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1
ISixMttn jum
l^etauBgegeben
oon
|[rxrfepf0r Dr. (Sxnft Sefimatm»
jDQarbutg.
Nr. XII.
oon
Dr. lBit0 fi0tn»lf».
!Batihtt0.
1912.
in Wt^- intti ;gü'bt)ßuififtlaitti
tion
Dr. 'BÜü Wäxmttkt.
I»
!Kartrut0.
1912.
Vorwort.
Im Bergrecht und im Gesinderecht hatte die frühere
Zeit die wichtigsten Beispiele für den als Massenerschei-
nung auftretenden Arbeitsvertrag mit sozial tiefer Stehlen-
den. Bei anderen derartigen Verträgen handelte es sich
um weniger häufig vorkommende Arbeitsgelegenheiten
oder um individuelle Bedarfsfälle, bei denen es ausge-
schlossen war, sich an andere Verträge als Muster für den
neu abzuschließenden anzulehnen. Die Häufigkeit und
Regelmäßigkeit der Vereinbarungen über Bergwerks- und
Gesindearbeit führten früh dazu, daß gesetzliche Vor-
schriften über den Abschluß und die Wirkungen dieser
Verträge erlassen wurden.
Das Recht des (freien) Gesindes wurde von den ver-
schiedenen Zeiten verschieden behandelt. Von der rein
privat- imd strafrechtlichen Regelung, wie sie die Rechts-
bücher und die Stadtrechte enthalten, ging man, vor-
nehmlich seit dem 16. Jhdt., immer mehr zur verwaltungs-
rechtlichen, polizeilichen Regelimg über. Nun machten
die Polizeigesetzgeber, die ja selber dem Stande der
Dienstherrschaften angehörten, vom einseitigsten Arbeit-
geberstandpimkte aus die Gesetze. Dies blieb in geringen
Abwandelungen Praxis bis zum 19. Jhdt.
Es fehlt bisher an einer abschließenden, sämtliche
Perioden der Gesinderechtsgeschichte umfassenden Dar-
stellung. Kollmanns Studien sind im Vergleiche mit
der Fülle des jetzt vorhandenen Materials etwas kärglich
397
— II —
und jetzt auch schon veraltet. Hertz schilderte ledig-
lich die Zeit der Rechtsbücher mit ihrer rein privat- und
strafrechtlichen Satzung. Und das polizeiliche Zeitalter hat
immer nur Untersuchungen für einzelne Länder Deutsch-
lands erfahren, ohne daß die notwendigen Gemeinsam-
keiten der gesamtdeutschen Entwicklung betont werden;
zudem behandelten die meisten der Schriftsteller, die sich
hiermit abgaben — vornehmlich Wuttke, Lennhoff,
Steffen, Frauenstädt, Knoth'e, femer Hede-
mann sind zu nennen — mit besonderer Vorliebe und
Ausführlichkeit nur das eine Kapitel des Gesinderechtes,
den Zwangsdienst, imd diesen auch nur für Ostdeutsch-
land. Nur wenige Werke beschäftigen sich mit dem
süddeutschen Recht, nämlich die von Kamann und
Platz er; auch Doms verjährtes Werk von 1794 ver-
leugnet seine fränkische Provenienz nicht.
Die meisten der angeführten Schriften lassen eine
juristische Behandlung vermissen. Die Verfasser sind
Historiker oder Nationalökonomen, deren Amt es so frei-
lich nicht war, auf die Wandlungen des Gesinde rechts,
auf die vielen vertragsrechtlichen Feinheiten, die aufkamen
und dahinschwanden, hinzuweisen ; gewöhnlich nur neben-
her kann man den hauptsächlichen jener genannten Werke
juristische Tatsachen entnehmen, die bisweilen auch noch
mißverstanden wiedergegeben sind.
Besonders fühlbar war der Mangel eines historischen
und juristischen Werkes über den Westen. Vornehmlich
in der Zeit der Polizeiordnungen bildete sich der tief-
greifende Unterschied zwischen östlichem imd westlichem
Recht aus. Der Dienstherr des Ostens braucht für seine
großen Güter den Zwangsdienst und das Züchtigungsrecht.
Für den Westen sind diese Erscheinungen in östlicher
Strenge Ausnahmen. Kein Rechtsgebilde läßt so deutlich
wie jene beiden. Zwang und Züchtigung, die tiefen Gegen-
sätze von Ost und West erkennen.
- III -
Um eine endgültige, abschließende Schilderung zu
geben, wurde im vorliegenden Werke alles für West-
und Süddeutschland erreichbare gedruckte und unge-
druckte Material herangezogen; nur wurde größtenteils
von dem schweizerischen und österreichischen sowie über-
haupt von dem, einer besonderen Behandlung vorbehalte-
nen. Rechte Elsaß-Lothringens Abstand genommen.
Ihrem Zwecke entsprechend bringt die vorliegende
Arbeit zunächst einen historischen, die Quellengeschichte
enthaltenden ersten Teil, dessen Inhalt dann im zweiten
umfassenderen Teile seine juristische Verarbeitung findet.
Da die Quellengeschichte der einzelnen Länder notwen-
diger Weise eine stets wiederkehrende Ähnlichkeit haben
mußte, wurde ferner davon abgesehen, im ersten, histo-
rischen Teile für jedes Territorium eine genaue Darstel-
lung der Gesinderechtsentwicklung zu geben. Es genügt
vollauf, wenn nur an einem Lande die feineren, inneren
Zusammenhänge aufgezeigt werden; für die übrigen Ge-
biete reicht eine mehr kursorische Darstellung aus, wie
sie in § 11 des ersten Teiles (S, 190 ff.) gegeben ist.
Aus dem Verfasser naheliegenden Gründen wu^de als
Beispiel die kurhessische Rechtsentwicklung gewählt,
für welche die archivalischen Quellen besonders reichlich
flössen. Aus diesem Grunde bildet auch im zweiten, juri-
stischen Teile dieses Werkes Hessen bisweilen den Aus-
gangspunkt für die Darstellung der übrigen Rechte. Und
es konnte weiter für manche Rechtsmaterien, die nur
nebensächliche Bedeutung für das Gesindewesen haben,
auf das ausführlich geschilderte hessische Recht verwiesen
werden, während eine Darstellung der gesamten gleich-
artigen Rechtsentwicklung in Deutschland für solche Ne-
benpunkte imterbleiben durfte.
Zur Wahnmg des Zusammenhanges mit dem östlichen
Rechte wurde in den hauptsächlichsten Kapiteln des
zweiten Teiles, gewöhnlich anhangsweise, auf die entr
- IV -
sprechende Rechtsgeschichte der ostdeutschen Länder ver-
wiesen, soweit die oben angeführten Darstellungen dieser
Rechte Aufschluß über die behandelten Rechtserschei-
nungen geben; wo jene Werke versagten, mußte manch-
mal auf deren Quellen erst wieder zurückgegangen werden,
soweit es sich um besonders wichtige Rechtsmaterien
handelte.
So gibt das vorliegende Buch einen Bericht über
das Gesinderecht nicht nur des Westens und Südens, wie
der Titel sagt, sondern schließlich des ganzen Deutsch-
lands, ja an manchen Stellen darüber hinaus auch des be-
nachbarten Auslands.
Da aber eine gründliche Erkenntnis des rechtlich
Gewordenen ohne ökonomische Grundlage nicht mög-
lich ist, so mußte an vielen Stellen des Werkes ausführ-
lich auf die tatsächlichen, wirtschaftlichen Voraussetzun-
gen der Rechtssätze eingegangen werden. In manchen
Kapiteln, z. B. in dem Bericht über das Taxwesen (S.
609 ff.) überwiegt fast die nationalökonomische Darstel-
lung. Doch wurde stets daran festgehalten, daß es sich
hier in erster Linie um ein rechtsgeschichtliches Werk
handeln soll.
Die zeitlichen Grenzen wurden so festgesetzt, daß
von den Rechtsbüchern an alles Material verarbeitet
wurde. Den Abschluß bildet im allgemeinen die franzö-
sische Zeit zu Beginn des 19. Jhdts. Für Hessen wurde
darüber hinausgegangen und auch noch die Geschichte
bis 1866 dargestellt. Der Anschluß an Kählers Gegen-
wartsschilderung ist so im großen und ganzen erreicht ; die
heute geltenden Gesindegesetze sind ja zum Teil immer
noch über ein Jahrhundert alt.
Könnte dies Buch dazu helfen, daß endlich mit man-
chen abgestandenen Resten der vor hundert Jahren ge-
bräuchlichen Gesindepolitik aufgeräumt wird, dann wäre
das wohl der schönste Erfolg. Wenn aber eine Neuge-
- V —
staltungr des Gesinderechts von Reichs wegen auch noch
weiterhin unterbleiben sollte, dann mag wenigstens Nova-
lis' tiefes Dichterwort gelten: Alles ist Samenkorn k
Den Vielen, die durch guten Rat und helfende Tat
mir bei der Bearbeitung dieses Buches beigestanden ha-
ben, vornehmlich den Beamten der zahlreichen von mir
benutzten Archive und Bibliotheken, danke ich herzlich
für ihre fürsorgende Bereitwilligkeit. Es ist unmöglich,
all die freundlichen Helfer hier bei Namen zu nennen.
Nur Herrn Professor Heymann in Marburg will ich
an dieser Stelle nochmals ausdrücklich meinen Dank sagen
für seine Anregung und sein getreues Walten über meinen
Studien.
Marburg, 22. März 1912.
Otto KSnnecke.
INHALT.
Erster Teil:
C^uellengr^^oliiolite.
A. Hessen.
L Das hessische Stammland
Seite
§ 1. Die Zeit der Rechtsbücher und Stadtrechte 3
Vorzeit 3. Sachsenspiegel 4. Schwabenspiegel 11.
Kleines Kaiserrecht 14. — Stadtrechte: Esch-
wege 18. Cassel 19. Marburg 19. Amöneburg 20.
Frankenberg 20. — Weistüraer: Kaltensundheim 22.
Herrenbreitungen 24. — Burgfriede von Boineburg 27.
§ 2. Die Zeit der Polizeiordnungen 27
Einfluß des römischen Rechtes 27. Die wirtschaftlichen
Grundlagen (Unterschied zwischen Ost- und Westdeutsch-
land) 28. Ansichten der Literatur, vornehmlich des Re-
formationszeitalters 31. Unterschied zwischen der Rechts-
bildung des Mittelalters (privat- und strafrechtlich) und
derjenigen der Polizeizeit (verwaltungsrechtlich) 33.
Gesetzgebung des Reiches 34: Landfrieden 1281
34. Reichstag zu Worms 1495 34. Lindau 1496/7 34.
Freiburg 1498 34. Augsburg 1600 35. Trier und Köln
1512 35. Augsburg (Reichspolizeiordnung) 1530 35.
Speier 1542, 1544 37. Worms 1545 37. Augsburg (Reichs-
polizeiordnung) 1548 38. Augsburg 1551 38. Frank-
furt (Reichspolizeiordnung) 1577 39.
Gesetzgebung in Hessen 39 : Gerichtsordnung
1497 39. Reformationsordnung Wilhelms IL 39. Re-
formation in Polizeisachen 1526 40. Rentkammerordnung
1568 40. Hersfelder Stadtordnung 1568 40. Taglöhner-
ordnung 1571 40. Landtag 1581 41. Landtag 1591
41. Landtag 1609 42. Landtag 1614 42. Landtag 1615
- VII —
Seite
42. Mühlenordnung 1615 42. Münz-, Tax- und Poli-
zeiordnung 1622 42. Taxordnung 1623 45. Münz-
gesetze 1623, 1624 45. Hersfelder Taxordnung 1643 45.
Taxordnung 1645 46. Taglohnordnungen 1645, 1647,
1649 46. Landtag 1650 46. Landtag 1653 49. Tax-
Ordnung 1658 51. Landtag 1655 5^. Taxe für Tag-
löhner 1655 53. Landtag 1656 53. Dörnbergsche
Lohnstatistik 1657 55. Vorschriften wider die Arbeits-
losigkeit aus dem 17. Jhdt. 56. Hersfelder Stadtordnung
1665 57. Luxus-, Sonntags-, Hof- und Judengesetze des
17. Jhdts. 57. Ergebnis: kein wesentlicher Fortschritt
des hessischen Gesinderechts im 17. Jhdt. 57.
§ 3. Die Zeit der Gesindeordnungen 58
Unterschied der neuen Gesetzgebung von den Polizei-
ordntmgen 58. Einfluß der landwirtschaftlichen, staats-
wissenschaftlichen und philosophischen Literatur
(Christian Wotff) 58.
Hessens Rechtsentwicklung 59 : a) Gesinde-
ordnung von 1736 59; ihre Vorgeschichte 59; ihr
Inhalt 60; ihre Bedeutung 64; Bericht aus Allendorf
65; Grebenordnung 1739 66. — b) G e s i n d e k r i m i -
nalordnung von 1752 66. — c) Die 60er und 70er
Jahre 68; Bericht Dr. Beckers aus Wanfried 1763 68;
Neupublizienmg der Gesindeordnung von 1736 im Jahre
1764 70; Waren- und Lohntaxen aus 1760 bis 1767 70;
Bericht aus Gudensberg 1766 73; EnquÄte 1766/7 74,
insbesondere die Gutachten der Amtmänner Hüpeden
und Uckermann 76; Ansichten der Regierung 82; Aus-
schreiben von 1767 84; Bericht aus Neukirchen 1767
85; Vorgehen der darmstädtischen Regierung 1776 86.
— d) Verordnung von 1785 87; Bericht aus Lützelwig
1792 88. — e) Gesindeordnung von 1797 89;
Vorbericht 89, insbesondere Ansichten der Literatur (Re-
volution, Naturrecht; Krünitz, Dorn, Kant) 89, Ansich-
ten außerhessischer Gesetzgeber 91. Vorgeschichte der
Gesindeordnung von 1797 93: Fuldas Bericht 93; Ent-
wurf der Polizeikommission 94; Stellung der Regierung
96; des Geh. Rats 99. Bedeutung der Gesindeordnung
99. — f) 1798 Verhandlungen des schaumburger Land-
tags 100. — g) Gesindeordnung von 1801 101;
Vorgeschichte der Gesindeordnung 101: insbesondere
Gutachten Wusts, Berichte der Landräte, vornehmlich
— VIII —
Seite
Keudells, Lindaus 105; Bericht aus Neukirchen 110;
Ansichten der Regierungsräte 110; Vereinbarung mit
thüringischen Staaten über die Ziehzeit der Schäfer
113; Stellung des Geheimen Rats zum Regierungsent-
wurf 113. Bedeutung der Gesindeordnung von 1801 114.
IL Die NebenlAnder 117
§ 4. Schaumburg 118
Polizeiordnung 1616 118. Rottmanns Kommentar
von 1717 119. Bestätigung der Poiizeiordnung 1732
120^
§ 5. Hanau mit Gelnhausen 121
Gelnhausen: Rechtsmitteilung aus dem 15. Jhdt. 121.
Stadtordnung 1560 121. Hanau: Luxus- und ähnliche
Ordnungen vor 1748 122. Ausschreiben wegen der
Schönbornschen Bedienten 1716 122. Mühlenordnungen
1727, 1739 124. Gesindeordnung 1748 124. Wei
tere Gesetze des 18. Jhdts. 126,
§ 6. Fulda 126
Luxus- und Judenordnungen des 16. und 17. Jhdts.
126. Umschreiben über Gesindewesen
1662 127. Hofrecht des 18. Jhdts. 129. Reskript
über Gesindewesen 1761 129. Weiteres Vor-
gehen bis zum Beginn der hessischen Herrschaft 131.
Rechtszustand um 1790 132.
§ 7. Isenburg 132
Polizeiordnung (Birstein) 1690, Kirchendisziplinordnung
(Meerholz) 1697 und weitere, weniger wichtige Rechts-
quellen 133. Verordnung wider den Gesinde-
diebstahl (Birstein) 1760 133. Rügordnung 1766
133.
m. Die franzitoische Zeit 134
§ 8. Das Königreich Westfalen 134
Bedeutung der Minister Simöon und Wolffradt 134.
Constitution 1807 135. Dekret 23. Januar 1808 135.
Code civil 136. Entwurf einer Ordonnance für
die Stadt Cassel 1810 137. Entwurf für das De-
partement de la Saale 1811 138. Vorschriften über
Gesindebesteuerung 1808, 1811 138. Neuer Entwurf
für die Stadt Cassel 1813 139, sein Inhalt 139,
Wolffradts Kritik 143.
— IX -
Seite
§ 9. Das Großhcrzog^um Frankfurt 147
Gesindeordnungen für nichthessische Teile des Groß-
herzogtums (Frankfurt, Aschaffenburg) 147. Versuch,
diese Ordnungen auf Fulda auszudehnen 1811 148. Vor-
schläge des Domkapitulars von Hettersdorf 1811 148;
seine Ansicht über eine fuldische Gesindeordnung 148.
Versuche im Departement Hanau 1812 149.
IV.
§ 10. Hessen im 19. Jahrhundert 150
Landtag 1815 150; Gutachten der Regierungen in
Marburg, Hanau, Rinteln 151. Gesindeordnung
für Fulda 1816 152, Vorarbeiten hierzu 152, In-
halt der Gesindeordnung 155. Gescheiterte Versuche
seit 1817, für isenburgisches Gebiet das Gesinderecht
zu kodifizieren 157. Einführung der Gesindebücher 1825,
1833 159. Einrichtung von Gesindekrankenanstalten 159.
Hirtenordnung 1828 159. Prozessuale Gesetze 159. U m -
frage über Gesindewesen 1861 160 ; Antwor-
ten der Verwaltungs- und Landratsämter 161, insbe-
sondere über Gesindemäkler 161, und Statistik 162,
Auszüge aus einzelnen Berichten 163, insbesondere aus
denen aus Hofgeismar 163, Eschwege 164, Marburg
164. Ausschreiben an die Regierungen
über Gesindewesen 1857 165 ; Zirkular an die
Schulvorstände 1857 166; Gutachten der Landräte 1857
167. Ausschreiben über Gesindewesen 1858 168. Be-
kanntmachung der hanauer Polizeidirektion wider mehr-
fachen Vertragsbruch 1858 168. Vorgehen des Kon-
sistoriums in Cassel 1860 169.
B. Die ausserhessischen Länder West-
und Süddeutschlands ito
§11. Ostdeutschland 170. Ober- und niedersächsischer Kreis
170. Schleswig 171: Apeiu'ade, Nordstrand, Tönning,
Garding, Eiderstadt, Flensburg, Husum, Stapelholm,
Friedrichstadt 171, Tondern, Sonderburg, schleswigsches
Landesrecht 172; Holstein 172: Dithmarschen, Neumün-
ster, Bordesholm 172; Hamburg 172, Lübeck 172,
Bremen 172, Billwärder 173; Friesland 173: Emsig,
Drenth, Westerwold, Ostfriesland 173; Oldenburg 174.
— X —
Seite
Hannoversche Gebiete 174: Hadeln, Marsch, Keh-
dingen, Stade 175, Lauenburg, Schluchteren, Verden,
Nienburg, Osnabrück 176, Bersenbrück, Cappelen,
Rimslohe, Hildesheim, Peine, Goslar, Osterode 177, Ein-
beck, Moringen, Adelebsen, Göttingen, Duderstadt 178
Laneburg (Farstentum), Celle, LOneburg (Sudt) 179,
Kaienberg, Hannover (Stadt), Hannover (vereinigtes
Land) 180; Braunschweig (Stadt und Land) 181; Ver-
einbarung zwischen Magdeburg, Halberstadt, Hildes-
heiro. Braunschweig und Lüneburg 183; Lippe-Detmold
183; Schaumburg-Lippe 184: Landesrecht 184, Orts-
recht Vehlens 185.
Nordhausen 185; Mühlhausen 185; Frankenhausen
186; Gotha 187; Erfurt 187; Weimar 187, mit Jena
und Eisenach 188; Altenburg 189; kleinere thüringbchc
Rechte 189: Zeitz, Gera, Eisenberg, Bürgel, Rasten-
berg, Buttelstedt, Buttstedt 189, Neumark, Greußen,
Magdala, Berka, Teichel, Remda, Um, Saalfeld,
Leutenberg, Schieiz, Waltershausen, Rudolstadt, Blan-
kenburg, Henneberg, Koburg 190.
Waldeck 190; Paderborn 191; Salzkotten 192;
Rüden 192; Lippstadt 192; Eichel 192; Bielefeld 192;
Ravensberg 192; Minden, Tecklenburg, Lingen 193;
Münster 193; Koesfeld 193; Loen 193; Bentheim 193;
Vereinbarung zwischen westfälischen Rittern und Städten
194; Arnsberg 194; Soest 194; Dortmund 194; Land-
recht der 7 Freien 194.
Cleve 194; Jülich 195; Köln 197; Trier 198; Aachen
198; Wied 199; Moselweis 200; Langenlonsheim 200;
Nassau 200; Rheingau 202.
Hessen-Darmstadt 202: Friedberg, Mockstadt 202,
Solms, Gedem, Katzenelnbogen, Orb, Mainz 203, Kost-
heim 204, Worms, Oppenheim, Heppenheim, Oberbeer-
bach, Land Hessen-Darmstadt 205; Frankfurt 206.
Bayern 206: fränkischer Kreis 207, sonstige inter-
territoriale Vereinbarungen 207, Würzburg 208, Bam-
berg 209, Nürnberg 210, Brandenburg 211, Ritterord-
nung der „6 Ort in Franken" 213, Hofheim 213, Einers-
heim 213, Hahnbach 213, Rothenburg o. d. T. 213,
Dinkelsbühl 213, Nördlingen 213, Öttingen 213, Eich-
stätt 214, Regensburg 214, Passau 214, Landshut 214,
Thierhaupten 215, Augsburg 215, Memmingen 215,
- XI —
Seite
Kaufbeuren 215, Ronsburg 215, Kempten 215, Rothen-
buch 215, Ursberg 215, München (St. Clara) 215, Ober-
zell 215, Traunstein 216, Raschenberg 216, „Hofmark
zu T." 216, Ruprechts Stadt- und Landrecht 216, Kaiser
Ludwigs Rechtsbuch 216, Stadtrecht von München 216,
Freising 216, bayerische Landesgesetzgebung 216, Ober-
pfalz 220, Neuburg 220, Bayern links des Rheins 221,
nämlich Speier, Neustadt, Landau, Zweibrücken 221,
Haßloch, Maikammer, Gleißweiler, Altenglan 222.
Kurpfalz 222; Baden 223: Freiburg, St. Trudbert
zu Krotzingen, Weitnau, St. Peter bei Freiburg, Uwingen,
Königsbrück 223, Überlingen, Kürnach, Villingen, Bri-
gachtal. Durlach 224, Karlsruhe, Stift Odenheim in
Bruchsal, Eppingen, Sinsheim, Zuzenhausen, Neckarslei-
nach, Heidelberg, Udenheim, Weinheim, Walldürn,
Amorbach, Buchen, Mergentheim, Adelsheim 225, Mil-
tenberg, Landesrecht Badens 225, Kletgau, Gutenburg,
Beislingen, Bonndorf, Frauenhausen, Johanniter in Hei-
tersheim 228, Rhein- und Wildgrafschaft, Freiburg
(östcrr. Zeit) 229.
Württemberg 229: Ochsenhausen, Biberach, Blau
beuren, Horb, Stuttgart 229, Ebersberg, Winzelhausen
Bönnigheim, Botwar, Schw. Hall, Trochtelfingen, Ober
schneidheim 230, Thannhausen, Zipplingen, Dischingen
Neresheim, Elchingen, Neunheim, Bühlerzell, Bühler
tann, Hohenalfingen, Oberkochen 231, Wellstein, Abts
gemünd, Hohenstatt, Adelmannsfelden, Himmlingen
Essingen, Lauterburg 232, Iggingen, Herlikofen, De
Wangen, Spraitbach, Schlechtbach, Rechberg, Rams
berg, Wißgoldingen 233, Landesrecht Württembergs
schwäbischer Kreis 234; Osterreich 235.
Gesinderechtsfamilien 235.
Zweiter Teil:
System atifiiolie I>ar0telltin8r
dei* lEteolitiaieiitTriokliiug;' 237
§ 1. Begriff des Gesindes; die Muntidee als leitendes Prinzip 239
Etymologisches; die Worte Gesinde, Brötling, Dienst-
bote, Dienst, Dienstlein, Ehehalt, Bedienter, Diener,
Domestique, Knecht, Magd 239.
— XII —
Seite
Schwierigkeit der Standesabgrenzung des Gesindes
gegenüber andern Berufen 243, insbesondere m den
Städten, wo erst spät eine Unterscheidung von Gesinde
und gewerblichen Arbeitern erfolgt 244, während in
ländhchen Verhältnissen auch die ständig angestellten
Haushandwerker zum Gesinde gehören 245, überhaupt
auf dem Lande die Tätigkeitspflichten , des Gesindes
mannigfaltiger und schwieriger im einzelnen zu be-
stimmen sind 246. Die Begriffsmerkmale des Gesindes
sind die, daß es sich um sozial unter dem Arbeitgeber
stehende, mit geringer Tätigkeit beschäftigte, gewöhn-
lich im Herrenhause wohnende, nicht zu spezieller, im
voraus bestimmter, sondern zur jeweils vorkommenden
Arbeit gemietete Personen handelt 246. Unterschied
von den Taglöhnern, denen die dauernde Anstellung
fehlt 247. Vielen^ Gesindeleuten (den Verheirateten, Hir-
ten, Förstern usw.) fehlt das oben genannte Kennzeichen
der Hausangehörigkeit 248. Die Muntgewalt des Haus-
herrn und seine herrschaftliche Gewalt erstreckt sich
gleichwohl wie über das hausangehörige, 249, so auch
über das außenwohnende Gesinde 253. Nie machen
die Satzungen der Vergangenheit bei der Feststellung
des Muntverhältnisses einen derartigen Unterschied 253,
entsprechend der Auffassung, die die ländlichen Dienst-
herrn von ihrem Verhältnis zum gesamten Gesinde
haben 255.
Einzelnachweis an Hand der Gesetzgebung 257.
I. Das Muntverhältnis äußert sich
1. in der Haftung des Herrn für sein Gesinde, wie
er für alle Hausgenossen, selbst für Gäste, haftete 258.
a) So haftete der Herr, wenn er seinem Gesinde Auftrag
zu einer Straftat gegeben hat 259, oder auch schon, wenn
er nur von der Tat wußte 261; in diesem Falle durfte
er sich durch Eid von seiner Verantwortung befreien
262; weiter haftete der Herr, der das Gesinde nach der
Tat im Hause behalten hat 263; femer, wenn das
Gesinde in seiner Begleitung die Tat begangen hat 263.
Ohne Rücksicht auf das Vorliegen solcher Haftungs-
g^ünde wurde noch in zahlreichen Einzelfällen Haftung
des Herrn für Delikte seiner Dienstboten statuiert 264.
Neben diesen Fällen unabwendbarer Haftung traten
früh Beschränkungen auf 267. So haftete nach einzelnen
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Seite
Rechten der Herr nur bis zum Betrage des Lohns 267.
Im späteren Recht verflacht sich der Muntgedanke
manchmal dahin, daß der Herr mit eigenem Vermögen
nur haftet, wenn er dem Gesinde nicht vom Lohne
die Strafsmnme einbehalten hat 268. — b) Entsprechend
dieser Haftimg nahm der Herr umgekehrt auch an den
dem Gesinde zufallenden Bußen teil 270. — c) Der
Herr haftete wie für die Strafen, so ferner auch für die
vom Gesinde geschuldeten öffentlichen Abgaben 270,
insbesondere auch fürs Judenschutzgeld 274.
2. in der Verpflichtung des Herrn durch Rechts-
handlungen des Gesindes (Stellvertretung) 275. a) Daß
das Gesinde Vermögenswerte des Herrn veräußern
konnte, wurde regelmäßig freilich nicht bestimmt 276.
Verlangte der Herr sein durch das Gesinde veräußertes
Eigentum vom Dritterwerber heraus, dann mußte er
nach einigen Rechten seinen Anspruch erst beweisen
277. Verfügung des Gesindes über Forderungen des
Herrn 278. Durch Strafvorschriften wider die untreuen
Dienstboten und die Leute, die ihnen Herreneigentum
abkauften (Goldschmiede und Juden) wollte man den
Dienstherm sichern 278. — b) Verlor oder beschädigte
das Gesinde herrschaftliche Vermögensstücke, dann ging
dies zu lasten des Herrn 280. — c) Schädigungen dritter
Personen durch das Gesinde mußte die Herrschaft ver-
treten 281; Tierschaden 282. — d) Das Gesinde konnte
unter Umständen rechtsgeschäftlich Schulden für die
Herrschaft eingehen 284. — e) Eine Folge des Grund-
satzes von der Vertretung des Herrn durch das Ge-
sinde ist die häufige Vorschrift, daß selbständige Ge-
schäftsbetätigung des Gesindes auf eigene Rechnung
neben dem Herrn ausgeschlossen war 286. Insbeson-
dere im Judenrecht kamen solche Verbote (der „Profit-
knechte") vor 288.
3. in der herrschaftlichen Gewalt 289. Diese äußert
sich in folgendem:
a) Der Herrschaft wurde über das Gesinde ein Er-
ziehungsrecht gegeben 290. — b) Die Herrschaft war
verpflichtet, den Behörden Anzeige von Taten des Ge-
sindes zu machen 292; Anzeige der Schwangerschaft
293. — c) Der Herrschaft wurde die Fürsorge für die
letzten Stunden des Gesindes, für seine Verheiratung
— XIV ^
aufgegeben 294. — d) Besonders eingeschärfte Auf-
sichtspflichten der Herrschaft bestanden wegen des Um-
gehens des Gesindes mit Feuer 294. — e) Aus der herr-
schaftlichen Gewalt ergeben sich verschiedene prozes-
suale Vorschriften 298: aa) Verbot, daß Gesinde in
Sachen der Herrschaft Zeuge ist 298. bb) Gerichtliche
Ladungen des Gesindes gingen an die Herrschaft, oder
diese mußte von einer Ladung wenigstens benachrich-
tigt werden 299. cc) Der Dienstherr kann für das
Gesinde als Kläger, 302, und Beklagter auftreten 303.
Die hier nötigen Eide schwört meist der Herr 304.
dd) Das Gesinde folgt dem Gerichtsstand des Herrn
304. Anhang: Kirchenstand 306. Sitz des Gesindes in
der Ku-che 307.
IL Auch noch weitere Gleichstellungen des Gesin-
des mit der Herrschaft lassen die Auffassung der Ge-
setzgeber erkennen, daß das Gesinde als Teil der herr-
schaftlichen Familie erschien 307. 1. Das Gesinde hat
Teil am Schutz des Hausfriedens 308, soll aber auch
den bürgerlichen Frieden unter den einzelnen Familien
des Orts halten 310. — 2. Das Gesinde genießt straf-
rechtlichen Schutz wie die Herrschaft 311. — 3. Auch
bei Verhängung öffentlicher Strafen wider das Gesinde
kommt diesem die Vorzugsstellung der Herrschaft zu
gute 312. — 4. Staats-, Stadt- und sonstige öffentlich-
rechtliche Bevorzugungen der Herrschaft erstreckten sich
auch aufs Gesinde 313. — 5. Umgekehrt mußte das Ge-
sinde dem Herrn auch öffentlichrechtliche Lasten tra-
gen helfen 315. — 6. An Steuerprivilegien des Dienst-
herrn hatte das Gesinde teil 315. — 7. Wie die übrigen
Familienmitglieder gelten die Dienstboten als besondere
Vertrauenspersonen des Hausherrn, denen gegenüber
diesem in öffentlichen Angelegenheiten besondere Ver-
schwiegenheit auferlegt wird 318.
Trotz all dieser Zeugpiisse für gleiche rechtliche
Behandlung von Gesinde und Herrschaft bleibt doch
der Unterschied des Standes; die Gesetzgeber gingen
sogar soweit, Bürgern, die in Gesindedienste traten, ihre
Bürgerrechte zu nehmen 319.
Die muntschaftliche Auffassung vom Gesindeverhält-
nis ging auch in der Zeit der rationalistischen Auf-
fassung des Gesinde Vertrages (Ende 18. Jhdts.) nicht
verloren 321.
Seite
— XV -
Seite
$ 2. Die Beschaffung der Dienstboten. (Der Gesindemarkt) 323
Zahlreiche und verschiedenartige Gesetze wurden ge-
schaffen, durch die — als Haupt- oder Nebenzweck —
das Gesindeangebot vergrößert werden sollte 323. Eine
Statistik des Gesindemangels ist für die Vergangenheit
nicht möglich 323.
Die hauptsächlichen gesetzgeberischen Beeinflussun-
gen des Gesinderechts 324:
1. Zwangsdienst 324, und zwar des älteren Rechts
324, neueren Rechts 324, als Vormieterecht oder Zwangs-
dienst im engem Sinne 325, in .Ostdeutschland 325, im
Westen und Süden 327. — 2. Anhaltung von Arbeitslosen
zum Dienen 337, nach der Gesetzgebung des Reichs
337, Hessens 338, der übrigen Territorien 343, und zwar
Mittel- und Norddeutschlands 343, Süddeutschlands 353.
Unterschied solcher Einrichtungen vom Zwangsdienst
360. Auch in den Ländern des Zwangsdienstes wurden
Vorschriften wider die Müßiggänger erlassen; sie be-
reiteten teilweise das Zwangsrecht vor 361. — 3. Ver-
bot der Auswanderung 364. Mittel- und Norddeutschland
364. Süddeutschland 372. — 4. Bevorzugung der in-
ländischen Dienstboten 375. — 5. Durch den Militärdienst
wurde der Gesindemarkt stark beeinflußt 379. — 6. Ver-
bote und Gebote, daß Kinder den Eltern dienen 383. —
7. Staatliche Aufforderung zu vermehrter Bevölkerungs-
produktion, damit so dem Gesindemangel abgeholfen
werde 385. — 8. Beschränkung der Zahl des Hofge-
sindes 386. — 9. Beeinflussung des Gesindemarkts durch
kirchenrechtliche Gebote 386: a) Sonderrecht des Pfarr-
gesindes 387. b) Verbot der Dienerhaltung durch Mönche
387. c) Verbot der Gesindehaltung als Strafe für Geist-
liche 387. d) Interkonfessionelle Dienstverbote 388:
Evangelische dürfen nicht zu Katholiken in Dienst tre- *
ten 388, Katholiken nicht zu Evangelischen 390, wieder-
täuferische Dienstboten sind untersagt 392. Besonders
mannigfaltig sind die Beschränkungen der Juden im
Gesindehalten 392: Die Zahl des Judengesindes wurde
beschränkt 392, desgleichen die Haltung unbegleideten
394, ausländischen 394, verheirateten 395, erst kürzlich
aus anderm Dienst getretenen 395, christlichen Juden-
gesindes 397; Verbot an Christen, jüdische Dienstboten
zu mieten 403. — 10. Beschaffung von Gesinde durch
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Seite
Zeitungsinserate 403. — 11. Gesindemäkelei 404^ private
404, in Städten 405, für Länder 406, rein behördliche
Vermittlung 410.
§ 3. Der Vertragsschluß 414
Es ist schwierig, bei formloser Abrede des Dienstvertrags
den Vertragsschluß zu erkennen 414. Die arrha, ur-
sprünglich nicht zur Beweissicherung, sondern als Haf-
tungsgeschäft dem Schuldgeschäft hinzugefügt 414.
Die Bedeutung und die Wirkungen der arrha, des
Mietgelds, beim Gesindevertrag sind verschiedenartig
festgesetzt worden 415. Nach einigen Rechten wird zum
Vertragsschluß kein Mietgeld erfordert 415. Häufiger
sind die Bestimmungen, wonach Mietgeld zum Vertrags-
schluß nötig ist 417.
Ob das Mietgeld ursprünglich einen vorausbezahltem
Teil des Lohnes oder eine von diesem unabhängige for-
male Gabe darstellt, ist nicht festzustellen 421. Für
Unabhängigkeit vom Lohn spricht die Zahlung des Miet-
geldes durch das Gesinde (statt durch den Herrn) 421,
das Vorkommen eines Leitkaufs 423, die Zahlung des-
Mietgelds an dritte Personen 424. Die loshauser Register
lassen den gleichen Schluß zu 425. Dagegen findet die
Auffassung, daß das Mietgeld ein Teil vom Lohne sei.
Iceine Stütze in den Gesetzen 426; die häufige Vor>
Schrift, daß unter Umständen das Mietgeld auf den Lohn
verrechnet werden darf, bestätigt jene Auffassung nicht
426.
Da Mietung gewöhnlich auf ein Jahr erfolgte, wäre
jährliche Gabe des Mietgelds folgerichtig 428. Entspre-
chende Sitte auf großen Gütern (Königsbrück, Loshausen)
429. Aber nur selten wurde jährliches Mietgeld vorge-
schrieben 431. Regelmäßig wurde diese Art — im
Interesse der Dienstherrschaften — verboten 431.
Tarif ierung des Mietgelds 433. Naturalia als Miet-
mittel 436.
Der Eid des Gesindes beim Vertragsschluß wird
oft verlangt 436, entweder zur Verheißung guter Auf-
führung gegenüber dem Dienstherrn 436, oder als Eid
der Treue an die Obrigkeit 437 ; diesen mußten vor allem
Müllerknechte, 439, und Hirten schwören 440.
Vertragsschluß vor Zeugen 440.
Vermietung Minderjähriger 441. Recht der Hausfrau
zur Gesindemiete 443.
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Seite
^ 4. Der Dienstantritt. Ziehzeit und Dienstdauer 444
Nach Abschluß des Mietvertrages mußte der Dienst an-
getreten werden, ein Reurecht gab es nur in wenigen
Fällen 444, und zwar unbedingt, 444, oder nur bis zu
einem bestimmten Zeitpunkt nach Vertragsschluß 444;
auch das Dienen auf Probe ist als Abmachung des Reu-
rechts anzusehen 446. Die Verbote des Rücktritts über-
wiegen 446. Um das Gesinde zum Antritt anzuhalten,
wurde ihm entweder für den Fall des Nichtantritts nur
eine Entschädigung des Dienstherm aufgegeben, 447,
oder — häufiger — wurde mit Strafen und zwangsweiser
Zuführung gedroht 449. Ein besonderer Fall des Nicht-
antritts ist das streng bestrafte Doppeltvermieten 457.
Um die Dauer der Dienste zu verlängern, gaben einige
Gesetze der bisherigen Herrschaft die Erlaubnis, mit
ihren anderweit vermieteten Dienstboten gleichwohl einen
neuen Vertrag abzuschließen 465 ; die meisten Rechte be-
kämpfen aber diese Sitte 468. Neu Vermietung nur mit
Vorwissen der bisherigen Herrschaft 469, nur bestimmte
Zeit vor Ablauf der Dienstzeit 469, oder gar erst be-
stimmte Zeit nach Dienstaustritt 473. Antrittspflicht und
Doppeltvermieten nach ostdeutschem Recht 474.
Nur selten im Vergleich mit den Vorschriften über
die Antrittspflicht kommen entsprechende Bestimmungen
über eine Annahmepflicht der Herrschaft vor 475.
Das Recht der Dienstdauer und der Ziehzeiten 478,
in Hessen 480, Süddeutschland 485, Mitteldeutschland
490, Norddeutschland 495.
Festlegung bestimmter Wochentage zum Antritt
497.
^ •'>. Pflichten des Gesindes.
1. Verrichtung der Arbeit. Arbeitszeit. Sonntagsarbeit 500
Der Umfang der Arbeitspflicht läßt sich gesetzlich kaum
fesüegen, da die Bedürfnisse der Einzelhaushalte zu
verschiedenartig sind 500. Die Hausordnungen größerer
Einzelhaushalte können eher Einzelvorschriften über die
Arbeit erlassen 501, müssen diese aber durch Festsetzung
der allgemeinen Arbeitspflicht unterstützen 503. In den
staatlichen und städtischen Gesetzen kommen häufig Vor-
schriften über vorherige Vereinbarung des Arbeitsum-
fangs vor, die teils verboten 505, teils erlaubt wird 506.
Gesetzliche Vorschriften über die allgemeine Arbeits-
— XVIII -
Seit4
pflicht d07. Versuche, Einzelanordnungen über die Art
und den Umfang der Arbeit zu treffen 510.
Selbst Feststellung der Arbeitszeit ist schwierig 515.
Nur eine einzige Bestimmung über die Arbeitszeit g^t
es, die im Interesse der Dienenden erlassen wurde 516.
Im übrigen nur Vorschriften gegen eine Verkürzung
der Arbeitszeit 516.
Einschränkung der Sonntagsarbeit 518. Erlaubnis
dieser Arbeit bei Notständen 523. Kampf wider die
Feierung der aufgehobenen Feiertage 524. Die vielen
Sonntagsgesetze geben meist nur das wieder, was ohne-
dies Sitte ist; sie sind daher praktisch ziemlich be-
deutungslos 525.
§. 6. Pflichten des Gesindes.
2. Das allgemeine Verhalten 526
Allgemeine Verhaltensvorschriften für das Gesinde lassen
sich gesetzlich wohl festlegen, sind aber praktisch be-
deutungslos 526. Alle Gesindegesetze enthalten solche
Anordnungen 529. Aus dem Rahmen heraus fallen einige
Verhaltensvorschriften mit besondersartigen Strafbestim-
mungen 529. Die Einzelhaushalte können mit ihren
Satzungen auch hier mehr ins einzelne gehen als die
Landesgesetzgeber 531.
Die wichtigsten Verhaltensvorschriften sind die zur
Erhaltung des sittlichen Anstandes des Gesindes ge-
schaffenen 532. Kampf der Gesetzgeber wider die Volks-
bräuche des Gesindes 537. Beschränkung des Gesindes
in der Teilnahme an Familienfesten 543. Kleiderord-
nungen 543.
§ 7. Pflichten des Gesindes.
3. Insbesondere Pflicht der Ehrlichkeit. Gesindestrafrecht 547
Die größere Versuchung zu EigentumsdeUkten, in die das
Gesinde im Herrenhause kommt, und die entsprechende
Häufigkeit dieser Straftaten fordern eine besondere Kri-
minalpolitik 547. Man kann in der Besonderheit des
Gesindeverhältnisses einen Grund zu milderer, 551, oder
schärferer Bestrafung sehen 551. Die Gesetzgeber stan-
den regelmäßig auf dem strengeren Standpunkt 551.
Juristische Charakterisierung der verschiedenen Straf-
taten 553.
Die Gesetzgebung 554:
1. Überlassung des untreuen Gesindes an die häus-
liche Strafgewalt 554.
— XIX -
Seite
2. öffentliches Strafrecht 555: a) 14. und 15. Jhdt.
555. b) 16. Jhdt 567. c) 17. Jhdt. 560. d) 18. Jhdt.
561, aa) unabhängig vom hannoverschen Recht 56].,
bb) das hannoversche strenge Recht besonderer Kriminal-
gesetze 567, cc) seine Gefolgschaft 571, a) Einzel-Krimi-
nalg^esetze 571, ß) gro6e Gesindeordnungen 577, dd) mil-
dere Gesetze 578. e) Anfang des 19. Jhdts. 585. f) Ost-
deutschland 586.
§ 8. Pflichten der Herrschaft
1. Die Lohnzahlung 588
I. Auf verschiedene Weise wurde der Lohnanspruch
des Gesindes geschützt 588: 1. Wer um Lohn verklagt
wird, muß ihn zweifach zahlen 588. — 2. Dem säumigen
Dienstherm wird Holz und Wasser entzogen 590. —
3. Der Lohn muß vor Ablauf des Dienstes gezahlt wer-
den 590. — 4. Das Gesinde hat Anspruch auf Pfand-
bestellung durch die in Verzug befindliche Herrschaft
593. — 5. Das Gesinde darf seine Forderung mit dem
£id erhärten 594.
Mit dem Lauf der Zeit verschwanden diese Lohn-
privilegien 598. Aus der Zahlungspflicht wurde die Be-
stimmung, daß die Dienstherrschaften vor Dienstende
nicht zahlen durften 599. Zahlungspflicht nach den *
Gesindeordnungen des 18. Jhdts. 599. Lohnbücher 601.
Rückbehaltung und Aufrechnung des Lohns 603.
IL Bestimmungen über Zusammensetzung und Höhe
des Lohns 606.
1. Einseitige Lohnfestsetzung durch den Herrn;
Dienen auf Gnade 606. — 2. Eingreifen der Gesetzge-
bung 608. Das Taxwesen 609: a) Preistaxen 609.
b) Lohntaxen 610. c) Gesindelohntaxen 612, und zwar
aa) 12.— 14. Jhdt. 612. bb) 15. Jhdt. 614. cc) 16. Jhdt.,
Reichsgesetzgebung 616. dd) 17. Jhdt. als Höhepunkt
619. a) Hessen 620. ß) die übrigen Gebiete 628. 7) Taxen
und Verbote des Naturallohns 636. ee) 18. Jhdt., Ab-
flauen der Bewegung 640. Bestimmungen über Natural-
lohn im 18. Jhdt. 650. ff) Bestimmungen über das Ge-
schenkwesen 652.
§ 9. Pflichten der Herrschaft.
2. Die Gewährung von Kost und Wohnung 656
L Theoretische Anschauungen über die Gesinde-
kost 656. Faktische Zusammensetzung der Kost 658.
- XX -
Seite
Gesetzliche Bestimmungen darüber, die nur selten die
Pflicht der Herrschaft zur Kostreichung scharf aus-
sprechen 6Ö9. Verbot von Kaffee, Tee, Tabak 663.
Das Recht der Selbstbeköstigung 665. Das ostdeutsche
Kostrecht 666.
II. Über die Gesindewohnung sind nie Bestimmun-
gen erlassen worden 669. Faktischer Zustand. 670.
§ 10. Pflichten der Herrschaft.
3. Gute Behandlung. Das Züchtigungsrecht. — Anhang:
Schulwesen 671
I. Der Hausherr durfte kraft seiner Hausgewalt
über das Gesinde richten, 671, und es nach einigen
Rechten des Mittelalters züchtigen 672. Verbote der
Züchtigung älterer Zeit 674. Züchtigungsrecht im 16.
und 17. Jhdt. 67ö, im 18. Jhdt. 676, im 19. Jhdt. 680,
in Ostdeutschland 680.
II. Neben dem Züchtigungsverbot steht ergänzend
der allgemeine Befehl an die Dienstherrschaft, das Ge-
sinde gut zu behandeln 681.
III. Die Pflicht, das Gesinde gut zu behandeln, ist
oft mit der Aufgabe der Herrschaft, das Gesinde er-
ziehen zu helfen, verquickt 685. Ergänzung dieser herr-
schaftlichen Erziehung durch Staat und Kirche 685:
Schulverhältnisse, bes. in Hessen 685, staatliche Für-
sorge für Schulbildung des Gesindes 687, Katechismus-
und Kinderlehre für Gesinde 687, besondere Gesinde-
schulen 688.
§ 11. Pflichten der Herrschaft.
4. Fürsorge für Krankheit und Alter 693
1. 1. Nach uraltem Recht ist die Herrschaft zur
Verpflegung des kranken Gesindes verpflichtet 693. Äl-
teres Recht 695. 18. Jhdt. 698. Ostdeutsches Recht
702. Trotz dieser Herrschaftspflicht war die Lage der
erkrankten Dienstboten schlecht 704.
2. Daher versuchte man, durch öffentliche Ein-
richtung vorzusorgen 705. Älteres Recht 706. Wichtigste
Erscheinungen: Versuche zur Errichtung von Gesinde-
krankenanstalten in Hessen 710, die Dienstbotenkran-
kenkasse in Bamberg 722. Ähnliche neuere Einrichtun-
gen 728.
II. Für die alten Tage der Dienstboten sorgte die
Öffentlichkeit 1. durch Verleihung des Bürgerrechts an
- XXI
Seite
Altgediente 731, 2. durch Ausbildung des Spitalwesens
733, 3. durch Einrichtung von Kassen zur Belohnung alter
Dienstboten 735.
§ 12. Beendigung des Dienstes auf friedlichem Wege 73S
I. Überwiegen des Vertragsbruchs gegenüber der
friedlichen Dienstlösung 738. Kündigung als Voraus-
setzung der Dienstbeendigung 739. Kündigung war nicht
nötig, wo der Vertrag, auf bestimmte Zeit geschlossen,
so wie so ablief 739. Die ältesten gesinderechtlichen.
Quellen aber kennen eine Kündigung 739. Gleichwohl
ist diese vielleicht erst aus der früheren Sitte jähr-
licher Neumietung entstanden 739. Die Fristen der
Kündigung und Ansage: 15. und 16. Jhdt. 740, 17.
Jhdt. 742, 18. Jhdt. 745. Die Kündigung war regel-
mäßig formlos 749. Eid des Gesindes nach Vertrags -
lösung 750.
II. Sonderfälle friedlicher Dienstbeendigung 750,
nämlich 1. Heirat des Gesindes 751. — 2. Eintritt der
Magd ins Kloster 756. — 3. Übernahme einer Vormund-
schaft 757. — 4. Eintritt ins Heer 757. — 5. Erkrankung
des Gesindes 757. — 6. Tod des Gesindes, Regelung
des Lohnanspruchs 757. — 7. Tod der Herrschaft,
Recht des Dreißigsten 758. — 8. Konkurs der Herr-
schaft, Lohnprivileg 760.
§ 13. Vertragsbruch des Gesindes. Anhang: Das Koalitions-
verbot 766
Unterschied in der Behandlung des Vertragsbruchs, ob
Gesinde oder Herrschaft ihn begehen; jenes wird ge-
straft, die Herrschaft braucht meist nur civihter Ersatz
zu leisten 766. Gründe für diese Verschiedenheit 767.
Recht des Vertragsbruchs 769. 1. Straflose Kamp-
fesmittel 769, nämlich Erkundigungspflicht des Mieters
beim vorigen Dienstherrn 769, Gebot, daß alles Eigentum
des Gesindes ins Herrschaftshaus gebracht wird 769.
— 2. Strafloses Vorgehen bildet die Ausnahme, Regel
ist Ersatzpflicht, Bestrafung und zwangsweise Zurück-
führung des entlaufenen Gesindes 770: a) in Nord-
deutschland 771, b) in Mitteldeutschland 776, c) in
Süddeutschland 789. — 3. Recht des Gesindes zu vor-
zeitigem Dienstverlassen, wenn die Herrschaft Anlaß
gibt 800. — 4. Recht des Vertragsbruchs in Ostdeutsch-
land 804.
— XXII -
Seite
Anhang zu § 13: Koalitions verbot 806. Gesinde-
vereine gab es nicht, nur gegen gelegentliche, be-
wußte und unbewußte Organisationen des Gesindes ging
man vor 806. Die Gesetzgebung 807.
§ 14. VertiTigsbruch der Herrschaft 814
.Wo das Gesinde Anlaß gibt, ist vorzeitige Entlassung
gerechtfertigt 814. Der ungegründete Vertragsbruch der
Herrschaft wird regelmäßig zivilrechtlich behandelt, fast
nie kommt — wie beim Vertragsbruch des Gesindes —
Strafe vor 814. Die Gesetzgebung 816, a) in Norddeutsch-
land 816, b) in Mitteldeutschland 819, c) in Süddeutsch-
land 826, d) im Osten 832.
§ 15. „Abspannen, Abdringen und Abwendigmachen**' 833
Der Kampf wider das Abspenstigmachen steht in engem
Zusammenhang mit dem Vorgehen wider den Vertrags-
bruch, 833, mit den Lx>hntaxen 834^ mit den Bestimmun-
gen über den Vertragsschluß 834. Rein polizeiliches
Recht 835, in Norddeutschland 835, Mitteldeutschland
838, Süddeutschland 847, Ostdeutschland 856.
§ 16. Das Gesindezeugnis 857
Die Zeugnisvorschriften sind rein polizeiliches Sonder-
Gesinderecht 857. Drei Arten von Zeugnissen: 1. Herr-
schaftsabschiede über die ordnungsmäßige Vertragsbe-
endigung, 2. 'über das Verhalten im Dienst, 3. obrig-
keitliche Herkunftszeugnisse 858. Ursprünglich gab
es von privaten Zeugnissen nur solche wider den Ver-
tragsbruch 859. Zeugnisse nur über das Verhalten des
Gesindes im Dienst kommen in früherer Zeit nur als
Ausnahmen vor 866, häufiger sind Übergangsbestim-
mungen, welche Zeugnisse beider Arten fordern 866.
Reine Verhaltenszeugnisse hauptsächlich im 18. Jhdt.
868. Zeugnisbücher wurden erst im 19. Jhdt. allgemein
eingeführt 878. Zeugnisrecht in Ostdeutschland 879. Be-
sondere Zeugnisse über Freiheit vom Dienstzwange 880.
Beispiel eines Zeugnisses 881.
Anhang 882
§17. 1. Das besondere Recht der Müllerknechte und Hirten
in Hessen 882
Für Gesinde mit bestimmtem, abgegrenztem Berufe (Mül-
lerki]e:hte, Hirten) lassen sich Einzelbestimmungen in
— XXIIl -
Seite
größerem Umfange als für das gewöhnliche Gesinde
treffen 882.
I. Recht der Müllerknechte 883. Die Mühlen-
ordnung von 1615 883. Die weiteren Mühlengesetze
887.
II. Hirtenrecht 888: Mietung 888. Lohn 889.
Haftung 893., Unredlichkeiten der Hirten 894. Tätig-
keitspflichten 896. Dienstbeendigung 902.
