  .  .  ein  Hausdieb,  männlichen  oder  weiblichen  Ge- 
schlechts, so  seiner  Hausherrschaft  entweder  an  barem 
Geld  oder  Effekten,  oder  an  Markt-  und  Schaurengeld, 
wie  es  iminer  Namien  haben  mag,  den  Werth  der  in  sanc- 
tione  Carolina  enthaltenen  fünf  Goldgulden  entweder  auf 
einmal  oder  nach  und  nach,  sonderheitlich  wenn  dabei 
einige  Kisten  oder  Schränke  eröffnet  worden,  entwendet 
und  gestohlen,  gestalten  Umständen  nach  mit  der  Lebens- 
strafe verfahren,  die  geringeren  Diebstähle  imd  Abträge 
aber  nach  Proportion  des  Verbrechens  mit  öffentlicher 
Schanze  und  Zuchthaus  und  sonst  unnachlässig  mit  aller 
Schärfe,  nach  dem  Befund  der  Umstände,  geahndet  wer- 
den." Bei  willkürlicher  Strafe  darf  die  Dienstherrschaft 
ihren  untreuen  Dienstboten  nicht  stillschweigend  ent- 
lassen, sondern  muß  ihn  zur  Bestrafung  anzeigen.  Nie- 
mand darf  ferner  einem  Dienstboten  ohne  Wissen  der 
Herrschaft  etwas  abkaufen*). 

Wegen  des  offenbaren  Zusammenhanges  mit  den  hier 
geschilderten  Rechtsruständen  sei  ausnahmsweise  ein 
mecklenburger  Edikt  angeführt;  es  stammt  von 
1749  *).  Danach  sollen  die  Todesstrafe  „alle  wahre  Haus- 
diebe zu  gewarten  haben,  und  zwar  ohne  auf  den  Werth 
der  gestohlnen  Sachen,  tmd  ohne  auf  die  Art  und  Weise, 
wie  der  Diebstahl  begangen  worden,  zu  sehen". 

Einige  Jahre  danach  gab  auch  Hessen  dem  allge- 
meinen Streben  der  Zeit  nach.  Am  1.  Dezember  1752  er- 
&mg  eine  Verordnung  wegen  Bestrafung  der  Hausdieb- 
stähle»). Es  hat  folgenden  Wortlaut :  „Thun  hiermit  kund 

')  Oben  S.  Ö98ff.  —  •)  Dorn  S.  240.  -  •)  LO.  V  S.  67:  oben 
S.  152  flF. 


—    574    — 

und  za  wissen;  Nachdem'  die  Hauss-Diebstähle  und  Un- 
treue des  Gesindes  in  Unsern  Landen  bevorab  hiesiger 
Residentz-Stadt  Cassel  Ueberhand  nehmen,  dergestalt  dass 
fast  niemand,  welcher  Dienstbotten  zu  unterhalten  nöthig 
hat,  davor  sicher  ist;  Und  Wir  dan  diesem  Unwesen  auf 
alle  Weise  zu  steuren  und  JedernDann  in  seinem  Hause 
und  Eigenthiun  gegen  dergleichen  gefährliche  Diebe,  vor 
denen  sich  niemand  hüten  kan,  Sicherheit  zu  verschaf- 
fen gemeynet  seyn:  So  ordnen  und  wollen  Wir,  dass 
diejenige  Hauss-Bediente  überhaupt,  welche  in  eines  an- 
dern Hoch-  oder  niedrigen  Kost  imd  Lohn  stehen,  Sie 
mögen  im  Hause  die  Kost  geniesen  oder  Geld  davor 
bejkommen,  \md  sich  selbst  verköstigen,  Sie  haben  auch 
den  Aufenthalt  in  ihres  Herren  Hause  oder  wohnen  ausser- 
halb desselben,  imd  seyen  Laden-Diener,  Gesellen 
und  Lehr  jungen  etc.  wann  selbige  ihren  Hauss-Herren 
oder  Frauen  und  Meistern,  Geld,  Silber,  Geschmeide,  Lin- 
nen-Geräthe  und  Meublen  oder  Waaren  vorsetzlich  ent- 
wenden, oder  Ess-  imd  Trinck- Waaren  wegnehmen  und 
auf  die  Seite  bringen,  Gewinsts  halber  verparthieren,  ver- 
kauf fen,  im  Lombard  oder  sonst  wo  versetzen  oder  ver- 
schleppen und  imterschlagen,  ingleichen  diejenige,  welche 
die  von  ihren  Herren  ihnen  anvertraute  Gelder  vor  sich 
behalten,  \md  in  ihren  Nutzen  verwend«i,  oder  zu  deren 
Schaden  auf  Credit  Waaren  ausnehmen,  falls  sich  die 
Summa  auf  Vier  Reichsthaler  oder  darüber  belaufft,  ohne 
Unterscheid,  und  Ausnahme,  ob  Sie  dergleichen  Dieb- 
stahl zu  einem  oder  mehrmahlen  ausgeübt  und  begangen, 
es  betreffe  Manns-  oder  Weibs-Persohnen  am  Leben  ge- 
strafft, und  die  Restitution  und  Erstattung  des  Gestohlnen 
oder  Unterschlagung  geschehe  entweder  freywillig,  oder 
hernach  aus  Reue  und  Furcht,  Ihnen  keineswegs  zur  De- 
fension  oder  Milderung  der  Straffe  gereichen,  allenfalls 
aber  und  wann  der  Diebstahl  keine  Vier  Reichsthaler 
werth  ist,  oder  in  Ess-  imd  TrinCk-Waaren  bestehet,  so 


—    575    — 

nkht  Gewinsts  halber  auf  die  Seite  gebracht  sind,  oder 
uvann  der  Täter  noch  nicht  18.  Jahr  alt  ist,  Derselbe 
entweder  zum  Vestungs-Bau  verdammt,  oder  ohne  Zeit 
in  das  Zuchthauss  oder  Spinnhauss  gebracht,  auch  wer 
dergleichen  gestohlne  Sachen  abnimimt  oder  verhelet  und 
es  weiss  und  nicht  anzeigt  mit  eben  dieser  Straffe  ange- 
sehen imd  belegt  werden  soll." 

Gegenüber  der  Gesindeordnimg  von  1736  ist  die  Auf- 
zeichmmg  der  Straftaten  hier  nicht  bedeutend  geändert, 
aber  die  Strafen  sind  der  hannoverschen  Höhe  angepaßt : 
Ihrem  Muster,  der  hannoverschen  Gesindeordnung  von 
1732,  konnten  die  hessischen  Gesetzgeber  1736  das  Kri- 
minalrecht  nicht  entnehmen;  denn  in  der  hannoverschen 
Ordnung  war  bloß  auf  die  Edikte  seit  1709  verwiesen, 
sachlich  war  nichts  über  den  Inhalt  dieser  Edikte  in 
der  Gesindeordnimg  gesagt  und  den  hessisc^hen  Rät^n 
auch  sonst  nicht  bekannt. 

Was  an  Straftaten  1752  neu  genannt  wird,  ist  teil- 
weise eine  überflüssige  Erweiterung  der  von  1736  her  be- 
kannten Begriffe  (so :  das  Versetzen  von  Sachen  der  Herr- 
schaft) teilweise  auch  eine  Milderung  (so :  die  Einführung 
einer  weniger  strengen  Strafe  auf  das  Naschen) ;  nur  eine 
strafrechtliche  Verschärfung  gibt  es  in  der  Aufzählung 
der  Verbrechen :  die  Berücksichtigung  des  Unterschlagens 
von  anvertrautem  Gelde ;  dies  wurde  1736  zivilrechtlich  ge- 
regelt. Einige  Delikte,  die  1736  aufgezählt  worden  waren, 
fehlen  1752  sogar:  Einkaufsbetrug,  heimliches  Ackern 
für  fremde  Leute.  Sie  werden  nicht  einmal  diurch  einen 
umfassenden  Ausdruck  getroffen  etwa  in  der  Art  „und 
wie  das  alles  Namfen  habe**,  wie  man  es  in  anderen  Ge- 
sindegesetzen dieser  Zeit  oft  finden  kann.  Vielmehr  ist 
die  Reihe  der  Delikte  in  einem  numerus  clausus  er- 
schöpfend aufgezählt. 

War  so  die  Anführung  der  einzelnen  Delikte  1752 
teilweise  günstiger  für  die  Dienstboten,  so  hob  das  Straf- 


—    576    — 

maß  diese  Wirkling  um  so  gründlicher  wieder  auf.  An 
erster  Stelle  steht  drohend  die  Todesstrafe.  Das  ist  psy- 
chologisch gar  weise  erwogen;  überhaupt  ist  die  Ver- 
ordnung ein  Muster  raffiniert  effektvoller  Gesetzestech- 
nik. Bei  einer  Verlesung  der  Verordnung  nämlich  — 
etwa  in  der  Kirche  —  bekommen  die  Dienstboten  zuerst 
davon  zu  hören,  daß  sie  bei  Diebstählen  von  zusammen 
vier  Thalern  die  Aussicht  haben,  gehenkt  zu  werden.  Nun 
stelle  man  sich  die  Erregung  vor,  die  sich  ihrer  dabei 
bemächtigt,  wie  sie  sich  vielleicht  bemühen,  die  Wert- 
summe der  von  ihnen  bereits  verübten  Diebereien  zu- 
sammenzuzählen, wie  sie  sich  entsetzen  über  die  so  rasch 
und  leicht  begangene  Tat.  Dann  mag  ihnen  schon  der 
darauf  folgende  Teil,  der  die  Strafermäßigimgen  für  Ju- 
gendliche \md  fürs  bloße  Naschen  bringt,  mehr  oder  weni- 
ger entgehen,  nur  im  Ohre  klingen.  Und  zum  Schluß  tönt 
es  dann  wieder,  grausam  wie  zum  Ersten,  daß  der  Hehler 
oder  wers  nicht  anzeigt,  „mit  eben  dieser  Straffe  ange- 
sehen und  belegt  werden  soll".  Daß  schon  die  erste  Tat 
gerade  so  hart  geahndet  wird  wie  jeder  Rückfall,  daß  die 
Wertsumme,  die  über  Leben  und  Tod  entscheidet,  von 
10  auf  4  Thaler  herabgeisetzt  ist,  daß  die  tätige  Reue  nichts 
hilft,  daß  gegen  Jugendliche  imd  aufs  Naschen  unbe- 
schränkte Zuchthausstrafe  gedroht  wird,  —  all  das  sind 
weitere  bittere  Verschärfungen. 

Ein  gutes  niu-  hat  diese  grausame  Verordntmg  im 
Gefolge  gehabt:  Trotz  einer  schon  am'  15.  März  1759 
vorgenommenen  Erneuerung^)  ist  sie  vielleicht  nie  an- 
gewandt worden.  Später,  bei  den  Vorarbeiten  zu  den  zwei 
großen  Gesindeordnungen,  wurden  derartige  Feststellun- 
gen gemacht,  es  wurde  darauf  hingewiesen,  wie  sehr  die 
törichte  Irrung,  aus  der  das  Gesetz  1752  entsprang,  dem 
Rechtsbewußtsein  des  Volkes  widersprach,  und  wie  selbst 


')  LO.  V  S.  161. 


—    577    — 

in  den  östlichen  Ländern  Deutschlands  ta  grausames  Vor^ 
gebiein  gegen  der  Dienstbotien  Untreue  nicht  miehr  auf  die 
Zustimanjung  des  Volk^  rechnen  darf^).  1797  war  es 
dapn  auch  mit  der  Geltung  der  Dienstbotenk^iminalord- 
nung  vorbei. 

Clie  "TU  dieser  Zeit  übergegangen  werden  klann,  müssen 
noch  einige  weitere  Stücke  aus  der  Gefolgschaft  der  han* 
növerschen  Edikte  sowie  mtehrere  sonstige  Strafrechts- 
bestiiTiätnUngen  angeführt  werden,  die  inzwischen  ergingen. 
Die    isenburger    Verordnung    wider    die    Hausdieb- 
stähle vom'  8.  Dezemibier  1760*)  bestimimt  —  etwas  mil- 
der als  die  hessische  —  daß  erst  ein  Diebstahlswert  von 
15  Gulden  den  Täter  zuml  Tode  bringt,  mag  auch  durch 
zweimalige  Tat  eine  Summe  von  mehr  als  15  Fl.  zusam- 
mengestohlen sein.  Ohne  Rücksicht  auf  die  Summfe  wird 
der  Täter  beim'  dritten  Rückfall  gehängt.    Und  schließ- 
lich soll  auch  der  ziuml  Tode  gebracht  werden,  dessen 
„Verbrechen  mit  andern  beschwerlichen  Umständen  be- 
gleitet ist".  Scharfe  Strafen  erhält,  wer  von  einemi  Haus- 
diebstahl weiß  tmd  die  Anzeige  unterläßt.   Zumi  Schluß 
heißt  es:    „Es  soll  auch  Niemand  von  einem  in  eines 
Andern  Brod  Stehenden  Sachen  erkaufen,  ohne  vorher 
bei  dessen  Herrschaft  anzufragen,  ob  es  selbigem!  eigent- 
lich zustehe.'*    Die  Verol^dnung  ist  jährlich  zweimal  von 
den  Kanzeln  zu  verlesen. 

Von  großen  Gesindeordnungen,  die  sich  durch  die 
strenge  Zeitrichtung  beeinflussen  ließen,  gehören  vor- 
nehmlich die  Wolfen bütt  1er  von  1748'),  die  det- 
m' Ol  der  von  1752  mit  Ergänzung  vom  6.  Januar  1783*) 


^)  Oben  S«  97.  Es  Hessen  sich  keine  aktenmdssige  Nachweise 
für  Anwendung  von  Todesstrafen  bei  Hausdiebstählen  gemäss  der 
Verordnung  von  1752  erbringen.  —  *)  Kersting,  Sonderrechte 
Sp.  988;  oben  S.  298.  -  »)  Archiv  Wolfenbüttei  Nr.  7097.  — 
*)  Landesverordnungen  L.-Detmold  II  S.  47;  III  S.  57. 

KGnnecke.  87 


—    678    — 

und  die  Ordnung  der  Stadt  Frei  bürg  im  Breisgau  von 
1782^)   hierher. 

Nach  der  wolfenbüttler  Ordnung  von  1748  wird 
das  Verschleppen    von  £ß-  und  Trinkwaren    aus   dem 
Hause  oder  sonstige  heioüiche  Veii>artiening  mit  Gefän^r- 
nis  oder  Zuchthaus  geahndet;  ein  ,,wirklicher  Hausdieb" 
aber  soll  nach  dem!  (biaunschweig-lüneburgischen)  ILdikt 
wider  die  Hausdiebe  gestraft  werden.  Der  Hehler  erhält 
den  Lohn  des  Stehlers.  Laut  §  11  des  detm>older  Ge- 
setzes von  1752  steht  absolut  Todesstrafe  auf  Veruntreur 
imgen  im'  Werte  von  mehr  als  fünf  Thalem.  Wer  etwas 
von  den  Unredlidikeiten  weiß,  soll  es  anzeigen  bei  Kar- 
renstrafe.   Unter  den  Zusätzen  von  1783  befindet   sich 
auch  ein  strafrechtlicher;  verboten  ist  die  Entwendung, 
,,und  also  auch  die  tui  Viehfütterung".    Die  frei  bur- 
ger Ordnung  von  1782  kann  an  Grausanakeit  mit  den 
weitestgehenden  Kriminalgesindegesetzen  aus  der  Mitte 
des  Jahrhunderts  wetteifern,  Untreue  wird  nach  der  The- 
resianischen   peinl.    Halsgerichtsordnung  Art.   94    §    11 
mit  dem  Tode  bestraft,  ohne  daß  es  auf  den  Wert,  Ver- 
zeihimg oder  tätige  Reue  ankommt  *).  Als  Untreue  gilt  es 
sogar,    wenn  anvertraute    Sachen  absichtlich  verdorben 
werden,    sowie  (nach  §  14)  wenn  für  fremde  Personen 
Kost  beiseite  gesdhafft  wird.  Der  Einkaufsbetrug  kommt 
milder  davon  ^):    sechsfacher  Ersatz,    dazu  mehrtägiges 
Spinnhaus  bei  schmaler  Atzung.   So  wird  auch  der  bös- 
gläubige Kaufmlann  gestraft;  beim  dritten  Male  wird  ihm 
das  Gewerbe  entzogen. 

Andere  der  seit  Mitte  des  Jahrhunderts  erlassenen 
großen  Gesindeordnungen  schließen  sich  dem  energischen 
Vorgehen  nicht  an,  sondern  bleiben  mit  dem  Kriminal- 
Gesinderedit  in  ruhigeren  Bahnen. 

Die    altenburger    Gesindeordnung    von    1744*) 

')  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  GeneraUa  6891.  ^  •)  §  17.  —  *)  §  la 
-  *)  Univ.-Bibl.  Marburg.    XVHI  f  B  11195. 


—    679    — 

stellt  den  Partierern,  Wegstädeppem  ti.  dgl.  unter  den« 
Gesinde  hartes  Gefängnis^  nach  Befinden  auch  Zuchthaus 
in  Aussicht.  Bei  der  Fülle  von  Todesstrafen,  die  anders- 
wo verhängt  werden,  kann  man  schon  die  jenaische 
Ordnung  von  1751^}  unter  den  milderen  Gesetzen  auf- 
zählen. Betrug  bei  Ein-  und  Verkauf,  Hausdieberei,  Un- 
terschlagung, bedingt  auch  die  Partiererei  haben  Prangelr, 
Zuchthaus  und  Verbannung  nach  sich. 

In    der  eisenacher  Gesindeordnung  von  1757*) 
steht  zunädhst  eine  Mahnung  an  die  Dienstherrschaften» 
ihr  Gesinde  nicht  zu  Unredlichkeiten  zu  vteranlassen ;  Un- 
treue soll  angezeigt,  der  Schuldige  entlassen  werden.  Wäh- 
rend weiter hjux  §  12  auf  Veruntreuung  von  Eßwaren  und 
Geld  Lohn-  und  Dienstverlust  androht,  regeln  die  §§  15 
bis  18  die  strafrechtliche  Seite.   Eine  ganze  Menge  De- 
likte werden  da  aufgezählt,  die  als  wahre  Diebstähle  nadh 
Schärfe  der  peinlichen  Rechte  mit  öffentlicher  Arbeit, 
Zucht-  tmd  Spinnhaus,  Pranger  oder  härter  zu  strafen 
sind:  Futter  verkaufen,  heimlich  für  Fremde  Fuhren  tun, 
es  nun'  Schaden  der  Herrschaft  mit  den  Handwerksleuten 
halten,  den  übergebenen  Samten  nicht  aussäen,  Eß-  und 
Trinkwaren  tmd  andere  anvertraute  Gegenstände,  insbe- 
sondere das  smmt  Einkauf  gegebene  Geld  behalten.   Die 
Mägde,   die  mit  „Kerln",  Wäscherinnen  u.  a.   „Ränke; 
spielen"  werden  besonders  genannt;  die  Eltern  oder  son- 
stige Angehörige  der  Dienstboten^  die  sie  zur   Jntreue 
verleiten  oder  ihnen  gestohlene  Sachen  abnehmen,  über- 
haupt  alle    Hehler   werden  den   Tätern   gleich   behan- 
delt.   In  Weim'ar  erging  eine  Verordnimg  wider  das 
Borgen  des   Gesindes   1777*).    Die   Kaufleute  erwerbesx 
keine  Ansprüche  gegen  die  Kimden,  die  durch  ihre  Dienst- 
boten Kredit  nehmen  lassen,  es  sei  denn,  daß  ein  Konto- 

^)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  148,  146,  150.  ^ 
^  Kr.  A«  Manchen.  GR.  Fasz.  402  Nr.  8.  —  *)  Joh.  Schmidt  a.  a.  O. 
S.  148,  144;  oben  S.  286. 

87* 


—    580    — 

buch  geführt,  schriftlicher  Erlaubnisschein  vorgelegt  wird 
oder  der  Kaufmann  sich  binnen  24  Stunden  bei  dem 
Dienstherm  erkundigt. 

Das  Borgen  auf  der  Herrschaft  Namfen  ist  es  auch, 
bei  dessen  Regelung  das  hessische  Straf  recht  die  nacli- 
ste   Umbildung  erfuhr.    Das  „Ausnehmen"   von  Waren 
auf  Rechnung  der  Herrschaft  ohne  deren  Geheiß   und 
Erlaubnis  war  1736  und  1752  mit  Strafe  belegt.    Ks  ist 
bezeichnend  für  den  schon  angedeuteten,  weiterhin  ein- 
geschlagenen Weg    der    hessischen  Gesetzgebung,    daß 
durch  die  Verordnung  vom"  16.   September   1785*^)    die 
harte  strafrechtliche  Regeltmg  teilweise  durch  eine  bloß 
zivilrec'htliche  Ersatzleistung  abgeschafft  wurde.  Die  Herr- 
schaft braucht  für  das  von  Dienstboten  Erborgte  dann 
nicht  aufzukominen,  wenn  sie  nicht  davon  benachrichtigt 
ist  imd  schriftliche  Bewilligung  gegeben  hat.    Damit  ist 
in  Hessen  die  letzte  Stufe  auf  deml  Wege  zur  Vernichtung 
der  muntschaftlichen  Stellvertretung  erreicht.   Vom  klei- 
nen Kaiserrecht  bis  hierher  —  es  ist  ein  Weg,  der  wie  kaum 
ein  anderer  die  Spuren  der  Rechtsgeischichte  weisen  kann ; 
hier  genügt  es,  auf  das  an  früheren  Stellen  des  öfteren 
dazu  Gesagte  Bezug  zu  nehmten*). 

1785  wurde  in  Hessen  die  erste  Bresche  in  die  un- 
mlenschliche  Verordnung  von  1752  gelegt.  Das  ganze 
wurde  1797  »)  endgültig  abgeschafft.  Die  Regiejnmg  lehnte, 
wie  bekannt  *),  die  Übemahimte  der  Strafordnung  von  1752 

4 

ab,  imd  kehrte,  von  der  1765  geschaffenen  halberstädter 
Gesindeordnimg  beeinflußt,  zu  den  alten  Gedanken  des 
hessischen  Gesinderechts  ziurück,  wie  sie  1736  aufge- 
zeichnet worden  waren.  Die  Strafen  beimi  Hausdiebstahl 
süid  die  gleichen  wie  damals*),  Gefängnis,  beim  ersten 
Rückfalle  Turm  oder  (in  Cassel)  Zuchthaus,  beim  zweiten 
öffentliche  Arbeit,  oder  nachBefinden,  falls  der  Wert 

»)  LO.  VI  S.  1215;  oben  S,  87  ff.,  286.  —  «)  Oben  S.  87  ff.,  286  f. 
—  •)  LO.  Vn  S.  727.  —  *)  Oben  S.  97.  -  »)  §  13. 


—    581     — 

des  G^ohlenen  10  Th.  übersteigt,  Straagr;  auch  in  der 
Bestrafung  der  heinn  Diebstahl  beteiligten  drittein  Per- 
sonen ist  kbine  Änderung  eingieltlreten.   Die  GesindeoiS- 
nung^  von  1797  *)  erneuert  in  ganz  m&lder  Form"  den  1752 
kreierten  Gedanken,  glegien  das  Nasc'h^  der  Dienstboten 
besonders  vorTmgehen.    In  verständnisvoller  Würdigting 
des  Lebens  der  Di^enstbotetn  sieht  siei  von  einer  Bestrafung 
überhaupt  ab ;  sie  gibt  'der  Herrschaft  ntu:  das  Recht,  den 
Dienstbolten,  „wienn  er  sich  dturch'  zweymialigei  Warnung 
nicht  hat  abischreüken  lassen,  ohne  Abschied^  und  insofern 
es  MannsTßersonen  sind,  mit  ZiuiiCkbehaltung  der  ganzien 
LivTÖe  fortzusdiickien**.  Unter  Weglassung  der  spezifisch 
agrarischen  Delikte  (urie  Nichtaussäen  dtls  Samlens)  droht 
§  15  einei  besondere  Strafe*,  näinlidh  ^wei  Jahre  Zucht- 
oder Spinnhaus,  delmi  Einkiaufsbetmg,  sowteit  er  unter  5 
Thaler   Wert  bleibt;  geht  er  'darüber  hinaus^,  dann  ist 
der  Fall  detnl  (ordentlichen)  Kriminalgericht  zu  übelrgebeiL 
Das  Borgen  auf  der  Herrsühlaft  Naimleln  ist  tmter  Über- 
nahme der  Verordnung  von  1785  gteregelt*). 

Neu  ist:  1797  diel  Ktmdbarmjach'ung  der  Strafen,  die 
in,  §  16  angeordnet  ist:  „Dam&t  a,ber  die  hier  angedrohten 
Zucht-  lund  Spinnhaussltrafen  desto  sicherer  zu  Jedetrmanns 
Wissenschaft  gelangten  mlögen,  di6  Heirrschaften  daher 
vor  der  Annah!m!e  solcher  untreuen  Dienstboten  sich  ge- 
hörig in  Acht  nehmten  können,  und  das  Gesinde  selbst 
um  so  mehr  ewnimtert:  werden  mögpei,  die  s<:h'uldige  Treue 
auf  keine  Weise  ta  Verleftzen,  indelml  es  sichter  vorauissieht, 
<laß  seine  entdeckten  Betrügereyen  nicht  blos  wenig'en 
Leuten,  sondern  dem'  ganzen  Publidum-  bekannt  i;^rden, 
und  also  sich  selbst  der  Gelegenheit  berauben  würde,  bey 
einer  andern  Herrschaft  wiedieir  armikomlmen;  so  yerord- 
nen  Wir  femer,  dass  der  diebisch^  Dienstbolie  atissler  jenen 
Strafen  auch  noch  an  den  Schandpfahl  angestlellt,  und 
durch  die  Strassjen  heitunigeführt  werdein  solle." 

*)  Vgl.  auch  oben  a  676  f.  —  •)  §  17. 


—    582    — 

Es  ist  nur  wenig,  was  die  Gesindeordnting  fürs  plaCte 
Land  von  1801  ^)  von  ihrer  städtischen  Vorgängerin  trennt« 
Sie  straft  den  Hausdiebstahl  und  all  die  nun  natürlicb 
angeführten  agrarischen  Vergehen  (Futterentziehen,   Sa- 
nnen unterschlagen,  Fremden  arbeiten)  nach  dem  gleichen 
System  wie  jene.   Die  Strafen  auf  Betrug  beim  Einkauf 
sind  individualisiert.  Auf  den  ersten  Entdedkungsfall  stellt 
willkürliche   Strafe,  wenn  das  Objekt  unter  5  Thalem 
bleibt.    Ist  es  miehr  wert,  oder  handelt  es  sich  um  6en 
rweiten  Entdedcungsfall,  dann  komimt  der  Täter  auf  zwei 
Jahre  ins  Zucht-  oder  Spinnhaus.  Ausstellung  am  Schand- 
pfahl tmd  Herumführen  durch  die  Straßen  sind  beibe- 
halten. Naschen  sowie  Borgen  auf  der  Herrschaft  Namen 
werden  nicht  viel  anders  behandelt,  als  es  1797  geschah ; 
1801  wird  auch  das  Verschenken  von  Eßwaren  unterm 
„Naschen"  behandelt,  während  1797  der  Fall  noch  nicht 
berücksichtigt  wurde.  Die  Behandlung  der  Anstifter  und 
Hehler  ist  dieselbe  wie  1797. 

In  Sayn-Wittgenstein  schuf  die  Polizeiord- 
nung von  1776^)  ein  verhältnismäßig  mildes  Strafredit 
in  der  Art,  daß  auf  Gesindediebstählen  in  der  Regel  Ge- 
fängnis oder  Schubkarren,  Triller,  Halseisen  standen,  wäh- 
rend der  Diebstahl  von  Eßwaren  imd  Futtermitteln  mii- 
Uer  geahndet  wurde.  Die  Diebesgenossen  traf  gleiche 
Strafe.  Für  jeden  veruntreuten  Pfennig  diufte  die  Herr- 
schaft dem  Gesinde  einen  Groschen  am  Lohne  abziehen, 
aber  nicht  für  sich  behalten ;  sondern  sie  mußte  das  Geld 
der  Polizei  abliefern.  Die  ravensberger  Gesindeord- 
nung von  1766»)  bestraft  imtreue  Dienstboten  und  ihre 
Helfer  als  Diebe  mit  Halseisen  und  Zuchthaus. 

Nach  der  clevischen  Gesindeordnung  von  1753*) 
werden  Betrügereien  mit  Halseisen,  Gefängnis  „und  so 

«)  LO.  Vm  S.  26,  —  •)  Univ..Bibl.  Marburg,  -  •)  Ravensberger 
Blätter  mr  Geschichts-,  Volks-  und  Heimatskunde  1909  S.  62.  — 
*)  Scotti,  Cleve  &  1462. 


—    583    — 

weiter**  bestraft;  so  wenn  bemii  Einkiatif  M  viel  berechnet, 
weniger    Maß  und  Gewicht  gebracht  wird^),  wenn  diel 
Dienstboten    sonstwie    mit   Krämern,    Höckern,  Wirten 
Durchstechereien  machen.    Außerdem  wird  den  Dienst« 
boten  für  jeden  der  Herrschaft  entzogenen  Deut*)  ein 
Stüber  vom  Lohne  abgezogen.  Die  von  Strafe  absehende 
Regelung  des  Einkaufsbetrugs  wurde  an  früherer  Stelle  >) 
erwähnt.   Fast  gleich,  um  das  agrarische  Delikt  des  Fut- 
terdiebstahls (in  §  16}  vermehrt,  ist  auch  das  Straf  recht 
in  der  clevischen  Gesindeordnung  fürs  Land  von  1769  *) ; 
hier  wird  außerdem'  noch  auf  einige  Edikte  vom  9.  Ja- 
nuar tind  29.  Oktober  1769  verwiesen*).  Ami  11.  August 
1771  brachte  Cleve  ein  Edikt  gegen  die  Veruntreuung  des 
den  Postillonen  und  Dienstknechten  anvertrauten  Futters*)» 
Aus   Süddeutschland  ist  zunächst  Würzburgs  zu 
gedenken,  dessen  1748  entstandene  Gesindeordnung')  in 
§  12  einen  besonderen  Untreuefall  erwähnt,  das  Behalten 
des  für  Einkäufe  mitgegebenen  sogenannten  Kesselgeldes ; 
die  Herrschaft  darf  dem  Dienstboten  dafür  Lohnabzug 
machen,  und  außerdem  bekommt  der  ungetreue  Diener 
nach  der  Zahl  der  Rückfälle  gestaffelte  Freiheitsstrafe« 
Ein  ähnliches  Delikt  fand  ami  29.  Februar  1762  seine 
Regeliuig  ^).  Es  hatte  sich  herausgestellt,  daß  das  Fleisch 
von  einigen  Metzgern  nicht  ordentlich  ausgewogen  ver- 
kauft wird,  und  daß  dies  daran  liegt,  daß  die  Zuwag- 
beine  fehlen.    Es  ist  möglich,  daß  die  Dienstboten  diei 
Zuwag  imterwegs  hinwegschaffen  oder  in  den  Fleischer- 
bänken zurücklassen.   Das  wird  ihnen  fürs  künftige  bei 
Freiheitsstrafe    verboten;    die  Herrschaften    sollen    ent- 
deckte Mängel  der  Obrigkeit  anzeigen.  Vom'  allgemeinen 
Zug  des  damaligen  Gesindestrafrechts  ist  Würzburg  nicht 
berührt  worden. 

')  Oben  S.  285f.  -  *)  Kleine  MOnze.  -  «)  Oben  S.  285,  286« 
-  *)  Scott!  &  1894.  -  •)  §  66.  -  •)  Scott!  S.  1966.  -  0  Landes- 
verordnungen Würzburg  II  S.  689.  -  •)  Ebenda  S.  772. 


-     584     - 

Die  ans  bat  her  Gesiadeordatmg  von  1769^)  ver- 
bietet, einem  Dienstbotein  ohhe  Vorwisseü  der  Herrschaft 
etwas  für  diese  ta  borgen;  wer  eis  gleichwohl  tut,  Verliert 
seinen  Anspruch,  es  sei  denn,  daß  die)  Herrschaft  ein 
Kundenbüchlein  bei  dem'  borgendem  Kaufmann  führt.  Et- 
was von  Dienstboten  ohne  Zustimimtmg  der  Herrschaft  zu 
kaufen,  ist  untersagt.  Der  Gesindedieibstahl  wird  als  or- 
dentlicher Diebstahl  angesehein  tmd  gestraft;  Helfer  und 
Hehler  gelten  den  Dieben  gleich. 

Fälle  von  Gesindeuntreue,  die  zur  Peinlichkeit  quali- 
fiziert sind,  .vierweist  das  österreit^hischei  Recht  der 
Gesindeordntmgen  von  1765*)  und  1784')  vor  den  pein- 
lichen Richter.  Bloße  Polizeistrafe  ist  zulässig  in  den 
Fällen,  wo  der  Wert  des  Gestohlenen  einen  Gulden  nicht 
übersteigt  *). 


»)  Kr.  A.  Nürnberg^S.  28  V  Nn  779  Repert  288;  oben  S.  286. 
—  •)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  —  •)  Dorn  S.  240.  — 
^)  Wieweit  der  Gang  der  gesindestrafrechtlichen  Entwicklung  des 
18.  Jhdts.  durch  die  gleichzeitige  Kriminalwissenschaft  beeinflusst 
worden  ist,  sei  dahingestellt.  Beccaria  wurde  rasch  in  Deutschland 
bekannt;  die  erste  italienische  Ausgabe  erschien  1764  (K,  von  Zahn, 
Karl  Ferdinand  Hommel  S.  22),  1766  und  1767  folgten  deutsche  Ober- 
setzungen (Beccaria  ed.  Hommel  S.  XII;  von  Zahn  a.  a.  O.  S»  80). 
Vielleicht  geht  die  Milderung  der  Strafen,  wie  sie  nach  den  strengen 
Gesetzen  aus  der  Mitte  des  Jhdts.  einsetzte,  auf  Beccarias  Kampf 
wider  grausame  und  zwecklose  Strafen,  vornehmlich  die  Todesstrafe 
(Beccaria  a.  a.  O.  S.  186 ff.),  zurOck.  Hommel  seinerseits  hat  viel- 
leicht weniger  dazu  beigetragen,  die  Gesetzgebung  wider  die  Gesinde- 
delikte milder  zu  gestalten.  Zwar  will  er  den  Hausdiebstahl  als  An- 
tragsdelikt behandelt  wissen  (Beccaria,  EinK  S«  VI).  Aber  die  von 
Hommel  durchgeführte  strenge  und  sehr  vernQnftige  Scheidung  von 
Polizei-  und  Kriminalstrafen  (Beccaria,  Einl  S.  XXXIV  f.)  musste  einer 
milderen  Betrachtung  einzelner  Gesindedelikte  etwa  im  Zusammen- 
hange einfacher  Polizeivergehen  —  wie  es  in  früherer  Zeit  möglich 
war  —  hinderlich  sein.  Denn  alle  tatsächlichen  Unredlichkeiten 
unterschieden  sich  doch  zu  offenbar  von  dem  Hommelschen  Begriffe 
des  Polizeidelikts;  „Unverständigkeiten  und  Fahrlässigkeit,  nicht 
Sünden,  nicht  Verbrechen"  hat  die  Polizei  zu  ahnden  (Beccaria,  EinL 


-     585    — 

Vom  Recht  des  frühen  19.  Jhdfe.  soll  nur  Weniges 
aus  einigen  Territorien  angeführt  weirden.  Die:  große  Ge- 
siiideordnung  für  die  Stadt  Düsseldorf  von  1809^) 
gesteht  der  Herrschaft  das  Recht  ru,  den  Dienstboten  bei 
unbeträchtlichen  Veruntreuungen  zu  entlassen.  Ist  die  Un- 
treue bedeutend  oder  handelt  es  sich  gar  u!ml  Hatisdieb- 
stahl,  dann  mtiß  die  Herrschaft  dies  unter  eigeiner  Ver- 
antwortung bei  der  Justizbehörde  anzeigsejn.  Später,  am 
16.  Februar  1814  *),  ergeht  die  Bestimtaung,  daß  die  Hau»- 
diebstähle  in  thesi  zwar  den  Charakter  als  Kriminalver- 
brechen behalten  sollen,  es  aber  (imi  Gegensatz  ziun  fran- 
zösischen Recht)  dem'  Richter  gestattet  ist,  bei  mildernden 
Umstäniden  auf  eine  korrektionelle  Strafe  zai  erkennen, 
die  aber  nie  unter  sechs  Monaten  sein  darf. 

Des  örtlichen  Zusiamimenhanges  wegsein  sei  weiter  ein 
Ausschreiben  des  clevischen  Obeirbergamtes  vom  2. 
Juli  1816')  hier  angeführt,  das  eine  besondere  Art  von 
Betrügerei  treffen  will.  Es  waren  Beschwerden  eingelau- 
fen, Idaß  Knechte  ihre  Herrschaften  bei  der  Steinkohlen- 
anfuhr zti  betrügen  versüchtrai,  indem'  siei  Erhöhung  der 
Preise  vorgeben,  oder  auf  eine  andere  Grube  fahren,  wo 
die  Kohlen  dann  billiger  imd  schlechter  sdnd.  Die  Söhicht- 
meister  werden  daher  ernstlich  angewiesen,  jedetm  Fuhr- 
mann ohne  Ausnahme  den  üblichen  Ladeschein  ta  er- 
teilen, auf  deml  außer  dem  geladenen  Quantum  audh  der 
Name  der  Grube  und  der  Preis  genannt  sind. 

Aus  dem'  Jahre  1816  stammt  auch  die  hessen- 
fuldische  Gesindeordnimg*).  Zwischen  1801,  dem 
Jahre  der  großen  iallgelmlein-heissischen  Geisindeordnung, 
und  1816  liegt  der  Beginn  einer  neuen  Zeit.    Es  gibt 

S.  XXXV,  XXXIX  f.).  VgL  im  allgemeinen  die  oben  genannte  sorg- 
^tige  Studie  Karl  von  Zahns  Ober  Hommel,  Beccaria,  und  die 
praktischen  Erfolge  ihr  Theorie. 

*)  Scott!,  Jülich  S.  1262»  —  ")  Ebenda  &  1660.  -  »)  Scotti, 
Cleve  S.  2946.  —  *)  Möller-Fuchs  S.  118. 


—    686    — 

keine  Todesstrafe  nüehr  für  den  bloßen  Gesindediebsiahl; 
das  erste  Mal  Gefängnis,  das  zweite  Mal  Zuchthaus  - 
weitere  Rückfälle  sind  gar  nicht  genannt.  Und  auch  eine 
Summe,  wonach  die  Strafe  sich  belrechneai  soll,  ist  an 
dieser  Stelle  nicht  miehr  zu  finden.  Anstifter  und  Hehler 
sind  auch  1816  nach  Befinden  mit  strengerer  Stiafe  zu 
behandeln  als  der  Täter.  Naschende  Dienstboten  können 
fortgeschickt  werden,  mit  allen  Nebeinbestimmungen  wie 
1797  imd  1801.  Eine  Neuerung  ist,  daß  der  wiederiwK 
beim  Naschen  betretene  Dienstbote  24  Stunden  ins  Ge- 
fängnis komoien  soll.  Einkaufsbetrug  hat  künftig  schwere 
Gefängnisstrafe,  nadh  Befinden  auch  Zuchthaus  nach  sich; 
handelt  es  sich  um'  einen  Wert  von  mehr  als  neun  Gulden, 
dann  geht  der  Fall  an  die  peinliche  Gerichtsbehörde.  Der 
Schandpfahl  ist  ersetzt  durch  die  Publizierung  der  Be- 
strafung im:  Provinzial-Wochenblatt. 

Fürs  19.  Jhdt.  mag  dann  noch  für  Süddeutschland 
ein  Ausschreiben  der  kurfürstlichen  Landesdirektion  Neu- 
bürg  vom'  10.  Januar  1803^)  genannt  sein.  Schlosser- 
meistern und  ihren  Gesellen  droht  es  Strafe  für  den  Fall, 
daß  sie  an  Dienstboten  oder  „nicht  genug  ver- 
traute Personen"  Schlüssel  nach  Abdrücken  fertigen;  <Bes 
wurde  schon  in  den  Handwerksartikeln  und  dem'  vater- 
ländischen Gesetzbuch  angeordnet,  aber  nicht  genügend 
beachtet.  Die  badische  Gesindeordnung  von  1809*) 
begnügt  sich  mit  einer  Verweisung  des  untreuen  Gesindes 
an  den  peinhchen  Richter,  je  nach  Beschaffenheit  des 
Falles  ®). 

Die  Schriftsteller,  die  das  ostdeutsche  Gesinde- 
recht behandelt  haben,  schweigen  fast  ganz  über  die  ältere 
Entwicklung  des  Deliktrechts.  Nur  eine  Mitteilung  über 
Kursachsen*)  läßt  sich  hier  verwerten,  wonach  ^ 

')  Döilingers  Gesetzsammlung  XIII  p.  TL  S.  1848.  -  *)  ^J^ 
Karlsruhe.  Provinz  Niederrheia  Gesindepolizei  Lit  B.  Nn  1-  ^^ 
bis  1809  (IV  2).  —  «)  §  80.  —  *)  Wuttke  S.  166. 


—    687    — 

bis  zunt  16.  Jhdt.  die  Ansicht  herrschte,  daß  der  Haxis- 
diebstahl  milder  zu  bestrafen  sei  als  andere  Diebstähle; 
1572  freilich  wurde  der  Unterschied  beseitigt.  Die  Ge- 
sindeordnmigsen  von  1735  und  1769  ^)  straften  Dienstboten, 
die  auf  einmal  oder  nach  und  nach  mehr  als  12V2  Thaler 
Wert  gestohlen  haben,  mit  dem  Strang.  Einkaiifsbetrug 
sollte  nur  mit  zwei  Tagen  Gefängnis,  das  zweitemal  aber 
schon  mit  dem  Pranger,  das  drittemal  mit  Zuchthaus  ge- 
straft werden.  Hehler  und  Helfer  sind  den  Dieben 
gleich  •). 

£inem:  Irrtum  sei  2um  Schlüsse  dieses  Abschnittes 
noch    vorgebeugt.      Es    sollte    hier    prinzipiell    nur    die 
gesetzliche    Regelimg    behandelt    werden,    welche    die 
Pflicht   des  Gesindes  zu  ehrlichemi  Verhalten  im  Laufe 
der  Zeit  erlebt  hat.   Auf  unehrliches  Verhalten  standen 
damials  wie  heute  Strafen.  Man  kann  hier  also  von  „Ge- 
sindestrafrecht", wenigstens  im  engeren  Sinne,  reden.  Aber 
die  Strafen  auf  UnehrUchkeit  sind,  wie  sich' aus  dem  in 
den  früheren  Abschnitten  Mitgeteilten  schon  zur  Genüge 
ergibt^  und  wie  die  späteren  Kapitel  noch  offenbarer  zeigen 
werden,  bei  weitem  nicht  die  einzigen,  die  das  Gesinderecht 
kennt.  Man  könnte  ohne  große  Übertreibung  sagen :  Fast 
überall,  wo  eine  Pflicht  des  Gesindes  statuiert  ist,  ist  auch 
eine  Strafe  zi^  finden,  mag  das  Verlangte  auch  noch  so 
ferne  von  dem  sein,  was  wir  von  heute  etwa  als  „kriminell** 
ansehen.    Kaiun  auf  einem  andern  Rechtsgebiete  nimmt 
das  Sonder  straf  recht  einen  so  großen  Raum'  im  Rechts- 
system ein  wie  gerade  beim  Gesinderecht. 


^)  Codex  Augusteus  1.  Forts«  1.  Bd.  Sp.  624  ff,,  bes.  684,  685 ; 
^.  967  ft,  bes.  980.  —  «)  Über  das  strenge  Strafrecht  in  Flandern 
siehe  Behaegel,  Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du 
comit6  central  du  travail  industriel  1905  S.  656,  657,  662,  668).  Über 
Prankreich  de  Ryckere,  La  servante  criminelle  S.  55 tt,  60. 


-    588    — 

S  8.    PflUchten  der  Herrschaft. 
1.  Die  LohnzaMimg. 

„Verdienter  Lohn  schreit  zu  Gott",  sa^  das  Sprich- 
wort*); „sieht,  der  Arbeiter  Lohn,  die  euer  Land  eangtr 
erntet  hkben,  der  von  etiCh  abgebrochen  ist,  der  schreiet, 
tind  das  Rufen  der  Emter  iäi  gekomlmen  vor  die  Ohren  des 
Herrn  Zebaoth",  heißt  es  in  der  Bibel  (Jak.  5,  4).  In 
dem'  ehrlichen  Recht  deis  Mittelalters*  findet  dieste  Auf- 
fassting  Von  der  Unvörletzlichkeit  deis  Lohnanspruchs  der 
niederen  Arbeite!r  häufigen  und  gründlichen  Ausdruck; 
später  sollte  es  anders  wetden.  Auf  die  verschiedenste 
Weise  wurde  so  aiicb'  delral  Geisinde  sein  Recht  geschützt: 
durch  Strafen  wider  die  Herrschaft,  die  sich  umi  Lohn 
verklagen  läßt,  durch!  Vorschriften  über  die  Zahlungs- 
zeit des  Lohnes,  diurch  ein  bieivorrugtes  Pfandrecht  tmd 
durch  besondere  Beweisregeln.  Diese  besonderein  Arten 
der  Regelung  finden  wieder  vorbildlichle  Ausbrüche  in 
der  Bibel;  und  auch  das  Sprichwort  stellt  das  Herrschen 
gleichen  Brauches  fest. 

„Gebbt  den  Leuten  ihren  Arbeitslohn,  ehe  ihnen 
der  Richter  densfelbfen  zweifach  zuspricht"  *) ;  dies  frie- 
sische Sprichwort  erhielt  während  des  Mittelalters  in 
anderen  Gegendem  Deutschlands  noch  stärkere  Bedeiutung 
durch  gesetzliche  Fixierung.  Ein  Rechtsbrief  für  Pas^sau 
aus  1300  ^)  ist  an  erster  Stelle  zu  nennen :  „Uf  wen  man 
chlaget  umlb  gamtz  Ion  ^),  daz  man  mit  dem  Swaeizz  ver- 


^)  S  im  rock,  Sprichwörter  S.  246;  Estor,  Deutsche  Rechts- 
gelehrsamkeit S.  206.  Vgl.  auch  Sickel,  Vertragsbruch  S.  168 ff.; 
R.  C,  Benningsen,  Vom  Pacht  und  Verpacht  der  Gflther  (Leipzig 
1771)  S.  228f.  —  «)  Wiarda,  Wirtsch.  Verhältnisse  Ostfrieslands 
S.  76;  auch  KL  Kaiserrecht  II  81.  —  •)  Alezander  Erhard,  Ge- 
schichte der  Stadt  Passau  S.  106  ff.,  bes.  108.  —  *)  Schmeller, 
W.-B.  I  Sp.  146.  Gamtz  Ion  kommt  von  arnen,  gewinnen,  Stamm 
ömten.  Diese  Bedeutung  ist  die  wahrscheinlichere.  An  einigen 
Stellen  des  Ruprechtschen  Rechtes  (II  81  ff.)  trifft  man  bisweilen  die 


—    589    — 

dient  hat,  der  sol  dem  chlagaer  zwispdl  geben,  dem  Rih- 
taer  zwey  tmd  sibenzikh  phenning".  Weiter  setzen  das 
lÄünchener  Stadtrecht*)  und  das  Rechtsbücb  Kai- 
ser Ludwigs*)  fest:  „Swaz  ain  ehialt  seins  geaxnten 
Ions  behabt  mit  dem  rechten  gen  seiner  herschaft,  des 
sol  man  den  ehalten  wem  des  selben  tags  mit  pfant  oder 
mit  Pfenning;  wer  sidh  anderstunt  darumb  laet  chla- 
gen,  der  fletist  (=  verleiust)  72  dn. .."  Mit  Geld  strafte 
auch  eine  dem  15.  Jhdt.  angehörende  Ordnimg  Über- 
lingens^); aber  gleicht  Strafe  muß  zahlen,  „welcher 
ainen  bedagti  imib  lidlon,  und  sich  erfund,  das  es  nit 
lidlon  waer**.  Eine  große  Anzahl  sdhweizerischer 
Weistümer*)  setzte  Geldstrafen  wider  die  Herrschaften 
fest,  die  sich  xmii  Lidlohn  verklagen  ließen.  Einen  Gul- 
den hat  nach  dem  adelsheimer  Stadtrecht  von  1527, 
neu  redigiert  1596  ^J,  der  zu  zahlen,  „welcher  .  .  .  seine 
knecht  oder  mägd  umb  den  verdienten  lohn  ohne  recht- 
messige  Ursachen  nicht  bezahlen  oder  sonsten  zu  zahlen 
verursacht  würd**. 


Form  „geordnetes"  Lohn.  Doch  entspricht  die  von  Schmeller  ange- 
nommene Erklärung  mehr  der  Bedeutung  auch  des  Wortes  Lidlohn; 
das  ist  der  Lohn,  der  bei  der  Wanderung  gezahlt  wird  (unten  S.  691), 
Vielleicht  soll  der  gamtz  Ion  der  Lohn  sein,  den  das  Gesinde  nach 
Beendigung  der  Ernte,  vor  dem  Dienstaustritte,  erhält,  jedenfalls  aber 
der  „erworbene",  gewonnene  Lohn  (vgl,  auch  bayr.  Rechtsbuch  1846 
Art  90,  mOnch.  Stadtrecht  Art«  140).  Für  die  sprachlich  mögliche 
Herleitung  von  „ordnen",  anordnen,  festsetzen  wQrde  sprechen,  dass 
ursprünglich  der  Herr  kraft  seiner  Munt  den  Lohn  einseitig  setzen 
I^onnte,  ohne  dass  das  Gesinde  eine  Entscheidung  hätte  (darüber 
unten  S.  606  ff.). 

*)  Au  er  Art.  137,  186.  —  *)  Rockinger,  mOnchener  Sitz.-Ber. 
1873  S.  899 ff.,  bes.  448.  -  »)  Grimm,  WeistOmer  V  S.  218 ff.,  bes. 
216;  die  spätere  Fassung  von  1532  (Oberrh.  Stadtrechte  II 2  S.  862  ff., 
bes.  868)  ist  verdorben  und  nur  durch  den  früheren  Wortlaut  ver- 
ständlich. —  *)  Grimm,  Weistümer  I  S.  126,  211,  281;  IV  S.  411; 
^19;  V  S.  128,  140,  160,  187,  190;  VI  S.  845.  -  »)  Oberrheinische 
Stadtrechte  I  S.  648  ff.,  bes.  675. 


—     690    — 

In  besonderer  Bedeutung  kommt  eine  verstärkte 
Lohnzahhingspflicht  in  eineml  1446  zwischen  Mitgliedem 
der  Familie  von  Boineburg  vereinbarten  Burgfrieden 
ihres  Schlosse  ^)  vor.  Da  heißt  es,  nachdem;  vorher  von 
der  gemfeinschaftlichen  Benutrung  des  Schlosses  die  Rede 
war :  „Ouch  so  sfuUen  und  wuUen  wir  eintrechtlichen  thor- 
wertere, wedhtere  und  husslute  mieden  tmd  da  sal  unsir 
eyner  deme  andern  getruwelichin  zu  helff in,  imd  wan  die 
tddt  kom!pt,  daz  man  en  er  loen  gebin  sal,  so  sulko 
und  wuUen  wir  en  er  loen  gutlichin  und  unvorzoglichin 
gebin,  ydermian  noch  siner  anzai  noch  altem  berkomineD, 
und  wilchir  ünsir  darane  sumig  wurde  im.d  sinen  teil 
loens  nicht  engebe,  deonie  adir  den  suUen  sie  ire  eselc 
alle  uff  halden,  und  emie  kein  halc^  adir  wassir  uff  imsir 
borg  füren  adir  trijbin  lassin,  adir  sich  derzu  keinerley 
gebruchin  lassin,  en  sy  dann  er  Ion  gutlich  bezalt  und 
gegebin,  adir  en  sij  darumjb  wille  gemacht,  daz  en  gnuge. 
Und  darimiib  so  slal  unsir  keyner  mit  den  obgenanten 
thorwertem,  wechtem  uns  hussluten  tzornen,  reden  adir 
sie  darumb  vordendken,  in  keyne  wise,  an  geverde".  Hier 
ist  der  besondere  Grund  für  einen  so  weit  gehenden  Schutz 
des  Lohnanspruches  wohl  nur  der,  daß  die  Herren  von 
Boineburg,  die  das  Gesinde  für  gemieinsame  Rechnung 
mieteten,  nicht  für  die  den  einzelnen  säumigen  Lohn- 
schuldner treffenden  Schuldposten  solidarisch  einstehen 
wollten.  Das  Interesse  des  Gesindes  allein  oder  auch 
nur  hauptsächlich  hat  kaum!  veranlaßt,  daß  der  Burg- 
f  riedensvertrag  mit  einer  so  weitgehenden  Bestimmung  be- 
lastet wurde. 

Die  Zahlungszeit  als  Veranlassung  der  Zahlungs- 
pflicht  wird  nach  Tagen  oder  nach  längeren  Zeiträumen 
festgesetzt.  Vornehmlich  für  den  Tagelohn  gelten  die 
Stellen  der  Bibel :  „Du  sollst  dem-  Dürftigen  und  Armen 


^)  St  A.  Marburg.    Boineburgsches  Archiv. 


—    591     — 

seinen  Loh!n  nicbt  vorenthalten ;  er  sei  von  deinen  Brüdern 
oder  Fremdlingen,  die  in  deinem  Lande  und  in  diesen 
Toren  sind;  sondern  sollst  ih!ml  seinen  Lohn  deis  Tages 
geben,  daß  die  Sonne  nicht  darüber  untergehe; 
denn  er  ist  dürftig  imd  erhält  seine  Seele  damit,  auf  daß 
er  nicht  wider  dich  den  Herrn  anrufe,  imd  sei  dir  Sünde."  ^) 
Darin  ist  zugleich  enthalten,  daß  der  Lohn  eirsft  am)  Abend 
nach  der  Arbeit  gezahlt  werden  soll.  Demi  ientspricht 
die  Bedeutung  des  deutschen  Wortes  „Lid lohn":  Es 
ist  der  Lohn,  der  nach  Beendigiuig  einer  Arbeit  ausr 
gezahlt  wird,  wenn  der  Arbeiter  aus  seiner  Stellung  ent- 
lassen wird  (lid  =  Wanderung)*). 

Im  alten  deutschen  Rechte  kommt  dieser  Gedanke 
oft  zum'  Ausdrucke.  Das  münchener  Stadtrecht')  be»- 
stimmt:  ,,Swaz  ain  ehalt  seins  gearnten  Ions  behalt  mit 
dem  rechten  gen  seiner  herschaft,  das  sol  man  den  ehalten 
wem  des  selben  tags  .  .  .'\  Besonders  häufig  findet  sich 
der  Grundsatz  im!  Recbt  Hessens  und  seiner  Nach- 
barländer. Das  kleine  Kaiserrecht  drückt  ihn  so 
aus*):  „Welch  knecht  einem  manne  dienet  biz  an  die 
zit,  die  er  im'  gelobet  hat,  dem  sal  man  sinen  Ion  gebeii, 
e  er  us  sins  mjeisters  htise  scheide**.  In  einer  Lohnordnung, 
Üie  1424  der  Graf  zu  Nassau  mdt  Nachbarn  verein- 
barte*), wird  den  Dienstherren  aufgegeben,  alle  Viertel- 
jahr dem'  Gesinde  den  Lohn  zu  geben:  „.  .  .  unndt  solde 
den  auch  den  Dienstbotten  alle  vierteil  Jahrs  Ihren  lohn 
nach  antzall  gütlich  geben,  Sie  wollen  denn  mit  willen 
den  lenger  anstehen  lassen  .  .  .**.  Eine  besondere  Deut- 
lichkeit in  der  Begründtmg  bringt  das  Weistum*  des  nahe 


')  5.  Mos.  24,  U,  15;  femer  8.  Mos«  19,  18;  im  Gleichnis  vom 
Weinbei^  Iflsst  der  Herr  den  Knechten  den  Lohn  a  m  A  b  e  n  d  durch  den 
Schaflfoer  auszahlen  (Matth.  20,  8 ff,).  —  •)  Grimm,  Wörterbuch  VI 
Sp.  994.  —  •)  Auer  S-  64  (Art  187).  —  *)  Oben  S.  17.  -  »)  Gaul, 
Verhältnisse  des  Bauernstandes  im  Fürstentum  Solms  -  Braunfels 
S.  127ff.,  bes.  181. 


—    592    — 

der  hessischen  Grenze  liegenden  schaumb^urgischen  Ortes 
V  e  h  1  e  n  *) :  „Wenner  dat  einer  einen  knecht  oder  maget 
hedde  und  oh!m!e  tmelich  diemde,  also  dat  men  ohnen 
keine  s^Aitilde  geven  konde,  wo  lange  sie  obres  verdienen- 
den lohns  missen  schplden?  So  lange  men  ethen  und 
drinken  entrathen  kan*'.  Auch  zwei  mit  Hessen  noch  näher 
in  Beziehung  stehende  Weistümier  bringen  den  Gnmdsatx 
fürs  Gesinderecht.  Das  Weistura  von  Kaltensund- 
heim*)  verpfhchtet  1447  den  Dienstherm,  den  Dienst- 
lohn ru  zahlen  „bey  scheynender  sonne".  In  einem!  hep- 
penheimer Weistum  von  1497*)  heißt  es:  „Was  lied- 
lohn antrifft,  soll,  so  der  bekantlich  verdient  ist,  von 
zeit  der  clage  bisz  zum'  32.  (var. :  3.)  Sonnenschein  tisz- 
gericht  und  bezahlt  werden".  In  Marburg  urteilten  die 
Schöffen  1522  so*):  „Zwischen  der  Westvelingerin  und 
irer  magt  nach  verhör,  clage  und  antwtut  erkennt  der 
scheff :  dweil  das  mfetgen  ein  jar  bei  ir  gfewest,  sol  sie 
ime  bei  sonschein  zaln  .  .  .".  Von  einem  Ave  Maria  bis 
zum  andern  muß  nach  den  Rechtsgebräuchen  der  Stadt 
Bot  war  in  Württemberg  von  1552^)  der  Lidlohn  ge- 
zahlt sein. 

Auf  andere  Weise  verfügt  das  Recht  des  Billwär- 
ders®)  eine  Beschleunigung  der  Lohnzahlung  im  Ver- 
gleich zu  anderen  Forderungen :  „Unmie  alle  schulde  de 
me  eneme  tolecht  an  gherichte,  dar  mach  he  de  tucht 
unune  hebben  beth  tome  negesten  richte,  uthgenomen 
vordenet  1  oe  n,  tegheden,  herenschat,  gaerspise  unde  hure, 


*)  Grimm,  Weistümer  III  S.  815.  —  •)Oben  S.22flf.  —  •)  Grimm, 
Weistümer  V  S.  631.  —  *)  Abgedruckt  in  modemer  Orthographie 
bei  Stolz  ei,  Gel.  Richtertum  II  S.  76;  hier  nach  dem  Original,  dem 
marburger  Gerichtsbuche  von  1622  Bi.  11,  15  im  St  A.  Marburg.  - 
•)  Reyscher,  Statutarrechte  S.  484flf.,  bes.  488. —  •)  Lappenberg 
I  S.  321  ff.;  tucht  =  Verzug;  tegheden  =  Zehnten;  herenschat  = 
Abgabe  an  die  Herrschaft;  gaerspise  s  fertig  bereitete  Kost;  hure 
=  Miete;  Schiller-Lübben  IV  S.  626,  518,  II  S.  248,  12,  336. 


—    593    — 

dar  schal  he  van  staden  an  to  antwerden,  unde  we  des 
vorwunnen  werd,  de  schal  den  bynnen  achte  dachen  be- 
talen."  Also  nur  der  Lohn  und  die  paar  wenigen  weiter 
genannten  Forderungen  sollen  an  dem  Privileg  teilhiaben  *). 
Das  ältere  Recht  gab  dem'  Gesinde  weiter  einen  be- 
vorzugten Anspruch  auf  Pfandbestellung  seitens  der  mit 
dem  Lohne  rückhaltenden  Herrschaft^).  So  heißt  es  in 
einem  Weistume  von  Haßlocih  aus  1492*):  will  die 
Herrschaft  den  Dienstboten  keinen  Lohn  geben,  „so  soll 
in  der  amjbtman  pfand  geben  und  soll  kommen  der  ihr 
beclagen.  Die  pfand  soll  er  behalten  also  lang,  biss  er 
ungessen  mag  gesein".  Gibt  der  Herr  das  Pfand  nicht 
freiwillig^,  dann  verfällt  er  noc^h  in  eine  besondere  Geld- 
strafe. Ebenso  ist  die  Anordnung  in  den  Rechtsgebräu- 
chen der  Stadt  Bot  war  von  1552*).  Auch  in  Amior- 
bach  mtiß  ein  ähnliches  Recht  bestanden  haben,  wie 
sich  aus  der  folgenden  Stelle  des  Gerichtsbuches  von 
1437*)  ergibt:  „Item  hartman  hirtz  son  clagt  von  der 
alten  wissen,  daz  er  jm'  gedingt  habe  und  solichen  lidelon 
gebe  er  jm  nit.  Und  als  er  daz  an  jn  fordert,  do  gebe 
er  jm  eyn  phant.  Darnoch  do  fordert  er  aber  an  jn  sin 
gelt,  und  sprac'h,  man  wolte  jm  off  daz  forder  sin  phant 
nicht  lijhen  oder  geben,  oder  aber  solte  ym  die  phant 
bessern  und  ander  phant  geben.  Dez  weret  er  jm  de  phant 

0  Ober  den  Tag  der  Lohnzahlung  bei  wahrendem  Dienste 
—  also  ohne  Rücksicht  auf  die  Dienstbeendigung  —  wird  nichts  be- 
stimmt. Die  loshauser  Gesinderegister  (Sl  A.  Marburg)  beispiels- 
weise ergeben,  dass  der  Lohn  ohne  Regelmassigkeit  in  Teilbeträgen 
das  Jahr  Ober  ausgezahlt  wurde.  Der  dritte  Weihnachtstag  ist  in 
Hessen  bei  den  Bauern  ein  bevorzugter  Zahltag,  besonders  auch  für 
den  Lohn  (Hessler,  Landeskunde  II  S*  8U).  In  Hann.-M  finden  war 
der  Cäcilientag  (22.  November)  Zahltag  für  das  Vogteigesinde  (Viertel- 
jahrsschr.  fc  Soz.-  u*  Wirtschaftsgesch.  I  S.  88  ff.,  bes.  87).  —  «)  Über 
das  anders  geartete  Vorzugsrecht  des  Gesindes  beim  Tode  und  im 
Konkurse  des  Herrn  unten  §  12.  —  •)  G  r  i  m  m ,  WcistOmer  V  S.  577  ff., 
bes.  680.  —  *)  Reyscher,  Statutarrechte  S.  4M&,  bes.  488.  — 
*)  Habeische  Sammlung. 

Konnecke.  33 


—    594    — 

uff  recht  und  wolte  jm  wedder  gelt  noch  phant  geben. 
Ist  jm  leider  dan  IUI  g^ulde/*  In  dem  Forstding  auf  dem 
Harze  zu  Goslar  aus  1452^)  heißt  es  s^ogar:  „Bekende 
he  (der  Herr)  der  schuld,  de  moste  he  lesten  myt  borgen 
edder  panden,  edder  moste  sulve  pand  wesen."  Nach 
der  Spitalordnimg  Ueberlingens*)  darf  die  Herr- 
schaft bei  Geldstrafe  kein  „imnutz  pfand"  geben.  Und 
in*  Stadtrechte  von  Horb*)  wird  ausnahmsweise  den 
Dienstboten  gestattet,  die  Pfandstücke  ohne  Abwarten 
gleich  zu  verwerten:  „und  die  pfand  imvertadinget  uff 
stund  verkoffen"  *). 

Eine  mit  all  diesen  Rechtssätaen  eng  verwandte 
Gruppe  von  Rechtsgebilden  soll  hier  im!  Zusammenhange 
dargestellt  werden,  bevor  zu  den  Entartungen  der  hen- 
schaftlichen  Lohnzahlungspflicht  in  der  späterem  Zeit 
übergegangen  wird.  Es  handelt  sich  um)  das  Beweis- 
recht, für  das  dem  Gesinde  bisweilen  eine  Vorzugs- 
stellung eingeräumt  wird.  Dem  um  Dienstlohh  beklagten 
Herrn  wurde  von  einigen  Rechten  der  dem)  Bddagten 

*)  Grimm,  WcistOmcr  III  S.  260  flF.,  bes.  264.  -  *)  Ebenda 
S.  213  E,  bes.  216;  Oberrhein.  Stadtrechtc  H  2  S.  862  flF.,  bes.  368.  - 
•)  Schmid,  Geschichte  der  Pfalzgrafen  von  Tübingen,  Urkundenbach 
S.  247  flF.,  bes.  262.  -  *)  Der  umgekehrte  FaU,  eine  Pfändung  des 
Gesindeeigentums  durch  Herrschaft  oder  Dritte,  wird  gelegentlich 
einmal  geregelt,  was  hier  angemerkt  sein  mag«  Im  alten  lobischen 
Rechte  wird  bestimmt  (Hach  S.  670) :  „Neen  wert  oflfte  werdinnc 
mach  crer  geste  gudt  besweren  eflfte  inwaner  vor  ein  pandt,  sonder 
se  mögen  dat  tuegen  mit  twen  beseten  borgeren,  dat  idt  en  vor  ein 
pandt  gesettet  is.  Also  is  dat  ock  umme  knecht  unde  maget,  siinder 
idt  were  also,  dat  se  idt  vor  der  tidt,  eer  se  geste  oflfte  denstbodcn 
weren  entfongen  hadden,  efte  na  der  tidt,  dat  se  van  en  gescheden 
weren/*  Hier  wird  gesagt,  dass  den  Dienstherren  ein  gesetzlkbes 
Pfandrecht  an  der  Dienstboten  Sachen  nicht  zusteht,  dass  ein  Pfand- 
recht nur  dann  rechtlich  wirksam  sein  soll,  wenn  es  ausdrücklich 
oder  ausserhalb  der  Dienstzeit  begründet  wurde.  Eine  Vorschrift  des 
miltenberger  Rechtes  von  1879  (Oberrh.  Stedtr.  I  S.  SOTfi:,  bes. 
314)  verbot  auch  die  Pfändung  von  Dienstboten  durch  Aussenstehendc 
in  gewissem  Umfange. 


—    595    - 

sonst  rustehende  Unschtildseid  versagt,  und  deml  Dienst« 
boten  g'estattet,  seine  Fordenmgr  durdh  Eid  zu  erhärten. 
Wenn  der  Sac'h'senspiegreP)  sagt:  „Versachet 
man  ou^h  in  ires  loneis  von  eime  jare  oder  von  eimie  halben, 
daz  mtuzen  si  wol  uffen  heiigen  behalden",  so  kiann  man 
eine  ^Erklärung  für  diese  Sonderbildung  darin  siehen,  daß 
es  sieh  imi  Ansprüche  handelt,  die  nach  dem*  Tode  des 
Dienstberm  vom  Dienstboten  gegen  die  Erben  geltend 
gemacht  wierden ;  der  Dienstbote  schwört  hier  über  eigene 
Wahmehmtingen,  von  denen  die  Erben  nichts  wissen 
können. 

Aber  andere  Rechte  gehen  weiter,  und  bestimmen 
Gleiches  für  die  Klage  unter  Lebenden,  so  daß  also  jene 
Erklärung  auszruscheiden  hat.  Von  dem!  freybergeir 
Recht  von  1294*)  abgesehen,  sprechen  besonders  deut- 
lich die  Statutarrechte  der  westfälischen  Stadt  Rüden 
aus  dem  Jahre  1310*):  „We  den  anderen  wyimet  in  ge- 
richte  ind  schuldiget  ene  uimlme  syn  vordende  Ion  van 
unvoryardem'  denste,  dat  Ion  mach  he  vorstan  myt  synem 
rechte,  ghegien  den  he  beschuldiget.  Simder  einwolde  he 
des  loneis  nicht  verstan  mlyt  synem  rechte,  und  wil  dan 
de  beschuldigede  dar  syn  luischult  vore  doin,  dat  he  emie 
van  denste  nicht  schuldig  ensy,  de  Unschuld  sal  he  dan 
van  emie  nemen  simder  vorder  deghedingei." 

Noch  weitere  Rechte  Niederdeutschlands  stehen  auf 
dem  Standpunkte,  daß  das  Gesinde  bei  seiner  Lohinklage 
gegen  den  Herrn  ausnahimisweise  näher  dem  Eidd  ist. 
Die  Rechte  von  Ham^burg,  Lübeck,  Bratln- 
schweig,  Celle,  Bremlen,  Oldenburg,  Stade, 
Goslar  imd  Verden*)  ordnen  in  tmgefährer  Überein- 


')  II  22.  —  «)  Hertz  5.  86.  —  »)  Seibertz,  Urkundenbuch  II 
S.69ff.,  bes.  88.  —  *)  Labeck  (Hach)  Art.  347;  Hamburg  (Lappenberg 
1  S.  Iff.)  Buch  Vra  Art  2;  Bremen  (ÖHchs  S.  116,  389,  427)  1803 
Stat  84,  1428  Stet.  40,  1438  Stat.  74;  Oldenburg  (ebenda  S.  817) 
Art.  86;  Stade   (Pufendorf,  obs.  iur.  I  app.  S.  163)  VIU  2;  Goslar 

38» 


—    596    — 

stimimting  an:  „Eyn  juwelik  mensche  de  denet,  mocht 
vor  rechte  holden  upten  hilgen  syne  manasle,  dat  is  XL 
pennynge.  Schuldiget  he  over  synen  heren  ofte  syaer 
vTouwen  iim!me  syn  Ion,  dat  scholen  se  eme  gheven  ofte 
mit  ereme  rechte  dar  vore  stan"  (so  Lübeck  Art.  347). 

Was  „mtanasle**  bedeutet,  ist  streitig*).    Schiller- 
Lübben*)  erklären  das  Wort  mit   „Mietgeld",  geben 
freilich  die  Fraglichkeit  ihrer  Interpretation  zu.   Hertz') 
nimmt  im  Anschluß  an  Maurer*)  an,  daß  manasle  mit 
Lohn  gleichbedeutend  sei.  „Esne*'  war  eine  eigene  Klasse 
Unfreier  *),  nach  Maurers  begründeter  Vermfutung  hießen 
vielleicht  jene   Unfreien  so,  die  im  Gegensatze  zu  ckn 
unbesoldeten  Knechten  einen  Mietlohn  bekamen ;  „asnen" 
„hasnen"  ist  Lohn,  Miete,  Heuer  *).  Der  Deutung  Schiller- 
Lübbens  widerspricht  schon  die  Höhe  der  angegebenen 
Summen;  vierzig  Pfennige  und  auch  die  vier  Schillinge 
des    bremer  Rechtes  würden    selbst    eine  beträchtliche 
Lohnhöhe  darstellen,  Mietgelder  von  solchem  Betrage  er- 
scheinen ganz  unwahrscheinlich.   Auch  ist  es  zwar  mög- 
lich, aber  doch  recht   femlieg»ead,    eine  Rechtslage  zu 
konstruieren,  in  der  das  Mietgeld  von  dem  Dienstboten 
eingeklagt  wird.     Es  liegen    also    keine    miaßgebenden 
Bedenken  gegen  die  Annahme  vor,  daß  manasle  mit  Lohn 
gleichbedeutend  ist. 

Die  Stelle  von  der  manasle  besagt  hiernach:  Klagt 
der  Dienstbote  den  Lohn  ein,  dann  schwört  er  bis  zum 


(Göschen  S.  79) ;  Verden  (Pufendorf  I S.  77  ff.,  bes.  116)  Stot  188  -  die 
verdener  Statuten  bringen  nur  die  Stelle  vom  Lohn,  nicht  auch  die 
über  die  manasle  — ;  Braunschweig  18.  Jhdt.  (Hänselmann  l  S.  9S., 
bes.  6)  Art.  45;  1965  (ebenda  S  10  £,  bes.  18),  Rechtsbach  der  Neu- 
stadt (ebenda  S.  21  ff,  bes.  34),  1379  (ebenda  II  S.  180  ff^  bes.  Wh 
Ende  18.  Jhdts.  (ebenda  S.  320  ff.,  bes.  338). 

^)  Verschiedene  ähnlich  lautende  Bezeichnungen  in  den  angc- 
ftlhrten  Stadtrechten  bei  Hertz  S.  85.  —  ■)  IIl  S.  64.  ^  »)  S.  86.  - 
*)  Krit  Vierteljahrsschrift  1  S.  408.  —  •)  Maurer  a.  a.  0.  - 
•)  Schiller-LQbben  I  S.  188. 


-     597     ~ 

Betrage  von  vierzig  Pfennigen.  Verlangt  er  mehr  („over"), 
dann  hat  er  —  mindestens  für  die  Zuvielforderung  — 
den  Eid  nicht,  sondern  es  bleibt  bei  der  gewöhnlichen 
Eides verteilimg;  also  der  Herr  schwört. 

Ein  Statut  Celles^)  regelt  den  Fall  des  Lohnan- 
sprudhes  in  der  Weise,  daß  dem!  Herrn  der  Beweis  mit 
Zeugen  für  die  Zahlimg  ausdrüc'klich  gestattet  wird: 
„Neynen  hasnen  ne  miach  neman  behalden,  knape  oder 
maghet,  he  ne  si  an  des  mannes  brode,  so  mach  he  vif 
Schillinge  behalden^  jene  mianne  moghe  des  vullenkomen 
mit  goden  lüden,  dat  he  eme  sin  Ion  yorgulden  hebbe.** 
Das  (nach  1416  entstandene)  verdener  Recht  läßt,  wie 
bereits  gesagt,  die  Stelle  von  der  mianasle  ganz  fort.  Da- 
für spricht  es  ähnlich  wie  das  celler  Recht  in  beson- 
derer Bestimmung*)  die  Gestattung  aus,  daß  der  Herr 
für  die  bereits  im  voraus  geleistete  Zahlung  Beweis  führt. 

Von  oberdeutschen  Rechten,  die  vom'  Beweise  der 
Lohnforderung  handeln,  ist  das  augsburger  Stadt- 
recht  zu  nennen®).  Nach  Meyer  lautet  die  in  Betracht 
kommende  Stelle :  „Clagt  iemend  hinze  dem  andern  um*be 
sein  Ion,  sprichet  danne  iener,  ern  habe  si  dannoch  niht 
verdienet,  so  sol  dirre  bereden  mit  sinen  zwein  vingern 
daz  er  dez  niht  verdient  habe.'*  Die  schlechtere  Ausgabe 
Walchs  läßt  das  entscheidende  „niht"  zum!  Schlüsse 
fort,  imd  bestätigt  den  so  völlig  entgegengesetzten  Sinn 
durch  Hinzufügung  folgender  Worte:  „.  .  .  ihn  bezeug 
denn  Jener  selb  dritte  dass  er  sein  nidht  verdient  habe". 
Nach  der  ersten  Lesart  ist  der  beklagte  Dienstherr  der 
zum  Schwüre  berechtigte;  bei  Walch  hat  umgekehrt  der 
klagende  Dienstbote  das  Sc'hwurrecht. 

Das  Eidesvorredit  des  Gesindes  bestand  doch  nicht 
unbeschränkt,  wie  die  mitgeteilten  Stellen  aus  den  ver- 
schiedenen Rechten  erkennen  lassen.  Der  Sachsenspiegel 

*)  Pufendorf,  Obs.  iun  U  app.  S.  12  flF.,  bes.  16.  —  «)  Art.  180.  — 
*)  Meyer  S.  129;  Walch,  Beytrage  IV  S.  IflF.,  bes.  885,  Nr.  886. 


—     598    — 

setzt  als   Grenze  des  Vorzugsrechtes  den   Betrag    eines 
oder  eines  halben  Jahrslohnes  fest.  Die  angeführten  rüdener 
Statuten  ^wedhfen  „van  unvoryaeden  denste**,  dessen  Ent- 
lohnung ider  Dienstbote  mit  Eid^recht  fordern  darf.   Das 
verdener  Redit  biestimtat  zum  Schlüsse  des   Art.    130: 
„Men  schall  ok  vordenet  Ion  mjanen  binnen  jähr  und  dage 
alse  me  erst  uth  deme  denste  kumpt***).    Statt  der  Zeit 
geben  die  das  monasle- Recht  enthaltenden  Stadtrechte 
die  feste  Sumime  von  vierzig  Pfennigen  oder  vier  Sdiillin- 
gen  als  Grenze  des  bevorzugten  Dienstbotenrechtes   an. 
Die  Privilegien  der  Lohnforderung  des  Gesindes  ver- 
schwanden späterhin  baW.    Kaum'  die  besonders  betonte 
Pflicht  der  Herrschaft  zur  Lohnzahlung  wird  noch  aus- 
gesprochen. Eine  neißer  Verordnung  von  1652  sei  aus- 
nahmlsweise  angeführt;  die  Liste  wäre  sonst  zu  kümmer- 
lich.   Da  heißt  es   „sehr   schön***):    „Soll  keinem   sein 
gesezter  Lohn  vorenthalten,  sondern  derselbe  jedesmabl, 
wenn  sein  Dienstjahr  aus  ist,  oder  was  er  etwa  mittler- 
dessen,  unentbehrlich  benöthigt  wäre,  richtig  ausgezahlet, 
und  wider  seinen  guten  Willen  2  oder  mehrere  Jahre 
lang  nicht  zusammengesparet  werden**.    Das  Landrecht 
des   Gerichts   Raschenberg   (zwischen  Salzburg    und 
Traunstein)  von  1671*)  bestimmt  so:  „es  soll  ain  ieder 
herr  und  frau  ire  ehehalten  mit  gelt  und  gewand,  wie  er 
ihme  verdingt  hat,  und  kainen  andern  wert  geben   und 
bezalen**.    Nach  dem'  Zusammenhange  im  raschenberger 
Rec'hte  kann  diese  Stelle  nur  die  Bedeutimg  einer  Berech- 
tigung,  nicht  einer  polizeilichen  Beschränkung  des    Ge- 
sindes Uabien.   Dies  ist  auch  die  Tendenz  noch  mtehrerer 
süddeutscher  Rechte.  In  einer  undatierten  Polizeiordnung 
für   Dinkels  buhl*)  heißt  es:    „Dienstboten  soll   der 
Lohn  nicht  geflissentlich  aufgehalten,  vielweniger  diese]- 

^)  Weitere  Beispiele  ftir  das  nicht- westliche  Deutschland  bei  Her  tz 
S.  87,  88.  -  •)  Dorn  S.  880.  — »)  Grimm,  Weistümer  VI  S.  157.  - 
*)  V.Weber,  Stetutarr echte  II  S.  1016. 


-     699     - 

ben,  ihren  Lohn  bei  dem  Dienstherm  stehen  zu  lassen» 
überredet  werden."   Das  glekfafalls  undatierte  Recht  des 

m 

Klosters  Ursberg ^)  will  gar  die  Dienstherren,  die  den 
Lohn  vorenthalten,  mit  einem  ThaJer  strafen.  In  der  1672 
für  das  brandenburgische  Franken  erlassenen  Po- 
lizeiordnimg *)  steht  die  Ermahnung  ain  die  Herrschaften, 
dem  Gesinde  rechtzeitig  den  Lohn  zu  geben  und  das 
Zeugnis  zu  erteilen,  „damüt  sie  (die  Dienstboten)  nicht 
gefährdet,  noch  an  ihrem'  Glücke  gehindert  werden**. 

Das  Gegentöl  einer  Bevorzugxmg  des  Gesindes  trat 

ein.    Aus  dem  früheren  Recht  der  Dienstboten,  zu  einer 

bestimtmten  Zeit  bezahlt  tu.  werden,  wurde  eine  Vorschrift 

an  die  Dienstherrschaften,  daß  sie  den  Lohn  erst  an  einem 

festgesetzten  Tagie  zahlen  durften.    So  bestimlmt  die 

kölner  Polizei-  und  Gesindeordnung  von  1645  ^)  in  Art.  8, 

daß  der  Lidlohh,  besonders  aber  der  in  Geld  bedungene, 

erst*)  am  Ende  des  Jahres  zu  entrichten  ist.  Das  Recht 

der    bayerischen    Gesindeordnimg    von   1652*)    ist: 

„.  .  .  solle  khein  herrschafft  verbunden  sein,  einem  Ehe^ 

halten  vor  der  jarszeit  an  seinem!  bestimbten  Lohn  etwas 

zu    bezallen,    er   sehe  aber,    das  dess  Ehehalten  grosse 

notturfften  erfordern  miechte**®). 

Die  großen  Gesindeordnimgen  des  18.  Jhdts.  ver- 
schwenden nicht  allzu  viel  Mühe  auf  die  Kodifizierung 
der  herrschaftlichen  Zahlungspflicht.  Die  hannover- 
sche Ordnung  von  1732^)  bringt  in  Art.  22  ziemlich 
am  Ende,  eine  recht  kursorische  Übersicht  der  Herren- 


*)  Ebenda  IV  S.  382.  —  «)  Corp.  Const.  Brandenb.  -  Culmb.  II  1 
S.  556  tt,  bes.  504.  -  •)  Scotti,  Köln  I  1  S.  249.  —  *)  Früher  hiess 
es:  spätestens.  —  ')  R.  A.  Mönchen.  Gen. -Samml.  Rep.  S.  9  Nr.  5. 
—  ^  Vielleicht  lässt  sich  eine  sonst  unverständliche  Bestimmung  des 
mcmminger  Rechtes  von  1896  (von  Freyberg,  Schriften  u.  Urk.V 
S.  289  ff,,  bes.  292)  in  ähnlichem  Sinne  verwenden,  dass  nämlich  dem 
Gesinde  nichts  geborgt,  also  auch  kein  Lohnvorschuss  gegeben  werden 
soll.  —  ')  Spangenberg,  Verordn.  f.  Hannover  IV  2  S.  461. 


—    600     - 

pflichten ;  da  ist  auch  vom  Lohn  die  Rede :  die  Herrschaft 
soll  den  „versprochenen  Lohn  und  Kleidung  richtig  al- 
stets  geben".  Die  Gesindeordnungen  des  übrigen  Öeutsch- 
lands  mlachen  auch  dieses  ihrem  Vorbilde  nach,  nur  daß 
die  Aufzählung  der  Pflichten  einer  christlichen  Herr- 
schaft oft  noch  dürftiger  wird  und  intoier  weiter  an  den 
Schluß  des  ganzen  gerückt  wird.  Ab  Beispiel  kann  die 
hessische  Gesindeordnung  von  1736 *)  dienen ;  zu  aller- 
letzt steht  da  ein  wenig  von  den  Obliegenheiten  der  Herr- 
schaft gegenüber  dem  Gesinde;  sie  soll  „denenselben  den 
versprochenen  Lohn  und  Kost,  auch  was  ihnen  sonst  ge- 
bühret, reichen  lassen".  Die  wenigen  nicht  allzu  wesent- 
lichen Abweichungen  der  verwandten  deutschen  Gesinde 
Ordnungen  betreffen  etwa  die  Zahlungszeit ;  der  Lohn  soll 
am  Dienstende  oder  sonst  zu  seiner  Zeit  rechtzeitig  be- 
zahlt werden;  es  soll  nichts  daran  ungebührlich  gekürzt 
werden ;  Lohnvorschüsse  werden  verboten  (Bayern  1781  *), 
Österreich  1779 ') ).  Einen  patriarchalisch-liebenswürdigen 
Bückling  vor  der  Treuherzigkeit  der  Herrschaften  macht 
die  c  1  e  V  e  r  Gesindeordnung  von  1769  *) :  „Von  guten  und 
ordentlichen  Herrschaften,  wird  vermuthet,  dass  sie 
ihrem  Gesinde  den  gehörigen  und  nothdürftigen  Unter- 
halt an  Essen  tmd  Trincken,  Lohn  und  die  etwa  ver- 
sprochene Kleidimg  geben". 

Nur  süddeutsche  Rechte  versuchen  wieder,  auch  dem 
Dienstboten  seine  Lohnforderung  zu  sichern.  So  die  ans- 
bacher  Gesindeordnimg  von  1769^).  Wenn  der  Dienst- 
bote den  Lohn  nicht  freiwillig  bei  der  Herrschaft  stehen 
läßt,  muß  er  bestimmt  alle  zwei  Jahre  ausgezahlt  werden; 
nur  einen  Sechswochenlohn  darf  sich  die  Herrschaft  der 
Sicherheit  halber  immer  zurückbehalten.  Aus  besonderen 
Gründen  ging  ein  salzburger  Konsistorialausschreiben 

0  LO.  IV  S.  410.  —  •)  Kr.  A.  München.  AR.  Fasz.  459  Nr.  209. 
•)  Kr.  A.  Manchen.  GR.  Fasz.  402  Nr.2.  -  *)  Scotti,  Cleve  3.18^. 
»)  Kr.  A.  Nürnberg.    S.  28  ^  Nr.  779  Repert.  238. 


—    601     — 

vom'  13.  Augtist  1742^)  nodh  darüber  hinaus.  Den  De- 
chanten  wird  auferlegt,  bei  ihren  Revisionen  darauf  zu 
achten,  daß  die  Geistlichen  ihren  Dienstleuten  den  Lohn 
alle  Jahre  pünktlich  gegen  Quittung  zahlen.  Lassen  die 
Dienstboten  den  Lohin  gleichwohl  auf  mehrere  Jahre  an- 
wachsen, dann  haben  sie  nicht  zu  gewärtigen,  daß  ihnen 
etwa  aus  dem'  Nachlaß  ihres  Herrn  der  Betrag  erstattet 
wird ;  "zur  Strafe  für  die  Nachlässigkeit  gehen  sie  vielmfehr 
ihres   Rechtes  verlustig. 

Der  Code  divil  muß  schließlich  als  lex  sui  generis 
genannt  werden.  Er  greift  auf  uraltes  Recht  zurück,  mo- 
delt dies  zu  gunsten  der  Dienstherrschaften  in  sein  ge- 
rades Gegenteil  unt  imd  setzt  in  Art.  1781  fest,  daß  der 
Dienstherr  bei  Lohnstreitigkeiten  immer  näher  dem  Eide 
ist:  „Le  maltre  est  cru  siu:  son  affirmation  pour  la  quo- 
tit6  des  gages,  pour  le  paiement  du  salaire  de  rann6e 
^chue  et  pour  les  ä-comptes  donn^s  pour  rann6e  cou- 
rante." 

Ein  besonderes  Mittel,  in  die  Lohnzahlung  die  ihr 
öfters  fehlende  Ordnung  zu  bringen,  kam'  im  Anfang  des 
18,  JhÜts.,  wenn  nicht  noch  früher,  auf,  die  Einrichtung 
von  Lohnbüchern  oder  doch  Lohnzetteln. 

Die  früheste  Kimde  darüber  stammt  aus  Würz- 
burg 2).  1723  stand  ein  (nicht  vorhandenes)  Projekt  einer 
Gesindeordnung  in  Beratung.  Ein  nicht  genannter  Rat 
gutachtet  zu  §  4,  „dass  ein  solches  zu  bestimmendes 
Lohnbuch  nicht  in  den  Händen  des  Dienstboten,  son- 
dern vielmehr  des  Dienstherm  zu  belassen.**  Dieser  muß 
es  strittigen  Falls  deml  Dienstboten  oder  der  Obrigkeit  vor- 
legen ;  weigert  er  sich  deissen,  dann  soll  dem'  Dienstboten 


*)  v.  Weber,  Statutarrechte  V  S.  150.  —  «)  Kr.  A.  Würzburg. 
V  2616.  —  Ob  der  nach  Sickel  S.  110  in  Östereich  während  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  eingeführte  „Arbeitsbuchzwang**  eine 
gleiche  Bedeutung  hatte»  ergibt  Sickels  kurze  Bemerkung  nicht;  wahr- 
scheinlich ist  diese  Annahme  nicht. 


—    602    — 

voller  Glaube  beigemessen  werden.  Weiter  heißt  es: 
„Denn  behaltet  der  Dienstbott  das  Dienst-Buch  in  ban- 
den, so  hat  der  Dienstherr  von  ersterem,  weilen  gleich- 
wohl unter  dieser  Klasse  (leydter)  sehr  viele  schlechte, 
undt  elendt  denckendte  Leuthe  gezählet  werden,  alles  zu 
befahren,  wo  jedoch  bey  jenen,  welche  Dieastbotten  zu 
halten  fähig  sindt,  die  Muthmiassung  einer  besseren  Ge- 
denckungs-Arth  obwaltet  ...**;  außerdem  würde  es  der 
Herrschaft  nicht  lieb  sein,  wenn  das  von  ihr  mit  dem 
Dienstboten  akkordierte  Zeugnis  „ein  Gespräch  der 
Wirthshäuser  und  Märckte"  würde.  Eine  Gesindeordnung 
kam  damak  in  Würzburg  nicht  zustande. 

Zum  Ausdruck  im  Gesetze  gelangte  der  Gedanke, 
die  Löhne  aufzuzeichnen,  in  der  Gesindeordnung  für  W  o  1- 
fenbüttel  von  1748^).  Was  für  Lohn  ausgemacht  und 
was  davon  bezahlt  ist,  soll  in  ein  Lohnbuch  eingetragen 
werden.  Weim  die  Herrschaft  kein  Lohnbuch  hält  oder 
das  Gesinde  es  abhanden  komlmen  läßt,  sollen  beide  da- 
für „angesehen"  werden.  Die  Gesindeordnung  für  Cleve 
von  1753*)  bestimmt,  daß  die  Dienstherren  den  Lohn 
geben  miüssen,  „auch  allenfalls  über  letzteres  einen  Lohn- 
zettel halten  und  darin  das  Empfangene,  wenn  ein  oder 
ander  Gesinde  solches  mit  Zufriedenheit  der  Herrschaft 
sonst  nicht  stehen  lassen  will,  quartaliter  verzeichnet 
werde".  Die  badische  Gesindeordnimg  von  1809*)  mag 
noch  genannt  sein  *).  Wenn  der  Löhn  in  längeren  Zielen 
als  monatüch  oder  vierteljährlich  ausgezahlt  wird,  muß  die 
Herrschaft  ein  „Lohnbücher*  halten,  in  dem'  auf  der  einen 
Seite  Betrag  und  Fälligkeitstag  des  Lohnes  stehen,  auf 
der  gegenüberliegenden  Seite  die  faktisch  erfolgten  Zah- 
lungen eingetragen  werden.   Kann  der  Dienstbote  bewei- 


*)  Archiv  WolfenbOttel  Nr.  7097.  —  «)  Scott i,  Cleve  S.  146i 
—  •)  L.  A.  Karbruhe.  Provinz  Niederrhein,  Gesindepolizei  Lit.  B. 
Nr.  1.  1766-1809  (IV  2). —  *)  Weitere  Beispiele  bei  Dorn  S.  374 ff., 
Lennhoff  S.  86. 


—    603    — 

sen,  daß  der  Dienstherr  ihm  das  Lohnbüdhel  verweigert 
hat,  dann  verliert  der  Dienstherr  die  ihmi  nach  §  1781 
des  Code  Napoleon  zustehende  Glaubwürdigkeit^). 

Die  Lohhzahlungspflicht  wurde  fast  nie  dahin  ausge- 
dehnt, daß  der  Herrsc^haft  Rückhaltungen  am  Lohne 
aus  irgiend  welchiem(  Rechts^rnmde  verboten  wurden.  Der 
Satz  «des  Kaiser recfhts*),  in  dem!  die  durch  Nichtauszah- 
lung  !des  Lohnes  versuchte  Geltendmachung  eines  Ersatz- 
anspruclhs  gegen  das  Gesinde  verboten  wurde,  kam  später- 
hin in  Hessen  axißer  Übung.  So  findet  sich  im'  loshauser 
Gesinderegister  1727  einmial  die  Notiz  (unterm  Jägerlohn) : 
„Aus  erheblichen  Ursachen  ist  Ihme  diesser  völlige  Lohn 
uff  Eine  Zeitlang  Einbehalten  worden** ;  er  wird  erst  später 
ausgezahlt.    Eine  andere  Art  Lohneinbehaltung,  diesmal 
richtige  Aufrechnung,  erfolgte  1735.   Da  stellt  der  Jäger 
bei  seinem  Scheiden  die  Quittung  aus:    „Dass  ich  diese 
Sum  3  rth.  7  albs.  8  ^  schuldig  bin  und  mir  von  ihre 
gnaden  dem  Hrn.  von  Lüder  mein  Lohn  darauf  bezahlet 
worden  bescheine  hier  mit.  Loshausen  den  18  Julii  1735. 
(Unterschrift.)** 

Mannigfaltiger  sind  die  Gründe,  aus  denen  im  Be- 
triebe des  badischen  Klosters  Königsbrück^)  Lohn- 
abzüge vorgenomimen  wurden.  Wer  Sonntags  nicht  in 
die  Kirche  geht,  bekomimt  kein  Fleisch,  oder  er  muß 
sich  5  ß  vom  Lohn  nehmen  lassen  —  so  fängt  die  Ge- 
sindeordnung an.  Ebenso  erhält  einen  Tagelohn  weniger, 
wer  ohne  Urlaub  weggeht ;  davon  muß  der ,  besonders 
gemietete  Tagelöhner  bezahlt  werden*).  Zur  Strafe  von 
Tanzen,  Spielen  usw.  wird  der  Lohn  um=  2  ß  gekürzt*). 
Wenn  ein  Knecht  den  Torschlüssel  verliert,  muß  er  einen 
neu  machen  lassen,  oder  er  bekommt  soviel  Lohn  weni- 
ger«); dies  ist  ein  Fall  des  wirklichen  Schadensersatzes 
durch  Lohnabzug.  Dagegen  wird  eine  selbständige  Geld- 

*)  Oben  S.  601.  —  «)  II  80.  -  •)  Mono,  Ztschr.  f.  Gesch  d. 
Oberrheines  I  S.  188.  —  *)  Nr.  6  und  16.  —   »)  Nr.  6.   —   •)  Nr.  42. 


—    604    — 

strafe,  ohne  Erwähnung  des  Lohnabzuges  in  Nr.  54  aus- 
gesprochen für  den  Fall,  daß  die  Dienstboten  in  Ställen 
oder  Scheuem  oder  sonstwie  „allein  zusammen  fügen". 
Außer  in  deirt  einen  Fall  Nr.  42  widerspricht  solch  Vor- 
gehen nicht  dem!,  was  das  kleine  Kaiserrecht  für  seinen 
Geltungsbereich  so  deutlich  ausspricht.    Denn  dies  will 
dem   Dienstherm    verwehren,    um  die   Auszahlung    des 
Lohnes  mit  der  Ausrede  einer  wirkUchen  oder  nur  fin- 
gierten Schadensforderung  herumirukommen ;  es  schließt 
das  Geltendmlacfhen  einer  zivilrechtlichen  Gegenforderung 
aus,    wo    Forderung   mit   Fordenmg   sich  kompensieren 
könnte.  In  Königsbrück  dagegen  zehren  nicht  gleichartige 
(zivile)  Forderungen  den  Lohnanspruch  auf,  sondern  ge- 
wissermlaßen    „öffentlich   rechtliche",    solche    des    Straf- 
rec'hts  tmd  solche  des  Kirchenrechts,  autonom  begründet. 
Mit  jener  Praxis,  die  sich  auch  zivilrechtliche  Auf- 
rechnung erlaubte,  stimimt  die  spätere  Gesetzgebung  über- 
ein. In  den  lauenburger  Statuten  von  1599 ^)  heißt  es : 
„Damit  auch  des  Gesindes  imachtsamkeit  etwas  einge- 
spannet  werde,  soll  hiemit  Herren  und  Frauen  Macht  ge- 
geben sein,  was  ungehorsam!  gesinde  muthwillig  verwar- 
loset,  ihrem-  Gesinde  an  Lohn  abzukürtzen."    Die  zum 
Teil  vorhin  bereits  behandelten  beiden  clevischenGe- 
sindeordnungen  von  1753  imd  1763*)  ordnen  an:    „Wo- 
bey  einer  jeden  Herrschafft  frey  stehet,  zu  ihrer  Sicher- 
heit, wenn  ein  oder  ander  Gesinde  etwas  veruntreuen, 
oder  von  dem,  so  es  im  Hause  tmter  Händen  hat,  aus 
Nachlässigkeit,  Unvorsichtigkeit,  oder  gar  Bossheit  ver- 
derben, zerbrechen,  oder  gar  abhanden  bringen  solte,  im- 
mer ein  vierteljähriges  Lohn  rurück  behalten,  um  allen- 
falls daran  sich  erholen  zu  können."    Aber  von  diesem 
Recht  soll  die  Herrschaft  nicht  zu  hart  Gebrauch  machen, 
nicht  lun  aller  Kleinigkeiten  willen  und  wegen  unvorsätz- 

')  Pufendorf,  obs.  iur.  III  app.  S.  284 flf.,  bes.  317.  —  »)  Scotti, 
Cleve  S.  1452,  1894. 


—    605     — 

lieber  Schädigxingen,  „am  allerwenigsten  aber  ihnen  auf 
eine  albnieigennützige  Weise  das  Lohn  zu  Wasser  ma- 
chen". Nach  der  gleichfalls  oben  schon  genanntem  ans- 
bacher  Gesindeordnimg  von  1769  darf  die  Herrschaft 
imtner  einen  Lohn  für  sechs  Wochen  mrückbehalten,  da- 
mit sie  sich  eventuell  daran  halten  kann;  Kostgeld  muß 
alle  Woche  ausbezahlt  werden.  Die  saynische  Poli- 
zeiordnimg von  1776^)  und  die  freiburger  Ordnimg 
von  1782  *)  verpflichten  das  Gesinde  zwar  (wie  überhaupt 
alle  Gesindeordnungen)  der  Herrschiaft  den  verschulde- 
ten Schaden  zu  ersetzen.  Aber  die  Herrschaft  soll  nicht 
jede  Kleinigkeit  reklamäeren,  „aus  allzueigennützigen  Ab- 
siebten ihnen  den  sauer  verdienten  Lohn  durch  unchrist- 
lidhe  Abzüge  zu  nichts  zu  machen",  „widrigenfalls  ihrer 
Hartherzigkeit  durch  obrigkeitliches  Einsehen  Schranken 
gesetzt  werden  würden".  Nach  der  badischen  Gesinde- 
ordnung von  1809  *)  kann  die  Herrschaft  schon  gegebene 
Geschenke  dann  vom  Lohne  abziehen,  wenn  durch  Schuld 
des  Dienstboten  später  der  Vertrag  vorzeitig  aufgehoben 
werden  muß.  Der  Code  civil  verbietet  in  Art.  1023 
die  Anrechnimg  von  Vermächtnissen,  die  dem  Gesinde  zu- 
fallen (vornehmlich  natürlich  seitens  der  Herrschaft),  auf 
die  Lohnforderung. 

Aus  Hessen  sei  zur  Frage  der  Anrechnung  son- 
stiger Einkünfte  auf  den  Lohn  das  bereits  an  früherer 
Stelle  verwertete  Urteil  des  Oberappellationsgerichts  aus 
dem  Jahre  1800*)  in  Sachen  Austermühl  gegen  Eigen- 
brodt  angeführt.  Dem'  verstorbenen  Major  Eigenbrodt 
hatte  der  Knecht  u.  a.  auch  11  Monate  in  französischer 
Gefangenschaft  gedient  imd  verlangt  nun  den  ausge- 
'nsachten  Monatslohn  von  4  Th.,  im  ganzen  also  44  Th. 
Die  Beklagte  beruft  sich  darauf,  daß  der  Kläger  während 

*)  Univ.-BibL  Marburg.  -  ■)  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Gen.  6891. 
"^  *)  L.  A.  Karlsruhe.  Provinz  Niederrhein.  Gesindepolizei  Lit  B. 
Nr.  1.    1766-1809  (IV  8).  —  *)  Oben  S.  488. 


—    606    — 

der  Gefangenschaft  von  der  französischen  Republik  tag- 
hch  IV2  Pfund  Brot  und  10  Sous  erhalten  habe,  die 
ihrem  Manne  abgezogen  seien.  Eine  Entscheidung  geht 
dahin,  daß  der  Fjnüpiaiig  des  Brotes  und  der  10  Sous 
„dem  monatlichen  Lohn  der  4  Th.  gleich  stehet",  daß 
also  der  Kneöht  keinen  Lohn  nüehr  fordern  könne,  so- 
fern die  Witwe  beweisen  kann,  daß  dem!  Knecht  die  iVi 
Pfd.  Brot  imd  10  Sous  so  wie  den  übrigen  Reitknechten 
wirklich  mgekomlmen  sirid^). 

Mit  dieser  Darstellung  der  allgemleinen  Lohnzahlungs- 
pflicht ist  das  Lohnrecht  freilich  erst  zu  einem-  kleinen 
Teile  erschöpft.  Die  Zusamjmensetzung  und  die 
Höhe  des  Lohnes  sind  es,  die  von  den  Gesetzgebern 
seit  Ausgang  des  Mittelalters  vornehmlich  beirücksichtigt 
wierden.  Über  diese  Umlständc?  brauchtien  sich  Dienst- 
herrsthaften  und  hohe  Obrigkeit  solange  kleine  Gedan- 
ken zu  miachen,  als  im  Zustand  der  Unfreiheit  alle  Arbeit 
dem'  Herrn  umsonst  geleistet  wurde*).  Aber  schon  dem 
tmfreien  Gesinde  gab  der  Diensthierr  bald  einen  Jahres- 
lohn, der  wohl  anfänglich  ein  freiwilliges  Gesch«ik  ge- 
wesen sein  mag'). 

Die  einseitige  Lohnfestsetzung  durch  den 
Herrn  kraft  seiner  herrschaftlichen  Gewalt  ist  hiemach 
für  die  ersten  Zeiten  sehr  wahrscheinlich. 

Ein  weiterer  Umfetand,  der  hierfür  spricht,  ist  das 
häufige  Vorkomimen  des  Dienens  „uf  genade"  nach 
vielen  Rechten  des  Mittelalters  vom  Sachsenspiegel*) 
an.  Die  Zahlung  des  Lohnes  ist  hier  in  das  Ermessen 
der  Herrschaft  gestellt.  Hertz^)  gibt  eine  ausreichende 
Übersicht  über  diese  Erscheinung;  hinzugefügt  sei  der 
Hinweis  auf  eine  Handschrift  Ruprechts  von  F  r  e  i  s  i  n  g 


^)  Über  die  Verjährung  des  Lohnanspruches  schweigen  die  ge- 
sinderechtlichen Sondergesetze.  Beispiel  aus  allgemeinen  Rechts- 
systemen: Code  civil  Art  2273  (ein  Jahr),  —  ■)  Grimm,  Rechts- 
altertümer S.  866,  867.   -   •)  Ebenda  S.  867.  —  *)  I  22.   —   •)  S.  8L 


—    607    — 

von  1436  und  auf  das  Vorkommen  des  Dienens  auf  Gnade 
in  den  bayerischen  Landtagsverhandhingein  deis  Jah< 
res  1600*).  .Vielleic'ht  ist  auch  eine  Stelle  des  bilt- 
war  der  Rechtes*)  dem  ähnlich  klingenden  Satze  des 
Sachsenspiegels  nachgebildet:  ^,Doch  we  uppe  loven  de- 
net,  de  mioet  des  loven  wardem".  „loven"  ist  glauben, 
versprechen,  kreditieren*),  „warden**,  „waren"  bedeutet 
erwarten,  aber  auch  hüten,   besorgen,   verteidigen*). 

Wie  noch  in  ganz  später  Zeit  das  Dienen  auf  Gnade 
in  Verquickung  mit  römischen  Auffassungen  in  der  Ge- 
richtspraxis vorkam?,  zeigt  ein  Prozeß,  der  von  1804  an 
beim  Oberappellationsgericht  Cassel  spielte*).  Ein  Vo- 
tum sagft:  „Da  die  Appellantin  ihre  Dienste  geschäzt 
haben  will,  so 'gibt  sie  selbst  an,  daß  kein  gewisser  und 
bestimmter  Liedlohn  ausgemacht,  und  kein  rechtlicher 
Klaggrund  vorhanden  sey;  inctertae  enim  poUicitationes 
obligationem  quidem  naturalem  pariunt,  sed  actionem  in 
foro  humano  non  produCunt.  Quod  non  solimi  de  pactis 
simplicibus  sed  et  de  contractibus,  qui  alias  actionem 
producunt,  valet.  Valet  proverbiiun  germanicum:  Wer 
auf  Gnade  dienet,  muss  auf  Gnade  mahnen 
.  .  .  Mit  Recht  ist  demnach  eine  Schätzung  der  Dienste 
für  imstatthaft  angesehen,  und  weder  hierüber  noCh  über 
einen  xmerfindlichen  Vergleich  erkannt." 

Für  die  einseitige  herrschaftliche  Lohnfestset^ung  im 
Gesindeverhältnbse  spricht  weiter  auch  die  Ähnlichkeit 
der  Verhältnisse  im'  Gesellenrecht.  Schanz  vertritt  die 
Ansicht,  daß  das  Recht  einseitiger  Lohnfestsetzung,  wie 
es  früher  der  Handwerksimeister  seinen  Gesellen  gegen- 
über hatte,  ein  Ausfluß  des  herrschaftlichen  Verhältnisses 
zwischen  den  beiden  war,  imd  daß  man  dem  Meister 
<larin  anfangs  nicht  vorgreifen  wollte^). 

*)  Platzer  S.  50.  —  •)  Lappenberg  1  S.  321ff.,  Nr.  78.  — 
•)  Schillcr-Labben  II  S.  786,  787.  -  *)  Ebenda  V  S.  600,  608.  — 
*)  St.  A.  Marburg.    Hagemeyer  gegen  Herold.   —   •)  Schanz,  Ge- 


—    608    — 

Die  Mösrlichkeit  autokratiscfaer  Statuieruiig  der  Lohn- 
höhe nttißte  freilich  dem  Arbeitgeber  —  des  Gesindes 
wie  der  Gesellen  —  vcarloren  ^ehen,  je  mehr  or  im  Ver- 
trauen auf  das  ihm  durch  seine  Macht  zustehende  Recht 
mit  seinem  Lohne  hinter  andere  Konkurrenten  zurücktrat, 
und  je  weiter  dies  in  das  Bewußtsein  der  Dienstboten 
hineinkam.    Die  Konkurrenz  der  Herrschaften,  die  sich 
im  Üherbieten  und  im  Abspenstigmachen  des  Gesindes 
äußerte,  scheint  imimer  heftiger  geworden  zu  sein.    Es 
gab  keine  Zünfte  der  Dienstherrschaften,  in  denen  sie 
ihre  gemeinsamen  Interessen  hätten  vertreten  können.  Die 
gewerblichen  Meister  schlössen  ja  ihre  Übereinkimfte  zur 
Bestimknimg    von  Höchstlöhnen   schon    im  14.  und  15. 
Jhdt.  ^)  —  wie  sollte  dagnirnftl  eine  solche  Eüirichtung  auch 
für  Privatpersonen  getroffen  werden,  die  vielleicht  keine 
weiteren  gemeinsamen  Interessen  hatten  als  die  zur  Nied- 
righaltung der  Gesindelöhne?    Dazu  kam  dann  im  16. 
Jhdt.  noch  ein  entscheidender  Faktor,  weit  abliegend,  aber 
mit  um  so  größerer  Wucht  eingreifend:    die  Geldent- 
wertung. 

Die  Zustände  müssen  wohl  derartig  gewesen  sein, 
daß  alles  danach  drängte,  eine  übergeordnete  Instanz  zur 
Regelimg  der  Gesindelöhne  im'  Sinne  der  Dienstherr- 
schaften herbeizurufen.  Es  war  der  stets  vorhanden  ge- 
wesene „Polizeistaat",  der  hier  einsprang,  voller  Bewußt- 
sein seiner  Allmacht,  auch  die  feinsten  Beziehimgen  der 
Menschen  untereinander  seiner  Kontrolle  unterwerfen  und 
in-  die  von  ihm'  vorgezeichnete  Bahn  zwingen  zu  können. 
Nicht  zu  unterschätzen  ist  femer  der  Einfluß  jener  An- 
schauxmg,  „dass  der  Gesellenlohn  möglichst  tief  gehal- 
ten  werden  soll,   widrigenfalls  das   Gewerbe  im'  Lande 


schichte  der  Gesellenverb&nde,  S.  109;  die  Polemik  Zwiedineck- 
Sfldenhorsts  (Lohnpolitik  und  Loluitheorie,  S«  46)  kann  Schanz' 
AusftÜirungen  nicht  widerlegen. 

^)  Zwiedineck-Sadenhorst  a.  a.  O.  S.  46. 


-    609     - 

darunter  leiden  könnte**  ^) ;  eine  Ausdehnung  dieser  Worte 
darüberhinaus  auch  auf  das  Gesinde  widerspricht  der 
Meinung  der  Zeit  jedenfalls  nicht. 

Das  Mittel,  mit  dem  die  Obrigkeiten  vorgingen,  war 
die  Statuierung  von  Höc'hstlöhnen.  Dies  ist 
keine  singulare  Erscheinung  der  Wirtschaftspolitik.  Ehe 
man  anfing,  allgemein  an  die  Tarifierung  der  Löhne  her-, 
anzugehen,  hatte  man  schon  in  der  Höchstbegrenzung 
der  Warenpreise  Vorbilder,  nach  denen  man  sich  auch 
für  die  Lohnbestimmimg  richten  konnte.  Immerhin 
weicht  die  Veranlassung  der  Warentaxen  beträchtlich  von 
den  Umständen  ab,  durch  die  sich  die  Gesetzgeber  be- 
stimmen ließen,  auch  für  die  Löhne,  insbesondere  den  Ge- 
sindelohn, Tarife  zu  bestimimen.  Es  ist  der  nachherigem 
Unterscheidung  wegen  kurz  auf  die  Entstehung  der 
Warentaxen  einzugehen*). 

Die  Zünfte  hatten  in  ihrer  Organisation  das  beste 
Mittel,  Monopolpreise  zu  bilden.  Daß  dies  eine  Gefähr- 
dimg des  öffentlichen  Wohles  bildete,  ist  offenbar,  be- 
sonders wo  die  Preise  der  Lebensmittel,  die  Tag  für  Tag 
nötig  sind,  aber  nicht  gelegentlich  erworben  werden  kön- 
nen, künstlich  gesteigert  werden.  Daher  griffen  hier  schon 
früh  die  Stadtobrigkeiten  ein.  Entweder  öffneten  sie  die 
Zünfte  (Gas sei  1384')),  oder  aber  sie  erließen  Preis- 
taxen für  die  wichtigsten  Waren. 

Die  frühesten  städtischen  Preistaxen  für  Lebensmittel 


^)  Ebenda  S.  59«  — ')  Zur  Taxfrage  im  allgemeinen  sind  zu  ver- 
gleichen Rohrscheidt,  in  Jahrb. f. NatJonalök.  u.  Stat.  N.  F.  Bd.  51 
S.  858,  und  im  Handwörterbuch  der  Staatswissenschafien  VI  S.  259 ; 
V.  Be  lo  w  im  Wörterbuch  d.  Volkswirtschaft  II  S.  654;  Zwiedineck- 
SOdenhorst  a.  a.  O.  Abschn.  I;  Inama -Sternegg,  Deutsche 
Wirtschaftsgeschichte  III  1  S.  808  ff.,  III  2  S.  460  ff.  Vgl.  femer 
Willemsen,  De  Loonquaestie  in  Vlaandem  op  het  ein<k  der  XIV^ 
eeuw  (Annalen  van  den  oudheidskundigen  kring  van  het  Land  van 
Waas,  28.  d.  S.  10  ff.).  -  *)  Casselische  Gerichtsordnung  vom  21.  Februar 
1384  (LO.  I  S.  5.). 

Könnecke.  g0 


—    610    — 

sind:  kölner  Komtaxe  von  1246^),  soester  Brottaxe 
von  1250*),  lübeoker  Brottaxe  von  1255'),  berliner 
Bäckertaxe  von  1272*),  flensburger  Biertaxe  von 
1284*),  regensburgrer  Biertaxe  von  1320^),  mar- 
burger  Fleisditaxe  von  1363^)*  hamiburger  Fleisch- 
taxe von  1375^),  frankfurter  (a.  O.)  Brottaxe  von 
1377*),  regensburger  Biertaxe  von  1388^**),  ebers- 
walder  Brottaxe  von  1395"),  femer  aus  dem!  14.  Jhdt. 
noch  Fleischtaxen  für  München  und  Nürnberg"). 
Diese  Taxen  gab  die  Not  um'  das  täglic'hie  Brot  ein.  Aber 
der  Taxgedanke  wurde  auch  noch  anders  verwertet,  man 
schuf  Taxen  sonstiger  Gebrauchsgegenstände;  teilweise 
schützte  man  das  Publikum  gegen  Überforderungen  seitens 
der  Gewerbetreibenden  durcb  Taxen  der  Gesellenlöhne. 
So  wurde  1361  in  Schlesien  eine  Schheidertaxe  ge- 
schaffen^'), 1377  tarifierte  man  in  Braunschweig  den 
Preis  für  einen  „dantzelrock"  ^*),  1414  erging  eine  ScHnei- 
dertaxe  in  München"),  1440  in  Lübeck  eine  Bött- 
chertaxe"), 1459  ebenda  eine  Beutlertaxe  i^). 

Allmahlich  trat  an  die  Stelle  der  städtischen  Obrig- 
keit der  Staat  als  Gewerbegesetzgeber  ^^).  Schon  dies  er- 
klärt, daß  nun  von  höherer  Warte  aus  die  Taxordnungen 
immer  umfassender  wiurden.  Es  ergab  sich  fast  von  selber, 
daß  eines  Tages  auch  Arbeitslöhne  in  regelmäßigerer 
Folge,  als  das  früher  schon   geschehen  war,    denn    zu- 


0  Inama-Sternegg  III  1  S.  308,  III  2  S.  461.  —  •)  Ebenda 
III  2  S.  615.  —  •)  Ebenda  III  1  S.  809,  III  2  S.  614.  —  *)  Ebenda  III  1 
S.  809.  —  »)  Ebenda  Ul  2  S.  462.  -  •)  Ebenda.  —  ')  Eintrag  im 
Stadtbuche  (St.  A.  Marburg).  -  •)  In  ama- Stern  egg  III  1  S.  309. 
—  •)  Ebenda  III  1  S.  809.  -  >^  Ebenda  III  2  S.  462.  -  ")  Ebenda 
m  1  S.  809.  -  »)  Ebenda  S.  307.  -  ^»)  Ebenda  III  2  S.  462.  - 
*^)  Liebe,  in  den  Geschichtsblattern  f.  Stadt  u.  Land  Magdeburg  37 
S.  187;  Hanselmann,  Urkundenbuch  I  S.  63 ff.,  Nr.  126.  —  ")  Inama- 
Sternegg  III  2  S.  462.  —  ")  Ebenda.  —  ")  Ebenda.  -  ")  Gelegent- 
lich vorkommende  frühere  Taxversuche  von  Staaten:  Inama- 
Sternegg  I  S.  476 ff.,  III  1  S.  808 ff.,  III  2  S.  460ff. 


—    611     — 

lässigen  Maximlum  nach  aufgeaseichnet  wurden.  Die  weni- 
gen, der  frühesten  Zeit  angehörenden  Lohntaxen  wurden 
zum  größten  Teile  sdhon  nicht  von  den  Städten,  sondern 
von  übergeordneten  Instanzen  für  ganze  Länder  geschaf- 
fen. Folgende  Taxen  der  Arbeitslöhne  aus  dem 
13.  imd  14.  Jhdt.  seien  hervorgehoben.  Die  bayeri- 
schen Landfrieden  von  1244,  1256,  1282,  1300^)  ent- 
halten Aufforderungen  zur  bezirksweisen  Regelung  der 
Höchstlöhne.  1352  schuf  Herzog  Albrecfht  II.  von 
Österreich  eine  Lohnordnung  für  die  Weingartenar- 
beiter*); eine  gleiche  wurde  1364  erlassen'). 

Mit  dem'  Aufkommen  der  Lohntaxen  neben  den  Preis- 
taxen  ist  jetzt  folgendes  zru  beobacht^i.  Die  PreistaxeA 
sind  zum  Schlitze  des  Publikums  gegen  die  Kaufleute  ge- 
schaffen. Die  Lohntaxen  dagegen  schützen  erstens  zwar 
auch  die  „Konsuinienten"  der  Ware  Arbeitskraft,  näm- 
lich die  Dienstherren,  vor  den  übertriebenen  Lohnforde- 
rungen der  Verkäufer  dieser  Ware.  Zweitens  aber  schützen 
sie  die  Herrschiaften,  die  Käufer  der  Arbeitskraft,  auch 
.gegeneinander,  gegen  das  Überbieten,  gegen  das  Ab- 
spenstigmachen.  Hier  gehen  die  Gesindelohntaxen  über 
das  von  den  Preistaxen  erstrebte  Ziel  hinaus. 

Vor  einer  Darstelltmg  der  Taxgesetzgebung  im'  ein- 
zelnen sei  noch  auf  folgendes  hingewiesen.  Das  beispiels- 
weise in  den  Rechnungen  des  deutschen  Ordens  oder  des 
fürstlichen  Hofes  zahlreich  vorhandene  Material  über  die 
nrittelalterliche  Lohnhöhe  insbesondere  in  Hessen  läßt 
sich  für  die  Darstellimg  des  Löhn  rechts^  wie  es  in  den 
Taxordnungen  enthalten  ist,  nicht  verwerten.  Es  über- 
schreitet den  Rahmen  des  vorliegenden  Buches,  eine  all- 
gemeine Geschichte  des  Lohnes  und  seiner  Höhe  zu  geben. 
Nur  da  ist  eine  Heranziehimg  der  Lohnlisten  von  Einzel- 

>)  Ebenda  lü  1  S.  808.  -  *)  Ebenda  S.  805.  — ')  Ebenda  S.  806; 
Aber  Gesindetaxen  aus  der  frühesten  Zeit  wird  weiter  unten  im  Zu« 
^mmenhange  berichtet  werden. 

89* 


—    612    — 

hiaushalten  erforderlich,  wo  sie  die  Löhne  von  Jahren 
enthalten,  die  dem»  Erlasse  emer  Taxordnung  nahe 
liegen  ^). 

Nur  sehr  wenige  Taxen  des  Gesindelohnes 
wurden  im  Mittelalter  erlassen.  Die  dem  Rechte  der  „ma- 
nasle"  teilweise  beigefügten  Lohnzahlen*),  die  der  Zeit 
nach  mit  an  erster  Stelle  genannt  werden  müßten,  lassen 
sich  nicht  als  Taxsumimen  auffassen.  Folgen  für  die  Über 
schteitung  sind  nicht  angekündigt,  es  ist  auch  gar  nichi 
ausdrücklich  von  einer  Pflicht,  den  Satz  nicht  zu  über- 
schreiten, die  Rede;  wohl  nur  als  Beispiele  des  damals 
gewöhnlich  gegebenen  Lohnwertes  sollten  die  Zahlen 
dienen '). 

Auch  die  Dienstordnung  für  die  Beamten  xmd  Diener 


^)  Gedruckte  Mitteilungen  über  Lohnhöhen  im  Mittelalter  z.  B. 
bei  Kflch  in  Z.  des  Vereins  f.  hess.  Gesch.  u.  L.  K.  27.  Bd.  (1892) 
S.409fif.,  bes.  429 £f.  (Hessen);  von  Freyberg,  bist  Schriften  u.  Urk. 
n  S. 81  f[, (Niederbayem) ;  Inama-Sternegg,  Wirtschaftsgeschichte 
m  1  S.  452  (Österreich) ;  Steffen  S.  80  ff.  (Ordensland) ;  Zi  es  emer, 
Ausgabebuch  des  Marienburger  Hauskomthurs.  Auf  d'Avenels  ver. 
dienstvolle  Arbeiten  sei  hier  ferner  hingewiesen  (Histoire  öconomique 
de  la  propri^t^,  des  salaires  eta    Tomes  III,  IV;  Paysans   et  oav- 
riers  depuis  sept  cents  ans;  D^couvertes  d'histoire  sociale).    Im  all- 
gemeinen vergleiche  man  L u s c h i n s  von  Ebengreuth  (Allg.  Münz- 
kunde S.  185  fif.)  gewichtige  Bedenken  wider  die  Mitteilung  einzelner 
Preise  und  Löhne  für  einzelne  Jahre  und  Gebiete.  Eine  Reduzierung 
der  (jesindelöhne  auf  die  Roggennorm  (vgl.  den  zusammenfassenden 
Bericht  bei  A.Neumann,  Die  Bewegung  der  Löhne  der  ländlichen 
»,freien"  Arbeiter  S.  64  ff«)  wäre,  auch  wo  sie  sich  bewirken  liesse, 
zwecklos.    Denn  die  Kost  wird   den  Dienstboten  in  natura  gereicht 
Was  sie  an  Bargeld  bekommen,  dient  vornehmlich  zur  Beschaffung 
der  Kleidimgy  soweit  nicht  auch  diese  statt  Lohnes  gegeben  wird. 
Ein  Oberall  anwendbares  Normalmass  fehlt  bei  der  Vielgestaltigkeit 
der  Gesindeverhältnisse.    In  den  Lohnregistern   können   femer  die 
von  dritter  Seite  dem  Gesinde  zufallenden  Trinkgelder  regelmftssig 
nicht  verzeichnet  sein,   die   im  Gesindewesen  wohl   zu   allen  Zeiten 
eine  allzugrosse  Rolle  gespieU  haben.  —  ■)  Oben  S.  596.   —   •)  Vgl 
auch  die  Bemerkung  von  Hertz  S.  87"  Mitte. 


—    613    — 

des  trierischen  Domkapitels  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  13.  Jhdts.^)  läßt  sich  hier  nicht  verwerten.  Zwar 
werden  da  Löhne  festgesietzt ;  aber  nicht  zu  dem)  Zwecke, 
daß  Außenstehienide  sich  danach  xa  richten  haben,  son- 
dern lediglich  als  Ankündigung  der  für  die  Doml-Dienst- 
leute  gtebräuc'hlichen  Lohnhöhe  sind  die  Sat^ngen  ge- 
dacht. 

Als  ältestes  Stück  ist  so  eine  Taxordnimg  zu  nennen, 
die  Ludwig  der  Brandenburger  in  Tirol  1352  erließ*). 
Die   Taxordnxmg    (für  Dienstboten,    Tagelöhner,   Hand- 
werker)  vereinigt  in  merkwürdigie(r  Deutlicfhkeit  die  drei 
Arten  in  sicfh,  nach  denen  sipäterhin  die  Taxen  allgemein 
erlassen  wurden:    Es  wurden  drei  Bezirke  gebildet.    Im 
einen  sollten  die  Löhne  auf  den  vor  fünf  Jahren  -giebräuch-  ' 
liehen  Stand  zurückgeschraubt  werden;  für  den  zweiten 
Bezirk  sollte  die  Bezirksobrigkeit  Löhne  nach  Ermiesisen 
ansetzen ;  der  dritte  Bezirk  erhielt  fest  bestimimte  Taxen. 
1386  ^ging  in  Waldedk  eine  Landesverordnung'). 
Außer  zahlreichen  Tagelöhnen  werden  darin  auch  zwei 
Gesindelöhhe  durch  Taxe  beistim!mit:  der  oberste  Knecht, 
der  säen  und  das  Landwerk  bearbeiten  kann,  erhält  als 
Lohn  von  Petri  bis  Martini  4  Morgen  ausgesäet  und  7 
Schillinge    Pfennige    korbacher  Währung;    eine  Dienst- 
magd, die  einem  Manne  die  Kost  bereitlen  tmd  dem  Haus^ 
Wesen  wohl  vorstehen  kann,  bekomimt  im  Jahre  1  Mark 
korba<^hier  Pfennige. 

Wohl  dem'  14.  Jhdt.  gehört  aucfh  eine  Lohntaxe  dar 
MüUerknecfhte  in  Rothenburg  ob  der Taubeir  an *) ;  wer 

*)  Tricrisches  Archiv  1898  S.  87flF.  —  ")  Inama-Stern egg, 
Wirtschaftsgeschichte  HI  1  S.  804,  805.  —  ■)  Bauer- Collitz, 
Waldeckisches  Wörterbuch;  BeiL  2  zu  Bd.  1  u.  2  der  Beiträge  z. 
<^e3ch.  d.  FürstentOmer  Waldeck  u.  Pyrmont  Nr.  48;  Curtze,  Gesch. 
u.  Beschreibung  des  FOrstent  Waldeck  S.  288.  —  «)  Im  alten  WUl- 
kOrenbuch  der  Stadt  aus  dem  18.  u.  14.  Jhdt.;  Bensen,  Historische 
Untersuchungen  Aber  die  ehemalige  Reichssiadt  Rotenburg,  NOmb. 
1887,  S.  486  ffl,  bes.  Ö08. 


—    614    — 

mtehr  als  die  Taxe  gibt,  erhält  vier  Heller  Strafe;  welcber 
Arbeiter  nicht  um  den  gesetzten  Lohn  arbeiten  will  und 
darum  aus  der  Stadt  ginge,  der  soll  ewig  verbannt  sein. 

Schon  miehr  geschah  im  15.  Jhdt.  1406  bereits  be- 
gann man  im  Ordenslande  mit  der  Setzung  fester 
Löhne  ^).  Am  29.  September  1423  vereinbarten  Ritter- 
schaft und  Städte  Westfalens  eine  Lohntaxe  fürs 
Gesinde*),  die  kaum  je  von  einer  der  späteren  Taxord- 
nungen an  kleinlicher  Ausführlichkeit  übertroffen  wurde  ; 
Geldstrafe,  bei  Unvermögen  Haft  steht  dem  Übertreter 
bevor.  Reich  an  Einzelvorschriften  ist  auch  die  Lohn- 
ordnung, auf  die  1424  der  Graf  von  Nassau  mit  seinen 
Nachbarn  sich  einigte ').  Herrschaften  werden  mit  2  Schil- 
lingen für  Übertretungen  bestraft ;  Dienstboten  geben  die 
Jlälfte.  Die  Gesindeordnung,  die  1445  mfehrere  Terri- 
torien am  Harze  vereinbarten*),  setzt  genaue  Taxen  für 
die  einzelnen  Gesindeleute  fest.  Vielleicht  wurde  die  gö  t  - 
tinger  Lohnordnung  aus  denüselben  Jahre  1445*)  hier- 
durch veranlaßt.  Beide  Ordnungen  drohen  den  Über- 
tretern der  Höchsttaxe,  Dienstboten  oder  (insbesondere) 
Herrschaften,  Geldstrafen;  zehn  rhein.  Gulden  setzt  die 
harzische,  eine  Mark  die  göttinger  fest,  und  zwar  in 
gleicher  Höhe  für  Herrschaft  und  Gesinde.  Die  säch- 
sischen Länder  erhielten  .1482  Taxen  ^),  nachdem  in 
Kursachsen  schon  1466  eine  solche  ergangen  war^). 

Eine  Lohntaxe  enthält  das  amöneburger  Stadt- 
recht aus  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhdts.  ®).  Die  Löhne 
werden  hier  sehr  genau  nach  Jahreszeiten  spezialisiert: 

*)  Hertz  S.  8.  -  «)  Seibertz,  Urkundenbuch  in  S.  48.  — 
*)  Gaul,  Verhältnisse  des  Bauernstands  im  Fürstentum  Solms-Braun- 
fels  S,  127  ffl  —  *)  Zeitschr.  d.  Harzvereins  f.  Gesch.  u.  Altertums- 
kunde 87  S.  486,  486.  —  »)  v.  d.  Ropp,  Gott  Statuten  S.  476.  — 
•)  Wuttke  S.  10;  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f. Weimar  IV  &  147,  148; 
Brandt,  Der  Bauer  im  Herzogtum  Sachsen -Altenburg  S.  78  ff.; 
Inama-Sternegg,  Wirtschaftsgeschichte  in  1  S.  454.  —  ')  Wuttke 
S.  9.  —  •)  Stadtarchiv  Amöneburg. 


—    615    — 

„19.  Dys  ist  der  lone,  den  mann  plege  den  erbeydess- 
luden  zcfu  gebin  dorchi  dasS  jax.   1.  Zcu  demie  ersten  sal 
man  gebin  eym  dresdier  adder  eym  andern  erbeydenss- 
knechte  von  Mertin  biss  unserer  frouwen  tag  akse  man 
die  liechte  wyhet,  VI  heller.   2.  Ouch  saJ  man  en  giebin 
von  unserer  frauwen  dag  egenannten  bis  Walpnrgis  VIII 
heller.   3.  Oucfh  von  Walpurge  biss  uff  sanct  Laurencien 
dag  XII  beller.  4.  Von  sanct  Laurencien  dag  biss  imsser 
frauwen  tag  alsse  sie  »gibom  wart  XII  heller.    5.  Von 
unserer  frauwen  dag  egenannten  biss  galli  VIII  heller, 
6.  Von  Galli  biss  Martini  VIII  heller.  7.  Item!  eym  grrasse- 
meyder  II  ß  ...  h^eller.    8.  Item  eymi  hahermeyer  XII 
pennige.   9.  ItettH  eym  bender  oder  heber  von  den  schelin- 
gen  adder  garben  VIII  phennige.  10.  Item'  eym  kornsnyd- 
der  X  heller.    11.   Iteml  eyner  flassfegerschen  V  heller, 
12.  Item  eyner  wesc'herschin   IUI   heller."    Auch  noch 
vor  1500  miuß  in  Marburg  über  den  Gesindelohn  ver- 
handelt worden  sein,  wie  der  oben^)  abgedruckte  Ver- 
merk in  einer  Stadtredhnimg  von  1469  ergibt.  Wie  a.  a.  O. 
schon  angedeutet  wurde,  kann  les  sich  nur  umi  eine  Lohn- 
festsetzung der  Höhe  na<^h,  nicht  tun'  sonst  eine  femlie- 
gende Anordnimg  über  den  Lohn  handeln. 

Diese  Bemierkung  gilt  auc^h  für  den  Inhalt  dner  Be- 
schwerde der  Stände  auf  dem'  Landtag  in  Landshut 
1488*).  Der  Herzog  antwortet  1489  darauf:  „Von  der 
£hehalten  Soldes  wegen  wollen  Wir  gern  nac'h  Rath  ziem^ 
Kch  Ordnimg  fümehmien,  wie  solches  za  fürkontoien  sey." 
1497  schlug  die  Ritterschaft  wiedenun  eine  Taxordnung 
vor ») ;  welche  Dienstboten  des  geringen  festgesetzten  Loh- 
'ics  wegen  ins  Ausland  gehen  und  binnen  Jahres  nicht 
^wiederkommen,  die  sollen  auf  ewig  bei  Verlust  ihres  Erb- 
rechts verbannt  sein. 

Eine   kölner  Münzordnung   vom«  Gründonnerstag 

^)  Oben  S*  19f.  — ')  Krenner,  Bayr«  Landtagshandlungen  XII 
S.  280;  Platzer  S.  67.  -  •)  Krenner  a.  a.  O.  XIU  S.  Ifi.,  bes.  80- 


—    616    — 

1493^)  fordert  auch  die  Dienstboten  auf,  künftig  der 
neuen  Münzfuß  tu,  beacbten,  ohne  daß  dadurch  aber  die 
Vereinbarung  der  Lohnhöhe  betroffen  werden  soll. 

Im'  16.  Jhdt.  gieht  die  Entwicklung  ruhig  weiter ;  man 
fühlt,  daß  der  Höhepunkt  bald  komimen  nrniß.  Als  Be- 
sonderheit tritt  hier  das  gesetzgeberische  Vorgehen  des 
Reichs  auf.  Wie  bereits  des  näheren  ausgeführt  wurde  ^, 
bringen  die  g^roßen  Reic'hspoli^eiordnimgein  von  1530, 
1548  und  1577  Mahnungen  an  die  Einzelstaaten,  wider 
die  hohen  Gesindelöhne  Taxordnungen  zu  errichten. 

Einige  Territorien  waren  zu  Beginn  dieses  Jahrhun- 
derts —  teilweiste  imteir  Weiterausbau  bestehender  Verhält- 
nisse —  sc'hon  ohne  die  kaiserliche  Anregung  zu  Tari- 
fierungen  übergegangen.   So  Bayern,  wo,  wie  bemerkt, 
schon  gegen  Ende  des  15.  Jhdts.  Klagen  über  die  Lohn- 
höhe auf  deim!  Landtage  erhoben  worden  waren.  Nachdem 
1508  die  Vorstellung  der  Prälaten  an  den  landschaftlichen 
Ausschuß  auch  von  der  Höhe  des  Gesindelohns  gehan- 
delt hatte,  brachte  dann  die  Landesordnung  von  1516 
(Landpot)  die  ersehnte  Lohntaxe,  die  1518  in  die  Re- 
formiationsordnung  übernommen  wurde  ^).  So  ge^cfhkh  es 
auch  in  tder  Lohnordnung  Ivon  1553,  wo  femer  die  bis  dahin 
beschränkt    gesitiattete    Naturallöhnung    ganz    untersagt 
wurde*).    1554  freilich  hob  mian  dies  Verbot  wieder  auf, 
schärfte  aber  die  übrigen  Lohnvorschriften  der  Landes- 
ordnung von  neueimi  ein*).    Die  Stände  des  jülicher 
Landes  waren  1512  den  Reichsgesetzgebem  mit  dem  Tax- 
gedanken ebenfalls  zuvorgekommen.  Eine  Urkunde  vom 
30.  März  1512«)  faßt  die  Beschwerden  der  Räte,  Ritter- 
schaft imd  Städtefreunde  von  Jülich  so  zusamimen:  „ouch 
van  gesindeloin,  dat  nu  swar  gelt  genomimien  wiurd  so 
vil,    as    vur    des    lichten    geltz,    damit    de    underdanea 

>)  Scotti,  Köln  I  1  S.  26.  —  «)  Oben  S,  35ff.  —  *)  Platzer 
S.  86,  88,  SB.  —  *)  Ebenda  S.  98,  100,  101.  —  »)  Ebenda  S.  101.  - 
*)  V.  Below,  Landtagsakten  I  S.  141,  189. 


—    617    — 

mirklich  beswert  sin/*  Über  den  Erfolg  verlautet 
nichts. 

NaclKlem  das  Reich  gesprochen  hatte,  mehrten  sich 
die  Stimmen  im  Lande.  Die  ostfriesische  Polizeiord- 
nung von  1545^)  gab  Münzvorsdhriften  und  Lohntaxen 
für  Handwerker  xmd  Mäher.  Über  Dienstboten  heißt  es 
in  demselben  Abschnitt  „Von  Vermeidung  imnöthiger  Aus- 
gaben, tmd  andern  Policfey-Sachen" :  „Die  Dienst-Knechte 
und  die  Dienst-Mägde,  die  in  einem  stedigen  Dienst  sin- 
nen, die  scholen  sick  ock  laten  benoegen  an  ein  redlick 
Lohn,  lund  nicht  nehmen,  wat  sie  gedencken,  angesien,  dat 
sie  nu  nicht  miehr  können  doen,  und  nu  noch  veel  weniger 
vor  dat  groetie  Loen."  Unfreiwillig  war  dagegen  die  Ent- 
haltsamkeit, die  im  weiteren  Verlauf  der  jülidher  Ge- 
schichte sich  zeigte.  Bei  den  Verhandlungen  des  Jahres 
1547  trugen  Rittersc^hiaft  und  Stände  vor :  .  .  .  5.  über  die 
Verordnung  „mit  den  dienstboden  und  werkluiden,  imd 
das  hinwiderumlb  auch  bei  den  kremem  xmd  andere,  da 
die  werkluide  Und  dienstboden  ire  notturft  beiholen  müs- 
sen, polidei  giehalten  und  die  durchsehen  werde**.  Es 
wurde  Beratung  und  Anfrage  bei  Köln  und  Aachen  be- 
schlossen; mit  welchem  Erfolge,  ist  nicht  ersichtlich*). 

Hessen  kam!  1571  zu  einer  nebenher  erfolgenden 
Bestimimung  des  Hck^hstbetrags  eines  Mietpfennigs,  wie 
oben  im  Kapitel  vom  Mietgelde  *)  bereits  dargelegt  wurde. 
Nur  weniges  steht  in  den  hessischen  H  of Ordnungen  *) 
(deren  wichtigste  aus  dem  Jahre  1570  *)  stammt),  obwohl 
dodh  hier  eine  gute  Gelegenheit  gegeben  war,  einseitig 
die  Löhne  za  normieren.  Der  eine  Jimge,  den  sich  die 
Hofleute  halten  dürfen,  soll  einmal  jährlich  von  Hofes 
wegen  in  schlechtes  (schlichtes)  Tuch  gekleidet  werden. 
Aus  Art.  15  der  Hofordnung  von  1570  geht  hervor,  daß 

')  Ost  Friesische  Historie  und  Landes  Verfassung  II  S.  181.  — 
*)  v.  Below,  Landtagsakten  I  S.  580.  -  ')  Oben  S.  488f.  ~ 
*)  Darüber  unten  §  18.  —  »)  LO.  HI  S.  177. 


—    618    — 

die  am  Hofe  tätigten  Leute  Kleiderstoff  geliefert  bekamen; 
es  wird  ihnen  verboten,  das  Tuch  gegen  schlechteres 
umzutausc'hen.  Wie  Art.  16  ergibt,  kam  der  Hof  für 
Pferde  lauf ;  in  wekhetnl  Maße,  ist  nicht  g^esa^.  Die  g e In- 
hause r  Verordnimg  von  1560^)  befiehlt  den  Dienst- 
boten, daß  sie  „ire  dienstlohn  nit  ersteigen" ;  eine  Höchst- 
stimttne  ist  nicht  genannt.  In  der  Polizeiordnung  des  Erz- 
bisChofs  Daniel  von  Mainz  für  die  Stadt  Orb  vom!  7. 
April  1579*)' wird  (zumi  36.)  angeordnet,  daß  jedes  Jahr 
zum»  Monat  vor  Petri  „der  Knecht,  Weinhauer,  Tagloner, 
Magt  und  aller  Arbeit  her  Belohnung"  in  einer  Taxe  ver- 
öffentlicht werden  soll,  „denn  Herrn  xmd  Knecht  treglich". 
Einen  direkten  Hinweis  auf  das  Vorbild,  die  Reichs- 
gesetzgebung, spricht  die  württemibergische  Poli- 
zeiordnung von  1549  ^)  aus?.  Der  Reichspolizeiordnung  ge- 
mäß -sollen  die  Amtleute  und  Gerichte  wegen  der  Ehehai- 
ten  Belohnung  Anordnungen  treffen.  Vollständige  Taxen 
der  Gesindelöhne,  femer  solche  für  Tuch  xmd  Schuhe 
bringt  späterhin  die  Taxordnung  von  1579*).  Der  Preis- 
taxen gibt  es  während  des  16.  Jhdts.  in  Württemberg 
(wie  auch  anderswo)  noch  eine  ganze  Anzahl,  aber  ohne 
Nennung  des  Gesindelohnes.  Eine  laufende  Lohntaxe, 
die  Jahr  für  Jahr  erneuert  und  öffentlich  verlesen  werden 
soll,  erließ  der  Rat  der  Stadt  Überlingen  im  Jahre 
1558  *).  In  dieser  Taxordnung,  die  in  den  folgenden  Jahren 
bis  1572  wiederholt  wurde,  steht  außerdem-  noch  ein  Ver- 
bot der  Naturalentlöhnimg.  Wie  in  Württemiberg  1579, 
so  ergingen  gerade  in  demiselben  Jahre  noch  in  anderen 
Territorien  Taxordmmgen.  Die  Stadt  Heidelberg  er- 
hielt eine  solche,  die  auch  die  Gesindelöhne  festsetzte, 
am  1.  Januar  des  Jahres^).   In  Nürnberg  erschien  am 


*)  Oben  S.  121  f.  —  «)  St  A.  Marburg.  Orb,  Akten  Nr.  488.  - 
•)  Reyscher,  Gesetze  XII  S.  157.  —  *)  Ebenda  S.  424.  -  »)  Ober- 
rheinische Stadtrechte  II  S.  457.  —  *)  L.  A.  Karlsruhe,  Kopialbuch 
508;  Kr.  A.  Würzburg  V.  956t 


—    619    — 

.  Augtiist  1579  eine  Verordnung  ^),  die  nicht  die  absoluten 
faxen  ^bringt,  dafür  aber  eine  „Verwarnung**  an  die  Dienst- 
K>ten,  ,Jre  Dienstbelonungen  also  anzustellen,  das  ein 
ZTbepr  RatU  nit  tusadh  hab,  in  solchem  tax  und  mass  für- 
runehxDien**.  Die  kurpfälzisdhe  Landesordnung  von 
L682*)  -wies  die  Unterinstanzen  zums  Erlaß  von  Gesinde- 
tohnordnungen  an.  Undatiert,  aber  sicherlich  demi 
16.  Jhdt.  angehörig,  ist  eine  im!  Kreisarchive  zu  Bam- 
berg') aufbewahrte  Taxordnung,  die  an  erster  Stelle 
den  Gesindelohn,  danacSi  andere  Löhne  der  Höhe  nach 
bestimlmt.  Auch  Idas  Datumi  eines  Taxversuches  in  Neu- 
burg atis  'dem  16.  Jhdt.  *)  läßt  sich  nicht  näher  feststellen. 
Es  handelt  sich  nur  um*  einen  Entwurf  —  „ist  nit  auss- 
gangen**  — ,  der  die  gewöhnlichen  Vorschriften  fürs  Ge- 
sinde enthält. 

Kurz  vor  deml  Jahlrhundertende  brachte  die  ha  dei- 
ner Polizeiordnung  von  1597*),  die  als  Übergang  2aun 
Jabrhtuidert  der  großen  Taxordnungen  dienen  niiag,  leine 
abgeschlossene  Lohntaxe  fürs  Gesinde;  die  Überschrei- 
tung ist  bei  zehn  Gidden  Strafe  verboten,  nur  über  die 
Reichimg  yon  Leinen  und  Schuhen  mag  freie  Verein- 
banmg  erfolgen  •). 

Iljre  Blüte  erlebten  die  Taxordnungen  im}  17.  Jhdt. 
Der  Anstoß  ist  offenbar.  Amierika  war  von  1545  an  für  die 
Lieferung  der  Edelmetalle  ausschlaggebend  geworden; 
die  Silberproduktion  stieg  imgeheuer.  Späterhin  kam'  dann 


^)  Kr.  A.  Nflraberg  Best  A.  Akten  Nr.  34  S.  I  L.  665;  Kamann 
S.  98.  —  *)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  ■)  Kr.  A.  Bamberg.  Meyers 
CoUectanea  Fase  64. —  *)  Kr.  A  Neuburg.  Pfalzneuburg  aus  A  10014. 
')  Spangenberg,  Vcrordn.  f.  Hannover  IV  8  S.  140.  —  •)  Auch 
das  Ausland  arbeitete  in  diesem  Jhdt  mit  Taxen.  Als  Beispiel  diene 
Willemsens  (oben  S.  609)  Bericht  Aber  eine  grosse  flämische 
Tazordnung  aus  dem  Jahre  1688«  Vgl.  hierzu  femer  Behaegel, 
Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du  comitö  central  du 
travaU  industriel  1906  S.  486). 


—    620    - 

der  große  Krieg.  Und  es  erschien  das  Jahr  1621,  das  Jahr 
der  Kipper  und  Wipper,  schon  mitten  im  Kriege. 

An  der  Hand  der  hessischen  Gesetzgebung  kann 
man  das  Zunehmen  der  Münzverlegenheiten  und  das  da- 
durch   veranlaßte   intensive  Vorgehen    mit  Taxgesetzeo 
wahrnehmen.    Nach  Erlaß  mtehrerer  früherer  Münzord- 
nungen *)  erfolgte  1622  *)  eine  zusanHnenfassende  Erneue- 
rung 'des  Münzrechtes.  Darin  hatte  nüan  nach  den  Worten 
der    gleichzeitig    publiziertien    Taxordnung    „den     miss- 
brauchlichen  Unterschied  eides  guten  Reichs-  und  schlech- 
ten Zahlthalers,  wie  auCh  der  unterschiedlichen  Gülden 
und  Albussen  gäntzlich  casisiren  und  auffheben,  und  alle 
Müntzsorten,  so  Wir  nicht  giantz  verruffen  unnd  verbotten, 
auff ,  und  nach  demj  Fuess  der  innerlichen  Güte  und  Gc^ 
halt  eines  guten,  gerechten,  an  schrot  und  Korn  dess 
heiligen  Reichs  Müntz  Edicten  gemiessen  Reichsthalers, 
reduciren,  valviren  imd  setzen  lassen".    Um!  dem  Münz- 
edikt zur  Wirksamkeit  zu  verhelfen,  schuf  man  die  dazu 
gehörige  Taxordnung.   Sie  gehört  demnach  zu  den  Tax- 
ordmmgen,  die  nicht  um«  der  Löhne  selbst  willen,  aus  so- 
genannten „innem"  Gründen  des  Arbeitsverhältnisses  ge 
schaffen  wurden^),  deren  Grund  vielmehr  der  war,  daß 
das  Münzredht  ein  dankbares  Wirkungsfeld  nötig  hatte. 

Die  Taxordnimg  soll  nur  da  gelten,  wo  nicht  üiedri- 
gere  Preise  imd  Löhne  hergebracht  sjnd.  Sie  ist  zunächst 
nur  für  Cassel  bestimimt,  miuß  aber  subsidiär  auch  im 
übrigen  Lande  befolgt  werden;  „an  welchen  Orten  man 
es  aber  gleichwol  wolfeiler  haben  und  zu  komen  kau. 
auch  die  precia  rerum  sampt  den  Handwercks  und  Ar- 
beits Lohnen,  so  hoch  nicht  wie  allhier  zu  Cassel  ge- 
stiegen", da  soll  von  den  dortigen  Beamten  eine  Um- 
arbeitimg der  Taxordnung  erfolgen.  Auf  Überschreitung 
der  Taxe  werden  durch  die  Polizeiordnung  von  1622*) 

')  Oben  S.  42.  —  «)  LO.  I  S.  618.  —  »)  Zwiedineck-Soden- 
hörst  a.  a.  O.  S.  21.  —  *)  LO.  I  S.  616. 


_    621     - 

Vrt.  17.  zwei  Gulden  Strafe  gesetzt.  Doch  soll  dadurch 
len  Herrsdhiaften  das  Recht  nicht  genommen  werden, 
üohtige  Dienstboten  „mit  einem  oder  anderm  ...  zu 
t>e£^ben". 

In  der  Taxordnung  werden  zunächst  die  Warenpreise 
regruliert.  Dann  folgen  die  verschiedenen  Löhne,  <lar unter 
die  für  Feldarbeiter,  Fruchtbinder,  Waschfrauen  usw.  Als 
64.    Abschnitt  kommt  der   Gesindelohn.    Dieser  beträgt 
(in   der  Klamlmier  ist   der  entsprechende   1620  von  den 
Herren  von  Dörnberg  auf  ihren  Gütern  gezahlte  Lohn 
angegeben)^):    1.    „Einemi  Ackerknecht   so  allerley 
Arbeit  verriditet,  als  Säen,  Grass-  imd  Heumachen,  sei- 
nem Herrn  das  Futter  schneidet,  auch  den  Acker  stellet 
und  drischet"  Mietgeld  4  Alb.  8  hell,  Lohn  11—12  Th. 
(16  fl.),    3   Paar   Schuhe   (1   Paar),   12   Ellen   Leintuch. 
2.  „Einem  Acker  jungen,  der  edn  Garben  heben  kann** 
MietgeW  2  Albus,  Lohn  5  Th.  (7  fl.),  Schuhe  und  Tuch 
wie  dem  Knechte.   3.    „Einem  Jungen,  der  den  Pflug 
treibt,  und  nicht  die  Garben  heben  kann*'  Mietgeld  1  Alb., 
Lohn  2 — 3  Th.,  Schuhe  imd  Tuch  wie  oben.    4.  „Einer 
starken  Dienstmiagdt**  Mietgeld  4  Alb.,  Lohn  6  Pfund 
(2  fl.  10  Alb.),  40  Ellen  halbbreites  oder  20  Ellen  ganz 
breites  TuCh  (14  Ellen),  3  Paar  Schuhe,  wovon  zwei  ge- 
doppelt (4  Paar),  8—9  Alb.  Schleiergeld.  (Dazu  bei  Dörn- 
berg 1  Meste  Lein  gesäet);  wenn  die  Magd  geringer  ist, 
dann  goU  sie  auch  weniger  bekomimen.   5.  „Einern^  Kin- 
der-   oder   dergleichen  Mägdlein**   Mietgeld  2  Alb., 
Lohn  3   Pfund  (geringere   Mägde  bei  Dörnberg  2  fl.), 
20  Ellen  Tuch  (14  Ellen),  Schuhe  und  Schleier  wie  oben. 

Wenn  mian  die  in  der  Taxordnung  enthaltenen 
Knechtlöhne  mit  den  Dömbergschen  auf  gleichen  Fuß 
bringt  lunter  Zugrundelegimg  der  im  Münzedikt  von  1622 
enthaltenen  Angaben  *),  so  ergibt  sich  folgendes :  A  c  k  e  r- 

')  Aufgestellt  nach  den  Lohnlisten  der  von  Dörnberg  (LandesbibL 
Cassel).  —  ")  1  Rthlr.  =  82  Albus;  1  Gulden  =  87  Albus. 


—    622    — 

knechtslohn  Dömberg  592  Albiis,  Taxordnung    384 
Albus;  Adkerjungenlohn  Dömberg  259  Albus, 
ordnmig  160  Albus. 

Hieraus  sieht  mian,  was  die  Taxordnung  wenigsl^ns 
für  die  männlichen  Dienstboten  brachte,  eine  Verminde- 
rung des  Einkomimens  des  Ackerknechts  um-  200,    deri 
Ackerjungen  um  100  Albus.   Aus  den  Mitteilungen  überi 
die  Magdlöhne  kann  man  keine  Berechnung  machen.  Die 
Taxordnung  will  den  Mägden  6  imd  3  ,,Pf und"  gewähren,  i 
Was  für   Pfund  gemieint   sind,   ist  schwer  festzustellen,  j 
Wenn  man  das  gebräuchlichste,  Pfund  Heller,  zugruade 
legt,  kann  mian  nicht  weiter  operieren.  Ein  Pfund  Heller 
ist  gleich  einem  rheinischen  Gulden^),  und  der  ist  1622 
in  der  Münzordnimg  nicht  mlehr  genannt.  Wenn  man  den 
gemeinen  Gulden  real  =  37  albus  wählt,  bekomml  man 
für  die  Magdlöhne  unwahrschemliche  Steigerungen  der 
Taxe  gegenüber  der  Dömbergschen  Gepflogenheit;  die 
Dörnbergsche  Magd  würde  138  albus,  das  Kindermädchen 
37  albus  weniger  bekomimen,  als  die  Taxordnung  als  Maxi- 
mum zugestehen  will.  In  der  Gewähnmg  von  Naturalien 
bleibt  Dömberg  vielfach  hinter  der  Taxe  zurück.   Nur  in 
wenigen  Punkten  gibt  er  mehr;  vor  allem  mit  dem  Lein- 
säen,  das  die  Taxordnung  gar  nicht  erwähnt. 

Da  die  Geschichte  des  Taxwesens  in  Hessen  im 
weiteren  Verlauf  des  17.  Jhdts.  ein  Hauptstück  des  ersten 
Teils  dieser  Arbeit  bildet,  genügt  es,  hier  auf  die  Interna 
der  Entstehungsgeschichte,  insbesondere  die  langwierigen 
Landtagsverhandlungen,  wie  dies  oben  *)  mitgeteilt  wurde, 
zu  verweisen.  Hier  sei  nur  das  angeführt,  was  die  ver- 
schiedenen zustande  gekomlmenen  Taxordnungen  an  ma- 
teriellem  Inhalte  bieten. 

Der  Taxordnung  von  1622  sollte  wenig  Wirksamkeit 
beschieden  sein.  Der  gewaltige  Gegensatz  der  Lohnmaxi- 


*)  Scherz,  Glossarium,  sub  voce  Pfund  Heller.    —   *)  S.  46 ff. 


—    623     - 

ma  zu  den  tatsäc'hlich  gezahlten  Löhnen  erklärt  dies  zur 
Genüge.  Dann  komlmt  noch  der  Krieg  hinzu.  Dagegen 
schwand  ein  Faktor»  die  Geldentwertung,  auf  einige  Zeit. 
Nach  1620  zeigte  sich  ein  auffallender  Rückgang  der 
Süberproduktion  (wähnend  allerdings  das  Gold  sich  stetig 
vermehrte)  ^). 

Die  wichtigsten  der  späteren  hessischen  Taxordnun- 
nungen  sind  die  von  1645  und  1659*).  Die  Taxe  von 
1645  gilt  zunächist  nur  für  Cassel ;  wo  die  Löhne  niedriger 
sind,  da  „mia^  es  dess  orthis  Gebrauch  unnd  der  Billigkeit 
nach  gehalten  und  gesetzt  werden".  Die  Löhne,  die  wie 
1622  in  Kap.  65  stehen,  sind  im  Vergleich  mit  1622  die: 


16i5 


1622 


▲ckerkneeht: 


Mietgeld  8  Albus 

Lohn  19—14  Th. 

Schuhe  und  Tuch 

wie  1632 


4  Alb.  8|HeU. 
11-12  Th. 


Junge  ftlr  Garbenheben: 


Mietgeld  6  Albus 

Lohn  6V«  Th. 
Naturalien  wie  1622 


2  Albus 
5  Th. 


Jimge  für  Pflugtreiben: 


Mietgeld  4  Albus 

Lohn  8—4  Th. 
Naturalien  wie  oben 


1  Albus 
2-8  Th. 


Magd: 

Mietgeld  6  Albus         4  Albus 
Lohn  6  Pfund,  6  Pfund 

Naturalien  unver- 
ändert 

Kfaidermädehen: 

Mietgeid  4  Albus         2  Albus 
Lohn  8  Pfund  8  Pfund 

Naturalien  unver- 
ändert 


Die  teilweise  bedeutende  Taxerhöhimg,  zu  der  man 
sich  hiemach  1645  verstehen  mußte,  sollte  durch  zwei 
Maßnahmen  wenigstens  etwas  zum  Vorteil  der  Brotherren 
abgeschwächt  werden.  Einmial  wurde  erlaubt,  daß  der 
Lohn  für  die  Knechte  statt  in  Geld  durch  Fruchtsäen, 
nach  Belieben  des   Herrn  beglichen  wurde.    Dies  Vor- 

*)  Helfferich,  Das  Gold,  S.  88-104;  Lexis,  Artt.  Gold, 
Süber  im  Handw.  d,  St.  W.  -  «)  LO.  I  S.  667;  U  S.  89.  -HS.  124, 190. 


—    624    — 

gehen  ist  durchsichtig.  Der  Herr  konnte  das  bare  Geld 
natürlich  imlmer  brauchen,  auch  wenn  es  noch  so  sehr 
entwertet  war.  Und  die  Fruc'ht  stand  ihm  gerade  jetzt, 
wo  sie  fast  nidhts  mehr  wert  war,  da  sie  ihm  zinslos 
lagerte,  reichlich  und  billig  zur  Verfügxmg;  möchte  der 
Knecht  sehen,  wie  er  sie  verwerten  wollte.  Die  andere 
Maßnahme  ist  die,  daß  den  Mägden,  wenn  der  Herr 
mit  ihnen  handeln  will,  „eins  vor  alles"  gegeben  werden 
soll,  der  Köchin  7  Th.,  Viehmlagd  6  Th.,  Kindermagd 
31/, — 4  Th.  Dies  steht  nicht  iinl  Widerspruch  zum  vorigen. 
Denn  den  Mägden  soll  nicht  Brotfrucht  durch  Geld  er- 
setzt werden,  sondern  das  im'  Preise  getriebene  Leder- 
und  Kleiderwerk.  Wenn  die  Herrschaft  dies  auch  aus  der 
eigenen  Wirtscfhiaft:  liefern  konnte,  es  ihr  also  relativ  billi- 
ger zu  beschiaffen  war  als  andern,  so  hatte  sie  davon 
doch  mehr,  wenn  sie  es  nicht  den  Dienstboten  zu  geben 
brauchte,  sondern  teuer  verkaufen  konnte.  Natürlich  ist 
die  Taxüberschireitung  auch  1645  mit  Strafe  bedroht:  ein 
Halbjahrslohn  für  den  Dienstherrn,  für  den  Dienstboten 
ein  Vierteljahrslohn  oder  Gefängnis,  wenn  er  nicht  bezah- 
len kann. 

Audi  für  die  Taxordnung  von  1645  gibt  es  zur 
Betirteilung  ihrer  „Richtigkeit"  einen  Maßstab  in  den 
loshauser  Registern*).  Wieder  soll  hier  zunächst  die 
Taxe  von  1645  hergesetzt  werden,  daneben  dann  die  los- 
hauser Löhne. 

(Siehe  nebienstehende  Tabelle.) 


*)  St  A.  Marburg. 


—    625    — 

Diese  Liste  aeigt,  daß  der  Lohn  des  Obierknechts 
stets  weit  über  die  Taxe  hinaus  ist;  bisweilen  erreicht 
er  das  Doppelte.  Der  Geld  lohn  des  Mittelknechts  bleibt 
in  den  ersten  Jahren  unter  deml  Taxminimtim.  1645,  wo 
er  sogar  gerade  halb  so  groß  ist,  wird  die  Lücke  durch 
die  sechs  Mesten  Weiaaen,  die  er  ausgesäet  bekonrünt, 
erfüllt.  Und  dann  steigt  der  Lohn  plötzlich;  nie  kommt 
er  wieder  iinter  die  Taxhöhe,  während  der  Weizenlohn 
verschwindet.  5  und  3  Thaler  ist  der  Mittelknecht  über 
den  Taxzahlen  imi  letrten  Jahr  1651.  Der  Jungenlohn 
hält  sich  in  den  Jahren  1644  und  1645  unter  der  Höchst- 
grenze, wie  sie  die  Taxordnimg  normiert.  Dann  steigt 
er  1646  und  ist  1647  uirt  drei  Thaler  der  Taxordnung 
über  den  Kopf  gewachsen.  Dafür  bleibt  aber  das  Ein- 
kommen an  Naturalien  (Schtihen,  Lein)  immer  unterhalb 
der  Grenze;  dies  ist,  wenn  man  von  deim  für  Loshausen 
typischen  Pfund  Schmalz  oder  Fett,  absieht,  regelmäßig 
auch  für  die  andern  Dienstboten  der  Fall.  Mit  den  An- 
gaben über  Magdlöhne  Läßt  sich  nicht  viel  anfangen. 
Da  ist  wieder  die  Pfundrechnung;  in  Loshausen  werden 
dagegen  Thaler  und  Albus  gezahlt.  Doch  kann  mian  wohl 
soviel  entnehmien,  daß  der  Lohn,  insbesondere  was  die 
Natuialia  anbetrifft,  in  der  Regel  die  Taxgrenze  nicht 
übertroffen  hat.  Das  Kindermädchen  dagegen  scheint  an 
Geld  Imehr,  an  Sachen  das  in  der  Taxordnung  bestimlntfe 
bekomanen  zu  haben. 

Im'  Landtage  wurde  eine  Gesindelohntaxe  auch  in 
den  folgenden  Jahren  stets  von  neuem  verlangt*).  Zu- 
nächst freilich  erg^gen  Taxordnungen,  die  nur  für  Tage- 
löhner und  sonstige  landwirtschaftliche  Arbeiter  be- 
stimmt waren,  so  1645,  1647,  1649,  1655*).  Sie  wieder- 
holen mteist  die  alten  Lohnsätze ;  ntir  1647  sind  die  Taxen 
meist  um  Vj  albus  höher. 

*)  Oben  S.^46  flEl  -  *)  Oben  S.  46. 

Kdnnecke.  40 


—    626     — 

Eine  Tarif  ierimg  auch  der  Gesindelöhne  erfolgrte  wie- 
der in  der  ^rroßen  Taxordniing  vom!  19.  Dezember  1653  ^). 
Bei  Vermieidung  schwerer  Strafe  sollen  die  Sätze  nicht 
überschritten  werden.  Die  Preise  und  Löhne  sind  diesmal 
alphabetisc'h  geordnet,  so  daß  die  Dienstboten  nicht  wie 
früher  an  letzter  Stelle,  sondern  schon  in*  8.  Titel  be- 
rücksichtigt werden. 

Die  Taxen  sind,  soweit  Vergleiche  zu  miachen  waren, 
gegenüber  1645  mteist  gestiegen.  Nur  der  Lohn  der 
Ackerknechte  ist  noch  unter  die  Höhe  sielbist  von  1622 
hinuntergeschraubt,  er  soll  8—12  Th.  betrag^en  (1622: 
11—12,  1645:  12—14  Th.).  Und  die  Naturaliengewäh- 
rung wird  noch  mehr  eingeschränkt.  Beachtenswert  ist, 
daß  die  Mietgelder  gegen  früher  ganz  rapid  gestiegen 
sind :  25  Albus  für  den  Knecht  (1645 :  8  Albus),  18  Albus 
für  den  Mittelknecht  (ein  älterer  Junge  1645:  6  yVlbus), 
8  Albus  für  iden  Jimgen  (1645 :  6  resp.  4  Albus),  20  Albus 
für  die  Magd  (1645:  6  Albus),  10  Albus  fürs  Kinder- 
mädchen (1645:  4  Albus).  Nm:  w«iig  mehr,  imd  man 
braucht,  beim!  Ackerknecht  wenigstens,  nicht  mehr  von 
einem  Mietpfennig,  sondern  man  kann  nun  von  einem 
Mietethaler  reden;  in  der  Praxis  war  dieses  Moment 
wohl  schon  lange  eingetreten,  ehe  die  stets  nachhinkende 
Taxordnung  so  weit  gekomimen  war. 

Zwei  Jahre  später,  1655,  wurde,  wie  schon  erwähnt, 
eine  Taxordnung  für  Tagelöhner  usw.  erlassen'),  in  der 
die  Beamten,  Bürgermieisller  xmd  Rat  aufgef ordiert  wurden, 
für  ihren  Bezirk  Taxen  äu  entwerfen  xmd  zur  Geinehmiigung 
einafureidien.  Inwieweit  diese  befolgt  wurde,  war  nicht 
festztisjtellen. 

Wie  gering  der  Erfolg  auch  der  späteren  Taxord- 
nungen war,  ergibt  sicih  aus  folgender  TabeDe;  die  erste 
Reihe  gibt  die  Sätze  der  Taxordntmg  von  1653,  die  fol- 


»)  LO.  II  S.  134,  190.  -  «j  LO.  II  S.  122,  286.  • 


—    627    — 


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—    628    — 

gende  die  1652 — 56  wirklidi  gezahlt^ti  Löhne  nach  einer 
Zusamimenstellting  aus  den  DömbergscWen  Lohnbüchern  M 
und  aus  dem'  loshanser  Register*). 

Weitere  Beispiele  von  hohen,  die  Taxe  überschreiten- 
den Löhnen,  bieten  einigte  Prozeßakten  *).  1652  gab  Albert 
Rabe  von  Pappenheiml  einem  Knecht  18  Thaler  fürs  Jahr, 
1660:  7  Thaler,  einem!  Ackerjungen  1662:  6,  1663:  8 
Thaler.  Ein  anderer  Knecht  war  1654  vom'  Oberschultheiß 
ru  Cassel,  also  eineml  Mann,  dem  die  Befolgung  der  Tax- 
ordnung  speziell  auferlegt  war,  um'  20  Thaler  gemietet 
worden.  Nac'hher  fiel  dem'  Oberschultheißen  allerdings 
die  Taxordnung  ein,  imd  so  wollte  er  dem!  Knecht  nur 
12  Thaler  geb|en;  so  wenig  bekomimt,  wie  der  Knecht  in 
seiner  daraufhin  angestrengten  Klage  gi^en  den  Ober- 
schultheißen sagt,  ein  Bauemjunge  auf  dem'  Dorfe  als 
Lohn. 

Dies  über  Hessen.  Nic^ht  anders  als  hier  war  es  in 
den  andern  deutschen  Ländern.  Schlag  auf  Schlag  folgen 
sich  hier  die  Taxordnungen  für  Gesindelöhne,  ganz  ab- 
gesehen von  den  sonstigen  Preis-  und  Lohntaxen.  Es 
hat  keinen  Wert,  hier  die  verschiedenen  Taxsätze  auf- 


^)  Die  Taxordnung  von  1658  soll  zwar  nur  fürs  Oberftürstentum 
gelten.  Bei  dem  Mangel  an  vergleichbarem  Material  mag  die  Heran- 
ziehung der  niederhessischen  Dömbergschen  Lohnverhaltnisse  ge- 
stattet sein.  Die  wirtschaftlichen  Unterschiede  zwischen  dem  Ober- 
und  dem  NiederfÜrstentume  waren  nicht  so  gross,  dass  man  den 
Vergleich,  sowie  er  in  der  umstehenden  Tabelle  durchgeftlhrt  ist,  nicht 
wagen  könnte.  Die  Tabelle  zeigt  ja  fOr  Loshausen  imd  für  DOmberg 
genau  dieselbe  Erscheinung:  grossenteils  beträchtliche  Oberschreitungen 
der  Taxe.  —  *)  Bemerkt  sei  noch,  dass  Dömberg  den  Lohn  zunächst 
in  Gulden  angibt  und  diesen  dann  nach  einem  mit  dem  MOnzedikt 
von  1622  durchaus  nicht  mehr  übereinstimmenden  Fusse  auch  noch 
in  Thaler  umrechnet.  Da  die  Taxordnung  sich  wohl  noch  an  die 
Bestimmungen  des  MOnzediktes  halt,  dies  aber  den  wahren  Geldwert 
nicht  mehr  auszudrücken  vermag,  so  wurde  die  DOmbergsche  Um- 
rechnung aufgenommen.  -^  ')  Landesbibliothek  CasseL  Ohne  Akten- 
zeichen. —  Die  Löhne  stammen  freilich  auch  wieder  aus  Niederhessen. 


—    629    — 

zuführen,  zumal  nur  geringes  Material  zur  Vergleichüng 
mit  den  tatsächlich  gezahlten  Löhnen  zur  Verfügung  steht. 
Die  bloße  Aneinanderreihung  der  vielen  Taxbestintiimunr 
gen  zeigt  ja  schon  zur  Genüge  die  Tendenz  und  den  Eifer, 
mit   dem  ihr  nachgelebt  wturde. 

Folgendes   sind  die  Daten   der  Taxordnungen,  die 
feste    Sumünen  bestimmten:    Schleswig   1632^),   Ha- 
deln  12.  April  1633  und  14.  April  1655*),  Kehdingen 
3.  Juli  16803),  Lauenburg  9.  April  1655*),  Ostfries- 
land    (Entwurf,    undatiert)^),*    Osnabrück    18.   Juni 
1608^),  Braunschweig  22.  Januar  1622'),  Waldeck 
24.  Au^TUSt  1632^),  Schaumiburg-Lippe  im  Novenu- 
ber    1654^).    Lippe-Detmold   8.   August   1654,   1655 
und  165810),  Sachsen-Weim'ar  22.  Juli  1651"),  Ko- 
burg  imd  Altenburg  1652"),  Paderborn  1655"), 
Ravensberg  1655 1*),  Cleve  2.  August  1608,  2.  Juni 
1644  und  3.  August  1646"),  Friedberg  1680"),  Ge- 
dern    11.   Januar   1681"),   Katzenelnbogen   (unda- 
tiert, nur  für  Müllerknechte)*®),  ferner  7.  Dezember  1643**), 


*)  Schrader,  Vaterland.  Rechte  IIIS.SOO.  —  *)  Spangenberg, 
Verordn.  f.  Hannover  IV  8  S.  240,  265.  —  *)  Polizeiordnung  f.  d.  Herzog- 
thOmer  Bremen   und  Verden  (Stade  1711)  S.  771.  —   ^)  Spangen- 
berg a.  a.  O.  IV  2  S.  227.   —   *)  St.  A.  Aurich.    Archiv  der  ost- 
friesischen Landschaft.  OB.  Polizeisachen  zu  Nr.  8.  —  *)  St.  A.  Osna- 
brück« Rep.  100  Abschnitt  200  aus  Nr.  1.  —  ')  In  einem  Sammelband 
der   Stadtbibliothek  Mainz.   —   *)  Fflrstl.  Regierung  Arolsen.    Alte 
Waldeckische  Verordnungen  1626 — 1776  (Sammelband).  —  •)  Landes- 
verordnungen II  S.  28.   ^   ^^)  Landesverordnungen  I  S.  406,  42i.  — 
")  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  U8,  U9.  —  »)  Dorn 
S.  860;  Brandt,  Der  Bauer  in  Altenburg  S.  82  ff.  —  ^')  Landesver- 
ordnungen I  S.  6.  —  *^)  18.  Jahresbericht  des  historischen  Vereins  f. 
d.  Grafschaft  Ravensburg  S.  124.  —   ")  Scott i,  Cleve  S.  216,  260, 
264.  —  »•)  PoHzeiordnung.    Univ.-Bibl.  Marburg.  —  ")  Grafüch  Stol- 
bergisches  Archiv  in  Gedem.   B.  XX  „Allerhand  Verordnungen  und 
Befehle  so  in   der  Grafschafit  Stolbeig  -  Gedem  ergangen",  S.  61.  — 
^*)  Magazin  f.  d.  teutschen  Rechte  u.  Geschichte  (Selchow  I  S.  476  ff. 
")  St.  A.  Wiesbaden.  VI  1  Nassau-Weüburg.  Generalia  XIVf.Nr.  18. 


—    630    — 


Nassau  20.  Dezetnlbier  1643^)  und  6.  September  1649 >), 
Nassau-Beilstein  23.  Dezembbr  1618^),  Mainz 
13.  Oktober  1623*),  Frankfurt  a.  M.  vor  1644  und 

1.  Mai  1654*),  Hessen-Darmistadt  8.  Januar  1626 
und  29.  April  1639«),  der  f  ränkis<?h.e  Kreis  13.  und 
23.  September  1643^),  Würzburgf  September  1644  und 
17.  Juli  1652 «),  Würziburg'  und  Kurmlainz  gemeinsam  für 
Amorbadh,    Buchen    und    Walldürn    1653     und 

2.  März  1654»),  AsChaffenbürg  für  Miltenberg  9.  No- 
vemiber  1623^*^),  das  brandenburgische  Franken 
31.  Januar  1652, 1672  (wenigstens  Hinweis  auf  eine  frühere 
Taxe)  ^^),  Bam'ber  g  28.  Januar  1644  (ebenso)  und  12.  Juli 
1652 1«),  pfälzisdhe  Gebietsteile  10.  Juni  und  30.  Juli 
1652  und  28.  Dezefailber  1654"),  Neustadt  (mit  Geltung 
auch  für  Landau)  22.  Deaemiber  1640^*),  Altbayern 
23.  März  16381«^),  14.  April  1638"),  15.  November  1654*^), 
7.  Januar  1656  "),  14.  März  1660 1«),  7.  Mai  1660  »<>),  Land- 
gericht Friedberg  1651*^),  Württemberg  30. April 
1642"),  sowie  nach  der  Vergleichung  des  schwäbi- 
schenKreises  vom  12.  April  1652  "),  der  Vereinbarung 


')  Corp.  Const  Nass.  II  S.  204.  —  *)  St.  A.  Wiesbaden  a.  a.  0. 
—  •)  Corp.  Const.  Nass.  11  S.  29.  —  *)  In  einem  Sammelbande  der 
Stadtbibliothek  Mainz.  —  *)  Stadtarchiv  Frankfurt  Corpus  legum  ID 
Nr.  81,  68,  65.  —  *)  Haus-  und  Staatsarchiv  Darmstadt.  Höpfnerscbe 
Sammlung.  —  0  Kr.  A.  München.  GR.  Fase.  402  Nr.  1.  —  •)  Kr.  A. 
WOrzburg.  V.  9561.  —  *)  Taxordnungen  in  der  Habeischen  Samm- 
lung. —  »«)  Ebenda.  —  ")  Kr.  A.  Amberg.  Zugang  6  Fasz.  24  Nr.  212; 
Corp.  Const.  Brandenb.-Culmb.  II  1  S.  556  ff.,  bes.  594.  -  ^*)  Kr.  A. 
Bamberg.  Verordnungen  Rep.  141  Nr.  59.  —  **)  Kr.  A.  Amberg.  Zu- 
gang 6  Fasz.  24  N.  212.  —  '*)  Archiv  der  Stadt  Speier.  Fasz.  547.  - 
*•)  R.  A.  Mönchen.  Generalien-Sammlung.  Rep.  S.  9  Nr.  5,  —  *•)  von 
Frey  berg,  Pragmatische  Geschichte  der  bayerischen  Gesetzgebung 
und  Staatsverwaltung  II  S.  187.  —  ")  Wie  Anm.  15.  —  ")  Kr.  A. 
München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  —  *^  Ebenda.  -  '•)  v.  Freyberg 
a.  a.  O.  S.  191.  —  «)  Kr.  A.  Neuburg,  ad  H.  5887.  Augsburg  Hoch- 
stift ad  Generalia  XI  Nr.  2.  —  «")  Rey  seh  er,  Gesetze  XIII  S.  17.  - 
*^  St.  A.  Stuttgart    Druck. 


—    631     — 

mehrerer  schwäbischer  Städte  vom  3.  und  4.  Mai  1669  ^), 
schließlich  der  Taxordnung  vom  19.  November  1669*), 
Biberacfh  1651»),  Baden:  Herrschaft  Gutenburg 
13.  Aiigrust  1652*),  Bonndorf  18.  Novemfber  1652*), 
Gutenburg  1653«),  Villingen  1.  August  1668^). 

Anders  ist  die  Gesetzgebungsmethode  der  schäum- 
burger  Polizeiordnung  von  1615®).  Sie  beauftragt  die 
Drosten  imd  übrigen  Beamiten,  Lohntaxen  fürs  Gesixide 
gebietsweise  ru  erricfhten;  diese  Taxen  dürfen  bei  Strafe 
nicht   überschritten  werden. 

Wieder  in  anderer  Weise  wollten  die  Verordnungen 
mehrerer  Staaten  dem  Lauf  des  Wirtschaftslebens  eine 
Art  Freiheit  lassen.  Sie  stellten  keine  feste  Zahl  auf, 
die  die  Lohnsimitme  nic'ht  überschreiten  durfte.  Sie  re- 
gulierten die  Löhne  vielmehr  in  der  Weise,  daß  verboten 
wurde,  über  eine  vor  Jahren  gebräuchliche  Lohnhöhe 
hinaus  zu  geben. 

So  wiude  in  SchaunUburg  die  vor  10  Jahren  ge- 
bräuchliche Lohnsumime  als  Norm  aufgestellt  am  19.  De* 
zember  1620  ®).  Wie  sehr  gerade  diese  Art  der  Lohntari- 
fierimg  tintfcr  Umiständen  von  der  Auffassung  diktiert  war^ 
daß  der  Lohn  nicht  fest  taxierbar  sei,  geht  aus  dem 
Wortlaut  einer  vom  6.  Dezember  1631  datierten  Tax- 
ordnung für  Rötteln*®)  hervor:  „Weyl  in  solchem  ubrgen 


^)  Ebenda.    Handschrift.  —  *)  Reyscher,  Gesetze  XinS.496. 

-  ')  Kn  A.  Neuburg«  ad  H.  5887.  Augsburg  Hochstift  ad  Generali  XI 
Nr.  2.  —  *)  L.  A.  Karlsruhe.    KopiarbOcher  Nr.  692i..  —  »)  Ebenda. 

-  •)  Ebenda.  —  ')  Oberrheinische  Stadtrechte  II  S*  208  ff.,  bes.  214. 

-  •)  Rottmann  S.  428  (Kap.  68).  —  Vgl.  auch  die  oben  S.  618 
an  der  Hand  der  tiroler  Ordnung  von  1852  gemachte  Darlegung  Ober 
die  drei  verschiedenen  Hauptarten  der  Tarifierung;  im  folgenden 
Absatz  werden  Beispiele  für  die  dritte  Art  mitgeteilt  —  »)  Landes- 
verordnungen Schaumburg  -  L.  I  S.  404.  —  Schaumburg  hatte  1615 
gebietsweise  Tarifierung,  1620  Verweisung  auf  Brauche  vor  Jahren, 
1664  feste  Taxen  (oben  S.  629).  —  ")  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Herr- 
schaft Rötteln  Fasz.  461. 


—    632    — 

Ungleichheit  der  arbeiten  undt  der  Personen,  auch  es  des 
Lohns  halber  ung'leich  gehalten  würdt,  ako  khein  grewiss^ 
heit  hierin  zusetoen;  So  \^rden  sich  Herrn  undt  Meister, 
Knecht  und  Mägdt  hierin  der  billichkheit  wissen  ru  ver- 
halten :   Undt  sich  die  Dienstbotten  also  dess  Lohns  hal- 
ber verhalten,  damit  man  beysamimen  bleiben,  undt  uff 
vorkomimendei  Klage  nit  ursach  habe,  gebührendt  einsehen 
zuehaben:  damit  aber  hierin  kein  Ubermaass  gebraucht 
werde.  So  soll  sunderliüh  der  jenige  Lohn  auch  dissmahles 
aecht  genomknen  undt  geben  werden,  der  in  Ar.  17  undt 
18.  den  Knechten  undt  Mägdten  ist  gegeben  wordoi." 
Zuerst  wird  der  Lohn  also  wegen  der  Ungleichkeit  der 
Arbeit  und  der  Kräfte  der  Billigkeit  der  Parteien  anemp- 
fohlen.   Aber  es  muß  doch  eine  Gnmdlage  geschaffen 
werden,  damit  „hierin  kein  Ubermaass  gebraucht  werde". 
Hier  ist  ferner  der  im;  Verzeichnisse  der  festen  Taxen 
oben ^)  schon  aufgezählten  clevischen  Gesindeordnung 
von  1644  m  gedenken.  Für  die  meisten  Dienstboten  wird 
eine  feste  Taxe  gegeben.    Baumeister,  Fuhr-  und  Mittel- 
knechte jedoch  sollen  keinen  höheren  Lohn  erhalten,  ak 
vor  1609  (I)  jeden  Orts  üblich  war,  „wobei  jedoch  der 
jetzige  Münzwerth  und  die  grössere  Theuerung  aller  Ge- 
genstände ru  berücksichtigen  ist".    Köln  greift  am  15. 
Februar  1645*)  auf  den  vor  15  bis  16  Jahren  üblichen 
Satz  rurück.  Die  Polizeiordntmg  von  1656^)  bestimmt  gar, 
daß  der  Lohn  ermittelt  werden  soll,  wie  er  vor  40—50 
Jahren  war;  er  soll  „hiemach  für  die  Zukunft  festgestellt 
werden".    Auf  bloßes  „vor  Alters  Herkommen"  verweist 
eine  darmstädter  Verordnung  vom  1.  Juli  1672,  die 
am'  15.  August  1684  erneuert  wurde*);  eine  feste  Taxe 
ist  in  Vorbereitung.  Auch  die  braunschweig-lüne- 
burgischen  Gesetzgeber  hielten  eine  solche  Regelung 
für  grut,  als  sie  am;  31.  Oktober  1621  in  einer  Taxord- 

0  S.  629.  —  »)  Scotti,  Köln  I  1  S.  249.   —  •)  Ebenda  S.  263. 
—  *)  Archiv  Darmstadt.    HOpfnersche  Ediktensammlung. 


—    633     - 

nung  ^)  die  vor  20,  30,  40  und  mehr  Jahren  gebräuchlichen 
Löhne  für  miaßgiebend  erklärtet. 

Bisweilen  gehen  die  Lohnbestimlmungen  nicht  ein* 
mal  so  weit.  Ein  ziemlicher,  erträglicher  Lohn  soll  nach 
lüneburger  Recht  vom!  6.  Oktober  1618*)  künftig  ver- 
einbart werden ;  von  irglend  einer  Festsetzimg  ist  gar  nicht 
die  Rede.  Noch  genügsamier  ist  das  fuldische  Aus- 
schreiben  vom'  3.  Deziember  1652  ').  Es  klagt  in  der  Ein- 
leitung über  zu  hohen  Lohn,  bestimlmt  aber  hinterher 
nur  über  Dinge,  die  damit  direkt  nichts  zu  tun  haben. 
Im'  Kalenbergischen  wird  am  10.  August  1654*) 
angeordnet,  daß  billigmäßiger  Lohn,  den  vorigen  Ge- 
sindeordnungien  „allerdings  conform^*,  gefordert  und  zu- 
gebilligt werden  soll. 

Offen  ausgtesiprochen  wird  der  Gedanke,  daß  eine 
Tarifienmg  immlögliCh  erscheint,  sogar  im  17.  Jhdt.  des 
öfteren.  So  verzichtete  mian  1616  vorübergehend  auf  eine 
Bestimtaiung  in  Bayern.  Da  heißt  es*):  „Wiewohl  in 
voriger  unserer  Polizei-Ordmmg  den  Ehehalten  nach  eines 
jeden  Dienstes  Gelegenheit  ein  gewisser  Lohn  bestimmt 
worden  sei,  da  sich  aber  immerhin  die  Zeit  xmd  Jahrgang 
verändern,  auch  in  unsem  Landen  in  diesiem'  nicht  allent- 
halben kami  eine  Gleichheit  gehalten  werden^  so  soll 
gleichwohl  niemland,  wie  er  seine  Ehehalten  belohnen 
solle,  einig  gewisise  Mass  fürgeschrieben  werden ;  doch  soll 
den  Obrigkeiten  jeden  Orts  hiemit  anbefohlen  sein,  wo 
sie  hierin  mit  Gebung  oder  Fordenmg  des  Lohnes  sowohl 
bei  den  Herrschiaften  als  Ehehalten  eine  Übermass  ver- 
spürten, sie  nadh  Gelegenheit  der  Zeit,  Ort  und  anderer 
Umstand  gebührend  Einsehen  fürnehmen  zu  wollen.** 

Auch  die    nürnberger   Dienstbotenordnimg   von 


*)  Fürstl.  Braunschw.-L.  Zellischen  Theils  Polizey-Ordnung  (1700) 
S.  175.  —  ")  Landesverordnungen  Lüneburg  Cap.  4  Bd.  1  S.  1.  — 
*)  Sammlung  der  cass.  Regierung;  oben  S.127  ff.,  —  ^)  Landesordnungen 
Kaienberg  IV  S.  205.  -  •)  PI  atz  er  S.  115. 


—    634    — 

1628^)  will  den  Lohn  nicfht  begrenzen:  „Solchem  nach 
gebeut  ein  E.  E.  Rath  hiemit  auch  ernstlich  und  will, 
dass  hinfüro  dissfalss  aller  Uberfluss  eingestellt  und  den 
Ebehalten  ein  billiger  und  bey  disen  Zeiten  leydenlicher 
und  erschwinglicher  Lohn  nach  deren  Qualitäten  und  Be- 
schaffenheit jährlich  geraichet  werde."  Nürnberg  hielt 
sich  überhaupt  von  den  Taxstrebungen  des  17.  Jhdts. 
fern. 

Verzichtsam:  wurden  gegen  Ende  des  Jahrhunderts 
auch  Idie  Regierenden  in  Würzburg.  Im  letzten  Abschnitt 
der  „New  ifevidirten  Tax-Ordnung"  vom*  22.  Juni  1696^ 
wird  wörtlich  das  wiedergegeben,  was  über  die  Dienst- 
boten schon  in  der  für  die  neue  Ordnung  vorbildlichen 
Taxordnung  von  1652®)  stand.    Nur  der  letzte  Titel  V 
ist  ganz  geändert.  1652  war  hier  eine  spezialisierte  Lohn- 
taxe  gegeben;   1696  mlacht  sie   folgenden  Erwägungen 
Platz:    „Wann  auch  under  andern   Beschwerden    diese 
nicht  die  geringste  ist,  gleichwohl  aber  etliche  Jahr  hero 
sehr  überhand  genomimen,  dass  die  Knecht  und  Mägd  viel 
zu  hohe  übenn»essige  Löhn  fordern,  also  dass  der  Hauss- 
mann, wegen  diese  ersteigerten  Löhne  hart  zuleiden  hatt ; 
Ja  da  es  ru  Zeiten  geschieht,  dass  man  den  Knecht  und 
Mägden  über  jhren  gebührenden  Lohn  noch  Viehe  uff- 
ziehen,  oder  ein  Anzahl  Getreyding  aussähen  muss ;  diesen 
schädlichen  Missbräuchen  dann  nachtrücklich  lusteuren, 
verordnen  und  befehlen  Wir  hiemit  ernstlich,  dass  sich 
jede  Dienstbotten  KneCht  und  Mägd,  mit  solchem  billigen 
Lohn  dergestalten  begnügen  lassen  mögen,  damit  uff  vor- 
kommende  Klag  oder  Beschwemuss   man  solchen  von 
Ambtsweegen  zu  verringern  und  zu  determiniren  keine 
Ursach  haben."    Dies  entspricht  der  schon  an  früherer 
Stelle  der  Taxordnung  gleich  vor  dem  Gesinderecht  fest- 


>)   Kamann   S.  101.    —    «)  Kr.   A.  Würzburg.   V.    9661.  - 
*)  Ebenda. 


—     635    — 

gelehrten    Anschauung:    „WdUen  denen  Trechsslern  und 
mehreren  anderer  oben  nit  genanter  Handwercker  ver- 
fertigenkle  Arbeith,  natih  eines  jeden  Hausshalters  ver- 
schiedene anfremibd-  und  Bestellung  dergestalten  diffe- 
rent  und  underscheiden,  dass  darinnen  gewisse  Zahl  und 
maass  zugeben  nit  sowohl  als  in  obigen  thuenlich'*,  wird 
keine  Taxe  gegeb^i,  sondern  auf  die  Billigkeit  verwiesen ; 
bei  Beschwerden,  so  wird  in  Aussicht  gestellt,  wird  mit 
Strafen  verfahren  luid  andere  Ordnung  erlassen  werden. 
Khe  endgültig  zu  der  neiuen  Zeit  übergegangen  wird, 
die  sich  hier  sichon  mit  tmverkennbarer  Deutlichkeit  an- 
kündiget,  sei  noch  eine  Klemigkeit  aus  dem  Gebiete  des 
Lohnrechts  für  die  früheren  Jahrhunderte  erledigt.    In 
der  FrsLse  der  Naturaliengewährung  spielen  sich 
—    vornehimlidh  seit  dem   17,  Jhdt.,  aber  mit  früheren 
Ansätzen    —   Kleinkämpfe  ab,   die  wenigstens  landwirt- 
schaftlich interessant  sind.    Der  Wert  der  Naturalienge- 
wähnmg,  Kost,  Wohnung,  Kleidung,  Frucht  u.  a.,  über- 
wog   und    überwiegt  vielleicht   größtenteils    auch  heute 
noch  den  Geldlohn  um  ein  Beträchtliches^). 

Die  Stellimg  der  Gesetzgeber  ist  verschieden.  Bald 
gestatten  sie  die  Natturaliengewähnmg,  bald  verbieten  sie 
solches,  soweit  es  über  die  Einräumung  von  Wohnung, 
Kost  luid  vielleicht  auch  Kleidxmg  hinausgeht,  mit  den 
härtesten  Strafen  xmd  befehlen,  daß  Geldlohn  gegeben 
werden  soU.  Der  Grund  für  dies  gegensätzliche  Verhal- 
ten liegt  offen  da.  Wenn  Frucht,  Vieh  und  Leder  teuer 
sind  xmd  von  dem  produzierenden  Landwirt  und  Gesinde- 
herrn zu  hohen  Preisen  mit  hohem  Gewinn  verkauft  wer- 
den können,  dann  nimimt  sich  der  Landesvater  des  Profits 
semes  treuen  Untertanen  an  imd  verbietet  dem  Gesinde, 


^)  Für  die  älteste  Zeit  Grimm,  RechtsaltertOmer  S.  857,  858; 
für  das  19.  Jhdt,:  Mitteilungen  des  Vereins  für  nassauische  Altertums- 
^de  undGeschichtsforschunglS.  Jahrg.  S.  100;  vgl.  auch  A.Neumann, 
Die  Bewegung  der  Löhne  der  ländlichen  „freien"  Arbeiter  S.  859  ff. 


—    636    — 

als  Lohn  die  teuren  Gegenstände  in  natura  zu  begehren  i 
Geld  ist  billiger.  Ist  dagegen  der  Preis  der  Landwirtschaft- 
liclien  Erzeugnisse  gering,  dann  ist  es  dem!  Gesindeherra 
lieljer,  wenn  er  statt  Geldes  den  Leuten  das  g-eringwertige 
Deputat  an  Frucht  und  anderm'  Naturale  geben  kann,  und 
schleunigst  wenden  sich  die  Gesetzgeber  wider  das  hab- 
gierige Gesinde,  das  Geldlohn  beanspruc'ht,  anstatt  sich 
mit  der  nahrhafteren  Getreidefrucht  zufrieden  zu  gebeiL 
Weitere  Erwägungen,  die  das  Vorgehen  der  Gesetzgeber 
in  der  einen  oder  andern  Richtung  beeinflußten,  werden 
sich  aus  der  folgenden  Darstellung  ergeben. 

Für  das  Recht  der  geringerwertigen  Naturalien,  Klei- 
der, Schtihe,  wurde  ^)  aus  Hessen  genügendes  Material 
zur  Beurteilung  der  gesetzgeberischen  Stellungnahme  mit- 
geteilt. Wichtiger  und  mit  größerer  Erbittenmg  ausge- 
fochten  wurde  der  Kam'pf  um  die  Gewährung  der  wert- 
volleren Leistungen  des  Dienstherrn:  Fruc*htliefem, 
Fruchtsäen,  Viehhalten.  Die  Besorgnis,  das  Gesinde 
könne  des  Herrn  Land  und  Vieh  zugunsten  seines  eigenen 
vernachlässigen,  spielte  hier  eine  erhebliche  Rolle. 

Aus  der  älteren  Zeit  sind  zwei  Naturalienverbote  zu 
nennen,  die  wohl  aus  anderen  als  den  angeführten 
Gründen  ergingen.  Welches  die  Veranlassung  zu  dem 
Verbot  einer  nürnberger  Verordnung  des  17.  Jhdts. *) 
war,  die  Ehehalten  mit  Trebem  zu  entlohnen,  sei  dahin- 
gestellt; vielleicht  wurde  diese  Bestimmung  gerade  mit 
Rücksicht  auf  das  Wohl  des  Gesindes  erlassen.  Mehr 
für  die  Taglöhner  als  das  ständig  angestellte  und  bezahlte 
Gesinde  sollten  einige,  wohl  im  Interesse  der  Zehntein- 
kunft erlassene  Verbote  badischer  Orte*)  dienen,  den 
Dreschern  Garben  statt  Geldes  zu  geben. 

Zwei  andere  Vorschriften  aus  der  Zeit  vor  1500,  ein 
Gebot  und  ein  Verbot  des  Naturallohnes,  haben  wohl  die 

»)  Oben  S.  621  ff.  —  •)  Baader,  Polizeiordnungen  S.  211;  Ka- 
mann S.  107.  —  •)  Oberrheinische  Stadtrechte  I  S.  816,  261,  819. 


—     637    — 

gewöhnlicfben  Veranlassungen  all  dieser  Bestinimungen, 
wie  sie  oben angenomSmen  wurden.  So  spricht  das  duder- 
stadter  Rec?ht^)  mit  Straf drohungen  folgendes  Ver- 
bot aus :  „We  eyne  Maget  mieydet,  dey  en  schal  or  neyn 
lin  seygen,  noch  schleyger  geven.  Pena  or  Jowelk  eyn 
Fouder  steyness."  Dagegen  ordnet  dief  Gesindeordnung 
der  Harzländer  von  1445*)  an,  daß  dem'  Gesinde  ver- 
schiedene Naturalleistungen  zu  machen  sind.  Die  Ober- 
köche in  Schlössern  imd  Klöstern  beispielsweise  „schullen 
.  .  .  hebben  de  vel  von  kalvem,  lammeren  xmde  hoken 
(Böckchen)  van  paschen  wente  to  pinxsten,  darto  dat 
kokgerichte  de  ersten  kohut  unde  viff  elen  parchammes, 
effte  he  dat  vordenen  kan";  „isbeyn"  (Hüftbein)  und 
„pust**  (Lunge)  sind  davon  ausgenommen. 

Aus  dem!  16.  Jhdt.  läßt  sich  nur  über  zwei  Gebiete 
berichten,  die  Bestimmungen  über  den  Naturallohn  trafen. 
Aus  Gründen  des  Zehntrechtes  wiederum!,  die  des  näheren 
hier  nicht  in  Betracht  komimen,  wurde  1570  vomi  Ge- 
richte zu  Witzenm'ühle  an  der  Aller  dem  Gesinde 
die  Viehhaltimg  verboten^).  Bayern  imtersagte  1553 
die  Naturaliengewährung,  erlaubte  sie  aber  1554  wieder  *). 

Späterhin  ging  man  in  Bayern  aber  wieder  ganz 
zu  dem  Verbot  über.  1637  wiurde  der  Ausbau  einzelner 
Äcker  untersagt*).  Unter  Ferdinand  Maria  (1651—1679) 
wurden  ,yalle  Actidenzeln  und  Ausbedingungen,  als:  Vieh 
und  Förkel  zu  halten,  Kälber  aufziehen,  .  .  .  Aecker  um- 
ackern," .  .  .  verboten^).  So  ließ  es  auch  die  Gesinde- 
ordnung von  1656').  In  Bam'berg  erhielt  die  Dienst- 
herrschaft auf  Grund  der  Tax-  und  Gesindeordnung  von 
1652®)  zwölf  Thaler  Strafe  zudiktiert  (im  Interesse  der 

*)  Gengier,  Stadtrechte  S.  91.  —  •)  Zeitschr.  d*  Harzvereins 
f.  Gesch.  u.  Altertumskunde  27  S.  486,  486.  —  •)  Grimm,  Weis- 
tOmcr  lU  S.  481  flF.,  bes.488.-  *)  Platzer  S.  100,  101.  —  »)  v.  Frey- 
^e  r  g,  Pragm.  Geschichte  der  bayr.  Gesetzgebung  II  S.186.  —  •)  Ebenda 
S.  190.  —  ')  Kr.  A.  München,  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  -  •)  Kr.  A. 
ßamberg.    Bamberger  Verordnungen  Rep,  141  Nr.  59. 


—    638    - 

übrigen  Dienstherrschaften,  die  ihrem  Gesinde  Geringeres 
gewährten),  wenn  sie  dem'  Gesinde  Frucht  säet  oder  Vieh 
hält;  derartige  Zumtitiingen  sieitens  der  Dienstboten  müs- 
sen angezeigt  werden.  Ein  Rezeß  zwischen  den  BurgrfiTraf  en 
von  Nürnberg  und  der  voigtländisdhen  Ritterschaf: 
vom'  8.  Juni  1626  *)  verweist  auf  eine  Polizeiordnung,  die 
das  Verbot  der  Lohnsaat  bereits  enthält.  Die  branden- 
burgische Taxordnung  von  1652*)  untersagt  das 
Fruchtsäen  und  Viehhalten  fürs  Gesinde  mit  Strafen  b«der 
Teile,  der  Herrschaft  und  des  Dienstboten.  Weiter  will 
eine  brandenburger  Polizeiordnung  von  1672*)  auch  das 
Säen  fürs  Gesinde  abschaffen,  femer  die  „Her leihung 
der  Pferde  auf  einen  oder  mtehrere  Tage,  welches  an 
etlichen  Orten  das  Gesinde  an  Stell  des  Lohns  mit  ein- 
gedingt" ;  wo  es  nicht  abgestellt  wird,  soll  doch  ein  Lohn- 
abmg  erfolgen. 

Das  gewöhnliche  mit  Strafen  gestützte  Verbot  steht 
in  der  Gesindeordnung  für  Biberach  von  1651*),  für 
die  Herrschaft  Guttenburg  von  1652*),  der  Gesinde 
Ordnung  des  schwäbischen  Kreises  aus  dem'  Jahre 
1652^)  xmd  der  hierauf  beruhenden  württemberger  Ge- 
sindeordnung desselben  Jahres  ^),  in  der  von  schwäbischen 
Städten  1669  verembarten  Gesindeordnimg®). 

Hessen  gestattete,  wie  hier  wiederholt  sei'),  1655 
das  Fruchtsäen.  Umgekehrt  geht  die  gederner  Ord- 
nung von  1681  *®)  wohl  am  weitesten  mit  ihrem'  Verbot  der 
Reichung  von  Kleidern,  Schuhen,  des  Leinsäens,   Vieh- 

*)  Kr.  A.  Bamberg.  Collcctonea  Rcp.  1871  Nr.  1.  —  ■)  Kr.  A.  Am- 
berg. Zugang  6  Fasz.  34  Nr.  212.  —  »)  Corp.  Const  Brand.-Culmb.  11 1 
S.  566  flF.,  bes.  694.  —  *)  Kr.  A.  Neuburg,  ad  H.  5887.  Augsburg  Hoch- 
Stift  ad  Gen.  XI  Nr.  2.  —  *)  Gen.  L.  A.  Karbruhe.  Kopiarfotk:ber 
Nr.  6921.  —  •)  St.  A.  Stuttgart.  Druck.  —  ')  Rey scher,  Gesetze 
Xm  S.  lU.  -  •)  St  A.  Stuttgart  Handschrift.  —  •)  Oben  S.  G28£  - 
")  Graft.  Stolberg.  Archiv  in  Gedem.  B.  XX  „AUerhand  Verord- 
nungen und  Befehle  so  in  der  Grafschaft  Stolberg-Gedem  ergangen" 
S.61. 


—    639    — 

haltens.  In  Fulda  wurde  1652  das  Säen  für  Dienstboten 
verboten^),  in  Sdh'aum'burgr  schon  durch  die  große 
Polizeiordnung  von  1615  *).  Schwarz  in  Schwarz  malt  die 
detmolder  Poliaeiordnung  von  1618»).  Im  23.  Titel 
§  5  wird  gescWldert,  wie  sich  die  Knechte  das  beste 
Land  neh!m)en,  htemach  deim  Herrn  die  Frucht  verkaufen 
und  ihn  so  mit  der  Zeit  in  große  Schulden  versenken. 
Bei  wiUkürlichier  Strafe  wird  das  Säen  fürs  Gesinde  ganz 
verboten. 

Viehhalten,  Fruchtsäen,  sogar  Reichimg  von  Linnen 
und  Schuh  werden  in  der  weimarer  Verordnung  vom 
22.  Juli  1651*),  ähnlich  in  der  altenburger  Gesinde- 
ordnimg von  1652  *),  verboten.  Nadh  einer  dem:  17.  Jhdt. 
angehörenden  mlühlhäuser  Ordnimg *)  dürfen  die  land- 
wirtschaftlichen Arbeiter  nicht  für  sich  Ähren  lesen.  Die 
lüneburger  PoUzeiordnimg  von  1618 ')  gibt  nichts  nach. 
Durch  das  Verlangen  des  Gesindes  nach  solch  kostspie- 
liger Naturallöhhimg  geraten  die  Hauswirte  „noch  irni 
so  viel  desto  miehr  in  Verderb  und  Abnehmen  ihrer  Nah- 
rung". Und  auch  die  Taxordnung  Herzog  Friedrich  Ul- 
ric'hs  von  Braunschweig  xmd  Lüneburg  aus  deml  Jahre 
1622*)  kann  sich  nicht  genug  tun  in  Schilderungen,  wie 
verderblich  das  Lohnsäen  ist.  Dem:  Vieh  wird  das  Futter, 
dem  Mist  Stroh  auf  diese  Weise  entzogen,  allerhand  An- 
laß zur  Dieberei  entsteht  so,  dadurch  nämlich,  „dass 
solch  Gesindtlein  allwege  das  beste  Korn,  imd  auff  einem 
Morgen,  mit  dess  Nachbarn  Schaden,  wol  mehr  als  ein 
ander  auff  zwey  Morgen  hat."  Solcher  „Korn  und  Früchte 
Lohn"  wird  verboten.  Dann  erging  auch  noch  in  H  a  d  e  1  n 


')  Oben  S.  638,  127 ff.  —  »)  Rottmann  S.  841  (Kap.  82).  - 
■)  Landesverordnungen  L.* Detmold  I  S.  858*  —  *)  Joh.  Schmidt, 
Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  U7.  148.  -  •)  Brandt,  Der  Bauer  in  Alten- 
burg S.  82.  —  *)  Stadtarchiv  MOhlhausen;  den  Heimburgenordnungen 
angcbundea  — ')  Landesverordnungen  Lüneburg  Cap.  IV  Bd.  1  S.  1. 
-^  *)  In  einem  Sammelbande  der  Stadtbibliothek  Mainz* 


-    640    - 

ani  14.  April  1655*)  das  Gebot,  den  Dienstboten  nicht 
zu  säen  oder  Vieh  zti  halten. 

Die  Hochflut  von  Lohntaxen,  die  im  17.  Jhdt.  her 
eingebrochen  war,  ist,  wie  gesagt,  der  Münzentwertung 
und  dem  großen  Kriege  vor  allem  zuzuschreiben.  Als 
der  Krieg  mit  seinen  Folgen  vorbei  war,  und  als  man  sich 
dem  Münzzustand  anzupassen  vermocht  hatte,  war  eigent- 
lich kein  Raumi  mehr  für  obrigkeitliche  Preisregulierun- 
gen. Das  folgende  Jahrhundert  erlebt  es  denn  auch,  wie 
das  so  üppig  hochgewachsene  Kraut  allmählich  abstirbt. 
Hier  imd  da  wächst  freilich  imaner  wieder  einmal  ein 
neues  Pflänzlein  hoch,  so  in  den  Notzeiten  nach  dem 
siebenjährigen  Kriege ;  dadurc'h  wird  der  Charakter  des 
allmählichen  Aufhörens  noch  mehr  betont. 

Nachdem  das  Reich  das  ganze  17.  Jhdt.  hindurch 
geschwiegen  hatte*),  da  die  Territorien  ja  seinen  Vor- 
schlägen treulich  nachlebten,  äußerte  es  sich  wieder  ein- 
mal 1731.  Die  Reic'hshandwerksordnung  von  1731  und 
späterhin  vom  4.  Juli  1768  ^)  setzte  unter  Nr.  15  fest,  wegen 
Regulierung  des  Gesindelohnes  solle  jeder  Kreisstand  mit 
dem  andern  imd  die  Kreise  unter  sich  korrespondieren 
und  sich  einer  billigen  Tax-  und  Gesindeordnung  ver- 
gleic^hen. 

Schon  die  vorbildliche  hannoversche  Gesinde- 
ordnung von  1732  *)  freilich  kehrte  sich  nicht  hieran,  son- 
dern begnügte  sidh  mit  einem  Kompromiß,  welcher  den 
Verzicht  auf  die  gn'imdlegende  Weisheit  des  vergangenen 
Jahrhunderts  deutlich  erkennen  läßt :  Präzise  ist  ein  Lohn 
nicht  'determinierbar,  da  die  pretia  rerum  zu  verschieden, 


*)  Spangenberg,  Verordn.  f,  Hannover  IV  3  S.  266.  - ')  D^«! 
wenig  bedeutende  Anregung  des  regensburger  Reichsabschiedes  von 
1664  (oben  S.  62)  kommt  nicht  in  Betracht.  —  •)  Stadt  Archiv  Nord- 
hausen.  Sammlung  reichsstadt.  Nordhausener  Verordnungen  BdJ 
Nr.  U9;  Hess.  LO.  IV  S.  119.  —  *)  Spangenberg,  Verordn. t 
Hannover  IV  2  S.  461, 


—    641     — 

auch  die  Dienstleisttingen  unklar  sind.  Daher  soll  we- 
nigstens über  das,  was  vor  drei  Jahren  von  den  meisten 
gegeben  wurde,  nicht  hinausgegangen  werden.  Femer 
wird  der  Mietpfennig  tarifiert.  Wer  sich  nur  auf  die  Ernte 
vermietet,  darf  nicht  den  ganzen  Jahrlohn  fordern,  son- 
dern ^miuß  mit  deim'  seiner  Arbeitszeit  entsprechenden  Ver- 
dienst zufrieden  siein. 

Die  der  hannoverschen  Gesindeordnung  nachgebil- 
deten   Gesetze    gingen    teilweise  nicht   einmal    so  weit. 
Hessen  zimü  Beispiel  ließ  1736  ^)  der  Vereinbarurxg  einen 
viel   weiteren  SpielraimH;  man  konnte  kaumi  noch  eine 
Beschränkung  wahmehmten.  Da  heißt  es :   „Und  ob  zwar 
so  wohl  die  Pretia  rerumi  im'  Land,  als  auch  die  Dienst- 
Leistung  selbst  und  einem'  jeden  Dienst-Botten  aufzule- 
gende Arbeit  sehr  unterschieden,  der  Lohn  und  Mieth- 
Pfennig  aber  der  Arbeit  billig  proportionirt  seyn  muss, 
mithin  ein  gewisser  imd  beständiger  Lohn  überall  nicht 
wohl  zu  regulieren  ist;  So  wollen  Wir  jedoch,  dass  von 
demjenigen  Lohn,  so  an  jedem  Ort  bishero  üblich  ge- 
wesen,  nicht  leichtlich  abgegangen  werden,  sondern  es 
dabey  sein  Verbleibens  haben,  imd  weder  das  Gesinde  ein 
mehreres  zu  praetendiren,  noch  die  Herrschaft  demselben 
ein  mehreres  zu  geben  befugt  seyn  solle,  es  wäre  dann, 
dass  dieselbe  einem  Dienst-Botten  wegen  seines  außer- 
ordentlichen Fleisses  imd  Geschicklichkeit  ein  mehreres 
zum  gratiale  zukommlen  lassen  wolte." 

Die  weitere  Entwicklung  in  Hessen  führte  nach  dem 
siebenjährigen  Kriege  nochmiak  zu  umfassenden  Taxord- 
nungen für  alle  Waren  imd  Löhne;  die  Vorgeschichte 
dieser  Verordnimgen  von  1764  an  wurde  bereits  eingehend 
dargestellt*).  Hier  seien  noch  zur  Illustrierung  einige 
Angaben  über  Lohn-  und  Preishöhen  gemacht. 

Die  Steigenmgen  der  Getreidepreise,  besonders  aber 
')  LO.  IV  S.  410.  -  *)  Oben  S.  70  flF. 

Konnecke.  ^\ 


—    642     — 

der  immer  wieder  angieführten  Leder-  und  Lederwaren- 
preise waren  ganz  enorm.  Im  Amte  Eschwege  ^)  kostete 
das  Getreide  in  den  Jahinen  von  1720 — 40  ein  fünftel  von 
dem  1740 — 60  gezahlten.  Die  Sc'huhpreise  in  Wanfried 
waren  vor  dem!  Kriegie        nach  dem  Kriege 

Kneditschiihe  1  Th.  1  Th.  16  Ggr. 

Mägdeschiihe  20  Ggr.  1  Th. 

Pantoffehi  10—12  Ggt.  16  Ggr. 

Und  die  Sc^hlihinlacher  beriefen  sich  wieder  auf  die  Le- 
derpreise, die  Gerbter  hätten  sich  wohl  auf  die  Viehpreise 
berufen  imd  so  fort.  Daß  der  Stand  der  Löhne  dem  ent- 
sprach, ist  selbstverständlich.  Während  vor  dem'  Kriege 
auf  lange  zurück  in  den  politbch  und  wirtschaftlich  ruhigen 
Zeiten  die  Löhne  ^leicb  blieben,  läßt  sich  für  die  Jahre 
1764  und  1767  eine  beträchtliche  Erhöhung:  feststellen, 
die  trotz  aller  Taxversuche  stetig  weiterschritt.  Vor  dem 
Kriege  betrug  der  Lohn  auf  den  Beckerschen  Gütern  ni 
Wanfried  (von  1685—1756  g-leich):  Großknecht  18  Th., 
Mittelknedht  13  Th.,  Kleinknecht  8—10  Th.,  Hausnugd 
7  Th.,  Viehmagd  8  Th.,  Kindermagd  4  Th.,  Naturalien 
stets  inbegriffen*).  Noch  niedriger  waren  die  Löhne  in 
Neuenstein,  wie  sich  aus  der  1767  dort  auf  Grund  des 
Regierungsausschreibens  vom'  17.  Dezember  1764  erlasse- 
nen Taxe  ergibt ») :  Großknecht  14—16  Th.,  Mittelknecht 
9 — 11  Th.,  KleüikneCht  5 — 6  Th.,  wenn  unter  18  Jahren 
3—4  Th.,  Großmag'd  7  Th.,  Hausmagd  5—6  Th.,  mit  allen 
Naturalien.  Ähnlich  sind  die  in  der  Taxordnun^  für  Neu- 
kirchen 1767  festgesetzten  Löhne*),  noch  geringer  schei 
nen  die  in  Rotenburg  gewesen  zu  sein  *).  Nur  wenig  höher 
sind  die  Sätze  der  casseler  Taxordnung  von  1765*)  an. 
Die  nach  dem'  Kriege  tatsächlich  gezahlten  Löhne 


*)  St.  A.  Marburg.  Cass.  Reg.-Akten  PoL-Rep.  F  48  Nr.  1'/«.  - 
")  Ebenda  —  »y  Oben  S.  72.  —  *)  Ebenda ;  St  A.  Marburg.  Cass- 
Reg.-Akten.  Pol.  •  Rep.  F  48  Nr.  IV*.  —  •)  St.  A.  Marburg.  Cass. 
Reg.-Akten.    Pol.-Rep.  F  48  Nr.  IV«.  —  •)  Oben  S.  72. 


—    643    — 

^weisen  in  Bargleld  imd  vor  allem  in  den  Naturalien  eine 
stete  Steigierungr  auf.  Die  in  Gudelnsberg  herrschenden 
Zustände^)  können  ab  typisdi  für  die  übrigen  Ämter 
gelten:  GroßknecKt  20—24  Th.  und  1—2  Steigen  Hern- 
dentucb,  Mittelknecht  12—16  Th.,  sonst  wie  der  Groß- 
knedht,  Magd  8—10  Th.  und  viel  Naturalien,  besonders 
Leinsäen.  In  Neukirdhien  forderte  ein  Großknecht  25  Th.*). 
Der  Amltmann  zu  Hehnjajshiausien  schlägt  einen  Maximal- 
tarif vor*),  aus  desisen  Höbe  mian  einen  Schluß  auf  die 
wirklich  gezahlten  Löhne  herleiten  darf:  Großfcnecht  24 
Th.,  Mittielknecht  16  Th.,  Kleinknecht  8  Th.,  Großmagid 
8  Th.,  Hauslm|afe|d  7  Th.,  Kleinimagd  4—5  Th.,  Naturalien 
stets  mütjgieredhniet. 

Die  weitere  Entwicklung  bis  zum  endgültigen  Auf- 
geben des  Taxgedankens  in  der  Gesindeordnung  von 
1797  wurde  imi  ersten  Teile*)  dargiejstellt. 

In  den  hiössiscihen  Nebenländern  vollzog  sich 
gleichfalls  die  Entwicklung  zur  Lohnfreiheit.  Die  ha- 
nauer  Gesindeordnung  von  1748*)  überläßt  es  dem  Par- 
teien, sich'  eines  billigen  Lohneis  zu  vergleichen,  „weilen 
der  zu  reichiatide  Liedlohn  sich  nicht  so  praecise  deter- 
minieren lasset,  gestalten  diel  pretia  nicht  überall  gleich, 
mithin  das  Gesinde  an  einem  Ort  eines  mehreren  als  am 
andern  benöthiget,  auch  die  Dienst-Leistimg  sehr  unter- 
schieden ist,  die  Belohnimg  aber  mit  der  zu  verrichtenden 
Arbeit  eine  billige  Proportion  haben  mtiss".  In  Fulda 
erging  amf  7.  September  1759  eine  „Ordination  in  diversis 
cameraJibus"  ^)  für  die  herrschaftlichen  Wirtschaftsbe- 
triebe. Sie  sagt  u.  a. :  „Jahr  Lohn  deren  Dienst-Knechten 
imf  Altenhoff .  Wollen  Wir  noc«h  zur  Zeit  auf  sich  beruhen 
lassen."   Über  die  Auffassiuig  der  Gesetzgeber  in  Isen- 


*)  St.  A.  Marburg.  Cass.  Reg.-Akten.  FoL-Rep.  F  48  Nr.  VU. 
—  •)  Ebenda.  —  •)  St  A.  Marburg.  Cass.  Reg.-Akten.  Pol.-Rep.  F  48 
Nr.  IVi.  —  *)  Oben  S.  72  flF.  -  •)  St.  A.  Marburg.  IX  A  1621.  — 
*)  Cass.  Reg.  Sammlung  fuld.  Verordnungen  V  S.  675. 

41» 


—    644    — 

bürg,  nach  der  niir  die  unvermögenden  Stände  des 
Schutzes  einer  Taxe  bedürfen,  gibt  eine  am!  24.  Januar 
1769  ^)  an  die  Stadt  Offenbach  ergangene  Instruktion  Aus- 
kunft, die  für  Fuhr-  und  TageUihner  Ausarbeitung  einer 
Ordnung  mläßt;  jedoch:  „weil  aber  die  Wäscherin  und 
Bieglerin  nicht  von  den  mieisten,  sondern  niu:  von  ver- 
mögenden gebrauchet  werden,  lassen  wir  deren  eigener 
Übereinkimft  über,  wie  sie  sich  mit  ihnen  vereinigen". 

Teils  in  Abhängigkeit  vomi  hannoverschen  Recht,  teils 
selbständig    gingen    die    sonstigen    Territorien    vor;    so 
schwankt  auch  die  Stelliuignahmie  im  einzelnen  gegenüber 
der  Taxidee.    Nur  nodh  vom*  „gewöhnlichen"  Lohn,  um 
den  die  Dienstboten  dienen  sollen,  redet  die  holsteiner 
Gesindeordmmg  von  1740').    Rechtgläubig  dagegen  ist 
noch  die  1766  entstandene  Gesindeordnung  für  Osna- 
brück').  In  den  Städten  sowie  in  den  Kirch^elen  auf 
den   Bauersprachen  müssen  die   Mietgelder  und   Löhne 
durch  Stimimeranehrheit    festgesetzt  werden.     Nach   Be- 
stätigung durch  die  vorgesetzte  Behörde  ist  jedermann  ver- 
irflichtet,  sich  nach  der  Taxe  zu  richten.  Herrschaften,  die 
gegen  die  Ordnung  handeln,  erhalten  5  bis  10  Th.  Strafe. 
In  der  Gesindeordnimg  für  Wolfenbüttel  von  1748*) 
steht  gar  noch  eine  völlige  Taxe,  allerdings  mit  außerge- 
wöhnlichen Besonderheiten,  insbesondere  einer  Minimal- 
satzimg  des  Lohnes:    Der  Lohn  der  höheren  Bedienten 
wird  einstweilen  noch  dem'  Gutfinden  der  Herrschaften 
überlassen.   Gewöhnliches  Gesinde  soll  10  bis  12  Th.  be- 
kommen.  „Dieses  an  sich  schon  hohe  Liedlohn  wird  vor- 
erst noch  geduldet,  da  eigentlich  und  ordentlicher  Weise 
das  Lohn  solcher  Art  Dienstboten  von  4  Thlr.,  als  wor- 
unter auch  nicht  zu  geben,  bis  zu  8  Thlr.  oder 


1)  Sammlung  des  Amtsgerichts  Langenselbold.  —  *)  St  A.  Schles- 
wig. Sammlung  GrossfOrstl.  Verordnungen.  —  ')  Klöntrupp.  Hand- 
buch II  S.  76  ff.  —  *)  Archiv  WolfenbOttel  Nr.  7097. 


—    646    — 

etwas  weniger  darüber,  bey  nicht  Erwachsenen  aber  nie- 
häIs  über  5  Thlr.  ajisiteigef  *. 

Wegen  Ider  Unbeistimlmbarkeit  deis  angebradhten  Loh- 
nes will  die  eisenadher  Geisindeordnung  von  1757^) 
von  einer  Beötimbiting  absehen.  Die  miaßgebenden  Gründe 
der  Niditregulienmg  sind  wieder  Ungleichheit  der  Arbeit, 
der  Kost,  der  Gestehicklichkjeit  und  anderer  Umstände. 
In  den  benachbarten  Weimarer  und  jenaischen  Ge- 
bieten dagegen  wurde- 1763  eine  Taxordnung  der  sämt- 
lichen Löhne  und  Preise  erlassen*).  Die  Instruktion  für 
die  „Zweyermlanns-Cammter"  in  Erfurt  von  1704*)  enf- 
halt  eine  Vorschrift,  daß  die  Herrschaften  mit  Lohn  nicht 
übemomimen  werden  sollen. 

Die  altenburger  Gesetzgebung  ging  von  der  Tax- 
freiheit späterhin  dodh  wieder  rur  Tarifielrung  über.  Die 
Gesindeordnung  von  1719*)  erklärt  den  Verzidht  auf  die 
Taxe  mit  ganz  eigenartigen,  praktisdh  doch  wohl  nicJht 
miaßgebenden  Gründen.  Das  Gestetz  sagt:  „Ob  wir  nun 
wohl  nach  dem)  Exempel  der  benachbarten  Reichs-Stände 
wegen  der  bisUerigen  Missbräuche  in  Steigerung  des  Ge- 
sinde-Lohns ein  gewisses  determiiniren  könten,  so  wollen 
Wir  Uns  doch  versehen,  es  werden  so  wohl  die  Herrn  als 
das  Gesinde  ta  beieden  Theilen  die  Christliche  Billigkeif 
beobachten,  imd  den  Lohn  dergestalt  einrichten,  dass  sie 
darbey  bestehfen  können,  und  niemlanden  dadurch  ein  prae- 
juditz  zuwachlse.  Würde  aber  von  ein  oder  dem!  andern 
hierwider  glehandelt  werden,  soll  der  Obtigkeif  obliegen, 
deshalb  Erkundigtmg  einzuziehen,  und  naCh  Befinden  den 
Lohn  zu  ermiässigien."  Muß  Gesinde  auf  kürzere  Zeit 
im'  Jahre,  etwa  nur  zur  Ernte,  gemietet  werden,  dann  soll 
ihm  nur  ein  Lohn  pro  rata  tem^wris  zukommen;  aus- 
nahmisweisie  angebrachte  Erhöhungen  solchetn  Lohnes  muß 


0  Kr.  A.  Mflnchen.  GR.  Fasz.  403  Nr.  8.  —  *)  Joh.  Schmidt, 
Gesetze  f.  Weimar  Vm  S.  415.  — ')  Mainzische  Ordnungen  für  Erfurt 
S.  186.  -  *)  Univ..Bibl.  Marburg.    XVIH  f  A  870. 


—    646    — 

die  Behörde  bewilligten.  Die  Gesindeordnung  von  1744^) 
deutet  auf  ErfaUrungien  hin,  diie  mtan  wohl  inzwischien  ge> 
Ttiaidht  hatte.  Es  wird  eine  sehr  genaue,  nach  Kreisen  ge- 
schiedene Taxe  für  freies  \md  für  Zwangsgesinde  erlassen. 
Überschreitungen  der  Taxe  werden  an  beiden  Teilen  mit 
sehr  hohen  Geld-  oder  Freiheitsstrafen  belegt.  Aber: 
„Weibi  jedoch  die  Besitzer  derer  Ritter-Güther,  so  offt- 
mahls  viel  Leute  glebrauchen,  sowohl  auch  in  denen  Städ- 
ten diejenigen  Honoratiores,  so  nach  Beschaffenheit  ihres 
Standes  asu  einemi  oder  dem  andern  Dienst  geschicktere 
Leute  nöthig  haben,  sidi  siehr  auf  das  Gesinde  verlassen 
müssen,  und  dahier,  dass  sie  tüchtige  Leute  erlangen  mö- 
gen, grosse  Ursach  haben,  der  Bürger  xmd  Bauer  hingegen 
selbst  überall  mit  2nisiehlet,  und  Hand  anleget,  und  folglich 
weit  weniger  Gefahr  mit  denn  Gesinde  ru  besorgen  hat . . .", 
—  aus  diesien  Gründen  brauchen  die  redchen  Leute  die 
Taxe  nidht  eumihaltenl  Nur  für  die  Vermiietung  in 
den  Emteftnionaten  darf  auf  dem  Lande  höher  akkordiert 
werden. 

Nadh  der  Gesindeordnung  Waldeck^  von  1736*) 
mag  es  bei  den  besteUesiden  Löhnen  bleiben.  Noch  eine 
richtige  Taxe  bringen diesayn-wittgensteiiner  Ord- 
ntmg  von  1776')  und  die  detmiolder  von  1736*),  „da- 
mit endlich  auch  wegien  des  Lohns  eine  Gleichheit  ge- 
halten, tmd  dasselbe  eines  Theils  von  dem'  Gesinde,  nach 
eigenen  Belieben,  ztmi!  Beschwer  der  Land-  imd  Hauswirth- 
sdhaft  nicht  gesteigert,  noch  anders  Theils  denselben  wi- 
der Recht  und  Billigkeit  geschmälert  werde,  sondern  das 
Gesinde  vor  sauren  Schweiss  und  Arbeit  sich  eines  billig- 
massigen  Lohns  zu  erfreuen  habe**. 

Mietgeld  und  Lohn  setzt  auch  die  ravensberger 
Gesindeordnimg  von  1766*)  der  Höhe  nach  fest;  Über- 

^)  Ebenda.  XVIII  f  B1119A.—  ') Sammlung  derRegiening  Arolsen. 
—  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  *)  Landesverordnungen  L.-Detmold  11 S.  47. 
— ■)  Ravensberger  Blatter  f.Geschichts-,  Volks*  u.  Heimatskunde  1909  S.68. 


—    647    — 

schreitungen  nüuß  die  Dienstherrschaft  mit  5  bis  10  Th. 
büßen.  Erklärlicher  ist  das  Festhalten  an  den  Grund- 
sätzen des  vergangenen  Jahrhunderts  bei  der  düssel- 
dorfer  Polizei-  und  Taxordnung  von  1706^),  die  ja  der 
hoben  Zeit  der  Taxordnungen  näher  liegt.  Die  Ordnung 
enthält  eine  Taxe  gewohnter  Art.  Wenigstens  eine  parti- 
kuläre Regelxmg  strebt  Jülich  anil  16.  November  1744 
an*).  Da  heißt  es:  „Über  die  künftige  Festsetzimg  des 
Liedlohns  imd  des  Tagelohns  für  Knechte,  Mägdei,  Tage- 
löhner imd  Handwerksleute,  sollen  die  Beamten  sich  mit 
den  Ritterbürtigen,  Schieffen  und  Vorstehern  xmd  mit  ihren 
benachbarten  CoUegien  berathen  und  darüber  berichten." 

Lange  Listen  der  Gesindelöhbei,  die  nur  von  den  höhe- 
ren Herrschaften  nicht  eingehaltetn  zu  werden  brauchen, 
bringen  die  beiden  die  vi  sehen  Gesindeordnungen  von 
1753  xmd  1769*).  Auf  jeden  zuviel  gegebenen  Thaler 
Lohn  stehen  zehn  Thaler  Strafe.  Lakaien  können  kein 
besonderes  Wäschiegield  fordern,  sondern  müssen  es  vom 
Lohne  nelunjen.  1769  aber  heißt  es  weiterhin :  Zwar  sollen 
die  Herrscftiaften  die  Dienstboten  durch  zu  hohen  Lohn 
nicht  übermütig  machen,  aber  sie  sollen  dein  Lohn  auch 
nicfht„darunter  gegen  die  Gewohnheit,  und  dasjenige 
was  hier  nachfolgend  festgesetzt  ist,  etwa  kürzen**.  Und 
es  folgen  dann  in  der  Tat  Satzungen  für  einen  höchsten 
und  niedrigsten  Lohn.  Nur  fehlt  die  Strafdrohung  wider 
Herrschaften,  die  unter  die  absolute  Grenze  hinabgehen. 
Nach  einem  der  Rezepte  des  17.  Jhdts.  verfährt  die  köl- 
ner Polizeiordnung  von  1723*):  Wie  der  Lohn  vor  15 
oder  16  Jahren  war,  soll  er  auch  künftig  sein.     . 

Die  usinger  Gesindeordmmg  aus  deml  Beginn  des 
18.  Jhdts.*)  bietet  einen  Übergang  zum'  süddeutschen 
Recht.    Sie  folgt  den  Spuren  der  Vergangenheit.     Ihre 

*)  St,  A.  DOsseldorf.  Nr.  109  der  Sammlung  jfliichscher  etc.  Ver- 
ordnungen. —  ")  Scotti,  Jülich  S.  400.  —  •)  Scotti,  Cleve  S.  1452, 
1894.-*)  Scotti,  Köln  II  S. 628.-»)  St.  A.Wiesbaden.  V.  Nassau- 
Usingcn.    Generalia  n±  Verordnungen  Band  V  S.  128. 


—    648    — 

Taxe  des  Lohhes  und  des   Mietgeldes  darf  bei    10  FI. 
Strafe  nicht  überschritten  ^vierden.  In  Nürnberg  wurden 
1741  die  Löhne  festgeseifet  ^).    Der  Wert  der  Geschenke 
(zu  Weihinadhten)  darf  höchstens  acht  Gulden  betragen: 
alle  anderen  Geschenke  außer  dem'  Johaxuys-  und  Kind 
leinsäniarktgeld  sind  verboten.   Mit  den  Gründen  der  Zeit 
lehnte  die  ansbadher  Gesindeordnung  von  1769  ')  eine 
Festsetzung  des  Gesinddiohnes  ab;  eine  Taxe  wird  aber 
angedroht  für  den  Fall,  daß  die  zu  große  Steigerung  des 
Lohnes,   die  den  unbemittelten  Dienstherrschaften    das 
Mieten  von  Gesinide  unmöglich  macht,  nicht  eingestell: 
wird.    Einer  Belohnung  guter  Dienstboten  steht   nichts 
in>'  Wege;  GesÜhtenke  sind*aber  vom  Gutfinden  der  Hen- 
schaft  abhängig  imd  dürfen  nicht  ausgemlac^ht  werden. 
Diese  Ordntmg  setzte  fort,  was  in  der  revidierten  branden- 
burgiscben  Polizeiordnung  von  1746')  imter  Verweisung 
auf  das  örtliche  Herkomimen  bereits  begonnen  war. 

Die  Gesidhichte  Altbayerns  währ^id  deis  18.  Jhdts. 
besteht  größtenteils  aus  Taxplänen  oder  Taxandrohtmgen. 
Nur  die  Ebehaltenordnung  von  1746  *),  die  ja  die  Gesinde- 
ordnimg von  1660  getreu  nadhlahmt,  bringt  eine  Taxe; 
die  Löhne  sind  gegen  1660  sitark  gestiegen,  teilweise  um 
sechs  Gulden.  Die  weiteren  Gesmdeordnungen  begnügen 
sich  mit  mildem  Hinweis  auf  den  herkömmlichen  oder 
auch  nur  den  aiisgemachten  Lohn ;  1781  wird  eine  Taxe  an- 
gedroht für  den  Fall,  daß  die  Dienstboten  nicht  „sofort 
von  der  einige  Zeit  hier  sehr  übertriebenen  Steigerung 
des  Lohns  von  selbst  abgehen"  ^).   Das  Landesübliche  ist 
es,  was  auch  die  österreichische   Geisindeordnung 
von  1779^)  für  das  einzig  Wahre  hält  imd  den  Dienst- 
boten als  Norm  für  ihre  Lohnforderung  hinstellt. 


»)  Kamana  S.108,  106.  —  «)  Kr.  A. Nürnberg.  S.28  i^  Nr.  779 
Repert  288.  -  •)  Corp.  Const.  Brand.-Culmb.  II  1  S.  667.  —  *)  Kr.  A. 
München.  GR.  Fasz,  402  Nr.  1.  -  •)  Kr.  A.  München.  AR.  Fasz.  459 
Nr.  209.  -  •)  Wie  Anm.  4. 


—    649    — 

In  der  badischen  Stadt  Dur  lach  erging  in  der 
ersten   Hälfte  dies  Jahrhunderts  eine  Taxordnung,  die  der 
badische  Hofrat  am'  24.  März  1752  dem  Geheimen  Rat 
mitteilte  und  tüx  Ausdehnung  empfahl  ^),  „imimassen  .  .  . 
diese    Ordnung  dem  Publico  um  desto  nüzlicher  ist,  als 
dasselbe  seithiero  von  de!m  Eigensinne  derer  Arbeitsleute 
abgehiängt  ist,  und  diese  eigenen  Gefallens  die  Löhne 
zu  steigern  gewohnet  gewesen  sind**.   Ami  1.  April  1775 
erst  schdnt  die  „Confirmderung**  der  Taxordnung  für  die 
Stadt  Karlsruhe  erfolgt  zu  siein.   Den  seltenen  Gedanken 
des  Minimallohnes  spricht  ähnlich  wie  schon  die  wolfen- 
bütteler  Ordnimg  von  1748  *)  und  die  clevische  von  1769  ') 
die  Gesindeordnimg  für  die  Stadt  Frei  bürg  im  Jahre 
1782   aus*).    Der  Lx)hn  wird  laut  §  13  nicht  bestimmt. 
Aber  er  soll  so  eingierichtet  sein,  daß  der  „arme  wirth- 
schaftliche    Dienstboth    über    seine   nöthige    Kleidungs- 
stücke, und  übrige  geringe  Bedürfnisse,  auch  noch  einigen 
Nothpfenning  dabey  ersparen  könne,  aber  auch  nicht  so 
erhöhet  werden  .  .  .,  dass  das  Gesinde  dadurch  übermü- 
thig,  und  für  andere,  die  ebem  so  hohen  Lohn  zu  geben 
ausser  Stande  sind,  verdorben  werde**. 

So  beginnt  das  Lohinrecht  ein  völlig  verändertes  Aus- 
sehen 7ni  gewimiien.  Aus  delml  einseitigen  Klassenrecht  zu 
gunsten  der  Dienstherrschaften  scheint  ein  gerechteres 
Institut  werden  zu  sollen.  Wenn  eis  auch  mit  solcher 
endgültigen  Umjwandlung  noch  seine  gute  Weile  hatte, 
so  wurde  damialsi  docfh  die  Abkehr  von  der  Lohnmaximie- 
rung  durchaus  vollzogen*).  Kleinere  Rückfälle  vermögen 
daran  nichts  zu  ändern. 

Was  die  Zeit  über  die  Taxversuche  dachte,  sprach  be- 
sonders offen  und  ehrlich  1805  ein  aschaf fenburger 


0  L.  A.  Karlsruhe.    Baden  Generalia  6886.  —  ')  Oben  S.  QU  f. 

-  *)  Oben  S.  647.  —  «)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia  6891. 

-  ')  In  der  Schweiz  gab  es  im  18.  Jhdt.  industrielle  Minimallöhne; 
Zwiedineck-Sfldenhorst,  Lohnpolitik  und  Lohntheorie  S.  65. 


-     650    — 

Beamter,  Molitor,  aus^).  Man  dachte  an  die  Schaffung 
einer  Gesindeordnun^:  und  hatte  sich  dazu  von  mehreren 
auswärtigen  Staaten  Oixlnungen  koroimen  lassen.  Über 
die  in  einigen  von  diesen  vorkomimendein  Lohntaxen  spricht 
Molitor:  „B^seufze  ich  sehr  oft  das  nothwendige  imnier 
traurige  Übel,  unentbehrliche  Lebensmittel,  Fleisch,  Brod, 
Bier  taxiren  ta  müssen,  um  wieviel  empörender  kömmt 
es  mir  vor,  die  Fähigkeiten  eines  Dienstboten  dem  eisernen 
Maassstabe  <ler  Taxe  zu  xmterwerfenl  In  allen  Objekten 
des  Handels  imd  Wfandels  —  und  was  sind  im«  Gnmde 
die  Dienste,  welche  der  Dienstboth  seiner  Herrschaft  ver- 
handelt, anders  I  —  entferne  man  doch  nur  allen  Zwang. 
—  Man  schlüge  hiedurch  jede  Aufmunterung  nieder,  ein 
und  dasselbe  Kaliber  für  mienschliche  Fähigkeiten!  — 
von  dieser  Ansicht  müssen  wahrlich  die  preusskchen  Ge- 
setzgeber ausgegangen   sein   .  .  ."*). 

£s  soll  nunmehr  noch  kurz  eine  Zusamlmenfassung^  der 
hauptsächlichen  Bestimimiungen  aus  dem  18.  Jhdt.  über 
die  Naturalentlöhnung'  gegeben  werden.  Wegen  der  durch 
das  Fruchtsäen  entstehenden  Fruchtteuerung  verbietet  ein 
kalenberger  Edikt  vom'  10.  Februar  1700*)  das  Kom- 
säen  für  Knedite  bei  willkürlicher  Strafe.  1709  folgte 
für  Lüneburg  ein  gleiches  samt  delm-  Verbot  der  Vieh- 
haltxmg  durcb  Gesinde  *) ;  nur  Imimenknechten,  sowie  da, 
wo  das  Säen  gegen  Lohnabzug  stattfindet,  mag  es  er- 
laubt sein.  Die  hannoversche  Gesindeordnung  vcm 
1732*)  ging  so  weit,  selbst  Schuh  und  Linnen  zu  ver- 
bieten. Nicht  ausdrücklich  versagt  die  osnabrücker 
Gesindeordnimg  von  1766®)  den  Dienstboten  auch  die 

*)  Kr*  A.  Würzburg^  V,  2615.  —  •)Carmer  sprach  sich  in 
Preussen  schon  3790  gegen  Lohntazen  aus,  die  ,|den  Grund  ihrer 
Vereitelung  und  Nichtbeachtung  schon  mit  sich  führen'',  hatte  aber 
keinen  Erfolg  (Lennhoff  S.  82).  —  ')  Landesordnungen  Kaienberg  IV 
S.  209.  —  *)  Landesverordnungen  LOneburg  Cap.  4  Bd.  1  S.  971.  — 
•)  Spangenberg,  Verordn.  f.  Hannover  IV  2  S.  461.  —  •)  KlOn- 
trupp,  Handbuch  II  S.  76. 


—    651    — 

ivertvolleren  Naturalien ;  nur  sollen  diese  Gegenstand  der 
jä.hrlic'hen  Taxberedung  sein.  Ein  braunschweiger 
Erlaß  vom  27.  Oktober  1740*)  verbietet  das  Lohhsäen, 
„es  sey  denn  an  einem'  oder  andern  Orte  etwa  üblich,  den> 
Gesinde,  aus^r  dem'  Gelde,  ein  weniges  an  Korn  oder 
Lein  zu  säen,  als  wobey  es  vors  erste  also  verbleibet". 
In  Altenburg  war  es  nach  der  Gesindeordnung  von 
1744  «)  nur  den  Schäfern,  die  Deputat  erhielten,  gestattet, 
eine  Anzahl  Schafe  als  Lohn  zu  nehmen.  Imi  übrig^en 
soll  eine  NaturaJentlöhnxmg,  Frucht  gehen,  Land  säen, 
Vieh  halten,  unterbleiben. 

Unter  den  „Allerhöchsten  Resolutionen"  vom'  23.  Juni 
1732  auf  den  von  der  hessen-sdhaumburgischen 
Landvisitations- Komimission  erstatteten  Bericht  •)  findet 
sich  auch  eine  Strafdrohung  wider  das  Säen  fürs  Gesinde. 
In  Althessen  gab  es  seit  der  Enqufite  von  1766*)  ge- 
setzgeberische Experimente  wegen  des  Fruchtsäens.  1801 
wurde  es  strengstens  verboten,  1804  wieder  erlaubt*). 
Schaumiburg-Lippe  verbot  das  Fruchtsäen  1747^), 
Detmold   1766'). 

Die  in  der  ravens berger  Gesindeordnung  von 
1766®)  auf  Taxüberschreitung  gesetzte  Geldstrafe  der 
Herrschaften  soll  insbesondere  auch  für  die  Zuwiderhand- 
liiiig  gegen  das  Verbot  des  Fruchtsäens  gelten.  Andere 
Gebiete  wollen  nichts  gegen  das  Fruchtsäen  haben,  so 
Cleve:  die  ländliche  Gesindeordnung  von  1769,  deren 
Taxbestimjmungen  schon  genannt  wurden^),  erlaubt  das 
Säen  von  Lohnflachs  usw.,  wenn  nur  der  Wert  nicht  die 
Taxsätze  übersteigt.   Eine  andere  Beschränkung  hat  die 


*)  Archiv  WolfenbOttel  Nr.  6998.  —  *)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVffl 
f  B  1119a.  "-•)Kersting,'  Sonderrechte  Sp.  1268.  —  *)  Oben  S.  73  ff. 
—  »)  LO.  Vm  S.  152;  oben  S.  117.  — •)  Landesverordnungen  Schaum- 
burg-L  n  S.  869.  —  ')  Landesverordnungen  L-Detmold  II  S.  225.  — 
")  Ravensberger  Blatter  f.  Geschichts-,  Volks-  und  Heimatskunde  1909 
S.  62.  —  •)  Oben  S.  647. 


—    652    — 

gleichfalls  schon  angeführte  kölner  Polizeiordnung  vcc 
1723^).  Sie  gfötattet  das  Fruchtsäen  für  das  Gesinde, 
nur  m!uß  das  Saatland  auf  des  Brotherrn  Kosten  voc 
einem  vereideten  Landmtesser  abgesteckt  werden.  1761 
jedoch,  „bei  dem  durch  Fouragirung  geschwächten  Be- 
stände imd  erhöhten  Preise  der  Früchte"  wurde  die  Er- 
setzung des  „Naturalien-Liedlohns"  durch  Geld  der  Frucht 
taxe  gemäß  angeordnet  *) ;  1762  folgte  eine  spezielle  Unter- 
sagung Ider  Fruchtsaat *).  Bleibt  noch  das  bayerische 
Recht;  die  Gesindeordnungen  d^  18.  Jahrhunderts  g^ 
statten  den  Naturallohn  je  nach  Herkommien  *). 

Eine  Besonderheit  des  Gesindeverhältnisses  schließ- 
lich ist  das  ausgebildete  Geschenkwesen.  Die  Jahres- 
feste, Gesellschaften,  Familienfeiern,  wichtige  Ereignisse 
des  häuslichen  Wirtschaftslebens  und  viele  sonstige  Ge- 
legenheiten geben  Anlaß  zu  der  Betätigung  jener  Sitte, 
an  die  Stelle  der  verdienten  Belohnimg  ein  scheinbar 
aus  Gnade  gegebenes  Geschenk  za  reichen.  Häufige  schrei- 
ten die  Gesetzgeber  gegen  diese  Sitten  ein.  Für  das  Vor- 
komimen  der  versc'hiedenen  Geschenksarten  und  ihre  Be- 
kämpfimg durdh  die  Behörden  sollen  im'  folgenden  einige 
ausgewählte  Beispiele  gegeben  werden. 

Gaben  der  Herrschaft  zu  den  Jahresfesten  kommai 
in  nfiannigfacher  Weise  vor,  als  Naturale  oder  Bargeld, 
Zu  Weihnachten^),    Neujahr*)    und   den  andern    hohen 


*)  Ebenda.  —  •)  Scotti,  Köln  I  2  S.  841.  —  •)  Ebenda  S.  m, 
—  *)  Zahlreiche  Naturallöhne  aus  den  preussischen  Provinzen  vom 
frühen  19.  Jhdt.  an  teilt  A.  Neumann,  Die  Bewegung  der  Löhne 
der  landlichen  „freien"  Arbeiter  S.  369  fr.  mit.  —  »)  Das  Weihnachts- 
geld hiess  früher  Opfergeld.  Das  ergibt  sich  aus  einer  im  St  A. 
Marburg  befindlichen  Rechnung  der  Renterei  Marburg  aus  dem  Jahre 
1876;  „In  vigilia  nativitatis  domini.  V  puncf  zu  opergelde  den  wechteni, 
portenern,  thomhudem,  beckem,  den  meiden,  holczfurstem  unde  anders 
myns  heren  unde  junghem  gesinde,  daz  in  den  hob  gehöret  unde  myns 
hem  londe'^  Vgl.  auch  Schmincke,  Monimenta  II  S.  669 fif.,  oben 
S.  20  ff.,  bes.  22  (Opfergeld  des  Schulmeisters  u.  a.).  —  •)  Über  Neu- 


—    653    — 

Festen,  an  den  Quatdmibertagen  (Wichfasten)  ^)  er- 
hält das  Gesinde  „Gesdhenke"  von  der  Herrschaft.  Ge- 
schenke sind  das  oft,  wohl  mteistens,  nicht.  Sondern  es 
wird  beim!  Vertragsschluß  mehr  oder  weniger  genau  ak- 
kordiert,  daß  neben  dem!  Lohn  noch  diese  imd  jene  Fest- 
oder auch  Jahrmarktsgeschenke  gereicht  werden  müssen. 
Diese  Gaben  stellen  also  zusamimien  mit  dem  Lohn  das 
Entgelt  für  die  Arbeitsleistung  dar.  Wie  das  Mietgeld 
haben  auch  die  Festgeschenke  ihren  Charakter  als  ein- 
seitige Leistung  eingebüßt  und  sind  in  bewußte  Abhängig- 
keit von  der  Gegienleistung  der  Dienstboten  geraten.  Diese 
Entwicklimg  zur  Entgeltlichkeit  hin  war  freilich  den  Ver- 
fassern ider  Lohntaxen  nicht  erwünscht.  Denn  nun  konnten 
ja  die  mit  vieler  Mühe  aufgestellten  Höchstsätze  des  Lohns 
sehr  einfach  dadurch  umigangen  werden,  daß  man  das 
Gesinde  zwar  zu  dem  Lohne  der  Taxe  mietete,  ihm  da- 
neben aber  noch  große  „Geschenke"  versprach.  So  über- 
bot eine  Herrschaft  die  andere,  ohne  sich  eine  Taxüber- 
schreitung zu  schulden  komanen  zu  lassen.  Die  Gesindage- 
setze  der  späteren  Taxzeit  enthalten  denn  auch  fast  alle 
strenge  Verbote,  daß  die  Parteien  beim  Vertragsschluß 
über  die  Reichimg  von  Geschenken  feste  „Bedingnusse" 
ausmachen.  Was  eine  Herrschaft  als  Geschenk  den  tüch- 
tigen Dienstboten  geben  will,  das  soll  aus  wirklicher 
Freigebigkeit  geschehen  und  von  Fall  zu  Fall  während 
des  Dienstjahrs  gereicht  werden;  aber  man  darf  nicht 
vor  dem  Dienstbeginn  die  Freigebigkeit  der  Herrschaft 
festlegen.  Die  allzuvielen  Gesetze  anzuführen,  die  solche 
Bestimmungen  im  Interesse  der  Einhaltung  der  Lohn- 
taxen bringen,  lohnt  nicht*)»). 

Jahrsgaben  an  höhere  Bediente,  die  dafür  kein  Mietgeld  bekommen, 
Estor,  Rechtsgelahrtheit  II  §  4660;  oben  S.  481. 

*)  Beispiele  in  Urkunden  des  15.  Jhdts.  (Landgraf  Friedrich  von 
Meissen);  St.  A.  Weimar.  Kopiar  F  1  Blatt  108.  —  •)  Beispiele,  will- 
kürlich ausgewählt  (ausser  den  schon  im  Verlauf  der  vorstehenden 
DarstcUung  genannten)  :Nürnberg  1579  (Kamann  S.  98),  1628  (Kr.  A. 


—    664    — 

Bei  bestimlmjten  Momieiiteii  des  hauswirtsctiaftliches 
Lebens  konnten  die  Dienstboten  früher  wie  auch  heute 
noch  auf  eine  feste  Freuden^abe  rechnen.  Daß  es  in 
Hessen  im  16.  Jhdt.  Brauch  war,  wonach  der  Knecht 
eines  Pferdekäufers  von  einer  der  Vertragsparteien  ein 
Trinkgeld,  „Halftergeld"  gemannt,  erhielt,  lassen  Prozeß^ 
akten  aus  dieser  Zeit  erkennen  ^).  Auch  im'  aleman- 
nischen Lande  besteht  solche  Sitte*).  Noc'h  heute  be 
kommt  in  Hessen  beim  Stutzen  der  Pferde  der  Knecht 
das  Roßhaar.  Nicht  recht  klar  ist  das  „Knechtrecht'', 
das  in  einem  Prozesse  des  deutschen  Ordens  zu  Marburg 
aus  1733  bis  1740  eine  Rolle  spielt*).  Das  Knechtrech: 
ist  nach  dem  dort  Vorgebrachten  edn  ius  reale,  „wie  dann 
was  das  Knechtrecht  besonders  betreffe,  solches  einem 
zeitig  Zmssreuter  von  allen  .  .  .  Ordens  Leyhhöffen  un- 
verweigerlich  verhandreichet  wurde  imd  werden  nmßte". 


Nürnberg.  Bestand  A.  Akten  Nr.  34  S.  I  L.  &65),  1741  (Kamann 
S.  106);  Weimar  1651  (Job.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  148), 
AI ten  bürg  1662  (Brandt,  Der  Bauer  in  Altenburg  S.  82),  1744  (Univ.- 
Bibl.  Marburg),  brandenburgisch  Franken  1662  (Kr.  A.  Amberg. 
Zugang  6  Fasz.  24  Nr.  212),  1769  (Kr.  A.  Nürnberg.  S.  28  ^  Nr.  778 
Repert  238),  Bamberg  1662  (Kr.  A,  Bamberg.  Bamberger  Verord- 
nungen Rep.  141  Nr.  69),  die  oft  angeführten  bayerischen  Gesinde- 
gesetze des  17.  und  18.  Jhdt,  Goslar  1668  (Habeische  Sammlung 
Düsseldorf  1706  (oben  S.  647),  Jena  1761  (Job.  Schmidt  a,  a.  0. 
S.  149),  Cleve  1768  und  1769  (oben  S.  647),  Sayn-Wittgenstin 
1776  (Univ.-Bibl.  Marburg).  —  •)  Nicht  in  diesen  Zusammenhang  ge- 
hört, was  ergänzend  bemerkt  sei,  das  „Schleiergeld'S  das  den  Mägdec 
häufig  gereicht  wird;  in  den  Rechnungen  des  deutschen  Ordens  zu 
Marburg  und  anderer  grossen  Haushaltungen  wird  es  erwähnL  Hier 
scheint  es  sich  vielmehr  um  einen  Ersatz  des  Naturallohns  (an  Klei- 
dung oder  KleidungsstofT)  durch  bares  Geld  zu  handeln. 

^)  St.  A.  Marburg.  Akten  des  marburger  Samthofgerichts  W  250, 
in  Sachen  Wittekind  gegen  Gilbrachten.  —  •)  Gotthelf,  Uli  d« 
Knecht  (Ausgabe  Janssen  1909)  S.  89;  vgl.  auch  Gierke,  Schuld 
und  Haftung  S.  871.  —  •)  St.  A.  Marburg.  Acta  in  Sachen  Ordeis 
zu  Marburg  contra  des  Ordens  ständigePacht-Höfner  Henrich  Hahn  ett 
in  Anzefahr. 


—    655    — 

I>axiach  scheint  es  sich  um  eine  Gabe  der  zinspflichtigen 
Sauem  an  den  (zum)  Gesinde  gehörigen)  Zinseinnehmer 
zu  handehi.  Von  Trinkgeldern  bei  Gnmdstücksverkäufen 
handelt  eine  kölner  Vertragsurkunde  vom  17.  Februar 
1406  *) :  Der  Hauseigentümjer  stellt  dem  Rat  für  festliche 
Gelegenheiteai  einen  Teil  sieines  Hauses  zur  Verfügung 
xmd  erhält  dafür  50  Mark;  ferner  gibt  der  Rat  „syme 
gesunde  eynen  guMen  zu  verdryncken". 

Hier  feind  schon  vorwiegend  Fälle  behandelt,  in  denen 
ideml  Gesinde  nicht  von  seiner  Herrschaft,  sondern  von 
Dritten,  Außenstehenden  eine  Gabe  gereicht  wird.  Be- 
sonders häufig  pflegen  si<^h  solche  Gelegenheiten  bei  Fa- 
milienfesten zu  hielten.  Die  Gesetzgeber  gingen  auch  hier- 
g'egen  vor.  Gegen  die  Neujahrs-  und  sonstigen  Gaben 
der  Herrschiaft  selber  kämlpften  sie,  weil  die  Lohntaxen 
sonst  illusoriscW  geworden  wären.  Die  Geschenke,  die 
das  Gesdnde  von  Fremden  bei  festlidher  Gelegenheit  er- 
hielt, widersttebten  dem'  Geiste  der  Gesetzesverfasser  des- 
halb, weil  deren  kasteiende  Enthaltsamkeit  die  Festes- 
freude überhaupt  haßte.  Der  Festluxus  und  im!  Zusammen- 
hang damit  die  Festgeschenke  wurden  demgemäß  durch 
viele  Gesetze  eifrig  v<erboten.  Die  hessischen  Gesetz- 
geber wandten  sich'  oft  in  Verordnungen  wider  den  bei 
Taufen,  Hocfhaeiten  und  sonstigen  Festlichkeiten  üblichen 
Luxus  und  wider  die  Gesindetrinkgelder ;  als  Beispiel  sei 
die  Verordnung  voml  26.  Dezemiber  1731  *)  genannt.  Eben- 
so häufig  wie  in  Althessen  gingen  die  frömtneren  Gesetz- 
geber im  Fuldisc?hen  gegen  diese  Trinkgelderunsitten, 
vornehmlich  die  Festgaben  vor.  Daß  den  Knechten  nichts 
ohne  Leistimg  zu  gute  komimlen  sollte,  war  der  Zweck 
einer  Verordnung  wider  den  Luxus  auf  den  Taufen  und 
Hoc'hzeiten  vom!  1.  Oktober  1551  *).  Bei  den  Taufen  sollen 
die  Knechte  Weck  imd  Käse  auf  einen  jeden  Tisch  legen, 

0  Walther  Stein,  Akten  D  S.  145.  -  •)  LO.  IV  S.  79flF.,  bes.  80. 
')  Sammlung  der  cass.  Regierung  I  S.  249. 


—    656    — 

aber  nur  nach  Notdtirft,  „damit  die  uberbkibende  Frag- 
mente nicht  also,  ru  des  Knechts  Vorteil  wie  bissanhero 
geschehen,  gehäuffeit  imd  gesamimelt  werden".  Insbeson- 
dere die  ausdrücklichen  Trinkgelder  werden  späterhin  in- 
hibiert.    Die  Kindbetterordniing    vom    24.  Apwil   1717*) 
stellt  fest,  das  „nicht  nur  bey  der  Gevatter-Bettung  dar- 
durch  ein  grosser  Missbrauch  begangen  worden,  dass  die 
Magd,  oder  das  jenige  Haussgenossene  so  den  Gevatter 
Brieff  überbracht,  nicht  nur  mit  übermässigem  Trunck 
doli  und  voll  gesoffen,  sondern  auch  mit  einem  excessi- 
ven  Trinck-Gelt  beschencket  .  .  .  worden".    Der  Dienst- 
bote, der  den  Gevatterbrief  bringt,  soll  daher  höchstens 
einen  halben  Gulden  Trinkgeld  bekomimen.    Ein  Erlaß 
vom  29.  Dezeimiber  1735*)  wendet  sich  gegen  das  Neu- 
jahrsbetteln der  Jägier,  Tromlpeter,  Köche,  Bäcker,  La- 
kaien und  Stallbedienten  bei  Fremden,  „dass  sie  höhere 
imd  niederige  umb  eine  Neu  Jahrsgabe  anzugehen,  und 
einer  dem  anderen  die  Thüre  zu  solchem«  Ende  gleich- 
sam? in  die  Hand  zu  geben  sich  unterstehen** ;  daher  heißt 
es,  „dass  Wir  rwar  denen  Laquaien  bey  dem  entstehenden 
neuen  Jahr  gnädigst  indulgiren  wollen,  umlb  ein   Neu- 
Jahrsgeschenk  sich  an  Orthen  imd  Enden  doch  mit  aller 
Bescheidenheit  mielden  zu  dörffen**,  während  es  den  son- 
stigen Bedienten  verboten  wird. 

S  9.    Pflichten  der  HerrschafL 
2«  Die  Gewährung  von  Kost  und  Wohnung« 

Die  Kirnst,  das  Gesinde  richtig  zu  verköstigen,  galt 
als  eine  der  Grundbedingungen,  auf  die  hin  erst  eine 
Familie  gegründet  werden  durfte.  In  einem  augsburger 
Druck  des  16.— 17.  Jhdts.  heißt  es»): 

')  Ebenda  III  S.  77.  —  >)  Ebenda  IV  S.  428,  —  •)  Schnapper- 
Ar  n  d  t,  Zur  Theorie  und  Gesch.  der  Privatwirtschaftsstatistik,  Sonder- 
abdruck  aus  dem  Bulletin  de  l'Institut  International  de  Statistique  T. 
XIII  2. 


—     657     — 

,,Derh2Üb  junger  GscU 
nodh  nit  in  Ehstandt  stell, 
sondern  thu  vor  erwegeai, 
ob  es  sey  dein  vormögen, 
das  du  dein  Gsindt 
mit  weih  und  kindt, 
durch  dein  arbeyt  kanst  nehren, 
das  skh  kein  nuangel  findt." 

Und  das  reckenbergische  Land-  oder  Hausgenossenrecht 
antwortete  1652  ^)  auf  die  Frage,  „wie  eine  Frau  bescfhaf- 
fen  seyn  solle,  so  aufn  Erbe,  oder  Kotten  ziehen  wolle",  so: 

„^11  sein  alt  18  Jahr, 

Die   GeBondheit   kundt  und   offenbahr; 

Melken,  keysen  undt  buttern, 

Schweine,  Kühe  und  Kälber  auffuttern, 

^Rocken,  heckein,  rippen  imd  schinnen, 

Speisen  zu  rechter  Zeit  Ihr  Mann  und  Hausgesinne." 

Die  scheinbare  Bedeutsamtkeit,  mit  der  man  so  die 
Speisung  des  Dienstvolkes  maß,  schrumpft  freilich  bald 
zusaminiyen,  wenn  man  Äußerungen  vergleicht,  die  sich 
mit  der  Gesindekost  als  solcher,  um  ihrer  selbst  willen, 
befassien,  die  nicht  den  Maßstab  für  die  Kimstfertigkeit 
des  Haushaltsleiters  normieren  wollen. 

So  küe  folgende:  „Weil  aucU  einem  treschenden  Och- 
sen Isiein  Futter  und  Mahl  gehöret  •),  so  soll  denn  Gesinde 
sein  Esisen  imd  TrinCken  nach  Nothdurfft  und  zu  rechter 
TjtxX  verrichtet  imd  gegeben,  und  so  zugerichtet  werden, 
dass  es  dassielbige  zur  Gestmdheit,  Stärcke  und  Kräffte 
seines  Leibes  gemessen  kan."  „Wiewol  ich  hertzlich  gern 
essen  und  trincken  sehe,  xmd  manchmal  einem  treuen 
Diener  auss  meiner  Schussel,  und  auss  meiner  Kannen 
ein  gut  Bisslein  oder  Trüncklein  habe  überreichen  lassen, 

»)Wigands  Archiv  V  S.  409  ff;  bes.  411.  —  •)  Vgl.  1.  Kor.  9^  9; 
1.  Tim.  5,  18;  5.  Mos.  S5,  4. 

KSniMcke.  42 


—    658    — 

sonderlii^  den  gxösten  und  vornehmlsten  Knecht»  der  die 
Sorgie  der  gant^en  Nahrung  auf  ihm»  gehabt,  in  Betradi- 
tung  ihrer  grostsien  Sorge,  Mühe  und  Arbeit,  die  sie  auf 
dem-  Halse  hjaben:  So  ist  mirs  doöh  off  tmahlen  auch 
widerfahren,  dass  sie  darnach  stoltz,  frech,  muthwillig 
und  widerwärtig  worden  seyn,  dass  ic?h  offt  wiederumb 
gedadht  habe,  ein  Knecht  ist  ein  Knecht,  den  muss  man 
nicht  2um-  Herrn  machen,  sonst  kan  er  sich  selbst  nicht 
regiren.  Ein  Bauer  ist  imd  bleibt  ein  Bauer,  wann  man 
ihn  auf  ein  güMen  Sessel  setzt,  wie  auch  Salomon  sagt, 
Proverb.  30,  von  der  Mag'd  die  ihrer  Frauen  Erbe  wird, 
danmib  halte  mian  ein  Gesind  mit  Essen  und  Trinckcn, 
wie  sichis  gebühret  imd  gehöret,  doch  dass  sie  auch  gnug 
211  essien  und  211  trincken  haben,  und  dass  es  ihnen  recht 
zuigerichtet  wierde.  Sihet  man  aber,  dass  es  bey  einem 
Gesinde  angiewand  ist,  und  dass  mans  mit  seiner  Gutwillig- 
keit, auch  gutwillig  zur  Arbeit  macht,  Ey  so  müste  es 
auch  ein  schlimimler  Herr  seyn,  der  ihm  bissweilen  auch 
nicht  Imit  einem  guten  Bissien  und  Trunck  za  hülff  kommen 
solte." 

Dies  sind  Stellen  aus  der  Oeconomia  ruralis  et  do- 
mestida,  einem'  im  17.  Jhdt.  weit  verbteiteten  Hausbuche 
des  Johanns  Colerus^).  Fast  alles,  was  die  Gesetzgeber 
über  die  Kost,  das  wichtigste  Naturale  des  Gesindelohns, 
imi  Laufe  der  Zeiten  ru  erdenken  vermöchten,  ist  in  diesen 
sicherlich  wenig  liebevollen^  aber  sehr  praktischen  Äuße- 
rungen enthalten^). 

Über  Idie  faktisdhb  Zusamimiensetzung  deir  Gesindekost 
in  der  Vergangenheit  ist  noch  nicht  allzu  viel  bekannt 
geworden.   Im«  Mosfellande  ^)  bekam  das  Gesinde  während 

*)  Nach  der  Ausg.  von  1672,  S.  6,  814.  —  *)  Dem  Gesinde  freund- 
licher ist  Peter  Glaser;  Stillich  S.  56.  —  •)  Lamprecht,  Wirt- 
schaftsleben IIS.  558;  vgl.  auch  das  Recht  der  Kinder  von  Mosel* 
weis  1580  (Grimm,  Weistümer  II  S.  509),  die  samt  ihren  Knechten 
jährlich  auf  Johannis  Baptistae  von  der  Hof  herrschaft  ein  „keess  essen" 
erhielten. 


659    — 

des  Mittelalters  selten  Roggen-  und  Weizenbrot,  regele 
naäßig  vielmehr  Brot  aus  Hafer-  und  Gerstenmehl  nebst 
Hafergrütze.  In  hann.  Münden*)  gab  es  für  das  Vogtei- 
&esinde  von  Zeit  zu  Zeit,  besonders  an  Feiertagen,  morgens 
xind  abends  Brei  aus  „Schonebrot*'  (Weißbrot),  zu  Neu- 
ja^hrsabend  imd  Ostern  Fladen  aus  Weizenmehl,  Char^ 
freitags  Krengeln,  geleg^entliclh  auch  eine  Kalbskeule,  Das 
regelmäßig  verabreichte  Getränk  war  wohl  hauptsächlich' 
Bier.  In  Seestädten  sollen  sich  die  Dienstboten  ausbe- 
idimgen  haben,  nicht  öfter  als  zweimal  in  der  Woche 
Lachs  essen  zu  müssen*). 

Wohl  (die  früheste  gesetzliche  Erwähnimg  der  Gesinde- 
speise bringen  der  Schwabenspiegel  und  das  alte  braun- 
Schweiger  Recht,  freilich  in  ganz  entlegeneim  Zusam- 
iiienhange,  und  ohne  eine  sac^hliche  Anordnung  über  den 
Gegenstand  ru  treffen.  Im'  SchwabenspiegeP)  wird 
angeordnet :  „Swer  einen  man  becilaget  vor  gerichte  umbe 
gelt,  und  er  nut  ze  vergeltenne  hat,  noch  bürgen  geben 
hat,  noch  binrgen  gehaben  mag,  der  richter  sol  im  den 
man  für  sin  gelt  geben,  und  antwurtet  in  im.  Den  sol 
er  gehalten  gelich  sinem'  ingesinde,  mit  spise 
unde  arbeit.**  Ähnlich  imi  braunschweiger  Recht*): 
,,Swe  enen  man  irwerft  vor  sin  ghelt*)  binnen  der  stad 
gherichte,  he  möt  ene  wol  bringen  an  sine  were;  want 
he  eme  ghelde,  dar  mede  ne  heft  he  wedde  noch  böte 


0  Schön feldt,  Lohn-  und  Preisverhältnisse  in  Hann.-MQnden 
zu  Anfang  des  15.  Jhdts«;  Vierteljahrsschrift  f.  Sozial-  u.  Wirtschafts- 
geschichte I  S.  83 fF.,  bes.  89.  —  •)  v.  Siebold,  SOsswasserfische 
(1868)  S.  267  Anm.  Über  KostverhälUiisse  in  Narnberg  s.  Ka- 
nn an  n  S.  109  ff.  Zahlreiche  Mitteilungen  von  Gesindekost  in  den 
preussischen  Provinzen  während  des  19.  Jhdts.  enthält  A.  Neumann , 
Die  Bewegung  der  Löhne  der  ländlichen  „freien"  Arbeiter  S.  869.  — 
«)  Art.  804.  —  *)  Hänselmann,  Urkundenbuch  I  S.  8ff.,  bes,  5; 
10  ff.,  bes.  12;  21  ff.,  bes.  22;  n  S.  180  ff.,  bes.  182;  220  ff.,  bes.  221. 
-  *)  als  Geisel  erhält?  Schiller- Lübben  I  S.  744. 

42* 


—    660    - 

vorsdult  an  nenem  grherichte.     He  scal  eme  so  gedane 
spise   gheven,  alse  sinemle  inghesinde"*). 

Als  selbständiges  Objekt  der  Gesetzgebung  fand  dk 
Verköstigung  des  Gesindes  zuerst  eine  Regelung  in  K  a  i  • 
ser  Ludwigs  Rechtsbuch  und  entsprechend  inn  mün- 
chener  Stadtrecht*).  Ein  Grund  für  das  Gesinde,  dco 
Dienst  vor  der  Zeit  zu  vierlassen,  ist  gegeben,  ivenn  es 
im  Hause  des  Herrn  „von  htmgers  wegen"  nicht  mehr 
auszuhialten  ist.  Bald  komimlt  auch  die  Vorschrift,  daß 
das  Gesinde  sich  keine  Bedingungen  wegen  der  Kost 
machen  darf).  Die  1423  von  westfälischen  Rittern 
imd  Städten  vereinbarte  Gesindeordnimg  *)  setzt  hier  fest : 
„Item  Isal  de  wylkoer  stan  an  deimie  genen,  de  de  arbeydes 
lüde  medet  und  nycht  an  den  arbedes  luden,  efft  se  en 
gheven  wyUen  kost  tmde  gelt,  effte  sunder  kost." 

Im'  folgenden  Jahrhundert  ging  es  auf  diesen  Wegen 
weiter.  Die  Amitspflichten  des  trierer  Amtmannes,  um 
1530  aufgezeichnet '^),  umfassen  auch  die  Versorgung  des 
Gesindes  mit  „notturft  an  essen  imd  drinken" ;  doch  sollen 
die  sonstigen  Speisevorräte  in  Küche  und  Keller  wohl 
verwahrt  werden.  Es  ist  ferner  noch  vom»  Abendessen  und 
dem«  Schlaftrunk  des  Gesindes  die  Rede.  Etwas  jünger 
als  diese  Satzung  ist  die  Instruktion  für  den  Adjxmkten  des 
Küchenmeisters  im  Kloster  St.  Maximin  zu  Trier  ^).  Da 
heißt  es:  „.  .  .  Item  am  sontage,  dienstage,  domstage, 
morgens  [und  abends  soll  das  gesinde  mit  fleisch  gespeiset 
werden,  nemlich  mit  speck  und  andern  victualien.  Item 
am  montage,  mittwochen,  freitage  imd  sanibstag  soll 
das  gesinde  mit  doppel  speise  erhalten  werden^  die  woU 
und  reinlich  zugericht,  imd  lüt  morgens  imd  abends  all- 

*)  Ähnlich  goslarcr  Recht  (Göschen  S.  70).  —  •)  v.  Frey- 
berg,  hist  Schriften  u.  Urk.  IV  S.  888  ff.,  bes.  425  (Art.  88);  Au  er, 
Stadtrecht  S.  54  (Art  188).  —  *)  Die  vorhin  mitgeteilte  Kunde  von 
dem  verpönten  Lachsessen  würde  sich  hiernach  als  Gesetzesverletzunj: 
darstellen.  —  *)Seibertz,  Urkundenbuch  III  S.  48 ff.,  bes.  45.  — 
*)  Lamprecht,  Wirtschaftsleben III S. 814. — *) Habeische Sammlnng. 


—    661     — 

v«^«ge  mit  scbollen  oder  Stockfisch  gespeiset  werden.   Es 
soll  aucfh  der  conventskoch  ein  aufsehems  haben  auf  den 
S^sii^dekoch,  das  er  nit  zuvill  noch  zuwenig  dem  gesindell 
von  es9en  furstelle/*    In  Erfurt  erging  1577,  wohl  im 
y\xischluß  an  die  Reichspolizeiordnung,  eine  Polizeiord- 
rkung^):    „Es  soll  auch  eine  jede  Obrigkeit,  so  viel  die 
TDienstbothen,  Handwerker  imd  Taglöhner,  sowohl  in  den 
Stätten,  als  in  den  Dörfern  betrift,  in  ihren  Gebieten  eine 
Sazimg  oder  Ordnung  aufrichten,  wie  dieselbe  nach  eines 
j-eden  Landes  Gelegenheit,  ihrer  Unterthanen  gemeinen 
Nuzen  mit  Essen  und  Trinken,  und  anderer  Beloh- 
Tiung  \md  dargegen  mit  treuem'  fleissigem  Arbeiten  zum 
f  ruchtbarlichsten  angesehen  wird,  damit  sie  ihres  Gefallens 
nicht  aus  den  Diensiten  und  Arbeit  tretten,  imd  derselben 
Ungehorsam»  imd  eigenem  Willen,  auch  mit  ernstlichem 
Einsehen  fürgekomlmen  werde."  Überhaupt  greifen  für  das 
Klostrecht  immer  mehr  die  von  den  Lohntarifierungen 
her  bekannten  Grundsätze  Platz:  es  soll  keiner  sein  Ge- 
sinde zu  gut  halten,  auf  dass  deml  Nachbar  seine  Dienst- 
boten um  geringerer  Ausstattimg  willen  nicht  entlaufen 
oder  überhaupt  den  Dienst  weigern.  So  wird  in  der  k  u  r  - 
pfälzischen   Landesordnimg  von   1582')   zur  Abstel- 
lung des  „ubermässigs  abfressens  und  sauffens*'  den  Amt- 
leuten anbefohlen,  eine  Ordnung  für  einzelne  Bezirke  zu 
entwerfen,   „wie  es  .  .  .  mit  Lohn,  essen  und  trindken, 
nach  notturfft  und  zu  keinem  uberfluss  zu  halten"'). 

Das  17.  Jhdt.  blieb  bei  dieser  Auffassung.  Sq  steht  in 
der  clever  Gesindeordnung  von  1608*):  „Das  auch  zu- 
letzt, jm  fall  mehrberurte  Taglöner  und  Dienstbotten  mit 
grober  zeitiger  und  gewohnlicher  kost,  wie  auch  zimb- 
lichem  notturfftigem  schenck  oder  dünnen  bier  nit  be- 


>)  Dorn  S.  828.  —  •)  Univ..Bibl.  Marburg.  -  «)  Wie  die  ftrst- 
liehen  Beamten  die  Gesindekost  in  den  Rechniingsregistern  verzeichnen 
sollen,  ordnete  die  hessische  Rentkammerordnung  von  1568  an 
(LO.  I  S.  888;  s.  a.  oben  S.  40).  —  *)  Sc  Ott  i,  Cleve  S.  216. 


-     662     — 

gnugig  sein  wurden»  der  arbeitzberr,  bei  straff,  wie  oben 
gemelt,  solches  an  gebärenden  ortem  zu  offenbaren  und 
anzuhalten,  gestalt  gegen  solche  mutwillige  Verbrecher, 
der  gebür,  imd  nach  gelegenheit  alsbaldt  mit  der  straff 
zu  verfahren."  In  Bayern  erging  1616  und  1656*)  das 
Gebot,  ^daß  das  Gesinde  sich:  mit  der  gewöhnlichen  Speise 
begnügen  „\md  derentUalben  kein  Geding  mit  einiger 
Herrschaft  machen"  soll.  In  einer  an  ostdeutsche  Ver- 
liältnis8e')  gemahnenden  Spezialisierung  bestimmte  die 
detmolder  PoUzeiordnung  von  1620*),  daß  nicht  mehr 
als  drei  Mahlzeiten  am>  Tage  gegeben  werden  dürfen; 
abgeschafft  wird  das  Vesperbrot  „in  specie".  Bei  Über 
tretungen  droht  beiden  Teilen  Strafe  von  einem>  Thaler. 
Eine  direkte  Verpflichtimg  des  Dienstherrn  rur  Gewäh- 
rung der  nötigen  Kost  wird  in  der  fried berger  Poli 
zeiordnung  von  1680*)  begründet.  Freilich  findet  sich 
diese  Gesetzesstelle  nur  ganz  nebenher  bei  der  Behand- 
lung der  allgemeinen  Lohhzahlungspf licht.  Der  Herr  soll 
dem«  Gesinde  den  verordneten  Lohn  und  die  Speisung  ge- 
währen, damit  das  Gesinde  keine  Ursache  erhält,  aus  dem 
Dienste  zu  gehen. 

Die  Polizeiordnungen  hatten  anderes  zu  tun,  als  sich 
mit  Einzelheiten  des  Kostwesens  oder  auch  in  weiterem 
Umfange  mit  der  Statuienmg  einer  Herrschaftspflicht  lur 
Kostreichimg  ans  Gesinde  abzugeben.  Erst  die  Gesinde- 
ordnungen des  18.  Jhdts.  gingen  zu  einer  Behandlung 
des  Gegenstandes  im«  System'  ihres  Gesinderechts  über. 
Freilich  begnügen  sich  die  mieisten  Ordnungen  —  gani 
wie  das  friedberger  Gesetz  —  danfiit,  zum'  Schluß,  wo 
summarisch  die  Herrschaftspflichten  aufgezählt  werden, 
neben  dem  Lohne  audh  die  Kost  zu  nennen.  Bald  wird 
ein  erläuterndes  Adjektivum  im  Interesse  der  Dienstboten 

')  PI  atz  er  S.  110;   Kr.  A.  München.    GR.  Fasz.  402  Nr.  1. - 
*)  Darüber  unten  S.  666flf.  —  •)  Landes  Verordnungen  L.-Detmold  I S. 
—  *)  Univ.-Bibl.  Marburg. 


-     663     - 

hmzu^refügt  —  z.  B.  >, ausreichende"  oder  „reinliche"  oder 
,, gesunde"  Kost  — ,  bald  heißt  es  zu  Gunsten  der  Dienst- 
herrschaft; daß  von  der  landesüblichen  Kost  nicht  ab* 
gegaxLgen  werden  soll.  Im  Norden,  Westen  imd  Süden 
komimt  solche  Vorschrift  in  den  verschiedenen  Fassungen 
vor ;    <iie9er  allgemeine   Hinweis  mag  genügen. 

Verschärft  ist  die  herrschaftliche  Pflicht  zur  Kost- 
reichung  in  der  schleswiger  Gesindeordnung  von 
1740  ^) ;  mangelhafte  Kost  ist  ein  Grimd  für  das  Gesinde, 
vorzeitig  den  Dienst  zu  verlassen.  Noc'h  weiter  geht  hier 
die  Ordmuxg  für  Düsseldorf  von  1809*):  Die  Herr- 
schaft ist  zur  Kostgewährung  verpflichtet.  Bei  Mangel 
kann  der  Dienstbote  die  Stelle  verlassen,  imd  die  Herr- 
schaft wind  bestraft. 

Den  alten  Ton  behielt  im  18.  Jhdt.  vornehmlich  das 
detmolder  Recht  bei.  Die  Gesmdeordnung  von  1752') 
klagt  über  die  vielen  Beschwerden,  daß  das  Gesinde  nicht 
mit  der  Kost  zufrieden  ist,  sondern  vorschreibt,  was  es 
haben  will ;  ja  es  praetendiert  gar  zu  jeder  Mahlzeit  Fleisch, 
Butter.    Daher  ergeht  das  Gebot:    nicht  mehr  als  drei 
Speisungen  täglich,  wobei  einmal  Butter  verabreicht  wer- 
den  darf,  wöchentlich  zweimal  Fleisch  oder  Speck;  im 
übrigen  sind  Suppe  imd  Gemüse  nach  des  Orts  Herkom- 
men zu  geben.  Vesperbrot,  ferner  Brantwein  sowie  Tabak- 
rauchen werden    verboten.    Jede  Übertretung  wird    am 
Herrn,  'der  die  verbotene  Speise  gibt,  und  am«  Gesinde  mit 
einem'  Gulden  gestraft. 

Der  Genuß  von  Kaffee  imd  Tee  galt  dem  18.  Jhdt. 
als  arger  Luxus.  Ganz  besonders  energisch  mußte  er  be- 
kämpft weiden,  wenn  selbst  die  geringen  Leute  sich  solche 
Üppigkeit  anmaßten.  Hier  bekommen  auch  die  Dienst- 
boten mandhimial  ihr  Teil  Strafe  ab.    In  Detmold  er- 

^)  St  A.  Schleswig.  Sammlung  Grossfürstl.  Verordnungen.  — 
*)  Scotti,  Jülich  S.  1262.  —  »)  Landesverordnungen  L.« Detmold  II 
S.  47. 


—    664    — 

ging  1765  und  1778  das  Verbot,  demi  Gesinde  Kaffee 
2U  geben  ^).  Die  ihin  fordern  und  geben,  erhalten  Leibes- 
oder Geldstrafe;  von  denn  Gelde  soll  der  Denunziant  ein 
Drittel  bekonilmien.  Nach  der  osnabrücker  Gesinde- 
ordnung von  1766*)  darf  die  Herrschaft  dem  Gesinde 
„ausser  an  Feiertagen  oder  bey  Krankheiten  keinen  Thee 
oder  Caffee  geben,  auch  nicht  geslatten,  dass  solcher 
in  seinem^  Hause  von  dem  Gesinde  getrunken  werde". 
Zehn  Thaler  Geldstrafe  oder  vierzehn  Tage  Gefängnis 
drohen  den  Bauern,  Taglöhnem  und  Dienstboten,  die 
sich  des  Kaffetrinkens  vermessen,  nach  der  hes  s ischen 
Caf f^-Ordnung  von  1766  •) ;  noch  um»  einen  Thaler  wurde 
die  Strafe  1774  erhöht  *).  Bei  der  1767  und  1801  veran- 
stalteten Untersuc^hting  über  das  Gesindewesen  liefen 
einige  Berichte  voll  Empörung  über  den  Luxus  des  Kaffee- 
trinkens ein*).  Recht  streng  ist  eine  braunschweiger 
Verordnung  von  1772  *),  nach  der  „Gesinde,  welches  Cof - 
fee  und  Thee  zu  trinken  prätendiren  würde,  mdt  Verlust 
des  Dienstes,  im'  Fall  es  die  Herrschaft  verlangte,  und 
des  Dienst lohns,  auch  mit  Gefängniss  und  noch  wohl 
hartem  Strafen  belegt  werden  soll**'). 

Unter  Androhung  von  Turmstrafe  wurden  in  der 
Polizeiordnung  für  Hohenstatt  und  einige  andere  Orte 
in  Schwaben  aus  dem»  Jahre  1748®)  die  Dienstherrn  an- 
gewiesen, „jhren  jimgen  ausstrieb-  imd  dienstbuben,  die 
sich  vor  der  Zeit  dem  tabacktrincken  ergeben,  das- 
selbige  gänzlich  niderzulegen**.  Die  detmolder  Ge- 
sindeordnung von  1752,  die  eben  angeführt  wurde  ^),  ent- 
hält das  Verbot  des  Rauchens  für  das  Gesinde  allgemein. 
Audh  in  Fulda  wurde  die  Tabaktrunksucht  am  25.  Ok- 


»)  Ebenda  S.  201,  209,  647.  -  •)  Klöntrupp,  Handbuch  II 
S.  76  ff.  —  •)  LO.  VI  S.  818.  -  *)  Ebenda  S.  761.  -  »|  Oben  S.  80, 
110.  —  •)  Dorn  &  829.  —  ^  Vgl.  auch  Mühlhäuser  GeschichtsbUtter 
IX  S.  127.  —  •)  Wintterlin,  Württembergische  ItodL  Rechts- 
queUen  I  S.  449  ff.,  bes.  4&0.  —  •)  Oben  S.  668. 


—    665     - 

tober  1764*)  bei  scharfer  Strafe  verboten.  Für  die  von 
Kindern  xmd  Gesinde  verwirkten  Strafgelder  sollten  die 
Hausväter  haften^  auch  ihrerseits  noch  selbständige  Strafe 
erfahren  *). 

Es  ist  noch  einer  bisweilen  vorkommenden  Besonder- 
heit im  Kostwesen  zu  giedenken.  Die  hessischen  Ge- 
sindeordnungen seit  1797  sprechen  davon,  daß  die  Dienst- 
boten sidi  selber  verköstigen  und  dafür  Kostgeld  er- 
halten; Vorbild  war  1797  die  halberstädtische  Ge- 
sindeordjiimg  von  1765 '),  die  dieser  Möglichkeit  gedenkt. 
Ijn  §  13  ider  hessischen  Gesetze  von  1797  und  1801  *),  der 
von  der  Veruntreuung  spricht,  ist  die  Rede  von  Knechten 
und  Mägden,  „sie  mögen  bey  hohen  oder  niedrigen  Herr- 
schaften in  Kosft  und  Lohn  stehen,  im*  Haus%  die  Kost 
gemessen,  oder  Geld  dafür  bekommen  und  sich 
selbst  verköstigen**.  Daß  hiermit  vor  allem  die  ver- 
heirateten Dienstboten  geimeint  sind,  die  allerdings  haupt- 
sächlich auf  dem)  Lande  vorkomlnen,  wird  nicht  dadurch 
berührt,  daß  die  Gesindeordnung  von  1797  nur  für  die 
vier  größeren  Städte  des  Landes  erlassen  ist.  Denn  bei 
dem  agrarischen  Charakter  auch  dieser  Städte,  vor  allem 
an  der  Peripherie,  ist  es  durchaus  möglich,  daß  auch  hier 
verheiratete  Knechte  an2rutreffen  sind,  ganz  zu  schweigen 
von  den  städtischen  Lebens  berufen  als  Gesinde  (Die- 
ner, Kutscher  usw.).  Femer  wollte  man  mit  der  Bestim- 
mvng  alle  „Hausbedienten**,  nicht  nur  Gesinde,  sondern 
auch  kaufmännische  und  gewerbliche  Hilfspersonen  um- 
fassen, für  welche  die  besondere  Regelung  der  häuslichen 
Unredlichkeiten  Geltung  haben  sollte.  Das  Kostgeld  fin- 
det 1816  noch  an  anderer  Stelle  Erwähnung.  Bis  dahin 
konnte  in  Hessen  der  grrundlos  entlassene  Dienstbote  nur 


^)  SammL  der  cass.  Reg.  Bd.  VI.  Rauchverbote  aus  dem 
schlesischen  Gesinderecht  s.  Schlesische  6con.  Sammlungen  II 
S.  708.  -  •)  Oben  S.  267.  -  •)  VI  §  4;  oben  S.  94ff.  -  *)  LO.  VII 
S.  727;  VIII  S.  26.  -  1816:  §  10  (Möller-Fuchs  8.  118). 


—    666     - 

Lohnersatz  fordern ;  nun  wird  ihm  auch  ein  Kostgeld  zu- 
gestanden. 

Eine  letwas  abweichende  Behandlung  erfährt  das  Kost- 
geld in  anderen  Rechten.  Einigeostdeutsche  Ordnun- 
gen^), sowie  die  beiden  clevischen  Gesindeordnungen 
von  1753  und  1769  *)  treffen  Bestimmungen  über  die  Höhe 
des  Kostgeldes,  über  sein  Verhältnis  zu  der  in  natura 
gewährten  Kost.  In  der  clevischen  Ordnung  von  1753 
heißt  es  imter  §  4:  „Doch  kann  das  Gesinde,  wenn  es 
sich  anfänglich  auf  des  Herrn  Kost  vermiethet,  hernach 
währenden  Dienstes  nicht  fordern,  dass  es  auf  Kost-Geld 
gesetzet  werden  roiöge,  und  ist  die  Willkühr  der  Herr- 
schafft ob  selbige  Kost-Geld  oder  selbst  Kost  geb^i  wolle." 
1769  erfolgte  eine  Weiterbildung  im-  folgenden  Sinne. 
Will  die  Herrschaft  Kostgeld  geben,  dann  miuß  dessen 
Höhe  gleich  bei  der  Annahme  des  Dienstboten  bestimmt 
sein.  Wie  1753  kann  das  Gesinde  nicht  hinterher  Ersatz 
der  Naturalkost  durch  Kostgeld  verlangen.  Aber  jetzt 
ist  die  Herrschaft  gleichem-  Recht  unterstellt:  Sie  darf 
dem  Gesinde,  das  anfangs  Kostgeld  erhielt,  nicht  zumuten, 
daß  es  nachträglich  Kost  im'  Hause  nimmt. 

Wenn  Bediente  männlichen  Geschlechts  „auf  Kost" 
gemietet  sind,  so  heißt  das  nach  der  ansbacher  Gesinde- 
ordnung von  1769 '),  daß  sie  im-  Wirtshause  essen  müssen. 
Im  Gegensatz  zum  Lohne,  der  längere  Zeit  stehen  bleiben 
kann,  muß  nach  dieser  Ordnung  das  Kostgeld,  von  dem 
die  Dienstboten  leben  müs^n,  alle  Woche  ausbezahlt 
werden  *). 

Hart  imd  abstoßend  kleinlicih  ist  im  übrigen  das  Ver- 
köstigungsrecht  in  Ostdeutschland.  Bis  ins  einzelne 
geht  zwar  beispielsweise  auch  das  oben  '^)  mdtgeteilte  Kost- 


')  Dorn  8.  325,  81  (Berlin,  Oberlausitz).  —  ■)  Scotti,  Clevc 
S.  1462,  1894.  -  •)  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  28  V  Nr.  779.  Repert  288. 
—  *)  Erwähnung  von  Kostgeld  (wohl  der  verheirateten  Dienstboten) 
bei  Steffen  S.  50.  -  •)  S.  660. 