§ 18. 2. Das Sonderrecht des hessischen Hofgesindes 903
Wie für Müller knechte und Hirten konnten für Hofge-
sinde Einzelvorschriften erlassen werden 903. Quellen
des hessischen Hofgesinde-Rechts 903. Begriff des Hof-
gesindes 904. Darstellung des Rechts des niederen Hof-
gesindes an Hand der Hofordnung von 1570 905. Recht
des Dreißigsten 908. Heiratsrecht 908.
Nachtrage 910
Alphabetische Register 911
J. Sachregister 911
2. Geographisches Register 925
3. Personenregister 985—988
Literatur -Verzeichnis ').
1. Quellenwerke.
A u e r, Das Stadtrecht von München. München 1840. — Baader,
Nürnberger Polizeiordnungen aus dem 13. bis 15. Jhdt. (Bibliothek
des Literarischen Vereins Stuttgart Band 63). Stuttgart 1861. —
Baur, Hessische Urkunden, aus dem Großherzoglich Hessischen
Haus- und Staatsarchiv hsg. Darmstadt 1860 ff. — von B e 1 o w,
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die ehemalige Reichsstadt Rotenburg. Nürnberg 1837. — Binder,
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 2. Verwaltung und
Rechtspflege (Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und
Altertumskunde 17 S. 159 ff). Jena 1895. — Boos, Urkundenbuch
der Stadt Worms. Berlin 1886 ff. — Bulletin des lois du royaume
de Westphalie. Cassel seit 1807. — de Canngiesser, Collectio
notabiUum decisionum. Cassel 1768 ff. — Chur-Braunschweig-Lüne-
burgische Landesordnungen und Gesetze. Lüneburg 1741. — Chur-
Braunschweig-Lüneburgische Landes-Ordnungen und Gesetze . . . zum
Gebrauch der Fürstentümer . . . Calenbergischen Theils. Göttingen
1739 ff. — Churfürstliche Mayntzische Gnädigste Ordnungen vor dero
Stadt Erffurth. Erfurt o. J. — Code Napoleon, Edition seule officielle
pour le royaume de Westphalie. Straßburg 1808. — Codex Aug^teus,
hsg. L ü n i g. Leipzig 1724. — Codex Constitionum Osnabrugensium.
Osnabrück 1783. — Codex ecclesiasticus Moguntinus novissimus, hsg.
Scheppler. Aschaffenburg 1802. — Collitz-Bauer, Waldecki-
sches Wörterbuch. Norden 1902. — Corpus Constitutionum Branden*
^) Eine in Kürschners Literaturkalender von 1909 Sp. 621 ver-
zeichnete „Bibliographie der Dienstbotenliteratur von 1500 bis zur Neu-
zeit** von Hugo Hayn ist nach Mitteilung des Auskunftsbüros der
deutschen Bibliotheken überhaupt nicht im Drucke erschienen.
- XXV -
burgico-Culmbacensium. Bayreuth 1747. — Corpus Constitutionum
Xassovicarum. Dillenburg 1796. — Corpus Constitutionum Olden-
burgicarum selectarum, ed. O e t k e n. Oldenburg o. J. — Corpus
Statutorum provincialium Holsatiae, ed. C r o n h e 1 m. Altona 1750.
— Corpus Statutorum Slesvicensium. Schleswig 1794 ff. »~ von Da-
niels, Rechtsdenkmäler des deutschen Mittelalters. Berlin 1858 ff. —
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für das Gebiet der Stifte Magdeburg, Halberstadt, Hildesheim . . .
vom 26. Juni 1445 (Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und
Altertumskunde 27 S. 427 ff.). Wernigerode 1894. — Demme,
Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hersfeld. Hersfeld 1891 ff.
— Döllinger, Sammlung der im Gebiete der innem Staats- Ver-
waltung des Königreichs Bayern bestehenden Verordnungen. München
1835 ff. — £ n d e m a n n. Das Keyserrecht nach der Handschrift von
1372. Cassel 1836. — Erhard, Geschichte der Stadt Passau. Passau
1862 ff. — von Fink, Die geöffneten Archive für die Geschichte des
Köni^eichs Bayern. 1., 2. Jahrgang. — Förstemann, Neue
Mittheilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forschungen.
Halle (Nordhausen) 1834 ff. — Foltz, Urkundenbuch der Stadt
Friedberg I. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für
Hessen und Waldeck). Marburg 1904. — Frank, Geschichte der
ehemaligen Reichsstadt Oppenheim. Darmstadt 1859. — F r e n s -
dorff, Dortmunder Statuten und Urtheile (Hansische Geschichts-
quellen HI). Halle 1882. — von Freyberg, Sammlung histori-
scher Schriften imd Urkunden. Stuttgart und Tübingen 1827 ff. —
Fürstlich Braunschweig-Lüneburgische Zellischen Theils Policey-Ord-
nung und andere . . . Verordnungen . . . 1700. — Fürstlich-Hessische
Landsordnung. In der oberen Grafschaft Katzenelnbogen (Selchows
Magazin für die teutschen Rechte und Geschichte I S. 475 ff.). Göt-
tingen und Lemgo 1779. — Gaupp, Deutsche Stadtrechte des
Mittelalters. Breslau 1851 ff. — Gengier, Deutsche Stadtrechte
des Mittelalters. Erlangen 1852. — G e n g 1 e r, Die Quellen des
Stadtrechts von Regensburg (Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns
III). Erlangen und Leipzig 1892. — Göschen, Die Goslarischen
Statuten. Berlin 1840. — Götze, Die archivalischen Sanmilungen
auf Schloß Miltenberg (Archivalische Zeitschrift II S. 146 ff.). Zitiert:
Götze. — Grimm, Weisthümer. Göttingen 1840 ff. — Grote und
Broennenberg, Das hannoversche Stadtrecht (Vaterländisches
Archiv des historischen Vereins für Niedersachsen Jahrg. 1844
S. 117 ff.). Hannover 1846. — Hach, Das alte Lübische Recht.
Lübeck 1839. — Hänselmann, Urkundenbuch der Stadt Braun-
xbwdg. Braunschweig 1873 ff. — Hagemann, Practische £r-
— XXVI —
örterungen aus allen Theilen der Rechtsgelehrsamkeit. Fortgesetzt
von Spang.enberg. Forts. Bd. I, der ganzen Reihe Bd. IX.
Hannover 1831. — Hampe, Das partikulare Braunschweigische Pri-
vatrecht. Braunschweig 1896. — Des Heiligen Römischen Reichs,
ohnmittelbarer Freyer Ritt erschafft der Sechs Ort in Francken Er-
neuerte, vermehrte und Confirmirte Ordnungen. . . Nürnberg 1710.
— Heinemann, Die statutarischen Rechte für Erfurt und sein
Gebiet. Erfurt 1820. — Hochfürstlich Paderbörnische Landes-Ver-
ordnungen. . . Paderborn 1785 ff. — Homeyer, Sachsenspiegel.
Berlin 1835. — von Kamptz, Die Provinzial- und statutarischea
Rechte in der Preußischen Monarchie. Berlin 1826 ff. — Kern,
Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jhdts. (Denkmäler der
deutschen Kulturgeschichte Abt. 2 Bd. 1, 2). Berlin 1905. — K e r -
sting. Die Sonderrechte im Kurfürstenthum Hessen. Fulda 1857.
— Klöntrupp, Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte
und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück. «Osnabrück 1798 ff. —
Kraut, Das alte Stadtrecht von Lüneburg. Göttingen 1846. —
K r e n n e r, Baierische Landtags-Handlungen. München 1803 ff. —
Kuchenbecker, Analecta Hassiaca. Marburg 1728 ff. — L a g e r.
Eine Dienstordnung für die Beamten und Diener des trierischen
Domkapitels (Trierisches Archiv I S. 37 ff.). Trier 1898. — Lam-
bert, Die Rathsgesetzgebung der freien Reichsstadt Mühlhausen
in Thüringen im 14. Jhdt. Halle 1870. ~ Lamprecht, Deutsches
Wirtschaftsleben im Mittelalter. Leipzig 1886. — Landes-Verordnun-
gen der Grafschaft Lippe. Lemgo 1779 ff. — Lappenberg, Die
ältesten Stadt-, Schiff- und Landrechte Hamburgs I. Hamburg 1845.
— Laßberg, Schwabenspiegel. Tübingen 1840. — Lehmann,
Christophonis, Chronica der freyen Reichs Stadt Speier. 3. Aufl.
Frankfurt 1698. — Maurenbrecher, Die Rheinpreußischen Land-
rechte. Bonn 1830 ff. — von Maurer, Das Stadt- und Landrechts-
buch Ruprechts von Freysing. Stuttgart und Tübingen 1839. — von
Maurer, Geschichte der Fronhöfe, der Bauernhöfe und der Hof-
verfassung in Deutschland. Erlangen 1862 ff. — von Maurer,
Geschichte der Dorfverfassung. Erlangen 1865 ff. — von Maurer,
Geschichte der Städteverfassung in Deutschland. Erlangen 1869 ff.
— Meyer, Chr., Das Stadtbuch von Augsburg. Augsburg 1872. —
M i c h e 1 s e n, Sammlung altdithmarscher Rechtsquellen. Altona 1842.
— Michelsen, Rechtsdenkmale aus Thüringen. Jena 1863. —
Möller und Fuchs, Sammlung der im vormaligen Kurf ürsten-
thume Hessen noch geltenden gesetzlichen Bestimmungen von 1813
bis 1866. Marburg 1867. Zitiert: MöUer-Fuchs. — Mone, Über das
Gesindewesen im 15. und 16. Jhdt. (Zeitschrift für die Geschichte
- XXVII -
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ohalien. Cassel 1807 ff. — Monumenta Germaniae Historica. Leges
:i. — Moser, Reichs Städtisches Hand Buch. Tübingen 1732 ff.
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Schlüsse. . . Nürnberg 1752. — Müller, Des heil. Römischen
Reichs . . . Reichs Tags Theatrum. Jena 1713 ff. — Niesert,
Munscersche Urkundensammlung III. Coesfeld 1829. — Oberrhei-
1 ^che Stadtrechte, hsg. von der Badischen Historischen Kommission.
Heidelberg 1895 ff. — O e 1 r i c h s, Vollständige Sammlung alter
und neuer Gesetzbücher der kais. Reichs Freien Stadt Bremen.
Bremen 1771. — von Olenschläger, Neue Erläuterung der
goldenen Bulle. Frankfurt und Leipzig 1766. — Origines Guelficae.
Hannover 1750 ff. — Ortloff, Sammlung Deutscher Rechtsquellen
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Frankfurt und Leipzig 1744 ff., Hannover 1748. — Reyscher,
Sammlung der württembergischen Gesetze. Stuttgart und Tübingen
1828 ff. — Reyscher, Sammlung altwürttembergischer Statutar-
rechte. Tübingen 1834. -— von Richthofe n, Friesische Rechts-
qucUen. Berlin 1840. — von der R o p p, Göttinger Statuten (Quellen
und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 25). Hannover
1907. — Rottmann, Schauenburgische Polizeiordnung. Rinteln
ni7. Zitiert: Rottmann. — Sammlung Fürstlich Hessischer Landes-
Ordnungen und Ausschreiben. Cassel 1767 ff. Zitiert: LO. — Samm-
lung von Gesetzen, Verordnungen, Ausschreiben und anderen allge-
meinen Verfügungen für Kurhessen. Cassel 1813 ff. Zitiert: Kurh.
Ges. S. — Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in
dem Kön. Preuss. Erbfürstenthume Münster und in den standes-
heirlichen Gebieten Horstmar, Rheina-Wolbeck, Dülmen und Ahaus-
Bocholt-Werth . . . ergangen sind. Münster 1842. — Sammlung der
hochfürstlich-wirzburgischen Landesverordnungen. Würzburg 1776. —
Samndung, neue und vollständigere, der Reichs-Abschiede. Frank-
to 1747. — Sattler, Geschichte des Herzogthums Würtenberg
unter den Graven. V. Ulm 1768. — Schaumburg-Lippische Landes-
- XXVIII -
Verordnungen. Bückeburg 1804 ff. — Schlüter, Provinzialrecht
der Provinz Westfalen. Leipzig 1829 ff. — Schmid, Ludwig, Ge-
schichte der Pfalzgrafen von Tübingen. Tübingen 1853. — Schmidt,
Johannes, Aeltere und neuere Gesetze, Ordnungen und Circular-Be-
fehle für das Fürstenthum Weimar und für die Jenaische Landes-
Portion. 1800 ff. — Schmincke, Monimenta Hassiaca. Cassel
1747 ff. — Schott, Sammlungen zu den Deutschen I-and- und
Stadtrechten. Leipzig 1772. — Schrader, Handbuch der vater-
ländischen Rechte III. Hamburg 1793. — Schreiber, Urkunden-
buch der Stadt Freiburg im Breisgau. Freiburg 1828. — S c o 1 1 i,
Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Herzog-
thum Cleve und in der Grafschaft Mark . . . ergangen sind. Düssel-
dorf 1826. — Scotti, Sammlung der Gesetze und Verordnungen,
welche in den ehemaligen Herzogthümern Jülich, Cleve und Berg , . .
ergangen sind. Düsseldorf 1821 f. — Scotti, Sammlung der Ge-
setze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürsten-
thum Köln . . . ergangen sind. Düsseldorf 1830 ff. — Scotti,
Sammlung; der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vor-
maligen Churfürstenthum Trier . . . ergangen sind. Düsseldorf 1832.
— Scotti, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in
den vormaligen Wied-Neuwiedischen . . . Landes Gebieten ... er-
gangen sind. Düsseldorf 1836. — Seestern-Paul y. Die Neu-
münsterschen Kirchspiels- und die Bordesholmer Amtsgebräuche.
Schleswig 1824. — Seibert z, Urkundenbuch zur Landes- und
Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen. Arnsberg 1843. —
Senckenberg, Corpus iuris Germanici. Frankfurt 1760 ff. —
Siebenkees, Beyträge zum teutschen Rechte II. Nürnberg 1786.
— S i m r o c k. Die deutschen Sprichwörter. Frankfurt 1846. —
Spangenberg, Sammlung der Verordnungen und Ausschreiben,
welche für samtliche Provinzen des Hannoverschen Staates ... er-
gangen sind. Hannover 1819 ff. — S p a n n a g e 1, Ravensbergische
Landesordnung vom Jahre 1655 und Ravensbergische Landpolizei-
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f. d. Grafschaft Ravensberg S. 124). Bielefeld 1899. — Stauden-
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Rechtsgeschichte VII S. 290 ff.). — Stobbe, Geschichte der
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Devrient, Stadtrechte von Eisenach, Gotha und Waltershausen
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.Tg aus der (ravensberger) Gesindeordnung vom Jahre 1766 (Ravens-
Derger Blätter für Geschichts-, Volks- und Heimatskunde 9. Jahrg.
5. 62). Bielefeld 1909. — Thorsen, Die dem Jütischen Low ver-
sandten Stadtrechte. Kopenhagen 1855. — Wackernagel,
Schwabenspie^^el. Zürich und Frauenfeld 1840. — W a 1 c h, Ver-
niächte Beyträ£^e zum deutschen Recht. Jena 1771 ff. — Walt her,
Liierärisches Handbuch für Geschichte und Landeskunde von Hessen.
Darmstadt 1841. — von Weber, Darstellung der sämtlichen Provin-
rai- und Statutar-Rechte des Königreichs Bayern. Augsburg 1838 ff. —
Weiske-Hildebrand, Sachsenspiegel. 8. Aufl. Leipzig 1905.
- de Westenriede r, Glossarium Germanico-Latinum L Mün-
chen 1816. — von Wicht, Das Ostfriesische Landrecht. Aurich 1746.
- Wigand, Archiv für Geschichte und Alterthumskunde West-
phalens. Lemgo 1825 ff. — W i g a n d. Die Provinzialrechte des
Furstenthums Minden. . . Leipzig 1834. — Württembergische länd-
liche Rechtsquellen, hsg. von der K. Württ. Kommission für Landes-
geschichte. 1. Bd. Die östUchen schwäbischen LandesteUe, bearb.
von F. W i n 1 1 e r 1 i n. Stuttgart 1910. — Zobel, Sachsenspiegel.
Ausgaben von 1553 und 1561. — Zopf 1, >Das alte Bamberger
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denrees et de tous les prix en g^ndral. Paris. 1894 ff. — B a c h m a n n,
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mite central du travaü industriel XI S. 484 ff, 648 ff., 656 ff.). Brüssel
1905. Ferner abgedruckt in Annalen van den ;oudheidskundigen
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Wörterbuch der Volkswirtschaft. — Brandt, Der Bauer und die
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buch der Volkswirtschaft. — Emminghaus, Vom Gesindezwang^s-
dienst und dessen Abschaffung. Jena 1826. — Emminghaus,
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droit et de pratique. 4. ^d. Paris 1758. — Frank, Johann Philipp,
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Zitiert : Frauenstädt. — von Freyberg, Pragmatische Geschichte
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2. Aufl. Leipzig 1907. — Fuchs, Art. Bauer und Gutsherrschaft
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Dissertatio de iuribus domesticorum. Tübingen 1685. — Hede mann,
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Dahn). Breslau 1905. Zitiert : Hedemann. — Hertz, Die Rechts
Verhältnisse des freien Gesindes nach den deutschen Rechtsquellen
— XXXI -
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- XXXII -
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Steffen. — Stier-Somlo, Deutsche Sozialgesetzgebung. Jena 1907.
— S t i 1 1 i c h, Die Lage der weiblichen Dienstboten in Berlin. Berlin
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(Zeitschrift für Rechtsgeschichte 13). — Stobbe-Lehmann, Hand-
buch des deutschen Privatrechts. 3. Aufl. Berlin 1893 ff, — S ü s -
k i n d. Das Gesinderecht der Provinz Hessen-Nassau (Arbeiten zum
Handels-, Gewerbe- und Landwirtschaftsrecht Nr. I). Marburg 1908.
Zitiert: Süskind. — Thomas, Sistem aller fuldischen Privatrechte.
Fulda 1788 ff. — Verein für Sozialpolitik. Schriften Bd. 7, 53-58.
— Weinhold, Die deutschen Frauen in dem Mittelalter. Wien
1851. 2. Aufl. Wien 1882. — Willems en, De Loonquaestie
in Vlaandern op het einde der XIV± eeuw (Annalen van den oud-
heidskundigen kring van het Land van Waas, 23. d. S. 10 ff.). —
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W i 1 1 i c h. Die Gnindherrschaft in Nordwestdeutschland. Leipzig 1896.
— W o 1 f f , Vemünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben
der Menschen. . . Frankfurt und Leipzig 1721. 3. Aufl. 1732. —
W u 1 1 k e, Gesindeordnungen und Gesindezwangsdienst in Sachsen
(Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen XII 4). Leipzig 1898.
Zitiert : Wuttke. — Zwiedineck-Südenhorst, Lohnpolitik und
Lohntheorie. Leipzig 1900.
3. Wichtigere lehrhafte und belletristische Schriften
älterer 2^it zum Gesindewesen.
A 1 b e r u s , Erasmus, Das Ehbüchhn. o. O. 1539. — Der
Christlicshe Dienstbothe. Lübben 1729 (zit. bei Georgi, Bücher-Lexi-
kon, 1742, S. 337). — Colerus, Johannes, Oeoonamia nuralis
et domestica. Frankfurt 1593. Neue Ausgabe 1672. — Der getreue
Dienstbothe. Stettm 1727 (zit. bei Georgi a. a. O.). — Glaser
Peter, Gesind-Teuffel. Frankfurt 1664. — Gotthelf, Jeremias, Uli
der Knecht. Solothum 1841. ~ Ludwig, Otto, Die Emanzipation
der Domestiken. 1843. — Menagius, Philipp, Die sieben Teuffei,
welche die heutigen Dienstmägde beherrschen und verführen. Frank-
furt 1693 (zit. bei Goedeke, Grundriss, 2. Aufl. Bd. II S. 483). —
Moser, Justus, Patriotische Phantasien 1774. — Neuer Ratschluss
der Dienst-Mägde. Flugschrift. Nürnberg 1652. — Riehl, Wilhelm
Heinrich, Naturgeschichte des Volks als Grundlage einer deutschen
Socialpolitik. III. Die Familie. Stuttgart 1855. — Ringwald t,
BaxthofemäuSy Die lauter Warheit. Erfurt 1586. — Schupp, Johann
Balthasar, Sieben böse Geister, welche Knechte und Mägde regieren.
1658. — Swift, Jonathan, Rules that concern all servants in gene-
ral (Works, ed. London 1760 Bd. 12 S. Iff.; ed. Edinburgh 1768
Bdt 9 S. 178 ff.).
Eine reichhaltige Literatur, Schwanke, Lieder und sonstiges, mit
Klagen und Spott über des Gesindes viele Tücken entstand vornehm-
lich in der zweiten Hälfte des 15. Jhdts., im Reformationszeitalter, und
dann späterhin in der Zeit der Moralisten und Satiriker (17., 18. Jhdt.).
Diese vielen Schriften können auch nur dem Titel nach hier nicht an-
geführt werden. Es genügt, hierfür auf Goedekes Grundriss (2. Aufl.)
2U Fcrweiseiiy woraus — willkürlich gewählt — nur folgende Beispiele
iherer Literatur genannt seien: „Wie die magd den hausknecht
erachreckt", 1464 (GoedekeO I ,S. 300 Nr. 13). „Von knecht Heinrich
und der bauerdirne", 1414—1416 (Goed. I S. 301 Nr. 34). „Ain
Spruch von ainer frawen und ir maid, wie sy mit einander kriegeten"
(Goed. I iS- ^^^ ^^' ^^)" Hans Foltz, Von einem wirtsknecht und
— XXXIV —
der hausmeit (Goed> I S. 331 Nr. 30). Ambroskis Österreicher,
Meisterlied „Ein schön new Lied, von einer geneschigen Meyd,
die zwey hüner frass" (Goed. II S. 260 Nr. 41 c). Henrich Goetting^,
Niemandt: Wie fast Jedermann an ihm wil Ritter werden. Allen
Haussherren und Frawen, so stets mit Gesiade umbgehen . . nütz-
lich . . kurtzweaig zu lesen. Erfurt 1685 (Goed. II S. 285 Nr. 77).
Reiche Ausbeute geben Hans Sachsens Werke (Goed. IIS. 408 ff.).
Die oben S. XXIV Anm. genannte ungedruckte Bibliographie Hug^o
H a y n s wird wohl noch manches schöne Stück enthalten. Vg^l.
auch unten S. 32. — In diesem Zusammenhange darf wohl auf zwei
moderne psychologische Meisterwerke der Gesindeliteratur hingewiesen
werden: Tolstois Herr und Knecht (1895) und Mirbeaus
Journal d'une femme de chambre (Paris 1900).
4. Aus der Literatur zu einer neuzeitlichen Gesindepolitik.
B u n z e 1, Die Landarbeiterfrage (Archiv für soziale Gesetzgebung
und Statistik 24 S. 433, 680). — B u n z e 1, Die Lage der ungarischen
Landarbeiter (Archiv für Soziale Gesetzgebung und Statistik 17, S. 341).
— Conrad Else, Das Dienstbotenproblem in den nordamerika-
nischen Staaten und was es uns lehrt. Jena 1908. — Conrad (Kesten),
Else, Zur Dienstboten-Frage. Erhebungen der Arbeiterinnenschutz -
kommission des Bundes deutscher Frauenvereine (Archiv für Sozial-
wissenschaft und Sozialpolitik 31 S. 520). — Damme, Die Dienst-
botenfrage (Preußische Jahrbücher 100 S. 116). — Deutsche Dienst-
botenzeitung, hsg. Marie Heller. Berlin seit 1908. —'Eckert, Wirt-
schaftliche Krise und Dienstbotenmangel (Soziale Praxis 9 Sp. 1302).
— Eiben, Zur Dienstbotenfrage (Die Frauenbewegung 1901 S. 11,
28). — Fischer, Edmund, Die Dienstbotenfrage (Sozialistische
Monatshefte HS. 1006). — Förster, Die Dienstbotenfrage und die
Hausfrauen. Ein Problem der Frauenbiddung. Zürich 1912. — Fuld,
Das Bürgerliche Recht und das Gesinderecht (Archiv für öffentliches
Recht 14 S. 93 ff.). — Fuld, Das Gesinde und die Sozialgesetz-
gebung (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 65 S. 64 ff.).
— Gnauck-Kühne, Dienstbotenmangel und Frauenfrage (Soziale
Praxis 10 Sp. 449, 593). — Hedemann, Zur Reform des Ge-
sinderechts (Deutsche Juristenzeitung 11 Sp. 1338). — Heymann,
Der Dienstvertrag der landwirtschaftlichen Arbeiter mit Rücksicht
auf das Bürgerliche Gesetzbuch (Zeitschrift der Landwirtschafts-
kammer für die Proviaiz Schlesien I, 1897, Beilage S. 40). — Hey-
mann, Besprechung von Kählers Gesindewesen (Jahrbücher für Na-
tionalökonomie und Statistik 70 S. 262 ff.). -- Hirtenbrief ... des
- XXXV —
Hochwürdigsten - Herrn Sigismund Felix Bischof es von Passau . . .
1909. Passau 1909. — Kahler, Dien^tbotenfrage und Gesindeord-
nong (Soziale Praxis 1909 Sp. 1329, 1353). — Kl e eis, Sozialreform
für das Gesinde (Sozialistische Monatshefte 14 S. 463). — Leo, Zur
Dienstbotenfrage (Soziale Praxis 17 Sp. 1177). — Lüders, Organi-
sadonsbestrebungen der. Dienstboten und Landarbeiter (Soziale Praxis
17 Sp. 996). — Maurenbrecher, Hulda, Dienstbotenproblem und
Frauenbewegung (Der Arbeitsmarkt 14 Sp. 91). — Maurenbre-
cher, Hulda, Das Dienstbotenproblem in den intellektuellen Kreisen
f Sozialistische Monatshefte 13 S. 1618). — M e n g e r, Das Bürger-
liche Recht und die besitzlosen Volksklassen. Tübingen 1904. —
Müll er, Paula, Reformbestrebungen in der Dienstbotenfrage (Zen-
tralblatt des Bundes deutscher Frauenvereine 12 Nr. 11, 12, 13). —
Nußbaum, Die Reform des Gesinderechts (Deutsche Juristenzeitung
6 S. 520). — Pieper, Zur Dienstbotenfrage (Soziale Kultur 26
S. 793). — Pieper, Dienstbotenfrage und Dienstbotenvereine (So-
ziale Tages-Fragen, hsg. vom Volksverein für das katholische Deutsch-
land 21). M.-Gladbach 1908. — Protokoll über die Verhandlungen
des Parteitages der sozialdemokratischen Partei Deutschlands . . .
zu Mannheim . . . 1906, sowie Bericht über die 4. Frauenkonferenz.
Berlin 1906 (S. 414, 430). — Schnapper-Arndt, Zur Dienst-
botenfrage (Die Gesellschaft 1^97 S. 262). — Schwechler, Die
stadtischen Hausdienstboten in Graz (Veröffentlichungen des Stati-
stischen Seminars der Universität Graz 1). Graz 1903. — Silber-
mann. Zur Dienstbotenfrage (Sozialpolitisches Zentralblatt 2 S. 401).
— Stenographische Berichte über die Verhandlungen des preußischen
Abgeordnetenhauses 1898 S. 2069 ff., 2103 ff.; 1899 S. 428 ff., 453 ff.,
498 ff., 1999 ff., 2040 ff., 2131 ff.; 19. Leg.-Per. 5. Sess. 1903 Sp.
4718 ff.; 20. Leg.-Per. 1. Sess. 1904, 1905 Sp. 838 ff., 5718 ff; 20. Leg.-
Per. 4. Sess. 1907, 1908 Sp. 285 ff., 745 ff., 4903. — Susmann,
Die Dienstbotenbewegung (Soziale Praxis 15 Sp. 449). — Susmann,
Zur Dienstbotenfrage (Soziale Praxis 15 Sp. 1353; 16 Sp. 10, 41). —
V i e r s b e c k, Doris, Erlebnisse eines hamburger Dienstmädchens
(Lebensschicksale Bd. 4). München 1910 (hierzu Archiv für Sozial-
wissenschaft und Sozialpolitik 31 S. 948). — Wulff en. Zur Psycho -
k)gie des Dienstboten. Ein Beitrag zur Reform des Gesinderechts
(Gesetz und Recht 10 S. 153). — Zehnder, Neue Wege in der
Dienstbotenfrage (Neue Wege, Blätter für religiöse Arbeit, Basel,
4 S. 337).
Die oben unter 2 angeführten Darstellungen des Gesindewesens
enthalten bisweilen als Schlußkapitel Zukunftsbetrachtungen mit mehr
oder weniger glücklichen Vorschlägen de lege ferenda; dieser Hin-
weis mag genügen.
— XXXVI
Zusammenstellung der Abkürzungen.
Die oben unter Abt. 2 genannten Werke von Baumann, Dorn,
Frauenstädt, Fuchs, Götze (s. Abt. 1), Hedemann, Hertz, Kahler,
Kamann, Knothe, Kollmann, Löning, Möller-Fuchs (s. Abt. 1), Platzer,
Rommel, Sickel, Steffen, Stillich, Süskind, Wuttke sind regelmäßig
nur mit dem Verfassernamen zitiert.
Abgekürzt angeführt sind gewöhnlich die großen Nachschlage-
werke (Grimms Wörterbuch, du Gange [Ausgabe 1840 ff.], SchUler-
Lübben, Schmeller, Handwörterbuch der Staatswissenschaften usw.).
Es bedeutet:
Kurh. Ges. S. = Sammlung von Gesetzen . . . für Kurhessen.
LO. = Sammlung Fürstl. Hessischer Landes-Ordnungen.
RG. (Brunner, Schröder) = Rechtsgeschichte.
Sav.-Ztschr. D. A. = Zeitschrift dep Savigny -Stiftung für Rechtsge-
schichte. Germanistische Abteilung.
WB. = Wörterbuch.
Kr. A. = Kreisarchiv.
L. A. = Landesarchiv.
St. A. = Staatsarchiv.
XXXVII —
Bemrtzte Archive, Bibliotheken und sonstige öffentliche
Sammlnngen.
Aachen: Stadtarchiv. — A m b e r g : Kgl. Kreisarchiv, r—
Amöneburg (Hessen): Stadtarchiv. — Arolsen: Bibliothek der
Försd. Regierung. — A u r i c h : Kgl. Staatsarchiv. — Bamberg:
KgL Kreisarchifv ; Magistratsbibliothek. — Berlin: Kgl. Geh. Staats-
archiv; Kgl. Bibliothek. — Braunfels: Gräfl. Solmssches Archiv.
— Breslau: Kgl. Universitätsbibliothek. — Cassel: Landesbiblio-
thek; Murhardsche Bibliothek; Bibliothek des Kgl. Oberlandesge-
richts; Bibliothek der Kgl. Regierung. — Darmstadt: Großh.
Hans- und Staatsarchiv. — Düsseldorf: Kgl. Staatsarchiv. ^-
Erlangen: Kgl. Universitätsbibliothek. — Essen: Bibliothek des
Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dorf
mund. — Frankfurt a. M. : Stadtarchiv. — G e d e r n : Gräfl. Stol-
bergsches Archiv. — Gießen: Großh. Universitätsbibliothek, r-
Göttingen: Kgl. Universitätsbibliothek. — Heidelberg: Großh.
Universicätsbibliothek. — Karlsruhe: Großh. Generallandesarchiv.
— Koblenz: Kgl. Staatsarchiv. — Langenselbold (Hessen) :
Bibliothek des Kgl. Amtsgerichts. — London: Bibliothek des Bri-
tischen Museums. — Mainz: Stadtarchiv; Stadtbibliothek. — Mar-
burg: Kgl. Staatsarchiv; Kgl. Universitätsbibliothek. — Mühl-
hausen: Stadtarchiv ; städtische Bibliothek. — München: Kgl.
Allgemeines Reichsarchiv; Kgl. Kreisarchiv. — Neuburg: Kgl.
Krdsarchiv. — Nordhausen: Stadtarchiv; Stadtbibliothek. —
Nürnberg: Kgl. Kreisarchiv; Stadtarchiv. — Oldenburg:
Großh. Haus- und Zentralarchiv; Großh. Bibliothek. — Osnabrück:
KgL Staatsarchiv. — Speier: Kgl. Kreisarchiv; Stadtarchiv, t—
Stuttgart: Kgl. Geh. Haus- und Staatsarchiv; Kgl. Landesbiblio-
thek. ~ Trier: Stadtarchiv. — Wächtersbach (Hessen) : Bi-
büothek des Kgl. Amtsgerichts. — Weimar: Großh. Geheimes Haupt-
und Staatsarchiv. — Wiesbaden: Kgl. Staatsarchiv. — Wolfen-
buttel: Herz. Landeshauptarchiv. — Worms: Stadtarchiv. —
Würzburg: Kgl. Kreisarchiv. — Zweibrücken: Kirchen-
schaffneiarchiv.
Erster Teil.
Quellengeschichte
A. Hessen.
L
Das hessische Stammland.
§ 1. Die Zeit der Rechtsbttcher und Stadtrechte.
Die ersten Versuche, das freie Gesinde im Gebiet
des späteren Kurhessens einem Sonderrechte zu unter-
stellen, treten in den Rechtsbüchern zu Tage. Vorher war
kein Bedürfnis dafür vorhanden, weil das Gesinde als be-
sonderer Stand sich noch nicht abgeschichtet hatte *). Die
lex Salica, deren Geltung im hessischen Lande man an-
nehmen muß *), gibt ein Sonderrecht lediglich imter dem
Gesichtspunkte der Freiheit und Unfreiheit. Aus den
Rechtsbüchem dagegen ergibt sich, daß inzwischen der
neue Stand sich herausgebildet hat. Auch das Wort „Ge-
sinde" ist für ihn schon gebräuchlich.
Das Gebiet des späteren Kurhessens zerfiel damals
in einen sächsisch-rechtlichen und einen fränkisch-recht-
lichen Teil '). Im fränkischen Hessen, wahrscheinlich dem
größeren Stücke, galten der Schwabenspiegel und das
0 Näheres im zweiten Teil. Einstweilen Kollmann in Hilde-
brands Jahrb. Bd. 10, S. 287 ff.; Stobbe-Lehmann III, S. 449. —
*) Schröder, Rechtsgeschichte, S. 249; A. B. Schmidt, Die ge-
schichtlichen Grundlagen des bQrgerlichen Rechts im Grossherzogtum
Hessen, 1898, S. 55. — ■) Kopp, Gerichtsverfassung I, §§ 2~6; Roth-
Meibom, Kurhessisches Privatrecht I, S. 82; Rockinger in den
ShznDgsberichten der Wiener Akademie 1874, S. 267, 268; vor allem
Wenck in der Ztschr. ftkr hess. Gesch. und Landeskunde N. F. 26
2903), a 227 ff:
1*
— 4 —
kleine Kaiserrecht ^) ; im sächsischen Hess^i der Sachsen-
spiegel*), vielleicht auch das kleine Kaiserrecht*).
Das Gesinderedht des Sachsenspiegels^
v<Hi dem wegen seiner Bedeutung für die beiden anderen
Rechtsbücher ausgegangen werden muß, findet sich an
verschiedenen Stellen des Rechtsbuches, eine systema-
tische Behandlimg enthält er nicht. Einiges steht im
22. Artikel des ersten Buches mitten unter erbrechtlichen
Bestimknungen ; für sich allein enthalten die Artikel 32
bis 34 des zweiten Buches und Artikel 6 des dritten
Buches Gesinderecht; hirtenrechtliche Anordnungen wer-
den in Art. 48 und 54 des zweiten Buches getroffen^).
Charakteristischer Weise bezieht sich der größere Teil
der Rechtssprüche auf die Verhältnisse, die durch Auf-
lösimg des Gesindevertrags geschaffen werden oder die
diese Auflösimg herbeiführen. Die Bestim^mungen,
die für «das bestehende Gesindeverhältnis glei-
ten sollen, finden sich in Buch II Art. 32 § 1, Art. 34
und Buch III Art. 6.
Art. 32 §1 „Wes der herre vor den knecht antwer-
ten sal" lautet: „Niemlan en ist vor sinen knecht pflich-
tic zu antwurfene vorbaz, wen als sin Ion geweret, her en
werde sin bürge." Den Zusamknenhang mit den vorher-
gehenden Bestimknungen kann man darin sehen, daß vor-
her „von allerhandt verwarlosung und solchen brüciien
gesaget** ist, „do ein herr selbst an schuldig ist", xind
*) Kopp, §§ 18 ff.; von Gosen, Das Privatrecht nach dem
kleinen Kaiserrechte, 1866, § 2; A. 6. Schmidt, a. a. O», S. 56, und
in den Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins II, Giessen
1890, S. 188 ff.; femer Edward Schröder in der Sav.-Ztschr. D. A.
17, S. 120. - «) Kopp, § 81. — •) Sachsenspiegel nach Weiske-
Hildebrand, 8. Aufl. (1905) zitiert; Homeyers Ausgabe ist aber
überall berücksichtigt Die herangezogenen Glossenausgaben sind
die von 1558 und 1561 (Zobel). — Da Hertz in seiner Darstellung
kekie Obersicht Ober die Bestimmungen der einzelnen Rechte ins-
gesamt gibt, sondern sie untereinander verarbeitet^ bedeutet das
Folgende Hertz gegenüber keine Wiederholung.
— 5 —
'laß nun entschieden wird, „wie wir mit unserm gesinde
TJi solchen feilen daran sindt" *). Nur für das freie Ge-
binde gelten diese Bestiinimungen über die schon recht
abgeschwächte nüuntschaft liehe Haftung des Herrn bis zur
Höhe des Lohnes, wie die Glosse weiterhin ausführlich
feststellt.
Auch die volle Verantwortung für Tierscha-
ien ist nicht mehr vorhanden: „Swilchen schaden aber
tunes mannes pherde oder sin vihe tut binnen sines knechtes
oder sines g^esindes hüte, da sal der vor antworten, binnen
des hüte ez was** •).
Die der herrschaftlichen Mimt über das Vieh ent-
ätanümende Haftung des Herrn für den Schaden, den
^ein Vieh anrichtet*), ist also nicht rein gegeben; auf
das hütende Gesinde ist die Verantwortlichkeit abgewälzt.
Nur dann bestoht eine auf den Wert" der Tiere beschränkte
Haftung des Herrn, wenn der hütende Knecht entflohen ist
und es sich um handhafte Tat handelt: „Wirt aber her
abrinnic, und werden des tnannes pherde oder ochsen und
nagen bestetig^t in der hanthaften tat, . . . der man mtiz
bezzem, des daz vihe und der wagen ist . . ., als veme als
sin wagen und sine pherde oder ander sin vihe wert ist,
. . . oder her m'uz es entberen."
Die mun tschaft liehe Vertretung des Herrn
durch den Knecht komlmt auch für rechtsgeschäft-
liche Handlungen imi Sachsenspiegel nicht mehr zum
Ausdruck. Buch III Art. 6 lautet: „Vortoppelt (verspielt)
ein knecht sines herren gut oder versecteet erz oder ver-
kouft erz, der herre mac ez wol vorderen mit rechte . . .**.
Eine unredliche Verfügung des Knechtes über Herrengut
braucht der Herr hiemach nicht gegen sich gelten zu
lassen, scHidem kann die veruntreute Sache vom! Erwerber
>) Glosse ru U 88. ^ >) II 40 S 4. - •) Isay, Die Verantwort-
lichkeit des EigentOmers ftkr seine Tiere, in Jahrb. f. Dogm. 89,
S.a09fL, bes. 288, 888ff.
— 6 —
zurückbegehren. Die Glosse macht hierzu gelehrte Aus-
führungen über das römische Recht des Handelns kraft
herrschaftlichen Auftrages usw. Wichtiger ist die den
Schluß des Art. 6 Ssp». bildende weitere Festsetzung munt-
schaftlicher Verbundenheit des Herrn für den Knecht:
„Wirt aber ime (dem Knecht) sin phert oder ander sin gut
dubliche oder roubliche genomen in des herren dinste,
ane des knechtes schult, daz muz ime der herre gelden,
da vor muz mfen ouch deme herre ant^vurten, ob her
dar uf claget." Abgesehen von der Begründung einer
weiteren Haftung des Herrn dem Knechte gegenüber
bringt dieser Satz die Festsetzung eines selbständigen'
Klagerechtes des Herrn für den Knecht in eigenem
Namen.
Einen verwandten Rechtssatz enthält Buch II Art. 34 :
„Wer einen knecht slet durch des herren willen. Wem
man antwerten sol umtne einen gefangenen man." Wird
ein Knecht geschlagen, gefangen oder beraubt, dann
muß der Täter nicht nur dem (freien) Knecht, sondern
auch dem Herrn Buße zahlen, vorausgesetzt, daß
der Herr an der Tat nicht schuld ist, etwa dazu ange-
sitftet hat (deme herren zu lästere), und daß der Knecht
für den Herrn durch die Mißhandlung nicht arbeiten
konnte und der Herr so geschädigt wurde (deme herren
zu schaden). Den Beweis für das Vorliegen eines der Ent-
schuldigungsgründe, entweder daß der Herr an der Miß-
handlung „schuld" war oder daß er keinen Schaden da-
durch erlitten hat, darf der Täter durch Eid „uffen heili-
gen" führen.
Aber nur die leichten Fälle des Schiagens, Gefangen-
setzens und Beraubens sollen durch die Bestimlmung des
Art. 34 getroffen werden. Für die schweren Fälle gilt das
Recht öffentlicher Verfolgrung. Die Glosse gibt als Bei-
spiel für die zwei Arten des Schiagens: erstens: „einen
fangen, imd mit gewapneter handt uberweldigen, davon
— 7 —
wunden und friedebruch komknen. Diesf nfiag man allein
peinlich klagen." Zweitens: „bac&enschlege und blawe
flecken. Hievor gibt man busse." Jenes ist vim inferre,
dies verberare. Ebenso führt die Glosse die Unterschei-
dung für das fahen und rauben durcSi.
Die Beendigung des Dienstverhältnisses
kann entweder durch den Tod des Herrn erfolgen^)
oder durch den Tod des Dieners*).
Stirbt der Herr, dann wird der Vertrag nicht sofort
gelost, sondern die Erben müssen das Gesinde bis zum
Dreißigsten behalten. Der Gnmd hierfür ist einmal in
dem „allgemeinen Gedanken der während der Sterbehaus*
ruhe waltenden Hausgemeinschaft*' zu sehen ^). Ein prak-
tischer Anlaß zu der Bestimimtmg ist sodann im: Sachsen*
Spiegel angegeben: „Daz sie sich nüugen bestaten''; es
soll dem Gesinde Zeit zum Suchen eines neuen Dienstes
gegeben werden.
Jedoch hat das Gesinde keinen Anspruch darauf, daß
ihm nur bis zum Dreißigsten das Bleiben venstattet wird.
,,Wil aber der herre, si suln vol dienen und vol Ion en-
pfan"*); nach anderer Lesart*) steht hier statt „herre**
„erve*\ Wie dem! auch sei, jedenfalls kann von selten
der Herrschaft willkürlich bestimlmt werden, ob das Ge-
sinde mit dem Dreißigsten weggehen darf, oder ob es
bleiben soll, wie wenn nichts vorgefallen wäre.
Im Falle der Auflösung des Dienstvertrages hat die
Auseinandersetzung so zu erfolgen, daß von der Erb-
schaft zuerst vor der Befriedigung anderer Gläubiger der
Lohn des Gesindes bezahlt wird, der bis zirnii Todestage
verdient ist.
Zuviel gezahlter Lohn braucht vont Gesinde nicht
zurückgegeben werden — ein weiterer Satz, der dem' Ge-
») I Ä — *) I M, S 2, letzter Satz. - •) Homeyer, Der
OrdsB^e, 5.212. - «) So Weiske-Hildebrand — *) So Homeyer,
SachsenspiegeL
— 8 —
sinde eine Vorzugsstellung, abweichend vom normalen
Privalrecht, gibt. Die Bestimmung erklärt sich größten-
teils dadurch, daß dem= Dienstboten auch für den Fall
der Lösiong des Di^istverhältnisises durch die Erben ein
für die nächste Zeit reichender Lohn gesichert werden
9oU^). Weiter ist es wohl die Absicht des Rechtsbuches,
nach dem Tode Bestreitungen imd Beweisführungen nicht
mehr zuzulassen, wo doch nur die eine Partei noch über
eigene Wahrnehmung berichten kann, imd es sich ge-
wöhnlich nur um' ganz geringe Sumtnen handelt.
Eine gleichfalls durch diese Gründe veranlaßte Ab-
weichung von der regelmäßigen Rec'htsgestaltung wird
für den Gesindelohn femer in der Beweisführung geschaf-
fen: „Versachet man auch in ires Jones von eime jare
oder von eime halben, daz muzen si wol uffen heiigen
behalden." *) Der Regel nach würde der Beklagte näher
dem' Eide sein. Hier aber soll das Gesinde, das den Lohn
fordert, schwören, freilich nicht, soweit sein Anspruch
mehr als einen Jahreslohn betrifft.
Der folgende Satz des Spiegels: „Swer uf genade
gedinet hat, der m*uz den erben gnade manen", erklärt
sich daraus, daß der Erbe die Abmachungen des Erb-
lassers nicht kennt; es ist daher Sache des Dienstboten,
der mit dem Erblasser verhandelt hat, dem Erben die
besondere Abmachtmg mitzuteilen. Lebte der Herr noch,
der den Vertrag geschlossen hat, dann bedarf es der
Mahnung seitens des Gesindes nicht; der Herr muß von
seinen Abmachungen wissen. Dienen „uf genade" heißt,
daß der Dienstvertrag dem Herrn die Bestimmung des
Lohnes überläßt, nicht freilich seiner Willkür, sondern
seinem billigen Ermessen 3).
Dei^ Tdd des Gesindes*) hat als rechtliche Wir-
*) Homeyer, Dreissigster, S. 212. — -) I 22, § 2. — •) Belege
bei Hertz, S. 84. - *) I 22, § 2.
— 9 —
kungen^ daß den Erben des Dienstboten nur soviel Lohn
ausgezahlt zu werden braucht als verdient ist, auch wenn
für eine Gesamtzeit mehr versprochen war. In entspre-
chender Anwendimg der oben behandelten Bestimimung
über zuviel gezahlten Lohn mtuß man axmehmen, daß im
voraus bezahlter Lohn von den Erben nicht zxuückgege-
ben zu werden braucht, auch wenn der Dienstbote die ganze
Zeit, für die ihnü der Lohn vorausbezahlt war, nicht mehr
gedient hat*). — Über die besondere Rechtslage, die da-
durch geschaffen wird, daß der Dienstbote in Verrichtung
der aufgetragenen Dienste stirbt oder arbeitsunfähig wird,
berichtet der Sachsenspiegel nicht*).
Ein weiterer Grund zur regelmäßigen Auflösung des
Gesindeverhältnisses ist Heirat des Dienstboten*).
,,Swilch knecht aber dich wip nimt, der muz wol uz
sines herren dinste komen.** Die Auseinandersetzung er-
folgt hier — anders als bei der Dienstbeendigung durch
den Tod — in der Weise, daß der Knecht nur soviel Lohn
behalten darf, als ihm! bis an die Zeit gebührt, da er den
Dienst verließ. Schon im' voraus mehr gezahlter Lohn
ist zurückzugeben. Der Grund, der oben für die Bevor-
zugung des Gesindes beim' Tode des Herrn festgestellt
wurde, daß hier dem! Dienstboten für die nächste Zeit
Unterhalt gewährt werden soll, ist hier nicht maßgebend.
Dem Falle der Heirat ist die Übernahme einer
Vormundschaft über Kinder durch den Knecht gleich-
gestellt*). Auch dadurch wird der Dienst beendigt. „Und
dis durch der kinder nutz willen. Denn des knechtes weg
komen ist dem herm so schedlich nicht, als es were den
kindem, ob sie ungevormlündet blieben** (Glosse). Die
Lohnregulierung erfolgt wie bei der Heirat.
Zwei Fälle ungesetzlicher Beendigung des
') Daftkr spricht die Regelung in verwandten Rechtsquellen;
Hertz, S. 64, 66. - ») Vgl. ebenda. - •) II 88. - *) II 88.
— 10 —
Vertrages werden noch in Kap. 32 §§ 2 und 3 geregelt,
Vertragsbruch des Herrn und des Dieners. „Vertribet
aber der herre sinen knecht, her sal imle sin vol Ion
geben. Entget der knecht simJe herren voa mutwillen»
her sal dem*e herren also vil geben, als im der herre £re>
lobet hatte; und swaa so ime vergulden ist, daz sal her
zwigelde widergeben." Schon der Sachsenspiegel macht
also den später imStner wiederkehrenden Unterschied, daß
es für den Vertragsbruch des Herrn bei der zivilrecht-
lichen Ausgleichung bleibt, dagegen die Behandlung des
Vertragsbrüchigen Knechtes schon strafrechtliche Spuren
sehen läßt.
Bedeutungsvolle Ausführungen sind noch in der
Glosse zum' 33. Artikel enthalten, woraus man einen Schluß
auf den Rechtszustand zur Zeit des Sachsenspiegels her-
leiten kann. „Nu möchtestu fragen, ob einer sein erbeit
müge vermieten ewiglich. Ich glaube nein, Dann so
dis were, so were einem' seine freiheit imnütz." Späteren
Zeiten ging diese Auffassung wieder verloren.
Hirtenrechtliche Bestinümimgen schließlich sind
im Sachsenspiegel II 48^ § 1 und II 54.
In II 54 wird bestimimt, daß niemand sein Vieh zu
hause lassen darf, soweit es dem' Hirten folgen kann,
außer „suw clie verkilen zit". Einen eigenen Schäfer darf
sich erst halten, wer mindestens drei Hufen zu Eigen
oder zu Lehen hat; wollten auch die Minderbegüterten
eigene Hirten haben, dann würden dadurch die Einkünfte
des gemeinsamen Hirten arg verringert werden. Diese
Fürsorge für das Einkommen des Hirten, die ihren Grund
allerdings in dem! genossenschaftlichen Gedanken hat, das
Dorf nicht „hirtenlos** zu lassen, komlmt auch weiterhin
zum! Ausdruck: „Swo man aber deme hirten Ion gelobet
von der huve, daz Ion muz niem)an enthelden (vorent-
halten), durch daz, daz daz dorf nicht hirtelos en blibe.**
— 11 -
Von der Haftung des Hirten handeln II 48, § 1
und II 54, § 4: „Swaz der hirte binnen siner hüte
verluset, daz sal her gelden." — „Swaz so man vor den
hirten tribet, en brenget ers nicht wider in das dorf, her
muz ez gelden. Swaz ime die wolfe nemen, oder roubere,
blibet hier imgevangen und beschriet her sie nicht mit
deme geruchte, so daz her des gezug habn muge, her
muz ez gelden, den ez zu gehöret.'* Also nur, wenn der
Hirte das Gerüfte erhebt und daraufhin die Zeugen her-
beigeeilt sind, braucht er den Verlust des Viehes nicht zu
vertreten.
Der Schaden, den ein Tier der Herde durch ein
anderes dazu gehöriges erleidet (es wird „belemet** oder
,,getret" oder „gebeizet"), muß durch Pflege von dem
£igentünier des Tieres geholt werden, das den Schaden
angerichtet hat; stirbt das verletzte Tier, dann muß er es
vergelten „nah sinem gesaczten weregelde". Der Hirte
muß das Tier, das den Schaden angerichtet hat, benennen
und muß diese Aussage beschwören.
Eine Ergänzung zu dem schon vorher behandelten
Gnmdsatze, wie bei Verlust eines Tieres zu verfahren
ist, enthält der letzte Abschnitt des 54. Artikels: Kann
der Hirte, der beschuldigt wird, ein Tier nicht ins Dorf
zurückgebracht zu haben, seine Unschuld (durch Eid)
beweisen, wagt er es, die Folgen des Eides auf sich
zu nehmen, so ist er frei. Wird von einem Eigentümer
sein Vieh vermißt, dann schließt er den Hirten vom
Eide dadurch aus, daß er „zu hant" zum Hirten geht
und ihn mit zwei Zeugen darum beschuldigt. Hier muß
der Hirte, dessen Eid überboten ist, das Vieh ersetzen.
Jedoch kann der Hirte den Eigentümer veranlassen, zwei
Tatzeugen zu benennen, falls der Hirte überhaupt be-
streitet, das vermißte Tier zum Austreiben erhalten zu
haben.
Diese Übersicht des Sachsenspiegelrechtes kann teil-
— 12 —
weise auch für das Recht des Schwabenspiegels ^)
gelten, der fast alle Bestimmungen des Sachsenspiegels
über Gesinderecht übernommen hat.
Dies gilt für die Pflicht des Herrn, bis zur Höhe
des rückständigen Lohnes für den Knecht einzustehen*),
aber nicht für die damit verwandte Bestimmung des
Ssp. *), daß für Tierschaden der Knecht haftet ; eine solche
Festsetzung hat der Schwsp. nicht*). Schwsp. berück-
sichtigt in Art. 201 den Tierschaden nur insoweit, als
einem Dienstboten von eines andern Vieh Unheil zustößt.
In ähnlicher Weise wie Ssp. *) bringt der Schwsp. ^) weiter
die Bestimmungen über Verspielen von Herrengut und
Verlust von eigenem Gute des Knechtes im Herren-
dienste. Weiter besteht auch Übereinstimmung zwischen
den beiden Spiegeln darin, daß der Bußanspruch des
Herrn für Verletzung des freien Knechts wie im Ssp.')
so auch im Schwsp.®) festgesetzt ist. Nur fehlt diesem
die einzelne Ausführung über „zu lasten** und „zu scha-
den", die der Ssp. als zweite Hälfte des § 1 enthält. In
Ergänzung dieser Sätze bringt der Schwsp.^) noch die
Vorschrift, daß Züchtigung des Gesindes zu Tode auch
dem Herrn den Tod bringt; „lebent aber si dar nach
über einen tag, oder zwene, oder me, er ist dez nut
schuldig, dez lasters ist er schuldig**. Die Buße des
Knechts muß stets geringer sein als die für den Herrn *®).