^     667     — 

recht  des  Klosters  St.  Maximin  in  Trier.  Aber  diese  Be- 
stimmungen sind  als  interne  Vorschriften  für  den  Kloster- 
koch und  seine  Adjunkten  aufzufassen ;  diese  beiden  müs- 
sen die  Einzelheiten  der  zu  reichenden  Kost  vorgeschrie- 
ben erhalten.  Etwas  anderes  aber  ist  es,  wenn  ein  Landes- 
gesetzgeber sich  mit  kleinlichsten  Kostvorschriften  an  die 
Dienstherrschaften  wendet  imd  diesen  die  Überschreitung 
eines  bestimmten  Maßes  verbieten  will.  Diese  Auswüchse 
der  Polizeigesetzgebung  herrschten  im-  Osten. 

Überaus  genau  sahen  so  die  brandenburg-preu- 
ßi sehen  Gesetzgeber  auf  Einheitlichkeit  in  der  Gesinde- 
verpflegimg*). In  der  Provinz  Brandenburg  selber  war 
die  Kost  freilich  immer  noch  besser  als  in  den  übrigen 
Landesteilen.  Aus  diesem*  Grunde  vielleicht  gibt  es  auch 
bis  1687  keine  Vorschrift  über  Gesindekost.  1687  wird 
dann  freilich  bestimmt,  daß  täglich  nur  dreimal  Mahl- 
zeiten gehalten  werden  dürfen,  Vesper  nur  da,  wo  es 
üblich  ist.  Die  Dauer  und  die  Zeit  der  Mahlzeiten  werden 
genau  festgelegt.  Übertretungen  soll  die  Herrschaft  nüt 
20  Th.,  das  Gesinde  mit  Zahlimg  eines  Jahrlohns,  im 
Rückfall  mit  Festung  büßen.  „Die  Handhabung  eines 
solchen  Gesetzes  möchte  ein  sehr  lästiges  Eindringen  in 
die  häuslichen  Verhältnisse  erfordern",  meint  Dorn*) 
in  seiner  biedern  Art  hierzu.  1735  wurde  verordnet,  daß 
das  Gesinde  bei  Leibesstrafe  mit  dem  gebotenen  Essen  zu- 
frieden sein  muß.  Es  folgen  Bestimmungen  über  die 
Dauer  der  Mahlzeiten.  Die  Herrschaften  werden  ange- 
wiesen, dass  sie  höchstens  viermal  täglich  zu  essen  geben 
dürfen;  für  jede  Mahlzeit  mehr  haben  sie  einen  Thaler 
Strafe  zu  zahlen.  Das  Allgemeine  Landrecht  will  dem 
Gesinde  die  ortsüblichen  Speisen  bis  zur  Sättigung  ge- 
reicht wissen,  und  die  Gesindeordnimg  von  1810  fügt 
noch  hinzu,  daß  das  Gesinde  nicht  gezwimgen  ist,  ge- 
sundheitsschädliche und  ekelhafte   Speisen  anzimehmen. 

')  Lennhoff  S.  85 ff.  -  •)  S.  829. 


-     668     - 

Auch  Schlesien  hat  ähnUche  Bestmunun^en ^).  Ic 
der  Gesindeordniing  des  Jahres  1652  heißt  es  so:  „Ab 
ist  ^r^schlossen  worden,  dass  dem  Gesinde  täglich  und  or- 
dinaire  des  Morgens  oder  Mittags,  drei  Essen  oder  Speisen 
und  zwar  eine  Suppe  und  ein  Zugemüse  und  wöchentlich 
an  Statt  des  einen  Zugieimiüses,  zweimal,  nämlich  Sonntags 
und  Donnerstags,  ein  Gericht  Fleisch,  an  Orten,  wo  es 
vor  Alters  bräuchlich  und  zu  bekommen,  zu  allen  aber 
die  Notdurft  an  Brot 'und  täglich  von  Georgi  bis  Michaelis 
em  rindern  Käse,  dass  sie  ihr  genügsames  Auskommen 
haben  mögen,  gegeben  werden  solle.*'  1770  wird  konse- 
quent weiter  angeordnet,  daß  künftig  nur  noch  vienoal  im 
Jahre  Fleisch,  xmd  zwar  ^/^  Pfd.,  gegeben  werden  darf. 

Die  geizige  Kleinlichkeit,  die  in  dem  brandenburger 
und  schlesischen  Kostrechte  zu  Tage  tritt,  offenbaren  in 
gleicher   Gestalt   die  kursächsische   Landesordnung 
(Kostordnung)   von   1482*)  imd  die  Gesindeordnving  für 
die  Oberlausitz  von  1767*).   Diese  verlangt,  daß  dem 
Gesinde  das  Brot  vorgeschnitten  wird,  imd  verbietet  die 
Verschwendimg  damit  und  insibesondere  „das  Ansinnen 
der  Dienstbothen,  dass  die  Dienstherrschaften  das  Brod 
den  ganzen  Tag  frey  und  auf  dem-  Tische  liegen  lassen 
sollen",  bei  ernster  Strafe.  Das  Gesinde  soll  keine  andere 
Speise  verlangen,  als  die   Herrschaft  ißt,  sondern  hmiB 
mit  dem  nach  Gutfinden  gegebenen  zufrieden  sein;  die 
Herrschaft   muß   freilich   Speisung  bis  zinn   Sattwerden 
reichen  *). 

Sicherlich  aus  der  Seele  der  östlichen  Gutsherröi 
hat  Kr  Unit  z  gesprochen,  wenn  er  in  voller  Naivität 
sich  äußert*):  „Den  Brande  wein,  als  ein  einheimi- 
sches Product,  wodurch  unsere  Kornconsumtion  befördert 


»)  Frauenstädt  S.  886.  —  •)  Wuttke  S.  18.  —  »)  Dorn 
S.  826  fr,  -  *)  Vgl.  auch  die  Vorschriften  über  Gesindekost  bei  R.C 
Bennigsen,  Abhandlung  vom  Anschlag  der  Güther  in  Sachsen, 
Leipzig  1771,  S.  198,  199.  —  •)  Dorn  S.  882. 


—    669     — 

wird,  wollen  wir  gar  nicht  aus  unsern  Haushaltungen 
verbannen.  Wenn  er  w&ßig  von  unsern  Landleuten  ge- 
trunken wird,  ist  er  ihnen  gar  nicht  schädlich.  Eine 
kluge  Hausmutter  kann  nxit  einer  kleinen 
Dosis  Brandtweindurdh  ihre  Knechte  grosse 
Dinge  in  der  Gesdhwindigkeit  ausrichten» 
und  vielen  guten  Willen  hervorbringen." 

Die  Wohnung  der  Dienstboten  ist  nie  Gegenstand 
der  Gesetzgebung  gewesen.  Mit  höherem  Lohne  xmd 
besserer  Kost  konnte  eine  Herrschaft  ihren  Dienst  im 
Vergleich  ru  andern  Stellen  ru  einem  vorzüglichen  ge- 
stalten und  freimldes  Gesinde  anlocken.  Die  Wohnung  da- 
gegen spielte  bei  dietmi  Konkurrenzkampfe  der  Herrschaften 
untereinander  nie  solch  bestimimiende  Rolle;  die  fürsor- 
gende  Gesetzgebung  koimte  daher  auch  nicht  zu  einem 
Vorgehen  veranlaßt  werden*).  Über  den  tatsächlichen 
Zustand  der  Gesindewohnxmgen  in  der  Vergangenheit 
ließen  sich  folgende  Feststellungen  machen. 

Melchior  S  e  b  i  z  verlangte  in  seinem«  Feldbau  1580  *) : 
„Drei  Stücke  sollen  bei  Erbauiuig  eines  Bauerngutes  be- 
sonders erwogen  werden :  erstlich  des  Besitzers  und  s  e  i  - 


*)  Vgl.  auch  das  oben  S.  2&S,  254  über  das  Vorkommen  bezw. 
Fehlen  des  Merkmales  der  Hausangehörigkeit  Gesagte.  Dass  das 
Wohnen  des  Gesindes  auf  dem  Gute  in  bestimmter,  freilich  recht 
fernliegender  Beziehung  einige  Bedeutung  haben  kann,  Iflsst  ein  Land* 
Rerichtsspuch  des  Dorfes  Zipplingen  im  Ries  von  1819  erkennen 
(Wintterlin,  württemb.  ländl«  Rechtsquellen  I  S.  170,  171).  Danach 
ist  es  Hans  dem  Fuchs  und  seinen  Erben  erlaubt,  sich  einen  ,,scheide- 
hirten,  der  sin  oder  ir  vihe  us  triebe  und  dhein  vremdes  do  mit'V 
zu  halten.  Wenn  Hans  und  seine  Erben  auf  dem  mit  diesem  Vor- 
rechte versehenen  Hofe  nicht  mehr  sitzen,  „doch  bu  und  ehalten 
do  het  oder  heten,  die  sin  brot  oder  ir  do  ezen'',  dann  soll 
das  Recht  auf  den  Scheidehirten  fortbestehen.  Gleiches  Recht  galt 
filr  den  Komtur  des  deutschen  Ordens.  —  •)  Heyne,  Fünf  Bücher 
deutscher  HausaltertQmer;  Bd.  I,  Das  deutsche  Wohnungswesen,. 
1899,  S.  16B. 


—    670    — 

nes  Gesindes  Wohnung;  danach  die  Unterkunft 
des  Viehes,  und  endlich  die  Verwahrung  der  einkontifnen- 
den  Frucht/' 

Wo  die  Gesindekammern  zusammen  mit  den  Schlaf- 
räumen für  die  Hauskinder  unter  dem  Dache  angebracht 
sind  ^),  mag  solchen  Erfordernissen  Genüge  geleistet  sein. 
Bisweilen  befanden  sich  aber  auf  dem«  Lande  in  der  Nähe 
des  Herdes  einfache  Verschlage  mit  den  Schlafstellen 
der  Dienstboten  imd  der  Milühkammer ;  „solche  Ver- 
schlage und  Absperrungen  sind  wohl  ziemlich  lichtlos"  *^. 
Das  Bett  des  Bauern  war  infolge  des  Reichtums  an  Gänse- 
federn von  den  städtischen  Einrichtungen  nicht  allzu  ver 
schieden.  Jedoch  „miuss  sich  bäuerliche  Armut  mit  \iei 
dürftigerem«  Nachtlager  begnügen,  mit  dem  blossen  Stroh- 
sacke, der  auf  die  Erde  gelegt  wird,  selbst  mit  einfachem 
Stroh,  und  ihre  Bettdec'ken  bilden  alte  Säcke"').  Im 
Stall  finden  von  jeher  die  Viehknechte  und  -Mägde  ihre 
Unterkunft  *). 

In  den  Städten  v^r  während  des  Mittelalters  die 
Kemenate  der  Dienstmädchen  oft  im  Hinterhaus,  zusam- 
men mit  den  Vorratsräumen,  den  Werkstätten  für  Hand- 
werker oder  den  Ställen*). 

Auf  den  mittelalterlichen  großen  Burgen  lag  in  der 
Regel  die  Kemenate  der  Herrin  vom  Gemache  ihrer  Die- 
nerinnen getrennt.  Der  Raum»,  der  den  Dienerinnen  zur 
Verfügung  stand,  war  bisweilen  so  groß,  daß  30  Betten 
darin  stehen  imd  63  Jungfrauen  darin  wohnen  konnten*). 


»)  Ebenda  S.  167.  —  >)  Ebenda.  —  •)  Ebenda  S.  173.  —  *)  Ebenda 
S.  178.  —  »)  Ebenda  S.  222;  vgl.  auch  Stillich  S.67.  —  •)  Maurer. 
Fronhöfe  II  S.  180. 


—    671     - 

S  10.    Pflichten  der  Herrschaft 
3.    Gute  Behandlung.    Das  Zfichtigungsrecht  — 

Anhang:  Schulwesen. 

Das  Haxis  stellte  die  xinterste  Stufe  der  mittel- 
ilterlichen  Justizorganisation  dar.  Dem'  Hausherrn  ge- 
borte in  einem-  bestimmten,  mit  der  Zeit  mehr  und  mehr 
eingeengten  Umfange  die  Strafgewalt  über  die  Hausge- 
nossen. Man  scheute  sich  des  Eingriffes  in  die  Geschlos- 
senheit des  Haushaltes.  Auch  das  Gesinde  war  so  dem 
Herrn  iinterworfen. 

Die  herrschaftliche  Strafgewalt  äußerte  sich  freilich 
der  Regel  nadh  nur  in  eineM  Züchtigtingsrechte  gegen- 
über den  Dienstboten.  Nur  ganz  wenige  Fälle  sind  nach- 
weisbar, wo  idem'  Herrn  gegen  sein  freies  Gesinde  eine  dar- 
über hinaiisgehende  Strafgewalt  verliehen  worden  ist. 

Einen  Rest  des  alten  Herrenrechtes,  über  die  Rich- 
tung des  Gesindes  zu  entscheiden,  bieten  die  früher  in 
andermi  Znsamlmenhange  erwähnten  alten  Rechtssätze  aus 
Lübeck  und  Bayern,  wonach  es  der  Willkür  der  Herr- 
schaft überlassen  ist,  ob  sie  einen  unehrlichen  Dienst- 
boten strafen  lassen  will  oder  nicht  i). 

Noc'h  weiter  gehend  wird  dem'  Herrn  selbst  der  Voll- 
zug der  Freiheitsstrafe  übertragen.  Im'  Dingrodel  von 
St.  Peter  im  Sdhwarzwalde*)  heißt  es  an  einer 
Stelle,  daß  niemand  vom  Abt  oder  seinen  Amtsleuten 
ins  Gefängnis  gesetzt  werden  soll,  außer  wer  sein 
Leben  verwirkt  hat,  „ussgenomien  des  gotshus  ehalten 
und  dienst  mag  ein  herr  auch  wol  strafen";  „strafen" 
soll  mehr  bedeuten  als  eine  bloße  Züchtigung,  es  bezieht 
sich  auf  das  vorher  genannte  Gefängnis.  Die  gleiche  Be- 
fugnis, das  Gesinde  in  Haft  zu  setzen,  gibt  ein  zeitzer 
Statut  1573  3)  dem-  Dienstherrn:    „So  mag  auch  ein  jeg- 


*)  Oben  S.  564 f.  — >)  Grimm, Weistüm er  I  S.  346 flf.,  bes. 353. 
—  •)  S  c  h  o  1 1 ,  Land-  und  Stadtrechte  I  S.  263  ff.,  bes.  268 ;  oben  S.  530. 


—     672     - 

lieber  Bürger,  sein  ungehorsam  Gesinde,  oder  uixbeses- 
sene  Schuldiger  imd  die  ihm  in  semem  Hausse  f revd- 
hafft  üben,  ohne  -Laube  des  Richters,  wohl  ins  Gefäng- 
niss  setzen,  ohne  sein  Wissen  aber  nicht  herauslassen.*" 

Geldstrafe  für  nächtliches  Ausbleiben  des  Ge- 
sindes konnte  der  Herr  nacfh  dem  Rechte  des  B  i  1 1  w  ä  r- 
ders^)  von  den  Übeltätern  erheben:  „Vor  islike  nacht, 
dat  kneeht  unde  meghede  uthslapen,  sunder  der  gennen 
willen,  demle  se  denen,  darvoer  s<^holen  se  geven  deme 
gennen  deme  se  denen  enen  schillingh  alse  dicke  se  dat 
doen,  unde  dat  mtach  mien  in  oreme  lone  afreken." 

Reichhaltiger  ist  das  Recht  der  Züchtigung  ic 
der  Gesetzgebung  behandelt.  Die  Grenzen  einer  miß- 
bräuchlichen Ausübimg  dieser  herrschaftlichen  Befugnis 
wurden  verschieden  festgesetzt*). 

Nach  einigen  Rechten  darf  der  Herr  den  Diener 
schlagen,  wenn  er  ihn  niu"  nicht  verwundet.  Hierher  ge- 
hört als  das  wichtigste  Gesetz  Kaiser  Rudolfs  Land- 
frieden von  1281 '),  das  früheste  Dokument  reichsrecht- 
lichen Vorgehens  auf  dem'  Gebiete  des  Gesinderechtes. 
Da  wird  festgesiet^  in  Kap.  52 :  „Maul  siege.  Swer  den 
andern  rouffet  oder  an  das  maul  sieht,  oder  in  mit  cfanut- 
teln  sieht,  daz  er  in  niht  wundet:  der  sol  im«  ein  pfunt 
geben  imd  dem)  rihter  zwedn  und  sibentzig  pfenninge, 
an  di  chint  diu  hüider  viertzehen  iaren  sint.  Und  an 
da  ein  man  oder  ein  frowe  ir  ehalten  slahent  an  mezzer 
siege  und  an  swert  siege  und  an  wunden."  Nach 
dem   ostfriesischen   Landrechte*)  darf  der   Diener 


*)  Lappe nberg  I  S.  821  ff.,  Nr.  80;  oben  S.  629f.  —  •)  Ober 
Züchtigungsrecht  an  unfreiem  Gesinde  siehe  Wein  hold,  Die  deut- 
schen Frauen  im  Mittelalter  S.  826;  „diu  mich  gester  fttnf  stunt  sluoc^» 
sagt  eine  Magd  von  ihrer  Herrin  in  einem  Gedichte  Gottfrieds  voo 
Nifen  (um  1284— 1255);  Grimm,  Rechtsaltertflmer  S.  857;  Godeke, 
Grundriss  I  S.  154.  -  ')  Mon.  Germ.  Hist  Leg.  II  S.  427  ff;  bes.  430. 
-  *)  Wicht  n  286. 


-     673     - 

l^esc^hlagen  werden;  aber  nicht  so,  daß  er  blutig  oder 
>la\i  wird.  Wenn  der  Herr  das  Gesinde  „wünt  siecht**, 
soll  er  es  büssen  „als  fliesende  wunden"  nach  einer  geln- 
tiäuser  Oberhofentscheidung  für  Mergentheim«  aus 
iem  15.  Jhdt.*). 

Andere  Rechte  zjehen  weitere  Grenzen.  Nur  der  Tot- 
schlag: soll  verboten  sein;  was  darunter  ist,  mag  gesche- 
hen.   „Wer  einen  knecht  oder  ein  dim  in  seinem»  brot, 
was  er  ni>it  den  zürnet  an  gewaff ender  hand  an  den  tode, 
da  ist  er  nyemiajit  umb  schuldig*',  bestimmt  ein  Rechts- 
brief  für   Passau   vom<  2.   Juli   1300*).     Ruprechts 
Landrecht')  sagt  von  dem»  Herrn,  der  seinen  Knecht  er- 
schlug:   „Man  nympt  jm  seinenn  leib  pilleich  dann  ob 
er  ain  fremden  erslagen  hiet**.   „Ussgenommen  des  Tod- 
sctüa^s**  idarf  der  Herr  seine  Dienstboten  ohne  Schranken 
züchtigen,  wie  das  Recht^buch  von  Memimingen  aus 
dem  Jahre   1396*)  verordnet. 

Wieder  verschieden  hiervon  ist  die  Art,  wie  vorwie- 
gend im'  Norden  die  Grenzen  der  erlaubten  Züchtigung 
festgesetzt  werden.  Nicht  der  Erfolg,  sondern  die  Mittel 
des  Täters  sind  maßgebend.  Hier  gibt  es  verschiedene 
Festsetzungen.  Kaiser  Rudolfs  Landfrieden  von  1281 
läßt  außer  der  Zufügung  von  Wunden  auch  die  Waffe 
entscheidend  sein  für  das  Verbot.  Messer  und  Schwert 
sind  verboten.  Ebenso  spricht  das  auch  schon  angeführte 
passauer  Recht  von  „gewaffenter  hand**.  In  Bayern 
ist  schließlich  noch  das  münchener  Stadtrecht*)  zu 
nennen,  wonach  die  Verwundmig  mit  scharfen  Waffen 
der  gerichtlichen  Buße  untersteht.    Von  norddeutschen 


*)  Oberrheinische  Stadtrechte  I  S.  140.  —  •)  A.  Erhard,  Gesch. 
d.  Stadt  Passau  I  S.  106 ff.,  bes.  110;  Gengier,  Stadtrechte  S.  848. 
-  •)  Maurer  S.  64.  —  *)  v  Freyberg,  bist.  Schriften  u.  Urk.  V 
S.  289flf.,  bes.  282.  ~  »)  Auer  S.  80  (Art.  206);  nach  froherem 
mOnchener  Rechte  blieb  der  Herr  straflos,  wenn  er  den  Knecht 
schlug,  stiess  und  raufte  (Auer  S.  274). 

Kdnnecke.  43 


—    674    - 

Rechten  lassen  ein  salfelder  Statut  aus  defn  13. 
Jhdt.  1),  die  Statuten  Rudolstadts  von  1404 ^)  und  das 
Stadtrecht  für  Leutenberg  aus  detoi  15.  Jhdt.*)  den 
Herrn  straflos,  w^enn  er  den  Knecht  bloß  schlägt  und  rauft 
Scharfe  Waffen  machen  die  Tat  zu  einer  unerlaubten 
nach  den  Rechten  von  Hamlburg,  Lübeck  und 
Stade*). 

Diesen  zahlreichen  Zeugnissen  für  ein  Vorkommen  des 
herrschaftlichen  Zü<^htigungsrechtes  in  älteiler  2Jeit  stehen 
einige   Rechte   gegenüber,  die  demi  Dienstherm   solche 
Befugnis  versagen.    An  erster  Stelle  sind  Schwaben- 
spiegel  und  kleines   Kaiserrec'ht  anaaiführen.    Im 
Schwabenspiegfel  *)  heißt  es :  „Swer  sinen  knecht  und  sine 
dime  sieht  mit  Ruten,  unde  sterbent  si  im  luider  den 
banden,  er  ist  dez  todez  schuldig.    Lebent  aber  si  dar 
nach  über  einen  tag,  oder  rwene,  oder  me,  er  ist  dez  nut 
schuldig.    Dez  lasters  ist  er  schuldig."    Allgemieiner  ge- 
faßt igt  das  Verbot  des  kleinen  Kaiserredhts^j:  „Legt 
auch  der  here  sine  hende  an  den  knecht  mit  unschulde 
zu  zome  und  zu  slahen,  des  m/uz  er  dem  keiser  verbuz- 
zen."   Noch  mehr  Spielraum  geben  die  beiden  Wedstümer 
von  Kaltensundheimiund  Herrenbreitungen'), 
wenn  sie  unter  Verzicht  auf  die  strafrechtliche  R^elung 
festsetzen:   j,Wann  aber  der  hjerre  mit  dem  gesinde  der 
massen  umbgieng,  das  es  nit  zu  leiden,  alsdann  sali  er 
im  seinen  vollen  lone  giehen."    Femer  lassen  auch  die 
Rechte  Bremens  (1303,  1428)»),  Oldenburgs^)  und 
V  e  r  d  e  n  s  i<^)  dorn  Herrn  nicht  das  Bestrafungsrecht :  „So 


*)  Walch,  Beyträge  I S.  1  flf*,  bes.46.  — •)  Michelscn,  Rechts- 
denkmale  8.  207  ff.,  bes.  215.  -  ')  Ebenda  S.  435  ff.,  bes.  439.  - 
*)  Lappen  berg  1270  VIII  Art.  6,  1292  K.  Art,  6,  1497  F.  Art  8, 
1608  IV  Art.  48;  Hach  Nr.  351;  Pufendorf,  obsJur.  I  app.S.168ff:, 
bes.  218.  -  •)  Art.  201.  -  •)  II  28.  —  »)  Oben  S.  22  ff.  —  •)  Ölricbs 
S.  44  (Art.  2);  S.  887  (Stat.  84).  —  •)  Ebenda  S,  800  (Art  2).  - 
")  Pufendorf  a.  a.  O.  S.  77  ff.,  bes.  117. 


—    675    — 

welik  Tx)rfirhere  sec  vorvieit  in  simlei  knechte,  the  eme  the- 
net  iimtne  loon,  ether  in  eneme  anderen  knechte,  the  an 
theneste  begrepen  si,  themie  sCal  he  beteren  like  eneme 
gaste/*  Auch  in  Nürnberg  scheint  schon  während  des 
14.    Jhdts.   Scihlagen  des  Gesindes   verboten  worden  ta 
sein  ^).  Im  Gerichtsbuche  Amorbachs*)  wurde  1401  fein- 
getragen:    „Itemi  Halberman  klagt  von  Cunrade  Bring, 
das  er  yn  gescblagen  hab,  und  ist  ym>  auch  sinen  lidlone 
schuldic."   Das  Ergiebnis  der  Klage  ist  dem  Buche  nicht 
zu  entnehmien ;  der  Umistand,  daß  wegen  Züchtigung  ge- 
klagt Svurde,  läßt  erkennen,  daß  ein  Verbot  oder  doch  eine 
£msdhränkung  der  herrschaftlichen  Straffreiheit  bestand. 
Wie  sich  das  Züchtigungsrecht  in  der  Folgezeit  ge- 
staltete,   ist    nicht    festzustellen.     Die    Polizeiordnungen 
schweigen  fast  vollständig  darüber ;  es  lag  ja  auch  außer- 
halb  ihres  Wirkungskreises,  die  Rechte  der  Dienstherr- 
schaften in  dieser  Beziehung  einzuengen.    Nur  ein  Ver- 
gleich zwischen  Angehörigen  der  Familie  von  Dörnberg 
unterm  3.   Septeimber    1571')    kann    angeführt  werden: 
„Zum  letztenn  soll  auch  keiner  des  andern  dhiener  und 
gesinde  übel  annfaren,  schlagen  oder  veruhnrechten,  be- 
sonndem  do  einer  oder  der  annder  teil  feele,  manngel  oder 
annspruche  gegenn  einem  diener  gewinnen  oder  haben 
wiurde,   soll  er  solches  des  dieners  junckhern  anzeigen, 
welcher  inen  auch  alsbaldt  inn  billiche  straff  aufnemien 
und  zu  geburUchem-  abtrag  annhalten  soll."    Hier  wird 
wenigstens  die  Züchtigimg  des  fremden  Gesindes  unter- 
sagt; wie  es  mit  den  eigenen  Dienstleuten  gehalten  wer- 
den sollte,  das  zu  bestinttnen,  war  nicht  die  Aufgabe  des 
Vergleiches.   Im  lauenburger  Rechte  aus  dem  letzten 
Drittel  des  16.  Jhdts*)  findet  sich  die  Gestattung,  daß  der 
Herr   „um   geringe    Übertretung"   das   Gesinde   züchtigt. 

*)  Kamann  S.  149.  —  ")  Habdsche  Sammlung.  —  •)  St.  A. 
Marburg.  Depositum  der  Freiherm  von  Dörnberg.  —  *)  Pufendorf, 
obs.  iur.  m  app.  S.  284  ff«,  bes.  841. 

43' 


—    676    — 

Vielleic'ht  gehört  der  Zeit  nach  audh  das  undatierte  Recht 
des  Klosters  Ursbergr^)  hierher.  Üble  Behandlung  des 
Gesinde  miuß  der  Dienstbeirr  mit  Schadens-,  Kostenersatz 
und  einem  Thialer  Strafe  büßen.  Gegen  Ende  des  17. 
Jhdts.  wurden  in  Landshut  die  Pflichten  des  Spitat 
meisters  aufgestellt  *).  Da  heißt  es,  der  Meister  solle  „die 
Knecht  und  Ehehalten  ihres  nicht  rechten  Verhaltens 
halber  mit  guten  bescheidenen  Worten  strafen,  sich  aber 
sonsten  des  Schlagen,  Stossen  und  anderer  dergleichen 
Gewaltthatigkeiten  gänzlich  lassen". 

Über  die  theoretischen  Anschauungen,  auf  denen  die 
Gesetzgeber  des  18.  Jhdts.  zu  fußen  hatten,  geben  einige 
Werke  der  Zeit  Auskunft*).    Glafey  will  Schläge  ge- 
statten, „wobey  aber  Masse  ru  gebrauchen  ist,  damit  man 
nicht  die  Condition  des  Gesindes  dem*  Vieh  gleich  mache, 
und  demselben  zu  viel  thue**.    Jedoch  ist  manches  Ge- 
sinde von  der  „servilischen  Art**,  daß  es  nur  durch  Kei- 
fen und  Schläge  zu  etwas  gebracht  werden  kann.  Glafey 
hält  daher  „der  Vemunfft  gäntzlich  zu  wieder  zu  seyn", 
daß   wegen   Schimpfworten  und  mäßiger  Kastigationen 
Klagen  des  Gesindes  gegen  die  Herrschaft  gestattet  wer- 
den, „wodurch  das  Ansehen  der  Herrschaften  prostituirt, 
das  Gesinde  hartnäckig  gemacht  und  dergestalt  verder- 
bet wird,  dass  die  Herren  eine  erschrecklich  Noth  mit 
demselben  haben,  welche  gewiss  unerträglich  seyn  würde, 
wenn    das  Gesinde    dieses    sein  Recht  wiesste    und  ge- 
brauchte. Und  was  ist  das  vor  eine  gewaltige  Inaequalität, 
wenn  ein  Herr  oder  Frau  von  Stande  einer  geringen  Magd 
deswegen  eine  Abbitte  thim  sollen,  weilen  sie  selbige  v. 
g.  eine  Schand  -  Hure  geheissen  ?  Denn  obwohl  ein  jeder 


*)  v.  Weber,  Statutarrechte  IV  S.  882.  —  ")  Staudenraus, 
Chronik  von  Landshut  III  S.  208.  —  •)  Adam  Friedrich  Glafey  in 
Leipzig,  Vemunflft  und  Völcker  Recht  1728  S.  796,  796;  Thomasius, 
An  actionem  iniuriarum  servi  nostri  et  anciUae  mercenariae,  si 
modice  castigentur,  adversus  dominos  habeant?  Lipsiae  1786. 


—    677     — 

VfenscSx  einen  Grad  der  Ehre  hat,  den  mlan  ihm'  nicht 
aehmien  edier  kränCken  soll:  so  wird  doch  durch  solchien 
Ajnts-Eyfer  einer  Herrschaft  des  Gesindes  Ehre  so  wenig 
gekxänket,  ats)  eines  Kindes,  wenn  es  der  VaDeir  sc^hilt  und 
schimpft,  weilen  ein  Herr  nicht  animum  iniuriandi,  sed 
oorrigtendi  zu  haben  scheinet". 

jyen  Gegensatz  zu  dieser  Weisheit  des  Ostens  bildet 
Christian  Wolf  fs  Philosophie.  In  seinen  „Vemünfftigten 
Gedancken  von  dem  Gesellschiafftlichen  Leben  der  Men- 
schen** *)  wehrt  Wolff  ein  Übermaß  der  herrschaftlichen 
Affekte  wider  das  Gesinde  ab.    „Da  der  Zorn  imter  die 
beffti^sten  Affecten  gehöret,  die  Affecten  aber  der  Ge- 
sundheit imd  dem*  Leben  dier  Menschen  sehr  nachtheilig 
sind;  so  schadet  dadurch  die  Herrschafft  ihr  selbst  und 
ist  miehr  eine  Straffe  für  sie,  als  für  das  Gesinde.**    Es 
ist  ratsam«,  bloßen  Ernst  statt  des  Zornes  anzuwenden,  da 
hierdurch  das  gleiche  Ergeilmis  erreicht  wird;  ja  Ernst 
ist  sogar  denn  Ereifem  vorzuziehen,  weil  mlan  im  Affekif 
mehr  sagt,  alsi  mtan  sagen  möchte,  „da  hingegeb,  wo  man 
ohne   Affedt  redet,  mön  leichter  b^rreiffet,  dasis  es  ein 
Ernst  sey**.   „Unterdessen  gilt  auch!  hier,  daäs  mtan  nicht 
zum  härteren  (Mittel)  schreiten  mUss,  so  lange  gelindere 
vorhanden.    Audi  wird  mtan  leicht  beigreiffen,  dass  ver- 
nünfftige   Henlschiafft,  die  des)  Gesindes   Bestes  suclM, 
mit  dem  Gesinde  wie  mit  dem  Kindern  verfahren,  tmd  auf 
den  UnterscUeid  der  Gemüthier  acht  haben  wird,  ob  sie 
sich  mehr  Jdurch  Güte  als  durch'  Härte  lencken  lassen.  Wo 
man  Änderung  tiieffen  kan,  s«o  ist  es'  bieissietr  das  Gesinde 
gfehen  zu  lassten,  al^  sich  mit  ihnen  durch  Härte  Verdruss 
zu  mäcWen."   Umlgfekehrt  üiegt  es  aber  auch  am  Gesinde, 
sich  gebührend  zu  betragen.    Es  soll  die  Arbeit  ohne 
Verzug  und  Widerwillen  tun.   Das  bringt  Vorteil  für  die 
Herrschaft  und   für  daö  Gesinde.    Denn  dadinrch  wird 


>)  1721;  hier  nach  der  8.  Aufl.  1782. 


—    678    — 

Zeit  grespart,  und  das  Gesuide  setzt  sich  nicht  der  Ge- 
fahr iaus,  daß  die  Herrschaft  es  schilt  oder  gar  „im  £ifer'* 
schlägt. 

Späterhin,  gegen  Ende  des  Jahrhunderts,  sind  frei- 
lich die  maßgebenden  Literatoren  wieder  ausgesprochea 
für  ein  maßvolles  ZüChtigtuigsrecht.  Krünitz*)  leitet 
dess^en  Betechtigtmg  aus  der  Untertänigkeit  des  Gesindes 
unter  die  Hausgewalt  her.  Hom'mel*)  will  eine  Rechts- 
Vermutung  dahin  aufgestellt  wissen,  daß  Züchtigfun^  de: 
Frau  durch  ihren  Mann,  der  Schüler  durch  den  Lehrer, 
des  Gesindes  diu-ch'  den  Gutsherrn  verdientermaß^i  ge- 
schehen ist.  Der  Nürnberger  Dorn^)  ist  der  Ansicht: 
„Das  rohe  imd  ungebildete  Bauemvolk  ist  nicht  selten 
dann  erst  am  tüchtigsten,  wenn  es  Schläge  gefühlt  hat"  *;. 

In  der  Gesetzgebung  Westideutschlands  aber 
nahm  man  die  reine  Klugheit  Wolffs  auf*).  Nur  wenig 
blieb  mehr  von  dem  alten  Rechte  übrig.  Am  weitesten 
geht  noch  die  Gesindeordnun^  für  Wolfenbüttel 
1748  •) :  bei  einer  Bestrafung  soll  der  Herr  „die  Grenzen 
einer  b6scheidetnen  und  giemä^igten  Züchtigung  nicht 
überschreiten".  Nur  für  iden  beschränkten  Kreis  des  fürst- 
lichen Stalles  wtuxie  1736  in  Fulda  gtetattet,  „sowohl  in 
dieser  als  nachfolgenden  Verordnungen  die  Stallleuth  mit 
dem  Stock  zu  corrigiren"  ^).  Dann  mag  noch  ein  Ent- 
wurf zu  einer  ostf riesisChen  Gesindeordnimg  ge- 
nannt isein,  an  ider  in  den  Jahren  1737  und  1738  gearbeitet 
wurde®).  Es  heißt  da:  „Und obgleich  denen  Herrschaften 

')  S.  618.  —  •)  von  Zahn,  HL  J.  Hommel  als  Strafrechtsphilo- 
soph und  Strafrechtslehrer  S.  118.  —  »)  S.  2d8ff.  —  *)  VgL  femer 
R.  C.  Benningsen,  Vom  Pacht  und  Verpacht  der  Güther  (Leipzig 
1771)  S,  223.  —  ')  Vielleicht  aus  dieser  Zeit  stammt  der  Spruch: 

Du  sollst  der  Knechte  schonen, 

So  dir  dienen  um  Lohnen; 

Gedenk,  dass  ihrer  einer  ist 

Ein  Mensch,  als  du  selber  bist. 
•)  Archiv  Wolfenbüttel  Nr.  7097.  —  ^  Sammlung  der  cass.  Regierung 
IV  S.  427.  —  •)  St  A.  Aurich.    O.  L.  Polizeisachen  Nr.  8. 


—     679    — 

vermöge  Land  Rec'htes  \md  dieser  Unserer  Verordxmng 
erlaubet  ist,  ihre  Dienstboteoi,  nach  erheischender  Noth^ 
wendigkeit  gehörig  zu  züchtigen,  so  sollen  sie  doch  ohne 
erhebliche  und  auf  Erfordern  beweisliche  Ursachen  dazu 
nicbt  schreiten,  auch  allenfalls  bescheidene  Masse  halten ; 
Schlüge  aber  eine  Herrschafft  ihr  Gesinde  ohne  Uhrsache, 
oder  doch  dermlassien  übermässig,  dass  es  davon  verwun- 
det, oder  gebrechlich  würde,  so  soll  dieses  nach  Land 
Recht  oder  sonst  gerichtlich  srti  klagen  befugt  steyn." 

Soweit  die  späteren  Gesindeordnungen  Verbote  der 
Züchtigung  enthalten,  sprechen  sie  sich  teilweise  sehr 
scharf  aus.  In  Schleswig  bestimlmte  die  Ordnung  von 
1733^),  daß  Herrschaften,  die  ihr  Gesindel  schlecht  be- 
handeln, es  an  Gesundheit,  Leib,  Leben  schädigen,  „mit 
verhöheter  desto  grösserer  Strafe  belegt"  werden  und 
die  Kur-  und  SCUmierzensgelder  ersetzen  sollen.  Fünf  Gul- 
<len  Strafe  aufs  Prügeln  des  Geisindes  wurden  1741  in 
Nürnberg  verhängt*).  Die  eisenacher  Gesindeord- 
nung von  1757*)  begnügte  sich'  mit  dem  einfachen  Ge- 
bote, daß  die  Herrschaft  die  Dienstboten  \mter  keinen 
Umständen  prügeln  darf.  Die  brandenburgischen 
Gesetzgeber  für  Franken  tmtersagten  den  Gesinde- 
herren Tätlidhkeiten  „oder  andere  vermteintUche  Hauss- 
Strafen**  mit  der  1769  erlassenen  Gesindeordnung  *).  Auch 
dieerfurter  Dorfpolizeiordnimg  von  1786*)  sprach  den 
Herrschaften  die  Befugnis  ab,  ihre  Dienstboten  durch 
Schläge  oder  sonstwie  zu  mißhandeln. 

Aus  Hessen  mag  schließlich  noch  die  Stimme 
eines  Regierungsbeamiten  über  die  Gesindezüchtigung  an- 
geführt sein.  In  einem  1792  verfaßten  Bericht  über  Ver- 
^>esserung  des  Gesindewesens  •)  stellt  der  Landrat   von 

')Schrader,  Handbuch ffl S.  189,  199.  —  ")  Kamann S.  149. - 
')  Kr.  A.  München.  GR,  Fasz.  402  Nr.  8.  —  *)  Kr*  A.  Nürnberg. 
S.  28  V  Nr.  779  Repert  288.  —  »)  Heine  mann,  Rechte  f.  Erfurt 
S.  866  ff.,  bes.  869.  -  •)  Oben  S.  98. 


—    680     — 

Dalwigk  fest,  daß  gegen  freches  Gesinde  Schmählen  nichts 
helfe,  da  niemand  sich  daran  kehrt,  daß  der  Brotherr 
so  kein  Mittel  2ur  Bes^run^f  sednies  Gesindes  in  der  Hand 
hat,  „da  das  prügeln  des  Gesindes  unschicklich,  verbothen, 
sehr  gegen  die  Sittlichkeit  anstossend,  auch  gegen  den 
Vortheil  des  Brod  Herrn  wäre,  indem  sich  das  gute  Ge- 
sinde nun  für  seinem  Dienst  scheuen  würde".  Auf  die 
kurz  gefeJßte  Ablehnung  des  Züchtigimgsrechts  durch  die 
Verfasser  der  Gesindeordnung  von  1797  wurde  im  ersten 
Teile  hingiewieseai  ^). 

Im  19.  Jhldt.  ist  es  mit  der  he(rrschaftlichen  Straf- 
gewalt vollends  vorbei.  Strafen  der  Herrschaften,  sofor- 
tiges Kündigungsrecht  für  die  Dienstboten,  Lohnersatx 
an  sie  sind  die  Mittel,  diu-oh  die  m)an  das  Erziehungs- 
bedürfnis der  Gesindehierm  zu  unterbinden  suchte.  Die 
jülic'her  Gesindeordnung  von  1801*),  die  düssel- 
dorfer  von  1809*),  die  badische  von  1809*)  mögen 
als  Beispiele  dienen. 

Die  östlichen  Länder  brauchten  weit'ijiigtte  Zeit, 
diese  Entwickltmg  durchzumachen.  Noch  im  Anfang  des 
17.  Jhdts.  hatte  die  Herrschaft  in  Brandeti4>urg  keine 
Züchtigungsbefugnis*).  Dann  entstand  die  Theorie,  daß 
der  Haushierr  sein  Gesinde  züchtigen  darf,  wie  der  Vater 
seine  Kinder  durch  Schläge  erzieht.  Wie  willkommen 
die  neue  Weisheit  den  Gesindeherren  kam,  zeigen  die 
Verbote,  ein  gewisses  Maß  zu  überscfhreiton.  Wurde  das 
Gesinde  verwundet,  daxm  durfte  es  sofort  austreten.  1709 
\md  1738  ergingen  sogar  völlige  Prügelvierbote;  dem!  Rück- 
fälligen drohte  nichts  weniger  als  die  Todesstrafe.  Das 
AUgemieine  Landrecht  etrklärte  leichte  Schläge  als  Not- 


»)  Oben  S.  98.  —  •)  Scotti,  Jülich  S.  880.  -  •)  Ebenda  S.  1262. 
—  *)  L.  A.  Karlsruhe.  Prov.  Niederrhein.  GesindepolizeL  Lit  B. 
Nr.  1  IV  2.  ~  *)  Lennhoff  S.  68 ff.,  auch  fiOr  das  folgende;  Hede- 
mann S.  194t;  Heymann  in  der  Zeitschrift  der  Savignystifhing 
(germ.)  1907  S.  601. 


-     681     — 

wehr  der  Herrschaft,  wofür  Genu^Ttuung  nicht  verlangt 
werden  kann.  Bei  Zwangsgesinde  dagegen  war  Züchti- 
gnng  stets  erlaubt.  Sehr  deutlich  kam  der  Gegensatz  von 
Ost-  imd  Westdeutsdüand  bei  einer  1795  von  Berlin  aus 
veranstalteten  Umfrage  der  Regierung  zum  Ausdruck: 
in  den  westlichen  Provinzen  war  die  Verprügelung  des 
Gesindies  etwas  völlig  Unbekanntes;  Strafen  standen  dar- 
auf. Für  die  Länder  diesseits  der  Weser  wurde  daher 
1796  verfügt,  daß  nur  lederne  imd  bi^same  Peitschen, 
uncj.  die  auch  niu-  für  Schläge  über  die  Kleider  verwandt 
werden  dürfen.  Im*  O  r denslande^)  war  die  Züchtigung 
des  Gesindes  schon  seit  dem!  alten  Kuhn  giestattet.  Todes- 
strafe stand  darauf,  wenn  der  Herr  das  Gesinde  zu  Tode 
prügelte. 

Das  der  Herr  seinen  Diener  nicht  schlagen  soll,  ist 
freilich  nur  eins,  wenn  auch  das  wichtigste  der  Gebote, 
mit  denen  den  Diensthbrrschaften  allgemein  eine  gute 
Behandlung  des  Gesindes  anbefohlen  wird.  Solche  Vor- 
schriften über  das  anständige  Verhalten  der  Herrschaften, 
worin  man  gewissermaßen  Gegenstücke  m  der  stets  be- 
tonten Pflicht  des  Gesindes  zu  gutem  Betragen  2)  sehen 
kann,  sind  natürlich  dem'  Zwecke  der  Gesindegesetze  ent- 
sprechend nicht  allzu  häufig  anzutreffen.  Die  Gesetzgeber 
wollten  ja  nicht  um;  die  Erziehung  der  Dienstherrschaf- 
ten sich  bemühen;  niu-  nebenher,  lun  das  angeschlagene 
Thema  vollständig  zu  erschöpfen,  gab  man  auch  den  Herr- 
schaften bisweilen  wohlgemieinte  Ratschläge  und  Ermah- 
nungen, doch  nicht  schlecht  mit  den  Dienstboten  um- 
zugehen. Fast  nie  ist  es  einmal  Hauptzweck  eines  Ge^ 
setzes,  auf  die  Behandlung'  des  Gesindes  durch  unge- 
eignete Herrschaften  einzuwirken. 

Das  früheste  imd  kräftigste  Beispiel  für  eine  solche 
verständige  Art  ist  im  zweiten  Stadtrecht  von  Ueber- 


*)  Steffen  S.  25.  —  >)  Oben  §  6,  S.  526fr. 


—     682    — 

lingen  ru  finden,  das  um  1400  entstand*).  §  75  des 
Stadtrechtes  handelt  „von  dienenden  hiten**,  aber  in  erster 
Linie  nic^ht  deshalb,  weil  die  dienenden  lute  sich  schlecht 
aufführen,  sondern  „wan  vil  dag  da  hergewesen  ist  von 
dienenden  luten,  daz  si  von  iren  herren  und  frowen  anders 
gehalten  werden,  denn  liht  biUich  sig,  es  sie  mit  urlob  ze 
geben  in  dem  jaur . . .".;  erst  danadh  werden  auch  die 
Schlechttaten  des  Gesindes  angteführt. 

Bis  zum  18.  Jhdt.  ereignet  sdch  auf  diesem  Gebiete 
nicht  viel.   Recht  gering  ist,  was  die  großen  württem- 
bergischen Gesetze  des  16.  Jhdts.  dem  Gesinde  hier 
bieten.   Die  erste  Polizeiordntmg  von  1549  imd  die  fünfte 
Landesordnung  aus  dem  Jahre  1552  *)  verweisen  die  Ehc- 
halten,  denen  von  der  Herrschaft  übel  begegnet  wird,  an 
die  Obrigkeit,  die  „hierinn  ein  gebührlichs  billichs  ein- 
sehens  haben"  soll.    In  Hessen  giab  sich  die  Kirchen- 
Zuchtordnung  von   1539')  mit  dem  Wohle  der   Dienst- 
boten ab.    Die  christliche  Gemieinschaft  ist  allen  abzu- 
sprechen, die  ihr  „Ehgemahl,  kind  und  geäuid  mit  un- 
leidlicher   imbilligkeit    übel    halten,    oder  zu  offenbaren 
sc'handen  unnd  sünden  verursachen".    Ähnlich  stellt  die 
nassau  -  katzenelnbogener     Polizeiordnung      von 
1597^)  als  Rügfrage,  „ob  eitere  und  kindere,  mann  und 
fraw,  herr  imd  knecht  ärgerlich  tmd  in  ohneinigkeit  mit 
einander  leben,  und  was  dissfalls  ohngeziemtes  mag  vor- 
gangen  seyn".     Eine  spätere  katzenelnbogener   Landes- 
ordnung aus  dem  17.  Jhdt.*)  mahnt  die  Müller,  ihr  ge- 
treues Gesinde  also  zu  halten,  daß  es  bei  ihnen  bleiben 
kann. 

Jetzt    komtait    die  Zeit    der    großen   Geisind^edits- 
systemie.  So  gut  wie  alle  Gesindeordnungen  des  18.  Jhdts. 


*)  Oberrheinische  Stadtrechte  II  2  S.  70.  —  «)  Rcyscher, 
Gesetze  XII  S.  149,  198.  —  »)  LO.  I  S.  109;  vgl.  auch  Bachmann, 
Kirchenzucht  S.  9.  —  *)  Univ. ■  Bibl  Marburg.  —  •)  Selchows 
Magazin  f.  d.  teutschen  Rechte  u.  Gesch.  I  S.  475. 


-     683    — 

bringen  in  ihrer  nun  schon  bekannten  kursorischen 
Sc'hlußmahnun^  an  die  Herrschaften  auch  die  Aufforde- 
rung, man  solle  doch'  die  Dienstboten  so  behandeln,  wie 
es  redht  und  christlich  ist,  also  nicht  ru  streng;  eine  g^ute 
Herrschaft  soll  ihrem  Gesinde  mit  trefflichem'  Beispiel 
voranleuöhten  und  es  äu  allem  Guten  anhalten,  und  was 
dergleichen  Ratschläge  miehr  sind.  Wieder  kann  hier  der 
allgemieine  Hinweis  auf  all  die  Gesindeordnungen  genü- 
gen ;  eine  Aufführung  der  vielen  wesentlich  nicht  von  ein- 
ander verschiedenen  Sätze  würde  doch  nur  einer  Anein- 
anderreihtmg  der  Gesetze  gleichkomlmen. 

Einige  kleine  Besonderheiten  seien  angeführt.  So  daß 
der  bereits  genannte  ostf  riesisChe  Entwurf  der  Jahre 
1737,  1738 1)  den  Herrschaften  aufgibt,  den  Dienstboten 
„mit  Vemunfft  und  Mitleiden  zu  begegnen".  Zum  Kündi- 
gungsgrunde wurde  die  luischickliche  Behandlung  der 
Dienstboten  durch  ihre  Herrschaften  in  der  Gesindeord- 
nung für  Holstein  von  1740*)  erhoben;  der  Dienstbote 
wird  wegen  Vertragsbruches  nicht  gestraft,  wenn  die 
Herrschaft  ihre  Macht  über  den  Dienstboten  „in  Un- 
recht, Wüterey  imd  unmässigen  Eifer  verkehrete".  Nach 
der  ansbachischen  Gesindeordnung  von  1769*)  soll 
die  Herrschaft  ihre  Diener  als  Nebenmienschen  mit  „aller 
Menschen-  und  Christen-Liebe**  betreuen,  „und  ihnen  nicht 
mit  beständig  stürmenden  und  gehässigen  rauhen  Worten 
und  Tractament  den  Dienst  sauer  machen'*. 

Aus  der  Zeit  der  Revolution  liegen  zwei  sich  völlig 
widerstrebende  Äußenmgen  über  die  Mitschuld  delr  Dienst- 
herrschaften an  den  Mißständen  im  Gesindewesen  vor. 
Ein  oldenburgischer  Beamter,  AmtsverwaJter  Bul- 
ling  in  Deedesdorf,  erhielt  1794  eine  Anfrage  der  Regie- 


*)  St  A.  Aurich.  O.  L.  Polizeisachen  Nr.  8;  oben  S.  678  f.  — 
*)  St.  A.  Schleswig.  Sammlung  grossf.  Verordnungen.  —  •)  Kr.  A* 
Nürnberg.    S.  28  V  Nr.  779.    Repert.  288. 


—    684    — 

Tung  über  die  Gesindeverhältnisse  ^).  Die  eine  Auskunft 
sollte  darüber  erteilt  werden,  „ob,  wenn  die  Klagen  der 
Herrschaften  über  das  Gesinde  wircklich  vorhanden  scya 
und  sich  in  neuem  zeiten  vermiehret  haben  sollten,  auch 
die  Schuld  vielleicht  hie  und  da  bey  den  Dienstherrea 
die  etwa  die  Leute  nicht  gehörig  behandeln,  liegen  könne" 
BuUing  berief  den  Landesausschuß ;  dessen  Beschluß  ging 
dahin:  „sie  mleinten  nicht,  dass  die  Herrschaften  Ver- 
anlassung dazu  geben*'.  Als  dagegen  die  Würzburger 
Regierung  in  den  neunziger  Jahr^  des  18.  Jhdts.  ein 
Ausschreiben  zur  Erlangung  des  Entwurfes  einer  Ge- 
sindeordnung erließ  *),  ging  unter  anderm  auch  ein  Gut- 
achten ein,  in  dem'  es  heißt :  „Der  Dienstherrschaft  wird 
fordersamSst  die  evangelische  Grundlehre:  was  du  nicht 
willst,  idass  dir  gesdhiehe,  das  sollst  du  keinem  andern  thun, 
in  dem  Verhalten  gegen  ihre  Dienstboten  an  das  Herz 
gelegt.**  Wie  weit  von  dler  Gerechtigkeit  die  Verfasser 
all  der  Gesindeordnungen  mit  der  Schaffung  eines  Rech- 
tes fast  nur  gegen  die  Dienstboten  entfernt  waren,  zeigt 
nichts  so  deutlich  wie  dieser  einfache,  naive  Hinweis  auf 
den  obersten  Grundsatz  aller  Ethik. 

Aber  selbst  das  19.  Jhdt.  wandte  sich  noch  nicht  un- 
beschränkt solchen  Auffassimgen  zu.  Zwar  die  jülicher 
Dienstbotenordnung  von  1801*)  geht  so  weit,  den  Hen- 
schaften  „anständige  Bescheidenheit**  gefiren  die 
Dienstboten  aufzugeben;  die  düsseldorfer  Ordnung 
aus  dem  Jahre  1809*)  droht  der  Herrschaft  mit  Geld- 
strafen, wenn  sie  das  Gesinde  zu  etwas  Unzulässigen  ver- 
leitet. Umjso  sonderbarer  mutet  dagegen  eine  Bestinunung 
der  badischen  Gesirideordnung  von   1809*)  an.    Die 


*)  Grossh.  Haus-  und  Zentralarchiv  Oldenburg.  B.  11— B.  VI 
3«  Amt  Brake  2.  —  I  A  Nr.  4  conv.  6,  betr.  Dienstboten.  —  ■)  Kr.  A, 
Würzburg.  V  2094.  —  ■)  Scotti,  Jülich  S.  880.  —  *)  Ebenda  &  1261 
—  •)  L.  A.  Karlsruhe.  Prov.  Niederrhein.  Gesindepolizei.  Lit  E 
Nt.  1.    IV  2. 


-     685     - 

Herrschaft  darf  die  Dienstboten  nicht  mit  entehrenden 
Schimpfworten  belegen ;  „Ausdrücke  jedoch,  die  zwischen 
andern  Personen  als  Zeichen  der  Geringschätzung  oder 
Verachtung  anerkannt  sind,  begründen  gegen  die  Herr- 
schaft noch  nicht  die  Venntithüng,  dass  sie  die  Ehre  des 
Dienstboten  dadurdh  habe  kränken  wollen".  Ähnlich  hieß 
es  in  einem  nicht  Gesetz  gewordenen  Entwurf  für  Er- 
furt, der  1801  von  Aschaffenburg  aus  angefertigt  wurde  ^). 
Und  selbst  manchje  noch  heute  in  Geltung  stehende  säch- 
sisch-thüringische imd  östhchere  Rechte,  so  auch  das 
preußische,  kennen  ein  derartiges  Sonderrecht*). 

Die  herrschaftliche  Pflicht,  das  Gesinde  gut  zu  be- 
handeln, ist  teilweise  mit  der  Aufgabe  verquickt,  auf  die 
Dienstboten  erziehend  einzuwirken.  So  wenn  den  Herr- 
schaften aufgegeben  wird,  den  Dienstboten  durch  vor- 
trefflicte  Lebensführung  als  Beispiel  voranzugehen.  Die 
Ergänzung  dieser  herrschaftlichen  Erziehung  durch  staat- 
liche oder  kirchliche  Versuche  mag  hier  anhangsweise 
behandelt  werden. 

Die  Schulverhältnisse  scheinen  in  Ostdeutsch- 
land während  des  17.  Jhdts.  besonders  elende  gewesen 
zu  sein.  Für  Brandenburg  imd  Pommern  wird, 
gerade  amter  Berücksichtigimg  der  ländlichen  Arbeiterver- 
hältnisse, solches  berichtet*).  Aber  auch  die  Länder,  die 
näher  der  Kultur  lagen,  können  nicht  viel  Rühmens  mit 
ihren  Volksschulen  machen. 

Über  Hessen  sei  angeführt,  was  Heppe*)  berlch- 

*)  Kr.  A.  Würzburg.  V.  2615.  —  •)  Kahler  S.  165  flF.;  frühester 
Ansatz  hierzu  (aber  nicht  mehr)  im  dritten  Stadtrecht  von  Lipp- 
stadt (bearb.  v.  Overmann  S.  71).  Gleiches  Recht  in  Holland 
ni9;  Behaegel,  Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du 
comita  central  du  travail  industriel  1905  S.  662).  Ebenso  im  fran- 
zösischen Recht  nach  Anschauung  Ferneres  (Dictionnaire  II  S.  642), 
der  überhaupt  Klagen  des  Gesindes  gegen  den  Herrn  ausschliesst.  — 
')  Lennhoff  S.  71;  Fuchs  S.  185.  —  *)  Heinrich  Heppe,  Beiträge 
zur  Geschichte  und  Statistik  des  hessischen  Schulwesens  im  17.  Jhdt., 


—    686     - 

tet.    „Trauriger  nodi  als  in  den  Städten  sah  es   ...  in 
den  Dörfern  aus.  Viele  hatten  gar  keine  Schule,  und  nur 
selten  sah  sich  der  Landmann  veranlaßt,  seine  Knaben 
an  dem  Unterrichte  der  benachbarten  Stadtschule  Teil 
nehntien  zu  lassen.    .  .  .   Wo  sich  aber  in  den   Dörfern 
Schulen  vorfanden,  da  waren  die  Lehrer  ...  in  der  Regel 
Handwerker,  die  nic'hts  als  Lesen  und  Schreiben  gr^lenit 
hatten,   und  neben  der   Schulmeisterei  und  dem    damit 
verbundenen  Küsterdienst  ihr  Handwerk  ungestört  fort- 
trieben.**   Umstände,  die  einen  geregelten   Schulbetrieb 
unmöglich  machten,  waren  femer  „die  Armtit  imd  Gleich- 
gültigkeit der  Eltern,  welche  ihre  Kinder  nur  im  Winter 
zur   Schule  schickten,  imd  sie  im'  Sommer  und  Herbst 
zu  den  Feldarbeiten  verwendeten;  der  Mangel  jeder  Be- 
stimmung über   Schulpflichtigkeit  der  Kinder,   und   vor 
allem  die  pädagogische  Verwahrlosung  des  weiblichen  Ge- 
schlechts (für  welches  es  nur  in  wenigien  Städten  des  Lan- 
des Schulen  gab)**.   Der  Krieg  „riß  .  .  .  auch  das  Schul- 
wesen gänzlich  zu  Boden**.  Die  namienlose  Armut  danach 
veranlaßte,  wie  ein  Bericht  aus  dem'  Jahre  1653  meldet, 
noch  mehr  als  früher  die  Eltern,  „ihre  Kinder  nament- 
lich im  Sommer  vom  Schulbesuche  abzuhalten  und  sie 
zum   Hüten  des  Viehes,  zur  Feldarbiedt  \md  zu  andern 
Dingen  zu  verwenden**. 

Ob  sich  im  frühen  18.  Jhdt.  die  Verhältnisse  merklich 
gebessert  haben,  sei  dahingestellt.  Einen  Schluß  auf  eine 
Hebimg  der  Zustände,  von  der  auch  die  Dienstboten  pro- 
fitierten, lassen  imJmerhin  die  loshauser  Gesindere- 
gister ^)  zu.  In  Loshausen,  einem  kleinen  Dorfe  bei  Ziegen- 
hain, war  es  vielleicht  die  Unterstützung  der  Herren  von 
Lüder,  die  Ausnahmszustände  herbeiführte.  1726  findet 
sich  in  den  Registern  die  Notiz:    „Arm  Elss  Culin,  von 

in  der  Z.  d.  Vereins  f.  hess.  Gesch.  u.  Landeskunde,  4.  Supplement- 
heft  1860,  S.  24,  25.  81,  84« 
0  St  A.  Marburg. 


—    687    — 

Steina  bürtig,  ist  uff  Ostern  1727  biss  Christag  zum  Hüener 
Mägdcben  gedinget  und  jhm'  zu  jahrlohn  versprochen 
worden,  benebest  Es  f  rey  in  der  Schule  zu  hal- 
ten, 1  Fl."  1735  wird  der  Kühjunge  entlassen,  damit  er 
in  die  Schule  gehe,  weil  er  Ostern  konfirmiert  werden 
soll. 

Über  staatlic^he  Fürsorge  für  die  Schulbildtmg  gerade 
des  Gesindes  läßt  sich  für  die  Zedt  vor  1800  nur  aus  Wal- 
deck imd  Eisenach  berichten.  Diewaldecker  Gesinde- 
ordnung  von  1736^)  bestimmt,  daß  ganz  arme  Kinder, 
die  schon  vor  der  Konfirmation  dienen  müssen,  von  ihrer 
Herrschaft  einige  Stunden  täglich  zur  Schule  gehalten 
werden   sollen;   die  Herrschaft  mag  solche  Dienstboten 
um  die  bloße  Kost  dienen  lassen  oder  ihnen  vom  Lohne 
etwas  abzieht.    Gleich  der  erste  Abschnitt  der  eise- 
nacher  Gesindeordnung  von  1757*)  geht  auf  die  Schul- 
bildung der  Dienstboten  ein.  Weil  die  mieisten  Mißstände 
von  Unkenntnis  der  Pflichten  in  den  bürgerlichen  Ständen 
herrühren,   sollen  die   Obrigkeiten,   Pfarrer,   Schul-  und 
Waisenhausbediente  die  ihnen  anvertraute  Jugend  in  den 
Schulen  und  im'  Katechi^musunterricht   „nach  Gelegen- 
heit der  Haustafel  und  diesier  Ordnung**  unterweisen,  da- 
mit die  künftigen  Herrschaften  tüchtig,  die  Dienstboten 
geborsaflii  werden. 

Was  die  Schule  nicht  vermochte,  sollte  wenigstens 
teU weise  die  Kirche  gutmachen.  Katechismus-  und  Kin- 
derlehre waren  gleicherweise  für  die  Kinder  wie  für  die 
Dienstboten  bestimmt.  Daher  ergingen  immer  wieder  an 
die  Hausväter  des  Landes  Befehle,  Kinder  imd  Gesinde 
zu  diesen  Unterrichtsstimden  zu  schicken;  in  anderm  Zu- 
sammenhange') wurde  sxd  diesie  Vorschriften  schon  hin- 
gewiesen. Nach  älterem  hessischem  Kirchenrechte 
galt  die  Vorschrift  nicht   bloß   für  die  jimgen  Dienst- 

0  Sammlung  der  Regierung  Arolsen«  —  *)  Kr.  A.  München. 
GR.  Fasz.  402  Nr.  8.  -  •)  Oben  S.  290  ff. 


-     688     - 

leute,  fiondem  ebenso  für  die  älteren  Knechte.  Wenigstens 
wurde  dies  1688  in  einem  Einzelfalle  vom  casseler  Kon 
sistorium  angeordnet  ^).  Späterhin  muß  die  Erziehungslus: 
gegenüber  den  erwachsenen  Knechten  geschwimden  sein. 
Nach  Büff*)  waren  die  sonntäglichen  Katechisationa 
für  die  Jugend  vom  7.  bb  zum  17.  Jahre  bestinunt.  Es 
gab  zwar  auch  Katechisationen  Erwachsener,  so  von 
Brautleuten,  Paten;  des  Gesindes  wird  dabei  nicht  gt 
dacht »). 

Wo  die  Bildungs-  und  AusbildungsmögUchkeiten  für 
das  Gesinde  so  kärgUche  waren,  ist  es  nicht  zu  verwundern. 
daß  gegen  Ende  des  18.  Jhdts.  inmier  wieder  Reformvor- 
schläge hervortreten.  Es  wurden  allgemein  Realschulen 
zu  den  verschiedensten  Zwecken  vorgeschlagen ;  so  auch 
für  die  Fortbildung  des  Gesindes. 

1762  erschien  im  9.  Teile  von  D.  G.  Schrebers 
„Samimlimg  verschiedener  Schriften,  welche  in  die  öcono 
mische,  Polizei-  und  cameral-  auch  andere  verwandte  Wis- 
senschaften einschlagen"  ein  Aufsatz,  der  verschiedene 
Vorschläge  zur  Anlegimg  neuer  Schularten  brachte.  Außer 
theologischen  imd  Schulmeisterseminarien  wollte  der  Ver- 
fasser auch  „höchstnöthige  Gesindeschulen**  gegründet 
wissen.  Der  Gesindemangel  und  die  schlechte  Beschaffen- 
heit des  vorhandenen  Gesindes  zwingen  dazu;  in  einem 
Jahre  können  die  ungetreuen  Dienstboten  eines  Landes 
na<^h  Berechnung  des  Verfassers  an  zwei  Millionen  Thaler 
zusammenstehlen.  Die  Gesindeschulen  sollen  geschieden 
nach  Stadt  und  Land  eingerichtet  werden.  In  den  Städten 
sind  sie  den  bestehenden  Waisenhäusern,  Armenanstalten 
imd  Zuchthäusern  (Arbeitsanstalten)  anzugliedern.  „Alte 


*)  St«  A.  Marburg.  Akten  des  casseler  Konsistoriums  betr.  Ttür 
nähme  erwachsener  Knechte  zu  Iba  an  Katechisation  und  Kirchen- 
gebet  1688.  -  •)  Büff,  Kirchenrecht  S.  127,  211.  —  ■)  Besonderer 
Gottesdienst  ftir  Dienende  nach  braunschweiger  Recht  von  12^ 
(Hanselmann,  Urkundenbuch  II  S.  198 ff.,  bes.  199). 


—    689     ^ 

Anstalten  sind  hierzu  fruchtbar.   Hier  könnte  man 
uinehinien,  was  vorkäme;  insbesondere  alle  Bettelkinder. 
Man  präparierte  sie  auf  eine  mtmtere  kurze  Art,  setzte  sie 
ixm,  tind  mac'hte  sie  dem  Vaterlande  geschwinde  brauch- 
bar.   Man  dürfte  sie  nicht  in  den  Waisenhäusern  8.  bis  10. 
Jahr  füttern,  da  es  am'  Ende  doch  meistentheils  unbrauch- 
bare   Mens<^hjen  sind,  die  niemiand  gerne  haben  will."^) 
Auf  dem  Lande  müssiein  besondere  Gesinde^  oder  Armen- 
sohrulen  einglerichtet  wterden,  oder  man  «behält  die  ordent- 
liche Dorfschule  bei,  „mlachte  sie  aber  zu  diesem  Zwecke 
mit  brauchbar'*.   So  zöge  man  auf  den  Stadtschulen  städ- 
tisches, auf  den  Landschtden  rustikales  Gesinde.    „Hier 
würde  nun  gleich'  im'  Anfange  genau  imtersuchet,  wozu 
ein  jedes  Lust  hätte,  tmd  wozu  sichs  am  meisten  schickte. 
Wären  von  den  Knaben  welche  darunter,  die  außerordent- 
lich Geschick  zum'  Studiren  hätten,  auch  diese  zöge  man 
heraus,  ließe  sie  zwar,  so  viel  ihnen  gut  und  nöthig  wäre, 
das    Hauptsächlichste  mit  lernen:   hernach  aber  suchte 
man  sie  in  höhern  Unterricht  zu  bringen.   Und  so  würde 
mehr  nac^h  der  Absicht  tmd  nach  den  Gaben  des  Schöpfers 
ohne  Zwang  mit  gutiem  Fortgange  verfahren."  Der  Unter- 
richt soll  Chrisitenlehre,  Rechnen,   Schreiben  und  häus- 
liche   Arbeit   je  nach  der   Klasse  lunfassen;   z.   B.   den 
Köchinnen  soll  beigebracht  werdein,  in  „allen  bekannten 
Arten  zu  kochien,  sieden,  braten,  mit  Holz,  Butter  etc. 
menagirlich  umzugehen  u.s.f.**. 

Dieser  Vorschlag,  der  nicht  die  Schaffung  neuer 
Schulen,  sondern  die  Ausgestaltung  vorhandener  Anstal- 
ten durch  Einfügung  des  Hausarbeitsunterrichtes  in  den 
Lehrplan  bezweckte,  erlebte  damals  kaum  eine  Verwirk- 
lichung. Kr  ünitz«)  erklärte  den  Gedanken  für  gut,  aber 
noch  nicht  erreichbar»). 

0  Vgl.  hierzu  auch  die  oben  S.  864  Anm.  mitgeteilten  Be- 
merkungen Goethes  Ober  die  Erziehung  der  Waisenkinder.  — 
')  S.  595.  ^  »)  Vgl  weiter  Stillich  S.  87,  88. 

K5nne€ke.  aä 


—     690    — 

Zunächst  war  es  der  Zeit  nicht  so  sehr  um  die  Schaf 
f  ung  ineuer  Schtüarten  als  erst  einmal  um  den  Ausbau  der 
bestehenden  schlechten  Schulen  zm  tim.  Die  Äußerungen 
des  hessischen  Regienmgsbeamten  Wust  aus  dem  Jahre 
1797  wurden  bereits  mitgeteilt*);  nicht  polizeiliche  Maß- 
nahmen wider  das  Geisinde  könnieln  nach  seiner  Ansicht  den 
Dienstherrschaften  besstenes  Gesinde  verschaffen,  nur  aus 
innen  heraus  durch  Behebtmg  der  „moralischen  Verdor- 
benheit und  der  schlechten  Ergehimg"  der  untern  Klasse 
kann  etwas  erreicht  werden. 

Genügisamler  ist  Sc" h rader,  der  Verfasser  der  „vater- 
ländischien  Rechte"  Schleswig- Holsteins.  Ihm  ist  die  wert- 
volle Erziehting  der  Dienstboten  im  Hause  der  Dienstherr- 
sdhaft  imentbehrlich :  „Ich  gfehe  von  dem  Satze  aus,  dass 
die  Jahre  der  Dienstzeit  dem'  Mittelstande,  und  besonders 
unserm  Landvolke,  die  Zeit  ihrer  practischen  Erziehung 
sind,  dass  also  die  Frage,  ob  sie  ordentliche,  fleissige, 
und  moralisch-gute,  oder  unreinliche,  faule,  und  bösartige 
Wirthe  werden,  mieistens  von  ihrem  Verhalten  während 
ihrer  Dienst  jähre  abhänge;  —  dass  es  also  Pflicht  des 
Gesetzgebers  sey,  dtu-ch  bestiminte  Vorschriften  so  vid 
als  möglich  das  Gesinde  auf  der  Bahn  der  Diensttreue, 
und  des  Fleisses  zu  erhalten  .  .  .,  dass  der  Grund  zu  einer 
dauerhaften  Verbesserung  des  Gesinde- Wesens  in  der  er- 
sten Jugiend-Erziehung  und  dem  moralischen  Beyspiele 
der  Dienstherm  selbst  zu  setzen  sey.  —  Ich  bin  völlig  mit 
diesem  allen  einstinunig,  aber  auch  fest  überzeugt,  dass 
die  Spuren  der  sorgfältigsten  Erziehtmg  des  Kindes  und 
Knaben,  wie  ein  Hauch  verfliegen  werden,  wenn  der  Jüng- 
ling als  Diener,  durch'  das  Gesetz  nicht  femer  geleitet, 
sondern  durch  dessen  Mängiel  sogar  aufgefordert  wird, 
imgestraf t  idie  Pflichten  der  Tröue,  und  die  eingegangenen 
Gontracfe-Verbirxdlichbeiten  zu   verletzten." 


')  Oben  S.  106  f.  —  •)  S.  190. 


—    691     - 

Zu  besonderer  Klarheit  arbeitet  sidh  Dorn  dtirchM. 
Ihm    sind  gute  Sohulen  das  beste  Mittel  2?iir  Schaffung 
eines   nietien  Geisindies,    Allgfemeiner  spinnt  er  diese  Ge- 
danken aus  unter  Berufung  auf  Campe,  Roöhow  und  Salz- 
mann,    weldie    Industrieschulen    vorgeschlagen    hatten: 
„Der  ^ößte  Thieil  des  Verderbens  der  Menschheit  kommt 
ohnstreitig  von  dem  elenden  Schulunterricht  hier,  wo  bloss 
für  das  Gedächtniss  gesorgt,  das  Herz  aber  und  der  Ver- 
stand leer  gtelaösen  wird.    Ein  Tadel  fürwahr,  der  nicht 
nur  kleinere  Schiulen  trifft,  sondern  auch  solche,  die  mit 
den   erhabenen  Titeln  der   Gymnasien  imd  Akademien 
prangen.    Solange   nodh  zu  einem  solchen  moralischem 
Pesthaijs  Zutritt  verstattet  wird,  imd  Privilegien  ertheilt 
werden,  die  mfenschlichen  Seelen  äu  verkrüppeln,  ist  an 
keine  mOralischie  Beösteming  zfu  denken.**    Und  weiter*): 
„Der  grösste  Sdhiade  für  Herrschaft  und  Gesinde  war  bis- 
her, dass  mian  sie  so  lange  mit  ihren  gegensieitigen  Ver- 
hältniss  imd  ihren  wedhsielseitiglen  Pflichten  unbekannt  ge- 
lassen.   Wohfer  es, kam',  dass?  der  meiste  Theil  des  herr- 
schenden Theib  auf  den  Irrthüm  verfiel,  als  wenn  das 
Gesinde   einen  sklavischen  Zustand  hätte,  und  nur  für 
die  Latmen  anderer  Menschlen  erschaffen  worden  wäre, 
das   Gesinde  aber  wirklich  einen  sclavischen   Sinn  und 
wahre   knechtische  Feighiexzigfceit  bekam.**  ^). 

Im:  Beginne  des  19.  Jhdts.  erst  sollte  der  Gedanke 
der  GesindesChtde  wlenigstens  Versuche  der  Verwirk- 
lichimg finden.  Zwar  1801  inAschaffenburg  äußerte 
sich  der  bereits  einmsal  genannte  Regierungsbeamte  M  o  - 
litor  über  die  Angelegönhleit  ablehnend*):  „Eigene  Ge- 
sindeschülen  gehören  in  mteinen  Augen  ru  den  polizteS- 
lidti  pädagogischen  Uibertreibungen;  sind  nur  die  übrigen 
Schulen  in  gutem!  Stande,  so  kajm  sich  das  Gesinde  in 
denensielben  glenug  ausibilden.** 

^)  S.74.  — •)  S.  77.  — •)Vgl.  weiter  Krünitz  S.  687 ff.,  Stillich 
S.  37.  -  *)  Kr.  A.  Würzburg.  V.  2616:  oben  S.  660. 

44* 


—    692    — 

Eine  Mahnung  mm  Ausbau  von  Arbeitsschulen  für 
Dienstboten  wuikle  dagegen  in  demselben  Jahre  in  der 
bayerischen  Gesindeordnung  für  die  Pfalz  deutlich 
ausge^roc'hen  *).  Die  Ordnung,  die  nach  der  gfroßen  Ge- 
sindeordniuig  von  1781  gearbeitet  ist,  drhielt  gegenüber 
dieser  einige  Zusätze.  Die  wichtigste  Neuerung  betrifft 
die  Schulbildimg  des  Gesindes.  Unter  Hinweis  auf  die 
Ordnimgen  der  Trivial-  und  Primarschulen  werden  Obrig- 
keiten, Seelsorger  imd  Lehrer  ermahnt,  ihre  PflicJiten  zu 
erfüllen,  „und  voreüglich  auf  die  Kinder  der  ärmeren 
Volksklassen,  deren  gewöhnliches  Loos  Dienen  ist,  ein 
besonderes  Augenmerk  zu  richten,  sie,  vielmehr  ihre  Eltern 
und  Anverwandte,  in  jeder  thunlichen  Art  zu  unterstützen, 
und  besonders  auch'  dahin  zu  trachten,  dass  der  Unter- 
richt unentgeltlich  ertheilt,  tmd  hauptsächlich  die  Ar- 
beitsschulen, wo  nur  immer  ein  Fond  hiezu  auszu- 
mittein  ist,  empor  giebracht  werden**.  „Die  in  dem  Christen- 
thüme  tmd  übrigen  Elementarunterricht  gut  bewanderte 
Personen  beyderley  Geschlechts  sind  Vorwurfs  zum  Die- 
nen weit  geschickter  und  brauchbarer,  als  wenn  sie  ganz 
ohne  Kultur  tmd  Unterricht  die  Dienste  antreten.**  Im- 
mer !9oll  aber  noch  die  Herrschaft  durch  tätige  Erziehung 
imd  Vorbild  auCh  im  Dienste  weiter  wirken. 

Ebenfalls  1801  erfolgte  eine  Einschärf ung  der  Ge- 
sindeordnung von  1781  *).  Darin  wird  von  der  Erziehung 
der  beiden  Vertragsteile  zu  vertragsgemäßem  Verhalten 
gehandelt.  „Übrigens  ist  der  Wimsch  Sr.  Churf.  Durch- 
laucht, dass  den  Dienstherm  imd  Dienstboten  ihre  wech- 
selseitigen PfUchten  und  Verbindlichkeiten  nicht  so  fast 
durch  Schärfe  und  Strenge  eingeprägt,  sondern  vielmehr 
durch  zweckmässigen  Unterricht  auf  ihre  Überzeugung 
gewirkt  werden  möge.**   Am  Sonntag  vor  Lichtmeß  soll 


»)  Kr.  A.  München.    M.  A,  Fasz.  1821  Nr.  1166.   —   •)  Kr.  A. 
Manchen.    AR.  Fasz.  459  Nr.  909. 


—    693     — 

daher  immer  die  Gesindeordnung  von  den  Kanzeln  ver- 
kündet tund  erläutert  werden. 

I  U.    Pflichten  der  Herrschaft 
4.  Fürsorge  fOr  Krankheit  und  Alter. 

Es  gibt  einige  bei  dem'  Cbiarakter  der  Dienstboten- 
gesetze als  reinen  KlassenreCKtes  auffallende  Bevor- 
zugungen des  Gesindes,  denen  Fehlen  weniger  bemerkbar 
sein  würde  als  ihre  ständige  Beibehaltimg  tmd  Betonung. 
Hierzu  gehören  die  Privilegien  des  Lohnansprudhes  ^),  ins- 
besondere das  Konkurs  Vorrecht  *). 

Die  weitestgehenden  Pflichten  aber  werden  der  Herr- 
schaft ihren  erkrankten  Dienstboten  gegenüber  auf- 
erlegt. Es  handelt  sich  hier  wieder  tun  eine  Folgerung  aus 
der  Geschlossenheit  des  Haushaltes,  aus  der  Munt  des 
Dienstherren  über  das  Gesinde.  Wie  dem  Hausherrn  die 
Versorgung  steiner  Familie  im  Falle  einer  Krankheit  ob- 
liegt, so  soll  auch  dem  Gesinde  —  dem  häuslichen,  dem- 
nächjst  auch  dem  außenwohnenden  ^)  —  die  Pflegte  ta 
Teil  werden.  Eine  weitere  Erklärung  für  diese  Herr- 
schaftspflicht ist  darin  zu  sehen,  daß  die  meisten  Er- 
krankungen rasCh  vorübergehen;  wienn  jedesmal  schon 
am  ersten  Krankhieitstage,  wo  über  Charakteir  und  Dauer 
des  Leidens  oft  noCh  nichts  feststeht,  der  Dienstbote  ent- 
lassen und  ein  Ersatzmann  eingestellt  werden  sollte,  würde 
das  meist  eine  größere  Mühewaltung  gerade  für  die  Herr- 
schaft bedeuten,  als  wenn  siei  den  eingearbeiteten  Dienst- 
boten trotz  der  Erkrankung  noch  einige  Tage  bis  zur 
Feststellung  der  Krankheit  behält  und  sich  währenddessen 
behilft.  Von  solchen  praktischen  Überlegungen  bis  zur 
Statuierung  einer  herrschaftlichen  Pflicht  (vielleicht  schon 
im  Interesse  der  konkurrierenden  Diensthierrsdhaften)  ist 
kein  großer  Sclmtt.  Mit  deiti  allmähhchen  Schwindeln  der 

*)  Oben  §  8;  S.  688  ff.  -  »)  Unten  §  12.  -  »)  Oben  §  1;  S.  »8  ff. 


—    694    — 

Mimtidee  wird  diese  Begründung  wohl  eine  stets  größere 
RoUe  gespielt  haben. 

Sc'hon  in  der  besten  alten  Zeit  finden  wir  die  folgenden 
verständigen  Nützliöhkeitserwägungen  des  Erasmus  A  1  - 
berus^):   „Unnd  ob  derselbigen  eyns  kranck  würde,  sol 
sie  versdhaffen,  das  sein  wol  gewart  werde,  dadurch  es 
auc'h  darnach  desto  williger  sei,  unnd  thu  wie  die  Biene, 
die  wol  sehen,  wie  jhr  König  für  sie  sorget,  und  acht  uff 
sie  hat,  darumb  sie  jn  nimtner  mehr  verlassen,  und  immer- 
dar uirib  jn  her  sind,  und  sich  gegen  jm  also  erzeygen,  das 
er  sehe,  wie  sie  jn  sonderlich  lieb  unnd  werd  haben/* 
Eine    Stärkung   erfuhr   das    verblassende    ursprüngliche 
Pflichtgefühl  der  Herrschaften  durch  christliche   Ideen. 
„Um  Christi  willen"  mag  der  Dienstherr  die  armen  Leute, 
denen  das  traurige  Los  zu  dienen  zugefallen  ist,  auch  in 
den  Tagen  der  Krankheit  nicht  verlassen.    Typisch  für 
diese  Auffasstmg  sind  Ausführungen  des  Colerus  in 
seinem   Hausbuche  *) :     „Wann    auch    ein  arm   Gesinde 
kranck  wird,  so  soll  man  ihm  bald  rathen  und  helffen 
lassen,  und  es  nit  bald  auss  dem  Hause  Verstössen,  sonder- 
li<^h  was  nicht  eine  anfällige  Kranckheit  an  ihm  hat.  Colu- 
mella  *)  sagt :  Ein  Herr  soll  auc'h  seines  Gesindes  Gesund- 
heit in  acht  haben,  imd  wanns  kranck  wird,  nicht  bald 
auss  dem  Hause  jagen,  sondern  ihm  lieber  helffen  und 
rahten  lassen.  —  Dann  es  ist  eben  so  wol  ein  Mensch  als 
wir,  \md  Christus  hat  um  ihrent  willen  gleidh  so  viel  ge- 
than,  als  lun  imsert  willen:   So  were  es  auch  ein  grosser 
unmenschlicher  Undanck,  wan  sie  in  unserm  Dienste  zu 
Unglück  kämen,  oder  in  eine  Kranckheit  fielen,  wann  man 
sie  bald  aussjagen  wolte." 

Die  absolute  Fürsorge  für  alle  Krankheiten  des  Ge- 
sindes ohne  Rücksicht  auf  den  Ursprung  wird  der  Herr- 


*)  In  dem  „Ehbüchlin"  (o.  O.  u,  JJ  Seite  G  4.  -   «)  Oeconomia 
rur.  et  dorn.,  S.  ICy*.  —  »)  Römischer  Schriftsteller  („de  re  nistica"). 


—    695    — 

•Schaft  nur  in  zwei  mittelalterlichen  Rechten  zur  Pflicht 
gemacht.    Das  westerwolder  Landrecht ^)  und  Rup- 
rechts Rechtsbuch  *)  siet^den  beide  zimächst  vierzehn  Tage 
als    Höchstdauer    der   Herr schaftspf licht  fest.    Ruprecht 
sagt  so:    „Wie  lang  ein  man  oder  ein  fraw  iren  ehalten 
stehen  behalten  sulk,  daz  sult  ir  wizzen:  an  ir  schaden, 
daz  suUen  si  virzehen  tag;  mues  aver  man  einen  andern 
ehehalten  dingen  an  ir  stat,  daz  sol  tuen  newer  viertzehn 
tSLg,  daz  ist  ein  ganzer  manaid.  Will  sein  der  berr  und  der 
fraw  nicht  enpem,  so  mues  der  ehalt  dem,  der  an  sein 
stat  gewtumen  ist,  daz  Ion  geben,  daz  er  di  viertzehn  tag 
verdient  hat.**    Auch  das  wteterwolder   Recht  läßt  mit 
den  vierzehn  Tagen  die  Herrschaft  der  Pflicht  noch  nicht 
völlig  ledig  sein.    Es  setzt  fest:    „Of  een  denst  kranck 
worde  in  lange  suycken,  soe  sal  hem  die  here  holden  veer- 
tien  dagen  up  syn  kost,  ende  soe  sal  bem  die  denst  soe 
lange  nae  denen,  off  in  den  lone  ontfallen,  na  gelegentheit 
der  tyt;  off  weer  he  langer  kranck,  soe  mach  he  hem 
die  kost  betalen,  meer  he  sal  den  heren  vul  doen  voer 
den  kost.** 

Häufiger  regeln  die  Rechte  des  Mittelalters  die  Fälle, 
in  denen  die  Herrschaft  an  der  Krankheit  des  Dienst- 
boten  schuld  ist,  oder  wo  doch  durch  den  Dienst  der 
Dienstbote  sich  das  Übel  zugezogem  hat. 

Dies  ist  der  Sinn  beispielsweise  der  Bestimimimg  des 
lü bischen  Rechtes*):  „Is  en  man  in  enes  mannes 
denste  unn  schut  em  wat  van  imgelicke  an  syneme  lyve 
ofte  an  syner  sunt  in  synes  hieien  denste,  de  here  schal  des 
blyven  ane  schaden  unde  ane  schult.  Men  he  schal  eme 
geven  syn  vulle  Ion.**  So  ist  die  Regelung  auch  in  zahl- 
reichen  verwandten  mittelalterlichen  Rechtem*).   Für  die 

0  v«  Richthofen,  Rechtsquellen  S.  258  ff.,  bes.  270.  — 
")  Hertz  S.  61.  —  •)  Hach  Nr.  860.  —  *)  Hertz  S.  59;  sonstige 
(Vermögens-)  Schädigung  braucht  der  Herr  nicht  zu  ersetzen  nach 
bayrischem  Rechtsbuche  von  1346  Art.  91  (v.  Freyberg,  bist. 
Schriften  u.  Urk.  IV  S.  388  ff.,  bes. 


—    6%     - 

Schädigting  diirch  des  Herrn  Vieh  kommt  noch  die  be- 
sondere Vorschrift  vor,  daß  der  Dienstherr  auch  zur  Zah- 
lung des  Arztlohnes  verpflichtet  ist.  Außer  dem  friesi- 
schen emsiger  Recht*)  spricht  besonders  deutlich  das 
ostfriesische  Landrecht  an  mehreren  Stellen*)  von 
diesem  Rechtsfalle :  „Wort  eines  mannes  denst  van  sinen 
beesten,  peeide  eder  hlmde  gewimdet,  so  is  de  huis-her, 
den  denst  schuldig,  mit  kost  und  kleider  vant  bedde  tho 
helpen,  und  oeck  dat  arst-loen,  und  dewyle  he  kranck 
licht,  sali  men  em  de  tyt  in  syn  loen  nicht  afkorten,  id 
were  dan  saeke,  dat  de  denst  dat  beesth  thom  thome 
eder  bossheit  erwecket  hadde,  so  bewissliek  weare.** 

Für  ein  Vorkommen  gleicher  Rechtsanschauungen 
im  Süden  sei  aus  dem  amorbacher  Gerichtsbuche  von 
1448')  eine  Stelle  mitgeteilt:  „Item  fricz  koch  zu  peter 
fytschendeyen,  das  er  yme  gebedden  hab  umb  sinen  kna- 
ben  zu  yme'  zu  verdingin.  Also  sprach  fricz:  Ich  en- 
weisz,  ich  hare  sagen,  du  seist  grobe  imd  hart.  So  ist 
der  knabe  kranck  imd  weich,  du  wollest  yn  leicht  über 
wolde  syche  bescheiden  imd  yme  sein  hals  brechen.  Also 
sprach  fytschendey :  Nein,  warlich  ich  wil  ym  schon  tun, 
und  sal  auch  nit  tim  dan  das  er  wol  getim  mach.  Also 
hat  der  knabe  des  vihs  halben  schaden  genomen,  als 
das  er  lange  zum  arctzt  gelegen  ist  und  zu  schiaden  komen. 
Meynt  friCz  fytschendey  suUe  dem  knaben  an  sollichen 
schaden  zu  staden  komen  noch  gebur  billichen  dingen."  *) 

Das  ostfriesische  Recht  handelt  in  I  94  weiter 
von  dem  Falle,  daß  der  Knecht  im  Dienste  durch  das 
Herrenvieh  ums  Leben  kommt.  Die  Entscheidung  ist 
abhängig  davon,  ob  der  Herr  Tiere  und  Wagen  wieder 

*)  v.  Richthofen,  Rechtsquellen  S.  909.  —  ")  Wicht  I  81, 
III  87.  —  *)  Habeische  Sammlung.  ~  *)  Nachbildungen  des  filteren 
Krankenrechtes  aus  späterer  Zeit:  Landrecht  des  Nordstrandes 
(C  Stat.  Slesv.  I  S.  428  ff.,  bes.  520),  Hadeln  1588  (PufendoH;  obs. 
iur.  I  app.  S.  Iff.),  LQbeck  1586  (C.  Stat.  Hob.),  Friedrichstadt 
1688  (C  Stat.  Slesv.  III  1  S.  858). 


—    697     - 

an  sich  immmt  oder  nicht:  ,,Hans  nimpt  einen  knecht 
an,  und  gifft  em'  iaer-gelt,  eder  dagelickes  syn  loen,  dar- 
umme  he  oene  glelwiinnen  hefft,  alsdan  versendet  he  em 
mit  einem  wagen,  wat  up  eine  stede  tho  haelen  eder  tho 
bringen,  of  he  vörsöhickt  em  mit  ein  pert,  syn  werff*) 
uttoridhten,  imd  de  peerde  werden  flüchtich  vor  den  wa- 
gen, edler  he  fallt  van  peerde,  dat  he  also  tho  doede  kumpt, 
so  balde  alsie  hians  höret,  dat  syn  knecht,  den  he  also  vor- 
medet  hefft  um  dat  gelt,  eder  dach-loen,  umme  dat  levent 
gekoemen  is,  wan  he  dan  dat  loen  nimpt,  welckes  he  em 
tho  gesecht  imd  belavet  hefft,  und  lecht  em'  dat  up  syn 
lieff*),  edder  gifft  id  van  sick,  dat  he  so  by  den  doden 
nicht  komen  künde,  imd  hans  nimpt  de  peerde  und  Wagen, 
eder  dat  peert,  dar  de  knedht  up  geseten,  nicht  weder  an 
sick,  so  darff  he  den  dodem  nicht  gelden.  Dan  nimpt 
Hans  peerde  und  wagen,  eder  dat  peerd  an  sich,  und  dat 
loen  nicht  averantwortet:  so  most  he  den  doden  gelden 
unde  betaelen. 

Wie  bei  den  meisten  für  das  Gesinde  geschaffenen 
Rechtsinstituten  setzt  die  Rechtsentwicklung  in  der  Zeit 
der  Polizeiordnimgen  aus.  Für  FüUimg  dieser  Lücke  mag 
die  in  einigen  HofreChten*)  enthaltene  Beistimmung 
angeführt  sein,  daß  das  kranke  Hofgesinde  nicht  zur  ge- 
meinsamen Tafel  kommen  soll,  sondern  ein  Kostgeld  für 
die  Krankenzeit  erhält.  Über  die  Rechtsgewohnheit  im 
Kloster  Mollen beck  (Schaumburg)  gibt  ein  Eintrag 
in  der  ProbsteireChhimg  des  Jahres  1478*)  Auskunft; 
„1  Mark  Corde  Gronauwe  demie  jimghen,  betalde  ik  ome 
die  Jeronimi  (30.  September)  vor  4  weken,  was  he  holt- 
bouwer  by  unsseme  eynen  worwaghen  ime  vorganghen 
Sommer,  in  Corden  van  der  Rosen  stede,  alze  de  krangk 
was,  juwelken  dach  xunme  2  albus.   Des  moste  Cord  vam 

*)  =s  Geschäft.  —  ")  s=  Leib.  —  •)  Beispiele:  hessische  Hof- 
ordnung 1570  (LO.  III  S.  177),  kurpfälzische  Hofordnung  1578 
(L.  A.  Karlsruhe.  Kopiar  508  Bl.  186).  -  *)  St.  A.  Marburg. 


-     698     — 

der  Rose  in  zynemm  lone  de  helffte  dar  engeghen  missen, 
ut  consuetum  est/*  Also  der  Kranke  muß  nach  Ge- 
wohnheit den  Lohn,  den  der  Ersatzmann  bekam,  sich 
abziehen  lassen.  Über  die  Redhtsauffasstmg  in  Schaum- 
b u r g  zu  Beginn  des  18.  Jhdts.  äußert  sich  Rottmann 
in  seinem  Kommentare  zur  schaumburger  Polizeiord- 
nung ^).  Er  stellt  Betrachtungen  über  den  guten  Haus- 
vater an,  der  nach  dem  Beispiele  des  capemaitischen 
Hauptmannes  sein  krankes  Gesinde  nicht  gleich  aus  dem 
Hause  tut,  sondern  es  beherbergt  imd  mit  Arzneien  ver- 
sieht; nach  Rottmanns  Ansicht  muß  der  Herr  dem  kran- 
ken Diener  den  vollen  Lohn  geben. 

Auch  anderswo  gab  man  im  Laufe  des  18.  Jhdts. 
und  weiterhin  solcher  Auffassung  Ausdruck*).  In  Hes- 
sen freilich  unterließ  man  es,  den  allgemeinen  Gesinde- 
ordnungen eine  Vorschrift  beizufügen.  Nur  die  h  a  n  a  u  e  r 
Gesindeordnuog  von  1748  *)  bestimmte  unter  Verzicht  auf 
die  Anrufung  des  christlichen  Sinnes  der  Dienstherrschaf- 
ten, daß  die  Dienstboten  bei  vermögenden  Herrschaften 
Anspruch  auf  vierzehn-,  bei  weniger  bemittelten  Herren 
achttägige  Krankenverpflegung  haben;  wenn  die  Dienst- 
boten beim  Antritt  eine  Krankheit  verschweigen,  steht 
ihnen  zum  Lohn  für  solche  Täuschimg  gar  kein  Anspruch 
gegen  die  Herrschaft  im  Falle  der  Krankheit  zu. 

Ein  wenig  über  die  Verhältnisste  im  alten  Hessen 
ergeben  die  loshauser  Gesinderegister*).  1733  wird  eine 
Köchin  krank.  Sie  stellt  deshalb  eine  andere  an  ihre 
Stelle  und  behält  sich  1  Th.  Lohn  vor;  die  Nachfolgerin 
bekommt  den  Rest.  Auch  die  Viehmagd  war  1733  sieben 
Wochen  lang  krank.  Als  Ersatz  arbeitete  eine  andere  für 
sie  und  bekam  die  Woche  8  albus,  insgesamt  1  Th.  24 
albus.   „Ist  aus  Diensten  kommen",  heißt  es  nachher  bei 

')  S.  481,  482  (zu  Kap.  63).  -  «)  Vgl.  auch  Estors  Teutsche 
Rechtsgelahrtheit  III  §  4680.  —  •)  St.  A.  Marburg  IX  A.  1621.  - 
*)  St.  A.  Marburg. 


—     699     — 

der  ersten.  Aus  den  zwei  Ereignissen  geht  nichts  über 
eine  geschehene  Fürsorge  hervor;  es  scheint  dagegen, 
als  sei  die  Ersatzperson  von  dem  Gelde  bezahlt  worden, 
das  in  der  versäumten  Zeit  der  erkrankte  Dienstbote  hätte 
bekommen  sollen. 

In  Oldenburg  wurde  1794^)  als  Landessitte  fest- 
gestellt, daß  in  Krankheitsfällen  der  Dienst  böte  den  Lohn 
für  die  Krankheitszeit  verliere;  nach  seiner  Wiederher- 
stellung gehe  er  wieder  in  den  Dienst  ein.  Mit  christ- 
licher Liebe  der  Herrschaften  gegen  die  kranken  Dienst- 
boten gibt  sich  die  altenburger  Gesindeordnung  von 
1719  *)  zufrieden :  „Solte  sichs  auch  zutragen,  daß  ein  und 
das  andere  Gesinde  bey  währendem  Dienste  mit  Kranck- 
heit  befället  würde,  wird  sic'h  ein  jeder  Dienst-.Herr  aus 
Christlicher  Liebe  von  selbst  dahin  bescheiden,  dass  er 
dasselbe  mit  nothdürfftigen  Hülffs-Mitteln  so  lange  ver- 
seben lasse,  bis  es  wieder  in  den  Stand  gesetzet  worden, 
dass  es  seinen  Dienst  fortstellen  könne."  Die  e ise na- 
ch e  r  Gesindeordnung  von  1757  *)  ermahnt'  die  Gesinde- 
herren, „auch  bey  zustossenden  Kranckheiten  oder  Un- 
glücks-Fällen, nach  Möglichkeit,  ihrer  sich  zu  erbarmen, 
und  mitleidig  anzunehmen".  Auch  die  schaumburger 
Gesindeordnimg  von  1738  *)  appelliert  an  die  Freundwillig- 
keit: der  Dienstherr  soll  seine  Dienstboten,  „wenn  sie  in 
ihrer  Arbeit,  ohne  Schuld  des  Herrn,  zu  Schaden  kommen, 
oder  auch  sonst  zufälliger  Weise  mit  Krankheit  beladen 
werden,  .  .  .  nicht  sogleich  Verstössen,  und  Hülflos  lassen, 
sondern  in  allen  Fällen  sich  gegem  sie  als  Haus- Väter 
und  Haus-Mütter  beweisen." 

Bestimmungen,  die  einen  deutlichen  Verzicht  auf  die 
Herrschaftspflicht  um  Christi  willen  darstellen,  bringt  die 


^)  Haus-  u.  Zentralarchiv  Oldenburg.  B  ü— B  VI  1  Amt  Brake 
2-1  A  Nr.  4  conv.  6.  —  «)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVUI  f  A  870.  - 
')  Kr.  A.  Mönchen.  GR.  Fasz.  402  Nr.  8.  —  *)  Landesverordnungen 
Schaumburg.-L.  II  S.  886. 


/ 


—    700    — 

cJlevische  Gesindeordnim^  von  1769*):  „Da  es  sid 
auch  zuzutragen  pflegt,  dass  wenn  ein  Dienst-Bothe  krand 
wird,  der  Haus-Herr  nadh  geendigter  Dienst-Zeit  verlas 
get,  dass  für  die  Zeit  der  KranCkheit  nachgedienet  wer 
den  solle;  So  soll  es  künftig  in  solchen  Fällen  dergt 
stalt  gehalten  werden,  dass,  wenn  die  Kranckheit  nicht 
länger  denn  acht  oder  vierzehn  Tage  gedauert,  solch« 
bey  einem  Dienstboten,  welcher  ein  gantzes  Jahr  gedie- 
net, in  keine  Consideration  genommen  werde,  Falls  aber 
die  KranCkheit  länger  gewähret,  soll  der  Haus-Herr  da 
für,  wenn  der  Dienstbote,  nicht  wenigstens  noch  ein  Jahr 
bey  ihm  in  Diensten  bleiben  will,  so  viel  als  das  Lohn 
in  der  Zeit  der  Kranckheit  beträgt,  abzuziehen  berechtiget 
seyn,  als  z.  E.  für  einen  Monath  ^/n  des  jährli^^en  Lohns, 
wogegen  dann,  wie  sich  von  selbst  versteht,  alles  Nach- 
dienen dessiret,  als  welches  sowohl  dem  Gesinde  nach- 
theilig ist,  da  dieses  ausser  der  Dienst-Zeit,  nicht  leicht 
in  einen  guten  Dienst  eintreten  kann,  als  der  Herrschaft, 
die  den,  in '  den  abgehenden  Platz  gemietheten  neuen 
Dienst-Bothen,  auf  Ostern,  Victoris  (10.  Oktober)  und 
Michaelis  bekommt,  und  aJso  einen  mehr  als  sonst  be 
köstigen  muss." 

An  drei  Stellen  behandelt  die  j  ü  1  i  ö  h  e  r  Gesindeord- 
nung von  1801*)  diesen  Abschnitt  des  Gesinderechts. 
Axt.  9  ordnet  kurz  an,  dass  ein  Dienstbote,  den  sein  Krank- 
sein zum  Arbeiten  unfähig  macht,  gehen  darf;  nach  Art. 
10  kann  eine  schwangere  Dienstmagd  entlassen  werden. 
Mit  einer  Menge  freundlicher  Ermahmmgen  an  die  Herr- 
schaft spricht  Art.  13  in  großer  Breite  von  dem  gleichen 
Thema :  „Wenn  ein  Dienstbothe  im  Dienste  krank  wird, 
lund  die  Krankheit  nicht  über  8  bis  10  Tage  währet, 
so  ist  die  Herrschaft  denselben  zu  verpflegen  der  Billigkeit 
nach  verbimden,  und  nicht  befügt,  ihm  desfalls  an  dem 


*)  Scotti,  Cleve  S.  1894.  —  •)  Scotti,  Jülich  S.  880. 


—    701     - 

Lohne  was  abzuziehen;  sollte  aber  die  Krankheit  länger, 
und  wohl  3  bis  4  Woc'hen  dauern,  so  wird  eine  wohl- 
denkende HerrscWaft  sich  von  selbst  bereit  finden,  für 
derselben  nöthige  Verpflegimg  sru  sorgen;  sollte  aber  die 
Krankheit  nodh  länger  als  4  Wochen  dauren,  und  die 
Herrschlaft  ^durch  der  Arbeit  auf  länge  Zeit  s^ich  beraubt 
sehen,  und  keine  Hofnung  zur  baldigen  Herstellimg  vor- 
handen seyn,  so  wird  eine  gut  gesinnte  Herrschaft  dem 
kranken  Gesinde  zwar  aus  Menschenliebe  beyzustehen^ 
sidh  von  selbst  willig  finden  lassen,  sie  ist  aber,  wenn  sie 
sich  gütlich  dazu  nicht  verstehen  will,  oder  auch  Ursachen 
halber  nicht  kann,  nicht  schuldig,  auf  solchen  Fall  das 
kranke  und  zum  Arbeiten  unfähige  Gesinde  in  ihrem 
Hause  zu  halten,  sondern  befügt,  selbiges  mittels  Zahlung 
des  Liedlohnes,  nach  Ertrag  der  Zeit  des  Dienstes,  zu  ent- 
lassen." Ähnliches  steht  in  der  düsseldorfer  Gesinde- 
ordnung von  1809^). 

Nur  die  nebeinsächliche  Beistimtaung,  daß  der  wegen 
Krankheit  zu  seinen  Angehörigen  entlassene  Dienstbote 
auf  Verlangen  später  in  den  Dienst  zurückkehren  muß, 
bringt  fürs  erste  die  Würzburger  Gesindeordnung  von 
1749«).  Weiter  hfeißt  es  dann  aber:  Will  der  Herr  den 
Diener  nicht  wieder  aufnehmen,  dann  muss  di^em  Zeugnis 
und  voller  Lohn  bis  zum  nächsten  Quartalsziel  gegeben 
werden.  Die  zwiespältigen  Bestimmungen  in  der  ans- 
bacher  Gesindeordnung  von  1769*)  lauten  dahin,  daß» 
geringer  Unpäßlichkeit  willen  ein  Dienstbote  nicht  gleich 
verstoßen  werden  soll;  nur  bei  anhaltender  bettlägeriger 
Krankheit,  die  besondere  Pflege  erfordert,  und  den  Dienst- 
boten ganz  und  gar  xmtüchtig  macht,  der  Arbeit  vorzu- 
stehen, mag  er  entfernt  werden.  „Doch  sind  in  vorbe- 
nannten Fällen  die  Dienst-Herrsdiaften  a«ch  nicht  zu 
verargen,  wann  sie  ihre,  naöh  eingeholten  Rath  und  Da- 

*)  Ebenda  S.  1262.  —  ■)  Landesverordnungen  Würzburg  II  S.  529. 
-  •)  Kr.  A.  Nürnberg.    S.  28  V  Nr.  779.    Repert.  288. 


—     702    — 

vorhalten  eines  Medici,  mit  einer  lang  anscheiaender. 
Kranckheit  befallenen  Ehehalten,  bey  Zeiten  ihren  Kltem, 
oder  andern  Freunden  übergeben,  .damit  nicht  theils  an 
der  Wart  etwas  versäimiet,  imd  theils  das  Haushalteoi  nich: 
in  Schaden  und  Nachtheil  gesetzet  werde/*  Die  wahre 
Menschen-  imd  Christenliebe  ist  es  auch,  die  den  Herr- 
schaften von  den  Verfassern  der  altbayerischen  Ge- 
sindeordnimgen  der  Jahre  1781  und  weiterhin  ans  Herz 
gelegt  wird ^).  Ebenso  gibt  sich  die  österreichische 
Ordnung  von  1779*). 

Christliches  Mitleiden  ninnnt  femer  die  Gesindeord- 
ntmg  für  Dur  lach  von  1780*)  rur  Grundlage  der  Pflege 
erkrankter  Dienstboten.  Weiter  hat  aber  die  Herrschaft 
dafür  zu  sorgen,  daß  jeder  Krankheitsfall  dem  Gesindeauf- 
seher*) angezeigt  wird;  aus  welc'hen  Gründen,  ob  etwa 
wegen  der  Ansteckungsgefahr,  wird  nicht  gesagt.  1809^) 
wird  in  Baden  die  milde  Berufung  auf  die  Frömmigkeit 
der  Dienstherren  ersietzt  durch  energischeres  Polizeigebot. 
Die  Herrschaft  mtiß  „wie  in  gesunden  so  auch  in  kranken 
Tagen**  das  Gesinde  verpflegen  imd  die  Arzt-  und  Arznei- 
kosten übernehmen,  falls  die  Krankheit  vorübergehender 
Natur  ist;  bei  länger  dauernden  Krankheiten  sorgt  die 
Polizei,  wenn  der  Dienstbote  nicht  Mittel  zur  Selbstver- 
pflegung hat. 

Die  herrscihaftliche  Krankensorgepflicht  hat  auch  das 
ostdeutsche  Recht  aufs  eingehendste  ausgebildet.  Ge- 
rade Brandenburg  hat  die  interessanteste,  weil  in 
ihren  Wurzeln  offenbarste  Rechtsentwicklung  durchge- 
macht. Es  gehört  nicht  hierher,  die  klar  gehaltenen  Aus- 
führungen  Lennhoffs^)    und   Hedemanns'')    noch 


*)  Kr.  A.  München.  AR.  Fasz.  469  Nr.  209;  ebenda  MA.  Fasz. 
1321  Nr.  1165.  —  •)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  2.  - »)  L.  A. 
Karlsruhe.  Baden  Gen.  6391.  —  *)  Oben  S.  411  f.  -  »)  L.  A  Karls- 
ruhe. Prov.  Niederrhein.  Gesindepoh'zei.  Lit.  B.  Nr.  1.  1766— 180Ö 
iW  2).  -  •)  S.  91ff.  -  ')  S.  206ff. 


—     703     — 

einmal  in  ihrem  ganzen  Umfange  wiederzugeben.  Nur 
soviel  sei  bemerkt :  Die  Fürsorge  für  das  kranke  Gesinde 
lag  dem  Dienstherrn  bis  1769  lediglich  „um  Christi  willen" 
ob.  1769  ist  das  entsc'heidende  Jahr.  Da  wird  eine,  wenn 
auch  dehnbare,  Fürsorge  p  f  1  i  c  h  t  eingeführt ;  in  leichten 
Fällen  ist  die  erforderliche  Pflege  zu  tun,  aber  der  Aufwand 
dafür  'kann  am  Lx)hne  abgenommen  werden.  Weiter  geht 
das  Allgemeine  Landredht.  Steht  die  Krankheit  in  ur- 
sächlichem oder  bloß,  zeitlichem  Zusammenhang  mit  dem 
Dienst,  dann  m^uß  die  Herrschaft  unentgeltlich  für  den 
Diener  sorgen.  Andere,  zufällige  Krankheiten  verpflichten 
die  Herrschaft  nur  dann,  wenn  keine  vermögenden,  ge- 
setzlich zum  Unterhalt  verpflichteten  Verwandten  des 
Dienstboten  in  der  Nähe  wohnen.  Über  den  Zeitpunkt  der 
Dienstbeendigung  reicht   die   Sorgepflicht   nicht   hinaus. 

Anders  als  in  Brandenburg  trat  in  Kursachsen  der 
Gedanke  an  eine  Herrschaftspflicht  unentgeltlicher  Kran- 
kenfürsorge erst  ün  Beginn  des  19.  Jhdts.  auf,  bei  den 
Vorarbeiten  zur  neuen  Gesindeordnung  ^).  Nach  Vor- 
schlägen, die  der  Regierung  von  den  Kreisen  gemacht 
wnrden,  sollten  die  Dienstherm  zur  imentgeltlichen  Ver- 
pflegung des  im  Dienste  erkrankten  Gesindes  verpflichtet 
werden.  Die  Regierung  lehnte  das  aber  ab.  In  ihren  Ent- 
wurf setzte  sie  genau  die  entgegengesetzte  Vorschrift,  daß 
nämlich  schwere  Erkrankung  des  Gesindes  dem  Dienst- 
herm Grund  zur  sofortigen  Entlassung  geben  sollte.  Aus 
diesem  Entwürfe  wurde  glücklicherweise  kein  Gesetz*). 
Erst  späterhin  im  Verlaufe  des  Jahrhimderts  kam  Sachsen 
so  zu  einer  Regelimg  der  Krankenpflege  im  Sinne  einer 
herrschaftlichen  Fürsorgepflicht  ^). 

Im  Ordenslande*)  mußte  die  Herrschaft  bei  Un- 
glücksfällen imd  Krankheit  für  die  Pflege  des  Gesindes 
sorgen  imd  den  Arzt  bezahlen*). 

»)  Wuttke  S.  190 ff.,  bes.  192,  198.  -  «)  Ebenda  S.  196.  — 
»)  Kahler   S.  110;  169,  160.    -   *)  Steffen  S.  21.   —   »)  Für  die 


—    704    — 

Wie  es  freilich  in  Wirklichkeit  um  die  Krankenv^- 
sorgting  der  Dienstboten  bestellt  war,  kann  man  einem 
gegen  Ende  des  18.  Jhdts.  verfaßten  Promemoria  des 
bambergischen  Arztes  Dr.  Marcus^)  entnehmen.  Er 
äußerte  sich  so:  „Man  darf  nur  ein  wenig  mit  der 
hiesigen  Dienstboten- Verfassimg  im  Erkrankungsfalle  be- 
kannt sein,  um  zu  wisisen,  wie  wenig  Beihilfe  sie  sich  von 
den  meisten  Dienstherm  zu  versprechen  haben,  wenn 
Krankheiten  sie  überfallen.  Viele  dulden  ihre  kranken 
Dienstboten  nicht  im  Hatise,  weil  sie  die  Unkosten  und 
Ungemächlichkeiten  scheuen,  andere,  weil  es  ihnen  an 
Raum  gebricht,  imd  wieder  andere,  weil  sie  sich  der  Ge- 
fahr der  Ansteckung  nicht  aussetzen  wollen.  Sehr  oft  tx- 
eignet  sich  daher  hier  der  Fall,  daß  Dienstboten,  wenn 
sie  gleich  mehrere  Jahre-  treu  dem  Dienste  ihres  Herrn  vor- 
gestanden, bei  dem  Erkranken  ohne  Nachsicht  das  Diwist- 
haus  verlasisen  müssen.  Wenig^ens  hing  dieses  bisher  ganz 
von  der  Willkür  der  Dienstherm  ab,  indem  meines  Wis- 
sens hierüber  in  hiesiger  Stadt  kein  PoUzeigesetz  vorhan- 
den ist.  Aber  auch  das  Loos  derjenigen  Dienstboten,  deren 
Dienstherrschaft  Raum,  Vermögen  und  Barmherzigkeit 
genug  besitzet,  sie  bei  sich  im  Hause  zu  behalten,  ist  meh- 
renthleils  traurig  und  bemitleidenswexth.  Denn  gewöhn- 
lich ist  das  Krankendienstbotenzimimier  ein  enges,  dump- 
figes Behältniss,  wo  reine  Luft  xmd  Sonnenstrahlen  nicht 


deutsche  Entwicklung  im  19.  Jhdt  sind  zu  vergleichen  die  stenogr. 
Berichte  über  die  Verhandlungen  des  Reichstages  8.  Legislaturperiode 
I.  Session  1890/1,  Aktenstücke  381  S.  2434.  Als  Beispiel  ausländischen 
Rechtes  sei  dasjenige  Hollands  von  1719  angeführt;  Behaegel, 
Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du  comitö  central  da 
travail  industriel  1905  S.  660).  Es  lässt  mit  seiner  imglaublicbea 
Kleinlichkeit  auch  die  schwerfälligsten  Satzungen  aus  Deutschland 
hinter  sich. 

^)    Heinrich    S  i  p  p  e  1 ,    Das    bamberger    Dienstboten  -  Institut 
S.  2flf. 


—     705     — 

hindurchzudringen  vermögen,  theils  fehlt  es  an  gehöriger 
Warte,  die  gewöhnlich  von  einem  Nebendienstboten  ab- 
hän^,   dem  es  oft  an  Gutmüthigkeit,  öfter  aber  an  Zeit 
gebricht,    das  Krankenwärtergeschäft    zu    besorgen.     So 
traurig"  die  Lage  des  kranken  Di^istboten  ist,  nicht  minder 
ist  es  die  des  Dienstherm,  depn'  sieine  Dienstleute  erkran- 
ken.   Viele  Wohnungen  in  hiesiger  Stadt  sind  so  einge- 
richtet,  dass  Herr  und  Knecht  oder  Magd,  wo  nicht  in 
einem   Zimmer,  doch  sehr  nahe  bedsammien  wohnen,  so 
dass,    wenn  er  seinen  kranken  Dienstboten  auch  gleich 
gerne  "bei  sich  behielte,  er  der  Gefahr  der  Ansteckimg  sich 
aussetzen  würde.  Bei  Epidemien  Uat  dies  nahe  Beisammen- 
sein oft  die  traurige  Folge  gehabt,  dass  ganze  Familien 
ausgestorben  sind.  In  den  mehrsten  Diensthäusem  liegen 
zwei  Dienstboten  in  einem  Bette  beisamimen,  so  dass  der 
Gefahr  der  Ansteckung  gar  nicht  auszuweichen  ist.  Sollte 
dieses  auCh  der  Fall  nicht  sein,  so  ist  es  für  den  Dienst- 
herm kein  kleiner  Gegenstand,  wenn  er  für  seinen  kran- 
ken Dienstboten  Arztlohn,  Arzneien,  Warte,  die  ihm  täg- 
lich einen  Gulden  imd  noch  mehr  kosten  dürfen,  bezahlen 
sollte.   Bedenkt  man,  dass  dergleichen  Ausgaben  Wochen 
und  Monate  lang  fortdauern  können,  so  wird  es  begreiflich, 
warum  öfters  die  harmherzigsten  und  Christlichsten  Herr- 
schaften sich  in  die  Nothwendigkeit  versetzt  sehen,  ihre 
kranken,  treuen  Dienstboten  aus  dem  Hause  zu  thun." 
Diese  Erwägungen  lassen  es  erklärlich  erscheinen, 
wenn  die  Öffentlichkeit  der  christlichen  Denkungsart  der 
Diensthierren  manchmal  doch  nicht  recht  traut  und  ihrer- 
seits auf  weitere  Abhilfe  sinnt.    Früh  schon  suchte  man 
durch  öffentliche  Einrichtungen  die  Stelltmg  der 
erkrankten  Dienstboten  zu  sichern.    Freilich  handelte  es 
sich  bei  der  Bemühung  um  Unterbringung  der  Dienst- 
boten in  Krankenhäusern  der  Regel  nach  nicht  um^  Maß- 
regeln zum  Schutze  der  Dienstboten,  denen  ihrer  elenden 
Lage  wegen  eine  Wohltat  erwiesen  werden  sollte.   Viel- 

K5nnecke.  ^5 


~     706    — 

mehr  faßte  man  solche  öffentliche  Fürsorge  nur  als  eine 
besondere  Abart  der  Armienlast  auf  ^). 

Die  früheste  Erwähnung  öffentli<^her  Fürsorge  für 
kranke  Dienstboten  komimt  in  dem  zweiten  Stadtrecht 
von  Ueberlingen  vor,  das  um  1400  entstanden  ist'}. 
§  121,  der  davon  handelt,  „waein  Dienst  sondersiech  wirde", 
ist  freilich  durchstrichen ;  er  scheint  nicht  eingeführt  wor- 
den zu  sein.  Seine,  wenn  auch  wesenlose  Existenz  ist 
gleichwohl  wichtig  genug,  xun  die  Wiedergabe  des  Stückes 
hier  zu  rechtfertigen.  Es  lautet :  „Wer  der  ist,  der  gesunt 
in  imser  statt  komet,  luid  jaur  und  tag  ain  imserm  burger 
dienstbar  ist,  ob  da  ain  semlicher  siech  und  usssetzit 
wirdet,  daz  der  xmser  pfründ  uf  dem  berg  haben  und 
niessen  sol  in  aller  mass^  alz  ain  ander  bürger,  ungevorlich". 

Eine  Unterstützung  anderer  Art  verheißt  eine  mil- 
tenberger Ratssatzung  von  1422*)  allen  Einwohnern, 
auch  denen,  die  bei  andern  im  Brote  stehen:  „Welcher 
scherer,  artzet  oder  beder  einen  burger  bindet  oder  kint, 
oder  die  danne  den  bürgern  zusteent  und  in  irem  brot  sin 
ein  schade  widderfert,  da  got  vor  si,  das  man  das  binden 
oder  heilen  solt,  imd  dar  zu  also  sin  hiilffe  imd  das  beste 
dut,  wolt  er  danne  zu  vil  von  siner  arbeit,  so  sal  es  stene 
an  den  burgermeistem.  Sust  usswert  und  fremde  lute 
krut  die  stat  nicht  *),  danne  was  fremde  lüde  sin,  die  sollen 
sich  mit  irem  Hebe  einen  oder  mit  irer  einem  dingen." 
Wider  die  Überforderungen  der  Ärzte  soll  den  Patienten, 
darunter  audh  den  hätislichen  Dienstboten,  der  Schutz 
der  städtischen  Obrigkeit  zur  Verfügung  stehen. 

Im  Anschluß  hieran  sei  die  in  der  kurpfälzischen 
Landesordnung  von  1582*)  enthaltene  Almosenordnung 
erwähnt.   Deren  Zweck  ist,  „dass  auch  zucht,  Ehrbarkeit, 


^)  Vgl*  z.  B.  Brentano,  Die  Arbeiterversicherung  gemftss  der 
heutigen  Wirtschaftsordnung,  S.  66ff.  —  •)  Oberrheinische  Stadt- 
rechte  n  2  S.  1  flf.,  bes.  84.  —  •)  Oberrheinische  Stedtrcchte  I  S.  820. 
—  *)  Darum  bekümmert  sich  die  Stadt  nicht  —  •)  Univ.-Bibl.  Marburg. 


—     707     — 

Gehorsam  und  Massigkeit,  bey  Dienstbotten,  Handwercks- 

leuten  iund  Taglöhnem,  auch  anderen,  besser  gebandhabt^ 

Und  dann  weil  die  Herrsdiiafften  und  Meister  sich  ihres 

Gesindts,  und  anderer,  so  in  jeder  Gemeinde  wohinhafft,  in 

zeit  ihrer  KranCkheit  und  Elendts,  ja  im  fall  die  Kranck-^ 

heit  und  Annut  gross  und  langwirig,  die  gantze  Gemeynde 

solcher annemmen soll".  Inder  unter  IX  folgenden  Spezial- 

bestim'm'ung  werden  die  Dienstboten  zwar  nicht  besonders 

genannt,  dodh  ergibt  der  Zusamimenhang,  daß  auch  sie 

von  der  Wohltat  öffentlicher  Verpflegung  Vorteil  haben 

sollen.    £s  sollen  nämlich  im  Hauptspital  zu  Heidelberg 

und  Alzey  von  den  Ärzten  gebeilt  werden  bresthafte  Arme 

„und    auch  etwan  nach  gelegenheit  die  Frembden,  die 

nicht    Landbettler,   sondern   Handtwercks   und  Arbeiter, 

oder  andern  ehrlichen  Geschefften.  unn  nicht  dem  Bett- 

\en  nadhwandemde  Leuth**. 

Wichtiger  wegen  der  Deaitlichkeit,  mit  der  der  Stand- 
pimkt  vertreten  wird,  ist  die  kalenberger  Kirchenord- 
nung für  die  Dörfer  von  1569,  revidiert  1615  ^).  Auch  in 
ihr  wird  die  öffentlicJhe  Fürsorge  in  den  Vordergrund  ge- 
stellt: „Ziu-  zeit  sterbender  noth,  auch  sonsten,  so  offt 
arme  Dienstknecht  und  Mägde,  auch  andere  frembde 
bastig  niederfellig  mid  kranck  würden,  oder  nüt  dem 
Erbgrindt  und  andern  schweren  Kranckheiten  beladen 
weren,  luid  aber  von  ihren  Herrn  imd  Frawen  Unterhaltung 
nicht  erlangen  möchten,  die  sollen  von  dem  gemeinen 
Allmosen  oder  Spittehi  untergeschleifft,  geheilet,  und 
zimlich  unterhalten  werden,  so  lang,  biss  sie  ihre  Gesund- 
heit zimlich  erlangen,  und  doch  die  Herrn  imd  Frawen 
dameben  durch  die  Kastenpfleger  vermahnet  werden, 
ihnen,  in  ansehung  sie  in  derselben  Diensten  kranck  und 
niederfellig  worden,  zum  wenigsten  ein  hiandreichimg  und 
hülff  zu  thim."  Eine  weitere  Ausdehniuxg  der  hierrschaft- 


')  Landesverordnungen  Kaienberg  I  S.  127,  880. 

46' 


—    708    - 

liehen  Fürsorgepflicht  mit  einer  völlig  überraschenden, 
in  der  ReChtsgeschicJhte  durchaus  singulären  Verschärfung 
folgt  darauf^).  Alle  Untertanen  werden  vermahnt,  selbst 
sowie  mit  Kindern  imd  Geisinde  zur  Kirdhe  \md  zur  Kate- 
chismuslehre zu  geben.  Dann  heißt  es:  „Auch  wo  die 
Herrn  und  Frawen  ihre  Knechte  \md  Mägde,  imib  eigen- 
nützigkeit  willen,  nicht  zur  Predigt  noch  Catechismo  an- 
hielten, sollen  dieselben,  wo  die  Knecht  und  Mägde,  bey 
ihnen  in  KranCkheit  fielen,  noch  femer  mit  hülff  und 
Uandtreichung,  solchen  krancken  Erhalten,  nach  gestalt 
der  Sachen,  gestrafft  werden."  Krankenfürsorge  als 
Strafe  für  gottlose  imd  ungehorsame  Herrschaften  ist 
vielleicht  ein  praktisches!  Mittel  gewesen;  die  alte  An- 
schauung über  die  Begründimg  der  Fürsorgepflicht  ist 
aber  hier  2rur  Karikatur  geworden. 

Wieder  folgt  jetzt  die  große  Lücke  des  17.  Jhdts.  *). 
Eine  Anekdote  aus  Nürnberg  wäre  zu  vermelden*). 
Das  Spital  zum  h.  Geist  war,  wie  es  scheint,  zur  unent- 
geltlichen Versorgung  der  Dienstboten  verpflichtet;  aus- 
wärtige Dienstboten  erhielten  wenigstens  ärztliche  Hilfe 
und  Arznei  umsonst.  1667  wurde  dem  Freiherm  Franz 
von  Sickenberg  ein  Dienstmädchen  krank;  da  drohte  er 
dem  Spitalamte,  er  werde  das  Mädchen  auf  die  Gasse 
setzen,  wenn  es  im  Spitale  keine  Aufnahme  finde.  Nach 
dem  Spitalrecht  von  Augsburg*)  wurden  Geisteskranke 
ins  Pilgerhaus  aufgenommen.  Die  Habschaften  der  Aufge- 
nommenen wurden  verzeichnet,  in  eine  Truhe  verschlossen 
imd  dem  Pilgervater  übergeiben,  „oder  wenn  es  sich  um 
kranke  Dienstboten  und  Gesellen  handelte,  den  Herr- 
schaften und  Meisterschaften,  so  diese  dafür  gut  stan- 
den, in  Verwahrung  gelassen,  jedoch  ebenfalls  imter  Ver- 
schluss". 

')  S.  886.  —  *)  Ober  Bamberg,  das  seit  1639  ein  Ehaltenhaus 
besass,  wird  weiter  unten  im  Zusammenhange  gehandelt  werden.  — 
')KamannS.  115, 116.  ~  «)  Max  Bisle,  Die  öfTentliche  Armenpflege 
der  Reichsstadt  Augsburg  (Paderborn  1904)  S.  112. 


—     709    — 

Aus  idem  frühen  18.  Jhdt.  kann  die  Polizeiordnung  für 
Eichstätt  von  1707^)  angeführt  werden.  Da  es  „sich 
öfters  zutraget,  diass  die  erkranckhte  Ehehalten  luid  Hand- 
werckhs  Pursch  bey  denen  Bürgfem  und  Handwerckhs 
Leuthen  schlechte  Verpflegung  zu  empfangen,  allermeyst 
bekandter  Dinge  die  mehriste  in  ihren  kleinen  Häusseirn 
so  eingieschlossen,  und  eng  beysannmien  wohnen,  dass  sie 
kaum  vor  die  ihrige  dass:  erforderliche  imterkommen  ha- 
ben, noch  weniger  im  Standt  seynt,  ednem  darnieder  lie- 
genden Ehehalten,  HandwercfksgesöUen,  oder  Lehrling 
ein  besonders  gewärmbtes  Zimmier  einzuräumen,  aml  aller- 
wenigsten aber  aus  selbst  leydendemi  abgang  die  erforder- 
liche kost  imd  warth  m  verschaffen,  bey  welchen  in  einem 
solchen  Hausis  nicht  zu  ändern  stehenden  umibiständten 
der  Krandche  in  seiner  ordinari  und  kalten  Liegerstatt 
sich  eilend  biehelffen,  oder  falls  er  in  ein  warmes  Zimmer 
eingelassen  wird,  die  gestmdte  bey  hitzigen  oder  anderen 
leicht  erblichen  Krankheiten  erwartjien  müssen,  ob  sie 
nicht  dass  nembliche  übel  ergreiffet,  und  anmit  die  Nach- 
bahrschafft,  oder  vielleicht  die  ganze  Statt  inficiert  imd 
angestedkhet  werde,  so  wollen  wir  diser  dem  gemainem 
weesen  zu  grosser  gefahr  von  selbst  erachtlich  ausschla- 
genden Bes<^hwehrnus  soviell  möglich  vorkomm^i."  Es 
wird  daher  eine  Krankenhaus-Stiftung  gemacht,  damit  die 
Bürger  von  der  Last  befreit  worden. 

In  L  a  n  d  s  h  u  t  ^)  bestand  ein  Krankenhaus,  das  durch 
eine  Epidemie  1738  an  die  Grenzen  seiner  Leisttmgsfähig- 
keit  kam.  Um  die  Einnahmen  zu  erhöhen,  wurde  eine  Auf- 
lage von  einem  Kreuzer  auf  den  Gulden  von  dem  Lohne 
der  Ehehalten  und  Handwerksgesellen  ausgeödhriebein. 
Da  dies  die  einzigen  Zwangsbeiträge  waren,  von  andern 
Personen  keine  solchje  erhoben  wurden,  kann  man  ver- 
muten, daß  diese  Einrichtung  als  eine  Art  obligatorischer 


*)  Habeische  Sammlung.  —  »)  Staudenraus,  Chronik  III  S.  143. 


—    710 

Krankenversicheruiig  gedax:ht  war.  Nähere  Angaben  dar- 
über fehlen.  Auch  1800  wurde  der  Beitrag  der  Dienst 
boten  und  Handwerksgesellen  noch  weiter  erhoben  *). 

Genaueres  über  die  Einrichtung  der  Gesindeverpfle- 
gung in  einem  Spital  ist  der  Geschichte  der  Charit^  in 
Gas  sei  zu  entnehmen*).  Landgraf  Friedrich  IL  von 
Hessen  machte  1772  in  einer  eigenhändigen  Denkschrift 
den  Vorschlag,  ein  großes  Hospital  für  Epidemien  zu 
bauen,  „das  ein  Jeder  könte  kranke  Bediente  Unterbringen 
vor  ein  gewisses  Geld".  So  ging  auch  am  26.  Juni  1772 
eine  Umfrage  an  die  Gutachter  (Ober-App.-Ger.-R  Kopp, 
Kriegsrat  Wille,  Hofrat  Comitius,  Oberschultheiß  Lennep, 
Bürgermfeister  Goeddaeois,  Professor  Dury);  deutlicher 
noch  als  in  der  landgräflichen  Proposition  heißt  es: 
„kranke  Bedienten,  Knechte  und  Mägde,  deren  Brod- 
herrschaft sie  nicht  in  ihrem  eigenen  Hausse  dulden  kann 
oder  will". 

In  den  Gutachten  spielt  die  Hauptrolle  die  Frage  der 
Kostendeckung.  Aber  keiner  der  Gefragten  schlägt  Her- 
anziehung der  Dienstherrschaften  vor.  Als  MitteJ  wählte 
man  beispielsweise  Ungiltigkeitserklärung  der  Testamente, 
die  kein  Legat  für  das  Krankenhaus  enthalten '), 

Als  endlich  1785  am  2.  Februar  der  Stiftimgsbrief 
erging,  konnte  man  sehen,  daß  es  sich  weniger  um  eine 
wohltätige  Einrichtung  zu  gunsten  der  Dienstboten  han- 
deln sollte,  daß  vielmehr  die  Unterbringung  „vor  ein  ge- 
wisses Geld"  erfolgte,  wie  der  Landgraf  proponiert  hatte. 
Die  maßgebende  Stelle  des  Briefes  lautet  so: 

„§  8.  Und  damit  dieses  wohlthätige  Institut  noch 
allgemeinnütziger  werden  möge,  so  bewilligen  Wir  gnä- 


»)  Ebenda  S.  148.  —  *)  Fürs  Folgende  St  A.  Marburg.  Akten 
des  Ministeriums  d.  I.,  betr.  das  Landkrankenhaus  (Charit^)  zu  Cassel, 
Vol.  I  (Rep.  X  Kl.  24  Nr.  1).  —  •)  Später,  durch  Verordnung  vom 
22.  Dez.  1822,  griff  man  sogar  zu  einer  Trauungssteuer  zu  Gunsten 
des  Landkrankenhauses. 


—     711     — 

ligst,  dass  alle  und  jede  Herrschafften,  Handwercker, 
Bürger  und  Einwohner  unserer  Residentz  auch  Fürstliche 
Livree  Bedienten  nicht  ausgenommen,  welche  m  gehöriger 
Verpflegung  ihrer  Krancken,  und  durch  Unglücksfälle 
Verwundeten  Doniestiquen,  Handwercks  Gesellen,  Lehr- 
bursdhe,  Knechte  und  sonstige  Hausgemossen,  allenfalls 
in  ihren  eigenen  Häusseren  und  Wohnimgen,  weder  ge- 
nugisamien  Raum,  noch  bequeme  Gelegenheit  haben,  zu 
Curirung  gedachter  ihrer  Krancken,  gegen  leidliche  Zah- 
lung sidh  der  Charite  nach  Gutfinden  ebenfalls  bedienen 
können,  woselbst  dann  auch'  diese  Krancke,  so  wie  über- 
haupt alle  andere,  welche  zur  Aufnahme  und  Cur  in  der 
Charit^  sich  von  selb^st  m<elden  und  dazu  nach  dem  §pho 
7  qualificirt  sind,  auch  die  vestgesetzte  Verpflegungs 
Kosten  bezahlen  wollen,  ohnweigerlic'h  recipirt,  und  mit 
eben  der  Aufmierdksamkeit  und  Sorgfalt,  wie  alle  übrige 
Patienten  bis  zu  ihrer  vöUigen  Genesung  in  allem  Ord- 
nungsmäs^sig  imterhalten  und  verpflegt  weirden  sollen." 

Aber  ganz  so,  wie  der  Stiftungsbrief  bestimmte,  war 
die  Praxis  im!  Krankenhiause  doch,  nicht.  Das  geht  aus 
einem  Berichte  hervor,  den  die  Regienmg  für  Nieder- 
hessen am  18.  Juni  1828  an  das  Ministerixun  richtete^): 

„Nach  dem  von  der  Landkrankenhaus-Direktion  hier- 
selbst  eingezogenen  Berichte,  werden  für  Gesellen,  Lehr- 
linge etc.  wie  für  alle  übrige  gegen  Bezahlung  in  das 
Landkrankenhaus  aufgenommene  körperliche  Kranke  in 
der  Regel  wöchentlich  24 V2  Ggr.,  für  Dienstboten 
aber,  welche  nach!  §  8  des  Stiftungsbriefes  auf- 
genommen werden,  ausnahmsweise,  nach 
einer  alten,  stets  beobac?hteten  Observanz 
überhaupt  ohne  Rüciksicht  auf  die  Dauer  d eis 
Aufenthalts,  ein  14  tägiger  Betrag,  mithin 
2  Rthlr.  1  gGr.  aversional  bezahlt,  imd  bemerkt 


0  Bd.  11  der  S.  710  Anm.  2  genannten  Akten. 


—     712    — 

die  Direction,  dass  es  meist  sehr  schwer  halte,  den  Er 
satz  dieses  Betrages  zu  sichern  und  sie  eine  Erhöhuza 
desselben  oder  der  von  andern  Kranken  zu  bezahlender 
Verpflegtingskosten,  mithin  eine  Vermehrung  der  Ein 
nahmen  überhaupt  auf  diese  Art!  für  imausführbar  halte.' 
Der  Erfolg  dieses  Berichtes  war  der,  daß  nun  die  Bevor 
zugung  der  Dienstboten  insoweit  aufgehoben  wurde,  als 
„die  Vergütung  für  die  Verpflegung  des  kranken  Gesindes 
vollständig  nach  der  in  der  Anstalt  zugebrachten  Zeit 
(nicht  bloß  für  die  ersten  14  Tage)  der  Re^rel  nach  er- 
hoben" werden  soU^). 

Für  die  Entwicklung  des  sonstigen  öffentlichen  Kran- 
kenreChts  Hessens  und  seiner  Nebenländer  wichtig  ist 
sodann  eine  1795  in  Fulda  gelöste  Streitfrage*). 

Zwei  Mägde  sind  am  Faulfieber  erkrankt.    Die  eine 
hat  (bis  ziu-  Genesung  36  Tage  im  Nikolaihospital  gelegen 
und  für  Arzt  15  Fl.,  Medizm  24  Fl.  5  Kr.,  Krankenwärter 
und  Verköstigung  10  Fl.  12  Kr.  gebraucht.    Nun  ist  es 
die  Meinung  der  Regierung,  „dass,  weilen  des  Küchen- 
meisters Ritzels  Magd  Anna  Catharina  Laimannin  eine 
dahiesige   Bürgerstochter  ist,   so  ex  fundatione  in  der- 
gleichen Fällen  Anspruch  auf  das  Nicolai   Hospital  zu 
machen  hiabten,  der  Arzt  Kaib,  als  Hospitals  Arzt  und 
Verwalter  die  Ciu-  seinem  bei  der  Annahme  von  ihnoe 
gemachten  Engagement  gemäs,  bei  diesem  und  künffti- 
gen  Fällen  arme  Dienstbothen,  so  Bürgerskinder  sind, 
ohnentgeldlich  verrichten  müsse.    Der  Wart  Lohn,  und 
Verköstigtmg    abfer    dem  Küchenmeister  Ritzel   dermal, 
und  so  künftighin  andern  Dienstherren,  so  ihre  Dienst- 
bothen dorthin  bei  Epidemischen  Kranckheiten  bringen 
kssen,  aus  der  Pflicht  der  christlichen  Liehe,  so  sie  ibrcn 
Dienstbothfen  in  KranCkheitsfällen  schuldig  sind,  auffi«^ 
Die  Medizin  hingegen  bei  solch  krancken  Dienstbothen, 


*)  Verfügung   des  Ministeriums   vom    10.  September 
*)  In  der  Sammlung  fiild.  Verordnungen  der  Regierung  zu  CasscL 


—    713    — 

Bürgerskinder  sind,  der  Stadt  armen  Cassa  aufzurech- 
L-^n,  oder  (wann  wie  itz  nach  vom  Vicedora  geanachter 
-^^Tiaseige  der  Fall  ist,)  solche  dies  zu  bestreiten  ohnver- 
ögend  ist,  von  dem  Landes  aerario  zu  bestreiten  seie, 
die  Abwendimg"  der  Gefahr  der  Verbreitung  auch  im- 
ein  Gegenstand  der  allgemeinen  Landeispolizei  ist**. 

Die  andere  Magd  ist  kein  Bürgerskind.  „In  dem'  Falle 
Iss  müste  der  Aryt  Kaib,  deme  Jedoch  als  einem  Lazaret 
A/'orsteher  so  mehrere  Krancke  dort  hat,  imd  immer  gegen- 
"^^ärti^  sein  soll,  bei  solchen  Ereignüssen  nur  die  Ordina- 
tionen, keineswegs  aber  die  besondere  Besuche^  und  da- 
zu jeden  mit  20  kr.,  eben  so  wie  die  medicin  von  hoch- 
f ürstl.  Landesobereinnahtoe,  weil  für  derg'leichen  kranck 
gewordene  Landleute  (wann  sie  nicht  selbst  zahlbar  sind) 
kein  anderer  Fond,  worauff  sie  Anspruch  machen  kön- 
ten,  vorhanden  ist,  ihre  befriedigimg  erhalten,  der  Dienst 
Herr  aber  aus  ob  ang'eführtem  Grunde  auch  hier  den 
AVart-Lohn,  imd  die  Verköstigimg  tragen." 

Bischof  Adalbert  schloß  sich  diesen  Ansichten  un- 
term 21.  Mai  1795  an.  Zum  geschriebenen  Recht  wurde 
all  dies  einige  Jahre  später  in  dem'  „Reglement  für  den 
Arzt  Kaib,  wegen  ohinentgeltlicher  Besorgtmg  einiger  ar- 
mer KranCken  im  Nikolaispital  vom  16.  November  1801** : 
Es  bestimlmt,  dass  „Erstens  nur  Arme,  deren  Medika- 
menten, und  Verpflegtmgs  Kosten  aus  der  Landes  Kasse 
bestritten  werden,  2tens  Arme  Dienstboten,  die  aus  der 
Stadt  in  das  St.  Nikolaispital  geschickt  werden,  3tens 
alle  zum  Militär  gehörige  Personen,  imd  4tens  die  Fürst- 
liche Unterthanen  aus  demi  Amte  Altenhof  ohnentgelt- 
lich  zu  bedienen  seien.**  Am  12.  Januar  1804  erfolgte  die 
BekanntmlaCbung'  über  Einrichtung  einer  öffentlichen 
Krankenanstalt  für  Arme  ^) ;  sie  war  auch  für  die  Dienst- 
boten bestimimt. 


*)  Sammlung  der  cass.  Regierung.    Bd.  III;  oben  S.  181. 


—     714    — 

0 

Im  Anfang  des  19.  Jhdts.  kam  es  in  Hessen  öfters 
zu  Verhandlungen  über  die  Versorgung  des  kranken  Ge- 
sindes. Der  westfälisc'he  Projet  von  1813^)  sah  vor,  daß 
der  Überschuß  der  vielen  zu  erhebenden  Gebühren  teil- 
weise zur  Versorgung  kranker  Dienstboten  verwendet  wer- 
den sollte.  Eine  Krankenkasse  fürs  Großherzogtum  Frank- 
furt schlug  der  moderne  Baron  von  Hettersdorf  vor*). 
Bald  danac!h  kam'  die  Frage  auf  dem  Landtag  für  Schaum- 
burg  zur  Besprechung.  Die  Regierung  zu  Rinteln  machte 
1815  den  Vorschlag,  eine  Fürsorgestelle  für  erkrankte 
Dienstboten  zu  statuieren;  es  kam'  aber  nichts  dabei  her- 
aus '). 

Außerordentlich    bedeutungsvoll    sind  dagegen    die 
mehrfachen  Versuche,    in    einzelnen  hessischen   Städten 
Krankenanstalten  für  Dienstboten  eanzurichten.  Zuerst  ist 
über  eüi  Vorgehen  in  B  o  d  koYi  h  e  i  m  zu  berichten  *).  Am 
6.  Jimi  1824  beantragte  der  Dr.  med.  Czihak  als  Arzt 
der  Firma  Melzer  imd  Co.,  bei  Gelegenheit  eines  prak- 
tischen Falles,  „ein  geeignetes  Haus  für  erkrankte  Fabrik- 
arbeiter, Handwerksgesellen  und  Dienstbothen  zu  bestim- 
men, in  welches  diese,  bei  Erkrankungsfällen  ü^och  ohne 
dem  kurfürstlichen  Staate,  oder  der  Stadt  Bockenheim, 
nur  im  geringsten  ä  charge  zu  sein)  gehörig  xmtergebracht, 
und  besorgt,  dadurch  aber  auch  die  Verbreitung  anstecken- 
der, für  Stadt-  imd  Landbewohner  üblesten  Folgen  er- 
zeigender  Krankheiten,   verhütet  werden   könne."      Das 
Kreisamt  in  Hanau,  an  das  Czihak  berichtet  hatte,  fragte 
beim  bockenheimer  Stadtrat  an.    Dieser  äußerte  Beden- 
ken;  die   Stadt  sei   verschuldet.    Jedoch  sei  gleichwohl 
eine  solc'hfe  Anstalt  für  Handwerksgesellen  imd  Dienst- 
boten  möglich!,   wenn  jeder   Arbeitsnehmier  wöchentlich 


»)  Oben  S.  148.  -  »)  Oben  S.  148  f.  -  •)  Oben  S.  152.  —  *)  St  A. 
Marburg.  Han.  Reg. -Akten.  Unterstützung  erkranker  Handwerks- 
gesellen etc.  in  Bockenheim.  Nr.  158—156  des  Repos.  -  Gefachs; 
Repert.  III  Ord.  Nr.  47. 