Das Recht der Dienstbeendigung durch Tod des
Herrn oder des Knechts ist in beiden Spiegeln gleich**);
auch die Auseinandersetzung ist übereinstimmend ge-
regelt. Dagegen erwähnt der Schwsp. die Dienstbeendi-
gung durch Heirat oder Übernahme einer Vormundschaft
nicht *^). Gleich in beiden Spiegeln ist ^die Frage des
^) Nach Lassbergs Ausgabe; Wackernagel und Daniels
(Rechtsdenkmäler) wurden überall berücksichtigt. — ') Schwsp. 908;
Ssp. II 82. — •) II 40. - *) Schwsp. 204. — ») Hl 6. — •) 259. — 0 n 34. —
•) 179. - •) 201. - >•) 111. - ") Schwsp. 26; Ssp. I 22. - ") Ssp. II
-- 13 -
Vertragsbruchs behandelt*), mit der Unterscheidung, je
Dachdem der Herr den Dienst löst oder der Knecht es
tut; der Herr haftet nur zivilrechtlich, der Knecht auch
noch strafrechtlich.
Ungefähre Übereinstimmung der Rechtsbücher
herrscht auch im Hirtenrecht*); auf die wenig bedeut-
samen Abweichungen der Spiegel von einander braucht
hier nicht näher eingegangen zu werden.
Wirklich neue Rechtsmaterien gegenüber dem Ge-
sinderecht des Ssp. hat der Schwsp. an mehreren Stellen
berücksichtigt, Art. 42 bezeichnet als „rechten Strassen-
raub" denjenigen an eines reisenden Pfaffen Gesinde;
„Gesinde** hier wohl in der Bedeutung von Gefolge, nicht
zur Bezeichnung der mitreisenden Knechte. In Art. 262
ist das Sonderrecht der christlichen Judenmägde kodi-
fiziert: „Die Juden suln niut cristen liute bi in han, die
in dienen, imd die ir brot unde ir spise essen; imd die
selben sint in dem banne.** Wichtige Sätze über Rügung
der Herrschaft durchs Gesinde und des Gesindes durch
den Herrn enthalten die Artikel 320 und 321; den Ehe-
bruch der Hausfrau mag kein Fremder rügen (anklagen),
nur die Verwandten und das Hausgesinde; gegenseitiges
Rügerecht zwischen Herrn und Gesinde besteht ferner
in den Fällen, wo einer „eine vergift machet, da man die
liute mit toetet**. Auch dann mag der Knecht den Herrn
rügen, wenn er ihn beschuldigt, „daz er sine triwe an
dem riche gebrochen habe** (Art. 375). In sonstigen Fäl-
len soll man den Beschuldigungen des Knechts gegen
den Herrn kein Gehör schenken, wie in Art. 375 weiter
gesagt wird. Nach Art. 363 („von funtkinden**) hat der
Enieher eines Findelkinds das Recht, daß dies ihm dient,
wenn es das nötige Alter erreicht hat : „Swelh vater oder
muter ir kint von ir werfent, und swer ez uf hebt und ez
*) Schwsp. 20B; Ssp. II 82. — ') Schwsp. 218, 802, 840.
- 14 —
ziuht, und er füret ez unz ez zesinen tagen kumt, daz
ez dienen mac, ez sol den dienen, der im sins libes ge-
holfen hat. Und ist, daz ez vater und muter heimen wil
oder sin herre, ob ez eigen ist, die suln im zen ersten sine
koste gelten . . .**. Absonderliche Regeln für eine Son-
derklasse von Arbeiterinnen, die Kellnerinnen eines
Schankwirts, stehen in Art. 368. Diese Dirnen sowie des
Schankwirts Frau „muzzen mit den luten me zeschaffen
han danne andere frouwen". Daher soll Unzucht, die
sie treiben, nicht wie sonst öffentlich gerügt und gestraft
werden, sondern „in sol ir lutpriester heimliche buzze
geben".
Nebensächliche Erwähnungen des Gesindes kommen
außerdem noch vor, so in Art. 302, wo vom Knecht die
Rede ist, „der frömedes körn snidet", „unde . . . wenet,
ez si . . . sines herren, dem er dienet**, weiter in Art. 304,
der dem Gläubiger auferlegt, den ihm vom Richter über-
antworteten Schuldner mit Speise und Arbeit zu halten
„gelich sinem Ingesinde**. In Art. 329, der vom Kirchen-
frieden handelt, wird verboten, den in eine Kirche ge-
flohenen Missetäter anzugreifen, „ez si herre oder
knecht**.
Eine besondersartige Behandlung des Gesinderechts,
durchaus verschieden von derjenigen in den beiden Spie-
geln, enthält das kleine Kaiserrecht. Hier ist eine
zusammenhängende besondere Darstellung der wichtigsten
gesinderechtlichen Sätze gegeben.
Kap. 28 des zweiten Buches hat die Überschrift „Von
dem heren und dem knechte** und behandelt das Recht
der Dienstlösung und das Züchtigungsrecht. Kap. 29
„Was der knecht synem heren mag Verliesen**, regelt die
Stellvertretung des Herrn durch den Knecht bei Rechts-
geschäften. Kap. 30 handelt „Von iaerlikem lone des
knechts**.
— 15 —
Die Überschriften sind Endem^anns Ausgabe ^) ent-
nommen, die auch den folgenden Ausführungen 2ru Grunde
gelegt ist. Völlig verschiedene Überschriften hat die von
End^ntann nur in Abschrift benutzte münzenberger Hand-
schrift des Kaiserrechts ^), die auch eine andere Zählung
hat- Die entsprechenden Titel sind: Kap. 27 „Von husz-
gesinde" (= Endemiann Kap. 28), Kap. 28 „Von getruwem
gesinde" (E. Kap. 29), Kap. 29 „Vcm eyme knechte, der
sinen kxi hat virdynet" (E. Kap. 30). Der Inhalt der
Kapitel ist jedoch identisch mit dem von Endemanns Aus-
gabe ; nur unbedeutende sprachhche Abweichungen finden
sich in der nnünzenberger Handschrift^).
In Kap. 28^) wird zunächst der Gegensatz des freien
Gesindes, von dem! allein gehandelt wird, zu dem unfreien
festgesetzt: „Ein iglich hüan, dem got hat beschert, daz
er hat gesinde, beide rrtagede imd knechte, der en hat
kein recht über sie nit, dan alz vil als im' ir dienst ge-
vellet (gebührt) um! sinen Ion." Der Herr hat also vor
allem kein Eigentum an dem' Knecht und der Magd, die
sich auf Grund eines obligatorischen Dienstvertrages in
seinen Dienst begeben*).
Er liat femer, wie sich schon hieraus ergibt, wie aber
am Schlüsse des Kapitels noch einmal ausdrücklich ge-
sagt ist, kein Züchtigungsrecht. Dort heißt es: „Legt
auch der here sine hende an den knecht mit unschulde
') Das Keyserrecht nach der Handschrift von 1872, hsg. von
H. £. Endemann, Cassel 1846. Das von Edward Schröder
in der Sav. Ztschr. D. A. 17, S. 120 ff. mitgeteilte Fragment
von 1860 enthalt die hier in Betracht kommenden Kapitel nicht.
Aach Isay (Sav.-Ztschr. D. A. 19, S. 145 ff. und Trierisches Archiv I
S. 82) bringt nichts Ober diese Kapitel. — *) A. B. Schmidt in den
Mitteihmgen des Oberhessischen Geschichtsvereins II, dessen 1890,
S m&, bes. S. 151. Vgl. Endemann S. XXIV. — <) Laut direkter
tttteihmg des Herrn Geh. Hofrats Professors Dr. S c h m i d t in Giessen.
--^ Endemanns Zählung; ebenso später. — *) Weitere Aus-
Abningen wider die Unfreiheit in II 55 und IV 8.
- 16 —
tVL zorne, und zu slahen^ dez mtiz er dem keiser ver-
buzzen.** Als Grund hierfür wird die Bestin^hiung des
Kaisers „in des riches recht** angegeben: „Wer umb Ion
gewxinnen ist, dem! ensal miau nit unrecht tun,** sowie
„wer sin^er erbait lebt, der sal des riches frid hau.'*
Diese schönen Grundsätze blieben in der späteren
Zeit für Hessen wie für fast ganz Westdeutschland glück-
lich erhalten ; es wi^fd unten zu zeigen sein, daß dies für
den Osten nicht der Fall war, daß hierin einer der wich-
tigsten und zugleich ein typischer Unterschied zwischen
den Gesindezuständen des Westens und des Ostens ge-
sehen werden muß.
Vielleicht das Wichtigste, was das Kaiserrecht über
das Gesindewesen enthält, steht in Kap. 29. Dies bietet
die, Idee der muntschaftlichen Stellvertretung in ihrer
reinsten Gestalt : „Ein iglich man der gutes hat zu phlegen,
un auch gesindes, maegde und knechte, bedarf, der sal
sich fursehen,. daz er sulche knechte gewinne, daz er be-
wart sy. Wan ein iglich knecht, den der here gedinget
hat tu diienst, un hat sin gewalt sins gescheftes, der mag^
im sin vamdes gut veruzzern, ab er wil unrecht tun, daz
ez der here enbem muz. Er mag auch im schulde
machen !zu den, die im: borgen, daz er sie gelten muz, wie es
Ulm den kneht kum!t. Ein man moht sprechen: min
kneht möht vil gebprget han, des ich nit gelten wil, oder
mag inins gutes vil enweg gegeben han, dez ich nit hengen
wil; wfin daz mag den heren nit beschirmen, er muz
verlorn han, was der laiecht sins famden gutes hat enweg
geben un waz er hat geborget in dez hren dienst da
er sin phleger waz, un in sime borgeden waz. Sint ge-
schriben stet in des riches recht: wemi der keiser sinen
gewalt bevilhet, der ist an des keisers stat. Auch stet
geschriben in des riches recht anderswa: ir suUent sehen,
wem' ir uwem gewalt ' bevelhet, daz sie recht vam, daz,
wirs icht schaden gewinnen.** . .
— 17 —
Der Knecht hat, soweit sein Beruf reicht („un hat
sin gewalt sins geschefts"), die Vollmacht, für den Herrn
Kredit zu nehmen, seine Fahrnis zu veräußern. Schon
den Spiegebi war diese Auffassung zu weitgehend ^) ; spä-
teren Zeiten schwand das Bewußtsein der notwendigen
Stellvertretung, Hand in Hand schon mit dem Wachsen
der Bevölkerungszahl, die eine derartige Regelung aus-
schloß. Hierüber wird inü zweiten Teil das Erforderliche
mitgeteilt.
Die Lohnbestimmuixgen in Kap. 30 des Kaiserrechts
enthalten ganz auffallende Begünstigungen der Knechte,
viel weitergehend und detaillierter, als dies im' Sachsen-
spiegel der Fall ist ; allerdings gerade die hauptsächlichsten
Lohnregeln des Sachsenspiegels (für den Tod des Herrn)
übergeht das Kaiserrecht.
Einmal muß hiemach der Lohn gezahlt werden, ehe
der Knecht nach Beendigung des Dienstverhältnisses das
Haus des Dienstherm verläßt. Tut das der Herr nicht,
dann ist er dem Knechte schadensersatzpflichtig.
Sodann ist dem Herrn jeder Lohnabzug für einen vom
Knecht angerrichteten Schaden verboten: „un heite ere
wol dem meister etlichen schaden getan, er sal doch im
sinen 1<mi geben." Der Grund ist einfach der : „sint er im
gedienet hat bis an das lar."')
Eine dritte in Kap. 30 enthaltene Bestimimung ist die,
daß der Herr, dem" der Knecht einen Schaden angerichtet
hat, sofort gegen den Knecht klagen oder ihn entlassen
nmß; behält der Herr den Knecht in Kenntnis des Scha-
dens, dann kann er nicht mehr klagen.
Im Anschluß an das Gesinderecht bringt Kap. 31
0 Oben S. 6 flF. — ■) Daas hier dem Interesse der Dienenden in
^teerem Masse entgegengekommen ist als selbst in unserm heu-
%ai Rechte, das «nen Unterschied zwischen Aufrechnung und
Zorttckbehaltung des Lohnes macht, sei nur im Vorübergehen erwähnt.
KSimecke. o
— 18 —
Bestimtaiungen über die Verpflichtung zur Auszahlung: des
Tagelohnes.
Über die friedliche, dem Vertrage entsprechende Be-
endigung des Gesindeverhältnisses enthält das Kaiserrecht
keine Vorschriften. Auch nicht über die Lösung des Ver-
trages durch den Tod einer Partei, Es beschränkt sich
darauf*), das Recht fiu* den Fall festzusetzen, „daz sich
zorn under in hebet**. Die Voraussetzung des obligato-
rischen Vertrages, die in den andern Bestinünungen dieses
Kapitels (vor allem über das Züchtigungsrecht) besonders
hervorgehoben wird, führt dazu, daß dem: Knecht auch
in der Frage der Dienstbeendigung gleiches Recht mit
dem Herrn gewährt wird :
„Und kumt ez also, daz sich zorn under in hebet,
wez dan die schulde ist, der mag dem' andern urtoub
geben mit rechte, un get die unschulde den knecht an,
so sal der herre im sinen virdienten Ion geben, ab er
von im wil scheiden; ist aber die schulde des knechtes,
un were gern von dem heren, des enhat er kein recht,
wan er muz dem heren dienen, biz an die zit, die er ge-
dingt hat.**
Es kommt auf den Willen des schuldlosen Teils an,
ob er den Vertrag erhalten, oder ob er scheiden will,
der Lohn braucht, auch wenn der Knecht unschuldig ist,
nur bis zu dem Tage der wirklichen Dienstlösung gezahlt zu
werden, nicht bis zu dem Termin, an dem normalerweise
der Dienst zu Ende gegangen wäre. —
Im 15. Jhdt. entstanden in Hessen einige Stadt-
rechte, die gelegentlich auch vom Gesinde handeln. Das
älteste Stück bilden die eschweger Statuten aus der
Zeit um 1437 ^). Außer einzelnen Bestimmungen über den
Stadtknecht finden sich zwei nebensächliche Erwähnungen
') Kap. 28,— ') Hsg. von Ro es teil, Marb. Universitätsschrifl
1854; Endemann, Keyserrecht, S. XXXII.
- 19 —
des Gesindes, die ohne weitere Bedeutung* für das Ge-
sinderecht zu sein scheiuen, soweit die zweifellos arg ver-
dorbene Überlieferung und Wiedergabe der Quelle er-
sehen läßt. Die eine Stelle („Wo eyn borger get an eyns
andern feylen kouf**, S. 10) regelt die Bestrafung* dessen,
der sich bei eineml fremden „feylen kouf** mit des Ver-
käufers Knecht oder Magd veruneinigt. An anderer Stelle
„Der stat knechte dy sollen uf eren. . .**, S. 11) wird
bestinÄnt, daß Gesinde 5 Schillinge „vorluset**, wenn es
,,phande w-eret**. — Im eschweger Stadtbuch*) steht fer-
ner die Vorschrift : „Keyn möUer sal husÄgenossen halden
in siner moUen sunder sine eyg'en knechte unnd meyde by
einer busse wy dy yn eyner stat gesackt sin.**
Weiter sind die Statuten der Stadt Gas sei
vom 7. Oktober 1444^) anzuführen. Eine Kampfmass-
nahme wider die geistlidhen Gerichte bringt hier etwas
Gesinderecht. Keiner darf in weltlicher Sache andere vor
ein geistliches Gericht laden. „Were es aber ein geyst-
lich persone (sc. die dorthin lädt), was dann der wemt-
liche gesynt hette, es were knecht adder ma^, dem' solten
und wolten wir zu stundt gebietten aus seinem Dienste
zugehen, und nicht wider darin zukommen bissolange
solche Ladimge und Bann apgethan würde.**
Klarer als die vorhin angeführten Vorschriften des
eschweger Rechts und vor allem viel wichtiger, ja eins
der bedeutsamsten Ereignisse in der Geschichte des hessi-
schen Gesinderechts ist eine in einer marburger Stadt-
rechnung^ von 1469') bekundete Tatsache: „uf Sonnabint
nach Conceptionis Marie, als der habemeister und rent-
meister bie dem rade in des burgemeisters husse gewest,
aber eyne nuwe ordinancien von allerley zinssen, auch
') Letzter Teil; Univ. -BibL Giessen, fol. 193 v. — *) Kopp,
Gerichtsverfassung!, Beilagen zu dem ersten Stück, S. 27flF., 29, 30;
I, S. 196. — «) St. A. Marburg.
2»
— 20 —
von dinstknechten und dinstmeyden Ionen,
^esast tind g^emiadit han, grdiabt an wyne und bier 4^/2 S.
2 /^/* Mag" ein praktisches Ergebnis dabei herausge-
kommen sem oder nicht, außerordentlich wichtig ist schon
dies, daß zu so früher Zeit der Gedanke einer Gesinde-
k>hnordnung auftauchte; ntir ganz wenige außerhessische
Gebiete waren hier bisher vorangegangen^). — Gesinde-
recht nebensächlicher Art ist einer niarburger Rechnung
von 1464*) zu entnehmen; Freitag nach Laetare werden
Mühlenmeister \md Knechte aus allen miarburger Mühlen
vereidigt.
Tagelohntaxen neben einer Menge anderer Preis- und
Lohnbegrenzungen hat auch das amöneburger Stadt-
recht, aufgezeichnet 1484'). Femer bringt dies Rechts-
buch eine Bestimmung, die als Vorläufer unzähUger wei-
terer aus merkantilistischeren Zeiten gelten kann: „Item
sai keyn knecht von deme slosse gen czwen dagen adder
drey nach sanct Jacobusdage, ob man er dorff te, biss die
lüde er fruchte von dem f elde brengin ; wilcher dass thede
deme solde man funff schill. pennige abnemen, wen he
Widder queme.**
Schließlich gehört das frankenberger Stadtrecht
hierher, das Johann Jost Em er ich, der Alte, wohlge-
lahrter Baocalaureus, 1493 aufgezeichnet hat*). Es ist
nach der Ansicht Kopps ein Ableger des Sdhwabenspiegels.
Für das Gesinderecht sind nur die Bestimmtingen über
die Verantwortlichkeit der Hirten*) ernstlich beachtens-
wert. „Was der gedingte hirthe sumeniss halber verwar-
*) Näheres in § 8 des 2. Teils. — ») St. A. Marburg. -^
') Ms. Eigentum der Stadt Amöneburg; Veröffentlichung durch
Herrn Pd. Dr. Stengel in Marburg steht bevor. — Wegen der Lage
Amöneburgs nahe bei Marburg mitten in Hessen sei es ^- trotz seiner
früheren mainzischen Staatszugehörigkeit — hier im Zusammenhange
behandelt. — ^) Abgedruckt in Friedrich Christoph Schminckes
Monimenta Hassiaca, II. Teil (1748), S. 669 fif.; vgl. femer Kopp,.
Gerichtsverfassung I, § 27. — *) Schmincke, S. 786 flf., 761.
— 21 —
losset oder verlus^t, das sal he gelden. Das findet matt
im selben capittel. Als ob he kynder, thoren, oder un-
warsam hide by das vehe stehe, ader vom! vebe na smem
gescheffte ginge, slyffe, ader derglichen."
Der Verweis auf ein Kapitel des „Landrechts" stimmt
Dicht mit d^r Zählxmg des SchWabenst>iegels, der das?
Hirtenrecht in Kap. 213 bringt, während Emerich 109
nennt; auch Sachsenspiegel und tCaiserrecht passen nicht
zu dieser Zählweise. Doch ist bei der sonstigen Abhängig-
keit £merichs vom' Schwabenspiegel und der Ähnlich-
keit der hirtenrechtlichen Bestimmungen ein Zusammen-
hang unbedenklich ammnehmen.
Der jandere hirtenrechthche Satz ^) läßt den Hirten den
Pfandschilling für das wegen Freilaufens gepfändete Vi^h
bezahlen. Dies ist eine Selbständigkeit gegenüber dem
Schwabenspi^el, der in Art. 212 wohl die Pf ändung frem-
den -Vielis auf eigenen Acker behandölt, aber die besondere
Verantwortung d^ Hirten nicht berücksichtigt.
Was sonst noch an Weistmgen über Knechte \mä
Mägde im frankenberger Stadtreciht vorkomimt, hat für
die Geschichte des Gesinderechts' keine große Wichtig-
keit. Eine amüsante Erzählung über die besonders reich-
lich geratene Eichelmast im' Jahre 1483 ') läßt sehen, daß
dadurch zwei ständige Schweinehirteti erforderlich wurden,
die an Ldm je drei Pfund Geld bekanien, dazu Schuhe
und Kost. Auch die kurzen Bestiminkmgeh für das Ver-
halten des frommen, getreuen, dietisthaftigeh, verschwie-
genen usw. Stadtknechts, die sich in der Aufzählung aller
von ihm verlangten vortrefflichen Eigenschaften erschöp-
fen, können hier nicht weiter interessieren, weil er zum
Gesinde im eiigeren Sinne ja nicht gehört. Über „unsser
liebin Frauwin Meyde", über ihren Lohn sowie über „des
heiligen Crutzes Meyd" braucht hier aus dem gleichet!
V Ebenda S. 751. - *) Ebenda S. 702.
- 22 -
Grunde nichts weiter gesagt zu werden. Für die Entwick-
lung des Gesinderechts' haben diese, auf die Bedürfnisse
eines geg^ebenen Einzelfalles zugeschnittenen Bestimmiin-
gen keine große Bedeutung".
Wohl aber kann hier noch auf Sätze hingewiesen
werden, die, ohne dem' Gesinderecht anzugehören, doch,
auch für dessen Behandlung Beachtimg verdienen. Der
Schulmeister wird wie der Opf ermann vom „Buwmeister**
Unser lieben Frau gedingt. Vertragsbestandteile sind
hierbei u. a. ein Mietpfennig und Weinkauf; zu Weih-
nachten erhalten sie ein Opfergeld*). Für das Gesinde
nennt Emerich nichts von alle demJ; späterhin spielten
Opfergeld und Mietgeld, vor allem dieses, eine bedeutende
Rolle in der Geschichte des Gesinderechts. —
Zwei Weistümer, die einzigen, die für Hessen her-
anzuziehen sind, geben über den Zustand des Gesinde-
rechts an der hessisch-thüringischen Grenze Auskunft.
Das ältere wurde 1447 in der Cent Kaltensund-
heim vor der Rhön aufgezeichnet^). Es lautet: „Der
richter fragt, wie man sich mit den dinstboten, meyden
und knechten halten soll. — Urtheill: Wer einen dienst-
boten hat gedinget, geschieliet auff meynung in einem
jar oder benante zeit zu dienen; so das gesindt ahne
redlich Ursachen, das er beweissen khan, von dem hem
zühe, sali er in nichts geben zu lohne. Wann aber der
herre mit dem gesinde der massen umbgieng, das es nit
zu leiden, alsdann sali er im! seinen vollen lone geben.
Es soll aber der knecht oder mleidt den hem zuvor be-
senden, im den gebrechen entdecken; wo der herre den
gebrechen nit abstellen will, sollen sie miteinander gut-
lich abrechnen. Dergleichen sali der herr widerumb dem'
») Ebenda S. 684, 685, 686, 689. — •) Zeitschrift für thüringische
Geschichte 17, S. 267, bes. 267; vgl. auch F. Varrentrapp,
Rechtsgeschichte und Recht der gemeinen Marken in Hessen (Hey.
manns Arbeiten, Heft 8), S. 9ff.
— 23 —
knecht oder meidt auch besprechen, und ob dann das
gesinde den gebrechen nit abstelt, sollen sie auch mit-
einander abrechen und nach ergangener zeit bezalen. Der
richter fragt, wann einer ^inem* dienstbotten verdienten
lone schuldig were, wann er in bezalen sali. — Urtheil : Er
sali in bezalen bey sdheynender sonne."
Als Dauer des Dienstes ist hiernach im Zweifel ein
Jahr anzunehmen: „in einem' jar oder benannte zeit**.
Aber nur wenn keine benannte Zeit ausgemacht ist, greift
die Jahresfrist Platz.
Vertragsbruch des Gesindes wird mit Lohnverlust ge-
ahndet. Wenn aber das Gesinde Grund zum Scheiden ge-
habt hat, weil „der herre mit dem g^esinde der massen
unibgieng, das es nit zu leiden**, dann ist der „volle**
Lohn zu zahlen, d. h. allerdings wohl nur soviel, wie
wirklich durch die Dienstleistung verdient worden ist,
nicht etwa der Lohn für die ganze vorher vereinbarte!
Dingzeit.
Doch soll das Gesinde, wie weiter gesagt wird, auch
wenn es Grund zum Scheiden hat, nicht ohne weiteres
weglaufen, sondern vorher den Herrn um Abstellung der
Mißstände bitten; alsdann erfolgt eine gütliche Abrech-
nung. Jedenfalls ist diese Vorschrift, vorheriger Be-
schwerde nicht in dem Sinne aufzufassen, daß durch ihre
Nichtbeachtung der Dienstbote des Anspruchs auf Aus-
zahlung des vollen Lohnes verlustig ginge, der ihm für
den Fall begründeten Dienstverlassens zugestanden ist.
Die gleichgültige Fassung der Bestiminüng läßt erkennen,
daß sie nicht in einen solchen Zusamimenhang mit den
vorher festgesetzten Regeln gebracht sfein will, daß es
sich bei ihr vielmehr, um' einen Ausdruck des modernen
Rechts zu gebrauchen, um eine „SoUvorsdhrift** handelt.
Gleiches Recht gilt für den Herrn, der den Dienst-
boten vor der Zeit wegschicken iätüL Auch hier soll, ehe
— 24 -
es zur Lösung des Vertrasres kommt, eine Mahnung des
„Gebrechens** erfolgen.
Der Satz über die Lohnzahlung „Er sal in bezalen
bey scheynender sonne** will besagen, daß der Lohn vor
Abend des letzten Tages der Dienst^it entrichtet werden
muß, wichtig vor allem' bei der Dienstbeendigung; diese
Bestimmung hat eine im verkennbare innere Verwandt-
schaft mit dem biblischen Recht, worauf an seiner Stelle ^\
des näheren eingegangen wird.
Das andere Weistum stammt aus Herren breitun-
gen*). Es ist zwar erheblich jünger als das von Kalten-
simdheim; im' Jahre 1506 wurde es aufgezeichnet, später
als eine staatliche Gesindegesetzgebimg in Hessen zuerst
nachweisbar ist. Doch kann es hier des Zusammenhanges
wegen tnit behandelt werden. Einmal, weil die Weistümer
Rechte weisen, „alse daz vor alder her gewest ist** und
„als es hierkomen ist**'), und dann, weil die Abhängig-
keit des herrenbreitunger Weistums von dem- aus Kalten-
sundheim deutlich erkennbar ist.
Der iWortlaut ist folgender : „Forder gewiest zu recht,
so man gedingt gesinde habe, und das selbige mitten oder
simst ym jar, es wer mit wiessen oder nit, von ym brechen
wolle, wie sich der man, dem seyn gesinde also abbricht,
gegen ym halden soll? Urtheill: wer eyn dinstpotten
lünckt, der dingt yn darumb, das er yn die zceft
haben woll. So aber das gesinde on redliche ursach, das
er nit bewiesen kundt, von dem herren zcogfe, sol er ym
nichts zu km geben ; wo aber der herre mit dem gesynde
der massen umb ginge, dass es ym nicht zu lyden, als
dan sol er im seyn f ollen lohn geben; es sali aber der
knecht oder maigt den herren besenden, im' den gebrechen
entdecken, wo der herre den gebrechen nit abstellen
») Teil 2, § 8. — «) Grimm, Weistümer III, S. 588 ff., bes.
ÖÖD; Löning, Vertragsbruch I, S. 461, 479, 476. — «) Zitate
bei Varrentrapp a a. (X, S. IQ.
- 25 —
vill, so sollen sie gutlichen mit eynander abrechen«
Des grleichen soll der herre den knecht oder maidt
auch besprechen, und ob dan das gesynde den 9&>
brechen nyt abstelt, sollen sye auch myt eynander ab-
rech^i. Forder so einer dem andern sein gedingt ge-
synde abspient, und also funden wurde, was seines un-
rechten sey scrfl? urtheil: so eyn man gesinde hadt, es
sey knecht oder maidt mitten ader sunst ym jare, der
hab das unrecht/'
Der erste, größere Teil ist fast wörtlich von dem
kaltensundbeimer Weistimi übernommen. Zwei Unter-
schiede sind nicht bedeutungsvoll: Herrenbreitungen hat
zum Schluß des ersten Teils nicht den Hinweis darauf,
daß die Bezahlimg „nach ergangener zeit" erfolgen soll.
Nach dem sonstigen Inhalt des Weistumis kann kaum
ein Zweifel sein, daß auch in dem Falle, wo der Herr
den untauglichen Dienstboten wegschiciken will, der Lohn
für die abgediente Zeit ausgezahlt werden muß, daß der
Satz seiner Selbstvenständlichkeit wegen nicht aufgenom-
men worden ist.
Der zweite Unterscheidimgspunkt ist geeignet, eine
zu weit gehende InterpreCation des herrenbreitunger Weis-
tums durch Löning einzuschränken.
Löning sagt^): „Zweck des Gemeindevertrages ist
es nun, die Ausübimg dieser Verrichtungen während
einer bestimmten Zeitdauer auf gewisse Per-
sonen, welche sich eben vertraglich hierzu verpflichten,
zu übertragen. Die Rechtspflicht des Gesindes geht
somit nicht darauf, gewissermaßen in abstracto diese
oder jene Handlung irgend ein Mal zu vollziehen, son-
dern vielmehr darauf, die in einem' konkret be-
stimmten Zeiträume fälligen häuslichen
Dienste, welche sonach selbst eine in zeit-
licher Hinsicht konkrete, individuelle Natur
*) S. 460 ff.; die Spemu^en stammen von LOning.
— 26 —
haben, zu verrichten: Weist h. 2u Herrenbrei-
tungen (Grimm' III S. 590): Wer eyn dinstpotteiu
dinckt, der dingt yn darumb, das er yn die z c e i t haben
wolL Hieraus ergibt sich aber, daß die für eine bestimmte
Zeit gelobten Dienste nach Verstreichen dieser Zeit nicht
mehr geleistet werden können, daß sie ihrer wirtschaft-
lichen Bestimlmting und Natur nach an diese bestimmte
Zeit unabänderlich geknüpft sind.**
Diese wertvollen Ausführungen Lönings sind zwei-
fellos richtig; an anderer Stelle wird noch eingehender
Gebrauch davon zu machen sein. Nur die Berufung auf
das Weistum von Herrenbreitungen ist unzulässig, wie man
jetzt nach Bekanntwerden des Weistums von Kaltensund-
heim feststellen kann. Eine Gegenüberstellung der beiden
verwandten Sätze wird dies zeigen.
Kaltensundheim 1447: „Wer einen dienstboten hat
gedinget, geschiehet auf meynung in einem' jar oder be-
nante zeit zu dienen.**
Herrenbreitimgen 1506: „Wer eyn dienstpotten
dinckt, der dingt yn darumb, das er yn die zceit haben
woU.**
Das herrenbreitunger Urteil wollte nicht den Satz
aussprechen, daß die Arbeitspflicht des' Gesindes nach
ihrem Objekt nicht so sehr bezeichnet werden kann als
vielmehr nach der Zeitdauer, für welche die Arbeitskraft
in abstracto versprochen ist. Diese Annahme wäre ge-
rechtfertigt, wenn die im Weistume entschiedene Rechts-
frage gelautet hätte : Kann der Dienstbote eine bestimmte
ihm zugemutete Arbeit weigern, weil er zu dieser Arbeit
nicht gemietet ist ? Wenn die Antwort hierauf lautete :
Der Dienstbote ist „die zceit** gemietet, so würde als
entsprechendes Negativ sicher zu ergänzen sein, daß
Dienstboten nicht für bestimmte einzelne Arbeiten ge-
mietet sind. Hier dagegen ist gefragt, wie sich die Herr-
schaft bei Vertragsbruch des Gesindes zu verhalten habe,
— 27 —
ob ihr ein Anspruch gegen den entlaufenen Dienstboten
zustehe. Und darauf heißt es : Der Herr mietet den Dienst-
boten, um ihn die ganze Mietzeit hindurch („die zceit**)
ni haben. Entgeht der Diestbote vor Ablauf dieser Zeit,
so braucht sein Dienstherr keinen Lohn zu geben. Das
herrenbreitunger Urteil wollte also ni<^ht den ihm von Lö-
ning unterstellten r- gewiß richtigen — Satz aussprechen, es
wollte nur vermeiden, die vom' kaltensundheimer Weis-
tum gewählte umständliche Zeitangabe zu machen, die
für die Entscheidung des in Frage stehenden Falles, des
Vertragsbruches, doch ohne Bedeutimg ist, da es hier-
für nur darauf ankoötnimt, daß der Dienstbote „die zceit",
die er zu dienen verpflichtet ist, nicht aushält. Mag diese
Zeit nun besonders vereinbart sein oder miögen es die
Parteien ohne neue Beredung bei der normalen Dienstzeit
gelassen haben — das ist völlig einerlei. Deshalb wählten
die Richter den ganz unbestimmten Ausdruck „die zceit**,
worunter beide Möglichkeiten fallen.
Itn Unterschiede vom' kaltensundheimer Weistum ent-
hält das von Herrcnbreitimgen zum Schlüsse die Bestim-
mung, daß der im' Unrecht ist, der dem' andern das Ge-
sinde abspenstig macht, „mitten oder sunst ym jare**. —
Ein Burgfrieden für das Schloß Boineburg vom
23. November 1446 *), der mannigfaltige, im zweiten Teile
dieses Werkes näher erörterte Vorschriften für das Ge-
sinde enthält, sei zum Schlüsse dieses Abschnittes noch
genannt.
S 2. Die Zeit der Polizeiordnungen.
Nun kommt die Zeit, in der sich hauptsächlich die
Rezeption der fremdai Rechte auf iminer mteht Rechts-
gebieten geltend macht. Für die Bauern, deren Dasein vor-
nehmlich das „soziale" Problem dieser imd der kommen-
') St. A. Marburg. Boineburgsches Archiv.
- 28 —
den Zeiten bildet, brachte das rräiische Recht die Mög'-
hchkeit, eine Verschlechterung der Rechtslage herbeizu-
führen. Das klare römische Recht kannte die vielfachen
Besitzesverhältnisse zwischen Eigentümier und Nutzer, wie
sie das deutsche Recht gebildet hatte, nicht verstehen
und rubrizieren; je tiefer die fremde Rechtsanschauungen
durchdrangen, wen so gründlicher mußten die altdeutschen
Einrichtimgen den Begriffen der Sklaverei, des Eigen-
tums imd der Pacht weichen. Das Römerrecht gab den
Grundherrn, die ihren Besitz immer zu m^ehren strebtöi,
eine feste Handhabe, um den Bauern ihr Besitzrecht zu
kümmern, vor allem die „ewigen** Rechte zu zeitlichen
zu mindern ^).
Wie eng das Recht des ländlichen Gesindes mit der
Stellung der Bauembevölkenmg zusammenhing, wird
gleich gezeigt werden. Abei" auch für das städtische Ge-
sinde bedeutete das neue Recht eine Gefahr, die allerdings
weniger dringend war und auch im großen und ganzen
überwunden werden konnte. Dem allzu klaren Denken
der Romanisten mußten die zwischen Herrn und Knecht,
Hausfrau imd Magd begründeten muntörtigen Beziehun-
gen unverständlich sein — die, in der uralten Sitte ge-
heiligt, sich mit Rechtssätzen kaum fassen ließen.
Das über das Recht des Landvolks Gesagte gilt vor-
nehmlich, fast ausschließlich, für den deutschen Osten.
Aus Gründen der natürlichen Bodenbeschaffenheit mußte
sich hier ein überwiegender Großgrundbesitz bil-
den. Der im Vergleiche zum Westen ärmere Boden des
Landes ließ kleine Wirtschaftsbetriebe nicht zu*). Das
^) C. J. Fuchs, Untergang des Bauernstandes, S. 78, etwas
gemikkrt im Wort d.Volksw. I, S.888; Dernborg« PretM. Privat-
recht I, S. 2; Lennhoff, S. 1. Andere verweisen dagegen auf das
römische Eigentumsrecht, das einer Verschlechterung der bAuerUchen
Rechtslage gerademi widersprochen habe, so Gtossmann, S. 18 ff.
u. ö.; auch Stobbe -Lehmann III, S. 460, ist hier zu nennen. —
*) Friedrich, Wirtschaftsgeographie, 9. AufL 1907, Sw 176.
— 29 —
typische Ostland Brandenburg besaß den Großgrundbe-
sitz zur Kolonisationszeit zwar nicht schon in gkichem Um-
fange wie heute ^), aber die anfangs wenigstens in Ansätzen
\x>rhandenen Abweichungen der Gutsgrößen vom Volks-
besitz erfuhren eine immer weiter greifende Verschärfung
durch fortgesetzte Vergrößerungen des herrschaftlichen
Privatlandes. Gefördert wurden diese steten Vermehrun-
gen durch die mehr und mehr in Brauch kommende Be-
gründung* territorialer Gutsherrschaften an Stelle der frü-
heren, nur indirekte Rechte gebenden Grundherrschaften ;
den Höhepimkt dieses Strebens und seiner Erfolge bildet
daß 16. Jahrhimdert, da die Gutsherren mit dem Auf-
k<Knmen der Söldnerheere vom Militärdienst abließen und
Landwirte wurden. Große Erleichtenmg und in gewissem
Umfang eine Art moralischer Rechtfertigimg erfuhr der
.,Zug der Zeit" dadurch, daß viele Bauerngüter besonders
nach Kriegen, wie denen des Albrecht Achilles, unbesetzt
waren. Schließlich hatten die brandenburgischen Adeligen
eine kräftige formale Stütze in ihrer politischen Vereini-
gung, den Ständen*).
Die wichtigste Sorge der Großgrundherren war die,
für ihr Land die mitsprechende Zahl Arbeitsmenschen
zu beschaffen. Dies ist der direkte Anlaß zur Begrün-
dung imd immer weiteren Ausdehnimg der bäuerlichen
Unfreiheit, der Leibeigenschaft. Und eine Folge davon
gerade für das ländliche Gesinde war die Einrichtung
zweier Formen des Gesindezwangsdienstes, als
Vermiete und als absoluter Dienstzwang der Kinder höri-
ger Bauern. Überall in den Ländern des östlichen Groß-
^) Dag. Bornhak, Die Entstehung des Rittergutsbesitzes; in
den Forschungen zur deutschen Geschichte 26 (1886), S. 125; dag.
richtig Grossmann, S» 7; Scring im Wort. d. Volksw. II, S.845.
-* •) FQr das Vorige vgl. Knapp, Bauernbefreiung I, bes. S. 2ftff./
Fochs im Wort. d. Volksw. I, S.882ff., 1167 «F.; Lennhoff, S. 4if.^
104«:
- 30 ~
betriebes ist der Gesindezwang seit dem 16. Jhdt. ein-
geführt worden ^). Dies war nur ein kleiner Schritt weiter
auf dem einmal begangenen Wege der Versklavung des
Bau ern Volkes ; deshalb mag man wohl sagen, daß die
Einrichtimg des Gesindezwanges mit den damaligen An-
schauungen von der persönlichen Freiheit verträglich
war *).
Die Wirtschaftsverfasstmg des deutschen Westens,
insbesondere auch Hessens, wich von jeher durchaus von
der Art des östlichen Großbetriebes ab. Südwestdeutsch-
land, das Gebiet der fruchtbaren Talauen, kennt Groß-
grundbesitz nur als Ausnahme*).
In Hessen forderte die Zerteilung des= Berglandes zur
Kleinsiedelimg geradezu auf, während die große ungebir-
gige Fläche des Ostens eine günstige Vorbedingung für
ungebrochenen Großbesitz bildet. Gerade Hessen kam
in Verfolgung der im Grunde schon mit Erstarrung der
Villikationsverfassimg gegebenen Richtung nie in die
Lage, die selbständige Stellimg der Bauern dem wirt-
schaftlichen Gedeihen von landwirtschaftlichen Großbe-
trieben opfern zu müssen. S e r i n g *) führt über die Ver-
fassung der Landwirtschaft in Westdeutschland aus:
„Überall westlich der Elbe tritt der Großgrundbesitz zu-
rück, und zwar vornehmlich deshalb, weil die Grund-
linien der dortigen Agrarverfassung bereits im früheren
Mittelalter gezogen worden sind. Jene Zeit hat überhaupt
den landwirtschaftlichen Großbetrieb nur in geringen An-
sätzen gekannt. Dieser ist also im westlichen und südlichen
Deutschland heute von geringer Bedeutung, weil er ^chon
im Mittelalter gefehlt hat, und keine wirtschaftlichen oder
politischen Einflüsse stark genug gewesen sind, um die
*) Einzelheiten im 2. Teil, § 2. — *) Grossmann, S. 36; dag.
Lennhoff, S. 107. — •) Friedrich, Wirtschaftsgeographie, S. 176
— *) Wort. d. Volksw. II, S. 346.
— 31 —
vMi alters her vorherrschenden Bauerndörfer und Bauern-
höfe zu verdrängen. Im allgemeinen sind die Rittergüter
im Westen -und Süden nicht viel g^'ößer, als die Sitze
der mittelalterlichen, auf Naturalliefenmgen der Bauern
angewiesenen Grundherrn gewesen sind."
Für die Adeligen Hessens und überhaupt des Westens
bedeutete daher die Arbeiterfrage lange nicht so viel wie
für die Großen in Ostdeutschland. Deshalb vor allem kennt
man insbesondere in Hessen als Regel keine persönliche
oder dingliche Gebundenheit der Bauern. Die Abhängig-
keit äußerte sich da, wo eine solche vorhanden war, in
Abgaben und meist gemessenen Diensten, die bisweilen
allerdings drückend waren, aber an dem allgemeinen nur
stark theoretischen Charakter der Abhängigkeit nichts
änderten. Eine weitere Folge hiervon ist das Fehlen des
Gesindezwangsdienstes in Hessen und der überwiegenden
Zahl der übrigen westlichen Länder^).
Dieser grundsätzliche Unterschied in der Entwicklung
des Gesinderechts im Westen und im' Osten hatte noch
weitere Abweichungen des westlichen vom östlichen Ge-
sinderecht im Gefolge oder begleitete solche wenigstens
in leicht bemerkbarer gegenseitiger Abhängigkeit. Hier
ist auf die Gestaltung des Züchtigungsrechtes, vornehm-
lich im 18. Jhdt., verwiesen, das im Osten etwas sehr
Gewöhnliches war, während man es im Westen unerhört
fand*). Ein ferneres Zeichen für die weit energischere
Behandlung des Gesinderechts in Ostdeutschland gegen-
über dem Westen ist die überstürzte Art, in der in Branden-
burg z. B. das Gesinderecht weitergebildet wurde, wäh-
rend Hessen andererseits nur zu verhältnismäßig wenigen
gesetzgeberischen Erfolgen kam.
Ehe dies im einzelnen dargestellt werden kann, jsind
') Näheres in § 2 des 2. Teiles, — *)) Näheres in § 10 des 2.
Tdles.
— 32 —
noch einige Bemerkungen zu machen über die Anschau-
ungen der Zeit vom Dienstbotenwesen, wie sie sich in
der Literatur offenbarten. Daß die protestantische
Geistlichkeit, Luther an der Si>itze, im Gesinde eine
Plage vor Gott sah^ ist in den bisherigen Darstellungen
der Gesindegeschichte bis zum Überdruß breit imd ge-
lehrt dargestellt worden i). Glasers Gesindeteufel von
1556 spielt eine große Rolle in diesen Schilderungen^).
Auf die gleiche Anschauung von dem Wesen der Dienen-
den, wie sie in Bartbcdomäus Ringwaldts lehrhaftem
Gedichtbüchlein „Die lauter Wahrheit***) zu Tage tritt,
wäre weiter hinzuweisen. Mehr Gerechtigkeit offenbart
des Era^mus A 1 b e r u s erziehlich-f reimdliche Darstellimg
in seinem „Ehbüchlin** *). Woher aber komtnt jene vor-
wiegende Härte der Beurteilung des dienenden Standes?
D^r hauptsächliche Grund hierfür ist der Umstand, daß
die angeführten protestantischen Schriftsteller dem Stande
der Dienstherrschaften angehörten. Weiter muß Luthers
Anschauung von der allgemeinen Pflicht rur absoluten
Obödienz in Betracht gez<^en werden*). Anregung oder
doch Ermunterung zu ihrer Auffassung vom' Gesinde-
wes«i nahmen die Geistlichen sicherlich auch aus der
Bibel, insbesondere dem alten Testament^ das an manchen
Stellen außerordentlich harte Worte gebraucht: „Dem
Esel gehört sein Futter, Geißel imd Last ; also dem Knecht
sein Brot, Strafe und Arbeit. Halte den Knecht zur Arbeit,
') Wuttke, S. 17; Stillich, Dienstboten in Berlin, S. 21ff.,
worauf hier wegen Inhaltsangabe der Werke Luthers und Glasers
verwiesen wird; Ober Luther im allg. ist ferner zu vergleichen
Brandenburg, Luthers Anschauung vom Staate u. d. Gesellschaft
(Schriften d. Vereins f. Reformationsgeschichte IX, Nr. 1). — *) Neu-
bearbeitung von Balthasar Schupp (Ex. im Staatsarchiv Marburg);
Ph. Menagius, Die sieben Teuffei, vreiche die heutigen Dienst-
Magde beherrschen und verfahren, Frankf. 1698, zit. bei GOdeke,
Grundriss II, S» 488. — ») S. 291, 808 ff. — *) Exemplar in der Univ.-
Bibl. Göttingen. S. G. 8b ff. — ') Brandenburg a. a. O.
— 33 —
so hast du Ruhe vor ihm'; läsisest du ihn müßig gehen,
so will er Junker sein" (Sir. 33). Dies nur als Beispiel;
es sind nicht einmal die stärksten Ausdrüolde, welche die
heilige Schrift an dieser Stelle verwendet.
Die besondere Art des kurz gesagt polizeilichen
Gesinderechtes, das sich aus solchen Anschauungen er-
gab, geht am besten aus einer Gegenüberstellung mit
dem Charakter des bisherigen Gesinderechtes hervor.
Das alte deutsche Gesinderecht, als dessen Beispiele
die Hessen besonders angehenden beiden Spiegel imd
das Kaiserrecht bereits eingehend behandelt! worden sind,
kannte fast ausschließlich Gebote des Zivilrechts und des
Strafrechts, imd zwar zimächst in Form der Genugtuung
an den Geschädigten. Die gegenseitige Haftung und Ver-
tretung, die Gestaltimg der (zivilrechtlichen) Verhältnisse
bei Auflösimg des Herrenhauses, die Haftung des Hirten
usw. werden behandelt. Charakteristisch für solche Auf-
fassung ist die Behandlung des Vertragsbruches: „Ent-
get der knecht sime herren von mutwillen, her sal deme
herren also vil geben, als im der herre gelobet liatte:
und swaz so imie vergulden ist, daz sal her zwigelde
widergeben" (Ssp.). Das kleine Kaiserrecht geht schon
weiter, es kennt die Buße an den Kaiser, die dem Herrn
auferlegt wird, wenn er Hand an den Knecht legt. Aber
im übrigen bleibt auch das Kaiserrecht dabei, die zivil-
rechtliche Seite des Verhältnisses zwischen Herrn \md
Knecht zu regeln unter besonderer Hervorhebung der
Lohnzahlimgspflicht und der Haftung und Vertretung.
Neues bringen aber schon die beiden Weistümer i). Das
von 1447 r^elt die Dienstzeit, und das Weistiun aus dem
Jahre 1506 behandelt zum ersten Male das Abspenstig-
machen. Beides bedeutet ein Umsichgreifen der Obrigkeit,
deren Selbstbewußtsein und vielleicht auch Macht im Stei-
') Oben S. 22 ff.
KSniiecke. 3
- 34 - ^
gen begriffen zu sein scheinen. Die Regelung des Ab-
spenstigrmachens insbesondere dokumentiert deutlich das
beginnende Weitersdireiten ins Verwaltungsrechtliche hin-
über, die stärkere Betonung der gemeinsamen Inter-
essen der Dienstherrschaften.
Von höherer Warte aus, als es den Schöffen kleiner
hessen-thüringischer Nester möglich war, beschritten den
hier vorgeschriebenen Weg rum vorwiegenden Gesinde-
polizeirecht die Landes^herren und, wenn auch mit
geringerer faktischer Macht fausgestattet, das Reich, femer
auch in nicht unerheblichem' Umifiange die Kreise (der
fränkische, obersächsische Kreis usw.).
Das Reich gab den Einzelstaaten Gesetzesmuster
über Gesinderecht erst mit dem' 16. Jhdt. Vor dieser Zeit
wurde Üas Recht der Bauern, der eigenen Leute oder des
Gesindes nur ganz gelegentlich berücksichtigt. So ent-
hält zum Beispiel Kaiser Rudolfs auf dem' nürnberger
Reichstag Von 1281 errichteter Landfriede auch ein kleines
Kapitel von den Eigenleuten sowie die ausdrückliche Ge-
stattung, daß Dienstherrschaften ihr Gesinde leicht
züchtigen ^).
Auf dem; Reichstage zu Worms von 1495 wurde über
eine Kleiderordnung beraten, die „zu Eren, Nutz und
'Unterscheid aller Stend" erlassen werden sollte*). In
Lindau kam dann 1496/7 ein Projekt zu einer Kleider-
ordnung zustande, der „endliche Beschluß" wurde 1498
in Freiburg gefaßt *). Nur ganz nebenher wird auch Ge-
sinde genannt. Da erhalten ihre Kleidungsart vorge-
*) Mon. Gemru Hist Leg. II, S. 427 ff.; J. D. von Olcnschlflger,
Neue Erläuterung der goldenen Bulle, Frankfurt u. Leipzig 1766,
Urkundenbuch S. 131. — ") J. J. Malier, Reichstagstheatrum I,
S. 461; Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-
abschiede II, S. 26. — •) Müller a. a. O. II, S. 67; 616, 677; Neue
Sammlung II, S. 81; 47.
— 35 -
schrieben: „Handwercks-Leuth und ihre Knecbt, auch
sonst ledige Knecht", ferner ganz allgemein „der
gemein Baurss Mann und arbeytend Leut, in Stetten oder
auf dem Lande".
Der lindauer Reichsabschied von 1496/7 hatte schon
kurz zuvor die früheste reichsrechtliche Fixierung einer
gesinderechtlichen Materie gebracht, die später noch man-
nigfache Ausgestaltungen erleben sollte. Es wird hier
bestimmt, daß nur Schwachen und Gebrechlichen zu bet-
teln erlaubt sein soll, und daß die Bettelkinder zeitig
zum Handwerk „oder sonst zu Diensten" gewiesen
werden sollen^). Der freiburger Abschied von 1498 wie-
derholte „der Bettler halber" den lindauer ArtikeP). Und
die beiden ersten Vorschriften aus dem Gesinderecht, die
über die Kleidtmg und die über das Dienen der Bettel-
kinder, erfahren eine unveränderte Wiedergabe 1500 im
augsburger Reichsabschied*). Der Abschied von 1512
zu Trier und Köln*) setzt das Gesinde zu einer andern
Rechtsmaterie in Beziehung. Unter den Trägem einer
ausgeschriebenen Reichssteuer werden auch die Ehehalten
angeführt.
Völlig erneuert sind die Anschauungen, die 211m Er-
laß der „Kaiserlichen Ordnung und Reformation guter
Policey" auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 *) führten.
Zum ersten Male wird hier den Dienstboten um ihrer'
selbst willen von Reichswegen Recht gesetzt. Und zwar
spricht es der Titel der Ordnung schon aus, daß es Ge-
danken einer Polizei Weisheit imd Polizeimacht sind, die
in weit größerem' Maße imd zweifellos auch wirksamer als
bisher das ganze beherrschen. In Kap. 24 wij-d zunächst
den Einzelstaaten auferlegt, die Tagelöhne, Arbeiter- und
') Moller a. a. O. II, S. 63; Neue Sammlung II, S. 32. -
') Moller a. a. O. II, S. 528, 678; Neue Sammlung II, S. 48. —
•) Neue Sammlung II, S. 78. — *) Ebenda S. 138. — ») Ebenda
S. 832; Wuttke, S. 18ff, auch nsr das Folgende.
3*
— 36 —
Botenlöhne tu taxieren. Ebenso neu wie dieser Gedanke
ist dann, was in dem 31. Kap. „Von reysigen Knechten,
und Dienstbotten** gesagt wird. Bei der grundlegenden
Bedeuttuig, die diese Bestimtntingen für das Recht der
deutschen Einzelstaaten, insbesondere auch Hessens, und
für das künftige Reichsrecht erlangt haben, muß eine wört-
liche Wiedergabe hier erfolgen.
§ 1. „Nachdem sich auch viel begibt, daß einer dem
andern seine Knechte und Diensthalten auffsetzlicher
Weiss thut abdingen, auch Dienstbotten und Knecht zu
Zeiten muthwilliglich aus ihren Diensten tretten, wollen
Wir, dass keiner eines andern reysigen Knecht, und an-
dere Dienstbotten annehmen soll, er zeige dann zuvor
einen Urkund an, daß er von seinem Herrn imd Edelmann,
mit Willen imd ehrlich abgeschieden sey.** — § 2. „Es
soll auch eine jede Obrigkeit, so viel die Dienstbotten
betrifft, in ihren Gebieten ein Satzung machen, und (nach
dem der Ijohn in wenig Jahren etwa hoch gestiegen) auff-
richten, wie dieselbig nach eines jeden Lands Gelegen-
heit, ihren Unterthanen, imd gemeinem Nutz ztun frucht-
barlichsten ansehen wird, damit sie ihres Gefallens nicht
aus den Diensten tretten, und derselben Ungehorsam und
eigenem Will fürkommen werde.**
Die Polizeiordmmg bringt ferner eine lange Kleider-
Ordnimg, darin unter Kap. 10 Bestimmungen für den
„gemein Bauersmann, und Arbeitsleut, oder Taglöhner
auf dem Land**, in Kap. 11 auch für Handwerkskhechte
und Gesellen ; unter den unzähligen in der Kleiderordnung
aufgeführten Ständen ist aber gerade das Gesinde nicht
genannt, jedoch wird den Einzelstaaten der Erlaß schär-
ferer Ordnungen erlaubt (Kap. 17). Schließlich wieder-
holt Kap. 34 das frühere Recht der Bettelkinder.
Die Polizeiordnimg von 1530 ist etwas durchaus
Neues, das Gesinderecht von Grund auf Umänderndes.
An die Stelle der zivil- \md rein strafrechtlichen Behand-
— 37 —
lung, die das Gesinderecht im 13. Jhdt. durch die Spiegel
erfuhr, wird hier bewußt das Polizeiliche, die Reglemen-
tierung gesetzt. Unter diesem Gesichtspunkte, nur tinter
ihm, wird alles angesehen und angeordnet ; die Regelung
der privatrechtlichen Seite des Dienstvertrags ist hier in
der Reichspolizeiordnung ganz verschwunden, in der Fol-
gezeit tritt sie allzu stark hinter die polizeilichen Be-
stimmungen zurück. Alle die vielen Gedankten, die weiter-
hin im Gesinderecht zur Ausbildung gekomlm^n sind, ent-
springen hier. Schon sind die leitenden Idteen ausge-
sprochen : die Lohntarifierung, Bekämpfung des Vertrags-
bruches, des Abspenstigmachens, Einführung von Ab-
gangszeugnissen, Beschaffung von Gesindekräften durch
Anhalten der Bettelkinder zutti Dienste. Das freilich, was
hauptsächlich zur Nachahmung drängte, ist nicht die Auf-
zählung der verschiedenen Kampfmittel gegen das Ge-
sinde, sondern der überall hervortretende Mut und das
Bewußtsein polizeilicher Allmacht, die sich zutraut, in
die kleinsten Einzelheiten des Gesindeverhältnisses ein-
zugreifen. Wie sehr dies Bewußtsein späterhin noch
wuchs, und wie es immter wieder kläglich zu Schan-
den wurde, ist schön zu beobachten; es ist' die Trajgi-
koniödie der Rechtsgeschichte des Gesindes.
Das Reich mußte sich in der Folgezeit zunächst dar-
auf beschränken, das Dienstbotenrecht unter das Zeichen
der politischen Not zu stellen. Die beiden Reichsabstihiede
^-on Speier 1542 und 1544 nennen Gesinde nur, uni ihinl
einen Teil an der Türkensteuer aufzuerlegen^).
Dagegen wurde im folgenden Jahre, auf dem' wormser
Reichstag von 1545, wieder versucht, die Polizeiordnung
zu erneuern. Es kam auch ein Entwurf zustande*), der
vor allem das wichtige Kapitel „Von Raysigen knechten.
*) Neue Sammlung II, S. 456, 502. — *) K. Kreisarchiv
Bamberg. Reichstagsakten, Bamberger Serie Rep. 98 c Nr. 82, Acta
des Reichstags zu Wormbs 1545.
— 38 —
und Dienstbottenn'* wieder enthält, im Zeugnisrechte folge-
richtig weitergebildet. Von dem Zeugnis heißt es: „Wel-
liche Urkhunde jne sein herr, ader Edellman zugeben
schuldig sein, wo Er aber jme die waygiem, alsdan soll
der knecht jne mit zweyen Mannen beschickhen, die ur-
khxmdt fordern lassen, und so der herr ader Edellman,
dieselbig an erheblich und beweglich Ursachen nochmals
weygem, tmd der mangell nit an dem' knecht befunden
wurde, jnn dem falle solle die Obrikheit ein billichs ein-
sehen thun, tmd nach gethaner erkhimdigung, die ur-
khundt zugeben macht haben.*' Weiter bringt der Ent-
wurf das sonstige Gesinderecht der Polizeiordnung von
1530. Jedodh kam 1545 eine Ordnimg nicht zurecht. Unter
den wenigen 1545 erledigten Punkten befindet sich Poli-
zei nicht. ^).
Erst auf dem übernächsten Reichstage 1548 in Augs-
burg gelang es, die Polizeiordnung zu erneuern^). Ihr
Gesinderedit ist aus dem Entwurf von 1545 herüberge-
nomim>en, der sonst manche, in dem bamberger Manuskript
verzeichnete Änderungen erfuhr. Der Abschied des
Reichstags zu Augsburg 1551*) läßt erkennen, daß eine
Überführung der Bestimmungen in die Praxis nicht gerade
in großem Umfange erfolgt ist. Es ist berichtet worden,
„dass solche Ordnung durchaus bey den Unterthanen,
Bürgern und Einwohnern der Stadt und Flecken, schwer-
lich in Gang zu bringen**, und dass dort, wo eine Obrig-
keit der kaiserlichen Anregung folgend eine Verordnung
insbesondere über Arbeiter und Taglöhner erlassen hat,
„die nechst anstossende Nachbarschafften sich nicht
gleichmässig erzeigen, dass einem allein etwas würcklichs
zu erhalten beschwerlich falle**. Daher werden die alten
Ortsgewohnheiten aufgehoben und den nachbarlichen
M Neue Sammlung II, S. 517. — ') Neue Sammlung IL
S. 527, 548, 587ff.; Wuttke, S. 19. — •) Neue Sammlung II,
S. 609ff., bes. 621; Wuttkc, S. 19.
— 39 —
Obrigkeiten wird sehr anempfohlen, sich einer gleichmässi-
gen Ordniing zu vereinigen. Die Reichspolizeiordnung
FOD 1577 ^) wiederholte fast wörtlich alles aus den frü-
heren Polizeiordnimgen, luiter Erweiterung der Taxvor-
schriften über das Gesindewesen hinaus. Gerade die Poli-
zeiordnung: von 1577 war wohl als die letzte das Vorbild
für die Gesetzgebmig der deutschen Einzelsitaaten, insbe-
sondere Hessens, worauf jetzt einzugehen ist*).
Während Brandenburg und Sachsen aus den früher
angegebenen Gründen schon frühzeitig zu einer Kodifika-
tion des Gesinderechts kamen — Sachsen schon im 15.
Jhdt. — brauchte esinHessen weit länger, insbesondere
musste erst die Reichsgesetzgebung vorgehen, um eine
Regelung des Gesinderechts um seiner selbst willen zu
veranlassen.
Die früheste gesetzliche Erwähnimg des Gesindes im
hessischen Landesrechte erfolgte in der Ger ichtsordmmg
von 1497*), wo das Konkursvorrecht des Lidlohns fest-
gestellt wird. Wilhelms IL Reformationsordnung ^) weiter-
Jün gibt, was vor allem betont werden mtiss, eine Preis-
taxe für n>ehrere Handwerke imd eine Lohntaxe für Tag-
löhner. Ausserdem regelt sie das Recht der Pfarrmägde
wd trifft, wie schon 1448 der lindauer Reichstagsab-
schied getan hatte, Vorsorge, dass Bettlerkinder zum
Dienen gebracht werden. Eine dieser letzten Bestimmung
') Neue Sammlung III, S. 879. — ') Auf die Fortbildung
des Gesinderechts durch die Abschiede der verschiedenen Reichs-
^istage braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden,
da Hessen durch solche Vereinbarungen nicht beeinflusst worden ist;
Aber Kreisgesinderecht unten T. 1, § 11. — •) LO. I, S. 16; vgl hier-
zu Archiv ftkr hessische Geschichte und Landeskunde N. F. VII 1910,
S. 77 ff. ,,Knechte und Diener^', die eine Gerichts- und Polizei-
«dnung von 1466 (LO. I, S. 10; Senckenberg, Corpus iuris Ger-
^'^«f^d U, S. 141) nennt, sind nicht Gesinde; die landesherrlichen
Neunten und reisigen Knechte sollen damit bezeichnet werden. —
") LO. I, S. 88; Archiv a. a. O., S. 91 ff.
- 40 —
verwandte Massnahme trifft die Reformation in Polizei-
sachen von 1526^) mit der Vorschrift, dass Waisenkinder
„bey fromme leuth" verdingt werden sollen. Charakte-
ristisch dafür, wie das Gesinde in dieser früheren Zeit
nur ganz nebenher als Objekt der Gesetzgebimg angesehen
wird, ist die Rentkammerordnung vom 1. März 1568 ^).
Ein Abschnitt von der „Speisimg des Dienst- Volcks" be-
stimmt nicht etwa, was das „Dienst- Volck" bekommen
soll an Speise und Trank, sondern ordnet — dem Zweck
der Verordnung entsprechend — die Art an, wie die
Beamten die Leutekost registrieren sollen; auch sonst
stehen, soweit Dienstleute genannt werden, nur interne
Anweisungen an die Beamten in der Verordnung. — Die
hersfelder Stadtordnung von 1568') enthält einige
Hirtenrechtssätze.
Wichtiger als diese für das Gesinderecht nicht allzu
bedeutungsvollen Bestimmungen ist Ludwigs III. „Ord-
nung, wie es mit den Taglöhnem und Arbeitern und
derselben Arbeit Belohnung solle gehalten werden" vom
24. März 1571 *). Sie erfolgte auf eine Anregung des mar-
burger Rates*) hin, der sich über „unordnunge und Un-
richtigkeiten" der Tagelöhner und Handwerker beklagt
hatte. Die Ordnimg regelt Arbeitszeit imd Lohn für Zim-
merleute imd andere Gewerbetreibende, femer für Acker-
leute, Obstbrecher, Kornschneider usw.; bei Strafe darf
die Taxe nicht überschritten werden. Das Gleiche gilt
von Üem zuletzt in seinem Betrage bestimmten Mietpfennig
der Dienstboten. Besonders in dessen Höhe, heißt es, sei
') LO. I, S. 49. — *) LO. I, S. 388; im St. A. Marburg, Akten
des Amts Rotenburg, befindet sich eine 1568 wohl als Vorbild be-
nutzte Rentkammerordnung vom 2. November 1567 ; sie ist teilweise,
so auch im Kapitel von der Speisung des Dienstvolkes, kürzer gefasst
als die Ordnung von 1568. — *) Demme, Nachr. u. Urk. z. Chronik
von Hersfeld I, S. 288 ff., bes. 292. - *) LO. I, S. 680. — •) Die Ein-
i;angsworte weben hierauf hin.
— 41 —
«
eine Zeitlang große Unordnung eingerissen, man habe
ihn nicht groß genug geben können, einer habe den
andern tiberboten. Der Lohn selber wird nicht tarifiert;
daraus darf man schließen, daß die Arbeitgeber mit seiner
Höhe oder besser Niedrigkeit zufrieden waren.
Das Verlangen nach Preis- imd Lx>hntarifierung kam
auch auf dem Landtag von 1581 zumi Ausdruck. Der
Abschied vom 16. Februar 1581 ^) läßt es erkennen ; „Weill
auch J. F. Gn. uff gutachten imnd mitt rath gemeiner
Landtschafft ein Ordtnung der Handtwergker, taglohner
unnd anders halber ins wergk zu richtenn gemeintt, so
habenn zu solcher berathschlagimg die vonn der Landt-
schafft aus Ihren mittein ein Auss^huss gemiachtt, unnd
darzu benennt die Stette Cassell, Eschwege, AUendorff,
Hombergk, Treysa, Wolffhagen, Grebenstein, welche J.
F. Gn. *2M Ihrer gelegenheitt zu erfordern, unnd mitt dero
rathlichen Bedenckenn, solche Ordtnung gemeinem nuzen
zu guttem zu verfertigen und zu volnziehen haben."
Daß es sich hierbei vornehmlic'h umj Tarifierungsge-
lüste handelte, ergibt der Landtagsabschied vom 10. März
1591*). Da wird ausgesprochen, daß „der Handtwercke
unnd Taglohner halber umb so viel weniger einige ge-
wbse Ordnung zu macheim gewesenn, das die zeithero
alles zum höchstenn gestiegenn, lumd da die Ordnung
dem nachgerichtett, unnd einmiahl erhöhet werden soltenn,
das es als dann scihwerlich wieder zum Abfall zu bringen
seyn wolte". Daher wird eine Regelung zunächst aufge-
schoben, aber der Landtag mit einstiger Erfüllung wr-
tröstet.
Diese Bedenken wider eine Tarifierung schwanden
freilich nach etlichen Jahren. Ein neues Moment, die
Münzverschlechterung, wird in die Verhandlimg gebracht.
') Laodtagsakten von 1581 im St. A. Marburg; Pfeiffer
LaodstiUidische Verfassung, S. 67. •— *) Landtagsakten von 1591 im
St A. Marburg; Pf ciffcr a. a. O, S. 70.
- 42 -
Der Landtagsabschied vom 14. August 1609^) (Treysa)
sagt: „Alss wollen auch J. F. G. beim dritten Puncte
dass Müntzwesen und policey betreffendt, die gehörigre
und Bedachte gepühr imd anordnung verschaffen lassen
und zu dessen Richtigtnlachung den 25. schierskünfftigen
Monats Septembris nacher Cassel erneut und bestimpt
haben." Diese Beratung scheint zu praktischen Ergeb-
nisjsen nicht geführt zu haben. Denn der casseler Land-
tagsabschied vom 17. Februar 1614*) beruft „zu über-
sehung tmd fernerer Berathschlagung der verfassten Landt-
und Policey Ordnimg** eine anderweite Konunission auf
den 2. Mai nach Cassel. Auch der Landtagsabschied
12. Januar 1615*) erklärt nur, daß der Fürst sich zur
Revidienmg und Publikation der verfaßten Land- und
Polizeiordnung erbietet.
Diese Verzögerung dauerte noch mehrere Jahre an.
Zwischendurch war am 1. Januar 1615 eine Mühlenord-
nimg *) mit einer Menge gesinderechtlicher Sonderbestim-
mungen für das Mühlenpersonal ergangen.
Ohne daß eine weitere Anregung durch die Stände
festzustellen wäre, kam es 1622 endlich zum Erlaß einer
Münzordnung, einer Taxordnung und einer Polizeiord-
nung. Die schon 1609 zur Darlegung des Notstandes
noch geltend gemachte Münzverschlechterung ließ es ja
wahrscheinlich sein, daß mit der Landespolizei auch das
Geldwesen des Landes geregelt wurde; einzelne Münz-
edikte für sich waren in der früheren Zeit schon öfters
erlassen worden, so 1601, 1610 dreimal, 1611 *). Hinzuge-
') Landtagsakten von 1609 im St. A. Marburg. — *) Landtags-
akten von 1614 im St. A. Marburg. Die erwflhnte ,»verfasste" Polizei-
ordnung Hess sich leider nicht auflinden. — *) Landtagsakten von
1616 im St. A. Marburg. — *) LO. I, S. 580. — ») LO. I, S. 491, 498,
509, 512, 514. Schon 1509 war Hessen einem der auf dem frankfurter
Mflnztage vereinbarten MQnzkreise beigetreten, die auf eigene Hand
— ohne Rücksicht auf die Reichsgewalt ^ das MOozwesen regeln
— 43 -
kommen war in der Zwischenzeit die unerhörte Verschär-
fung des schlechten Münzstandes; 1621, das Jahr der
Kipper und Wipper, ging dem großen Gesetzgebungswerk
unmittelbar voraus. Auch die Wirkungen des Krieges, der
ja schon vier Jahre im Gange war, mußten eine Be-
schleimigung' des Vorgehens erwirken.
Die Maßnahmen der hessischen Gesetzgeber waren
folgende. Das Münzedikt vom 30. April 1622 ^) setzte vor
allem den Kurs der einheimischen und mehrerer aus-
ländischer Mün^sorten fest. Mit der Taxordnung vom
30. Juni 1622*) sollte von einer anderen Seite her, mehr
äußerlich, die Teuerung beseitigt werden. In 65 Kapiteln
Äiirde für eine Menge Waren und noch mehr Gewerbetrei-
bende und niedere Arbeiter eine Höchstgrenze des Preises
und des Lohnes festgesetzt. Darunter befinden sich Acker-
und sonstige Tagelöhner, Boten, Drescher, Schnitter usw.
Unter Nr. 64 wird „von den Dienstbotten, Knechten
und Mägden" gehandelt. Für Stadt und Amt Cassel —
,,an ändern Orten, da es wolf eiler imd anders herkonunen,
mag es dess Orts gebrauch und der Billichkeit nach ge-
halten "und gesetzt werden** — erhalten die verschiedenen
Klassen von Dienstboten Höchstlöhne verordnet. Acker-
knechten, Ackerjungen verschiedener Stärke, Dienstmäg-
den ,und Kindermägden wird so eine Festsetzung der Miet-
pfennige und des Natural- tmd Geldlohnes zuteil. Der
letzte 65. Abschnitt der Taxordnimg handelt „von Tage-
lohnen xmd Arbeitern insgemein**. Zur Überwindung der
Schablone, die solche Gewaltmaßregeln wie Münz- imd
Taxvorschriften unter diesen Umständen immer sind, wur-
den der Taxordnimg „aussf der Policey- und Landordnung
die Artickel und Puncten deren in vorgesetzter Tax-Ord-
nung gedacht wird, so dabey auch in acht zu nehmen**',
wollten; Härtung, Gesch. d. fränkischen Kreises von 1521— 1559
(Veröff. d. Ges. f. frank. Gesch., 2. Reihe, 1. Bd.), S. IM, 282. —
') LO. I, S. 618. — «) LO. I. S. 616.
— 44 -
angehängt ^). Der 17. Abschnitt „Von Dienstbotten,
Knechten und Mägden" enthält die erste hiessische
Kodifikation des Gesinderechts.
Den Anregungen der Reichspolizeiordnungen wird
hier fast uneingeschränkt nachgegeben. Abwendigmachen,
Vertragsbruch und Zeugniswesen werden geregelt, aus-
führlicher als die Reichsgesetze den Einzelstaaten vor-
schlagen.
Im ersten Abschnitte wird bestimmt, daß ein Dienst-
bote nur mit einem! Abschiedszeugnis der früheren Herr-
schaft angenomtnen werden darf bei fünf Gulden Strafe,
daß das Gesinde, das eigenmächtig den Dienst verlassen
hat, der früheren Herrschaft den etwaigen Schaden er-
setzen hiuß und rückständigen Lx>hn verwirkt, es sei denn,
daß ein guter Grund für das Verlassen des Dienstes vor-
liegt.
Der weggelaufene Dienstbote muß auf Verlangen in
den früheren Dienst wieder eintreten, heißt es im zweiten
Abschnitte; tut ers nicht, dann soll er eine Zeitlang mit
dem Turml bestraft oder aber (nach Willkür) aus Stadt
und Amt verwiesen werden.
Der (dritte Abschnitt will das Abspenstigipachen durch
Verweisimg auf die Taxordnimg und Strafandrohung auf
deren Überschreiten bekämpfen, ohne daß dadurch in-
dessen eine Belohmmg treuer Dienstboten verhindert wer-
den soll.
Strafdrohungen gegen das Nichtantreten eines Dien-
stes, für den der Mietpfennig bereits gegeben ist, ent-
hält der vierte Abschnitt.
Auf die Einzelheiten dieser Anordnimgen, die in dem,
was darin enthalten ist und was darin nicht steht, durchaus
dem „Geist der Zeit" entsprechen, wird im zweiten Teile
eingegangen werden. Hier folgt zunächst eine Übersicht
») LO. I, S. 641.
— 45 —
über das, was' sich im Laufe des 17. Jhdts. weiterhin in
in Hessen ereignete.
Für Ostdeutschland, vornehmlich Brandenburg, be-
deutet Idas 17. Jhdt. den Höhepunkt der gesinderechtlichen
Entwicklung^, die sich in einer Fülle Schlag auf Schlag
einander folgender Gesetze kundtut^). Weit geruhsamer
sieht sich der Fortgang der Gesindegesetzgebung in
Hessen an. Gewiß folgte man auch hier dem- Drängen der
Zeit, in der ganz Deutschland massenweise Taxordnungen
produzierte. Aber man halte dem von Lennhoff Mitge-
teilten iias gregenüber, was jetzt über die hessisch^ Rechts-
geschichte mitgeteilt werden wird.
1623 wurde die prinzipiell für Cassel bestimmte Tax-
ordnung für das Oberfürstentum, insbesondere Stadt und
.Amt Marburg bearbeitet und neu herausgegeben^). Im
vorletzten 64. Abschnitt wird der Gesindelohn in ähn-
licher Weise wie 1622 tarifiert; die Abweichungen sind
nicht allzu bedeutungsvoll, es komtnen Herabsetzungen
und Erhöhungen der Lohnsumtoen gegenüber 1622 vor.
Viel Text ist nicht beigegeben ; nur ein ganz kurzer Hin-
weis auf den 17. Abschnitt der Polizeiordnung findet sich
am Eingange des Abschnitts über Gesindelohn.
Für das ganze Land geschah am 18. März 1623
und am 12. Novettuber 1624 *) eine Verschärfung bloß der
münzrechtlichen Bestimmungen; das Tax- tmd Gesinde-
recht blieb unberührt.
In Hersfeld erging am 23. August 1643 eine von
Stadtschultheiß samt Bürgenrieister imd Rat erlassene
Taxordnung*), die auch einige Gesindelöhne ordnet —
^^ in Abhängigkeit von der Landesgesetzgebimg kann
nut Bestimmtheit nicht gesagt werden.
') Lennhoff, S. 4fr. — *l LO. II, S. 206. - •) LO. I, S. 669,
^•-*)Dcmine. Nachr. u.Urk. II, S. 184 ff., bes. 185, 186; frühere
•Jcrsfelder Taxordnungen ohne Gesindelöhnung 1618 (Demme, S. 187),
1^ (S. 182). Die Wiedergabe des gesinderechtlichen Teiles der
— 46 —
1645, am 30. Juni, erfuhr die hessische Taxordnun^Ti
von 1622 eine Erneuerung"; insbesondere war diese für
das Niederfürstentiun, Stadt imd Amt Cassel, bestimmt ^)-
Die sehr ausführliche Einleitimg klagrt über Preis- und
Lohnsteigerungen \md erwähnt dabei auch das Gesinde .
Wieder im vorletzten Abschnitt, Nr. 65, befindet sich
die Lidlohntaxe. Gegen 1622 sind die Knechtlöhne durch-
weg sowie die Mietpfennige der Mägde in die Höhe gre-
setzt, die Magdlöhne sind dieselben gebUeben, aber mehr
spezialisiert worden. Für das sonstige Gesinderecht wird
wiederunj auf die Polizeiordnimg' verwiesen; neu ist eine
Strafdrohimg' auf die Taxüberschreitimg. In dem Exem-
plare des märburger Staatsarchives folgen zum' Schluß die
Artikel der Polizeiordmmg von 1622, darunter auch der
„Von Dienst botten".
In der Folge erließ die casseler Regierung immer
zur Zeit der dringendsten Landwirtschaftsaxbeiten mehrere
Ausschreiben über Taglöhne, ohne das Gesinde zu er-
wähnen; die Daten sind 22. Juli 1645 (zweimal), 26. Juli
1645, 9. Juli 1647 (zweimal), 14. Juli 1649«).
Die Gesetzgebung begab sich im Jahre 1650 zuerst
wieder daran, das Tax- und Landespolizeiwesen im allge-
meinen, das Gesinde im besonderen zu berücksichtigen.
Für den im Oktober 1650 abzuhaltenden Landtag^)
lautete die am 26. Septemiber 1650 erfolgte landgräfliche
Proposition unter Nr. 5 : „Weilen bey dehnen so lang
gewehrten Kriegss troublen under andern confusionen eine
Ordnung vom 23. August 1648 scheint unvollständig zu sein. Beim
Lohn des Ackerjungen heisst es, dieser soll an Naturalien dasselbe
bekommen „wie der knecht"; für Knechte wird aber keine Festsetzung
getroffen.
') LO. I, S. 657; II, S. 89; ein handschriftliches Exemplar im
St. A. Marburg wurde femer benutzt. - •) LO. II, S. 118—122. —
*) Landtagsakten der Jahre 1650 bis l655 im Marburger Staatsarchiv,
worauf hiermit für das Folgende überhaupt verwiesen sei; ferner
Rommel, Band 9, S. 171 ff.
— 47 —
grosse Ubeimass undt Unbilligkeit so wohl im Kauffen
und Verkauffen, alss bey den Handwercks undt Arbeiths-
leuten, thaglöhnem, Liedtlohn dess gesindess undt der-
gleichen, sehr Uberhandt genomlmfen, dahehro J. F. Gn.
hochgeehrte Frau Mutter die hiebevohr uffgesetzte und
publicirte Policey- und Tax-Ordtnungr zu revidiren undt
zu renoviren gewissen Persohnen underhanden gegeben,
undt igut befunden, Auch mit Praelaten Ritter imdt Landt-
schaff t darauss zu comtmuniciren, undt dehren gedancken,
wass sie etwan dabey noch m erinnern haben möchten,
weil ihnen die bewandtnuss ufm lande und daselbst vor-
fallende gebrechen ahm besten bekanndt, zu vemehmien,
wekhess biss zu einem Landtage verschoben werden, so
begehren J. F. Gn. nun mehr ahn ermelte ihre getreue
Praelaten Ritter imd Landtschafft, dass sie entweder bey
Itziger ihrer beysanmienwessenheit gedancken und guth-
achten hierüber J. F. Gn. eröffnen oder doch förderlich
ein schicken, darmitt sie sich darnach ferner zu achten
haben mögen."
hl ihrer Antwort vom 30. September 1650 erklären
Ritter und Prälaten zum fünften Punkt der Proposition
es für „gahr hochnöthig, und von J. F. Gn. sehr wohl
und weisslich erinnert, dass die alte Policeyordnung re-
aovirt und revidirt werde**. Am gleichen Tage reichen
Ritter imd Prälaten ihre Gravamina ein, unabhängig von
der Antwort auf des Landgrafen Proposition. Während
diese Proposition nur fünf Punkte vorsah, enthält das
Verzeichnis der Gravamina deren 28. Der 19. beschäf-
tigt sich mit den Preisen und Löhnen. Die Ritter bitten
um Erneuerung der Polizei- und Taxordnung, und glauben
außerdem noch des Landes Wohlfahrt durch Kleider-
ordnungen und Verordnungen wider diejenigen, welche
ihre Güter öde liegen lassen xmd sich außer Landes auf-
halten, heben zu können.
Kürzer xmd dem Vorschlage einer Taxordnung gegen-
- 48 -
über kritischer fiel die Resolution der Städte auf diö
landgräfliche Proposition aus (vom 1. Oktober 1650). Eine
Taxe für Cassel, meinen sie, könne für das übrige Land
nicht practicabel sein, da im Lande vieles billiger sei als
in Cassel; die Städte fürchteten wahrs'cheinlich, daß der
Maximaltarif leicht in einen Minimaltarif umschlagen,
könnte. Die Städte proponieren daher, daß die Taxierung*
stromweise vorgenomimen werde.
Die Einwendimgen der Städte verschwanden in der
weiteren Diskussion der Materie. Dafür trat ein neuer
Gesichtspunkt in der Behandlung der Angelegenheit auf,
zuerst in der am 1. Oktober 1650 erfolgten Resolution
des Landgrafen auf die Gravamina der Ritterschaft. Hier
wird erklärt, daß zunächst mit den benachbarten Staaten
kommuniziert werden müsse; inzwischen könnten die Ritter
ihre Gedanken über die Erneuerung der Polizei- und Tax-
ordnung „zusammentragen" und später kund geben.
In der Replik des Landgrafen auf die von der Ritter-
schaft auf die Proposition gegebene Erklärung (vom
3. Oktober 1650) findet sich wieder der Hinweis darauf,
daß es „Praelaten Ritter- und Landtschaff t am besten
bekandt, was etwa gegen die Alten policey- und tax-
ordnungen vor gebrechen uf dem lande erwachsen und
sich finden, auch ob imd wie weit solche bey gegenwerti-
gem Zustandt zu practiciren.** Die alten Ordnimgen sind
in Druck gegeben worden, um als Vorlage benutzt wer-
den zu können.
Den Schluß der sachlichen Diskussion bildet die Er-
klärung Ider Städte über die Gravamina der Ritter (3. Ok-
tober 1650). Sie wiederholen ihre Bedenken gegen eine
allgemeine Tarifierung, erklären jedoch ihre Bereitwillig-
keit, bei der Feststellung der Taxordnimg mitzuwirken.
Die umfangreiche Replik der Ritterschaft vom 8. Ok-
tober 1650 begnügt sich damit, zu Punkt 19 ihr Ein-
verständnis zu erklären.
- 49 -
In der Folge scheidet die Frage der Pplizei- und Tax-
Ordnung: für die Besprechung aus, da ja keine wesent-
lichen Differenzen vorlagen und die politischen Fragen für
beide Partei-en — Ritter und Landgrafen — viel wichtiger
waren. Über politischen Streitigkeiten scheiterte dann
auch der Landtag; er wurde ohne Abschied geschlossen ^).
So blieb auch die Frage der Erneuerung der beiden
Ordniingen unentschieden. Eine Versamünlting der Ritter
zu Fritzlar im November 1650 *) stellt nochmals ihre Ein-
stimmigkeit fest, daß die Ordnungen erneuert werden
müssen; da aiber „so in der eill kein modell, dessen man
sich hierin gebrauchen könte, vorhanden ist**, verschie-
ben sie einen Entscheid, bis ein Exeml>lar der Ordnung;
vom 7. Juli 1623*) aufgefunden ist.
Von der Weiterführung der Verhandlungen über die
1650 bearbeiteten Gegenstände, also auch über die Er-
neuerung der Ordnungen, zeugen zwei Schriftstücke vom
2. Juli 1661 und vom 17. Juni 1652. Noch 1652 ist der
alte Zustand unverändert, daß mit den „benachbarten
Reichsständen** von der Regierung verhandelt wird. So
verging auch 1652 und der größte Teil von 1653, ehe
wieder etwas in den Fragen der Polizeiordnung unternom-
men wurde.
Die Landtagsproposition vom 8. Dezember 1653
bringt als fünften von den nun auf elf vermlehrten Pimkten
diese Angelegenheit wieder vor. Imlmer noch mangelt es
an dem „mit den benachbarten dissfalss nothwendig er-
forderten concert und Übereinstinünung**. Da es damit
aber wegen der Billigkeit der Früchte nicht länger an-
stehen gelassen werden kann, so werden die Stände auf-
gefordert, sich darüber gutachtlich zu äußern (obwohl
') Rommel 9, S. 198. — «) Rommcl a. a. O. — •) Hiermit
ist wohl die — iii der Sammlung der Landesordnungen (II, S. 206)
nicht näher datierte — Tazordnung fürs Oberfflrstentum von 1623
gemeint
Köonecke. 4
- 50 -
die Regrienmg die Ansicht der Stände doch längst kannte,
lind wußte, daß die Anschauungen im großen und ganzen
übereinstimlmt en) .
Die Antwort der gesamten Stände, nicht bloß der
Ritter und Prälaten, vom 13. Dezember 1653 ist wieder
außerordentlich umfangreich gehalten. Auch der fünfte
Punkt ist ausführlicher berücksichtigt, als man nach dem
früheren alhnählidhen Aufgeben der Diskussion darüber
hätte erwarten können. Die Stände sprechen für die Pro-
position der höchst notwendigen Erneuerung der Polizei-
ordnung ihren Dank aus, glauben aber, daß nur ein ge-
meinsamer Landtag des Ober- und Niederfürstentums und
ein Concert mit den Nachbarstaaten zu einem brauch-
baren Ergebnis führen kann. Da jedoch ein schnelles Ein-
greifen not tut, so berufen sie sich auf ein von Prälaten und
Ritterschaft von Kaufungen aus bereits übersandtes Gut-
achten i), dem, wie es scheint, ein Entwurf einer Tax-
ordnung beigefügt war; es heißt, daß „dies elb ige ...
mit allem ernst durch gehörige discipulin undt straffen
manuteniret** werden möge. Die Stände erklären sich be-
reit, m einer Conferierung einen aus ihrer Mitte zu sen-
den, damit die Ordnung zunächst ohne eine Polizeiord-
nung erlassen und später nach Abschluß der Vorarbeiten
mit den benachbarten Ländern ergänzt und geändert
werde. Dabei erinnern die Stände, „daß es zur wieder
auffbringting dieses fürstenthumbs mit einer gemeinen
Taxt ordtmmg nicht genungsamb sey, sondern dass J. F. Gn.
gehorsamlich gerathen werde, eine General ordtmmg durch
alle Ständte dieses fürstenthimiis verfertigen zu lassen,
undt dess wegen mit dero getrewen Ständen zu Communi-
ciren".
Auf dem Landtag scheint sich die Diskussion auf die
Erneuerung der Landesordnungen nicht oder doch nicht
') In den Akten nicht vorhanden.
- 51 —
ausführlich erstredet ru haben. Eine Antwort der Ritter-
schaft (16. Dezember) auf des Kanzlers „in einer weit-
läuffig^en rede** erfolgten Vortrag berücksichtigt die Frage
nicht ausdrücklich, sondern bemerkt nur zum Schluß, daß
für die übrigen, nicht besonders erwähnten Punkte auf
die frühere Erklärung verwiesen werde. Auch weiterhin
schied die Frage, zum' mindesten soweit gerade die Tarifie-
nmg und das Gesindewesen in Betracht kommen, ßMs
der Verhandlung aus.
Ein landgrräfiiches Schreiben vom 17. Dezember und
der in gleichem! Sinne gehaltene Landtagsabschied vom
23. Dezember 1653 erwähnen dagegen wieder allgemein
die „renovation ein imdt anderer guten landtordtnimgen".
Jedoch ein Ergebnis liegt imtaier noch nicht vor. Es
heißt im Abschied: „Welcher gestalt undt wie mit guten
bestandt zur renovation ein- und anderer guten Landt-
ordtnmig^ unverweilet m gelangen, werden J. F. Gn. femers
reif flieh Überlegen, zu solchem ende auch was so wohl
die Ritterschaft alss Städte uf erfordern schon vor guter
Zeit für bedencken eingegeben nochmahlen durchlauffen
lassen, tmdt darauf f nach Befindung es diessfalls derge-
stalt einzurichten, unvergessen sein, darmitt darbey nicht
allein fest gehalten, sondern auch hierüber der Zweck
erreicht werden möge.**
Ehe noch dieser Landtagsabschied in Cassel zustande
gekommen war, erhielt das Oberfürstentum am' 19. De-
zember 1653 eine Taxordnung ^), die neue Gesichtspunkte
in ihrem Gesinderecht enthält.
Aktenmaterial über ihre Entstehimgsgeschichte lag
nicht \x>r ; daher bleibt nur die Ordnung selbst, um daraus
einige Anhaltspunkte für ihre Vorgeschichte zu entnehmien.
Statt wie bisher im 64. stehen die Lohntaxen für Gesinde
hier schon in^ 8. Titel — scheinbar eine unwes«itliche
') LO. II. S. 124, 190.
— 52 —
Äußerlichkeit, die aber doch vielleicht einen Schluß auf
die größere Bedeutung: zuläßt, die man dem Stoff zumaß.
Femer folgt unmittelbar auf die Lohnfestsetzung ein ver-
mehrter Abdruck des Abschnittes aus der Polizeiordnung
von 1622 über Gesinde. Da die Taxordnung außer im
Titel über Gesinde nur noch für Tagelöhner (43. Titel)
einen ausführlichen Text außerhalb der Lohn- und Preis-
angaben enthält, so weist dies auf die vorzügliche Be-
deutung liin, die dem Gesindewesen und den Klagen dar-
über beigelegt wurde. Die Vermelirung der Polizeiordnungr
besteht darin, daß am' Schluß den Arbeitsfähigen ver-
boten wird, „imterm; prätext des Taglohns** sich müssig^
umherzutreiben; wer sich nicht „zum gewissen Dienst**
vermietet, soll ausgewiesen werden.
A\if dem' casseler Landtag vom Mai 1655 kam die
leidige Frage wieder zur Besprechung, wohl kaum durch
den regensburger Reichsabschied von 1654^) veranlaßt,
der nebenher gelegentlich die Kreise aufforderte, „wegen
guter Polictey** zu beraten und zu berichten. Aus einer
Übersicht über die Propositionspunkte 2) geht hervor, daß
wegen Polizei-, Tax- und dergl. Ordnungen wiederum die
Anregung von der Regierung ausging. Die ritterschaft-
liche Antwort auf die Proposition ist nic^ht vorhanden,
auch nicht ein Verzeichnis der gravamina. So bleibt nur
der Landtagsabschied, der die Tatsache der Verhandlung
der Fragen ergibt:
„Wegen der längst in Werk und fürgewesenen
Policey- Tax- und dergl. Ordnungen wollen J. F. Gn.
den Ständen die auf Stadt und Amt Cassel vor-
nehmHdh gerichtete Tax-Ordnung; commimiciren lassen,
und hingegen von ihnen Stroms weis, wie etwa solche
') Neue und vollst&ndi£:e Sammlung III, S. 640 flf., bes. 677;
Wuttkc, S. 106. — *) Nr. 138 der vom Landesdirektorium im mar-
burger Staatsarchiv deponierten Landtagsakten von 1655; vgl. auch
Pfeiffer, Landst-Verfassung, S. 108.
~ 53 -
auch an aadem Orten einzurichten, ihr Giitax:hten dem*
nächst erwarten, auch ferner dafür seyn, dass nicht allein
der übrigen zu der Polioey-Ordnung gehörigen Stücke
wegen, sondern auch das muth willige Gesinde, so viel
sich thun lassen will, besser einzuhalten nothwendige Ver-
sehun^ besöhehen möge."
Ein teilweiser Erfolg, wenigstens für das Arbeiter-
recht, ist eine Taxordnung für Taglöhner und insbesondere
Landarbeiter in Stadt und Amt Cassel vom 10. Juli 1655 ^) ;
v<Mn Gesinde ist nicht die Rede.
Daß inzwischen aber an der Feststellung einer allge-
meinen Tax- imd Polizeiordnung gearbeitet wurde, be-
weisen die leider wieder imvoUständig erhaltenen Land-
tagsakten von 1656*). Ein Entwurf landgräflicher Pro-
position sagt imter Nr. 6:
„Haben J. F. Gn., wie es so wohl bey Gegenwerthiger
wohlfeyl der lieben früdhte undt viehes, ein durchgehender
taxt aller gewerben, als sonst der schulden halber eigent-
lich einzurichten bbsnach, wegen allerhandt darbey ein-
gefallener, undt fast aller endts im' weeg stehender diffi-
culteten, noch nicht recht xiff kommen können: Gleichwie
sie aber, umb es diessfalls so wohl als sonsten im poli-
oey wesen zum' stände zu bringen, nicht gerne etwas ahn
sich erwinden lassen. Also seindt J. F. Gn. geneigt, auch
hierauss mit den Ständen Sich femers zu vernehmen,
wie Sie dan denselben hierbey eine zu uffhebung der
ratione der Beampten adcidentalien hinc inde eingeschli-
chener Ubermass undt Missbräuch den Unterthanen zum
besten in Truck ergangene Verordtnung zur nachricht
weniger nicht als respective darüber nachtrücklich zu hal-
ten, überreichen lassen wollen.**
Die Frage der Tarifierung ist scheinbar nicht mehr bei
den Gesindelöhnen, sondern vor allem bei der Überhebung
') LO. II, S. 122-124 ; 286. - «) Vgl. auch P feif fer a. a. O., S. 109.
— 54 —
der Beamtengefälle aktuell geworden. Doch erwähnt der
Abschied (vom 5. Juli 1656) das Gesinde wieder an bevor-
zugter Stelle:
„Alssdann auch Sechstens auf die mit den Ständen,
der Tax- und Gesinde Ordtnungen wie auch schulden
halber sowohl hiebevor, als nachmals gepflogene Commu-
nicationen, dieselbe sich unter Ihnen verschiedener mei-
nung befinden, weswegen J. F. Gn. dem werck in einem, so
wohl, als anderm femers nottürftig weniger nicht vorzu-
sinnen, als mit den Benachbarten . . . pflegende Unter-
redung, einem gewissen, dem letzten Reichs-Abschied so
wohl als der Billichkeit gemesser schluss (womach in den
Gerichten zu verfahren) zu nehmen, sich vorbehalten: So
lassen es die Stände darauf nicht unbillich ankommen,
undt werden über dieses, denen Ihnen hierbey zu der
Unterthanen Besten ausgeantworteten, der Beamten acci-
dental Ordtmmgen nachzuleben, auch respective die Ihrige
darzu anzuweisen, auch darüber festiglich m halten, schul-
diger massen beflissen seyn/*
Aber die Regierung blieb nicht lange bei dieser hin-
haltenden Auffassimg. Am 24. November 1656 richtete
die niederhessische Ritterschaft wiederum eine Beschwer-
deschrift samt Memoriale mit den alten Klagen über die
unmöglichen Zustände im Gesindewesen an den Land-
grafen; ein gesetzliches Vorgehen wurde verlangt^). Der
Landgraf sandte eine Aufforderung rur Begutachtung an
den Landgrafen Hermann zu Hessen-Rotenburg und an
die Regierung zu Marburg (wohl auch noch an andere
Stellen). In Marburg und Rotenburg stimtait man dem-
Plane eines polizeilichen Gesetzes wider die Dienstboten
durchaus ru. Beide Gutachter empfehlen vornehmlich eine
Vereinbarung mit Nachbarstaaten. Die miarburger Re-
gierung baut diesen Gedanken noch weiter dahin aus, daß
*) St. A. Marburg. Akten des Gerichtes Viermünden.
— 65 —
auf verschiedenem Wege so das Dienen im- Auslände ver-
hindert werden könnte; schon hat die Regierung selb-
ständig entsprechende Maßnahmien ergriffen. Ferner be-
ginnt laut dem Berichte der Mißbrauch, daß die Mägde
sich im Winter auf fünf bis sechs Wochen ans dem Dienste
begeben und beim« Spinnen ledig sitzen, im Bezirke der
marburger Regienmg einzureißen. Zur Überwachung einer
Durchführung des 211 erlassenden Polizeigesetzes hält die
Regierung die Einsetzung von Aufsehern in kleinen Orts-
bezirken für empfehlenswert.
Welche gesetzgeberischen Tatsachen hiemach zum!
Vorschein kamen, ist aus* keiner der vorhandenen Quellen
festzustellen. Es ist möglich, daß man sich der früher
geäußerten Ansicht der Städte anschloß, die eine „stroms-
weise" Regelung des Gesinderechtes forderten; der Hin-
weis des Landtagsabschiedes von 1655 auf Meinungsver-
schiedenheiten l^ßt diesen Schluß zu. —
Die Klagen der amj meisten interessierten Arbeit-
geber über Mängel imi Gesindewesen konnten bisher meist
nur indirekt aus den Landtagsverhandltmgen, Proposi-
tionen und Abschieden entnomünen werden. Einige in der
casseler Landesbibliothek vorhandene Akten ^) ergeben
treffliche Einblicke in die Zustände, wie sie von seiten
der Dienstherren angesehen wurden. Die Herren von
Dörnberg machten 1657 eine Lohnstatistik auf, um die
imimense Steigerung gegenüber 1620 zu zeigen. Zum
Schluß werden einige Betrachtungen angestellt, die hier
im Wortlaut folgen mögen:
„Warumb man mm ietziger Zeit dem Gesindte gar viel
zu lohn geben muss, rühret meinsten theils darhero, weil
alless gesindte knechte undt Mägte in köstlichem gewandt
undt seidenbandt gekleidet gehen wollen undt thun, wie
') Akten der Landesbibliothek Cassel. Gesindesachcn 1615 bis
1676.
— 56 —
der Bürger, der Bürger undt die Seinige wie der Edell-
mann. Undt dann auch, dass bey soe (Gott sey darvor ge-
danckt) wohlfeiligen Zeiten, fruchten undt andern victua-
lien, soe der hausstnann m allerhandt nothwendigenn auss-
gifften verkauffen muss, kein Ackergesindte umb Saam-
lohn gantz undt zumiahl nicht mehr dienen, meisten theils
deren auch, soe wohl auch Mägte sich gantz nicht ver-
dingen, sondern viellieben bey soe thewrem tagelohn nach
Ihrem belieben entweder arbeiten, oder sich selbst be-
köstigen imdt alsso die meinste Zeit müssig sitzen, den-
noch aber bevorab dem' haussbaursmann ahn denen un-
stendig zufallenden oneribus einigen heller mit last tragen
zur helffen gantz befreyet sein, underdessen aber doch
alle schütz- tmd nutzbarkeiten mitgeniessen wollen."
Diese Art der Anschauung, rein vom extremen Arbeit-
geberstandpunkt aus gewonnen, die dem Gesinde fast alle
Schuld an den Mißständen zuschieben möchte, scheint in
den Landtagsverhandlungen nicht mit solcher Klarheit
vertreten worden zu sein. Es wurde oben gezeigt, daß die
Stände das Heil in einer allgietneinen Tarif ienmg erblickten,
also für den Hauptbeschwerdepunkt, die Lohnhöhe, den
Grund nicht im Gesinde allein suchten, s<»idern in den
allgemeinen Teuenmgsruständen, die man vornehmlich
abzustellen sich bemühte.
Eine sehr bedeutende Rolle spielte, wie Dömberg
zum Schlüsse andeutet, die durch die „troublen" des
Krieges herbeigeführte allgemeine Entwöhnimg von der
steten gebimdenen Arbeit. Statt der regelmäßigen Tätig-
keit ging mian viel zu solchen über, die zeitweise eine
größere, abwechslungsreichere Unabhängigkeit gewähren,
wie Hausieren und verwandte Wandertätigkeiten, Tage-
löhnern, schließlich Betteln imd Stehlen.
Von dieser Wandlimg geben die gesetzlichen Vor-
schriften Kunde, die das Müßiggehen abstellen imd damit
- 57 -
indirekt dem Arbeitermangel abhelfen sollen, so die oben
erwähnte Taxordniing von 1653, dann die Polizeiordnung
von 1622 im 17. Abschnitt, eine Armen- und Bettelord-
nung für Cassel vom! 1. August 1627, eine ebensolche
vom 27. Septenüber 1651, eine Einschärfung dieser Ord-
nung vom 28. September 1672*).
Von gesetzgeberischen Taten aus dem 17. Jhdt. sei
sodann noch eine hersfelder Stadtordnung von 1665^)
genannt, die einiges Hirtenrecht enthält.
An dieser Stelle nicht erwähnt zu werden brauchen
schließlich die sehr zahheichen Luxus-, Sonntags-, Juden-
und Hofordnxmgen des 17. Jhdts., die hier imd da meist
nebensächliche Sätze aus dem Gesinderecht enthalten;
die wichtigsten hiervon, insbesondere die Hofordnungen,
werden an ihrem Platze noch ausführlich behandelt
werden.
Einen nennenswerten Fortschritt hat das hessische
Gesinderecht in den beiden letrten Dritteln des Jahrhun-
derts hiemadh nicht gemiacht. Es blieb so gut wie alles
beim alten, ein Zeichen dafür, daß den Polizeigesetzgebem
weiter keine Mittel als die 1622 gewählten zur Verfügung
standen. Und es blieb alles wie es war trotz des Krieges ;
darauf ist das Hauptgewicht zu legen. Die wirtschaftlichen
Schäden, die in den dreißig Jahren in Hessen angerichtet
wurden, sind ru bekannt, als daß dafür noch Belege ge-
geben m werden brauchten. Gerade für Fragen des Ge-
sindewesens mußte die Entvölkerung des Landes beson-
ders sich fühlbar miachen, wenn hier auch durch die Ab-
nahme des allgemeinen Wohlstandes und infolgedessen
des Bedarfes an Dienstboten vielleicht eine Kompensation
stattfand.
') LO. II, S. 4, 149; III, S. 6. - •) Demme, Nachr. u. Urk. II,
S. m ff, bes. 208.
— 68 —
S 3. Die Zeit der Gesindeordnungen.
Es ist nicht bloß ein äußerlicher Unterschied, daß
man im 18. Jhdt. von der die Zeit vorher beherrschenden
Form der Polizeiordnung ru den reinen Gesindeordntmgeo,
die es außerhalb Hessens vereinzelt schon früher gab,
überging. In den Polizeiordnungen kodifizierte man —
übrigens nicht allein in Hessen, sondern im ganzen
Deutschlande — das Recht wider sämtliche Nöte des
Staates und der Gesellschaft. Als man sich daran machte,
aus dem Systeme der Polizeiordnungen ein einzelnes Ka-
pitel, so das Gesindewesen, herauszunehtnen und gesondert
zu bearbeiten, erkannte man damit an, daß man diesen
Teil des Uebens für wichtig hielt; daß man ihn nur
in besonderem Gesetze seiner Bedeutung entsprechend
behandeln konnte.
Diese Sondergesetze über Gesindewesen sind umfang-
reicher als die vom! Gesinde handelnden Abschnitte der
Polizeiordnungen. Man konnte und mußte (um die Be-
rechtigung eines Spezialgesetzes zu erweisen) mehr Einzel-
heiten berücksichtigen und fortschreitend immer weniger
Betätigimgen innerhalb des Gesindeverhältnisses dem
freien Ertnessen der Parteien überlassen.
Vielleicht gab die zahlreicher werdende landwirt-
schaftliche Literatur^) mit den Anstoß zu der fortschrei-
tenden Detaillierung der Gesindegesetzgebung. Der Geist
dieser Gesetze freilich ist nicht von dem' im 17. Jhdt.
herrschenden verschieden ; in konsequenter Weiterbildung
des bisherigen Politik blieb mjan bei der Niederhaltung
des Gesindes imd seiner wirklichen imd vertateintlichen
Tücken.
Der gleichzeitigen Staats wissenschaftlichen und philo-
sophischen Literatur blieb eine Einwirkung auf die Ge-
^) Das Gesinde behandelnde landwirtschaftliche Literatur aus
der Zeit vor und nach 1700 nennt Wuttke S. 187, 189.
— 69 —
setzgeber im großen xind ganzen versagt. Nicht erheblich
war der Einfluß, den beispielsweise Christian Wolffs
,,Vemünfftige Gedancken von detn' gesellschafftlichen Le-
ben der 'Menschen" (1721) ausübten. Wolff konstruiert
das Gesindeverhältnis als eine „herrschaftliche Gesell-
schaft" *), woraus eine Menge Verhaltungsvorschriften für
beide Teile hergeleitet werden; wie sich denken läßt,
müssen vom Standpunkt der Gleichberechtigung her ge-
wonnene Anschauungen dem Gesinde günstiger sein, als
es bis dahin gewohnt war. Aus teilweise absonderlichen
ferneren Grundsätzen werden Pflichten der Herrschaft zur
guten Behandlung des Gesindes (als Kinder I), zur Milde,
zur Vermeidung 'des Zorns, zur Reichung guten Essens
aufgestellt.
a) 1736.
Mit !der Gesindeordnung von 1736 kam Hessen dahin,
wo Sachsen schon 1466, Brandenburg 1573 angelangt
waren; es erschien das erste Gesetz, das ausschließlich
dem Gesinde Recht setzt.
über die Vorgeschichte der Gesindeordnung von 1736
ist folgendes zu sagen *). Am 13. November 1732 schickten
die „Kgl. Großbrittanischen zur Kurfürstlich Braunschwei-
gisch-Lüneburgischen Regienmg Verordneten Geheimen
Räthe" in Hannover wie an andere Staaten so auch an
die Regierung zu Cassel eine 1732 erlassene Gesindeord-
nung') und forderten auf, zur größeren Wirksamkeit
gleichfalls das Gesinderecht zu regeln. Diese Aufforderung
fand bei den hessischen Reg^ierungsräten geteilte Auf-
nahme. Einig waren alle darin, daß ein Bedürfnis vor-
liege, zumal in diesen wohlfeilen Zeiten. Nur wollten zwei
*) Der Weg zu Gierkcs Gemeinschaft kraft herrschaftlicher
Gewalt liegt offen. — *) Akten hierfür: St. A. Marburg. Casseler
R^erungsakten, Polizeipositur 216; F. 43, Nr. 1. — •) Deren Be-
<icuding ftir das deutsche Gesinderecht im 18. Jhdt. Oberhaupt wird
ach aus der weiteren Darstellung im Verlaufe dieses Werkes ergeben.
— 60 —
Räte das Gesinderecht nicht in einem besonderen Gesetz
niedergelegt wissen, sondern damit bis zu einer im Ent-
stehen begriffenen Polizeiordnung, die ja auch das Ge-
sinderecht umfassen mußte, warten.
Ilmtoerhin erhielt die hannoversche Regierung am
4. Dezember die Antwort, daß man sich mit dem Gesinde-
recht beschäftige und über den Effekt seinerzeit berich-
ten werde.
Das Zustandekomöien einer Polizeiordnung zog sich
aus unbekannten Gründen hin. Erst 1736 entschloß sich der
Geheime Rat, an die Ausfühnmg einer Gesindeordnung^
heranzutreten. Soviel sidh aus dem unvollständigen Akten-
material sehen läßt, ging die Anregimg von ihm aus.