—     715    — 

drei  Kreuzer  abzugeben  verpflichtet  werde,  „und  jeder 
Meister  und  Dienstherr  für  die  richtige  Zahlung  dieses 
Beitrags  .  .  .  einstehen  müsse".  Es  gibt  in  Bockenheim 
159  „ausheimische**  Handwerksgesellen  imd  Dienstboten, 
im  Jahresdurchschnitt  180.  Deren  Beiträge  würden  jähr- 
lich 468  Gld.,  wöchentlich  9  Gld.  ergeben,  also  genug 
für  Verpflegung  und  Begräbnis;  ein  Überschuß  könnte 
zu  einem  Krankenhaus  verwendet  werden. 

Das  Kreisamt  schickte  im  Juni  1824  die  verschie- 
denen Berichte  an  die  Regierung ;  es  steht  dem  Vorhaben 
skeptisch  gegenüber.  Die  Regierung  läßt  die  Sache  bis 
zur  Entscheidung  über  den  Bau  eines  Landkrankenhauses 
in  Hanau  beruhen,  stellt  es  aber  dem  Kreisamt  anheim, 
eine  Krankenkasse  für  Fabrikarbeiter  und  Handwerks- 
gesellen (nicht  für  Dienstboten!)  nach  dem  Muster  der 
hanauer  Anstalt  in  Bockenheim  einzurichten. 

Das  geschah  aber  nicht.  Am  24.  April  1826,  zwei 
Jahre  später,  geht  bei  der  Regierung  ein  neuer  Antrag 
ein,  diesmal  gemeinsam  von  Stadtrat  und  Kreisamt 
Bockenheim.  Darin  wird  vorgeschlagen,  die  bisher  aus 
Bockenheim  an  die  Kasse  der  hohen  Landesschule  in 
Hanau  bezahlten  Patentgelder  für  eine  Versorgungsan- 
stalt zu  verwenden.  Daim  würden  Handwerksmeister,  Fa- 
brikanten imd  Brotherrn  die  Kosten  gern  aufbringen.  Die 
Regierung  antwortet,  daß  das  Geld  der  hohen  Landes- 
schule zukomme,  „überhaupt  aber  die  angetragene  Ein- 
richtung beruhen  müsse".  Diese  Antwort  ergeht  sogar 
erst  sechs  Jahre  später,  am;  31.  Januar  1832. 

Aber  sieben  Jahre  später  scheint  doch  ein  Erfolg  kom- 
men zu  sollen.  Auf  einen  Antrag  des  Kreisamts  Bocken- 
heim vom  20.  Nov.  1839  genehmigte  die  Regienmg  die 
Bildung  einer  gemeinschaftlichen  Kasse  der  Handwerks- 
meister zur  Verpflegung  kranker  Gesellen.  Die  Verwirk- 
lichung zog  sich  aber  sehr  lange  hin.  Am  29.  Janxiar  1847» 
acht  Jahre  danach,  berichtete  der  Bürgermeister,  daß  sich 


—    716    — 

die  städtischen  Behörden  geeinigt  haben,  1.  nur  verhei- 
ratete, in  Bockenheim!  ansässigie  Handwerksgesellen  ajos- 
Tuschließen,  2.  Handwerksgeöellen  und  Dienstboten 
wöchentlich  2  Kreuzer,  Tagelöhner  1  Kreuzer  zahlen  zu 
lassen.  Ein  Statut  soll  entworfen  werden.  Es  blieb  also 
nicht  bei  der  lu-sprünghchen  Beschränkung  auf  Hand- 
werksgesellen, sondern  es  sollten  alle  Handarbeiter,  vor 
allem  die  Dienstboten,  hinedngezogen  werden. 

Nun  dauerte  es  noc^h  beinahe  ein  Jahrzehnt,  und  die 
Krankenversorgimg  kam  in  der  so  beabsichtigten  Weise 
wirklich  zustande  *).  Am'  3.  Juli  1855  berichtet  der  Bürger- 
meister von  Brand  dem  Stadtrat  zu  Bockenheim  nach 
Aufforderung  der  Regienmg  über  die  Grundsätze,  die  bei 
<ier  Einrichtung  einer  konöntmalen  Krankenpflege  befolgt 
werden  müßten.  Er  bezieht  sich  auf  die  Bestimmungen  der 
Medizinal-Ordnung,  „nacfh  welcher  wenigstens  gefolgert 
werden  kann,  dass  den  Gemieinden  auch  obliegt,  die  er- 
krankten Dienstboten,  w^che  die  Dienstherrschaften  be- 
reits 14  Tage  gepflegt  haben,  zu  verpflegen"^).  Brand 
meint  ferner,  „dass  auch  das  Fortschreiten  der  Stadt  grös- 
sere Einridhtimgen  für  Krankenpflege  fordert  und  nament- 
lich wünschenswerth  nladht,  dass  kranke  Dienstboteai,  Ge- 
sellen und  Lehrlinge  in  städtischen  Krankenstuben  auf- 
genomm.en  imd  verpflegt  wearden  können;  die  Einwohner 
wünschen  dies,  da  sie  leichter  gutes  Gesinde  und  gute 
Gesellen  bekommen  können,  wenn  diese  für  den  Fall 
<ies  Krankwerdens  keine  Besorgnisse  hegen  dürfen." 

Das  Statut,  das  ijni  §  2  auch  allen  Ortsfremden  Pflege 
umsonst  zubilligt,  läßt  nach  §  4  den  Fonds  dadurch  zu- 
stande kommen,  dass  die  Herrschaften  und  Arbeit- 


^)  Fürs  folgende  Stadtarchiv  Frankfurt.  Akten  der  Armen- 
Deputation  Bockenheim,  Acta  spec.  betr.  die  Kranken-  mid  Armen- 
anstalt,  1836-1879.  J  XI  f.  4.  ^  «)  Die  Medizinalordnmig  vom 
10.  Juli  1880  (MoUer-Fuchs  S.  726),  die  einzige,  auf  die  eine  Bezug- 
Jiahme  möglich  ist,  enthält  eine  solche  Vorschrift  nicht 


—     717     — 

e  b  e  r  f  ür  Dienstboten,  Gesellen  und  Lehrlinge  wöchent- 
ch  2  Kr.  für  jeden  Arbeitnehmier,  für  Taglöhner  1  Kr, 
ahlen  müssen. 

Auf  dieser  Grundlage  trat  die  Anstalt  schon  am 
.  Sept.  1856  ins  Leben.  Besondere  Schwierigkeiten  in- 
olge  der  Heranziehung:  der  Dienstherrsc'haften  zur  Bei- 
ragskistung  haben  si<^h  in  der  späteren  Zeit  nicht  er- 
geben. 

Eine  Darstellung  der  Bemühimgen  zur  Organisation 
^n  Gesellen-  und  Arbeiterkrankenkassen  auf  Grund  der 
}§  130  ff.  der  hessischen  Zunftordnxmg  von  1816  ^),  z.  B.  in 
Fechenheim  (1838)  und  Hanau  (1851),  gehört  nicht 
hierher*).  Es  mag  nur  die  Tatsache  erwähnt  sein,  um 
auf  die  überall  zu  spürenden  Reizungen  nach  neuen  Le- 
bensäußerungen hinzuweisen.  Die  Staatsregierung  war  es 
übrigens  nicht,  von  der  der  Anstoß  kam;  das  Unter- 
nehmen ging  von   Kommimen  oder  Zünften  aus. 

Erfolgflose  Bemühungen  waren  es,  die  seit  1854  in 
Gas  sei  rur  Errichtung  eines  Instituts  auch  für  Dienst- 
boten gema<^ht  wurden.  Wieder  kam  die  Anregung  von 
ärztlicher  Seite;  ein  Schreiben  der  Direktion  des  Land- 
krankenhauses an  die  Regierung  vom  26.  Juli  1854  gab 
den  Anstoß.  Dies  weist  darauf  hin,  daß  die  Herr- 
schaften gesetzlich  nicht  ziur  Fürsorge  für  erkrankte 
Dienstboten  verpflichtet  sind.  Das  Landkrankenhaus 
nahm  bisher  Dienstleute  nur  auf,  wenn  die  Herrschaft 
vorher  die  Zusicherung  gab,  daß  sie  die  Kosten  tragen 
wolle;  doch  wurde  die  Zusicherung  herkömmlich  nur  auf 
14  Tage  gegeben ').  Die  einfachste  Lösung  ist  nach  An- 
sicht  der  Antragsteller  Schaffung  einer  Gesinde-Kranken- 

')  Moller-Fuchs  S.  82fi.,  bes.  65ff.  ~  >)  St.  A.  Marburg. 
Akten  des  kgl.  Landratsamts  Hanau,  die  Errichtung  einer  Fabrik* 
arbeiter- Krankenkasse  in  hiesiger  Stadt  betr.  Rep.  L.-P.  Nr.  8i.  ~ 
Akten  des  kurf.  Kreisamts  Hanau,  die  Errichtung  einer  Kranken-  und 
Sterbekasse  bei  den  Bauprofessionisten  zu  Fechenheim  betr.  1888— -89 
Sect  H.  Abt-Fach  84  Nr.  9±  Vol.  I,  —  •)  Vgl  dagegen  oben  S.  712. 


—     718    — 

kasse  für  die  Stadt,  und  zwslt  so,  „dass  sowohl  von  de 
Herrschaft,  wie  von  den  Dienstboten  ein  nach  Verhak 
niss  des  Lohnes  festzusetzender  Beitrag,  wofür  die  erster? 
zu  haften  hätte,  jedesmal  im  Anfang^  der  Dienstzeit  unc 
weiter  auf  ein  Jajir  vorausg^ezahlt  würde",  sowie  daß  di-: 
zu  schaffende  Kasse  an  diejenige  des  Landkrankenhauses 
angeschlossen  würde.  Nach  einem  späteren  Bericht  des 
Landkrankenhauses  wurden  im  Durchschnitt  der  Jahre 
1848 — 53  jährhch  120  Dienstboten  mit  durchschnittlich 
26  Tagen  Verpflegimgsdauer  im  Krankenhaus  aufg:enom 
men.  Jeder  Kranke  kostet  täglich  5  Sgr.,  im  ganzen  also 
4  Th.  10  Sgr.;  der  jährliche  Kostenaufwand  würde  520 
Th.  betragen. 

Die  Polizeidirektion,  an  die  sich  die  Regierung  wandte 
war  zurückhaltend.  Am  22.  Okt.  1855  erstattet  sie  einen 
Bericht  und  reicht  den  Entwurf  eines  Regxilativs  ein. 
Sie  hat  inzwischen  bei  mehreren  Großstädten  Umfrage 
getan.  In  den  Vordergrund  rückt  sie  den  Gesichtspunkt, 
ob  fakultative  oder  obligatorische  Versicherung  zu  wählen 
sei.  Sie  entscheidet  sich,  im  Anschluß  an  Mag'deburg. 
für  fakultativen  Beitritt  der  Herrschaften ;  die  kaum  aus- 
reichende Begründung  dieser  Ansicht  lautet  so,  „dass  der 
Zutritt  zu  dergleichen  wohlthätigen  Einrichttmgen  ledig 
lieh  der  freien  Entschließxmg  der  Betheiligten  überlassen 
werden  müsse**. 

Diesser  Standpunkt  ist  für  damals  durchaus  erklär- 
lic'h.  Man  sah  die  zu  schaffende  Krankenversorgung  als 
eine  Wohltat  an,  die  man  dem  Gesinde  aus  freien  Stücken 
erweise,  auf  die  aber  niemand  ein  Recht  habe.  Diese 
charitative  Auffassung  der  Sozialpolitik  konnte  dem  Staate 
natürlich  keine  Rechte  geben,  in  das  Wohltätigkeitsbe- 
dürfnis irgend  einer  Dienstherrschaft  mit  Zwang  einzu- 
greifen. Und  doch  war  hier  leicht  zu  erkennen,  daß  eine 
IKrankenkasse  mit  freiwilligem  Beitrag  der  Herrschaften 
eine  Fehlgeburt  sein  würde. 


—    719    — 

Das  war  auch'  der  Regierung  offenbar.   Sie  eröffnet 
lämlicrh  der  Polizeidirektion,  daß  der  Entwurf  „als  ge- 
lüg'end   und  rücfcsichtlich  der  Konsequenzen  als  haltbar 
rieh  nicht  darstelle".    Es  sei  zu  bedenken,  daß  bei  frei- 
?nllig*er   BeteiUgung  die  Nichtmitglieder  am  besten  weg- 
kommen würden,  da  ihre  Dienstboten  schließlich  doch 
iuch  aufgenommen  werden  müßten.    Und  dadurch  wür- 
den  dann  auc'h  die  freiwilligen  Mitglieder  zurücktreten. 
Auf  Wunsch  der  Regienmg  gibt  die  Polizeidirektion 
eine   Übersic'ht  über  die  Regelung  der  Angelegenheit  in 
den  befragten  Großstädten.    Da  eine  solche  Zusammen- 
stellung aus  mehr  als  einem'  Grunde  wichtig  ist,  sei  sie 
hier  kurz  angeführt.    Hannover,  Hamburg,  Bremen  und 
Frankfurt  haben  überhaupt  keine  solche  Einrichtung;  in 
Frankfurt  ist  das  Hospital  zum  heiligen  Geist  verbunden, 
das  Gesinde  der  Bürger  umsonst  aufzimehmen.   Auch  in 
Berlin   ist  keine  besondere  Krankenkasse;  doch  erwirbt 
sich  ein  großer  Teil  der  Herrschaften  durch  Einzahlungen 
in  die  öffentliche  Krankenanstalt  das  Recht,  Dienstboten 
unterzubringen.    Magdeburg  hat  seit  1847  eine  Kranken- 
kasse  mit    freiwilligem  Beitritt    der   Herrschaften.     Ein 
Zwang  besteht  inMünchen  imd  Dresden.  In  Dresden 
müssen   die  Dienstboten  seit  1854  einen  jährlichen  Bei- 
trag zu  einer  Krankenkasse  zahlein,  Männer  einen  Thaler, 
Frauen   18  Neugroschen.    Die  Dienstboten  in  München 
sind  verpflichtet,  an  die   Kommunalkasse  einen  Jahres- 
beitrag zu  leisten,  die  männlidhen  2  Fl.  24  Kr.,  die  weib- 
lichen  1   FI.   12  Kr.    Eine  besondere  hiermit  verwandte 
Regelung  findet  sic'h  ferner  in  einer  hessischen   Stadt, 
inEschwege.  Nach  den  Statuten  für  das  dortige  Kran- 
kenhaus vom  31.  Jtüi  1837  ist  den  Herrschaften  die  Alter- 
native gestellt,  für  erkrankte  Dienstboten  entweder  die 
gesamten  Verpflegungskosten  zu  zahlen,  oder  abel-  fixierte 
Monatsbeiträge  von  1^/2  bezw.  1  g.  Gr.  zu  entrichten.  Also 
nur  in   Esc'hwege  hält  man  sich  an  die   Herrschaften, 


-     720    — 

und  zwar  zwangsweise;  für  eine  kleine  Stadt  damals  eine 
bedeutende  Errungenschaft  I 

Die  hessische  Regierung  hatte  ihre  Abneigung  gegeo 
fakultative  Beiträge  ziemlich  offen  kundgegeben.  Daher 
zog  es  die  Polizeidirdction  doch  vor,  einen  Entwurf  für 
den  Fall  des  Kassenzwanges  zu  machen.  Sie  hält  7Vt 
Sgr.  als  Beitrag  der  Herrschaften  für  jeden  Dienst- 
boten für  ausreichend ;  die  Herrschaften  sollen  gezwungen 
werden,  und  sie  sind  fähig,  7^/t  Sgr.  und  mehr  zu  leisten, 
„weil  solchen  Personen,  welche  nicht  in  diesen  Verhält- 
nissen sind,  die  Annahme  von  Dienstboten  polizeilich  ver- 
sagt wird***).  Auch  die  Direktoren  des  Landkranken- 
hauses, die  am  22.  August  1856  ihre  Ansicht  kundgeben, 
sind  für  absoluten  Beitragszwang  der  Herrschaften;  sie 
fürchten  allerdings,  daß  daran  das  Projekt  scheitern  wird. 

Doch  die  Schwierigkeiten  sollten  von  anderer  Seite 
kommen.  Die  Regienmg  spricht  sich  am  8.  Oktober  1856 
dahin  aus,  daß  nicht  gegen  die  Herrschaften,  sondern 
gegen  die  Dienstboten  ein  Beitrittszwang  ausgeübt  wird. 
Sie  will  das  in  der  Weise  durchführen,  „dass  ihnen  (den 
Dienstboten)  die  Erlaubnis  bezw.  das  Verbleiben  in  ^nem 
Dienste  untersagt  wird,  sofern  sie  nicht  entweder  für  die 
Dauer  eines  Jahres  oder  ihre  dermalige  Miethzeit  die  fest- 
gesetzte Einlage  leisten".  Hier  werden  Polizeidirektion 
und  Verwaltung  des  Krankenhauses  kritisch.  Sie  meinen, 
daß  doch  rechtliche  Bedenken  vorliegen,  „einen  mit  poli- 
zeilicher Zustimmung  geschlossenen  Gesindevertrag  gegen 
den  Willen  der  Contrahenten  zu  lösen". 

Am  11.  Juni  1857  wird  der  Gedanke  zu  Grabe  ge- 
tragen. Beschluß  der  Regierung :  „dass  man  bei  der  einer- 


')  Diese  Bemerkung  stellt  wohl  nur  einen  legislatorischen  Vor- 
schlag dar.  Eine  gesetzliche  Bestimmung,  nach  der  ein  solches  Ver- 
bot bestanden  hatte,  liess  sich  nicht  nachweisen;  oben  in  T.  II  §  2, 
wo  derartige  Dienstverbote  behandelt  wurden,  ist  daher  hierauf  nicht 
eingegangen  worden. 


—    721     — 

seits  voraussichtlichen  Erfolglosigkeit  einer  Gesindekran- 
kenkasse  mit  freiwilliger  Betheiligung  imd  bei  den  an- 
dererseits einer  derartigen  Anstalt  mit  zwangsweiser  Be- 
theiligung entgegenstehenden  mannigfachen  Bedenken 
und  Schwierigkeiten,  vorerst  von  der  Errichtung  einer 
Gesindekrankenkasse  überhaupt  abzustehen,  für  zweck- 
mässig erachtet". 

Dieser  Gegaisatz  von  fakultativer  und  obhgatorisCher 
Beitragspflicht  ließ  auch  einen  ähnlichen  Plan  scheitern, 
den  1840  der  Stadtrat  in  Allendorf  an  der  Werra 
gefaßt  hatte  ^).  Dieser  reichte  der  Regierung  ein  (den 
Akten  nicht  mehr  beiliegendes)  Statut  für  eine  „Gesinde- 
belohnungsanstalt" ein.  Auf  den  Regierungsbeschluß, 
,,dass  auf  der  Grundlage  im  §  2  des  Entwurfes,  wonach 
eine  zwangsweise  T  hei  Inahme  an  der  Anstalt  statt- 
finden soll,  die  erbetene  Genehmigung  nicht  zu  ertheilen 
stehe",  erklärte  der  Stadtrat  (Bürgermeister  Seyl),  daß 
er  auf  eine  Umlarbeitung  deis  Statuts  und  auf  den  Plan  über- 
haupt verzichte,  „da  ohne  eine  zwangsweise  Erhebung 
einer  Abgabe  von  neu  hierher  kommendem  Gesinde  so 
wie  bei  dem!  Wechisel  des  bestehenden  Gesindes  das  Sta- 
tut nicht  ausiTuführen  steht". 

Für  andere  Gebiete  ließ  sich  die  Entwicklxmg  seit 
dem  letzten  Drittel  deis  18.  Jhdts.  bis  zur  neuesten  Zeit 
nicht  in  dieser  Ausführhchkeit  feststellen.  Doch  sind  im- 
m^erhin  noch  manche  sehr  interessante  Erscheinungen  zu 
verzeichnen. 

Die  freiburger  Gesindeordnimg  von  1782*)  ge- 
stattet Unterbringtmg  kranker  Dienstboten  im  Spital  ge- 
gen Vorschußleistimg  der  Dienstherrschaft.  Aus  einer 
jülicher  Verordnung  vom  4.  April  1789^),  die  sonst 
andere  Rechtsgebiete  behandelt,  ergibt  sich,  daß  künftig 

')  St.  A.  Marburg.  Akte  Nr.  855  acc  1894/28.  ProtocoU  die  Er- 
richtung einer  Gesindebelohnungsanstalt  in  AUendorf  betr.  1840.  — 
')  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia  6891.  -  *)  Scotti,  Jülich  S.  705. 

Könnecke.  4g 


—    722    — 

die  im  Lande  erkrankten  ausländischen  Handwerker  und 
Arbeitsleute,  soweit  sie  nidits  haben,  auf  Kosten  der  Ge 
naeinden  ihres  Aufenthalts  bis  zur  Gesundung  verpflegt 
werden  sollen.  Ob  die  herrschaftliche  Fiirsorgepflicht  für 
die  Dienstboten  damit  erleichtert  werden  sollte,  oder  ob 
die  Wohltat  niu-  die  Handwerks-  und  sonstigen  Arbeiter 
treffen  sollte,  erscheint  ungewiß. 

Bei  weitem  die  allerwichtigst^i  Einrichtung^!,  über 
die  2U  berichten  ist,  bestanden  in  Bamberg^). 

Hier  gab  es  seit  1629  das  „Arme  Dienstbotenhaus", 
später  EhebaltenJ^aus  genannt.  Es  sdieint  Pfründner-  imd 
Krankenhaus  zugleich  gewesen  zu  sein.  Für  bestimmte 
Handwerker  waren  Betten  aufgestellt,  auch  Dienstboten 
wurden  vorübergehend  verpflegt. 

Viel  bedeutsamer  ist  aber  die  Dienstboten-Kran- 
kenkasse, die  1790  geschaffen  wunde.  Fürstbischof 
Franz  Ludwig  scheint  ein  seiner  Zeit  weit  vorauseilen- 
der  Organisator  gewesen  zu  sein.  Nachdeib  1789  ein  Kran- 
kenhaus gegründet  worden  war,  ging  man  weit^  an  die 
Errichtung  eines  Geselleninstitutes,  das  als  Krankenkasse 
diente.  Es  bestand  Beitrittspflicht;  Kranke  wurden  im 
Krankenhause  frei  verpflegt. 

Die  guten  Erfahrungen,  die  mian  mit  dieser  Ein- 
richtung machte,  bestimmten  Franz  Ludwig,  seinen  Plan 
eines  entsprechenden  Dienstboten-Institutes  zu  verwirk- 
lichen. Der  Leibarzt  des  Fürstbischofs,  Dr.  Marcus, 
übernahm  die  Bearbeitung.  Aus  seinem  Promemoria  wur- 
den oben*)  einige  Stellen  mitgeteilt,  die  seine  Menschen- 
und  Lebenskenntnis  ersehen  lassen. 


')  Die  folgende  Darstellung  beruht  grösstenteils  auf  (unbezeich- 
neten)  Akten  im  Kr.  A.  Bamberg;  femer  auf  Heinrich  Sippeis 
schöner  Studie  ,,Das  bamberger  Dienstboten-Institut*'  in  der  Festecbrift 
zum  lOOjahrigen  Jubiläum  des  allgemeinen  Krankenhauses  zu  Bamberg, 
1889.  Vgl.  aber  das  Dienstboteninstitut  von  1790  auch  einen  Reisebericht 
im  Journal  von  und  für  Deutschland,  9.  Jahrg.  1792  S»  905  ff.,  bes.  206. 
-  •)  Oben  S.  704. 


—    723    — 

Von  den  sonstigen  Erwägungen,  die  bei  den  Be- 
ratungen aru  Tage  traten,  sollen  nur  die  folgenden  über 
die  wichtigste  Frage,  ob  der  Staat,  die  Dienstherren  oder 
das  Gesinde  die  Kosten  aufbringen  müsse,  hier  im  Aus- 
züge wiedergegeben  werden.  Marcfus  ist  der  Ansicht,  daß 
Dienstboten,  die  jährlich  6  bis  10  Gulden  verdienen,  nicht 
dazu  berufen  sein  können,  die  Kostenlast  zu  tragen.  Auch 
dem  Staate  will  er  nicht  die  Aufbringung  der  Mittel  auf- 
erlegen. „Dem  Staate  ^)  könne  wohl  in  diesem  Falle  keine! 
andere  Pflicht  auferlegt  werden,  als  die  Obsorge,  öffent- 
liche Verpflegungsanstalten  m  errichten,  ohne  jedoch  die 
Unkosten  für  alle  dahin  zu  bringenden  Kranken  auf  sich 
zu  nehmen.   Auf  dem  Dienstherm  allein  also  hafte  nach 
meinem  Dafürhalten  die  Pflicht,  für  die  Heilung  seiner 
kranken  Dienstboten  zu  sorgen.   Dies  sei  namentlich  in 
acuten  Krankheiten  der  Fall,  während  bei  langwierigen 
unheilbaren  Uebeln  es  mehr  die  Pflicht  des  Staates  sei, 
die  Sorge  für  den  dürftigen  imd  hülflosen  Dienstboten 
zu  tragen.  Nehme  mm  aber  der  Staat,  oder,  wie  es  hier  der 
Fall  sei,  der  Regent  die  Sache  auf  sich,  eine  Verpflegungs- 
anstalt für  kranke  Dienstboten  zu  errichten,  wodurch  jähr- 
Uch  deip  Dienstherm  die  wohlfeilsten  Mittel  an  die  Hand 
gegeben  würden,  für  das  Wohl  seiner  Dienstboten  zu  sor- 
gen, so  habe  der  Regent  sicher  seine  Fürstenpflicht  im 
vollsten  Masse  erfüllt,  und  demjenigen  Dienstherm,  der 
diese  angebotenen  Vorteile  nicht  mit  offenen  Armen  an- 
nehmen würde,  müsse  das  Gefühl  der  Menschlichkeit  ab- 
gesprochen werden." 

Eine  Konunission  wandte  sich  nun  an  das  Publikum. 
Es  wurden  gedruckte  Heftchen  verschickt :  „Ankündigung 
und  Einladung  zu  dem  Beytritt  des  zu  errichtenden  Kran- 
kendienstboteninstituts an  die  Dienstherrschaften  und 
Dienstleute  der  hiesigen  Stadt",  datiert  vom  28.  Septem- 


>)  Nach  Sippeis.  5. 

4«* 


—    724     — 

ber  1790.  Die  Veranlassung  gaben,  wie  darin  gesagt 
wurde,  das  bereits  bestehende  Institut  für  kranke  Hand- 
werksgesellen, dann  „die  lauten  Wünsche  fast  aller  hie 
sigen  Dienstherrschaften,  eine  ähnliche  Anstalt  für  ihre 
Dienstleute  errichtet  zu  sehen".  Daß  das  Institut  zu  Mar- 
tini eröffnet  werden  soll,  wird  daher  „allen  Dienstherr- 
schaften, denen  das  Wohl  ihrer  untergebenen  Diener, 
die  Pflichten  der  Religion  und  der  Nächstenliebe  nicht 
gleichgültig  sind,  so  wie  auch  allen  Dienstleiuten,  denen 
ihr  eigenes  Besteis  am'  Herzen  liegt*  *,  mitgeteilt. 

Die  Bedingungen,  unter  denen  das  Institut  ins  Leben 
treten  soll,  sind  nac'h  der  veröffentlichten  Darstellung  im 
westent liehen  die  folgenden.    Von   den  wenigstens    2000 
Dienstboten  der  Stadt  müssen  mindestens  1000  beitreten. 
Für    diese    hat    der    Dienstherr   einen    vorauszuzah- 
lenden Vierteljahrsbeitrag  von  je  15  Kreuzern  zu  erlegen. 
„Distinguirte"  Dienstboten  werden  nur  gegen  Entrichtung 
der  doppelten  Summe  aufgenommen;  als  solche  Dienst- 
boten werden  angesiehen  Sekretäre,  Kammerdiener,  Köche, 
Haushälterinnen  usw.,  „welche  abgeisonderte  Zin^mer  und 
eigene  Wartung  verlangen".    Die  Verwaltung  des   Insti- 
tutes besorgt  die  Armenkonimission.   Zur  Pflegan- 
stalt  wird    das   neue   fürstliche  Krankenhaus    bestimmt. 
Hier  sind  besondere  Räiune  nur  für  MitgUeder  der  Dienst- 
botenkasse eingerichtet.  Behandlung  in  der  Wohnung  ist 
ausgeschlossien,  „indem  dieseis'  an  imd  für  sich  unmöglich 
ist,  überhaupt  aber  die  ganze  Anstalt  nur  auf  die  Ver- 
pflegung im  Hospitale  Bezug  hat".  Allzu  langwierige  und 
unheilbare   Krankheiten  sind  von  der  Behandhing  aus- 
geschlossen.   Gleiches  gilt  von  den  „zu  leicht  heilbaren 
Krankheiten",  die  ein  Bettliegen  nicht  nötig  machen.  Für 
die  Beitragspflicht  entscheidet  die  Zahl  der  bei  einer  Herr- 
schaft in  Dienst  stehenden  Leute;  es  verschlägt  nichts, 
wenn  die  Personen  der  Dienstboten  während  der  Beitrags- 
zeit wech3eln.    „Den  Verfall  dieses  Instituts  ...  zu  ver- 


—     725    — 

^Lindem",  wird  angeordnet,  daß   Dienstboten,  die  nicht 
i^m  Institute  beitreten,  nicht  die  geringste  Verpflegung 
:  ixiden,  weder  von  der  Armieinkonmüssion  nodh  von  irgend 
fixier  andern  öffentlichien  Anstalt,  „indem  es  nicht  wohl  zu 
vr^rzeihen  seyn  würde,  um  eine  so  massige  Abgabe,  die 
n^iemanden  drücken  kann,  m  ersparen,  dem:  Armeninsti- 
txite  mit  einem  weit  grösseren  Kostenaufwand  lästig  fallen 
zxi  wollen".    „Seine  Hochfürstliche  Gnadeon  sehen  daher 
xrielmehr  mit  grösster  Zuversicht  entgegen,  dass  Dienst- 
lierren  und  Dienstbothen  Ihre  väterliche  Absicht  bey  Er- 
richtung dieses  Instituts  nicht  misskennen  werden,  imd 
<lass  beyde  die  ihnen  hier  angebothenen  Vortheile  nicht 
sillein  mit  Freuden  annehmen  werden,  sondern  dass  sie 
3.iich'   alles  beyzutragen    suchen  werden,    dieses  Institut 
recht  bald  zu  Stande  zu  bringen.   Dieses  würde  den  Ein- 
^wobnem  dieser  Stadt  zu  desto  grösserer  Ehre  und  Ruhm 
gereichen,  da  eine  ähnliche  so  wohlthätige  imd  vollkonl- 
mene  Anstalt  etwa  kaum  bis  jetzt  in  Deutschland  vor- 
handen seyn  wird**. 

Das  Institut  trat  tatsäChUch  mit  allerdings  nur  590 
Mitgliedern  ins  Leben.  Kassierer  wurde  der  Geistliche 
Rat  Schellen  berger,  ein  einflußreicher  und  tätiger 
Helfer  des  Fürstbischofs.  Schon  im  dritten  Jahre  waren 
es  827  Teilnehmer.  Diel  Gesamteinnahmen  der  ersten  drei 
Jahre  beliefen  sich  auf  4164  Fl.  23V4  Kr.  Deren  größerer 
Teil  kam  aus  den  ordentlidhen  Mitgliedsbeiträgen,  näm* 
lieh  2425  Fl.  38  Kr. ;  außerordentliche  Beiträge  brachten 
338  Fl.  45V4  Kr.  Ein  Zuschuß  des  Fürsten  mit  400  FL 
vervollständigte  die  Summe.  Die  Leistimgen  des  Instituts 
waren  im  ersten  Jahre:  Verpflegtmg  von  101  Kranken 
an  2417  Tagen  mit  843  Fl.  44  Kr.  Auslagen ;  ein  Kranker 
starb.  Im  zweiten  Jahre:  121  Kranke,  3865  Krankheits« 
tage,  1192  Fl.  30  Kr.  Auslagen;  sechs  starben.  Im  dritten 
Jahre:  109  Kranke,  2566  Krankheitstage,  879  Fl.  Aus- 
ixen; drei  Todesfälle. 


—     726    — 

Der  dritte  Jahresberic'ht,  dem  diese  Zahlen  entnom- 
men sind,  äußert  sich  in  sehr  freudigeir  Art  über  die 
Erfolge  des  ganz  neuen  Gedankens.  Was  da  von  den 
Verfassern  der  Denkschrift  gesagt  wird,  gibt  treffliche 
Einblicke  in  die  Grundlagen  der  Auffassungen,  denen 
diese  Urheber  deir  ersten  kommunalen  Krankenkasse  hul- 
digten. 

Es  heißt  da :  „Die  gute  Sadhe  erhielt  das  Wachstum, 
welches  sich  von  einem  Volke  hoffen  liess,  das  Einsicht 
und  guten  Willen  besitzt.   .  .  .  Wieviel  Gutes  ist  im  Ver- 
laufe dreyer  Jahre  bewirkt  worden,  tmd  so  bewirkt  wordeo, 
dass  dadurc'h  keinem  unserer  Mitbürger  ein  druckender 
Last  aufgelegt  wurde  I  —  Welchen  Kosten- Auf  wand  f  odert 
die  Krankheit  eines  Dienstbothen,  wenn  derselbe  nur  et- 
liche Wpchien  in  dem  Hause  seiner  Dienstherrschaft  da- 
nieder liegt!    Hat  die  Herrschaft  nur   Menscbengefühl 
(ich  will  nichts  von  den  Pflichten  sagen,  die  unsere  gött- 
liche Reli^on  iso  dringend  empfiehlt,  und  so  nahe  an  das 
Herz  legt);  kann  sie  ihren  Mitmenschen,  der  seine  ge- 
Sunden  Tage  in  ihrem  Dienste  zubrachte,  und  etwa  seine 
Gesundheit  selbst  in  demselben  aufopferte,  ohne  Hülfe 
schmachten  lassen  ?  Ist  es  nicht  Verbindlichkeit  für  einen 
Dienstherm,  durch  den  Arzt  und  die  von  ihm  verordneten 
Heilun^smittel  dem  Kranken  die  Genesung  ta  verschaffen, 
ihm  idie  gehörige  Warte  imd  bey  kalter  Witterung  ein  ge- 
heiztes Zimmer  zu  geben,  ihm  dienliche  Speisen  zu  reichen, 
und  alles  herbeyzuschaffen,  was  nach  der  Vorschrift  des 
Arztes  zur  Herstellung  des  Kranken  wenigstens  nothwen- 
dig  ist?  —  Dieses  war  Ersi>ainiss  für  Dienstherrschaften, 
die  dem  Institute  beygetreten  sind.   Ihre  kranken  Dienst- 
leute wurden  nac^h  Vorschrift  der  Statuten  in  dieses  der 
leidenden  Menschheit  gewidmetes  Haus  bey  dem  Anfalle 
einer  Krankheit  sogleich  aufgenommen^  erhielten  daselbst 
aUe  Bequemlichkeit  und  eine  Verpf  legtmg,  die  selbst  der 
.Wohlhabende  in  seinem'  eigenen  Hause  in  diesem  Fall 


—    727    — 

nicht  erwarten  kann.  —  Welches  reine  Vergnügen  müssen 
jene    liebvollen  Herrscihaften  fühlen,  die  an  dieser  herr- 
liclieii  Anstalt  Antheil  nahmen,  wenn  siei  jene  imschätz- 
baren  Wohlthaten  erwägen,  die  dadurch  im  Verlaufe  dieser 
drei  Jahre  ihren  Mitmenschen  so  reichlich  zuflössen  I  Was 
ist  über  den  Werth  der  Gesimdheit,  die  der  Mensch  öfters 
nxir   alsdann  recht  zu  schätzen  lernt,  wann  er  den  Ver- 
lust iderselben  bey  einer  sohmerzenvollen  Krankheit  fühlt  I 
Wie    vielen  wurde  ia  dieser  Zeitfrist  dieses  so  edle  Ge- 
schenk, das  sie  verloren  hatten,  durch  diese  Anstalt  zu- 
rückgestellt I    .  .  .   Welcher  Trost  mtiss  sich  bey  dieser 
kurzen  Uebersicfht  (nämlich  der  Leistungen  des  Institutes) 
in   die  Seele  eines  Wohlmieinenden  imd  Mitleidigen  er- 
giessen,  der  sidti  in  seinen  Gedanken  lebhaft  331  Brest- 
hafte mit  Schmerzen  imd  Krankheiten  kämpfende  Men- 
schen vorstellt,  ihre  Leiden  in  so  verschiedener  Gestalt 
erblickt  und  fühlt,  imd  321  mit  neuen  Kräften  belebt, 
munter  omd  gestmd  Gott,  ihrem  Fürsten  und  ihren  Herr- 
schaften dankend  zu  den  vorigen  Dienstverrichtungen  zu- 
rückkehren sieht!  I   Wie  herzerhebend  mtiss  für  wahrhaft 
edle  *und  christliche  Dienstherren  der  Gedanke  seyn :  Auch 
ich  habe  Antheil  an  dem  grossen  Werke;  auch  ich  gab 
mein  Opfer  zum  Besten  der  Leidenden,  mit  thieilnehmen- 
der   Freude  schloss  ich  mich  an  diese  Gesellschaft  an, 
und  i<^h  fühle  den  Werth  und  die  Grösse  des  Guten, 
das  diu-ch  diese  Theilnahme  bewirket  wurde  I  —  Da  sich 
aber  bey  üebvoUen  Dienstherren  so  hohe  und  tröstende 
Gedanken  erheben;  was  werden  jene  denken,  die  bis  da- 
her ohne  Rührung  imd  ohne  Mitleiden  blieben,  die  sich 
durch  keine  Gründe  bewegen  liessen,  an  einer  so  gemein- 
nützigen Anstalt  einigen  Antheil  zu  nehmien,  bey  ihren 
vorigen   Vorurthleilen  blieben,  eine   Gattung  einer 
Auflage  träumten,  und  den  triftigsten  Vorstellungen 
allerley  Scheingründe  entgegenstellten,  endlich  die  Wider- 
spänstigkeit  ihrer  Dienstbothen  vorschützte(n,  die  Stich  zum 


—     728    — 

Beytritte  niöht  bequemen  wollten,  wo  aber  der  wahre  Grund 
aller  dieser  Entschuldigungen  in  jenem  lag,  dass  sie  ihren 
Gulden,  dieses  geringe  Opfer  für  die  Liebe  ihres  Nächsten. 
ersparen  wollten?" 

Im  £fleichen  Tone  geht  es  noch  eine  geraume  Weile 
fort  mit  Lobsprüchen  für  die  verständigen  Dienstherren, 
mit  bösen  Wünschen  auf  die  Lässigkeit  jener  Herrschaf- 
ten, die  aus  Geiz  ihre  Dienstboten  vom  Beitritte  zurück- 
halten.  Unterzeichnet  ist  der  Bericht  von  Scfhellenberger. 

Die  Rechenschaftsberichte  für  1798—1801  bringen 
Nachweise  über  den  fortschreitenden  Geschäftsgang  ohne 
Geleittext.  1802/4  ist  ein  solcher  beigefügt.  Die  Statu- 
ten sind  mehrfach  geändeif  worden.  Redliche,  untaxleüge 
Dienstboten,  „deren  Herrschaft  aus  Beweggründen,  die 
man  hier  nicht  mit  dem  wahren  Namen  nennen  wiU", 
einen  Beitritt  unterlassen,  können  selbständig  beitreten, 
„um  solche  schuldlose  Dienstleute  für  den  Fall  der  Er- 
krankimg ihrem  traurigen  Schicksale  nicht  zu  überlassen". 
Kranke  werden  als   Mitglieder  nicht  aufgenommen. 

Nach  1804  hatte  das  Institut  oft  mit  Schulden  zu 
kämpfen.  1806  tat  die  bayerische  Regierung  den  ent- 
scheidenden Schritt  imd  verpflichtete  sämtliche  Dienst- 
boten, idem  Institut  beizutreten.  Mit  der  Zeit  verschwanden 
die  Schulden  dank  dieser  Maßnahme  und  mehreren  Ver- 
mächtnissen. Das  Institut  gedieh  fortan  trotz  der  nötigen 
erheblichen  Aufwendungen  vortrefflich.  Seit  dem  baye- 
rischen Armengesetze  vom  29.  April  1869^)  fungierte  es 
als  gemeindliche  Krankenleistung  im  Sinne  dieses  Ge 
setzes;  das  Institut  besteht  gegenwärtig  noch,  wie  es 
scheint  in  alter  Frische. 

Eine  ähnliche  Einrichtung  wie  in  Bamberg  wurde 
im  Anfange  des  19.  Jhdts.  inKurbayern  geplant.  Eine 
sehr  umfangreiche  Geseitzesvorlage  *)  sah  auch  die  Errich- 

^)  Hierüber  Manes  im  Handwörterb.  d.  Staatsw.  I  3.  Aufl. 
S.  769.  —  «)  Kr.  A.  München.    GR.  Fasz.  404  Nr.  11. 


—     729    — 

:uiig  einer  „Gesindekasse**  vor,  die  in  jeder  Hauptstadt 
Für     die  einzelnen  Kreise  errichtet  werden  sollte.     Der 
Z^veck  der  Kassen  sollte  unter  anderm  auch  Versorgung 
erkrankter  Diensitiboten  sein.    Die  Mittel  wurden  aufge- 
bracht durch  verschiedene  Gebühren  für  Eintragung  in 
Gcisindeüsten,  femer  Strafgelder  und  vor  allem  Zwangs- 
beiträge aller  Dienstboteoi,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  sie 
eiximtal  die  Kasse  in  Anspruch  nehmen  wollen  oder  nicht. 
Die  Zwangsbeiträge  sollten  nach  der  Lohnhöhe  erhoben 
werden;  die  Jahressrummen  würden  danach  fünf  Kreuzer 
bis   zu  einem  Gulden  betragen.    Der  Anspruch  auf  Ver- 
pflegung ist  nicht  imbeschränkt.   Wenn  die  Dienstboten 
nicht  von  der  Herrschaft  versorgt  werden,  vermögenslos 
sind  imd  keine  Eltern  oder  Verwandte  haben,  dann  wird 
ihnen  vollständige  Verpflegung  in  öffentlichem  Kranken- 
hause  oder  sonstwo  zuteil.    Finden  sie  bei  Verwandten 
Unterkunft,   sollen   sie   wenigstens   ärztliche   Pflege  und 
Arzneien  frei  haben.    Bei  eigenem  Vermögen  steht  dem 
Dienstboten  doch'  ein  verhältnismäßiger  Kassenbeitrag  zu 
den   Kurkosten  in  Aussicht,   „bis   seine   Unfähigkeit  zu 
weiterem   Gesindedienst    entschieden    nachgewiesen    ist, 
und  er  also  entweder  eine  andere  Lebensart  ergreift,  oder 
aus  den  öffentlichen  allgemeinen  Wohlthätigkeits  Fonds 
unterstützt  wenden  mtiss".   —  Über  die  Verwirklichung 
des  Entwurfes  konnte  freilich  nichts  ermittelt  werden*). 
Schließlich  verdient   noch  eine  Stimme  aus   Köln 
der  Erwähnimg.    Ein  Erlaß  vom  19.  April  1814*)  hatte 
den  Zwec'k,   „die  örtlichen  Armen-Fonds  von  Zahlungs- 
Anforderungen  derjenigen  Kosten  für  Arzneien  und  ärzt- 
liche Auslagen  zu  befriedigen,  welche  an  imqualificirte 
Personen,  namentlich  an  das  im  Dienste  erkrankte  Ge- 

*)  Über  Zwangsversichening  in  Bayern,  Baden  und  Württem- 
berg seit  1869  Manes  a.  a.  O.;  Stenogr,  Berichte  über  die  Verhand- 
lungen d.  Reichstages  8.  Legislaturperiode  I.  Session  1890/1,  Akten- 
stück 381  S.  2484.  —  »)  Scott!,  Köln  II  S*  866. 


—    730    — 

sinde,  verwendet  worden  sind".  Nur  in  den  von  amts- 
wegen  für  nötig  erkannten  Fällen  soll  nadh  Anzeige  beim 
Amtsarzt  öffentlidhe  Hilfeleistung  erfolgen.  In  anderen 
Fällen,  insbesondere  wo  arme  Dienstboten  ohne  Wisset 
der  Behörde  sich  behandeln  lassen,  wird  auf  die  Sollici- 
tanten  keine  Rücksicht  genommen. 

All  diese  öffentlichen  Unternehmimgen  —  großentefls 
auch  das  bamberger  Institut  —  beruhen  auf  gemeinsamer 
Grundlage.  Bei  weitem  soll  den  Dienstboten  kein  festes 
dureh  Geburt  und  Stand  erworbenes  Recht  gegenüber 
*der  öffentlichikeit  auf  Unterstützung  anerkannt  werden. 
Nur  als  ein  besonderer  Zweig  der  Armenfürsorge  wird 
die  Verpflegung  von  armen  Dienstboten  auf  öffentliche 
Kosten  betrachtet.  Die  christliche  Liebe  mtiß  stets  das 
ihre  tun,  dem  Publikum  die  neuen  Einrichtungen  verständ- 
lich zu  machen.  Die  meisten  Schwierigkeiten  entstehen 
daher  dann,  wenn  den  Dienstherrschaften  scheinbar 
zwangsweise  Geld  abgenommen  werden  soll.  In  Bam- 
berg mußte  es  anfangs  besonders  betont  werden,  daß  ja 
keine  neue  Steuer  ges<^haffen  werden  soll,  daß  der  Cha- 
rakter der  Freiwilligkeit  imtner  gewahrt  bleibt. 

Inmiier  aber  bedeutet  doc'h  die  bamberger  Einrichtung 
auch  schon  vor  1806  einen  ganz  frühen  Versuch,  xmtcr 
Ausschluß  der  Nichtmitglieder  auch  von  der  Armenfür- 
sorge den  beigetretenen  Dienstboten  nach  dem  Prinzip 
von  Leistung  und  Gegenleistung  im  öffentlidhen  Inter- 
esse Verpflegung  im  Krankheitsfalle  zu  gewähren.  Schon 
die  Lösung,  daß  der  Stand  die  Kosten  durch  gemein- 
same Samimlung  aufbringt,  daß  also  das  einzelne  Mit- 
glied von  den  Leistungen  der  übrigen  Genossen,  Vorteil 
zieht,  ist  ein  gewaltiger  Fortschritt  gegen  die  frühere  Art, 
nur  mit  dem  christlichen  Mitleiden  der  Öffentlichkeit  die 
Durchführung  einer  Organisation  zu  wagen.  Mit  d& 
selbsttätigen  Beitragsleistung  der  Dienstboten  wird  dem 
verpflegten  Kranken  das  Bewußtsein  genomanen,  daß  ihm 


—    731     — 

Lur  faiis  Gnade  „xun;  Christi  willen"  die  Liebe  zuteil  wird; 
fleiclies  gut,  wenn  die  Dienstherrschaft  für  den  Dienst- 
x>ten  in  dieser  seiner  Eigiensdliiaft  die  Beiträge  zahlt. 
Jolclie  Regielting  bringt  den  Dienenden  eine  größere 
Sidhierheit ;  wer  Mitglied  ist,  muß  aufgenommen  xmd  ver- 
pflegt "werden.  Hierbei  verschlägt  es  nichts,  daß  die  Auf- 
fassung*, aus  der  die  Anstalt  ins  Leben  gerufen  wurde,  nur 
dahin  ging,  ein  Gott  wohlgefälliges  Werk  der  Nächsten- 
liebe ru  verrichten  —  im  Interesse  der  Armen,  die  das 
harte  Los  getroffen  hat,  dienen  zu  müssen.  Und  1806» 
wo  in  Bamberg  der  Beitritszwang  eingeführt  wurde,  stellte 
sich  die  Regierung  durchaus  auf  den  Standpunkt,  von 
dem  aus  unsere  gegenwärtige  Sozialversicherung  geleitet 
wird.  — 

Nicht  niu-  für  die  kranken  Tage  der  Dienstboten 
zeigten  sich!  die  Landes väter  besorgt.  Auch  für  die  Zeit 
nach  der  Beendigung  eines  Dienstlebens  durch  Hei- 
rat oder  Übertritt  in  den  wohlverdienten  Ruhestand  traf 
man  bisweilen  Vorkehrungen^). 

Versidüedenartigie  Mittel  wandte  man  an,  um  den 
getreuen  Dienern  eine  Erkenntlichkeit  zu  eirweisen.  Bis- 
weilen wurde  ihnen  das  Bürgerrecht  gegeben,  ohne 
daß  sie  Bürgergelder  zu  bezahlen  brauchten. 

So  in  Braunschweig  nach  dem  Stadtrechte  von 
1279  xmd  einem  weiteren  aus  dem  Ende  des  13.  Jhdts.  *) : 

')  Aber  nur  gut  beleumundeten   Dienstboten   sollte   der  Lohn 
werden,  den  ihnen  Bartholomäus  Ringwaldt  (Die  lauter  Wahrheit 
'  S.  804;  Segen  eines  frommen  Knechts)  verhiess: 

„Ein  jeder  ist  jhm  wol  geneigt, 
All  Förderung,  Gunst  und  Ehr  erzeigt 
Mit  Worten,  Werkn  und  mit  Gabn, 
Wenn  er  einmal  soll  Hochzeit  habn. 
Ja  jhm  wird  (weil  er  from  gewest) 
Gar  offt  geholffen  in  ein  Nest, 
Darinnen  er  sich  frü  und  spat 
Mit  Guter  Narung  wol  gehat'' 
')Han seimann,  Urkundenbuch  II  S.  180  ff.,  bes.  185;  220 ff.,  bes.  225. 


—     732    — 

„Swelich  knape  dhenit  to  Bruneswic  ane  Ion  tein  jar 
dhe  ne  darf  dhurch  recht  nene  burscap  winnen."   Weiter 
nacb  dem  biberacher  Stadtrechte  von  1624*):    Ehc- 
halten  können  das  Bürgerrecht  erwerben,  wenn   sie  in 
einem  oder  zwei  Diensten  zwölf  Jahre  ausgehalten  habecu 
treu  tmd  ehrlich  gewesen  sind,  xmd  jetzt  Vermögen  haben 
(Männer  100,  Frauen  50  Fl.).  Das  Bürgerrechtsgeld  wird 
ihnen  geschenkt.   Nur  für  ehelich  Geborene  gilt  das  Voa-- 
recht.  Zehn  Jahre  genügen  der  (undatierten)  Zuchtordnung 
der  Stadt  Mem'mingen').    Ähnlich  ist  die  Regelung 
in  Kempten  nach  den  1749  erneuerten  Statuten').  Die 
Dienstboten  müssen  100  Gld.  bares  Vermögen  beschei- 
nigen, „wöbenebens  ihnen  änderst  nicht  als  sich  zu  Bür- 
gers-Genossen zu  verheurathen  gestattet  seyn  solle".   Ein 
imdatiertes  neueres  Ratsstatut  von  Celle*)  verheißt  einer 
Magd,  die  drei  Jahre  hintereinander  bei  einem  Bürger  ge- 
dient hat,  daß  sie  „dessen  an  den  Bürger-Geldern  zu  ge- 
niessen  haben"  soll.    Daß  es  bei  der  alten  Sitte,  lang- 
gedienten Dienstboten  die  Bürgergelder  zu  erlassen,  blei- 
ben soll,  bestimmt  die  hannoversc'he  Gesindeordnung 
von  1732*).    Wer  zehn  Jahre  redlich  gedient  hat,  wird 
unentgeltlich  in  die  Bürgerschaft  aufgenommen,  wie  die 
Gesindeordnung  für  Wolfenbüttel  1748*)  bestimmt; 
will  sidh  ein  solcher  Dienstbote  außer  Ortes  begeben,  dann 
soll  er  sich  „eines  Obrigkeitlichen  und  rühmlichen  Zeug- 
nisses von  seinem  Wol verhalten  ru  erfreuen  haben".  Die 
frei  burger  Ordnung  von  1782^)  erklärt  erst  sechzehn 
Jahre  für  ausreic'hend.   Nach  der  kurhessischen  Kir- 
chenordmmg   von   1828®)   sollen  die   Hirten   durch  ihre 
Anstellung  zwar  kein  Einwohner-  oder  Beisitzerrecht  er- 


>)  Habeische  Sammlung.  —  *)  Walch,  Bey träge  11  S.  275& 
bes.  304.  —  »)  V.Weber,  Statutarrechte  IV  S.  708.  — *)  Pufendorfi 
obs.  iur.  I  app.  S.  229.  —  *)  Spangenberg,  Verordn.  f.  Hannover 
IV  2  S.  461.  —  •)  Archiv  Wölfenböttel.  Nr.  7097.  -  ^  Gen.  L.  A. 
Karlsruhe.  Baden  Generalia  6891.  —  ')§14;Möller-FuchsS.6S7. 


—     733    — 

?w^rben;  doch  kann  das  Recht  ihnen  nach  zehnjähriger 
gnter   Dienstführung  nic'ht  versagt  werden. 

Solche  Einrichtung  war  immerhin  eine  kärgliche 
3a.be  für  die  alten  Dienstboten.  Sie  sollte  meistenteils 
^uch  nur  die  Wohlsituierten  unter  ihnen  treffen.  Was 
sL-us  den  weniger  sparsamien  alten  Gesindeleuten  wurde, 
isst  eine  andere  Fragie,  welcKe  die  Theorie  sich  seit  der 
Erweiten  Hälfte  des  18.  Jhdts.  stellte.  Im'  ersten  Teil*) 
wTtirde  berichtet,  wie  1767  der  hessische  Amtmann  imd 
Oppositionist  Udkerrtiann  darauf  hinwies,  Maximal- 
löhne  fürs  Gesinde  seien  falsc'h,  weil  die  Dienenden  in  der 
JuLgend  etwas  vor  sicW  bringen  müßten,  auf  daß  sie  nach- 
her zur  Heirat  oder  fürsi  erwerbslose  Alter  ein  Stück  Geld 
zu  Händen  hätten.  Sonst  würden  die  früheren  Dienst- 
boten dem  Staate  zur  Last  fallen.  Uckermann  denkt  hier- 
bei natürlich  nur  an  die  Armlenpflege.  Unbewußt  liegt 
in  <ler  Zusammenstellung  der  beiden  Gedanken  —  prä- 
ventive Lohnerhöhung'  tmd  Vorsorge  für  das  spätelre  Ein- 
kommen von  Staats  wegen  —  das,  was  in  der  Theorie 
unserer  heutigen  AltersversicJherung  Leben  gewonnen  hat. 
•Kurz  nacih  den  Uckermiannschen  Tastversuchen  sprach 
Moser  in  den  Patriotischen  Phantasien  (1774 — 1786)  den 
Gedanken  einer  Alters-  und  Invaliditätsversidherung  der 
Dienstboten  aus,  wie  Hedemiann*)  annimmt,  ziun  ersten 
Male  öffentlich'^).  Ähnliche  Vor^hläge  folgten*).  Diese 
meinte  wohl  der  hessiscihe  Landrat  Lindau*),  als  er 
1797  der  Regierung  gegenüber  den  in  der  Literatur  her- 
vorgetretenen Gedanken  an  „Associationen**  zur  Bildung 
von  Fonds  für  heiratende  oder  alt  gewordene  Dienst- 
boten verwarf. 

Die  Praxis  suchte  solche  Gedanken  einmal  durch 
Ausbildung  des  Spitalwesens  zu  verwirklichten.  Die 
Siechenhäuser  mlißten  ja  von  jeher  den  altgewordenen 

*)  Oben  S.  77  ff.,  bes.  78,  — »)  S.  191.  - »)  Femer  D orn  S.  491  ff.,. 
Krünitz  S.  636.  —  *)  Stillich  S.  42.  —  »)  Oben  S.  108. 


—    734    — 

Armen  rur  Unterkunft  dienen,  soweit  es  keine  sonstigeL 
Mittel  tuT  Versorgting  gab.  Also  konnten  auch  alte  Dienst 
boten  dort  untergebracht  werden.  Bisweilen  wurde  ihi» 
aber  ein  ausdrückliches  Recht  rur  Auf  nahmte  zugestandei 
—  tVLT  Belohnimg  für  ihre  guten  Dienste. 

So  konnten  sich  in  Nürnberg  alte  Dienstboten 
durch  Erlegung  ihres  Sparpfennigs  lebenslängliche  Ver 
sorgung  im  Spitale  erkaufen  ^).  Unentgeltliche  Versorgung 
verheißt  <iagegen  die  Würzburger  Gesindeordnung  von 
1749  *) :  „Gleic'hwie  gegenwärtige  Verordnimg  zum  Besten 
des  dahiesigen  gemieinen  Stadtwesens  sowohl,  als  auch  n 
mehrerm  Fortkommen  der  fromimien,  gfetreuen  und  fleissi- 
gen  Dienstbothen  und  Ehehalten,  dahingegen  zur  War- 
nung imd  Besserung,  auc'K  gänzlicher  Abschaffung  des 
liederlichen  tmd  untreuen  Gesindels  abzielet:  also  wird 
den  schon  gemeldeten  ehrlichen  imd  treu  dienenden  Ehe 
halten  die  Vertröstung  gegeben,  dass,  wann  ein  Dienst- 
both  dahier  steine  Jahre  in  Diensten  dergestalt  zugebracht 
haben  wird,  dass  derselbe  Alters  und  entgangener  Leibs- 
kräfte wegen  weitershin  zu  dienen  außer  Stand  seyn,  sich 
jedoch  mit  beglaubten  Attestatis  wegen  seines  guten  und 
getreuen  Aufführens  legitimiren  würde,  solcher  alte  und 
zu  weiteren  Diensten .  nicht  mehr  taugliche  Ehehalt  yen' 
mittelst  Aufnahme  in  die  armen  Pflegen  oder  Reichung 
eines  sonstigen  Allmosens  eine  Beyhilf  zu  gewarten  habeci, 
dabey  jedoch  nicht  auf  die  Vielheit  der  Attestaten  von 
mehreren  Dienstherren,  sondern  vorzüglich  auf  längere 
bey  wenigeren  Dienstherrschaften  erstandene  Jahre  ge- 
sehen und  Bedacht  genommen  werden  solle."  Die  prak- 
tische Bedeutung  der  besonderen  Festsetzimg  eines  Rech- 
tes auf  Altersverpflegung  zeigt  sich  in  einem  kur  baye- 
rischen Generalmandat   vom  3.   März  1780*).    Durch 

'  *)  K  a  m  a  n  n  S.  117.  —  *)  Landesverordnungen  Würzburg  fl 
S.  589.  —  •)  Reichsarchiv  München.  Generalien-Sammlung  Rep.  S  9 
Nr.  2  Bd.  6. 


—     735    — 

längere  Dienstzeit  erwirbt  sich  ein  Dienstbote  den  Unter- 
stützuixgswohnsitz  gerade  in  dem  Orte  seines  Dienstes. 
Wer  15  Jahre  ehrüch  an  einem  Orte  gedient  hat,  der 
soll  verpflegt  imd  geduldet  werden  wie  die  am  Orte  Ge- 
borenen. Altgewordene  Dienstboten  mit  kürzerer  Dienst- 
zeit werden  an  ihren  Heimatsort  zurücktransportiert.  Die- 
selbe Wohltat  will  die  freiburger  Gesindeordnung  von 
1782  ^)  iden  Dienstboten  gewähren,  die  länger  als  20  Jahre, 
wenn  auc*h  bei  verschiedenen  Herrschaften,  gedient  haben. 
Bloß  neun  Jahre  genügen  in  Sacfhsen-Weimar  laut 
Erlasses  vom  11.  Juli  1798'). 

Ja,  hier  vnd  da  ging  man  noch  weiter  und  schuf 
besondere  Kassen  lediglich  zur  Versorgung  früherer 
Dienstboten  im  Falle  der  Verheiratung  oder  des  Verlustes 
der   Arbeitsfähigkeit  durchs  Alter. 

In  Nürnberg  gab  es  mehrere  private  Stiftungen, 
aus  denen  Dienstboten  bei  ihrer  Verheiratung  etwas  er- 
hielten *).  Ein  Herr  von  Kettelhold  inRudolstadt  hatte 
100  Thaler  gestiftet,  deren  Zinsen  mit  fünf  Thalern  jähr- 
lich zu  Weihnachten  an  Mägde  verteilt  werden  sollten; 
die  Mägde  mußten  durch  Zeugnisse  nachweisen,  daß  sie 
sieben  Jahre  lang  bei  einer  Herrschaft  treu  gedient 
hatten*).  Auch  für  Hannover  gab  es  besondere  Stif- 
tungen •m  gunsten  armer  Mägde  *) ;  welche  besondere  Be- 
stimmung sie  hatten,  wird  vom  Chronisten  nicht  ange- 
geben. 

Um  ©o  genauer  kann  über  die  oldenburgischen 
„armen  Mägde  Gelder"  Auslamft  gegeben  werden«).  Ihr 
Ursprung  geht  auf  das  Testament  des  Grafen  Christoph 
vom  1.  März  1566  zurück.    In  ihm  heißt  es:   „Ock  geve 

*)  Gen,  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Generalia  6891.  —  *)  Joh. 
Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  I  S.  228.  —  •)  Kamann  S.  117.  - 
*)  KrQnitz  S.  686.  —  •)  K.  Goos,  Armenpflege ...  im  alten  Han- 
nover, in  den  Hann.  Geschichtsblattera  8.  Jahrg.  S.  145  flF^  bes.  IBO. 
-  •)  Cod.  Const.  Oldenburg.  I  S,  4. 


—     736     — 

ick  dem  Ehrwürdigen  Doctor  Albrecht  Hardenbo-g  und 
siner  Hues-Fruen  twe  dusend  Dahler  Renthe,  dewile  se 
lewen,  und  na  örer  beyde  dotlichien  Afgangk  schall  so- 
daen  Geld  gedahh  werden  by  dem  Rahde  tho  Olden 
btirg,  und  mit  den  Renthen  schölen  se  alle  Jahr  eine  arme 
unberüchtigte  Deenst-Maget  thon  Ehren  helpen  bestaden.* 
1718  ist  das  Kapital  auf  über  16  000  Thaler  angewachsen. 
Eine  Resolution  vom'  11.  September  dieses  Jahres  be 
tont,  daß  das  Geld  nur  ru  dem  ursprünglichen  Zweck 
verwandt  werden  soll.  Der  folgende  Legitimationsbe- 
scheid für  Bewerberinnen  gibt  noch  genauere  Einblicke 
in  die  Einric'htung.  Es  mtiß  „Supplicantin  sich  dahin 
legitimiren,  luid  von  ihrem;  Seelsorger  ein  schriftlich-un- 
partheyisch  imd  Gewissenhaft,  wie  auch  mit  drey  leben- 
digen an  Eydes-Statt  von  ihm  dem  Pastore  ermahneten 
Gezeugen  bekräftigtes  Attestat  beybringen,  dass  sie  der 
gebetenen  Beysteuer  als  eine  arme  Magd  bedürftig  und 
würdig,  imgleic'hen  von  ehrlichen  Eltern  ehelich  gebo- 
ren; imd  dass  sie  si'Ch  als  eine  gute  Christin  bisher  ver- 
halten, wie  lange  und  bey  weme  sie  gedient,  und  welcher 
Gestalt  sie  sich  in  ihrem  Dienste  auf  geführet,  wie  auch, 
dass  sie  dem  Fluchen  imd  leichtfertigen  ärgerlichen  Le- 
ben nicht  ergeben  gewesen,  sondern  allerdings  ein  gutes 
Gerüchte  habe";  femer  soll  eine  Bewerberin  Angaben 
über  ihren  Bräutigam  machen,  sowie  dass  sie  pure  sich 
verlobt  hat,  schließlich  ob  sie  reiche  Verwandte  besitzt. 
Aus  dem  19.  Jhdt.  sind  zunächst  zwei  Unternehmun- 
gen in  Süddeutsöhland  zu  nennen.  Molitor  in  Aschaf- 
fenburg ^)  hielt  1801  die  Vorschläge,  Kassen  für  Dienst- 
boten zu  bilden,  nicht  für  praktisch,  weil  die  Beiträge 
weder  von  den  Dienstboten  noch  von  den  Herrschaften 
beigetrieben  weiden  können.  Wenigstens  bis  zum  Ent- 
würfe eines  Planes  gedieh  die  Angelegenheit  in  Kur- 


0  Oben  S.  691. 


—     737     — 

l>ayern  zu  Anfang  des  19.  Jhdts.  Die  bereits  geschil- 
derte Gesindekasse  ^)  sollte  außer  zur  Krankenversorgung 
stuch  dazu  dienen,  an  treue  und  durch  gute  Aufführung 
ausgezeichnete  Dienstboten  Belohniuigen  zu  verteilen. 
AVie  gesagt,  konnte  nicht  festgestellt  werden,  ob  ein  Gesetz 
aus  dem  Entwürfe  geworden  ist. 

In  Weimar  beschloß  1805  die  „Klubgesellschaft*'  *), 
gegen  die  Verderbung  des  Gesindes  jährlich  Preise  für 
tüchtige  Dienstboten  auszusetzen.  Der  Regierung  des 
Großherzogtumis  Frankfurt  machte  1811  der  Baron 
von  Hettersdorf  Vorschläge,  die  außer  auf  eine  Kranken- 
fürsorge auch  auf  die  Belohnung  treugedienter  Dienst- 
boten hinzielten  *).  Aber  das  Großherzogtum  verschwand, 
ehe  'der  Vorschlag  zu  Ende  beraten  werden  konnte*). 

Für  Hessen  liegen  aus  der  Mitte  des  19.  Jhdts. 
einige  Nachrichten  über  Unterstützungsversuche  vor.  Es 
sind  zwei  Aktenstücke  der  casseler  und  hanauer  Regie- 
rung vorhanden*),  die  das  „Gratifikations"-Wesen  be- 
treffen. Sie  enthalten  teilweise  rührende  Bitt schreiben  von 
altgedienten  Dienstboten  um  Gewährung  von  Gratifika- 
tionen zur  Belohnung.  Die  casseler  Regierung  erhielt 
13  Anträge,  die  hanauer  7.  Im  öasseler  Bezirk  sind  keine 
Fonds  für  so  etwas  vorhanden.  Vorübergehend  hat  ein- 
mal der  landwirtschaftliche  Verein  in  ^en  Jahren  1842 
und  43  Belohnungen  ausgezahlt,  es  aber  bald  eingestellt, 
weil  zu  viele  Gesuche  einliefen*).  Von  der  Regienmg  in 
Cassel  wurden  alle  Bitten  gleichmäßig  abgewiesen.    Da- 

')  Oben  S.  628f.  -.«)  Kr.  A.  WOrzburg.  V.  2616,  Abschrift  aus 
der  Nationalzeitung  der  Deutschen  vom  November  1805  S.  886,  — 
■)  Oben  S.  148,  714. —  *) Versuch  in  Kursachsen  aus  dem  Anfang 
des  19.  Jhdts.:  Wuttke  S.  192.  —  •)  St.  A.  Marburg.  Cass.  Rcg.- 
Akten  PoI.-Rep.  Dienstboten-Gratifikation  betr.  1848  ff,  Fach  48  Nr.  9. 
—  Han.  Reg,  -  Akten  Gratificationen  fQr  Dienstboten  betr.  1860  VI 
Nr.  908  (Acc.  1888/88).  —  Han.  Reg.  -  Akten  Nr.  816  und  816  des 
Repos.  Gef.  Repert.  Nr.  IIIO  — Nr.  2.  —  •)  Statuten  in  der  landw. 
2eitung,  1842  S.  167—169;  1848  S.  177—179, 

Kfoneeke.  47 


I 


—    738    — 

gegen  zahlte  die  hajnauer  Regierung  den  Bittstellern  et- 
was aus.  Und  zwar  wurde  das  Verfahren  richtig  büro- 
kratisiert:  Wer  10  bis  15  Jahre  gedient  hat,  bekommt 
3  Thaler,  wer  bis  zu  20  Jahren  aushielt,  4  Thaler  und  so 
weiter  (beschlossen  am  10.  Jajn.  1851).  In  Waldeck 
schließlich  wurde  vom  landwirtschaftüchen  Verein  in  den 
vierziger  Jahren  an  altgediente  Dienstboten  eine  Beloh- 
nung gezahlt^).  Es  fanden  sich  Dienstboten,  die  zwanzig, 
dreißig  imd  vierzig  Jahre  lang  bei  derselben  Herrschaft 
gearbeitet  hatten;  insgesamt  wurden  157  Thaler  als  Prä- 
mien verabreicht. 

Diese  Art  der  Belohnung  treugedienter  Dienstboten 
scheint  um  die  Mitte  des  19.  Jhdts.  gar  sehr  beliebt  ge- 
wesen zu  sein.  Die  Hausväter  sollten  doch  lernen,  so 
meint  Riehl*),  „dass  das  Radicalmittel  wider  die  Ent- 
artung des  Gesindes  nidht  in  Medaillen  und  Prämien 
für  brave  Mägde  u.  dgl.  besteht". 


S  12.    Beendigung  des  Dienstes  auf  fHedlichem  Wege. 

Die  hier  ru  behandelnde  Art  der  Dienstbeendigung 
ist  insofern  regelmäßig,  als  sie  der  im  Dienstvertrage 
und  in  den  Gesetzen  niedergelegten  Regel  des  objek- 
tiven Rechts  entspricht.  In  einem  andern  Sinne  —  als 
Gegensatz  zur  tatsächlichen  Ausnahme  —  dagegen  war 
diese  „friedliche"  Dienstbeendigung  vielleicht  nicht  die 
Regel  im  Vergleich  mit  den  Fällen  „feindlichen"  Dienst- 
abbruches, wie  er  beim  beiderseitigen  Vertragsbruche  und 
bei  gegründeter  vorzeitiger  Entlassung  und  Aufsage  sich 
ereignet.  Nach  den  Berichten  über  die  unberechtigte 
Lösung  des  Vertrags  durch  das  Gesinde  imd  bei  der  ge- 
hamisc'hten   Sprache  der  Gesetze  wider  solches  Vorge- 

0  Curtze,  Gesch.  u.  Beschreibung  des  FOrstentoms  Waldeck 
S.  283.   ~   *)  Naturgesch.  d.  Volkes  lU  (Familie)  1865  S.  158.  - 


—    739    — 

lien  nmß  man  den  Eindruck  gewinnen,  daß  der  Ver- 
tirag'sbruch'  in  gewissen  Zeiten  zu.  alltäglich  war,  xim  Aus- 
xiafame  sein  zu  können.  Die  Vorschriften  über  den  Vejr- 
tragsbrucW  überwiegen  denn  auch  an  Zahl  bei  weitem 
'diejenigen  über  die  normale  Dienstbeendigung  und  ihre 
Sewöhnlicfhe  Voraussetzung,  die  Kündigung. 

Nidht  stets  freilich  war  es  so,  daß  der  Dienstbeendi- 
STung  eine  Ankündigfung  seitens  desjenigen  vorausgehen 
mußte,  der  den  Vertrag  lösen  wollte.  Bei  den  Verträgen, 
!die  auf  eine  bestimlmtei  Zeit^  meist  ein  Jahr,  geschlossen 
ivurden,  mtißte  eine  Kündigung  überflüssig  erschteinen, 
<ia  ja  mit  dem'  Jahre  audh  der  Vertrag  ablief. 

In  der  Tat  verzichten  denn  auch  manche  Rechte 
auf  die  Festsetrung  einer  besonderen  Ansage.  Freilich 
sind  das  nicht  die  ältesten  Rechtsquellen.  Wenn  mian 
xuicli  dem  Alter  der  Rechte  urteilen  wollte,  dann  würde  die 
Kündigung  im'  Gesindewesen  als  die  ursprüngliche  Ein- 
richtimg erscheinen.  Schon  1478  wurde  im  Ordens- 
lande  die  Kündigung  mit  zweimonatiger  Frist  ange- 
ordnet *).  1482  setzte  die  sächsische  Landesordnung *) 
Aufsagung  des  Dienstes  seitens  des  Dienstboten  lest.  Diese 
beiden  frühen  Äußerungen  beweisen  freilich  nichts  ge- 
gen eine  etwaige  vorhergehende  Sitte,  daß  der  Vertrag 
stillschweigend  ablief,  wenn  er  nicht  ausdrücklich  er- 
neuert wurde,  daß  es  also  einer  Kündigung  nicht  be- 
durfte. Ja,  es  steht  sogar  für  das  Ordensland  feist,  daß 
bis  1478  von  einer  besonderen  Aufkündigung  nie  die  Rede 
war. 

Eine  hohe  Wahrscheinlichkeit  spricht  für  die!  An- 
nahme, daß  die  Kündigung  erst  aus  einem  früheren  Zu- 
stande der  stillschweigenden  Vertragsbeendigung  hervor- 
gegangen ist  ^).  Doch  haben  praktische  Rücksichten  schon 

*)  Steffen  S.  19.  —  «)  Hertz  S.  64.  —  •)  Immerwahr, 
Die  Kündigung,  Breslau  18d8;  Heymann  in  der  Kritischen  Viertel- 
jahrsschrift 1902  S.  589. 

47* 


—     740    — 

recht  früh  veranlaßt,  daß  aus  der  jährlich^i  Neumietung 
sicfh  eine  Kündigting  herausbildete.  Denn  es  wäre  un- 
vernünftig gewesen,  wenn  die  Parteien  mit  der  Feststel- 
lung, ob  jeder  von  ihnen  den  Vertrag  weiter  befolgen 
will,  gewartet  hätten,  bis  der  Tag  des  Vertragsendes  her- 
angekomtn^n  war.  Meist  wird  derjenige,  welcher  am  Fort- 
bestehen oder  an  der  Lösung  des  Verhältnisses  ein  be- 
sonderes Interesse  hatte,  schon  einige  Zeit  vor  Ablauf 
der  Zeit  bei  dem!  Mitkontrahenten  angefragt  haben,  wie 
dieser  über  die  Weiterdauer  des  Vertrages  denkt.  Aus 
dieser  imverbindlidhen  Vorbeisprechung  mag  sich  dann 
die  Gewohnheit  herausgtebildet  haben,  ntir  in  den  Fällen 
noch  miteinander  ^u  verhandehi,  wo  edn  Vertragsteil  die 
Beendigung  des  Verhältnisses  wünscht,  während  sonst 
der  Vertrag  weiter  wie  bisher  Hef .  Im'  Interesse  der  beiden 
Teile  wurde  die  Gewohnheit  zum'  Recht  ausgebildet ;  jeder 
konnte  sicih  so  leichter  nach  einem  neuen  Kontrahenten 
umsehen.  Auf  dasselbe  Ziel  hin  wirkte  femer  das  Inter- 
esse der  übrigen  Dienstboten  und  Herrschaften  im  Lande, 
denen  an  einer  Gleichmäßigkeit  der  Fristen  liegen  mußte. 

Das  Recht  der  Kündigung  in  den  einzelnen  Jahr- 
himderten  nach  jenen  obem  angeführten  ersten  Erschei- 
nungen wird  im  folgenden  kurz  dargestellt;  die  wenigen 
Fälle,  in  denen  eine  Anfrage  und  Ansage  über  die  Dienst- 
fortsetnmg  vorgeschrieben  wird,  lassen  sich  bequem  in 
die  Schilderung  einordnen. 

Wenn  eijie  nürnberger  Polizeiordnung  aus  dem 
15.  Jhdt.  ^)  den  Dienstboten  gestattet,  sich  zwischen  sechs 
Wochen  unid  vierzehn  Tagen  vor  dem  Ablaufe  ihres  alten 
Dienstes  mit  einem:  neuen  Mieter  über  einen  weiteren 
Dienst  ru  vergleichen,  so  kann  man  in  der  angesetzten 
Frist  zugleich  nur  die  Begrenzung  der  Kündigimgsfrist 
oder  einer  Ansagezeit  nach  ihrer  längsten  und  kürzesten 


')  Baader,  NOrnberg.  Polizeiordnungen  S.  28. 


—    741     - 

Dauer  sieUen.   Denn  mnt  sich  veotnieten  m  können,  muß 
der  Dienstbote  über  seine  2feit  weiterhin  zu  verfügen  die 
Madit  haben.   Sodann  die  altbayerische  Landesord- 
nuns:    von  1516*).    Sie  bringt  eine  rechtüche  Ungleich- 
heit  in  der  Behandlung  von  Herrsdiaften  und  Gesinde. 
Der  Dienstherr  muß  sechs,  der  Dienstbote  dagegen  acht 
Wochen  vor  Dienstende  kündigen.    1553  wird  nur  der 
Kündigimg    seitens    der    Herrschaft    gedacht;    daß    die 
angesetzte  sechswöchige  Frbt  auch  für  die  Dienstboten 
gelten    9oll,   ergibt   sic!h   nicht  aus   den   Bestimmimgen 
der  Ordnamg').  Dagegen  setzt  die  Taxordnung  für  Hei- 
delberg von  1579^)  prinzipiell  die  Kündigrungspflicht 
mit   vierteljähriger  Frist  für  die  Dienstboten  fest;  „wie 
es  auch'  im  gegenfall  gleichmessig  zu  halten",  heißt  es 
zum   Schlüsse,  woraus  man  entnehmen  kann,  daß  glei- 
ches Recht  für  die  Herrschaften  gelten  soll. 

Nur  von  der  Kündigung  seitens  des  Gesindes  handelt 
die  nassauer  Montagsordnung  vom  18.  August  1586 ^). 
Eine  Frist  ist  nicht  angeordnet.  Ob  m)an  aus  dem  Fehlen 
einer  Satzung  für  die  Herrschaften  darauf  schließen  darf, 
daß    diesen    jederzeitige    fristlose    Kündigung    gestattet 
war,  sei  dahingestellt.  Gleiches  muß  von  der  Festsetzung 
der   Polizeiordnung  für   Nassau-Katzenelnbogen 
aus  dem  Jahre  1597*)  gelten.  Wieder  wird  niu-  dem  Ge- 
sinde vorgeschrieben,  daß  es  ein  Vierteljahr  vor  dem  Ab- 
laufe des  Dienstes  kündigen  muß.  Aus  einer  im  hessi* 
sehen  Hof  rechte  vorkommenden  Bestimmung  gleicher 
Art  kann  man  entnehmen,  daß  in  der  Tat  wenigstens  dem 
fürstlichen  Gesindehalter  in  Hessen  die  Befugnis  frist- 
loser Entlassung  rustand.    Die  Hofordnung  von  1570*) 
sagt:    „.  .  .  soll  keiner  an  Hoff  genommen  werden,  der 


')  Platzer  S.  88 ff.  —  •)  Kr.  A.  Amberg.  Rcpert.  Landrecht- 
polizei. Fasz.  1  Akt  9.  —  »)  Kr.  A.  Würzburg.  V  9561 ;  L.  A.  Karls- 
nihe.  Kopialbuch  603.  -  *)  Corp.  Const  Nass.  I  S.  609.  -  »)  Univ.- 
BibL  Marburg.  -  •)  LO.  UI  S.  177. 


—    742    — 

sidh  nicht  verpflichtet,  zum  wenigsten  zwey  Jahr  in  un- 
s^rm  Dienst,  sofern  Wir  ihii  so  lan^f  darin  behalten  wollen, 
zu  bleiben,  unid  wo  einer  zu  Ausgang  derselb^i  zweien 
Jahten  Urlaub  nehmlen  wolte,  dass  er  Uns  solclhes  ein 
viertel  Jahr  zuvor  anzeigen  solle,  darmit  Wir  Uns  mit 
einem  andern  Diener  a;n  seine  Statt  verstehien  mögen". 
Einseitig  wie  die  Verpflic'htung  zur  Aushaltung  dier  zwei 
Jahre  Dienstzeit  ist  auc?h  die  Festsetzung  der  vierteljähr- 
lichen Kündigung,  damit  der  Herr  sich  einefti  neuen 
Diener  rechtzeitig  anschaffen  kann.  Diese  einseitige  An- 
ordnung entspricht  der  Ausgestaltung  der  hetrrschaf  tlicben 
Gewalt,  die  sidti  auch  hierher  erstreckte,  und  die  sich 
noch  in  all  ihrer  ursprünglichen  Kraft  gerade  beim'  fürst- 
lichen Arbeitgeber  zeigen  konnte.  Kraft  sieiner  Hausge- 
walty  die  dem  Herrn  beispielsweise  auch  die  Macht  ein- 
seitiger Lohnsatzung  verleiht  ^),  kann  er  auch  bestimmen, 
daß   das  Dienstverhältnis  sofort  sein  Ende  haben  soll. 

Gerechtere  Gleichheit  herrscht  in  dem  wohl  dem 
16.  Jhdt.  angehörenden  lüneburger  StadtreCht *),  das 
für  beide  Teile  je?  ein  Vierteljahr  als  Kündigungszeit  be- 
stinunt.  Auch!  ein  gegen  Ende  deö  16.  Jhdts.  entstandener 
ostfriesisCher  Entwurf')  wahrt  die  Gleichheit  der 
Vertragsteile;  die  Kündigungsfrist  ist  übereinstimmend 
auf  -siechs  Wochen  angesetzt. 

Eine  Verkürzung  der  Kündigungsfristen  ist  fürs  17. 
Jhdt.  nicht  festzustellen.  Ein  Vierteljahr,  acht  oder  sechs 
Wochen  ,sind  die  regelmäßigem  Fristen.  Das  besonders 
weit  vorgeschrittene  süddeutsche  Recht  bevorzugt  es,  zwei 
Fristen  zur  Wahl  zu  stellen.  Dies  geschieht  in  verschie- 
dener Weise. 

Entweder  bleibt  es  bei  der  alten  Art,  daß  der  Herr- 
schaft kürzere  Fristen  zugebilligt  werden  als  dem  Dienst- 

")  Oben  S.  606flf.  —  »)  Pufendorf,  obs.  iur.  IV  app.  S.  e24ffn 
bes.  796.  ~  ')  St.  A.  Aurich.  Archiv  der  ostfriesischen  Landschaft. 
O.  B.  Polizeisachen  zu  Nr.  8. 


—    743    — 

boten.  So  ist  es  in  der  Polizei-  und  Landesordnung  des 
Kletgaues  von  1603*);  das  Gesinde  muß  sechis,  die 
Herrschaft  vier  Wochen  vor.  Dienstende  denfi'  andern  dief 
Kündigung  mitteilen.  Die  bayerisc'hen  Ordnungen  des 
17.  Jhdts.  behalten  gleic'hfalls  die  schon  im  vorigein  Jahr- 
hundert gewählte  Regelung,  daß  die  Dienstboten  sechs-, 
die  Herrschlaf ten  achtwöchig'e  Kündigungsfrist  habein,  bei, 
so  1654  und  1656«),  wohl  auc?h  1616»)  und  1652*).  Die 
Zwiespältigkeit  der  Fristen  komimt  ferner  in  der  Ordnung 
des  Klosters  Ursberg*)  vor,  für  die  Herrschaft  gelten 
vier,  für  die  Dienstboten  sechs  Wochen.  Die  regens- 
burger  Gesindeordnimg  von  1656*)  und  die  dinkels- 
bühler  Polizeiordnung')  bestimimen  glei-öhes  Maß  von 
sechs  Wochen  bezw.  drei  Monaten. 

Anders  als  in  jenen  bayerischen  Rechten  werden  zwei 
Fristen  in  einigen  Ländern  zur  Wahl  geisteilt,  nämlich 
durch  bloße  Aneinanderreihung.  Ohne  daß  deni  einen 
der  beiden  Vertragsteile  die  kürzere  Zeit  ausdrücklich  zu- 
gebilligt wird,  heißt  es  z.  B.  in  württembergischen 
Gesindegesetzem  des  17.  Jlidts.,  daß  Kündigungsfristen 
ein  Vierteljahr  oder  zum  mindelsten  sechs  Wochen  sind; 
so  in  der  Gesüideordnung  von  1652  ®),  deren  Vorbilde,  der 
Vergleich'ung  des  schwäbischen  Kreises  aus  demselben 
Jahre®),  der  1669  zwischen  verschiedenen  Städten  und 
Ämtern  vereinbarten  Taxordnung  ^^).  Auch  die  Gesinde- 
ordnung der  Herrschaft  Gutenberg  von  1652")  sötzt 
solches  fest.  Ein  Vierteljahr  und  zwei  Monate  stellt  die 
ha  deiner  Gesindeordnung  von  1655")  beiden  Teilen 

^)  Habeische  Sammlung.  —  *)  R,  A.  München.  Gen. -Samml. 
Rep.  S. 9 Nr. 6;  v. Freyberg,  Pragm.  Gesch.  d. Ba3rr. Gesetzgebung  II 
S.  190;  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  —  ■)  v.  Frey  her  g 
a.  a.  O.  S.  186.  —  *)  R.  A.  München.    Gen.-Samml.  Rep,  S.  9  Nr.  5. 

—  »)  v.  Weber,  Statutarrechte  IV  S.  882.   —  •)  Ebenda  V  S.  85. 

-  ')  Ebenda  U  S.  1016.  -  •)Reyscher,  Gesetze  XIII  S.  114.  — 
•)  St  A.  Stuttgart  Druck.  -  »•)  Ebenda  Handschrift.  —  ")  L.  A. 
Karlsruhe.  Kopiarbuch  Nr.  6921.  —  ")  Spangenberg,  Verord.  f. 
Hannover  IV  8  S.  265. 


—    744     — 

zur  Wahl.  Den  Parteien  wird  hier  der  Spiekaum  zwischec 
den  beiden  Fristen  gelassen;  vielleicht  handelt  es  sid 
teilweise  um  Nachklänge  nicht  mehr  Verstandener  frühe- 
rer Vorschriften,  die  der  Dienstherrschaft  eine  bevorzugte 
Stellimg  im  Kündigxmgsrechte  durch  Zubilligung  kürzerer 
Kündigtmgsfrist  gaben. 

Eine  andere  Art  von  Verschiedenheit  in  der  Behand 
lung  Ider  Dienstboten  und  der  Dienstherrschaften  stellt  die 
1672  für  das  fränkisdhe  Brandenburg*  erlassene 
Polizeiordnung  ^)  nach  altem  Muster  auf.  Die  Dienstbo- 
ten müssen  ein  Vierteljahr  vor  dem  Jahresende  kündigen. 
Weiter  heißt  es  dann:  „Wie  Wir  dann  auch  die  Henen 
und  Frauen  ebenmäßig  dahin  erinnert  und  vermahnet 
haben  wollen,  dafem  sie  ihr  Gesinde  nicht  länger  in 
Diensten  begeren,  dass  sie  solches  ihnen  bey  Zeiten 
wislich  machen." 

Soweit  in  den  Gesetzen  eine  einheithche  Frist  vor 
gezogen  wird,  überwiegt  die  Festsetzung  einesr  Viertel- 
jahres. Die  Gesindeordnungen  für  Cle  ve  von  1608, 1644 
und  1696»),  Köln  von  1645»)  die  württemberger 
Schäferordnung"  von  1651*),  die  bamberger  Tax-  und 
Gesindeordnung  von  1652  *)  wählen  als  Regel  die  Quar- 
talskündigtmg.  In  bewußter  Abweic^hxmg  von  der  Viertel- 
Jahrskündigimg  des  kursächsischen  Rechts  setzt  die  ai- 
tenburger  Gesindeordnimg  von  1651  •)  nur  eine  Zwei- 
monatsfrist an.  Bei  sechs  Wochen  lassen  es  die  Gesinde- 
ordnungen für  Gedern  von  1628^)  imd  für  Würzburg 
von  1654  8). 

Einige  Erwähnungen  der  Anfrage  statt  einer  Kün- 

*)  Corp.  Const.  Brandenb.  -  Culmb.  n  1  S.  666  flf.,  bes.  59i  - 
•)  Scotti,  Cleve  S.  216,  260,  690.  —  •)  Scotti,  Köln  II  S.  249- 
*)Reyscher,  Gesetze  XIII  S.  108.  -  •)  Kr.  A.  Bamberg.  Baa. 
bcrger  Verordnungen  Rep.  141  Nr.  69.  -  •)  Brandt,  Der  Bäuerin 
Altenburg  S.  80.  -  ')  GräfL  Stolbergisches  Archiv  in  Gedern-  ß^ 
y^Allerhand  Verordnungen  ...  so  in  der  Grafschaft  Stolberg -Gedem 
ergangen"  S.  61.  —  •)  Landesverordnungen  WOrzburg  1  S.  W. 


—    745    — 

digiing  begegnen  im  17.  Jhdt.  Die  Regelung  in  der  1640 
geschaffenen  Gesindeordnung  für  Neustadt  und  Lan- 
dau^) ist  so,  daß  auf  Begehren  der  Herrschaft  das  Ge- 
sinde sich  vierzehn  Tage  vor  dem'  Ziele  erklären  muß, 
ob  es  im  Dienste  bleiben  will  oder  nicht.   Ausführlicher 
äußert  siöh  die  brandenburg-f  ränkische  Taxord- 
nting  von  1652  *) :   Bisher  war  es  Sitte,  dass  das  Gesinde 
vor  Jahressc^hluß  von  der  Herrschaft  gefragt  wurde,  ob  es 
im  Dienste  bleiben  wolte.  Die  Dienstboten  schoben  dann 
iinmler  die  Erklärung  darauf  von  einem  Tage  tum  andern 
hin.   Damit  solches  für  die  Zukunft  verhütet  wird,  ergeht 
der   Befehl,  daß  das  Gesinde  der  Herrschaft  jedesmal 
ein   Vierteljahr    vor    dem    beabsichtigten    Dienstantritte 
von  diesem  seinem  Vorhaben  Nachricht  gibt;  dabei  hat 
der  Dienstbote  der  Herrschaft  auch  mitzuteilen,  wohin 
er  sich  begeben  will.    Weiter  gibt  eine  fürstliche  Reso- 
lution  vom   22.   Juni   1657')  auf  die  Beschwerden    der 
voigtländisChen  Ritterschaft  Einblick  in  die  frühere 
Gewohnheit.    Der  Fürst  stimmt  einem  ritterschaftlichen 
Wunsche  zu,  daß   die   Dienstboten  ein   Vierteljahr  vor 
Ende  des  Dienstjahres  entweder  der  Herrschaft  aufsagen 
oder  'sich  (wenn  sie  bleiben  wollen)  zu  neuen  Diensten  an- 
zubieten haben.   Aus  dem  Norden  verdient  nur  die  ra- 
vensberger  Landesordnung  von  1655*)  Erwähnung. 
Nach  ihr  muß  das  Gesinde  der  Herrschaft  sommers  vor 
Mittensomlmerstag,  winters  vor  Weihnachten  mitteilen,  ob 
es  bleiben  oder  gehien  will;  wird  nichts  bis  dahin  gesagt, 
dann  hat  der  Dienstbote  die  folgende  Dienstzeit  bei  der 
Herrschaft  jausruharren. 

Auch  das  18.  Jhdt.  bevorzugt  bei  weitem  eine  viertel- 
jährige Kündigtmgszeit.  Vor  Hannover  trafen  diese  Rege- 


*)  Stadtarchiv  Speyer.  Fasz.  Nr.  547.  —  ")  Kr.  A.  Amberg. 
Zugang  24  Nr.  212.  —  •)  Kr.  A.  Bamberg.  Collectanea  Rep.  187 JL 
nr.  1.  ^  *)  18.  Jahresbericht  d.  Historischen  Vereins  f.  d.  Grafschaft 
Ravensberg  1899,  S.  124. 


—     746    — 

lung  Nassau  am  14.  Mai  1718^)  und  Köln  1723^). 
Die  Anordnung  in  der  hannoverschen  Gesindeord- 
nung  von  1732  *),  daß  in  den  Städten  die  Kündigungsfrist 
ein  Vierteljahr  vermfehrtf  lun  vierzehn  Tage,  in  den  Land- 
orten  ein  halbes  Jahr  betragen  solle,  war  den  Staaten, 
die  im  übrigen  diese  Gesindeordnung  peinlich  nachahmten, 
doch  zu  kompliziert.  Mit  der  allgemeinen  Festsetzung 
eines  Vierteljahres  begnügten  sich  daher  Hessen  seit 
1736*),  Waldeck  1736*),  Sc  ha  um  bürg  1738«), 
Wolfenbüttel  1748'),  Plön  1749«),  Jena  1761»), 
Detmold  1752  und  1784 ^o)^  Cleve  1753  und  1769^), 
Schleswig  1768^*),  wohl  auch  Osnabrück  1766"). 
Noch  im  19.  JUdt.  behielt*  man  das  Vierteljahr  als  Kün- 
digungszeit bei,  wofür  die  badisChe  Geisindeordnung 
von  1809^*)  als  Beleg  dienen  möge;  sie  setzt  diese  lange 
Zeit  aber  doch  nur  für  das  ländliche  Gesinde  fest,  wäh- 
rend in  den  Städten  vier  Wochen  oder,  bei  monatsweiser 
Mietung,   vierzehn  Tage  genügen^*). 

Acht  Wochen  ist  die  in  K  ö  1  n  seit  1751  geltende  Frist ; 
Bestätigungen  erfolgten  1770  und  1784  ^*).  Noch  genauer 
sagt  eine  Verordnung  vom  23.  Dezember  1785^^),  daß 
beide  Teile  nur  zwis^dhlen  d&m  1.  und  15.  August  kündigen 
dürfen;  sagen  sie  innerhalb  dieser  2^it  nicht  auf,  dann 

»)  Corp.  Const.  Nass.  III  S.  170.  -  •)  Scotti,  Köln  I  1  S.  628. 
—  •)  Spangenberg,  Verordn.  f.  Hannover  IV  2  S.  461.  —  *)  LO. 
IV  S.  140,  VII  S.  727,  VIU  S,26;  Möller-Fuchs  S.  118.  —*)  Samm- 
lung der  Regierung  Arolsen.  —  *)  Landesverordnungen  Schaumbnrg-L. 
n  a  886.  —  ')  Archiv  Wolfenböttcl.  Nr.  7097.  —  •)  Schrader, 
Handbuch  III  S.  195.  —  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV 
S.  145.  —  ")  Landesverordnungen  L.- Detmold  II  S,  47,  III  S.  57.  — 
")  Scotti,  Cleve  S.  1425,  1894,  —  ")  St  A.  Schleswig.  Sammlung 
GrossfOrstl.  Verordnungen.  —  ")  Klöntrupp,  Handbuch  II  S.  76.  — 
^*)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Provinz  Niederrhein.  Gesindepolizei  Lit  B. 
Nr.  1.  —  *•)  Vierteljahrskündigung  in  Holland  1719;  Behaegel, 
Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du  comit^  central  du 
travail  industriel  1905  S.  660,  661).  —  ")  Scotti,  Köln  I  2  S.  771, 
1070.  —  ")  Ebenda  S.  1115. 


—    747    — 

läuft  der  Vertrag  ein  Jahr  weiter.  Diese  letzte  Verord- 
nung war  veranlaßt  durch  Klagen  der  westfälischen  Land- 
stände, „daß  daselbst  die  Dienstbot hien  ihren  Brodherren 
vielfältig  den  Dienst!  zur  Unzeit  aufkündigen,  und  hier- 
durch diese  genöthiget  wierden,  einen  grössieren  Lohn  als 
gewöhnlich  za  zahlen**.  Die  Verordnungen  von  1751, 
1770  und  1784  ergingen  gemeinsam  mit  gleichlautenden 
in  J ü  1  i c h *).  Auch  die  Polizeiordnung  für  Sayn-Witt- 
gen stein  von   1776*)   hat  Zweimonatsfrist. 

Am  häufigsten  nach  der  Einrichtung  vierteljährlicher 
Kündigung  tritt  die  Sedhswochenfrist  auf,  nämlich  in 
Eichstätt  nach  der  Polizeiordnung  von  1707*),  Ans- 
bach nach  der  Gesindeordnimg  des  Jahres  1769*), 
Bayern  seit  1781*),  Freiburg  gemäß  der  Ordnung 
von  1782 *),  Altenburg  laut  Gesindeordnimg  von  1744'), 
Jülich  nach  derjenigen  von  1801®). 

Noch  ins  18.  Jhdt.  hinein  zieht  sich  die  Ungerechtig- 
keit des  bayerisc^hen  Rechtes,  das  der  Herrschaft  eine 
Kündigungsfrist  von  sec^hs,  dem  Gesinde  eine  solche  von 
acht  Wochen  gibt,  so  1755  und  1761 »). 

Bis  auf  vier  Wochengteht  die  Würzburger  Gesinde- 
ordnung von  1749  herunter^**);  kündigt  ein  Dienstbot^ 
nicht  zur  rechten  Zeit,  tritt  aber  doch  aus,  dann  soll  ihm 
kein  Zeugnis  erteilt  weaxlen,  imd  er  darf  ein  Vierteljahr 
lang  in  der  Stadt  nicht  dienen**).  Ja  selbst  die  für  die 
damalige  Zeit  imerhörte  Kündigimgszeit  von  vierzehn  Ta- 


0  St  A.  Düsseldorf.  Bonner  Hofrat;  Kurköln  Regierungssachen 
Nr.  47,  —  «)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  •)  In  der  Habeischen  Sammlung* 
-  *)  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  28  ^  Nr.  lld  Repert.  288.  —  *)  Kr.  A. 
München.  AR.  Fasz.  469  Nr.  209.  —  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden 
Gencralia  6891.  —  ')  Univ.  -  Bibl.  Marburg.  XVIII  f  B  1119^.  — 
•)  Scott! ,  Jülich  S.  880.  -  •)  Churbayerisches  Intelligenzblatt  1776 
Nr.  89;  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  404  Nr.  7.  —  *^  Landesverord- 
nungen Würzburg  U  S.  589.  -  ")  Damit  kollidieren  die  übrigen  Vor- 
schriften über  den  Vertragsbruch,  worüber  in  §  18  Näheres  mitgeteilt 
werden  wird. 


—    748     - 

gen  komlmt  einmal  in  der  österreicfh'ischen  Gesinde- 
ordnung von  1765  ^)  und  dann  späterhin  in  der  d  ü  s  s  e  1  - 
dorfer  Ordnung  von  1Ö09*)  vor. 

Die  R^iielung,  daß  nicUt  Kündigung,  sondern  eine 
neue  Vertragsberedung  vorgesdirieben  ist,  findet  sich  in 
der  gothaisdhen  und  altenburgischen  Gesinde- 
ordnung  von  1719  •).  Da  wird  zunächst  dem  Gesinde  in 
die  Seele  geredet,  es  möge  dodh'  ja  nicht  kündigen :  „Ob 
nun  wohl  dem'  Gesinde  am!  besten  gerathen,  wenn  es 
sich  dergestalt  iti  seinem  Diemste  aufführet,  dass  es  über 
die  auf  ein  Jahr  lang  geschehene  Versprechung  noch 
länger  von  dem  Dienst-Herrn,  denen  die  öftere  Verände- 
hing  des  Gesindes  so  wenig  lieb  noch  anständig,  als 
wenig  solche  dem'  Gesindel  vorträglich  ist,  zu  dienen  ver- 
langet würde .  .  .",  so  soll  dodh'  ein  Zwang  in  dieser  Rich- 
tung nicht  ausgeübt  werden.  Aber  das  Gesinde  muss, 
wenn  les  gehen  will,  ein  Vierteljahr  vor  Dienstablauf  kun- 
digen. Will  es  dagegen  bleiben,  dann  hat  es  den  Dienst- 
herm  zu  dieser  Viertel jahrszeit  anzureden,  ob  der 
Dienst  fortbestehen  soll.  Unterbleibt  die  Anrede  seitens 
des  Gesindes,  so  ist  es  im'  Blieben  des  Herrn,  ob  er  am 
letzten  Tage  den  Dienstboten  behalten  oder  wegschicken 
will.  Geredhter,  auch  die  Herrschaff  ^ur  Anrede  ver- 
pflichtend, ist  die  schleswiger  Gesindeordnung  von 
1733*);  sechs  Wochen  vor  Ablauf  der  Vertragszeit  soll 
derjenige,  welcher  den  Vertrag  fortsetzen  will,  dies  dem 
andern  mitteilen.  Die  eben  genannte  bayerische  Ge- 
sindeordnung von  1755  will  ausdrücklich  die  „Anredung" 
statt  Kündigung  abgeschafft  wissen.  Auch  die  eisena- 
eher  Ordnung  von  1757^)  verbietet  wenigstens  die  „un- 
schickliche" Art,  daß  die  Herrschaften  beim  Ablaufe  des 
Jahres  die  Dienstboten  fragen,  ob  er  bleiben  wolle;  da- 

*)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  -  •)  Scotti,  JOüch 
S.  1262.  -  »)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVni  f  A  870.  —  *)  Seh  rader, 
Handbuch  II  S.  202.  —  •)  Kr.  A.  München.    GR.  Fasz.  402  Nr.  8. 


—     749    — 

gegren  muß  das  Gesinde  die  HerrsChiait  ein  Vierteljahr 
vor  Ende  des  Dienstes  um  weitere  Dienstbehialtimg  an- 
sprediien. 

Außer  solchen  Bestimmungen  übeir  die  Zeit  der  Kün- 
digtmg  erfuhr  das  Recht  der  friedlichen  Dienstbeendigung 
so  gut  wie  keine  Regelung.  Insbesondere  die  Art  der 
Kündigung  wurde  dem  Ermessen  der  Vertragsteile  über- 
lassen. Während  mian  für  den  Vertragsschluß  nicht  ge- 
nug an  bestätigenden  oder  gar  rechtschaffenden  Förmlich- 
keiten bilden  konnte,  zeigte  man  hier  eine  verhältnis- 
n\äßige  Sorglosigkeit^). 

Daß  auch  die  Dienstbeendigung  aus  teilweise  den- 
selben Gründen  wie  die  Vertragsbegründung  die  Ver- 
deutlichung durch  eine  äußerlich  wahrnehmbare  Form 
vertragen  kann,  offenbart  sich  imm^er  wieder  bei  Streitig- 
keiten über  die  Rechtsgültigkeit  einer  geschehenen  Kün- 
digimg. Als  Beispiel  mag  ein  1791  und  1792  vor  dem 
Oberappellationsgeridhte  in  Cassel  verhandelter  Rechts- 
streit dienen*).  Die  Beklagten  bestreiten  die  Bedeutung 
einer  von  ihnen  der  klagenden  Magd  gegenüber  gebrauch- 
ten Äußerung  als  rechtsgültiger  Kündigung.  Der  Magd 
war  die  für  einen  Sonntag  geplante  „Plaisir  Reise**  zu 
ihrer  Mutter  verboten  worden.  Die  beklagte  Ehefrau  er- 
zählt in  dem!  Schriftsatze :  ,,Ho€hnisch  antwortete  sie  mir, 
Sie  wollte  sehen,  wer  ihr  dieses  verwehren  würde,  sprung 
in  groster  Bosheit  vor  mir  herum,  verlachte  mein  Ver- 
sagen, und  verursachte  auf  diessen  Sonntag  einen  solchen 
Lärm,  dass  mann  ihn  weit  hören  konnte.  Ich  verwies 
ihr  [dieses  unschickliche  Betragen  und  zu  mahlen  auf  einen 
Sonntag  auf  meiner  Stube,  das  ich  nicht  länger  dulten 


^)  In  Brandenburg  beantragte  die  Kammer  1767,  fdr  die 
Kündigung  das  Erfordernis  der  Schrif^lichkeit  und  der  öffentlichen 
Erklärung  vor  Justitiar  oder  Dorfgericht  aufzustellen  (Lennhofif  S.  92). 
—  *)  St  A.  Marburg.  Prozess  in  Sachen  Müller  Coester  et  uxor  zu 
Marburg  gegen  die  Magd  Christina  Bohlin  zu  Moischt. 


—     750    — 

wollte,  imld  gebirauölite  die  Worte:  jedoch  in  Abwesen- 
heit meines  Mannes,  „Mensch  pack  dich",  ich  verstünde 
natürlichier  Weisis  wiegen  ihreks?  tmgezogenen  Lärmens  und 
Gesdhrey,  blos  von  der  Stube.  Nun  glaubte  Adversarün 
ihren  Wunsch  erreicht  ra  haben,  fort  aus  deini  Dienst 
geben  zu  dürffen,  wohin  sie  wollte,  und  machte  auch 
wirklich'  Anstalten  ohne  Vorwissen  meines  Ehesnaimes 
fortzugehen/*  Durch  die  liebevollen  Worte  der  Hausfrau 
war  der  Prozeß  entstjanden;  wie  die  Richter  die  Äuße- 
rung ausgelegt  hiaben,  geht  aus  den  Akten  nicht  hervor. 

Nicht  für  die  Kündigung,  sondern  als  Anhang  zu 
ihr  verlangte  das  Recht  von  Ramsberg  in  Schwaben 
(Eidbuch  1556)  ^)  einen  E  i  d  des  austretenden  Knechtes, 
entsprecWerid  dem  beim  Dieoistantritt  m  leistenden  Schwur. 
Es  heißt  da:  „Wiann  dann  der  Dienstknecht  wider  von 
dannen  zeucht  und  begert,  ine  Steiner  gethonen  gelübt 
ledig  m  zeln,  sover  dann  er  bey  seiner  gelübt  satzen  ntag, 
das  er  niemiand  nichts  schuldig  sey,  auch  kain  nachvol- 
gender  spann  wiss,  der  sich  in  zeit  seines  diensts  erhoben 
und  mit  willen  seines  maisters  urlaub  hiab,  so  soll  der 
schlilthaiss  ihne  ziehen  und  seiner  gethonen  gelübt  er- 
lassen.** — 

Das  Recht  der  giewöhnlichen  Kündigung  ist  nicht 
allzu  eingehend  von  den  Gesetzgebern  ausgebildet  wor- 
den. Um=  so  eifriger  gaben  sie  sich  mit  einigen  Sonder- 
fällen der  friedlichen  Dienstbieendigtmg  ab,  für  die  ein 
bevorzugtes  Recht  geschaffen  wurde.  Es  handelt  sich 
um  (vorzeitigle)  Dienstbeendigung  durch 

1.  'Heirat  des  Gesindes, 

2.  Eintritt  ins  Kloster, 

3.  Übernahme  einer  Vormundschaft  durch  den 
'Knecht, 

4.  Eintritt  ins  Heer, 

^)Wintterlin,  Württembergische  1  Andl.  Rechtsquellen  1 S.  767  fif., 
bes.  772;  oben  S.  4d9. 


—    751     — 

5.  KrankKeit  des  Gesindes, 

6.  Tod  des!  Gesindes, 

7.  Tod  der  Herrschaft, 

8.  Konkurs  der  Herrschaft. 

1.  Die  Frage,  ob  die  Heiratsabsicht  des  Ge- 
sindes einen  Einfluß  auf  das  Dienstverhältnis  haben  und 
dessen  vorzeitige  Beendigung  herbeiführen  soll,  ist  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  verschieden  gelöst  worden. 

Int  Mittelalter  war  man  der  Ansicht,  daß  Heirat  die 
Miete  lösit.  Vom  Sachsenspiegel^)  an  gebpn  zahl- 
reiche Rechte  detti  Dienstboten  die  Befugnis  zu  Zwecken 
der  Heirat  den  Dienst  vorzeitig  zu  verlassen*).  „Swilch 
knecht  aber  elich  wib  nimt,  .  .  .  der  muz  wol  uz  sines 
herren  <linste  komen,  und  beheldet  also  vil  lones,  als  ime 
gebäret  biz  an  die  zeit.  Ist  aber  imie  mer  gegebn,  daz  muz 
her  wider  gebn  sunder  wandel"  (Ssp.).  Als  ungedrucktes 
Recht  diester  älterein  Zeit  sei  aus  dem  am'orbacher 
Gerichtsbiuch  von  1406^)  ein  Beispiel  aus  der  Praxis  an- 
geführt: „Item  dy  alt  nebegerin  dlagt  von  kunzen,  daz 
er  ir  dienen  salt,  und  da  er  ein  wip  genam,  da  sprach 
sie:  Lieber  sim,  du  hast  ein  frauwen,  nun  wiltu  by  mir 
blyben  ein  weg  als  den  andern.  Da  sprac>h  er:  ia  liebe 
fröuwe,  ic'h  wil  daz  beste  dun.  Und  detz  helte  er  ir  nit. 
Daz  ist  ir  leider  dan  2  gtild.** 

Nur  recht  selten  aber  blieb  die  spätere  Zeit  bei  dem 
Gnmdsatze,  Üaß  Heirat  den  Dienst  löst.  Das  schleswig- 
holsteinische  und  das  mühlhäuser  Recht  als  die 
einzigen  behielteln  ihn  unbeschränkt  bei,  so  das  spätere 
Recht  Lübecks  von  1586*),  Friedrichstadts  von 
1633*);  über  das  spätere  Recht  auf  der  Halbinsel  be- 
richtet  Schrader*):    „Den   Satz:    Ehe  bricht   Häuer; 

haben   unsere   Gesindiefverordnungen  fast  einmüthig  an- 

-  « 

»)  U  88.  —  «)  Übersicht  bei  Hertz  S.'69;  Steffen  S.  19.  — 
')  Habeische  Sammlung.  —  ^)  Corp,  Stat.  Hols.  —  *)  Corp.  Stat.  Slesv. 
III  1  S.  1.  -  •)  Handbuch  III  S.  208. 


—     752    — 

genommen."  UnÜ  das  erneuerte  Heimbuob  Mühlhan 
sens  aus  dem'  Jähre  1736^)  gestattete  unbeschränkt  dr. 
Dienstboten  zwecks  einer  Heirat  aus  dem  Dienste  vc: 
der  Zeit  zu  gehen;  wird  jedoch  dem  Dienstherm  dies 
Absicht  nicht  rechtzeitig  genug  eröffnet,  dann  ist  ilo 
der  Schaden  zu  ersetzen. 

Alle  andern  Redhte  bereiten  dem  Gesinde  Schwierig- 
keiten, zur  Heirat  zu  kommen.  Vornehmlich  zwei  Antz 
der  Regelung  kommen  hier  vor.  Entweder  gestattet  man 
dem  Dienstboten,  gegen  Stellimg  eines  Ersatzmannes  aus 
dem  Dienste  zu  treten,  oder  es  wird  ihm  Aushaltung  des 
Dienstes  wenigstens  bis  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkte, 
regelmäßig  dem  Beginne  des  kommenden  Halbjahres, 
auferlegt. 

Die  beiden  Regelungen  verbindet  das  ostfriesi 
sehe  Lanidxecht  von  1515*).  „Offt  nu  de  ni^aget  be 
raden  worde,  de  wile  se  im  denste  is,  und  hefft  de  be 
scheden  tyt  byna  halff  uth  gedent,  so  mOet  se  den  densi 
vortan  uth  denen  eder  eine  ander  in  uire  Stade  levern 
offt  loenen.**  Wenn  also  die  Heiratsabsicht  kurz  vor  Ab- 
lauf des  ersten  Halbjahres  zu  Tage  tritt,  dann  muß  die 
Dienstmagd  im'  Dienste  ausharren,  bis  ihr  Jahr  um  ist. 
es  sei  denn,  daß  sie  einen  Ersatz  stellen  kann.  Äußert 
die  Magd  den  Wimsch  dagegen  schon  in  der  ersten  Hälfte 
der  Dienstzeit,  nicht  allzu  geringe  2feit  vor  dem  Beginns 
des  zweiten  Halbjahres,  dann  braucht  sie  nur  bis  zu  die- 
sem Zeitpunkte  auszuhalten,  kann  sich  aber  auch  durch 
Stellung  eines  Ersatzes  sc'hon  vorher  befreien.  Daß  diese 
Interpretation  der  Absicht  des  Gesetzes  entspricht,  wird 
die  weitere  Geschichte  in  anderen  verwandten  Gebieten 
ergeben.  Einem  heiratsbegierigen  Knechte  gesteht  das 
ostfriesische  Landrecht  eine  frühere  Dienstbe«idigxin^ 
nicht  zu  ^).    Das  entspricht  der  Stellung  der  Knechte  im 


')  Stadt.  Bibliothek  Mühlhausen.  — «)  Wich t  H  288.  —  *)  Ebenda. 


—    753    — 

biäuerlichen  Leben;  während  für  die  Magd  die  Heirat 
mieistens  das  Ende  der  für  Fremde  zu  leistenden  Arbeit 
und  des  selbständigen  Gelderwerbes  bedeutet,  bleibt  der 
Kjiecht  auch  nach  der  Heirat  in  der  unselbständigen  Stel- 
lung auf  dem  Hofe,  die  für  ihn  Lebensberuf  ist.  Jedoch 
soll  nach'  dem  Landrechte  ein  Dienstherr  audh  seinem 
Dienstknechte  wenigstens  drei  Hochzeitstage  frei  geben. 
In  ähnlicher  Weise  wie  hier  im  friesischen  Rechte  wer- 
den Aushialtung  einer  bestimmten,  aber  gegen  die  ursprüng- 
liclie  Dienstdauer  verkürzten  Zeit  und  Stellimg  eines  Er- 
satzmannes dem  heiratslustigen  Dienstboten  zur  Wahl  ge- 
stellt in  der  bamberger  Taxordnung  von  1652*)  und 
in  der  württemberger  Gesindeordnung  aus  demsel- 
ben Jahre  ^).    Fürs  18.  Jhdt.  ist  vornehmlich  die  Polizfei- 
ordntmg  von  Eichstätt  aus  dem  Jahre  1707*)  zu  nen- 
nen.   Nach  ihr  soll  der  Dienstbote  di^  Heiratsabsicht 
zeitig  ankündigen.  Tut  er  dies  bald  nach  dem  Einstände, 
darm  muß  er  dasi  erste  halbe  Jahr  aushalten ;  geschah  die 
Anzeige  nach  dem  ersten   Vierteljahre,   dann  ist  dos 
ganze  Dienstjahr  auszuhalten.  Doch  kann  sich  der  Dienst- 
bote in  beiden  Fällen  durch  Stellung  eines  geeigneten 
Ersatzmannes  befreien.    Fast  dieselbe   Regeltmg  schlug 
1737  ein  ostf riesisCher  Entwurf*)  vor,  nur  daß  ent- 
scheiden sollte,  ob  die  Anzeige  im'  ersten  oder  im  zweiten 
Halbjahre  erstattet  wurde. 

Anderswo  beschränken  sich  die  Gesetzgeber  darauf, 
nur  eins  dieser  Befreiungsmittel  dem  Gesinde  zu  bieten. 
Die  Aushaltung  einer  weiteren  Frist,  und  zwar  des  halben 
Dienst  Jahres,  in  dem  der  Dienstbote  gerade  bei  der  Herr- 
schaft steht,  wird  in  der  Gesindeordmmg  der  Herrschaft 
Gutenburg^)    und    des    schwäbischen    Kreises®), 


*)  Kr.  A.  Bamberg.  Bamberger  Verordnungen.   Rep.  141  Nr.  59. 

—  ')Reyscher,  Gesetze  XIII  S.  lU.   —  ■)  Habeische  Sammlimg. 

—  *)  St.  A.  Aurich.    O.  L.  Polizeisachen   Nr.  8.   —   •)   Gen.  L.  A. 
Karlsruhe.    KopiarbOcher  Nr.  692.  —  •)  St.  A.  Stuttgart.   Druck. 

Könnecke.  43 


—     754    — 

beide  aiis  dem  Jahre  1652,  sowie  in  der  1669  von  sc h  wä 
bischen  Städten  und  Ämtern  vereinbarten  Ordnung' 
den  Dienstboten  vorgeschrieben.  Aus  dem  18.  Jhdt.  k 
eine  Nachricht  aus  Oldenburg  wichtig,  die  1794  de: 
Kanzleiverwalter  BuUing  in  Deedesdorf  der  Regierung 
gab*):  „In  alten  Zeiten",  sagt  er,  „habe  ein  sich  ver 
heiratender  Knecht  das  volle  Jahr  ausdienen  müssen ;  eicc 
Magd  sei  auf  nechsten  Ostern  oder  Michaeli  losgegeben.' 
Die  bayerischen  Gesindeordnungen  von  1755  und 
1761  *)  beschränken  die  Zeit,  die  ein  Dienstbote  noch  im 
Dienste  bleiben  muß,  auf  vier  Wochen.  Sechs  Wocher 
sind  es  nach  den  großen  jülicher  Gesindeordnungen 
von  1801  und  1809*). 

Durch  Stellimg  eines  Ersatzmannes  (xmd  nur  hier- 
durch) erwerben  sich  die  Dienstboten  nach  den  folgen 
den  Rechten  einen  festen  Anspruch  auf  Entlassung  ge- 
genüber der  Herrsdhiaft.    Die  Polizeiordnung  des  Klet- 
gaues  aus  dem  Jahre  1603*)  verlangt  von  den  Dienst- 
boten, daß  der  Ersatz  völlig  genügend  sei;  andernfalls 
ist  die  Lösung  von  dem  Ermessen  der  Herrschaft  ab- 
hängig. Nach  der  schau mburger  Polizeiordnung  von 
1615  *)  darf  der  heiratslustige  Dienstbote  gleichfalls  nicht 
den  Dienst  verlassen,  wenn  er  nicht  der  Herrschaft  einen 
Ersatz  an  seine  Stelle  gestellt  hat.    Ebenso  bestimmen 
die  Ordnung  für  Biberac^h  von  1651'),  die  altbaye 
ri sehen  Gesindeordnungen  von  1654®)  imd  1656'),  im 
18.   Jhdt.   die  Gesindeordnungen  für   Usingen   (unda- 
tiert) lo),  Gotha  und  Altenburg  1719")  und  1744^'/ 

^)  Ebenda.  Handschrift.  —  *)  Haus-  und  Zentralarchiv  Oldenbur;^. 
BII— BVI 8.  Amt  Brake  2-1 A  Nr. 4  Conv.5. — •)Churbayerisches  Intelli- 
genzblatt 1776  Nr.  89;  Kr.  A.München.  GR.  Fasz.  404  Nr.  7,  —  *)  Scotti, 
jQlich  S.880,  1252.  —  *)  Habeische  Sammlung.  -«)RottmannS4^ 
(Kap.  68).  —  ^)  Kr.  A.  Neuburg*  ad  H.  &887.  Augsburg  Hochsdft  ad 
Gencralia  XI  Nr.  2.  —  •)  R.  A.  München.  Gen.-Samml.  Rep.  S  9  Nr.  5. 
—  •)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402.  —  ")  St.  A.  Wiesbaden.  V 
Nassau-Usingen«  Generalla  IIa  Verordnungen  Bd.  V  S.  128.  —  ")  Univ.- 
Bibl.  Marburg.    XVIII  f  A  880.  —  '")  Ebenda.    XVHI  f  B  11191. 


—     755    — 

(diese  fürs  Zwangsgesinde),  Köln  1723^),  Wal  deck 
1736»),  Sc'haumburg  1738»),  Detmold  1752*),  Eise- 
nd ch  1757*),   Osnabrück  1766«). 

Völlig    ablehnend    verhalten    sich  nicht  allzu    viele 
Rechte.  Die  ganz  frühen  bayerischen  Ordnungen  wet- 
tern gar  energisc'h  ge^^en  das  leichtsinnige  „Zusamtoen- 
heiraten**    des    unvermögenden  Gesindes,    so   1553  und 
1616^).   Demigiemäß  erklärt  die  Ordnung  von  1616  »)  Hei- 
ratsabsicht für  keinen  ausreichende  Grund  zu  vorzeitiger 
Dienstbeendigung.   Die  Gesindeordnung  von  1652®)  ver- 
-weist   hierauf.    1654  aber  traten   freiere   Grundsätze    in 
Kraft,  wie  oben  gezeigt  wurde.   Noch  über  das  18.  Jhdt. 
hinaus  «aber  blieben  andere  Staaten  bei  einem  völligen  Ver- 
bote.  Die  clever  Ordnungen  von  1753  und  1769 1^)  be- 
fehlen den  Dienstboten,  ein  Vierteljahr  vor  Dienstendi- 
gxing  der  Herrschaft  die  Heiratsabsicht  mitzuteilen.   Das 
bedeutet  aber  nichts  weiter  als  Aufrechterhaltimg  der  ge- 
wöhnlichen Kündigungsfrist.  Hessen  übernahm  1797  ^^), 
als  es  die  Dienstlösung  durch  Heirat  zuetrst  berücksichtigte, 
Sätze  der  halberstädtisdien  Gesindeordnung  von  1765  ^•). 
In  den  beiden  Ordnungen  von  1797  und  1801  ^*)  wird  be- 
stimmt^*), daß   die  priesterliche  Verbindimg  nicht  vor- 
genommen werden  darf,  ehe  die  Mietzeit  verstrichen,  der 
Herrschaft  ein  Ersatzmann  —  zu  dessen  Annahme  sie 
aber  nur  verpflichtet  ist,  wenn  er  ihr  zusagt  —  gestellt 
oder  die  Parteien  sich  sonstwie  verglichen  haben.   Aber 
es  wird  der  Herrschaft  dabei  anheimgegeben,  daß  sie 

*)  Scotti,  Köln  I  1  S  628.  —  •)  Fürstl.  Reg.  Arolsen.  Alte 
Waldeckische  Verordnungen  (Sammelband). — ')  Landesverordnungen  II 
S.  886.  —  *)  Landesverordnungen  II  S.  47.  —  •)  Kn  A.  München.  G.  R. 
Fasz.  402.  —  «)  Klöntrupp,  Handbuch  II  S.76.  — »)  Platzer  S.  98, 
111.  —  •)  v.  Freyberg,  Pragm.  Gesch.  der  bayr.  Gesetzgebung  II 
S.  186.  —  •)  R.  A.  Mönchen.  Gen.-SammL  Rep.  S.  9  Nr.  6.  —  ")  Scotti, 
Cleve  S.  1462,  1894.  -  ")  LO.  VII  S.  727.  —  »«)  Ober  das  branden- 
burg-preussische  Recht  überhaupt  Lennhoff  S.  101  ff.  —  *»)  LO.  VIII 
S.  26.  —  ")  §  7. 

48* 


—    756    — 

sich  bei  gegründetem  Vorgeben  des  Dienstboten  billig 
solle  befinden  lassen;  ihre  Willkür  freilich  bteibt  es. 

Wie  in  der  Praxis  sidh  die  Parteien  in  der  Frage  ver- 
haken haben,  ist  nidht  weiter  festzustellen.  In  den  los- 
hauser  Registern^)  kommen  einige  Fälle  vor,  daß  ein 
Dienstbote  aus  dem  Dienste  geht,  weil  er  heiraten  wül, 
1697  erfährt  man  von  Marien,  der  Hausmagd:  „Weyl 
Sie  aber  gefreyet  ist  an  deren  statt  Anna  Liss  von  Mengs- 
berg gedinget.**  Anfang  September  1733,  mitten  im  Dienst- 
jahre, heiratet  der  Kutscher;  für  ihn  konmit  ein  anderer. 
Und  1736  auf  Petritag,  also  zu  einer  gebräuc'hlichen  Zieh- 
zeit, begibt  sich  die  Camtner  Jimg^fer  Kimigunde  Menss- 
dorf f  in  in  den  Stand  der  heiligen  Ehe.  Sie  hat  „an  ihre 
Stell  gestellt**  Anna  Liss  Stimimichin;  zwischen  beiden 
erfolgt  eine  Auseinandersetzung.  Nur  der  letzte  Fall 
könnte  zur  Erläuterung  des  damaligen  Zustandes  des 
Volksrechtes  gebraucht  werden.  Hier  ist  von  den  Par- 
teien die  von  so  vielen  Rechten  vorgeschriebene  Art  be- 
obachtet worden,  daß  der  austretende  Dienstbote  einen 
Ersatz  an  seinen  Platz  stellte;  ob  das  freilich  noch  nötig 
war,  da  doch  das  Dienstjahr  sowieso  zu  Ende  zu  sein 
schien,  ist  unklar. 

Was  braucht  es  noch  weiter  hervorgehoben  zu  werden, 
daß  Üie  möglichist  weitgehende)  Freiheit  in  der  Wahl  der 
Heiratsizeit  das  allein  Richtige  ist.  Betont  sei  nur,  daß 
durch  Erschwerung  oder  Verbot  der  Dienstscheidung  auf 
eine  Erhöhung  der  Zahl  der  unehelichen  Geburten  hin- 
gearbeitet, die  äußere  Sittlichkeit  der  Mägde  arg  ge- 
fährdet wird.  Nur  für  die  Zeiten  mit  langen  Kündigungs- 
fristen bedurfte  es  solchfer  Sonderbestimttmngen.  Heute 
würden  sie  kaum'  noch  beschränkte  Bedeutung  haben. 

2.  In  den  goslarer  Statuten  wird  des  Falles  ge- 
dacht, daß  eine  Magd  „in  godeshus  sek  begeve"*).   Das 


')  St.  A.  Marburg.  -  ")  Göschen  S.  91. 


—    757    — 

^vird  der   Heiratsabeicht  gleichgestellt;   die   Magd  kann 

^xis  dem  Dienste  gehen  und  erhält  soviel  Lohn,  als  sie 

^ixiient  hat. 

3.    Der  Sachsenspiegel  macht  im  33.  Kap.  des 
2.  Buches  die  Übernahme  einer  Vormundschaft 

-dxirch  den  Knecht  zu  einem  Grund  vorzeitiger  Dienstbe- 
endigung;  dem  Walten  über  das  WoM  des  Mündels  ist 
<iie  Dienststellung  hinderli<^h.  All  die  großen  niederdeut- 
scliien  Stadtrechte,  Hamburg,  Lübeck,  Stade  usw.  folgen 
ilxm  hierin^).  In  der  späteren  Zeit  des  polizeilichen  Ge- 
sinderechtes verschwindet  der  Rechtssatz;  voller  Gelehr- 
sajtnkeit  geht  Dorn*)  noch  einmal  auf  das  veraltete  In- 
stitut ein. 

Für  die  Dienstbeendigung 

4.  durch  Eintritt  ins  Heer, 

5.  dur<^h  Erkrankung  des  Gesindes 
Avurde  oben  in  anderm  Zusammenhange  ^)  eine  Darstellung 
des  Redites  gegeben;  eine  Verweisung  genügt  hier. 

6.  Die  bloße  Feststellung,  daß  der  Tod  des  Ge- 
sindes ein  Endigungsgnmd  für  den  Dienst  sei,  wird  ihrer 
Überflüssigkeit  überhoben  durch  den  Hinweis  auf  die 
Lohnregulierung,  die  mit  dem  Todesfalle  nötig  wird*). 
Schon  der  Sachsenspiegel  gedachte  dessen.  Den 
Erben  des  toten  Dienstboten  wird  laut  I  22  nur  soviel  aus- 
bezahlt, als  wirklich  verdient  ist.  Zuviel  erhaltenen  Lohn 
brauc'hen  die  Erben  nicht  herauszugeben,  wie  z.  B.  Sach- 
senspiegel und  hamburger  Recht  festsetzen.  Diese  Be- 
stimmungen übernahmen  viele  andere  gleichzeitige 
Rechte*^).    Aus  neuer  Zeit  sind  die  jülicher  Gesinde- 


*)  Ausreichende  Übersicht  bei  Hertz  S.  70,  71.  —  ")  S.  102.  — 
*)  Oben  §  2  S.  879  ff.;  §  11  S.  698  ff.  -  *)  Fürsorge  der  Herrschaft 
für  die  letzten  Stunden  des  Gesindes  oben  S.  687;  ebenda  Anm.  über 
Tod  des  Gesindes  als  gerichtliche  Notsache.  —  *)  Übersicht  bei  Hertz 
S.  64,  65.  —  Die  Bestimmung  des  west  er  wo  Id  er  Rechtes  XI  4 
(v.  Rieht  ho  fen,  Rechtsquellen  S.  269)  ist  wohl  ebenso  zu  verstehen. 


—     758     - 

Ordnungen  von  1801  und  1809*)  sowie  die  badische 
von  1809*)  zu  nennen;  die  Zwischenzeit  gab  sich  zuviel 
mit  der  polizeilichen  Regelung  ab,  als  daß  solche  zivil- 
rec'htlichen  Bestinmiungen,  die  sich  zudem  teilweise  aus 
allgemeineren  ReChtssätzen  ergaben,  Berücksichtigung: 
hätten  finden  können.  Die  jülicher  Ordnungen  setzen 
fest,  daß  der  Lohn  bis  zum  Sterbetage  ausbezahlt  werden 
isoU,  falls  der  Dienstbote  vorher  nicht  über  10  (1801: 
8 — 10)  Tage  krank  war;  andern  Falls  erhalten  die  Erben 
nur  soviel  Lohn,  als  mit  Beginn  der  Krankheit  verdient 
war.  Die  badische  Ordnung  spricht  den  Erben  den  tat- 
sächlich verdienten  Lohn  zu;  Begräbniskosten  braucht 
die  Herrschaft  nicht  zu  zahlen. 

7.  Die  eben  angeführten  Gesetze  sind  wieder  fast 
die  einzigen,  die  auch  eine  Regelung  der  durch  Tod  der 
Herrschaft  geschaffenen  Verhältnisse  enthalten.  Aus 
der  Erbschaft  sollen  vor  allen  andern  die  Dienstboten 
befriedigt  werden,  setzt  der  Sachsenspiegel')  fest. 
Weiter  wird  ihnen  das  Recht  des  Dreißigsten  zugebilligt, 
„daz  sie  sich  mugen  bestaten".  Auf  Wunsch  des  Herrn 
aber  müssen  sie  noch  über  die  dreißig  Tage  der  Toten- 
ruhe hinaus  im  Dienste  bleiben.  Zuviel  erhaltenen  Lohn 
brauchen  sie  nicht  wieder  herauszugeben.  Dies  Recht 
kehrt  in  sehr  vielen  Quellen  des   Mittelalters  wieder*). 

Auf  dem  weiten  Wege  bis  zum  Ende  des  18.  und 
Beginne  des  19.  Jhdts.  nahmen  diese  Bestimmungen  teil- 
weise andere  Gestalt  an. 

In  Oldenburg  war  es  1794*)  Sitte,  daß  bei  Auf- 
hören der  Haushaltung  das  laufende  halbe  Jahr  ausbe- 
zahlt wurde.    Die  beiden  jü lieber  und  die  badische 


»)  Scott i,  Jülich  S.  880,  1252.  -  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Pro- 
vinz Niederrhein.  Gesindepolizei.  Lit  B.  Nr.  1.  1755-1809  (IV  9). 
—  »)  I  22.  —  *)  Hertz  S.  66,  66;  Homeyer,  Der  Dreissigste  (Abh. 
d.  berl.  Ak.  phiL-hist.  1864),  oben  S.  7.  —  ^)  Haus-  und  Zentralarchiv 
Oldenburg.    B  II-B  VI  8  Amt  Brake  2  I  A  Nr.  4  conv.  5. 


—     759    — 

Gesindeordnung  aus  dem  ersten  Jahrzehnt  des  19.  Jhdts., 
die  vollständigsten  Ordnxingen,  die  es  gibt,  haben  folgende 
Regelung.  Die  jülicher  Ordnungen  behalten  das  alte  Recht 
des    Dreißigsten  bei,   gestalten  es  sogar  teilweise  noch 
günstiger  fürs  Gesinde.  1801  heißt  eis  in  Art.  14 :  „Stirbt 
aber  die  Herrschiait,  so  dass  die  Haushaltung  von  den 
Erben  nidht  fortgesetzt  werde,  so  sind  die  Erben  schuldig, 
da.s  Gesinde,  in  so  lange  sie  demselben  keinen  eben  so 
anständigen  Dienst  anderwärts  verschaffen  würden,  län- 
ger doch  nie  als  6  Wochen  noch  zu  beköstigen,  und  ihm 
auch  dafür  den  Lohn  zu  entrichten."    Etwas  anders  ist 
die  Regelung  1809  ^).  Den  Lohn  bis  zur  Sterbezeit  müssen 
die  Erben  zahlen;  sie  müssen  ferner  den  Dienstboten  bis 
zum  Ablauf  Ües  Quartals  beköstigen  (also  ohne  Lohn), 
-wenn  er  nicht  vorher  einen  andern   Dienst  bekommen 
kann. 

Kompliziertere  Unterscheidungen  macht  die  badi- 
sche  Gesindeordnung  in  §§  40  und  42.  Stirbt  der  Herr 
vor  Ablauf  der  gewöhnlichen  Kündigungsfrist,  dann  ist 
der  Lohn  bis  zum  Ende  des  laufenden  Quartals  zu  zahlen. 
Wenn  der  Tod  nach  Ablauf  der  Kündigungsfrist  für 
das  laufende  Vierteljahr  eintritt,  und  die  Erben  den  Dienst- 
boten nicht  mehr  behalten  wollen,  dann  hat  er  Anspruch 
auf  Lohn  und  Kost  des  laufenden  und  auf  den  Lohn 
des  folgenden  Quartals;  jedoch  nur  imter  den  Voraus- 
setzungen, daß  ein  neuer  Dienst  nicht  gleich  zu  bekommen 
ist,  ^oder  sonst  nach  den  Gesetzen  und  der  Natur  des 
einzelnen  Vertrags,  nicht  ein  anderes  vom  Richter  zu 
Recht  erkannt  wird*'.  Mutatis  mutandis  gilt  das  alles 
auch,  wenn  auf  kürzere  Frist,  nur  monatsweise  gemietet 
worden  ist.  Statt  des  Dreißigsten  setzt  der  Code  civil') 
die  Inventar-  und  Bedenkfrist  als  die  Zeit  fest,  innerhalb 
deren  die  Witwe  sich  und  das  Gesinde  „mod^r^ment** 
zu  Lasten  des  Nachlasses  verköstigen  darf. 
')  Art  21.  -  »)  Art.  1465. 


—     760    — 

8.  Daß  der  Dienst  durch  Konkurs  der  Her: 
Schaft  geendigt  wird,  findet  sich  ausdrücklich  nur  selte 
ausgesprochen.  Was  dabei  mit  besonderer  Vorliebe  und 
Ausführhchkeit  aber  imlmier  wieder  behandelt  wird,  is: 
das  allgemein-deutsche  Recht  des  Gesindes  auf  Vorzugs 
weise  Befriedigung. 

Nicht  nur  im  Konkurse,  sondern  auch  für  die  bloße 
Pfändung  erhielt  der  Dienstbote  ein  Vorzugsrecht.  So 
wird  1552  in  Botwar^)  bestimmt:  „Hette  aber  der 
Schuldner  (der  Dienstherr)  nitt  Gellt,  so  soll  er  dem  Lid 
lohner  oder  Ehehallten  an  Lidion  geben  der  besten 
Pfandt,  die  er  wol  treiben  und  tragen  mag,  und  darauf/ 
seins  Lidlohns,  mit  sampt  dem  Schaden  wol  bekhommei: 
möge  .  .  .**. 

Für  das  Konkurs vorreCht  gibt  Dorn')  eine  histch 
risch  ziemlich  weit  zurückreichende  und  vollständige  Über- 
sicht ;  für  die  älteste  Zeit  teilt  Herz')  das  Nötigste  mit. 

Nur  eine  zusamimenfassende  Darstellung  der  hessi- 
schen Entwicklung  sei  daher  hier  gegeben.  Zuerst  be- 
handelte die  Gerichtsordnung  von  1497  *)  die  Frage.  Dies 
ist  der  Wortlaut,  soweit  er  hier  heranzuziehen  ist:  J^^o^ 
Volnstreckung  der  urteil.  —  Einen  ieden  gebrötten  dienst- 
botten,  sol  umb  seinen  verdienten  lidlon  axiff  erscheinung 
der  zeit  seins  dinstes,  und  sein  anruffen  diu-dh  den  richter 
mit  verhörung  seins  herren  oder  frawen,  so  solcher  lidlon 
nit  in  spenne  erscheint,  von  stimd  an  zu  aussrichtung 
unnd  bezalung  des  selben  verholffen  werden,  imverhindert 
einig  behlelfs  seiner  herschafft,  und  es  soll  und  mag  auci 
der  Richter  darumb  pfenden  so  vil  Volzihung  vornemen, 
damit  dem  dinstbotten  sein  bezalung  nit  verzogen  werde, 
sonder  entüdh  geschehe.  Wo  aber  mercklich  gespem* 
oder  immg  zwischen  jne  erschiene.  So  sol  dem,  o^^ 
den  selben  zu  seiner  herrschafft  auff  sein  erstliche  g^' 

*)Reyscher,  Statutarrechte  S.  484  0*.,  bes.  488.  — »)  S.*^^^* 
—  •)  S.  91.  —  *)  LO.  I  S.  16;  oben  S.  89. 


—    761     — 

rechtliche  Ladtuig  mit  rechtlichem  entscheid,  darumb  ver- 
bolffen  worden,  imd  was  dann  der  dienstbot,  der  mass 
in  Recht  erlangt,  Darumb  sol  auch  ie  zu  zeiten  der  Rich- 
ter ferrer  verhielffen  als  vor  begriffen  ist,  und  der  Dienst- 
bott  soll  auch  mit  sollicher  entrichtung  seines  lidlons  den 
Vorgang  haben  vor  andern  personlichen  schulden,  so  sein 
herrschaft  schuldig  were.  Doch  unschädlich  den  sie  dar- 
vor  TU  Steiner  herrsc'hafft  mit  Recht  erlangt  und  erstanden, 
oder  älter  einsetzung,  oder  Verpfandung  hetten/* 

Eine  merkliche  Verschlechtenmg,  wie  es  sehr  viel  in 
Deutsdhland  geschah^),  erlitt  das  Recht  im  Laufe  der 
Zeit.  Nach  einem'  Urteil  der  gelehrten  marburger  Jurisien- 
fakultät vom  15.  Januar  1734*)  sollte  zwar  noch  das  alte 
günstige  Recht  gelten.  Die  Reihenfolge  war  nämlich  die : 
1.  Die  gemeiner  Stadt  restirende  Contribution  und  andere 
onera  publida,  worunter  mitverstanden  wird,  Steiuer,  Ge- 
schoß, Erbzinsen  imd  dergleichen.  2.  Dero  Dienerund 
Gesinde  Mieth'lohns,  wan  soldhes  eydlich  bestärcket 
wird.  3.  Die  Ehefrau  ratione  illatorum.  4.  Die  Kirche 
imd  Hospital.  5.  Die  gerichtlichen  Obligationes.  6.  Die 
Privatschieine. 

Doch  die  harte  Praxis  der  Gesetzgebung  kehrte  sich 
nicht  daran,  sondern  erließ  am  9.  September  1751  das 
folgende  Ausschreiben^),  „die  Classification  des  Lied- 
lohnsdes  Gesindes  bey  entstehenden  Concursen  betr. 
Nachdem'  bey  denen  entstandenen  Concursen  wegen  des 
rückständigen  Liedlohns  des  Gesindes  verschiedentlich 
Zweiffei  entstanden,  in  was  vor  eine  Classe  sothane  Dienst- 
botten  mit   ihrem   Lohn  zu  setzen,  und  dahero   Unsers 


')  Dom  S.  498.  —  ')  St.  A,  Marburg.  Sammelhandschrift  des 
Witeenhfluser  Stadtarchivs  „Schatzkammer"  S.  876.  —  •)  LO.  V  26. 
St.  A.  Marburg.  Akte  des  Geh.  Rats  Lit.  C.  Nr.  28,  Verordnung  den 
Gesindelohn  im  Konkurs,  von  1760,  betr.  Akte  der  cass.  Reg.,  das 
von  der  Cantzley  zu  Rotenburg  über  die  Gerichtsordnung  von  1497 
geäusserte  Bedenken,  1767. 


—    762    - 

Gnädigsten  Fürsten  und  Herrn  Hochfürstl.  Durchlauck 
7M  Vorkommung  alles  Zweiffels  Gnädigst  befohlen  haben^ 
dass,  wann  in  Zukunft  ein  Conctirs  entstehet,  das  Gesinde- 
Lohn  von  denen  zwey  letzten  Jahren  in  die  erste  Classe 
zwar  mitgesetzt,  wegen  desjenigen  aber,  was  noch  weiter 
als  rückständig  angegeben  wird,  denen  Dienstbotten  ihr 
Platz  unter  Chirographarios  angewiesen  werden  solle: 
So  wird  Euch  auch  solches  zur  Nachricht  und  Ach- 
tung hiermit  bekandt  gemacht  und  befohlen,  vors  künf- 
tige das  Vorrugs-'Rec'ht  wegen  des  Gesinde-Lohnes  nicht 
weiter  zu  erstrecken.** 

Audh  die  1770  zur  Abkürzung  der  Prozesse  geschaf- 
fene Verordnung^)  erklärt  nur  den  „zwey jährigen  Ge- 
sindlohn"  als  bevorzugte  (mit  singulari  praelationis  pri- 
vilegio  versehene)  Konkursforderung;  sie  soll  „nicht  weiter 
ad  protoc'oUum;  liquidiret,  viel  weniger  deren  Bezahlung 
bis  zur  Endsc^hafft  des  Prozesses  ausgesetzt**,  sondern 
gleich  bezahlt  werden. 

Aus  Akten  des  dasseler  Oberappellationsgerichts  aus 
dem  Jahre  1770*)  ergibt  siöh,  daß  die  Rechtsgelehrten 
über  die  Stellimg  der  Zinsen  des  Gesindelohnes 
im:  Konkurse  im  Streite  waren.  Der  Kläger  scheint  in  der 
Vorinstanz  abgewiesen  worden  zu  sein,  weil  er  Zinsen  ge- 
fordert hat.  Er  gibt  den  Fehler  zu  und  sagt,  das  habe 
sein  Anwalt  ohne  sein  Wissen  getan,  „wobey  noch  zu 
gedencken,  dass  die  Meinung  derer  Rechtsgelehrten, 
welche  denen  Dienstboten,  insofern  sie  sich  von  ihrem 
Liedlohn  Zinsen  stipuliren,  dadurch  ihres  Vorzugsrechts 
verlustig  erklärt  wissen  wollen,  kein  Gesetz  ausmacht  und 
solche  in  hiesigem  provincial  Recht  nicht  einmal  reci- 
pirt  ist,  sondern  hierinnen  ohne  alle  restriction  und  Aus- 
nahme dem  Liedlohn  von  denen  beyden  letzteren  Jahren 
der  oft  gedachte  favor  beygeleget**. 