Er schickte der Regienmg einen Entwurf zur Begutach-
tung ein, den diese am! 14. Juh 1736 wieder zurück-
sandte ; ihre Ausstellungen sind in einem' Begleitschreiben
ausführlidh aufgezählt.
Zum Gesetz erhoben wurde schließlich unter geringen
Ändenmgen ein Entwurf der Regierung; die Gesindeord-
nung ist vom 8. September 1736 datiert^).
Im folgenden wird eine Inhaltsangabe des Entwurfes
des Geheimen Rats (zitiert: GR.) im: Vergleiche mit dem
Gesetze (zitiert: GO.) und der zum: Vorbild benutzten
hannoverschen Gesindeordnung (zitiert: Han.) gegeben;
hiermit ist zugleich der Bericht über die Gesindeordnung
selber erledigt. Nur wesentliche Bestimmungen und we-
sentliche Abweichungen werden vorgetragen werden. Der
Stoff ist systematisch angeordnet.
Die §§ 1 und 2 GR. und GO. (ähnlich Han. § 28)
bringen wie alle späteren hessischen Gesindeordnungen
Bestimimungen über die Beschaffung von Dienstboten
durch Anhalten von Kindern und Müßiggängern zum Ar-
beiten, insbesondere zum Dienen. Wichtig ist, daß Han.
») LO. IV, S. 410.
— 61 —
als Zwangrsmittel die Besteuerung hat, während die hessi-
sche Regierung diesen Weg ausdrückHch ablehnt; denn
die armen Leute werden „zur Unterhaltung derer Armen
des Orts wenig oder nichts bey tragen können". Einen
weiteren Vorschlag des Geheimen Rats, die Müßiggänger
auszuweisen, weist die Regierung gleichfalls zurück; min-
destens müsse man die Leute doch in ihrem' Heimatsorte
lassen, da sie sonst im Lande herum vagabundieren
würden.
Der Vertragsschluß ist nicht geregelt ; aus der Erwäh-
nung des Mietgeldes in GO. §6 ergibt sich nicht, daß es
lum Zustandekamimen des Vertrages notwendig ist. Erfor-
dert werden dagegen verschiedene Zeugnisse (G0.§§3, 4),
auf die die Herrschaft beim= Mieten achten muß, und die
sie nicht wissentlich falsch ausstellen darf; hierüber be-
stehen sehr viele, ins Einzelne gehende Vorschriften.
Der Dienstantritt (§ 7) und besonders das betrügerische
Doppeltvermieten (§§ 8, 9) werden ausführlich behandelt.
Noch genauer ist dies der Fall bei den vielen Pflichten
des Gesindes im Dienste (§§ 11, 13—17). Treue, Ge-
horsam, Arbeitsamkeit, Unterlassen von Fluchen, „Voll-
saufen" u. a., vor allem! aber Ehrlichkeit und viele andere
gesetzlich kaum faßbare Eigenschaften soll ein Dienstbote
seiner Herrschaft erweisen; mit harten Strafen werden
Diebereien gelohnt. Am! Schluß der Gesindeordnung
f§ 19) werdeil, gewissermiaßen als wohlgemeinter Anhang,
auch einige Pflichten der Herrschaft gegen das Gesinde
aufgezählt. Die Herrschaft soll sich recht und christlich
betragen, wie sie es gegen Gott verantworten kann. Sie
soll den Dienstboten Lohn und Kost reichen, „dieselbe mit
unerträglicher und ungewöhnlicher arbeit nicht beschwe-
ren", sie rum' Guten dtu-ch gutes Beispiel anhalten. Es
ist charakteristisch, mit welcher Begründimg die Regie-
n^ng einige weitergehende Vorschläge des Geh. Rats ab-
lehnt: „Nachdem auch schließlich diese Verordtnung
— 62 —
eigentlich und hauptsächlich derer Dienst Boten und deren
Coercirung halber gemlapht werden soll; So dürffte bey
de!m 19ten § ... der passus, daß die Brod Herrn die
Dienst Boten nicht mit injurieusen Worten angreiffen,
noch mit schlagen tractiren, sondern bey der ordentlichen
Obrigkeit Recht erwarten solle, umbdomehr auszulassen
seyn, als sich solches eines theils von selbst versteht,
andern theils aber das böse Gesinde dadurch noch inso-
lenter werden möchte.** Wenn auch die Äußerung, daß
Züchtigungen des Gesindes nicht statthaft sind, bemer-
kenswert ist, so gibt doch dies Zitat den Zweck der Ge-
sindeordnimg mit naiver Offenheit an: die Coercierung-
der widerspenstigen Dienstboten soll erreicht werden; folg-
lich ist es eigentlich nicht nötig, nun auch noch für
das Gesinde Bestimimimgen einzufügen.
Für das Gesinde wichtiger als die allgemeinen Bestim-
mungen, wie sich die Herrschaften ihm gegenüber zu
verhalten haben, sind die Fests-etzimgen der Lohnhöhe.
Wohl unter Einwirkung von Christian Wolffs Ausfüh-
rungen in § 489 seiner „Vemünfftigen Gedanken**, der zur
Tarifienmg darauf hinwies, daß auch ein Lohnminimum
nötig ist, sowie im' Anschluß an Han. § 24 verzichten
GR. und GO. § 6 auf die Bestimmung einer Lohngrenze
nach oben für das ganze Land. Weil die pretia rerum
ebenso wie die verschiedenen Dienstleistimgen ungleich
sind, „der Lohn und Miet Pfennig aber der arbeit billig
proportionirt seyn muß, mithin ein gewisser und beständiger
Lohn überall nicht wohl zu regulieren ist**, so wird nur
bestimtnt, daß von dem' an den einzelnen Orten üblichen
Lohn nicht „leichtlich** abgegangen werden soll, außer
zur Belohnimg tüchtiger Dienstboten. Han. § 24 hatte
für das Mietgeld noch eine Taxe festgesetzt, als Lohn-
maximum den Durchschnittslohn der letzten drei Jahre
aufgestellt ; Überschreitung wird bei arbiträrer Strafe ver-
boten.
— 63 —
Außer der normalen Kündigxing (§ 7) werden noch
besondere Kündigtingsgründe für die Herrschaft festge-
setzt (§§ 10, 12).
Eine in den Entwürfen zu § 10 ganz anders lautende
Bestimmung wurde im Interesse der Arbeitgeber zu einem
besonderen Kündigungsrecht umgestaltet. GR. § 10 hatte
dem Dienstherm, der das gemietete Gesinde nicht an-
nehmen will, auferlegt, diesem das Mietgeld zu lassen und
außerdem einen vierteljährlichen Lohn zu zahlen. Dem
gegenüber weist der Regierungsentwurf darauf hin, daß
der Kontrakt „billig von beyden Theilen gleich gehalten
v^erden muß," also Zahlung vierteljährlichen Lohns nicht
genügt. Entweder muß der Herr den Dienstboten an-
nehmen oder sich in Güte mit ihm' auseinandersetzen.
Dieser vielleicht auf Wolf f zurückgehende Versuch, aus
der Vertragsnatur des Gesindeverhältnisses gleiches Recht
für beide zu schaffen, war dem Geh. Rat nicht genehm.
In das Vollzugsexemplar wurde ein ganz anderer Sinn dem
Paragraphen hinein verbessert. Es kommt nicht mehr auf
die Annahme des gemieteten Dienstboten an; sondern die
Abschaffung des im' Dienste befindlichen Dienstboten,
mit dem die Herrschaft unzufrieden ist, wird gegen Ab-
findung mit einem Viertel jahrslohn gestattet.
Bestrafung des Vertragsbruches mit Zuchthaus und
Lohnverwirkung wird in GO. § 18 festgesetzt; § 5 ent-
hält weitere Maßnahmen hiergegen.
Nicht aufgenomtnen von den hessischen Gesetzgebern
sind folgende wichtige Bestimmungen der hannoverschen
Ordnung : das Verbot des Abspenstigmachens (Haa. § 12),
das Koalitionsverbot (§ 14, 15), Festsetzung besonderer Be-
lohnungen für langgediente Dienstboten (§ 23), das Ver-
bot der Naturalentlohnung (§ 25), die Bestimmung über
den Drescherlohn (§ 26) und die Lohnbeschränkung für
diejenigen, welche sich immer nur für die Saat- und Ernte-
zeit vermieten (§ 28).
— 64 —
Auch diese Weglasstingren sind bedeutsam genug. Für
das Abspenstigmachen erachtete man wohl das zehnte
Gebot für ausreichend ; wenigstens ist kein sonstiger Grund
einzusehen, aus dem! die hannoversche Bestimmung nicht
übernommen wurde. Und das Koalitionsrecht wurde sehr
wahrscheinlich nur deshalb nicht berücksichtigt, weil man
Gefahren aus den Vereinigungen von Dienstboten nicht
wahrgenommen hatte imd nicht voraussah. Die lianauer
G^sindeordnung von 1748, die, wie später zu zeigen sein
wird, mehr noch als die hessische auf der hannoverschen
beruht, enthält auch das Verbot, daß sich die Dienstboten
unter einander verbinden. Der gleiche Grund, weil man
einen Mißstand nicht verspürt hatte, war wohl auch dafür
bestimmend, daß das Verbot der Entlohnung durch
Schuhe und Leinen und die Untersagung des Branntwein-
gebens an Drescher in die hessische Gesindeordnung nicht
eingefügt wurden. Und für die Ablehnung einer Fest-
setzung besonderer Belohnungen für treue Dienste war
sicher der Standpunkt maßgebend, daß eine Ordnung, die
nur zur „Coercirung** der Dienstboten geschaffen wurde,
so etwas nicht zu enthalten brauchte, weil es nicht im
unmittelbaren Interesse der Herrschaften lag.
Die Bedeutung der Gesindeordnomg von 1736 für
Hessen erhellt schon aus dem eingangs Gesagten, daß
hier das erste hessische Sondergesetz über Gesinde vor-
liegt, dreihundert Jahre später als im Osten. Wie schon
bemerkt, ist da^ Gesetz infolgedessen genauer gearbeitet.
Viele Einzelheiten, an die man bei der kursorischen Be-
handlung im 17. Jhdt. kaum dachte, werden hier der ge-
setzlichen Regelung unterstellt. Das bedeutet ein Fort-
schreiten auf dem Wege zu dem unmöglichen Ziel, das
Leben im inneren Hause immer mehr der Polizei zu unter-
stellen; in praxi konnte man sich nur so helfen, daß
man den Dienstherm, der doch gegenüber dem Gesinde
selber Partei ist, zum objektiven Polizeiorgan machte
— 65 —
oder ihn Avenigrstens als bevorzugten Zeugen ansehen
mußte.
Andererseits führte die Reglemfentiersucht dazu, viele
Bestiimmingren zu machen, deren Diurchführung: deshalb
nicht erfolgren konnte, weil die auch in der Einleitung zur
Gesindeordnung sehr beklagte Gesindenot die Übertre-
ningen gerade durch die Herrschaften sanktionierte. Und
dabei hatte mian auf das iinmöglichste Kampfmittel des
17. Jhdts., die Lohntarif ierung, verzichtet ; war der Durch-
brach durch die alten Vorurteile, die die Preisbewegimg
aiif solchem Wege leiten zu können glaubten, auch noch
nicht völlig: erfolgt, so war der Weg zur Freiheit des Geld-
verkehrs doch schon so weit beschritten, daß eine Um-
kehr unmöglich scheinen mußte (die Umkehr erfolgte
aber doch).
Bei aller Betonung des Herrschaftsstandpomkts darf
man weiter aber doch nicht übersehen, daß humlanere Auf-
fassungen vom Gesindeverhältnis in dem' Gesetz ausge-
drückt sind, als es etwa im' Osten möglich gewesen wäre.
Vor allem muß nochmals darauf hingezeigt werden, daß
Züchtigungen tmd selbst Beschimpfungen des Gesindes
durch die Dienstherrschaften für unstatthaft erklärt wer-
den. Es ist doch ein wenig darin voml Geiste der Wolff-
schen Gesellschaftstheorie, der die Gesellschaft zwischen
Herrschaft xmd Gesinde zur Beförderung des Wohles bei-
der Teile in gleichem Maße dienen kann.
Daß manches von den Bestimtoungen der Gesinde-
ordnung vom! grünen Tische aus dekretiert ist, was im
Bewußtsein des Volkes nicht oder doch nicht allgemein
'ebte, zeigt die Tatsache, daß schon im» Januar 1737 ein
Schreiben vom! Stadtschultheiß, Bürgermeister und Rat
der Stadt Allendorf an der Werra bei der Regienmg
eingeht i), worin über die mangelnde Befolgung der Vor-
') St A. Marburg a. a. O.
— 66 —
Schriften über die Abschiede berichtet und um Erlaß der
Strafen der Herrschaften fürs diesmal grebeten wird- Die
Schuld liege an der nfiiangelhaften Publikationsart: durch
die convocatio civium mit dem Glockenschlag werden
nur die Mitglieder der Zünfte und Gilden zusamimenge-
rufen, von denen auch noch viele wegbleiben. So wird
außer den wenigen Erschienenen niemland mit den aufer-
legten Pflichten vertraut. Zu emjpfehlen ist nach Ansicht
der Absender eine jährlich ru Weihnachten erfolgende Ver-
lesung der Gesindeordnung von den Kanzeln, wo also
auch das Gesinde zuhören kann^ ein Gedanke, der später
wieder in neuer Gestalt auftaucht. Indessen wurde den
AUendorfem der Bescheid, die Ansicht sei zwar gut, ihre
Betätigung sei aber nur durch ein Ausschreiben ins ganze
Land möglich. Daher soll einstweilen nach der Gesinde-
ordnung verfahren werden, die den Herrschaften ent-
sprechende Strafe auferlegt.
In gekürzter Form wurde die Gesindeordnung 1739
in der großen Grebenordnung wiedergegeben^). Sie bil-
det den dritten Abschnitt, Sabbatsordnung und Armen-
ordnung gehen voraus. Die Fassung der Grebenordnung
ist deshalb bemerkenswert, weil späterhin die Redaktoren
der für das Land bestimimten Gesindeordnimg von 1801
die Grebenordnung als vorzugsweise agrarisches Gesetz
ihrer Ai1>eit zugrunde legten*). Doch ist das Landwirt-
schaftliche in drai' Auszug von 1739 nicht atisgeprägter als
im Original von 1736.
b) 1752.
Über viele kleinere Verordnungen hin, die gelegent-
lich Sätze aus detn' Gesinderecht enthalten, geht die Ent-
wicklung zu der Verordnung vom' 1. Dezember 1752 wegen
Bestrafung der Hausdiebstähle und Untreue des Ge-
sindes ').
*) LO. in, S. 608. - •) Unten § 3 g. — ») LO. V S. 67.
— 67 —
Gleichzeitig^ mit einigen andern Territorien werden
hier in einer für diese späte Zeit außerordentlichen Roh-
heit alle vom Gesinde, Ladendienem, Lehrlingen usw.
begangenen Unredlichkeiten mit Strafe bedroht; prinzi-
piell ist Todesstrafe angeordnet, nur in wenigen Fällen,
so bei Jugendlichkeit, ist Freiheitsstrafe, aber ohne Zeit-
grenze zugelassen^).
Es sind keine Materialien vorhanden, aus denen man
ein Urteil darüber gewinnen kann, auf welche Einflüsse
diese Verordnung zurückzuführen ist. Vielleicht hatte man
sich lediglich durch die Strafbestimmtingen einer preußi-
schen Gesindeordnimg von 1735 zu solchemi Vorgehen
verleiten lassen *), nachdem einige Klagen aus dem Lande
eingelaufen waren.
Es ist ebenso erfreulich wie natürlich, daß diese Ver-
ordnung nicht praktisch angewandt worden ist. Als man
1796 an die Vorarbeiten zu einer neuen Gesindeordnung
herantrat, bemerkte der Geh. Regienmgsrat Schmier-
feld*), die Regierung habe bei Gelegenheit eines prak-
tbchen Falles 1790 selbst zugegeben, daß die Verordnung
von 1752 nie zur Observanz gekommen ist. Er bemerkte
noch: „Zu harte Strafgesetze gegen Diebstähle verfehlen
ohnehin ganz den Zweck, indem sie den Bestohlenen ge-
neigter machen müssen, dem Täter durchruhelfen^ als
Anlaß zu ' einer Strafe zu geben, welche die Stimme des
Publikums gegen sich hat."
Schmerfelds Beobachtung, daß das Gesetz nur auf
dem Papier gestanden hat, findet ihre Bestätigung in
einem Regierungsschreiben vom' 15. März 1759*), einer
Zeit, als die Kriminalordnimg kaum' sechs Jahre alt war.
Das Ausschreiben stellt fest, daß die Verkündung der
Verordnung von 1752 nicht ordnungsgemäß erfolgt ist,
*) Näheres in § 7 des 2. Teib. — •) St. A. Marburg. Geh. Rats-
Akten ad. lit G. Nr. 28 (1795-97). ~») St. A. Marburg. Hess. Reg.-
Akten, Polizci-Rep. F. 43, Nr. 1 a. — *) LO. V, S. 161.
6'
— 68 —
„wodurch dann verschiedene Inquisiten sich mit der Un-
wissenheit zvL behelfen Gelegenheit g-efunden". Bei 10
Thalem Strafe soll die Verordnung jährlich am ersten
Sonntag nach Pfingsten von den Kanzeln verlesen werden.
Auch wird aufgegeben, ,,l>ei Verhandliuig des achten Ge-
botes, oder sonst gelegentlich, den Inhalt dieser Verord-
nung besonders der Jugend und dem Gesinde mit einzu-
schärfen, imd selbige vor dergleichen Verbrechen treulich
zu verwarnen**.
Eine nochnualige Einschärfung geschah durch ein
Konsistorialausschreiben an die sämtlichen Prediger ini
Lande vom 23. Dezember 1767 ^).
c) D i e 60 er u n d 70 er J a h r e.
Ein Jahrzehnt nach der Publikation des Gesindestraf-
gesetzes von 1752 kam die Gesetzgebung schon wieder in
Fluß.
Ende Dezember 1763, als der Krieg gerade vorüber
war, teilte der Comtaissarius Dr. Becker in Wanfried
gemäß dem ihm gewordenen Befehl, „alles was zum: Besten
dero Lande gereichet möglichst befördern zu helfen,** der
Regierung mit ^), daß der Mangel an Knechten und Mäg-
den imerlebt groß geworden imd eine noch nie dagewesene
Lohnsteigenmg eingebrochen sei.
Becker schreibt dies zunächst dem: Kriege zu. Ferner
vor allem auch den billigen Frucht- imd teuren Flachs-
preisen und den Werbungen. Die Mägde sitzen zu Hause
und sagen, sie könnten der teuren Schuhpreise wegen um
so billigen Lohn nicht dienen. „Andemtheils sind selbige
mehrentheils mit denen beurlaubten Soldaten in liebes
Händel verwickelt, welche die Dienstnehmtmg ständig
hintertreiben. Hierdurch wird aber eine höchst ärgerliche
und liederliche Lebensarth auf denen Dörffem getrieben.**
*) LO. VI, S. 498. — «) St. A. Marburg. Hess. Reg. -Akten,
Polizei- Rep. F. 48, Nr. l'A. Geh. Rats- Akten, G. num. 28, Vol. 1.
— 69 —
Die Mägde, die sich eine Ziege, ein Schwein oder womög-
lich eine Kuh "halten, stehlen für diese die ganze Gerniar-
kung aus, wobei ihnen ihre „Galans getreulich assistiren*' ;
„und wenn auch der Bauer zuweilen einen solchen feldt-
dieb ertappet, muß er darzru stille schweigen, wenn er
anders sein Fenster und einen gesunden Buckel bey Nächt-
lichem Ausgange erhalten will."
Alle diese Mißstände glaubt Becker leicht heben zu
könnai. Man soll nur den Schustern bei Verlust des Hand-
werks befehlen, die Schuhe billiger zu verkaufen, zunolal
auch der Lederpireis gefallen ist. Femer soll § 1 der.
Gesindeordnung dahin erläutert weiden, daß den ärmeren
Leuten nur eine bestimimite Anzahl ihrer Kinder zu Hause
zu behalten erlaubt wird — ein für die Zeit durchaus nicht
umnoraliscber Gedanke, der fast in allen später einge-
gangenen Gutachten regelmäßig der Regierung unterbrei-
tet wird.
Becker gegenüber verhielt sich die Regierung zu-
nächst zurückhaltend. Die Räte gutachteten, daß die
Schuhpreise erst dann zurückgeschraubt werden können,
wenn die Lederpreise wieder den alten Lauf wie vor dentf
Kriege gewonnen haben. Jedoch ist eine durchgreifende
Taxordnung für die Handwerker in Arbeit, was aber wegen
der allgemein als sehr hoch angegebenen Selbstbeschaf-
fungskosten außerordentlich schwierig ist. Der Wimsch
Beckers, die Zahl der zu Hause sitzenden Kinder zu be-
schränken, liegt nach Ansicht der Regienmgsräte völlig
in der Tendenz des § 1 der Gesindeordnung, so daß es
keiner neuen Anordmmg mehr bedarf. Daß dem« § 1
wenig nachgelebt wird, muß also an der Nachlässigkeit
der Beamten liegen. In diesem! Sinne geht die Antwort an
Becker, der zugleich aufgefordert wird, die säumigen Be-
amten zu benamlen.
Becker denunziert mm tatsächlich acht Beamte, die
<Jaim von der Regierung aufgefordert werden, sich zu
— 70 —
rechtfertigen. Wie die Regierung im März, als die Aj^t-
werten der Beamten alle eingelaufen waren, selbst fest-
stellt, hat das Vorgehen zu keinem greifbaren Ergebnis
geführt. Die meisten Eltern danken Gott, wenn ihre Kin-
der so alt geworden sind, daß sie dienen können.
Gleichwohl verstand sich die Regierung dazu, wenig-
stens eine Einschärf ung der Gesindeordnung vorzunehmen.
Am 14. April 1764 ergeht unter Zustimlmung des Geheimen
Rats ein Regierungsausschreiben mit der imi' die §§ 13 — 15
gekürzten Gesindeordnung von 1736 ins Land*); für die
§§ 13 — 15 erachtete man die Verordnung von 1752 als
genügenden Ersatz. In einem! Nachwort wird die Verkün-
dung von den Kanzeln angeordnet, sowie den Beamten,
die in Durchführung der Gesindeordnung lässig sind,
Strafe angekündigt. Am 12. August 1764 erfolgte ein
abermaliges Regierungsausschreiben, daß die Gesindeord-
nung besser gehalten werden solle ^).
Schon am 27. April, bevor das ami 26. noch nicht
fertiggestellte*) Regierungsausschreiben zu seiner Kennt-
nis gelangt sein konnte, schickte Dr. Becker Bericht über
einen mittelbaren Erfolg seiner Tätigkeit ein. Den Kom!-
mlandanten in den Landstädten war die Mitaufsicht über
die Polizeistrafen übertragen worden. Das hat die gute
Wirkung gehabt, daß Fleisch, Bier, Brot und sonstige
Lebensmittel in einer billigen Taxe geregelt sind. Ferner
ist in Wanf ried Gamisonsordre erlassen, bei Verweigerung
der Annahme von Scheidemünzen die Ware unentgeltlich
mitzunehmen und den Kaufmann dem Kommandanten
anzuzeigen.
Daß eine Warentaxe 1764 in Arbeit war, ist eben er-
wähnt worden. Es ist möglich, daß Beckers Siegesbericht
die zweifelnden Ansichten der Regienmgsräte etwas ge-
») LO. VI, S. 148. - •) Ebenda S. 144. — •) Votum Krafft's
in Sl A. Marburg. Hess. Reg.-Aktcn, Polizei-Rep. F. 48, Nr. IV4.
— 71 —
festig hat. Es lagen ja auch aus jüngster Zeit schon meh-
rere Tarifierungsmuster (für beschränktes Gebiet aller-
dings) vor; die casseler Polizeikommission hatte am 26.
März 1760 die Tagelöhne, ami 31. März 1764 Fuhr- und
andere Arbeitslöhne tarif iert *), und die Regierung selber
hatte unterm 2. April 1763 auf Grund eines kurz vorher,
am 7. März, erlassenen, aml 13. April noch erweiterten
Münzediktes *) angeordnet, daß die Warenpreise herabge-
setzt werden sollten'); die Polizeiordnimg für die Stadt
Marburg vom 16. Septennber 1763*) kündigte dann weiter
den Plan einer Regulierung des Arbeits- und Tage-
lohnes an.
Hiemach ist es nicht weiter auffallend^ daß die Re-
gierung 1764 darangeht, die Erfahrungen im größeren
Umfange zu nutzen. Am' 17. Dezember 1764 trifft sie eine
vorläufige Anordnung, die zunächst nur als Benachrichti-
gung der Beamten gedacht ist*). Hier wird der 1. März
1766 als Tag angesetzt, von dem' an alle Preise und Löhne
— Gesinde namentlich angeführt — auf den Stand vor dem!
Kriege zurückgeführt werden sollen. Wer mehr gibt und
nknmt, muß das Doppelte des zuviel Gezahlten poenae
kxx) an die Armenkasse geben und kann auch noch „mit
willkürlicher härterer Strafe angesehen werden". Und da-
mit jeder die vormaligen Preise kennt, sind aus den Amts-
rechnungen oder sonstigen guten Quellen die Zahlen fest-
zustellen und Serenissimo zur Genehmigimg mitzuteilen.
Nachdem dies wohl geschehen war — Akten fehlen
— gingen 1765 die verschiedenen Taxordnungen in die
Länder.
Bekannt geworden sind von diesen die für das Amt
•) LO. VI, S. 9, 189. - •) Ebenda S. 76, 88. - •) Ebenda S. 79. —
*} Ebenda S. 95 fr., bes. 100; später 1764 für Schmalkafden, 1765 iHr
Hcrefeld, 1767 für Ziegenhain wiederholt (LO.VI. S. 112 ff., bes. 117;
ÜBE, bes. »4; 657 ff., bes. 561). ^ ») Ebenda S. 169.
— 72 —
Neukirchen vom 12. Dezemiber 1764^), Amt Neuenstein
vom 1. Januar 1767*) und vornehmlich die große Tax-
lordnung für die Stadt Cassel vom 6. Februar 1765 ^).
Die casseler Ordmmg hat eine geradezu monströse Gestalt.
Sie tarifiert Löhne und Preise unzähUger Handwerke,
Waren und Arbeiter in alphabetischer Reihe; an seiner
Stelle wird auch der Gesindegeldlohn für etliche Dienst-
boten normiert. „Denen Taglöhnem und dergleichen Ar-
beitern geschiehet hierdurch die ernstliche Anweisung:,
daß bey Vermeydung nachdrücklicher Bestrafung, sich
niemand von ihnen unterstehen soll, jemianden aus der
Ursache, daß ihm der Lohn zu geringe seye^ die Arbeit
zu versagen". Die Strafdrohungen werden im übrig-en
aus dem vorbereitenden Umschreiben vom 17. Dezember
1764 übemoMmen. Nicht in der Taxe enthalten ist
der Fleisch-, Brot- und Weckepreis, denn er „ist bekannter-
msaassen beständig aus der Wochenzeitung zu ersehen**.
Auch die übrigen Viktualien sind in der Taxe nicht berück-
sichtigrt ; für sie wird der Preis je nach der Jahreszeit von
der Polizei bekannt gegeben.
Am 1. Februar 1766 wurde die dasseler Taxe wieder-
holt ; die Gesindelöhne sind nicht verändert *). Eine noch-
malige Einschärfung und Straf drohüng geschah am 15.
April 1766 ö).
Am 2. März 1765, einen Tag nach dem' Inkrafttreten
der verschiedenen Taxordnimgen, sandte die Regierung
zur Kontrolle und Erinnerung, gleichzeitig aber auch mit
dem Hauptzweck, den Beamten die Preisermäßigung von
(fiskalischem) Holz, Kohle und Eisen aufzugeben, ein
Ausschreiben aus*).
') St. A. Marburg, Cass. Reg.-Akteu, PoL-Rep. F. 48, Nr. IV** —
■) St. A. Marburg. Cass. Reg. • Akten, Pol. - Rep. F. 48, Nr. IVi. -
•) LO. VI, S. 180-221. - *) Ebenda S. 816 ff - ») Ebenda S. 870.
— «) Ebenda S. 222.
- 73 —
Neben solchen singtüären Maßnahmfen, wie die Ein-
führung einer allgenieinen Taxe ist, gingen regelmäßig
laufende Anordnungen her. Das ergibt sich aus einem
Ausschreiben der Kriegs- und Dotnänenkammer in Cassel
vom 16. Juli 1765^). Es verweist auf mehrere frühere
Reskripte, letztens vofml 29. August 1764, worin die jeweils
vierzehntägige Einsendung der Fruchtpreise imd Bäcker-
taxen angeordnet wird. Die Kamtn"er stellt fest, „dass
viele Beamte diese Verordnung ausser Augen setzen, keine
Reductiones beyfügen und mlancherley imnöthige Moni-
toria veranlassen"; es werden Formulare beigefügt, die
mit dem vorigen und jetzigen Fruchtpreis und den Brot-
taxen ausgefüllt und alle vierzehn Tage eingesandt werden
sollen.
Wieder einmal kam' aus der Beamtenschaft der Pro-
vinz ein Anstoß zumi Vorgehjen. Aus Gudens^berg lief
Ende Novemlher 1766 ein Bericht ein*) mit den alten
Klagen über die Lohnsteigerung, besonders über das Lein-
säen. Dann beschwert sich der Beamte über das Verlangen
des Gesindes, Sonntags „zäum- und zügellos" zu gehen;
gesteht man ihm! das nicht zu, dann läiift es aus dem
Dienst. Femer — dies ist der ärgste Mißstand, der auch
wieder mit dem' Leinsäen zusammenhängt — läßt sich
das Gesinde zwar den vollen Jahreslohn auszahlen; jedoch
„kommen die Weihnachten, so quittiert die Magd den
Dienst, gehet nach Haus^ spinnet bei der Wohlfeile
des Brodes ihren Flachs und das Holtz zu ersparen in
anderer Leute Stuben, isiset auch wohl mit ihnen, ver-
kauft alsdann das Garn imd profitirt darunter ein großes.
Unterdessen komm>en die Ostern herbei. Das Korn steigt
im Preis. Es wird wieder warmL" Diann werden eben
wieder Mägde nötig. Die wissen das natürlich, machen
sich rar und erzwingen so den ganzen Jahreslohn imd das
9 Ebenda S. 265. — *) St. A. Marburg. Cass. Reg. - Akten,
PoUza-Rep. F. 48, Nr. IV4.
— 74 —
Leinsäen, bleiben aber nur neun Monate, um dann dasselbe
Leben von neuem zu beginnen. Unterstützt werden diese
Machenschaften durch den Mangel an Gemeinsamikeits-
gefühl bei den Herrschaften, der sie hindert, den ihrer
Macht bewußten Mägden ihrerseits mit gleicher Stärke
entgegenzutreten.
Der Berichterstatter empfiehlt Erlaß einer Taxe mit
schweren Strafen auf Überschreitung, Verbot des Lein-
säens, Besteuerung der ledig Sitzenden sowie Verlegung
der Ziehzeit auf Johannis, da so dasf Ledigsitzen von Weih-
nachten bis Ostern unmöglich gemacht werde.
Die Regierungsräte stimmen dem Gedanken einer
Taxe zu; dagegen wollen sie die Ziehzeit ins Ermiessen.
der Herrschaft stellen und das Leinsäen nicht verbieten,
da eine Umgehimg durch Säen für fremde Personen zu
leicht ist. Auch eine Besteuerung der ledigsitzenden Per-
sonen erscheint den Gutachtern nicht praktisch, da solche
Personen dadurch zum Auswandern getrieben würden;
vor einer öffentlichen Äußerung sollen jedoch noch die
Beamten im" Lande gehört werden.
Eine entsprechende Anfrage wird am' 5. Dezember
an verschiedene Oberschultheißen imd Amtmänner, die
Regierung zu Marburg und den Comlmissarius Dr. Becker
in Wanfried abgeschickt. Das Ergebnis dieser Umfrage
mußte die Regierung sehr zufriedenstellen. Nicht weniger
als 21, zum Teil sehr ausführliche Originalberichte hatte
sie Ende April 1767 in Händen, und zwar aus folgenden
Orten: Cassel, Marburg, Ziegenhain, Rotenburg, Boven-
den, Wanfried, Reichensachsen, Witzenhausen, Allendorf,
Germerode, Abterode, Eschwege, Bischhausen, Hersfeld,
Neuenstein, Schenklengsfeld, Helmershausen, Herrenbrei-
tungen, Steinbach, Brotterode und Schmalkalden.
Diese verschiedenen Berichte geben ein ungemein
wertvolles Material nicht nur zur Geschichte des Gesinde-
wesens und -rechts, sondern auch zur Geschichte der da-
— 75 —
mals im Umlauf begriffenen juristischen und nationalöko-
nomischen Ideen; ein näheres Eingehen darauf ist daher
unumgänglich.
Fast einstimmig sind alle Gutachter für Verbot des
Leinsäens, das mit der unerträglichste Mißstand im' Ge-
sindewesen ist; nur aus Eschwege, Herrenbreitimgen,
Schmalkalden imd Steinbach wird berichtet, daß Lein-
saen dort imbekannt ist. Die Begründungen des Vor-
schlags, das Säen zu verbieten, sind fast stets die gleichen :
das Gesinde verwendet mfehr Sorgfalt a\if das ihtail zuge-
wiesene Land, imd es wird zum! Ledigsitzen von Weih-
nachten bis Ostern veranlaßt.
Fast mit derselben Einmütigkeit, wie die Bericht-
erstatter in der Frage des Leinsäens der Regierung zu-
stimmen, lehnen sie den Vorschlag, die Ziehzeit des Ge-
sindes auf Johannis festzulegen, ab, da der Gesindeherr
clann ja mitten in der Arbeit auf neues Gesinde angewiesen
wäre. Der in der Tat merkwürdig törichte Gedanke der
Regierung, Johannis als Ziehzeit zu wählen, wird gleich-
wohl von drei Beamten gebilligt (Hersfeld, Neuenstein,
Rotenburg); andere empfehlen Walpurgis, wo die Land-
arbeit noch nicht so dringend ist, wieder andere Lichtmeß,
Michaelis, Neujahr.
Der Plan der Regienmg, die Eltern von zu Hause
sitzenden Kindern zu besteuern oder ru bestrafen, wird
nur von wenigen geradezu abgelehnt.
Die meisten sind sehr ungehalten darüber, daß die
niit Spinnen beschäftigten ledig sitzenden Mägde „ihre
Caressen mit denen beiu-laubten Soldaten prosequieren**,
wie Dr. Becker in Wanfried sich ausdrückt.
Eine ziemliche Übereinstimmung herrscht auch darin,
daß die Abschiede imd die Atteste außer Gebrauch ge-
konmien sind, imd daß hier Maßregeln zu ergreifen sind.
Dagegen besteht äußerlich keine Einigung der Be-
richterstatter über die Wirkung und Möglichkeit einer
— 76 —
Lohntaxe. Ungefähr gleich sind beide Parteien, die ent-
weder völlig ablehnen oder zustimmen. Bemerkenswert
ist allerdingrs, daß die Zustimimtmg meist ganz kritiklos
erfolgt; nur die Ablehnenden zeigen, daß sie von einigrer
Gedankenarbeit angekränkelt sind. Die Hauptgründe für
Ablehnung liegen in der Preissteigerung durch den Krieg",
wodurch auch viel schlechtes Geld in Umlauf gekomlmen
ist, in der Untniöglichkeit, die Warenpreise zu tarifieren,
der verschiedenen Schwierigkeit oder Güte der zu ent-
lohnenden Arbeit, in der Konkurrenz der Fabriken und
vor allem des benachbarten Auslands. Diesen letzten
Grund führen besonders Herrenbreitungen, Schmalkalden
und Nachbargebiete, Marburg und Bovenden an, die meist
mitten in fremidem Gebiet liegen^).
Öer einzige, der den Vorschlägen der Regierung mit
demVersuche einer Begründimg zustimimt, ist der Amtmiann
Hüpeden in Rotenbm-g. Gewiß ist, sagt er, die Arbeit
an den einzelnen Orten oder bei den einzelnen Brotherren
verschieden schwer, sodaß es imgerecht wäre, für leichte
und schwere Arbeit den gleichen Lohn festzusetzen. Jedoch'
auch an Orten, wo die Arbeit sauer ist, wird es Leute
geben, die lieber dort arbeiten, wo. sie es gewohnt sind,
„und über das wird an diesem! Ort der Knecht sein Mäd-
gen und die Magd ihren Knecht haben, welche eines dem
andern zu gefallen an dem Orte bleiben und dienen".
Femer bedingt schwere Arbeit stets geringere Arbeits-
zeit. Die Schwierigkeiten sind also nicht so groß, daß
sie einen Normiallohn für das ganze Land unmöglich
machen, zumlal der Vorteil des Publikums überwiegen muß.
Es braucht nicht gesagt zu werden, daß mit diesen
Gedankensprüngen Hüpedens, so erfreulich und lieblich
0 Der Amtmann Bauer in Herrenbreitungen bemerkt, dass
dieser Umstand für ganz Hessen einer Regelung der Lohnhöhe hin-
dernd im Wege stehe, „indem", wie er ungewollt ironisch sagt, „die
mehreste Aemter ebenwohl an der Grentze liegen".
— 77 —
die einzelnen Etappen auch sind, weniger bewiesen wird,
ak Hüpedeii beweisen nrißchte. Und zudemi übersieht er
die großen übrigen Gesichtspunkte, wie Warenpreise und
Konkurrenz des Auslandes.
Auch die sonstigen Ausführungen Hüpedens, die ganz
m merkantilistischen Bahnen sich bewegen, sind inter-
essant zu verfolgen. Zunächst schlägt er als Taxe einen
in seiner Niedrigkeit unmöglich durchführbaren Lohn vor,
dem entsprechend das Mietgeld in seiner Höhe begrenzt
wird. Mit dem! Geld kann das Gesinde nach seiner Ansicht
wohl auskomlmen, wenn ihm nur die Gelegenheit abge-
schnitten wird, auf den Kirmessen zu viel auszugeben.
„Da hat jeder Knecht sein Mädgen das er zum' Tanze
führet und bedienet. Da vor giebt das Mädgen ihren
Tantz Knecht einen Strauß mit Bändern und ein Schnupf-
tikch; wann nun dieses? noch nach der alten einfältigen
Art geschehe, so würde es nichts zu bedeuten haben, allein
um seinen Liebhaber sich recht gefällig zu erweisen, kosten
Strauß und Schnupftuch über 2 bis 3 Rthlr. und dagegen
braucht der Knecht vor die Musicanten "und andere
Kirms-Ausgaben auch bey 3 Th." Daher will Hüpeden
die Kinnessen auf 3 Tage beschränken imd Strauß tmd
Schnupftuch verbieten^).
Schließlich klagt Hüpeden noch, daß der Herr eigent-
&t gegenüber dem! Gesinde ganz miacht- und rechtlos
ist. Schlägt er dasi Gesinde, so läuft er Gefahr, gestraft
zu werden ; verklagt er es, so wird er verschrieen. Daraus
folgt dann, „daß das Gesinde thut was es will, und die
Herrschafft darf es nicht unfreundlich ansehen."
Auf einen ganz anderen Ton ist das zu entgegenge-
*) Obrigens erklärte auch Dr. Becker in Wanfried die Kir-
nicssen für ein so grosses Übel, dass man sie im ganzen Lande auf
*cbt Tage zusammenlegen mCksse, ein Vorschlag, auf den ein Regie-
i^iQgsrat fragte, woher man denn dann die Musikanten bekommen
solle?
— 78 —
setzten Ergebnissen komfmiende Gutachten des geheimbden
Commercien- und Hof-Cammerrathes Jakob Christian
Uckermannzu Germerode gestimmt. Er tritt den Aus-
führungen der Regierung mit einem' überraschenden Ra-
dikalismus entgegen, der bisweilen allzu weit über das
Ziel hinausschießt. Es ist ein RadikaUsmus, geboren aus
prinzipieller Opposition gegen die Regienmg und die Ar-
beitgeber, der einem' mitten in den servilen Berichten der
anderen Amtmänner wohl tun kann.
Das Projekt der Regierung scheint ihm „mit allzu
befangenem iudicio für das interesse derer Brodherm"
abgefaßt m sein — vom einseitigen Untemehmerstand-
pimkt, würde es heute heißen. Man darf den Dienstboten
den Verdienst nicht schmälern, „weilen die dienstbotten
gleichwohlen keine sklaven sind, sondern zu einem Stand
gehören, woran dem; gemeinen wesen eben so sehr, als dem
menschlichen Körper an arm^en und beinen gelegen ist**.
Der (bedanke eines Maximiallohnes ist zu verwerfen. In
den jungen Jahren gerade, wo die Leute stark und tüchtig^
sind, müssen sie etwas vor sich bringen, damit sie später
zur Erziehung ihrer Kinder, oder im' Alter etwas haben,
„wenn nicht das aerarium' rei publicae diese onera selbsten
bestreiten, oder das gemeine wesen mit Bettlern, Dieben
und dergleichen Gesindel überschwemmt seyn, oder end-
lich ihre für alter und sonstigen Schwachheiten ohnver-
mögende Bürger verhungern und verk<Änmen lassen will."
Dementsprechend, daß also ein Überschuß herauskommt,
muß der Lidlohn normiert sein. Aber seine Höhe vor-
her in concreto oder in abstracto zu bestiminien, ist un-
Imöglich. Zudem, führt Uckermann weiter aus, wird eine
Taxe die Dienstboten noch seltener machen, da ein Tage-
löhner, wie Uckermiann umständlich ausrechnet, mehr ver-
dienen kann als ein Dienstbote, der „offtermahlen von
demselben (dem' Brotherrn) und denen seinigen die un-
erträglichsten indignitaeten ausstehen muß"; dazu muß
— 79 —
das Gesinde das ganze Jahr dem Herrn zur Verfügrung
stehen. Tarißert tnlan den Gesindelohn, dann werden nur
noch faule luid liederliche dienen wollen ; die guten Kräfte
verdienen im Tagelohn mfehr.
Die Mißbräuche, daß das Gesinde Sonntags sich um-
hertreibe, und im' Winter ledig sitze, „scheinen nur bloß
ad invidiam des Gesindes exaggeriret**. Werm so etwas
vorkommt, dann wird es mehr von der Herrschaft als von
den Dienstboten verschuldet, die sich hüten werden, einen
guten Dienst ru verlassen. Dazu bringt es dem Gesinde
pekuniär gar keinen Vorteil, wenn es im' Winter nicht
in Dienst geht ! „Und was soll denn einen Dienstknecht
in diesen Winter Monaten heimzugehen veranlassen ? Denn
solche pflegen doch an denen wenigsten orthen zu spiimen.
Schade! daß der Verfasser des antrags denenselben nichts
zu thun gegeben hat . . .". Niu- dort komimt Ledig-
sitzen vor, wo geizige Brotherren in den stillen Winter-
monaten das Gesinde nach Hause schicken, damit sie es
nicht zu verköstigen brauchen.
Weiter erklärt Uckermann jene Ansicht für grund-
falsch, nach der die Brotherren die schwächere Partei
darstellen, weil sie nicht gleichgesiimt seien. Das sind
die Dienstboten aber noch viel weniger. Die Herrschaften
können sich korrespondieren und überhaupt leichter ver-
ständigen als die armen, in ihrer Zeit beschränkten Dienst-
boten, „rumahlen der Vorwand, daß die Dienstbotten die
nothwendigkeit ihres Dienstes wüssten, durc^h den ent-
gegen stehenden umlstand, daß auch denen brodherren
die bedürfftigkeit derer Dienstbothen nicht unbekannt sey,
hahnciret und überwogen wird**.
Der zweite Teil von Uckermanns Gutachten enthält
weniger bedeutungsvolle, vorwiegend juristische Ausfüh-
ningen.
Man meint stellenweise, den verärgerten germeroder
Amtniaim vor sich zu sehen, wie er am Schreibtische sitzt
— So-
und sich freut, wenn er wieder eine besonders wirksame
Bosheit herausgefunden hat, die er der Regierung erge-
benst tmterbreitet. Dabei muß er sich die Grundlagen für
seine Deduktionen bisweilen arg mrecht miachen, wofür
ein Rechenexempel zum' Vergleich zwischen den Kosten
des Dienens tuid des Ledigsitzens charakteristisch ist.
Aber als erstes und einziges Dokumlent für eine rein von.
dem Standpunkt der Dienenden aus gewonnene Anschau-
ung eines den höheren Ständen angehörenden Mannes
verliert dadurch der Bericht nichts von seiner Bedeutung.
Er ist der einzige, dem! ein starker Pessimismus gegenüber
der landesväterlichen Fürsorgepflicht für die bedrängten
Untertanen innewohnt.
Unter den sonstigen berichterstattenden Beamten he-
ben viele die Verschiedenheit der städtischen und länd-
lichen Gesindearbeit hervor, woraus sie herleiten, daß
der Lohn städtischer Dienstboten nicht so hoch wie der
der landwirtschaftlichen zu sein braucht. Zwei berichten
dazu mit Entrüstung, daß der Luxus des Kaffeetrinkens,
der noch vor kurzer Zeit sogar für die Herrschaften etwas
Unerhörtes gewesen, nun auch beim! städtischen Gesinde
eingerissen sei ; Dr. Becker in Wanfried bemerkt freilich :
„ob nun gleich der Gaffe sehr dünn und schwach ge-
machet, der Zucker auch sparsam dabey verhandreichet
wird".
Dr. Becker hält jetzt übrigens eine Lohntaxe für
ebenso unmöglich, wie eine solche für die Handwerker für
praktisch durchführbar; als Beweis für diese letzte An-
sicht führt er an, daß die Schneider in Wianfried wider
alles Reglem«it sich zusamimen getan und sich selbst eine
erhöhte Taxe gemacht haben. Über eine bereits erlassene
Taxe wird ferner aus Neuenstein berichtet, die hier seit
1. Januar 1767 in Geltung ist^). Die Löhne sind im
») Oben S. 72.
— 81 ~
Vergleich mit den anderswo gezahlten so niedrig, daß
damit schon dieser Taxe kein langes Leben gegeben war.
Die Naturalien sollen zudem noch in die Taxe eingerechnet
werden.
Überraschend günstige Verhältnisse scheinen in der
thüringischen Enklave Schmialkalden gewesen zu sein. Der
Schultheiß Henkel berichtet, daß nach den ihm zugegan-
genen Nachrichten alle die von der Regierung aufge-
lählten Mißstände von ihm nicht angetroffen sind. Man
empfindet den Lohn in der Höhe, die man der ausländi-
schen Konkurrenz wegen zugestehen muß, nicht als hart;
es geht nicht aus den Berichten hervor, ist aber wahr-
scheinlich, daß Naturalien im Lohn eine besonders große
Rolle spielen.
Der Amtsschultheiß Vilmar in Brotterode nennt ge-
radezu als Grund, weshalb die Mißstände dort nicht vor-
kommen, das völlige Fehlen großer Bauerngüter,
wo die Sorge um Beschaffung des Gesindes natürlich
größer wäre, als bei kleinen Bauern and Bürgern. Gerade
die von Vilmar noch weiterhin getane Äußerung hat auf
die Regierung wohl endgültig bestimmend gewirkt : „Ein
vemünfftiger Brod-Herr setzt ab und thut hinzu ex mero
arbitrio, darnach sich sein Gesinde treu und fleißig ver-
hält, und über das ist hiesigen Amts wegen der Tobacks-
und Zwim-Fabricken das gesinde ohne dies seltsam und
rahr, das von fremden orthen aber lasset sich hierin keine
gesetze vorschreiben." Um' diese zuletzt erwähnte Schwie-
rigkeit aus dem Wege zu schaffen, schlagen manche Be-
richterstatter Übereinkommen mit dem Auslande vor.
Verschiedene Gutachten machen schließlich auf die
durch die Aushebungen zxmi Militär hervorgerufenen Miß-
stände aufmerksam. Aus Herrenbreitungen wird sogar ge-
Jneldet, daß man dort inländische Knechte gar nicht an-
nehme, weil mian stets befürchten muß, daß sie eingezogen
werden. Mehrere Male wird die Bitte ausgesprochen, das
KSnnecke. 6
- 82 —
jährliche Garnisonexerzieren nicht wie bisher gerade in
die Zeit der Ernte zu legen, sondern damit bis nach den
landwirtschaftlichen Arbeiten zu. warten.
Es war eine Fülle von Anregungen, die die Regierung
laus allen diesen Berichten entnehmlen konnte. Wie es
zu erwarten war, fanden in der wichtigsten Frage, der Tari-
fierung, die beiden von den Atntmännem vertretenen An-
sichten Anhänger. Allerdings blieb der Regierungsrat
B e r n e r, der sich im' wesentlichen auf Hüpedens Stand-
punkt stellte, allein; die übrigen Räte schlössen sich dem
Gutachten des Vizepräsidenten der Regierung, Wülck-
n i t z, an.
Bern er argumentierte so: Wenn auch der tatsäch-
lich gezahlte Lohn gegenwärtig je nach der Schwere der
Arbeit in den verschiedenen Ämtern ungleich ist, so ist
die Verschiedenheit doch nicht so groß, daß sich nicht
ein Dtu-chschnitt als Maximum' fixieren ließe. Jedenfalls
ist dies besser, als es der Willkür der Parteien zu über-
lassen, weil dadurch Prozesse entstehen und einer es dem
andern in der Bezahlxmg gleich tun will, was aber unmög-
lich ist. Das ausländische Gesinde, das in seiner Heimat
nicht bleiben will, muß sich den hessischen Gesetzen unter-
werfen. Die Auswanderung aus Hessen muß z. B. durch
Konfiskation des Vermögens gehindert werden. Bemer
stellt dann eine ziemlich niedrige Taxe auf, deren Über-
schreitung ebenso bestraft wird, wie Gewährung von Natu-
ralien und zu guter Kost. In den übrigen Fragen schließt
Bemer sich der herrschenden Meinung der Beamten im'
Lande an.
Es ist fast selbstverständlich, daß die Gedanken Ber-
ners über die Tarifierung von den übrigen Räten nicht
geteilt wurden. Einem' glänzenden Gutachten des Vize-
präsidenten Wüleknitz folgten die übrigen Mitglieder
der Regierung fast ohne Abweichimg.
Nach Wülcknitz Meinung ist es praktisch undurch-
— 83 —
fährbar, eine Taxe durchsetzen zu wollen. „Siehet man
aber zum voraus, daß ein landesherrliches Gesetz nicht
gehalten werden wird, noch kan, ist weit rathsamer, solche
nicht zu promulgieren, da m^hr Unheil als gutes daraus
entstehen würde." Ehe mlan nicht durch Reduktion der
übrigen Preise hier die Quellen verstopft hat, was man
aber bei der Verderbtheit der Menschen nicht vornehmen
kann, darf an Festsetzung eines Maximiallohnes nicht ge-
dacht werden. Sodann würde Fleiß tmbelohnt bleiben,
da ein guter Knecht die Hoffnimgslosigkeit, empor zu
kommen im Verdienst, einsehen mtiß. „Ein Arbeiter ist
audi seines Lohnes werth, mancher arbeitet für zwey, ist
dabey geschickt und treu, so daß sein Brod-Herr ihm!
alles anvertrauen kan, und würde es also nicht unbillig
sondern vielmehr Recht seyn, daß selbiger 5, 10 und
20 Rthlr. mehr an Lohn em|pf inge als ein anderer, auch
dieser Zusatz Üer Brod-Herrschaf t gewis drey- und vierfach
j ersetzt werden.** Und schließlich — dies geht wohl auf
den Eindruck der Uckermlannschen Ausführungen zu-
^ rück — wird man bei einer guten Herrschaft gern unH
i ein geringeres dienen, als anderswo. Auch eine Klassen-
' einteilung in Groß-, Mittel- usw. Knechte wäre verfehlt ; da
würde eben jeder nur als Großknecht dienen wollen, ohne
da£ das Alter da eine genügende und gerechte Einteilung
bieten würde. Wollte man femer Ausländem verbieten, in
Hessen zu dienen, so könnte damit leicht Gegendruck
hervorgerufen werden, worunter Hessen schließlich am'
meisten leiden würde, da über die Hälfte der Dienstboten
nicht Landeskinder sind. Die Auswanderung sOdann ist
schon genügend eingeengt; eine Konfiskation würde die
Armen nicht hindern, gleichwohl das Land zu verlassen.
Im Sinne Wülcknitzens ging dann am' 16. Juli
1767 ein ausführlicher Bericht an den Geheimen Rat ab.
Er enthielt an Vorschlägen: 1. Verbot des Leinsäens,
2. Festlegung der Ziehzeit für die Schäfer auf Walpurgis,
— 84 —
3. Strafandrohung an die Beamten (10—20 Th.), die nicht
genau auf die Durchführung des § 1 GO. achten, der die
Zahl der zu hause sitzenden Kinder beschränkt, 4. Be-
strafung des Abspenstigtniachens, 5. Verlegung des Garni-
sonexerzierens.
Kein einziger dieser Vorschläge war dem Geheimen
Rat genehtn. Er beschloß nur, den Becker'schen Bericht
dem* KriegskollegiumI einzureichen, damit dies sich über
die Klagen wegen des Exerzierens orientieren sollte; fer-
ner genehmigte er, daß die Beamten angehalten werden,
besser als bisher über die Gesindeordnimg zu wachen, aber
ohne Strafandrohung. Dementsprechend erhielten die Be-
amten a!m 12. August 1767 Nachricht von der Regierung ^).
Die große, vom gudensberger Bericht veranlaßte En-
qufite über das Gesindewesen hatte also so gut wie keinen
praktischen Erfolg. Diese Tatsache hat eine hervorra-
gende Bedeutung in der Geschichte des hessischen Ge-
sinderechts. Sie bedeutet die Statuierung des laissez faire
in Fragen des Preises und Lohnes für das ganze Land.
Zwar hatten schon die Verfasser der hanauischen Gesinde-
or'dnimg von 1748, wie später zu zeigen sein wird, den
Grundsatz der freien Lohnbestimmung für die Provinz
Hanau aufgestellt. Aber es* hat den Anschein, als wäre
das nur ein Versuch an kleinem Objekt gewesen, den mlan
gewagt hatte, ehe man eine Ausdehnung^ auf das ganze
Land unternehmen konnte. Und 1764 erfolgte ja noch
ein ziemlich gründlicher Rückfall. In der Zukunft stand
m!an endgültig davon ab, das Gesindewesen auf dem' Um-
wege einer Lohnpolitik zu ändern. Es gab noch genug
andere, für die bescheidenen hessischen Verhältnisse aus-
reichende Möglichkeiten hier vorzugehen. Vor allem wur-
den noch auf lange hinaus die Bestinünlungen über das An-
halten von Kindern imd Müßiggängern zum! Dienen bei-
behalten; erst 1816 beim Erlaß der Gesindeordnung für
*) LO. VI, S. 442.
- 85 -
Fulda entschloß inian sich, sie wegzulassen. Es hätte doch
riel näher gelegen, auch physiokratischen Grundsätzen
enisprochen, außer der Freiheit des Preisverkehrs auch
dk der wenigstens theoretischen Selbstbestimlm'ung des
Berufes als Prinzip aufstellen.
Zxmächst gab es für die Idee der Tarif ierung noch
ein paar tragikomische Nachspiele zum Abschied. Der
übereifrige Amtsschultheiß Holland in Neukirchen
hatte, gestützt auf die Beamtenpflicht, alles zum Besten
des Staates zu tun, sowie auf die verschiedenen obrigkeit-
lichen Erlasse, welche Reduzienmg der Preise und Löhne
auf den Stand vor dem' Kriege anordneten, im Jahre
1767 eine Visitation des ganzen Amtsbezirks imtemomlmen
und festgestellt, daß in keihem Falle die vor dem» Kriege
üblichen Löhne gezahlt wurden, und daß Attestate ganz
aus der Übung gekomimen waren. So hatte er von seiner
Befugnis Gebrauch gemacht, beide Parteien umi das Du-
plum des zuviel gezahlten ru strafen und zusamimen 592
Th. Geldstrafen diktiert. Daraufhin liefen insgesamt vier-
> zehn, meist von einer Anzahl Personen gemeinschaftlich
I abgeschickte Beschwerden bei der Regierung ein, die
binnen kurzen* aus den Berichten mit den anliegenden
* Nachweisen ein Aktenstück . von gut zweihundert Blatt
zusanunenstellen konnte. Die Bittschreiben kamen von
Herrschaften und Dienstboten, sogar die gesamten Gre-
ben des Amtes richteten eine einmütige Beschwerdeschrift
mit Nachweisen für sämtliche Orte an die Regierong.
Die Regienmg forderte von Holland Bericht über die
Angelegenheit. Dieser bat dringend, die Strafen nicht zu
erlassen, da sein Vorgehen schon Erfolg gehabt habe.
In den Beratungen der Regierung tritt wieder der ge-
wohnte Gegensatz zwischen Bemers und Wülcknitzens An-
schauungen hervor. Wülcknitz, dem die anderen Räte
' wiederum beitraten, erkennt nur die Strafen wegen Unter-
lassung der Zeugniserteilung als gerecht an. Die Strafen
— 86 —
auf Überschreitung der Taxe dagegen will er erlassen.
Denn § 6 der Gesindeardnung setze einen der Arbeitsart
proportionierten Lohn fest; zwar heißt es inü folgenden,
daß von dem hergebrachten Lohn nicht abgegangen iver-
den soll, doch wird dies durch das „nicht leichtlich'* ab-
geschwächt, somit den Parteien Freiheit gelassen. So-
dann hätte Holland die Unmöglichkeit der Durchführung:
einsehen müs^n, da die Preise noch nicht gefallen sind,
imd die Hebung des Ackerbaus besondere Mühe fordert.
Hiermit zeigt Wülkniti, wie leicht es ist, eine Bestimmung'»
die ihrem ganzen Wesen nach als Übergangsstation zwi-
schen zwei entgegengesetzten Prinzipien zu verstehen ist,
im' Sinne der neuen Ideen zu deuten.
Die Strafen wurden dann auch erlassen, wobei jedoch
dem gestraften Gesinde (nur diesem!) bedeutet wurde,
„daß Serenissimus aus besonderen Gnaden die Straffe
vor dasmahl erlassen hätten".
Noch imimer ging man nicht daran, die Verordnung
von 1764 za beseitigen, sei es aus Scheu, die theoretische
Überzeugung in die Praxis zu übertragen, sei es aus Furcht
vor zu schneller Änderung des Gesetzes und in der An-
nahme, das Ungeschicklichkeiten, wie sie Holland mit der
konsequenten Durchführung des Gesetzes begangen, nicht
zu oft vorkommen würden. Und doch wurde die Regierung
durch einige weitere Vorkomimlnisse darauf hingewiesen,
daß ein Vorgehen gegen das Gesinde mit Taxen, Kinder-
dienstzwang usw. nicht ersprießlich sein konnte, im' Gegen-
teil unerwünschte Kam|>fmtaßnalunen von ganz unerwar-
teter Seite hervorrufen mußte.
1776 hatte nämlich die dartnistädter Regierung
Schritte untemomim^n, um ejxie Zurückziehung der in
Hessen-Cassel als Gesinde dienenden darmstädtischen Un-
tertanen durchzusetzen^). Auf einen übertreibenden Be-
^) St A. Marburg. Cass. Finanzkammer-Archiv 88, Nr. 7, Gene-
ralia (1776-1792).
- 87 -
rieht des Amtsiats Bode in Neuenstein forderte die casse-
1er Regierung: Gutachten, obwohl aus Daimstadt eine be-
ruhigende Auskunft eingegangen war. Das Ergebnis der
Untersuchtmg war, daß von Darm^tadt her allerdingsl
vorbereitende Maßnahmen in der ang^ebenen Richtung
getroffen waren; diirch ungeschicktes Vorgehen des Re-
gierungsrates Haiwachs in Alsfeld scheint die Nachricht
davon in der beunruhigenden Gestalt an die Öffentlichkeit
gekommen zu sein. Der Landrat von Dalwigk in Lützelwig
dagegen hält das Ganze nur für eine — leider schon von
Erfolg herleitete — Finte des Gesindes, das den Lohn in
die Höhe treiben wolle. Weitere Schritte in dieser An-
gelegenheit sind nicht erfolgt.
d) 1785.
Eine neue Etappe in der Gesinde-Gesetzgebung be-
deutet die Verordnung vom! 16. September 1785 über das
Borgen des Gesindes^). Es ist eine zivilrechtliche Neu-
redaktion des § 14 der Gesindeordnung von 1736, so wie
die Verordnung von 1752 eine Umbildung der §§ 13—15
in strafrechtlichem Sinn war. Der Inhalt ist kurz der,
daß künftig dem Gesinde auf den Namien der Herrschaft
nur nach deren schriftlicher Erlaubniserteilimg kreditiert
werden soll. Von wem die Anregung ausging, ist imbe-
kannt; sicher ist nur, daß die Regierung keinen Teil
daran hatte. Vielleicht kann der Anstoß von der Polizei-
konttnission. Diese ging später bei der Neuschaffung
des Gesinderechts 1797 von der halberstädter Gesinde-
ordnung von 1765 aus, die in Tit. IV § 4 eine gleiche
Bestinttnung enthält wie die hessische Verordmmg vom
16. September 1785.
Jedenfalls forderte am 22. Juli 1785 der Geheime
Rat die Regierung auf, einen Entwurf zu einer Verord-
') St A. Marburg. Cass. Reg.-Akten, PoUzei-Rep. F. 48, Nr. 8.
— 88 —
nung einzuschicken, ^,daß niemand dem.' Gesinde, ohne
vorgängige Rückfrage bey der Brodherrschaft, und darauf
erfolgte Bewilligung, an Geld, Waaren, oder wie es sonst
Natmen haben mtag, es sey unter weldhem Vorwand es
imimler wolle, das mindeste dreditiren; widrigenfalls die
Herrschaft, das geborgte za bezahlen, nicht gehalten seyn,
sondern der Betrag oder Werth dem; Creditori lediglich zur
Last bleiben, und dieser, mit seiner allenfalsigen Klage
gegen den Brodherrn, von dem Gericht sofort abgewiesen
werden solle/*
Der von der Regierung darauf eingereichte Entwurf
stimmt fast wörtlich mit diesem Erlasse des Geheimen
Rats überein, ein Zeichen dafür, daß der Regierung kein
Anteil an der Findung des Gedankens zukommt. Mit
einigen Änderungen und Vermehrungen wurde die Ver-
ordnung gebilligrt und am 16. September 1785 vom Land-
grafen Friedrich II. unterzeichnet*). Das ganze hat wenig
mehr als acht Wochen gebraucht, um' fertig zu werden.
Vielleicht nahm die Regierung an, daß für das Ge-
sinde nun auf einige Zeit genug geschehen sei. Wenigstens
verhält sie sich 1792 auf einen Bericht des Landrats von
Dalwigk zu Lützelwig über die Mängel im Gesindewesen
wohlwollend ablehnend*), Sie empfiehlt Dalwigk, er
möge mit mehreren benachbarten Landräten über die
Fragen konferieren und dann nochmals berichten. Aus
der Antwort der Regierung, wenn sie auch äußerlich
keinen Unterschied von anderen Regierungsäußerungen
aufweist, klingt wirklich etwas Müdes heraus ; man glaubte
in die Gesindeverhältniäse des Landes soweit eingeweiht
zu sein, daß auch die neuen Klagen Dalwigks nichts
absolut Neues bringen konnten, daß jedenfalls ein ge-
setzgeberisches Vorgehen dadurch nicht nötig werden
würde.
*) LO. VI, S. 1215. — *) St. A. Marburg. Akten des casselcr
Finanzkammfer- Archivs 38, Nr. 7, Gencralia (1776— 17»2).
- 89 ^
e) 1797.
Die nun folgenden Ereignissfe der europäischen hohen
PoUlik in Verbindungr mit der großen Zeit des Natur-
rechtes hatten den einen offenbaren Einfluß auf die Ge-
staltung des 'Gesinderechtes, daß im Laufe der Zeit in den
Landern des Zwangsdienstes diese Einrichtung abgeschafft
wurde. Die Literatur, die der Revolution voranging, hat in
Deutschland freilich wenig genug den alten Standpunkt
der Polizei- und Gesindeordnungfen verlassen, wofür K r ü -
nitzens^) kleinliche Nützlichkeitsweisheit ei» Beispiel
ist. Imln^rhin aber drang auch bei Krünitz eine ganze
Menge von neuer Anschauung durch; er betont oft an
rielen Stellen, wie die Schuld an den Übeln Verhältnissen
im Gesindew^esen auf beiden Seiten liegt.
Auch Dorn*), der nürnberger Gesindeschriftsteller,
vertritt die Ansicht, daß das schlechte Gesinde von den
schlechten Zeiten herkomtmt: „Kann auch das Gesinde
gut seyn tuiter Menschen, die nicht besser sind ? Kann es
reine unverfälschte Sitten haben, da wo die Verdorbenheit
der Sitten bei allen Ständen so sehr um' sich gegriffen hat ?
Ferner kann es denen treu und gehorsam' seyn, welche
nicht die geringste Treue noch Sorgfalt' beweisen, welche in
ihren Forderungen unersättlich und in ihren Befehlen Des-
poten sind? Kann es endlich Liebe hegen gegen die,
welche nicht die geringste menschliche Em'pfindung von
sich blicken lassen, welche es vielmehr zu dem! beständigen
Ziel ihrer unerträglichsten Launen tmd zu dem alleinigen
Gegenstand ihres Hasses und ihrer Verachtung machen?**
Kants Stellungnahme ist m!aß voller abwägend,
aber doch der fordernden Theorie voll, öffentlichrecht-
lich erkennt er dem Gesinde, femer Tagelöhnern und
*) Krönitz, Encyclopädie, Bd. 17, S. 566fr. — *) Lorenz
Dorn, Versuch einer ausfQhrlichen Abhandlung des Gesinderechts,
Erlangen 1794.
— 90 —
„allem Frauenzimhier" die volle Bürgereigenschaft ab und.
läßt diese Personen nur als Staatsgenossen gelten^). In
einem besonderen Kapitel der Rechtslehre „Das Ha.us*
herren-Recht** als „des Rechts der häuslichen Gesell-
schaft" drittem Teile*) stellt Kant dann das Gesindever-
hältnis ganz wie später Gierke als eine „häusliche" bezw.
„hausherrliche Gesellschaft" hin, „welche eine ungleiche
Gesellschaft (des gebietenden oder der Herrschaft und
der gehorchenden, d, i. der Dienerschaft) . . . sein würde".
In dieser Ijiäuslichen Gesellschaft gehört das Gesinde ,,zu
dem Seinen" des Herrn, und zwar der Form' nach „gleich
als nach einem Sachenrecht", „denn der Hausherr kann,
wenn es ihm entläuft, es durch einseitige Willkür in seine
Gewalt bringen", ebenso wie der Eigentümer sein Eigen-
tum von jedem! Besitzer zurückfordern kann^ „ehe noch
die Gründe, welche sie dazu vermocht haben mögen, und
ihr Recht untersucht werden dürfen". In der Ausübung
seines Rechtes aber kann sich der Herr nie als Eigentümer
des Gesindes betrachten. Nur durch Vertrag ist das
Gesinde in des Herrn Gewalt gekomJm^n. Es ist aber ,^cin
Vertrag ..., durch den ein Teil zum' Vorteil des andern
auf seine ganze Freiheit Verzicht tut, mithin aufhört, eine
Person zu sein, folglich auch keine Pflicht hat, einen Ver-
trag zu halten, sondern nur Gewalt anerkennt, in sich
selbst widersprechend, d. i. null imd nichtig". „Dieser
Vertrag also der Hausgemeinschaft mit dem Gesinde kann
nicht von solcher Beschaffenheit sein, daß der Gebrauch
desselben ein Verbrauch seüi würde, worüber das Ur-
teil aber nicht bloß des Hausherrn, sondern auch der
Dienerschaft (die also nie Leibeigenschaft sein kann) zu-
kommt ; kann also nicht auf lebenslängliche, sondern allen-
falls nur auf bestimimte Zeit, binnen der ein Teil dem
andern die Verbindung aufkündigen darf, geschlossen wer-
^) In der Rechtslehre. (Ausgabe der Philosophischen Bibliothek
S. 158). Vgl. £. Hey mann, Sav.-Z. 1907, S. 602. - *) Ebenda S. 9801
— 91 —
den". Der Krfolg dieser Ideen Kants war die Aufhebung
des ZwangTsdienstes, wo er noch bestand, mögen auch die
Gesetzgeber nichts von Kant direkt gewußt haben, tmd
nur dem iTirirtschaftlichen Drängen der Zeit gefolgt sein.
Aber a.uch die Gesetzgeber der Länder, die von
den Zwan^sdiensten verschont geblieben waren, erfuhren
die Wirkung dieser Gedanken; die später mitzuteilenden
Äußerungen hessischer Beamter, Mitarbeiter der großen
neuen Gesindeordnimgen, werden darüber Auskunft geben.
Ausnahmsweise seien aus der Gesetzgebimgsgeschichte
außerhessischer Länder zwei Ereignisse an dieser Stelle
angeführt; sie lassen erkennen, wie die Regierenden das
ihnen zugekooilmene Gedankenmaterial verarbeiteten.
Molitor, ein aschaffenburger Beamter, war 1805
dazu bestimlmt, ein Gutachten für eine im Entwurf be-
griffene Gesindeordnimg zu fertigen^). Eine Menge der
neuen Gedanken klingen bei ihtri an. Nachdem' er die
preußischen Polizeigesetze aus der Mitte des 18. Jhdts.,
die „sich stets an strenge Begriffe von militärischer Sub-
ordination lehnen", als Muster für die Einrichtung „im
kleinen" hingestellt hat, gibt er seine Empfindimgen über
das Schicksal der Dienstboten in spontanen Aussprüchen
kund. „Ist es wohl genug damit, dem! Menschen, den das
iniimter harte Loos, dienen zu müssen, trif t, alle seine Pf hch-
ten ausführlich vorzuzeichnen imd die Gränzen, in denai
er sich zu halten hat, scharf zu ziehen, ohne ihm' ausser
dem meist kärglichen Dienstbottenlohne eine andere Aus-
sicht auf Sieine Zukunft, wenn er altert, gebrechlich, an-
haltend krank wird, wenn ersieh sehnt, nicht mehr
lu dienen! — eine Sehnsucht, selbst in hö-
hern Sphären oft ohne Gleichen — zueröfnen!
Hr dies harte, harte Loos nur immer Strafen und
keine Belohnimgen." *)
') Kr. A. Wflrzburg. V. 2615. — *) Die Sperrungen stellen
Unterstreichungen Molitors dar.
— 92 —
Als zweites diene eine Stelle aus dem' eingehenden
Gutachten der weilburger Regierung an das n a s s a. u -
ische Ministerium, bei dem 1809 und 1810 Versuche unter-
nommen wurden, eine Gesindeordnung eiimiführen ^). Der
Nam.e des Regienmgsbeamiten, von dem die folgenden
Äußerungen stamlmen, ist leider nicht festzustellen. Der
Anonymus sagt : „Die Klagen der Dienstherrschaften über
das Gesinde und des Gesindes über die Dienstherrschaften
sind aller Wahrscheinlichkeit nach so alt als die bürgrer-
liche Gesellschaft und werden auch imlmer fortdauern.
Iliacos intra moiros peccatur et extra." Weiter heißt es,
daß die Klagen über des Gesindes Faulheit, Untreue,
die Lohnsteigerung im' Regienmgsbezirk zwar nicht fremd
sind. „In der Regel dienen sie jedoch nur zur Unter-
haltimg der Dienstherrschaften in den Frau Baasen Ge-
sellschaften und der Dienstboten mit ihren Camaraden,
ohne zu richterlicher Erörterung zu gelangen, weil jeder
Theil die Zeit bestimlmt weiss in welcher er derselben durch
die Trennung ein Ende machen fcaain." . . . „Wirklich
wüssten wir nicht wie über das was in dem Innern eines
Hausses vorgeht und facti transeuntis ist ohne die g^rösste
Weitläuftigkeit auf den Grund zu kommfen wäre.** Der
Bericht käm'pft dann gegen die Lohntarifierung, weil es
auf die individuellen Verhältnisse ankomlmt, und die Lohn-
höhe auch von der Mitwirkung der Nachbarstaaten ab-
hängt. „Eine jede Sache erhält auf dem großen Markt
in der Welt wenigstens der Regel nach und wann auch
hier und da manches Ob oder Subject nicht imimer so-
fort gehörig gewürdigt werden sollte seinen Preiss; for-
dert der Verkäufer oder der seine Dienste ausbietende
zuviel, so läßt man ihm' dieselbe und wendet sich zu
einem andern, er aber wird dadurch klüger und fordert
ein anderesmal nicht mehr als was der wahre Werth mit
*) Akten des St. A, Wiesbaden.
— 93 —
sich bringrt." Schließlich folgt noch eine Ablehnung der
hessischen Grundsätze über den Dienstzwang der Kinder
anner Leute. „Erwäget mian indessen dass die Policei
zwar darüber dass jeder seinen Unterhalt ehrlich erwerbe
zu wachen die Art und Weise dieser Erwerbung aber
nicht vorzuschreiben hat, dass eine solche Maasregel der
Willkühr der Orts- Vorstände und dem' Brod Neide Thür
und Thore eröffnen würde dass der Stand des Dienst-
boten auch bei der besten Herrschaft doch immer ein
harter Stand ist . . .", so muß mian die Maßregel für un-
zweckmäßig erklären. — Jeder Satz beinahe räumt altes
Eisen beiseite. Die Machtlosigkeit der Gesetzgebung ge-
genüber der Hausgewalt und gegenüber der freien Kon-
kurrenz der Kräfte draußen im! Verkehr ist der Grundsatz,
auf den alle diese Anschauungen zurückgehen, Anschau-
ungen, die zu einem! Teile AdamI Smith und seiner deut-
schen Schule, zum andern den Lehren der Revolution ent-
stanunen.
Die Stimmen aus Aschaffenburg und Nassau sind
theoretische Äußerungen, gute Ratschläge für die Ge-
staltung der in Arbeit befindlichen Gesetze. Manches von
den neuen Gedanken der Zeit nahm' die praktische Gesetz-
gebung auch auf. Der Zwangsdienst fiel fort. Über-
haupt läßt sich beobachten, daß dort, wo der Zwang
herrschte, die Vertragstheorie in den Gesetzen weit deut-
licher zum Ausdrucke kam'^), als es im Westen geschah^
beispielsweise in Hessen.
Hier ging die Neubildung des Gesinderechtes in den
neunziger Jahren des 18. Jhdts. in folgender Weise vor
sich.
Das Bewußtsein, auf einige Zeit genug für das Ge-
sindewesen getan zu haben, hat es wohl veranlaßt, daß
man den casseler Polizeidirektor Fulda, der am 2. März
') Hedemann S. 202fr.
— 94 —
1795 ein neue Gesichtspunkte aufweisendes Promemoria,
über das Gesindewesen einreiclite, über Gebühr langr hin-
zog *). Fulda ging" von deim aus, womit ihm sein Beruf täg-
lich zusamimlenbrachte, der Armenfrage. Die Armealast,
sagt er, komlmt daher, daß man die Gesindeordnung nicht
genügend beachtet, allerdings auch nicht m'ehr in allen
Stücken beachten kann, da mianches daran veraltet ist.
Besonders hebt er den Umüstand hervor, daß das Gesinde
nach Auflösung des Dienstverhältnisses sich nicht gleich
wieder vermietet oder die Stadt verläßt, sondern ohne Be-
schäftigung bleibt, daher oft auf liederliche Wege gerät
und im Alter dann der Armenkasse zur Last fällt. Fulda
schlägt eine zeitgemäße Umigestaltung der Gesindeord-
mmg vor.
Der Geheinie Rat, an den Fulda seine Prom'emoria
gerichtet hatte, sandte es an die Regierung und die Polizei-
kommission zur Begutachtung. Dreimal binnen Jahres-
frist mußte die Regierung die Aufforderung an die Polizei-
komtnission richten, sich zu äußern. Endlich, Anfang
März 1796, komimt eine Antwort. Die Polizeikommission
legt die „Erneuerte Gesindeordnung für die Städte und
das platte Land in dem Fürstenthimi Halberstadt und
dombinirten Graf- und Herrschaften de dato Berlin 9ten
April 1765", ferner die alte hessische Gesindeordnung von
1736, sowie einen eigenen Entwurf zu einer neuen vor.
Dieser Entwurf bedeutet eine „Verpreußimg** man-
cher, allerdings nicht allzu vieler und nicht allzu wichtiger
Vorschriften der Gesindeordnung von 1736. Die Haupt-
mängel des preußischen Gesetzes, vor allem die Tarifie-
') Die AktenstQcke für die Gesindeordnung von 1797 sind: St. A.
Marburg. Cass. Reg.-Akten, Polizei-Rep. F. 48, Nr. 1 a, sowie Nr.l'A;
Geh. Rat G., Nr. 28, 8895. Die Gesindeordnung (GO.) von 1797
steht LO. VII, S. 727, die von 1801 LO. VIII, S. 26. Vgl. auch
Süsskind und Baumann passim.
- 95 —
nmg des Lohnes, die Langatmigkeit und die kleinliche
Detaillierung der Vorschriften hat das Projekt der Poli-
zeikonunission glücklich vermieden. Im großen imd gan-
zen ist der Entwiurf von demi bisherigen hessischen Ge-
sinderecht abhängig.
Die Hauptpunkte, in denen dem Einfluß des preußi-
schen Gesetzes von der Polizeikomlnission nachgegeben
wurde, sind diese: Es dürfen „Geschenke" zu Weihnach-
ten, zur Kirmes usw. nicht im' Vertrag gefordert werden,
sondern dem freien Willen der Herrschaft soll es über-
lassen sein, ob sie einen tüchtigen Dienstboten belohnen
will. Dann hat der Entwurf besonders detaillierte Be-
stimlmfungen über die Livree der Bedienten ; die preußische
Gesindeordnimg hat hier mit einer unglaublichen Masse
von Einzelvorschriften als Vorbild gedient. Auch einige
Spezialregeln über das Verhalten des Gesindes liat der
Entwurf aus der Fülle der preußischen Bestimmungen.
herausgegriffen: Die Dienstboten sollen, „wenn sie ver-
schickt werden, alsbald wiederkommen, mit dem Neben-
gesinde keinen Zanck anfangen, auch insbesondere ohne
der Herrschaft Vorwissen imd Erlaubnis nicht ausgehen,
oder gar Tanzboden oder liederliche Gesellschaft be-
suchen" ; Anregimgen, denen auch in der endgültigen Re-
daktion nachgegeben ist. Von formellen Neuerungen geht
auf preußischen Einfluß die Einfühnmg gedruckter At-
testate zurück.
Aus Eigenem dagegen glaubte die Polizeikommission
vorschreiben zu müssen, daß der Vertrag schriftlich ge-
schlossen werden soll. Wichtig ist noch, daß die Koni-
ndssion eine Kündigungsfrist von sechs Wochen vorschlug ;
wenn davon kein Gebrauch gemacht wurde, sollte der
Vertrag als stillschweigend verlängert angesehen werden,
aber nicht um' die gewöhnliche Zeit, sondern immer nur
um ein halbes Jahr. Schließlich sei noch hervorgehoben,
daß der Entwurf ein ausdrückliches Verbot des Ledig-
— 96 —
sitzens enthält. Die ferneren Vorschläge der Polizeikom
mission werden aus den folgenden Ausführungen über dei
Regierungsentwurf und die endg^ültige Redaktion ersieht
lieh.
Die Regierung beschäftigte sich mit dem Entivurl
der Polizeikomimission im Oktober 1796. Manches auf
der preußischen Ordnung streicht sie, einiges, vor allem
daß Gesindestrafrecht, entnimlmt sie ihr imd fügt es neu
ein. Im einzelnen ist über die Tätigkeit der Regierung
folgendes zu sagen :
Sie ist mit der Polizeikomanission darin einverstanden,
daß die preußische Gesindeordnung „so äußerst weit-
läufig sey, imd so sehr in das detail gehe, daß darunter
die Hauptsache leiden oder gar erliegen müsse, wenn
man sie ganz nachahmen wollte.** Die Regierung gibt
weiter der Tatsache Rechnimg, daß es vorwiegend städti-
scher Einfluß war, der die Gesetzgebung wieder in Fluß
brachte, nämlich Fuldas Promemoria, der darin auf spe-
zifisch städtische Mißstände aufmerksam' gemacht hatte.
Die Regierung beantragt auf Befürwortung des Vizepräsi-
denten der Regfierung von Baumjbach für das platte
Land eine besondere Verordnung später zu erlassen, die
gegenwärtig in Arbeit begriffene aber auf städtische Ver-
hältnisse allein zuzuschneiden; für die agrarische Ge-
sindeordnung werden umfangreiche Erhebungen bei den
I^ndräten geplant, sodaß sich die Fertigstellung hinaus-
ziehen wird.
; Nach Vorschlag des Regierungsrats Hein wurde
außer den Polizeidienern auch den Quartierkommissarien
die Aufsicht über die Müßiggänger übertragen; „denn es
ist nur zu bekannt, wie leicht diese Leute (die Polizeidiener)
zum Schweigen zu bringen sind**. Die vielen Bestimmun-
gen des Entwurfs über die Livree will die Regierung,
wiederum auf Antrag Heins, beseitigt wissen; das soll
dem Übereinkomtoen der Parteien oder der einseitigen
— 97 ~
Besthnimitiiig der Herrsc'haft überlassen werden. Sodann
hält es die Regierung für {praktischer, keine Mietzeit zu
nonnieren, da die weiblichen Dienstboten sich ohnehin
meist auf Viertel- older halbe Jahre vermieten; nur bei
mannhcfhekn: Gesinde könnte die Zeit sich nach der üb er-
lassenen Livree bemessen. In Befolgung eines Schmerf eld-
schen Vorschlags wurde die preußische Bestimmtung über
Nichtfoeendigtmg des Dienstes durch Heirat ganz in den
Entwurf auf gienomim'en ; die Polizeikommi^ion hatte diesen
Fall nicht berücksichtigt. Sodann nahm man die alte
Regelimgr wieder auf, daß Nichtkündigung den Vertrag
um die gewöhnliche Zeit verlängert, nicht bloß um ein
halbes Jahr, wie die Kolmimission vorgeschlagen hatte.
Auf Hein imd vor allem! auf den Geheimen Regie-
nmgsrat Schmerfeld ist die Ablehnung der Straf bestim-
mungen durch die Regierung ziuückzuführen. Die Kom-
missioo hatte erklärlicherweise die Verordnung von 1752
in ihren Entwurf aufgenomimien. Mit besonderer Ausführ-
lichkeit geht der Bericht der Regierung auf die Torheit
und Überflüssigkeit der Verordnimg von 1752 ein, die nie
angewandt worden ist, auf die Grausamikeit, die in der
peinlichen Bestrafung des Naschens liegt ^). Statt dessen
werden die Bestimimungen des preußischen Allgemeinen
Landrechts als vorbildlich hingestellt, wonach die Un-
redlichkeiten des Gesindes Antragsdelikte sind und nur
mit Gefängnis bestraft werden. Will mian diese Regelung
nicht annehmen, so kehre man wenig^ens zu den alten
Grundsätzen von 1736 zurück, meint die Regierung. Sie
fügt hier femer die Verordnung" über das Borgen des
Gesindes von 1785 *) ein.
In zwei Punkten ist nach Ansicht der Regierung mit
dem Strafrecht strenger vorzugehen. Einmal sind die
Fälle des Einkaufsbetrugs hart, ohne Unterschied der
') Oben S. 67. - «) Oben S. 87.
Könnecke.
— 98 —
Betrugrssumüne zu strafen. Denn gegen diese, nicht im
Hause begangenen Delikte ist die Herrschaft schlechter-
dings nicht gesichert; so etwas wird oft erst bei späten
Rückfällen entdeckt. Daher wäre dieser Mißbrauch ein^r
ganz besonderen Vertrauensstellung ohne weiteres mit zwei
Jahren Zucht- oder Spinnhaus sru bestrafen. Ferner will
die Regierung die Publizität der Strafen erhöhen. Zu
dem Zwecke greift Hein auf eine hanauische Verordnung,
die bei Fabrikdiebstählen Schandpfahl bestimimt. „Sollte
aber wohl das in der Herrschaft Kost und Lohn stehende
Gnesinde nicht zu mehrerer Treue gegen dieselbe ver-
bunden seyn, als ein Fabrikarbeiter, der im Grunde nur
ein Tagelöhner des Fabricanten ist?" Zudem ist die
hanauischie Verordnung sehr wirksam gewesen.
Zum Schluß hatte die Polizeikommission noch die
Frage auf geworfen : „ob nicht auch über den Punckt, ob die
Herrschaft sich körperliche Züchtigungen gegen das Ge-
sinde erlauben dürfte, und wie weit sie darin gehen könne,
etwas zu bestimlmen seyin möchte ?" Ihre ablehnende Ant-
wort begründet die Regierung, anstatt auf das Rechtsbe-
wußtsein des Volkes zu verweisen, mit der sehr trockenen
Bemerkung, von einer Befugnis zur Züchtigung könnte
zu leicht mißbräuchliche Anwendung geschehen, weshalb
man die Frage der Komlmission um so mehr übergehen
dürfte.
'Regierungsaccessist Wust, der die Redaktion des
Entwurfs zu bföörgen hatte, ließ noc'h in letzter Stunde
das zunächst aufgenomtm'ene Verbot der Geschenke weg,
weil ja auch über den Lohn nichts bestimtait wurde; er
strich ferner die angeordnete polizeiliche Zurückführung
entlaufener Dienstboten, da dies und die außerdem noch
angeordnete Freiheitsstrafe doch in Widerspruch mit ein-
ander treten würden.
Ein mit dieser Kritik des Kommissionsentwurfs über-
einstimmender, im übrigen die Gesindeordnimg von 1736
— 99 —
-fiederfaolender Entwurf der Regierung ging am 15. Februar
1797 an den Geheimen Rat ab, der Ende Januar 1797
die Regierung nochmials um! Einreichung ihres Entwurfes
gremahnt hatte; Fulda hatte ihim' nämUdh inzwischen ein
neues Promemöria eingeschickt.
Der Geheime Rat nahm! eine unwesentliche Ände-
rung in § 13 vor, und genehmigte im! übrigen am 3. März
1797 den Entwmf. Ata 9. März ging er zum Drucke.
Am 15. Mai erfolgte die Unterzeichnung.
Die Bedeutung des neuen Gesetzes in der Geschichte
des hessischen Gesinderechts ergibt sich axis den Ab-
weichungen von der Gesindeordnung des Jahres 1736.
Zwar ist eine ganze Reihe von Abschnitten nicht geändert
worden, aber zahlreich sind doch die Punkte, in denen
die beiden Gesetze inhaltlich von einander abweichen;
es gibt da eine Menge wesentlich neuer Gestaltmigen.
So erfuhr das schon gar nicht mehr „zeitgemäße**
Zwangsrecht gegen die armen Leute noch Verschärfungen :
Den Eltern soll ernstlich aiifgegeben werden, ihre über-
flüssigen Kinder zu vermieten; dienstfähigen Personen
wird ganz verboten, sich mit Tagelohn ledig zu setzen.
Der Verzicht auf eine Fixierung der Ziehzeit ist eine
bedeutungsvolle Neuerung, die die Regierung einführen
mußte, nachdem sie die Berichte der Amtimänner
aus den sechziger Jahren gelesen hatte. Ein bisher im-
geregeltes Rechtsgebiet, die Heirat der Dienstboten, er-
fuhr nun endlich Berücksichtigung dahin, daß nach preu-
ßischem Vorbilde Trauung vor Beendigung des Dienstes
nicht zulässig war. Neu ist femer die Bestrafung des
Abwendigmiachens. Diese Unterstützung des göttlichen
Gebots durch den starken AmU der Polizei hat ein Gegen-
stück in § 19. 1736 wird den Herrschaften anbefohlen,
sich gegen das Gesinde so za verhalten, wie sie es gegen
Gott verantworten können. In den zum Gesetz gewordenen
Entwurf von 1797 korrigierte der Vizepräsident von Bautoi-
— 100 —
bach hinein: „gegen Gott und die Obrigkeit**, ein
Vorschlag, den die übrigen Räte stillscl^weigend gxit
hießen.
Am gründlichsten und offenbarsten aber wurde die
Vergangenheit als solche dokumentiert durch die Ent-
fernung der Verordnungen von 1752 und 1764, die imtaer
noch zu Recht bestanden. Dasi grausame Strafrecht von
1752 erfuhr bei den Räten eine entschiedene Verurteilung.
Und die Frage der Lohnregulierung wagte man nicht
einmal auf die Art wie 1736, geschweige denn wie 1764 zu
regebi; man überließ die Bestimhiting des Lohnes der
Vereinbanmg der Parteien und gab so endlich gerade
noch vor dem Jahrhundertende der neuen theoretischen
Erkenntnis auch in der Praxis ihr Recht.
Darüber freilich lassen sich keine Wahrnehmungen
machen, daß das Gesetz die großen grundlegenden Neu-
gedanken der Zeit irgend aufgenoimnen hätte. Die Ge-
sindeordnung ist nicht mehr und nicht weniger natur-
rechtlicher Art als die Ordnimg von 1736. Von einem
Eindringen der Vertragstheorie ist nichts zu merken. Es
ist eben, wie schon bemerkt wurde, so, daß fast nur in
der größten praktischen Errungenschaft der neuen Zeit,
in der Aufhebimg des Zwangisdienstes, ein Erfolg der
Vertragsidee erblickt werden kann. Hessen brauchte die-
sen Weg nicht zu betreten; so ging das Gesetz unberührt
durch das Feuer der neben Ideen hindiu'ch.
f) 1798.
Ehe das zweite Hauptstück der Gesindegesetzgebung
um die Jahrhundertwende, die ländliche Gesindeordnung,
erledigt wurde, kam es im schaumburger Landtag 1798 ^)
noch zu einem Zwischenspiel eigenartiger, nie dagewesener
Art.
') Landtagsakten im St. A. Marburg.
— 101 —
Unter den Desiderien der Stände waren zwei, die das
Gesindewesen bessern sollten. Das vierte, das venu Land-
grafen bestätigt wurde, ging dahin, daß die Knechte ade-
liger Güter vom: Militärdienst frei komtnen möchten.
Wichtiger ist das fünfte Desiderium', dessen Wieder-
gabe schon des Wortlautes wegen nötig ist :
„Dem in dem' vorhinnigen Desiderio bemerckten Man-
gel an tauglichen Dienstboten imd denen besonders jetzt
vorkonänenden Klagen darüber würde nach dem unter-
thänigsten Dafürhalten getreuester Landstände am! füg-
lichsten abgeholfen werden können, wenn die jungen Leute
beiderlei Geschlechts ziun! Dienen imd um' sich zu ver-
mieten emstlichst angehalten, imd den Beamten besser als
bisher geschehen, darauf zu achten nachdrücklichst
aufgegeben würde, indem: es eine allgemein bekannte
Sache ist, — daß nicht nur viele ihre Kinder, welche sie
zu ihrem Hausshalt nicht nöthig haben oder gebrauchen
und <laher dienen können, bei sich behalten, sondern sich
auch fast auf allen Dörfern hiesiger Provinz eine Menge
solcher Herrenlosen imd zumi. Dienen fähigen Persohnen
besonders weiblichen Geschlechts aufhält, welche für sich
oder wie sie es nennen, auf ihre eigene Hand seyen, dafür
ein jährliches Schutzgeld bezahlen, — am! Ende in einen
müßigen und lüderlichen Lebenswandel, wozu sie, da sie
unter keiner besonderen Aufsicht stehen, die beste Ge-
legenheit haben, verfaUen imd Kinder erzeugen oder zur
Welt bringen, welche zuletzt den Comlmtmen, und den
Armien-Kasten zur Last fallen.
Tlreu devoteste Landstände geben es daher dem;
höchsten Ermessen unterthänigst anheim; ob nicht denen
Beamten gnädigst aufzugeben seyn dürfte, darauf genau
zu mvigiliren, daß alle die auf deml platten Lande woh^
öende Bauren welche mehrere Kinder haben, solche wenig-
stens auf einige Jahre vermieten müssen, auch fernerhin
ohne besondere Ursach nicht zu gestatten, daß sich die
— 102 —
zum dienen fähige Persohnen auf den Dörfern gegen
ein etwa dafür zu entrichtendes Schutzgeld für sich sezen
dürfen, — auch keiner Bauren Tochter in Zukunft bei
Amt die Ehe verschrie=ben werde, wenn sie nicht glaub-
haft dociret, daß sie eine bestimimte Zeit gedienet habe.**
Was hier verlangt wurde, war, wie die Regierung
und ihre Berater gleich erkannten, nichts anderes als eine
Abart des Gesindezwangsdienstes, allerdings nicht wie die
entsprechende Institution im' Osten zu gunsten einzelner
Herren, sondern im Interesse der Gesamtheit der Dienst-
herrschaften, die sich in die Beute teilen wollten. Gewiß
hätte man es wohlwollend auch als eine Weiterbildung
der §§ 1 und 2 der Gesindeordnungen von 1736 luid
1797 auffassen können. Jedoch der wichtige Unterschied
ist der, daß diese es dem Ermessen der Behörden über-
ließen, ob sie jemiand zirai' Dienste zwingen wollten, wäh-
rend der Vorschlag der schaumburgisChen Stände zur
Durchführung des Gebots absolute Zwangsmittel gab : die
Bauern müssen ihre Kinder vermieten, wenigstens auf
einige Jahre; die Bauemtöchter, die nicht einige Zeit
gedient haben, dürfen nicht heiraten.
Die Regierung äußerte sich über die prinzipielle Ver-
schiedenheit der gewünschten Rechtsänderung von dem
bisherigen Zustande gar nicht, sondern meinte nur, daß
die Bestimmtingen wider das herrenlose Gesindel genüg-
ten. Doch wurde beschlossen, vom Advodatus fisci
Eigen brodt in Rinteln, der vorher bei den Ämtern
Schaumburg und Rodenberg anfragen sollte, eine Mei-
nungsäußerung einzufordern (27. Februar 1798).
Die Antwort der Gutachter ging übereinstimimend dahin,
daß der Antrag der Stände zu verwerfen sei ; höchstens eine
Erhöhimg des Schutzgeldes und der Personalkontribu-
tion mag zulässig sein. Eigenbrodt äußert sich so: ,,Der
Antrag . . . scheint mir gar zu generei und an das Verhält-
— 103 —
nis der allerstrengsten — der Sclaverei sehr nahe kommen-
den Leibeigenschaft zu grenzen, dessen gnädigstes Zu-
geständnis bei denen so gut gesinnten Landbewohner die-
ser Grafschaft ungleiche Sensationen veranlassen könnte/'
Weshalb i^ählt mlan außerdem', meint Eigenbrodt weiter,
nur die Bauemkinder tvaii Zwangsdienst, nicht auch die
Städter ? Zutnal der Bauer seine erwachsenen Kinder ganz
besonders nötig hat; miau kann ihm' nicht zimiuten, seine
Kinder zu vermieten imd sich fremdes Gesinde statt dessen
zu holen. Das Dienen der Bauemmädchen in der Stadt
,,würde auch die nachtheilige Folge haben, daß viele dieser
Bauren Töchter an eine der Landwirthschaft nicht ange-
messene Städtische Lebensarth sich gewöhnen, sich denen
Ausschweifungen überlassen, wohl gar in eine die Eltern
kränkende Verfassung, oder doch wenigstens zu einer
Landwirthschaf tlichen Hausmutter verstinümt, zurück kom-
men würden.** Ein wichtiger Erwerbszweig des Landes,
die Leinweberei, würde durch die vorgeschlagenen Maß-
nahmen sehr benachteiUgt werden. Der Knechtemangel
komme übrigens daher, daß die jungen Leute aus Furcht
vor dem Militärdienst auswandern. Diurch eine Erhöhung
des Schutzgeldes und der Personalkontribution der dieqgt-
ßhigen Leute würde der Mangel an Gesinde aufhören, „zu-
mal, wenn diejenige^ welche Gesinde brauchen, diesen,
weil nach denen jetzigen Zeit-Umständen, alle dem Ge-
sinde nötige Bedürfnisse, theiu-er wie vorhin geworden,
^genmessenen Lohn geben, und auf einen ordentlichen
und billigen Fus gegen sie sich betragen.**
In diesem Sinne lautete auch die landgräfliche Reso-
luti<» auf das Desiderium' vom! 3. Mai 1798. Den Ämtern
und Magistraten wurde aufgegeben, auf genaue Befolgung
der Bestimmtmgen wider die „herrenlosen Leute** zu ach-
ten (2. Juli 1798). Eine Erhöhung der Personalkontribu-
tKKx \md des Schutzgeldes um 1 Thaler wurde am 1. August
beschtessen.
— 104 —
g) 1801.
ScliKMi während der Einzelarbeit an der städtischen
Gesindeordnimg war die Regierung an die Sammlung von
Material für die ländlidhe Ordnung gegangen^). Ab
es endgültig feststand, daß zwei getrennte Gesindeotd-
nxmgen geschaffen werden sollten, beschloß die Regierung
am 31. Oktober 1796, von den Landräten Berichte imd
Gutachten einzufordern. Jedoch ging, aus unbekannten
Gründen, das Schreiben an die Landräte erst am 3. Febr.
1797 ab. Noch am^ 2. Juni 1797 mtißte einer von ihnen,
der Landrat von Meysenbug, um' seinen Bericht gemahnt
werden.
Es muß eine gewaltige Erregfung gewesen sein, die im
Gefolge der Aufklärung und der Revolution auch in die
entlegensten Orte imd Menschen ihren Einzug hielt. Auch
wo die neuen Ideen keinen fruchtbaren Boden fanden,
da wurden doch wenigstens alle nur einigermaßen reg-
samien Menschen mindestens zu neuem' Nachdenken über
alle die vielen Fragen veranlaßt, die ihnen jetzt täglidi
entgegentraten.
Was Wunder, daß das auch auf die hessischen Land-
räte einen unverkennbaren Einfluß gehabt hat. Einige
landrätlichie Berichte stehen zum! mindesten an Originalität
im allgemeinen über den meisten früheren Äußerungen
über Gesindewesen, die oben behandelt wurden. Bei man-
chen zeigt sich sogar unverkennbar ein wenn auch mit
Widerwillen erfolgendes, geringes Nachgeben gegenüber
den neuen Idealen, nicht bloß ein unfruchtbares Nach-
denken darüber. Diese Gutachter sehen in der Gesinde-
frage, ohne es natürlich direkt mit diesem Worte zu be-
zeichnen, oder es auch in den Vordergrund zu rücken,
geradezu eine soziale Frage. Früher betrachtete man die
Verhältnisse des Gesindes als eines Produktionsfäktois
>) Quelle sind die fllr 1797 zitierten Akten (oben S. 94).
— 105 —
der Haus- und Landwirtschaft, den man, als Menschen
allerdings auch etwas anders behandeln mußte als andere
Faktoren. Denn Gesetzgeber kiairi es vorwiegend darauf an,
den Herrschaften billiges und williges Arbeitsvolk zu
schaffen, daneben der Polizei Handhaben zu geben, lun
die äußere Ordnung des Landes aufrecht erhalten zu
können. Man machte eben die Gesetze ganz vom Stand-
punkte des gleichfühlenden Brotherrn aus, dessen Sorgen
die gesetzgebenden Räte aus eigener Erfahrung genug
kannten. Nicht nebeneinander als Vertragsparteien ver-
mochte man es, Herrschaft imd Gesinde zu erblicken,
sondern hintereinander; die Herrschaft verdeckte den An-
blick der Dienstboten, die als geistig minderwertige xmd
wirtschaftlich schwächere Partei der Herrschaft den Vor-
tritt einräumen mußten.
Es mag siein, daß die Proklamierung der Gleichheit
und Brüderlichkeit einen Einfluß darauf hatte, daß sich
die Anzeichen einer veränderten Anschauimgsweise gel-
tend machten. In dieser Richtung mögen bei manchem
unter den von der Regierung befragten Landräten Ge-
danken angeklungen sein, imd sie einige neuartige Äuße-
rungen haben tim lassen, die sich freilich noch in ganz
bescheidenen Grenzen halten, die von ihnen w.omöglich
ausdrücklich abgelehnt werden. Aber schon, daß sie die
Ansichten vwbringen, zur Diskussion stellen, zeigt min-
destens, daß ein Neues vorbeigezogen war und sie berührt
hatte.
Schon eine bemerkenswerte Äußerung des Accessbten
Wust, dem die Fertigstellung des Regierungsgutachtens
1797 wie 1801 obgelegen hatte, ami Schlüsse des Regie-
nmgsberichtes von 1797 läßt die Gesindefrage plötzlich
in anderm, neuartigemf Lichte erscheinen, wodurch ihre
Lösung freilich komplizierter tmd unbequemer, aber auch
unendlich verantwortungsvoller wurde, als wenn man in
dem alten Gange fortgeschritten wäre.
— 106 —
Er sagt : „So sehr es aber auch zu wünschen ist, daß
durch die neue Ordnung den Klagen über schlechtes Ge-
sinde abgeholfen werden möchte, so wenig wird man sich
dieses von derselben mit Zuversicht versprechen können.
Die Quellen dieser Klagen fließen zu sehr aus der mora-
lischen Verdorbenheit und der schlechten Ergehung der
dienenden Volksklasse, als daß man erwarten könnte, sie
durch ieine bloße Verordnimg, über welche jnan ohnehin
mit Mühe vielleicht nur eine Zeitlang wird halten können^
verstopfen zu können. Es ist daher sehr zu befürchten, daß
die Verbesserung des Gesindewesens, ohne die Ver-
edelungdes Gesindes selbst, ungeachtet aller Ver-
ordnungen immer ein Gegenstand der frommen Wünsche
bleiben werde."
Diese tiefe Einsicht, daß es der Verwirklichung der
Gesetze an der inneren Kraft fehle, wäre gleichwohl besser
atn Platze gewesen, wenn sie ein theoretischer Pädagoge
ausgesprochen hätte, als ein Staatsmann, der an dem Ge-
setze selber mitgearbeitet hatte, das er mm fast nicht piehr
als Sieines Geistes Kind gelten lassen wollte. Politisch
war diese Äußenmg jedenfalls in der Form am imrech-
ten Platze, so fruchtbar sie für eine Neubildtmg des
Rechts ist. Der Vizepräsident von Baumbach sah es
ein, daß damit dem Gesetze bei der Gebiut gleich das
Zeugnis mangelnder Lebensfähigkeit mitgegeben wurde.
Er strich daher den ganzen Passus aus dem! Konzept,
so daß sich der Geheime Rat über Wusts genialen Ein-
fall keine Gedanken zu miachen brauchte. Die Idee einer
solchen Sozialpädagogik war noch zu jimg, um schon
in die reale Welt einen Eintritt erzwingen zu können.
In ähnlicher Weise, nur weniger tief greifend, sprach
sich der Landrat von Keudell in Schwebda aus (30.
März 1797), der Wust vielleicht zu seinen Ausführungen
angeregt hatte. „Allgemein ist bekant, daß der Grund
schlechten Gesindes, zuerst in der schlechten Erziehung
- 107 —
und schlecht eingerichteten Schulen hauptsächlich liege/*
Als Praktiker genügt ihm aber nicht diese Feststellung
allein, sondern er schlägt vor, daß die Pfarrer zur Be-
folgung ihrer Pflicht, die Verordnung von 1764 zu ver-
lesen, besser angehalten werden, und daß statt einmal die
Verlesung zweimal jährlich erfolgen soll, sowie daß die
Dienstboten bei zwölf stündiger Gefängnisstrafe zum Kirch-
gang angehalten werden, die Herrschaften bei Strafe ihr
Gesinde nicht grundlos vom Gottesdienst fernhalten sollen-
Auch mögen die Schulmeister die Gesindeordnung alle
Vierteljahre in der Schule erklären, „indem' die sämt-
liche Schulkinder demlahleinst entweder Gesinde nötig
haben oder selbst dienen müssen.**
Diese Äußerungen in all ihrer Oberflächlichkeit lassen
durchschauen, daß das Bewußtsein der Notwendigkeit
sozialpädagogischer Grundlagen für das Wirksamwerden
des Gesinderechts bei Keudell doch noch auf Sand ge-
baut war, so bemerkenswert das Verlangen nach einer
Vertiefung der Gesetzgebung iminerhin ist.
£s ist gerade Keudell, dem auch außerdem einige auf-
fallende Worte entstammen. Er äußert sich u. a. folgender-
maßen: „Überhaupt war ebenfalls zu wünschen, daß die
unterschiedenen Gesindeordnungen, so m'ehrentheils nur
auf die Vergehungen des Gesindes gerichtet, auf der an-
dern Seite auch auf das Verhalten der Herrschaften gegen
das Gesinde, bestimmter mit zweckmäßiger Rücksicht ge-
richtet werde, dann wenige Herrschaften bedencken, daß
Dienstbotten unssere Unglücklichen Freunde sind, und
daß es bloß vom Zufall abhängt, daß letztere nicht erstere
zu gebieten haben.** Es ist sicher keine Zufälligkeit, daß
der Gedanke der „unglücklichen Freunde** und des „Zu-
falls" des Standes in den Jahren der Revolution ausge-
sprochen wurde; statt „Freunde**, hätte auch „Brüder**
stehen können, um den Zusammenhang offenbarer zu
machen.
— 108 —
Verwandten Geistes einen Hauch hat auch der Land-
rat Lindau in Elbersdorf (21. April 1797) verspürt. Er
denkt nationalökonomisch mindestens modern im damali-
Igen Sinne. Er schätzt die Wiitung" des Gesetzes für
Besserung des Gesindewesens nicht hoch ein, „weilen im
Oesindewesen gar zuviel vom! freyen Willen der Menschen
abhängt.** Er igibt zu, daß les eine Menge g^reifbarer Gründe
sind, denen der Mangel genügenden Gesindes zuzuschrei-
ben ist, Luxus, Hang ta m^hr Selbstbestinümimg usw.
„Aber ein Mittel g^en diesen Mangel dürfte schwehr
auszufinden seyn. Es liegt in dem: natürlichen I-au£ der
Dinge daß aus den angeführten Ursachen itzt weniger
Menschen als sonst dienen wollen, und ich sehe nicht ein
wie iman das Gegentheil bewürken will, da doch bey freyen
Menschen das Dienen einem' immittelbahren Zwang nicht
unterworfen ist.** „Die in einigen Schriften vorgeschla-
genen Aufmtmterungen zum dienenden Stand, nehmlich
daß man ihm eine politische Achtimg und Auszeichnung
gebe, durch Associationen hinreichende fonds stifte, woraus
treuen Dienstboten bey Heyrathen oder andern etablisse-
ments Steuern gereicht, auch ihnen hieraus^ Aussichten
in ein kumlmer- imd sorgenloses Alter verschafft werden
könnten, vorstehende Aufmunterungen sind schön aus-
gedacht, möchten aber theils ohne Würkung theiis gar
nicht ausführbar sidn. Jenes^, weil m^hrentheils blos die
Hefe des Volks sich z\mi' dienen versteht das von wegen
4
seiner Erziehxmg wenig Ehrgefühl hat, und letzteres weil
es an Gemeingeist auch vielleicht hinlänglichen Mitteln
fehlen dürfte, lun einen solchen Plan zweckmäßig aus-
zuführen."