»)  LO.  VI  S.  578,  581.  -  *)  St.  A.  Marburg.  In  Sachen  Dörr' 
Löwen steinsche  Konkursmasse. 


—     763     — 

Eine  weitere  Streitfrage  wurde  1781  von  der  Regie- 
rung in  Cassel  erörtert  *).  Es  handelt  sidh  darum;  ob  auch 
das  frühere,  zur  Zeit  des  Konkursausbruches  nicht  mehr  im 
Dienste  befindliche  Gesinde,  des  Vorzuges  genießen  soll. 
Auf  Ersuchen  des  Geh.  Rats,  an  den  sich  die  Regierung 
in  Marburg  zur  Entscheidung  wegen  Uneinigkeit  ihrer 
Mitglieder  gewendet  hatte,  gab  die  Regierung  in  Cassel 
ein   Gutac'hten  ab,  dessen  wesentliche  Stelle  so  lautet: 

Es  „pflegft  zwar,  wo  nicht  ein  anderes  verordnet  oder 
hergebracht  ist,  selbst  denen  Dienstbothen,  welche  zur 
Zeit  des  ausgebrochenen  Concurses  nicht  mehr  an  des 
genüeinschaftl.  Schuldners  Brod  gewesen,  das  Vorzugs- 
recht des   Liedlohns  zugestanden  zu  werden Wie 

jedoch  der  möglichst  aufrecht  zu  erhaltende  Credit  der 
geridhtl.  Pfand  Verschreibungen  es  erfordert,  dergl.  Vor- 
zugs Rechte,  soweit  dieses  ohne  Unbilligkeit  geschehen 
kan,  einzuschränken,  und  ein  Dienstbote  es  sich  selbst 
beyzumessen  hat,  wenn  er  ohne  seinen  Lohn  sofort  ein- 
zuklagen aus  dem  Dienst  gehet ;  so  kan  er  sich  mit  Grund 
nicht  beschwehren,  wenn  ihm  in  einem  solchen  Fall  so- 
thanes  Vorzugsrecht  nicht  angedeyhet,  wie  denn  deshalb 
in  denen  Königl.  Preussischen  Landen  ausdrücklich  ver- 
ordnet ist,  dass  nur  diejenige  Dienstbothen,  welche  zur 
Zeit  des  Absterbens  oder  entstandenen  Falliments  würck- 
lich  in  des  Schuldners  Brod  sich  befinden,  oder  sogleich, 
als  sie  aus  dem  Dienst  getreten,  wegen  des  rückständigen 
Lohns  geklaget  haben,  mit  diesem  von  denen  letzteren 
2.  Jahren   vorzüglich  befriediget  werden  sollen". 

Von  hessischen  Nebenländern  kam,  soweit  sich  nach- 
weisen ließ,  nur  Fulda  1758  in  einer  Konkursordnung ^) 
zur  landesgesetzlichen  Festsetzung  des  Vorrechtes  für  den 
Dienstlohn.  Der  aus  dem  letzten  Jahre  fällige  Lidlohn 
steht  in  der  ersten  Klasse  an  fünfter  Stelle.   Der  frühere 

*)  St  A.  Marburg.  Geh.  Rats-Akten  Lit.  C.  Nr.  28,  die  Verord- 
nung von  1750  (1761)  betr.  —  •)  Sammlung  der  cass.  Regierung  IV  S.465w 


—    764    — 

Lohn  wird  ad  dassem  Chyrographorum  verwiesen.  I>^ 
Forderiingfen  der  Dienstboten  sollen  tunlidlist  schlsmüi 
befriedig,  säumige  Schuldner  mit  Zwangsmitteln  zur  Zah 
lung  angehalten  werden,  „d^mit  die  soldhergestalten  br 
dürfftige  Leuthe  nicht  gleichsam  geflissentlicher  weiss  k 
Schaden  versetzet,  oder  gar  des  ihrigen  Verlustiget  werdet 
mögten**.  Auch  1790  bestand  nach  Mitteilimg  Thomas'^ 
das  Vorzugspfandrecht  der  Lohnforderung. 

Die  schaumburger  Polizeiordnüng  von  1615  b^ 
stimimt  nichts  ausdrücklich  über  das  Vorrecht  der  Dienst- 
boten. In  Kap.  30  *)  wird  auf  „hin  und  wider**  zu  findendes 
verwiesen,  wie  es  scheint,  auf  die  Regel  des  allgemeinen 
Rechts.  Rottmann^)  setzt  denn  auch  den  Lohn  in  die 
erste  Gläubigerklasse  und  macht  imter  Berufung  auf  die 
mamügfachsten  gelehrten  Schriftsteller  noch  eingehende 
Ausführungen  über  allerlei  dabei  in  Betracht  kommende 
Fragen.  Am  wichtigsten  ist  folgende  Bemerkung  Rott- 
manns aus  der  Praxis:  „Dahero  bey  denen  Gerichten 
pfleget  gesprochen  zu  werden :  Daß,  wenn  zufor- 
dlerst  das  Gesinde-Lohn  bezahlet,  alsdann 
folgende  Ordnung  unter  denen  Creditoren 
2U  halten  sey  .  .  .  **  usw.  So  wie  es  Rottmann 
mitteilt,  scheint  dies  zu  seinen  Zeiten  ständige  Gerichts- 
formel gewesen  zu  sein. 

Anhangsweise  seien  aus  rechtspsychologischem  In- 
teresse noch  die  folgenden  Betrachtungen  über  die  Stel- 
lung der  Lohnforderung  der  Dienstboten  im  Konkurse 
mitgeteilt.  Sie  stammen  aus  einer  Zeit,  die  sich  über  die 
Gründe  der  eigenartigen  Bevorzugung  des  Gesindes  erst 
von  neuem  klar  werden  mußte.  Es  handelt  sich  um  ein 
„Unvorgreifliches  Project**  eines  nicht  genannten  Juristen 
zu  einer  ei<^hstädtischen  Ordmmg  der  Schulden- 
zahlung vom  19.  August  1677  *).     Der  Verfasser  des  Ent- 

»)  Sistem  III  §  556;  oben  S.  182.  -  *)  Rottmann  S.  Sli. - 
*)  S.  818.  —  *)  Habeische  Sammlung. 


—    765     - 

Wurfes  geht  davon  aus,  daß  in  Bayern  die  Lidlöhne  gleich 
nach  den  „Leicht-  und  Begräbnüss  Kosten",  in  Sachsen 
sogar  vor  ihnen  gezahlt  werden,  daß  eine  solche  Regelung 
freilich  nicht  mit  dem  „gemeinen  Recht"  verträglich  sei. 
In  Eichstädt  wurde  aus  diesem  Gründe  den  „LiedlöhnerÄ" 
nur  ein  Personalprivileg  zugestanden;  d.  h.  sie  wtirden 
erst  hinter  den  real  gesicherten  (Hypotheken-  usw.)  Schul- 
den befriedigt. 

„Nachdem  aber  die  Erfahrenheit  zu  erkennen  gibt,, 
dass  die  Liedlöhner  fast  in  allen  ausgangenen)^  wohl 
erwogenen,  und  geordneten  Landrechten  vor  anderen 
Praetensionibus  in  consideration  gezogen  worden,  und  dem 
gemeinen  Weesen  viell  daran  gelegen,  dass  man  gute 
vertraute,  arbeitsame  Mägd,  Knecht  und  Taglöhner  auff- 
treiben  möge,  daran  vorab  jeziger  Zeit  grosser  Mangle 
und  noch  grösserer  Abgang,  imd  weniger  Treue. zu  be- 
fahren seyn  würde,  wann  dieselbe  sich  sonderlich  bey  dem 
armen  Bauern  Mann  (da  sein  Vermögen,  wie  leider  mehr 
mahlen  beschiehet,  auff  die  Hand  geschlagen  wird)  kei- 
nes besonderen  Vorzuges  zu  getrösten  haben  sollte,  da- 
nebens  ja  die  Höchste  Ohnbilligkeit  wäre,  da  die  arme 
Mägd,  Knecht,  Taglöhner,  und  dergleichen  gesind  bey 
ihrer  anwesenden  so  harten  und  saueren  Arbeith,  erst 
in  Gefahr  das  in  dem  Schweiss  ihres  Angesichts  ver- 
dienten Liedlohns  stehen  sollten,  da  sie  doch  das  ganze 
Haus,  und  Bauern  weesen  meistens  erhalten  helfen,  und 
eine  Ursach  seynd,  dass  die  Herrschafft  und  andere  Cre- 
ditores  hernach  zu  ihrer  Schuldigkeit  desto  füeglicher,^ 
und  richtiger  kommen  mögen,  zumalen  die  Erfahrung 
selbst  lehret,  dass  ohne  die  Knecht,  Mägd,  imd  dergleichen 
Dienstleut  die  Feidung  nit  in  Bau  gebracht,  noch  zu  Dorf 
erhalten  werden  können,  so  wäre  ich  der  ohnvergreiflichen 
Meinung,  es  mögten  Ihro  Hochfürstl.  Gnaden  das  Gut- 
achten auch  auff  die  Stell  eingerichtet,  jedoch  nit  sa 
gar  extendirt,  sondern  allein  auff  solche  Ehehalten  Dienst- 


—     766     - 

botten,  und  Tagfwerker  gezogen  werden,  die  würcklid 
bey  dem  Debitore  in  Diensten  gewesen,  oder  von  ihme  ge 
weisset  worden,  und  sich  um'  einen  bedüngten  gewiesss 
Lohn  zu  Dorf,  und  Feld  gebrauchen  lassen,  nit  abe 
s&gar  auff  Schmid,  Wiagner,  und  andere  dergleiche: 
Hanidwercker  erstrecket  werden,  welchen  zwahr  in  it 
in  quam  operas  has  impenderunt,  tacita  Hypotheca  ge 
stattet  werden  mögte,  cum  ex  harum  rerum*,  quasi  lestat 
ratores,  et  ctonservatores  esse  oenseantur  .  .  .,  worunier 
aber  diejenige  Handwercker  nit  zu  rechnen,  welche  neber 
ihrer  angewendeten  arbeit  die  Materi  selbst  hergeben . 
Innmassen  dann  auch  die  abgesezte  obgebrödte  ehehal 
ten  vel  operarii  qui  in  aedibus  Domini  morantur,  dbc 
ipsius  fruuntur  derta  meroede,  vel  in  singrulos  dies,  Sepn 
manas,  Menses,  aut  annos  constituta  diese  ihre  praerc- 
^tiv  verliehen,  wann  sie  dem  Herrn,  oder  Banren  da 
verdienten  Lohn  um  Zünss  in  Händen  lassen,  cum  iure 
etiam  alias  ustiras  seu  interesse  decipientibus  eiusmod: 
Privilegia   denegare  soleant." 

Dem  entspricht  es,  wenn  in  der  Reihenfolge  der  Gläu 
biger  der  Liedlohn  zu  viert  steht ;  nur  von  Gerichtskosien. 
Depositenforderungen,  Begräbniskosten  braucht  er  sich 
einen  Vorrang  gefallen  zu  lassen. 


$  13.  Vertragsbruch  des  Gesindes. 
Anhang:  Das  Koalitionsverbot 

Bei  der  willkürlichen  grundlosen  Dienstauflösung  ^' 
ben  Recht  und  Wirtschaft  von  je  unterschieden,  ob  der 
Dienstbote  wegläuft,  oder  ob  die  Herrschaft  ihn  fortjap, 
ehe  die  Zeit  gekommen.  Während  der  Vertragsbruch  d^ 
Herrschaft,  wie  uns  heute  als  das  natürliche  dünkt,  fast 
ausnahmslos  nur  eines  zivilrechtlichen  Ausgleiches  teil- 
haftig wurde,  zeigt  sich  fast  überall  schon  in  früher  Zeit 


-     767     — 

eine  besondere  polizeiliche  Behandlung  und  eine  Härte 
in  der  Bestrafung  Vertragsbrüchiger  Dienstboten.  Daß 
diese  Auffassung  von  der  grundsätzlich  verschiedenen  Be- 
handltuig  der  beiden  Parteien  auch  heute  noch  die  ge- 
wöhnliche ist,  äußert  sich  in  dem  Gebrauche  des  Wortes 
,j Vertragsbruch**.  Stets  denkt  man  in  erster  Linie  dabei 
an  das  Entlaufen  der  Dienstboten;  die  neue  Sammlung 
von  Ehrenberg  z.  B.  spricht  von  „Kontraktbruch  in 
ländlichen  Arbeitsverhältnissen**,  tmd  behandelt  trotz  die- 
ses paritätischen  Titels  den  herrschaftlichen  Vertragsbruch 
überhaupt  nicht. 

Woher  solche  Selbstverständlichkeit?  Es  sind  die 
schon  oft  genannten  Gründe,  zusammen  mit  neuen,  ihnen 
innerlich  verbundenen.  Keinem  Zweifel  unterliegt,  daß 
die  Vertragsbrüche  des  Gesindes  an  Zahl  überwiegen  und 
wohl  früher  auch  überwogen  haben.  Hauptsächlich  kommt 
das  Auffällige  bei  der  Überzahl  der  Vertragsbrüche  beim 
Gesinde  daher,  daß  die  Herrschaften  sich  zehnmal  be- 
sinnen, ehe  sie  einen  Vertragsbruch  begehen  und  Dienst- 
boten ohne  Veranlassung  wegschicken.  Sie  sind  froh, 
daß  sie  bei  dem  Gesindemangel,  über  den  sie  ja  immer- 
zu jammern,  einen  Dienstboten  glücklich  im  Hause  haben. 
Nur  unter  ausnahmsweisen  Umständen  möchten  sie  ihn 
einmal  gerne  los  sein,  etwa  wenn  eine  längere  Reise  unter- 
nommen werden  soll,  oder  sich  ein  billigerer  Diener  an- 
bietet. Und  wo  die  Herrschaften  einen  Dienstboten  ein- 
mal zu  Unrecht  wegschicken,  sind  sie  mit  ihrem  festen 
Wohnsitz  leichter  für  die  verfolgende  Behörde  zu  er- 
reichen als  die  Dienstboten,  denen  das  Fluktuieren  hier- 
hin und  dorthin  und  das  Verschwinden  viel  leichter  ist. 
Gewiß  ist  auch  der  Schaden,  den  ein  Dienstherr  durch 
das  Weglaufen  seines  Gesindes  erfährt,  empfindlicher  als 
der  Nachteil,  den  ein  Dienstbote  infolge  des  Vertrags- 
bruches seiner  Herrschaft  erfährt;  nach  der  stets  herr- 
schenden Ansicht  können  eher  hundert  Dienstboten  in 


-     768    — 

Stellungen  kommen,  als  hundert  Herrschaften  einea 
Dienstboten  finden. 

Einen  Grund  (aber  nur  einen)  mag  maji  aud 
in  der  moralischien  Verfassung  des  Dienstbotendurct 
Schnitts  Stichen,  oder  in  des  Gesindes  „Unbildung".  Es 
gefällt  ihm  nicjit  im  gegenwärtigen  Dienste,  sie  träumes 
sich  goldene  Berge  von  einem  andern  Hause;  sie  freuen 
sich  auf  den  neuen  Mietsthaler,  den  es  gibt,  während 
der  alte  Dienst  ohhe  solche  Reize  dahinläuft,  und  sie 
können  sich  nicht  denken,  daß  das  Leben  überall  mir.- 
destens  auf  Leistung  und  Gegenleistung  beruht. 

Dann  mtiß  noch  auf  eines  nachdrücklich  hingewie- 
sen werden.  Die  Herrschaften  verfügen  über  das  Sprach- 
rohr der  ihnen  sozial  gleich  empfindenden  Regierungs- 
beamten,  die  ihnen  (imd  damit  sich  selbst)  die  Gesinde- 
gesetze zu  Willen  machen.  Diejenigen,  die  in  früheren 
Zeiten  sich  niit  dem  Gesindewesen  in  der  Öffentlichkeit 
schriftstellerisch  beschäftigten,  gehörten  (von  unbedeuten- 
den Ausnahmen  abgesehen)  dem  „Herrschafts**-Stande  an 
und  vermochten  kaum,  in  die  Seele  der  Dienenden  ein- 
zudringen, aus  Ungeschick  oder  aus  Egoismus.  Die  Mei- 
nung der  organisierten  und  der  unorganisierten  Öffent- 
lichkeit ist  dem  Gesinde  feindlich  gesinnt.  Und  wo  sie 
nicht  entstellt,  da  imterstreicht  sie  wenigstens  alles  Un- 
günstige, was  über  die  Dienstboten  zu  vermelden  ist.  So 
erklärt  sich  nun  Teil  auch  die  Selbstverständhchkeit,  mit 
der  man  die  verschiedenartige  Behandlung  der  beiden 
Vertragsteile  von  Gesetzes  wegen  für  gerecht  erklärt. 

Stützen  konnten  sich  die  Geseitzesverfasser  schließ- 
lich bei  ihrer  Tätigkeit  noch  axif  den  redn  juristischen 
Grund,  daß  der  Dienstbote  verpflichtet  ist.  „die  zceit" 
zu  dienen  *).  Eine  Nichtleistung  eines  Teiles  der  Dienste 
bedeutet  sofort  die  Unmöglichkeit  der  Erfüllung  für  diese 


^)  Löning  S.  461  ff.;  oben  S.  25 ff. 


—     769    — 

Reihe  Dienstleistungen.  Eine  nachträgliche  Erfüllung 
dieser  Dienste  ist  ausgeschlossen,  da  sie  unabänderlich 
an  die  Zeit  geknüpft  ist,  anders  als  es  bei  den  meisten 
Verpflichtungen  der  Herrschaft  ist,  soweit  diese  aus  realer 
Gegenleistung  bestehen. 

Ein  schärferes  Vorgehen  wider  die  Vertragsuntreue 
des  Gesindes  konnte  so  wenigstens  zu  rechtfertigen  ver- 
sucht, wenn  auch  nicht  vollständig  und  ausschließlich 
erklärt  werden. 

Der  Mittel,   die  gegen  den  Vertragsbruch  des  Ge- 
sindes kämpfen,  sind  zwei  Arten  zu  nennen,  die  Strafe 
als  Radikalmittel  und  einzelne  mildere,  vornehmlic'h  Vor- 
beugungsmaßregeln,  die  einige  Gesindeordnungen  kennen. 
Von    Kampfesmitteln,    die    von  Verwendung   einer 
Strafe  absehen,  gehört  einmal  die  Bestimmimg  hier- 
her,  wonach  sich  die  neu  mietende  Herrschaft  bei  der 
vorigen  nach  der  ordnungsgemäßen  Dienstbe- 
endigung   zu    erkundigen  hat*):    Einersheim! 
1626«),     Regensburg     1656»),     Cleve     1644    §    3, 
1696*),   Köln   1538,   1595  §  24,   1645  Art.   5,   1723  Tit. 
28^),  Alten  bürg  1744*).    Ähnliches,  nämlich  Vermie- 
tung immer  nur  nach  geschehener  Kündigung,  sollte  bei 
der   Redaktion  der  hessischen  Gesindeordnung  von 
1801  nach'  Vorschlag  einiger  Gutachter  dadurch  erreicht 
werden,  daß  die  Abschiede  in  Zukunft  nicht  erst  beim 
faktischen  Dienstantritt,  sondern  schon  bei  der  Kündigung 
zu  erteilen  seien  ^).    Dieser  unpraktische  Gedanke  v/urde 
aber  nicht   verwirklicht.    Neben  der  Ausgestaltung  des 
Zeugniswesens  ^)  konnte  die  Einrichtung  herrschaftlicher 
Erkimdigung  keine  allzu  große  Wichtigkeit  erlangen. 
Ein  anderes  Mittel  auch  zur  Bekämpfung  des  Ver- 


')  Oben  S.  469.  —  •)  v.  Weber,  Statutarrechte  II  S.  1104.  - 
»)  Ebenda  V  S.  85.  —  *)  Scotti,  Qeve  S.  260,  690.  —  •)  Scotti, 
Köln  1 1,  S.  60, 166, 249, 628.-  •)  Univ..Bibl.  Marburg.  XVIIl  f  B 1119  g.  — 
')  Oben  S.  109,  112.  —  •)  Unten  §  16. 

KSnnecke.  ^9 


—     770     — 

tragsbruches  bildete  das  an  anderer  Stelle  schon  erwähni.- 
Verbot,  die  Laden  (Mägdekisten)  und  sonstigen  Besitz 
gegenstände  der  Dienstboten  außerhalb  des 
Herrenhauses  stehen  zu  lassen^).  In  erster  Lini« 
wollten  einige  Gesetze  den  Dienstboten  dadurch  die  Ge 
legenheit  nehmen,  Sadhen,  die  sie  der  Herrschaft  gestohlen 
hatten,  anderswo  unterzubringen.  Zur  Hintertreibung  des 
Vertragsbruches  konnte  das  Verbot  abelr  auch  Dienste  lei 
sten.  Das  Weglaufen  kostete  dem  Gesinde,  das  seine 
Sachen  im  Hause  der  Herrschaft  stehen  hatte,  mehr 
Überlegung;  die  Kisten  und  Truhen  mußten  heimlich 
oder  unter  einem  Verwände  fortgeschafft  werden,  oder 
der  entlaufene  Dienstbote  mußte  sie  im  Stiche  lassai. 

Eine  Menge  Gesindoordnimgen  vornehmlich  des  18. 
Jhdts.  sprechen  daher  direkt  oder  auf  Umwiegen  das  Ver 
bot  aus,  daß  Dienstboten  ihre  Laden  bei  Fremdöi  aufbe^ 
wahren.  So  zuerst  das  bayerische  Landrecht  von 
1616  2),  die  Polizeiordnung  für  Vi  11  in  gen  von  16685), 
dann  die  Gesindeordnungen  für  Nürnberg  von  1741  *), 
Kurmainz  von  1749^)  (mit  besonderem  Hinblick  auf 
die  Hinderung  von  Delikten),  Weimar  von  1751^'. 
Cleve  von  1753  und  1769^),  Österreich  von  1765^\ 
Böhmen,  Mähren  und  Schlesien  von  1782*)  und 
einige  weitere  bei  Dom*®)  genannte  städtische  Verord- 
nungen. 

Doch  all  diese  Maßregeln  sind  Ausnahmen.  Bei  wei- 
tem überwiegen  Ersatzpflicht  und  Strafe ;  aus  der  reinen 
Privatstrafe  entwickelte  sich  diei  mteist  mit  Ersatzleistung 
verbundene  öffentliche  Strafe").    In  den  Zeiten  polizei- 

0  Oben  S.  554  Anm.  —  «j  Platze  r  S.  110.  —  •)  Oberrheinische 
Stadtrechte  II  S.  216.  —  *)  Dorn  S.  188.  -  »)  Kersting,  Sonder 
rechte  Sp.  1067.  —  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV S 1^  " 
^)  Scott i,  Cleve  S.  1452, 1894.  —  »)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.4(e 
Nr.  1.  —  •)  Dorn  S.  18Ö.  —  '^)  Ebenda.  —  ")  Löning,  Der  Vertrags- 
bruch und  dessen  Rechtsfolgen  Bd.  I.,  1876  S.  458  fiF.;  Sickel,  Die  Be- 
strafung des  Vertragsbruchs.  1876  S,  96ff.,  168 ff.;  Hertz  5.78 C 


-     771     - 

lieber  Allmacht  kommt  ein  neuer  Geidanke  auf:  die  poli- 
zeiliche zwangsweise  Zuführung  der  Dienstboten  in  den 
Dienst.  Wie  diese  Art  Kampfmittel  in  den  einzeMen  Ge- 
bieten Deutschlands  ausgebildet  wurden,  sei  im  folgenden 
dargestellt. 

An  die  Spitze  des  norddeutschen  Rechtes  gehört  die 
Bestimmung  des   Sachsenspiegels   II   32:    „Entget 
der  knec'ht  sime  herren  von  mutwillen,  her  sal  deime  her- 
xen  also  vil  geben,  als  im  der  herre  gelobet  hatte;  Und 
swaz  so  ime  vergulden  ist,  daz  sal  her  zwigelde  wider- 
geben.**  Wie  Löning^)  ausgeführt  hat,  wird  hier  dem 
Vertragsbrüchigen  Knecht  die  Erlegung  einer  Privatstrafe 
an  den  geschädigten  Dienstherm  auferlegt ;  die  Buße  be- 
steht in  der  Zahlung  des  versprochenen  oder  (ganz  oder 
teilweise)  schon  erhaltenen  Lohnes.    Diese  Bestimmung 
kehrt  in  den  norddeutschen  Rechten  des  Mittelalters  sehr 
häufig  wieder*). 

So  insbesondere  auch  im  älteren  Redite  der  s  c  h  1  e  s  - 
wig--holsteinischen  Städte.  Schon  früh  trat  hier 
aber  m  der  Privatstrafe  hina^u  oder  neben  sie  Genug- 
tuung gegenüber  der  Obrigkeit.  Unter  den  in  den  1  ü  b  i  - 
sehen  Codictes  nicht  enthaltenen  Stellen  befindet  sich 
die  Festsetafung  ^) :  „Is  dat  jenich  knecht  sichedet  von 
synemfe  heren,  unde  syn  unvordenede  lön  eme  endrecht, 
syn  here  schal  eme  volgen,  imde  is  dat  sake,  dat  he  ene 
ergieyt,  Unde  vindet  in  dessen  seesteden  ofte  dar  lubesch 
recht  is,  de  pennynge  schal  he  betalen  syneme  heren;  is, 
dat  he  nicht  enheft,  dar  von  he  betale,  men  schal  ene 
leggen  in  denn  toren,  imde«  geven  eme  XII II  nacht  water 
unde  bröt.**  Die  subsidiäre  Turmistrafe  wird  hier  durch 
die  unredhöhe  Unterschlagung  dels  noch  nicht  verdienten 


»)  S.  466_flf.;  auch  Hertz  S.  76.  -  «)  Auf  die  von  Hertz  S.  76, 
77  gegebene  Übersicht  wird  hier  verwiesen ;  dazu  dithmarsisches 
Landrecht  von  1447  (Michelsen,  altdithm.  Rechtsquellen  S.  Iff.,  bes, 
14).  -  »)  Hach  S.  583,  1586  B.  3  Tit.  8  Art.  5;  Corp.  Stat.  Prov.  Hols. 

49» 


—    772    — 

Lohnes  gerechtfertigt.  Der  Vertragsbruch  als  solcher 
zieht  nur  zivilrechtliche  Folgen,  nämlich  Lohnersatz,  nach 
sich. 

Wohl  aber  ging  das  bremer  Recht  1450  und  1489 
von  der  1303,  1428  imd  1433  festgesetzten  privaten  Er- 
ledigung zur  öffentlichen  Strafe  der  Untersagun^T  des 
Dienens  in  der  Stadt  während  eines  Jahres  (neben  der 
Buße  an  den  Herrn)  über  ^).  Deutlich  tritt  die  öffentliche 
Geldstrafe  der  Privatbuße  gegenüber  imfehmarschcn 
Landrecht  von  1558  *) :  „Dar  jemands  Deener  von  ehm  mit 
Unrecht  fahret^  so  schall  dersülvige,  so  weggefahren  tind 
averniunmen,  Uns  böten  de  halve  Hüere,  und  den  Kläger 
ock  so  vehl." 

Lohnverlust     mit    willkürlicher    Strafe    drohen    das 
eiderstadter  Recht  von  1591^),  das  husumer  von 
1608*),  das  friedrichstadter  von  1633^);  im  fried- 
richstadter  Recht  wird  übrigens,  was  sehr  selten   sonst 
vorkomtnt,  der  herrschaftliche  Vertragsbruch  vor  dem- 
jenigen des  Gesindes  behandelt^).    Die  richterliche  Will- 
kür wird  in  den  Polizeiordnungen  für  Flensburg  von 
1600')   und   Sonderburg  von    1698®)   an   Gefängnis- 
strafen gebmiden;   nach  sonderburger   Recht  soll  diese 
Strafe  sogar  erst  bei  behiarrender  Widersetzlichkeit  wi- 
der  obrigkeitliche   Erinnerungen  verhängt  werden.    Die 
um  1700  aufgezeichneten  Amtsgebräuche  von  Bordes- 
holm    und    die     gleichzeitigen    neu m uns ter sehen 
Kirchspielsgebräuche®)  setzen  lediglich  Lohnverlust  fest 
und  gfeben  so  ihr  hohes  Alter  kund. 

Lohnverlust  mit  willkürlicher  Geld-  oder  Leibesstrafe 
sind  die  in  der  herzoglich  holsteinischen  Gesinde- 


*)  ölrichs  S.  U,  114;  388,  889,  484;  669;  Puf  endorf  obs. 
ur.  II  app.  S.  104  flf.,  bes.  112.  —  »)  Corp.  Stat.  SIesv.  I  S.  680.  - 
•)  Ebenda  S.  1.  —  *)  Ebenda  II  S.  565.  —  »)  Ebenda  UI  1  S.  1.  - 
•)  Darüber  unten  §  14.  —  »)  Corp.  Stat  SIesv.  II  S.  258.  —  •)  Ebenda 
m2S.222.  —  •)Seestern-Pauly,Urk.S.36flf.,87tt,  bes.  112,113. 


—     773    — 

Ordnung  von  1740 1)  dem  Vertragsbrüchigen  Dienstboten 
\in<i  seinen  Hehlern  angekündigten  Übel.  Tritt  edn  Dienst- 
bote, der  noch  keinen  Lohn  erhalten  hat,  aus  der  Stelle 
xinter  Vertragsbnidi'  aus,  dann  droht  ihm  die  Gesindeord- 
nung für  Ploen  von  1749*)  mit  bloßem  Lohinverlust ; 
»die  Unterschlagung  dagegen,  die  in  dem  Entweicheai  mit 
dem  noch  nicht  abgedienten  Lohn  liegt,  soll  mit  Gefängnis 
oder  anderer  willkürlicher  Leibesstrafe  geahndet  werden. 
Beim  Lohinverlust  läßt  es  die  Gebindeordnung  v^on  1768 '). 
Von  Gefängnis-  tmd  anderen  Leibesstrafen  wider  Ver- 
tragsbrüchige Dienstboten  sah  man  in  Ostfrieslanid 
stets  ab.    Das   Landredht  von   1515*)   spricht  dem   Ge- 
sinde, das  grundlos  austritt,  allen  Lohinanspruch  ab.    In 
einem  auch  noch  im   16.  Jhdt.  entstandenen  Entwürfe 
zu  einer  Gesindeordnimg  *)  wird  dagegen  zwangsweise  Zu- 
führung    dem     rückfälligen    Vertragsstörer    angedroht; 
außerdem  war  geplant,  stets  dem  ungetreuen  Diener  Lei- 
stung eines  ganzen  Jahrlohnes  an  die  Herrschaft  aufzu- 
erlegen. Ein  1737  entworfenes  Gesetz,  das  aber  gleichfalls 
zu  keinem  Erfolge  geführt  tu.  sein  scheint  *),  will  dem  Ver- 
tragsbrüchigen Dienstboten  einen  halben  Jahrlohn  (wohl 
zu  gfunsten   der   Herrschaft)  abnehmen;   die   Herrschaft 
soll  sich  stets  eine  solche  Summe  am  Lohne  einbehalten. 
Die  alten  Statuten  Oldenburgs  von  ^345 '')  geben  das 
Recht  Bremens  von  1303  wieder®). 

Ntu*  wenige  der  heute  hannoverschen  Gebiets- 
teile blieben  bei  dem  Ursprünglichen  Rechte  reiner  Privat- 
strafe, wie  es  die  Gesetzbücher  von  Stadei,  Verden, 
Goslar  im  Mittelalter  vertraten®).   In  späteiren  Zusätzen 


*)  St  A.  Schleswig.  Sammlung  Grossftkrstl.  Verordnungen.  — 
^)Schrader,  Handbuch  III  S.  196.  —  »)  St.  A.  Schleswig.  Samm- 
lung Grossfürstl.  Verordnungen.  —  *)  Wicht  U  286.  —  »)  St  A.  Aurich. 
Archiv  der  ostfriesischen  Landschaft.  O.  B.  Polizeisachen  zu  Nr.  3,  — 
•)  St  A.  Aurich.  O.  L.  Polizeisachen  Nr.  8.  —  ')  Ölrichs  S.  786 ff., 
bes.  811,  817.  —  •)  Oben  S.  772  ff.  —  •)  Hertz  S.  77. 


—     774    — 

zum  alten  goslarer  Rec'hte^)  kommt  aber  schon  eine 
Andeutung  polizeilicher  Fürsorge  zum  Ausdruck:  ,,\Ve 
de  (die  entlaufenen  Dienstboten)  inneme  to  denste  edder 
dem  Tieren  edder  frowen  toweddere  dem'  de  entgan  wäre, 
lunde  iennen  dat  vorboden  worde  mid  gerichte,  helde 
denne  de  ienne  den  knecht  edder  maget  dar  en  boven, 
dar  vore  scholde  he  deme  rade  eyne  mark  g^even  ane 
gnade."  Auch  haftet  dieser  Neiumieter  persönlich  dafür, 
daß  der  frühere  Dienstherr  den  ihm  zum  Ersätze  ge- 
schuldeten Lohn  erhält. 

In    H  ade  In   behielt  noch  die   Polizeiordn.tiixg  von 
1583*)    das  alte   Re<^ht   der   Privatstrafe  .bei.     Dagegen 
stellte  die  Ordnung  von  1597*)  die  Regelung  unter  das 
Taxrecht.    Läuft  nämlich  Gesinde,  das  mit  d&mt  festge- 
setzten Lohne  nidht  zufrieden  ist,  weg,  dann  soll  es  „in 
Unserm  Erblande  keine  Sicherung  und  Gelegenheit  ha- 
ben**, sondern  mit  schwerer  Strafe  zurückgeführt  werden. 
Niemand  soll  es  bei  7  Mark  Strafe  mieten,  und  es  muß 
noch    den   Schaden    ersetzen,    den  es  ,durch  das   Weg- 
laufen angerichtet   hat.    60   Mark  statt  7   Mark   drohen 
dem   Mieter  entlaufenen  Gesindes  seit  der  Gesindeord- 
nung von  1655  *) ;  den  Dienstboten  selber  trifft  man  dies- 
mal mit  bloßem'  Lohnverbote.   Das  lüneburger  Stadt- 
recht*)  schonte  ^die  Dienstboten  und  drohte  gleichfalls 
nur  mit  Lohnverlust.    Dagegen  soll  nach  der  Polizeiord- 
nung von  1618®)  Strafe  am  Lohne  „oder  sonsten"  ge- 
nommen werden.  Niemland  darf  die  ohne  Kündigung  aus- 
getretenen Dienstboten  mieten. 

Uralt  ist  die  öffentliche  Strafe  in  Göttingen.  Ein 
Statut  aus  den  Jahren  1340 — 1354 '')  geht  so  weit,  Vertrags- 
brüchige Dienstboten  auf  immer  auszuweisen,  „et  en  sy 

*)  Göschen  S.  90,  91.  —  ■)  Spangen  her g,  Verordn.  f.  Han- 
nover IV  8  S.  59;  Pufendorfobs.  iur.  I  App.  S.  Iflf.  —  »)Spangen- 
berg  a.  a.  O.  S.  127.  -  *)  Ebenda  S.  265.  -  »)  Pufcndorf  obs.iur. 
IV  app.  S.  624  ff.,  bes.  797.  —  •)  Landesverordnungen  Lüneburg  Cap.  4 
Bd.  1  S.  1.  —  0  V.  d.  Ropp,  Statuten  S.  87. 


—     775     — 

in  gnaden  des  rades**.  Das  moringer  Stadtrecht  des 
15.  Jhdts.  ^)  dagegen  normiert  bloßen  Veriust  des  Lohn- 
ajispruches.  Mit  Privatbuße  in  Höhe  des  Lohnes  und 
doppelt  so  viel  als  öffentlicher  Geldstrafe  geht  die  osna- 
brücker Verordnung  vom  18.  Juni  1608^)  vor. 

Die   allgemeine   hannoveirsche    Gesindeordnung 
von  1732  ^)  belegt  die  böswillig  Vertragsbrüchigen  Dienst- 
boten mit  geschärftem  Gefängnis  bei  Wasser  und  Brot; 
auf  Verlangen  werden  sie  zurückgeführt.  Wenn  auch  noch 
die  Livree  gestohlen  war,  dann  verliert  das  Gesinde  den 
ganzen  Lohn  —  den  er  sonst  bis  zum  Tage  des  Austritts 
behalten  zu  dürfen  scheint  —  kommt  an  den  Strafpfahl 
oder  muß  Karren  schieben  und  hat  schließlich  die  Livree, 
auch  wenn  sie  schon  größtenteils  abverdient  war,  zurück- 
zugeben. Geld-  oder  Leibesstrafe  erhält,  wer  das  Gesinde 
zum  Bösen  verführt  oder  entlaufenes  wissend  aufnimmt. 
Braunschweig  hielt  mit  großer  Zähigkeit  von  An- 
fang an  das  einjährige  Dienstverbot  fest.  Die  älteste  der- 
artige Bestimmung  wurde  vor  1360  getroffen  *),  weiter  in 
dem  Echteding,  das  nach  Gengier*)  dem  Jahre  1402 
angehört^),  in  dem  Echteding  von  1532^),  den  Polizei- 
verordnungen von  1573  und  1579«).   Wohl  schon  im  17. 
Jhdt.,  der  Hauptzeit  der  Polizeiordnungen,  wird  auch  hier 
die  zwangsweise  Zuführung  zum  Dienste  eingeführt  wor- 
den   sein.     Die   Gesindeordnung  für  Wolfenbüttel    von 
1748  ^)  droht  hiermit,  ferner  mit  Zuchthaus,  nötigen  Falles 
Strafpfahl  und  Lohnverlust. 

Schon  1445  hatte  Braunschweig  mit  andern  Ter- 
ritorien, so  Hildes  heim,  in  der  mehrfach  erwähnten 

»)  Zeitschr.  f.  Rcchtsgeschichte  VIII  S.  290  ff.,  bes.  298.  —  »)  St.  A. 
Osnabrück.  Rep.  100  Abschnitt  200  aus  Nr.  1.  —  •)  Spangenberg 
a.  a.  O.  IV  2  S.  461.  —  *)  Hänselmann,  Urkundenbuch  I  S.  68.  — 
•)  Gengier,  Stadtrechte  des  M.-A.  S.  86.  —  •)  Th.  Hagemann, 
Pract.  Erörterungen  IX  S.  522;  Hansel  mann  a.  a.  O.  S.  126.  — 
')  Hänselmann  a.  a.  O.  S.  825.  —  »)  Ebenda  S.  404ff.;  458 ff.  — 
•)  Herz.  Archiv  Wolfenbüttel.   Nr.  7097. 


—    776     - 

Gesindeordnung  ^)  vereinbart,  daß  vertragsbrüchigres  Ge- 
sinde auf  unbestimmte  Zeit  nicht  im'  Lande  dienen  dürfe, 
dass  es  dem  geschädigten  Dieostherrn  den  Lohn  zwiefältig 
ersetzen  müsse.  Erstattet  der  Dienstbote  diese  Summe 
nicht  freiwUlig,  dann  kann  der  Herr  ihn  durchs  Gericht 
verfolgen  lassen;  das  einkommende  Geld  wird  hier  zwi- 
schen Herrn  und  Richter  geteilt. 

Von  thüringischen  Städten  hat  Nordhausen  seit 
1421 2)  als  Strafe  ein  Dienstverbot  auf  die  Dauer  der  vom 
Dienstboten  ursprünglich  verheiß^ien  Dienstzeit.  Diese 
Vorschrift  wurde  um  die  Festsetzung,  daß  einem  Ver- 
tragsbrecher kein  Lohn  gegeben  werden  solle,  1470  ver- 
mehrt*). Das  alte  Sachsenspiegelrecht  —  doppelte  oder 
einfache  Lohnleistung  —  übernahm  das  g  o  t  h  a  ei  r  Recht*). 
Die  alten  Satzungen  von  Duderstadt ^)  verweisen  die 
Dienstboten  zur  Strafe  des  Vertragsbruches  auf  ein  Jahr 
aus  der  Stadt ;  Lohn  braucht  ihnen  nicht  gegeben  zu  wer- 
den. Auch  nach  osteroder  Recht  des  16.  Jhdts. *)  war 
es  so ;  in  den  wohl  dem  17.  Jhdt.  angehörenden  Statuten  *) 
wird  die  Strafe  dem  Befinden  des  ^Richters  anheimge- 
geben imd  von  der  Anzeige:  des  Diensthjerm  abhängig 
gemacht. 

Die  frankenhäuser  Statuten  von  1534*)  ver- 
schärfen  die  zweijährige  Ausweisung  noch  in  der  Weise, 
daß  demjenigen,  der  gleichwohl  solch  verbanntes  Gesinde 
in  Dienst  nimmt,  zwei  Gulden  Strafe  auferlegt  werden. 
Lohnverlust  und  ehrsamen  Rates  Strafe  standen  auf  dem 
Entlaufen  des  Gesindes  nach  Heimburgenordnung  M  ü  h  1  - 

*)  Zeitschr.  d.  Harz- Vereins  f.  Gesch.  u.  Altertumskunde  27.  Jahrg. 
S.  427.  -  •)  Handschrift  des  Stadtarchivs  Nordhausen  II  Na  2-11 
Bl.  6v;  Förstemann,  Neue  Mittheilungen  Bd.  III  4  S.82ff.,  bes.  58. 
—  »)  Förstemann  Bd.  I V  1  S.  66 flf.,  bes.  63.  —  *)  Ort  1  off,  Rechts- 
quellen II  S.  819 ff.,  bes.  382  (Art.  104).  —  »)  Gengler,  Stadtrechte 
des  M.-A.  S.  91  ff.,  bes.  93.  -  •)  Pufendo  rf,  obs.  iur.  II  app.  S.  283 flf., 
bes.  264.  -  ^)  Ebenda.  -  >)  Michelsen,  Rechtsdenkmale  S. 466 ff., 
bes.  481. 


-     777     — 

ha  Olsens  von  1544^).    Eine  xmdatierte,  dem  17.  Jhdt. 

angehörende  mühlhäuser  Verordnung  *)  sowie  eine  v/eit?ere 

Ordiwing  wider  den  Vertragsbruch  vom  28.  März  1655^) 

verbieten  den  Dienstherrschaften  bei  Strafe,  entlaufene 

Dienstboten  ohne  Rücksprache  mit  deim'  vorigen  Herrn  zu 

mieten;  das  Gesinde  verliert  seinen  Lohtianspruch.  Nach 

cler  Ordnung  von  1655  erhält  es  auch  ,,eine  andere  ge- 

>visse    Geldt-  oder   Gefängnüs   Busse**.    Prinzipiell  nicht 

verschieden,   nur  genauer  ausgeführt,  ist  die  Regelung 

in  den  „Statuten  xmd  Willkühr**  der  Stadt  Mühlhausen  von 

1692*),  Tit.  24  Nr.  20  Art.  46,  und  in  dem  erneuerten 

Heimbuche  von   1736*). 

In     Greußen     1556*)    und    in    Schwarzburg 
1558'')  genügte  dem  Rechtsbewußtsein  der  bloße  Lohn- 
verlust des  Gesindes.   Auch  Erfurt  war  in  den  Zeiten 
seines  selbständigen  Stadtrechtes  mit  der  zivilrechtlichen 
Regelung  des  Vertragsbruches  zufrieden,  wie  die   Poli- 
zeiordnung von   1583®)  erweist.    Späterhin,  in  der  kur- 
mainzischen  Zeit,  kamen  Gefängnisstrafen  auf.   Die  1704 
ergangene  Instruktion  für  die  „Zweyermanns-Camlner**  ®) 
und  die  Dorfpolizeiordnung  von  1786^®)  normieren  sol- 
ches Recht.   Die  1594  aufgezeichneten  Statuten  von  Ru- 
del Stadt")  und  die  gleichzeitigen,  übereinstimmenden 
von  Blankenburg")  bestimmen,  daß  vertragsuntreues 
Gesinde  des  Lohnes  verlustig  sein  „imd  abgeschafft  (aus 
der  Stadt?)  werden**  soll. 

Noch  im  18.  Jhdt.  drohte  die  Stadt  Jena  mit  Aus- 
weisung und  Dienstverbot  für  die  Dauer  des  ursprünglich 

')  Stadtarchiv  Mühlhausen.  —  ')  Ebenda;  den  Heimburgenord- 
nungen angebunden.  —  •)  Ebenda.  Ediktbuch  von  1688.  Abt.  Y. 
Fach  1.  Nr.  3.  Seite  419.  —  *)  Stadtarchiv  MOhlhauscn.  —  •)  Stadt. 
Bibüothek  Mühlhausen.  —  •)  Walch,  Beyträge  VII  S.61flf.,  bes.  225. 
-  ')  Ebenda  I  S.  286  flf.,  bes.  867.  -  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  •)  Kurf. 
mainz. Ordnungen  f.  Erfurt  S.  142 ff.,  bes.  166, 166.  —  »•)  Heinemann, 
Rechte  far  Erfurt  S.  866  ff.,  bes.  869.  —  ")  Walch  a.  a.  O.  V  S.  21  ff., 
bes.  62.  -  ")  Ebenda  S.  78  ff. 


—     778     — 

versprochenen  Dienstes;  außerdem  enthalten  die  Statu- 
ten von  1704^),  die  dies  festsetzen,  als  Strafmittel  Lohn- 
verlust  fürs  nächste  halbe  Jahr.  Und  sogar  die  fenaer 
Gesindeordnting  von  1751  *)  behält  die  Verbannungsstrafe 
bei.  Ja,  sie  dehnt  sie  in  unglaublicher  Weise  aus:  Das 
weggelaufene  Gesinde  soll  nach  Herausgabe  des  erhal- 
tenen Lohnes  und  der  Geschenke  sowie  nach  .Absitzimg' 
von  vier  Wochen  Gefängnis  auf  immer  die  Stadt  mei- 
den, es  sei  denn,  daß  die  Dienstherrschaft  auf  dem  Aus- 
halten des  Dienstes  besteht;  in  diesem  Fall  bekommt 
das  Gesinde  wenigstens  Gefängnis  und  muß  während  der 
Verbüßung  der  Strafe  einen  Ersatzmann  stellen  oder  sich 
Lohnabzug  gefallen  lassen.  Die  eisenac'her  Statuten 
von  1670  *)  handeln  in  dem  Kapitel  „von  Dienstboten"  nur 
über  den  Vertragsbruch,  der  mit  Lohnverlust  und  Oienst- 
verbot  gesühnt  werden  soll.  Die  der  Jenaer  Ordnung 
verwandte  eisena<^her  Gesindeordnung  von  1757*)  be- 
stimmt folgendes.  Wenn  ein  Dienstbote,  der  „ausge- 
wintert,  oder  (wenn)  die  nothwendige  und  etwas  saure 
Arbeit  vor  der  Thür  wäre**  davonläuft,  so  soll  er  seinen 
Lohn  verlieren,  darf  bei  5  Th.  Strafe!  von  niemand  ge- 
mietet werden,  und  muß  das  ganze  Jahr  über  Ort  und 
Land  meiden.  Oder  er  wird  auf  Verlangen  der  Herrschaft 
wieder  in  den  Dienst  gezwungen  imd  sonstwie  ernsthch 
abgestraft. 

Über  das  Länderrecht  in  Thüringen,  soweit  es  eben 
nicht  schon  berücksichtigt  wurde,  ist  folgendes  zu  be- 
richten. 1539  wollte  die  hennebergische  Landesord- 
nung *)  mit  Lohnverbot,  Ersatzpflic'ht  und  Strafdrohungen 
gegen  Personen,  die  entlaufene  Dienstboten  aufnehmen,, 
den  Vertragsbruch  des  Gesindes  bekämpfen.  Etwas  Neues 
bringt  die  koburger  Polizei-  und  Landesordnung,  1580 

*)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  U2.  -  •)  Ebenda. 
*)  Strenge- De vrient,  Stadtrechte  S.  120 ff.,  bes.  162.  —  *)  Kr.  A. 
München.   GR.Fasz.  402  Nr.  3.  —  »)  Schmidt  a.  a.  O.  IV  S.  154. 


—     779     — 

gedruckt^).  Der  ungetreoie  Diener  verliert  seinen  Lohn- 
anspruch und  muß  auch  die  noch  ,übrige  Zeit  umsonst 
atisdienea.  Nur  in  der  Landesordnung  von  1589^)  er- 
klärte sich  Weimar  mit  der  Festsetzung  des  Lohn  Ver- 
lustes beim  Vertragsbruche  ziifrieden.  1651  wurde  der 
geschädigten  Dienstherrschaft  Verfolgung  des  entlaufe- 
nen Gesindes  auch  in  fremde  Gebiete  hinüber  sowie  Zu- 
rückschaffung zum  Dienste  verheißen.  Die  Dienstboten 
müssen  dazu  den  herrschaftlichen  Schaden  ersetzen  und 
kommen  etliche  Tage  ins  Gefängnis^).  Das  Rechtssystemi 
der  alten  burger  Gesindeordnung  von  1651*)  —  5 
Thaler  Strafe  und  Dienstverbot  —  wurde  späterhin  man- 
nigfach gewandelt.  Die  fürstlich  gothaische  und  alten- 
burgische  Gesindeordnung  von  1719*)  setzte  Strafe  nach 
Erkenntnis,  Lohnverlust  und  Ersatzpflicht  fest.  Die  Ord- 
nung von  1744  ^)  ordnete  genauer  als  Strafe  sechs  Gulden 
oder  sechs  Tage  Gefängnis  an  und  fügte  noch  zwangsweise 
Zurückführung  des  Gesindes  hinzu. 

In  Schaumburg  soll  das  entlaufene  Gesinde  nach 
der  Polizeiordnung  von  1615  '')  den  Lohn  verscherzt  iiaben ; 
auf  ein  Jahr  wird  ihm  der  Dienst  untersagt.  Schon  die  Tax- 
ordnung von  1670®)  geht  weiter.  Vertragsbrüchige  Dienst- 
boten werden  zum  Dienste  angehalten,  ferner  dazu,  „den 
Schaden  mit  ihrem  Auswich  verursacht  abzutragen,  oder 
an  dessen  statt  mit  Wasser  und  Brod  im'  Thurm  zu  spei- 
sen**. Die  Gesindeordnung  von  1738*)  schließlich  setzt 
Ersatz  und  Gefängnisstrafe,  eventuell  auch  Strafpfahl» 
nic'ht  bloß  wahlweise,  sondern  kumulativ  fest,  vorausge- 
setzt, daß  das  Entweic*hen  aus  dem  Dienste  ohne  Ver- 
anlassung geschah.   Poena  duph  trifft  die  Herrschaft,  die 


»)  v.  Weber,  Statu  tarrechte  1  S.  1128.  —  ")  Schmidt  a.  a.  O. 
S.  141,  —  «)  Ebenda.  —  *)  Brandt,  Der  Bauer  in  Alten  bürg  S.  80. 
—  »)  Univ.-Bibl  Marburg.  XVIII  f  A  870.  -  «)  Ebenda  XVIII  f  B 
1119  g.  —  0  Rot  t mann  S.  428  (Kap.  68).  —  •)  Landesverordnungen 
Schaumburg-L.  I  S.  404.  -  »)  Ebenda  II  S.  886. 


—     780    — 

aus  Barmherzigkeit  einem:  Dienstboten  doch  den  volte 
Lohn  auszahlt.  Ein  Urteil  des  schaumburgischen  One 
Vehlen^)  setzt  Lohnverlust  fest.  In  der  detmolde 
Polizeiordnung  von  1620*)  wird  dem  Vertragsbrüchige 
Dienstboten  willkürliche  Strafe  angedroht.  1Ö55  *)  sind  di 
Folgen :  Ersatzpflicht  und  Haft  bei  Wasser  und  Brot ;  vei 
tragtsbrüchiges  Gesinde  wird  in  Stadt  imd  Dorf  nich 
geduldet.  Neu  ist  das  Recht  in  der  Gesindeordnung  vor 
1752*).  öffentliche  Strafe  ist  das  Halseisen.  Dazu  mu£ 
^er  Die.nstbote  gegen  Kalution  den  Rest  der  Zeit  ohac 
Lohn  dienen,  den  er  ganz  verliert;  will  die  Herrscht 
<ien  ungetreuen  Diener  nicht  wieder  aufnehmen,  dant 
wird  dieser  für  die  übrige  Zeit  ^um  opus  publicum  ge- 
bracht. Das  Gesetz  bestimmt  ferner,  daß  bei  Geldstrafe 
von  6  Thalem  oder  Leibesistrafe  niemand  vextragsbrüchi 
ges  Gesinde  aufnehmen  soll. 

Die  waldeckischen  Landesordnxmgem  von  1581 
tmd   1607*)  wollen  mit   5  Th.   strafen   Dienstboten,  die 
außerhalb  der  Zeit  ohne  gehörige  Ursachen  ihren  Herren 
aus  dem  Dienste  gehen  und  sich  in  die  Dörfer  wieder 
einschleichen,   sowie  alle,  die   sie  wieder  aufgenominen 
haben.  Weil  die  Dienstboten  aus  Armut  die  Strafsumme 
meist  nicht  bezahlen  konnten,  wurde  die  Geldstrafe  loit 
Verordnung  vom  20.  April  1736«)  durch  fünf  Tage  G^ 
fängnis  ersetzt.    Die  im  Dezeim'ber  desselben  Jahres  er- 
lassene große  Gesindeordnung^)  will  vornehmlich  durch 
Ausgestaltung  des  Zeugniswesens  den  Vertragsbruch  be- 
kämpfen. In  den  Orten,  in  die  dienstloses  Gesinde  kommt, 
sollen  ihm  sofort  die  Zeugnisse  abgeif ordert  werden ;  sind 
keine  Zeugnisse  vorhanden,  dann  ist  die  Person  zu  ver- 
haften Und  der  frühere  Dienstort  zu  benachrichtigen*}; 


*)  Grimm,  Weistümer  III  S.  812  ff.,  bes.  315.  —  *)  LandcsvcT' 
-Ordnungen  L.-Detmold  I  S.  868.  —  •)  Ebenda  S.  408.  —  *)  Ebenda  II 
S.  47.  —  •)  Sammlung  der  Regierung  Arolsen.  —  •)  Ebenda.  - 
')  Ebenda.  -  •)  §  15. 


—     781     — 

Strafe  droht  nach  §  23,  ebenso  denjenigen,  welche  denk 
entlaufenen  Gesinde  Unterschleif  gdben^). 

PoUzeilichie  Zurückführung  in  den  Dienst,  Ge- 
fängnis,' Lohnverltist  sind  die  BekämpfTingsmittel  in 
der  sayn-wittgensteinischen  Polizeiordnung  von 
1776  *).  Der  weise  Polizeigeist  der  Gesetzgeber  ergibt  sich 
daraus,  daß  der  verfallene  Lohn  nicht  der  Dienstherr- 
schaft zukommt,  sondern  von  dieser  an  die  Polizei  abge- 
geben werden  muß;  ist  kein  Lohn  mjehr  oder  nur  noch 
sehr  wenig  rückständig,  dann  erhält  das  Gesinde  gar 
noch  eine  besondere  Fiedelstrafe. 

Aus  Westfalen  sei  zunächst  die  paderborner 
Gesindeordnung  von  1655*)  genannt.  Treten  Dienstbo- 
ten ohne  Kündigung  aus,  dann  erhalten  die  Knechte  6, 
die  Mägde  3  .Mark  Strafe,  dazu  werden  sie  bei  Androhung^ 
leiblicher  Gefängnisstrafe  zum  Dienen  angehalten.  In  der 
Stadtordnung  und  Willkür  Gesekes  von  1593*)  wird 
neben  dem  Abwendigtnachen  auch  der  Fall,  daß  die 
Dienstboten  „sonsten  muthwillig  aus  dem  Dienst  l retten**^ 
mit  willkürlicher  Strafe  bedroht.  Nach  der  ravensber- 
ger  Gesindeordnung  von  1766^)  kommen  Vertragsbrü- 
chige Heuerlinge  ins  Zuchthaus.  Zu  Münster  erging 
zunächst  1372  das  Gebot,  daß  das  unfreie  Gesinde  den 
anderswo  eingegangenen  Dienst  aushalten  muß^).  Spä- 
terhin wurden  auf  Grund  der  Gesindeordnung  von  1722'') 
Dienstboten  nach  einem  Vertragsbruche  mit  Pfahl  imd 
Rollhaus  gestraft.  1740  in  der  Polizeiordnung  ®)  ging  man 
dazu  über,  das  Gesinde  auf  ein  Jahr  auszuweisen  imd 
ihm  aufzugeben,  ein  halbes  Jahr  lang  einen  Ersatzmann 
zu  bezahlen  oder  entsprechendes  Geld  zu  entrichten.  Die 

0  §  16.  —  *)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  •)  Landesverordnungen 
Paderborn  I  S.  6.  —  *)  Habeische  Sammlung ;  konnte  im  ersten  Teile 
(oben  S.  191fr.)  noch  nicht  berQcksichtigt  werden.  —  •)  Ravensb. 
Blätter  für  Geschichts-  etc.  Kunde  1909  S.  67.  -  •)  Auf  die  Aus- 
fQhrungen  oben  S.  867  imd  449  sei  hier  verwiesen.  —  ^  Sammlung 
Münster  I  S.  368.  —  •)  Univ..Bibl.  Marburg. 


—     782     — 

Verwandtschaft  dieser  Bestimmting  mit  dem  Rechte 
Koesfelds  von  1574^)  ist  offenbar;  hier  mußte  der 
•ungetreue  Diener  ein  Jahlr  lang  die  Stadt  räumen,  außer- 
dem der  Herrschaft  auf  ein  halbes  Jahr  einen  andern 
Dienstboten  lohnen  oder  das  Geld  dafür  ersetzen.  3^1^ 
Th.  Strafe  droht  die  bentheimische  Gerichts-  und 
Landesordntmg  von  1690  *)  den  Vertragsbrüchigen  Dienst- 
boten; sie  müssen  atißerdöm'  auch'  noch  den  Dienst  aus- 
halten oder  einen  halben  Jahreslohn  „auskehren". 

Vom  clortm-under  Rechte  liegt  eine  dem  15.  Jhdt. 
angehörige,  für  Wesel  bestimmte  Oberhofentscheidung 
vor^).  Eine  Frau  hat  ihre  Tochter  zum  Dienste  vermie- 
tet. Die  Tochter  hat  den  Vertrag  gebrochen  und  ist  zur 
Mutter  zurückgekehrt.  „Na  onser  stads  rechte  so  is  die 
vrouwe,  die  oir  dochter  vermyedet  hefft,  der  vrouwen,  die 
sy  gemyedt  hadde,  so  vele  schuldich  to  geven,  als  die 
vrouwe  oerre  dochter  to  loen  gelovet  hadde." 

Gl e V e  hatte  das  anfängliche  mildere  Vorgehen,  wie 
es  in  der  Gesindeordnimg  von  1644*)  zum  Ausdruck  ge- 
kommen ist,  bald  überwunden.  Die  Gesindeordnung  von 
1696  bringt  neben  der  oben*)  erwähnten  vorbauenden 
Bestimmung,  daß  der  neue  Mieter  sich  bei  der  vorigen 
Herrschaft  erkundigen  muß,  schon  ein  wohl  ausgebil- 
detes Strafrecht.  Es  stehen  laut  §  4  auf  Vertragsbruch  und 
Nichtantritt  des  Dienstes  sowie  auf  Verstecken  in  frem- 
dem Hause  10  Thaler  Strafe.  Auf  den  Vertragsbruch 
allein  setzt  §  5  noch  besondere  Ahndung  fest:  Gefäng- 
nis bei  Wasser  und  Brot  für  die  doppelte  Zeit  der  ver- 
säumten Tage  und  auf  Anzeige  Bestrafung  mit  „der  Dril- 
len, Zuchthause  oder  anderer  arbitrairen  Straffe";  außer- 
dem wird  der  Entlaufene  zurückgeschafft  und  muß  der 
Herrschaft  das  für  fremde  Aushilfe  bezahlte   Geld    er- 


*)  Niesert,  Urkundensammlung  III  S.  171.  —  ";  Schlüter, 
Provinzialrecht  I  S.  486.  —  •)  Frensdorff,  Statuten  S.  278 ff.,  bes. 
284.  —  *)  Oben  S.  769.  —  »)  Ebenda. 


—     783    — 

setzen ;  und  beträgt  er  sich  nun,  nach  der  Zurückf ührung, 
widerspenstig  oder  sonst  untüchtig,  dann  ist  opus  pubhcum 
oder  sonstige  arbiträre  Strafe  sein  Los.  Dieser  umfang- 
reichen Regelung  gegenüber  dokumentiert  sich  in  der 
Verordnung  vom  12.  Februar  1731^)  eine  Erschöpfung; 
die  früheren  Gebote  wider  den  Vertragsbruch  sollen  wei- 
ter gelten.  Der  alte  Ton  klingt  wieder  1753  in  der  Ge- 
sindeordnung ^).  Der  imgetreue  Diener  wird  nach  Tit. 
VII  §  8  durch  die  Magistratsleute  aufgesucht,  in  Haft 
gebracht,  mit  Gefängnis  oder  dergleichen  bestraft  und 
braucht  von  der  Herrschaft  nicht  wieder  aufgenommen 
zu  werden;  die  Livree  und  den  Lohn  des  letzten  Quartals 
verliert  der  Dienstbote  auch,  —  den  Lohn  übrigens, 
„welc'hes  in  solchem  Fall,  damit  es  nicht  etwa  das  An- 
sehen habe,  daß  die  Herrschaft  allzueigennützig  sey,  denen 
Armen  zufließen  kan".  In  Tit.  VIII  §  5  wird  denen,  die 
entlaufenes  Gesinde  beherbergen,  mögen  es  auch  Bluts- 
verwandte sein,  mitgeteilt,  daß  sie  „davor  nachdrücklich 
angesehen**  werden,  öfters  entlaufenes  Gesinde  soll  von 
niemand  aufgenomimen,  „auch  so  viel  möglich,  in  der  Stadt 
gar  nicht  gelitten  werden**.  Nicht  ganz  so  kompliziert 
redet  die  agrarische  Gesindeordnung  von  1769  in  §  41  *). 
Sie  sagt  nur  kurz,  daß  der  Dienstbote  verhaftet  wer- 
den soll,  damit  die  Desertion  gebührend  gestraft  wird; 
die    Herrschaft   kann   den   Lohn   einbehalten. 

Ob  die  Beschwerden  der  jülicher  Ritterschaft 
1566*)  über  die  „on  ursach  abtredenden**  Dienstboten 
Erfolg  hatten,  war  nicht  festzustellen.  Partikulär  für  die 
Stadt  Düsseldorf  erging  1706  eine  Polizei-  und  Tax- 
ordnung, die  1728  erneuert  wurde*).  Die  Einleitung  von 
Art.  20  klagt  über  den  Vertragsbruch;  er  wird  mit  Ver- 
lust Ües  Lohnes  und  arbiträrer  Strafe  geahndet.  Dagegen 

»)  Scotti,  Cleve  S.  1104.  —  ")  Ebenda  S.  1452.  —  »)  Ebenda 
S.  1894.  —  *)  V.  Belo  w,  Landtagsakten  II  S.  90.  —  »)  St.  A.  DOssel- 
dorf.   Nr.  1009  der  Sammlung  jQlichschen  Verordnungen. 


—     784    — 

war  es  nach  der  allgemeinen  j  ü  1  i  c  h  e  r  Verordnung  voni 
16.  Februar  1739 1)  so,  daß  nur  Schiadensersatz  und  Ver- 
bot anderweitiger  Dienstannahme  auf  Vertragsbruch  stai 
den.  Nachdem  ami  16.  November  1744*)  als  Präventir 
bestimmt  worden  war,  daß  Dienstboten  sich  bei  Lohn- 
verlust nicht  früher  als  ein  Vierteljahr  vor  Ablauf  ihre: 
früheren  Dienstzeit  neu  vermieten  dürfen,  wurde  am  15. 
Dezember  1751*)  im  Einverständnis  mit  Kurköhi  Brüct 
tenstrafe  dem  Schadensersatz  hinzugefügt ;  .dies  wurde  vm 
neuem  am  18.  Sept.  1794  *)  eingeschärft.  Die  beiden  Ge- 
sindeordnungen von  1801  imd  1809*),  sonst  oft  gleich- 
artig, haben  etwas  verschieden  lautende  BestimmiingeiL 
Während  die  von  1801  noch  mit  den  alten  Mitteln,  Ar- 
rest  und  Zuführung  zum  Dienst,  vorgeht,  und  der  Herr- 
schaft ein  Rückhaltsrecht  an  deiT  Kleidern  und  am  Lohn 
des  Entlaufenen  gibt*),  wird  1809  nur  der  Verlust  des 
Lohnanspruchs  gegen  die  Herrschaft  statuiert');  will  der 
Dienstbote  einen  andern  Dienst  suchen,  darm  soll  er  ak 
Viagabund  ergriffen  und  bestraft  werden. 

Kölnisches  Recht  war  zimächst  milde  Präven- 
tion ®),  dazu  kam  1645  ^)  noch  das  Verbot,  ohne  Ursache 
ausgetretenen  Dienstboten  den  Aufenthalt  zu  gestatten. 
Nur  konsequente  Weiterbildung  dieser  Grundsätze  bedeu- 
tet das  völlige  Landesverbot,  wie  es  die  Polizeiordnun^ 
von  1656^°)  ausspricht.  Aus  gutem  Grunde  milder  war 
ein  Erlaß  vom  2.  Mai  1718  *^),  der  nicht  vornehmlich  den 
Vertragsbruch,  sondern  mehr  den  Dienstwechsel  außer- 
halb der  festgelegten  Ziehzeit  straft,  und  zwar  mit  Lohn- 
verlust  und  anderer  willkürlidher  Strafe.  Ein  Zurückgrei- 
fen auf  die  ehemaligen  milden  Grundsätze  vollzieht  die 


»)  Scotti,  Jülich  S.  360.  —  «)  Ebenda  S.  400.  —  »)  Ebenda 
S.  444;  St.  A.  Düsseldorf.  Akten  des  Bonner  Hofrats.  Kurköln  Re- 
gicrungssachen  Nn  47.  Gesinde  1770—84.  —  *)  Scott i  S.  745.— 
»)  Ebenda  S.  880,  1262.  —  •)  Art  12.  -  ')  Art  24.  —  «)  Oben  S.  769. 
—  •)  S  c  o  1 1  i ,  Köln  I  1  S.  249.  —  ")  Ebenda  S.  268.  -  ")  Ebenda  &  613. 


—     785    - 

Polizeioildniiiig'  von  1723^).  Die  eben  erwähnte  jülicher 
^erordniungf  von  1751  ist  mit  Köhi  geimieinsaJn  erlassen 
ivorden ;  Emeuenuig'en  folgten  1770  und  1784  *). 

Ans  N  a  s  s  a  u  ist  als  ältestes  Stück  die  1424  mit  Nach- 
barstaaten vereinbarte  Lohhordnung*  *)  zu  niennen.  Sie  sta- 
tuiert als  Strafe  einjähriges  Dienstverbot.   Nach  der  nas- 
saiier  Montagsordnimg  von  1586*)  soll  der  Vertrag  vom 
Gesinde  bei  Turmstrafe  ausgehlalten  wetdea.  Die  Polizted- 
ordntmg    für    Nassau-Katzenelnbogen    von  1597*) 
heißt  die  Obrigkeit,  vorzeitig  eintlaufene  Dienstboten  „der 
gebür  anmsehen".  Die  Geisindeordmmg  für  Nassa.u-B  e  i  1- 
sftein   von   1618^)   verweist  auf  eine   (nicht   ermittelte) 
Polizeiordntmg,  die  den  Vertragsbruc^h  untelrsagt.  Auf  die 
katzenelnbogener  Polizeiordnung  nimmt  die  nassau- sie- 
ge ner  Gesindeordnung  von  1718'')  Bezug;  die  ausgetre- 
tenen Dienstboten  sollen  tarn  Aushalten  des  Vertrages 
„angewiesen**  imd  mit  Strafe  angesehien  wearden.    Eine 
undatierte  und  chronologisch  schwer  einzuordneinde  ältere 
Rügordnung  für  die  Herrschaft  Idstein®)  droht  dem 
Vertragsbrüchigen  Gesinde  mit  ewigem'  Dienstverbote  im- 
Lande.  Die  u  s  i  n  g  e  r  Gesindeordntmg  aus  dem  Anfange 
des  18.  Jhdts.  ^)  ist  milder  und  hat  als  Strafen  Gefängnis 
und  Zuchthaus   bei  Wasser  und   Brot.    Niemand,  auch 
nic^ht  die   Eltern,   darf  einen  vertrag^sbrüchigen   Dienst- 
boten aufnehmen  und  herbergen. 

Für  Kurhessen  liegt  die  früheste  Nachricht  über 
die  Behandlung  des  Vertragsbruches  in  den  beiden  Weis- 
tümem  von  1447  und  1506^®)  vor.    Sie  setzen  Lohnver- 


')  Oben  S.  769.  —  *)  Staatsarchiv  Dasseldorf.  Akten  des  Bonner 
Hofrats,  Kurköln,  Regierungssachen  Nr.  47.  Gesinde  1770—84.  — 
')  Gaul,  Verhältnisse  des  Bauernstandes  in  Solms-Braunfels  S«  127 ff. 
bes.  180  f.  —  *)  Corp.  Const.  Nass.  I  S.  609.  —  »)  Univ.-Bibl.  Marburg. 
—  •)  Corp.  Const  Nass.  II  S.  29.  —  0  Ebenda  in  S.  170.  —  »)  St  A. 
Wiesbaden.  V  Nassau-Usingen.  Generalia  II  a  Verordnungen  Bd.  V 
S.  1.  -  •)  Ebenda  S.  128.  —  »•)  Oben  S,  22flf. 

Kfinnecke.  e^ 


—     786     — 

hist  fest.  Weiter  gehört  der  an  anderer  Stelle*)  teilweise 
wiederg^gebelne  marbiirger  Schöffenspruch  aus  dem)  Jahre 
1522  hierher.  Die  Herrin  mtiß  den  Lohn  zahlen;  aber 
„so  sich  erfindt,  das  das  metgfen  sonder  laube  ussm'  dinste 
gangen,  solle  sie  ledig  etrkant  werden**. 

Einstweilen  regelt  sidi  das  in  Hessen  noch,  ohne  Ger 
setz.  Erst  hlmdert  Jahre  später  gereift  der  Gesetzgeber  ein. 
Die  Polizeiordnüng  von  1622  *)  ist  die  früheste  Quelle.  Sie 
behandelt  ausschließlich  den  Vertragsbruch,  und  zwar  mit 
Hilfe    zivilrechtlicher,    straf rechtHcher    und    polizeilicher 
Maßnahmen.    Die  polizeiliche  Regelung  geht  dahin,  daß 
kein  Dienstbote  ohneZeiugnis  des  Abschieds  aus  dem  vori- 
gen Dienste  von  einer  neuen  Herrschlaft  gemietet  werden 
darf;   die   herrschaftliche   Bescheinigung  wird   ausdrück- 
lich als   Maßnahme  wider  den   Vertragsbruch   genannt. 
Einer  direkten  zwangsweisen  Zuführimg  in  den  Dienst 
wird  nicht  gedacht.  Die  Verpflichtung  zum  Wiedereintritt 
wird   zwar  ausgesprochen,   doch  wird  diese  Pflicht  nur 
durch  strafrechtliche  Maßnahmen,    nämlich  Turtnstrafe 
und   zeitlich  unbeschränkte   Verweisung  aus    Stadt  und 
Amt  wirksamer  gemacht.    Ohne  Rücksicht  auf  Wieder- 
eintritt oder  gänzliches  Ausbleiben  hat  der   Dienstbote 
den  rückstehfenden  Lohn  verwirkt.    Femer  muß  er  der 
Herrschaft  den  Schaden  ersetzen^  insbesondere  die  ver- 
säumte Zeit  bezahlen. 

1736')  wird  angeordnet,  daß  der  Vertragsbrüchige 
Dienstbote  ins  Zuchthaus  konmit,  und  daß  er  rückstän- 
digen Lohn,  Livree  und  Zeugnis  verwirkt  *).  Nach  §  5 
untersteht  das  entlaufene  Gesinde  rüdem  der  besonderen 
Kontrolle  der  Obrigkeit  ^).   Ebenso  emergisch  wie  die  alt- 

')  Oben  S.  602.  -  •)  LO.  I  S.  616.  -  »)  LO.  IV  S.  410.  -  *)  §  18- 
—  •)  Über  eine  Verwirklichung  dieser  Vorschriften  im  Rechtsstreite 
unterrichten  die  Deutschordensakten  »die  vom  Syndico  der  Land* 
Commende  Höchsten  Orts  wegen  des  Gerichtsstandes  der  Ordens- 
Bediente  übergebene  Beschwerde  betr."  von  1784/5  (St  A.  Marburg). 
Darin  befindet  sich  die  Abschrift  zweier  Prozesse  aus  neuerer  Zeit 


—     787     — 

i^ssische  von  1736  ist  die  hanauer  Gesindeordnung  von 
.  T48  ^).  Sie  droht  geschärftes  Gefängnis  bei  Wasser  und 
5 rot,  bei  Mitnahme  der  Livree  sogar  doppelte  Gefängnis^ 
; träfe.  Außerdem  wird  der  Fäll  in  den  Zeitungen  veröffent- 
icTit,  und  der  entlaufene  Dienstbote  wird  auf  Verlangen 
.vieder  in  den  Dienst  geführt.  Wer  Gesinde  verreizt  oder 
entlaufenes  aufnimmt,  wird  mit  Geld,  nach  Befinden  auch 
im  Leibe  gestraft. 

Die   Gesindeordnungen  von   1797  und   1801*)  über- 
riehmefi  diese  Grundsätze  nur  teilweise.    Eines  der  wich- 
tigsten  Mittel,   die  Zurückführung,  wird  bewußt^)   weg- 
gelassen.  Es  wird  ferner  noch  eine  Bestimmung  für  den 
Fall    hinzugefügt,   daß   das   Gesinde   sich   den   Abschied 
ertrotzt*).    Wenn  nämlich  das  Gesinde,  ohne  ein  Recht 
dazu  zu  haben,  vorzeitig  den  Dienst  kündigt  und  die  Herr- 
schaft nur,  um  keinen  gezwungenen  Dienstboten  zu  ha- 
lben, darein  willigt,  so  darf  sie  doch  das  ganze  Mietgeld, 
nicht  nur  pro  rata  temporis,  vom  Lohne  abziehen.    1801 
weicht   von    1797   nur  in   ganz   nebensächlichen   Bestim- 
mungen (wegen  der  Livree)  ab. 

Im'  Laufe  des  19.  Jhdts.  wurde  vornehmlich  die 
zwangsweise  Zuführung  wieder  ^um  Gesetze  erhoben,  und 
zwar  durch  Ausschreiben  von  1857^),  bestätigt  1858®). 
Mit  dem  uralten  und  veralteten  Gedanken  des  Dienst- 
verbotes operierte  noch  1858  die  hanauer  Polizei  gegen 
Dienstboten^  die  in  einem  Jahre  schon  den  dritten  Dienst 
verlassen   haben  ^). 

Der  eine  war  vom  Erbschenken  in  Frohnhausen  wider  den  Knecht 
Heinrich  Meyer  von  Oberweimar  gerichtet.  Der  Beklagte  lief  dem 
Schenken  weg  in  den  Dienst  des  Ordens,  aus  dem  er  dann  auch 
durchgegangen  ist.  Der  Orden  hat  „weiter  nichts**  als  5  Th.  46  albus 
Gut  behalten,  „welcher  (Lohn)  der  herrschaftlichen  Verord- 
nung gemäss  dem  hohen  Orden  anheimgefallen".  Entscheid  ist  dahin 
gegangen,  dass  Orden  und  Schenk  sich  in  diese  Summe  teilen  müssen. 
')  St,  A.  Marburg.  IX  A  1621.  —  •)  LO.  VII  S.  727 ;  VIII  S.  26. 
—  •)  Oben  S,  98.  -  *)  §  8.  -  »)  Oben  S.  165  f  -  •)  Oben  S.  168.  — 

')  Oben  S.  168  f. 

50* 


-     788    _ 

Von  hessischen  Nebenländeim  ist  (außer  den.  bereit 
in  anderm  Zusanimenhiangie  erledigten  Schaumburgr  unc 
Hanau)  zunächst  Gelnhausen  anzuführen.  1560  wurd< 
hier  den  Vertragsbrüchigen  Dietistboten  Lohnverlust  iind 
einjähriges  Dienstverbot  angedroht^). 

Fulda  behandelte  am  7.  April  1761  in  einem   Re- 
skript *)  den  Vertragsbruch,  in  der  Art,  daß  ziinächst  ohne 
Untersuchung  der  weggelaufene  Dienstbote  polizeilich  zu- 
rückgeführt und  dann  Klage  über  die  Rechtmäßigkeit 
erhoben  werden  sollte.    Strafe  drohte  dem  Gesinde  aber 
nicht,  wohl  aber  denen,  die  es  durch  „Ableit-  iind  Ver- 
reitirung**  zum  Vertragsbruch  veranlaßt  hatten.   Im'  Gegen- 
satz zu  diesen  Bestimmungen  stehen  Thomas'  Angaben 
über  das  fuldische  (Gewohnheits-)  Recht  ^).  Danach  mußte 
der  weggelaufene  Dienstbote  der  Herrschaft  bloß  Ersatz 
leisten.    Vielleicht  ist  diese   Mitteilung  nicht    so    richtig 
als  das,  was  bei  den  Vorarbeiten  für  die  Gesindeordnung 
von  1816  über  <üe  städtische  Gewohnheit  berichtet  wurde*], 
allerdings  gleichfalls  im  Widerspruch  mit  dem!  Reskript 
von  1761.    Entlaufene  Mägde  wurden  danach  bisher  der 
Herrschaft  wieder  zugeführt  und  mit  Zwangsarbeit  be- 
droht. Wenn  sie  vom  Lande  waren,  und  auf  keine  Weise 
ihre  Zeit  aushalten  wollten^  wurden  sie   „nach  uralt 
hiesigem  Gebrauch"  aus  der  Stadt  geführt,  in  der 
sie  hinfort  nicht  mehr  dienen  durften.    Die  Vorschriften 
der  Gesindeordnung  von  1816  imterscheiden  sich  dann^^) 
in  nichts   Wesentlichem   vom'  hessischen   Schema. 

In  Isenburg  drohte  die  Kirchendisziplinordnung 
von  1697  *)  dem  Gesinde,  das  „mUthwillig  aus  ihren  Dien- 
sten zu  treten  sich'  unterstehen  würde**,  mit  „ernstlichem 
Einsehen  und  Bestrafmig**. 

Aus  dem   Gebiete   Hessen-Darm$tadts  ist   Oppen- 

»)  Oben  S.  121  f.  -.  «)  Oben  S.  288.  -  »)  Sistem  III  §  666;  oben 
S.182.  -  *)  Oben  S.  168.  —  •)  Möller-Fuchs  S.  118.  -  •)  Ker- 
stin g,  Sonderrechte  Sp.  894ff.,  bes.  900,  i 


—     789     — 

li  e  i  m  anzuführen,  dessen  großes  Stadtbuch  *)  als  einzige 
gesinderechtliche  Bestimmlung  den  Satz  enthält,  daß  der 
Vertragsbrüchige  Dienstbote  seinen  Lohn  verscherzt.  Die 
friedberger  Polizeiordnung  von  1680  *)  statuiert  Turm- 
strafe  wider  entlaufenes   Gesinde. 

Wenn  sich  auch  die  schwachen  Territorialverbände 
vielfach  mit  bloßer  Aufforderung  an  ihre  Mitglieder,  Ge- 
setze 2U  erlassen,  begnügen  mußten,  so  war  doch  gerade 
in     der    Bekämpfung    des    Vertragsbruchles     das    Vor- 
gehen des  Reidhes  und  der  Kreise  von  Erfolg  be- 
g^leitet.   Seit  1530  mahnten  die  R  e  i  d  h  s  polizeiordnungen 
die    Einzelländer,    strafend    wider    die    vertragsuntreuen, 
Dienstboten   vorzugehen*).    Aus   dem   17.   Jhdt.   ist  der 
Vereinbarungen  des  fränkiscfhen  Kreises  zu  gedenken. 
Eine  Übereinkunft  vom  September  1643  *)  bestimmte  unter 
Verweisung  auf  frühere  Polizei-  und  Taxordnungen,  ins- 
besondere eine  solche  von  1623,  daß  der  Vertragsbruch 
verboten  werden  solle.    Gleiches  wurde  in  einem  Rezeß 
vom  Oktober  und  November  1654*)  angeordnet;  durch 
Ausgestaltung  des  Zeugniswesens,  Lohnverlust  und  son- 
stige ernstliche  Bestrafung  sollte  der  Mißstand  beseitigt 
werden.     Auf    eine  1651    geschehene  Vergleichung    des 
sc'hwäbischen  Kreises  bezieht  sich  eine  Ordnung  der 
Stadt  Biberach  aus  1651®).    1652  wurde  weiter  eine  ge- 
druckt vorliegende  Gesindeordnung  vereinbart').    Lohn- 
verlust, Aufenthaltsverbot,  zwangsweise  Zuführung,  kör- 
perliche Strafen,  sogar  Landesverweisung  haben  die  Ver- 
tragsbrüchigen Dienstboten  zu  erwarten.   Aus  dem  Jahre 
1 654  stammt  ein  mainzischer  Rezeß ®),  der  mit  zwangs- 

^)  Wilhelm  Franck,  Gesch.  d.  Reichsstadt  Oppenheim  S.  178  fr., 
bes.  S09.  —  ')  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  *)  Neue  u.  voUst.  Sammlung  d. 
Reichs-Abschiede  II  S.  882  (1580),  587  (1548),  III  S.  879  (1577);  oben 
S.  85ff.  —  *)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  —  •)  Moser,  Des 
Fränckischen  Crayses  Abschiede,  I  S.  800 ff.;  Landesverordnungen 
WQrzburg  I  S.  248  ff.,  bes.  244.  —  •)  Kr.  A.  Neuburg,  ad  N.  5887. 
Augsburg  Hochstift  ad  gen.  XI  Nr.  2.  —  ')  St  A.  Stuttgart.  —  ')  Stadt- 
archiv Frankfurt.    Corp.  leg.  Francf.  III  Nr.  66. 


—     790     - 

weiser  Zurückführung  in  den  Dienst  und  mit  Turmstrafe 
operierte.  Welche  Erfolge  diese  Unternehmungen  hatten« 
wird  aus  der  folgenden  Darstellung  des  süddeutschen 
Rechtes  ersichtlich. 

Der  mainzer  Rezeß  zwar  fand  in  seinem  Rechte  des 
Vertragsbruchs  keine  nachweisbare  Gefolgschaft.  Die 
frankfurter  Taxordnung  von  1654*)  bringt  nur  Lohn- 
vorschriften. 

Dagegen  waren  die  Mitglieder  des  fränkischen  Krei- 
ses der  Ermahnung  zum  gesetzgeberischen  Vorgehen  größ- 
tenteils schon  zuvorgekommen. 

Würzburg  zum  Beispiel  schritt  schon,  wenn  auch 
ungeschickt,  1644  gegen  den  Vertragsbruch  ein.  Die  in 
diesem  Jahre  erlassene  Taxordnung*)  gestattet  es  „kei- 
nem Ehehalten  ohne  erhebliche  Ursach,  imder  dem  Ziel 
ausszutretten** ;  von  Ersatzleistung  oder  Strafe  wird  nichts 
gesagt.  Den  Mangel  heilt  die  folgende  Taxordnung  von 
1662').  Vertragsbrüchige  soll  kein  anderer  bei  12  Gld. 
Strafe  annehmen;  Hehler  oder  Helfer,  die  das  ihnen  be- 
kannte entlaufene  Gesinde  nicht  anzeigen,  erhalten  Geld- 
oder Gefängrniss träfe.  Schadensersatz  und  Lohnverwir- 
kung sind  weitere  Folgen  für  den  entwichenen  Dienst- 
boten. Die  oben  erwähnte  Satzung  des  fränkischen  Kreises 
von  1654  wurde  auch  in  Würzburg  eingeführt  *).  In  der 
Gesindeordnung  von  1749^)  wurde  Mannigfaches  ziem- 
lich regellos  bestimmt  in  den  §§  5,  9,  11,  17.  Die  Herr- 
schaft braucht  keinen  Lohn  zu  geben.  Ein  Jahr  lang 
darf  der  entlaufene  Dienstbote  in  der  Stadt  nicht  dienen ; 
er  wird  solange  ausgewiesen  (§  5).  Dem  widerspricht 
scheinbar  §  11,  wonach  der  ohne  Kündigung  austretende 
Dienstbote  nur  V*  J^^r  l^ng  ausgewiesen  wird;  damit 
ist  aber  offensichtlich  der  Austritt  mit  Ablauf  der  ver- 


')  Ebenda  Nr.  63.  -  «)  Kr.  A.  Wflrzburg.   V.  9561.  —  »)  Ebenda. 
-  *)  Landesordnungen  WOrzburg  I  S.  248  ff.,  bes.  244.  —  »)  Ebenda 
II  S.  639. 


—     791     — 

iinbarten  Zeit  gemeint,  woraxifhdn.  zu  kündigen  der  Dienst- 
30te  unterlassen  hat.  Die  dem  entlaufenen  Gesinde  Unter- 
><rlilupf  verschaffen,  werden  nach  §  17  mit  20  Th.  be- 
straft; 10  Gulden  muß  zahlen,  wer  es  in  Dienst  „oder 
sonsten**  annimmt. 

Uralt  im  Vergleich  mit  den  übrigen  fränkischen  Län- 
dern ist  das  Recht  in  Bamberg.    Das  Stadtrecht  des 
X4.  Jhdts.  ^)  versagt  den  Dienstboten  das  der  Herrschaft 
zustehende  Recht  willkürlicher  jederzeitiger  Dienstbeen- 
digtmg.    Nur  bei  Vorliegen  eines  Grundes  ist  unzeitigei 
Lösung  des  Verhältnisses  unter  Zustimmung  des  Gerich- 
tes gestattet.   Eine  Ausnahme  gilt  für  christliches  Juden- 
gesinde.   „Dy   mügen  nrlaup   nemien   wenn   sie   wollen** 
xind  sollen  dodh  ihren  Lohn  bekommen  *).  1533  wird  eine 
Strafe,  Dienstverbot,  eingeführt ') ;  auch  die  weiterhin  fest- 
gesetzte  Summe  von  zehn  Gulden  soll  wohl  als   Strafe 
des   Gesindes  für  den  Vertragsbruch  gelten.    Einen  be- 
sonderen Abschnitt  widmet  die  Tax-  und  Gesindeordnung 
von  1652  *)  den  „entlaufenen  Dienstbotten**.  Niemand  darf 
solc^he  bei   20  Th.   Strafe  mieten,  ehe  edn  Zeugnis  der 
vorigen  Herrschaft  vorgezeigt  xmd  ihr  der  durch  den  Ver- 
tragsbruch entstandene  Schaden  ersetzt  ist.    Die  Obrig- 
keit  trachtet   den  entwichenen  Dienstboten  nach,  führt 
sie  in  die  Arbeit  zurüdk  oder  gibt  ihnen  einige  Wochen 
Haft,  oder,   je  nachdem,  ein  Jahr  Arbeitsstrafe.    Geld- 
buße oder  Gefängnis  haben  alle  zu  gewärtigen,  die  ent- 
laufenen Dienstleuten  Unter3chlejif  geben  oder  Vorschub 
leisten,  oder  die  um  das  Ausreißen  wissen  und  es  nicht 
anzeigen. 

Das  Recht  des  Vertragsbruches  in  brandenbur- 
gisch Franken  beginnt  mit  einer  am:  28.  November 
1649  getätigten  Hochfürstlichen  Resolution  auf  Beschwer- 
den   der    voigtländischen    Ritterschaft*).     Das  Vertrags- 

')  Zöpfl,  Urt  S.  109.  —  »)  Ebenda  S.  110;  oben  S.  402.  — 
*)  Kr.  A«  Bamberg.  Bamberger  Verordnungen  Rep.  Ul  Nr.  59.  — 
*)  Ebenda.  —  •)  Kr.  A.  Bambei^  Collectanea.  Rep.  187  h  er.  1. 


—    792    — 

brüchig«  Gesüide  soll  mit  Zwang  in  den  Dienst  zurück- 
geführt werden.  Die  Taxordnung  von  1652^)  verweist 
auf  eine  nicht  näher  angegebene  Polizedordnung  sowie 
auf  die  Rechtspolizeiordnung'en  und  -Abschiede,  insbe- 
sondere auf  den  von  1530;  hiat  ein  unter  Vertragsbruch 
ausgetretener  Dienstbote  etwas  gestohlen,  dann  soll  er 
wie  ein  gewöhnlicher  Dieb  behandelt  werdöi*).  Nach 
der  Polizeiordnung  von  1672*)  soll  dem  Vertragsbrüchi- 
gen Diener  kein  Lohn  gegeben  werden;  ein  Jahr  Landes- 
verweisung oder  Gefängnis  ist  die  weitere  Strafe.  Die 
revidierte  Polizeiordnimg  von  1746*)  bleibt  bei  diesen 
Grundsätzen.  1769*)  wird  angeordnet,  daß  die  entlau- 
fenen Dienstboten  aufgesucht,  mit  48  Stunden  Arrest  be- 
straft und  zum  Ausdienen  gezwtmgen  werden  sollen. 

Die  anfange  in  Nürnberg  ausgebildete  Auswei- 
sungsstrafe*) ist  in  der  Verordnung  von  1579^)  auf  ein 
Jahr  normiert,  verstärkt  mit  zwanzig  Pfund  Strafe,  die 
sowohl  an  die  Dienstherrschaft  als  auch  an  den  Rat  zu 
zahlen  sind.  1628®)  wird  die  Dauer  der  Verbannung  auf 
zwei  Jahre  für  einheimische,  vier  Jahrei  für  auswärtigie 
Dienstboten  festgesetzt. 

In  dem  EhhaitreChte  der  Vogtei  Hahnbach  von 
1559^)  ist  die  Straf  summe  fünf  Gulden;  dazu  kommt  der 
Lohnverlust.  Zwei  Gulden  genügen  der  Polizeiordnung 
des  Amtes  Markt  Einersheim  von  1626*^).  Die  Poli- 
zeiordnung für  Eichstätt  von  1707^^)  schließlich  sta- 
tuierte Lohnverbot,  Untersagung  jeglicher  Unterkunft, 
Geige,  Triller  oder  gar  Ausweisung  samt  zwangsweiser 
Zurückf ührung ;  diese  letzte  wenigstens  für  den  Fall,  daß 

»)  Kr.  A.  Amberg,  Zug.  6.  Fasz.  24  Nr.  212.  —  •)  Oben  S.  560  f. 
—  *)  Corp.  Const.  Brand.-Culmb.  II  1  S.  556  ff.,  bes«  5di.  —  *)  Ebenda 
S.  675  ff.  -  •)  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  28  ^  Nr.  779.  Repert  288.  — 
*)  Kamann  S.  72.  —  ')  Kr.  A.  NQraberg.  Bestand  A  Akten  Nr.  24 
S.  I  L.  565.  —  •)  Ebenda.  Nr.  1628  S.  9.  —  •)  v.  Fink,  geO&ete 
Archive  1.  Jahrg.  S.  861  ff.,  bes. 868.  -  »)  v.  Webe  r,  Statutarrechte  II 
S.  1104.  —  ")  Habeische  Sammlung. 


—    793    — 

der  Dienstbote  zu  spät  gekündigt  hat  und  gleichwohl 
ausgetreten  ist. 

In  der  Ob  erpfalz  wurden  1628*)  den  Vertrags- 
brüchigen Dienstboten  vierzehn  Tage  Gefängnis  oder  im 
Vermögensfalle  je  ein  Gulden  Strafe  für  jeden  dienst- 
losen Tag  angedroht ;  zehn  Gulden  mußte  jeder  bezahlen, 
der  einen  entlaufenen  Dienstboten  aufnahm.  Die  bekann- 
ten Mittel:  zweimalige  „Einthürnimg"  imd  Verbot,  ein 
Jahr  lang  in  der  Stadt  zu  dienen,  werden  seit  1742  auch 
in  Pfalz-Zweibrüc'ken  angewandt,  lun  gegen  die  Un- 
sitte des  Gesindes,  das  ohne  „erhebliche  Ursache"  ent- 
lief, vorzugehen^). 

Das  alte  Recht  von  Augsburg*)  stellt  lediglich 
fest,  daß  ein  Dienstbote  ohne  Zustimmung  seines  Herrn 
nicht  aus  dem  Dienste  gehen  darf,  ehe  die  rechte  Zeit 
gekommen  ist.  Auch  die  regensburger  Statuten  aus 
dem  14.  Jhdt. *)  sind  so  genügsam.  Dagegen  legt  Rup- 
rechts Buch*)  dem  entlaufenen  Knechte  Lohnerstat- 
tung auf ;  zwiefachen  Lohn  muß  der  Knecht  geben,  wenn 
er  aus  dem  Dienste  geht,  obwohl  er  bereits  Lohn  erhalten 
hat.  Weiter  noch  gehen  Kaiser  Ludwigs  Rechts- 
buch^),  das  münchener  Stadtrecht ^),  das  freisin- 
ge r  Stadtrecfht  von  1359®).  Sie  regeln  zunächst  das  Be- 
weisrecht: „Gieng  ain  chnecht  oder  ain  diern  von  irem 
herren,  und  spraech,  si  hiet  ir  maisterschaft  vertriben 
mit  übler  handlung  oder  von  himgers  wegen,  oder  spricht, 
man  hab  im  urlaup  geben;  mag  sich  der  maister  davon 
genemen  mit  seinem  ayde,  daz  er  dez  nicht  getan  hab,  dez 
sol  er  geniezzen ;  ez  bezeug  dann  der  chnecht  mit  zwaien, 
als  hievor  geschriben  stet,  daz  im  also  war,  als  er  für 


')  Platzcr  S.  128.  -  «)  Kr.  A.  Spcicr.  Best  Zweibrücken  ffl 
Rep.  34  Nr,  1846  b.  -  •)  Meyer  Nr.  129.  —  *)  v,  Freyberg,  hist. 
Schriften  u.  Urk.  V  S.  7C,  bes.  50.  —  >)  Maurer  S.  166  (Kap.  186). 
—  •)  V.  F reyb e  rg  a.  a.  O.  IV  S.  888ff;  bes.  426  (Art  88).  -  »)  Auer 
S.  64  (Art  188).  -  •)  v.  Freyberg  a.  a.  O.  V  S.  162 ff.,  bes.  188. 


—     794     - 

geben  hab/*  Je  der  Schuldige,  Herr  oder  Knecht,  miifc 
dann  den  Lohn  zahlen  oder  einbüßen;  der  Richter  er 
hält  72  Pfennige. 

Das  Kloster  Tierhaupten  an  der  Ach  bestimmte 
etwas  später  in  seiner  Gesindeordnung  0,  daß  dem  va- 
tragsbrüchigen  Gesinde  kein  Lohn  gegeben  werden  darf, 
daß  der  Herr  es  an  andern  Diensten  „irren***),  es  „in 
die  keichen  ^)  legen"  und  zum  Ersätze  anhalten  mag*.  Daß 
das  Gesinde  für  den  Vertragrsbnich  seine  Lohnansprüche 
verliert,   ist  audh  weiter  das   Recht  mancher   südbayeri- 
sohen   Stadt:    Ronsburg*  1517,  Rothenbuch    1676. 
O herze  11  1676,  Abtei  Ochsenhausenca.  1695,  sowie 
Dinkelsbühl  und  Kloster  Ursberg,  diesie  beiden  unda- 
tiert*). In  Ronsburg  und  Rothenbuch  galt  außerdem  Dienst- 
verbot; nach  ochsenhausener  Recht  mußte  auch  der  be- 
reits angenommene  Lohn  zurückgegeben  werden,  und  in 
Dinkelsbühl  war  die  Lösung  die,  daß  das  entlaufene  Ge- 
sinde  nur   dann   gestraft  wurde,   wenn  es   bereits   allen 
oder  fast  allen  Lohn  erhalten  hatte. 

Das  spätere  Landesrec'ht  Ältbayerns  brachte  neue 
Gedanken  auf.  Durch  Polizeiordnung^  von  1500  und  Lan- 
desordnung von  1501  *)  wurde  die  Landesverweisung  ohne 
Zeitbeschränkung  eingeführt.  Auf  dem  Landtag  von  1507 
schlug  man  freilich  vor,  die  Verbannung  durch  bloße  Lei- 
bestrafe und  zwangsweise  Zuführung  zu  ersetzen^);  auch 
1508  drangen  die  Stände  auf  wirksamere  Bekämpfung 
des  Vertragsbruches  ^).  Aber  erst  die  Landesordnung  von 
1516  änderte'das  Recht «).  Die  ausgetretenen  Dienstboten 
sollen  gehalten  werden,  weiter  zu  dienen  oder  Schadens- 
ersatz zu  leisten  oder  einen  Ersatzmann  zu  stellen.  Tun 


')  Grimm,Weistümer  VI S,199flf.  -  ")  =  verhindern;  Schmellcr, 
Wörterb.  I  Sp.  181.  —  •)  =  Kerker;  ebenda  Sp.  1219.  ~  *)  v.  Weber, 
Statutarrechte  IV  S.  818;  287;  292;  U  S.  1016;  IV  S.  882.  —  »)  Platzcr 
S.  75,  78;  Kren n er,  Landtagshandlungen  XIII  S.  261  ff.,  bes.  301. - 
•)  Piatzer  S.  80.  —  ')  Ebenda  S.  86.  —  •)  Ebenda  S.  88ff. 


—     795     - 

sie  nichts  von  dem,  dann  erhalten  sie  Gefängnis-  iind  an- 
dere Strafen  und  dürfen  keinen  andern  Dienst  annehmen. 
Auf  'drei  Jahre  ausgewiesen  werden  Dienstboten,  die  zur 
Erntezeit  der  Herrschaften  ins  Ausland  entweichen.  1553 
und  1616  wurden  diese  Grundsätze  wiederholt^).  Mit  ein- 
fachem Verbote  läßt  es  die  Gesindeordnung  von  1652*) 
genügen.    Dieser  Mangel  wurde  erst  1746*)  durch  Ein- 
f ügung  der  zwangsweisen  Zurückführung  beseitigt.  1755*) 
kam  dann  die  je  nach  Rückfällen  gestaffelte  Freiheits- 
strafe  hinzu.    Die  Ordnung  von   1761*)  ließ  es   so,  die 
von  1781^)  vereinigte  all  die  möglichen  Mittel  in  beson- 
derer Ausführlichkeit.    Die  bisher  nach  Monaten  bemes- 
senen Strafen  werden  nun  auf  ein  Jahr  Arbeitshaus  odear 
gleich   sechs   Jahr   Militär  in   die    Höhe   geschraubt. 

Bis  ins  16.  Jhdt.  reicht  das  württembergische 
Recht  zurück.  Vor  dem  Landesrecht  seien  einige  Orts- 
rechte angeführt.  Nach  den  Gebräuchen  von  Botwar 
aus  dem  Jahre  1552*)  soll  der  entwichene  Ehehalt  gar 
keinen  Lohn  beanspruchen  können,  imd  er  muß  „den 
kosten  abtrag  thun  nach  erbar  Leuth  erkhennen**.  Mit 
Lohn  Verlust  strafen  ferner  das  Vogtbuch  Ramsbergs 
von  1556^),  die  Rechte  Rechbergs  und  anderer  Gräf- 
lich Adelmannscher  Orte  von  1577 «),  Wißgoldingens 
von  1612^).  Das  ramsberger  Recht  fügt  noch  das  zeit- 
lich unbeschränkte  Gebot  hinzu,  daß  die  entlaufenen 
Dienstboten  „in  diesem  geridhtszwang  zu  dienen  nit  gcr 
statt  werden.**  In  der  Ordnung  Wißgokiingens  wird  statt 
dessen  auf  ein  Pfund  Strafe  erkannt.  Zu  B  i  b  e  r  a  d  h  er- 
ging 1651  auf  Grund  eines  Kreistagsvergleiches  eine  .Ge- 

')  Ebenda  S.  98,  108.  —  •)  R.  A.  München.  Gen.  Samml.  Rep. 
S.  9  Nr.  5.  ~  •)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  -  *)  Chur- 
baierisches  Intelligenzblatt  1776  Nr.  39.  -  »^  Kr.  A.  München.  GR. 
Fasz.  404  Nr.  7.  —  •)  Kr.'  A.  München.  AR.  Fasz.  459  Nr.  209.  — 
0  Reyscher,  Statutarrechte  S.  484flf,  bes.  488.  —  •)  Wintterlin, 
Württembergische  landliche  Rechtsquellen  I  S.  759  flf.,  bes.  767.  — 
•)  Ebenda  S.  682  ff,  bes.  715.  —  ")  Ebenda  S.  798  ff,  bes.  866. 


—     796    — 

Sindeordnung*),  die  durch  Lohnversagung,  AusweisuEi 
oder  sonstige  Strafe  sowie  zwangsweise  Zurückführunj 
zum  verlassenen  Dienste  dem'  Gesinde  die  Lust  am  Vc 
tragsbruch  nehmen  wollte.  In  der  Polizeiordnung  fi 
Schwäbisch- Hall  von  1703')  wurde  dem  vertragi 
brüchigen   Gesinde  Geldstrafe  auferlegt. 

Einige  Jahre  früher  schon  als  die  Ortsrechte  setzt» 
die  Landeshoheit  mit  neuer  Rechtsbildung  ein.  Dii 
erste  Polizeiordnung  von  1549  *)  beruft  sich  auf  die  Reicfc 
Polizeiordnung.   Das  fortgelaufene  Gesinde  bekommt  kei 
nen  Lohn  und  darf  von  niemandem'  ohne  Willen  der  frt- 
beren  Herrschaft  gemietet  werden.    Die  5.  und  7.  \^ 
desordnung  von  1552  und  1621  *)  schließen  sich  dem  an. 
Eine  andere   Gruppe  setzt   sich  aus  dem   1.    Landrech: 
von  1555,  dem  2.  von  1567  (2.  Teil,  am'  Ende  der  con 
ductio,  unmittelbar  vor  denn  Werkvertrag),   dem  3.  vod 
1610  zusammen*).   Wem»  Taglöhher,  Knecht  und  Mägde 
„ohn  ursach  aus  dem  Zil  giengen",  der  miag  sie  durci 
die  Amtleute  „hiandthaben  und  behefften  *,  bis  sie  ausdienen 
oder   Schaden   gut   machen.    „Wer  aber  einem  nit  ge^ 
legen  sie  also  zubeschafften  und  in  Dienst  ferrer  anzune- 
men,  so  soll  er  jhhen  doch  umib  vergangnen  Lohn  zu- 
geben nit  schuldig  sein" ;  außerdem  werden  sie  noch  ge- 
straft.   Das  Jahr  1555  kennt  außerdem  noch  eine  Ein 
sdhärfung  der  Polizeiordnung  (von  1549),  am  8.  August 
erlassen «).  Man  soll  sol<^hie  Dienstboten  ins  Gefängnis  tun, 
„und  als  leichtfertige,  die  jr  zusagen  trawen  und  glauben 
vergessen,  onnachlässig  straffen".  Die  4.  Taxordnung  von 
1642 ')  beschäftigt  sich  wieder  mit  der  Frage.   Sie  spricht 
den  Dienstboten  für  den  Vertragsbruch  den  Lohnanspnidi 
ab  und  tut  sie  ins   „Narrenhäuslin" «).    Energischer  ist 

»)  Oben  S.  789.  -  «)  Sickcl  S.  99.  —  »)  Rcyschcr,  Gcscw 
XII  S.  149.  -  *)  Ebenda  S.  193,  717.  —  •)  Ebenda  S.  288,  IV  S.  lU 
V  S.  1.  -  •)  Ebenda  XII  S.  288.  -  ')  Ebenda  XIII  S.  17.  —  •)  Ein  Kafi« 
zu  öffentlicher  Schaustellung  der  Übeltater;  Staudenraus,  Chronik 
von  Landshut  II  S.  179. 


—     797    — 

die  Gesindeordnung  von  1652  ^),  die  im  Ansöhluß  an  die 
kurz  vor  hier  1652  abgeschlossenen  Vergleichung  des 
scJh'wäbischen  Kreises  ^)  mit  Geigen-  und  Turmstrafe  oder 
Ausweisung  droht,  den  Lohn  für  verwirkt  erklärt,  und 
anordnet,  daß  der  Dienstbote  auf  Vetlangen  eintreten 
muß,  kein  anderer  ihn  mieten  darf.  Die  1669  zwischen 
schwäbischen  Städten  und  Ämtern  vereinbarte  Taxord- 
nung^)  äußerte  sich  in  ähnlicher  Weise.  Für  einen  be- 
schränkteren Kreis  schuf  die  Schäferordnimg  aus  dem 
Jahre  1651*)  Recht.  Sie  setzt  Geldstrafe  fest  für  den 
Fall,  daß  die  Mietung  des  Schäferknechts  vor  Ablauf 
des  Dienstjahrs  erfolgt;  für  die  Strafe  haften  die  Schafe 
des  Knechts,  „die  er  dem  Meister  gestellet". 

Aus  badischem  Lande  ist  als  ältestes  Stück  das 
zweite  Stadtrecht  von  Überlingen  (um  1400)*)  erhal- 
ten. Lohhverlust  und  einjähriges  Dienstverbot  sind  die 
Folgen  des  Vertragsbruches.  Mit  Lohnverlust  begnügte 
sich  Idie  Gesindeordnung  des  Klosters  K  ö  n  i  g  s  b  r  ü  c  k  *). 
Nach  freiburger  Stadtrecht  von  1520')  kann  sich  der 
verlassene  Dienstherr  das  ungetreue  Gesinde  zwangsweisie 
zurückführen  lassen.  Will  er  das  nicht,  dann  braucht  er 
doch  nicht  den  ganzen  Lohn  zu  geben;  der  Dienstbote 
soll  gestraft  werden;  wie,  ist  nicht  angegeben.  Das  1527 
aufgezeichnete,  1596  neu  gefaßte  Stadtrecht  von  Adels- 
heim«) will  wider  Lohnsteigerungen,  „uf wüschen**  zu  un- 
rechter Zeit  und  andere  Mutwilligkeiten  des  Gesindes  im 
allgemeinen  „nichts  sonderlichs  ordnen**;  doch  soll  we- 
nigstens den  Vertragsbrüchigen  Dienstboten  kein  Lohn 
gegeben  werden.  Die  in  der  Polizeiordnung  für  Vi  11  In- 
gen von  1668^)  wider  das  Dienstverlassen  wählend  der 
Erntearbeit  angedrohte  ,, exemplarische  Strafe**  wird  des 

*)  Ebenda  S.  114.  —  •)  St.  A.  Stuttgart.  Druck;  oben  S.  789.  — 
•)  St  A.  Stuttgart.  Handschrift.  —  *)  Reyscher  a.  a.  O.  S.  108.  — 
•)  Oberrhcinbche  Stadtrechte  II  2  S.  52 ff.,  bes.  70.  -  •)  Mone^ 
Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  I  S.  191  ff.  —  ^)  Habeische  Sammlung. 
—  •)  Oberrh.  Stadtrechte  I  S.  648.  —  •)  Ebenda  II  1  S.  208  ff. 


—     798     - 

näheren  als  einjährige  Stadtverweisung ,  Turmstrafe,  La 
sterstein   mit    Lohnverlust   bestimmt. 

„Im  fall  aber  ein  Ehehalt  ohne  erhebliche  Ursache: 
vor  dem  Ziel  auss  seinem  Dienst  trette,  dem  soll  man  gx- 
nichts  geben'*,  sagt  die  Taxordnung  der  Stadt  Heidel 
berg:  vom  1.  Januar  1579*).  Aus  dem'  Gebiete  der  Kur 
pfalz  sind  weiterhin  die  beiden  großen  Landesordnui: 
gen  (Landrecht)  von  1582  und  1610*)  anzuführen.   Über 
einstimmend    verheißen    sie    dem    geschädigten    Dienst- 
herrn,  daß  ihm  der  entwichene  Dienst  böte  wieder  zug? 
führt  werden  oder  daß  er  ihm  Schadensersatz  leisten  soll 
will     der     Herr     vom     Wiedereintritte     nichts     wissen 
dann  braucht  er  auch  dem  Dienstboten  keine  Belohnung 
zu  geben,  dazu  wird  dieser  seines  „Muthwillens"  halbe: 
noch  mit  einer  Amtsstrafe  belegt.   Nach  vorgängriger  An 
kündigtmg  in  der  Polizeiordnung  von  1658')  nahm  man 
in  Kurpfalz  mit  der  folgenden  Polizeiordnung  von  1684* 
eine    Neuregelung  dahin   vor,   daß    Schadensersatz    und 
Lohnverlust    als   Repressivmittel   gewählt   wurden.     Das 
Hauptgewicht  aber  legte  man  auf  die  vorkehrende  Hand 
t^be  einer  Ausgestaltung  des  Zeugnbwesens. 

Von  kleineren  Territorien  schuf  sich  der  Klet- 
gau  1603*)  besonderes  Recht  in  der  Art,  daß  ver 
tragsbrüchige  Dienstboten  Turmstrafe  und  keinen  Lohn 
bekommten ;  vor  Ablauf  der  versprochenen  Zeit  dürfen  sie 
anderwärts  keinen  Dienst  annehmen.  In  der  Gesinde- 
ordnung der  Herrschiaf t  Gutenburg  von  1652 ®)  werden 
Lohnversagung,  Geige,  Turm  und  Verbannung  als  Straf- 
mittel genannt. 

Im  18.  Jhdt.  erschienen  mehrere  große  Gesinderechts- 
systeme in  Baden,  die  stetig  an  der  Bestrafung  des  Ver- 
tragsbruches festhalten  und   gar  noch   neue  Mittel   er- 

«)  Kr.  A.  WQrzburg.  V  9561 ;  Gen.  L.  A.  Karlsruhe  Kopiarbuch  603. 
—  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  »)  Ebenda.  —  *)  Ebenda.  -  »)  Habdsche 
Sammlung.  —  *)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.   KopiarbOcher  Nr.  692  d. 


—    799    — 

sinnen.  Das  Landrecht  von  1710^)  verheißt  der  Dienst- 
herrschaft zwangsweise  Zurückführung  des  ausgetretenen 
Gesindes,  es  sei  denn,  daß  solches  „einem  ehrlichen  Hauss- 
vatter  ohngtelegen" ;  in  diesem  Falle  braucht  der  ehr- 
liche Hausvater  keinen  Lohn  zu  herzählen.  Die  Dienst- 
boten werden  gestraft  und  sind  ersatzpflichtig.  Nach  der 
Gesindeordnung  von  1731,  erneuert  1755*)  wird  das  vfer- 
tra^brüchige  Gesinde  an  der  „schwarzen  Tafel"  öffent- 
lich bekannt  gegeben;  nach  Befinden  wird  es  ausgewie- 
sen und  verliert  den  rückständigen  Lohn.  Das  Recht 
des  Vertragsbruches  ist  in  der  sonst  mild  modernen  frei- 
burger  Gesindeordnung  von  1782*)  in  ähnlicher  Weisfe 
recht  hart.  Das  entlaufene  Gesinde  wird  von  der  Polizei 
aufgesucht,  zurückgebracht,  auf  acht  Tage  ins  Spinnhaus 
geschickt,  ein  Jahr  lang  aus  der  Stadt  ausgewieisen ;  der 
noch  nicht  ausbezahlte  Lohn  gfehört  den  Armen.  Der 
einzige  Fortschritt,  der  für  die  sonst  völlig  neuartige  badi- 
sche Gesindeordnung  von  1809  *)  festzustellen  ist,  besteht 
im  Fehlen  der  Verbannungsstrafe.  Polizeiliche  Zurück- 
schaffung und  körperliche  Bestrafimg  (die  eirst  nach  der 
Ausdienung  vollzogen  werden  soll)  sind  geblieben,  eben- 
so die  Ersatzpflicht;  für  den  Schaden  haftet  auch,  wer 
dem  Vertragsbrüchigen  Dienstboten  Unterkimft  gab. 

Die  österreichische  Gesindeordnung  fürs  Erz- 
herzogtuYn  unter  der  Enns  von  1765*)  gestattet  polizei- 
liche Aufsuchung  der  entlaufenen  Dienstleute  auf  An- 
zeige der  Herrschaft.  Das  eingefangene  Gesinde  wird 
„in  gefänglichen  Verhaft"  gebracht  „imd  sodann  nach 
beschaffenen  Umständen  zur  billigen  Spiegelung  ande- 
rer seineis  gleichen  wohl  empfindlich  gezüchtiget**; 
schärfste  Strafe  wartet  der  Beherbergier  des  entlaufenen 


*)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  ")  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Pfalz  Generalia 
5047.  —  »)  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Gen.  6891.  —  *)  Gen.  L.  A.  Karls- 
ruhe Provinz  Niederrhein.  Gesindepolizei.  Lit  B.  Nr.  1  IV  2.  - 
•)  Kr.  A.  München.   GR.  Fasz.  402  Nr.  1. 


—    800    — 

• 

Gesindes  und  der  bösen  Personen,  die  es  ziim  Vertrags- 
brüche verreizten.  Die  Gesindeordnungr  von  1779  fürs 
Land  ob  der  Enns*)  ist  gleicfhen  Sinnes,  aber  weit  prak- 
tischer, Ida  sie  die  Straf^i  genauer  faßt.  Nach  Rückfällen 
werden  die  Strafen  gestaffelt.  Ein  Beamtej-,  der  sich 
säumigT  in  der  Verfolgung  der  flüchtigen  Dienstboten  er- 
weist, erhält  18  Gld.  Strafe  und  muß  der  Herrschaft 
den  Schaden  ersetzen.  Flieht  der  Dienstbote  aus  den 
Erbländem,   dann  wird  er   steckbrieflich   verfolgt. 

Dies  ist  das  Recht  des  Vertragsbruches,  wie  es  sich 
vom  Mittelalter  an  bis  ins  19.  Jhdt.  hinein  gestaltet  hat. 
Es  ist  —  insbesondere  im  Verg^l^ch  mit  dem«  weiter  unten 
behandelten  Recfhte  des  herrschaftlichen  Vertragsbruches 
—  ungerecht,  überaus  ungerecht.  Aber  das  entspricht, 
wie  schon  im  Eingange  zu  diesem'  Abschnitte  ausgeführt 
wurde,  so  sehr  dem  Wesen  der  sich  stets  gleich  bleibenden 
Gesindegesetzgebung,  daß  es  nicht  verwundern  kann. 

Einen,  wenn  auch  arg*  hinkenden  Sieg  kann  sich 
die  Gerechtigkeit  sogar  noch  zugute  schreiben.  In  §  12  *) 
wurden  bereits  einige  in  der  Person  der  Dienenden  ge- 
giegebene  Gründe  angeführt,  aus  denen  dem  Gesinde  ein 
Recht  vorzeitiger  Dienstbeendigung  bisweilen  gegeben 
wurde.  Wenn  in  recht  vielen  Gesetzen  den  Dienstboten 
auch  wegen  ungünstiger  Eigenschaften  der  Herrschaft 
das  Recht  sofortigen  oder  baldigen  Austritteis  verliehen 
wird,  so  bildet  diese  Rechtseinrichtung  lediglich  eine  nö- 
tige Ergänzimg  zu  jenen  in  §  12  behandelten  Gestaltun- 
gen. Allerdings  ist  die  Regelung  nie  so,  daß  das  Dienst- 
verlassen straflos  bleibt,  wenn  der  Dienstbote  „seines  Ab- 
tritts erheblichen  ursach  gehabt**  (hess.  Taxordnung  1622). 
Stets  fordern  die  Gesetzgeber  vielmehr,  daß  das  Gesinde 
Beschwerden  der  Obrigkeit  anzeigt  und  deren  Gestattung 
des  Austrittes  abwarte't ;   hat   das   Gesindel  diesen  Weg 


»)  Ebenda  Nr.  2.  —  »)  Oben  S.  788  ff. 


—    801     — 

nicht  emg^chlagen  und  eigenmächtig  den  Dienst  ver- 
lassen, dann  wird  es  wegen  Vertragsbruches  gestraft,  mag 
aXLdh  Ider  Herr  noch  so  schlimmfen  Anlaß  zum  sofortigen 
Fortlaufen  gegeben  haben. 

Solche  Anzeigepflicht  legten  dem  Gesinde  auf  die 
Gesindeordnimg*  des  Herzog^tums  Holstein  von  1740 *), 
die  Statuten  Greußens  von  1556,  Frankenhausens 
von  1558,  die  Weimarer  Verordnung  von  1651,  die 
altenburger  von  1744,  die  Jenaer  von  1751.  Im 
moringer  Stadtredhte  heißt  es  ausdrücklich:  Der  ver- 
tragsbrü<?hige  Knecht  verliert  seinen  Lohnanspruch,  „id 
wore  denne  irkannt,  dat  sin  herre  ome  soda  un- 
recht und  ungelik  to  foyget  hedde,  dat  he  von  not  den 
denst  darume  breken  moste;  so  wore  ome  wess  pflichte 
na  irkantnisse**.  Vom  Rheinlande  gehören  hierher 
die  gemeinsamie  Ordnung  für  Jülich  und  Köln  von 
1751,  die  große  clevische  Gesindeordnung  von  1753. 
Die  große  Lohhordnung,  auf  die  sich  1424  der  Graf  von 
Nassau  mit  seinen  Nachbarn  verglich,  enthält  die  Ge- 
stattung vorzeitiger  Vertragslösung  durch  das  Gesinde 
für  den  Fall,  „dass  es  sein  löhn  Herr  also  gröblich  an 
den  Dienstbotten  brachtt,  das  köntlich  were,  das  es  nicht 
pleiben  könte**. 

Hessen  blieb  stets  bei  dem  Grundsatze  der  Polizei- 
ordnung von  1622,  daß  erst  Anzeige  und  obrigkeitliches 
Befinden  dem  Gesinde  vorzeitige  Freiheit  geben  darf.  Wie 
diese  Art  hier  auch  im  19.  Jhdt.  noch  durchgeführt  wurde, 
zeigt  eine  1840  in  Fulda  ergangene  polizeiliche  Entschei- 
dung^). Der  entlaufenen  Magd  wird  darin  aufgegeben, 
zurückzukehren.  „Wenn  sie  auf  Lösung  des  Dienstver- 
hältnisses klagen  will,  muss  sie  dieses  besonders  thuen. 

*)  Die  meisten  der  hier  angeftkhrten  Gesetze  wurden  bereits  im 
Verlaufe  dieses  Abschnittes  durch  Zitate  belegt.  —  ")  St.  A.  Marburg. 
Fuldaer  Regierung.  Acta  in  Betreff  Beschwerden  der  Dienstherr- 
schaften gegen  ihr  Gesinde  und  umgekehrt.    Pol.  Rep.  A.  Nr.  8. 


—    802    — 

Dieses  ist  ihr  bekannt  zu  machen  mit  deim'  Bemerke?: 
dass,  wenn  sie  von  Seiten  der  Brodherrschafft  oder  dt: 
erwachsenen  Söhne  ungebührlich  behandelt  wurde,  s^: 
deshalb  ebenfalls  klagen  könne.  Der  X.  ist  vorzuladeri 
und  ihm  zu  empfehlen,  dass  die  fragl.  Magd  in  seinen 
Hause  g*ut  xmd  sittlich  behandelt  werde.** 

Das  älteste  Zeugnis  für  gleiches  Vorgehen  in  Süd 
deutsdhland  ist  im  b am' berger  Stadtrecht  des  14. 
Jhdts.  *)  gegeben:  Die  der  Herrschaft  verliehene  Mach: 
einseitiger  Kündigung  steht  dem  Gesinde  nicht  zu.  „Es 
wer  dann  solicher  unredlicher  gebreche  da  daz  sie  pillich 
urlaup  hetten  und  das  den  gebrec'hen  daz  gericht  erkente 
so  sallen  sie  es  auch  haben  und  iren  lidlon  nemen  iv: 
die  vergangen  zeit,  on  geverde**  *).  Audh  die  bamberger 
Taxordnung  von  1652  wies  die  Dienstboten  an  die  Be- 
hörde. So  war  es  ferner  nach  der  brandenburgi- 
schen Taxordnung  desselben  Jahres,  im  altbayeri- 
schen Rec'hte  seit  1516^),  in  Baden  nach  den  Ge- 
setzen von  1731  und  1755,  in  Österreich  seit  1779. 

Die  neu  gearbeiteten  Systeme,  des  Gesinderechts,  die 
unter  französischem  Einflüsse  zu  Beginn  des  19.  Jhdis. 
geschaffen  wurden,  geben  präziseres  Recht.  Es  wird  den 
Dienstboten  (wie  auch  den  Herrschaften)  eine  genau  for 
mulierte  Tabelle  von  Gründen,  die  zu  vorzeitigier  Kündi- 
gung berechtigen,  aufgestellt.  Musterbeispiele  sind  die 
jülicher  Gesindeordnungen  von  1801  und  1809,  die 
badisc'he  von  1809.  1801  werden  dem  Gesinde  für  vor- 
zeitige Kündigung  mannigfaltige  Gründe,  teils  in  seiner 
Person,  teib  in  der  Herrschaft  entstanden,  zur  Verfügung 

s 

gestellt,  so  Schläge,  Fehlenlassen  des  nötigen  Unterhal- 
tes, „wenn  die  Herrschaft  das  Gesinde  zu  was  unzulässiges 
verleitet",  Heirat,  Krankheit,  wenn  die  Eltern  des  Dienst 

')  Zöpfl,  Urk.  §  895.  -  *)  Da6  christliches  Judengesinde  obn« 
weiteres  nach  bamberger  Recht  entlaufen  durfte,  wurde  oben  S.  791 
vermerkt  —  »)  Platzer  S.  88,  97,  108.     < 


—    803     — 

>oten  ans  einem  nicht  vorhergesehenen  Grunde  bedürfen 
mit  Strafe  auf  Unwahrheit).  1809  wird  in  Jülidh  noch  die 
Mangelhaftigkeit  der  Kost,  in  Baden  z.  B.  lange  Reise 
der  Herrschaft  genannt.  Der  königl.  westfälische 
Entwurf  von  1813  ^)  führt  insbesondere  Beleidigungen  an, 
deretwegen  ein  Dienstbote  vorzeitig  gehen  darf. 

Die  Folgen,  die  ein  gegründeter  vorzeitiger  Austritt 
für  das  Gesinde  hat,  werden  freilich  nur  allzu  selten  mit 
<ier  nötigen  juristischen  Schärfe  ausgesprochen.  Wo  über- 
haupt davon  die  Rede  ist,  heißt  es  gewöhnlich,  die  Obrig- 
keit solle  das  Nötige  veranlassen,  sie  solle  nadh  Billig- 
keit entscheiden.  Als  Beispiel  kann  das  alte  moringer 
Recht  dienen  *). 

Über  präzisere  Festsetzungen  ist  folgendes  ziu  sagen. 
Daß  dem  Dienstboten,  der  durch  Schuld  des  Herrn  aus 
dem  Hause  gehen  mußte,  sein  Lohn  gegeben  werden  soll, 
steht  in  der  oben  angeführten  Stelle  des  alten  bamber- 
ger Stadtrechtes.    Das  freisinger  Recht  von  1359*) 
gestattet  dem  entlaufenen  Kmechte,  den  Eid  der  Herrschaft 
über  das  Nicht  vorliegen  von  Kündigungsgründen  mit  zwei 
Zeugen  zu  überbieten.   Gelingt  dies,  dann  muß  der  Herr 
den  Lohn  geben  und  sogar  dem  Richter  72  Pfennige  als 
Buße.  Eine  überlinger  Ratsverordnung,  die  von  1558 
bis  1572  galt  *),  verordnete :  „Es  mecht  sich  auch  ain  miai- 
ster  oder  fraw  mit  iren  diensten  so  ungepeurlic^h  halten, 
also  das  sie  vor  dem  zeil  mit  unlieb  von  ain  ander  komen, 
so  soll  es,   wie   von  alter   her  jnit   dem'  lohn   gehalten 
werden."    Wie   diese   Gewohnheit   war,   ist   nicht  festzu- 
stellen.    In    Peina    bestimmten    die    Statuten   1597*): 
„Würde  sich  auch  ein  Herr  oder  Fraw  jegen  Ihr  gesinde 
Also  verhalten,  das  sie  weic'hen  musten,  dem'  sol  man  Ihr 
Lohn  geben,  was  verdienet  ist.** 

*)  Oben  S.  140  ff.  -  •)  Oben  S.  801.  —  »)  Oben  S.  798.  -  *)  Oberrh. 
Stadtrechte  II  2  S.  457,  468.  —  •)  Pufendorf,  obs.  iur.  IV  app. 
S.  242ff.,  bes.  278;  Peine,  Bez.  Hildesheim. 

61  • 


—    804    — 

Fürs  17.  Jhdt.  mag  die  hessische  Taxordnung  von 
1622^)  als  Beispiel  dienen;  der  mit  Recht  ausgetretene 
Dienstbote  soll  den  ganzen  Jahreslohn  erhalten;  wenn 
er  es  verlangt,  auch  einen  Abschied. 

Die  schau mburger  Gesindeordnung  von  1738*)^ 
in  diesem  einen  Punkte  ein  Vorbild  trefflicher  Gerechtig- 
keit, setzt  fest,  ehe  ein  Dienstbote  wegen  Vertragsbruches 
gestraft  wird,  solle  untersucht  werden,  ob  nicht  die  Herr- 
schaft durch  schlechte  Behandlimg,  schlechtes  Essen,  zu 
schwere  Arbeit  Anlaß  zum  Entweichen  des  Dienstboten 
gegeben  hat.  War  dem  tatsächlich  so,  dann  ,muß  die 
Herrschaft  dem  Dienstboten  den  vollen  Lohn  zahlen  und 
wird  dazu  noch  gestraft.  Die  holsteinische  Gesinde- 
ordnung von  1740*)  geht  zwar  nicht  so  weit,  die  Herr- 
schaft zu  strafen.  Jedoch,  wenn  die  Untersuchung  er- 
gibt, daß  der  Herr  die  ihm  über  seine  Dienstboten  zuste- 
hende Macht  „in  Unrecht,  Wüterey  und  unmässigen  Eifer 
verkehrete",  dann  ist  die  Herrschaft  zur  Zahlung  des 
vollen  Lohnes  und  weiter  des  Schadensersatzes  wegen 
des  unverschuldeten  vorzeitigen  Austrittes  des  Dienstbo- 
ten verpflichtet.  Mit  Leistung  des  schuldigen  Lohnes 
wurde  der  Dienstbote  in  Würzburg  nach  der  Gesinder 
Ordnung  von  1749*)  abgefunden. 

Als  Anhang  reihe  sich  hier  ein  kurzer  Bericht  über  die 
Entwicklung  in  Ostdeutschland  an. 

Von  1550  an  ging  man  in  Brandenburg^)  gegen 
das  Vertragsbrüchige  Gesinde  von  Gesetzes  wegen  vor,  mit 
Lohn  Verlust  für  den  einfachen  Fall,  mit  Strafen  für  den 
Vertragsbruch  nach  angenommenem  Lohne.  1575  wurden 
diese  Bestimmtmgen  wiederholt  und  weiter  zwangsweise 
Zuführung  gestattet.    Gründe  zu  vorzeitigem   Dienstaus- 


*)  LO.  I  S.  616 ;  oben  S.  801.  —  •)  Landesverordnungen  Schaum- 
burg-L.  II  S.  386;  oben  S.  779f.  —  »)  St.  A.  Schleswig.  Sammlung 
GroßfQrstl  Verordnungen;  obenS.  772  f.—*)  Landesverordnungen  Würz- 
burg II  S.  B39;  oben  S.  790  f.  —  *)  Lenn  ho  ff  S.  96  ff. 


—     806     — 

tritte  erhielt  das  Gesinde  erst  im  Allgeanieinen  Landrecfat 
zugebilli^.  Die  vom  Landrecht  in  Verfolgtmg  der  Ver- 
tragstheorie weggelassene  Bestrafung  des  Gesindes  —  ge- 
waltsame Zurückführung  war  vorgesehen  —  wurde  1810 
in  die  Gesindeordnung  wieder  eingefügt ;  2  bis  10  Thaler 
beträgt  die  Strafe. 

Die  Gesetzgeber  in  Kursachsen^)  begannen  1446 
mit  Festsetzung  von  Lohnverlust  wider  die  entwichenen 
Dienstboten.  Vornehmlich  arbeitete  man  in  Sachsen  mit 
Aufenthaltsverboten  oder  -Beschränkungen,  so  1446,  1482, 
1543,  1651.  Im  Jahre  1543  wurde  die  Ersatzpflicht  des 
Gesindes  statuiert.  Feste  Strafen  wider  Vertragsbrüchige 
Dienstboten  ^und  ihre  Helfer  stehen  in  der  Gesindeordnung 
von  1651.  Etli<^he  Wochen  Gefängnis,  auch  ein  Jahr 
Festung  bei  Wasser  und  Brot  droht  den  Dienstboten, 
Geld-  und  Gefängnisstrafe  denen,  die  ihnen  Vorschub  lei- 
sten. Die  Polizei  fahndet  fleißig  nach  dem  ausgetretenen 
Gesinde,  „an  allen  Orten  auch  in  anderen  Landen**. 
Trotz  schlimmsten  Verhaltens  des  Dienstherm  darf  das 
Gesinde  nicht  eigenmächtig  weglaufen,  sondern  muß  erst 
die  Behörde  hören. 

Die  grausamsten  Rechte  Ostdeutschlands  sind  die 
des  Ordenslandes  und  Schlesiens.  * 

Im  Ordenslande  wurden  während  des  15.  Jhdts. 
immer  wieder  Verbote  des  Vertragsbrudhes  erlassen;  das 
Gesinde  mußte  eine  Geldbuße  zahlen  und  ein  Jahr  umsonst 
dienen  *).  Die  Landesordnung  von  1494  ordnete  dann  an  *), 
daß  das  Vertragsbrüchige  Gesinde  verfolgt  werden  sollte. 
Der  Henker  nagelt  es  mit  einem'  Ohre  an  die  Staupsäule 
und  gibt  ihm  ein  Messer  in  die  Hand.  Schneidet  es  sich 
das  Ohr  ab,  dann  ist  es  frei. 

Der  schlesische  Fürstentag  beschloß  1553*),  daß 
die  entgangenen   Dienstboten  verfolgt  und  zurücktrans- 

^^)~Wuttke  S.  7,  10  20,  83.  -  •)  Frauenstädt  S.  872.  — 
•)  Ebenda;  Steffen  S.  16.        *)  Frauenstädt  S.  877. 


—     806    — 

portiert  werden  sollen;  bis  zum  Ablauf  der  vereinbane: 
Zeit  müssen  sie  ihre  Arbeit  bei  deim'  Dienstherrn  in  Eisr- 
gefesselt  tun.  Den  wahren  Grund  für  das  häufige  Vo: 
kommen  erkannte  der  Fürsten  tag  1581  ^),  und  auch  eim 
Amtskurrende  von  1602*)  drückt  es  aus:  die  großen  Hvi- 
ren  sollen  nur  besser  umgehen  mit  ihrem  Gesinde,  dai^: 
läuft  es  schon  nicht  weg.  Trotz  aller  Weisheit  gingen  dir 
Gesindeordnungen  des  17.  Jhdts^)  aber  weiter  auf  der. 
stets  begangenen  Wege  und  gelangten  so  dazu,  wider  dai 
mehrfach  Vertragsbrüchige  Gesinde  die  Todesstrafe 
zu  erkennen.  Auf  das  einfache  Delikt  steht  Halseis^: 
ferner  Festung  mit  Schanzarbeit  bei  Wasser  und  Brot,  fall- 
die  Dienstherrschaft  den  entlaufenen  Dienstboten  nicht 
wieder  aufnimmt.  Der  einfache  Rückfall  hat  Staupen- 
schläge und  Landesverweisung  nach  sich.  Von  Amts  wegen 
werden  Straßen  und  Wirtshäuser  nach  Vertragsbrüchigen 
Dienstboten  abgesucht.  Nicht  wieder  zu  erlangendes  Ge 
sinde  wird  aufgeboten,  in  contumaciam  an  den  Pranger 
geschlagen  und  auf  ewig  ausgewiesen*). 

Anhang  zu  §  13:    Koalitions  ver  b  ct. 

Gesindevereine  mit  den  Zwecken  unserer  modernen 
Gewerkschaften  kannte  die  Vergangenheit  nicht.  Wohl 
aber  gab  es  embryonale  Organisationen,  Dienstbotenver- 


»)  Ebenda  S.  878.  —  *)  Ebenda.  -  »)  Ebenda  S.  882.  —  *)  Genau 
wie  das  deutsche  Recht  verordnete  die  holländische  Gesindeordnung 
von  1719  gegen  den  Vertragsbruch  hohe  Geldstrafe,  dem  Ermessen 
des  Richters  überlassene  Freiheitsstrafe,  zwangsweise  Zurückftkhrung; 
Behaegel,  Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du  Comite 
central  du  travail  industriel  1905  S.  660).  Nach  dem  zu  L  Ö  w  e  n  im 
18.  Jhdt  geltenden  Rechte  stand  Lohnverlust  auf  dem  Vertragsbruch; 
des  MareZy  Les  bureaux  de  placement  ä  Bruxelles  (Revue  de  l'üni- 
versitz  de  Bruxelles  1905  S,  241  ff.,  bes.  256).  Strafe  des  Vertrags- 
bruchs nach  französichem  Recht  s.  Ferriere,  Dictionnaire  II 
S.  642. 


—    807     — 

einigimgen  von  Fall  zu  Fall,  die  bisweilen  auch  wirtschaft- 
liclie  Änderungen  im  Kleinen  des  Einzelhaiishaltes  oder 
Lohnerhöhungen  erstrebten,  wenigstens  nach  Ansicht  der 
Gesetzgeber,  die  dagegen  ankämpften.  Oder  es  zeigten 
sich  Erscheinungen,  die  man  „unabsichtliche  Organisa- 
tionen** nennen  könnte;  Lohnsteigerungen  oder  Gesinde- 
mangel wurden  der  vereinigrten  Macht  des  Gesindes  zuge- 
schrieben, das  sich  seiner  Gewalt  bewußt  sei.  So  war 
es  beispielsweise  1767  die  Auffassung  in  Hessöi,  daß  die 
Dienstboten  sich  ihrer  gemeinsamen  Interessen  bewußt 
seien,  und  daß  sie  es  in  diesem  Gefühl  der  Zusammen- 
gehörigkeit unternehmen  könnten,  als  Masse  dein  unter 
einander  uneinigen  Dienstherrschaften  eintgegenzutreten. 
Wie  schön  polterte  damals  der  biedere  Amtsrat  U  c  k  e  r  - 
mann  in  Germerode  gegen  solche  ihm  unerhörten  An- 
schauimgen  ^). 

Nur  einige  wenige  Staaten  kämpften  auch  gegen  die- 
ses Übel  der  Gesindekoalition,  das  ihnen  nicht  geringer 
erschien  als  all  die  anderen  Unarten  xmd  Untaten  des 
Gesindes.  Ein  württembergisches  Generalreskript 
vom  8.  August  1555  ^)  mJag  als  das  älteste  zuerst  genannt 
sein.  Ohne  daß  eine  Bestimmung  in  der  Sache  selber 
getroffen  würde,  wird  nur  festgestellt,  daß  sich  „andere 
Gesellen,  Knecht  und  Mägt,  durch  heimliche  practick  xmd 
meuterei  arglistiglich  bereden,  gleicher  gestaJt  hinzuzie- 
hen, und  vor  jrem  Zil  in  andere  Dienst  zubegeben,  auff- 
wegen  und  verfüm.** 

Ob  auch  eine  Vorschrift  des  hessischen  Hof  rech- 
tes '),  daß  dem  Hofgesinde  das  Meutern,  Rottieren,  Balgen 
und  Ausfordern  untersagt  ist,  hier  herangezogen  werden 
kann,  mag  dahin  gestellt  sein;  vielleicht  sollten  nur  die 
Raufereien  der  Knechte  untereinander  verjx)ten  werden, 


')  Oben  S.  79.  —  *)  Reyscher,  Gesetze  XII  S.  288.  —  •)  Bei- 
spiel:  Hofordnung  1570  Art.  12  (LO.  III  S.  177). 


—    808    —  ' 

während  man  an  ein  Revoltieren  wider  den  Arbeitgeber 
dabei  gar  nicht  dachte. 

Demnächst  bringt  die  österreichische  Gesindr- 
Ordnung  von  1658^)  ein  direktes  Koalitionsveibot.  Sr 
erwähnt  „einer  Zusammenschwörung  des  Gesindes,  ir- 
sonderheit  aber  der  Kutscher,  welche  einem  und  andem 
in  Dienste  zu  treten  nicht  gestatteten,  bevor  nicht  der 
welcher  etwan  Übeln  Verhaltens  wegen  des  Di^istes  ent- 
setzet worden,  seinen  Lohn  empfangen  hätte**.  Es  wirf 
angeordnet,  zu  weiterer  Vorkehrung  dergleiciien  2^ 
sammenschwörungen  „anzudeuten**.  Die  Gesindeordnuß? 
von  1765*)  befiehlt,  „dass  das  gefährliche  Zusammen 
schwören  der  Dienstleute,  ihre  Dienste  sammt  \ind  sam 
mentlich  auf  einmal  zu  verlassen,  auf  das  nachdrucksamstt 
hindanngehalten,  und  zu  dem  Ende  das  hierinnfalls  be- 
tretende Gesind  nach  vorhero  empfindlicher  Züchtigung 
auf  einer  Bühne  zu  jedermanns  Kenntniss  öffentlich  ausge^ 
stellet,  sodann  von  hier  völlig  abgeschaffet  werden  solle**. 

Die  ganzen  Nöte,  die  ein  Streik  den  Arbeitgebern  zu 
verursachen  mag,  sprechen  aus  einem*  Rundschreiben  der 
pfälzischen  Regierung  an  die  Ämter  und  Städte,  da- 
tiert Heidelberg  7.  Februar  1683  *).  Als  Dokument  für  ein 
frühes  Vorkommen  sozialer  Kämpfe  zwischen  landwirt- 
schaftlichen Arbeitern  und  Arbeitgebern  sei  der  entschei- 
dende Passus  im  Wortlaut  mitgeteilt: 

„Nachdem  Uns  "underschiedlich  vorkommen,  was  mas- 
sen  die  dienstbotten  und  gesinde  so  wohl  als  Taglöhner  in 
Unssern  Landen  mm  eine  geraume  Zeither  in  Ihrem  resp. 
Jahrs-  und  Taglohn  mercklich  gestiegen,  auch  sich  darin 
von  niemanden  mass  noch  ziel  geben  lassen  wollen,  son- 
dern, da  Ihnen  soviel  Sie  Selbst  ohnbilliger  weiss  fordern. 


^)  Sonnen fels,  Grundsätze  der  Polizey-|  Handlungs*  und  Finanz* 
Wissenschaft.  8.  Aufl,  1777  Nr.  180  Anm.  1.  —  »)  Ebenda;  ferner  Kr.  A. 
München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  —  •)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Pfalz 
Generalia  5046. 


—    809     — 

nicht  alsbald  accordiret  werden  will,  gleichsam  durch  einen 
Complot  die  jenige,  so  Ihrer  benöthiget  darzu  zti  zwingen 
sich  unterstehen  in  dem  sie  entweder  gesamter  hand  solche 
dienst  oder  arbeit  im  geringeren  Jahrs-  oder  Taglohn  nicht 
annehmen,  oder  wan  Sie  im-  Dienst  seind,  zu  solcher  Zeit 
da  man  Ihrer  am  nöthigsten  hat,  darauss  zu  tretten  trohen; 
wordiu-ch  dan  den  jenigen  so  Sich  Ihrer  brauchen  müssen, 
nicht  geringe  beschwehrde  zu  wachsien  und  sonderlich 
bey  dem  landtman,  der  auss  den  güthern  ziehende  nutzen 
mehrentheils  auff  das  kostbare  gesinde  xmd  Taglöhner  ver- 
wendet werden  muss/* 

Die  Regierung  schlägt  den  Ämtelm  Einführung  einer 
Gesindeordnung  vor,  in  der  vor  allem  stehen  müßten  eine 
Taxe  und  die  Bestimmung,  daß  das  Gesinde  sich  nicht 
mehr  auf  ein  halbes  Jahr  vermieten  darf,  daß  vielmehr 
die  Dienstzeit  ein  Jahr  beträgt,  das  von  Neujahr  ab  läuft. 
Die  vielen  von  den  Ämtern  einlaufenden  Gutachten  ent- 
halten meist  ausführliche  Taxvorschläge  und  Zustiml- 
mungserklärungen  zu  dem  Vorhaben  deir  Regierung.  Über 
den  Erfolg  war  nichts  zu  ermitteln;  es  ist  wahrscheinlich, 
daß  die  Regierung  ihr  allgemein  gebilligtes  Vorhaben  aus- 
geführt hat. 

Für  das  17.  Jhdt.  sind  noch  die  folgenden  Verordnim- 
gen  zu  nennen. 

Schlesische  Gesindeordnimgejn  aus  den  fünfziger 
Jahren*)  drohten  mit  der  Todesstrafe  den  Dienstboten, 
die  gegen  die  Lohntaxen  mit  Drohungen  oder  ZusamJmen- 
rottungen  revoltierten. 

In  T  ö  n  n  i  n  g  erging  am  8.  August  1661  „des  Stellers 
Verordnung  wegen  der  Arbeitsleute,  so  sich  im  Eyder- 
städtischen  gegen  die  Emdte  einstellen,  xmd  von  deren 


^)  Frauenstadt  8.888.  Als  einziges  ostdeutsches  Recht,  das 
diese  Oberhaupt  von  den  Gesetzgebern  sehr  vernachlässigte  Materie 
behandelt,  sei  es  hier  im  Zusammenhange  mit  der  westdeutschen 
Entwicklung  gebracht. 


—    810    — 

Meuterey  und  Schlägerey"  ^).  Da  wird  geklagt,  ,,da5= 
einige  fremde  Leute,  so  sich  zu  der  Aerndte  Arbeit  ailk. 
im  Lande  befinden,  und  denen  man  sonst  einen  billig?' 
Verdienst  gern  gönnet,  die  Freyheit  in  Bedingung'  d« 
Tagelohns  hindern,  und  andere  zwingen  wollen,  dass  sie 
um  nicht  minder  Preiss  ihre  Arbeit  versprechen  soller. 
als  etwa  ihnen  gelüstet,  und  daher  neulich  Schlägerey  urc 
Tumult  am  heil.  Sonntag  bey  der  Kirche  entstanden, 
daraus  leicht  lieh  grösseres  Unheil  erfolgen  könnte,  won 
nicht  zeitig  solcher  Bosheit  vorgekommen  würde". 

Bei    Gelegenheit   eines   Verbotes,   außer    Landes  zu 
dienen,  wird  in  einer  detmolder  Verordnung  vom  2C. 
Februar  1680*)  mitgeteilt,  daß  dem  gemeinsamen  Au> 
wandern  die  Arbeitemot  im  Lande  zu  verdanken  ist.   Di." 
Arbeiter  ziehen  hinaus  und  versuchen,  „zu  gleichmässigei 
Arbeit  andere  zu  bereden  und  dadurch  ihre  Compagnit 
dergestalt   zu   verstärken,   dass  oftermals   die    Hausleute 
und  Meiere,  auch  andere,  welche  zum  Ackerbau  und  son- 
sten  anderer  Arbeit  Knechte  und  Gesinde  halten  müssen, 
deren  kaum  bemächtiget  seyn  können,  geschweige,  dass 
solches  Gesindel,  wann  es  nach  verrichteter  Arbeit  wieder 
heimkehret,  gemeiniglich  mit  schlimmen  Krankeiten  be- 
haftet  und   damit  andere   anzuzünden   pflegen'*.     Es  ist 
noch  keine  bewußte  Organisation  gegen  die  Arbeitgeber, 
aber  es  ist  der  Weg  dahin. 

Nicht  viel  später,  in  anderen  Territorien,  waren  sich 
die  Dienstboten  schon  klar  darüber,  daß  sie  vereinigt  eine 
Macht  bedeuteten.  Die  hannoversche  Gesindeord- 
nung von  1732^),  auch  hierin  für  einige  weitere  Gesinde- 
ordnungen vorbildlich,  enthält  in  den  Artikeln  14  imd  15 
das  Verbot  einer  Dienstbotenkoalition:  „Solten  Dienst- 
boten einander  zur  Widersetzlichkeit  verleiten,  ja  so  gar 
unter  sich  gegen  die  Herrschaft  sich  verbinden,  sollen  die- 

*)  Corp.  Stat.  Slesv.  I  S,  312.  —  ")  Landesverordnung  U-Dctmold 
I  S.  487.  —  •)Spangenberg,  Verordnungen  f.  Hannover  IV  2  S.  461. 


—    811     - 

selbe  nach  Befinden  mit  Gefängnis-Straffe  zu  Wasser  uitd 
Brod  oder  dem  Karrensdhieben  nach  Grösse  des  Ver- 
brechens, auf  kurtze  oder  längere  Zeit  bestraffet  werden.** 
Krnstli<^he  Strafe  steht  auch  auf  der  Einführimg  schlim- 
mer Gewohnheiten,  besonders  darauf,  daß  sich  das  Ge- 
sinde unter  einander  „vergleicht**  imd  dadurch  veran- 
lassen will,  daß  der  Herrschaft  die  Dienste  nicht  wie  bisher 
geleistet  werden.  Fast  unverändert  übernahmen  die 
s  c  haumburg-lippische  Gesindeordnung  von  1738^) 
und  die  hanauische  von  1748*)  die  Verbote. 

Die  hessische  Ordnung  von  1736  ^),  die  in  vielem 
die  hannoversche  Ordnung  sklavisch  nachahmt,  bringt 
dagegen  keine  derartigen  Sätze.  Daß  dagegen  den  hessi- 
schen Gesetzgebern  des  Jahrhunderts  die  Furcht  vor  der 
Organisation  ebenso  im  Blute  lag  wie  ihren  .Kollegen  in 
andern  Ländern  *},  zeigt  eine  Äußerung,  mit  der, der  Regie- 
rungsrat Motz  1782  den  Antrag  einiger  Schäfer  auf  Zu- 
lassung von  Schäferzünften  ablehnte^):  „Das  Zimftge- 
such  ist  denen  Schäfern  .  .  .  um  deswillen  abgeschlagen 
worden,  weil  man  besorgen  musste,  dass  denen  Schäfern 
dadurch  Gelegenheit  gegeben  würde,  denen  Schaafhaltem 
ihres  Lohns  halben  und  sohsten  gleichsam  gesetze  vorzu- 
schreiben. So  billig  das  Gesuch  an  sich  ist,  so  scheinet  es 
mir  doch  auch  zu  gefährlich  zu  seyn,  ohne  eine  nähere 
Prüfung  für  die  snpplicanten  favorabiliter  anzutragen,  weil 
die  Schäiere  so  voller  räncke  sind,  dass  sich  der  erfahrenste 
und  wachsamste  oeconom  für  ihren  vielen  Betrügereyen 
nicht  genug  stellen  kann.**  Die  Regierung  stellte  sich 
auf  denselben  Standpimkt  und  schlug  den  Schäfern  ihr 
Gesuch  ab. 

Nicht   ganz   so   deutlich   wie   in   der   hannoverschen 


*)  Landesverordnungen  Schaumburg-L.  II  S.  836.  —  *)  St.  A. 
Marburg.  IX  A  1621.  —  •)  LO.  IV  S.  410.  —  *)  Vgl.  auch  die  Be- 
merkung oben  S.  807.  —  *)  St.  A.  Marburg.  Cass.  Reg.-Akten  Schäfer- 
zünfte betr.  1737,  1782  bis  1842  LXV  11.  Bl.  27. 


—     812    — 

Ordnung  und  ihrem  Gefolge  ist  das  Koalitionsverbot  e 
der  Gesindeordnung  vom  Anfang  des  18.  Jhdts.  für  Nai 
sau-Usingen*).  Die  Verfühnmg  und  Anreizung^  d-: 
Gesindes  unter  einander  und  durch  andere,  die  stärkr 
Quelle  aller  Unart,  ist  aufs  schärfste  zu  inquirieren.  Da 
Gesinde  soll  unter  Eideszwang  eröffnen,  von  wem  es  \'er 
führt  und  gegen  die  Herrschaft  aufgereizt  worden  ist 
Mehr  an  das  Abspenstigmachen  als  an  Dienstbotenverab 
redungen  haben  die  Gesetzgeber  hierbei  wohl  gedacht. 

Sodann  gehören  auch  die  beiden  clevischen  G.- 
Sindeordnungen  von  1753  und  1769*)  hierher.  Aus  ihner 
wird  der  Zusammenhang  klar,  der  für  die  herrschaf.r 
freundlichen  Ciesetzgeber  des  18.  Jhdts.  zwischen  lieder- 
lichen Zusammenkünften  und  den  gemeinsamen  Abreder. 
gegen  die  Herrschaften  bestand.  Auch  die  hessischen 
Gesindeordnungen  verbieten  ja  das  Besuchen  „liederlicher 
Gesellschaften**;  in  §  6  wurde  darauf  hingewiesen*).  Was 
in  der  zweiten  clevischen  Gesindeordnung  von  1769  Er- 
eignis wird,  ist  in  Ansätzen  vorhanden  in  der  früheren  von 
1753.    Da  steht  folgendes  zu  lesen*): 

„Wie  den  Gesinde-Mäcklern  Zusammsenkünffte  des 
Gesindes  bey  sich  zuzulassen  schon  oben  untersaget,  also 
soll  auch  sonst  niemand,  und  insonderheit  die  Bier-Schen- 
ken, Keller- Wirthe  und  andere,  welche  Schlaf-Stellen  hal 
ten,  denen  würcklich  in  Diensten  stehenden  Dienstbother 
dergleichen  Zusammenkünffte  oder  Versammlungen  zum 
Saufen,  Spielen,  Kuppeleyen  imd  anderen  Ueppigkeiten 
oder  auch  Verläumdungen  wider  ihre  Herr- 
schafften, undwie  sie  solche  hintergehen  und 
ihnen  übel  begegnen  wollen,  bey  Vermeidung  un- 
ausbleiblicher Straffe,  keineswegs  verstatten,  noch  eines 


*)  St.  A  Wi<'sbad  n  V  Nassau-Usingen  Generalia  II  a  Verord- 
nungen Bd.  V  S.  128.  «)  Scotti,  Cleve  S.  1452,  1894.  —  »)  Oben 
S.  B87ff.  -  *)  Tit.  VIII  §  1;  vgl.  auch  Tit.  II  §  7. 


—     813     — 

annoch  dienenden  Gesindes  Coffre  oder  Sachen  bey  sich 
in  Verwahrung  nehmen  und  halten/* 

1769  ist  es  dann  offen  ausgesprochen,  was  1753  mit 
eine  Absicht  war.  In  §  43,  der  im  übrigen  mit  dem«  eben 
mitgeteilten  übereinstim*mt,  heißt  es,  daß  den  Wirten  ver- 
boten ist,  „auch  keine  Verläumdung  oder  Abredung  gegen 
ihre   Herrschaften   zu  gestatten". 

Schließlich  aus  dem  beginnenden  neuen  Jahrhundert 
noch  eine  Erklärung  der  Regierung  im  Rezatkreise 
vom  15.  September  1819  ^).  Hier  handelt  es  sich  um»  den 
Versuch,  die  hohen  Gesinde-  und  sonstigen  Löhne  zu  min- 
dern, aber  zunächst  imter  Umgehimg  einer  Taxsatzung.  Es 
sollen  vornehmlich  willkürliche  Lohnsteigerimgen  hinter- 
trieben werden,  „besonders  solche,  welche  aus  unstatt- 
haften Verabredungen  oder  andern  Missbräuchen  hervor- 
gehen". 

Die  Geschichte  der  Gesetzgebung  wider  die  Koalition 
der  Dienstboten  ist  nicht  allzu  bedeutsam,  wie  mian  sieht. 
Für  die  Vergangenheit  erklärt  dies  —  ganz  abgesehen 
von  der  praktisch  betätigrten  Feindschaft  des  Polizeistaates 
gegen  die  Vereine  überhaupt,  wodurch  eine  Sondergesetz- 
gebung wider  das  Gesinde  sich  erübrigte  ^)  —  zur  Genüge 
der  mangelnde  Bedarf  einer  ständigen  Organisation.  Ein 
weiteres  wesentliches  Hindernis  der  Verbandsbildung  für 
Dienstboten  ist  aber  (auch  heute  noch)  die  Hausangehörig- 
keit. Es  darf  hier  wohl  darauf  verwiesen  werden,  daß  man 
die  geringe  Verbreitung  der  Organisation  bei  den  meist 
in  Kost  und  Logis  befindlichen  Bäckereiarbeitem,  die 
ja  in  diesem  Kennzeichen  der  Hausangehörigkeit  von  den 
Dienstboten  nicht  unterschieden  sind,  lediglich  dem  Kost- 
und   Logiszwang  zuschreibt*). 

»)  Döllinger,  Ges.  Sammlung  XIII  P.  II  S.  1844.  —  *)  Vgl.  auch 
B  i  c  r  m  c  r  im  Wörterbuch  der  Volkswirtschaft  11 S.  178.  —  »jTröltsch- 
Hirschfeld,  Die  deutschen  sozialdemokratischen  Gewerkschaften 
S.  73,  104;  J.  Weingflrtner,  Der  Kost-  und  Logiszwang  im 
BAckereigewerbe,  Marburger  Dissertation  1910,  S.  69  f. 


—    814    — 
S  14.    Vertragsbruch  der  Herrschaft 

Die    Rechnung   des   landgräflich   hessischen    Schd: 
heißen  zu  Trendelburg  aus  dem  Jahre  i486*)  berichtet, 
daß  Martin  der  Koch  einen  Teil  des  Lohnes  ausgrezahh  er- 
hielt „in  abesCheide  sines  lones  unde  dinstes,  also  man  er- 
kante,  daz  her  myme  gn^edigen  heren  nutlic'h*)  was* 
In  den  Gesinderegistern  von  Loshausen  ^)  ferner  kann  man 
bisweilen  Stellen  finden  wie  die  folgende  von  1734,  wo  es 
von  der  Haushälterin  heißt:  „ist  aber  nach  viermonath- 
lichen  Diensten,  wegen  Faulheit  und  Liederlichkeit  abge 
schafft" ;  oder  1740  wird  der  Laquai  folgendermaßen  vor 
genommen:  „Ist  alss  ein  Ertz  Söffer,  mit  Zurückbehaltung 
der  guten  Montirunge  abgeschafft  worden  ohne  abschied ". 

Das  sind  Fälle,  in  denen  es  niemand  der  Diensthen- 
schaft  übelnehmen  kann,  wenn  sie  den  ungetreuen  Dienst- 
boten aus  dem  Hause  jagt,  auch  vor  Ablauf  der  Zeit. 
Diese  Regelung  ist  so  selbstverständlich,  daß  sie  in  man- 
chen Gesindegesetzen  überhaupt  nicht  vorkommt.  Auch 
die  entsprechende  und  ergänzende  Bestimmung,  daß  ein 
Herr  sein  Gesinde  nicht  grundlos  vor  der  Zeit  wegschicken 
darf,  sucht  man  in  recht  vielen  Gesetzen  vergeblich.  Wird 
eine  Anordnung  über  diesen  Fall  getroffen,  dann  enthält 
sie  gewöhnhch  die  Verpflichtung  der  Herrschaft  zu  einer 
mehr  oder  weniger  ausreichenden  Ersatzleistung  an  den 
Dienstboten.  Nur  in  ganz  wenigen,  dem  ältesten  und  dem 
modernen  Recht  angehörigen  Rechtsquellen  ist  von  einer 
Bestrafung  der  Herrschaft  die  Rede. 

Ein  bloßer  Hinweis  auf  den  Inhalt  des  vorigen  Ab- 
schnittes über  den  Vertragsbruch  der  Dienstboten  genügt, 
um  die  Ungerechtigkeit  zu  erweisen,  die  in  der  allzu  un- 
gleichen Behandlung  der  Dienstboten  xmd  der  Herrschaf- 
ten liegt.   Die  ältere  Zeit,  der  der  Gedanke  der  hausherr- 


^)  St  A.  Marburg.  —  *)  Unnütz,  schädlich,  nicht  zu  brauchen.  — 
»)  St.  A.  Marburg.  • 


—    816    — 

ichen  Muntgewalt  lebendiger  war  als  den  Verfassern  der 
Polizeigesetze,  konnte  die  Begründimg  des  eigenartigen 
Rechtsgebildes  in  der  Macht  des  Herrn  finden,  die  ein- 
seitig über  den  Dienstboten  verfügen  durfte.  Je  mehr  diese 
[dee  dem  Bewußtsein  der  Zeit  entschwand,  um  so  mehr 
mußten  aber  die  einseitigen  Bestimmungen  zum  Nachteile 
der   Dienenden  an  innerer  Beredhtigtmg  verlieren. 

Daß  les  ferner  an  sidh  wohl  gerecht  ist,  wenn  der  Herr 
das  Gesinde  bei  Vorliegen  eines  erheblichen  Grundes 
kurzerhand  entläßt,  daß  eine  solche  Regelung  aber  gleich- 
wohl gefährlich  ist,  da  dem  Gutfinden  des  Dienstherm 
so  oft  kein  Maß  gesetzt  ist,  braucht  nicht  hervorgehoben 
zu  werden.  Und  im  Vergleiche  mit  der  entsprechenden 
Rechtsstellung  des  Dienstboten,  der  trotz  noch  so  durch- 
schlagender Gründe  seinen  Austritt  nicht  eigenmächtig 
nehmten  darf,  ist  das  Recht  der  Herrschaft  doch  wieder 
nichts  anderes  als  ein  weitgehendes  Privileg  —  hier  wie 
fast  überall  im  Gesinderechte. 

Als  auffallende  Besonderheit  einer  ganzen  Anzahl  von 
Gesindegesetzen,  die  den  Vertragsbruch  der  Herrschaften 
und  der  Dienstboten  behandeln,  erscheint  die  Anordnung 
der  beiden  Fälle;  es  wird  nämlich  oft  deir  herrschaftliche 
Vertragsbruch  an  erster  Stelle  vor  demjenigen  des  Ge- 
sindes behandelt.  Welcher  Grund  hierfür  maßgebend  war, 
ist  nic'ht  festzustellen.  Die  Gesindeordnungen  sind,  wie  die 
Gesetzgeber  selber  in  den  Gesetzeseinleitungen  immer  wie- 
der aussprechen,  nur  oder  doch  vorwiegend  dazu  geschaf- 
fen, die  Unbotmäßigkeiten  des  Gesindes  zu  zügeln.  Das 
Nächstliegende  wäre  dann  doch  gewes^i,  diesen  erstrebten 
Zweck  an  erster  Stelle  nicht  nur  kundzugeben,  sondern 
auch  seiner  Verwirklichung  zuzuführen.  Statt  dessen 
kommt  manchmal  vorher  erst  eine  Bestimmung  wider 
den  Übermut  der  Herrschaften,  dessen  Bekämipfung  doch 
durchaus  nicht  so  sehr  Absicht  der  Gesetzgeber  war.  Ver- 
schleierung der  wahren  Aufgaben  der  Gesindegesetze  kann 


-    816    — 

nicht  Veranlassung  dieser  Gesetzestechnik  gewesen  sek: 
denn  die  Offenheit,  mit  der  in  den  Gesetzeseinleitungss 
und  in  den  sachlichen  Bestimtmungen  der  Hauptzweck 
zum  Ausdrucke  gebracht  wird,  brauchten  die  Gesetzgeber 
doch  auch  in  der  Frage  des  Vertragsbruches  nicht  n 
scheuen.  Nur  in  seltenen  Ausnahmefällen  ereignet  es  sidi 
daß  die  Gesetzgeber  als  Zweck  der  Gesindeordnungen  er- 
klären, Herrschaften  und  Gesinde  gegeneinander  c: 
Schutz  zu  nehmen  ^). 

Wieder  ist  im  Sachsenspiegel  das  älteste  Rech: 
gegeben.  „Vertribet  aber  der  herre  sinen  knecht,  he: 
sal  ime  sin  vol  Ion  geben",  heißt  es  II  32.  Und  wieder 
haben  sehr  zahlreiche  mittelalterliche  Rechte  diese  Be 
Stimmungen  übernommen*). 

Die  Stadtrechte  der  Seestädte  ergänzten  freilich 
diese  Bestimmungen  sc'hon  in  der  oben  gekennzeictineten 
Weise.  In  Hamburg,  Lübeck  und  Bremen')  erhielt 
die  Dienstherrschaft  das  Vorrecht,  ungeeignete  Dienst 
boten  wegzuschicken:  „So  welk  man  sinen  knecht  vor- 
dryft  er  rechter  tyd,  de  schal  em  syn  vuUe  Ion  gheven, 
he  en  hebbe  dat  verbort  mit  boshede,  de  he  emie  bewyset 
heeft**.  Das  spätere  Recht  Friedrichstadts  von 
1633*)  schließt  sich  dem  an.  Die  plönische  Ordnung 
von  1749 '^)  gibt  gleich  ihren  mittelalterlichen  Vorläufern 
beiden  Teilen  gleiches  Recht:  die  Vertragsbrüchigen 
Dienstboten  verlieren  einen  halben  Jahrslohn,  „welches 
auch  reciproce  von  den  Herrschaften  zu  verstehen,  welche 
einen  gedungenen  Dienstbothen  nicht  annehmen,  oder 
ihm  zu  rec'hter  Zeit  den  Dienst  nicht  aufkündigen,  und 

^)  So  die  braunschweigischen  Ordnungen  des  18.  Jhdts.  (Sickel 
S.  98);  weitere  Beispiele  im  Text.  —  ')  Übersicht  bei  Hertz  S.  6i 
—  »)  Lappenberg  1270  VIII  1,  1292  K  1,  1497  F  2,  1603  119. 
art.  2,  3;  Lappenberg  S  321ff.  (Billwärder)  Art.  78;  Hach  346; 
Oeirichs  1803,  46,  83  (5.96,  114),  1428,  36,  39  (S.  338,  389),  148S. 
80,  79  (S.  484).  -  *)  Corp.  Stat.  Slesv.  lil  1  S.  1.  —  *)  Schradcr, 
Handbuch  III  S.  195. 


—    817    — 

ohine  erhebliche  Ursache  vor  der  giedungenen  Zeit  aus  dem 
Dienste  wegjagen".  Die  Gesindeordnung  von  1768  ^)  vc  r- 
pflichtet  die  dem  Vertrage  imtreue  Herrschiaft  zur  Zah- 
lung eines  halben  Lohnes;  das  Vertragsbrüchige  Gesindie 
verscherzt,  wie  in  §  13  ausgeführt  wui^de,  auch  den  rück- 
ständigen Lohn. 

Im  ostfriesischen  Landrechte  liegt  der  Herr- 
schaft gleichfalls  Ersetzung  des  Lohnes  für  ein  halbes 
Jahr  ob*).  Oldenburg  übernahm  1345  wiederum*  das 
bremische  Recht  des  Vertragsbruches^). 

Auch  die  im  hannoverschen  Lande  im'  Mittel- 
alter entstandenen  Stadtrechte,  nämlich  die  von  Stade, 
Goslar  lind  Verden*),  geben  das  Recht  desi  Sachsen- 
spiegreis vdeder;  das  goslarer  Recht  mit  dem'  Zusätze  zu 
gtinsten  der  Herrschaft,  daß  kein  Lohn  gegeben  zu  wer- 
den braucht,  wenn  der  Dienstbote  die  Entlassung  „mit 
undat  vorwarcht  hedde,  oder  dat  men  sodan  dxng'h  an  emfe 
wiste  oder  vorneme  de  witlik  weren,  dar  sin  billikbn  en  gut 
man  iumme  enbere". 

Das  hadelner  Landrecht  von  1583*)  unterscheidet 
in  einer  für  das  Gesinde  günstigeren  Weise.  Wanui  die 
Herrschaft  einen  Dienstboten  ohne  Anlaß  verjagt,  muß 
sie  den  ganzen  Lohn  geben;  „da  aber  das  Wegjagen 
verwirket",  braucht  niu:  soviel  gegelben  zu  werden,  als  bis- 
her erdient  worden  ist.  Die  1599  niedergteschriebenen, 
Statuten  (Polizeiordnung  und  Stadtrecht)  von  Lauen- 
burg*) führen  dieselbe  Unterscheidimg  durch.  Aber  nur 
ein  halber  Jahreslohn  soll  den  unschuldigem  Dienstboten 
gegeben  werden;  Ungehorsam,  Mutwillen  und  Faulheit 


*)  St,  A.  Schleswig.  Sammlung Großf.  Verordnungen.  —  ")  Wicht 
n  281.  -  »)  Ölrichs  S.  786ff.,  bes.  811,  817.  —  *)  Pufendorf,  obs. 
iur.  I  app.  S.  168  ff,  bes.  217,  218;  Göschen,  Gosl.  Stat.  S.  101,  102; 
Pufendorf  a.a.O.  S.  77«:,  bes,  118.  —  »)  Pufendorf,  obs.  iur.  I 
app.  S.  Iff,  Teil  2,  Tit  20;  Spangenberg,  Verordn.  f. Hannover 
IV  3  S.  59.  -  •)  Pufendorf  a.  a.  O.  ÜI  app.  S.  284 ff.,  bes.  817. 

Könnecke.  en 


/ 


—    818    — 

wierden  als  erbebliche,  vorzeitige  Entlassun^r  rechtferü- 
g^ende  Gründe  angeführt.  Das  lüneburgisdhe  Stadt- 
recht  i)  legt  den  verjagtetot  Dienstboten  auf,  sich  an  die 
Obrigkeit  ru  wienden;  diesie  veranlaßt  die  Herrschaft  zu: 
Zahlung  des  vollen  Lohnes;  wenn  feistgestellt  worden  ist, 
daß  zur  Entlassung  kein  Gnmd  vorgelegen  hat.  In  der 
Folizeiordnimg  für  das  Land  Lüneburg  von  1618*.. 
wurde  im  Interesse  des  Gesindes  darüber  hinaus  noch 
festgesetzt,  daß  außer  dem  vollen  Lohne  in  Geld  auch 
alles  gegeben  werden  müsse,  „was  desfals  miehr  ver- 
sprochen". 

Die  allgemeine  Gesindeordntmg  von  1732 ')  erkannte 
zu  Recht,  daß  dem  Dienstboten  wenigstens  der  volle  Lohn 
„wegen  der  rückständigen  Zeit"  gegeben  wurde  *).   Unter 
Nr.  2  beschränkte  sie  den  Dienstboten,  der  die  von  ihm 
angegebenen  Fertigkeiten  in  Wirklichkeit  nicht   besitzt, 
auf  den  Anspruch'  wegten  des  faktisch  erdienten  Lohns. 
Zur  Ergänzung  früherer  Bestimmiungen  lautete  ein  Re 
skript  vom  29.  Dezember  1741  *)  dahin,  „dass  Herrem  und 
Frauen  ihren,  tixr  Unzeit,  und  ohne  dass  ihnen  der  Dienst 
zu  gehöriger  Zeit  aufgekündigt  worden,  abgeschafften  Be- 
dienten, den  versprochienen  Lohn  nicht  länger  zii  bezahlen 
schuldig  sind,  als  bis  solche  bey  andre  Herrschaften  wie- 
derum Dienste  eirlangen,  und  den  vorhin  genossenen  Lohn 
bekom!mien  können".    Bei  Unredlichkeiten  und  anderen 
erheblichen    Veranlassungem     kann    nach    der     osna- 
brücker  Gesindeordnung  von  1766^)  jede  Herrschaft 
ihr  Gesinde  auch  schon  vor  der  Zeit  wegsschicken. 

Das  braunsdh'weiger  Echteding  von  1532*)  be- 
stimmte: „Ode  weldk  deinstknecht  edder  dednstma^edth 
obrem  heren  edder  ohrer  frowen  imthodancke  deyneth 


^)  Ebenda  IV  app.  S,  624  ff.,  bes.  797.  —  ')  Landesverordnungen 
Lüneburg  Cap.  4  Bd.  1  S.  1.  -  ')  Spangenberg  a.  a.  O.  IV  2  S.  461. 
—  *)  Nr.  22.  —  •)  Spangenberg  a.  a.  O.  I  S.  48.  —  *)  Klöntrupp, 
Handbuch  11  S.  76.  —  ^  Hanselmann,  Urkundenbuch  I  S.  825. 


—    819    — 

vind  ohne  nicht  wolde  gehorsam  syn  jn  themielicken  dingen, 
xind  ohre  here  edder  frowe  dem  knecfhte  edder  mlag^h 
clarumtne  orloiff  geve,  de  sdhold©  ohne  nha  antal  der 
tidth  als  se  mith  ohme  gewesen  heddei  und  nha  anthale 
■dess  Lohnes  als  se  ohne  geloVeth  hedde  tho  lone  göven  als 
ohne  tho  der  tidt  geboedrde,  w^en  mten  ohne  orloiff  gtöve.** 
Die  Polizeiordnimgen  von  1573  und  1579^)  blieben  bei 
diesen  Grundsätzen. 

Dasselbe  ordneten  die  Statuten  von  Duderstadt 
schon  im  14.  oder  15.  Jhdt. *)  an:    „Hedde  aVer  eymiant 
Gesinde,  dat  ohieme  nicht  evene  en  weref,  dat  miach  hey 
ungeverliken  erloffen,  wfelkte  Teydt  hey  in  döm  jare  wil, 
und  schal  ömfe  denne  sin  vordeynde  Ion,  na  anthale  und 
vorlopinge  des  Jares  geven,  und  darmede  ave  sin  und 
äff  wesen.**    Das  Stadtre<^ht  Gothas*)  dag^en  bekun- 
det seine  Abhängigkeit  vom  Sachsenspiegel  wieder  da- 
durch, daß  es  dessen  gerechteres  Recht  übernahm;  der 
Herr  muß  dem-  verjagten  Geisinde  den  vollen  Lohn  über- 
lassen. Nach  mühlhäuser  Ordnung:  des  17.  Jhdts.*)  soll 
dem  verjagten  Gesinde  zum«  rückständigen  Lohne  gebüh- 
rend   verholfen    werden;    das  erneuerte  Heimbuch   von 
1736  ^)  spricht  dem  Gesinde  den  ganzem  Lohn  auf  die  volle 
Dienstzeit  m. 

Von  thüringischen  Landesrechten  sind  diel  henne- 
bergische  Landesordnung  von  1539^),  die  altelnbur- 
ger  von  1556'),  die  koburger  von  1580®),  die  weiima- 
rer  von  1589^),  die  fürstlich'  gothaisöhe  tmd  alten- 
bürg i sehe  von   1719^^)  anzuführen,  die  der  vertrags- 


>)  Ebenda  S.  404fr.,  468 ff.  —  ')  Gengler,  Stadtrechte  S.  91  ff., 
bes.  93.  —  •)  Ort  1  off,  Rechtsquellen  II  S.  319 ff.,  bes.  832.  —  *)  Stadt- 
archiv Mühlhausen;  den  Heimbürgerordnungen  angebunden.  —  *)  Stadt. 
Bibliothek  Mühlhausen.  —  *)  Job. Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV 
S.  164.  —  ^)  Brandt,  Der  Bauer  in  Altenburg  S.  76.  —  ")  v,  Weber, 
Statutarrechte  I  S.  1128.  —  •)  Schmidt  a.  a.  O.  S.  146.  —  *•)  Univ.- 
Bibl.  Marburg.   XVm  f  A  870. 

62* 


—    820     - 

brüchigen  Herrschaft  Zahlung  des  vollen  Lohnes  auigt- 
ben.  Das  Recht  in  Altenburg  ging  von  diesem  gerechten 
Gnindsatae  1744  ^)  dazu  über,  dem  Diesostboten  mir  einen 
Anspruch  auf  den  der  gedienten  Zeit  nach  verdienten 
Lohn  zu  geben.  Die  eisenacher  Gesindeordnung  von 
1757*)  ermahnt  die  Herrschaften,  ihre  Dienstboten  nicht 
ohne  triftigen  Grund  wegzuschicken.  Aus  erheblichen  Ur- 
sachen und  nach  vorheriger  (regelmäßiger?)  Kündigung 
darf  jeder  Herr  sein  Gesinde  wegschicken,  wie  es  die  kur- 
mainzische  Dorfpolizeiordnung  von  1768  für  das  er  fur- 
ter Land^)  will. 

Die  Satzung  des  schaumburgischen  Gerichtes 
zu  Vehlen*),  daß  die  vertragsuntreue  Dienstherrschaft 
dem  geschädigten  Diener  den  vollen  Lohn  zahl^i  muß. 
wurde  in  der  Polizeiordnung  von  1615  *)  beibehalten.  Die 
detmolder  Gesindeordnung  von  1752^)  verbietet  den 
Herrsdhaften  den  Vertragsbruch,  es  sei  denn,  daß  das 
Gesinde  „sich  nicht  comportiren"  oder  nicht  das  Vor- 
gegebene leisten  würde. 

Ohne  Ahndimg  kommt  die  Vertragsbrüchige  Herr- 
schaft in  der  paderborner  Polizeiordnung  von  1655 
davon ').  Es  findet  sich  in  ihr  nur  eine  Bestimmiung:,  daß 
der  Dienstbote,  der  sich  übel  verhält,  die  zugesagten  Ar- 
beiten schlecht  verrichtet,  ohne  Kündig^mg  fortgeschickt 
werden  kann,  Lohn  bekommt  er  bis  zum  letzten  Dienst- 
Tag.  Die  münstersdhe  Gesindeordnung  von  1722®) 
sagt  dem  ohne  Anlaß  entlassenen  Gesinde  eines  halben 
Jahres  Lohn  sowie  Erstattung  des  Mietpfenniges  zu. 

Über  die  Erheblichkeit  der  zur  g«erechten  Kündigung 
verwertbaren  Gründe  macht  die»  clever  Gesindeordnung 


*)  Ebenda.  XVIII  f  B  1119  g.  -  •)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz. 
402  Nr.  3.  —  »)  Heine  mann,  Rechte  f.  Erfurt  S.  366  flf.,  bes.  369.  — 
*)  Grimm,  Weistümer  lU  S.  316.  —  »)  Rottmann  S.  427  (Kap.  63]. 
—  *)  Landesverordnungen  Detmold  II  S.  47.  —  ')  Landesverordnung» 
Paderborn  I  S.  6.  —  ')  Sammlung  Münster  I  S.  368. 


—    821     — 

von  1644^)  keine  näheren  Vorsdhrif tem ;  es  hängt  nach 
ihr  vom  „Vergnügen'*,  d.  h.  Befinden  der  Herrschaft  ab, 
ob  sie  den  gemieteten  Dienstboten  behalten  will,  oder  ob 
sie  ihn  lieber  gleich  entläßt.  Es  heißt  in  §§  10  imd  11: 
,,Und  so  ferne  Herren,  Meister  oder  Frauen  in  den  Dien- 
sten oder  öomportement  vorgemelter  ihreir  Dienstbotten 
kein  Vergnügen  hätten,  soldhenfals  sollen  gemelte  Hörren, 
Meister  oder  Frauen  bemächtiget  seyn,  denselben  ihren 
Dienst  aufzukündigen,  imd  sofort  gehen  zu  lassen,  je- 
doch die  Zahlung  ihres  versprochenen  Lohnes  thun,  nach 
Proportion  der  Zeit,  welche  sie'  würdclich  giedienet  haben, 
womit  vorgemelte  Herren,  Meister  und  Frauen  sollen  be- 
stehen mögen,  und  gemielte  Dieaistbotten,  auss  dem  Hausse 
weichen  müss!en,.ohne  dass  ihre  Herren,  Meister  oder  Frauen 
gehalten  seyn  sollen,  ihnen  einige  weitere  Reden  zu  geben 
oder  anzuzeigen ;  Und  bleiben  gleichwoll  solche  licentiirte 
Dienstbotten,  im  fall  sie  sich  muthwillig  stellen,  oder  einige 
insolencfe  mit  Worten  imd  Wercken  gegen  ihre  Herren, 
Meister,  Frauen  oder  derselben  Haussgesinde  pflegen, 
oder  gepfleget  hätten,  subject  der  Straffe  hiervor  gemtelt 
...  So  ferne  es  auch  geschehe,  dass  geanelte  Herten, 
Meister  oder  Frauen  durch  die  imerträgliche  Stoltzheit, 
Halsstarrigkeit,  Muthwill  und  Ungehorsamk^it  der  vorg^- 
melten  Dienstbotten  neoessitiret  imd  gezwungen  würden. 
Jemand  derselben  .  .  .  vor  der  Zeit  die  Miethe  auf f zukün- 
digen imd  ausB  dem  Hatise  gehfen  zu  lassen  .  .  .",  dann 
darf  der  Übeltäter  gleich'  au!s  dem  Hause  geschickt  wer- 
den, bekommt  keinen  Lohn  und  wird  auch  noch  gestraft ; 
Eigenheit  dieser  (und  mancher  andern)  Gesindeordnung 
ist,  daß  von  den  Strafen  ein  Drittel  an  den  Denunzianten 
fällt. 

Ebenso  offenbar  tritt  die  schlechthinnige  Bevorzu- 
gung der  Dienstherrschaften  in  der  großen  Gesindeord- 


')  Scott!,  Cleve  S.  360. 


—    822    — 

nung   Cleves   von   1753^)   hervor:    „Es  ist  dn    Gesinde 
verbunden,  sein  Jahr  richtig  und  ordentlich  auszudieiien. 
und  wenn  dieses  gesöhehien,  wird  eine  Herrschafft   von 
selbst  dahin  bewogen  werden,  dergleichen  zu  thun.    Da 
aber  idoch  Umstände  vorkonttnien  können,  dass  eine  Herr- 
schafft  gut  findet,  ein  oder  anderes  ihres  Gesindes   vor 
Ablauf f  eines  Jahres  ausser  Dienste  zu  setzen ;  So  kann 
ihr  zwar  dieses  nidht  gewehret  werden,  es  muss 
aber  jedoch  so  dann  auch  die  Aufkündigiuig  gewöhnlicher 
massen  ein  Viertel  Jahr  vorher  geschehen."  Nur  wenn  der 
Dienstbote   liederlich  ist,   imd  eine  Wortstrafung  nicht 
mehi-  hilft,  dann  kann  der  Dienstbote  ohne  Abschied  weg- 
geschickt werden.  „Jedoch  wird  die  Herrschaft,  falls  sonst 
die  solc'hergestalt  wegzuschaffenden  Bedienten  nichts  ge- 
stohlen, von  selbst  ermessen,  dass  es  billig:,  denen- 
selben  ihr  etwa  rückständiges  Lohn  des  lauf  f  enden  Quar- 
tals zu  reichen,  auch  wenn  solch  Gesinde  schon  ein  halb 
Jahr  gedienet,  selbigen  die  Unter-Kleider,  Huth  und  Sur- 
tout-Rook  zu  lassen.**    Die  Herrschaft  braucht  also  den 
Dienst  nicht  auszuhalten;  sie  darf  nach  ihrem  Ermessen 
auch  mitten  im«  Jahre  den  Dienstboten  wegschicken,  frei- 
lich erst  nach  Quartalskündigung.   Ein  bescHiderer  Fall,, 
der  berücksichtigt  wird,  ist  Diebstahl  und  sonstige  Un- 
treue.  Der  Dienstbote  kann  gleich  weggeschickt  werden, 
er  ist  der  Behörde  anzuzeigen,  die  ihn  mit  Gefängnis  oder 
ähnlichem  strafen  mxiß.    Ganz  anders  spricht  in  rnerk- 
würdigem  Gegensatz  die  ländliche  Gesindeordnung  von 
1769*).    Wird  ein  Dienstbote  liederlich,  darf  er  gleich 
fortgejagt  werden ;  Lohn  bis  zu  dem  Tage  der  Entlassung 
kann  er  aber  doch  beanspruchen.    Bei  Diebstahl  kann 
sich  die  Herrschaft  am  Lohnrückstand  befriedigen,  muß 
aber  den  Überschuß  herausgeben.   Will  die  Herrschaft, 
so  heißt  es  in  §  39,  einen  treuen  und  ehrlichen  Dienst- 


')  Ebenda  S.  1452.  —  *)  §  87,  89;  ebenda  S.  1894. 


—    823    — 

boten  „aus  Hass  und  Neben- Absidhten"  einer  Untreue 
bezidhtigen,  dann  darf  der  Dienstbotö  dies  der  Obrigkeit 
a.nzeigen  (und  weggeben?). 

Nur  eine  einzige  Nadhricht  über  Vertragsbruch  Ider 
Herrschaft  liegt  aus  Köln  vor.  Die  Polizei-  und  Gesinde- 
ordnung von  1645  *)  setzt  in  Art.  9  fest,  „dass  Entlassungen 
des  Gesindes  während  des  Dienstjahres  nur  bei  triftigen 
Ursachen  den   Brodherrschaften  gestattet**  sind. 

Erst  mit  den  beiden  modernen  Gesindeordnungen  von 
1801  und  1809  kam  Jülidh  zur  Kodifizierung  des  lilerr- 
scfaaftlichen  Vertragsbruches  und  seiner  Rechtsfolgen*). 
Wieder  ist  es  so  wie  schon  im  vorigen  Abschnitte  für  den 
Vertragsbruch  des  Gesindes  festgestellt  wurde  ^):  die  Be- 
urteilung, ob  genügender  Anlaß  zu  vorzeitiger  berechtigter 
£ntlassimg  Seitens  der  Herrschiaft  vorlag,  wird  nicht  mehr 
dem  freien  Ermessen  der  Polizei  oder  des  Richters  über- 
lassen, sondern  es  werden  jetzt  ganz  bestimmite,  so  ge- 
nau wie  nur  möglich  lunschriebene  Tatbestände  aufge- 
stellt, die  der  entscheidenden  Behörde  sagen,  in  welchen 
Fällen  Entlassung  vor  Dienstablauf  gestattet  ist.  Schlechte 
Verrichtxmg  der  Arbeit,  Widerspenstigkeit,  Schädigung, 
Veruntreuung,  öfteres  zu  langes  Ausbleiben,  Verleumdun- 
gen wider  die  Herrschaft,  Schwangerschaft  der  Magd  sind 
solche  Gründe  berechtigter  vorzeitiger  Entfernimg  des 
Gesindes.  Bedeutet  schön  die  Festsietzimg  klarer  Grenzen 
eine  für  das  Gesinde  günstige  Neuerung  gegenüber  dem 
früher  gesetzlosen  Zustande,  so  ist  die  Bevorzugung  des 
Gesindes  in  den  beiden  modernen  Gesetzen  damit  noch 
nicht  erschöpft.  Die  Behandlung  der  beiden  Fälle,  des 
Vertragsbruches  der  Herrschaft  und  deis  Gesindes,  ist 
völlig  gleichartig.  Wenn  die  Herrschaft  einen  Dienst- 
boten grundlos  verjagt,  dann  ist  sie  durch  Zwangsmit- 
tel zur  Wiederaufnahme  anzuhalten.    Weigert  sie  sich 

»)  Scotti,  Köln  1 1  S.  249.  -  *)  Scotti,  Jülich  S.  880,  1252.  - 
•)  Oben  S.  802f: 


—    824    — 

dessen,  dann  muß  sie  dem)  Dieinstboten  den  Lohn  für  die 
noch  ausstehende  Zeit  sowie  einen  halben  Jahreslohn  ar 
Stelle  des  Kostgeldes:  erstatten,  es  sdL  denn,  daß  der  Diensi- 
bote  einen  neuen  Dienst  „wiröklich  gleich"^)  ge- 
funden hätte ;  in  diesem  Falle  bedarf  es  keines  Kostgeldes. 

Die  neue  Gerechtigkeit,  mit  der  hier  das  Gesinde  be- 
handelt wird,  erfährt  eine  kaum  glaubliche,  imerhörte 
Ausdehnimg  in  der  Gesindeordnimg  von  1809.  Die  Ver- 
tragsbrüchigen Dienstboten  verlieren  ihren  Lohn ;  sie  wer- 
den als  Vagabimden  aufgegriffen.  Der  Herrschaft  wird 
für  den  Fall  ihres  Vertragsbruches  Zahhmg  vierteljäh 
rigen  Lohnes  und  Kostgeldes  aufgegeben.  Weiter  heißt 
es :  „Geschieht  dieses  von  derselben  Herrschaft  mehrmals 
bey  verschiedenem  Gesinde,  so  soll  in  der  Rücksicht,  dass 
dadiu-ch  der  Ruf  eines  Dienstboten  auf  eine  unschuldige 
Art  gefährdet  werden  könnte,  das  Gesinde  durch  das  ein- 
schlägige Bureau  gewarnt  werden."  So  weit  war  bis  da- 
hin noch  kein  Gesetzgeber  gegangen,  in  dieser  bewußten 
Weise  sich  um  das  Wohl  der  Dienstboten  zu  sorgen. 

Aus  Nassau  ist  nur  die  mehrfach  erwähnte  usin- 
ger  Gesindeordnung  aus  dem  Beginne  des  18.  Jhdts.') 
anzuführen.  Die  Herrschaft  soll  ihre  Leute  nicht  zwecklos 
verjagen;  sonst  muß  sie  ihnen  den  ganzen  Lohn  geben. 
Ein  gleiches  hatte  1681  in  Gedern  die  Gesindeordnung 
bestimmt^);  bei  üblem  Verhalten  darf  das  Gesinde  vor 
der  Zeit  abgeschafft  werden.  Die  Polizeiordnung  Sayn- 
Wittgensteins  von  1776*)  erwähnt  den  herrschaft- 
lichen Vertragsbruch  niu-  insoweit,  als  sie  den  Dienstherren 
ausdrückliche  Erlaubnis  gibt,  imbrauchbares  Gesinde,  bei 
dem  Ermahnungen  nichts  helfen,  gleich  wegzuschicken. 


^)  Im  Gesetze  gesperrt.  —  ')  St  A.  Wiesbaden.  V.  Nassau-UsingeD 
Generalia  II  a  Verordnungen  Bd.  V  S.  128.  —  *)  Grftfl.  Stolbergisdies 
Archiv  Gedern.  Bd.  XX  „Allerhand  Verordnungen  und  Befehl,  so  in 
der  Grafschaft  Stolberg*Gedem  ergangen**.  —  *)  Univ-BibL  Marboxjg. 


-     825     - 

Die  hessischen  Gesindeigesetze  vor  1748  nennen 
den    herrschaftlichen  Vertragsbruch  nicht.    Die  zu  Ein- 
drang dieses  Kapitels  mitgeteilten  Stellen  aus  hessischen 
Redhnungen  ^)  lassen  nur  den  Schluß  zu,  daß  die  Dienst- 
herrschaft das  Gewohnheitsrecht  hatte  oder  sich  das  Recht 
aximaßte,  unfähige  Dienstboten  vor  der  Zeit  abzuschaffen. 
Von   1736*)  an  wird  den  Diensthlemen  das  Recht  g'ege- 
ben,  Dienstboten,  mit  denen  sie  aus  beliebigem'  Grunde 
nicht  zufrieden  sind,  unter  Erstattung  eines  Vierteljahrs- 
lohnes sofort  wegzuschicken;  Dienstboten,  die  nicht  ver- 
stehen, was  sie  bei  der  Vermietung  zu  verstehen  behaup- 
teten, können  jederzeit  ohne  weitere  Entlohnung  entlassen 
werden.    Nach  der  hanauer  Ordnung   von   1748*)   muß 
die    Herrschaft,  die  einen  Diener  ohne  Grund  zur   Un- 
zeit verjagt,  vollen  Lohn  für  die  rückständige  Zeit  zahlen, 
dazu  für  die  Zeit   voraussichtlicher  Arbeitslosigkeit  auf 
mindestens  vier  Wochen  in  der  Stadt  wöchentlich  einen 
halben    Thaler,    auf    dem    Land    15  Albus    Unterhalts- 
geld   geben.      Die     Gesindeordnung    von     1797*)     ver- 
pflichtet den   Dienstheirm,   seinem  grundlos   entlassenen 
Dienstboten      einen     Vierteljahrslohn     (aber     mit     Aus- 
schluß   des    Kostgeldes)    zu    zahlen    und    die    Alltags- 
livree zu   lassen;  gab   der   Dienst  böte  Grund  zum  Fort- 
jagen, dann  soll  er  gar  nichts  bekomtnten.    1801  *)  wurde 
der   bedeutungsvolle    Zusatz    gemadht,    daß    das    grund- 
los entlassene  Gesinde  „wegen  eines  außer  der  Wandel- 
zeit mangelnden  Dienstes**  zu  Erlangung  weiterer  Ent- 
schädigtmg  sich  an  die  Obrigkeit  wenden  soll.    Zur  Er- 
gänzung der  ferner  übernommjenen  Bestimmungen  über 
die  Gründe,  die  eine  Herrschaft  zur  vorzeitigen  Entlassung 
unbrauchbaren  Gesindes  berechtigen,  erging  1804  ein  Be- 
scheid  in   einem   Einzelfalle^),   daß   der   Dienstherr   die 

')  Oben  S.  814.  —  «)  LO.  IV  S.  410.  —  »)  St  A.  Marburg.  IX 
A  1621,  —  *)  LO.  VII  S.  727.  -  »)  LO*  Vni  S.  26.  —  •)  LO.  VIH  S,  162; 
St.  A.  Marburg.   Cass.  Reg- Akten.   Pol.-Rcp.  F  43  Nr.  7  a. 


—    826     — 

von  ihm  zum  Anlasse  der  vorzeitigen  Kündigung  g^enom- 
menen  Vergehungen  des  Gesindes  beweisen  rnniß.  Ak 
Kuriosum  aus  der  1813  imter  J6rome  geplanten  Gesinde- 
Ordnung  sei  erwähnt,  daJB  dem  Dienstherm  gestattet  seb 
sollte,  das  Gesinde  vorzeitig  wegzuschicken,  wenn  er  mii 
ihm  aus  Gründen  unzufrieden  war,  „qui  ne  peuvent  faire 
Tobjet  d'une  plainte  juridique"  i).  1816  brachte  die  Ge- 
sindeordnimg*) eine  Erweiterung  des  bisherigen  hessi- 
schen Rechtes ;  mm  kann  der  grundlos  entlassene  Dienst- 
bote  außer  dem  Lohne  noch  das  Kostgield  fordejm. 

Unter  bischöflichem  Regime  war  in  Fulda  1761 
neben  vielen  Bestimmungen  wider  den  Übermut  des  Ge- 
sindes auch  der  herrschaftliche  Vertragsbruch  mit  einem 
Verbote  bedacht  worden ;  Mittel  zur  zwangsweisen  Durch- 
fühnmg  der  Anordnimg  fehlen  freilich').  Auf  das  Recht 
der  sChaumburger  Polizeiordnung  von  1615  wurde 
schon  hingewiesen*). 

Das  älteste  Stück  aus  Franken  ist  §  394  des  alten 
bamberger  Rechtes ^).  In  imverwischter  Ursprünglich- 
keit tritt  hier  das  aus  der  herrschaftlichöi  Gewalt  ge- 
folgerte Recht  des  Dienstherm  zu  Tage,  jederzeit  sdae 
Dienstboten,  „w^ejmi  sie  in  nicht  fügen",  zu  entlassen : 
„Sprechen  aber  kneht  odir  meid  iren  herren  odir  frawen 
zu  umb  iren  lidlon  imd  zihen  für,  muan  hab  in  urlaup 
gieben,  dieselben  ir  hbnn  oder  frauwen  welchen  man  zu 
spricht,  bekennen  odir  nit,  der  rede  sol  man  gelaub^i  on 
notrecht,  wann  hierren  und  frawen  daz  reht  haben  knehten 
odir  meyden  urlaup  zu  gieiben,  wenn  sie  in  nicht  fügen, 
und  sein  in  je  dann  nicht  mer  schtddig  zu  Ionen  denn  als 
vil  sich  für  die  zeit  gebiut  die  sich  vergangen  hat  on  ge- 
verde.**  In  Nürnberg  erging  1628^)  der  Befehl,  daß 
der  Vertragsbrüchige  Dienstherr  dem  Gesinde  einen  Vier- 

*)  Oben  S,  141.  —  ")  Möller-Fuchs  S.  118.  —  »)  Oben  S.  129ft 
*)  Oben  S.  820.  -  »)  Nach  Zöpfl,  Urk.  —  •)  Kr.  A.  Nürnberg,  Be- 
stand A  Akten  Nr.  1628  S.  9. 


—    827     — 

^Ijahrslohn  ersetzen  und  der  Kost  und  des  Unterhaltes 
:ia.lber  ihm  bis  aufs  nächste  Ziel  „billigen  Abtra^r"  tun 
Tiuß.  Das  Verbot  der  Vereinbarung'  des  fränkischen 
ECreises  von  1643^),  ein  Dienst  böte  dürfe  nicht  ohne 
^\jilaß  außer  der  Zeit  fortgeschickt  werden,  scheint  von 
den  Kreisgliedesrn  nicht  beachtet  worden  zu  sein;  es  ließ 
sich  keiQ  Landesgesetz  nachweisen,  das  in  der  unmittelbar 
folgenden  Zeit  überhaupt  den  Vertragsbruch  der  Herr- 
schaft erwähnt. 

Erst  die  Würzburger  Gesindeordnung  von  1749*) 
redet  wieder  einmal  davon;  der  Herr  miuß  den  ganzen 
Lohn  für  die  ganze  Zeit  gebein.    In  unverblümter  Offen- 
heit  gibt  schließlich  die  ansbacher   Gesindeordnung 
von  1769*)  dem  absoluten  Klassenbewußtsein  der  Gesetz- 
geber Ausdruck.   Nachdem  sie  unmittelbar  zuvor  auf  den 
Vertragsbruch   des   Gesindes  Arreststrafen  imd  zwangs- 
weise Zuführung  angesetzt  hat,  bestimmt  sie:  „Und  ob 
gleich  Ider  Mieth-Contract  zwischen  den  Dienst-Herrschaff- 
ten  und  Gesind,  an  und  vor  sich  gleich  verbindlich,  imd 
dahero  der  Schluß  dahin  gemacht  werden  mögte,  dass 
die  Dienst-Herrschafften  eben  so  wenig  die  Dienstbothen 
vor  der  Zeit  imd  imter  dem  Ziel  weg-  imd  aus  dem  Dienst 
zu  schaffen  befugt  und  berechtiget  seyen;  So  haben  Wir 
gleichwohlen^  in  Ansehung  der  so  hoch  gestiegenen  Un- 
gezogenheit, Trotz  und  Verwiegenhedt  des  mehresten  Ge- 
sindes, dasselbe  in  diesem  Punöt  denen  Dienst-Herrschaif- 
ten  gleichzustellen  vor  bedencklich  gehalten,  und  lassen 
dahero  denenselben,  als  eine  Ausnahme  von  der  Regel, 
zum  voraus,  dass  sie,  in  gewissen  Fällen,   ...   wo  des 
Ehehalten  Beybehaltung  dem  Hausshalten  gefährlich,  des- 
sen Bezeigen  incorrigible,  und  dessen  Trotz,  Widersetzlich- 
keit und  Ungestümto  nicht  länger  zu  dulten  seyn  wollte. 


')  Kr.  A«  Manchen.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  — ')  Landesverordnungen 
Würzburg  II S.  689.  —  »)  Kr.  A.  Nürnberg  S.  28  ^  Nn  779  Repert.  288. 


—    828    — 

solchen  auch,  vor  der  Zeit  und  ohne  vorhergängige  Auf- 
kündung,   fort   und  aus   dem   Hausfe  schiaffen  dürffen.** 

Von  den  südbayerisdhen  Rechten  handelt  das 
Stadtrecht  Augsburgs  zuerst  über  den  herrschaftlichen 
Vertragsbruch.  Es  bestimmt  ^) :  „Wer  einen  ehalten 
idinget,  der  mak  des  niht  vertriben  e  ze  sine-in  jare,  .  .  .  ez 
enmuge  danne  eintwederz  für  geziehen  sogtanen  gebrest, 
damit  ez  von  dem*  andern  ledik  mlige  warden."  Nach 
dem  regensburger  Recht  des  14.  Jhdts*)  hatte  die 
Herrschaft  das  Privileg,  jederzeit  das  Gesinde  ohne  An- 
lass  wegzuschicken:  „.  .  .  wan  ein  herschaft  gibt  seinem 
ehalten  urlawb,  wan  sie  wir*.  Die  Rechtsbücher  aus  der 
Gefolgschaft  des  Schwabenspiegels  sind  gerechter.  Rup- 
recht^) behandelt  den  Vertragsbruch  des  Herrn  vor  dem 
des  Gesindes  (Landrechtsbuch  135) ;  der  schuldige  Dienst- 
herr soll  dem  vertriebenen  Knechte  den  Lohn  „gar"  geben. 
Kaiser  Ludwigs  Landrecht*),  das  Stadtrecht  von 
München*)  und  das  von  Freising*)  enthalten  die 
folgende  eigenartige  Rechtsbildung,  mit  der  die  Aushal- 
tung  des  Dienstes  in  das  Belieben  des  Dienstherm  ge- 
stellt wird:  „Swer  einen  ehalten  dingt,  und  gdt  dem  ur- 
laup  swenn  daz  ist  in  dem  jar,  wil  dann  der  ehalt  niht  ur- 
laup  haben,  und  beclagt  sein  herschaft  umb  speis  und 
umb  Ion,  mag  dann  die  herrschaft,  ez  sei  frawe  oder  man, 
bereden  daz  si  den  ehlalten  geurlatibt  hab  um  so- 
getan  schuld  die  si  niht  gern  offent  an  gevaerd,  dez  sol  die 
herschaft  geniezzen,  und  sol  dem  ehalten  geben,  waz  er 
verdient   hat.**    Die  ronsberger  Statuten  von   1517') 


*)  Meyer,  Art.  129.  —  •)  v.  Freyberg,  bist.  Schriften  u.  Ur- 
kunden V  S.  7fif.,  bes.  &0.  —  ')  Maurer,  Stadt-  und  Landrechtsbuch 
S.  156.  —  *)  Roc kinger,  mOnch.  Sitz.-Ber.  1878  S.  39901,  bes.  447. 
—  »)  Auer  S.  54,  55.  —  •)  v.  Frey  berg,  bist.  Schriften  u.  Urk.  V 
S.  162  ff.,  bes.  184;  vgl.  fQr  diese  Rechte  auch  oben  S.  798  f.  (Vertrags^ 
brach  des  Gesindes).  —  ^)  v.  Weber,  Statutarrechte  IV  S.  818. 


—    829    — 

verpflichten    die    Vertragsbrüchige    Herrschaft    zu    voller 
^^ohnzahhmg. 

Nadh  der  Landesordnung  Kurbayerns  von  1553 ^) 
Tiußte  der  Herr  sein  Gesinde  entweder  das  ganze  Jahr  hin- 
iurch  behalten  oder  ihm  den  vollen  Lohn  geben.  Die 
3esin<leordnung  von  1654  ^)  gestattete  der  Herrschaft,  das 
Ciesinde  aus  erheblichen  Gründen  auch  vor  der  Zeit  abzu- 
schaffen. 1656  ^)  wurde  gleiches  bestimmt.  Auch  die  große 
Gesindeordnimg  von  1781  *)  erlaubt  den  Diensthierren,  un- 
ehrliche, ungehorsame,  untreue,  unfleißige  Dienstboten 
vor  dem  Jahresende  abzuschaffen.  Es  kann  sogar  Scha- 
densersatz gefordert  werden;  der  Abschied  und  der  Lohn 
dürfen  zurückbehalten  werden. 

Für  Württemberg  sind  die  Rechtsgebräuche  von 

B  o  t  w  a  r  aus  dem  Jahre  1552  *)  die  älteste  Quelle.    Da 

wird  festgesetzt,  daß  außer  deim  vollen  Lohne  bis  ^ml 

Tage   des  eigentlichen   Vertragsendes   dem  Dienstboten 

auch  für  die  Kost  ein  Ersatz  „nach  erbar  leutt  erkhennen** 

geleistet  werden  muß.  Wenigstens  den  ganzen  ausgelniach- 

tei;i  Lohn  soll  der  Herr  dem  grundlos  entlassenen  Diener 

nach    dem    württembergischen    dritten   Landrechte    von 

1610*)  zahlen.   Von  verständiger  Gerechtigkeit  zeugt  die 

Regelimg  in  der  Gerichts-  und  Polizeiordnung  W  i  ß  g  o  1  - 

dingens  von  1612').  Da  wird  erst  vom  Vertragsbruche 

des   Gesindes  gesprochien.    Dann  heißt  es:     „Entgegen 

welche  ein  knecht  oder  magt  vor  demi  zihl  Urlauben  ohne 

redlich  Ursachen,  dem  soll  ganze  versprochene  belohnung 

folgen  und  geben  werden,  und  welcher  einem'  ehehalten 


*)  Kr.  A.  Amberg.  Repert  Landrecht  Polizei  Fasz.  1  Akt,  9.  — 
•)  R.  A.  München.  Generalia-Sammlung.  Rep.  S.  9  Nr.  5.  —  *)  Kr.  A. 
München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  —  *)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  459 
Nr.  209.  —  »)  Reyscher,  Statutarrechte  S.  488.  —  •)  Reyscher, 
Gesetze  V  S.  1.  —  ^)  Wintt erlin,  Württembergische  ländl. Rechts- 
quellen I  S.  798  ff.,  bes.  855. 


—    830    — 

sollich<en  unbilliger  weiss  vorhelt  und  sich  das  kuntlicK 
erfind,  der  soll  auch  1  Pfd.  verfallen  haben."  Die  1652 
ämterweise  geschlossene  Vergleichung  ^)  und  die  darauf 
beruhende  allgemein  -  württetnbergische  Gesindeordnung 
desselben  Jahres^)  gestatten  dem  Dienstherm,  übel  sich 
betragendes  Gesinde  vor  der  Zeit  hinwegzuschicken  „auff 
Erkandtnus"  (des  Geric'hts). 

Wie  so  oft  in  älteren  Rechten  wird  auch  in  dem  zwei- 
ten Stadtrecht  von  V Illingen  um  1400^)  der  Vertrags- 
bruch des  Herrn  an  erstem  Platze  behandelt,  ehe  von 
dem  unberechtigten  Fortlaufen  der  Dienstboten  die  Rede 
ist.  Aber  hier  ist  diese  Art  der  Behandlimg  deshalb  weit 
auffallender  und  bemerkenswerter  als  sonst,  weil  das  in 
dem  Stadtrecht  enthaltene  Gesinderecht  vomehmJich 
durch  Klagen  der  Dienstboten  über  schlechte  Behandlimg 
seitens  der  Herrschaften,  insbesondere  auch  deren  Ver- 
tragsbruch, veranlaßt  zu  sein  scheint.  „Und  wan  vil  clag 
da  hergewesen  ist  von  dienenden  luten,  daz  sie  vim  iren 
herren  imd  frawen  anders  giehaltöi  werden,  denn  liht 
billich  sig,  es  sie  mit  urlob  ze  geben  in  dem»  jaur  .  .  .", 
erst  danach  werden  die  Sünden  des  Gesindes  erwähnt  und 
zur  Abstellung  der  beiderseitigen  Vergehimgöi  die  Bestim- 
mxmgen  des  Stadtrechtes  als  Maßreigeln  angekündigt  und 
teilweise  den  Dienstboten  zu  Liebe  gestaltet.  Die  Herr- 
sc'haft,  die  den  Vertrag  zu  frühe  aufgesagt  hat,  soll  dem 
Dienstboten  den  ganzen  Lohn  geben;  sie  darf  sich  frei- 
lich mit  ihrem*  Eide  befreien,  wenn  sie  Ursachen  der  vor- 
zeitigen Entlassung  zu  behaupten  viermag.  Die  öfter  er- 
wähnte überlinger  Ratsverordnung  der  Jahre  1558  bis 
1572*)  gesteht  der  Herrschaft  das  Recht  zu,  einen  bösen 
Diener,  der  sich  ungebührlich,  schädlich  und  unnützlich 


*)  St  A.  Stuttgart.  Druck.  -  »)  Rc yscher,  Gesetze  XIII  S.  114. 
*)  Oberrheinische  Stadtrechte  11 2  S.  52  fr.,  bes.  70.  —  *)  Oberrheinische 
Sudtrechte  II  2  S.  457. 


—    831     — 

^erhält,  vor  Ablauf  des  Jahres  g'egen  Bezahlung:  des  er- 
lienten  Lohnes  aus  dem  Dienste  ^u  esatfernen.  In  erster 
^inie  das  Wohl  der  Dienstboten  hat  dagieigen  wieder  das 
idels heimer  Stadtredit  von  1527  imd  1596 ^)  Jml  Auge, 
ÄT'enn  die  Herrschaft  ihr  Gesinde'  zur  Unzieit  entläßt,  „son- 
ierlich  wan  man  zu  somlmierzeit  die  arbeit  eingebracht  und 
^egen  dem  Winter  abf erdigen  wolte**,  dann  kann  das  Ge- 
sinde den  ganzen  Lohn  beanspruchten.  Die  Taxordhun^  für 
üe  Stadt  Heidelberg  vom  1.  Januar  1579 *)  redet  bloß 
t'om  ungebührlich  handelnden  Gesinde,  das  mit  deml  fälli- 
gen Lohne  stets  fortgeschickt  wierden  darf.  Das:  kur- 
pf  älzische  Landrecht  von  1610^)  fügt  dem  von  ihm! 
aadigfeahmten  Landrechte  von  1582*)  die  Bestimanlung 
über  den  hlerrschaftlichen  Vertragsbruch  ein,  daß  nämlich 
der  schuldigle  Diensthelrr  dem  unschuldigen  Geisinde  den 
vollen  Lohin  geben  muß. 

Für  d^  spätere  badisch'e  Recht  bieten  die  Gesinde- 
ordnungen von  1731,  1755,  1782  (FreibUrg)  und  1809  Ma- 
terial. 1731  und  1755^)  muß  der  Vertragsbrüchige  Herr 
einen  Vierteljahrslohn  zahlen,  „dahmgegen  das  Gesind 
ihrer  Herrschaft  zum  Fortschicken  keinen  Anlaß  gleben 
solle**.  Die  Gesindeordnung  von  1782*)  gibt  dielm'  Dienst- 
herrn das  Recht,  unverbesserliches  Gesinde  gleich  mit 
dem  abverdienten  Lohine  wegzuschicken  oder  es  anzu- 
zeigen. Von  herrschaftlichem  Vertragsbrüche  spricht  dies? 
moderne  Gesietz  im  übrig^en  nic^t.  Um'  so  mfehr  tut 
das  die  Gesindeordnung  von  1809').  Hier  wird  es  Er- 
eignis: Die  Herrschaft,  die  den  Dienstboten  verstößt, 
muß  nich't  nur  den  Schaden  doppelt  ersetzen,  sondern 
wird  auch  gestraft,  und  zwar  mit  Geld  oder  Arrest«). 

')  Ebenda  I  S.  648  ff.,  bes.  675.  -  »)  Kn  A.  Würzburg.  V  9561; 
Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Kopiarbuch  508.  -—  *)  Univ.-Bibl.  Marburg.  — 
*)  Ebenda.  -  »)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Pfalz  Generalia  5047.  —  •)  Ebenda. 
Baden  Gen.  6891.  —  »)  L.  A.  Karlsruhe.  Prov.  Niederrhein.  Gesinde- 
Polizei.  Ut.  B  Nr.  1  IV  2.  —  ")  §  86. 


\ 


-     832     - 


Zivilrechtlich  wird  in  §  63  bestimmt,  daß  die  Herrschah 
die  den  Dienstboten  nicht  wieder  aiifnehmen  will,  ihm 
Lohn  tmd  Kostgeld  zahlen  muß,  bis  er  eineai  neues 
Dienst  gefunden  hat.  Eine  Abschwächimg  erfahren  diest 
Sätze  durch  die  Festsetzung  einer  Menge  von  Kündigung 
oder  Entlassungsgründen,  darunter  Beleidigung,  Verlei- 
tung der  Kinder  zum  Bösen,  Untreue,  Ausbleiben  über 
Nacht,  Liederlichkeit,  durch  die  ansteckende  Krankheit 
erworben  wird,  Gefängnisstrafe  von  mehr  als  8  Tagen, 
Schwangerschaft  *). 

Strafe  sollte  die  Herrschaft,  die  dem  Gesiade  keinen 
Lohn  gab  oder  es  grundlos  verjagte,  auch  nach  der 
österreichischen  Ordnimg  von  1765*)  erhalten. 
1769*)  dagegen  findet  nur  noch  der  Rechtssatz  Erwat 
nung,  daß  die  Herrschaft  dann  keinen  Vertragsbruch  be 
geht,  wenn  sie  einen  unehrlichen,  tmgehorsamen,  unfleißi- 
gen Dienstboten  wegschickt.  Die  Obrigkeit  soll  die  Hand 
zu  deren  Verfolgtmg  bieten  und  sie  strafen,  ^besonders 
wenn  Verdacht  besteht,  daß  der  Dienstbote  sich  übel 
aufführt,  um  rechtzeitig  entlassen  zfu  werden. 

Im  Ordens  lande  miußte  der  Dienstherr,  der  sich 
eine  grundlose  Entlassimg  des  Gesindes  zuschulden  kom- 
men ließ,  diesem  den  vollen  Lohn  geben*).  Für  Bran- 
denburg**) setzte  erst  das  Landrecht  die  Gründe  fest, 
aus  denen  eine  Herrschaft  ihre  Dienstboten  vorz^tig  ent- 
lassen durfte®). 


»)  §§  54,  56.  —  »)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  -  »)  Kr. 
A.  München.  GR.  Fasz.  402  Nc  2.  -  *)  Steffen  S.  18.  —  •)  Lenn- 
hoff  S.  94fiF.  —  •)  Ober  flämisches  Recht  siehe  Behaegel, 
Servantes  et  serviteurs  d'autrefois  (Bulletin  du  comit^  central  du 
travail  industriel  1905  S.  661);  des  Marez,  Les  bureaux  de  place- 
ment  ä  Bruzelles  (Revue  de  TUniversit^  de  Bruxelles  1906  S.241fi., 
bes.  256). 


—    833    — 

S  15.    «Abspannen,  Abdringen  und  Abwendigmachen.«' 

Bei  der  steten  Gesindenot  müßte  es  ein  Diensthlerr 
fajst  als  Glücksfall  betrachten,  wenn  er  einmal  einen  Dienst- 
iDOten  im  Hanse  hatte.    Es  ist  Pflicht  der  Geisetrgeber, 
bestehende  Verhältnisse,  die  dem  Staatswohl  nicht  Zuwider 
laufen,  ru  schützen.   Wo  es  sich  imi  die  Erhaltung  des 
Dienstbotenmateriales  in  den  einzelnen  Haushalten  han- 
delte,  haben  die  Regienmgen  mit  erheblichemi  Eifeir  und 
beträcfhtlichen   Mühen  ihre  Obliegenheiten  erfüllt.    War 
es  doch  ein  Gut,  das  mit  großen  Anstrengungen  erworben 
ivurde,  mit  Anstrengungen,  die  von  den  Gesetzgebern  ami 
eigenen  Leibe  durchaus  als  solche  empfunden  wurdeti. 
Das  Kapitel  vom  Vertragsbruche  des  Geisindes  zeigt,  mit 
welchen  Mitteln  die  Dienstboten  zur  Aushaltung  des  Ver- 
trages veranlaßt  wurden;  die  Freiheitsstrafe  spielt  hier 
eiiie  große  Rolle. 

Aber  es  galt  zugleich  den  Feind  im  eigenen  Lager  zu 
bekämpfen.  Die  Gesindenot  veranlaßte  seit  ewigen  Zeiten 
die  Dienstherren,  neidisch  auf  den  Besitz  des  Nachbarn 
zu  schielen,  der  das  Glück  hatte,  einen  tüchtigen  Dienst- 
boten sein  eigen  zu  nemnen.  Bis  zvlt  tätigen  Abwiegelung 
des  Dienstboten  von  dem  bisherigen  Herrn  war  es  dann 
nur  ein  Schritt. 

Die  Verräter,  die  so  das  Wohl  der  eigenen  Standes- 
klasse untergruben,  mußten  dein  Gesetzgebern  bei  ihrem 
Kampfe  um  die  Erhaltung  der  Dienstverträge  eine  be- 
sonders unsympathische,  aber  auch  gefährliche  Erschei- 
nung sein.  Wie  so  oft  im  Gesindeweisen  läßt  sich  die  Un- 
redlichkeit hier  recht  verschwiegen  ausüben.  Beim  Ver- 
tragsbruche ist  eine  feste  Handhabe  gegeben ;  der  Dienst 
wird  nicht  ausgehalten,  sondern  zur  Unzeit  abgebrochen. 
Abspenstig  machen  läßt  sich  das  Gesinde  aber  durch 
Mittel,  die  jeder  gesetzgeberischen  Fixierung  spotten.  Ein 
Wort,  eine  Miene  können  den  erwünschten  Erfolg  hier 

KSnnecke.  *a 


—    834    — 

zur  Genüge  herbeiführen.  Wer  eis  geiscbickt  ausführt, 
kann  so  dem  Ric'hter  entgiehem,  währoid  der  ehrliche 
Nachbar,  der  aber  ein  schlechterer  Menschenkenner  ist, 
wegen  ru  offensichtlichen  Abspetnstigmachens  entdeckt 
und  bestraft  wird.  Die  Gesetze  lasisen  sich  daher  gar  nicht 
auf  Idie  gtenauere  Felstlegfung  bestimmter  TatbeJständie  iein, 
isondem  verbieten  meist  in  einer  an  das  zehnte  Gebot  er- 
innernden urwüchsigen  SpraChweisci  einfach  das  „Abspan- 
nen, Abdringen  xmd  Abwendigmachien**.  Die  gewöhnlich 
festgesetzte  Strafe  geht  freilich  niu*  in  seltenen  Fällen  über 
eine  Geldstrafe  hinaus;  für  eine  Freiheitsistrafe  ist  den 
sozial  höher  stehenden  Herrsdhaften  gegenüber  kein  Platz. 

Eine  weitere  unerwünschte  Begleiterscheinung  beim 
Abspenstigmadhen  war  die  Lohnsteigeirung.  Venspiiechen 
von  etwas  mehr  Geld  stellte  von  je  das  Hauptm&ttel  dar, 
mit  dem  die  Abwerbung  eines  fremden  Dienstboten  ge- 
schah. Noch  schlimmer  konnte  der  Übelstaad  dtirch  wo- 
möglich gewerbsmäßige  Mitwirkimg  dritter  Personen  wer- 
den. Vornehmlich  die  Mäkler  standen  oft  im  Verdachte, 
daß  sie  mit  ihrer  alterfahrenen  Kunst  dem»  dilettantischen 
Streben  einer  einzelnen  Herrschiaft  im  besonderen  Falle 
tätige  Hilfe  leisteten;  winkte  ihnen  doch  bei  jeder  neuen 
Vermietung  und  Vermittltuig  eine  Gebühr. 

Das  Recht  der  Abdingung  steht  in  engem  Zusammen- 
hange mit  dem'  Rechte  des  Vertragsschlusses.  Wie  in 
§  4  dargelegt  wurde,  bestand  in  einer  ganzen  Reihe  von 
Staaten  das  Verbot,  einen  Dienstvertrag  vor  einem  be- 
stimmten Zeitpunkte  des  Dienstjahres  abzuschließen^). 
Solange  eine  Kündigung  nocW  nicht  Sitte  imd  Recht  ge- 
worden war,  durfte  eine  Neumiettmg  sogar  erst  nach' 
Ablauf  des  Dienstjahres  geschehen.  Wenn  späterhin  einige 
Rechtsquellen  den  Satz  bringen,  daß  vor  St.  «Andreas  oder 
sonst  einem  Tage  keiner  dem»  andern  sein  Gesinde  weg- 


')  Oben  S.  469  ff. 


—    835    — 

mieten  darf,  so  soll  damit  iirnner  noöh  nicht  g^esagt  sein, 
daß  ein  fremder  Dienstherr  nadh  diesemi  Zeitpunkte  etwa 
der  bisherigen  Herrsdhaft  den  Dienstboten  heimlich  oder 
auf  ähnliche,  ein  böseis  Gewissen  verratende  Weise  durch 
Versprechien  von  besserem  Lohne  oder  von  sonstigen  Vor- 
zügen abwendig  machen  darf.  Es  entspricht  dein  Absichten 
der  bei  weitem  meisten  Gesindegesetae,  derartige  Unter- 
nehmungen zum  Nachteile  de<r  bisherigen  Dienstherr- 
schaft überhaupt  zu  verbieten.  Für  jeden  Zeitpunkt 
des  Jahres  sollte  das  Abmieten  img'ekündigten  Gesindes 
untersagt  sein,  mag  die  Zeit  vor  oder  .nach  detni  bis- 
weilen festgesetzten  Jahrestage  liegen.  AUgelmein  die  Ab- 
mietung ungfekündigten  Gesindes  wollten  die  Gesetz- 
geber hindern.  Hatte  ein  Dienstbote  oder  sein  Herr  zu 
der  bestimmten  Zeit  gekündigt,  dann  mochte  der  neue 
Mieter  einen  Vertrag  schließen,  aber  erst  nach  dem  Be- 
ginne der  Kündigungszeit.  Die  Bestimmimgen,  daß  Ge- 
sinde nicht  vor  einem  bestimlnitein  Zeitpunkte  neu  gemietet 
werden  durfte,  hatten  vielmehr  zum  Zwecke,  den  Ver- 
tragsbruch zu  vermeiden;  Gesinde,  das  vor  der  gewöhn- 
lichen oder  festgesetzten  Miet-  und  Ziehzeit  frei  ist,  setzt 
sich  dem  Verdachte  aus,  daß  es  seinen  vorigen  Vertrag 
zu  Unrecht  gelöst  hat.  Nur  ganz  wenige  Gesetze  geistatten 
ausdrücklich,  daß  von  einer  bestimmten  Zeit  an  auch 
ungekündigtes  Gesinde  von  einem  fremden  Mieter  um' 
einen  neuen  Dienst  angesprochen  wird. 

Das  Vorgehen  wider  das  Abspenstigmädietn  ist  offen- 
sichtlich von  polizeilichem  Fürsorgegeist  eingegeben.  Das 
ergibt  sich  schon  daraus,  daß  die  Reichspolizeli- 
ordnungen  des  16.  Jhdts.  *)  an  erster  Stelle  das  Ab- 
wendigfmachen  durch  die  Herrschaften  verbieten  imd 
durch  Einführung  von  Zeugnissen  den  Mißstand  heben 
wollen. 

Für  den  rein  polizeilichen  Charakter  der  Bestimnuin- 
')  Neue  Sammlung  II  S.  882,  587,  10  S.  879. 


-     836     - 

gen  spricht  weiter,  daß  im  Mittelalter  diei  Rechtsbü- 
cher vom  Abspannen  schweigen,  daß  erst  in^d^^  Städ- 
ten sich  das  Bedürfnis  geltend  macht,  Vorkehrungen 
wider  die  von  .ihrem  Standesbewnßtsjein  verlassenen 
Dienstherrschaften  zu  treffen.  So  wurde  in  Lübeck 
bestimmt*):  „Nement  mach  deme  anderen  sine  denst- 
baden  entmeden  sunder  der  heren  edder  der  vrowen 
orlof/*  Das  spätere  Recht  Lübecks  von  1586*)  drohte 
den  abspannenden  Herrschaften  mit  Strafe  nach  Gelegen- 
heit des  Falles.  Ebenso  wurde  das  Recht  in  Friedrich- 
stadt 1633*)  gehandhabt.  Ein  vollkommenes  Muster- 
beispiel der  später  gebräuchlichen  Regelung  bietet  die 
holsteinische  Gesindeordnung  von  1740*).  4,  6,  10 
Thaler  Strafe  stehen  den  Herrschaften,  die  sich  mit  dem 
Abspenstigmachen  abgeben,  bevor.  Unterhändler,  die 
sich  da2u  hergeben,  insbesondere  solche  weiblichen  Ge- 
schlechtes, erhalten  Gefängnis  bei  Wasser  tmd  Brot;  An- 
gehörige, die  Gesinde  verleiten,  sollen  mit  Geld-  oder 
Leibesstrafe  bedacht  werden.  Der  dem  16.  Jhdt.  ange- 
hörige  Entwurf  einer  ostf riesisdhen  Gesindeord- 
nung*) sah  5  Goldgulden  herrschaftliche  Strafe  wider 
das  Abwendigmachen  vor. 

Die  Polizeiordnung  von  Lauenburg  normierte 
1599^)  wider  Dienstherren,  die  anderen  das  Gesinde  weg- 
mieten, eine  Strafe  von  zwei  Gulden.  Dazu  soll  der  ver- 
lockte Dienstbote,  „wo  er  von  seinem  Herren  oder  Frauen 
hierum  keinen  Willen  erlanget**,  auf  ein  Jahr  ausgewiesen 
werden').   Auch  Ha  de  In  wählte  solche  Lösung.    In  der 

')  H  a  c  h  S.  442.  —  »)  Corp.  Stat  prov.  Hols.  —  •)  Corp.  Stat. 
Slesv.  III  1  S.  1.  —  *)  St  A.  Schleswig.  Sammlung  Gro6f.  Verord- 
nungen. —  *)  St.  A.  Aurich.  Archiv  der  ostfriesischen  Landschaft. 
O.  B.  Polizeisachen  zu  Nr.  3.  —  •)  Pufendorf,  obs.  iur.  DI  app. 
S.  284  ff.,  bes.  817.  —  ^)  Diese  harte  Strafe  gegen  die  zunächst  doch 
nur  als  Objekt  der  strafbaren  Handlung  benutzten  Dienstboten  kommt 
in  dieser  oder  ähnlicher  Form  noch  oft  in  der  Gesetzgebungsgeschichte 
vieler  Gebiete  vor.  Dabei  wird  durchaus  keine  Rücksicht  darauf  ge- 


—    837     — 

Gesindeordnung  von  1655*)  wurde  eine  summa  inevita- 
bilis  von  60  Mark  als  Strafe  der  neidisdiieü  Dienstherren 
festgesetzt;  ein  Drittel  bekommt  der  Denunziant.  Der 
verführte  Dienstbote  verliert  seinen  Lohnanspruch  und 
darf,  wieder  bei  60  Mark  Strafe',  von  niemandeto  sonst 
gemietet  werden. 

Das  Stadtrecht  Lüneburgs*)  ging  davon  aus;  daß 
Mietung  verboten  ist,  wenn  das  Gesinde  ungekündigt  in 
seiner  alten  Stellung  ist.  Wer  trotzdem  ohne  Wissen  des 
bisherigen  Herrn  das  Gelsinde  abspannt,  muß  zehn  Mark 
erlegen,  von  denen  fünf  an  den  Fürsten,  fünf  an  den 
geschädigten  Dienstherm  fallen.  Der  Dienstbote,  der  sich 
zu  Unrecht  abspannen  ließ,  bekommt  keinen  Lohn  und 
darf  ein  Jahr  in  der  Stadt  nicht  dienen ;  welcher  Dienstherr 
dies  Verbot  niCht  beachtet,  erhält  zehn  Mark  Strafe.  Die 
lüneburger  Polizeiordnung  von  1618*)  unterläßt  es, 
ihrem  Verbote  des  AbwendigHiachens  durch  Einfügung 
einer  Straf drohung  eine  etwas  gesteigerte  Aussicht  auf 
Befolgung  zru  geben.  Drei  Gulden  Strafe  standen  nach 
der  Stadtordnung  von  Celle*)  auf  dem  Abspannen ;  .vier 
Gulden  waren  es  nach  dem  osteroder  Recht*). 

Das  älteste  Recht  im  Gebiete  des  späteren  Hannovier 
ist  in  einem  göttinger  Statut  aus  der  Mitte  des  14. 
Jhdts.^)  gegeben.  Mietung  außerhalb  der  „rechten"  Zeit 
ist  die  rechtliche  Grundlage:  „Weret  ock  dat  jement 
knechte  eder  magede  den  anderen  entmiedede  ut  sinem 

nommen,  ob  der  Dienstbote  dadurch,  da&  er  sich  hat  verleiten  lassen^ 
einen  Vertragsbruch  begangen  hat,  oder  ob  er  sich  lediglich  zur 
ordnungsmäßigen  Kündigung  hat  bestimmen  lassen.  Ausschließlich 
die  Tatsache,  dass  er  von  der  Herrschaft  zur  Begehung  der  Hand- 
lung benutzt  worden  ist,  begründet  die  Strafbarkeit  des  Dienstboten. 
')Spangenberg,  Verordn.  f.  Hannover  IV  8  5. 266. —  ')  Pufen- 
dorf  a.  a.  O.  IV  app.  S.  624 ff.,  bes.  796.  —  ■)  Landesverordnungen 
Lüneburg  Cap.  4  Bd.  1  S.  1.  —  *)  Pufendorf  a.  a,  O.  I  app.  S.  229ff., 
bes.  281.  —  »)  Ebenda  II  app.  S.  288 flF.,  bes.  264.  —  •)  v.  d.  Ropp, 
SUtuten  S.  87. 


-     838    — 

äenste  buten  recliter  tyd,  wo  dad  darenboven  dede,  dt 
^cbal  jeme  sinen  scaden  erlegfen,  den  he  dar  von  jiympi 
des  dat  denst  is  gewesen".  Dies  Statut  ist  das  einzige 
Beispiel  für  die  Normierung  eines  Schadensersatzes  für 
den  geschädigten  Herrn;  nirgends  sonst  ist  eine  indi\i 
Iduelle   Bemessung   des   Sdhadens   zugelassen. 

Mit  dem  einfacheren  und  schneidigeren  Karapfesmit- 
tel  der  Geldstrafe  begnügt  sich  die  große  hannover- 
sche Gesindeordnung  von  1732^).  Die  Gesindeordnung 
für  die  Stadt  Wolfenbüttel  vom  Jahre  1748-)  teilt 
dem  Dienstherrn  für  das  Abwendigtniaohen  20  Thaler 
Strafe,  dem  dabei  benutzten  Gesinde  wieder  ohne  Rück- 
sicht auf  Vertragsbruch  oder  bloße  Kündigung  die  außer- 
ordentlich hohe  Buße  von  einem  Jahre  Zuchthaus  zu. 
In  Osnabrück  wurde  1766')  dem  Gesinde,  das  sich 
vor  den  fest  bestimmcten  Kündigungsterminen  anderswohin 
vermietet,  eine  Gefängnisstrafe  von  24  Stunden  angedroht. 

Die  alten  Statuten  der  Stadt  Mühlhausen  von 
1311  und  1351*)  gehen  von  der  Normierung  der  Zieh- 
zeit aus.  Vor  dem  Andreastage  darf  niemiand  dem  andern 
sein  Gesinde  „abe  mite" ;  der  Übertreter  erhält  eine  Strafe 
von  zehti  Schillingen,  und  die  Miete  gilt  doch  nicht.  In 
der  Heimburgenordnimg  von  1544 '^)  steht  nur  ein  allge- 
meines Verbot,  einen  andern  von  seiner  Arbeit  abzuziehen ; 
ein  Pfimd  ist  die  Strafe.  Sdhon  die  bloßen  Veartiagsver- 
handlungen  zwischen  Herrn  und  Gesinde  schützen  die 
f rankenhäuser  Statuten  von  1534*)  gegen  Eingriffe 
anderer  Mieter:  „Wue  auch  ymants  umb  gesinde  tei- 
dingt  zu  miethen,  sal  den  auch  niemiants  vorhindern,  pena 
drei  sc'hillinge  phenge  und  em  tagk  auf  dem  thore.  So 
sie  aber  ahne  ende  absc'heiden,  »1  es  nicht  bescheddi- 


*)  Span  gen  berg  a.  a.  O.  IV  2  S.  461,  -  »)  Archiv  Wolfcn- 
büttel  Nr.  7097.  —  »)  K  löntrupp ,  Handbuch  II  S.  76.  —  *)  Lambert, 
Rechtsgesetzgebung  S.  124,  125.  —  ')  Stadtarchiv  Mflhlhausen,  — 
*)  Michelsen,  Rechtsdenkmale  S.  466 ff.,  bes.  481. 


—    839    - 

gen**^).  Die  1594  geschjaffemen  Stadtrechte  Rudol- 
Staats  und  Blankenburg^s*)  ahnden  die  Abwiege- 
Ixmgen  von  Gesinde  mit  einem  Gulden,  die  freiwillige  oder 
unfreiwillige  Mitwirkung  der  Dienstboten  dabei  mit  delmi 
Verbote,  w^ter  in  der  Stadt  zu  dienen.  „Es  sioUen  au(^h'  diet 
AVeiber,  welche  solch  Gewesch  hin  und  wieder  tragen,  und 
das  Gesinde  verhetzen,  mit  Gefängniss  nach  erkenntnissl 
gestrafft  werden." 

Von  thüringischen  Landesrechten,  die  über  Abwendig- 
machien  Vorschriften  enthalten,  ist  das  älteste  die  wei- 
marische  Landesordnung  von  1482'):  „Es  soll  niemand 
dem  andern  sein  gemüet  imd  gebröt  Gesinde  auf nehimien 
noch    vorenthalten,    bey  Vermeidung  schwerear  Strafe**» 
'heißt  es;  da  von  VertragsbrucJh  nicht  weiter  hier  die  Red€? 
ist,  muß  man  anneh!m>en,  daß  das  Abspenstigtnachen  durch 
diese  Straf drohung  getroffen  werden  soll.  In  der  k  o  b  u  r  - 
g  e  r  Polizei-  und  Landesordnimg  von  1580  *)  wird  mit  fünf 
Gulden  gestraft,  wer  Dienstboten  dingt,  die  noch  nicht 
verabsc'hiedet  sind  und  ihre<  Zeit  ausgedient  haben.  Wäh- 
rend die  erfurter  Polizeiordnung  von  1583 '^)  sich  mit 
dem  radikalen  Mittel  bloßer  Strafe  begnügt,  greift  die  von 
Kurmainz  aus  für  Erfurt  erlassene  Instruktion  für  die 
„Zweyermanns-Camimer**  von  1704®)  tiefer  ein  und  gibt 
genaue  polizeilidhie  Anweisungen  über  die  Bestrafung  des 
Abspannens  und  über  die  Zurüdkführung'  deis  ausgetrete- 
nen Dienstboten  in  deti  Dienst  oder  doch  seine  Veran- 
lassung zur  Übernahme  eines  neuen  Dienstes,  wenn  der 
frühere  Dienst  wirklidh  schlecht  war.   Drei  Thaleor  Strafe 
sollen  die  ablockenden  Dienstherrschaften  nach  der  er* 
furter  Dorfpolizeiordnung  von  1786 ')  erhalten.  Nach  dem 

^)  teidingen  bt  verhandeln;  „ahne  ende  abscheiden"  bedeutet 
,,ohne  Vereinbarung  auseinander  gehen".  —  ■)  Walch,  Beytrdge  V 
S.  21flF.,  bes.  62;  78ff.  —  •)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV 
S.  137.  —  *)  V.  Weber,  Statutarrechte  I  S.  1123.  —  •)  Univ.-Bibl. 
Marburg.  —  *)  Kurf.  mainz.  Ordnungen  f.  Erfurt  S.  142.  —  ^)  Heine* 
m  ann,  Rechte  f.  Erfurt  S.  866ff.,  bes.  359. 


—    840    — 

Recht    der   alten  burger  Landesordmingr  vt)ii  1556^ 
wurde  das  Abspannen  mit  5  Gtilden  gJöstraft ;  der  vterf ühite 
Dienstbote  mtißte  dem  früheren  Herrn  iinentgteltlidh  wei- 
terdiencm.  Auch  1651  wurde  es  in  Altenburg  „streng  ver- 
boten"*),  Gesinde  abaiiloclken.     Die  gothlaische  und 
altenburgisChe  Gesindeordnung  von  1719')  straft  den 
Abwiegler  mit  Geld,  die  „Kuppelwedber"  mit  Gefängnis, 
In  der  altenburger  Ordnung  von  1744*)  wird  als  Her- 
sChaf tsistrafe  Gefängnis  (vierzehn  Tage)  wahlweise  neben 
die  Geldstrafe  von  zehn  Gulden  gestellt.  Die  Mäkler  kön- 
nen bis  auf  vier  Wochen  ins  Gefängnis  kommien ;  und  die 
Dienstboten,  die  sich  ausmieten  lassen,  büßen  mit  fünf 
Gulden  oder  fünf  Tagen  Gefängnis.  Die  jenaisCheGe- 
sindeordnung  von  1751*)  gibt  dem  Herm  zehn  Thaler 
Geldstrafe  oder  Gefängnis,  dem  Vermittle-  der  Ab- 
spannimg  fünf  Thaler  oder  Gefängnis,  dem  abwendig  ge- 
machten Dienstboten  vierzehn  Tage  Gefängnis;  wahrend 
dieser  Zeit  muß  er  einen  Ersatzmann  stellen  oder  sich 
Lohnab:fug  gefallen  lassen.  Unter  die  Lohnbestimmtungen 
ist  das  Verbot  des  Abspannens  in  der  eisenadher  Ge- 
Sindeordnung  von  1757*)  geraten.    Der  Lohn  soll  nkit 
reguliert  werden ;  doch  mögen  es  die  Herrschaften  auch 
unterlassen,  durch  Versprechtmg  höheren  Lohnes  sich  ge- 
genseitig das  Gesinde  abwendig  zu  miaChleD. 

Die  waldeCker  Gesindeordnung  von  1736*)  straft 
idas  Abdingen  des  Gesindes  mit  fünf  Thklem  an  der 
Herrschaft ;  der  in  bösem  Glauben  gegebene  Mietpfennig 
ist  dem  ZucUthause  verfallen.  An  der  Festsetztmg  einer 
Strafe  läßt  es  die  schäum  burger  Polizeiordnung  ^^ 
1615^)  mangeln.    Ihr  Verbot  erstreckt  sich  auch  schon 


')  Brandt,  Der  Bauer  in  Altenburg  S.  75.  —  ')  Ebenda  S.BO. 
—  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVin  f  A  870.  -  *)  Ebenda.  XVffl  f  B 
1119  g.  —  •)  Schmidt  a.  a,  O.  S.  188.  —  •)  Kr*  A.  München.  GR. 
Fasz.  403  Nr.  8.  —  ^  Sammlung  der  Regierung  Arolsen.  —  *)  Rott- 
mann  S.  427  (Kap.  68). 


—    841     — 

auf  das  Abspenstigmadien,  nachdem!  der  Dienstbote  den 

:  Mietpfennig  angenommen  hat,  miag  der  Dienst  audh  noch 

'  nicht  angetreten  sein.    Die   fehlende   Strafe  wurde  erst 

1738  *)  ergänzt ;  zehn  Thaler  und  mfehr  hat  die  bösie  Herr- 

:  Schaft  zu  erwarten.    „Und  wäre  der  oder  dieselbe  darzu 

(nämlich  zum  Vertragsbruche)  von  jemand  wider  die  zehn 

:  Gebote  Gottes  angehalten  und  überredet**,  dann  soll  diesler 

Übeltäter  eine  gebührende  Strafe  erhalten  —  so  bestimtnt 

die  detmolder  Polizeiordnung  von  1620*).    Später  in 

der  Gesindeordnung  von  1752  ^)  spezialisiert  sich  die  Strafe 

jum  Karrensc'hieben. 

In  offenbarem  Anklang  an  das  Recht  der  Reichs- 
polizeiordnungen des  16.  Jhdts.  wurde  in  der  Stadtordnung 
für  Geseke  von  1593*)  willkürliche  Strafe  gedroht 
für  den  Fall,  „dass  einer  dem  anderen  seine  Knecht 
und  Mägde  uffsetzlicher  weiss  abdrünge**.  Sechs  Mark 
bilden  die  Straf  summe  der  paderborner  Ordnung' 
von  1655 *),  fünf  Thaler  setzt  die  bentheimisChe  Ord- 
nung von  1690  •)  an.  In  den  Godingsartikeln  des  Dom- 
kapitels von  Münster  nach  der  Fassung  von  1665  und 
1715 ')  werden  fünf  Mark  als  Strafe  bestimmt.  Die  mün- 
stersche  Gesindeordnung  von  1722®)  droht  mit  willkür- 
licher fiskalischer  Strafe;  das  Verbot,  fremdes  Gesinde 
vor  iden  Mietterminen  ^)  zu  din^en^  wurde  bestätigt.  Durch 
Edikt  von  1733*°)  wurde  dies  Verbot  ausdrücklich  auf- 
rechterhalten; nur  für  die  Mietung  des  eigenen  oder 
dienstfreien  Gesindes  brauchen  die  Miettermine  nicht  be- 
obachtet zu  werden.  Nach  der  ravensberger  Gesinde- 
ordnung von  1766  ")  steht  den  abspannendem  Dienstherr- 

0  Landesverordnungen  Schaumburg-L.  II  S.  886.  —  *)  Landes- 
verordnungen L.-Detmold  1  S.  8&8.  —  ')  Ebenda  II  S.  H.  —  ^)  Habe!- 
sehe  Sammlung.  —  ')  Landesverordnungen  Paderborn  I  S.  6.  — 
•)  Schloter,  Provinzialrechte  I  S.  486.  —  »)  Philippi,  Landrechte 
des  Mflnsterlandes  S.  181.  —  ")  Sammlung  Münster  I  S.  868.  --  *)  Oben 
a  472.  -  ^^  Sammlung  a.  a.  O.  S.  869.  —  ")  Ravensb.  BUtter  f.  Ge- 
schichts-  etc.  Kunde  1909  S.  62. 


—    842    — 

Schäften  eine  Strafe  von  5  bb  20  Th.  bevor.  2  bis  3  Th. 
Strafe  reichen  nach  der  sayn-wittgrensteinischen 
Polizeiordnung  von  1776*)  schon  aus,  um  die  „Verläum- 
düng,  Verkleinerung  imd  Verhetzung**  wider  die  Dienst- 
herrschaften sowie  die  „Versprechung  besserer  Tage* 
durch  leutegierige   Neunxieter  abzustellen. 

Mit  dem  frühen  17.  Jhdt.  beginnt  das  olevische 
Recht,  wider  das  Abspenstigmachen  vorzugehen.  Die  Ge- 
sindeordnung von  1608*)  droht  auf  Abspannen  bei  wäh- 
renden oder  auch  erst  angebot^ien  Diensten  fünf  Gold- 
gulden Strafe.  Zehn  Gulden,  und  zwar  für  Herrschaft 
und  Gesinde,  das  sich  verleiten  ließ,  setzt  die  Gesindeord- 
nung von  1696^)  fest;  den  Gesindevermietem  wird  das 
Abspannen  m  §  3  verboten.  Die  Scheidtmg,  ob  Herr- 
schaften oder  ob  Mäkler  die  Abspannung  vollführen,  wird 
auch  in  der  Gesindeordnung  von  1753*)  durchgeführt, 
und  zwar  auch  in  der  Straf bemesstmg.  Abspenstigmachen 
„steht  keiner  ehrliebenden  Herrschafft  an,  und  soll  nach 
Befinden  ernstlich  geahndet  werden**^).  Das  Maß  dieser 
„Ernstlichkeit**  wird  weiterhin^)  näher  bestimmt;  „nach 
Beschaffenheit  der  dazu  gebrauchten  arglistigen  Wege 
5,  10,  20  Th.  imd  mehr**  soll  die  Strafe  der  Herrschaften 
sein.  Mäkler  erhalten  zwei  Thaler  Strafe  oder  zwei  Tage 
Gefängnis  bei  Wasser  und  Brot;  im  Wiederholungsfalle 
wird  ihnen  die  Konzession  entzogen').  Die  Gesindeord- 
nung von  1769*)  für  die  Dörfer  läßt  die  Bestinintungen 
über  Mäkler  ganz  weg  —  auf  dem  Lande  gab  es  deren 
kaum  —  und  straft  die  Herrschaften  mit  zwei  Thalem 
oder  zwei  Tagen  Gefängnis,  im  Wiederholungsfall  noch 
härter  •). 

Auf  ein  beträchtliches  Alter  kann  das  kölner  Recht 


M  Univ.-BibL  Marburg.  —  ')  Scotti,  Oeve  S.  216.  —  »)  Ebenda 
S.  690.  -  *)  Ebenda  S.  1462.  -  •)  Tit.  II  §  U.  -  •)  Tit.  IX  §  6.  - 
')  Tit.  IX  §  6;  auch  Tit  U  §  8.  -  •)  Scotti  a.  a.  O.  S.  1894.  - 
•)  §§  10.  62. 


—    843    — 

des  Abspenstigmachens  zurückblicken.  Schon  in  den  Sta- 
"tutensamtolungen  von  1407  und  1460*)  findet  sich  das 
C];ebot:    „Were  sache,  dat  yemandt  deane  anderen  syn 
sremyedei  gesynde  hynder  eme  af fmyede,  offuphielde, 
ind  der  ^yider,  dem  dat  geschege,  des  nyet  untbeiren 
^n  weulde,  als  maengen  dach,  as  hee  yeme  dat  vorunt- 
lieilte,  also  maenche  marck  soll  hee  zo  boyssen  gielden.** 
Die  beiden  Polizeiordnungen  von  1538  und  1595*)  ent- 
halten in  besonderen  Abschnitten  vom  Abdingen  die  Vor- 
schriften des  §  1  des  in  den  Reichspolizedordnimgen  ent- 
haltenen  Gesinderechtes*).    1595  wurden   Straf  Vorschrif- 
ten   hinzugefügt:    „sonst    sol    der  Ubert rettender  Herr, 
Knecht  oder  Magdt  funff  gülden  ctirrant  oder  f unff  West- 
fälische marck  zu  Brüchten  unnachlesslich  geben.**  Eben- 
so ist  auc^h  die  Regelung  fast  anderthalb  Jahrhimdertet 
später  in  der  Polizeiordnimg  von  1723  *).  Wieder  ist  der  Ab- 
dingtmg  ein  besonderer  Abschnitt  gewidmet;  die  Strafe 
ist  zwei  Mark  für  Herrn  und  Knecht.    Gemeinsam  für 
Köln  und  Jülich  erging  am  10.  imd  15.  Dezemiber  1751 
eine  Verordnung  wider  den  Vertragsbruch  imd  das  Ab- 
spenstigmachen ^) ;   dies   wird   bei   Brüchtenstrafe    unter- 
sagt. 

Für  die  Rechtsentwicklung  in  Jülich*  bedeutet  diese 
Vereinbarung  (wie  für  Köln)  den  Abschluß.  Die  Anfänge 
reichen  in  Jülich  bis  1599  zurück,  wo  die  bergische  Ritter- 
schaft sich  auf  dem  Landtage  zu  den  Beschwerden  der 
jülicher  Ritter  dahin  äußert*),  daß  „nit  allein  die  dienst- 
botten,  sunder  auch  die  aufwickler  imd  imderhaendler, 
auch  diejenige,  so  dieselben  mit  wissen  annemen**,  im 


')  W.Stein,  Akten  I  S.  248,  887;  das  gesperrt  Gedruckte  be- 
deutet Zusätze  von  U60.  —  '»)  S  co tti,  Köln  1 1  S.  60, 166.  —  •)  Oben 
S.  86.  —  *)  Scott!  a.  a.  O.  S.  628.  —  *)  Scotti,  Köln  I  2  S.  771; 
jOlich  S.  444.  St  A.  Dasseldorf.  Akten  des  Bonner  Hofrats.  Kur- 
köln Regierungssachen  Nr.  47  Gesinde.  -~  ')  v.  Below,  Landtags- 
akten U  S.  98,  94. 


—    844    — 

Falle  des  Vertragsbruches  bestraft  werden  sollen.  Die 
jülidher  Verordnung  von  1744*)  geht  von  dem  Verbot? 
aus,  daß  Gesinde  sic'h  früher  als  ein  Vierteljahr  vor  Ab 
lauf  seiner  Dienstzeit  bei  einer  neuen  Herrschaft  vermiete. 
Bei  25  Goldgulden  Strafe  darf  ein  Dienstherr  solches 
Gesinde  nicht  „anmiethen  oder  in  Dienst  nehmen". 

VonidennassauisChen  Gebietsteilen  hat  Katzen- 
ein bogen  hier  das  älteste  Recht.  Die  Polizeiordnung 
von  1597')  bringt  das  Abspannen  von  Dienstboten  in 
einen  merkwürdigen  Zusamlmfenhang  mit  dem  Begehren 
nac'h  Lehngütem  (d.  s.  Pachtgüter):  „Insonderheit  aber 
wollen  wir  nicht  gestatten,  dass  einer  dem  andern  nach 
einen  dienstbotten,  oder  lehngütern  trachte,  Sondern  so 
jemand  eines  andern  dienstbotten,  oder  die  lehngüter. 
so  ein  ander  underhianden  hat,  zu  dingen  gemeint :  Sol  er 
mit  wisisenden  Dingen  handeln,  und  erstlich  hören,  ob 
der  dienstbott  von  seinem  brothterren  ledig,  oder  ob  die 
lehn  jähr  auss.**  Unter  den  Rügfragen  befindet  sich  dem- 
gemäß eine  solche  nach  Abspannungsversuchen.  Die  (hes- 
sische) Landesordnung  für  die  obere  Grafschaft  Katzen- 
clnbogen  aus  dem  17.  Jhdt.  ^)  handelt  nur  von  der  Ab- 
spannung der  Müllerknechte.  Aus  diesen  Bestimmungen 
ergibt  sich  klfiCr  das  oben  über  den  Zweck  der  Abspan- 
nungsverbote Gesagte,  daß  die  heimliche  Verreizung  im 
gekündigten  Gesindes  insbesondere  mit  Versprechung 
mehreren  Lohnes  und  nur  dieses  von  den  Gesetzgebern 
bekämpft  werden  sollte.  Die  Landesordnung  sagt :  ^ Würde 
aber  ein  Müller  überwiesen,  dass  er  dem  andern  mit 
heimlicher  Verreizung,  oder  VerheissUng  mehrers  Lohns, 
seinen  Knecht  abgespannt,  oder  auch  da  gleich  des  Mül- 
lerknechts Jahr  aus  wäre,  und  ihm  frey  stünde,  sich  in 
eines  anders  Meisters  Dienst  zu  begeben,  der  ander  Meister 
ihm  heimlich  oder  öffentlich  miehr  denn  obgesetzten  Lohn 

0  Scotti,  Jülich  S.  400.  —  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  — »)  Selchoirs 
Magazin  f.  d.  teutschen  Rechte  I  S.  475  ff. 


—    845    — 

versprochen  hätte:  so  soll  der  Müller,  so  dem  andera 
seinen  Knecht  abgespannt,  oder  ein  mehreres  zu  Lohn 
verheissen.  Uns  jedesmal  mdt  20  fl.  zu  Straf  verfallen 
seyn,  und  dem  Müllerkne<^ht,  innerhalb  den  2  folg^enden 
Jahren  in  Unserm  Land  zu  arbeiten,  nicht  gestattet 
werden." 

Die  nassau  -  beilsteinisdh'e  Gesindeordnimg 
von  1618^)  beschränkt  sich  auf  ein  bloßes  Verbot,  ohne 
Strafen  anzusetzen.  Die  imdatierte  Rügordnung  für  die 
Herrschaft  Idstein^)  kündigt  demjenigen,  welcher  an- 
dern das  Gesinde  abspenstig  macht,  herrschaftliche  Strafe 
an.  Nach  der  dem  18.  Jhdt.  angehörigen  usinger  Ger 
Sindeordnung ')  darf  keiner  dem  andern  seine  Dienstboten 
vor  Ider  Zeit  abspannen  imd  an  sidbi  locken,  bei  zehn  Gul- 
den oder  Gefängnis. 

1506  setzte  in  hessischem  Lande  das  Vorgehen 
gegen  das  Abspenstigmachen  der  Dienstboten  ein.  Das 
herrenbreitunger  Weistum*)  erklärt,  daß  der  Ab- 
spanner das  Unrecht  habe.  In  ednem  Vertrage,  der  am* 
19.  August  1536  zwischen  Mitgliedern  der  Familie  Dorn- 
berg  getätigt  wurde*),  versprachen  sich  die  Parteien^ 
es  solle  „auch  kein  teil  dem  andern  siene  knechte  ader 
irer  beider  knechte  und  gesinde  zu  imgelegner  ziet  als  in 
der  saydt,  hau  und  snidde  eym  heren  us  dem'  dienst 
enweg  nemen,  von  der  handt  füren  ader  vorschicken.  Es 
sail  auch  kein  teil  dem  andern  sien  gesinde  wieder  sienen 
willen  abziehen,  abmyeden,  ader  zuwieder  imd  entgeigen 
annemen  ader  enthalten  .  .  .**.  1540  schloß  Philipp  der 
Großmütige  mit  den  Pf ännem  zuSoodenan  der  Werra 
einen  Vertragt).  Ihnen  verheißt  der  Landgraf,  „nach- 
dem uns  die  pfenner  Itzt  ein  anteil  der  soder  salzknecht 

*;  Corp.  Const  Nass.  II S.  29.  —  »)  St.  A.  Wiesbaden.  V  Nassau- 
Usingen.  Generalia  IIa  Verordnungen  Bd.  V  S.  1.  •—  ')  Ebenda  S.  128. 
—  *)  Oben  S.  24f.  —  »)  St.  A.  Marburg.  Dörabergsches  Archiv.  — 
^  U.  F.  Kopp,  Beytrag  zur  Geschichte  des  Salzwerks  in  den  Soden 
S.  99. 


—    846    — 

unnd  gesiende  In  Soden  verwilliget  In  Unnsem  Dhieost  r: 
nhemen",  daß  er  die  imi  Dienste  der  Pfänner  stehenden 
Salzkneclite  jenen  nicht  „entziehen,  abmieden,  abreitzeiL 
ader  annemen  lassfen**  wird. 

Die  hessische  Taxordnnng  von  1622  *)  will  die!  übel 
die  durch  das  Abspenstigtnachen  entstehen,  mit  Hilfe  der 
Taxbestimtaungen  heilen;  das  Abspannen  verschwindet, 
wenn  die  Lohntaxen  eingehalten  werden,  denn  es  gibt 
weiter  keine  Anreizungstnöglichkeiten  als  die  geldlichen 
oder  geldwerten  Leistungen  der  Herrschaft.  Die  Gesetz- 
g'eber  des  18.  Jhdts.  verhalten  sich  der  Frage  gegeii- 
über,  ob  wider  das  Abspannen  vorgegangen  werden  soll 
zunäclist  ablehnend.  Die  Gesindeordnung  von  1736  -)  «it- 
hält  keine  Bestimtniung  der  Art.  Erst  1748*)  wird  die 
hannoversche  Ordnung  auch  hierin  nachgemacht ;  das  Ab- 
wendigmachlen  wird  mit  Geldstrafe  je  nach  Vermögen 
bedroht.  Nachdem  1767  ein  bei  Gelegenheit  der 
großen  Untersuchung  über  die  Gesindeverhältnisse  ge- 
machter Vorschlag,  das  Abspenstigmiachen  zu  verbie 
ten,  nicht  die  Billigung  des  Geheimen  Rates  gefunden 
hatte  *),  kam  es  für  ganz  Hessen  erst  mit  den  beiden  Ge- 
sindeordnungen von  1797  und  1801*)  zu  einer  gresetz- 
lichen  Festlegung.  Bei  ernstlicher  oder  nachdrücklicher 
Strafe  soll  das  Abspannen  unterlassen  werden.  1801  er- 
fahren insbesondere  auch  die  Außenstehenden,  die  sich 
an  der  Unredlichkeit  einer  abspannenden  Herrschaft  be- 
teiligen, also  vornehmlich  die  Mäkler,  besondere  Strafe. 
Gegen  derartige  Ruhestörer  sollen  die  Behörden  heftig 
vorgehen. 

Von  den  hessischen  Nebenländem  tritt  Gelnhau- 
sen zuerst  auf.  In  dem  Statut  von  1560^)  wird  vor- 
nehmlich   das  Abspenstigmachen  behandelt.     Der    „ab- 

')  LO.  I  ,S.  616.  —  «)  LO.  I  S.  410.  —  •)  St  A*  Marburg.  IX  A 
1621  (Hanauer  GO.).  —  *)  Oben  S.  84.  -  »)  LO.  VII  S.  727;  YHI S  ». 
—  •)  Oben  S.  121  f. 


—    847     — 

reytzer**  muß  einen  Gulden  erlegen,  das  vierführte  Ge- 
sinde erhält  keinen  Lohn  und  darf  ein  Jahr  lan^  in  der 
Stadt  nic'ht  dienen.  In  einer  erzbisohöflich-mainzischen 
Polizeiordnung  von  1579  für  die  später  preiußisch-hessische 
Stadt  O  r  b  1)  wurde  angeordnet :  „Wir  wollen  auch  dass 
keiner  dem  andern  sein  Dienstbothien,  Knecht,  Magdt, 
Weinhauer,  Bauern  so  Holtz  zu©  f huren  zwischen  dem 
versprochenen  Jar  bey  Stroff  fier  Gulden  beredh  abfuhr 
nach  mit  Belohnung  ersteig.**  Die  schaumlburger 
Polizeiordnung  von  1615  wurde  bereits  behandelt-).  Das 
fuldische  Reskript  von  1761^)  zieht  kräftig  g^en  die 
„bösartigen  Leute**  los,  die  sich  aus  der  Verreizung  der 
Dienstboten  ein  unerlaubtes  Geschäft  machen ;  gebührende 
Ahndimg  haben  sie  zu  gewärtigen.  Auch  die  isenbur- 
ger  KirChendisziplinordmmg  von  1697*)  droht  mit  „ernst- 
lichem Einsehen  und  Bestrafung**.  Die  isenburger  Rüg- 
ordnung von  1766^)  sagt  imter  §  19:  „Soll  keiner  dem 
andern  das  Gesind  abspannen**;  Strafe  wird  nicht  fest- 
gesetzt. 

In  der  nördlichsten  Provinz  von  Hessen-Darm- 
stadt erging  1680  die  Polizeiordnung  der  Burg  Fried- 
h  e  r  g  *),  in  der  dem  Abreizer  des  Gesindes  mit  arbiträrer 
Strafe  gedroht  wird,  weiter  die  gederner  Gesindeord- 
nung von  1681  ^),  die  auch  ein  freilich  mit  Strafen  oder 
sonstigen  Mitteln  nicht  gerüstetes  Verbot  d^  Abwendig- 
machens  brachte;  solange  das  Gesinde  noch  nicht  aufge- 
sagt hat,  darf  niemand  es  mieten.  Das  älteste  Stück 
aus  den  später  hessischen  Ländern  ist  edne  Worms  er 
Satzung  von  1469®):   „Das  kein  meister  dem!  andern  sin 

')  St  A.  Marburg.  Akten  Orb  Nr.  488.  -  «)  Oben  S.  840f.  — 
•)  Oben  S.  129ff.  —  *)  Kersting,  Sonderrechte  Sp.  SME,  bes.  900. 

—  *)  Sammlung  Amtsgericht  W&chtersbach.  —  *)  Univ.*Bibl.  Marburg. 

—  ')  Grflf  1.  Stolbergisches  Archiv  in  Gedem.  B  XX  ,,Allerhand  Ver- 
ordnungen ...  so  in  der  Grafschaft  Stolberg-Gedem  ergangen^  S.  61 

—  •)  Baur,  Hess.  Urkunden  IV  S.  202. 


—     848    — 

gesiynne  abegewinnen  soll,  es  sy  knecht  oder  megd*, 
es  Wer  idann,  das  der  selbe  medster  mit  yme  gerechet  m 
bezalt  hiabe,  uberf  ure  eincher  das,  der  verlöre  zu  pene  \ 
untz  heller**.  Eine  hessische  Taxordnung  von  1626- 
wendet  sich  außer  gegen  die  Lohnssteigening  nur  nod 
wider  das  Abspannen.  Beides  soll  nach  Gelegenheit  de: 
Pjersonen  mit  Geld  oder  Turm»  gestraft  wearden.  ki 
r he ingaui sehen  Landrechte  von  1643 -)  findet  sieb 
die  Verquickung  des  Abspannungsverbotes  mit  den  Vor 
Schriften  über  den  Zeitpunkt  einer  neuen  Mietung.  „Is' 
diess  Brauch,  dass  nemlich  keiner  dem-  andern  seiK 
Dienstboten  gefährlich  abspannen  solle,  sonderlich 
aber  ist  diesfalls  observiret  und  je  und  allewege  von  der 
Obrigkeit  anbefohlen  und  gehandhabt  worden,  dass  keimr 
dem  andern  seine  Dienstboten  ohne  sein  Vorwissen  \-o: 
Martini  ansprechen  und  abdingen  solle,  jederzeit  bei  Straf 
Frevels**.  Der  mainzerRezeß  von  1654  ^)  will  das  Ab- 
wendigmachen mit  der  hohen  Strafe  von  vierzig  Gulden 
belegt  wissen. 

Schon  1643  hatte  der  fränkische  Kreis  seine 
Vereinbarung  geschlossen*),  die  auch  das  Abspenstig- 
machen untersagte.  Die  Kreismitglieder  kannten  jedoch 
solche  Bestimmlungen  teilweise  bereits  seit  langer  Zeit. 

In  Nürnberg  wurden  im  14.  Jhdt.  recht  eingehende 
Vorschriften  über  die  Angelegenheit  getroffen.  Ein  altes 
Gesetzbuch  der  Stadt  *)  sagt :  „Es  sol  auch  dhein  burger 
noch  biu'gerin  noch  niemant  anders  dem«  andern  seinen 
kneht  oder  mayd  vor  ireml  Zil  niht  abdingen.  Wer  daz 
uberfür  Ider  must  gelben  drew  pfunt  haller  und  der  knecht 
oder  mayd  sollen  geben  ein  pfunt  haller  und  solt  darnach 


^)  Haus-  und  Staatsarchiv  Darmstadt.  HOpfnersche  Sammloo;- 
—  *)  Stadtarchiv  Mainz. —  •)  Stadtarchiv  Frankfurt  Corp.  leg.  Francof. 
m  Nr.  66;  oben  S.  789f.  —  *)  Kr.  A.  Mönchen.  GR.  Fasz,  408  Nr.l; 
oben  S.  789.  -  »)  Siebenkees,  Beyträge  z.  teutschen  Rechte  0 
S.  209  ff.,  bes.  228. 


—    849    — 

der  selb  kneht  oder  mayd  der  selben  herrschait  ir  Zeyt 
auz  dienen.  Und  ez  möht  dannoch  ir  eins  dez  als  ver- 
liehen ubervam,  sie  wolten  die  Bnrger  darumb  straffen 
darnach  und  sie  zerat  würden."  Eine  Kündigtings-  oder 
Ansagefrist  war  demnach  zu  dieser  Zeit  noch  nicht  Sitte: 
„vor  irem  Zil**  sollen  die  Dienstboten  nicht  abgedungen 
werden. 

In  einem  späteren  Statut  des  15.  Jhdts.  ^)  dagegen 
haben  sich  Fristen  für  die  Aufsage  in  Nürnberg  heraus- 
gebildet :   „Unnsere  herren  vom  rate  gebieten,  das  hinfür 
kunfftiglichen  kein  ir  burger  oder  bm-gerin  oder  anndere 
Personen  von  iren  wegen  yemandt  ir  verdingt,  versprochen 
oder   verpflicht  eehalten  weder  hie  noch  in  einer  meil 
wegs  gerings  umb  dise  stat  weder  durch  sich  selbs  oder 
ymandt  annders  von  seint  wegen  nicht  abdingen  oder  eini- 
cherley   Verpflichtung  mit  ine  fümenien  oder  hanndlen 
allezeyt    sechs   wochen  vor  und  ee  eins   yeglichen  ver- 
pflichten eehalten  versprochen  zil  und  zeyt  kompt  oder 
erscheint,  damit  dieselben  eehalten  irer  allten  herschafft 
verpunden  und  verpflicht  sein  .  .  .   Zudem  so  sollen  sich 
diesielben,  zu  dem  sich  soliche  eehalten  gedingt  imd  ver- 
pflicht hetten,  derselben  eehalten  zu  stimd  an  enteussern. 
Dann  wer  solichs  aber  überfüre  und  sich  des  mit  seineml 
rechten  nit  benemen  mochte,  der  sol  zu  der  vorgeschriben 
puss,  so  lang  er  sich  yezuzeyten  solicher  eehalten  genntzlich 
nit  enteussert  und  irer  pflicht  ledig  zeit,  sonnder  lennger 
gehalten  hette,  von  einem  yeglichen  tag  gemeiner  stat 
on  gnad  zu  puss  geben  ein  pfund  newer  haller.    Unnd 
welicher   eehalt  vor  und  eex  sechs  wochen  vor  seinem 
gedingten  und  verpflichtem  zil  mit  yemands,  außerhalb 
derselben  ersten  ir  herschafft,  der  sie  noch  verpunden 
were,  versprechnus  gethan,  oder  zu  inen  verdingt  oder 
verpflicht  hatte  .  .  .  der  yglichs  sol  gemeiner  stat  zu  puss 


*)  Baader,  Nürnb.  Polizeiordnungen  S.  28. 

Könnecke.  54 


—    850    — 

geben  funff  pf und  newer  haller  und  darzu  ein  jar  drey  meü 
wegs  von  dieser  stat  sein  und  nit  herru  kernen,  es  sey  dan: 
solich  puss  und  gelt  aussgericht  und  bezalt." 

Nach  dem  zuerst  angeführten  nürnberger  Statut  wai 
der  Dienstbote  bis  zum  Dienstende  der  alt^i  Heirrschaft 
verpflichtet ;  kein  Fremder  diurf te  eingreifen.   Die  im  zwei 
ten  Statut  normierte  Sechswochenfrist  läßt  siqh  nur  ak 
Kündigungszeit  oder  als  Frist  für  weitere  Ansage^)  auf- 
fassen.  Frühestens  sechs  Wochen  vor  dem  Vertragsende 
konnte  die  Kündigung  erfolgen ;  spätestens  vierzehn  Tage 
vor  dem  Schlußtage  mußte  sie  geschehen  sein,  wie  eine 
weitere  (hier  nicht  wiedergegebene)  Stelle  besagt.   Nach 
dem  so  Kündigungsfristen  aufgekommen  waren,  bestand 
das  unbedingte  Recht  der  alten  Herrschaft  nur  noch  bis 
zu  dem  Termin  sechs  Wochen  vor  dem'  Vertragsende; 
bis  dahin  war  ein  Kontrahier«!  mit  Außenstehenden  dem 
Dienstboten  versagt.   Der  erste  Tag  der  Kündigungsfrist 
gab  dem  Dienstboten  die  Vertragsfreiheit,  die  er  vorher 
erst  mit  Abschluß  der  ganzen  Dienstzeit  esrlangte.  Von 
da  an  war  eine  Vereinbarung  auch  mit  einem-  neuen  Mieter 
ohne  Wissen  der  alten  Herrschaft  gestattet,  wenn  anders 
die  gerade  hierin  sehr  ausführlichen  und  genauen  Statuten 
II  einen  Sinn  haben  sollen.    Der  Vergleich  der  beiden 
Statuten  ergibt  also  einen  vom  späteren  Polizeirecht  ab- 
weichenden Sinn.  Während  die  Ordnungen  des  17.  Jhdts. 
und   weiterhin  eine  Vereinbarung  der   Dienstboten  mit 
einem  fremden   Mieter   verhindern  wollen,   solange  der 
Dienstbote  sich  noch  in  ungekündigter  Stellung  befindet, 
wird  hier  Eintritt  des  frühesten  Kündigungstages  als  aus- 
reichende Grundlage  einer  Neuvermietung  erklärt.  Der 
Dienstbote   mochte  auch  erst  nach  der   Neuvermietung 
kündigen,  wenn  er  nur  die  äußerste  Frist,  vierzehn  Tage 
vor  dem  Sdhlußtage,  einhielt. 


*)  Oben  S.  740  f.  (§  12). 


—     851     — 

1579  *)  wurde  in  Nürnberg  das  Abspannen  mit  20  Th. 
Strafe  bedroht.  Das  Mandat  von  1628  *)  griff  auf  den  alten 
Gedanken  zurück  und  gestattete  edne  Neumietung  erst 
A^on  der  sechsten  Woche  vor  Ablauf  des  Dienstes  an; 
übertretende  Herrschaften  sollen  fünf  Goldgnlden  Strafe 
erhalten.  Gleiches  Verbot  gilt  auch  für  die  Zubringer ;  sie 
müssen  bei  Übertretungen  die  genannte  Strafe  zahlen  und 
verlieren  ihr  Amt. 

Von  den  sonstigen  fränkischen  Territorien  hat  Bam- 
berg die  ältesten  Kampfunternehmtmgen  wider  das  Ab- 
spannen. Eine  vom  Vertragsbruche  und  dem»  Abspenstig- 
machen  handelnde  Verordnung  von  1533^)  setzte  zehn 
Gulden  Strafe  fest,  wie  es  scheint,  für  jedes  dieser  beiden 
Delikte.  Die  Polizeiordnung  von  1652*)  überließ  die  Be- 
strafung des  Abspannens  dem  Befinden  der  Behörde.  Das 
Ehhaf trecht  der  oberpfälzischen  Vogtei  Hohnbach  von 
1550*)  normierte  dagegen  als  feste  Strafen  Lohnverlust 
und  fünf  Gulden  Buße.  Vom  einfachen  mit  Strafdrohung 
nicht  ausgestatteten  Verbote  des  Abspenstigmachens  ging 
Würzburg  zur  Bestrafung  mit  zehn  Gulden  über.  Die 
Daten  sind:  Taxordnung  1644*),  Gesindeordnung  1749^). 
In  Einersheim  begnügte  man  sich  1626®)  mit  zwei 
Gulden.  Das  Recht  Frankens  brandenburgischen 
Teiles  beginnt  mit  Festsetzungen  wider  das  Abspannen 
1626  in  einem  Rezesse  zwischen  Fürsten  und  voigtländi- 
scher  Ritterschaft').  Unter  Bezugnahme  auf  die  Reichs- 
polizeiordnungen wird  mit  gebührender  Strafe  gedroht. 
Eine  fürstliche  Resolution  auf  ritterschaftliche  Gravamina 
aus  dem  Jahre  1657  *®)  verweist  auf  eine  Polizeiordnung, 

')  Kr.  A.  Nürnberg.  Bestand  A  Akten  Nr.  24  S.  I.  L.  665.  — 
•)  Ebenda.  -—  •)  Kr.  A.  Bamberg.  Bamberger  Verordnungen  Rep.  141 
Nr.  69.  —  *)  Ebenda.  —  »)  v.  F  i  n  k ,  geöffnete  Archive,  1.  Jahrg., 
S.  861  ff.,  bes.  868.  —  •)  Kr.  A.  Würzburg.  V  9561.  —  ')  Landesver- 
ordnungen Würzburg  II  S.  689.  —  •)  v.  Weber,  Statutarrechte  II 
S.  1101  ff.,  bes.  1104.  —  •)  Kr.  A.Bamberg.  Collectanea  Rep.  187h 
nr.  1.  —  ")  Ebenda. 

54^ 


—    852    — 

die  auch  das  Abspannen  verbietet.  Die  revidierte  Polizei- 
ordnung von  1746^)  fügte  ihrer  Vorgängerin,   der   Ord- 
nung von  1672*)  eine  Strafbestimmiung  wider  das  Ab- 
spenstigmachen  (zehn  Gulden)  hinzu.   Nach  der  Gesinde- 
ordnung von  1769  ^)  werden  beide  Teile,  Herr  und  Diener, 
für  die  Abspannung  gestraft.    Geld-  rnid   Leibesstrafen 
haben  die  Personen  zu  erwarten,  die  gewerbsmäßig  durch 
Verleumdungen  Unfrieden  zwischen  döi  Parteien  säen; 
damit   insbesondere   die  Mäkler  nicht  durch   den   Miet- 
pfennig sich  zur  Begehung  von  Abspannversuchen  ver- 
leiten lassen,  soll  die  Hälfte  des  Mietgeldes  von  der  Herr- 
schaft selber  dem  Mäkler  ausgehändigt  werden.    Die  Ge- 
sindeordnung für  Regensburg  von  1656*)  sprach  das 
bloße  Verbot  des  Abspenstigmachens  aus.   Mit  besonde- 
rer Ausführlichkeit   ging  die  eichstätter   Polireiord- 
Inung   von   1707*)  wider  die   Abspänner   vor:    „Es   soll 
auch  Niemand  dem«  Anderen  seinen  getreuen  Dienstbotten 
heimblich  oder  öffentlich  durch  einigerley  Verheissung 
oder  anderweithige  Bedingung,  wie  die  immer  erdacht, 
bescheint,  oder  bemändtlet  werden  mögte,  verlaithen  oder 
abspannen**,  bei  zehn  Gulden  Strafe.  Die  „Fürlegerinnen*' 
werden  „sich  dises  wohlgesagt  seyn  zu  lassen  ernstlich 
erinnert**.    Nach  Dinkelsbühls  Polizeiordnung ^)  soll 
das   Abspannen  empfindlich  geahndet  werden. 

„Wer  den  andern  e  der  zeit  seinen  chnecht  oder  sein 
diern  enpfröndet,  der  pezzer  ez  dem  Richter  mit  XXX  der 
Stat  XXX.**  Dieser  Satz,  der  Stadtordnung  für  T raun- 
st e  i  n  von  1375 ')  angehörig,  ist  das  älteste  Beispiel,  wie 
in  Südbayern  gegen  die  Feinde  des  eigenen  Standes  vor- 
gegangen wurde.  Die  „nicht  eben  alte**  Zuchtordnimg  für 
Memmingen®)  sei  angefügt.    Sie  mahnt  die  Dienst- 

»)  Corp  Const  Brand.-Culmb.  II  1  S.  676  ff.  —  *)  Ebenda  S.  556 ff. 
—  «)  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  23  ^  Nr.  779  Repert.  288.  -  *)  v.  Weber 
a.  a.  O.  V  S.  86.  —  »)  Habebche  Sammlung.  —  •)  v.  Weber  a.  a.  O. 
n  S.  1016.  —  ')Westenrieder,  Glossarium  Germ.-Lat.  I  S. XXIII ff. 
•)  Walch,  Bey träge  II  S.  276  ff.,  bes.  828/830. 


—    853    — 

Herrschaften,  doch  des  Christengebotes  emgedenk  zu 
sein,  damit  nicht  willkürliche  Strafe  einmal  eingeführt 
-werde. 

Erst  Maximilians  Landrecht  scheint  1616  für  Alt- 
bayern ein  besonderes  Recht  des  Abspannens  gieschaf- 
fen  zu  haben  ^).   Die  schuldige  Herrschaft,  der  verführte 
Dienstbote  und  die  mitwirkende  Mittelsperson  sollen  gct- 
straft  werden.    Die  Gesindeordnung  von  1652*)  beklagt 
in  der  Einleitimg,  „das  die  imnderthianen  einer  dem  ann- 
dern  vor  oder  baldt  nach  halber  jarszeit  die  Ehehalten 
abwerben,  anreden  und  innen  ein  häfftl  gelt  geben  lassen, 
dahero  vill  zu  khurz  gescheche,   das  wan  sie  erst  das 
lestere  viertl  jar  ire  Ehehalten  anreden  lassen,  selbe  schon 
annder  verhaissen  seyen,  und  also  sie  niemandt  mer  er- 
fragen und  bekhommcn  khind".    Wandte  sich  der  Ge- 
setzgeber hier  noch  besonders  gegen  die  Konkurrenz  der 
sämtlichen  Herrschaften,  ohne  die  besondere  Dienstherr- 
schaft, der  der  Dienstbote  abgespannt  wurde,  zu  erwähnen, 
so  erfuhr  in  einer  weiteren  Bestimmiung  des  Gesetzes  auch' 
diese  Herrschaft  einen  wirksamen  Schutz  ihres  wohler- 
worbenen Rechtes :  „Sechstens  soll  niemand  demi  andern 
seinen  getreuen  Dienstbotten  hiaimblich  oder  öffentlich 
verlaitten,  widerspenig  machen,  oder  gar  ta  practiciren, 
durch  ainicherley  verhaissung  und  anderwertige  Bedin- 
gungen, wie  die  immer  erdacht,  bescheint  oder  bemän- 
telt werden  khunde,   bei  Vermeidung  allerhandt   Spott, 
schandt  und  geltstraffen,  die  ein  iedes  ortts  obrigkheit 
befindeten  Dingen  nach  unnachlessig  gegen  den  VerbrC' 
ehern  vorzenemen  wissen  wirdet/*  1654  *)  wurde  die  Strafe 
auf  Leib-  und  Geldbußen  festgesetzt,  ebenso  1656  *).  Die 
Gesindeordnung  von  1660*)  griff  die  1652  angedeuteten 
Gedanken    wieder    auf.     Die  frühzeitige  Anredung    der 

')  Platzer  S.  110.  —  ')  R.  A.  München.  Generaliensammlung 
Rep.  S.  9  Nr.  6.  —  •)  Ebenda.  —  *)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  402 
Nr.l.  —  •)  Ebenda;  oben  471  f.  (§  4). 


-    854    - 

Dienstboten  um  einen  Dienst  soll  verboten  sein.  Erst 
zwischen  Martini  und  Andrea  darf  man  einen  fremden 
Dienstboten  in  seinen  Dienst  dingen.  Bei  Leib-  und 
Lebens  strafe  wurde  1666  ^)  das  Abdingen  verboten.  Die 
Gesindeordnungen  des  18.  Jhdts.,  von  1755*),  1761*), 
1781  *)  und  1700  *)  strafen  sämtlich  das  Abspenstigmachen, 
ziemlich  übereinstimmend  aji  Herrschaften,  Dienstboten 
und  auch  Mäklern  (dies  1790);  die  Ordnung  von  1801^) 
wiederholt  das  frühere  Recht. 

Unter  Hinweis  auf  die  Reichspolizeigesetze  verbieten 
mehrere  württembergisöhe  Gesetze  das  Abspannen, 
aber  ohne  besondere  Strafdrohung.  Es  sind  die  erste 
Polizeiordnung  von  1549,  die  fünfte  Landesordnung  von 
1552,  die  siebente  Landesordnung  von  1621').  Auf  dem 
Wege  zu  strengerem  Vorgehen  liegt  das  Generalausschrei- 
ben vom  22.  Dezember  1641®),  wonach  abspenstig  ge- 
machte Dienstboten  von  niemandem  leichtlich  aufgenom- 
men werden  sollen.  Die  vierte  Taxordnung  von  1642^) 
droht  mit  Turm-  oder  Geldstrafe.  Die  Vereinbarung  der 
Ämter  von  1652^°)  und  die  Gesindeordnung  dieses  Jah- 
res ^^)  setzen  10  bis  12  Thaler  Strafe  fest.  Die  Schäfer- 
ordnung aus  dem  Jahre  zuvor  ^*)  hatte  sich  mit  dem 
bloßen  Verbote  begnügt.  Die  1669  vereinbarte  Taxord- 
nung ^3)  blieb  bei  dem  Satze  der  Gesetze  von  1652.  Zu 
Ramsberg  wurde  1556  im-  Vogtbuche ^*)  eine  Strafe 
von  einem  Pfund  bestimmt.  Nach  der  Ehehaltenordnung 
Biberachs  aus  dem  Jahre  1651^*)  sollte  der  schuldige 

')  v.  Freyberg,  Pragmatische  Geschichte  d.  bayr.  Gesetz- 
gebung II  S.  191.  —  •)  Churbayerisches  Intelligenzblatt  1776  Nr.  89.  - 
»)  Kr.  A.  München.  GR.  Fasz.  404  Nr.  7.  —  *)  Kr.  A.  München.  A.  R. 
Fasz.  469  Nr.  209.  —  *)  Kr.  A.  München.  M.  A.  Fasz.  1321  Nr.  1165.  — 
•)  Ebenda.  —  ^Reyscher,  Gesetze  XII  S.  149. 198,  717.  —  •)  Ebenda 
XIII  S.  11.  -  •)  Ebenda  S.  17.  —  ")  St.  A.  Stuttgart  Druck.  — 
")  R  ey  s c  h er  a.  a.  O.  S.  114.  ~  »•)  Ebenda  S.  108.  —  »»)  St  A.  Stuttgart 
Handschrift.  —  ")  Wintterlin,  Württembergische  ländt.  Rechts- 
quellen I  S.  769  ff.,  bes.  767.  —  ")  Kr.  A.  Neuburg,  ad  H.  6387.  Augs- 
burg Hochstift  ad  Generalia  XI  Nr.  2. 


—    855    — 

Dienstherr  je  nach  Vermögen,  der  Dienstbote  mit  der 
halben  Strafsumme  belegt  werden. 

Daß  in  Amorbach  schon  1415  das  Abspannen  un- 
tersagt war,  ergibt  ein  Eintrag  im  Gerich'tsbuche  ^) :  „Hans- 
beder  clagt  von  kolman,  daz  ein  knecht  imd  sin  frauwe 
her  quemen  und  dingte  in  nit  und  sie  gingen  enweg  und 
kamen  uff  die  steygen  gein  dem  nuwendorff  uffen,  und 
sie  kamen  her  wieder  in,  und  hans  dingte  sie  beide. 
Dar  nach  füre  kolman  zu  imd  hat  sie  yme  abe  gedingte» 
beide  und  wil  yn  nit  verroissen,  er  du  ez  yme  zu  leide. 
Daz  clagt  er  von  colman  und  syme  wybe.  Daz  ist  ym 
leider  dan  X  pfund.**  Nach  adelsheimer  Stadtrecht 
von  1627  und  1596*)  steht  auf  dem  Abspenstigmachen 
ein  Gulden  Strafe.  Der  Rat  von  Überlingen  ging 
1558')  so  weit,  nicht  den  Dienstherrn,  sondern  das  zur 
Vertragslösung  verleitete  Gesinde,  und  nur  es,  zu 
bestrafen;  es  durfte  im  Ort  fürder  nicht  mehr  dienen. 
Im  Gebiete  des  villinger  Rechtes  sollte  nach  der  Jahr^ 
gerichtsordnung  der  villinger  Dependenz  Kümach  von 
1652  *)  und  nach  der  Polizeiordnung  für  Villingen  selber 
von  1668*)  kein  Herr  des  andern  Dienstleute  abwendig 
machen  bei  einer  Poen  von  zehn  Pfund  Heller.  Zwei 
Pfund  Heller  als  Strafe  des  Herrn,  ein  Jahr  Dienstverbot 
für  den  abgespannten  Dienstboten  —  das  sind  die  in  der 
heidelberger  Taxordnung  von  1579 ^)  normierten  Fol- 
gen des  Abwendigmachens.  Nur  eine  Geldstrafe  von  zwei 
Gulden  wollen  die  kurpfälzisdhen  Polizeiordnungen 
v^n  1658  und  1684^)  von  den  Abspännem  einziehen. 
Im  Kletgaue  wurde  1606®)  den  Übeltätern  mit  Turm- 
und  zehnpfündiger  Geldstrafe  gedroht.   „Unausbleiblich** 

')  Habeische  Sammtun«;.  —  ')  Oberrheinische StadtrechtelS. 648 ff., 
bes.  675.  —  •)  Ebenda  II 2  S.  457  ff.,  bes.  458;  oben  S.470f.  —  *)  Ebenda 
II  1  S.  108  ff.,  bes.  116.  -  •)  Ebenda  S.  208  ff.,  bes.  216.  -  •)  Kr.  A. 
Worzburg.  V  9661;  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Kopiarbuch  608.  -  »)  Univ.- 
Bibl.  Marburg.  —  ■)  Habeische  Sammlung. 


—    856    — 

ist  die  Strafe  nach  der  Gesindeordnung'  der  Herrschaft 
Gutenburg  von  1652*).  Doppelte  Strafe  setzte  dk 
freiburger  Gesindeordnung  von  1782 *)  fest.  Der  Ab- 
spanner erhält  zehn  Thaler  Geldstrafe  oder  vierzehn  Tage 
Turm;  dazu  miuß  er  den  Schaden  ersetzen.  Das  weg- 
geführte Gesinde  muß  zurück  in  den  Dienst,  oder  aber 
es  wird  nach  vorgängiger  achttägiger  Spinnhausstiafe  auf 
ein  volles  Jahr  aus  der  Stadt  vearwiesen.  Für  Judengesinde 
wurde  1792  in  Baden  die  Schlaf fung  besonderen  „De- 
bauchir* '-Rechtes  geplant^).  Nur  wenn  keine  Debauchk- 
rung  erwiesen  ist,  dürfen  sich  die  Judenknechte  anderwärts 
vermieten.  Ein  Jude,  der  eine  DebauChienmg  begangcß 
hatte,  sollte  zwei  Thaler  erlegen  und  solange,  bis  er  den 
Knecht  wieder  freigegeben,  in  den  kleinen  Bann  getan 
werden. 

Schwere  Cield-,  ja  Leibesstrafe  und  selbst  Ausweisung: 
waren  die  Mittel,  mit  denen  die  österreichischen 
Ordnimgen  von  1765  imd  1779*)  vornehmlich  die  Helfer 
beim  Abspannen,  die  Mäkler,  bestrafen  wollten. 

Die  Mark  Brandenburg*^)  kämpfte  seit  1550 
gegen  das  Abwendigmachen.  1620  werden  30  Thaler 
Strafe  angedroht.  Ein  bäuerlicher  Gesmdehalter  erhielt 
nach  der  Gesindeordnung  von  1769  fürs  Abspannen  Ge- 
fängnis, der  Großgrundbesitzer  mußte  20  Thaler  Strafe 
zahlen.  Das  Allgemeine  Landrecht  und  die  Gesindeord- 
nung  von  1810  beschränkten  sich  darauf,  niu-  g^en  die 
Gesindemäkler  das  Verbot  des  Ausmietens  aufzustellen. 
Das  ungerechteste  Recht  bestand  im  Ordenslande*). 
Der  Dienstherr,  der  Gesinde  abspenstig  macht,  ist  straf- 
frei; aber  das  Gesinde,  das  seinem  Rufe  folgt,  bekonMn^ 
drei   Mark   Strafe  und  muß  ein   Jahr  umsonst  dienen. 


*)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Kopiarbuch  Nr.  692  d.  —  *)  Gen.  LA. 
Karlsruhe.  Baden  Gen.  6891.  —  «)  Ebenda;  oben  S.  896 f.  —  *)Kr.  A. 
Mönchen.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1  und  Nr.  2.  —  •)  Lenn hof  f  S.  ÜfL  - 
•)  Steffen  S.  18. 