Immer wieder tönt in dieser Zeit das Wort Erziehung
an imser Ohr. Die aufkeimlende Einsicht in dies erste
Erfordernis nicht bloß aller Gesinde-, sondern letztlich
aller Sozialpolitik schien sich ausbreiten zu wollen. Aber
nichts von dem' ist in die Praxis hinübergegangen.
- 109 —
Aus den landrätlichen Gutachten im übrigen seien
nur verschiedene besonders wichtige Punkte hervorge-
hoben, wo eine neuartige Anregung zu gesetzgeberischem
Vorgehen zur Erscheinung komtot. Daß Neues auch in
toten Formen gebildet werden kann, zeigt eine Äuße-
rung des Landrats von Dalwigk zu Gilsa (11. März
1797). Er schlägt noch in letzter Stimde ganz eigenartige
Lohnfestsetzung vor imd emt>fiehlt eine Maximaltaxe, die
aber nur dann in Anwendimg koöünfen soll, wenn der
Dienstbote untreu war; anderenfalls soll eine etwaige
höhere Vereinbarung in Geltung bleiben.
Baumbach in Nentershausen will den Abschieds-
zwang dadiirch betont wissen, daß später den Dienstboten^
die kein Zeugnis ihres Wohlvferhaltens beibringen können»
der Heiratskonsens verweigert wird. An ihn war wohl
kein Ausläufer irgend einer Welle französischer Revolu-
tionsgedanken herangeköm!men I Und aus dem von ihm
ausdrücklich zitierten Krünitz hat er auch nur die Nach-
richten über Untreue, Nachlässigkeit usw. des Gesindes
behalten. Die Landräte von Keudell imd von Esch-
wege schlagen vor, daß den Dienstboten die Abschiede
b e i der Kündigung gegeben wertien sollen, so daß sie dem
neuen Mieter vorgelegt werden können. Durch diesen
\'orschlag wird der Vertragsbruch sehr erschwert, ja un-
möglich gemacht. Allerdings nur theoretisch. Denn wie
man sich bisher um die Vorschriften über die Erteilung
eines Attestes nicht gekümm"ert hat, so würde man es
noch weniger daxm tim, wenn das ganze mit erschweren-
den Zutaten versehen würde. Einen originellen» aber
von niemanden aufgegriffenen Gedanken äußert schheß-
Uch noch ider öfter erwähnte Landrat von Keudell. Er
will den Dienstboten das Recht verliehen wissen, zu ver-
langen, daß der Pfarrer ihnen das Attest vorliest, damit
<fei verabschiedete Dienstbote sich davon überzeugen
kann, was der Brotherr über ihn geschrieben liat.
— 110 —
Im übrigen sind die Landräte darin so gut wie einig,
daß alle die alten Klagen über Lohnhöhe, Nichtbeachtung
der Attestate, Leinsäen, Ledigsitzen, allerhand Luxus, be-
sonders Kaffeetrinken, femer Aushebungen, durch die der
Knechtemängel verschärft wird, auch heute noch be-
rechtigt sind. Ihre Vorschläge bewegen sich, von den
namentlich benannten abgesehen, für diese Fragten meist in
alten Bahnen. Wie schön bemerkt, finden auch Taxen noch
Anhänger. Die Mehrzahl steht aber auf dem Boden der An-
schauung, daß es kein Mittel gibt, um in dieser Hinsicht
den Lauf der Dinge aufzuhalten. Erwähnt sei noch eine
Nachricht aus Heimbressen, daß von dort die jungen
Leute nach Elberfeld oder Holland gehen, eine Spur des
Zuges nach der westfälischen Industrie, der ja ganz be-
sonders für die westhessischen Bauern heute eine Kala-
mität ist.
Schon vor den Gutachten der Landräte war aus Neu-
kirchen ein Bericht eingelaufen, in dem über Lohnsteigen
und Ledigsitzen geklagt wird. Der Bericht empfiehlt Geld-
oder Gefängnisstrafe ; Personalkontribution, die gleich fürs
ganze Jahr veranlagt wird, erscheint imbillig. Gleichwohl
weist die Regienmg den Landrat von Gilsa an, die Kontri-
bution von Tagelohn oder Spinnrad zu erheben.
Die Vota der Regierungsräte über alle diese Berichte
zogen sich von Ende September 1797 bis Juli 1799 hin.
Die Verzögerung liegt an den Vizepräsidenten von Baum-
bach, der seine Meinung erst anderthalb Jahre nach den
übrigen Räten niederschrieb; aus welchem Grunde, ist
nicht festzustellen. Die Räte legten ihren Beratungen den
in der Grebenordnung von 1739 enthaltenen Auszug der
Gesindeordnung von 1736 zu Grunde, da hierin spezifisch
agrarische Verhältnisse berücksichtigt werden; allerdings
nicht miehr als im Original von 1736, von dem an Inhalt
fast nichts hinweggenomtnen, alles nur leichter verstand-
— 111 —
lieh und kürzer in der Grebenordnung ausgedrückt ist*).
Vielleicht war es gerade dieser Unistand, nicht die agra-
rische Eigenart, der die Räte zur Wahl der Grebenordnung
veranlaßte.
Im großen iind ganzen wurde die Gesindeordnung
nach den Vorschlägen der Regierungsräte abgefaßt. Nur
deren wichtigste Äußerungen sollen im folgenden kurz auf-
gezählt werden. Über den Inhalt der §§ 1 und 2 (über-
flüssige Kinder, Müßiggänger) sind die Meinungen kaum
verschieden. Ein Vorschlag des Vizekanzlers Kunckel,
daß man das über Erlernen eines Handwerks Gesagte
übeigehen solle, „indem nach meiner Überzeugung Kinder
vom platten Lande bäuerlicher Herkunfft, zu Hand-
^•ercken und Pr(rfessionen nicht anzuführen sind**, wird
von den Regierungsräten Ledderhose und Heister
dadurch ad abstuxium gieführt, daß sie auf die Jugend
in den Landstädten hinweisen, für die die Gesindeordnung
ja auch gelten soll. Eine Heranziehung der müßig Sitzen-
den zu Beisteuer und Personalkbntribution findet keinen
Widerspruch.
Dagegen wird das Verbot des Leinsäens von Hei-
ster und Baumbach mit guten Gründen bekämpft.
Das Leinsäen ist zu verbreitet im' Lande, als daß ein Ver-
bot Erfolg haben könnte. Femer mtiß man dies bedenken :
-Mißrät der Flachs, was alle 3 — 4 Jahre regelmäßig vor-
kommt, so mißrät er dem Gesinde, nicht dem Herrn.
Wo aber sollte die Herrschaft bei Mißwachs den Flachs
hernehmen, wenn man statt des Leinsäens die Lieferung
fertigen Linnens an die Dienstboten erlauben wollte ? Die
Kosten dafür würden den gegenwärtigen Nachteil des
Leinsäens übertreffen. Außerdem wird es eine ewige
Reihe von Klagen über die Qualität des Linnens geben.
Zudem ist der Flachs, den man dem Gesinde säet, der
') Oben S. 66.
— 112 —
einzige reale Überrest der Dienstzeit, den die Ma^rd vom
Lohn hat. Geld iind Kost wird veibraucht, daigegen Flachs
verdirbt nie und gibt so dem' Mädchen eine gute Beschäf-
tigung fürs Alter.
Auf Antrag des Geheimlen Rats Schmerfeld
wurde vorgeschlagen, den Zeitpunkt der Abschiedsertei-
lung 0.uf den Kündigungstag zu legen, damit der Dienst-
blote den Abschied dem neuen Mieter vorlegren kann.
Femer soll der neue Mieter die Abschiede wenigrstens
bis zum Dienstantritt aufbewahren, dandt hierdurch ein
Doppelvermieten verhindert wird. Verworfen wird allge-
mein die Verweigenmg des Heiratskonsenses wiegen Man-
gels eines Abschieds, da das eine Vermtehrung^ der unehe-
lichen Kindergeburten bedingen würde. Eine Festlegung
der Ziehlzeit femer wird nur für die Hirten beschlossen,
für das übrige Gesinde wird auf die gebräuchliche Wandel-
zeit verwiesen. Das Strafrecht brauchte nur aus 1739 resp.
1736 übiernom!men zu werden, da dort ja gerade die agra-
rischen Delikte ausführlich geregelt sind. Ein Vorschlag
Kunckels, die Gesindeordnung jedem' Dienstboten ge-
druckt einzuhändigen, wurde von der Majorität der Räte
wiegen der großen Kosten abgelehnt. Kunckels Gedanke
ging auf das Vorbild der Postverwaltung zurück, die den
Postillonen die für sie bestimimte Verordnung gedruckt
übergab.
Schließlich sei noch eine Anregimg der Reg^ierung er-
wähnt, der der Geheime Rat keine Folge gab. Die Re-
gierung äußerte nämlich Bedenken, daß die große Menge
ausländischer Knechte sic'h um' die Gesindeordnung nicht
zu künümiern brauchen und diese daher zu wenig Geltungs-
bereich haben würde; nur für die wenigen inländischen
Knechte sei sie mlaßgebend. Daher soll man beim Ge-
hieimen Rat erwägen, ob nicht die Vorschriften über die
Musterungen wenigstens dahin modifiziert werden kön-
nen, daß Dienstboten, die dem Militär noch nicht über-
— 113 —
wiesen sind, frühestens am' Ende der Dienstzeit bei ihrer
Herrschaft eingeziogrea werden sollen. Damit würde zu-
gleich erreicht, daß die Knechte „nicht Gelegenhieit er-
halten, heimlich aus dem' Dienste zu gehen und diurch die
Drohung damit der Herrschaft zu trotzen**.
Der vorhin erwähnte Vorschlag* der Regierung über
die Wandelzeit der Schäfer ist das Ergebnis einer „inter-
nationalen" Vereinbarung. Die Regierung zu Eisenach
hatte am; 17. Juli 1798 die casseler Regierung gebeten,
einem zwischen Eisenach, Weimar, Erfurt und Gotha ge-
tnrffenen Übereinkomimfen beizutreten, wonach die Zieh-
leit statt auf Martini (wie sie bisher war) auf Lichtmeß,
mit Weihnachten als Miet- und Kündigungstermin, ge-
legt würde ^). Nach ziemlich ausführlichen Enquöten kam
die Regierung zu dem' Ergebnis, daß sie statt Lichtmeß
Petri wählte, wovon sie der eisenacher Regienmg »m
18. Januar 1799 Mitteilung machte.
Mit dem Regierungsentwurf der Gesindeordnung war
der Geheime Rat in der Hauptsache einverstanden. Drei
Änderungen schlug er Vor, von denen die Regierung zwei
billigte; einmal die ausdrückliche Erwähnung des Bei-
sitzergeldes in § 2, das die Müßiggänger außer der Per-
sonalkontribution entrichten sollen, sodann die wichtigere
Bestimmung, daß der Brotherr bei unbegründeter Ent-
lassung dem Dienstboten nicht nur einen vierteljährlichen
Lohn zahlen und ihm die AUtagslivree überlassen muß (Re-
gierungsentwurf), sondern daß der Dienstbote sogar die
Obrigkeit anrufen fcaim, wenn er sich wegen Dienstman-
gels außerhalb der Wandelzeit nicht bald wiedervermieten
kann; der Beamte soll ihm zu einer ausreichenden Ent-
schädigung verhelfen. Der dritte Pimktl war das Straf-
recht. Der Geheime Rat hielt die Strafe in § 13 (Diebstahl
usw.) für zu gelinde gegenüber der in § 14 (Einkaufsbe-
*) St A. Marburg. Cass. Reg.-Akten, Pol.-Rep. F 43, Nr. 1 a.
Köoaecke. g
— 114 —
trug). Hiermit waren wieder die Regierungsräte nicht
einverstanden. Sie argumentierten so : Jeder Brotherr wird
die in seinem Hause begangenen Schädigungen seines
Vermögens leichter bemerken können, als die außer dem
Hause erfolgenden (Einkaufsbetrug). Es müssen diese
Delikte also notwendig mit einer härteren Strafe bedacht
werden als die andern. Jedoch gab die Regierung zu, daß
die vorgeschlagene Strafe zu hart sei.
Mit den aufgezählten Änderungen sandte der Ge-
heime Rat den Entwurf am' 29. April 1800 zurück, der
mm gedruckt werden sollte. Erst am 6. September 1800
konnte die Regierung dem Geheimen Rat die Mitteilung
machen, daß der immer wieder verzögerte Druck voll-
endet sei. Am' 16. September gingen die drei Vollziehungs-
exemplare an die Regierung zurück. Merkwürdigerweise
tragen die zwei noch bei den Akten liegenden Stücke kein
Datum, imd das dritte Exemplar, das in den Geheimrats-
akten sich befindet, ist vom' 18. Mai 1801 datiert. Es
ließ sich keine Erklärung für di^e sonderbare Verzöge-
rung finden. Dieser 18. Mai ist auch das in der Sammlung
der Landesordnungen mitgeteilte Datum.
Die Gesindeordnung von 1801 gibt dem ländlichen
Gesinde ungefähr das, was dem städtischen schon 1797
zuteil geworden war. Niu- in weiteren Worten. Und dies
ist der hauptsächliche Unterschied der beiden Gesetze,
die im übrigen innerlich durchaus gleich sind. Wozu die
verschiedene Ausgabe von Gesetzen, eines für das städti-
sche, eines für das ländliche Gesinde?
In der Einleitung zur Gesindeordnung von 1801 fin-
det sich der Passus, daß die getrennte Behandlung „durch
die Verschiedenheit, welche die besondere Verfassung und
Nahrungsart der übrigen Städte und des platten Landes
bringen müssen**, veranlaßt sei. Die spezifisch agrari-
schen Bestimmungen, die 1801 getroffen werden, 1797
sich nicht finden, sind folgende: Verbot des Leinsäens,
— 115 —
Regelung: der Ziehzeit der Schäfer, Unterschrift des? Gre-
ben unter die Attestate von Bauern, Aufzählung der agra-
rischen Delikte mid in gewissem Umfange de^ Prozeßrecht.
Die Unterschrift des Greben ist eine solche Kleinig-
keit, daß man derentwegen keine besondere ganz neue
Gesindeordnung hätte zu. machen brauchen. Das Gesinde-
strafrecht von 1736 war durch die noch nicht aufgehobene
Verordnung" von 1752 ersetzt, die wie 1797 so auch 1801
beseitigt wurde; es hätte der Übersichtlichkeit der Ge-
sindeordnung von 1797 kaum geschadet, wenn man die
paar agrarischen Besonderheiten in den strafrechtlichen
Paragraphen mit imtergebracht hätte. Und das Prozeß-
recht ließ sich wohl ebenso gut bei anderer Gelegenheit:
zu gunsten des Gesindes regehi.
Bleibt noch das Leinsäen und die Ziehzeit der Schäfer.
Nun, hielt man dies für zu ungeeignet, in eine allge-
meine Gesindeordnimg aufgenommen zu werden, so
konnte man es diu-ch ein besonderes Ausschreiben regeln ;
daß dieser Weg hierfür durchaus g^angbar war, zeigt die
spätere Geschichte der Gesindegesetzgebimg. So muß man
also wie Kähler^J imd Süßkind*) zu dem Ergebnis
kommen, daß keine innere Notwendigkeit der Trennung
bestand, daß es mit dem spezifisch „agrarischen** Charak-
ter nicht so weit her ist, wie der Gesetzgeber einen %-lauben
machen möchte.
Aber was steckt dahinter? Wie kamen die uns doch
als sehr klug und geschickt bekannt gewordenen Regie-
rungsräte dazu, so vorzugehen, wie kam der Geheime Rat
dazu, dies Vorgehen zu billigen? Die Antwort hierauf ist
in dem oben über die Entstehungsg^eschichte der beiden
Gesindeordnungen gesagrten schon enthalten. Die erste
Anregung ging von dem Polizeidirektor Fulda aus, einem'
Manne, den seine tägliche Beschäftigung nur städtische
') S. 122. - «) S. 8.
8'
— 116 —
Verhältnisse keimen lehrte. Der erste Entwiirf stamlnte
von der Polizeikombiission, die, aiif ihre Berufserfahrung
gestützt, vor allem die agrarischen Delikte nicht nament-
lich aufgezählt und zudem einige Bestimimtuigen mehr
formaler Art aufgenomlmen hatte, die allerdings nur auf
städtische Verhältnisse paßten. Diese Umstände imd die
Erinnerung an die Enqufete aus den sechziger Jahren mö-
gen die Regierung daru veranlaßt haben, besonders vor-
sichtig zu verfahren und die landwirtschaftlichen Verhält-
nisse noch einmlal eingehender zu studieren ; denn vielleicht
waren hier fragen zu berücksichtigen, die den nur mit
städtischen Verhälthissen praktisch vertrauten Regierungs-
räten noch gar nicht aufg'estoßen waren. So beschloß man
denn die Umfrage bei den Landräten. Deren Ergebnisse
abzuwarten — der letzte Bericht traf erst dreiviertel Jahre
später ein, als* man den dahin gehenden Beschluß gefaßt
hatte — wäite aber impraktisch gewesen. Denn in den
wichtigsten "Fragten des städtischen Gesindewesens und des
dafür zu schaffendien Rechts waren ja alle maßgebenden
Kreise einig. Was sollte mtan da noch eine Verzögerung
zulassen, nachdem! mlan sich glücklich wenigstens in diese
Materie eingearbeitet hatte.
So kam man auf den Gedanken, die teilweise „gänz-
lich abweichenden** ländlichen Verhältnisse einem spä-
teren Gesetze vorzubehalten. Und um' die angebUch vor-
handenen Unterschiede zwischen den beiden Ordnungen
besonders deutlich zu m)achen zog man die von 1801 ganz
besonders in die Länge. Es war mithin nur eine durch
innere Gründe nicht gerechtfertigte Verlegenheitsmaß-
nahme.
Und dabei mußten gerade die wichtigen agrari-
schen Bestimmungen recht bald teilweise wieder aufg'e-
hbben werden. Auf mlannigfache Beschwerden hin ^) wurde
») St. A. Marburg. Geh. Ratsakten, Lit. G., Nr. 28, 1605;
LO. Vin, S. 152.
— 117 —
am 21. Januar 1804 nact längerem Zögern das Verbot des
Leinsäens gänzlich aufgehoben. Die in einer Beschwerde
des Landrats von Keudell angedeuteten Gründe bestehen
darin, daß in den schlechten Leinjahren der Dienstherr
durch die ihm obüegende Pflicht zur Linnenlieferung ge-
schadigrt ivürde, daß auch den Dienstboten durch das Ver-
bot des Leinsäens die Gelegenheit entgehe, sich fürs Alter
Arbeit aufzrusamim^hi. Eine ausdrückliche Dispensatioin
von den Bestinmiungen über die Wandelzeit der Schäfer
erlangte das Amt Bergen am! 31. August 1802^); die
sämtlichen Zentgrafen des Amtes hatten in einer Vor-
stellung darauf hingewiesen, daß die in der Gesindeord-
nung vorgeschriebene Regelimg für das Amt imdurchf ühr-
bar sei, da die Schäfer mfeist aus dem: „benachbarten.
Ausland'* stasitnen.
IL
Die Nebenländer.
Das Königreich Westfalen und das Großherzogtum
Frankfurt bedeuten für den Westen Deutschlands den
Beginn einer neuen Zeit. Die Modernisierung des? Rechts
\md des Wirtschaftslebens wurde hier unmittelbar durch
Franzosen h^i>eigeführt, gleichzeitig mit den Umgestal-
tungen in Ostdeutschland, welche die französisch gebil-
deten preußischen Staatstnänner veranlaßten.
Ehe die Geschichte des hessischen Gesinderechts in
dieser Zeit dargestellt werden kann, muß hier ein Be-
richt über die Rechtsentwicklung in den zu Hessen im
Laufe der Zeit hinzugekommenen wichtigsten Territorien
gegeben werden. Dies sind Schaumburg imd Hanau
nüt Gelnhausen. Im Zusamfmenhang damit werden auch-
') St. A. Marburg. Kabinetsakte, betr. die Dispensation von der
iö § 77, G. O. vorgeschriebenen Miethezeit der Schäfer fttr das Amt
Bergen, 1802.
— 118 —
die allerdings erst nach den Befreiungskriegen endgültig
mit Hessen vereinigten Gebiete Fulda und Isenburg
berücksichtigt werden. Von einer Bearbeitung* kleinerer
Erwerbungen, vor allem der ehemials kurmainzischen Orte,
wurde abgesehen, weil es äu weit führen würde, in diesem
Zusamimienhang das Recht größerer, in ihren Hauptbe-
standteilen abseits belegener Territorien, wie es Kurmainz
war, darzustellen.
S 4. Schaumburg.
Die Grafschaft Schaumburg bildet den frühesten Ge-
bietszuwachs Hessens, der hier 211 berücksichtigen ist;
sie fiel 1647 an Hessen*).
Das wichtigste von dem wenigen, was hier an Ge-
sinderecht existiert, ist eine umfassende Polizeiordnung
von 1615 *). Diese enthält nicht nur eine besondere Dar-
stellung des Gesinderechts, s<Midern bietet auch in den
übrigen Kapiteln, die andere Materien behandeln, eine
Fülle von Rechtssätzen über das Gesindewesen. Die Poli-
zeiordnung ist sieben Jahre älter als die hessische, die für
Althessen die früheste Behandlung des Gesinderechts
bildet*). Sie geht wie diese auf die Anregungen der ver-
schiedenen Reichsgesetze zurück*).
Die Polizeiordnung zeigt ihre Verwandtschaft mit dem
Reichsrecht und der hessischen Polizeiordnung sehr deut-
lich. So schon in ihren Bestimmimgen über die Verwer-
tung der Müßiggänger (Kap. 34, 63, 25), über das Hausier-
verbot (Kap. 61). Das engere Gesinderecht steht in Kap.
63. Hier ist von der Reichung des Gottespfennigs zur
Miete die Rede^ vom Zeugniswesen (das nicht streng ein-
*) Kersting, Sonderrechte S. XII ff.; Rommcl VIII S. 645 ff.,
768 ffl — •) Schauenburgische Pollcey-Ordnung . . . Gedruckt zu Stadt-
hagen An. 1615, hsg. von Friedrich Julius Rottmann, Rinteln
1717; auch abgedruckt in Kerstings Sonderrechten Sp. 1202 ff.,
sowie in Schaumburg - Lippischen Landesverordnungen I, S. 240. —
») Oben S. 48 ff. — *) Rottmann S. 8, 4.
— 119 —
gerichtet ist), v<Mn Lohne. Der Gesindelohn ist, wie auch
viele andere Preise und Löhne, die teils tarifiert, teils zur
regionalen Einzeltaxe angewiesen sind, in der Weise ge-
ordnet, daß jeweils in den verschiedenen Orten Taxen ge-
iertigt werden sollen. Hierin zeigt sich eine wesentliche
Abweichiing von dem danimal allgemein eingerichteten
Gebrauch. Übereinstimmend fürs ganze Land wird da-
gegen das Fruchtsäen fürs Gesinde verboten (Kap. 32).
Über die gewöhnliche Kündigung und Dienstlösimg steht
in der Ordnung nichts. Wohl aber wird der Vertragsbruch
des Gesindes mit Strafen bedroht, ebenso die Verleitung
des Gesindes dazu .(Kap. 63). Aber in bemerkenswerter
Abweichung vom Geist der Zeiten wird ebenda auch dem
Gesinde ein gewisser obrigkeitlicher Schutz gegen den
Vertragsbruch der Herrschaft gewährt. Heirat gibt dem
Dienstboten kein Recht zur sofortigen Kündigung (Kap.
63). Mehrere nicht so wichtige Stellen der Polizeiordnung,
die vom Gesinde handeln, sollen hier übergangen werden.
Eine Amts- und Hausordnung, gleichfalls aus 1615 ^),
enthält Hirtenrecht.
Die Polizeiordnung von 1615 blieb lange in Geltung.
1717 kommentierte sie der oldenburger Advokat Rott-
mann. Eine Beschwerde des Forstmeisters von Münch-
bausen ta Rinteln an das Amt Schaumburg vom 20. Okto-
ber 1717 *) läßt erkennen, wie durch die Neuausgabe der
Polizeiordnung ihr Gesinderecht dem Rechtsbewußtsein
wieder nahe gebracht wurde.
Von den Rottmannschen Bemerkungen sollen hier
nur wenige angeführt werden, so, was er über den Begriff
der Dienstboten sagt, nänüich daß es keinen Unterschied
ßöcht, „was vor Arbeit einer thue**, und daß „auch unter
solchem Namen begriffen werden Praeceptores, Kinder-
Lehrer und andere Diener, wenn sie schon keine schwere
')KerstiDg, Sonderrechte Sp. 1259. — *) Schaumburger Akte
<J«s St. A. Marburg; nicht bezeichnet.
— 120 —
Handarbeit thun, sondexn nur um Kost und. Lohn jemandes
dienen*'. Die weitere Feststellung Rottmianns, daß in dem
von der hessischen Wirtschaftsverfassung g^anz ausweichen-
den Schaumtnirg „man . . . heut ru Tage keine solche
leibeigenen Knechte mehr hat, wie vormlals zu der Römer
Zeiten gewesen", ist im' Vergleiche mit den römischen
Sklaven wohl richtig. Daß aber Leibeigenschaft in
Schaiunbtu"g vorhanden war, wird noch für das 19. Jahr-
himdert bezeugt^); doch hat sie sich hauptsächlich nur
in gelegentlichen Abgaben praktisch bemerkbar gemacht.
Gesindezwangsdienst hat nicht bestanden.
Aus eigenem tut Rottmann beispielsweise noch Aus-
führungen über die Verführer des Gesindes zum Schlech-
ten hinzu, sowie über diejenigen, welche das Gesinde für
böses Vollbringen loben *). Gegen die Verderber des Ge-
sindes will Rottmlann dem Dienstherm eine actio utilis de
servo corrupto geben. Schließlich sei noch angeführt,
was Rottmlann über die Krankenfürsorge des Gesindes aus-
führt 3). Er meint, daß dan Gesinde für eine nicht allzu
lange dauernde Krankheit der Lohn nicht gekürzt werden
darf, falls nur später der Dienst wieder aufgenommen wird.
„Wobey auch 2ru mercken, daß ein rechtschaffener Haus-
vater sein kranckes Gesinde nicht gleich aus dem Hause
müsse bringen lassen, sondern daß er nach dem' Exenlpel
des Capemaitischen Hauptmanns wol thue, wenn er sich
seines krancken knechts anninünt, ihn beherbergt und mit
diensamen Artzeneyen versiebet.**
Auch 1732 war die Polizeiordnung noch nicht ab-
geschafft, wie sich aus den „Allerhöchsten Resolutionen
vom 23. Jimi 1732 auf den von der Landesvisitations-
Commission erstatteten Bericht** *) ergibt, worin die Poli-
zeiordnung eingeschärft wird. Im' Art. 21 heißt es sogar
*) Ko pp , Handbuch VI, S. 801, 805 ff. - ») S. 429. - «) S. 431 ff.
*) Kcrsting, Sonderrechte Sp. 1286.
- 121 —
ausdrücklich, daß kein Colon seinem Gesinde der Polizei-
ordnung iruwider anstatt Lohnes Früchte säen darf. Sonst
werden Colon und Dienstbote „ru Bruche gesetrt" und ge-
bührend gestraft.
Erst die allgemeine hessische Gesindeordnung von
1736 schuf auch für Schatunburg neues Recht.
S 5. Hanau mit Gelnhausen.
Die Grafschaft Hanau-Münzeriberg fiel 1736 infolge
eines Erb Vertrages von 1643 an Hessen-Cassel, nachdem
einzehie Teile der Grafschaft schon früher mit Hessen
vereinigt worden waren. Die Pfandschaft über Gelnhausen
ging mit Hanau auf Hessen über; durch den lime viller
Frieden und den Reichsdeputationshauptschluß wurde die
bloße Pfandschaft diurch unbeschränkte Hoheit ersetzt ^).
Das älteste Zeugnis von Gesinderecht ist in einer
gelnhäuser Rechtsmitteilung an die Stadt Mergent-
heim aus dem 15. Jhdt. *) enthalten. „Wann ein bürger
sin kneift oder tniagt wünt siecht, das siol er büssen
ak fliesende wunden.**
Mehr enthält das im' marburger Staatsarchiv aufbe-
wahrte gelnhäuser Stadtbucih (Samtnlung der Ordnungen,
Eide, Verzeichnisse der Ratsmitglieder usw.). Da Jung-
hans') nur eine auf späterer Überlieferung beruhende
ungenaue Inhaltsangabe bringt, so wird hier der Wortlaut
der auf Donnerstag nach ICatharina (28. Nov.) 1560 da-
tierten Verordnung aus dem Stadtbuche selbst mitgeteilt :
„Vonn Dienstbotten. Ordnen unnd wollen wir,
das hinfuro keiner dem' andern seine dienstbotten, magd
oder knecht, mit ersteigung dess lohnes geschencken, oder
andern vortheilhaftigen mittein abwitzen, abtziehen, imd
') Jung h ans, Versuch einer Geschichte der freien Reichsstadt
Gelnhausen, Ztschr. f. hess. Gesch. u. L.-K., N. F. XII (1886), S. 108 ff.,
bes. S. 364, 874; Kerstin g, Sonderrechte S. VI ff. — •) Oberrhei-
nische Stodtrechte I, S. 140. — •) S. 262.
— 122 —
abwendig machen solle. — Dergleichen soll das dienst-
gesinde, wieder billiche mass ire dienstlohn nitt erstei-
gen, oder ire herren und frauen in versprochener zeitt
des jars one redthche erhebliche Ursachen nit abbrechen,
sondern getreulichen aussdienen. Uberfure aber Jmandts
das, so solle der abreytzer solchs mit einem' gülden ver-
bussen, und dem' dienstbottenn seine belonung nit gevolgt,
noch inn iahrs frist inn der statt zu dienen zugelassen
werden."
Wieder sind es jene klassischen Fälle aus dem Ge-
sinderecht, die hier berücksichtigt werden: Abspannen,
Lohnsteigern, Vertragsbruch. Die Strafe des Dienstver-
botes ist hier eine neue selbständige Bestimmung.
Hanauische Verordnungen über Gesindefragen
lassen sich erst seit der Mitte des 17. Jahrhunderts nach-
weisen, wenn mian von einer Hofordnung des Grafen
Philipp Ludwig 1, zwischen 1561 und 1563^) absieht.
Bis zum Erlaß der ersten Gesindeordnung von 1748
finden sich nur gelegentlich Satztmgen für das Gesinde,
fast immer zusammen mit andern, ganz femliegenden. Es
sind fast ausschließlich Luxus- und Sonntagsordnungen.
Im einzelnen handelt es sich um folgende Gesetze: Tauf-
und Kleiderordnung vom' 18. Juli 1656 *), Polizei-Ordnung
(Taufen und Kleider) vom 3. November 1666»), Polizei-
.ordnung (ebenso) vom 11. Dezember 1682*), Sonntags-
ordnungen vom 28. August 1669, 29. Juli 1678, 17. Sep-
tember 1698, 14. September 1713*).
Dagegen muß ein eigenartiges Ausschreiben der ha-
nauer Regierung vom 29. September 1716«) hier wörtlich
wiedergegeben werden, da es zur Beurteilung, wie das
Gesindeverhältnis aufgefaßt wurde, sehr wertvoll ist. Kar-
*) A. Kern, Deutsche Hofordnungen II, S. 94. — •) St. A.
Marburg. Sammlung hanauischcr Verordnungen, Bd. I, Nr. 40. —
•) Ebenda Nr. 61. — *) Ebenda Nr. 87. - ») Ebenda Nr. 52, 72, 129;
n, Nr. 179. — •) Ebenda U, Nr. 196.
- 123 —
dinal Graf von Schönbom will demnächst seine Residenz
von Hanau nach Aschaffenburg verlegen und hat daher
folgendes über das Borgen seiner in Hanau ^rüc^kbleiben-
den Dienerschaft bestimlnt:
„1. Gestehen Se. Eminentz keinem Menschen keinen
Kreuzer za zahlen schuldig zu sein, der auch das geringste
an Speiss oder Tranckwaaren auf Borg und Rechnung
gibt, gestalten Sie täglich das baare Geld darzu four-
niren lassen, und wer darwider etwas verabfolgen lasset,
wird kein Kreuzer bezahlt werden, imd muß sich selbst
zurechnen, wenn er gegen diese öffentliche Warnung das
geringfste, wem es auch sey, creditiret. 2. Gestehen Se.
Eminenz keinem Menschen von der Kauff- und Handels-
schafft, auch Künstler und Handwerksleut, Taglöhner
etc., der das geringste verabfolgen lasset, ohne eine
schriftliche Erlaubnis oder Attestat, entweder von Dero
Oberboffmeister, Hofmarschall, Stall imd Zahlmeister, als
in welche vier Ämipter Se. Eminenz Dero Hoffstadt
allhier eingetheilet haben, es seye dann, daß die Sach ge-
ning und dessfalles gleich baar Geld darbei ist, so folget
ohne deme, daß mian alles darumi verkauf fen könne . . .
3. Gestehen Se. Eminentz keinem den geringsten Heller
lu zahlen oder gut zu thuüi von demjenigen, so die Bediente,
Diener und Domestiquen von Dero Hoffstatt, entweder
an baarem Geld und dergleichen einborgen, oder an Waa-
ren ausnehmen, oder aber von Künstlern und Handwerks-
leuten sich machen und anfertigen lassen, und gegen
ihren Willen und Wissen miethen oder lehnen, gestalten
Sie einem jeden seine Bestallung imd respective Lohn
richtig auszahlen, auch Kost und Quartier geben lassen,
nwthin ein mehrers zu thun sich nicht schuldig halten, der
aher wider diese Warnung ein mehrers thun und credi-
tiren will, köimen Sie zwar geschehen lassen, Sie gedenken
aber über kurz oder lang, als ein Sie nichts angehende Sach
nicht über sich zu nehmen, ja so gar von der Bestallung
— 124 —
weder vorzuschießen, weder die Creditoren bezahlen zu
lassen, sondern in solchem' Fall zahlen Sie dem, so man
Gage oder Lohn schuldig", in termino, wie es verordnet
ist, sich wenig bekümmernd, wie es dem Creditoren er-
gehe, so gegen diese Warnung gehandelt, mithin sich
seinen schaden selbsten zu imiputiren schiddig ist."
An geeigneter Stelle des zweiten Teils wird auf dies
Ausschreiben gebührend eingegangen werden.
Bis zur großen Gesindeordnung von 1748 kam es
noch zu mehreren gesetzgeberischen Aktionen, wovon hier
aber nur zwei Mühlenordnungen vom^ 13. Februar 1727
amd 18. April 1739^) angeführt werden sollen; ihr In-
halt ist im großen dem' sonstiger Mühlengesetze verwandt,
insbesondere gilt dies auch vom' Gesinderecht.
Mindestens zwei Jahre ehe die Mühlenordnung zum
zweiten Male publiziert worden war, geschahen die ersten
Schritte zum Erlaß einer allgemeinen Gesindeordnung*).
Der Extractus Regierungs-ProtocoUi vom 18. April 1737
meldet: „No. 1661. Der Registrator Maley übergiebt ein
revidiertes projekt zu einer Gesinds-ordnung. — Wäre nun-
mehro solches an Serenissimi Hochfürstl. Durchl. unter-
thänigst einzuschicken und Höchst Denenselben anheim
zu stellen, ob dasselbe gnädigst corfirmiret werden wolle."
Es handelt sich also um einen revidierten Entwurf,
über dessen Vorgänger die Akten nichts ergeben. Die
Zustellimg an Serenissimus erfolgt am 4. März 1738. Ein
neues Exemt>lar des RegierungrsprotokoUs, worauf der Ab-
sendungsbeschluß vom 4. März 1738 steht, trägst das Da-
tum 18. April 1738 und die Numtner 1561. Wie diese
Gegensätzlichkeit der Daten zu erklären ist, sei dahin-
gestellt. Am 27. Jimi 1748, zehn Jahre später, erhält die
Regierung den in einigen Punkten abgeänderten Ent-
*) Ebenda Nr. 30, III, Nr. 800. — *) Fürs Folgende St. A. Mar-
burg. Hanauer Geh.-Rats- Akten 1748, Rubr. HI, Lit. 1 i.
— 125 —
Vurf zur Publikation mrüclc. Das Datum der gedruckten:
Ordnung ist g-leichfalte der 27. Juni 1748 ^).
Wichtiger süs Mutmaßun^fen über diese Verzögerun-
ist eine Feststellung der Herkunft und des Werdegangs^
der Ordnuixgr, soweit er wenigstens aus den beiden hand-
schriftlich vorliegenden Entwürfen zu ersehen ist.
Die hes®en<^asselische Gesindeordnung stam!mt vom
8. September 1736*). Die ersten Vorarbeiten zur hanau-
ischen Gesindeordnung fallen spätestens in den Anfang
des Jahres 1737. Da Hanaus Geschicke seit 1736 von
Cassel aus gfeleitet wurden, so genügen schon diese Daten»
um auf eine inhaltliche Anhängigkeit der hanauer von
der casseler Oesindeordntmg hin2?uweisen. Aber mehr noch
als die hessische Gesindeordnung wurde deren Vorbild,
die hannoversche von 1732*), teilweise in allzu getreuer
Nachahmung', übemomimen.
Eine genaue Inhaltsangabe der Gesindeordnung er-
übrigt sich hier schon aus diesem Grunde. Als wich-
tigstes sei hervorgehoben, daß aus der hannoverscheni
Ordnung das Koalitionsverbot aitnommen wurde und daß
1748 die hessischen Gesetzgeber vollständig auf eine Lohn-
regulierung Verzichteten, „gestalten die pretia nicht überall
gleich, mithin das Gesinde an einem Orte eines mehreren
als am andern benöthiget, auch die Dienst-Leistung sehr
unterschieden ist, die Belohnung aber mit der zu ver-
richtenden Arbeit eine billige Proportion haben muß."
Femer enthält die hanauer Ordnung selbständig gegen-
über ihren Vorbildern Bestimmungen über die Pflicht der
Herrschaft zur Krankenfürsorge; und sie verzichtet, wie-
derum selbständig, auf eine Regelung des Zeugniswesens
überhaupt.
Die Gesindeordnung von 1748 blieb die einzige, die
gesondert für Hanau erlassen wurde. Die Ordnung yon
') Einzeldruck in der Bibliothek des Marburger Staatsarchivs
K A, 1621. — *) Oben S. 60 ff. — •) Oben S. 59.
- 126 -
1797 galt für die vier hessischen Städte Cassel, Hanau,
Marburg und Rinteln.
Im übrigen sollen nur ihrem Datum nach hier genanat
werden die Sonntagsordnung vom 27. Jimi 1748 ^), Kleider-
ordnung vom 1. Mai 1772*), Tauf Ordnung vom! 11. Mai
1789*), die alle gesinderechtlich nichts Neues bringen.
Gleiches gilt von einer am! 18. Oktober 1764 erlassenen
Hof Ordnung*). Unterm 10. September 1765 und 22. Juni
1787 wurde schließlich der Dienstherrschaft die Verpflich-
tung auferlegt, Schwangerschaft der Mägde dem Pfarrer
und Beamten anzuzeigen*).
S 6. Fulda.
Die Gesetzgebungstätigkeit ün Gebiete der Abtei
Fulda scheint bis zum Beginn des 18. Jahrhxmderts nicht
rege gewesen zu sein®). Inwieweit dies vielleicht mit dem
geistlichen Regiment oder mit der Eigenart der Bevöl-
kenmg zusammenhängt, sei dahingestellt. Tatsache, die
hier unmittelbar interessiert, ist jedenfalls, daß in der vor-
hessischen Zeit das Gesinderecht nie als ganzes kodi-
fiziert worden ist, und daß sich überhaupt nicht allzu
viele Erwähnungen des Gesindes in irgend einem Zu-
sammenhange eines Gesetzes finden.
Das Früheste ist in einigen Liixusordnxmgen des 16.
Jhdts. enthalten. Solche vom 1. Oktober 1551 und 14.
Februar 1586. femer auch vom 15. Februar 1602 und
14. April 1624^) sprechen nebenher von den Badmägden
u. a. Weiter sind Judenordnungen zu nennen, vom
9. Dezember 1615, 27. Oktober 1623, 31. Mai 1633 «).
^) St. A. Marburg. Sammlung han. Verordnungen III, Nr. 345.
— •) Ebenda V, Nr. 469. — •) Ebenda VI, Nr. &67V«. — *) Ebenda IV,
:Nr. 420. — ») Ebenda V, Nr. 639. - •) Thomas, Sistem aller ful-
•dischen Privatrechte, §§ 6, 6. — ^) Sammlung fuldischer Verord-
nungen in der Bibliothek der Kgl. Regierung zu Cassel I, S. 249, 874,
467, 687. - •) Ebenda S. 633, 699.
— 127 —
Als ältestes Stück reinen Gesinderechts gibt sich ein
Umschreiben vom 3. Dezember 1652 ^). Vollständig lautet
es so:
„Dem' hochwürdigen Fürsten und Herrn Herrn Joa-
ddm etc. Unserm' gnädigsten Fürsten imd Herrn etc. ist
eine zeithero nit ohne misfälliges Befremden vorge-
kommen, daß der Unterthanen sonderlich auf den Dorf-
schaften zur unerhörten Neuerung von ihrem Dienstge-
sinde mit ganz übermäßig und imerträglichem Liedlohne
beschwCTet imd noch über solches Alles gezwxmgen wur-
den, Knechten, Mägden und Jtmgen Vieh aufzustellen
und zu unterhalten, welches sonsten des armen Haus-
manns beste und meiste Nahrung und dasjenige seyn
müßte, darvon derselbe sich, sein Weib, Kinder und Ge-
sinde ernähren, erhalten, und einen täglichen Pfenning
erwerben sollte. — Wann dann Ihre fürstl. Gnaden (in-
massen von andern benachbarten Kurfürsten und Ständen
des h. Reichs auch geschehen) billig tragenden obrigkeit-
lichen Amts halber dahin sehn und trachten, wie dieser
eingerissene grobe Mbbrauch imd Neuerung abgestellet,
und alles auf solche Mittel und Wege wiederum einge-
richtet werden möge, damit es sowohl der arme Hausmann
ertragen, als auch das Dienstgesinde dabei zur Billigkeit
bleiben und fortkommen könne. — Als ist demtiach vor-
hochgedachter J. F. Gn. befehlende ernste Meinung, daß
ein jeder Hausmann, welcher Gesindes, es seyen Knecht
oder Mägd, Jimgen oder Mägdlein bedörftig, bis auf
S. F. G. hier bei vorbehaltende fernere Verordnung da-
hin sehen solle, wie die bishero, über das vor dem leidigen
Kriege gewesene Herkonunen eingerissene Misbräuche
nach und nach wieder eingezogen und alle Uebermaas
gänzlich verhütet und abgestellt werde, daß auch lüngegen
*) Ebenda II, S.57; teilweise in Kersting, Sonderrechte, S.6,
Weiteres Exemplar in der Freys'schen Sammlung im Besitze des
Herrn A. Müller-Fulda.
— 128 —
das Dienstgesinde bei Andingung ihres Liedlohnes eine
solche Moderation gebrauchen, und sich also billig be-
zeugen solle, damit es ihr Herr ausstehen und J. F. Gn. nit
geänüßiget werden mögen, die Uebertreter nach Befin-
dung von Amts- imd Obrigkeitswegen abzustrafen. —
Insonderheit aber wollen und gebieten J. F. Gn. hiemit
alles Ernstes, daß von künftiger Lichtm^s an keinem;
Dienstbothen es sey Ober, Mittel oder Unterknecht, des-
gleichen keinem Jungen, wie auch keiner Dienstmagd
oder Mägdlein das geringste an Vieh weiter von seinem
Herrn aufgezogen oder gefüttert, wenigstens anstatt sol-
cher Viehhaltung sonsten das geringste bewilliget gereicht
oder gegeben werden solle. Dann, wann hierüber icht was
practidret würde, solle der Hausmann, welcher seinen
Dienstbothen einig Vieh zu halten verstwrochen, oder an-
statt dessen ein gleichmäßiges bewilligen wird, Ihrer fürstl.
Gnaden zu wohlgedienter Strafe den Werth selbigen Vie-
hes oder sonsten gethaner Verwilligung ^u erstatten an-
gehalten, dem Dienstbothen aber solch ein gedingt Vieh
oder sonsten beschehene Verwilügung" als verfallen und
cOnficirt wirklich eingezogen imd Von Obrigkeits wegen
weggenomtoen, auch sonsten gegen die Ver'brecher solche
schwere Ahndung an Hand genomlmen werden, damit sich
andere daran zu spiegeln haben sollen. Damit mm solcher
J. F. Gn. hochgömüssigter Verordnimg desto gewisser
nachgelebt werde, so befehlen dieselbe hiermit Ihrem
zu der Cent Fulda bestellten Centgrafen hiermit lemst-
lich, daß er diesen Befehl so bald nach Em^Dfahung allent-
halben in seinem anbefohlenen Amte öffentlich publiciren
und verkünden und daß demselben sonderlich wegen ver-
botener Viehhaltung schuldigen Gehorsams nachgelebt
und dagegen nichts widriges, es sey unter was Prätext es
immer wolle, practiciret oder an Hand genommen werde,
beobachten, auch die Uebertreter jedesmal mit obver-
standenen xmd andern willkührlichen Bestrafungen un-
— 129 —
nachlässigr ansehen solle und selbige würcklichen einbrin-
gen solle. Hiemach hat sich also ein jeder sowohl der
Hausherr, als das Dienstgesinde gehorsamlich m achten
und vor Schaden zu hüthen. — Sig. Fuld unter J. F. Gn. vor-
gedrucktem fürstl. Secret den 3ten December 1652/*
Es war die Zeit nach dem großen Kriege. Die schwere
Not der Zeit hatte in andern Ländern schon viel früher
Maßnahmen hervorgerufen ; kaumi irgendwo sonst hat man,
wie hier in Fulda, bis nach dem Kriege gewartet. Und es
ist weiter auch auffallend, wie hier vorgegangen wurde.
Zwar wird über die Höhe 'der Löhne geklagt, sie wird aber
durch ausdrückliche gesetzliche Maßnahmen nicht zu be-
seitigen gesucht, sondern es bleibt dem Gutfinden der Herr-
schaft überlassen, den Lohn auf den früheren Betrag zu-
rückzubringen. Die Idee der Tarifierung lag doch in der
Luft; zumal sich das Umschreiben ausdrücklich auf das
Vorgehen von Nachbarstaaten bezieht, könnte man an-
nehmen, daß von dort etwa eine Anregung gekommen sein
könnte. Aber das Einzige an fester Regel ist das Verbot
der Viehhaltung für Gesinde.
Als Übergang zu Weiterem seien hier zwei unter ein-
ander verwandte Ordnimgen genannt, die die Stelle der
Hofordnungen eixmehmen, eine Instruktion für den Haus-
hofmeister vom 12. Juni 1724 und eine Stallordnung vom
16. Januar 1736 ^).
Einige Zeit später geschah das zweite Hauptereignis
in der Geschichte des fuldischen Gesinderechts. In ziem-
Kch guter Abschrift*) erhalten ist die folgende „Copia
rescripti regimjnis an das hiesige Vicedomamt vom' 7.
April 1761 wegen Austretung der Dienstbothen aus dem'
Dienste" :
„Nachdem bei bochfürstl. Regierung von einiger Zeit
her verschiedene Klagen vorgekonmien und dadurch of f en-
*) Reg.-Samml. ÜI, S. 375; IV, S. 427. — «) Band V de^ Reg.-
SammL; auch in der Freys'schen Sammlung.
Köaneckc o
— 130 —
bar worden, daß in Ansehung der Dienstbothen sich ein
merklicher Unfug verhalte, da diese die einmal angenom-
mene Dienste willkührlich aufsagen, den Eintritt in selbige
verweigern, oder, wo sie darin befindlich, solche eigenen
Gefallens verlassen und austreten, nicht minder bösartige
Leute seyen, welche mit Ableit- und Verreitzung derer
Dienstboten sich ein imerlaubtes Geschäft miachen, diesem
aber als einem ärgerlich und gemSein schädlichen Unwesen
zu begegnen, die Nothdurft erfordert, soweit in dieser
Rücksicht bereits in vorkommenden besonderen Fällen
verfügt worden, daß die ungebührlich ausgetretenen
Dienstbothen hinwieder in ihre Dienste und deren schul-
dige Verrichtung so lange zurückgewiesen werden sollen,
bis von der Obrigkeit über die vermeintliche bei derselben
ordentlich anzubringende Klage, was Rechtens erkannt
worden, und wie hier aus die Folge entsteht, daß auch
die Dienstherrn nicht ermächtiget seyen, ihre Dienstbo-
then willkührlich und eignen Gefallens ohne vorherige
obrigkeitliche Weisung denen Diensten zu entsezen und
fortzuschicken, so seye auch hierunter auf Imploration das
richterliche Amt anzuwenden, endlichen aber auf den bis-
herigen Misbrauch keine Attention zu nehmen, daß ein
gedungener Dienstbothe nicht gehalten sey, in die einmal
angenomimene Dienste einzugehen, sofern das Andingen
in gewisser Zeit nicht geschehen oder das stipJulierte, doch
keineswegs^ vorenthaltene Dinggeld ihm ausgezahlt worden
seye. — Wonach sich also Jedermann zu achten und von
Obrigkeitswegen, besonders gegen jene, so der gehässigen
Verreitz- und Ableitung sich schuldig gemacht, mit ge-
bührender Ahndung zu verfahren; zu welchem Ende die
Publication in jedem Amte behörend zu bewürken hiermit
anbefohlen wird. Fuld jui cons. den 7. April 1761."
Eine neue wichtige Frage, willkürlich aJus den vielen
Fragen des Gesinderechts ausgewählt, ist es, die hier den
Gesetzgeber veranlaßt, vorzugehen : der Vertragsibruch mit
— 131 —
seinen B^rleiterscheinmig'en. Nichtantritt des eingegan-
genen Dienstes, eventuell unter Berufung auf die noch
nicht erfolgte Zahlung des „Dinggeldes", Verlassen des
Dienstes ohne Grund sind die Vergehen, die vornehmlich
den Dienstboten zur Ijaät fallen. Grundloses Aufkündigen
wird der Herrschaft verboten. Und Dritte werden durch
die Bestimmung getroffen, daß die womöglich gewerbs-
mäBige „Ableit- und Verreitrung" mit Strafe ausdrück-
lich bedroht wird.
Kurz danach gingen viele Taxen aus, aber nie fürs
Gesinde; da hatte die Ordination in diversis cameralibus
vxMn 7. September 1754^) für die Knechte in Altenhof
viehnehr bestimimt, daß der Lohn „noch zur Zeit auf sich
beruhen" solle. Für Waren und Tagelöhne ist das Jahr
1765 überreich an Taxen; solche sind unterm 2. Mai,
29. Mai, 28. Juni, 1. Juli, 12. August erlassen worden').
Bis zur hessischen Zeit gab es noch manches inter-
essante Stück. So hieß es am 25. Februar 1780*) und
am 26. Februar 1789 *), „dass die imi Christenthumi noch
nicht hinlänglich unterrichtete Kinder nicht an protestan-
tische Orte verdimgen werden sollen". Und eine geist-
Kche Regierungsverfügung vom' 16. August 1785*) hatte
den Inhalt, „daß die Eltern die Nachtlager der Kinder und
Dienstboten beiderlei Geschlechtes gehörig absondern
sollen, damit kein Anlaß ziun Fall erfolge". — Das Wich-
tigste ist einer Bekanntmachimg vom 12. Januar 1804^)
zu entnehmen, wo die Einrichtung einer öffentlichen Ar-
menkrankenanstalt angekündigt wird; auch Dienstboten
sollen hier Aufnahme finden.
') Ebenda V, S. 675. — «) Sämtliche in Bd. VI der Reg.-Samm-
Inng; onpaginiert. — •) Ebenda VIL — *) Nur der Überschrift nach
vendchnet in einem von A. J. Weber angelegten Katalog fal-
<lischer Verordnungen (Landesbibliothek Cassel). — ') Ebenda. —
•) Reg.-SammL XI.
— 132 —
Über den Rechtszustand um 1790 berichtet Tho-
mas^), der das Dienstbotenwesen übrigens im Obliga-
tionenrecht bei der Pacht behandelt, nicht im ramilien-
recht. Thomas bestätigt, daß es keine Gesindeordnung-
gibt. Im einzelnen macht er folgende Angaben: 1. Die
Dienstzeit bei Bauerngütern ist ein, v<mi Petri ab laufen-
des Jahr, — 2. in der Stadt entweder ein halbes nach
den beiden Frauentagen (Marienfesten) berechnetes Jahr
oder ein ganzes Jahr, wofür die Vermutung spricht. —
3. Nach Empfang des Dinggeldes kann kein Teil ohne
besondere Ursache zurücktreten. — 4. Jeder Dienstbote
muß seine Zeit aushalten imd macht sich andernfalls er-
satzpflichtig *). — 5. Auch der Dienstherr muß die Zeit aus-
halten. — 6. Vorzugspfandrecht der Lohnforderung. - 7. Ein-
zelne Dienstboten haben den privilegierten Gerichtsstand
der Herrschaft. Doch ist dies keine Regel, vielmehr ist
auf besondere Gesetze und Gewohnheiten Rücksicht zu
nehmen.