—    867    — 

Wohl  das  absonderlichste  Schicksal  erlebte  das  Recht 
des  Abspannens  in  Sdhlesien^).  Die  Strafen,  die  in 
den  Gesindeordnungetn  des  17.  Jhdts.  ausgesprochen  wur- 
den, hatten  keine  Wirkung.  So  entschloß  sich  denn  das 
Oberamt  Breslau  1654,  das  Abspenstigtniadhen  von  Gesindel 
geradezu  zu  erlauben.  Und  zwar  in  folgender  Weise. 
Wer  ohne  Überschreitung*  der  Taxe  andern  Dienstherm 
Gesinde  wegholt,  weil  es  ihm  an  Leaiten  für  seine  Wirt- 
schaft fehlt,  der  ist  mit  Strafe  zu  verschonen.  Vom'  gesetz- 
geberischen Standpunkte  aus  war  diese  Maßnahme  weise; 
denn  imter  nichts  leidet  die  Autorität  der  Gesetzesver- 
fasser so  wie  unter  notorisch  nie  befolgten  Gesetzen.  Aber 
das  Abspannen  des  Gesindes  konnte  nun  ruhig  weiter 
getrieben  werden  —  im  Einklang  mit  dem  Gesetz^  im 
Widerspruche  mit  der  frommen  Regel. 

$  16.    Das  Gesindezeugnis. 

Außer  im  Gesindewesen  kommt  es  bei  freien  Vertrags- 
verhältnissen nur  noch  recht  selten  vor,  daß  giesetzlich 
die  Vorlegung  von  irgend  welchen  privaten  Zeugnissen 
bei  Abschluß  eines  neuen  Vertrages  verlangt  wird.  Das 
Zeugnisw»esen  ist  wie  keine  andere  Einrichtung  im  Ge- 
sinderechte von  ausschließlich  polizeilichen  Erwägungen 
eingegeben;  zur  Coerciexung  der  Dienstboten  ist  es  ge- 
schaffen worden. 

Die  meisten  sonstigen  gesinderechtlichen  Reglemen- 
tierungen, die  im  Verlaufe  der  vorliegenden  Darstellung 
geschildert  wurden,  konnten  mehr  oder  weniger  weit  in 
eine  Zeit  zurückgeführt  werden,  deren  hauptsächliches 
Kennzeichen  noch  nicht  das  völlige;  Überwuchern  polizei- 
licher AHmachtsgefühle  war.  Beim«  Zeugniswesen  ist  es 
anders.  Den  Reichspolizeiordnungen  verdankt 
das  Gesindezeugnis  wo  nicht  seine  Entstehung,  so  doch 


')  Frauenst&dt  S.  888. 


I 

l 


—    858    — 

seine  erste  wirksame  Einführung  in  die  Praxis.  Was  vor- 
herging, war  eine  Anordnung  der  Gesindesordnung  für  die 
Harzländer  von  1445  (darüber  imten) ;  weitergteÜende  Wir- 
kungen hat  diese  aber  nicht  ausüben  können.  Erst  se: 
1530  die  Zeugnisse  von  reichswegen  als  das  vorzüglichste 
Mittel  wider  die  Unregelmäßigkeiten  im  Gesindewesesi 
offenbart  worden  waren,  folgrten  die  Landesre^rierungea 
Aber  gleich  in  der  gründlichsten  Weise  «-griffen  sie  die 
treffliche  Handhabe  wider  all  die  wirklichen  und  ver- 
meintlichen Mißstände  im»  Gesindewesen.  Kaum  sona 
eine  Einrichtung  des  Gesindewesens  wurde  mit  gleicher 
Einmütigkeit  überall  eingeführt  und  durchgeführt  wie  das 
Abschiedszeugnis. 

Es  gibt  drei  Arten  von  Zeugnissen,  welche  die  Gesetze 
für  das  Gesinde  vorschrieben.  Einmal  die  Hearrschafts- 
abschiede.  Diese  scheiden  sich  danach,  ob  sie  (wie  ur- 
sprünglich) lediglich  als  Mittel  wider  den  Vertragsbruch 
gedacht  sind,  oder  ob  in  ihnen  auch  Aufschluß  über 
Charakter  und  Fähigkeiten  des  Dienstboten  und  sein  Ver- 
halten im  Dienst  gegeben  wird.  Jene  Zeugnisse  wider  den 
Vertragsbruch  enthalten  weiter  keine  Angaben  als  die, 
daß  der  Dienstbote  sein  Amt  bis  zum'  Schlüsse  dem 
Vertrage  gemäß  ausgehälten  hat.  In  den  später  Sitte 
werdenden  herrschaftlichen  Bescheinigungen  d  agegen 
werden  die  Mitteilungen  über  die  Art  der  Vertragsbeendi- 
gung überwogen  durch  Nachrichten  über  das  Betragen 
des  Gesindes  im  Dienste.  Erst  allmählich  bildete  sich 
diese  noch  heute  gebräuchliche  Art  aus  den  ursprüng- 
lichen „Abschieds**-Zeugnissen  heraus.  Eine,  hiervon  ver- 
schiedene dritte  Klasse  von  Scheinen,  die  ein  Dienst- 
bote bei  der  Vermietung  vorlegen  mußte,  bilden  die  obrig- 
keitlichen Urkunden  über  Abstammimg  des  Dienstboten, 
sein  Alter  und  andere  Dinge. 

Daß  die  Dienstboten  all  diese  Papiere  dem  Mieter 
vorlegen  müssen,  wird  durch  mannigfache  Vorschriften 


—    859     - 

angeordnet.  Wo  man  Schriftlichkeit  der  herrschaftlichen 
Äußerung  nicht  verlangte,  weil  man  sie  nicht  verlangen 
konnte  (so  bei  Schreibensimwissenden),  ordnete  man  des 
öfteren  eine  mündliche  Erkundigung  des  neuen  Herrn 
bei  der  vorigen  Dienstherrschaft  an^).  Im  übrigen  wurde 
den  Dienstboten  aufs  energischste  anbefohlen,  einen  neuen 
Vertrag  nur  unter  Vorlegung  von  Abschiedszeugnissen 
und  obrigkeitlichen  Herkunftsbescheinigungen  einzuge- 
hen. Die  alte  Dienstherrschaft  mußte  ein  Zeugnis  schrei- 
ben, der  neue  Mieter  hatte  die  Pflicht,  sich  stets  nach 
dem  Zeugnis  zu  erkundigen,  wohl  auch  es  in  Verwahrung 
zu  nehmen.  All  diese  Obliegenheiten  waren  —  wie  gewöhn- 
lich im  Gesinderechte  —  mit  Strafen  erhärtet  und  mit 
allerlei  raffinierten  Besonderheiten  ausgestattet,  die  eine 
Durchführung  der  Vorschriften  ermöglichen  sollten.  Be- 
sonders wichtig  ist  die  häufig  vorkommende,  den  Charak- 
ter der  Gesindegesetze  kennzeichnende  Bestimmung,  daß 
eine  Herrschaft,  die  einem  Diener  der  Wahrheit  zuwider 
ein  günstiges  Zeugnis  ausstellt,  dem  späteren,  durch  das 
falsche  Zeugnis  getäuschten  Mieter  den  Schaden  ersetzen 
muß,  den  dieser  durch  den  Dienstboten  erleidet.  Fast 
regelmäßig  fehlt  die  entsprechende  Vorschrift,  daß  eben- 
so der  Dienstherr  dem  Dienstboten  für  den  Schaden  auf- 
kommen muß,  der  infolge  einer  der  Wahrheit  widerspre- 
chenden zu  ungünstigen  Bezeugung  nicht  einem  Dienst- 
herrn, sondern  dem  Dienstboten  entstehen  kann. 

Die  Angabe,  daß  den  Zeugnissen  die  ihnen  heute 
beigelegte  Eigenschaft  einer  Bescheinigung  guten  Ver- 
haltens im  Dienste  ursprünglich  abging,  daß  der  erste 
Zweck  vielmehr  der  war,  über  die  rechtmäßige  Dienst- 
beendigung Aufklärung  zu  bekommen,  sei  im  folgenden 
durch  eine  Darstellung  der  geschichthchen  Entwicklung 
des  Zeugniswesens  belegt.    Was  sonst  im  Zeugnisrechte 


»)  Oben  S.  469,  769. 


—    860    — 

sich  an  Eigenheiten  herausgebildet  hat,  erfährt  im  Zu- 
samtnenhang  dieser  Schilderung  eine  g^iüg^id  übersicht- 
liche Kennzeichnimg. 

Die  eben  erwähnte  früheste  gesetzliche  Normierung 
der  Pflicht,  Gesindezeugnisse  zu  führen,  wie  sie  in  der 
von  niedersächsischen  Territorien,  darunter  Hildes- 
heim, Braunscfhweig  und  Lüneburg  1445  vea:ein- 
barten  Gesindeordnung  ^)  enthalten  ist,  hat  folgenden 
Wortlaut:  „Item  enschal  nemant  in  dussen  vorscreven 
landen  eynen,  de  de  queme  uth  eynem'  andern  lande  to 
untyden,  in  steden  edder  dorppen  to  denste  nemen,  he 
enhedde  des  witsdopp  edder  bewisinge,  dat  he  van  sinem 
heren  edder  frauwen  myt  willen  edder  weten  gescheden 
sy."  „witscopp"  bedeutet  Wissenschaft,  aber  auch  Be- 
zeugung, Zeugnis*),  „bewisinge"  ist  Beweis').  Daß  das 
Zeugnis,  die  „witscopp**,  schriftlich  sei,  ergeben  die  übrigen 
bei  Schiller-Lübben  mitgeteilten  Quellenstelten  nicht ;  aber 
auch  nicht  das  Gegenteil,  daß  „witscopp**  eine  schrift- 
liche Bekundung  nicht  bedeuten  solle.  Im  Gegensatze 
zu  „bewisinge**  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  daß  „witscopp" 
die  schriftliche  Bekundung,  „bewisinge**  die  sonstigen 
Möglichkeiten  bedeutet,  mit  denen  der  neue  Mieter  über 
den  Dienstboten  etwas  erfahren  kann.  Im  übrigen  ent- 
hält die  Stelle  ganz  offensichtlich  eine  Anordnung  von 
Zeugnissen,  die  über  die  Dienstbeendigung,  dagegen  über- 
haupt nicht  über  das  Verhalten  des  Dienstboten  im  Dien- 
ste sich  äußern  sollen. 

Dem  entspricht  die  Festsetzung  in  den  Reichs- 
polizeiordnungen. 1530  *)  heißt  es :  „Nachdem  sieb 
auch  viel  begibt,  dass  einer  dem  andern  seine  Knechte 
und  Diensthalten  auffsetzlicher  Weiss  thut  abdingen,  auch 
Dienstbotten  xmd  Knecht  zu  Zeiten  muthwilliglich  aus 

^)  Zeitschrift  d.  Harzvereins  f.  Gesch.  u«  Altertumsk.  27  S.  4S7.  — 
•)  Schiller-Lübben  V  S.  751,  752.  —  •)  Ebenda  I  S.  324,  325.  - 
*)  Neue  Sammlung  II  S.  332  ff. 


—    861     — 

ihren  Diensten  tretten,  wollen  Wir,  dass  keiner  ^ines  an- 
dern reysigen  Knecht,  und  andere  Dienstbotten  annehmen 
soll,  er  zeige  dann  zuvor  einen  Urkund  an,  dass  er  von 
seinem  Herrn  und  Edelmann,  mit  Willen  und  ehrlich 
abgeschieden  sey.**  Den  Zeugnissen  ist  die  Aufgabe  zu- 
geteilt, Handhabe  wider  den  Vertragsbruch  des  Gesindes 
und  wider  das  Abspenstigmachen  zu  sein.  Folgerichtig 
wurde  das  Recht  weitergebildet;  1545  geschahen  vergeb- 
liche Versuche*),  die  dann  1548*)  ausgeführt  wurden. 
Es  wurde  die  Pflicht  der  Dienstherren  festgestellt, 
den  Dienstboten  Zeugnisse  zu  geben;  weigert  sich  der 
Herr,  dann  mag  ihn  der  Knecht  mit  zwei  Mannen  be- 
schicken und  das  Zeugnis  fordern  lassen;  hilft  das  nicht, 
dann  stellt  die  Obrigkeit  den  Schein  aus;  auch  1577^) 
blieb  es  so. 

Die  Hochflut  der  Polizeiordnungen  fällt  zwar  erst 
ins  17.  Jhdt.  Aber  schon  im  16.  Jhdt.  gingen  viele  Staaten 
mit  aller  Entschiedenheit  zu  der  neuen  Einrichtung  über. 
Gleich  im  Jahre  nach  der  ersten  Polizeiordnung  des  Rei- 
ches griff  Weimar  den  Gedanken  auf.  In  der  Polizei- 
ordnung von  1531*)  heißt  es,  daß  keiner  eines  andern 
Dienstboten  annehmen  solle,  dieser  zeige  denn  zuvor,  daß 
er  von  seinem  Herrn  mit  Willen  und  ehrlich  abgeschieden 
sei.  Die  Landesordnung  von  1589*)  stellte  zur  Wahl  die 
Bescheinigung,  daß  der  Dienstbote  seine  Zeit  ausgedient 
habe.  Die  Herrschaft  setzt  sich  einer  Strafe  von  fünf 
Gulden  aus,  wenn  sie  die  Vorschrift  nicht  beachtet.  1538 
ging  Köln  vor.  Die  Polizeiordnung  dieses  Jahres  er- 
klärt ebenso  wie  diejenige  von  1595^)  zur  Mietung  von 
Gesinde  Urkunde  der  vorigen  Herrschaft  über  den  regel- 
mäßigen Abschied  für  nötig;  der  Zweck,  Entdeckung 
des  Abdingens  und  des  Vertragsbruches,  wird  ausdrück- 

0  Oben  S.  87  f.  -  «)  Neue  Sammlung  II  S.  587.  —  •)  Ebenda  III 
S.  879.  —  *)  Joh.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV  S.  137.  —  »)  Ebenda. 
•)  Scotti,  Köln  I  1  S.  60,  166. 


—     862    — 

lieh  genannt.  Auf  Beschwerden  des  Ausschusses  «1er  ju 
1  i  c  h  e  r  Ritterschaft  erklärten  die  Räte  1570  ^),  die  reisige 
Knechte  müßten  beim'  Austritte  aus  einem  Dienste  vot 
dem  Junker  ,,pasportzen**  nehtnen;  das  sei  im  Sinne  der 
Reichsgesetze.  In  Nürnberg  wurde  1579  angeordnei - 
daß  die  Kanzleiboten  (Zubringer)  keinem  Knechte  mehr 
eine  Stelle  verschaffen  dürfen,  der  nicht  einen  „ehrlichen 
Abschied**  von  der  vorigen  Herrschaft  vorweisen  kann. 
Auch  die  Polizeiordnung  für  H adeln  aus  dem  Jahre 
1597*)  verlangt  von  den  sich  vermietenden  Dienstboten, 
daß  sie  Kundschaft  darüber  vorlegen,  wie  der  vorige 
Dienst  gelöst  worden  ist.  Nur  bedingt  ist  die  Satzung  des 
lüneburger  Stadtrechtes*).  Außer  der  gewöhnlichen 
Mietzeit  soll  niemand  Gesinde  annehmen,  ihm  werde 
denn  Kundschaft  von  der  früheren  Herrschaft  oder  an 
deren  beglaubten  Leuten  beigebracht,  daß  der  Dienst- 
bote redlich  abgeschieden  sei. 

Über  die  Weiterbildung  des  Rechtes  im  17.  Jhdt. 
geben  zwei  weitere  Verordnungen  des  lüneburger  Lan- 
des Auskunft.  Die  Polizeiordnung  von  1618*)  erkJän 
Passe-Port  über  reguläres  Ausscheiden  für  erforderlich. 
Auf  den  ober-  und  niedersäc'hsischen  Kreis- 
tagsabschied von  1654  nimmt  die  Verordnimg  vom 
16.  März  1655*)  Bezug.  Die  Abschiede  schrieben  vor':, 
daß  niemand  Gesinde  ohne  Vorzeigung  eines  „beglaubten 
Abschieds  ihres  wol  oder  übel  Verhaltens  halber**  an- 
nehmen dürfe.  An  einer  Stelle  verlangt  die  lüneburger 
Verordnung  demgemäß  auch  Zeugnisse  „eines  Verhal- 
tens und  Abschieds**;  anders  lautet  eine  weitere  Bestim- 
mung, die  nur  von  Kundschaft  über  gutwillige  Entlas- 
sung handelt. 

*)  v.  Below,  Landtagsakten  II  S.  179.  —  ')  Kamann  S.  88.  - 
•)  Spangenberg,  Verordn.  f.  Hannover  IV  8  S.  127.  —  *)  Pufen- 
dorf,  ob.  iur.  IV  app.  S.  624  ff,  bes.  797.  —  ')  Landesverordnungen 
Lüneburg  Cap.  4  Bd.  1  S.  1.  -  •)  Ebenda  S.  968.  —  ')  Oben  S.  886; 
Wuttke  S.  106. 


—    863    — 

In  der  erneuerten  Morgensprache  der  Stadt  Arns- 
berg von  1608^)  steht  das  Verbot,  Dienstboten  zu  mier 
ten,  die  keine  Urkunde  vorlegen  können,  daß  sie  von 
ihrem  vorigen  Herrn  mit  dessen  Willen  und  ehrlich  ab- 
geschieden sind.  Die  schaumburger  Polizeiordnung 
von  1615*)  gibt  in  Kap.  63  den  Herrschaften  nur  den 
guten  Rat,  auf  die  Zeugnisse  der  Personen  zu  sehen,  die 
sie  zu  mieten  vorhaben.  Den  Dienstboten  aber  wird  aus- 
drücklich ein  Anspruch  auf  Erteilung  des  Zeugnisse  zu- 
gestanden; weigert  sich  die  Herrschaft,  eines  zu  schrei- 
ben, dann  tut  es  die  Behörde  naöh  Befinden.  Nach  dem 
hessischen  Gegenstück  zu  dieser  Polizeiordnung,  der- 
jenigen von  1622  ^),  muß  sich  ein  neumietender  Dienstherr 
vom  Dienstboten  ein  Zeugnis  über  den  rechten  Abschied 
aus  dem  vorigen  Diepst  vorlegen  lassen;  mietet  jemand 
unter  Mißachtimg  dieser  Vorschrift  einen  Vertragsbrü- 
chigen Dienstboten,  dann  steht  ihm  eine  Strafe  von  fünf 
Gulden  bevor.  Der  mainzer  Rezeß  von  1654*)  gibt 
ein  auszufüllendes  Zeugnisformular:  „dass  Vorweiser  die- 
ses N.  welcher  bey  mir  N.  Jahr  oder  Monat  vor  einen 
N.  gedienet,  seinen  ehrli(^hen  Abschied  bey  mir  genon> 
men  habe**.  In  der  friedberger  Polizeiordnung  von 
1680*)  steht  eine  Straf drohung  (fünf  Gulden)  wider  die 
Dienstherren,  die  Gesinde  mieten  ohne  „gewisse  Kund- 
schafft, und  beweissliche  Anzeig**,  daß  es  mit  Willen  der 
früheren   Herrschaft  abgeschieden  sei. 

Der  fränkische  Kreis  ordnete  zweimal  kurz  hin- 
tereinander die  Einführung  von  Abscheidenszeugnissen 
an,  1643^)  und  1654').  Schon  vor  dieser  Anregung  der 
höheren  Instanz  hatte  das  brandenburgisdhe  Fran- 


*)  Seibertz,  Urkundenbuch  III  S.  BlOff.,  bes.  327.  -  *)  Rott- 
mann S.  427,  428.  -  •)  LO.  I  S.  616.  -  *)  Stadtarchiv  Frankfurt. 
Corp.  leg.  Francof.  III  Nr.  65.  —  »)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  «i  Kr.  A. 
Münchep.  GR.  Fasz.  402  Nr.  1.  —  ')  Mo  ser,  Frank.  Kreisabschiede  I 
S.  800;  Landesverordnungen  Würzburg  1  S.  248  ff.,  bes.  244. 


—    864    — 

ken  1626  den  Weg  begangen.  Der  Rezeß  mit  den  voir^ 
ländischen  Rittern  aus  diesieta  Jahre  ^)  wies  auf  & 
Reichsgesetzgebung  hin,  die  das  Mieten  ohne  „"WegUsi 
verbietet.  Auch  die  Polizeiordnung  von  1672*)  enüik: 
eine  solche  Anordnung.  Der  zu  mietende  Dienstbote  mc: 
eine  Weglaßurlamdei  besitzen,  „dassf  er  von  seinem  Herr: 
mit  Willen  imd  ehrlich  .  .  .  abgeschieden".  Auch  <fc 
Oberpfalz  erhielt  schon  1628  eine  Anordnung  übe 
Einführung  von  Abschiedsbriefen  *) ;  Dienstboten,  die  ket 
nen  solchen  vorweisen  können,  werden  des  Landes  ve: 
wiesen.  Das  altbayerische  Landrecht  von  1616 *)  k 
gnügte  sich  mit  der  Vorschrift,  daß  mian  sich  bei  eine: 
Gesindemietxmg  zuvor  bei  der  alten  Herrschaft  über  die 
Dienstbeendigung  erlomdigen  solle.  Nach  den  w  ü  r  1 1  e  it 
bergisdhen  Gesetzen  aus  der  Mitte  des  Jahrhunderts, 
der  Taxordnxmg  von  1642,  der  1652  vereinbarten  Gesinde 
Ordnung  und  der  daraufhin  erlassenen  Landesgesinde- 
Ordnung  desselben  Jahres^)  kommt  es  nur  auf  die  Be- 
scheinigimg des  rechten  Austrittes  aus  dem  vorigen  Dien- 
ste an ;  von  Betragenszeugnissen  ist  nicht  die  Rede.  Eben- 
so ist  die  Regelung  in  der  Polizeiordnung  für  K  u  r  p  f  a  1  z 
von  1684«). 

Diese  Art  der  Zeugnisse  lediglich  wider  den  Ver- 
tragsbruch kommt  auch  im  18.  Jhdt.  noch  nicht  ab.  B 
sind  immer  noch  mehrere  Gesetze,  die  solche  Beschei- 
nigungen als  allein  nötig  vorschreiben.  In  Cleve,  das 
1696  noch  mit  bloßer  mündlicher  Erkundigung  sich  be- 
gnügt hatte'),  ging  man  1708 »)  zu  schriftlichen  Entlas- 
sungszeugnissen über,  ohne  die  bei  Strafe  nicht  gemie- 
tet  werden   durfte.    Dies   blieb   so   nach  einem   Erlasse 


*)  Kr.  A.  Bamberg.  Collectanea  Rep.  187  h  nr.  1.  —  ")  Corp. 
Const.  Brand.-Culmb.  II 1  S.  656 flF.,  bes.  594.  —  •)  Platz  er  S  1^  - 
*)  Ebenda  S.  109.  —  *)  Reyscher,  Gesetze  XIII  S.  17,  114;  Dnict 
im  St  A.  Stuttgart.  —  «)  Univ.-Bibl.  Marburg.  —  ^)  Scott i,  Clcve 
S.  690.  —  »)  Ebenda  S.  755. 


—    865    — 

vom  12.  Februar  1731  ^).  Die  Polizeiordnungiein  der  Stadt 
Düsseldorf  von  1706  und  1728 *)  verlangen  ausdrück- 
lich ^ur  Vermeidung  des  Vertragsbruches,  daß  keine  Ver- 
mietung von  Dienstboten  erfolgen  soll  „ohne  formblichen 
Abscheidt  oder  Bewilligung  derenjenigen,  bey  welchen  sie 
noch  würcklich  dienen,  oder  zuletzt  gedienet  haben**.  Für 
Jülich  und  Köln  bestimmte  die  gemeinsame,  später- 
hin noch  des  öfteren  eingeschärfte  Verordnung  vom 
Dezember  1751  *),  „dass  kein  Dienstbote  ohne  Beibringung 
eines  Entlassimgsscheines  seines  früheren  Brodherm,  bei 
25  Gldgld.  Strafe  in  Dienst  genommen  werden  darf**. 
Darüber,  daß  das  sich  neu  vermietende  Gesinde  von  der 
vorigen  Herrschaft  entlassen  ist,  soll  sich  das  Zeugnis 
nach  der  ravens berger  Gesindeordnxmg  von  1766*) 
aussprechen.  Die  Bestinuntmgen  der  eben  erwähnten 
brandenburgischen  Polizeiordnung  von  I672  wur- 
den 1746  *)  genauer  gefaßt :  das  Zeugnis  muß  die  „sichere 
und  gewisse  Nachricht**  enthalten,  „dass  der  Dienst-Bote 
vion  seinem  Herrn  mit  Willen  und  ehrlic^h  .  .  .  abge»- 
schieden**. 

Wenn,  wie  in  der  zuletzt  genannten  Ordnung,  wie  audh 
in  manchen  sonstigen  derartigen  Gesetzen  von  demi  „ehr- 
lichen** Abschiede  die  Rede  ist,  so  bezieht  sich  das  nicht 
auf  die  Ehrlichkeit  des  Dienstboten  im  Dienste  (daß  er 
nichts  gestohlen  hat),  sondern  der  Sinn  der  Worte,  wie 
er  sich  aus  dem  Zusamimenhange  und  der  Geschichte  dieser 
Bestimmimgen  ergibt,  ist  der,  daß  über  die  „Ehrlichkeit** 
des  Abschiedes  im  Zeugnisse  eins:  Angabe  enthalten  sein 
soll,  darüber  also,  ob  kein  Vertragsbruch  vorgekommen 
ist.    Aber  wie  schon  in  der  Einleitung  zu  diesem  Ab- 


')  Ebenda  S.  1104.  —  •)  St.  A.  Düsseldorf.  Nr.  1009  der  Samm- 
lung jQlichscher  usw.  Verordnungen.  —  •)  Ebenda,  Akten  des  bonner 
Hofrats,  KurkOln  Regierungssachen  Nr.  47.  —  ♦)  Ravensberger  Bl&tter 
f.  Geschichts-  etc.  Kunde  1909  S.  62.  ■—  •)  Corp.  Const.  Brand.-Culmb.  II 1 
S.667. 

KSnnecke.  55 


—    866    — 

schnitte  gesa^l:  wurde,  neben  das  ursprüngliche  allein  tu 
Bekämpfung  des  Vertragsbruches  geschaffene  Abschied.- 
Zeugnis  trat  bald  das  besonder©  Verhaltens  Zeugnis 
vornehmlich  das  18.  Jhdt.  nahmt  sich  der  neuen  Fem 
an,  um  eine  neue  Handhabe  gegen  die  sdhlechten  Dienst 
boten  zu  besitzen. 

Nur  zwei  Nachrichten  über  das  Vorkomtnien  des  Verbal 
tenszeugnisses  schön  in  der  Frühzeit  der  Zeugniserf  induEg 
sind  vorhanden.  Nach  einem  angeblich  zru  Wien  am 
26.  Oktober  1586  erlassenen  Dekret  ^)  dürfen  Dienstboten 
niu*  aufgenommen  werden,  wenn  sie  von  der  vorigen  SteKi 
ein  Zeugnis  ihres  Verhaltens  vorlegen  können.  Mit  ge- 
bührlicher Strafe  sollen  die  Übertreter,  Herren  und  Dienst- 
boten, angesehen  werden ;  für  einen  Dienstherrn,  der  nicht 
schreiben  kann,  besorgt  eine  Behörde  die  Ausstellung 
des  Scheüies  gegen  drei  Kreuzer  Schredbgeld.  Es  er- 
scheint um  so  fraglicher,  ob  diesies  Dekret  von  Golems 
richtig  wiedergegeben  worden  ist,  als  reine  Verhaltens- 
zeugnisse —  von  einer  Ausnahme  abgesehen  (Altenburg 
1651)  —  erst  fürs  18.  Jhdt.  nachzuweisen  sind.  Die  für 
das  16.  Jhdt.  noc'h  anzuführende  verwandte  Bestimmung 
der  katzenelnbogener  Polizedordnung  von  1597*) 
schreibt  nicht  herrschaftliche,  sondern  öffentliche  Be- 
scheinigungen über  „Leben,  Handel  und  Wandel**  der 
ausländischen   Dienstboten  vor. 

Was  aus  dem  17.  Jhdt.  zu  nennen  ist,  besteht  haupt- 
sächlich in  einigen  Gesetzesstellen,  die  einen  Übergang 
bilden,  die  für  die  Zeugnisse  sowohl  Abschieds-  als  auch 
Verhaltensbescheinigimgen  anordnen.  Vier  dieser  Quellen 
gehören  Süddeutschland,  eine  dem  südlichsten  Mittel- 
deutschland an. 


^)  Colerus,  Oeconomia,  Buch  I  S.  9;  von  Maximilian  IL,  wie 
Colerus  angibt,  stammt  dieses  überhaupt  recht  zweifelhafte  Dekret 
sicher  nicht;  Maximilian  starb  1576.  —  *)  Univ.-Bibl.  Marburg. 


—    867     — 

In  Nürnberg  wurde  1628^)  verboten,  Dienstboten 
zu  mieten,  die  keinen  Schein  des  Wohlverhaltens  und  der 
Aushaltung  ides  Dienstes  beibringöi  könnten.  Die  Dienst- 
herrschaften sind   2rur  Aussstellung'    eines   Schein«    ver- 
pflichtet ;  kann  jemand  nicht  schreiben,  dann  mlag*  er  seine 
Aussage  über  den  Dienstboten  auf  dem  Stadtpfänderamite 
ablegen,  das  daraufhin  für  ein  geringes  das  Zeugnis  fertigt. 
Ein    Dienstherr  darf  kein  unwahres  tu,  günstiges  Zeug- 
nis  ausstellen.    Tut  er  es  doch,  dann  wird  er  mit  fünf 
Gulden  gestraft  und  muß  demi  neuen  Mieter  imd  andern 
den  Schaden  ersetzen,  den  sie  durch  ihr  Vertrauen  auf 
das  falsche  Zeugnis  erlitten  haben.   Was  mit  der  Herr- 
schaft geschieht,   die  dem   Dienstboten    wider    besseres 
Wissen  ein  zu  ungünstiges  Zeugnis  gibt,  ist  in  der  G^inde- 
ordnimg  nicht  weiter  zu  lesen.    Zu  weiterer   Sicherung 
ergeht  Sder  fernere  Befehl,  daß  die  Zubringerinnen  ^)  bChon 
gediente  Dienstboten  nicht  vermieten  dürfen,  wenn  sie 
nicht  zuvor  bei  der  alten   Herrschaft  angefragt  haben, 
ob   der   Dienst   in   der  Tat   beendigt   ist,   und  ob   dem 
Dienstboten  ein  Schein  weg'en  des  Verhaltensi  mitgege- 
ben worden  ist.    Fremde  Dienstboten,  die  .noch  keine 
Zeugnisse  haben,  sollen  vor  der  Vermietung  auf  das  Stadt- 
pfänderamt kommen,  dort  „notdürfftig  examinirt"  wer- 
den imd  dann  einen  Schein  ausgestellt  erhalten.    Ohne 
solchen  amtlichen  Schein  darf  kein  Dienstbote  angenomi- 
men  werden  bei  fünf  Gulden  Strafe.   Die  Zubringerinnem 
müssen  demientsprechend  unlegitimierte  Dienstboten  vor 
der  Vermietung  zum  Examen  aufs  Amt  bringen. 

Die  bamberger  Polizeiordnxmg  von  1652*)  will 
prinzipiell  das  Weglaufen  der  Dienstboten  durch  Einfüh- 
rung der  Zeugnisse  hindern ;  doch  sollen  die  Scheine  auch 
Auskunft  über  das  Wohlverhalten  im  Dienste  geben.  Wei- 
gert sich  die  Herrschaft  der  Zeugniserteilung,  dann  tut 

»)  Kr.  A.  Nürnberg.  Mandat  Nr.  1628  S.  9.  —  «)  Vgl.  auch  oben  S.405. 
—  •)  Kr.  A.  Bamberg.  Bamberger  Verordnungen  Rep.  141  Nr.  59. 

66' 


-     868     - 

es  die  Behörde.  Niemand  darf  ednen  entlaufenen  Dienst- 
boten mieten,  dieser  habe  denn  sein  Zeugnis  vorgezeigt 
(und  dem  alten  Herrn  den  Schiaden  eirsetzt).  Wenn  der 
neue  Mieter  wider  jenes  Verbot  hjandeü.  dann  muß  er 
20  Th.  Strafe  geben.  Auch  di©  Würzburger  Ordnung 
von  1654^)  schreibt  Zeugnisse  der  Entlassung^  und  des 
Verhaltens  vor.  Die  Ritterordnimg'  für  die  reichsunmittel- 
bare Ritterschaft  der  sechs  Orte  in  Franken*)  be- 
stimmt (allerdings  nur  für  reisige  Knechte),  daß  nie- 
mand einen  solchen  in  Dienst  nehmen  dürfe,  dieser  zeige 
denn  „seine  gnugsame  imd  im  verfälschte  Passporten,  dass 
er  seinem  vorigen  Herrn,  ehrlich,  treulich  und  wol  aus- 
gfedienet,  wie  auch  mit  dessen  gutem«  Wissen  und  Willen 
ehrlich  abgieschieden". 

Eine  öffentliche  Prüfung  der  Abschiedsurkunde  ver- 
langet die  hessische  Landesordnimg  für  Katzenein  bo- 
gen^), wieder  nur  für  eine  Sonderklasse  des  Gesindes, 
die  Müllerknechte:  „Und  damit  man  weisse,  was  man 
für  Gesind  annehme :  so  sollen  hinf ühro  die  Müller  keinen 
gfewanderten  Müllerknecht  dingen,  er  habe  denn  zuvor 
Unsern  Centhgtafen  oder  Schultheissen  seinen  Abschieds- 
brief, wo  er  gedienet,  wie  er  sich  daselbst  verhalten,  und 
wie  er  abgeschieden,  vorgezeigt." 

Ein  reines  Verhaltenszeugnis  scheint  während  de3 
17.  Jhdts.  nur  in  Altenburg  vorgeschrieben  gewesen 
zu  sein.  Nach  der  Gesindeordnung  von  1651  war  den 
Dienstboten  „ohne  Entgelt  auf  ihr  Verlangen  ein  Dienst- 
schein auszustellen,  der  über  ihr  Verhalten  im  Dienste 
Auskunft  gab***). 

Das  Verhaltenszeugnis  ist   die  Waffe  der   Gesinde- 


*)  Landesverordnungen  Würzburg  I  S.  243.  —  *)  Des  Heil.  R. 
Reichs  ohnmittel bahrer  Freyer  Ritterschafil  der  sechs  Ort  in  Francken, 
erneuerte  . .  .  Ordnungen  (Nürnberg  1710)  S.  1  ff,  bes.  86.  —  •)  Magazin 
f.  d.  Teutschen  Rechte  u.  Gesch.  I  S.  475.  —  *)  Brandt,  Der  Bauer 
in  Altenburg  S.  80. 


-     869    — 

Gesetzgeber  des  18.  Jh'dts.  Dean  allmählichen  Absterben 
des  Absdhiedszeugnissies  gegenüber  nimmt  sich  die  !Menge 
von  Gesetzen  über  die  nejue  Art  der  Zeugnisse  beträcht- 
lich aus^).  Nur  wenige  Gesetze  brachten  im  18.  Jhdt. 
vor  der  grundlegenden  hannoverschen  Gesindeordnun^ 
von  1732  Vorschriften  über  Verhaltenszeugnisse.  In  Ol- 
denburg ist  es,  wie  ein  Erlaß  vom  4.  November  1712*) 
feststellt,  Sitte,  daß  Delinquenten,  um  sich  der  Strafe  m 
entziehen,  auf  die  benachbarten  freien  Güter  entweichen 
und  dort  in  Dienste  treten.  Das  wird  verboten;  willkür- 
liche Strafe  droht  denjenigen,  die  solche  Leute  aufneh- 
men, ohne  sich  ein  vom^  Beamten  des  letzten  Aufent- 
haltsortes ausgestelltes  Attestat  ihres  Wohlverhaltens  vor- 
legen zvL  lassen.  In  deir  gothaischen  und  alten- 
burgischen  Gesindeordnung  von  1719^)  wird  erstens 
zur  Steuerung  von  Vertragsbruch  imd  Abspenstigmachen 
verboten,  Dienstboten  ohne  Zeugnis  der  letzten  Herr- 
schaft zu  mieten.  Weiter  soll  sich  ein  Mieter  auch  nach 
Geburt,  Leben,  Wandel  erkimdigen,  „welches  am  füg- 
lichsten  durch  einen  glaubwürdigen  Schein  von  dem 
Herrn  oder  Frauen,  allwo  eö  zuletzt  in  Diensten  gestan- 
den, oder  noch  stehet,  geschehen  kann".  Noch  nicht 
gedientes  Gesinde  muß  statt  dessen  obrigkeitlichen  Schein 
beibringen.  Wird  das  Zeugnis  dem  Dienstboten  geweigert, 
dann  verhilft  ihm  die  Behördei  dazu.  Auf  Mieten  ohne 
Zeugnisse  steht  willkürliche  Strafe.  Ein  von  Bayreuth 
ausgegangenes   Reskript   vom   19.   Oktober   1731*)    ver- 

^)  Ein  Zeugnis  in  besonderem  Sinne  sei  hier  angemerkt.  Die 
Reichshandwerksordnung  von  1781  (LO.  IV  5.119;  Druck  im 
Stadt  Archiv  Nordhausen)  setzt  fest:  Wenn  ein  Handwerksgeselle, 
der  sein  Handwerk  redlich  erlernt  hat,  einige  Zeit  sein  Fortkommen 
im  Dienste  bei  Herrschaften  sucht,  dann  soll  ihm  das  zu  weiterem 
Handwerksbetriebe  nicht  hinderlich  sein,  wenn  er  nur  einen  beglaubten 
Abschied  der  Herrschaft  bringt;  oben  S.  245.  —  *)  Corp.  Const.  Oldenb.U 
S.62.  -  »)  Univ.-Bibl.  Marburg.  XVIII  f  A  870.  —  *)  Corp.  Const 
Brand.-Culmb.  II 1  S.  990. 


—    870     — 

bietet  Mietun^en  von  Gesinde  ohne  „Erlass-Scheine  i.nd 
Zeugnisse  seines  Wohlverhaltens  und  ausgestandenen 
Dienst-Zeit".  Die  beiden  kurpf  älzis^bien  Gesindeord- 
nungen von  1731  und  1755  ^)  verlangen  ein  Zeugnis  der 
Ortsobrigkeit  über  Vaterland,  Eltern,  Religion,  letzten 
Aufenthalt  und  bisheriges  Wohlveirhalten.  Die  sdhon  Ge- 
dienten müssen  dazu  noch  ein  Herrschaftszeugnis  über 
Aushaltung  Ües  vorigen  Diensteis  tuid  über  Wohlverhalten 
haben.  Die  Herrschaften  dürfen  ohne  die  obrigkeitlichen 
Bescheinigungen  nicht  mieten,  sonst  werden  sie  „bey  er- 
folgender Untreu**  (deis  Dienstboten)  willkürlich  gestraft 
und  haben  „sich  keiner  sonderlichen  Ambts-Hülff  pro 
suo  privat o  zu  getrösten**. 

Die   hannoversche  Gesindeordnung  von  1732 -) 
hat  rusamtnen  mit  ihrer  der  unmittelbar  folgendeai  Zeit 
angehörenden  Gefolgschaft  ^)  ein  in  den  Hauptzügen  iiber- 
einstimmendes,     im    Einzelnen     bisweilen    abweichieiides 
Zeugnisrecht.   Es  werden  zwei  Arten  von  Zeugnissen  ver- 
langt.   Für  Dienstboten,  die  noch  nicht  gedient  nahen, 
eine   Beschieinigung   „der  Obrigkeit  des   Orts,   und    von 
Greben  imd  Vorsteher  wie  auch  von  denen  Predigern**, 
die   sich   darüber   äußern  sollen,    „wes   Standes,   Wesen 
und  Gebührt  Er  oder  Sie  sey,  und  dass  Er  oder  Sie  sich 
in  der  Gemeinde  fromm  und  christlich  aufgeführt  habe** 
(so   Hessen   1736);   in  Hannover  genügt  eine  Zustim- 
mungserklärung der  Elteom.    Das  zweite  Zeiivgnis  ist  die 
Bescheinigung  der  letzten  Herrschaft  für  schon  Gediente 
über  Idas  Wohlverhalten  des  Dienstboten  im  Dienste.  Über- 
einstimmend wird  die  Pflicht  zimi  Schadensersatze;  imd 
die  Bestrafung  der  Herrschaften  ausgesprochen,  die  dem 
Dienstboten  einen  falschen,  d.  h.  dem  Dienstboten  zu 
günstigen   Schein  ausgestellt  haben.    Die  hanauer  Ord- 

*)  L.  A.  Karlsruhe.  Pfalz  Generalia  6047.  —  ")  Span  genberg 
Verordn.  f.  Hannover  IV  2  S.  461.  —  »)  Hessen  1786,  Waldeck  1736^ 
Schaumburg  1738,  Hanau  1748. 


—    871     — 

nung  scheint  auf  Schriftlichkeit  des  Zeugnisses  kein  Ge- 
wicht zu  legen.  Umfrage  von  Mund  zu  Mund  genügt  der 
hannoverschen  und  schaumburger  Ordnung  bei  Schrei- 
bens Unerfahrenem,  insbesondere  bei  Bauern.  In  Hessen 
wird  Besonderes  für  den  Fall  bestimmit,  daß  der  Dienst 
casu  fortuito,  z.  B.  durch  den  Tod  des  Herrn,  beendigt 
wird;  vom  letzten  Zeugtiisse  wird  Abstand  ^genommen, 
dafür  müssen  aber  alle  früheren  Scheine  einelni  neuen 
Mieter  vorgelegt  werden.  Mit  Ausnahme  des  hanauer 
Gesetzes  bestimmten  die  Ordnungen  dann  ferner,  daß  die 
Herrschaften  bei  der  Mietimg  auf  die  Zeugnisse  achten 
müssen  und  gestraft  werden,  wenn  sie  Dienstboten  ohne 
solche  mieten.  Besonderheit  in  Hessen  ist,  daß  in  sol- 
chen Fällen  der  nachlässigen  Dienstherrschaft  ein  Rechts- 
schutz gegen  die  imbezeugten  Dienstboten,  etwa  v/egen 
Untreue,  versagt  wird. 

Die  weiteren  Gesindegesetzö  des  Jahrhimderts,  deren 
Verwandtschaft  mit  der  hannoverschen  Ordnung  nicht 
so  offenbar  ist,  wie  das  bei  den  hier  zusamtnien  behandelten 
der  Fall  ist,  können  freilich  klein  von  dem  bisher  darge- 
stellten allzu  verschiedenes  Recht  enthalten.  Die  hol- 
steinisc'he  Ordnung  von  1740 ^)  gibt  ungefähr  gleiches 
Recht  mit  den  dargestellten  Gesetzen.  Bei  willkürlicher 
Ahndung  darf  niemand  seinen  Dienstboten  beim*  Ab- 
schied  fein  VerhaJtenszeugnis  weigern.  Ebenso  droht  Strafe 
demjenigen,  de-r  Gesinde  ohne  Zeugnisse  mietet ;  der  Ver- 
trag soll  zudem  nichtig  sein.  Bei  Bauersleuten  genügt 
mündliche  Erkimdigung.  Die  Gesindeordnung  von  1768^) 
führte  vorgedruckte  Zeiugnisformulare  ein.  In  Braun- 
schweig   wurden   1747^)    Zeugnisse    eingeführt,    ganz 


*)  St.  A.  Schleswig.  Sammlung  Grossf.  Verordnungen.  —  *)  Ebenda. 
—  *)  Archiv  Wolfenbüttel.  Verordnungssammlung;  dazu  ist  Nr.  7112 
dieser  Sammlung  heranzuziehen,  die  eine  Verordnung  von  1748  über 
die  Durchführung  der  Zeugnisvorschriften  auf  dem  Lande  enthalt. 


—    872    — 

offenbar  solche  des  Verhaltens  im  Dienste.  Durchaus  wie 
moderne  Polizeikimst  sieht  sich  die  Bestimmung'  der  wol- 
fenbütteler  Gesindeordnung"  von  1748^)  an,  daß  alle 
Jahre  eine  amtliche  Zeugnis  Visitation  stattfinden  soK; 
zehn  Thaler  Strafe  bekommt  der  Dienstherr,  der  sich  der 
Zeugniserteilung  widersetzt,  sowie  wer  Dienstboten  mietet, 
die  sich  ohne  Zeugnis  anbieten.  Dieselben  Strafsununen 
stehen  in  der  jenaischen  Gesindeordnung  von  1751  ^ 
auf  dieselben  Straftaten.  Gesinde,  das  sich  ohne  Zeug- 
nisse vermietet,  wird  auf  ein  Vierteljahr  ausgewiesen.  In 
Weimar  wurde  1759*)  das  Gesindemieten  ohne  Zeug- 
nisse mit  fünf  Thalem  gestraft.  Die  Herrschaft  m^uß  das 
vom  Dienstboten  bei  der  Vermietimg  mitzubringende 
Zeugnis  verwahren,  wie  die  fürstlich  eisenachische 
Gesindeordnung  von  1757  *)  bestimmt ;  von  der  Herrschaft 
ist  der  Schein  der  Behörde  vorzulegen.  Fünf  und  mehr 
Thaler  muß  die  Herrschaft  erlegen,  die  ein  imwahres 
Zeugnis  gibt;  man  geht  nicht  fehl,  wenn  man  diese  Be- 
stimmung wie  stets  dahin  auslegt,  daß  nur  die  Ausstel- 
lung eines  dem  Dienstboten  in  imwahrea:  Weise  zu  gun- 
stigen Zeugnisses  die  Strafe  der  Herrschaft  nach  sich 
zieht,  nicht  dagegen  soll  eine  Herrschaft  gestraft  werden, 
die  durch  Ausstellxmg"  eines  dem  Dienstboten  schadenden 
unwahren  Zeugnisses  sich  vergeht.  Die  altenburger 
Gesindeordnung  von  1744  *)  hat  das  reine  Verhaltenszesag- 
nis.  Es  ist  verboten,  Gesinde  ohne  solchen  Schein  zu 
mieten.  Beim'  Dienstende  soll  die  H^rschaft  dem  Ge- 
sinde das  Zeugnis  wahr  ausstellen. 

Die  detmolder  Gesindeordnimg  von  1752^)  ver- 
pflichtete die  Herrschaften,  die  Kxmdschaft  umsonst  zu 
erteilen.    Eine  Hervorhebung"  der  Zeugnisvorschrift  ge- 


»)  Ebenda  Nr.  7097.  -  •)  Job.  Schmidt,  Gesetze  f.  Weimar  IV 
S.  189.  —  «)  Ebenda,  —  *)  Kr.  A  München.  GR.  Fasz.  402  Nr.  8.  - 
»)  Univ. - Bibl.  Marburg.  XVIII  f  B  1119«..  —  •)  Landesverordnungen 
L.-Detmold  II  S.  47. 


—     873     — 

schah  1778^);  niemand  soll  Gesinde  mieten,  das  nicht 
mit  Attestaten  des  Wohlverhaltens  und  de^  Ausdienens 
versehen  ist. 

In  der  Polizeiordnimg  für  Sayn-Wittgenstein 
von    1776*)  ist  von  einem  Zwang!  ^m"  Vorzeigtmg  von 
Zeugxdssen  nicht  die  Rede.  Es  heißt  nur,  daß  die  frühere 
Herrschaft  wahrheitsgemäße  Auskimft  über  die  Eigen- 
schaften ihres  Dienstboten  geben  muß,  wenn  ein  späterer 
Mieter  sich  danach  erkundigt.    Welche  Herrschaft  „so 
niederträcfhtig  seyn  sollte,  eine  andere  hienmter  zu  hin- 
tergehen", die  muß  2  bis  3  Thaler  Strafe  zahlen;  natür- 
lich tritt  diese  Strafe  nur  ein,  wenn  etwas  ru  Günstiges) 
über  den  Dienstboten  gesagt  wird,  während  dieser  gegen 
Verleumdungen  nicht  geschützt  ist. 

Von  den  xmif angreichen  Gesindeordnungen  Cleves 
aus  den  Jahren  1753  und  1769^)  werden  Verhaltensbe- 
scheinigimgen  vorgeschrieben;  außerdem  gibt  es  die  ob- 
rigkeitlichen Personalzeugnisse.    Das  Herrschaftszeugnis, 
zu  dem  ein  Formular  vorgedruckt  ist,    soll  ohne  „Lei- 
denschafften, Rachgier  odelr  auch  imzeitiges  Mitleiden** 
ausgefüllt  werden.   Aussteller  falscher  Zeugnisse  werden 
als  Falsarii  angesehen  und  so  bestraft;  insbesondere  darf 
schlechtes  Verhalten  nicht  verschwiegen  werden,  bei  Ahn- 
dung, Weigert  sich  die  Herrschaft  der  Zeugniserteilung, 
dann  erhält  sie  Geldstrafen,  die  sich  im  Wiederholungsfall 
erhöhen.    Mietung  und  Vermietung  ohne  Zeugnis  sind 
verboten;  Strafen  beider  Teile  sollen  die  Durchführung 
sichern.   Als  Spezialität  bedarf  noch  die  Vorschrift  einer 
Erwähnung,  daß  sich  der  neue  Mieter  mündlich  bei  der 
vorigen  Herrschaft  erkundigen  muß,  wenn  diese  demi  ab- 
gehenden Dienstboten  das  Zeugnis  nicht  vor  der  fakti- 
schen Erledigung  des   Dienstes  aushändigen  will*). 
1767  geschah  in  Hessen  die  Feststellung,  daß  es 

>)  Ebenda  S.  646.  —  •)  Univ.-Bibl.  Marburg.  -  •)  Scotti,  Cleve 
S.  1462,  1894.  -  *)  1758  Tit.  II  §  14;  1769  §  9. 


—    874    — 

mit  der  Befolgung  der  Zetignisvorschriften  schlimim  aus- 
sah ^).  Aber  trotz  mancher  Änderungsvorschläge  blieb  es 
1797*)  beim  alten.  Nur  eine  beträchtliche  Neuerung 
wixrde  1801 ')  getroffen.  Die  Herrschaft  soll  bei  der  Mie- 
tung die  Attestate  und  Abschiede  dem  Dienstboten  ab- 
nehmen und  darf  sie  ihm  frühestens  beim  tatsächlichen 
neuen  Dienstantritte  wieder  ausliefern ;  man  wollte  so  eine 
Sicherung  gegen  das  Doppeltvermieten  schaffen.  1804 
mußten  die  Zeugnisvorschriften  schon  wieder  eingeschärft 
werden*).  Etwas  Neues  wird  in  das  hessische  Zeugnis- 
recht diurch  die  Verordnimg  vom  29.  Novemiber  1823^) 
eingeführt.  Sie  bringt,  wohl  durch  die  zeitgemäße  l'urcht 
der  Regierenden  vor  aller  fremden  Einwanderung  be- 
einflußt, „Maßregeln  der  Sicherheitspolizei  wiegen  der  er- 
werbs-  oder  heimathlosen  und  dergleichen  verdächtigen 
Personen**,  und  schreibt  so  vor,  dass  Dienstboten,  Hirten, 
Nachtwächter  usw.  von  anderen  Orten  her  nur  dann  in 
Dienst  genommen  werden  dürfen,  wenn  die  aus  demselben 
Kreise  stammenden  ein  „glaubwürdiges  Attest  ihres  bis- 
herigen Wohlverhaltens**  beibringen,  die  aus  fremden 
Kreisen  kommenden  mit  ebensolchem  Zeugnis,  von  der 
Polizeidirektion  beglaubigt,  versehen  sind ;  Ausländer  müs- 
sen Paß,  Wanderbuch  oder  ein  Zeugnis  der  Polizei  haben. 
Bei  Geldstrafe  müssen  diese  Papiere  von  der  Brotherr- 
schaft, ehe  der  Dienst  angetreten  wird,  der  Polizei  oder 
dem  Ortsvorstand  vorgezeigt  werden. 

Wenn  auch  in  Mainz  1749  die  Gesindezeugnisse 
in  einer  lediglich  wideir  die  Hausdiebstähle  gerichteten 
Verordnung  ®)  angeordnet  werden,  so  sollen  sie  doch  nicht 
allein  als  Maßnahmen  nur  gegen  die  Gesindeimtreue  auf- 
gefaßt Werden,  sondern  wie  auch  in  den  Gesetzen  anderer 
Länder  eines  der  Allheilmittel  gegen  die  vielen  und  man- 

»)  Oben  S.  75.  -  •)  LO.  VII  S.  727.  -  »)  LO.  VIII  S.  26  -  *)  Ebenda 
S.  154.  —  •)  Kurh.  Ges.-Sainnil.  S.  57.  —  •)  Kersting,  Sonderrechte 
Sp.  1067. 


^    875     - 

nigfaltigen  Mängel  im  Gesindewesen  darstellen.  Hat  ein 
Dienstbote  nicht  Zeugnis  des  Vaterlandes,  der  Eltern, 
der  Religion,  des  letzten  Aufenthaltes  und  seines  bisheri- 
gen guten  Aufführens,  dann  darf  niemand  ihn  aufnehmen, 
sondern  er  wird  als  verdächtiger  Vagabund  fortgewiesen. 
Dienstherrsdhaf  ten,  die  dieses  Gebot  nicht  beachten,  kön- 
nen keinen  Rechtsschutz  gegenüber  den  Dienstboten  bei 
Untreuef allen  erwarten  und  werden  dazu  „als  Verächter 
herrschaftlicher  Gebote  und  Verbote"  bestraft. 

Das  fränkische  Recht  ist  hier  nicht  ergiebig.  In 
Nürnberg  scheinen  1741^)  Zeugnisse  ntu-  für  das  Ver- 
halten der  Dienstboten  im  Dienste  eingeführt  worden  zu 
sein.  Die  ansbadhische  Gesindeordnimg  von  1769*) 
zeichnet  sich  dadurch  aus,  daß  sie  endlich  in  gerechter 
Weise  die  beiden  Fälle  einander  gleichstellt,  ob  die  Herr- 
schaft das  Zeugliis  fälschlicher  Weise  tu.  gunsten  oder 
zu  schaden  des  Dienstboten  ausstellt.  Während  im  bis- 
herigen Recht  eine  Herrschaft  sich  nur  dann  strafbar 
und  ersatzpflichtig  machte,  wenn  sie  xmwahre  Angaben 
über  vorgeblich  beim  Dienstboten  vorhandene  günstige 
Eigenschaften  machte,  wodurch  sich  deir  folgende  Mieter 
täuschjen  ließ,  so  soll  der  Dienstherr  jetzt  auch  exem- 
plarisch bestraft  Werden,  wemn  er  „aus  Passion  oder  Feind- 
schaft" ein  zu  schlechtes  Zeugnis  schreibt. 

In  Altbayern  wurden  1781  *)  Zeugnisformulare  ein- 
geführt. Genau  unterschieden  sind  da  drei  Formulare: 
eines  der  „guten  Kimdschiaft**,  weiter  der  „mittelmäßigen** 
und  der  „schlechten**  Aufführung.  Das  letzte .  Zeugnis 
bekundet  nur  die  Dienstdauer  und  schweigt  über  Eigen- 
schaften. Die  Bearbeitung  der  1781er  Gesindeordnung 
für  die  Oberpfalz  von  1801  *)  „abstrahiert**  wegen  ver- 
schiedener  gegenwärtiger  Anstände**   von  den   1781   ge- 

»)  K  a  m  a  n  n  S.  88.  —  ')  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  28  V  Nr.  779  Rcpert. 
233.  —  »)  Kr.  A  München.  AR.  Fasz.  459  Nr.  209;  M.  A.  Fasz.  1821 
Nr.  1165.  —  *)  Ebenda. 


I 


—     876 


troffenen  Zeugnis vorsohriften.  Am  28.  Dezember  l^l 
schienen  die  Hinderungen  behoben  zu  sein.  Es  wurdea 
von  Amberg  aus  die  1781  über  die  Zeugnisse  getroffene 
Anordnungen  eingeschärft ;  auf  dem  Lande  sollen  die  Pfar 
rer  die  Zeugnisse  nach  Angaben  der  Dienstherren  unen: 
geltlich  fertigen^).  Für  das  ganze  Land  wurde  1805  a- 
neut  auf  das  Zeugniswesen  hingewiesen  und  eine  jährliche 
Revision  der  Zeugnisse  angeordnet*).  Ein  1772  in  Pf  ah 
Zweibrücfken  erlassenes  Reskript^)  forderte  allge- 
meine Lebenswandelszeugnisse  für  Dienstboten  und  Tage- 
löhner. 

Argen  polizeilichen  Geist  geben  die  beiden  neueret 
Gesindeordnungen  Badens  kund.  Die  von  Österrei<± 
aus  erlassene  Ordnung  der  Stadt  Freiburg  von  1782*. 
fordert  eine  sehr  genaue  Darlegung  der  Eigenschaften 
eines  Dienstboten.  Mietung  ist  nur  noch  mit  Zeugnis  ge- 
stattet, bei  fünf  Gulden  Strafe  der  Herrschaft,  acht  Ta- 
gen Spinnhaiisstrafe  des  Gesindes.  Beim  Scheiden  mxiß 
die  Herrschaft  das  Zeugnis,  das  bei  ihrem  Weigern  übri- 
gens von  der  Polizei  ersetzt  werden  kann,  acht  Tage  vor 
Austritt  dem  Bezirkskommissar  übersenden;  von  diesei:i 
wird  es  beglaubigt.  Wenn  einem  Dienstboten  zum  dritten 
Mal  dieselben  Fehler  bescheinigt  werden,  dann  rückt  der 
Kommissar  eine  Wamimg  für  die  mietende  Herrschaft 
in  das  Zeugnis.  Nicht  ganz  diesem  Reglementierungsgeist 
ergeben  ist  die  Gesindeordnung  von  1809*).  Sie  ver- 
langt zwei  Papiere :  einen  Entlassungsschein  und  ein  Ver- 
haltenszeugnis. Wichtig  sind  lediglich  die  beiden  statu- 
ierten Haftungen.  Die  Herrschaft,  die  ohne  Entlassungs- 
schein mietet,  haftet  dem)  früheren  Dienstherm  für  den 
durch  etwaigen  Vertragsbruch  erlittenen  Schaden.    Wei- 


*)  Döllingers  GesetzsammlungXIIIP.il  S.  1832.  —  •)  Ebenda 
S.  1833.  —  •)  Kr.  A.  Speier.  Best.  Zweibrücken  III  Rep.  24  Nr.  1845i 
Blatt  55.  —  *)  Gen.  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Gen.  6391.  —  »)  Landesarchiv 
Karlsruhe.  Prov.  Niederrhein.  Ges,-Polizei  B  Nr.  1.  1756—1809.  (IV  2). 


—    877    — 

ter  ist  die  Herrschaft  andern  für  den  Schaden  verant- 
wortlich, den  diese  durch  falsche  Zeugniserteilung  erled- 
den.  Und  zwar  kann  audh  der  .Dienstbote,  dem  edn  zu 
schlechtes  Zeugnis  gegeben  ist,  sich  an  die  Herrschaft 
halten,  nicht  besteht  die  Haftung  wie  nach  früheren  Rech- 
ten nur  gegenüber  neuesn  Mietern,  die  durch!  zu  günstige 
Zeugniserteilung  hinters  Licht  geführt  sind. 

Ganz  in  der  eben  geschilderten  Art  der  bayerischen 
Gesindeordnung  von  1781  wird  auch  in  der  österreichi- 
schen Ordnung  von  1779^)  ein  vorgedrucktes  Formu- 
lar für  die  drei  Sorten  von  Zeugnissen :  gut,  mittel,  schlecht 
gegeben.  Die  Pflicht  zur  Zeugniserteilung  und  zur  Mie- 
tung nur  mit  Zeugnissen  wird  in  der  herkömlmlichen  Weise 
durch  Strafmittel  verstärkt. 

Zum  Abschluß  der  Darstellung  des  Einzelzeugnis- 
rechtes sei  hier  ein  Bericht  über  das  Recht  Sachsen- 
Weimars  zu  Beginn  des  19.  Jhdts.  mitgeteilt*).  Ähn- 
lich wie  1628  in  Nürnberg^),  wird  in  Jena  1804,  in  Wei- 
mar 1805*)  ein  Examen  der  Dienstboten  vor  der  Polizei 
angeordnet.  Wenn  diese  aus  den  Pässen  und  den  früheren 
Zeugnissen  des  Dienstboten  festgestellt,  daß  eine  An- 
stellung als  Dienstbote  zuzulassen  sei,  dann  erhält  der 
Bewerber  einen  Mietsc^hein,  dahin  lautend,  daß  die 
vom  Dienstboten  vorgewiesenen  Attestate  die  „Dienst- 
fähigkeit** ergeben  haben,  imd  daß  es  dem  Inhaber  er- 
laubt sei,  einen  Dienst  zu  suchen.  Ohne  solcheji  Miet- 
schein darf  kein  Dienstbote  gemietet  werden;  zehn  Tha- 
ler Strafe  kostet  es  eine  zuwiderhandelnde  Herrschaft. 
Den  Schein  erhält  die  Herrschaft,  während  die  sonstigen 
Zeugnisse  bei  der  Polizei  bleiben,  von  wo  sie  sich  später- 
hin der   Dienst  böte  gegen   Rückgabe  des   Mietscheines 


»)  Kr.  A.  Mönchen.  GR.  Fasz.  402  Nr.  2.  -  •)  Hessisches  und 
badisches  Recht  des  frühen  19.  Jhdts.  wurde  im  Zusammenhang  des 
verwandten  früheren  Rechts  oben  S.  874,  876  f.  mitgeteilt.  —  •)  Oben 
S.  867.  —  *)  Joh.  Seh  midt,  Gesetze  f.  Weimar  IX  S.  406,  XI  S.  184. 


-     878     - 

wiedergeben  lassen  kann,  wenn  er  von  dem  Orte  we? 
geht.  Wechselt  der  Dienst,  dann  muß  die  alte  Hct 
sdiaft  dem  neuen  Mieter  den  Mietschein  aushändige: 
Muß  der  Dienstbote  aus  erhteblichen  Gründen  vor  der  Z:: 
aus  dem  Dienste  geschickt  werden,  oder  hat  er  noc: 
kein  Zeugnis  des  Wohlverhaltens  verdient,  dann  muß  di? 
Herrschaft  den  Mietschein  mit  den  nötigen  Mitteilunge: 
an  die  Polizei  schicken,  „diel  alsdann  entscheiden  ^ird 
ob  dem  Gesinde  die  deponirten  Attestate  zurückgegeben 
werden  können  oder  nicht".  Es  gibt  außerdem  noch  ti": 
Gesindetabelle,  in  die  sich  das  Gesinde  beim  Dienstaa- 
tritt  eintragen,  beim  Austritte  löschen  lassen  nnuß. 

Die  Zeugnisse  wurden  früher  auf  einzelne  Stücke  Pc 
pier  geschrieben,  jedes  für  sich  ^).  Niu*  ein  geringer  Gc 
dankensprung  führt  dazu,  die  einzelnen  Zeugnisse  künf 
tig  aneinander  zu  reihen.  In  einem  Zeugnis  buch 
lein  hat  der  neue  Mieter  und  ebenso  der  Polizist  be- 
quemere Übersicht  über  die  verschiedenen  Dienste,  dir 
Häufigkeit  des  Dienstwec'hsels,  das  Betragen,  die  Endi 
gungsgründe.  Dadurch  ist  ferner  die  Möglichkeit,  er. 
ungünstiges  Zeugnis  zu  vernichten,  erschwert ;  der  Dienst 
böte  müßte  schon  das  ganze  Büchlein  verschwinden  las- 
sen, da  das  Herausreißen  einzelner  Blätter  zu  leidht  ent- 
deckt werden  würde.  Wenn  er  sich  dann  ohne  alle  Zeug 
nisse    vermieten  wollte,    würde  er  Verdacht    wachrufen 

Der  Gedanke,  diu'ch  Sammlimg  der  verschiedenen 
Zeugnisse  in  einem  Buche  den  Vertragsbruch  zu  er- 
schweren, auf  eine  gute  Führung  der  Dienstboten  ic 
Dienste  hinzuwirken,  entspric'ht  diu-chaus  der  Erfindungs- 
kunst  der  Polizeigesetzgeber.  Immerhin  setzt  die  Durch- 
führung eine  vorhergegangene  Ausbildung  des  einfacheren 
Zeugniswesens  voraus.  So  stellt  sich  das  Gesindebuch 
als  eine  Schöpfung  erst  des  19.  Jhdts.  dar.    Einige  An- 


*)  Ein  Beispiel  aus  dem  18.  Jhdt.  ist  unten  S.  881  f.  mitgeteilt 


—    879    — 

Sätze  kommen  ja  schon  in  früherer  Zeit  vor.  Die  oben  ^) 
behandelten  Lohnbücher  kann  man  als  solche  auffassen, 
insbesondere  gilt  das  von  deim  dort  angeführten  Würz- 
burger Entwurf  von  1723. 

Im  19.  Jhidt.  drang*  der  Gedanke  unter  Einfluß  des 
französischen  Rechtes  zuerst  in  Düsseldorf  durch.  Die 
Gesindeordnun^  von  1809  *)  führte  ein  Büchlein  ein,  das 
bei  Annahme  oder  Veränderung  eines  Dienstö  auf  dem« 
polizeilichen  Gesindebureau  zu  besorgen  war;  dort  wurde 
das  Nötige  eingetragen.  Die  Herrschaft  müßte  das  Zeug- 
nis ins  Büchlein  geben;  glaubte  sie,  dies  wegen  grober 
Vergehen  des  Dienstboten  verweigern  zu  müssen,  dann 
mußte  sie  das  entweder  auf  dem  Bureau  anzeigen  oder 
das  schlechte  Zeugnis  hinschicken  imd  die  behaupteten 
Schlechtigkeiten  beweisen.  Die  Polizei  trug  dies  in  die 
Gesindeliste,  die  sie  führte,  imd  ins  Büchlein  ein.  Der 
Einfluß  Frankreichs  offenbart  sich  noch  mehr  in  deini 
Dekret  vom  10.  Juli  1810*),  diurch  das  der  Präfekt  des 
Rheindepartementes  allgeanein  die  Einführung  der  in  kai; 
serlichem  Dekrete  vorgeschriebenen  Kundschaftsbüchlein 
für  die  in  Arbeit  steheinden  und  reisenden  Handwerksge- 
sellen, Knechte  und  andere  Arbeiter  verfügt.  Demnächst 
führte  Bayern  wohl  zuerst  1817*),  dann  Nassau  und 
Nürnberg*)  1819,  Frankfurt  1822  Gesindebücher 
ein.  Hessen  folgte  1825^),  dagegen  Preußen  lerst 
1846  7). 

Daß  sich  der  deutsche  Osten  die  Gelegenheit,  das 
Gesinde  mit  Hilfe  der  Zeugnisse  zu  regletnlentieren,  ent- 
gehen gelassen  hätte,  ist  von  vorne  herein  nicht  anzuneh- 
men.  In  der  Tat  haben  denn  auch  Brandenburg  imd 


»)  S.  eOlflf.  —  «)  Scotti,  Jülich  S.  1252.  -  »)  Ebenda  S.  1361. 
-  *)  Döllingers  Gesetzsammlung  XIII  P.  II  S.  1333.  —  *)  Kamann 
S.89.  —  •)  Oben  S.  159.  —  »)  Hue  de  Grais,  Handbuch  VII  S.505; 
dort  auch  die  Belege  if\r  Nassau  und  Frankfuit. 


—    880    — 

Schlesien  das  Zeugiüswesen  in  einer  der  sonstigeo 
Entwicklxing  ähnlichen  Art  ausgebildet* 

In  Brandenburg^)  konnte  anfangs  die  Kundschaft 
von  der  Herrschaft  verweigert  werden,  wenn  der  Dienst- 
bote vorzeitig  wegging,  wenn  er  zuviel  Lohn  forderte. 
Dieser  zweite  Grund  ist  anderswo  völlig  luibekannt ;  1681 
wurde  er  auch  abgeschafft.  Auf  Mietung  eines  Dienst- 
boten ohne  Kundschaft  standen  20  Th.  Strafe,  seit  1695 
gar  einhimdert  Thaler,  fürs  Gesinde  Festung.  Die  Besse- 
rung der  Lage  des  Gesindes,  die  das  18.  Jhdt.  brachte, 
zeigte  sich  auch  im  Zeugnisrechte.  Die  Gesindeordnung 
von  1769  sagt  *) :  In  dem  Abgangszeugnisse  soll  nur  „von 
groben  Verbrechen,  als  Untreue,  Diebstahl  imd  Trunken- 
heit, nicht  aber  von  kleinen  Fehlem  xmd  Vergehungen, 
Erwehnung  geschehen,  damit  den  Dienstboten  dadurch 
ihr  anderweites  UnterkommJen  nicht  schwer  gemacht 
werde**.  Ganz  früh  schon  waren  die  schlesischen 
Fürstentage  auf  den  Gedanken  gekomtoen,  gegen  das 
Fortlaufen  des  Gesindes  üis  Ausland  durdh  Zwang  zur 
Zeugnbvorlage  bei  der  Mietung  vorzugehen.  1553  er- 
hielt der  Kaiser  ein  Gesuch  um'  Erlassung*  eines  Ediktes, 
„dass  in  den  benachbarten,  der  Krone  Böhmen  einver- 
leibten Ländern  kein  Dienstbote  als  Untertan  aufgenom- 
men werde,  der  nicht  ein  Abgangszeugnis  vorlegen 
könne"').  Ein  Fürstentagsbeschluß  von  1558*)  verbot, 
Gesinde  ohne  Attest  über  das'  redliche  Ausdienen  bei 
der  früheren  Herrschaft  in  neuen  Dienst  zu  nehmen.  1565 
wurden  auch  Strafen  festgesetzt.  Aber  die  Behörden 
schritten  nicht  ein,  vor  allem  nicht  auf  denn  Lande.  Spä- 
ter, 1723,  erging  wieder  ein  Patent  vor  allem  gegen  das 
Mieten  von  Gesinde'  ohne  Informationen  über  das  frühere 
Verhalten  mit  recht  empfindlichen  Geldstrafen*). 

Die   besondere  Entwicklung  des   Gesinderechtes   in 

*)  Lennhoff  S.  47fr.  —  ')  Hedemann  S.  197.  —  •)  Frauen- 
städt  S.  877.  —  *)  Ebenda  S.  879.  —  *)  Ebenda  S.  885. 


—    881     — 

den  Ländern  des  Zwangsdienstes  erforderte  noch, 
eine  eigene  Art  von  Abgangszeugnissen.  Wenn  in  der 
Oberlausitz  eine  Herrschaft  ihrem  Untertanenkinde 
vergönnen  wollte,  daß  es  iimliegendes  Land  besuche,  „et- 
was zu  besehen  oder  zu  belernen**,  dann  mußte  sie  einen 
,,Gunstzetter*  ausstellen.  Wer  Gesinde  ohne  Gunstbrief 
mietete,  es  aufnahin'  xmd  auf  Begehren  der  rec'hten  Herr- 
schaft nicht  herausgab,  der  mußte  eine  Geldbuße  geben  ^). 
Ähnliches  wurde  in  Pommern  1670  geschaffen^).  Der 
Herr  des  Zwangsgesindes  erteilte  die  Erlaubnis  zum  Abzüge 
in  fremde  Dienste  oder  ins  Handwerk  imimer  nur  für 
eine  bestimmte  Frist.  Der  abziehende  Dienstpflichtige 
mußte  sich  eidlich  oder  durch  „genügsame  Kaution"  ver- 
pflichten, nach  Ablauf  dieses  „Urlaubes"  wieder  zurück- 
zukehren, keinen  Falles  sich  irgendwo  „häusslich  setzen 
zu  wollen".  Über  all  dieses  stellt  die  Obrigkeit  dem  Un- 
tertanen einen  Schein  aus,  ohne  den  die  Vermietung  an 
dritte  Personen  gänzlich  verboten  ist.  Aus  dem  Westen 
sei  die  Bestimmung  der  dlever  Gesindeordnung  von 
1753^)  erwähnt,  daß  ein  Zeugnis  von  der  Gerichtsobrig- 
keit beigebracht  werden  muß  „sonderlich  in  dem'  Falle, 
wenn  die  Kinder  der  Unterthanen  derselben  zuforderst 
ru  dienen  schuldig  sind". 

Zum  Schlüsse  sei  noch  aus  dem«  18.  Jhdt.  ein  Zeugnis 
dem  Wortlaut  nach  mitgeteilt.  Es  kritisiert  schon  vor- 
nelunlich  das  Betragen  des  Dieners,  spricht  aber  auch 
über  <iie  Gründe  der  Dienstauflösimg.  Man  kann  in  ihm 
also  den  Typus  eines  Zeugnisses  aus  jener  Zeit  .sehen,  da 
der  ursprüngliche  Zweck  der  Abgangszeugnisse  gerade 
dem  Bewußtsein  verloren  gegangen  war.  Das  den  oft 
genannten  loshäuser  Registern *)  entnomlniene  Zeugnis 
lautet :  „Vorzeiger  dieses  Johannes  Haussen,  von  Buchenaw 


»)KnotheS.282,  283.  -  «)  Hedemann  S.  186.  -  »)  Scotti, 
Cleve  S.  1452.  —  *)  St  A.  Marburg. 

Konnecko.  gg 


-     882    — 

.  .  .  bürtigr,  ist  medio  July  des  vorigen  1734ten  Jahrs,  alss 
Jäger  bey  mir  in  Dienste  gekomimen  und  hat  biss  hier- 
hinn  Ein  völliges  Jahr  in  Solchem  Dienst  gestanden,  In 
währender  Zeit  aber  sich  treu  und  f leissig  auff  der  Jagdt, 
und  dass  er  in  solcher  prof  ession  und  darbey  im  Schiessen 
wohlerfahren  und  gesChicket,  bezeiget.  Nachdemb  ich 
Ihn  aber  länger  in  Diensten  nicht  behalten  können,  son- 
dern Ihme  seine  Dimission  geben  müssen,  so  habe  obi- 
ges hiedurch  mit  Eigenhändiger  Unterschrifft  und  vor- 
gedrüdktem  meinem  Pettschaft  Attestiren  wollen.  So  ge- 
sehen Losshausen  den  16.  Julij  1735.**^) 


Anhang. 

$  17.    1.  Das  besondere  Recht  der  Mfillerknechte  und 

Hirten  in  Hessen. 

Daß  sidh  dem  Gesinde  keine  universellen,  für  sämt- 
liche Haushalte  eines  Landes  in  gleichem  Maße  gültige 
Verhaltensvorsdhrif ten  geben  lassen,  wurde  oben  *)  als  eins 
der  bedeutsamsten  Kennzeichien  des  Gesindeverhältnisses 
genannt.  Diese  Regel  erfährt  diwch  einige  Ausnahmen 
ihre  volle,  ausdrückliche  Bestätigung.  Einmal:  Für  den 
Einzelhaushalt  ist  es  durchaus  leichter  möglich,  dem«  Ge- 
sinde Einzelvorschriften  zu  machen,  nicht  bloß  in  jedem 
besonderen  Falle,  sondern  gerade  von  vornherein  für  die 
vorausgesehenen  Möglichkeiten  insgesamt ;  Beweis  dafür : 
die    Hofordmuigen,   die  Gesindeordnungen   der  Klöster. 

*)  Vom  gegenwärtigen  Zt^ugnisrecht  (nach  BGB,  Gewerbeord- 
nung und  preussischer  Gesindeordnung)  handelt  neuestens  Robert 
Moll  mann,  Das  Dienstzeugnis,  Berlin  (Vahlen)  1911.  Wo  es  zum 
gegenwartigen  Recht  Darstellungen  dieser  Erscheinung  bisher  nur 
für  das  Gesindewesen  gibt  (in  den  Werken  Kählers,  SQsskinds  usw.), 
ist  der  die  verschiedene  Rechtsgebiete  unter  einheitlichem  Gesichts- 
punkte zusammenfassende  Bericht  Mollmanns  ausserordentlich  lehrreich. 
-  «)  S.  247  (§  1),  500  (§  6). 


—    883    — 

Ferner  läßt  sidi  dem  Gesinde  mit  beschränktem  Arbeits- 
gebiet auch  über  deai  Kreis  des  Sonderbetriebes  hinaus, 
für  mehrere  oder  alle  derartige  Dienstboten  in  einem- 
Lande,  Recht  und  Pflicht  eingehender  statuieren,  als  es 
bei  den  gewöhnlichen  Gesindeleuten  der  Fall  ist.  Zu  dieser 
zweiten  Art  gehören  die  Müllerknechte  und  die  fast  stets 
zum  Gesinde  gezählten  Hirten ^  einerlei  ob  sie  von  Privaten 
oder  von  einem  öffentlichen  Verbände  angestellt  sind. 

Es  würde  aus  dem  Rahmen  dieser  Arbeit  heraus- 
fallen, wenn  hier  eine  eingehende  Darlegung  der  Ent- 
wicklung für  das  Hirten-  und  Müller-Gesinderecht  ge- 
geben würde,  insbesondere  für  das  außerhessische 
Deutschland.  Es  handelt  sich  um  bedeutsamfe  Sonder- 
klassen der  Dienenden,  deren  jede  beanspruchen  könnte, 
mit  annähernd  gleicher  Ausführlichkeit  behandelt  zu  wer- 
den, wie  hier  mit  dem'  Gesinde  im  allgemeinen  verfah- 
ren wurde.  Für  die  verfolgten  Zwecke  genügt  die  Festle- 
gung der  leitenden  Gesidhtspimkte  unter  Bezugnahme  auf 
die  nächstliegende,  die  hessische  Rechtsentwicklung; 
mehr  ins  Einzelne  gehende  Darstellung  mag  späteren  For- 
schungen vorbehalten  sein*). 

Die  Quellen  des  hessischen  Mühlknechts-Rechtes  sind 
vornehmlich  die  großen  Mühlenordnungen  für  die  herr- 
schaftlichen Mühlen  vom  1.  Januar  1615*),  11.  Sep- 
tember 1677  für  Marburg  3),  15.  Dezember  1722  für 
Cassel*).  Satzungen  des  Gesinderechts  für  die  privaten 
Mühlen  waren  in  solcher  Häufigkeit  nicht  festzustellen; 
die  einzige  maßgebende  Rechtsquelle  ist  hier  die  am*  22. 
Februar  1753  erlassene  Mühlordmmg  *),  die  unter  Aus- 
bau des  bisherigen,  für  die  herrschaftlichen  Mühlen  gel- 
tenden Gesinderechts  Vorschriften  für  herrschaftliche  und 
private  Mühlen  bringt. 

^)  Vgl.  im  allgemeinen  Joh.  Gottlob  Klingner,  Sammlungen  zum 
Dorf-  und  Baurenrechte  II  S.  199  flF.,  IV  S.  861  ff.  —  •)  LO.  I  S.  MO.  — 
•)  LO.  III  S.  90.  -  *)  Ebenda  S.  897.  —  »)  LO.  V  S.  61. 

66* 


—    884    — 

Grundlegend  für  das  gesamte  spätere  Recht  ist  die 
Ordnung  von  1615,  die  sieben  Jähret  vor  der  ersten  Kodifi- 
kation des  allgemeinen  Gesinderechts  entstand.  Die  fer- 
neren Mühlenordnungen  bringen  in  ihrem  Gesinderecht 
keine  wesentlichen  Abweichimgen  von  ihr.  Deshalb 
braucht  hier  nur  eine  ausführliche  Inhaltsangabe  der  Ord- 
nung gegeben  zu  werden,  sowedt  sie  die  Rechtsverhält- 
nisse zwischen  dem  Mühlmieister  imd  seinen  Knechten 
und  Jungen  ins  Klare  bringt. 

Die  Ordnimg  zerfällt  in  zehn  Abschnitte,  von  denen 
zwei  kurze  für  das  Rec'ht  der  Mühlknechte,  nicht  in  Be- 
tracht kommen,  nämlich  der  erste  über  den  Oberaufseher 
imd  der  neunte  („Keine  Frudht  aus  der  Stadt  zu  führen*'). 

Im  zweiten  Abschnitt  („Von  Molter  imd  .Mahlen") 
sind  Lohnbestimmungen  für  die  Knechte  enthalten,  die 
durch  Abgaben  von  drei  Hellern  bis  vier  Albus  für  die 
gemahlenen   Früchte  bezahlt  werden. 

Nichts  Wichtiges  für  das  Gesinderecht  gibt  der  dritte 
Abschnitt,  der  Verhaltungsmaßregeln  für  Mühlenschrei- 
ber, Mühlenwäger  und  Mühlendien«:  bringt.  Den  Müh- 
lenschreibem  wird  die  besondere  Aiif sieht  über  die  Hal- 
tung der  Ordnung  anbefohlen.  Die  Mühlendiener  gehören 
nidht  zum  Gesinde;  es  sind  Unter bea mite,  die  mit  der 
technischen   Arbeit   nichts   zu   tun   haben. 

Die  wichtigste  Stellung  hat  der  Mühlenmeister,  dem 
im  vierten  Abschnitt  sein  Recht  gesetzt  wird.  Der  Mühl- 
meister soll  auf  das  Schließwerk  achten,  die  Behandlung 
der  Mühlsteine  beaufsichtigen;  er  muß  nachts  in  der 
Mühle  bleiben  imd  darf  in  dieser  Zeit  keinen  Knecht 
und  keinen  Fremden  hereinlassen.  Der  Mühlenmeister 
verteilt  die  Frucht  xmter  die  Mühlenknechte  und  hat  dar- 
über zu  wachen,  daß  in  der  Reihenfolge,  wie  die  Frucht 
eingebracht  wurde,  die  Mahltmg  erfolgt,  daß  kein  Mahl- 
gast vorgezogen  wird.  Ferner  mag  der  Meister  darauf 
sehen,  daß  er  jiur  tüchtige  Knechte  annimimt,  die  schlech- 


—    875     - 

nigfaltigen  Mängel  im  Gesindewesen  darstellen.  Hat  ein 
Dienstbote  nicht  Zeugnis  des  Vaterlandes,  der  Eltern, 
der  Religion,  des  letzten  Aufenthaltes  und  seines  bisheri- 
gen guten  Aufführens,  dann  darf  niemand  ihn  aufnehnnen, 
sondern  er  wird  als  verdächtiger  Vagabund  fortgewiesen. 
Dienstherrschaften,  die  dieses  Gebot  nicht  beachten,  kön- 
nen keinen  Rechtsschutz  gegenüber  den  Dienstboten  bei 
Untreuefällen  erwarten  und  werden  dazu  „als  Verächter 
herrschaftlicher  Gebote  und  Verbote"  bestraft. 

Das  fränkische  Recht  ist  hier  nicht  ergiebig.  In 
Nürnberg  scheinen  1741  ^)  Zeugnisse  nur  für  das  Ver- 
halten der  Dienstboten  im  Dienste  eingeführt  worden  zu 
sein.  Die  ansbadhische  Gesindeordnimg  von  1769*) 
zeichnet  sich  dadtu'ch  aus,  daJ3  sie  endlich  in  gerechter 
Weise  die  beiden  Fälle  einander  gleichstellt,  ob  die  Herr- 
schaft das  Zeugnis  fälschlicher  Wedse  m  gimsten  oder 
zu  schaden  des  Dienstboten  ausstellt.  Während  im  bis- 
herigen Recht  eine  Herrschaft  sich  nur  dann  strafbar 
und  ersatzpflichtig  machte,  wenn  sie  imwahre  Angaben 
über  vorgeblich  beim  Dienstboten  vorhandene  günstige 
Eigenschaften  machte,  wodurch  sich  der  folgende  Mieter 
täuschen  ließ,  so  soll  der  Dienstherr  jetzt  auch  exem- 
plarisch bestraft  werden,  wenn  er  „aus  Passion  oder  Feind- 
schaft" ein  zu  schlechtes  Zeugnis  schreibt. 

InAltbayern  wurden  1781  ^)  Zeugnisformulare  ein- 
geführt. Genau  imterschieden  sind  da  drei  Formulare: 
eines  der  „guten  Kundschaft",  weiter  der  „mittelmäßigen" 
und  der  „schlechten"  Aufführung.  Das  letzte  Zeugnis 
bekundet  nur  die  Dienstdauer  und  schweigt  über  Eigen- 
schaften. Die  Bearbeitung  der  1781er  Gesindeordnung 
für  die  Oberpfalz  von  1801*)  „abstrahiert"  wegen  ver- 
schiedener  gegenwärtiger  Anstände"   von  den  1781   ge- 

*)  K  a  m  a  n  n  S.  88.  — «)  Kr.  A.  Nürnberg.  S.  23  V  Nr.  779  Repert. 
233.  —  •)  Kr.  A  München.  AR.  Fasz.  459  Nr.  209;  M.  A.  Fasz.  1821 
Nr.  1165.  —  *)  Ebenda, 


—     876    — 

troffenen  Zeugtiisvorschriften.  Am  28.  Dezember  1801 
schienen  die  Hinderungen  behoben  211  sein.  Es  wurden 
von  Amberg  aus  die  1781  über  die  Zeugnisse  getroffenen 
Anordnungen  eingeschärft ;  auf  dem  Lande  sollen  die  Pfar- 
rer die  Zeugnisse  nach  Angaben  der  Dienstherren  unent- 
geltlich fertigen^).  Für  das  ganze  Land  wurde  1805  er- 
neut auf  das  Zeugniswesen  hingewiesen  und  eine  jährliche 
Revision  der  Zeugnisse  angeordnet*).  Ein  1772  in  Pf  alz- 
Zweibrücken  erlassenes  Reskript*)  forderte  allge- 
meine Lebenswandelszeugnisse  für  Dienstboten  und  Tage- 
löhner. 

Argen  polizeilichen  Geist  geben  die  beiden  neueren 
Gesindeordnungen  Badens  kund.  Die  von  Österreich 
aus  erlassene  Ordnung  der  Stadt  Freiburg  von  1782*) 
fordert  eine  sehr  genaue  Darlegtuig  der  Eigenschaften 
eines  Dienstboten.  Mietung  ist  nur  noch  mit  Zeugnis  ge- 
stattet, bei  fünf  Gulden  Strafe  der  Herrschaft,  acht  Ta- 
gen Spinnhausstrafe  des  Gesindes.  Beim  Scheiden  muß 
die  Herrschaft  das  Zeugnis,  das  bei  ihrem  Weigern  übri- 
gens von  der  Polizei  ersetzt  werden  kann,  acht  Tage  vor 
Austritt  dem  Bezirkskommissar  übersenden;  von  diesem 
wird  es  beglaubigt.  Wenn  einem  Dienstboten  nun  dritten 
Mal  dieselben  Fehler  bescheinigt  werden,  dann  rückt  der 
Kommissar  eine  Wamimg  für  die  mietende  Herrschaft 
in  das  Zeugnis.  Nicht  ganz  diesem  Reglementierungsgeist 
ergeben  ist  die  Gesindeordnung  von  1809*).  Sie  ver- 
langt zwei  Papiere :  einen  Entlassungsschein  und  ein  Ver- 
haltenszeugnis. Wichtig  sind  lediglich  die  beiden  statu- 
ierten Haftungen.  Die  Herrschaft,  die  ohne  Entlassungs- 
schein mietet,  haftet  dem)  früheren  Dienstherm  für  den 
durch  etwaigen  Vertragsbruch  erlittenen  Schaden.   Wei- 


*)  Döllingers  Gesetzsammlung  XIII  P.  II  S.  1332.  —  •)  Ebenda 
S.  1383.  —  •)  Kr.  A.  Speier.  Best.  ZweibrOcken  III  Rep.  24  Nr.  18451 
Blatt  55.  —  *)  Gen,  L.  A.  Karlsruhe.  Baden  Gen.  6391.  —  *)  Landesarchiv 
Karlsruhe.  Prov.  Niederrhein.  Ges.-Polizei  B  Nr.  1.  1755-1809.  (IV  2), 


—    877    — 

ter  ist  die  Herrschaft  andern  für  den  Schaden  verant- 
wortlich, den  diese  durch  falsche  Zeiigniserteilung  erled- 
den.  Und  zwar  kann  auch  der  .Dienstbote,  dem  edn  zu 
schlechtes  Zeugnis  gegeben  ist,  sich  an  die  Herrschaft 
halten,  nicht  besteht  die  Haftung  wie  nach  früheren  Rech- 
ten nur  gegenüber  neuesn  Mietern,  die  dxirch  zu  günstige 
Zeugniserteilung  hinters  Licht  geführt  sind. 

Ganz  in  der  eben  geschilderten  Art  der  bayerischen 
Gesindeordnung  von  1781  wird  auch  in  der  österreichi- 
schen Ordnung  von  1779^)  ein  vorgedrucktes  Formu- 
lar für  die  drei  Sorten  von  Zeugnissen :  gut,  mittel,  schlecht 
gegeben.  Die  Pflicht  zur  Zeugniserteilung  und  zur  Mie- 
tung nur  mit  Zeugnissen  wird  in  der  herkömimlichen  Weise 
durch  Strafmittel  verstärkt. 

Zum  Abschluß  der  Darstellxmg  des  Einzelzeugnis- 
rechtes sei  hier  ein  Bericht  über  das  Recht  Sachsen- 
Weimars  zu  Beginn  des  19.  Jhdts.  mitgeteilt*).  Ähn- 
lich wie  1628  in  Nürnberg*),  wird  in  Jena  1804,  in  Wei- 
mar 1805*)  ein  Examen  der  Dienstboten  vor  der  Polizei 
angeordnet.  Wenn. diese  aus  den  Pässen  und  den  früheren 
Zeugnissen  des  Dienstboten  festgestellt,  daß  eine  An- 
stellung als  Dienstbote  zuzulassen  sei,  dann  erhält  der 
Bewerber  einen  Mietsc^hein,  dahin  lautend,  daß  die 
vom  Dienstboten  vorgewiesenen  Attestate  die  „Dienst- 
fähigkeit** ergeben  haben,  imd  daß  es  dem  Inhaber  er- 
laubt sei,  einen  Dienst  zu  suchen.  Ohne  solchen  Miet- 
schein darf  kein  Dienstbote  gemietet  werden;  zehn  Tha- 
ler Strafe  kostet  es  eine  zuwiderhandelnde  Herrschaft. 
Den  Schein  erhält  die  Herrschaft,  während  die  sonstigen 
Zeugnisse  bei  der  Polizei  bleiben,  von  wo  sie  sich  später- 
hin  der   Dienstbote  gegen   Rückgabe  des   Mietscheines 


*)  Kr.  A.  Mönchen.  GR.  Fasz.  402  Nr.  2.  -  *)  Hessisches  und 
badisches  Recht  des  frOhen  19.  Jhdts.  wurde  im  Zusammenhang  des 
verwandten  früheren  Rechts  oben  S.  874,  876  f.  mitgeteilt.  —  •)  Oben 
S.  867.  —  *)  Joh.  Seh  midt,  Gesetze  f.  Weimar  IX  S.  406,  XI  S.  184. 


-     878     - 

wiedergeben  lassen  kann,  wenn  er  von  dem  Orte  weg 
geht.  Wechselt  der  Dienst,  dann  muß  die  alte  Herr- 
scliaft  dem  neuen  Mieter  den  Mietschein  aushändigen. 
Muß  der  Dienstbote  aus  erheblichen  Gründen  vor  der  Zeit 
aus  dem  Dienste  geschickt  werden,  oder  hat  er  noch 
kein  Zeugnis  des  Wohlverhaltens  verdient,  dann  muß  die 
Herrschaft  den  Mietschein  mit  den  nötigen  Mitteilungen 
an  die  Polizei  schicken,  „die;  alsdann  entscheiden  wird, 
ob  dem  Gesinde  die  deponirten  Attestate  zurückgegeben 
werden  können  oder  nicht".  Es  gibt  außerdem  noch  eine 
Gesindetabelle,  in  die  sich  das  Gesinde  beim  Dienstan- 
tritt eintragen,  beim  Austritte  löschen  lassen  muß. 

Die  2^eugnisse  wurden  früher  auf  einzelne  Stücke  Pa- 
pier geschrieben,  jedes  für  sich^).  Nur  ein  geringer  Ge- 
dankensprung führt  dazu,  die  einzelnen  Zeugnisse  künf- 
tig aneinander  zu  reihen.  In  einem  Zeugnis b ü ch- 
lein  hat  der  neue  Mieter  und  ebenso  der  Polizist  be- 
quemere Übersicht  über  die  verschiedenen  Dienste,  die 
Häufigkeit  des  Dienstwechsels,  das  Betragen,  die  Endi- 
gungsgründe.  Dadurch  ist  ferner  die  Möglichkeit,  ein 
ungünstiges  Zeugnis  zu  vernichten,  erschwert ;  der  Dienst- 
bote müßte  schon  das  gianze  Büchlein  verschwinden  las- 
sen, da  das  Herausreißen  einzelner  Blätter  zu  leicht  ent- 
deckt werden  würde.  Wenn  er  sich  dann  ohne  alle  Zeug- 
nisse   vermieten  wollte,    würde  er  Verdacht   wachrufen. 

Der  Gedanke,  diu'ch  Sammlimg  der  verschiexienen 
Zeugnisse  in  einem  Buche  den  Vertragsbruch  zu  er- 
schweren, auf  eine  gute  Führung  der  Dienstboten  im 
Dienste  hinzuwirken,  entspricht  durchaus  der  Erfindungs- 
kunst der  Polizeigesetzgebear.  Imtnierhin  setzt  die  Durch- 
führung eine  vorhergegangene  Ausbildung  des  einfacheren 
Zeugniswesens  voraus.  So  stellt  sich  das  Gesindebuch 
als  eine  Schöpfung  erst  des  19.  Jhdts.  dar.    Einige  An- 


^)  Ein  Beispiel  aus  dem  18.  Jhdt.  ist  unten  S.  881  f.  mitgeteilt. 


—    879    — 

salze  kominen  ja  schon  in  früherer  Zeit  vor.  Die  oben  ^) 
behandelten  Lohnbücher  kann  man  als  solche  auffassen, 
insbesondere  gilt  das  von  dem  dort  angefühSrteai  Würz- 
burger Entwtirf  von  1723. 

Im  19.  Jhidt.  dranjg*  der  Gedanke  unter  Einfluß  des 
französischen  Rechtes  zuerst  in  Düsseldorf  durch.  Die 
Gesindeordntm^  von  1809  ^)  führte  ein  Büchlein  ein,  das 
bei  Annahme  oder  Veränderung  eines  Dienstes  auf  dem^ 
polizeilichen  G^indebureau  zu  besorgen  war;  dort  wurde 
das  Nötige  eingetragen.  Die  Herrschaft  mtißte  das  Zeug- 
nis ins  Büchlein  geben;  glaubte  sie,  dies  wegen  grober 
Vergehen  des  Dienstboten  verweigern  zu  müssen,  dann 
mußte  sie  das  entweder  auf  dem  Bureau  anzeigen  oder 
das  schlechte  Zeugnis  hinschicken  und  die  behaupteten 
Schlechtigkeiten  beweisen.  Die  Polizei  trug  dies  in  die 
Gesindeliste,  die  sie  führte,  imd  ins  Büchlein  ein.  Der 
Einfluß  Frankreichs  offenbart  sich  noch  mehr  in  demi 
Dekret  vom  10.  Juli  1810^),  durch  das  der  Präfekt  des 
Rheindepartementes  allgemein  die  Einführung  der  in  kai; 
serlichem  Dekrete  vorgeschriebenen  Kimdschaftsbüchlein 
für  die  in  Arbeit  stehenden  imd  redsenden  Handwerksge- 
sellen, Knechte  und  andere  Arbeiter  verfügt.  Demnächst 
führte  Bayern  wohl  zuerst  1817*),  dann  Nassau  und 
Nürnberg®)  1819,  Frankfurt  1822  Gesindebücher 
ein.  Hessen  folgte  1825®),  dagegen  Preußen  lerst 
1846  7). 

Daß  sich  der  deutsche  Osten  die  Gele^renheit,  das 
Gesinde  mit  Hilfe  der  Zeugnisse  zu  reglemtentieren,  ent- 
gehen gelassen  hätte,  ist  von  vorne  herein  nicht  anzuneh- 
men.  In  der  Tat  haben  denn  auch  Brandenburg  und 


»)  S.  eOlflf.  —  «)  Scotti,  Jülich  S.  1252.  -  »)  Ebenda  S.  1361. 
-  *)  Döllingers  Gesetzsammlung  XIII  F.  II  S.  1888.  —  »)  Kamann 
a  89.  —  •)  Oben  S.  159.  —  »)  Hue  de  Grais,  Handbuch  VII  S.  505; 
dort  auch  die  Belege  fnr  Nassau  und  Frankfuit. 


—    890    — 

betra^ren"  und  ohne  Betteln  bestehen  mögen.  Daß  der 
Lohn  wohl  regelmäßig  kärglich  war,  zeigen  ednige  weitere 
Bestimmtingen  des  genannten  Gesetzes:  „Nadhdem  auch 
die  Kühe-,  Schwein-  imd  Ziegenhirten  jhre  Jimgen,  wenn 
sie  nadher  Hauss  treiben,  täglich  den  Leuthen  vor  die 
Thür  schicken,  unnd  Betteln  lassen,  sie  selbsten  auch 
denjenigen,  welche  Vieh  halten  über  den  jhnen  gesetzten 
Lohn,  mit  abforderung  heiligen  Abendt,  Brätgen,  tmnd 
was  'der  Exactionen  mehr  seind,  fast  Beschwerlich  seynd: 
So  sol  dasselbe  allerdings  hiermit  abgeschafft,  und  den 
Hirten  tmd  jhren  Jimgen  solches  Bettelens  und  forderps. 
oder  heischens,  sich  allerdings  zu  enthalten,  gebotten  und 
aufferlegt  werden."  Weiter  wird  den  Hirten  untersagt, 
sich  einen  „Weh nen heller"  zu  nehmen  von  andern 
Tieren  als  den  erstmals  zur  Herde  getriebenen.  Das  Ver- 
bot, besondere  Geschenke  zu  nehmen,  steht  auch  in  §13 
der  Hirtenordnung  von  1828.  Daß  in  der  Zusammen- 
setzung des  Lohnes  zu  allen  Zeiten  die  Naturalien  eine 
Rolle  spielten,  ergibt  eine  Stelle  in  Emerichs  f  ranken- 
berge r  Recht  über  die  Eichelmast  von  1483  *) ;  jeder  der 
beiden  Schweinehirten  erhielt  drei  Pfund  Geldes  sowie 
Schuhe  und  Kost.  Und  die  Hirtenordnung  von  1828 -) 
verbietet  den  Hirten  zwar,  mehr  als  zwei  eigene  Schafe 
in  der  Herde  zu  halten^),  gestattet  aber  den  Schafeigen- 
tümem,  den  Schäfern  statt  Lohnes  einen  Anteil  an  der 
ganzen  Herde  zu  geben. 

Den  Hirtenlohn  zahlen  regelmäßig  die  schaf- 
haltenden Gemeindeglieder.  Nur  in  einer  f  uldi- 
schen  Polizeiverfügung  für  die  Gemeinde  Schieid  vom- 
20.  Juni  1791  *)  wird  der  Fall  erwähnt,  daß  die  Gemeinde 
als  solche  den  Lohn  gibt;  dann  darf  das  Geld  der  ge- 
meinen Kasse  entnomanen  werden,  ohne  daß  aber  dem 

*)  Schmincke,  Monimenta  S.  702;  oben  S.  47.  —  *)  §  15.  - 
•)  Näheres  hierüber  unten  S.  894  f.  —  *)  Sammlung  der  cass.  Regierung 
Bd.  9. 


-     891     - 

Hirten,  wie  es  scheint,  sein  Anspruch  auf  die  besondere 
Pf  irchabgabe  der  Schafhalter  („Hirtenschutt")  genommen 
werden  soll. 

Soweit  idie  Zahlungspf  Höht  der  Schaf eigen- 
t  ü  m  e  r  gesetzlich  normiert  ist,  werden  diesfe  bisweilen  aus- 
<irücklich  an  ihre  Obliegenheit  gemahnt.    Der  Sachsen- 
spiegel^) befiehlt:    „Swo  man  aber  deme  hirten  Ion  ge- 
lobet von  der  htive,  daz  Ion  muz  niemian  enthelden  (vor- 
enthalten), durch  daz,  daz  daz  dorf  nicht  hirtelos  en  blibe**. 
Ja,  der  Schwabenspiegel  geht  so  weit,  den  Eigentümern 
der  schäfereipflichtigen   Hufen  Entrichtimg  des   Hirten- 
lohnes aufzugeben,  auc'h  wenn  jene  Eigentümer  Schafe 
überhaupt  nicht  besitzen.  Auch  späterhin  ist  die  Idee  des 
Gemeinwohles,   daß   das   Dorf  nicht   hirtenlos  sei,   wohl 
das   bestimmende  Moment  für  besonders  scharfe  Lohn- 
vorschriften.   So  wenn  es  in  der  isenburger  Rügord- 
nung  von  1766  heißt:    „Wer  denen  Schulmeistern,  Hir- 
then  und  Schüzen^)  ihren  Lohn  hinterhält,  soll  zur  Rüg 
gebracht  und  in  die  Frevel  erkant  werden.** 

Schwierigkeiten  in  der  Entlohnung  der  gemeinsamen 
Hirten  mußten  entstehen,  wenn  einzelne  Gemleindeglieder 
ihr  Vieh  nicht  dem  Hirten  zutrieben,  sondern  privatim) 
hüten  ließen  und  daher  zu  dem  Hirtenlohn  nicht 
beitragen  wollten.  Da  vornehmlich  die  reichen  Vieh- 
besitzer sich  einen  eigenen  Hirten  halten  können,  so  würde 
der  Hirte  auf  diese  Weise  nur  auf  den  Lohn  angewiesen 
sein,  den  die  weniger  begüterten  Gemeindeangehörigen 
ihm  zahlen  mußten.  Man  betrachtete  daher  das  Recht, 
einen  Sonderhirten  zu  halten,  als  ein  seltenes,  ntu*  bevor- 
zugten Gemeindeangehörigen,  insbesondere  denn  Guts- 
herrn zustehendes  Privileg  und  versuchte  im  übrigen, 
durch  strenge  Vorschriften  zu  bewirken,  daß  dem  Hirten 
kein  Vieh  entzogen  wurde. 

Daher  bestimmen  schon  die  Spiegel^):    „Niemian 

')  II  54;  Schwabenspiegel  213.  —  *)  Bedeutet  Flurschützen,  Feld- 
hüter. —  •)  Ssp,  II  54;  Schwsp.  213. 


\ 


—     892     - 

en  muz  euch  sunderlichen  hirten  habn,  dar  her  deme  ge- 
meinen hirten  sin  Ion  miete  geminnere,  her  en  habe  dn 
huve  oder  mere,  die  sin  eigen  oder  len  sin;  der  mas 
wol  sunderliche  schapheherte  habn."  Nach  dem  Schwd- 
benspiegel  dürfen  auch  Herren,  denen  eigene  Wiesen  ge- 
hören, sowie  Gotteshäuser  sich  besondere  Hirten  halteo. 
Ein  Weistum  rum'  born heimer  Berge  (bei  Frankfun; 
von  1303*)  verbietet  die  Haltimg"  eigener  Hirten  durch. 
Privatleute.  Nach  einem  altenhaslauer  Weistum  von 
1354  *)  durften  sich  die  Pfarrer,  nach  einem  solchen  vcki 
1469  ^)  „gesessene"  Ritter,  die  „baulich  in  dem  Gerichte'' 
sitzen,  sowie  gesessene  Pfarrer  besondere  Hirten  bestel- 
len. Nur  dem  fulder  Abt  gesteht  ein  Weistum-  der  f  u  1  d er 
Mark  von  1434*)  das  Vorrecht  zu*).  Weiter  schreiben 
die  Spiegel  und  spätere  Gesetze*)  vor,  daß  alles  Viek 
das  nicht  aus  jenen  angeführten  Gründen  befreit  ist,  un- 
bedingt dem  Hirten  vorgetrieben  werden  muß.  Nur  „suw, 
die  verkilen  zit**  nehmen  die  Spiegel  aus.  Der  Schwaben- 
spiegel setzt  sogar  eine  Strafe  fest:  „Swer  sin  vihe  iribet 
ajiderswar  danne  fiiu:  den  rechten  hirten,  der  sol  dem 
hirten  sinen  vollen  Ion  geben  und  dem  rihter  sechs  Pfen- 
ninge.** Auch  die  schaumburger  Polizeiordnung  und  die 
Grebenordnung  drohen  harte  Strafe  an;  jene  gestattet 
sogar  Pfändung  des  frei  laufenden,  nicht  dem  Hirten  zuge- 
triebenen Viehes,  ja  Beschlagnahme  zu  gunsten  der  Ge- 
meinde  nach   mehrfacher  Wiederholung  der   Tat.     Die 


»)  Grimm,  Weistümer  III  8.481  ff.,  bes.  484,  482.  —  »)  Ebenda 
S.  410  ff.,  bes.  413.  —  »)  Ebenda  3.415  ff.,  bes.  417,  418.  —  *)  Ebenda 
V  S.  822  ff.,  bes.  824;  Über  hessen-darmstadtisches  Recht  s.  ebenda  III 
S.  486,  489,  449,  456,  457.  —  »)  Vgl.  auch  Hütteroth,  Die  Reinhards- 
walddörfer  Holzhausen,  Knickhagen,  Wilhelmshausen  in  der  Vergangen- 
heit und  Gegenwart  (Cassel  1911)  S.  125  f.  —  *)  Ssp.  II  54,  Schwsp. 
218;  femer  schaumburger  Polizeiordnung  1615,  Kap.  88,  89  (Rottmann 
S.  851,  852),  hess.  Ausschreiben  18.  September  1786  (LO.  IV  S.  413  ff., 
bes.  415);  Grebenordnung  1739  (ebenda  S.  608  ff.,  bes.  688);  isenb.  Ver- 
ordnung 14.  Mai  1760  (Sammlung  Langenselbold). 


—    893    — 

hessische  Hirtenordnung'  von  1828^)  dagegen  verzichtet 
im  Grundsat25e  auf  die  Verfolgung  des  genossenschaft- 
lichen Gedankens.  Wer  sedn  Vieh  nicht  vor  den  Hirten 
treiben  will,  der  darf  es  unter  Beobachtung  bestimmter 
Vorsichtsmaßregeln  auf  eigenean»  Grund  und  Boden  hüten, 
allerdings  nicht  auf  gemeinen  Rasen,  fremden  Grund- 
stücken und  in  Waldungen.  Die  Ausnahme,  die  die  Ein- 
führung der  Stallfütterung  forderte,  läßt  auöh  die 
Hirtenordnung  ru:  Wo  die  Stallfütterung  eingeführt  ist, 
braucht  Hirtenlohn  nur  für  die  Zuchtzeit,  während  der 
die  gemeinsame  Heorde  benutzt  wird,  zu.  bezahlen;  die 
Abgaben  für  das  Zuchtvieh  muß  natürlich  jeder  entrich- 
ten. Wegen  der  Stallfütterung  war  in  Fulda  schon  am 
20.  Juni  1791  eine  Polizeiverfügiuig  ergangen^).  Auch 
hier  waren  derartige  Viehhalter  von  dem  „HirtensChutt  *) 
befreit,  jedoch'  waren  auch  sie  in  der  privaten  Hütung 
des  Viehs  sehr  eingeschränkt*). 

Für  das  Verhältnis  des  Hirten  im  Dienst 
sind  wichtig  die  Vorschriften  über  die  Haftung  des 
Hirten  für  verschuldeten  Schaden.  Den  Grundsatz : 
„Swaz  der  hirte  binnen  siner  hüte  verluset,  daz  sol  her 
gelden",  arbeitet  der  Sachsenspiegel  (II  48,  54)^) 
des  näheren  aus.  Geraubtes  Vieh  braucht  der  Hirte  nicht 
zu  ersetzen,  wenn  er  das  Gerüfte  erhiebt.  Von  der  Haf- 
tung für  den  Sc'hiaden,  den  ein  Vieh  der  Herde  dem 
andern  antat,  sowie  von  der  Verantwortung  für  verwahr- 
lostes Vieh  kann  sich  der  Hirte  durch  Eid  unter  Umstän- 
den befreien*).  Das  f rankenberger  Recht  Eme- 
richs^)  läßt  den  Hirten  für  verwahrlostes  Vieh  sowie  für 


*)  §§  2,  9.  —  •)  Sammlung  der  cass.  Regierung  Bd.  9.  —  •)  Pfirch- 
gebühr;  Scherz,  Glossar  Sp.  1457.  —  *)  Dass  auch  Bergleute  ihr 
Vieh  gegen  Zahlung  des  Hirtenlohnes  vor  den  gemeinen  Hirten 
treiben  durften,  wurde  in  Hessen  am  16.  Mai  1679  angeordnet  (LO 
III  S.  116).  —  »)  Schwabenspiegel  218.  —  •)  Näheres  oben  S.  11,  18 
—  ')  Oben  S.  20  f. 


—    894     — 

den  tfaiwisc'hilling^  des  wegen  Fredlaufens  gepfändetCE 
Viehes  haften. 

Durch  mannigfache  Vorschriften  werden  dem  Hirtefi 
Strafen  für  den  Fall  der  kleinen  mit  denn  Berufe  zu- 
sammenhängenden Unredlichkeiten  angedroht 
Beim  Schafzählen,  beim  Wollenverkauf  imd  beim  Hütea 
im  Walde  können  Schäferdelikte  vorkommen. 

Die  Rentkamniierordnungen  von  1568  und  1682 't 
rügen  es,  daß  die  Schäfer  vor  dem  Sdhafzählen  einen 
Teil  der  Schafe  wegschicken,  damit  diese  beinn  Abzah- 
len  nicht  mitgerechnet  werden  xmd  auf  diese  Weise  we- 
niger Triftgeld  oder  Trif thämmiel  gegeben  tu,  werden  brau- 
chen. Die  Schäfer,  die  derartigen  Verhaltens  verdächtig 
scheinen,  sollen  unvermutet  noch  ein  zweites  Mal  resi- 
diert werden ;  die  bei  der  ersten  Abzählimg  unterschlage- 
nen Tiere  sind  zur  Strafe  verfallen.  Wohl  denselben 
Zweck,  wie  ihn  die  Rentkammjerordnimgen  hier  verfol- 
gen, hat  auch  eine  Bestimmung  der  Holzordnung  von 
1659  ^),  daß  die  Schweinehirten  angeben  sollen,  ob  fremde, 
bisher  noch  nicht  in  der  Herde  gewesene  Schweine  sich 
unter  der  Herde  befinden.  Das  Halten  eigener  Tiere 
in  der  Herde  ^)  wird  den  Hirten  wegen  der  Gefahr  beson- 
derer ungerechter  Bevorzugung  ihres  Eigentums  vor  den 
fremden  Tieren  untersagt,  das  gleichwohl  d&m  Verbote 
zuwider  gezogene  eigene  Vieh  für  verfallen  erklärt  in 
der  sChaumburger  Polizeiordnimg  von  1615*).  Die 
im  gleichen  Jahre  ergangene  schamn)biu:ger  Amts-  und 
Hausordnung  *)  ordnet  weniger  durchgreifend  nur  an,  daß 
die  Schäfer  ihre  eigenen  Schafe  gesondert  von  der  Herde 
scheren  müssen.  In  der  hessischen  Hirtenordnung  von 
1828^)  wird  das  Mittreiben  von  zwei  eigenen  Tieren  den 


»)  LO.  1  S.  388  ff.,  bes.  S40;  III  S.  184  ff,,  bes.  186.  —  *)  LO.  11 
S.  576 ff.,  bes.  588.  —  •)  Vgl.  auch  J.  H.  G.  v.  Justi,  Oeconomische 
Schriften  II  S.  179ff.  —  *)  Rot  tm  ann  S.351  (Kap.  88).  —  •)  Kersting, 
Sonderrechte  Sp.  1259  ff.,  bes.  1261.  —  •)  §  15;  oben  S.  890. 


—    895     — 

Hirten  bei  Erlaubnis  des  Herrn  der  Herde  gestattet.  Auch 
darf  den  Hirten  statt  Lohnes  ein  Anteil  an  der  gesamten 
Herde  gegebeai  werden,  aber  nie  so,  daß  einzelne,  be- 
stimmte Schafe  ausschließliches  Eigentum  der  Schäfer  sind. 
Mehrfach  wurde  der  Betrug,  den  die  Hirten  durch 
Verkauf  nasser  oder  sonst  schwer  gemachter  Wolle 
treiben,  mit  Strafe  bedroht.  Ausschreiben  und  Gesetze  vom 
29.    April   1630,   25.   April   1646,   4.   Mai   1658,   10.   Juni 
1721  ^)  verbieten  bei  Konfiskation,  die  Wolle  naß  oder 
schmutzig  oder  mit  zu  schweren  Binden  verschnürt  zu 
verkaxifen.  Nadh  der  Ordnilng  von  1721  sollen  die  Schäfer 
axich  nicht  aus  den  Vliesen  vor  dem  Verkauf  die  gute 
"Wolle  für  sich  ausreißen  imd  dadurch  die  Ware  entwerten ; 
sondern  sie  sollen  sich  dann  die  ganzen  Vliese  nehmen 
(doch  wohl   gegen   Bezahlung). 

Wo  Idie  Hirten,  besonders  zur  Mast,  in  Wälder  treiben, 
geraten  sie  oft  in  den  Verdacht,  daß  sie  Einverständnis 
mit  Wilderern  halten  oder  selber  wildem.   Daher  er- 
geht mehrfach  das  Gebot,  daß  vornehmlich  an  Orten  mit 
Waldhute  nur  treue,  ehrliche,  fromme  Hirten  angestellt 
werden  sollen,  die  einen  Eid  zu  leisten  haben,  daß  sie 
nicht  wildem  wollen*).   Daß  die  Hirten  jimges  Wild  tot- 
schlagen, wurde  noch  besonders  verboten  im  Wildbah- 
nenedikt vom  25.  Februar  1679  und  in  der  Jagdordnung 
vom  26.  November  1722*).    Um  die  Hirten  vor  Holz- 
freveln zu  bewahren,  verbot  ihnen  die  schaimiburger 
Polizeiordnung  von  1615*)  Äxte  oder  sonstige  zum  Holz- 
hauen  geeignete   Gegenstände  beim  Austreiben   mit   in 
die  Wälder  zu  nehmen ;  ein  Thaler  Strafe  imd  Einziehung 
des  verbotenen  Handwerkszeuges  waren  die  Folgen  der 
Übertretung. 


')  LO.  II  S.  63,  126  668;  III  S.  860  ff.,  bes.  862.  -  «)  Holzordnung 
1669,  Forstordnung  1682.  Ausschreiben  17.  Juni  1796  (LO.  II  S.  676  ff., 
bes.  589;  III  S.  2i6ff.,  bes.  284;  VII  S.  676).  -  •)  LO.  III  S.  107  ff., 
bes.  109;  S.  892ff.,  bes.  896.  —  *)  Rottmann  S.  229  (Kap. 


—    896     — 

Die  Tätigkeitspflichten  der  Hirten,  die  sich 
—  wie  mehrfach  hervorgehoben  —  im  einzelnen  leichter 
übersehen  und  kodifizieren  lassen  als  die  des  gewöhn- 
lichen Gesindes,  werden  in  einer  Fülle  von  Einzelbestim- 
mungen geregelt. 

Über  die  Art  der  H  ütung  schreibt  die  isenbur- 
g  e  r  Polizeiordnung  von  1690  ^)  vor,  daß  die  Hirten  fleißig 
sein  müssen;  sonst  werden  sie  gestraft.  Schon  mehr  ins 
Einzelne  gehend  ordnet  die  hessische  Hirtenordniing  von 
1828  (§  17)  an,  daß  die  Hirten  die  Tiere  „wachsam 
und  mit  Sorgfalt**  hüten,  Herde  imd  Himde  in  strenger 
Aufsicht  halten,  beim  Heimtreiben  einem  jeden  Eigen- 
tümer sein  Vieh  zukomimen  lassen,  für  Rettung  von  er- 
kranktem oder  verunglücktem'  Vieh  gebührend  sorgen 
sollen.  Zu  abgelegenen  Höfen  braucht  der  Hüte  das 
Vieh  jedoch  nicht  hinzuführen*).  Wo  es  zur  Verhütung 
von  Schaden  nötig  ist,  muß  das  Vieh  auf  der  Weide 
angebunden  werden  ^).  Das  Austreiben  mit  krankem  Vieh 
ist  verboten*).  Schon  die  Berührung  mit  kranken  Tieren 
bringt  nach  mehreren  alten  Ordnungen^)  die  Pflicht  für 
den  Hirten  mit  sich,  sich  ordentlich  zu  reinigen,  che  er 
wieder  mit  gesundem'  Vieh  zusammenkommt ;  krankes  und 
gesundes  Vieh  zu  trennen ;  die  Krankheit  anzuzeigen.  Das 
Pechschmieren  zur  Heilung  des  Schafgrindes  oder  zur 
Eigentumsbezeichnung  der  Schafe,  wodiu-ch  die  Wolle 
verdorben  wird,  soll  bei  Strafe  unterbleiben  ^).  Selbst  die 
Art,  wie  sich  die  Schäfer  zu  hause  und  bed  ihrer  Arbeit 
nebenher  beschäftigen,  interessiert  einen  guten  Landes- 
vater. Ein  Ausschreiben  vom  5.  Januar  1770  ^)  fordert  Be- 
richte ein,  ob  sich  denn  die  Schäfer  auch  mit  dem!  so 


*)  Kersting,  Sonderrechte  Sp.  888fr.,  bes.  891.  -  ')  §  16.  — 
•)  §  8.  -  *)  §  7.  -  »)  28.  Oktober  1716,  24.  Januar  1724, 16.  Oktober  1731, 
Grebenordnung  1739  (LO.  III  S.  784  ff.,  bes.  785;  S.  922  ff.,  bes.  923; 
IV  S.  64  ff.,  bes.  66;  S.  608  ff.,  bes.  622).  —  «)  Wollenkaufsordnung 
10.  Juni  1721  (LO.  III  S.  860  ff.,  bes.  862).  -  ')  LO.  VI  S.  562. 


-     897     — 

heilsamen  Stricken  oder  Flachsbereiten  abgeben.  Die 
Schäferhunde,  deren  die  Schäfer  für  jedem  Pfirch 
höchstens  zwei  —  davon  ednen  zur  Schwednehatz  geeig- 
neten —  haben  dürfen,  müssen  mit  Schleifprügeln  ver- 
sehen sein,  damit  sie  nicht  das  Wild  jagen;  ist  junges 
Wild  da,  dann  sind  die  Hunde  an  Stricke  zu  nehmen*). 
Für  den  Wollenverkauf  bestanden  außer  den  be- 
reits erwähnten  Bestimmluigen  über  betrügerische  Ge- 
wichtserhöhung*) noch  einige  Vorschriften,  nach  denen 
sich  !die  Hirten  zu  richten  hatten.  Damit  die  Wolle  nicht 
wieder  schmutzig  wird,  muß  sie  spätestens  zwei  bis  drei 
Tage  nach  der  Wäsche  geschoren  werden ;  wohl  gewaschen 
und  getrocknet  soll  sie  den  Schafen  abgenommen  wer- 
den*). Nur  solche  Wolle  dürfen  die  Schäfer  verkauf en,  die 
vorher  durch  den  beeideten  Wollenwieger  in  der  nächsten 
hessisc'hen  Stadt  gewogen  worden  ist  *).  Ins  Auskmd  dür- 
fen die  Schäfer  nach  mehreren  Gesetzen  überhaupt  nicht 
Wolle  direkt  verkaufen*).  Neben  ihrer  Haupt tätigkeit 
sollen  die  Schäfer  sogar  dafür  sorgen,  daß  die  Kultur 
der  von  ihnen  be  weideten  Länder  atifrecht  erhalten 
und  gebessert  wird.  Nach  der  Grebenordnung  von  1739  *) 
haben  die  Gemeindehirten  darauf  ac'htzugeben,  daß  die 
jungen  Baumpflänzlinge  stets  an-  und  zugebunden  er- 
halten bleiben.  Noch  weitere  Anfordenmgen  stellt  die 
Hirtenordnung  von  1828  (§  18)  an  die  Hirten.  Sie  sollen 
für   guten   Zustand  der   Viehweiden   sorgen,   Maulwurfs- 

')  Holzordnung  1659,  Wildbahnenedikt  25.  Februar  1679,  Forst- 
ordnung 1682,  Ausschreiben  17.  Juni  1796  (LO.  II  S.  576  if.,  bes.  589; 

III  S.  107  ff.,  bes.  108;  S.  216  ff".,  bes.  284;  VII  S.  675).  -  Nach  dem 
Schwabenspiegel  Art.  340  gilt  für  Tötung  oder  Diebstahl  eines 
Hirtenhundes  die  Bestimmung,  dass  der  Tater  dem  Eigentümer  ein 
anderes  Exemplar  verschaffen  und  drei  Schillinge  ^dar  zu  geben" 
muss.  —  *)  Oben  S.  895.  —  •)  Wollenkaufordnung  1721,  Grebenord- 
nung 1789  (LO.  III  S.  860ff-.,  bes.  862;  IV  S.  608 ff".,  bes.  629).  — 
*)  Grebenordnung  1739  a.  a.  O.  —  *)  Wollenkaufordnungen  14.  Juni 
1629  und  1721  (LO.  II  S.  81  ff*.,  bes.  32;  III  S.  860  ff:,  bes.  861.  —  •)  LO. 

IV  S.  608  ff-.,  bes.  621,  622. 

Könneckc.  57 


—    898    — 

und  Ameisenhaufen  beseätigeii,  Gebüsch  und  Unkraut  aus- 
rotten, zur  Unterhaltung  der  Wässerungs-  und  Abzugs- 
gräben mitwirken,  auf  leere  Stellen  Gras-  imd  Futter- 
kräutersamen stretien. 

Der  Hütungsort  wird  vomehmlicfh  im«  Interesse 
der  Forstwirtschaft,  der  privaten  Grundbesitzer  sowie  der 
Gesundheit  des  Viehes  eng  begrenzt.  An  gehegten  Or- 
ten im  Walde  dürfen  die  Sühäfer  nicht  hüten,  oder  müssen 
dies  dodh  schonend  betreiben^).  In  Privatgärten  zu  trei- 
ben, womöglich  unter  Zertrümimerung  der  Zäune  und 
Hecken,  wird  oft  und  mit  schweren  Strafdrohungen  un- 
tersagt *).  Das  „Strickhüten**,  d.  h.  Hüten  zwischen  frucht- 
tragenden Ländern'),  femer  das  Hüten  auf  Rainen*), 
auf  abgeerntetem  und  Stoppelland  ^),  auf  den  mit  den 
Kleearten  Esparsette  und  St.  Foin  bestellten  Ländereien*), 
Hüten  Imter  den  Häusern^)  ist  verboten  oder  doch  sehr 
eingeschränkt.  Die  Hirten  haben  sorgfältige  Rücksicht 
auf  dem  Vieh  schädliche  Weidestellen  zu  nehmen^),  ins- 
besondere nasse  und  faule  Wiesen  zu  meiden*).  Schweine 

^)  Verordnungen  und  Ausschreiben  1.  September  1629, 25.  Februar 
1679,  1.  Dezember  1682,  15.  Dezemcer  1749  (LO.  11  S.  34  ff.,  bes.  40 ; 
in  S.  107 ff.,  bes.  109;  S.  216 ff.,  bes.  228;  IV  S.  877);  fuldische  Ver- 
ordnungen 29.  Juli  1670  und  17.  Mftrz  1674  (Sammlung  der  cass.  Re- 
gierung II  S.  245,  885).  —  *)  Hersfelder  SUdtordnungen  1568,  1665 
(Demme,  Nachr.  u.  Urk.  II  S.  288  fi.,  bes.  292;  11  S.  205 ff.,  bes.  208); 
hess.  Verordnungen  12.  Mai  1629,  9.  Oktober  1647,  21.  April  1654, 
16.  August  1688,  24.  April  1702,  6.  November  1789  (Grebenordnung) 
(LO.  II  S.  80;  185;  219;  m  S.  829;  481;  IV  S.  608ff:,  bes.  616,  688). 
—  ')  Hersfelder  Stadtordnung  1665  (Demme  a.  a.  O.);  schaum- 
burger  Polizeiordnung  1615  (Rottmann  S.  850),  Huteedikte  8.  Mflrz 
1712,  16.  April  1779  (LO.  III  S.  687;  VI  S.  966).  -  *)  Hersfelder 
Sudtordnung  1665;  Huteedikt  1712.  —  *)  Schaumburger  Polizei- 
ordnung 1615  (Rottmann  S.  850),  casseler  Hutereglement  18.  Dezember 
1786,  Grebenordnung  1789  (LO.  IV  S.  425;  608  ff.,  bes.  638).  —  •)  Ver- 
ordnung 4.  Juni  1778  (LO.  VI  S.  692).  —  ')  Isenburger  Rflgordnung 
1766  (Sammlung  WAchtersbach).  -*  ')  Hirtenordnung  1828  §  5.  — 
*)  Ebenda  §  4;  fuldische  Hirtenordnung  26.  MArz  1778  (Sammlung 
der  cass.  Regierung  Bd.  8). 


—      899     — 

und  Gänse  sollen  nie  auf  Wiesen  und  giehegte  Weiden  ge- 
trieben werden  ^).  Die  Masthtiten  werden  den  Hirten  von 
den    Forstbeamten   angewiesen*);    die    Schaf  eigen  tümer 
oder  die  Gemeindebehörden  bestimmen  die  Reihenfolge 
der  Weideplätze*).    Da  die  Hirten  giewöhnlich  nur  die 
nächstliegenden   Pfirche   benutzen  und   die   femer   gele- 
genen vernachlässigen,  wurde  in  dem  casseler  Hutereg- 
reglement  von  1736*)  angeordnet,  daß  wöchentlich  min- 
destens zweimal  in  die  weiter  abliegenden   Pfirche  ge- 
trieben werden  muß.  Allgemeine  Verbote,  die  Hutegren- 
zen  zu  übers<^hreiten  und  an  verbotenen  Stellen  zu  hüten, 
ergingen  —  teilweise  zur  Einschärfung  früherer  Gebote 
—  am  1.  Juli  1735*),  30.  Dezember  1826«)  und  in  der 
Hirtenordnung  von  1828').  Die  beiden  erstgenannten  Ge- 
setze normieren  genau  die  Bußen;  nadh  der  Feldrüger 
Ordnung  von  1826  kann  bei  Rückfall  auf  zeitweise  Ent- 
ziehung der  Fähigkeit  zmn  Hirtenberuf  erkannt  werden. 
Schließlich  sei  zur  Frage  des   Hütungsortes  noch  eine 
Bestimmiung    der    sdhaumburgischen    Amts-     und 
Hausordnung    von   1615®)  erwähnt.     Sie   verbietet    den 
Schäfern  im  Interesse  der  „Geilheit**  (Fruchtbarkeit)  des 
Landes,  vor  Simonis  und  Judätag  (28.  Oktober)  mdt  den 
Schafen  anabge'legene  Orte  zu  wandern.  Bbher  zogen 
die  Schäfer  schon  Michaelis  ab,  um  recht  viel  Geld  durch 
Verkauf  des  Schaflagers,  d.  h.  des  Dunges,  zu  erwerben. 
Neben  den  Vorschriften  über  den  Hütungsort  treten 
besonders  solche  über  Jahres-  und  Tageszeit  der 
Hütimg  hervor.   Die  Wiesen  bedurften  wegen  des  mehr- 
fachen Graswuchses  besonderen  Schutzes.   Daher  wurde 

*)  Hirtenordnung  1828  §  4.  -  •)  Forstordnung  1682  (LO.  III S.  216  ff., 
bes.  288).  --  •)  Hirtenordnung  1828  §  8.  -  *)  LO.  IV  S.  426.  -  »)  LO.  VI 
S,  1199  ff.,  bes.  1208.  —  •)  FeldrOgeordnung  (MoUer-Fuchs  S.  560  ff.,  bes. 
564 ff.);  vgl  auch  Gesetz  26.  August  1841  (ebenda  S.  1176);  auch 
Weistum  Aber  das  Ried  zwischen  Vilbel  und  Haarheim  von  1509 
(Grimm,  Weistümer  III  S.  478  ff.,  bes.  476;  Art.  9,  11).  —  »)  §  17.  — 
*)  Kerstin g,  Sonderrechte  Sp.  1269 ff.,  bes.  1260,  1261. 

57» 


—     900     - 

mehrfach  der  früheste  und  späteste  Tag  festgelegt,  zwi- 
schen denen  das  Beweiden  durch  Schafherden  erlaubt 
war. ,  Die  hersfelder  Stadtordnungen  von  1568  und 
1665,  sowie  Taxordnung  vom  14.  August  1643  ^)  verboten 
die  Zeit  zwischen  Petri  und  Martini.  Im  Lande  Hessen 
gestattete  das  Hute-  und  Gartenedikt  vom  24.  April  1702*), 
vom  1.  November  bis  zum  1.  März  jeden  Jahres  die  Wiesen 
abzuweiden.  Durch  Edikt  vom  20.  April  1735^)  wurde 
die  Frist  wegen  des  Hutemangels  bis  zimi  1.  Mai  ver- 
längert. Ein  Ausschreiben  vom  11.  März  1745*)  erstreckte 
die  Frist  vom  1.  November  bis  zum  11.  April;  bestehendes 
abweichendes  Recht  oder  andere  Gewohnheit  sollten  gel- 
ten. Diese  Ausnahmen  wurden  aber  durch  Verordnung 
vom  8.  März  1798*)  aufgehoben.  In  Fulda  galt  der 
1.  April  als  Endtermin  der  Wiesen  weide  *).  Die  gewöhn- 
liche Weide  war  in  Fulda  nach  Verordnung  vom  26.  März 
1778')  nicht  eher  erlaubt,  als  der  Wiesenschlamm  ab- 
getrocknet ist,  die  Nebel  von  den  Feldern  gewichen  und 
alle  Weiden  abgetrocknet  sind;  im  Spätherbst  muß  das 
Feldhüten  zeitig  eingestellt  werden.  Bei  Sonnen-  imd 
Mondfinsternissen  befiehlt  ein  fuldischer  Erlaß  vom  30. 
April  1733®),  das  Vieh  im  Stalle  zu  lassen»;  am  fol- 
genden Morgen  soll  der  Hirt  nicht  eher  ausziehen, 
ehe  die  „muthmassliche  gifftige  Nebel"  verzogen  sind. 
Während  Regenwetters  ist  keine  Weide  erlaubt^).  Die 
hessische  Jagdordnung  vom  26.  November  1722*®)  ver- 
bot die  Behütung  der  Wälder  in  Brunst-  und  Kalbzeiten. 
Das  Hüten  an  Sonntagen  und  Feiertagen  wurde  verboten 
oder  doch  nur  sehr  beschränkt,  höchstens  außerhalb  der 
Stunden  des  Gottesdienstes  zugelassen**).    Die  Tages- 

»)  Demme,  Nachr.  u.  Urk.  I  S.  288  ft.,  bes.  292;  11  S.  206ff^  bes. 
208;  S.  182  ff.,  bes.  188.  —  »)  LO.  III  S.  481.  -  »)  LO.  IV  S.  284.  — 
*)  Ebenda  S.  877.  -  »)  LO.  VII  S.  764.  —  •)  Verordnung  5.  März  1767 
(Sammlung  der  cass.  Regierung  Bd.  6).  —  *)  Ebenda  Bd.  7.  —  ')  Ebenda 
Bd.  4  S.  288.  —  *)  Verordnung  26.  März  1778  (Sammlung  der  cass. 
Regierung  Bd.  7).  —  »•)  LO.  III  S.  892  ff.,  bes.  894.  —  ")  Oben  S.  519. 


—     901     — 

zeit  des  Hirtendienstes  läßt  die  Hirtenordnung  von  1828 
(§  8)  durch  die  Viehhalter  oder  Gemeindebehörden  be- 
stimmen. Nur  insoweit  enthält  die  Hirtenordnung  eine  ge- 
nauere Anordnung,  als  sie  das  Na^hthüten  streng 
untersagt.  Eine  Menge  früherer  Gesetze  waren  für  dies 
Verbot  vorbildlich.  Durch  das  Nachthüten  konnte  auf 
unbekanntem  Grund  und  Boden  Schaden  angerichtet  wer- 
den; auch  das  Vieh  könnte  bei  der  Dunkelheit  gefährdet 
werden.  Daher  ergingen  mit  Strafen  verschärfte  Verbote 
des  Nachthütens  am  8.  März  1712,  6.  November  1739 
(Grebenordnung),  16.  April  1779,  30.  Dezember  1826*), 
in  I  se n  b  u  r  g  am  14.  Mai  1760  und  1766  (Rügordnung)  ^), 
in  Fulda  am  26.  März  1778^). 

Einige  nebensächliche  Bestimmungen  über  Berechti- 
gungen und  Verpflichtungen  der  Hirten  seien  sodann 
noch  hier  rusammenges teilt.  Die  Hirten  waren  von  Jagd- 
diensten frei,  soweit  sie  nicht  Inhaber  dienstbarer  Güter 
waren;  jedoch  sollten  sie  sich  bei  der  Wolfsjagd  tätig 
hervortun*).  Da  einer  von  den  beiden  Schäferhunden, 
die  den  Hirten  gestattet  waren,  zur  Schweinehatz  geeignet 
sein  mußte  *),  so  ist  anzunehmen,  daß  man  regelmäßig  auf 
eine  freiwillige  und  unentgeltliöhe  Beteiligung  der  Hirten 
an  Saujagden  rechnete.  Im  Gebiete  der  Rohrbach  bei 
Hersfeld  waren  die  Hirten  durch  Vertrag  zwischen  dem 
Landesfürsten,  denen  von  Riedesel  und  dem  Stift  Hers- 
feld aus  dem  Jahre  1481  ®)  von  der  Leistung  des  landes- 
herrlichen Fastnachtshuhnes  befreit.  Falls  die  Hir- 
ten keine  zur  Arbeit  geeigneten  Angehörigen  hatten, 
brauchten  sie  in  Hessen  an  Wegebaudiensten  nicht 


»)  LO.  III  S.  687;  IV  S.  608fr.,  bes.  687,  688;  VI  S.  966;  Möller- 
Fuchs  S.  550  ff.,  bes.  555;  auch  S.  1175  (Ges.  26.  August  1841).  — 
')  Sammlungen  Langenselbold,  Wflchtersbach.  —  *)  Sammlung  der 
cass.  Regierung  Bd.  7.  —  *)  Jagddienstordnung  27.  November  1665, 
Grebenordnung  1789  (LO.  II  S.  627  ff.,  bes.  629;  IV  S.  608  ff.,  bes.  628). 
—  •)  Oben  S.  897.  —  •)  Grimm,  WeistQmer  III  S.  880. 


t 


-     902    — 

teilzunehmeai  *).  Diese  Freiheit  bestand  jedoch  dann  nick 
wenn  die  Schäfer  gleich  andern  in  der  Gemeinde  sagt 
sessen  waren  und  an  den  Gemeindenutzun^en  teil  hatten. 
oder  wenn  die  Schäferei  nicht  ihr  einziger  Erwerb  war. 
Auch  vom  Kriegsdienst  waren  die  Schäfer  reitweise 
frei,  so  nach  dem  Ausschreiben  vom«  22.  Juni  1702',. 
Die  Reichszunftordnung  von  1731  ^)  sicherte  den  Schäfers- 
söhnen ferner  Zunftfähigkeit  zu,  was  die  hessische 
Regierung  1768  in  einem  Einzelfall  ausdrücklich  bestä- 
tigte *).  Weiter  gehörte  es  zur  Standesehre,  daß  die  Schäfer 
Anspruch  auf  ein  ehrliches  Begräbnis  haben;  dies 
wurde  am  30.  April  1753  verordnet*).  Von  der  Möglich- 
keit für  die  Schäfer,  Beisitzer  oder  Einwohner  zu 
werden,  handelt  §  14  der  Hirtenordnimg  von  1828'*). 

Über  die  Dienstbeendigung  spricht  gleichfalls 
eine  Bestimmimg  dieser  Hirtenordnung').  Danach  kann 
jeder  Hirte,  der  seinen  Herren  Anlaß  zu  Besc'hwerden  gibt, 
„ohne  Beweis  der  Untüdhtigkeit,  der  Untreue  oder  einer 
anderen  Pflichtwidrigkeit**  sofort  entlassen  werden  gegen 
Bezahlung  seines  Lohnes  imd  seiner  sonstigen  Ansprüche 
für  ein  Vierteljahr.  Entgegenstehende  Abreden  gelten 
nicht.  Dies  typische  Beispiel  von  absoluten  Klassesirech: 
findet  eine  Ergänzung  in  der  Bestimnmng,  daß  Hirten, 
denen  wegen  wiederholter  Hutefrevel  die  Fähigkit  zum 
Hirtenberufe  gerichtlich  abgesprochen  worden  ist  ®),  nicht 
über  die  gewöhnliche  Wechselzeit  im  bisherig«!  Dienste 
behalten  werden  sollen*). 


»)  Wegebaureglement  4.  Januar  1746  (LO.  IV  S.  911  ff.,  bes.  91i 

—  «)  LO.  III  S.  487  ff.,  bes.  488.  -  •)  LO.  IV  S.  119  ff.,  bes.  122.  - 
*)  LO.  VI  S.  608,  604.  -  »)  LO.  V  S.  74  ff.,  bes.  76.  -  •)  Oben  S.  782  f. 

—  ')  §  IL  —  •)  Oben  S.  899.  —  •)  Verschiedene  Fragen  des  Hirten- 
rechts gelangten  in  Hessen  nicht  zur  gesetzlichen  Regelung,  so  vor 
allem  die  wichtige  Einrichtung  der  SchAferzflnfte.  Hier  kam  es 
in  Hessen  Ober  Anregungen  und  Versuche  nicht  hinaus,  wfthrend 
anderswo,  vornehmlich  in  Württemberg,  dann  auch  in  Nassau,  Solms, 


—    903    — 

§  18.    2.  Das  Sonderrecht  des  hessischen  Hofigesindes. 

Die  Hof  Ordnungen  setzen  für  den  größten  Haushalt 
des  Landes  autonomes  Recht.   Sie  stellen  die  Grundlagie 
des  Vertra^ies  dar^den  das  Hofgesinde  mit  seinem  Arbeit- 
geber schließt.    Das  Vorhandensein  solcher   Haushalts- 
gesetze ist  eine  weitere  Ausnahime  von  der  Theorie,  daß 
die  Gesindearbeit  sich  nicht  durch  ein  Gesetz  spezialisiert 
regeln  läßt.  Für  das  ganze  Land  ist  das  allerdings  unmög- 
licli.   Aber  für  die  Bedürfnisse  eines  einzigen,  wenn  auch 
noch  so  großen   Haushaltes,  lassen  sich  Vorausbesitim- 
mtmgen  sehr  wohl  treffen.    Vorzüglich  ist  dabei  zu  be- 
achten, daß  bei  der  weitgehenden  Arbeitsteilimg  am  fürst- 
lichen Hofe  eine  ziemlich  genaue  Festlegung  der  Dienst- 
pflichten  durchaus   möglich  ist,  ohne   daß   die  Bestinn- 
mungen  auf  dem  Papier  bleiben.  Die  Pflicht,  überall,  wo 
Not   ist,   zuzugreifen,   wie  sie  für  den  Dienstboten  des 
normalen  kleinen   Hauses   besteht,  wird  hier   zu  einemk 
großen  Teil  überflüssig,  wo  auf  jede  Handbewegimg  des 
hohen   Herrn  ein  anderer  dienstbarer  Geist  erscheinen 
muß. 

Wieder  genügt  für  die  hier  verfolgten  Zwecke  eine  Be- 
schränkung auf  die  Darstellung  der  hessischen  Ge- 
schichte. Es  ist  der  schon  im  vorigen  Abschnitt  genannte 
Grund;  das  Recht  des  Hofgesindes  ist  ein  großes  Kapitel 
für  sich,  das  hier  nur  anhangsweise  heranzuziehen  ist, 
soweit  es  zur  Erläuterung  der  Sätze  des  allgemeinen  Ge^ 
sinderechts  nötig  ist.  Die  Daten  der  im  folgenden  berück- 
sichtigten Hofordnungen  sind  1513^),  1522,  26.  August 
1527.  3    Juni  1543,  26.  Dezember  1570,  2.  Januar  1682, 


Hessen-Darmstadty  Sachsen,  sich  ein  teilweise  reichhaltiges  ZunfUeben 
und  Zunftrecht  ausbildete;  vgl.  auch  die  Mitteilungen  hierüber  oben 
S.  421,  auch  811.  Der  Verfasser  behalt  es  sich  vor,  auf  diese  Frage 
ausführlicher  zurückzukommen. 

0  Kern,  Deutsche  Hofordnungen  des  16.  und  17,  Jhdts,  11  1907 
S84. 


—    904    ~ 

10.  Januar  1710, 1727,  1752, 11.  Mai  1762 1).  Dazu  komniea 
eine  undatierte  Hof  Ordnung  von  Landgraf  Moritz*)  und 
eine  Hanauer  aus  der  Zeit  zwischen  1661  und  1563'). 
Ungedrucktes  Material  wurde  nur  gelegentlich  herange- 
zogen *). 

Ehe  das  in  den  Hofordnungen  geschaffexie  Gesinde- 
recht dargestellt  wird,  bedarf  es  einer  Feststellung  dö 
verschiedenen  Berufe,  denen  hier  das  Recht  gesetzt  wird. 
Die  Überschriften  über  desn  einzelnen  Kapiteln  der  Hof- 
ordnung von  1522  *)  geben  ein  Bild  davon :  „Graven  und 
heren,  Hoff-Rethe,  Eddelleythe,  Einspenige  Eddelleute, 
Einspenige  knecht,  Schützen,  Rüstmeister,  Cantzlei, 
Trumpter,  Sennger,  Reitend  bot^i,  Jeger,  Fuesbotten, 
Wechter,  Hernküche,  Ritterküche,  Backhauss,  Keller. 
Lieöht  Camer,  pförtner,  Renthoff,  Smittetn,  Schneiderey, 
Buchsenmeister,  Abspeysser.**  Eine  Unterscheidung  des 
Standes  findet  nur  insofern  statt,  als  die  Redhienfolge  der 
Berufe  danach  eingerichtet  ist.  Im  übrigen  müssen  es 
sich  die  Grafen  und  Herren  gefallen  lassen,  daß  für  ihre 
Aufführung  bei  Hofe  dieiselben  Regeln  gelten  wie  für  die 
Köche,  Bäcker  und  Pförtner. 

Der  Ausdruck  „Hofgesinde"  ^),  der  sich  in  den  Ord- 

*)  LO.  m  S.  168,  169,  175,  177,  167,  626,  996;  V  S,  88,  VI  S.  46. 
—  •)  LO.  III  S.  181.  —  »)  Kern  a.  a.  O.  II  S.  94.  -  *)  Der  in  Aussicht 
stehenden  Publikation  der  Histor.  Kommission  für  Hessen  und  Waldeck 
(Z,  des  Ver.  f.  hess.  G.  u.  L.  1908  S.  807)  gegenüber  würde  Voilstflndig- 
keit  doch  kaum  erreicht  werden  können.  Als  tüchtige  neuere  Arbeit 
über  ausserhessisches  Hofgesinde wesen  sei  angeftlhrt  Gerhard  Sc h  a p- 
per,  Die  Hofordnung  von  1470  und  die  Verwaltimg  am  Berliner  Hofe 
zur  Zeit  Kurfürst  Albrechts  (Veröff.  d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Mark  Branden- 
burg), Leipzig  1913.  ~  ')  Hier  nach  der  Handschrift  zitiert  (St.  A. 
Marburg.  Hofordnungen  aus  der  Zeit  L.  Wilhelms  d.M.  und  L.  Philipps). 
Einen  getreuen  Überblick  über  den  Umfang  des  landgrftflichen  Hof- 
haltes und  der  angestellten  Personen  ergibt  der  ^.ökonomische  Staat* 
Landgraf  Wilhelm  IV.  Bl.  126  ff.  (St.  A.  Marburg);  dort  sind  auch  die 
gezahlten  Löhne  genau  verzeichnet.  —  *)  Siehe  auch  oben  S.  240. 
Nicht  nur  das  Gesinde  am  fürstlichen  Hofe  ftkhrt  die  Bezeichnung 


—    905    — 

nungen  findet,  hat  dementsprechend  auch  eine  andere» 
weitere  Bedeoitung",  als  das  Wort  zu  erkennen  gibt.  Nicht 
Mdrd  darunter  nur  das  niedere  Gesindepersonal  begriffen. 
Dem   widerspricht    der    (ständige)   Passus  in  der  Über* 
scTirift:   „Ordnunge,  was  diejenigen,  so  an  Unsorm  Hofe 
^eyn,  oder  künfftig  angenommen  werden,  es  seyen  Grafen, 
Herren  vom  Adell,  KneCht  und  sonst  in  gemein  all  Unser 
Hoffgesinde,  wes  Standes  oder  Wesens  die  seyndt,  sich 
verhalten  sollen."   Daß  alle  am  Hofe  Beschäftigten  zum 
„Hofgesinde**  gehören,  Ritter,  Grafen  und  Knechte,  zeigt 
aucli  der  in  allen  Hof  Ordnungen  bis  1682  sich  findende 
Ausdruck   ,, Jeder,   der   Unser   Hoffgesind   ist,   sie   seyen 
Juncker  oder  Knecht**  (in  den  Bestimmlungen  über  das 
Verhalten  bei  Feuersgefahr).   1710  wird  diese  despektier- 
liche Zusammenstellung  dahin  gemildert,  daß  es  nun  heißt : 
„ein  jeder  der  Unser  Diener  und  Hof-Gesind  ist**.  Völlig 
verloren  ist  der  Sprachgebrauch  in  der  Hofordnung  von 
1727,  wo  das  Wort  Gesinde  vermieden  und  nur  gesagt 
wird:  „ein  Jeder,  sowol  von  Adel  als  andere,  der  Unser 
Diener  ist,  und  nach  Hoff  gehöret**.    Diese  vorsichtige 
Fassung,  die  denen  von  Adel  nicht  zu  nahe  tritt,  hat  dann 
auch  die  Hofordnung  von  1762. 

Nicht  das  Recht  des  Hofgesindes  in  diesem  weiteren 
Sinne  soll  hier  dargestellt  werden.  Die  vorliegende  Arbeit 
will  pur  den  Dienstvertrag  mit  sozial  tiefer  Stehenden  be- 
handeln. Es  genügt  also,  wenn  das  Recht  des  Gesindes 
im  engern  Sinne,  das  zur  niederen  Arbeit  gemietet  wird, 
berücksichtigt  wird. 

Die  Hofordnung  von  1570  ist  die  erste,  die  eine 
gewisse  Systematisierung  durchführt;  sie  wird  daher  zu 
Grunde  gelegt,  wobei  wesentliche  Änderungen  der  spä- 


^Hofgesinde*'.  Auch  das  Dienstpersonal  der  grossen  edelmannischen 
Höfe  und  Bauernhöfe  wird  so  genannt;  Grimm,  WOiterbuch  IV  2 
S.  1680.  Ebenso  das  Klostergesinde  in  der  Klosterordnung  Blaubeurens 
1668;  Reyscher,  Statutarrechte  S.  829. 


—    906    — 

teren  Zeit  und  Abweichtmgen  von  d^i  vier  vorher^^ehenden 
sehr  unvollständigen  Hofordnungen  vermerkt  werden. 
Jene  von  1543  kann  füglicb  übergangen  wesrdeD ;  sie  wen- 
det sich  gegen  Gotteslästerung,  ,,Vollsaufen"  und  ahn- 
lidie  Laster,  ohne  etwas  Neues  dem  Recht  hinzuzufügen. 

Art.  1  der  Hofordnung  von  1670  enthält  den  Wortlaut 
des  vom  nicht  adeligen  Gesinde  zu  leistenden  Eides  der 
Treue,  des  Gehorsams  und  all  der  andern  guten  Eigen- 
schaften. Vielleicht  die  wichtigste  Regel  der  ganzen  Ver- 
ordnung steht  in  Art.  2 :  „Zum  andern  soll  keiner  an  Hoff 
genonmien  werden,  der  sich  nicht  verpflichtet,  ziun  wenig- 
sten zwey  Jahr  in  unsetrm  Dienst,  sofern  Wir  ihn  so 
lang  darin  behalten  wollen,  zu  bleiben,  imd  wo  einer  zu 
Ausgang  <lerselben  zweien  Jahren  Urlaub  nehmen  wolte, 
dass  er  Uns  solches  ein  viertel  Jahr  zuvor  anzeigen 
solle,  darmit  Wir  Uns  mit  einem  andern  Diener  an  seine 
Statt  versehen  mögen." 

Art.  3  beschränkt  die  Zahl  der  Pferdeknechte  und 
Jungen,  die  ein  am  Hofe  befindlicher  Hofmtann  mitbringen 
darf.  Zu  vier  Pferden  gehören  zwei  Knechte  und  ein 
Junge;  zwei  Pferde  erhalten  einen  Knecht,  und  zu- 
sammen mit  zwei  Pferden  eines  andern  Mannes  einen 
Jungen.  Der  Junge  wird  einmal  jährlidh  von  Hofes  wegen 
in  sQhlechtes  (schlichtes)  Tuch  gekleidet.  Außer  dem 
Jungen  und  den  genannten  Knechten  darf  kein  Gesinde 
(„Jungen,  Bernheuter  und  dergleichen  Ungesinde")  zu 
Hofe  gebracht  werden. 

Weiter  folgen  in  Art.  4  die  gewöhnlichen  Vorschriften 
über  Frömmigkeit,  Kirchgang  und  andere  Betätigung 
eines  ehrsamen  Knechtes.  Art.  5  schärft  die  Haltung 
des  Burgfriedens  ein.  Über  die  Einhaltung  der  zum  Auf- 
warten befohlenen  Stunde  bestimmt  Art.  6,  während  Art.  7 
besonders  Wohlverhalten  bei  Anwesenheit  Fremder  vor- 
schreibt. Art.  8  spricht  das  bedeutsame  Verbot  aus,  das 
bei  Tische  Gesprochene  weiterzureden.  Reissige  Knechte 


—    907     - 

und  Jungen  der  Junker  sollen,  wie  es  in  Art.  9  heißt, 
nicht  in  die  herrschaftlichen  Gemächer  dringen,  sondern 
Abends  in  der  Hofstube  ihre  Herrn  erwarten.  Auflehnung 
wider  den  Marschall  oder  sonstige  Autoritätspersonen  wird 
mit  dem»  Turm,  unter  Umständen  sogar  an  Leib  und  Leben 
gestraft ;  wenn  nämlich  der  Marschall  mit  Stäben  unter  das 
gemeine  Gesinde  schlagen  muß,  dann  darf  sich  dem 
niemand  widersetzen,  auch  nicht  einer  von  Adel  sich 
für  sein  Gesinde  verwenden,  widrigenfalls  nach  Befindung 
Leibesstrafe  zu  verhängen  ist  (Art.  11).  Ähnlich  ist  das 
Verbot  des  Meuterns,  Rottierens  in  Art.  12,  worauf  „un- 
gnädige" Strafe  steht.  Streit  soll  vor  dem  Marschall  aus- 
getragen werden,  eventuell  vor  einem  KoUegiiuni  (Art.  13). 
Art.  14  regelt  das  Verhalten  der  Hofleute  bei  Feuersnot. 
In  Art.  15  wird  verboten,  den  gelieferten  Kleiderstoff 
gegen  alten  umzutauschen*).  Aus  Art.  16  geht  hervor, 
daß  der  Hof  für  gewisse  Pferde  aufkam.  Und  der  ent- 
sprechende Art.  1  der  Hofordnung  von  1522  sagt,  dass 
auch  die  Futterung  auf  Hofkosten  erfolgte.  Doch  wird 
nach  dem  Recht  von  1570  für  Pferde,  die  auf  Reisen  in 
eigenen  Angelegenheiten  der  Besitzer  Schaden  erlitten, 
kein  Ersatz  geleistet.  Weitere  Bestimtoungen  über  das 
Verreisen  in  eigenen  Sachen  bringen  Art.  17  und  18. 
Es  ist  nur  nach  Urlaubserteilimg  und  gegen  Lohnkür- 
zung gestattet;  der  Verreisende  muß  ferner  alle  seine 
Knechte  und  Pferde  mitnehmen;  nur  Kranke  werden  in 
der  Zwischenzeit  vom  Hofe  verköstigt*).  Die  Einhaltung 
der  festgesetzten  Abendstunde  (Art.  19),  die  Aufführung 
beim  gemeinsamen  Essen  (Art.  20  ff.)  werden  eingehend 
geregelt ;  beim  Essen  darf  nicht  geflucht,  geschimpft  wer- 
den, auch  bäurisches  Lachen  und  dergleichen  „Unfletig- 
keit"  sind  streng  zu  meiden.  Jeder  soll  bei  seinem  Tische 

')  In  den  sp&teren  ilofordnungen  weggelassen.  —  *)  Diese  letzten 
Bestimmungen  Ober  das  Mitnehmen  der  Diener  und  Pferde  fehlen  in 
den  Hofordnungen  seit  derjenigen  des  Landgrafen  Moritz. 


—    908    — 

bleiben,  nicht  an  einen  andern  rücken;  wem  Kost  am 
Hofe  überhaupt  nicht  zukommt,  der  soll  wegbleiben,  „bey 
Vermeidung  hönlichs  Abweissens".  Kranke  bekondnen 
Kostgeld,  wenn  sie  nicht  zu  Hofe  kommen  können.  Ist 
eine  Speise  verdorben,  dann  soll  das  schön  leise  deac 
Marschall  gemeldet  werden.  Wer  etwas  zerbricht  oder 
irgendwie  sonst  beschädigt,  erhält  Turmstrafe.  Art.  2& 
verbietet  das  Austragen  von  Speisen  für  Fremde.  Auf 
das  unbefugte  Herumtreiben  in  Küche  imd  Keller  setzt 
Art.  29  Turmstrafe.  Dreimal  im  Jahre  ist  die  Hofordnung 
zu  verlesen. 

Über  einen  wichtigen  allgemeinen  Rechtssatz  ^),  der 
in  einem  besonderen  Falle  ausdrücklich  für  das  Hofge- 
sinde ausgesprochen  wurde,  geben  nicht  die  Hofordnun- 
gen, sondern  das  Testament  Wilhelms  II.  von  1506  Aus- 
kunft*). Der  Landgraf  ordnet  an,  daß  das  Recht  des 
Dreißigsten  dem  Hofgesinde  zukommen  soll:  „Man  soll 
auch  unser  Hoffgesinde  vier  wochesn  nach  unser  hinfart 
bey  einander  behalten  und  dem  futter  und  mal  geben 
und  was  wir  ihnen  schuldig  bliben  wehren,  gütlich  ent- 
richten und  darnach  erlewben  (verabschieden)*'.  Die  alte 
religiöse  Vorstellung  von  der  dreißigtägigen  Stille  hat 
hier  wieder  einmal  ihr  Recht  gefordert,  sogar  in  dem 
menschenreichen  Getriebe  des  fürstlichen  Hofes. 

Eine  früh  abgeschaffte  Sitte,  daß  Bürgerskinder  sich 
auf  Verlangen  des  Landesherrn  mit  Angehörigen  der  land- 
gräflichen Dienerschaft,  Knechten  und  Mägden,  verhei- 
raten mußten,  sei  hier  schließlich  noch  erwähnt.  Rom- 
me P)  nennt  dies  das  „schmachvollste  Überbleibsel  der 
alten  Leibeigenschaft**.  Wilhelm  I.,  der  Ältere,  befreite 
Cassel  1489  von  diesem  Zwange  *),  nachdem  er  ein  „billi- 

*)  Vgl.  oben  S.  758.  —  •)Homeycr,  Dreissigster  S.  218;  U.  F. 
Kopp,  BruchstQcke  zur  ErUuterung  der  deutschen  Geschichte  (Cassel 
1799)  S.  169,  170;  Rommel  III  S.  184.  —  »)  III  S.  94.  —  *)  Kuchen- 
becker, Analecta  Hassiaca  IX  S.  287 if.;  Rommel  III  S.  94f, 
Anm.  S.  58. 


—    909    — 

ges  Geldgeschenk**  erhalten  hatte.  Noch  von  einigen  wei- 
teren nordhessischen  Städten,  Immenhausen,  Wolfhagen 
und  Zierenberg,  nahm  Wilhelm-  1489  und  1490  die  Last  *). 


0  Rommel  a.  a.  O.;  Ledderhose,  Kleine  Schriften  V  S.  346, 
248,  250;  ein  Aufsatz  im  „Hessenland"  1909  S.  4  ff.  sei  der  Vollständig- 
keit halber  angeführt,  obgleich  er  seinen  wissenschaftlichen  Qualitäten 
nach  nicht  einmal  diese  blosse  Erwähnung  verdiente. 


—    910    — 

Wichtigere  Nachträge  aus  Quellen, 
die  erst  während  des  Drucks  benutzt  werden  konntea 

Zu  S.  189.  Über  weiteres  altenburger  Gesinderecht,  insbes. 
eine  große  Gesindeordnung  von  165 1,  handelt  Otto  H.  Brandt,  Der 
Bauer  und  die  bäuerhchen  Lasten  im  Herzogtum  Sachsen- AJtenburf 
vom  17.  bis  zum  19.  Jhdt.  (Geschichtliche  Untersuchungen,  hrg 
Lamprecht,  III  4,  Gotha  1906)  S.  73  ff. 

Zu  S.  192.  Rechtsquellen  der  Stadt  G  e  s  e  k  e  mit  mehreren 
gesinderechtlichen  Bestimmungen  sind  in  der  handschriftlich  erhal- 
tenen, zur  Habeischen  Sammlung  gehörenden  Chronik  Gesekes  des 
Mathias  von  Engers  (1697)  wiedergegeben;  es  handelt  sich  vornehm- 
lich um  Willküren  von  1578,  1579,  1580,  1581,  1584,  1587,  1593, 
1667,    1688,    1693. 

Zu  S.  122,  133,  200,  202 ff.  ,,Philips  Grav  zu  Nassow  unod 
Sarbrucken,  Reinhards  Herr  zu  Hanau,  Johann  unnd  Gottfried 
Grav  zu  Ziegenhain  unnd  zu  N  i  e  d  d,  .  .  .  Bernhardt  unnd  Johann 
Grave  zu  S  o  1  m  s,  .  .  .  Gottfriedt  unnd  Eberhartt  Herrn  zu  Epstein 
.  .  .  Dietherich  von  Ysenburg,  Herrn  zu  Büdingen,  .  .  ,  die 
burggrave,  bawmeister  unnd  burgman  zu  der  Burgk  Friedberg" 
vereinbarten  1424  eine  große  Lohnordnung  mit  mehreren  gesinde- 
rechtlichen Bestimmungen;  abgedruckt  bei  Friedrich  Gaul,  Die  per- 
sönlichen und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  des  Bauernstandes  im 
Fürstentum  Solms-Braunfels  in  tausendjähriger  Entwicklung  vom  9. 
bis   19.  Jhdt.    (Jena  1904)  S.   126  ff.  ^ 

Zu  S.  239  ff.  Vom  Begriff  des  Gesindes  im  rechtstheoretischen 
Sinne  handelt  Walther  Habrucker  in  seinem  Aufsatz  Über  des 
Grund  der  Möglichkeit  von  Rechtsbegriffen  a  priori  innerhalb  der 
formalen  Jurisprudenz  (Philosophische  Wochenschrift  I  1907,  S.  21  ff., 
49  ff.,  bes.   29,  63). 

Zu  S.  331.  Über  die  Vorgeschichte  des  Zwangsdienstes  in  Alten- 
burg, vornehmlich  nach  der  Gesindeordnung  von  165 1,  berichtet 
Brandt  a.  a.  O.,  bes.  S.  81  ff. 

Zu  S.  332.  Zwangsdienst  in  Solms-Braunfels  von  1667 
bis  1809:    Gaul  a.  a.  O.  S.  48. 

Zu  S.  398.  Über  Kirchenbußen  in  Hessen  aus  dem  17.  Jhdc. 
wegen  Sabbathsdienstes  von  Christenmägden  enthält  Bachmann, 
Geschichte  der  Kirchenzucht  in  Kurhessen  (Marburger  theologische 
Dissertation  19 10)  S.  55,  68,  78  mehrere  Berichte. 


S.  732,  2./3.  Zeile  von  unten  lies  Hirtenordnung  statt  Kirchen- 
Ordnung. 


Alphabetische  Register. 


1.  Sachregister. 


Abendmahl  272,  806  f. 
Abgaben,    öffentliche    904,    205, 
270-874,  315-818,  761, 
s.  a.  Haftung;  Steuern 

Abschied  s.  Zeugnis 
Abspenstigmachen,  Abwendig- 
machen  25,  86  f.,  44,  68  f.,  84, 
99,  119,(120),  121  f.,  180  f.,  188, 
178, 179,  186, 187,  197,  198,  901, 
202,  908,  905,  209,  210,  211,  218, 
216, 228, 288, 828,  351, 896,  404  f., 
405  f.,  407, 410, 411,  454, 466, 469, 
487,  608,  611,  781,  787,  788,  883 
bis  857,  860  f.,  861  f.,  869 

Alimentenklagen  der  Magd  gegen 
den  Dienstherm  5^  Anm. 
s.  a.   Dienstherr,   Umgang  mit 
Magd 

Allgemeines  Landrecht,  preußi- 
sches 97, 152,  286,  821,  510,  667, 
680  f.,  708,  805,  882,  856 

Altersfürsorge  68  f.,  106,  (112),  698, 
781—738 
s.  a.  BOrgerrecht,  Prflmien 

Alterskassen  785—787 

Ammen  899,  401,  402,  588 

Amtliche  Gesindevermittlung 
410-418 
s.  a.  Makler 

Amtsgeheinmis  der  Gemeinds- 
manner  818  f. 

Andingen  417 
s.  a.  Mie^eld 

Annahmepfucht  der  Herrschaftl82, 
156,  4SH^  475-478,  816 

Annoncieren  s.  Zeitungen 

Ansage  739—749,  849  f 

Antritt  des  Dienstes  s.  Dienst- 
antritt 


Antrittspflicht  s.  Dienstantritt 

Antrittszeit  s.  Ziehzeit 

Anzeige  von  Taten  des  (Gesindes 

999—894,   572,  578,  577,    579, 

583,  585 
Arbeitslose  837—864 

s.  a.  Armen  Wesen ;  Bettelkinder; 

MOssigg&nger 
Arbeitsnachweis  s.  Makler 
Arbeitspflicht ;  Arbeit  des  Gesindes 

61,  186,  198  f.,  281,  282,  246  f., 

288,  600-586,  884,  885,  886, 887, 

896—901,  908 
Arbeitspflichten,einzelne  511—515, 

884—887,  896—901,  908 
Arbeitspflichten,  deren   Feststel- 
lung; durch  Vertrag  504—507 
Arbeitspflichten,    öffentlich-recht- 
liche 514  f. 
Arbeitspflichten,  Unmöglichkeit 

ihrer  Festlegung  im  einzelnen 

247,  500,  882  f.,  888 
Arbeitszeit  76,  247,  500,  515—518, 

887  900  f. 
Armen  wesen  94, 174,215, 837—364, 

871,  875,  876,  705  f.,  718,   724, 

788  f. 

s.  a.  Bettelkinder;  MOssigganger 
arrha  s.  Mietgeld 
Aufenthaltsverbot  875,  878 

s.  a.  Ausweisung;  Dienstverbot 
Aufseher  für  Gesinde  s.  (^esinde- 

aufseher 
Auftrag,  Haftung  des  Dienstherm 

259-261 
Aufwarter  142,  145 
Auseinandersetzune  beim  Tod  s. 

Tod    des   Gesindes;   Tod   des 

Herrn 


—    912    — 


Ausländisches,    auswärtiges   Ge- 
sinde 88,   112,  117,  187  f.,  200, 
806  f.,  843,   875—879,   408,   439 
Anm.,  485,  788,  792,  866,  874 
s.  a.  Judengesinde,  ausländisches; 

Eid 

Auswärts,  ausser  Landes  dienen ; 
Auswanderung  20,  47,  55,  74, 
76  f.,  81,  82,  83,  86  f.,  167,  176, 
178,  182,  184,  190  f.,  192,  193, 
198,  200,  201,  205,  219,  227,  382, 
362,  864—875,  889,  890,  405,  410, 
449,  614,  615,  795,  810,  869,  880 

Ausweisungsstrafe  61,  182  Anm. 
143  f.,  158  f.,  216,  341  f.,  345,  349, 
350,  851,  852,  858,  354,  355,  357, 
858,  359,  860,  362,  367,  368,  370, 
371,  878,  374,  408,  450, 451,  452, 
458,  455,  456,  485,  557,  664,  567, 
571,  572,  579,  614,  615,  774  f., 
776,  777  f.,  780,  781,  782,  788, 
784,  786,  789,  790  f.,  792,  794, 
797,  798,  799,  805,  806,  856,  864, 
872. 


Badmägde  126 

Beamte,  Aufsicht  aufs  Gesinde- 
wesen 69  f.,  71,  78,  74-82,  84, 
85  f.,  126,  128  f.,  130,  137,  138, 
189,  140  f.,  144,  184,  269,  389, 
348,  349,  391,  626,  628,  638,  800, 
858,  863,  866,  867,  868,  869.  870, 
872|  873,  874, 876, 877  f.,  879,  880 

Beamtengefölle  58  f. 

Bedienter  242,  248 

Beeidigung  s.  Eid 

Beendigung  des  Dienstes  s.  Heirat ; 
Kloster;  Krankcnftlrsorge;  Kün- 
digung; Tod;  Vertragsbruch; 
Vormundschaft 

Beerbung  des  Gesindes  176 
s.  a.  Tod  des  Gesindes 

Befreiungskriege  117,  882 

Begleitung  als  Voraussetzung  der 
Herrenhaftung  263  f. 

Begriff  des  Gesindes  119  f.,  205, 
Sb-328  (bes.  248-267),  910 

Behandlung  des  Gesindes  durch 
die  Herrschaft  61,  78,  108,  107, 
154,  168,  167  f.,  527,  671-685, 
793  f.,  804,  806,  830 


Beichtpfennig  272 
Beisassen  821,  782  f.,  902 

s.  a.  Einwohner 
Beleidigung  193,  882 

insbesondere 
Beleidigung  des  Gesindes  durd 

die  Herrschaft   61  £,  66,  IM, 

676  f.,  685,  808 
Bergwerke;  Bergrecht  389£,5ä 

8^  Anm. 
Berufsdelikte  587  f. 

s.  a.  Ehrlichkeit,  Pfticht  zur 
Beschädigung      von      HcrrengBi 

durchs  Gesinde  276,  280  f. 
Beschafiung  des  Gesindes  323-413 

s.  SU  Auswärts   dienen;  Bettel 

kinder;  Mäkler;  Müßiggänger: 

Zeitungen;  Zwangsdienst 
Betrug  s.  Ehrlichkeit,  Pflicht  zur 
Bette&inder,      Anhaltung    zon 

Dienen  86,  36  f.,  39  f.,  60  f.,  ©  t 

75,  84  f.,  86,  92  f.,  99,  lOl-lf 

111,   156,  210,  215,  227,  214, 

887-364,  883,  406,  689 
Bettelwesen,  femer  266,  890 
Beutlertaxe  610 

s.  a.  Preistaxen 
Bevölkerungswesen  57,  227,  aet 

375  f..  385  f.,  564 

s.  a.  Auswärts  dienen;  GcsI^d^ 

mangel;      Kindervennchrung: 

Statistik 
Beweis  des  Lohnanspruchs  s.  tid, 

Lohn  c 

Beweisführung  im  GesindcprozeD 

Beweissicherung  durch  Mictgdü 

Bibel  32  f.,  165—167,  588.  öSOt. 

657,  694,  698 
Bier  610  „  .^ 

s.  a.  Biertaxen;  Brauer;  Haus- 

trunk 
Bierkauf  418,  428 

s.  a.  Mietgeld 
Biertaxen  610 

s.  a.  Preistaxen 
BüUgung  des  Herrn  als  V^^' 

Setzung  seiner  Haftung  S^ 
Bischöftiches  Gesinde  177,  314 
Böttchertaxe  610 

s.  a.  Preistaxen 


—    913    — 


Borgen  des  Gesindes  auf  der 
Herrschaft  Namen  s.  Schuld- 
begründung; Vertretung 

Bote  86 

Brauer,  Brauknechte  178 

Brötling  241 

Brottaxen  610 

Bürgerrecht  261,  820 

Bürgerrecht  des  Gesindes  90,  194, 
215,  881,  781-788 

Bürgschaftsleistung  des  Gesindes 

Bu6e  fOrs  Gesinde,  Anteil  des 
Herrn  daran  6  f.,  12,  185,  270. 

Carolina  667,  660,  661,  664,  666, 

&66,  567^  668,  671,  672,  678 
Charakterisierung,  juristische,  der 

Gesindedelikte  668,  668—667 
Charitative  Anschauung  von  der 

Krankenförsorge  718,  780  f. 
Christenlehre  199,  204 

s.  a,  Katechismus;  Kinderlehre 
Code  civil  186,  189,  282,  299,  806 

Anm.,  480  Anm.,  601,  608,  606, 

606  Anm.,  769 
Codex  Maximilianeus  220,  827 
custodia,  Haftimg  268  Anm. 

I>elikte  des  Gesindes,  mildere 
und  strengere  Auffassung  680 
bis  654,  667  f.,  687 

Diebstahl  des  Gesindes  s.  Ehrlich* 
keit,  Pflicht  zur 

Diebstahl  von  Gesindegut  280 

Diener  242 

Dienst  in  Bedeutung  von  Dienst- 
bote 241  f. 

Dienstantritt:  Antrittspflicht  44, 
61, 112, 180  f.,  182,  176, 179, 190, 
192,  198, 194,  202,  212,  214,  288, 
428,  444-475,  474  f.,  782 

Dienstbeendigung  s.  Heirat;  Klo- 
ster; Krankheit;  KQndigung; 
Tod ;  Vertragsbruch ;  Vormund- 
schaft 

Dieostbote,  Wort  241 

Dienstbuch  s.  Gesindebuch 

Dienstdauer  22—27,  d6  f.,  182, 186, 
140, 141, 160  f.,  168  f.,  228,  827  f., 
478-497,  428-488,  444,  742, 
809,  875,  906 

KSnnecke. 


s.  a*  Jahresdauer;  Ziehzeit 
Dienstherr,    Umgang   mit   Magd 

288  f.,  682  f.,  m 

s.  a.  Alimentenklagen 
Dienstlein  242 
Dienstverbot  122,  168  f.,  468,  461, 

462,  468,  464,  471,  720,  747,  772, 

776,  776,  777  f.,  779,  784,  785, 

788,  790,  791,  798,  795,  796,  797, 

798,  887,  889,  847,  865 

s.  a.  Aufenthaltsverbot;     Aus- 
weisung 
Dienstverlassen,  begrOndetes  800 

—806,  816 

s.  a.  Vertragsbruch  des  Gesindes 
Dienstwechsel ,    häufiger     164  f., 

160  f.,  168,  168  f.,  484  f.,  490,  787 

s.  a.  Dienstdauer 
Dimissorialien  807 
Dingungstage  186,  196,  198,  46^ 

-478,  884,  841,  848,  849  f.,  854 
Domestique  242 
Doppelkapellen  807 
Doppeltvermieten   61,   112,   182, 

198,   288,  407,  457-469,  474  f., 

874 
Dreißigster  7,  (186),  758  f.,  908 
Drescheriohn  68  f. 

Chehalt  242 

Ehrliches  Begräbnis  der  Schäfer 
902 

EhrUchkeit,  Pflicht  zur  61,  66-68, 
96,  97,  100,112, 118  f,  188,  187, 
140,  141, 148,  156, 157,  175, 181, 
184  f.,  186,  188  Anm.,  191,  192, 
197,  204,  212,  226,  281,  292,  828, 
407,  411,  626,  527,  547—587,  604, 
666,  770,  798,  822  f..  888,  829, 
882,  871,  874,  880,  885,  898  f. 

Eid  ausländischen  Gesindes  878 
Anm.,  489  Anm. 

Eid  des  Gesindes  beim  Antritt  des 
Dienstes  20,  228,  281,  282,  238, 
878  Anm.,  486—440,  508,  528 
Anm.,  887,  889,  906 

Elid  des  Gesindes  beim  Austritt 
288,  489^  750 

Eid  des  Gesindes  beim  Lohnan- 
spruch 8,  186,  761 

Eid  des  Geisindes  Ober  seine  Ver- 
leiter  818 

58 


—    914    — 


Eid  des  Herrn  fbrs  Gesinde  262  f., 


Eid  des  Herrn  bei  unredlicher 
Veräußerung  von  Herreneut 
277  f. 

Eid  des  Hirten  bei  Verlust  von 
Vieh  11,  893 

Eid  der  M&kler  405,  406,  407,  409, 
410 

Eid  im  Prozeß  Ober  Vertragsbruch 
798,  808 

Eigenschaften  des  Gesindes  s.  Ver- 
halten, allgemeines 

Eingebrachtes  Gut  im  Konkurs  761 

Einheimisches  Gesinde  s.  Inlän- 
disches Gesinde 

Einkaufsbetrug  s.  Ehrlichkeit, 
Pflicht  zur 

Eintrittstag,  fester  497^500 

Einwohner  821,  902 
s.  a.  Beisassen 

Eltern,  Dienen  der  Kinder  bei  210, 
888—885 

Entlassung,  begründete  427,  510, 
605,  706,  814,  878,  902 
s.  a.  Vertragsbruch  der  Herr- 
schaft 

Entlassung,  Pflicht  zur  492 

Erkundigung  bei  der  alten  Herr- 
schaft vor  Neumietung  469,  769, 
782,  859,  860,  864,  869,  871,  878 

Erziehung  des  Gesindes  durch  die 
Herrschaft  199,  890—298  296  f., 
680,  685,  690 
s.  a.  Schulwesen 

Evangelisches  Gesinde  s.  Kon- 
fessionelle Dienstverbote 

Fabriken;  Industrie  76,  81, 98, 110, 
880,  545,  714  f. 

Fadengeld  425 

Familien  des  Gesinderechts  285  f. 

Familienfeiern,  Teilnahme  des  Ge- 
sindes daran  291  f.,  548,  655  f. 

Familienrechtliche  Auffassung  des 
Gesindeverhältnisses  166  f.,  180, 
249—254,  289  L  808—311,  822 

Fastnachtshuhn  816,  901 

Feldfrevel  280,  233,  260,  262,  265, 
268  f.,  801,  318,  898  f.,  902 

Feiertage,  abgeschaffte  524  f. 
s.  a.  Sonntag 


Feuer,  Aufsicht  des  Gesindes  dar- 
auf; Haftung  des  Herrn  178, 
179,  181, 194,  199,  216,  894—898, 
907 

Feuerversicherung  874  Anm. 

Findelkinder  18  f.,  858 

Flachs  s.  Naturallohn 

Fleischessen,  verbotenes  861 

Fleischtaxen  610 

Flußzoll  204,  205,  278,  316,  817  f. 

Förster  248,  545,  652  Anm. 

Form  des  Vertrags,  s.  Mietgeld; 
Schriftlichkeit 

Formlosigkeit  des  Vertrags  414, 
416— d7 

Forstwesen ;  Forstfrevel  177,  260f., 
878,  440,  541  Anm.,  895,  808, 900 
s.  a*  Förster;  Jäger;  Jagddienst 

Französische  Zeit  (um  1800),  117. 
134—149,  219,  228,  236,  322,  878, 
888,  412  f.,  419  f.,  879 
s.a.Frankreich;  Königreich  West- 
falen; Großherzogtum  Frankfurt 
(unten  2) 

Frau,  Recht  zur  Gesindemiete  443 

Frauen,  zahlenmäßiges  Ueber- 
wiegen  gegenQber  dem  männ- 
lichen Gesinde  824 

Freiheitskriefi;e  S.Befreiungskriege 

Freiheitsstrafe,  Vollzug  durch  Herr- 
schaft 580,  671  f. 

Frieden  im  Ort,  vom  Gesinde  auf- 
recht zu  erhalten  310  f. 
s.  a.  Hausfrieden 

Fronarbeit  282,  834  f.,  614  f. 

Fruchtpreise  49,  58,  56,  78,  624, 
648,  650 

Fflrlegerinnen  409,  852 
s.  a.  Mäkler 

Forsorge  ftr  die  letzten  Stunden 
des  Gesindes  894,  757  Anm. 
s.  a.  Tod  des  Gesindes 

Fürstender  406 
s.  a.  Mäkler. 

Oänsehirten  853,  888 

Gäste,    Haftung   des   Hausherrn 

für  258  f. 
gamtz  Ion  588  f  Anm.,  589,  591 
Gartendiebe  192,  560 
Gastwirte  14, 142,  284  f.,  816  Anm., 

812  f. 


—    915    — 


Gefolgschaft  240  f. 

Geistliche  Gerichte  19,  800  Anm«, 

805  Anm^  887  f. 
Geistliches  Gesinde  s.  Bischöfliches 

Gesinde;  Pfarrer;  Pfairgesinde 
Geldentwertung    als    Anlaß   der 

Taxordnungen  608,  619  f.,  628, 

640 

Geldstrafe  des  Gesindes  an  die 

Herrschaft  529,  672 
Geldwesen  s.  MOnzwesen 
Gemeinschaft     kraft    herrschaft- 
licher Gewalt  260—254,  286,  819 
Gemeinwohl,  maßgebend  bei  der 

Hirtenentlohnune  891—898 
Gerichtshoheit  s.  Zwangsdienst 
Gerichtsstand  182,  904—306,  412 
Geschflftsbet&tigung,  selbständige 

des  Gesindes  286—289 
Geschenke   ans  Gesinde  95,  98, 

121,  481  Anm.,  612  Anm«,  648, 

668—656.  886,  888,  890 
Gesellschaftsverhflltnis    zwischen 

Herrschaft  und  Gesinde  (Christ. 

Wolff)  59,  65,  90 
Gesinde,  Begriff  119  f.,   205,  289 

—828  (bes.  248—257),  910 
Gesinde,  Wort  240—244 
Gesinde  als  Vertrauenspersonen 

der  Herrschaft  818  f. 
Gesindeaufseher  55,  411  f ,  702 

s.  a.  Gesindebüro;  Mäkler 
Gesindebuch  141, 158. 159,485,878f 

s.  a.  Lohnbuch;  Zeugnis 
Gesindebüro  187,  140  f ,  144,  147, 

150—152,  410-418,  419,  824 

s.  a.  Gesindeaufseher;  Mäkler 
Gesindemangel  227, 228, 828  f.,  845 

s.  a.  BevOlkerungswesen ;  Stati- 

Gesindemarkt  828—418 
Gesindeordnungen,   Zeit   der   58 

bis  117 
Gesindeschulen  688—692 

s.  a.  Schulwesen 
Gesindesteuer  s.  Steuer 
Gesindevereine  s.  Koalations- 

verbot 
Gesindel  281,  259 
Getreidepreise  s.  Fruchtpreise 
Gevatterbrief  656 
Giftmord  548  f. 


Gleichstellung,     rechtliche,    von 

Herrschaft    und    Gesinde    205, 

228,  257,  807-819 
Gnade,  Dienen  auf  8,  606  f. 
Gottesdienst,  167,  215,  282,  288, 

200  f.,  618-626,  581,  608,  688 

Anm.,  708,  900,  906 

s.  a.  Abendmahl;  Kirche; 

Pfarrer;  Sonntag 
Gottespfennig  s.  lluetgeld 
Greben  115 
Großgrundbesitz    als    Grundlage 

des   strengeren    Gesinderechts 

28—81  (81) 
Grundsteuer  818  Anm. 
Grundstacksverkauf,     Trinkgeld 

ftlrs  Gesinde  655 
Gunstzettel  881. 

Hftnseki  589,  642 

Haftung  des  Herrn  ftür  Abgaben 
des  Gesindes  270—274 
s.  a.  Abgaben;  Steuer;  TQrken- 
steuer 

Haftung  des  Herrn  für  Feuer- 
schaden s.  Feuer 

Haftung  des  Herrn  für  Strafen 
des  Gesindes  4  f.,  12,  175,  187, 
214,  240,  257—269,  292  Anm. 

Haftung  des  Herrn  auf  Lohn  be- 
schränkt 267.  282 

Haftung  des  Hirten  s.  Hirten, 
Haftung 

Haftung  der  Müller  und  MCkller- 
knechte  886 

Haftungsgeschäft  durch  Mietgeld 
414 f   444 

Hagelfeiertag  281 

Halftergeld  ^ 

Handelsdiener  242, 286f.,  895f.,  574 

Handwerk;  Handwerker  86,  40, 
41,  47,  69,  72,  80,  111,  128, 176, 
188,  186,  209,  229,  288,  244  f., 
287  Anm.,  288,  814  f.,  820  f.,  887, 
889,  841,  844,  847,  850,  854,  856, 
857,  858,  446,  518,  518  Anm., 
580,  544,  546, 574, 588, 586, 607  f., 
618,  617,  620,  m,  647,  661,  670, 
686,  707,  mf.,  711,  714—717, 
722,  724,  766,  818,  869  Anm., 
879,  881 
s.  a.  Reichshandwerksordnung 

58» 


—    916    — 


Hausdi'ebstahl  s.  Ehrlichkeit, 

Pflicht  zur 
HausfriedeD  269,  308—310,  812 
Hausgemeinschaft  240  f..  246,  248 

—m,  669  Anm.,  818 
Hausieren  118,  848,  864  f. 
Hauskinder  268 
Haustrunk  816  f. 
Hausvater  289  f. 
Heiligengeistpfennig  444 

s.  a.  Mietgeld 
Heimarbeit  862 
Heirat  des  Gesindes  9, 12,  97,  99, 

108,  109, 112,  119, 186,  166, 184, 

294,  807,  846,  847,  868,  874,  896, 

788,   750—766,  767,  802  f.,  886 
Herabminderung   des  Wortsinns 

von  «Gesinde*  usw.  248 
Herrschaftliche  Gewalt  261—266, 

267,  289—807,  607,  678,  698  f., 

742,  814  f.,  826 
Hindinffe rinnen  408  f. 

s.  a.  Makler 
Hirtenrecht  10  f.,  18,  20  f.,  40,  67, 

112  f.,   116,  117,  119,  188.  184, 

169,  247  Anm.,   248,   262,   268, 

877  f.,  421  f.,  428,  424,  487,  440, 

488  f.,  600,  611,  619,  874,  882  f., 

888-902 

insbesondere 
Hirten,  Anstellung  888  f. 
Hirten,  besondere  10, 18,  281,  669 

Anm.,  891—898 
Hirten,  eigene  Tiere  890,  894  f. 
Hirten,erforder]iche  Eigenschaften 

888  f. 
Hirten,  Haftung  11,  18,  20  f.,  898  f. 
Hirtenhunde  837,  901 
Hirtenlohn  10.  18,  889—898,  902 
Hirtenschutt  891,  898 
Hochzeit  s.  Familienfeiern ;  Heirat 
Hofgesinde,  Wort ;  Begrifr240,904  f. 
HofhOrises  Gesinde  192,  198 

8.  a.  Leibeigenschaft,    unfreies 

Gesinde 
Hofrecht  67,   122,   126,  129,  222, 

240,  247  Anm.,  806  f.,  886,  487, 

480,  602,  617,  661,  617  f.,  697, 

741  f.,  807  f.,  882,  906—909 
Hfltungsort  898  f. 
Hütungszeit  899—901 
Hundstagsfeier  196,  640  f 


Immenknechte  660 

Industrie,  moderne,  Ansatz   zum 

Dienstzwang  886  Anm. 

s.  a.  Fabriken;  Leinweberei 
Industrieschulen  s.  Gesindeschulen 
Ingesinde  240  f,  269 
Inlandisches    Gesinde     81,     112, 

875—879 
Inserieren  s.  Zeitungen 
Insten  247 
Inventarfrist  186,  769. 

J&ger  248  f.,  608,  666,  882 

Jagddienste  der  Hirten  901 
ahresdauer  des  Dienstes  22 — 27, 

78,    182,    141,  160,    428—433, 

478—497,  809 

s.  a.  Dienstdauer;  Ziehzeit 
Jahreszeit  der  Viehhatung  899  f. 
Johanniterorden  828,  488 
Juden  279,  286,  288  f.,  814  f.,  474, 

646,  660 
Juden,  Verbot  der  Haltung  christ- 
licher Mägde  18,  214,  3^—402, 

791,  802  Anm.  910 

s   a   Schutzceld 
Judengesinde  208  f ,  206,  212,  218, 

227,  249  Anm.,  262,  270,  274  f., 

288  f.,  294,  806,  892-408,  866 
Judengesinde,  ausländisches  394  f., 

408 

s.  a.  Ausländisches  Gesinde 
Judengesinde  in  Christendienst 

402  f. 
Judenordnungen  67,  126,  199,  224 
ms  albergariae  814.     ^ 

Kälberweilen  498 

Kaffeetrinken,   dem  Gesinde  ver- 
boten 80,  110,  668  f. 

Kassen  108 
s.  a.  Altersfflrsorge ;   Kranken- 
fflrsorge;  Prämien 

Katechismuslehre  290  f.,  687  f.,  708 

Katholisches  Gesinde  s.  Konfessio- 
nelle Dienstverbote 

Kesselgeld  688 

Kinderlehre  290  f.,  890  f.,  687  f. 

Kindervermehrung  227,  386  f. 

Kindsmord  584  Anm. 

Kipper  und  Wipper  48 


—     917     — 


Kirche  107,  168,  290 
s.  a.  Abendmahl;  Gottesdienst; 
kirchenrechtliche   Vorschriften; 
Kirchenstand;       Kirchenstuhl; 
kirchliche  Forderungen;  Pfarrer 

Kirchenrechtliche  Vorschriften 
über  Gesinderecht  886—408 

Kirchenstand  des  Gesindes  806  f. 

Kirchenstuhl  807 

Kirchliche  Forderungen  im  Kon- 
kurs 761 

Kirmessen  77,  95 

Kleidung  des  Gesindes  84  f.,  86  f., 
47,  55,  122,  126,  182,  185,  214, 
217,  286  Anm.,  876,  548~-547, 
600,  612  Anm.,  617  f.,  624,  685  f., 
649,  654  Anm.,  784,  906,  907 
s.  a.  Naturallohn 

Kleines  Kaiserrecht  14—16,  248, 
275  f.,  284,  591,  606,  604,  674 

Kleingrundbesitz  alsGrundlage  mil- 
deren Gesinderechts  28—81,  (81) 

Kloster,  Eintritt  ins  750,  756  f. 

Klostergesinde  s.  Königsbrflck 
(unten  2) 

Knecht,  Wort  242,  442 

Knecht,  Umgang  mit  Angehörigen 
der  Herrenfamilie  587 

Knechtrecht  654  f. 

Koalitionsverbot   68  f.,   222  f., 
80^-818 

Kolbelbraten  428  Anm. 

Kommandanten  in  hessischen 
Stddten  70 

Konfessionelle  Dienstverbote  181, 
191,  197,  206,  218,  888-408 

Konfiskation  s.  Vermögensein- 
ziehung 

Konkursvorrecht  s.  Lohn 

Konsistorium  68, 138, 151, 169, 272, 
806  f.,  889  f.,  399,  498  Anm.,  688 

Kontraktbruch  s.  Vertragsbruch 

Kopfsteuer  272  f ,  818  Anm. 
s.  a.  Steuer 

Korntazen  610 

Kost  14,  40,  61,  82,  154,  181, 188, 
198  f.,  281,  261,  814,  509,  581, 
574,  600,  608,  606,  612  Anm., 
645,  666—669,  687,  695,  808,  804, 
818,  827,  907  f. 

s.   a.  Kaffeetrinken;   Kostgeld; 
Teetrinken 


Kostgeld  156,  477,  574,  605,  665  f., 
824,  825  f ,  882,  908 

Krankenftlrsorge    120,    181,    148, 
148  f.,   152,   159,  210,   214,  828, 
371,    664,    693—781,    750,    757, 
802  f.,  810,  832,  907,  908 
insbesondere 

private  FQrsorgepflicht  698—705 
öffentliche  Anstalten  705—781 

Krankenwärter  142 

Kreditieren  an  Gesinde  s.  Borgen ; 
Vertretung 

Kreise  des  Reichs  84,  89,  42  f., 
Anm.,  171  f ,  180,  206—208,  209, 
284  f,  855,  359,  416,  431,  487, 
487,  488  f,  506,  539,  680,  688, 
640,  748,  753  f,  789,  790,  827, 
848,  862,  863 

s.  a.  fränkischen,  niedersäch- 
sischen, obersflchsischen,  schwä- 
bischen Kreis  (unten  2);  Nach- 
barstaaten 

Krieg,  Gesinde  muß  dem  Herrn 
folgen  815 

Krieg,  dreißigjähriger  43,  46,  56, 
57,  127,  12^  620,  628,  640,  686 

Krieg,  siebenjähriger  68  f.,  71,  76, 
85,  640,  641  f 

Kriminalpolitik  547—554 
s.  a.  Delikte  des  Gesindes,  mil- 
dere und  strensere  Auffassung 

Kriminalrecht  s.  £lhrlichkeit, 
Pflicht  zur 

Kündigung  68,  95,  109,  112,  119, 
141,  144, 187,  192, 196,  212,  221, 
228,  256,  896,  408,  445,  469,  479, 
482,  485,  486,  489,  490,  492,  498, 
4%,  680,  788—760,  759,  769,  774, 
781,  787,  798,  802, 816,  818,  820, 
821,  822,  826,  832,  884  f.,  887, 
888,  849  f.,  906. 

Kündigung,  Formlosigkeit  749  f. 

Kündigung,  Fristen  740—749 

Kündigung,  Vorzugsstellung  der 
Herrschaft  gegenüber  dem  Ge- 
sinde 68,  141,  144, 182,  211,  741, 
742,  748,  744,  747,  748 

Kultur  des  Hutelandes,  Beaufsich- 
tigung durch  die  Hirten  897  f. 

Ladendiener  152,  242 
Ladung  294  Anm. 


—    918    — 


LaduDff  des  Gesindes    214,  8M 

Lederi>reise  642 

Ledigsitzen  s.  Maßiggänger 

Legate  fflrs  Landkrankenhaus  in 
Cassel  710 

Lehrer  22,  107,  119,  165—167, 
249  Anm.,  652  Anm..688, 692,891 
s.  a.  Erziehung;  Schulwesen 

Leibeigenschaft  29  f.,  81,  90,  108, 
120,  185,  145, 146,  198,  828,  888 
s.a.  hof höriges,  unfreiesGesinde ; 
Zwangsdienst 

Leihkauf  428 
s.  a.  Mietgeld 

Leinsften  s.  Naturallohn 

Leinweberei  108 

Leitkauf  428 

Lex  Salica  8 

Udlohn;  Uedlohn  241  Anm.,  589 
Anm.,  591 
s.  a.  Lohn 

Literatur  der  Reformationszeit  82  f. 

Literatur,  landwirtschaftliche  um 
1700  58 

Literatur,  philosophische  u.  staats- 
wissenschaftlicne  um  1700  58  f. 
s.  a.  Wolff,  Christian  (unten  8) 

Literatur,   philosophische,   Enae 
18.  Jhdts.  89-91 
s.  a.  Dom:  Kant  (unten  8) 

Livree  95  f.,  118,  482,  545,  581, 

775,  788,  786  f.,  814,  822 
'  s.  a.  Naturallohn 

Lohn  176,  178, 179,  180,  183,  185, 
214, 217, 228, 224,  280,  257  Anm., 
265,  876,  881  f.,  421--428,  489, 
441,  448,  476,  477,  478,  479,  481, 
487,  489,  494,  495,  496,  502,  509, 
520,  582,  559,  582,  588,  588  -^  656, 
664,  687,  698,  695,  696,  697,  698, 
699,  700, 701, 708,  751.  752, 757  f., 
771  f.,  778,  774, 775, 776, 777, 778, 
779, 780, 781,  782,  788, 784, 785  f., 
787,  788,  789,  790,  791,  792,  798, 
794,  795,  796,  797.  798,  799,  801, 
802,  808,  804,  8()5,  806  Anm., 
807,  811, 814,  816,  817,  818.  819, 
820,  821,  822,  824,  825,  826,  827, 
828,  829,  880,  881,  882,  884,  840, 
844  f.,  847,  848,  880,  884,  887, 
889—898,  907 


und  zwar 
Lohn,  Abzug  17,  186,  687 

s.  a.  Lohn,  RQckbehaltung 
Lohn,  Beft*iedigun£  vor  anderen 

Gläubigem  7,  186,  208 

s.  a.  Lohn  im  Konkurs 
Lohn,  Beweis  der  Forderung  192. 

594—698,  601 
Lohn,  Beweis  durch  Eüd  8,  186, 

694-598,  601 
Lohn,  Festsetzung  durch  den  Herrn 

589  Anm.,  606—608,  742 
Lohn,  Höhe  21,  55,  127,  195,  207^ 

217,  606,  608,  611  f.,  618,   641 

—648 
Lohn  der  Kinder  bei  den  Eltern 

888—885 
Lohn  im  Konkurs  89,    182,   199, 

204,  218,  214,  598  Anm.,  698, 
760—766 

s.  a.  Lohn,    Befriedigung    vor 
andern  Gl&ubigern 
Lohn,    Kreditierung   seitens   des 
Gesindes    bei    der   Herrschaft 
600f.,  602 
Lohn  der  Mäkler  s.  Maklerlohn 
Lohn,  Pftndung  206,  594  Anm. 
Lohn,  Privilegien  58fe— 599 
Lohn,   RQckbehaltung   und    Auf- 
rechnung 600,  60a— 606,  784 
Lohn,  Taxen  20,  86  f.,  89,  40,  41, 
48  f.  (Hessen  1622).  45,  46,  47, 
48,  49,  50,  51,  52,  58,  54,  56,  62, 
68,  65,  71  f.,  78,  74,  75—77,  78  f., 
80  f.,  «2  f.,  84—86,  92,  94,  100, 
109  f.,  118  f.,  121, 128  f.,  181, 156, 
172, 175, 176, 178, 180, 182, 188  f., 
186, 187,  188,  190,  191,  192, 193, 
194,  195, 196,  198,  200,  201,  204, 

205,  206,  207,  208,  210,  211,  212, 
217,  218,  220,  221,  222,  224,  225, 
226,  228,  288,  234,  285,  258,  328, 
881,  840,  864,  868,  870,  878,  874, 
488,  484,  485,  608,  609—656,  661, 
788,  774,  809,  818,  840,  846,  857, 
910 

Lohn,  Taxen,  drei  Arten  (absolute, 

regionale,  historische)  618,  681 
Lohn,    Taxen,    Abschaffung    688 

—685,  640  f ,  648,  645,  6^,  648, 

649  f.,  650  Anm. 

s.  a.  Mietgeld,  Taxen 


—    919     - 


Lohn,  Verjährung   186,  148,  606 

Anm. 
Lohn,  Vorschußleistung   599,  600 
Lohn,  Vorzugspfandrecht  205, 588, 

508  f.,  760 
Lohn,  Zahltag  503  Anm.,  602 
Lohn,  Zahlung,  zu  frühe  599 
Lohn,  Zahlungspflicht  61, 176,  588 

—606,  662 
Lohn,  Zahlungspflicht,  erst  nach 

Dienstleistung  591,  600 
Lohn,  Zahlungspflicht,  vor  Aus- 
tritt 17,  28  f.,  590—502 
Lohn,  Zahlungspflicht,   beschleu- 
nigte 592  f. 
Lohn,    Zahlunespflicht,    doppelte 

bei  Verzug  588  f. 
Lohn,  Zahlungspflicht  durch  Strafe 

gesichert  588^590,  599 
Lohn,  zuviel  gezahlter  7  f.,  9,  751, 

757 
Lohn  s. a.  Lohnbuch; Mindestlohn; 

Molter;  Naturallohn 
Lohnbuch  601--603,  879 

s.  a.  Gesindebuch ;  Zeugnis 
Ludwig,  Kaiser,  Rechtsbuch  216, 

277,  280,  554  f.,  589,  660,  798  f., 

828 
Luneville,  Frieden  von  121 
Luxus;  Luzusordnungen  57,  108, 

122,  126,  177 

s.  a.  Kleidung. 

Makler  141,  147,  160,  161  f.,  849, 
889,  408,  404-413,  812  f.,  884, 
886,  889,  840,  842,  848,  846, 847, 
851, 852,  853,  854,  856,  862,  867 
s.  a.  Gesindebüro;   Maklerlohn 

Maklerlohn  405,  407,  409 

Magdeschickerin  406 
s.  a.  Makler 

Magd,  Wort  242  f. 

Magd  des  hl.  Kreuzes  in  Franken- 
berg 21 

Magd  U.  L.  Frauen  in  Franken- 
berg 21 

Mahlgaste  884.  886,  887 

Mainzoll  s.  FlufizoU 

Malsteine,  Verrückung  265 

manasle  s.  menasle 

Mazimallohn  s.  Lohn,  Taxen 

Mehrere  Jahre,  Mietung  auf  482, 481 


menasle  179,  181,  596—508,  612 

Merkantüismus  20,  77,  101,  375  f. 

Mieter  (Wohnungs-)  259 

Mietgeld  22,  61,  68,  118,  130  f., 
1^,  175,  178,  179, 192,  194, 198, 
407, 410, 414-436, 444-475, 481 , 
787,  840,  841,  852,  858,  880 

Mietgeld,  erforderlich  zum  Ver- 
tragsschluß 417—420 

Mietgeld  nicht  erforderlich  zum 
Vertragsschluß  415—417,  418 

Mietgeld  vom  Gesinde  bezahlt 
421—423 

Mietgeld,  Höhe  427,  596,  621,  623, 
Anl.  zu  624,  626 

Mietgeld  jahrl.  gegeben  428-483, 

Mietgeld  naturaliter  436 

Mietgeld,  Taxen  40f,  43,  46,  62, 
77,  424,  433—486,  621,  623,  Anl. 
zu  624,  626,  641,  646,  648 
s.  a.  Lohn,  Taxen 

Mietgeld,  Teil  des  Lohns  426—428 

Mietgeld,  unabhängig  vom  Lohn 
421-426 

Mietschein  877  f. 
s.  a.  Zeugnis 

Militärdienst  68,  75,  81  f ,  84, 101, 
108,  110,  112  f.,  141,  199,  341, 
370—383,  525,  536  f.,  750,  757, 
795,  902 

Minderjährige,  Vermietung  176, 
441—443  782 

Mindestlohn    48,    62,   644  f.,  647, 
649,  649  Anm. 
s.  a.  Lohn,  Taxen 

Mönche,  Dienerhaltung  887 

Molter  884,  887 

Mondfinsternis,  Viehtreiben  ver- 
boten 900 

Mühlendiener  884,  887 

Mühlenmeister  884  f.,  886  f.,  887 

Mühlenschreiber  884,  887 

Mühlentreiber  (Fuhrknecht)  887 

Mühlenwager  884,  887 

Müllerknechte:  Mühlenrecht  im 
übrigen  19,  20,  42, 124, 184,  203, 
231,  283,  247  Anm.,  282,  886, 
430  f.,  500,  517  f.,  510  Anm.,  522, 
629,  844  f.,  868,  882-888 

Müllerjungen  885,  886 

Münzkreise  42  f.  Anm. 


—     920 


MOnzwesen   41^48,    45,    71|   76, 
620,  622 
s.  a.  Lohn,  Taxen 

MQßi'ggflnger,  deren  Anhaltung 
zum  Dienen  52. 55,  56  f.,  60  f.,  68 
—70,  78  f.,  75,  79,  84  f.,  94  f.,  99, 
101-108,  110,  111,  118,  118, 
156,  176, 182,  184, 185, 188,  189, 
191,  192,  201,  210,  211,  216,  217, 
220,  887—364,  869  f,,  372,  377, 
408,  495,  498  f. 

MQ&iggftnger-Bestimmungen,  Un- 
terschied vom  Zwangsdienst 
360  f. 

Mundraub  s.  Ehrlichkeit,  PjQicht  zur 

Munt  239-323  (bes.  257—823) 
s.   a.  Haftung;     herrschaftliche 
Gewalt;  Vertretung. 

Nachbarstaaten,  Vereinbarungen 
Ober  Gesindewesen  88  f.,  48,  49, 
54,  81,  92,  118,  183,  194,  195  f., 
206—208,  222,  228,  226,  227,  854, 
855,  369,  874,  486,  487,  591,  614, 
860,  889 
s.  a.  Kreise 

Nachtarbeit  in  Mühlen  884 

NachthQten  901 

NaturaUohn  21, 48, 56,  68  f.,  78—75, 
81—83,  110,  111,  114,  117,  119, 
120  f.,  127—129,  180,  182,  198, 
218,  842,  343,  863,  425,  520,  616, 
618,  619,  621  f.,  628  f.,  625,  626, 
634,  635—640,  643,  650—658, 
654  Anm.,  890 
s.  a.  Kleidung;  Kost 

Naturrecht  89,  100 

Nebenländer,  hessische    117 — 184 

Neujahrsgeld  652  f. 
s«  a.  Geschenke 

Neumietung  erst  bestimmte  Zeit 
nach  Ablauf  des  alten  Dienstes 
896—897,  478  f.,  884 

Neumietung  erst  bestimmte  Zeit 
vor  Ablauf  des  alten  Dienstes 
469—473,  884  f.,  844,   849—851 

Neumietung,  jährliche  428—488 

Neumietung  ohne  Wissen  der  vori- 
gen Herrschaft  218,  469,  769 
s.  a.  Erkundigung 

Notstände,  landwirtschaftl,  Sonn- 
tagsarbeit 528  f. 


öifentlichrechtliche  Gleichstellung 
von  Herrschaft  und  Gesinde  s. 
Gleichstellung,  rechtliche 

ökonomischer  Staat  Landgraf  Wil- 
helms IV.  904  Anm. 

Ohrenabschneiden  805 

Opfer^eld  22,  652  Anm. 

Orf^anisation  des  Gesindes  s.  Koa- 
litionsverbot 

PachtgOter  844 

Pädagogik  106-108,  220 
s.  a.  Erziehung;  Lehrer;  Schul- 
wesen 

Pariser  Jahre  829 

Paßwesen  187  Anm.,  877 

„Patriarchalisches"  im  Gesinde- 
verhältnis 255  f.,  321 

Personengemeinschaften  (Familie 
usw.)  249—255 

Pf&idung  des  Gesindes  281,  594 
Anm. 

Pfandrecht  des  Gesindes  gegen- 
über der  Herrschaft  s.  Lohn, 
Vorzugspfandrecht 

Pfarrer;  Pfarrgesinde  14,  19,  89, 
109, 165,  168, 169, 199, 265, 272  f, 
284,  301,  312,  318,  815  f.,  887  f., 
391,  398,  425  Anm.,  584,  687, 
692,  786,  876,  892 
s.  a.  bischofliches  Gesinde;  Got- 
tesdienst ;    Kirche ;    Verlesung 

Pferdeknechte  des  Hofgesindes  906 

Pflichten  des  Gesindes  500—587 

Pflichten  der  Herrschaft  588—788 

Physiokratie  84  f ,  92  f. 
s.  a.  Smith,  Adam  (unten  3) 

Pob'zeidiener  96 

Polizeiliches  Gesinderecht  gegen- 
über dem  privat-  und  straf- 
rechtlichen 88  f ,  175 

Polizeiordnungen,  Zeit  der  27 — 57 

Populationistik  s.  BevOlkenings- 
ivesen 

Post  112,  802  Anm.,  583 

Prämien   für   altgediente  Dienst- 
boten 68  f.,  108,  148,  737  f., 
s.  a.  Altersfürsorge 

Preistaxen  41,  43,  69,  70,  71  f.,  76, 
80,  83,  131,  209,  699^611,  618, 
621,  641,  645,  888 
s.  a.  Lohn,  Taxen 


—    921 


Privat-  und  strafrechtliches  Ge- 
sinderecht gegenüber  dem  ver- 
waltungsrechuich  •  polizeilichen 
33  f.,  175 

Probe,  Dienen  auf  446 

Profitknecht  288  f.,  894  f. 

Prozeß  115,  150,  159,  288,  898 
— 306. 


tfeuartierkommissare,  hessische  96 
Quatembergeld  658 
s.  a.  Geschenke. 


Rauch,  sich  auf  eigenen  Rauch 
n&hren  856 

Rauchen  267,  292,  298,  668,  664f. 

RechtsbOcher,  Zeit  der  8—18 
s.  a.  klein.  Kaiserrecht;  Sachsen- 
spiegel; Schwabenspiegel 

Register  des  Gesindes  140,  148, 
146,  147,  159,  161,  878,  879 

Reichsdeputationshauptschluß 
(1808)  121 

Reichsgesetzgebung  Ober  Gesinde 
34—89,  52,  118,  196,  211,  285, 
245,  818  Anm.,  887,  840,  845, 
544,  616,  617,  618,  640,  661,  672, 
678,  789,  792,  885,  848,  851,  854, 
857  f.,  860  f.,  862,  864,  869  Anm. 

Reichshandwerksordnungt  (1781) 
245,  321,  640,  869  Anm. 

Reurecht  428,  486  Anm.,  444—449 

Revolution,  französische  89,  98, 
104  f.,  184,  221,  688 

Revolution  1848  168 

Rezeption  27  f. 

Rheinbund  132 
s.  a.  französische  Zeit;  König- 
reich Westfalen  (unten  2) 

Rheinzoll  s.  Flußzoll 

Rockenreis  498  f.,  528 

Römisches  Recht  27  f.,  258  Anm., 
607 

Roggen  als  Wertmaß  612  Anm. 

Rockfall  565 
s.  a.  Ehrlichkeit,  Pflicht  zur 

Rogerecht  13,  292  Anm. 

Ruprechts  von  Freising  Stadt-  u. 
Landrecht  216,  267,  270,  278, 
555,  588  f.  Anm.,  606  f.,  678,  695, 
798,  828. 


Sabbathordnungen  s.  Sonntag 
Sachen    des    Gesindes,    mit    ins 

Herrenhaus  zu  bringen  407,  410, 

554  Anm.,  770,  813 
Sachsenspiegel  4—11,  12,  13,  14, 

173,  177,  216,  235,  243,  267,  270, 

277,  280,  283,  303,  480  Anm., 

595,  597  f,  606,  751,  757,  758, 

771,  776,  816,  817,  819,  891  f., 

893 
Salzknechte  317,  480  Anm.,  845  f., 
Sattel,  Sitzen  zu  ledigem  868  Anm. 
Schabbesgojim  s.  Juden,  Verbot 

der  Haltung  christlicher  M&gde 
Schaden   in  der  Herde,  Haftung 

des  Hirten  11,  898  f. 
Schädigung  dritter  Personen  durch 

das  Gesinde  276,  281—284 

s.  a.  Vertretung 
Schäfer  83, 113,  115, 117,  234,  380, 

421  f.,  423,  445,  460,  482,  483  f., 
651,  797,  811,  854 

s.  a.  Hirtenrecht;  ehrliches  Be- 

erflbnis;  Zunftfllhigkeit 
Schfiferhochzeit  541  Anm. 
Schäferhunde  897 
Schäfertag  in  Markgröningen 

422  Anm. 

SchäferzOnfte  421,  (422  Anm.),  445, 

811.  902  f.  Anm. 
Schafe,  Anteil  der  Schäfer  651 
Schafzählen,  Betrug  dabei  894 
Schandpfahl  98,  157,  531, 569,  581, 

582,  586,  775,  779,  781,  805 
Scheidhirten  s.  Hirten,  besondere 
Scherztage  500 
Schlafkam  mem,     getrennte     für 

Knechte  und  Mägde  181,  232, 

584—586 

s.  a.  Sittlichkeit;  Wohnung 
Schleiergeld  654  Anm. 
Schlenderzeit  498  f. 
Schlenklzeit  498  f. 
SchlOssel,  Verbot  der  Anfertigung 

fOrs  Gesinde  554  Anm.,  570,  586, 

(603) 
Schneidertaxe  610 
SchrifUichkeit  der  Kündigung  749 

Anm. 
SchrifUichkeit    des  Vertrags   95, 

141,  419,  420 
Schuhpreise  642 


-     922     - 


S 


SchuldbegrQndung  durchs  Gesinde 
für  die  Herrschaft  87  f.,  128  f.,  187, 
188, 276, 884--286, 666, 579f.,  684 
s.  a.  Vertretung 

Schulwesen    107,    166—167,    266, 
891,  680,  671,  68&--608 
s.  a.  Erziehung;  Lehrer;  Kinder- 
lehre 

Schultheiß  248  f. 

Schutzgeld  der  Juden  274  f. 

Schwabenspiegel  12-14, 20  f.,  248, 

267,  270,  292  Anm.,  808.  812, 
868,  669,  674,  828,  891  f.,  897 
Anm. 

Schwangerschaft  der  Mägde  126, 

141,  146,  167,  160  f.,  293  f.,  608, 

638  Anm.,  700,  828,  882 

s.  a.  Sittlichkeit 
Schweinehirten  21,  868,  421,  890, 

894 

s.  a.  Hirtenrecht 
Seuchenbestimmungen  ftkr  Hirten 

440 
Sittlichkeit  des  Gesindes  14,  181, 

192,-194,  218,  282,  288  f.,  264, 

268,  582—587,  766 

s.a.  Schlafkammern;  Schwanger* 

Schaft;  Volksbräuche 
Sitz  des  Gesindes  in  der  Kirche 

807 
Soldaten,   Umgang   mit   Mflgden 

686  f. 

8.  a.  Militärdienst 
Sonderhirten  s.  Hirten,  besondere 
Sonnenfmstemis,  Viehtreiben  ver- 
boten 900 
Sonntag;  Sonntagsarbeit  67,   78, 

79,  122,  126,  lÄ,  174,  177,  199, 

204,    281,    282,    288,    290,    600, 

518—526,  900 
Sozialdemokratie  167,  818 
Spielen   181,  186,  627,  681,   608, 

886 
Spinnstuben  188,  269,  628,  688  f. 
Spitale,Unterbringung  alterDienst- 

boten  788-785 
Spitalforderungen  im  Konkurs  761 
Spitalgesinde   214,  287,  602,  604, 

668,  676 
Sprichworte  277  Anm.,  601,  652, 

688 
Stadtknecht  18,  21 


Stadtrecht,  Anteil  des  Gesindes 
daran  318 

Stadtrechte,  hessische  18 — 22 

Stadtrechte  sonstige,  s.  die  «l* 
zelnen  Städte  (unten  2) 

Städtisches  Gesinde  244  f. 

Stallftltterung  898 

Standesunterschied,  seine  Beto- 
nung 267,  819-321 

Statist  des  Gesindewesens  i&k 
162,  828  f.,  346 

Stellvertretung  s.  Vertretung 

Steuern  des  Gesindes  (Subjekt- 
Steuern)  86,  87,  189  196,  204, 
214,  270—274,  815—318,  3b8 
Anm. 

Steuern  des  Gesindes  (Objekt- 
steuern)  818  Anm. 

Steuern  des  Gesindes,  gleiche  Er- 
mäßigung wie  die  der  Herr- 
schaft 816—818 

Steuern  der  Müßiggänger  61, 74  f^ 
102  f.,  110,  111,  118,  185,  841  f^ 
846,  846,  847,  848,  849,  360,  851 
368,  866,  869,  362 

Steuern  s.a,Abgaben;  Grundsteuer; 
Haftung;  Kopfsteuer;  Schutz- 
geld;  Tflrkensteuer 

Strafgewalt,  herrschaftliche  529  f.. 
654  f.,  671  f. 
s.  a.  2üchtigungsrecht 

Straf-  und  privatrechtUches  Ge- 
sinderecht geeenQber  dem  ver- 
waltungsrechuich  -  polizeilichen 
88  f.,  176 

Strafrechtliche  Gleichstellung  von 
Herrschaft  und  Gesinde  81 1—313 

Strafrecht  s.  Ehrlichkeit,  Pflicht  zur 

Straßenraub  am  Pfarrffesinde  IS, 
812 

Straßenreinigung  266 

Stricken  der  Schäfer  897 

StrickhOten  898. 

Tabak  s.  Rauchen 

Tag  des  Dienstantritts  s.  21iehzeit 

Tag  der  Lohnzahlung  s.  Lohn, 
Wahltag 

Tagelohn ;  Tagelöhner  18. 20, 86 1; 
S,  89,  40,  41,  46,  47,  4S,  52,  63, 
66,  71,  72,  78-80,  98,  1»,  110, 
128,  181, 177,  183, 189,  IM»  207. 


—    923    - 


218,  229,  288,  247,  248,  258,  327, 
831  f.,  888,  840,  841,  843,  844, 
346,  860,  851,  857,  365  f.,  870, 
371,  372,  378,  878,  886,  438,  495, 
515,  524,  580,  545,  546,  559,  603, 
611,  618,  618,  626,  686,  644,  647, 
661,  664,  697,  707,  716  f.,  765, 
796,  808  f.,  810,  876 

Fageszeit  der  Viehbütung  900  f. 

ranzen  220,  291,  375,  m,  527  f., 
537—542,  603 

Tarife  s.  Lohn,  Taxen 

Taufe  s.  Familienfeiern 

Taxe   s.  Lohn,  Taxen;  Mietgeld, 
Taxen;  Preistaxen 

Teetrinken,  dem  Gesinde  verboten 
663  f. 

Teilnahme    Dritter    an    Gesinde- 
delikten s.  Ehrlichkeit,  Pflicht  zur 

Testament,  altes  32  f 
s.  a.  Bibel 

Thamesbeutelbetrug  568 

Theresianische  peinliche  Halsge- 
richtsordnung 578 

Tierschaden  5,  12,  179,  265,  882 

Tod  des  Gesindes  8  f.,   12,   894, 

757  f. 
Tod  der  Herrschaft   7  f ,   12,  598 

Anm.,  595,  750,  758  f.,  871,  908 

s.  a.  Dreißigster 
Todesstrafe  67,  97,  157,  557,  558, 

560,  561,  564,  567,  568,  570,  571, 

572,  578,  674,  576,  577,  578,  579, 

581,  584  Anm.,  586,   680,   806, 

809,  854 
Töppestag  500 
Tötung  des  Gesindes  durch   die 

Herrschaft  s.  Zflchtigungsrecht 
Trauungssteuer  710  Anm. 
Triftgeld;  Trifthftmmel  894 
Trinkgeld  s.  Geschenke 
Türkensteucr  87, 195, 272, 818  Anm. 

s.  a.  Steuern. 

Tchtwerk  517 

Unbegleidetes  Judengesinde  394 

Unfreies  Gesinde  14,  15,  248,  819 

Anm.,  867,  449,  596,   606,  672 

Anm.,  781 
UnterstQtzungswohnshz  785 
Untreue  s.  Ehrlichkeit,  Pflicht  zur 


Universität  Marburg  151  Anm., 
305  Anm.,  413,  761. 

Teräu^erungvon  Herrengut  durch 
das  Gesinde  876—879,  559 
s.  a.  Vertretung 

Verantwortung  s.  Haftung 

Verbannung  s.  Ausweisung 

Verbot  der  Gesindehaltung  887  f., 
720 

Verbot,  dem  Gesinde  Sachen  ab- 
zukaufen 284,  878  f.,  554  Anm., 
560 

Verfügung  des  Gesindes  Ober  For- 
derung des  Herrn  878,  555 
s.  a.  Vertretung 

Verhalten,  allgemeines,  des  Ge- 
sindes 95,  140,  155,  156  f.,  221, 
222,  232,  258,  436  f.,  586—547, 
681,  906—908 

Verheiratetes  Judengesinde   ver- 
boten 395 
s.  a.  Heirat:  Jud^gesinde 

Verheiratete   MOllerknechte   ver- 
boten 886 
s.  a.  Heirat;  MOllerknechte 

Verheiratung  des  Hofgesindes  mit 
BOrgertöchtern  908  f. 

Verjährung  der  Lohnforderung 
186,  148,  606  Anm. 

Verlesung,  öffentliche,  der  Ge- 
sindeordnungen 66,  68,  70,  107, 
429,  568,  569,  571,  576,  577, 
692  f ,  908 

Verlust  von  Herrengut  durchs  Ge- 
sinde 276,  880  f. 
s.  a.  Vertretung 

Vermietung  auf  ewig  480  Anm. 

Vermietung  auf  unbestimmte  Zeit 
480  Anm.,  516 

Vermittlung  s.  Mäkler 

Vermögens-  und  Erbschaftsein- 
ziehung 82  f.,  365,  368,  869,  870, 
371,  372,  878,  374 

Veröffentlichung  von  Gesinde- 
delikten 157,  799 
s.  a.  Schandpfahl;  Zeitungen 

Verpflichtung  des  Hausherrn  durch 
seine  Angehörigen  276,  285 
s.  a.  Vertretung 

Verschulden,  Haftung  des  Herrn 
258  Anm. 


924 


Versicherung  gegen  Feuer  274 
Anm. 

Verspielen  von  Herrengut  durchs 
Gesinde  5  f.,  12,  277  f. 
s.  a.  Vertretung 

Verspottung  Andersgläubiger 
durchs  Gesinde  291 

Vertragsbruch  des  Gesindes  10, 
12  f.,  18,  22  f.,  24  f.,  86  f.,  44,  63, 
98,  109, 118,  119,  121,  129—131, 
182,  142,  145,  168  f.,  165,  168  f., 
171,  175, 176,  178,  179,  182,  185, 
186, 187,  188,  190,  191, 193,  194, 
196,  197,  201,  205,  209,  211,  212, 

213,  214,  215,  216,  217,  221,  226, 
228,  229,  280.  233,  284,  235,  257 
Anm.,  328,  351,  374,  375,  402, 
405,  406,  408,  409,  432,  439,  441, 
479,  492, 518,  561, 661, 683, 738  f., 
747, 766—806, 814-^16, 817, 828, 
824,  827,  828,  880,  833,  834,  887 
Anm.,  838,  839,  841,  843,  844, 
851,  860  f.,  861  f.,  863,  865,  866, 
867,  868,  869,  870,  873,  878,  880 

Vertragsbruch  der  Herrschaft  10, 
12f.,  18, 22  f.,  24f.,  113, 119, 180f., 
132,  156,  175,  179, 185,  187,  190, 

214,  215,  280,  234,  257  Anm., 
665  f.,  682,  766  f.,  772,  793,  800, 
814-882 

Vertra^natur  des  Gesindever- 
h&ltnisses  s.  Vertragstheorie 

Vertragsschluß  187,  198,  201,  202, 
209,  405,  414—448 
s.  a.  Mietgeld;  SchrifUichkeit 

Vertragstheorie  (59),  68,  90,  93, 
100,  821  f.,  805 

Vertretung  des  Gesindes  vor  Ge- 
richt durch  den  Herrn  240,  802 
—804 

Vertretung  des  Herrn  durchs 
Gesinde  5  f.,  12, 16  f.,  123  f.,  186, 
143,  179,  185, 187,  188,  194,  234, 
257,  275—289,  815 
s.  a.  Verbot,  dem  Gesinde  Sachen 
abzukaufen 

Vertretung  des  Herrn  vor  Gericht 
3Q(  Anm. 

Verwaltungsrechtlich-polizeiiiches 
Gesinderecht  gegenüber  dem 
privat- und  strafrechtlichen  38  f., 
175 


Verwandtschaft  der  Gesindege- 
setze  untereinander  236  f. 

Viehhaltung  s.  Naturallohn 

Viehpreise  53,  642 

Vögte  248  f. 

Volksbräuche  232,  529,  537— U2 

Volkszählungen  324 
s.  a.  Statistik 

Vormiete  210,  212,  217,  385-^337 
s.  a.  Zwangsdienst 

Vormundschaft ,  Uebemahme 
durch  den  Knecht  9,  12, 750,  TSl 

Vorrecht  der  bisherigen  Dienst- 
herrschaft auf  die  weiteres 
Dienste  des  Gesindes  190,  446 
Anm.,  465—469,  479  Anm. 

Vorzeitige  Dienstbeendigung  T3B, 
760—766 

s.  a.  Heirat;  Kloster;  Konkurs; 
Krankheit;  Militärdienst;  Tod; 
Vertragsbruch. 

Waffenanwendung  bei  derZacb- 
tigung  s.  ZQchtigungsrecht 

Wa&eljahre  829 

Waisenkinder  s.  Armenwesen; 
BeUeUdnder 

Wanderungen  s.  Auswärts  dieoco 

Warentazen  s.  Preistaxen 

Wegebaudienst  der  Hirten  901  f. 

Wehnenheller  890 

Weihnachtsgeld  652  f. 
s.  a.  Geschenke 

Wein  s.  Haustrunk 

Weinkauf  22,  416,  418,  419,  4S. 
424,  427,  445,  446 
s.  a.  Mietgeld 

WeistOmer,  hessische  22 — ^27 

Werbungen  s.  Militärdienst 

Werkvertrag  421,  796 

Wichfastengeld  653 

Wiedertäuferisches  Gesinde  ver- 
boten 392 

Wildem  der  Schäfer  895 

Wildschutzbestimmungen  für  Hir- 
ten 440,  895 

Wirte  s.  Gastwirte 

Wirtsgesinde  14,  142,  145  f.,  152 

Wissen  des  Herrn  um  Taten  des 
Gesindes,  Haftung  261—263 

Wohlfahrtseinrichtungen  887  Anm. 

Wohnsitz  des  Gesindes  186 


—    926    — 


/ohnnng  des  Gesindes  868  Anm., 

666y  609  f. 

s.  a.  Schlaf kammem 
Wollhandel  895,  897 
S/^CIstungen  344. 


lahl    des    Gesindes    beschr&nkt 

386,  892—894 
IsLun,  auf  eigenen  Z.  gehen  868 
:ehntrecht   282,    514,   514  Anm., 

592  f.,  686,  687 
^eit,  bestimmte,  als  Kennzeichen 

des  Gesindeverhftltnisses   25 — 

27,  428  f.,  768  f. 
^eit,  Iflns^ere,  als  Kennzeichen  des 

Gesindeverhältnisses  247,  254 
Zeitungen  72, 157,  349,  408  f.,  409, 

586,  787 
Zeuge,  Gesinde  als  186,  288,  298  f.. 

d09 
Zeugen  beim  Vertragsschluia  424, 

Zeugen,  M&kler  als  405 

Zeugnis  86  f.,  88,  44,  61,  66,  75, 
95,  109, 112,  115, 118,  137, 140  f., 
144, 146, 147, 150—152, 156,  I60f., 
168  f.,  171,  174,  180,  183,  187  f., 
194, 195,  196, 198,  204,  211,  212, 
221,  285,  264,  878,  407,  408,  412, 
496, 581,  599,  602,  701,  734,  769, 
780,  786,  789,  798,  829,  885,  857 


und  zwar 
Zeugnis  wider  Vertragsbruch  858, 
860,  861,  862,  868,  864,  865,  866, 
867,  868,  869,  870,  878,  876,  880, 
881  f. 


Zeugnis  Ober  Verhalten  858,  862, 
864,  865,  866,  867,  868,  869,  870, 
871, 872,  878,  874, 875, 876, 877  f., 
880,  881  f. 

Zeugnis,  behördliches  s.  a.  Be- 
amte 

Zeugnis,  unwahres  859,  867,  870, 
872,  873,  875,  877 

Zeugnis  über  Freiheit  von  Zwangs- 
diensten 881 

Zeugnisbuch  s.  Gesindebuch 

Ziehzeit  73-75,  88,  99, 112  f.,  115, 
117,  132,  148,  184,  197,  198,  208, 
223,  227,  228,  327  f.,  444,  478— 
497,  784,  885,  888,  862,  889,  902 

Zimmervermieter  142 

Zinsen  des  Lohns  im  Konkurs  762 

Zubringerin  405,  867 
s.  a.  Mäkler 

Zuchthaus  in  MOnchen  219,  580  f. 

Zflchtigungsrecht  15  f.,  31,  84,  62, 
65,  77,  98,  121,  214,  671-681, 
802 

ZOnfte  609 
s.  a.  Schftferzflnfte 

Zufall,  Haftung  fOr  258  Anm. 

Zunftf^higkeit  der  Schäfer  902 

Zustimmung  des  Herrn  zur  Ver- 
tragslösung 896 

Zwangsbeiträge  zu  Krankenkassen 
709  f.,  710,  716  f.,  718—721,  728 
-731 

Zwangsdienst  29-81,  89—91,  98, 
100,  102  f.,  120,  185,  177,  189, 
190,  193,  198,  201  f.,  211,  220, 
306  Anm.,  824-887,  860—864, 
370,  375,  582,  646,  681,  755,  881, 
910. 


2.  Geographisches  Register. 


Aachen  195,  198  Anm.,  617 
Abterode  (Hessen)  74 
AbtsgemOnd  282,  515 
Adelebsen  178 
Adelberg  (WOrtt.)  285 
Adelmannsfelden  (Wflrtt)  282,260, 

488  f.,  585  f.,  589  Anm. 
Adelsheim  (WOrtt.)  228  f.,  378, 488, 

589,  797,  881,  855 


Adelsheim  (Benningsens  fingiertes 
Gut)  326  Anm. 

Allendorf  a.  d.  Werra  41,  65,  74, 
721 

Alsfeld  87 

Altenburg  (Sachsen-)  186  f.,  189, 
297,  831,  847  f.,  869  f.,  411,  417, 
427,  485,  456,  463,  468,  472,  496, 
499,  518,  542,  560,  562,  578  f. 


—    926    — 


597,  614,  629,  689,  645  f.,  651, 
654  Anm.,  699,  744,  747,  748, 
754,  769,  779,  801,  819  f.,  840, 
866,  868,  869,  872,  910 

Altenglan  (Pfalz)  882,  292,  296 

Altenhaslau  (Hessen)  892 

AltenmOnster  (Kloster  in  Mainz) 
804,  278,  817  f. 

Alzey  (Hessen-D.)  707 

Ambere  207,  820,  498  f.,  876 
s.  a.  Oberptalz 

Amerika  167,  619 

Amöneburg  80,  364  f.,  614  f. 

Amorbach  885, 437, 441, 509, 539  f., 
680,  675,  696,  751,  855 

Ansbach  207,  212,  286,  424  f.,  428, 
468,  506  f.,  508,  584,  600,  605, 
648,  666, 688,  701  f.,  747,  827,  875 
s.  a.  Brandenburg,  frflnkisch 

Apenrade  171 

Arnsberg  194,  297,  868 

Aschaffenburg  91,  98,  122,  147- 
149, 809,  822,  680, 649  f.,  691, 786 

Augsburg  85  f.,  88  f.,  815, 277, 299  f., 
800  Anm.,  802,  808,  812,  857, 
377,  487,  588.  656  f.,  708, 793, 828 

Aurach  (Württ.)  285. 

Baden  208,  888—889  (bes.  226— 
228),  286, 831  f.,  358  f.,  885  f.,  895  f., 
412,  418  Anm.,  420, 428, 481, 458, 
474, 478, 486,  509, 561,  586, 602  C, 
605,  631,  686,  649,  680,  684  f., 
702,  729  Anm.,  746,  758 f.,  797— 
799,  802  f.,  881  f.,  856,  876  f. 

Badenweiler  885  f. 

Bamberg  207,  208,  809  f.,  380,  856, 
874,  884  f.,  408,  409,  415,  458  f., 
468  f.,  489,  548,  555  f.,  619,  680, 
687  f.,  654  Anm.,  704  f.,  708  Anm., 
722  —728  [Krankenfarsorge],  780, 
781,  744,  753,  791,  802,  803,  826, 
851,  867  f. 

Bayern  806-888  (bes.  216—220), 
291,  802  Anm.,  804,  824,  327— 
880,  835,  855-858,  878-375, 
388  f.,  890  f.,  402,  408  f.,  416,  420, 
427 f.,  481,  485,  445,  448,  450- 
452,  458  f.,  466  f.,  473,  487-490, 
497  Anm.,  49811,  506,  508,  513, 
515  Anm.,  525,  584  f.,  538,  588  f., 
599,   600,  607,   611,  612  Anm., 


615,   616,  680,  638—685,  637  £, 
648,   652,   654  Anm.,   662,  671, 
692 f.,  695  Anm.,  702, 728f.,  734u 
786  f.,  741,  743,  747,   748,  75i 
755,  770,  794  f..  802,   818,  82S, 
853  f.,  864,  875  f.,  879 
s.  a.  die  Einzelterritorien 
Bayreuth  856,  420,  489  f.,  869£ 
s.  a.  Brandenburg,  fränkisdi 
Beilstein  (Nassau)  200, 630, 785, 845 
Beislingen  (Baden)  228 
Belgien  s.  Flandern 
Bentheim  l^f.,  418,  788,  841 
Bergen  (Hessen)  117,  483 
Berka  (Thür.)  190 
Berlin  96,  610,  681,  719 
Bersenbrück  (Hannover)  177 
Biberach  889,  360,  487,  588,  6S1, 

688,  732,  754,  795  f.,  854  f. 
Biburg  (Bayern)  327  f.,  488 
Bielefeld  192,  279,  297,  416,  461 

467 
Billwärder  173, 518, 529, 598f.,  607. 

672 
Bingen  279 
Birstein  132  f.,  262 

s.  a.  Isenbure 
Bischhausen  (Hessen)  74 
Blankenburg  (ThQr.)  190,  287, 296, 

350,  777,  889 
Blaubeuren  889,  502 
Bockenheim  395,  714—717 
Böhmen  268,  770,  880 
Bönnigheim  (Württ.)  880,  558 
Bonndorf  (Baden)  888,  681 
Bordesholm  178,  292,  476,  772 
Bornheim  (bei  Frankfurt  a.  M.)  892 
Botwar  (WOrtt.)  880,  438,  598, 58S, 

760,  795,  829 
Bovenden(Hannov.,  frOherHessen) 

74,  76 
Brandenburg  (Preußen)  89,  3i6f., 
328  Anm.,  363,  442,  474,  610, 
516,  667,  680  f.,  685,  708  f.,  749 
Anm.,  804  f.,  882,  856,  879  f. 
s.  a.  Preußen 
Brandenburg  (frdnkisch)  907, 209, 
811—818,  286,  329f.,  8^6,  398. 
409  f.,  420,  424  f.,  428,  451  f.,  459, 
468,  489  f.,  506  f.,  508,  588, 6e0f^ 
572,  584,  599,  600,  605,  680,  638. 
648,    654  Anm.,  666,   679,  W, 


—    927     ~ 


701  f.,  744,  745,  747,  791  f.,  802, 

827  f.,  861  f.,  863  f.,  865,  869  f.,  875 
Braunfeb  s.  Solms 
Braunschweig  176, 181-183, 258  f., 

271,  296,  m{.,  814 f.,  360,  870, 

462  f.,  466,  494,  514,  521,  595  f., 

610,  629,  661,  659  f.,  664,  781  f., 

775 f.,  816  Anm.,  818f.,  860,  871  f. 

s.  a.   Braunschweig -Lüneburg; 

Hannover 
Braunschweig -Lüneburg   59—64, 

176,  287  f.,  289,  290,  850  f.,  464, 

521  f.,  682  f.,  639,  818 

s.  a.  Braunschweig;  Hannover; 

Kaienberg;  Lüneburg 
Breidenbacher  Grund  269 
Breisgau  s.  Freiburg 
Bremen  172  f.,  174,  175,  284,  311, 

320,  442.  447,  457,  595  f..  674  f., 

772,  778,  816,  817 
Breslau  405  f.,  857 
Brigachtal  (Baden)  224 
Brilon  313 
Brotterode  74,  81 
Bruchsal  225,  814,  440 
Buchen  (Baden)  225,  630 
Büdingen  910 

s.  a.  Isenburg 
Bühlertann  (Württ.)  281,  818  f.,  523 
Bühlerzell  (Württ.)  281,  523 
Bürgel  (Thür.)  189 
Burghausen  (Bayern)  218, 219, 408, 

4^ 
Buttelstedt  (Thür.)  189 
Buttstedt  (Thür.)  189,  275,  514 

Cappelen  (Hannover)  177 

Cassel  19,  41,  42,  43,  45,  46,  48, 
52,  53,  59,  71,  72,  74,  126,  137, 
139,  147,  149, 154, 158,  160, 161, 
162,  266,  300  f.,  305,  321  Anm., 
387  f.,  389  f.,  408  f.,  418,  484,  574, 
607,  609,  620,  623,  628,  642,  688, 
710-712  [Charit^],  717—721 
[Krankenkasse],  737,  749,  762, 
763, 888, 888, 889  Anm.,  899, 908f. 

•Celle  179,  266,  445,  456,  514  f., 
521  f.,  595  f.,  597,  732,  837 

Cleve  194  f.,  249  Anm.,  285  f.,  293, 
302,  834,  844  f.,  365  f.,  406—408, 
416  f.,  419,  426  f.,  482,  455,  461, 
491  f.,  609  f.,  511  f.,  589,  582  f.. 


585,  600,  602,  604  f.,  629,  632, 
647,  649,  651,  654  Anm.,  661  f., 
666,  700,  744,  746,  765,  769,  770, 
782  f.,  801,  812  f.,  820—828,  842, 
864  f.,  873,  881. 

Darmstadt  s.  Hessen-Darmstadt 
Deckendorf  (Württ.)  234  f. 
Deedesdorf  (Oldenburg)  683  f.,  754 
Detmold  s.  Lippe-Detmold 
Deutschordensgebiet  (Baden)  285, 
438,  503  f. 

Deutschordensgebiet  (Hessen)  245, 
335,  380,  389,  398  f.,  654  f.,  786  f. 
Anm. 

Deutschordensgebiet(Ostpreußen) 
249  Anm.,  363  f.,  442  f.,  474,  510, 
532,  612  Anm.,  614,  681,  708, 
739,  805,  832,  856 

Deutschordensgebiet  (Württem- 
berg) 669  Anm. 

Dewangen  (Württ)  233 

Dinkelsbühl  213,  357,  451,  477  f.. 
561,  698  f.,  743,  794,  852 

Dischingen  (Württ.)  231 

Dithmarschen  172,  656  f.,  559  f., 
771  Anm. 

Dortmund  194,  320,  441,  537,  782 

Drenth  178,  263 

Dresden  418  Anm.,  719 

Duderstadt  178,  316  Anm.,  455  f., 
468,  494,  637,  776,  819 

Düsseldorf  196,  294,  419,  434  f., 
442,  461  f.,  492  f ,  497  Anm.,  610, 
616,  585,  647,  654  Anm.,  663., 
680,  684,  701,  748,  783,  865,  879 

Durlach  224  f.,  226,  227,  359,  376  f, 
411  f.,  413  Anm.,  649,  702. 

Ebersberg  (Württ.)  280 
Eberswalde  610 
Edenkoben  (Pfalz)  222 
Eichsfeld  s.  Erfurt;  Mainz 
Eichstätt  214,  291,  294,  367,  409, 

488,  709,  747.  753,  764—766, 792, 

852 
Eiderstadt  171,  448,  476,  559  f. 
Eikel  a.  d.  Lenne  192 
Einbeck  178,  297,  468 
Einersheim    (Franken)    218,    769, 

792,  851 


—    928    — 


Eisenach  118, 188,  282,  818  Anm., 
349,  369,  877,  404,  495,  679,  645, 
679,  687,  699,  748  f.,  755,  778, 
830,  840,  872 

Eisenberg  (Thür.)  189,  297 

Elberfeld  HO 

Elbersdorf  (Hessen)  108 

Elchingen  (Wflrtt.)  881,  859,  528 

Elsaß  374 

Emsig  (Fnesland)  178,  696 

England  318  Anm. 

Eppingen  (Baden)  225 

Epstein  910 

Erfurt  118,  186  f.,  209,  645,  661, 
679,  685,  777,  820,  839 

Eschwege  18  f.,  41,  74,  75,  164, 
642   7l9  f. 

Essingen  (WOrtt.)  888,  488,  489 
Anm.,  522,  523  Anm. 

Eßlingen  284  f. 


Fechenheim  717 

Fehmarn  772 

Felsberg  (Hessen)  801 

Flandern  258  Anm.,  286  Anm., 
860  Anm.,  419  Anm.,  475  Anm., 
478  Anm.,  500  Anm.,  546  Anm., 
587  Anm.,  685  Anm.,  704  Anm., 
746  Anm.,  806  Anm.,  832  Anm. 

Flensburg  171  f.,  298,  878,  496  f., 
610   772 

Fränkischer  Kreis  807,  208,  209, 
855,  487.  488  f.,  630,  789,  790, 
827,  848,  868 

Franken,  6  Ort  in  818,  486  f.,  868 

Franken  im  Qbrigen  s.  die  Einzel- 
territorien 

Frankenberg  (Hessen)  80—88, 890, 
898f. 

Frankenhausen  185  f.,  859,  279 
Anm.,  809,  849  f.,  416,  495,  518  f., 
559,  776,  801.  888f. 

Frankfurt  a.  M.  (89),  151  Anm., 
806,  274f.,  279,  854,  888,  898, 
401,  418,  546  Anm.,  610,  630, 
719,  790,  879,  898 

Frankfurt,  Großherzogtum  117, 
148, 147-149, 158, 15^  209,  228, 
714  787 

Frankreich  585,587  Anm.,605f.,612 
Anm.,  685  Anm.,  806  Anm.,  879 


s.  a.  französische  Zeit  (oben  li; 
Großherzo^um  Frazikftirt;  Kö- 
nigreich Westfalen 

Frauenhausen  (Baden)  228 

Freiburg  im  Breisgau  85,  283,  229, 
288,  315,  359,  42^,  478,  486,  5(.<, 
509,  544,  578,  605,  649,  721,  73S, 
785,  747,  797,  799,  881  f.,  855,  87t; 

Freien,  die  sieben,  in  Westfalen 
194,  462 

Freising  816,  277,  280,  282,  odö. 
798  f.,  803,  828 
s.  a.  Ruprecht  (oben  1) 

Freyberg  (Sachsen)  595 

Friedberg  (Hessen-D.)  808,  304  u 
812  f.,  313,  315  f.,  317,  354,  373, 
629,  662.  789,  847,  868,  910 

Friedberg  (Bayern)  818,  358  Annu 
630 

FriedrichsUdt  171,  810,  448,  476. 
696  Anm.,  751,  778,  816,  836 

Friesland  178  f.,  262  f.,  268  f.,  267. 
294  Anm.,  295,  869,  466,  588,  696 

Fritzlar  49,  162,  167 

Frohnhausen  (Hessen)   787  Ann. 

Fulda  118,  186-138,  147,  148:; 
266, 279, 285, 289, 806,  365,  891 U 
898,  894,  400,  413  Anm.,  417. 
454,  485,  511  f.,  519,  588  Anm., 
585,  541,  545  f.,  585  f.,  638,  639. 
643, 655 f.,  664f.,  678,  712f.,  7631; 
788,  801  f.,  826,  847,  890  f.,  8Ä 
893,  898  Anm.,  900,  901 
s.  a.  Hessen(-Cassel)  1816. 

Oarding  171,  358 

Gedem  808,  854f.,  873,  460 f.,  472, 

477,  490f.,  629,  688f:,  744,  824, 

847 
Gelnhausen  117,  181  f.,  147,401, 

618,  673,  788,  846f. 
Gera  189 

Germerode  (Hessen)  74,  78,  79 
Geseke  781,  841,  910 
Gilsa  109 

Gleißweiler  (Pfalz)  828 
Göppingen  285  I 

Götangen  178, 266, 895, 870f.,417L 

444,  447 f.,  470,  614,  774f.,  837£ 
Goslar  177, 859, 268, 867, 870,  S81  f^ 

808  f.,  811,  815,  594,  595fn  651 

Anm.,  660  Anm.,  756  f.,  773  f,  817 


—    929    — 


Oo&felden  (Hessen)  898  f. 
Gotha  118,   186  f.,  189,  267,  296, 

310,  812,  848,  495,  542.  562,  748, 

764,  776,  819f.,  840,  869 
Gravenstein  (Baden)  227 
Grebenstein  (Hessen)  41 
GreufieniThflr.)  190,  309,  416, 777, 

801 
Großauheim  (Hessen)  158 
Großkrotzenburg  (Hessen)  158 
Gudensberg  (Hessen)  78,  84,  482 

643 
Gutenburg  (Baden)  228,  486,  681, 

638,  748,  758  f,  798,  856. 


[aarheim  (Hessen)  899  Anm. 

Hadeln  175,  268,  267,  852,  871, 
418,  448,  468,  496,  497  Anm., 
559,  570  Anm.»  619,  629,  639  f., 
696  Anm.,  743  f.,  774,  817,  886  f., 
862 

Hahnbach  (Oberpfalz)  218,  459, 
792  851 

Halberstadt  87,  94,  138  f.,  183,  818 
Anm.,  580,  665,  755 

Hamburg  172  f.,  175,  284,  311,  447, 
470,  496,  548  Anm.,  595  f.,  610, 
674,  719,  757,  816 

Hanau  64,  84,  98,  117,  121—126, 
147,  149,  151  f.,  157  f.,  159.  168, 
206,  265,  284,  285,  298,  805,  393 
Anm.,  395,  400  f.,  418  f.,  458. 
456,  460,  468,  511,  519,  567,  648, 
698,  714  f.,  717,  737  f.,  787,  811, 
825,  846,  870  f.,  904,  910 
insbesondere 

Gesindeordnung  von  1748  64,  84. 
184—126,   206,  458,   (456),  460, 
468,  511,  567.  643,  698,  787,  811, 
"•     825,  846,  870  f. 

Hannover  174-181, 191,  236,  244, 
245,  802  Anm ,  812,  815,  324, 
362,  870  f.,  893f  895,  484,  456, 
464,  468,  496,  509  f.,  511,  521  f.. 
543  Anm.,  561,  567—571 1  Straf- 
recht 18.  Jhdts.],  575,  577,  599  f., 
640  f.,  644,  650,  719,  732,  735, 
745  f.,  778-775  [Vertragsbruch], 
810  £,  817  f.,  887  f.,  869,  870  f. 
insbesondere 

Gesindeordnung  von  1732  59—64, 
125,  152,  181, 191,  286,  268,  845, 

Konnecke. 


352,  484,  456,  464,  468,  496,  511, 
569,  575,  599  f.,  640  f.,  650,  782, 
746,  775,  810  f.,  818,  888,  869, 
870  f. 

s.  a.  Braunschweig -Lüneburg; 
Kaienberg;  Lüneburg;  die  Ein- 
zelterritorien 
Hardt  222,  283  f. 

s.  a.  Maikammer 
Harz  177,  350,  462,  466,  614,  687, 

775  f.,  858,  860 
Haßloch  (Pfalz)  222,  598 
Hebenshausen  (Hessen)  422 
Heidelberg  222,   225,   816  Anm., 
440,  618,  707,  741,  798,  808,  881, 
855 
Heimbressen  (Hessen)  110 
Heitersheim  (Baden)  228,  488 
Heimarshausen  (Hessen)  74,  643 
Helmstedt  188 

Henneber^  190,  448,  778,  819  f. 
Heppenheim  205,  592 
Herlikofen  (Württ.)  233 
Hermanrode  (Hessen)  421 
Herrenbrcitungen     24 — 27,    74  f., 

81,  674,  845 
Hersfcld  40,  45,  57,  71,  74  f.,  298, 

519,  898  Anm*,  900,  901 
Hessen(-Cassel)  3—169,  286,  241, 
244,  247,  248  f.,  262,  265,  266, 
269,  272,  274  f.,  275,  282,  285, 
286,  288  f.,  298,  298,  800  f.,  805  f., 
806  f.,  317,  821  f.,  384,  888—848, 
864  f.,  878,  879—888,  886,  887, 
389  f.,  893, 394  f.,  897  f.,  398—401, 
412,  419,  421  f,  424,  428,  432 
Anm.,  488  f ,  437,  440,  442,  443, 
458  f.,  456,  460,  469  Anm.,  474, 
476  f.,  480—485,  499  f.,  507  f., 
511  f.,  517  f.,  518  f.,  524,  588  f., 
541,  544—546,  568—567,  570, 
578—577,  580—582,  591  f.,  600. 
603,  605  f.,  612  Anm.,  617  f.,  620 
—628  [Taxwesen  17.  Jhdts.],  686, 
638  f,  641—644  [Taxwesen  18* 
Jhdts.],  651,  654  Anm.,  655,  661 
Anm.,  664,  665  f.,  679  f.,  682, 
685—687  [Schulwesen],  687  f., 
697  Anm.,  698  f.,  710—721  [Kran- 
kenförsorge],  782  f.,  737  f.,  741  f.. 
746,  755  r,  760—764  [Lohn  im 
Konkurs],   769,   785-788  [Ver- 

59 


—    930    — 


tragsbruch],  800,801  f.,  804, 807  f., 
811,  812,  8U,  825  f.,  845  f.,  863, 
870  f.,  878  f.,  877  Anm.,  879,  882 
-888  [Müllerknechte],  88^-902 
[Hirten],  908-909[Hofrecht],910 

Hessen  femer  insbesondere: 

Stadtrechte  18—22 

WeistOmer  32-27 

Landesgesetzgebung  3 — 169 

Nebenländer  1 17  - 184 

Gesindeordnung  von  1786  59—66, 
94,  97,  99,  100,  102,  110,  112, 
121,  126,  191,  288,  341  f.,  434, 
463  f.,  460,  476  f.,  482,  607,  511, 
663—667, 576, 600, 641, 746, 786  f., 
811,  825,  846,  870 

Gesindeordnung  von  1748  s.  Hanau 

Gesindekriminalordnung  von  1762 
66—68,  97,  100,  115,  678-677, 
680  f. 

Verordnung  von  1785  87  f.,  97, 
286,  580 

Gesindeordnung  von  1797  67,  89 
—100,  102,  106,  116,  154-157, 
342,  428,  468  f.,  460,  476  f.,  482  f., 
507,  611  f.,  576  f.,  680-682,  686. 
665  f..  680,  746,  766  f.,  787,  826, 
846,  874 

Gesindeordnung  von  1801  66, 104 
—116,  245,  288,  342,  468  f.,  460, 
476  f.,  483,  507,  611,  676,  582, 
586  f.,  666,  746,  765  f..  769,  787, 
826,  846,  874,  889 

Gesindeordnung  von  1816  84  f., 
182  Anm.,  152-157,  158,  342, 
453  f.,  460,  476  f.,  607  f.,  611  f., 
586  f.,  666  f.,  788,  826 
s.  a.  die  einzelnen  Orte;  Nieder- 
hessen; Oberhessen;  König- 
reich Westfalen;  Grofeherzog- 
tum  Frankfurt;  die  Nebenländer 

Hessen(-Darmstadt)  86  f.,  182,  202 
—206.  207,  268,  364  f.,  364,  372  f, 
389,  401,  410,  439,  564,  630,  632, 
788  f.,  844,  847  f.,  892  Anm.,  903 
Anm. 

Heuchlingen  (Württ.)  438,  523 
s.  a.  Rechberij 

Hiidesheim  177,  183,  300  Anm., 
447,  776  f.,  860 

Hillesheim  (Rheinland)  814 

Himbergen  (Hannover)  176 


Himmlingen  (Wflrtt)  232,  310  ü 
Hofgeismar  160  f.,  163  f.,  483 
Hofheim  (Franken)  213,  314 
Hohenalfingen  (WQrtt)  281 
Hohenstatt  (WürtL)  232,  260,  261. 

292,  332,  360,  375,  384,  438,  51i, 

623,  635  f.,  558  Anm.,  664 
Hohenzollem  428,  444 
Holland  110, 191,  318  Anm.,  366  f^ 

368,  369,  686  Anm.,  704  Anm., 

746  Anm.,  806  Anm. 

s.  a.  Flandern 
Holstein  171  f.,  247,  868,  871,  457, 

476,  497,  644,   683,    "^If.,  771. 

772  f.,  801,  804,  871 
Homberg  (Hessen)  41,  161  f.,  167 
Horb  (Württ.)  229,  594 
Husum  171,  448,  476,  559  f. 
Huttenscher  Grund  (Hessen)  15S. 

Idstein  201  f.,  333,  785,  845 
Iggingen  (Württ.)  283,  515 
lim  190,  494  f. 
Immenhausen  (Hessen)  909 
Isenburg  118,  132—184,  157  f^  249 
Anm.,  262,  279,  282,  377  f.,  Jtöö. 
519,   641,  677,  643  f.,  788,  847, 
888  Anm.,  889  Anm.,   891,  8» 
Anm.,  896,  898  Anm.,  901,  910. 

Jena  188,  275,  849,  375,  376  Anm.. 
463,  468,  495,  579, 645,  654  Anrr... 
746,  777  f.,  801,  840,  872,  877  f. 

Jülich  195-197,  272,  291,  344,  378, 
383,  406,  411  Anm.,  419,  426, 
442,  449,  468,  472,  493,  509  f., 
540  f.,  616  f.,  617,  647,  680,  684, 
700  f.,  721  f.,  747,  754,  757  f^ 
758  f.,  783  f.,  785,  801,  802  f.. 
828  f.,  843  f ,  862,  866. 

Kaienberg    179—181,  291,  351  f.. 

622,  683,  650,  707  f. 
Kaltensundheim  22—27,  480,  592, 

674 
Kannstadt  234  f. 
Karlsruhe  225,  649 
Kassel  s.  Cassel 
Katzenelnbogen   200  f,   203,  260, 

264,  291, 297,  354, 872,  378, 439£, 

460,  471,  620,  629,  682,  741,  785, 

844  f.,  866,  868 


—     931 


Kaufbeuem  215 

Kaufungen  s.  Oberkaufungen 

Kehdingen  175,  871,  629 

Kempten  215,  782 

Kiel  868 

Killingen  (WOrtt)  428 

Kletgau  828,  858,  384,  452,  748, 

754,  798,  855 

Koburg  190,  207,  880  f.,  467,  629, 
778  f,  819  f.,  889 

Köln  85,  195  f,  197  f,  271,  279, 
289,  291,  294,  296,  804,  883  f, 
343  f.,  865,  891,  394,  895,  402, 
432,  484,  487,  461,  491,  520,  524, 
539  f.,  599,  610,  616  f.,  617,  632, 
647,  652,  655,  729  f.,  744,  746  f., 

755,  769,  784  f.,  801,  828,  842  f., 
861  f.,  865 

KönigsbrQck  (Baden)  223  f.,  429, 
437,  485,  502,  508  f,  581  f,  603  f., 
797 

Koesfeld  198,  867,  782 

Kostheim  (Main)  204, 205, 278, 317  f. 

Kreuznach  200,  265,  279 

Krotzingen  224,  305  Anm. 

Kümach  (Baden)  224,  810,  855 

Kurhessen  s.  Hessen(-Cassel) 

Kurmainz  s.  Mainz 

Kurpfalz  207,  208,  222  f.,  227,  358, 
S'ft,  392,  486,  567  f.,  572,  619, 
661,  697  Anm.,  706  f.,  798,  808  f., 
831,  855,  864 

Kursachsen  248,  326  f.,  862,  870 
Anm.,  411,  412,  414,  586  f.,  614, 
668,  708,  737  Anm.,  739,  765, 
805,  903  Anm. 

Kusel  222. 

I^andau  881,  222,  490,  680,  746 
Landshut  214,  217,  218,  357,  451, 

468,   487,  502,   543  Anm.,   615, 

676,  709  f. 
Langenlonsheim  200,  265,  279,  320 

Anm. 
Lauenburg  176,  181,  279,  464,  542, 

559,  569  f.,  604,  629,  675  f.,  817  f., 

836 
Lauterburg  (Württ.)  282,  514 
Leipzig  405  f.,  418 
Leonberg  (Württ.)  234 
Leutenberg  (Thür.)  190,  674 
Lichtenberg  s.  Altenglan 


Undau  84  f.,  544 

Lingen  193 

Lippe-Detmold  188  f.,  846  f.,  868  f., 
466,  493  f.,  497  Anm.,  517,  521, 
542,  577  f,  629,  639,  646,  651, 
662,  663  f.,  664,  746,  755,  780, 
810,  820,  841,  872  f. 

Lippstadt  198, 528  Anm.,  685  Anm. 

Loen  193 

Löwen  (Belgien)  806  Anm. 

Lorch  (Württ)  235 

Loshausen  245,  248,  402  f.,  425  f., 
429  f.,  432  Anm.,  436,  443,  481, 
593  Anm.,  608,  624  f.,  626—628, 
686  f.,  698  f ,  757,  814,  881  f. 

Lübeck  178  f ,  175,  284,  811,  444, 
447,  476,  554,  594  Anm.,  595  f., 
610,  671,  674,  695,  696  Anm., 
751,  757,  771  f.,  816,  886 

Lüneburg  179  f.,  290,  298,  295,  810, 
812,  350,  464.  471,  495  f.,  514 
Anm.,  541  f.,  638,  639,  650,  742, 
774,  818,  837,  860^  862 
s.  a.  Braunschweig -Lüneburg; 
Hannover 

Lützelwig  (Hessen)  87,  88 

Luneville  121. 

Mähren  308,  804,  770 

Magdala  (Thür.)  190 

Magdeburg  188, 548  Anm.,  718,  719 

Maikammer  (Pfalz)  222 
s.  a.  Hardt 

Mainz  20  Anm.,  118,  208  f.,  806, 
207,  226,  272  f,  274,  279,  288, 
294,  305,  817  f.,  318  Anm.,  854, 
364,  387, 892, 401(  519,  520,  572f., 
630,  770,  777,  789  f.,  820,  839, 
847,  848,  868,  874f. 

Marburg  19  f.,  40,  45,  54  f.,  71,  74, 
76,  126,  151,  164,  272,  413,  592, 
610,  616,  652  Anm.,  654  f.,  761, 
786,  888 
s.  a,  Universität  (oben  1) 

Markgröningen  (Württ.)  422  Anm. 

Marsch  175,  371 

Mecklenburg  578 

Meerholz  182  f. 

Meissen  546  Anm.,  658  Anm. 

Melstmgen  161  f 

Memmingen  815,  291  f.,  312,  487, 
599  Anm.,  678,  732,  852  f. 

59» 


—    932     — 


Mengsberg  (Hessen)  756 

Mergentheim  121,  885,  673 

Miltenberg  886,  817,  594  Anm., 
630,  706 

Minden  193 

Mockstadt  (Hessen-D.)  808,  816 

Möllenbeck  (Hessen)  697  f. 

Moringen  178,  871,  288,  441  Anm., 
775,  801,  803 

Moselland  658  f. 

Moselweis  800,  658  Anm. 

Mahlhausen  (Thflr.)  185  f.,  267, 804, 
850,  378  f.,  448  f.,  470,  495,  512  f., 
558  f.,  562,  689,  664  Anm.,  751  f., 
776  f.,  819,  888 

München  215,  816,  218,  219,  805 
Anm.,  816  Anm.,  394, 404, 408, 420, 
428,  481,  450,  471,  488,  530,  554, 
589,  589  Anm.,  591,  610,  660, 
678,  719,  793  f.,  828 

Monden  (Hannover)  598  Anm.,  659 

Monster  193,  261,  388  f.,  345,  367, 
889,  402,  417,  418,  445,  449,  455, 
462,  472,  477,  498,  497  Anm., 
781,  820,  841 

MOnzenberg  121. 


Nassau  92,  800—808, 279,  286,  287, 
289,  291,  382  f.,  836,  358  f.,  872, 

878,  885,  401,  434,  454,  460,  472, 
490,  497  Anm.,  520,  562,  591, 
614,  630,  635  Anm.,  682,  741, 
746,  785,  801,  812,  824,   844  f., 

879,  902  f.  Anm.,  910 
Neckarsteinach  885,  438 
Neisse  598 

Nentershausen  (Hessen)  109 
Neresheim  (WOrtt)  281 
Neuburg  (Pfalz)  880f.,  409,  586,  619 
Neuenstein  (Hessen)  72,  74  f.,  80, 

87,  642 
Neuffen  285 
Neukirchen  (Hessen)  72,  85  f.,  110, 

642  f. 
Neumark  (ThOr.)  189  f.,  296 
NeumOnster  178,  292,  772 
Neunheim  (WOrtt.)  831,  265 
Neustadt  (Pfalz)  881,  222,  490,  680, 

745 
Neuwied  199  520,  540 
Niederaula  (Hessen)  483 


Niederhessen  48,  46,  50,  54,  484, 
628  Anm.,  711 

Niedermeiser  (Hessen)  168 

Niedersftchsischer  Kreis  170  f.,  180, 
862 

Niedersachsen  s.  die  Einzelterri- 
torien 

Nienburg  176 

Nördlingen  218 

Nordhausen  185,  277,  311  f.,  350, 
513,  556,  559,  776 

Nordstrand  171,  696  Anm. 

Norwegen  245,  289 

Nürnberg  84,  207,  208,  810  f.,  Ui, 
249  Anm.,  855,  388  f.,  405,  408 
Anm.,  423  Anm.,  424,  428,  431, 
451,  467  f.,  470,  471,  489,  556. 
557,  610,  618  f.,  633  f.,  636,  688, 
648,  658  f.  Anm.,  659  Anm«,  67a, 
679,  708,  784,  735,  740  f.,  770, 
792,  826  f.,  848—851,  862,  867, 
875,  877,  879 

Nürtingen  285. 

Oberbeerbach    (Hessen -D.)   805, 

425  Anm. 
Oberhessen   45,  50,  484,  499,  626 

Anm. 
Oberkaufungen  50,  307 
Oberkochen   (WOrtt.)    881  f.,    539 

Anm. 
Oberlausitz  326  f.,  668,  881 
Oberpfalz  218,  880,  856  f.,  459,  690, 

692,  798,  851,  864,  875  f. 
Oberrodenbach  (Hessen)  158 
Obersdchsischer  Kreis  171, 180, 862 
Oberschneidheim    (WQrtt.)    890, 

265  f. 
Oberweimar  (Hessen)  787  Anm. 
Oberzell  815,  794 
Ochsenhausen  (WOrtt.)  889,  794 
Odenheim  (Baden)  885,  314 
Oesterreich  885,  329  f.,  420,  428, 

435,  452,  473,  487,  505  f.,   508, 

536,   584,   600,   601   Anm.,  612 

Anm.,  648,  702,  748,  770,  T99f. 

802,  808,  832,  856,  866,  876, 877 

s.  a.  Tirol 
Oettingen  818,  393 
Offenbach  644 
Oldenbuig  119,  174,  307,  311. 3S0, 

352  f.,  442,  447,  496,  522,  595  f., 


—    933     ~ 


674  f.,  683  f.,  699,  786  f.,  754,  758, 
773,  817,  869 

Onolzbach  s.  Ansbach 

Oppenheim  S05,  788  f. 

Orb  a08,  618,  847 

Ordensland  s.  Deutschordensgebiet 

Osnabrück  176  f.,  352,  418,  435, 
464  f.,  473,  497  Anm.,  509  f.,  629, 
644,  660  f.,  664,  746,  756,  775, 
818,  838 

Ostdeutschland  28—81,  39,  45,  59, 
64,  65,  170,  241,  324,  325—827 
[Zwangsdienst] ,  335,  360—364 
[Zwangsdienst],  510,  577,  586  f., 
662,  666  f.,  680  f.,  702  f.,  804—806, 
879—881 

s.  a.  Brandenburg;  Deutsch- 
ordensgebiet ;  Karsachsen  ;Ober- 
lausitz;  Pommern;  Preußen; 
Schlesien 

Osterburken  (Baden)  440 

Osterode  177  f..  776,  887 

Ostfriesland  173  f.,  259  f.,  263,  415, 
418,  448,  466, 496, 617, 629, 672  f., 
678  f.,  683,  696  f.,  742,  752  f.,  778, 
817,  836 
Ottershausen  (Hessen)  480  f. 

Paderborn  191,  273,  345,  866  f., 
394,  402,  462,  498,  589;  629,  820, 
841 

Parkstein  (Bayern)  220 

Passau  214,  800,  808  f.,  588  f,  678 

Peina  (Peine)  177,  436  f.,  803 

St.  Peter  bei  Freiburg  i.  Br.  223, 671 

Pfalz  s.  Kurpfalz;  Neuburg;  Ober- 
pfalz; Speier;  Zweibrflcken 

Pflaumloch  (Württ.)  528  Anm. 

Plön  172,  448,  746,  778,  816  f. 

Pommern  826  f ,  862  f.,  582, 685, 881 

Praunheim  (Hessen)  158 

Preußen  67,  87,  91,  94  f.,  96,  97, 
286,  818  Anm.,  821  f.,  328  Anm., 
402  Anm.,  442  f.,  454  Anm.,  650 
Anm.,  652  Anm.,  659  Anm.,  667, 
768,  879 

s.  a.  Allgemeines  Landrecht 
(oben  1);  Brandenburg 

Ramholz  (Hessen)  158 
Ramsberg  (WOrtt.)  288,  488,  489, 
452,  460,  522  f.,  750,  795,  854 


Raschenberg  (Bayern)  216,  598 
Rastatt  226 

Rastenberg  (ThOr.)  189,  820  Anm. 
Ravensberg  192  f.,  345,  866,  419, 

484,  473,  498,  497  Anm.,  517, 

582,  629,  646  f.,  651,  745,  781, 

841  f.,  866 
Rechberg  (WQrtt.)  883,  488,  489 

Anm.,  522  f.,  795 
Reckenberg  657 
Recklinghausen  198,  491 
Regensburg  214, 864,  808,  402, 409, 

610,   640  Anm.,   743,  769,   798, 

828,  852 
Reichensachsen  (Hessen)  74 
Reitenbuch  s.  Rothenbuch 
Remda  190,  279,  820  Anm.,  512 

Anm. 
Rezatkreis  813 

Rheingau  202,  420.  468,  471,  848 
Rheinland  194-200 

s.  a.  die  Einzelterritorien 
Rhein-  und  Wildgrafschaft  229, 264 
Rhön  499  f. 

Ried  (zwischen  Vilbel  und  Haar- 
heim) 899  Anm. 
Rinteln  102  f.,  119,  126,  151  f.,  714 
Rodenberg  (Hessen)  102  f. 
Rodenhausen  (Hessen)  480  f. 
Rodheim  (Hessen)  400 
Rötteln  226,  359,  681  f. 
Rohrbach  (bei  Hersfeld)  901 
Romsthal  (Hessen)  158 
Ronsburg  (Bayern)  215,  794,  828  f. 
Rotenburg  (Hessen)   54,   74,   75, 

76  f.,  161t.,  642 
Rothenbuch  (Bayern)  215,  794 
Rothenburg  ob  der  Tauber  218, 

873,  584,  613  f. 
Rudolstadt  190,  287,  296,  850,  674, 

785,  777,  889 
Rüden  192,  298,  587,  595,  598 
Rußland  241. 

^Saarbrücken  910 

Sachsen  s.  Altenburg;  Eisenach; 
Gotha;  Koburg;  Kursacbsen; 
niedersächsischen  Kreis;  ober- 
s&chsischen  Kreis;  Weimar 

Salfeld  190,  674 

Salzburg  598,  600  f. 

Salzkotten  (Westfalen)  192,  560 


—    934     - 


Sayn  800,  279,  286,  877,  894,  418, 
428,454,461, 468  f.,  491,497  Anm., 
682,  605, 646,  654  Anm.,  747,  781 , 
824  f.,  842,  873 

Schaumburg  (Hessen)  100—103, 
117,  118—121,  184,  249  Anm., 
260f.,  264, 279,  285,  291,  297, 306, 
817,  885,  843,  346,  381,  418,  454, 
584,  541,  681,  639,  651,  697,  698, 
714, 754,  764, 779,  788, 826,  840  f., 
847, 863, 870  f.,  892, 894, 898  Anm., 
899 

Schaumburg-Lippe  184  f.,  275,  346, 

369,  393,  477,  520,  531,  563,  592, 

629,  631,  651, 699, 746,  755, 779  f., 

804,  811,  820,  841 

s.  a.  Schaumbure  (Hessen) 
Schenklengsfeld  (Hessen)  74 
Schlechtbach  (Wflrtt.)  233,  265 
Schieid  (Fulda)  890  f. 
Schleiz  190,  297 
Schlesien    826  f.,  474  f.,    610,   065 

Anm.,  668, 770, 805  f.,  809, 857, 880 
Schleswig  171  f.,  247,  293  f«,  353, 

457,  mr.,  476,  497,  522,   629, 

668,  679,  746,  748,  751  f.,  771 
Schluchteren  (Hannover)  176 
Schmalkalden  71,  74  f.,  81 
Schwaben  s.  Württemberg 
Schwäbisch  Hall  280,  796 
Schwäbischer  Kreis  234f.,  359, 416, 

481,  506, 539,  630, 638,  743, 758 f., 

789,  795  f,  797 
Schwalm  583 
Schwarzburg  777 
Schwebda  (Hessen)  106 
Schweden  175 
Schweiz  318  Anm.,  589,  649  Anm., 

654 
Selzen  (Baden)  440  f. 
Siegen  201,  287,  504,  558,  785 
Sinsheim  (Baden)  225,  805  Anm. 
Soest  194,  303  Anm.,  610 
Solms  208,  281,  902  f.  Anm.,  910 
Sonderburg  172,  293,  497,  772 
Sooden  a.  d.  Werra  817,  480  Anm., 

845  f. 

s.  a.  Allendorf 
Speier   87,  221,   226,  309,   313  f., 

512  Anm. 
Spraitbach  (Württ.)  283,  438,  '439 

Anm.,  523 


Stade  175, 176,  284, 311,  415,  595  ü 

674,  757,  773,  817 
Stapelholm  171 
Staufifen  357,  384 
Steinbach  (Hessen)  74  f. 
Strasburg  446 
Stuttgart  229  f.,  234  f.,  296,   4371, 

557. 

T.,  Hofmark  zu  216 
Tecklenburg  193 
Teichel  (Thflr.)  190,  384,  290  f 
Thannhausen  (Württ.)  231 
Thierhaupten  (Bayern)  215,  531 

556,  794 
Thüringen  s.  die  Einzelterritorien 
Tiengen  (Baden)  228 
Tirol  613,  631  Anm., 
Tönning  171  f.,  353,  809  f. 
Tondern  172 
Traunstein  216,   278,   295  f.,  470, 

598,  852 
Trendelburg  814 
Treysa  41,  42,  507 
Trier  85, 198  f.,  265,  279, 285, 296  f, 

314,  344,  887,  891,  392  f.,  402, 

502,  518,  520,  618,  660  f.,  667 
Trochtelfingen   (Württ.)  230,  268 
St  Trudbert  zu  Krotzingen  223, 

805  Anm. 
Türkheim  (Württ)  235. 

Vdenheim  (Baden)  225,  438 
Ueberlingen  224,  808,  309,  415  f., 

438,  445,   470  f,  589,  594,  618, 

681  f.,  706,  797,  803,  830  f.,  855 
Uihingen  s.  Uwingen. 
Ulm  &4f 
Ursberg  (Bayern)  215,  599,  676, 

743,  794 
Usingen  (Württ.)  s.  Uwingen 
Usingen  (Nassau)  201,  382  f,  a53f., 

377,  385,  434,  454,  472,  490,  497 

Anm.,  516,  562,  647  f.,  754,  785, 

812,  824,  845 
Uwingen     (Uihingen ,     Usingen; 

Württ.)  223,  384. 

Tehlen   (Schaumburg)    185,  593, 

780   820 
Verden  175, 176,  284,311,820, 415, 

442,  595  f ,  597  f.,  674  f.,  773,  817 


935     — 


Vilbel  899  Anm. 

Villingen  284, 358, 420, 432  f.,  485  f., 

453,  681,  770,  797  f.,  830,  856 
Voigtland    329,    489  f.,   688,   745, 

791,  864 

s.  a.  Brandenburg,  fränkisch. 

Wabern  (Hessen)  165 
Wächtersbach  (Hessen)  132  f. 
Waiblingen  (Württ.)  234  f. 
Waldeck   190  f.,  345,   867  f.,   378, 
379,  889,  467,  477,  494,  571  f.. 
613,  629,  646,  687,  738,  746,  755, 
780  f.,  840,  870  f. 
W^alldOm  225, 259, 287, 313, 438, 680 
Wallerstein  218,  393 
W^altershausen  190,  297  f. 
Wanfried  (Hessen)  68,  74,  75,  77 

Anm.,  80,  642 
^Veiden  (Bayern)  220 
Weilburg  92,  363  f., 
Weüer  (Wflrtt)  438,  523 

s.  a.  Rechberg 
Weimar  113, 186, 187  f.,  279,  284  f., 
286,  320  Anm.,  348  f.,  869,  466, 
463,  470,  521,  560,   579  f.,  614, 
629,  639,   645,   664  Anm.,   735, 
737,  770,   779,  801,  819  f.,  889, 
861,  872,  877  f. 
Weinheim  225,  317,  503  f. 
Weitnau  (Baden)  223.  331 
WelJstein  (Württ.)  232,  515 
Wesel  194,  441,  782 
Westdeutschland  gegenüber  dem 

Osten  28—81,  93 
Westergo  295 
Westerwold   178,   281,   302,  466, 

475  f.,  695,  757  Anm. 
Westfalen  110, 191—194, 324, 388  f., 
366,  390,  455,  462,  491,  493,  589, 
595,  614,  660,  747,  781  f. 
s.  a.  die  Einzelterritorien 
Westfalen,  Königreich  117,  184- 
147, 156, 273  f.,  412  f.,  714,808, 826 


Wetterau  365 

Wied  s.  Neuwied 

Wien  866 

Wiesensteig  (Württ.)  286 

Winzelhausen  (Württ.)  230,  438 

Wissgoldingen  (Württ)  288  f.,  279, 

523,  688,  795,  829  f. 
Wittgenstein  s.  Sayn 
Witzenhausen  74,  162,  422 
Witzenmühle  a.  d.  Aller  637 
Wolfenbüttel  183,  482,  486,  462  f., 
494,  577  f ,  602,  644  f.,  649,  678, 
732,  746,  775,  888,  872 
Wolf  hagen  41,  160,  167  f.,  909 
Worms    36,   87  f.,   205,   207,   800 
Anm.,  306  Anm.,  316,  317,  644, 
847  f 
Württemberg  (223,  Uwingen)  229 
—235  (bes.  234  f.),  269, 299  Anm., 
382,   359  f.  416,  420,  421,  423, 
431  f.,   439  Anm.,    446^    469  f, 
486  f.,  614,  616,  622  f.,  538 ,  686  f., 
688  f.,  661,  692,  618,  630  f.,  688, 
682,  729  Anm.,  748,  744,  768  f., 
795—797,  807,  829  f.,  864  f ,  864, 
902  Anm. 

s.  a.  schwäbischen  Kreis;  die 
einzelnen  Orte 
Würzburg  207, 206  f.,  213, 226, 814, 
866  f,  374,  404,  420,  461,  469, 
686  f.,  683,  601 C,  630,  634  f.,  684, 
701,  734,  744,  747  f.,  790  f.,  804, 
827,  861,  868. 


Zeitz  189,  680,  671  f. 
Ziegenhain(Hessen)  71, 74, 801, 686, 
Zierenberg  (Hessen)  909 
Zipplingen  (Württ.)  281,  669  Anm. 
Zittau  467 

Zuzenhausen  (Baden)  225,  332 
Zweibrücken  221,  793,  876 
Z  Westen  (Hessen)  898. 


3.  Personenregister; 


Adalbert,  Bischof  von  Fulda  (1795) 
713 

von  Adelmann,  Grafen  s.  Adel- 
mannsfelden; Hohenstatt(oben  2) 


Alberus,  Erasmus  82, 621  Anm.,  694 
Albrecht  I.,  Kaiser  305 
Anna,    Gräfin    von    Ostfriesland 
(1545)  173. 


—     936     - 


Bauer,  hess.  Amtmann  in  Herren- 
breitungen  (1767)  76Anm. 

von  Baumbach,  Vizepräsident  der 
hessischen  Regierung  (1796  ff.) 
96,  106,  110,  111 

von  Baumbach,  hessischer  Land- 
rat in  Nentershausen  (1797)  109 

Beccaria  584f.Anm. 

Becker,  hessischer  Commissarius 
inWanfried  (1763 ff.)  68 f.,  70, 
74 f.,  77Anm.,  80,  84,  642 

Bemer,  hessischer  Regierungsrat 
(1767)  82  f.,  85 

Bernhard,  Graf  zu  Soims  (1424)  910 

von  Blankenheim,  Arnold  (1358) 
198,  814 

Bode,  hessischer  Amtsrat  in  Neuen- 
stein (1776)  87 

Bodmann,  Franz  Joseph  202,  204 

Böttiger,  Karl  August,  Freund 
Seumes  886 

von  Boineburg  27, 397  Anm.,  478  f., 
590 

Brand,  Bürgermeister  von  Bocken- 
heim (1855)  716 

BuUing,  oldenburgischer  Amts- 
verwalter in  Deedesdorf  (1794) 
688  f.,  754 

Butzer,  Martin  897  f. 

Campe,  Pädaeog  691 

Carmer,  preußischer  Minister  650 

Anm. 
Christoph,    Graf  von   Oldenburg 

(1566)  785 
Colerus  505,  552  f.,  657  f.,  694 
Cornitius,   hessischer  Hofrat  und 

Generalehirurgus  (1772)  710 
Czihak,  Arzt  in  Bockenheim  (1824) 

714. 

von  l>alberg,  Großherzog  von 
Frankfurt  147 

von  Dalwigk,  hessischer  Landrat 
in  Lützelwig  (1785  ff.)  87,  88, 680 

von  Dalwigk,  hessischer  Landrat 
in  Gilsa  (1797)  109 

Daniel,  Erzbischof  von  Mainz 
(1579)  618 

Diedrich  von  Isenburg  (1424)  910 

Diedrich  von  Weverlinge  in  Braun- 
schweig (1387)  271 


von    Dörnberg   55,   280  f..   62U. 

626—628,  675,  845 
Dorn,  Lorenz,  89,  678,  691 
Dury,  Baumeister  und  Professor 

in  Cassel  (1772)  710. 

Eberhard,  Herr  von  Epstein  (1424! 

910 
Eberhard  der  Aeltere,   Graf  voc 

Württemberg  280,  437 
Edzard,    Graf    von    Ostfrieslasd 

(1515)  173 
Eigenbrodt,  hessischer  advocatiis 

fisci  in  Rinteln  (1798)  102  f. 
Eigenbrodt,  hessischer  Major  483» 

605  f. 
Elisabeth,  Gräfin  von  Schaumburg 

(1640)  335 
Emerich,  Johann  Jost  20.  ^0,  893 
von    Engers,    Matthias,    Chronia 

von  Geseke  910 
von  Erffa,  thOr.  Adel  316  Anm. 
Ernst  August,  Kurfürst  von  Han- 
nover (1679-1698)  561 
Ernst    Ludwig,     Landgraf    von 

Hessen-Darmstadt  (1788)  269 
von  Esch  wege,  hessischer  Landrat 

(1797)  109. 

Ferdinand  IIL,  Kaiser  218 
Ferdinand     Maria     von    Bayern 

(1651—1679)  687 
Franz  Ludwig,  Fürstbischof  von 

Bamberg  (1790)  722 
Friedrich,  Herzog  von  Lüneburg 

(1640)  542 
Friedrich  IL,  Landgraf  von  Hessen 

88,  710 
Friedrich    Ulrich,     Herzog    von 

Braunschweig-Lflneburg   (1622) 

689 
Friedrich  Wilhelm  III.  von  Preußen 

178  f. 
Fulda,   Polizeidirektor    in  Cassel 

(1795)  93  f.,  99,  115 
Fyde,  Johann,  Pfarrer  in  Fried- 
berg (1394)  315. 

G«org  L,  Landgraf  von  Hessen 

Darmstadt  208 
Gierke  59,  250  f., 
Glafey,  Jurist  des  18.  Jhdts.  676f. 


—    937     — 


Glaser,  Peter  38,  6&8  Anm. 
Ooeddaeus,    Bürgermeister    von 

Cassel  (1772)  710 
Goethe  320  Anm.,  364  Anm.,  689 

Anm. 
Gottfried,  Herr  zu  Epstein  (1424) 

910 
Gottfried»  Graf  zu  Ziegenhain  und 

Nidda  (1424)  910 
Gregor  der  Große  397 
Grimmelshausen  528  Anm. 

von  Habel,  Georg  David,  Deutsch- 
ordenskomthur  (1651)  385 

Hai  wachs,  Regierungsrat  in  Als- 
feld a'776)  87 

Hampe,  Buchdrucker  in  Cassel 
403f 

Hardenberg,  Dr.  Albrecht,  Pre- 
diger in  Oldenburg  (1566)  736 

Hardenberg,  preußischer  Staats- 
kanzler 318  Anm. 

Hebbel  525 

Hein,    hessischer    Regierungsrat 

(1796)  96,  97,  98 

Heister,  hessischer  Regierungsrat 

(1797)  111 

Henkel,  Schultheiß  in  Schmalkai- 
den  (1767)  81 

Hermann,  Landgraf  von  Hessen- 
Rothenburg  (1656)  54 

von  Hettersdorf,  Domkapitular  in 
Blankenau  (1811)  148,  714,  737 

Holland,  hessischer  Amtsschult- 
heiß in  Neukirchen  (1767)  85  f. 

Hommel,  Karl  Ferdinand  584  f. 
Anm.,  678 

Hflpeden,  hessischer  Amtmann  in 
Rotenburg  (1767)  76  f. 

J^rome  184,  147,  150,  412  f.,  419, 

826 
Johann,  Graf  zu  Solms  (1424)  910 
Johann,  Graf  zu  Ziegenhain  und 

Nidda  (1424)  910 
Johann  Anton,  Bischof  von  Eich- 

stAtt  (1707)  294 
Josef  n.  von  Oesterreich  229. 

Kaib,  Arzt  in  Fulda  (1795)  712  f. 

Kant  89—91 

von  Kettelhold,  in  Rudolstadt  735 


von  Kendell,  hessischer  Landrat 
in  Schwebda  (1797)  106  f ,  109, 
117,  305 

Kopp,  Oberappellationsrat  in  Cas- 
sel (1772)  710 

Krünitz  89,  109,  668  f.,  678,  689 

Kunckel,  hessischer  Vizekanzler 
(1797)  111,  112. 

I«edderhose,  hessischer  Regier- 
ungsrat (1797)  111 

Lennep,  Oberschultheiß  v.  Cassel 
(1772)  710 

Lie,  Jonas  245 

Lindau,  hessischer  Landrat  in 
Elbersdorf  (1797)  108,  733 

Ludwig,  Kaiser  s.  Ludwig,  Kaiser, 
Rechtsbuch  (oben  1) 

Ludwig  der  Brandenburger  613 

Ludwig  IIL,  Landgraf  von  Hes- 
sen 40 

von  Lüder  s.  Loshausen  (oben  1) 

Luther  82,  338. 

Haley,     Registrator    in    Hanau 

(1787)  124 
Marcus,  Arzt  in  Bamberg  (1790) 

704  f.,  722  f. 
Maria  Theresia  von  Oesterreich 

229 
Martin,  Pfarrer  in  Niedermeiser 

(1857)  168 
Maximilian  IL,   Kaiser  866  Anm. 
Menagius,  Philipp  32  Anm. 
Meysenbug,    hessischer    Landrat 

(1797)  104 
Moser,  Justus  733 
Moiitor,  Beamter  in  Aschaffenburg 

(1805)  91,  650,  691,  736 
Moritz,     Landgraf    von    Hessen 

339,  904 
Motz,    hessischer    Regierungsrat 

(1782)  811 
von  Mfinchhausen,    Forstmeister 

zu  Rinteln  (1717)  119. 

N ifen,  Gottfried  von  672  Anm. 

Otto,  Pfalzj;raf  (1429)  805  Anm. 
Otto  der  Gestrenge  von  Braun- 
schweig-LOneburg  179. 


-     938     - 


Pappenheim,   Albert  Rabe   von 

(1&2)  628 
Philipp,  Graf  zu  Nassau  (1424)  910 
Philipp  der  Großmadge  817,  688 

Anm.,  845  f. 
Philipp    Ludwig    I.,     Graf    von 

Hanau  122 
Prott,  Kanzler  Oldenburgs  174. 

von  Radenhausen,   Rudolf  Wil* 

heim  (1651)  885 
Reinhard,  Herr  zu  Hanau  (1424) 

910 
von  Riedesel  901 
Riehl,  Wilhelm  Heinrich  788 
Ringwaldt,  Bartholomäus  38,  781 

Anm. 
Rochow,  Padagog   18.  Jhdts.  691 
Rottmann,  Advokat  in  Oldenburg 

(1717)  118  f. 
Rudolf  von  Habsburg,  Kaiser  84, 

672,  673 
Ruprecht  von  Freising  s.  Ruprecht 

von  Freisings  Stadt-  und  Land- 
recht (oben  1) 
Ruprecht  von  der  Pfalz,  Kaiser 

880. 

Salzmann,  Pädagog  691 

Scheffer,  hessischer  Minister  des 
Innern  (1857)  165 

Schellenberger,  Geistlicher  Rat  in 
Bamberg  (1790)  725,  728 

Schenk  zu  Schweinsberg  (1784) 
787  Anm. 

Schmerfeld,  hessischer  Geheimer 
Regierungsrat  (1796),  dann  Mi- 
nister 67,  97,  112,  152 

von  Schönborn,  Graf  (1716)  122— 
184,  285 

Schrader,  Verfasser  der  Vater- 
ländischen Rechte  Schleswig- 
Holsteins  690 

Schreber,  Herausgeber  einer 
staatswissenschaftlichen  •  Auf- 
satzsammlung (1762)  688  f. 

Schupp,  Balthasar  82 

Sebiz,  Melchior  669  f. 

Seume  886  f. 


Seyl,  Borgermeister  von  AUendocf 

a.  d.  Werra  (1840)  731 
von  Sickenberg,  Franz   Freälerr 

(1667)  708 
Sim6on,  Justizminister  im  Kfltiig' 

reich  Westfalen  134  f. 
Smith,  Adam  98 

s.  a.  Physiokratie  (oben  1) 
Sonnenfels  285  f. 
Stahl  168 
Suleffel,  Peter,  Pfarrer  in  Sdzeo 

(1501—1512)  440  f. 
von  Sulz,  Graf  228 
von  Swartzperg,  Heinrich,  Diener 

Phüipps  des  Gro&mfltigen  588 

Anm. 

Cckermann,  hessischer  Kammer- 
rat  in  Germerode  (1767)  78—90, 
83,  738,  807. 

von  Tenninffen,  Hans  (1561)  382 
Vilmar,  A.  F.  C.  159  f. 
Vilmar,  hessischer  Amtsschulthei6 
in  Brokerode  (1767)  81. 

Wetzeil,  hessischer  Regierungsrat 

(1816)  152 
Weygand,  Bischof  von  Bambtfg 

(ll^)  209 
Wilhelm  L,  der  Aeltere,  Landgrat 

von  Hessen  908  f. 
Wilhelm  IL,  Landgraf  von  Hessen 

89,  888,  887,  908 
Wilhelm  IV.,  Landgraf  von  Hessen 

904  Anm. 
Wilhelm,  Landgraf  von  Thfiringen 

(1468)  816  Anm. 
Wille,  Kriegsrat  in  Cassel  (1772) 

710 
Wolff,   Christian  59,   62,   eS,   65, 

677  f 
Wolfifradt,  Minister  des  Innern  im 

Königreich  Westfalen  134,  185, 

188,  143—146 
Wülcknitz.  Vizepräsident  der  Re< 

Wperung  m  Cassel  a767)  88  f.,  86  £ 
ust,  Regierungsaccessist  in  Gas* 
sei  (1796)  98,  105,  690. 


Druck  der  v.  MQnchow'tchen  Hof-  und  Univ.-Druckerei  Otto  Kiadt 

Giessen. 


YC  85713