1802 hörte das Fürstbistum auf zu existieren. Seitdem
ging es in schneller Folge von einem Herrn zum andera
über. 1815/16 fiel es an Kurhessen 3).
S 7. Isenburg.
Durch Verträge zwischen beiden Hessen und Öster-
reich wurde das Rheinbundfürstentum Isenburg im Jahre
1816 in verschiedene Teile zerlegt. Der größte Teil des
Landes fiel an Kurhessen. Die Gesetzgebtmg des Fürsten-
tutns war erst seit 1806 eine einheitliche gewesen. Da-
mals wurden die früher politisch getrennten Linien Bir-
stein, Meerholz und Wächtersbach zusammenge-
schlossen *).
* Sistem III, § &56. — •) Bei den Vorarbeiten für die hessen-
fuldische Gesindeordnung wurde 1816 festgestellt, dass nach uraltem
folder Brauche die Vertragsbrüchigen Dienstboten aus der Stadt ver-
trieben wurden; s.u. S.1&8. — ') Kersting, Sonderrechte S. Uff. —
*) Ebenda S. X ff., Sp. 886 ff.
— 133 —
Das älteste nacbweisbare Zeugnis eines Vorgehteas!
im Gesinderechte ist die birsteinische Polizeiordnung von
1690*)- In § 10 werden diejenigen mit Strafe bedroht,
die Spinnstuben oder sonstige Zusamlnienkünfte des „jun-
gen Gesindes" in ihrem Hause dulden, ein Verbrechen,
gegen das auch später noch einmal das birsteiner Konsi-
storium 3XÜ 8. Februar 1702*) und die wächtersbacher
Regierung' am 15. September 1755*) eifern. Die Polizei-
ordnung von 1690 enthält in den §§ 35 und 39 ff. femer noch
Hirtenrecht*). In der Kirchen - Disziplin - Ordnung für
Meerholz vom 10. Dezember 1697 ^) steht, soweit sich aus
der gekürzten Überlieferung Kerstings sehen läßt, ein
Abschnitt über die Verführung des Hausgesindes (Kap.
VIII). Hier wird das Abspenstigmachen imter Strafe ge-
stellt. Einiges Gesinderecht ist in den wächtersbacher
Sabbathordnungen vom 12. Mai 1758 und 18. März 1761
enthalten «).
Zweifellos das wichtigste Dokument für ein Vorgehen
einer isenburgischen Regierung auf gesinderechtlichean'
Gebiete ist die birsteiner Verordnung vom 8. Dezember
1760 wider den GesindediebstahF). Sie ist eng mit der
hessischen Gesindekriminalordnimg von 1752 verwandt in
ihrer grausamen Unerläßlichkeit®).
Eine Rügordnimg, wohl aus 1766, befindet sich in
einem Verordnungsband des Amtsgerichts Wächtersbach ;
für welches der drei Fürstentümer sie galt, ist nicht er-
sichtlich. Sie enthält in willkürlicher Folge die verschie-
densten Materien, ganz in der Art der mittelalterlichen
Rechtsaufzeichnungen gefaßt. Punkt 19 lautet: „Soll
Keiner d^n andern das Gesind abspannen**. Außerdem
') Ebenda Sp. 888 ff., bes. 889, 891. — «) Ebenda Sp. 901. —
*) Ebenda Sp. 922. — *) Von Kersting fast ganz weggelassen. —
•)Kersting Sp.894ff., bes. 900. — •) Nr. 1 und 2 des Sammelbands
wächtersbacher Verordnungen auf dem Kgl. Amtsgericht Wächters-
bach. - ') Kersting Sp. 988. - •) Oben S. 66ff.
— 134 —
bringt die Ordnung noch Mühlen- und eine Menge Hirten-
recht.
Was sonst noch an Gesinderecht gelegentlich irgend-
wo in der Gesetzgebung der Fürstentümer vorkbmtot,
braucht hier nicht namentlich aufgeführt zu werd^a; die
verschiedenen Bestimmlungen werden an ihrer Stelle im
zweiten Teil gebührende Berücksichtigung finden.
IIL
Die französische Zeit
S & Das Königreich WestfUen.
Die gesetzesfrohe Zeit König J^romes hat für das Ge-
sinderecht wenig übrig gehabt. Der vortreffliche Justiz-
minister Sim'6on und der Minister des Innern Wolf f -
r a d t, in deren Händen die wirtschaftliche Gesetzgebung
lag, kamen über allgemeine Bestinüntmgen oder versuchs-
weise Einzelregelungen des Gesinderechts nicht hinaus.
Der Gnmd lag darin, daß das merkwürdige politische Ge-
bilde des Königreichs Westfalen aus den mannigfaltigsten
Bestandteilen zusanmiiengesetzt war, die eine durchaus ver-
schiedenartige Wirtschaftsgeschichte hinter sich hatten,
tmd deren auch damals noch ganz von einander abwei-
chende Wirtschaftsverfassungen eine gemeinschaftliche
Gesetzgebung ausschlössen. Und eine umfassende par-
tikuläre Regelimg scheute man vielleicht deshalb, weil man
die Einigkeit des großen Königreiches nidit verleugnen
wollte, imd mian sich so auch von reichswegen vorwiegend
solchen Stoffen zuwandte, die einen gewissen Grad von
Gemeinsamkeit für alle Teile des Reiches aufwiesen.
Sim^on, vollständig mit dem Rüstzeug französischer
liberaler Theorien ausgestattet, war vor allem bemüht,
die Errungenschaften der Revolution den unterworfenen
Ländern zuzuführen. Das Kleinwerk des Gesinderechts
war es nicht, das sich Sim^on zur Aufgabe gestellt hatte.
— 135 —
Ihn beschäftigte vornehmlich die Durchführung der per-
sönlichen und dinglichen Befreituig in der Agrar Ver-
fassung.
Der Artikel 13 der Ccmstitution du Royaume von*
7. Dezember 1807 *) zeigt den Weg, auf dem! sich Simöons
Tätigkeit bewegte: „Tout servage de quelque nature et
sou$ quelqiie <l«K>mination qu'il piuisse 6tre, est supprim^,
tous les habitans du Royaume de Westphalie devant jouir
des m£ifies 'droits."
Unter servage, zu deutsch Leibeigenschaft, fiel auch
der GesiiKiezwangsdienst, wie das hochbedeutende Dekret
vom 23. Januar 1808 ') zeigt, das die Verfassung der Land-
wirtschaft im Königreich revolutioniert. Der erste Titel
»de la supression des droits et des actes de servage" gibt
in Artikel 1 eine Aufzählung der verschiedenen „actes
de servage", die künftig aufgehoben sein sollen. Ptuikt 2
nennt „l'obligation des Colons de servir, oonmie dome-
snques, <lans la maison du ci-devant mlaitre, et le droit dit
Gesinde-Zwang-Recht, qui consiste ä forcer leurs
enfans k ne pas servir d'autre maitre que lui**; weiterhin
werden Personalfrohnen, Heiratsgelder, Zwangserziehung
usw. aufgezählt.
Skn6ons Tätigkeit war hiernach für die östlichen und
nördlichen Teile des Reiches wichtiger als für Hessen,
dem die persönUchen Abhängigkeitsverhältnisse tmbe-
kainnt waren. Es braucht daher hier nicht näher auf die
Vorgeschichte dieser \md der folgenden Dekrete Sim^ons
zur Agrarreform eingegangen zu werden.
Praktisch für die hessischen Teile des Reiches war da-
gegen die Tätigkeit des Ministers des Innern Wolffradt,
dem die Durchführung der Einzelheiten, speziell der Ge-
sindegesetzgebung, zufiel. Die oben angedeutete wirt-
schaftliche Verschiedenheit der einzelnen Landesteile
') BoUetin des lois 1807, S. 2 ff. - ') Ebenda 2. Aufl. 1, S. 885.
— 136 —
führte dazu, daß, soweit das Gesinderecht überhaupt einer
eingehenden Regelung oder des Versuches einer solchen
teilhaftig wurde, dies stets partikulär für einzelne Landes-
teile geschah. Die hierüber vorhandenen Akten ^) ent-
halten nur wenige Stücke; es ist wahrscheinlich, daß
auch außerdem sich noch Regungen zur Neubildung von
Gesinderecht bemerkbar gemiacht haben, zumal die Akten
erst mit 1810 einsetzten.
Ehe auf die verschiedenen Versuche, Einzelheiten
des Gesindewesens gesetzlich zu behandeln, eingegangen
wird, soll eine kurze Übersicht über den gesinderechtlichen
Inhalt des Code civil gegeben werden, der als Gesetz-
buch des Königreiches am 7. Dezember 1807 eingeführt
wurde *).
Der Code stellt an die Spitze seines kurzen Kapitels
„du louage des domestiques et ouvriers" (VIII, 3, 1) den
Grundsatz von der Unmöglichkeit einer Vermietung auf
unbestimimte Zeit. Für die Dauer des Dienstes sollen die
folgenden Bestimmlingen gelten: Der Dienstbote teilt den
Wohnsitz seiner Herrschaft (109). Er kann in Ehepro-
zessen der Herrschaft Zeuge sein (251). Der Dienstherr
hat für den Schaden, den das Gesinde anrichtet, einzu-
stehen (1384). Die Lohnfordenmg ist privilegiert (2101),
jedoch ist für einen Beweis der Forderung der Herr
näher am Eide (1781). Vermächtnisse sollen dem Dienst-
boten nicht am Lohn gekürzt werden (1023). Lohnan-
sprüche verjähren in einem Jahre (2272). Während der
Jnventarfrist leben die Dienstboten auf Kosten des Nach-
lasses (1465).
Die Versuche, im Königreiche das Gesinderecht weiter-
zubilden, spielten sich in folgender Weise ab.
*) Geh. Staatsarchiv Berlin, Rep. 6 III F. Nr. 7 und 10. -
•) Bulletin des lois 1807, S. 2flf, bes. 26 (Constitution du Royaume
Art. 45).
— 137 —
Am 23. März 1810 macht der Prefet de Police zu
Cassel dem Minister Mitteilung' von vielen Klagen über
Gesindediebstähle imd „m^oontentemfens de toute espfece
de leur p^rt**. „La prochaine soire est ime occasion pour
tous les m^uvais stijets, de se rendre ä Cassel". Er
legt eine ordonnance bei, die bis zu dem Augenblick
genügen soll, „ou la police aura les moyens de tenir des
Bureaux d'enregistrement et de renseignemtent ooncer-
nant tous les ooureurs de profession".
Folgendes ist der Inhalt der für die Stadt Cassel be-
stimmten Ordonnance.
In der Einleitung wird auf die Ungebräuchlichkeit der
gesind^esetzlichen Bestimmungen, das Bedürfnis nach
stärkerem Schutze der Herrschaften gregen das Gesinde,
und auf die vielen „d^sordres" verwiesen, die durch das
Betragen der stellenlosen Dienstboten entstehen. Art. 1:
Zum Antritt und zur Ausübimg einer Dienstbotenstelle
in Cassel ist eine „d^claration pr^alable chez le commis-
saire de police du canton ou demeure son miaitre** nötig.
Art. 2: Auswärtige Dienstboten müssen eine „carte de
suret^" haben, für die auf frühere Vorschriften, insbe-
sondere eine Ordonnance der Polizei vom 3. Februar
1809^) verwiesen wird. Aus Cassel stammfende Dienst-
boten bedürfen eines von der Polizei ausgestellten Füh-
rungszeugnisses. Art 3: Ein auswärtiger Dienstbote er-
hält die carte de suret^ nicht, wenn er nicht bei einem
Dienstwechsel ein Zeugnis der früheren Herrschaft über
seine Ehrlichkeit beibringt. Art. 4: Auswärtig-e Dienst-
boten, die die obig'en Bestimimting'en nicht befolgen, wer-
*) Diese Ordonance Hess sich nicht feststellen. Auch die vom
Passwesen der Ausländer handelnden Dekrete vom 9. Januar und
7. November 1808 (Bull, des lois, 2. Aufl., II, S. 276, 763) enthalten
^ne gesinderechdichen Bestimmungen, erwähnen auch die carte de
suret^ nicht; gleiches ist der Fall mit den späteren Passdekreten vom
U. Mai und 80. Juni 1810 (a. a. O. 1810 II, S. 141 ff., bes. 207; 120 ff.)
- 138 -
den ausgewiesen. Art. 5 : Die vorliegende Ordonnance ist
nur provisorisch; femer wird noch die Art der Publi-
zierung bestimlmt.
Des Ministers Antwort darauf vom 23. März 1810
teilt dem Prefet seine Zustimimtmg mit, da der Kntwurf
„oonforme aux reglem<ents de police encore en vigueur"
ist. Nur die Bestimmting des Art. 1, daß das ,, faire sa
declaration" auch zur Ausübung des Dienstes (exercer
r^tat de domestique) erforderlich ist, will der Minister
vermieden wissen, da dadurch leicht der Irrtum! entste-
hen könne, daß es auch für die bereits im Dienste be-
findlichen Dienstboten gelten solle. Das führe ohne
Nutzen nur zu Schwierigkeiten. Ein paar Tage darauf
scheint die Publizierung der Ordonnance erfolgt zu sein ^).
Denn bereits am 27. März findet der Minister Anlaß, dem
Prefet mitzuteilen, daß schon im* Dienste befindliche
Dienstboten auf die Polizei bestellt worden seien. Das
widerspreche aber dem, was er ausdrücklich in seinem
Schreiben über die Einschränkimg des Art. 1 gesagt habe.
Weitere Nachrichten über die Ordonnance liegen
nicht vor.
Im nächsten Jahre, am= 18. November 1811, bittet
der Prefet du Departement de la Saale zu Halberstadt mtü
Erlaß einer allgemeinen Gesindeordnung für sein De-
partement*). Ein yon ihm» beigelegter Entwurf enthält
nicht weniger als 137 Paragraphen. Eine Äußerung des
Ministers darüber ist nicht vorhanden.
Eine nebensächliche Erwähnung des Gesindes findet
sich in einem Dekret aus dem' Dezember 1811 über die
Personalbesteuerung ^), nachdem in ähnlichem Zusammen-
') Die offiziellen Veröffentlichungen (Bulletin des lois und Moni-
teur) bringen keinen Abdruck oder auch nur Hinweis. — ') Geh.
St A. Berlin. Westf. Akten. Gesindewesen 1811—12. Rep. 6 III F
Nr. 10. - >) Moniteur Westphalien 1811, S. 1225 ff., bes. 1226.
- 139 -
hange schOD am 27. Oktober 1808 eine das Gesinde be-
treffende Bestinüntingr ergangen war^).
Mehr Glück als sein halberstädter Kollege hatte 1813
der casseler Prefet de Police. Zwar kam der von ihm
eingesandte „Projet de reglement sur les domestiques"
vom 8. Mai 1813 *) „vorerst ad acta, da die Vorschriften
des Code Napol6on nicht beobachtet sind". Doch hat
es den Anschein, als wäre das Ministerium dieser An*
regung gegenüber empfänglicher gewesen; nur der Sturz
der westfälischen Herrlichkeit hat schließlich die Voll-
endung des Unternehmens gehindert.
Der Entwurf ist, wie der Prefet sagt, „provoqu^ depuis
longtems par les justes plaintes du public contre le d^-
sordre et l'insubordination des domesitiques de toute
espice". Er fügt über seine Quellen hinzu: „J'ai cru
devoir chercher ä acoorder, autant que possible, les an-
ciens r^glemens hessois avec les Lois du royaum^e
et le decret imperial du 3 octobre demier ^). C'est
ainsi que, sauf quelques exceptions . . . , V. E. reconnaitra
que chaque article est extrait de Tun ou de Tautre de
ces actes publics". Dies naive Zugeständnis, daß es sich
nur um eine Komlpilation ohne vorherige Prüfimg der
wirklichen Zustände handelt, ist ebenso wichtig zur Be-
urteilung des Entwurfes, wie die spätere Bemerkung, daß
viele Vorschriften der bestehenden Gesindegeset'ze, „s'ac-
oordent mal avec les principes de nos lois".
Ein Gesetz wurde zwar aus dem Entwürfe nicht. Aber
er enthält doch teilweise für die Beurteilung der westfäli-
schen Gesetzesbildimg so bedeutungsvolle Stellen, daü
CT als der einzige aussichtsreiche Versuch, das Gesinde-
recht in einem hessischen Teile des Königreiches um-
') Ebenda 2. Band, S. 666 ff., bes. 668, 672. — *) Geh. St. A.
Berlio. Königreich Westfalen. Gesindewesen 1810—11. Rep. 6 Hl
F Nr. 7. — •) Ein solcher ist nicht nachweisbar.
— 140 —
fassaid neuziibilden, eine eingehiende Behandlung- schon
lohnt.
Die Ordonnance zerfällt in sieben Kapitel; das ein-
zelne Kapitel besteht aus mehreren Artikeln.
Das erste Kapitel (art. 1—7) handelt von der inscrip-
tion des domestiques. Die Dienstboten, „quelque soient
leur sexe, äge, ou la nature de leur service", müssen sich
bei 2 Fr. Strafe in ein von der Polizei geführtes Register
eintragen lassen, das alles Wissenswerte über die Dienst-
boten enthält, die Dauer ihres Dienstes, ihre Führung
usw. (art. 1, 2). Die Herrschaft, die ein Dienstbote ver-
läßt, muß bezeugen, „qu*il est r^ellement ä son service
et qu'il n'a aucun r^proche a lui faire sous le rapport
de la fidelit^" (art. 3). Eine Abschrift der Angaben im
Polizeiregister erhalten die einzelnen Dienstboten, die da-
für, je nach Zugehörigkeit ru einer eigens konstruierten
Klasse, verschieden hohe Beiträge entrichten müssen (art.
4, 5). In art. 6 wird die Einrichtung eines bureau de pla-
cement angeordnet, für das die folgenden Kapitel noch
eingehende Vorschriften bringen. Die den Dienstboten
von der Polizei übergebenen Auszüge aus dem Dienst-
botenregister bleiben bis zum jedesmaligen Dienstschluß
in den Händen der Herrschaft (art. 7).
„Du placement et des mtitations** handelt das zweite
Kapitel (art. 8 — 14). Wer als Dienstbote angestellt wer-
den will, muß ein Zeugnis seines Wohlverhaltens: vor-
zeigen können, und zwar eins von der vorigen Herrschaft,
falls er schon gedient hat; wer zum ersten Male in einen
Dienst tritt, erhält das Zeugnis vom Ortsvorstand (art. 3,
zweiter Teil). Diese Papiere muß er dem! bureau de pla-
cement vorlegen, das ihm darauf ein bulletin ausstellt
(art. 8). Auch zur Dienstverlassung ist ein solches bulle-
tin nötig,, das auf Vorzeigung des herrschaftlichen Ab-
schieds erteilt wird (art. 9). Alle derartigen Bescheini-
gungen der Behörden müssen, worauf, wie es scheint, das
— 141 —
Hauptgewicht gelegt ist, wieder klassenweise verschie-
den bezahlt werden (art. 8, 9). Einen Dienstboten ohne
bulletins ni mieten, ist bei Geldstrafe verboten. Sonstige
Gebühren werden durch Einrichtung eines amtlichen Ver-
mittlungsbureaus für Mietungen, des biureau de place-
ment, eimöglicht; private Stellenvennittlimg ist bei 150
Fr. Strafe vertwten (art. 11, 14). Ausnahmsweise ist cinmial
nicht eine Geld-, sondern eine Freiheitsstrafe festgesetzt:
der Dienstbote, der es unterläßt, sich dem btireau vor-
zustellen, erhält fünf Tage Gefängnis (art. 12). Und art.
13 bestimmt, daß stellenlose, unbemittelte Dienstboten
höchstens acht Tage in Cassel bleiben dürfen; später
werden sie „trait^s öomme vagabond".
Die Beschaffung fernerer Papiere ordnet das dritte
Kapitel „des engagements" an. Der Vertragsschluß er-
folgt schriftlich „sous peine de nullit^ de toute Prätention
de la part des mattres contre les domestiques qui vou-
draient quitter avant la fin d'tm engagement verbal, sans
pr^judice cependant aux droits des maitres ..." (art. 15).
Die Herrschaft muß sich für 25 Centimes weiter ein livret
kaufen, in das die Bedingungen und die Dauer des Dienstes
eingetragen werden (art. 16). Längere Miete als auf ein
Jahr kann nicht vereinbart werden, sagt art. 17. Außer-
ordentliche Kündigungsgründe sind „d^lits, entrainant con-
denmation par tm tribunal correctionel**, Einberufung zum-
Heere, Schwangerschaft; „toute domestiqne qui se sen-
tirait enceinte, et qui n'en ferait pas la d^claration ä
ses maitres dans les trois premiers mois, sera punie d'une
d^iention (Haft)", heißt es weiter, und zwar mit Haft von
drei bis acht Ta^en. Ein eigenartiger Kündigungsgrund
isi für den Herrn statuiert, durchaus ungleiches Recht
schaffend : er kann den Dienstboten wegschicken weim er
roh ihm aus Gründen unzufrieden ist, „qui ne peuvent
^e Tobjet d'nne plainte juridique", muß ihm' nur einen
Monatslohn als Entschädigimg geben. Will ein Dienst-
— 142 -
bete den Beruf aufgaben, dann muß er es binnen 24 Stun-
den der Polizei anzeigen, „qui en examinera les motifs**;
er darf in Cassel Mahnen bleiben, wenn er für den nächsten
Monat ausreichende Mittel nachweist (art. 18). Vertrags-
bruch des Gesindes wird mit Gefängnis von zwei bis
vierzehn Tagen geahndet; will die Herrschaft, dann muß
der Dienstbote wieder eintreten.
In Kap. 4 werden zum Zwecke einer besseren Be-
aufsichtigung der Dienstboten außerhalb des Hauses die
Pflichten der Wirte und Zinun^rvermieter sehr g^^nau fest-
gesetzt.
Daß ein dcxnestique de place ou de louage nur mit
polizeilicher Genehmigung sein Gewerbe betreiben darf,
ist aus dem fünften Kapitel zu sehen. Was unter dieser
Art von Dienstboten zu verstehen ist, geht aus der Auf-
zählung in art. 24 hervor: einmal solche, die in auberges
tmd hoteis gamies dienen, sodann „ceux qui servent plu-
sieurs mattres ä la fois, log^s en chambre garnie dans
les maisons partictiliires aufwärter Stiefelwichser, auff-
wärte frau, ou moedgen, garde mialades etc.'* Zum Dienst
in Hotels wird nur zugelassen, wer 25 Jahre alt ist, deutsch
und französisch sprechen und schreiben kann, seine gute
Führung beweist und eine ding^liche oder persönliche
Bürgschaft auf 400 Fr. bietet. Eine eigenartige Fürsorge
für die Hebung der sozialen Stellung der Hoteldienst-
leute I Dabei hat es den Anschein, als wäre die ganze
Hervorhebung gerade der Hotelbediensteten nur ein Miß-
verständnis von Bestimmlmgen der frankfurter Gesinde-
ordnung von 1810*) § 107 ff.; hier wird ein Sonderrecht
für die Aufwärter statuiert, die sich frei vermieten odeSc
die in Hotels den Fremden zu Besorgungen stets zur
Verfügimg stehen (§ 110). •
Was mit den vielen einlaufenden Gebühren ange-
fangen werden soll, geht aus Kap. 6 (de la caisse et de
*) Unten S. 147 ff.
143
TempkM des fonds) hervor. Teilweise dienen sie zur Ver-
sorgung der beteiligten Polizeibeamten. Der Überschuß
wird zur Verpflegimg* kranker Dienstboten im' Kranken-
hause verwasidt (art. 34). Nicht lange danach wiurde üb-
rigens der Gedanke öffentUcher Krank^if ürsorge zuerst
der hessischen Regierung zur Dis:kussion gestellt.
Das letzte Kap. 7 enthält dispositions g6n6rales ohne
große Bedeutung für das Gesinderecht. Art 36 sagt,
daß die Verpflichtungen der Herrschaften von ihren in-
tendants, soweit solche vorhanden, unter Verantwortlich-
keit des Herrn, erfüllt werden können. Die Verjährungs-
zeit beträgft sechs Monate (art. 37). Zwei Francs Strafe
werden zu einem Tage Gefängnis gerechnet (art. 38).
Einen Verzicht auf ein singuläres Gesindestrafrecht
spricht art. 39 aus.
Die Ausführlichkeit der Bemerkungen, die der Mi-
nister zu diesen Vorschlägen macht, zeigt, daß es ihm
darum zu tun war, das Gesinderecht weiterzubilden. Er
eröffnet seine Anmerkungen mit folgenden Betrachtun-
gen, kurz, aber genügend: „Le projet de ReglemJent poür
les domestiques paiait nedcessaire. — Mais il est suscep-
tible de quelques observations. — Les obligations im-
pos^es aux Mattres et aux Domestiques semblent en g^n6-
ral DU trop rigoureuses, ou minutieuses **
Kennzeichnend für die StimMung, aus der heraus die
Franzosen in Deutschland .die Gesetze machten, sind na-
moitlich die Einzelbemerkungen des Ministers, wichtiger
als der Entwurf selber.
Haftstrafe auf die Vernachlässigung der Eintragung
^art. 1) ist nach Ansicht Wolffradts zu streng, da dann
der Dienstbote überhaupt nichts verdienen kann. Die Be-
stimiornng scheint ihlmf aus Unbekanntschait mit der die-
nenden Klasse geschaffen. Ausweisung aus der Stadt da-
gegen scheint ihm „la punition la plus naturelle" zu sein 1
Ob die Begründung ein besonders tiefes Verstehen der
— 144 —
dienenden Klasse offenbart, ist mindestens unwahrschein-
lich; Wolffradt meint nämlich, wer in die Staxit koimnt,
um da ru wähnen, müsse auch ihre Gesetze beobachten
— sonst habe er da nichts zu suchen.
So weit gehende Formaüen, wie in art. 3 \xad 4
festgesetzt sind, kann nach Wolffradt ein „individu des
classes inferieures du peuple" nicht beobachten. Der Mi-
nister sieht femer die Notwendigkeit der buUetins de
mutation (art. 9) nicht ein. Es genügt zur Verschaffung
einer Übersicht für die PoUzei, wenn die Dienstboten
sich bei ihr melden und das Zeugnis des letzten Herrn
vorlegen müssen. Art. 12 ist zu streichen. Die Bezie-
hungen der beiden Parteien zu dem Bureau müssen freie
sein. Aus demselben Grunde will Wolffradt art. 14 weg-
lassen. Gegen art. 15 und 16 macht der Minister geltend,
daß die Dienstboten nicht schreiben können, imd daß
die Formalitäten gehäuft werden.
Zu der Aufzählung der Gründe für außerordentliche
Kündigung in art. 17 »hat Wolffradt hinzuzufügen, daß auch
die leichteren Beleidigungen (die vor ein tribunal de po-
lice municipale gehören) Grund zur Dienstbeendigung ge-
ben. Der „prötexte des engagemens" darf nicht die Dienst-
boten oder die Herrschaften zwingen, Beleidigungen ru
ertragen. Über den merkwürdigen Kündigungsgrund
des Herrn, der den Dienstboten nach Belieben soll weg-
schicken können, meint Wolffradt : „On ne voit i>as, pour-
quoi la R6ciprocit6 n'aurait pas lieu, pourquoi, en cas
de m^contentement d'un domestique, assez g^rave pour
lui rendre le service de son maltre insupportable, sans
rfitre assez pour motiver une plainte juridique, il n'aurait
pas aussi le droit de quitter ce service en renongant ä
un mois de ses gages."
Der Minister reflektiert weiter über das Wesen des
Gesindeverhältnisses, daß die Parteien den Vertrag unter
der Bedingung gegenseitiger Zufriedenheit mit einander
— 145 —
schließen; daß wo dies auf der einen Seite nicht der Fall
ist, ein Scbritt auf dorn Wege zu den „id^es de servi-
tude" gemacht ist, „rejett^es por le regime cönstitutionel".
„Le seul lien qui doive retenir un domestique est Tagr^-
ment de Tavantage qu'il trouve dans ßon service, et ce
lien est sans contredire celui qui Tattache le plus forte-
ment . . . Les obliger de rester run avec Tautre, quand
ik ne se conviennent plus, c'est reellement obliger le
maitre ä se contenter d'un service mal fait, ou le Do-
mestique ä supporter des desagr^ments qui lui rendent
sa condition intolerable. — La convenance reciproque peut
donc ßtre consider6e comme la seule rfegle de ces relations.
Si un maitre mecontent de son domestique le renvoye,
si celui-ci peu satisfait de spn service, ou en trouvant
ailleurs un plus avantageux, veut le quitter, pourquoi les
Her malgr6 eux, ou les obliger ä contracter des engage-
ments dont. chac\m pourra se repentir? II n'est gufere
a craindre, surtout dans une capitale, que le miaitre que
i*on quitte, inanqu\e de serviteurs, ou que le domestique
que Ton renvoye ne trouve pas de service. — La seule
restricti<Mi necessaire ä la libert6 des relations entre les
uns et les autres est celle qu*indique la nature des choses.**
Daß Wolffrädt in seinen weiteren Einzelaüsführungen
die Bestrafung des Vertragsbruches mit 14tägigem Ge-
fängnis (art. 19) nicht billigt, ist bei seinen liberalen An-,
sichten über die Dienstlösung selbstverständlich. Nur ganz
kune Freiheitsstrafe ist zulässig, „pr^caution command^e
par la necessitö de oonserver aux domestiques leur mora-
lit6, leur bonne reputation, et leurs moyens d'existence** ;
außerdem muß die Strafe dem Vergehen konform sein.
Die besonderen Bestimmungen des 5. Kapitels über
die Auf Wärter erscheinen dem Minister durch nichts ge-
rechtfertigt. Höchstens wäre im Interesse der Reisenden
von den Gastwirten zu verlangen, daß sie nur bei der Poli-
zei eingetragene und in gutem Rufe stehende Dienst-
KSnnecke. \Q
— 146 —
leute annehmen. Die Regrel über die Verwendung der
eingegangenen Gelder (art. 34) ist gut; nur sollen die
schwangeren Mägde nicht ausdrücklich erwähnt werden,
da das ,,encouragement au desordre" ist. Zu art. 38 wäre
noch hinzuzufügen, daß Gefängnis nicht über acht Tage
diktiert werden kann.
Der Entwurf in sich, noch mehr im! Vergleiche mit
Wolffradts Ausführungen dazu, verkörpert zwei Gedan-
kenrichtungen, die in schönstatn Vereine aus Frankreich
herüberkamen. Einmlal jener registrierselige, polizeilich-
subalterne Sekretärsgeist, dem es nicht genug sein kann
mit Schreibwerk, buUetins, Zeugnissen, Registrieren usw.
Er hat die Sucht, imlmer mehr Gebiete in seinen Bereich
zu ziehen; er will nichts wissen von privater Mietung,
privater Stellenvermittlung, nur schriftliche Mietverträge
sollen gültig sein; erst was in einem öffentlichen Bureau
begutachtet ist, miag gehen, wemis gut ist. Auf der an-
dern Seite jene nobel-lässige Art des laissez faire, die
einer Theorie zuliebe gern aus den Wolken heraus Gesetze
macht. So Wolffradt ganz besonders. Er spricht es in
seinem Gutachten aus, was ihn leitet : la nature des choses I
Hier haben wir in herrlicher Klarheit die Wurzel
der französischen Doktrin offen vor uns liegen. Es wider-
spricht der nature des choses, in das Gesindeverhälttiis
einzugreifen. Wem es nicht gefällt in einem' Dienstver-
hältnis, der kann den andern einfach allein lassen; wo-
möglich ohne Kündigungsfrist weggehen und wegschicken.
Die Naivität, mit der diese gedankenvolle Politik von
ferne her gemacht wurde, und die auf jegliche Kenntnis-
nahme der tatsächlich vorhandenen Zustände verzichtete,
ist es auch, mit der z. B. die Abschaffung der „esclavagre"
beschlossen wurde, bloß des Namens wegen, der der Kon-
stitution widerspricht; darauf kam est nicht an, was die
realen Bestandteile dieses Instituts waren, nur dies so be-
nannte Wesen mußte aus der Welt.
- 147 -
Im Oktober 1813 ließ J^rome Cassel endgrültig hinter
sich. Infolgedessen iinterblieb eine Verwirklichung des
Vorhabens» eine französisch-liberale Gesindeordnung für
die Stadt Casstel zu schaffen.
$ 9. Das Groftherzogtum FrankftirL
Auch das Großherzogtum Frankfurt, die andere Kul-
turpflanze napoleoniscber Politik, setzte sich teilweise aus
hessischem Lande zusamimien. Es war Hanau mit Geln-
hausen, die, nachdem „la maison de Hesse-Cassel a cess^
de regner", zxun Großherzogtum' geschlagen wurden.
Außerdem gehörte noch Fulda dazu, das 1815 an Hessen
fiel »).
Eine Weiterbildung des Gesinderechts für die hessi-
schen Teile des Landes unterblieb aus dem gleichen
Grunde wie in Westfalen. Es war nämlich alles schon
sehr weit gediehen, als die Tätigkeit des Großherzogs
Dalberg 1813 ihr plötzliches Ende nahm.
Im Unterschiede vom' Königreiche Westfalen scheute
sich die frankfurtische Regierung nicht, partikuläre Ge-
setze zu machen. Sie eriieß am! 26. Juli 1810 eine Ge-
sindeordnung für die Stadt Frankfurt, am! 26. Oktober
1811 eine darauf beruhende für das Departement Aschaf-
fenburg*). Wie der Entwurf für die Stadt Cassel be-
vorzugen auch diese Ordmmgen eine kleinliche Mitwir-
kung der Polizei, ein außerordentlich mnfangreiches Zeug-
nis- und Registrierwesen; auch sie geben dem' Polizei-
bureau die Stellenvermittlung auf und verbieten die pri-
vate Gesindemäkelei bei Geldstrafe.
*) Darmstadter, Das Grossherzogtum Frankfurt (Frankfurt
1901), S. 68 fL, 51 ff. — ') Exemplare beider Ordnungen im marburger
Staatsarchiv, Akten der Praefektur Fulda, Landes -Polizei, Aufsicht
au& Gesinde, 1128; das Material für die Geschichte der frankfurter
Gesindeordnung befindet sich im frankfurter Stadtarchiv, FürstL
Primatische Behörden G. K. 50.
10*
— 148 —
1811 wurde der erste Versuch gemiacht, auch in F u 1 d a
das Gesinderecht entsprechend zu kodifizieren^). Am
28. Oktober fragte der Prefet zu Fulda beim dortigen
Polizeidirektor an, ob die aschaffenburger Gesindeord-
nung für die Stadt Fulda passen würde. Da die Antwort
durchaus bejahend ausfiel, so bat der Prefet am- 7. No-
vember die Präfekturen in Frankfurt und Aschaffenburg*
um Übersendung einiger Exemplare der Gesindeordnung,
den Prefet in Aschaffenburg insbesondere um Auskunft
über die vorgenomimenen Änderungen.
Kurz nachdem die Antworten hierauf eingegangen,
wtaren, bat der Domkapitular von Hettersdorf in
Blankenau, der Prefet möge für eine mindestens provi-
sorische Festlegung der Ziehzeit des Gesindes sorgen.
Diese Gelegenheit kam dem' Prefet sehr gelegen, Het-
tersdorf um allgemeine Auskunft über die Anfertigung der
Gesindeordnimg zu bitten (5. Dezember 1811); er sandte
ihm die beiden Gesindeordnungen zu, damit er daran seine
Verbesserungsvorschläge bemerke. Schon acht Tage
später trifft die Antwort ein. Hettersdorf hält die frank-
furter Ordnung für die geeignetste; die aschaffenburger
scheint ihm unvollständig und für Fulda nicht so passend.
Abgesehen von einer Fülle weniger bedeutsamer Einzel-
bemerkimgen xmd diem Vorschlage, Polizeidiener in die
Landorte zu legen, sagt Hettersdorf noch: „Meiner un-
masgeblichen Meinung nach könnte gar leicht eine
Dienstboten-Kasse im hiesigen Lande errichtet wer-
den, aus welcher ein kranker Dienstbote verpflegt würde,
ein zehnjähriger bei einem! Herrn getreu gedienter Dienst-
bote eine Gratifikation, ein 15 jähriger eine noch größere,
jährlich erhalten u. s. w."
Hier muß erst der deutsche Adelige aus seinen Hu-
manitätsidealen heraus einen Vorschlag tun, der für die
*) Quellen fbr das Folgende sind die in der vorigen Anmerkung
zitierten Akten des marburger Staatsarchivs.
— 149 —
Franzosen des Großherzogtums Frankfurt etwas Neues
bedeutet. Denn die frankfurter Ordnung enthält in § 55
wohl die Pflicht der Herrschaft zur Krankenfürsorge, die
in der aschaffenburger (§ 31 e) rur ganz allgemeinen Ver-
pflichtung ^umf "Beistand in allen billigen Gelegenheiten**
verflacht ist, aber der Gedanke einer Krankenkasse ist
beiden fremd. Der Entwurf des casseler Prefets dagegen
wollte, woran hier erinnert sei, die Gebühren für die
vielen Dienstpapiere teilweise zu einer Krankenkasse ver-
wandt wissen^).
Aus unbekannten Gründen blieb die Arbeit an der
Gesindegesetzgebung dreiviertel Jahre liegen. Es gingen
noch nuehrere sachlich nichts bietende Berichte zwischen
Fulda, Hanau und Frankfurt hin und her. Das letzte
Stück stajnimt vom 25. Juni 1813; es ist eine Mahnimg
des frankfurter Polizeinrinisters an den Prefet in Fulda.
Zu einer Antwort ist der Prefet nicht mehr gekommen.
Der Entwurf eines vom» 4. September 1813 datierten Schrei-
bens an den Präfekten zu Hanau ist durchstrichen und
trägt den Vermerk: „cessat, et ad acta. Fulda 31 Jan.
1816."
Daß auch im- Departement Hanau Versuche zur Neu-
bildung des Gesinderechts xmtemomanen wurden, geht
aus dem Gesagten hervor. In einem Schreiben des Polizei-
nrinisters an den fuldaer Präfekten heißt es, daß der Poli-
zeigerichtsdirektor in Hanau am' 20. April 1812 dem Poli-
zeiminister Vortrag gehalten und nach dessen Genehmi-
gung am 28. Mai 1812 den Entwurf einer Gesindeord-
nung vorgelegt hat. Der fuldaer Präfekt, der diesen Ent-
wurf zur Ansicht zugreschickt bekam', hat ihn nicht wieder
zurückgegeben. So hat auch das Unternehmen im" ha-
nauer Gebiet zu keinem! Erfolge geführt.
') Oben S. 143, 148.
— 160 —
IV.
§ 10. Hessen im 19. Jahrhundert
Die Vogelstraußpolitik, mit der der Kurfürst nach
seiner Rückkehr die unter dem' westfälischen Regime ein-
getretenen Änderungen anfangs verleugnete, konnte nur
geringen Einfluß auf das Gesinderecht haben; dies w*:
ja unter Jörome so gut wie gar nicht weitergebildet wor-
den. Gerade hier blieb nach 1813 alles in der gründ-
lichsten Weise beim' alten ^).
Diese Tendenz konnte sich schon in den ersten Jahren
des neuen Reiches bei verschiedenen Gelegenheiten zei-
gen. Zuerst 1815, wo die Stände zum* Landtag ein be-
sonderes Desiderium- über die Neubildung des Gesinde-
rechts einreichten *). Das Desiderium« commune XIV be-
hauptete nämlich: „Über das Sittenverderbnis des Ge-
sindes, das während der usurpatorischen Westphälischen
Regierung den höchsten Grad erreicht hat, herrscht nur
Eine Stimme." Die vortrefflichen Gesindeordnimgen von
1797 und 1801 galten zwar weiter, „ihre Anwendung aber
unterblieb in dem« Lauf jenes verhaßten Zeitpimcts". Die
Stände proponieren deshalb 1. eine Einschärf ung der Ge-
sindeordnungen und 2. die Schaffimg einer besonderen
mit der Polizeideputation zu verbindenden Gesindekom-
mission. Diese Komimission sollte folgenden Beruf haben :
einmal muß jeder, der dienen will, sich dort einschreiben
lassen. Aus den eingetragenen, xmd nur aus diesen, soll
sich der Dienstherr seine Leute aussuchen und eine Mie-
tung anzeigen. Und schließlich soll jede Herrschaft „von
Zeit zu Zeit während des Dienstes nicht nur Attestate
über das Verhalten der Dienstboten dahin einschicken,
sondern auch bei Endigimg der Dienstzeit dergleichen
') Vgl. Regierungsausschreiben vom 10. Januar 1814 (Ges.-Samnil
S. 8). — ') St A. Marburg, Landtagsakten 1815.
— 151 —
ertheilen, und für dessen Wahrheit verantwortlich ge-
macht werden.** ^J
Die Regierung empfahl diese Vorschläge dem Kur-
fürsten, fragte aber auf seine Veranlassimg erst noch
bei den Regierungen in Marburg, Hanau und Rinteln über
die Zweckmäßigkeit solcher Einrichtxmg^ an (25. Mai
1815). Die Regierungen stimimen prinzipiell zu, ganz kurz
die marburger, ausführlicher die andern Regierungen;
aus Hanau wird noch ein Gutachten der dortigen Polizei-
kommission eingeschickt.
Das „Prinzip**, denn sie alle ihren Beifall geben, ist
hauptsächlich der allgemeine Gedanke, daß Mängel im
Gesindewesen zu Tage getreten sind. Über die einzelnen
Abhilf smittel herrscht keine Übereinstimmung zwischen
der hanauer Polizeikomimission xmd der Regierung zu Rin-
teh, auf deren beider ausführlich begründete Gutachten
es allein ankomimt. Die rintelner Regierung empfiehlt
eine besondere Gesindekomimission, weil dadurch die
Sachen rascher erledigt werden als vor dem Kollegium der
Polizei. Die Hanauer wollen das nicht zugeben. Doch
stimmen auch sie für eine Vereinigung der Gesindestrei-
tigkeiten, vor allen^ der Zivil- und Kriminalsachen, vor
einem einheitlichen Forum'; bisher strafte die Polizei das
Gesinde, über die Zivilansprüche erkannten die verschie-
densten Gerichte, die Stadtschultheißen, die Konsistorien
usw., und gerade diese Zwiespältigkeit brachte es mit
sich, daß die Gesindeordnungen so schlecht durchgeführt
wurden. Alle lehnen die Verpflichtung der Herrschaf-
ten zur Zeugniserteilung während des Dienstes ab; die
Zeugnisse würden imtoier dasselbe, unwesentliche sagen,
n>eint die hanauer Polizei, denn bei wesentlichen Klagen
') 1815 wollten auch die marburger Professoren von sich aus
ein ähnliches Gesindebflro nach dem Muster einer frankfurter Ein-
richtung gründen; es scheint aber nicht dazu gekommen zu sein (St.
A. Marburg. Universitätsakten IV 11 A Nr. 21).
- 162 —
erfolge doch Dienstbeendigrung. Die Beschränkungr des
Publikums auf die eingetragenen Dienstboten scheint der
hanauer Polizeikömmission nicht zweckmäßig; die Gut-
achter in Rinteln haben daran nichts auszusetzen. Wäh-
rend die hanauer Polizeikomimissioh alles gute von mehre-
ren Listen dei Dienstboten, Kellner, Ladendiener usw.
hofft, sieht die Regierung in Rinteln das Heil in einer
Schärfung der Gesindeordnungen nach dem' Vorbilde der
hannoverschen Gesindeordnung von 1732 und des preu-
ßischen Allgemeinen Landrechts. Eigentlich dürften ja,
heißt es im rintelner Gutachten, in den Gesindeordnun-
gen nur Polizeibestimlmüngen stehen; das übrige, Zivil-
und gewöhnliches Strafrecht, gehört in die allgemeinen
Gesetzbücher. Schließlich bittet die Regierung in Rin-
teln noch darum», das „öfters sehr traurige Schicksal**
kranker Dienstboten zu erleichtem und nach Vorbild des
preußischen Landrechtes den ungewissen Rechtszustand
in Hessen zu beseitigen.
Ehe sich die Regierung zru Cassel im' Oktober 1816
an eine Bearbeitung der Berichte machte, hatte der
Staatsminister von Schmerfeld ihr nach Schluß des
Landtags die Mitteilung gemacht, daß die Sache „vor
'der Hand beruhen werde** — ohne Gründe, wie es
scheint. Das erbost die Regierungsräte so, daß sich die
meisten lediglich in Ausführungen über solch einen un-
verständlichen Schritt ergehen. Nur der Regierungsrat
W e t z e 1 1 gibt seine Ansicht dahin ab, daß die Gesinde-
ordnungen gut genug sind, daß eine besondere Gesinde-
kommission Verschwendung wäre.
Das war am- 18. Oktober 1816. Der große Erinne-
rungstag bedeutete das Ende des landständischen Seh-
nens. Es blieb beim alten.
Und es blieb auch so gut wie beim- alten, als es
sich darum- handelte, dem neu erworbenen Großherzogtum
Fulda ein Gesinderecht zu geben. Allerdings ging die
- 163 —
Anregungr dazu von der kurfürstlichen Regierungskomf-
mission in Fulda aus. Doch ergibt sich aus den ganzen
Verhandlungen ziemlich klar, daß es ihr weniger die Sorge
am Abstellung von Mängeln im' Gesindewesen war, die
sie zum Vorgehen veranlaßte, als vielmehr der sehr büro-
kratische Grund, daß ihr das Fehlen eines geschrie-
benen Gesinderechts ein Dorn im» Auge war. Es scheint
sie das Verlangen nach einem' Gesetze als solchem ge-
trieben zu haben; wo das ganze übrige Land so schön
mit einem Gesinderecht versorgt war, trat die Lücke in
Fulda als bedauerlicher Mangel besonders hervor.
Am 30. Juli 1816 fragt die Regierungskammission
bei der fuldaer Polizeidirektion an, ob eine Gesindeordnung
vorhanden sei, ob Klagen über Gesinde vorgekomimen,
„ob, wenn keine solche Verordnung besteht, diese be-
sonders von den Dienstherm gewünscht wird", nach
welchen Grundsätzen bisher das Gesinde behandelt
wurde *).
Die sehr geruhsam gehaltene Antwort (vom 31. Juli
1816) lautet denn auch so, daß es eine Gesindeordnung
nicht gibt. Allerdings hat der Präfekt einmal vor fünf
Jahren die Gesindeordnung für die Stadt Frankfurt zur
Begutachtung hergeschickt, und die schiai auch den ful-
daischen Zuständen durchaus angemessen. „In Erman-
gelung eines bestimmenden Gesetzes mußten immer nur
die natürliche Billigkeit und die Grundsätze der
Rechtslehre zu Rath gezogen werden. Die aus dem
Dienst entlaufene Mägde wurden durch Polizeidiener ihrer
Dienstherrschaft wieder zugebracht, mit Zwangsarbeits-
bausstrafe bedroht oder wenn sie vom« Lande waren und
auf keine Weise ihre Dienstzeit aushalten wollten, nach
uralt hiesigem Gebrauch aus der Stadt geführt,
in welcher sofort sie nicht wieder in Dienst genommen
*) St. A. Marburg. Fuldaer Reg.-Akten, Polizei-Repositur III A
MO, wo auch für das Folgende die Belege zu finden sind.
— 164 —
werden durften." — Vorher hatte sich der Polizeidirektor
noch über die hauptsächlichen Beschwerden ausg'elassen :
„Die meisten Klagen, welche hierunter vorkomimen, wer-
den durch die Mägde, die ohne ihre Dingzeit auszuhalten,
den Dienst verlassen, und durch die Dienstherrschaft,
die ihre Dienstboten oftmals gar zu übel mit Wort imd
That behandelt, oder ihnen gar zu magere Kost ver-
abreicht, veranlaßt. Es befinden sich Haushalte dahier,
wo in wenigen Jahren über 200 Mägde aus ähnlicher Ver-
anlassung davongelaufen oder ausgetretten sind» ohne dass
eine Klage von Seiten der Dienstherrschaft hierüber er-
hoben worden wäre.**
Trotzdem aus diesem! allem hervorgeht, daß die Poli-
zeidirektion eine Aufzeichnung des Gesinderechts durch-
aus nicht für nötig hielt, sandte ihr die papieresfrohe
Regierungskomimission doch zur Beurteilung die kur-
hessische Gesindeordnung von 1797 ein, die unter Weg-
lassung der §§ 14 (Bestrafung des Naschens) und 16
(Schandpfahl) und unter Abänderung einiger Kleinig-
keiten wohl auch für Fulda passen würde.
Die Polizeidirektion stimimt dem= zu wie 1811 der
beabsichtigten Einführung der frankfurter Gesindeord-
nung (12. August 1816). Sonderbarer Weise ist das ein-
zige, was sie an Neuerung vorschlägt, eine Bestimmung
über die Dienstbeendigung bei Schwangerschaft der
Mägde.
Jetzt hat die Regierungskommission nichts Eiligeres
zu tun, als einen Bericht nach Cassel zu schicken über
die dringende Notwendigkeit einer Gesindeordnung für
das gesetzeslose Großherzogtum' (13. Sept. 1816). In über-
triebener Weise wird aus den trockenen Mitteilungen der
Polizeidirektion zurechtgemacht, was alles für Mißstände
infolge der Schlechtigkeiten der Dienstboten herrschten.
Natürlich muß das, was dte Polizeidirektion über die vor-
kommenden Dienstverlassungen der Mägde gesagt hatte,
— 156 —
vor allem herhalten ; auch jene Herrschaften mit den zwei-
hundert Dienstmädchen spielen eine entsprechende Rolle.
Wohlweislich unterschlägt die Komfmission aber, daß die
Polizeidirektion gerade den Herrschaften einen Teil der
Schuld zugeschoben hatte. Ja, sie bemerkt sogar, daß
eine Gesindeordnung von den Einwohnern sehr gewünscht
werde. Dies vor allem' ist merkwürdig. Denn auf die
Anfrag'e, ob Dienstherren eine Gesindeordmmg wünschen,
hatte die Polizeidirektion ablehnend geantwortet, Klagen
seien nicht vorgekomimen. Auch sonst ist in den Akten
nichts über einige direkte Beschwerden bei der Regier ungs-
kommission enthalten ; vielleicht hatten die Regierungsräte
besonders üble Erfahrungen mit ihrem fuldaer Dienst-
personal gremacht.
Mit ihrem! Bericht sandte die Regierungskommission
einen Entwurf für die neue Gesindeordnung nach Cassel.
Der Entwurf ist, wie es im' Begleitschreiben heißt, größ-
tenteils in Anlehnimg an die hessische Gesindeordnung
von 1797 entstanden, „nur in wenigen auf die hiesige
Landes Verfassung nicht passenden Sätzen** weicht sie
von ihrem- Vorbild ab. Das Konzept des Entwurfes ent-
hält mehrere sachliche Verbesserungen von gebildeter
Hand. Der Entwurf wurde unverändert als Gesetz ange-
nomimen; datiert ist dies mit dem 28. Dezember 1816^).
Der Inhalt der Gesindeordnung stinmit, soweit im
folgenden keine Abweichungen bemerkt sind, vollständig
mit demjenigen der hessischen Gesindeordnung von 1797
überein.
In der Einleitung wird nur über das schlechte Be-
tragen des Gesindes geklagt, nicht wie 1797 auch noch über
Untreue imd Betrügereien; dazu hatte die Regienmgs-
koromission wohl doch nicht Material genug, um den
Dienstboten auch dies noch zu unterstellen. Fortge-
') Abgedruckt bei Möller>Fuchs S. 118
— 156 —
lassen in der fuldaischen Gesindeordnung sind die beiden
ersten Paragrraphen der hessischen über die Verivertung
der Kinder und Müßiggänger — ein Zeichen für den
neuen Geist, dessen Hereindringen man nicht ruletzt der
Schule des westfälischen Regim^ents verdankte. Eine
benjerkenswerte Neuerung ist femer die Anordnung:, daß
die Behörden für Erteilung der Zeugnisse nichts fordern
dürfen (§ 1); 1797 war die Höchstsumkne des Ent-
gelts auf zwei Albus festgesetzt worden (§ 3). Sprach-
puristische Gemüter wird dazu noch die Ersetzung der
„Attestate" durch „Bescheinigungen" und „Zeugnisse^"
erfreuen.
§ 6 der hessischen Ordnung über den Lohn ist jetzt
ganz fortgelassen. Was sollte er auch noch? Er sagte
ja nur Negatives. In § 4 der fuldischen Gesindeord-
nung (1797: § 7) steht im Einklang mit § 16 keine Be-
stimmung über die Nichtbeendigrimg des Dienstes durch
Heirat des Dienstboten. Neues bringt § 7 (1797 : § 10).
Nach hessischem» Recht konnte der grundlos entlassene
Dienstbote kein Kostgeld fordern. Die neue Gesindeord-
nung bestimmt: „Eine mäßige Vergütung für die ent-
zogene Kost hat nur dann statt, wenn die Herrschaft
aus bioser Willkühr gehandelt und der Dienstbote keinen
andern Dienst gefimden hat. Kommt über diesen Punkt
eine gütliche Vereinigimg nicht zu stände, so hat die
Obrigkeit, nach billigem' Ermessen, sumtoarisch darüber
zu erkennen." Femer wird in diesem« Paragraphen nicht
nur der Fall berücksichtigt, daß die Herrschaft den noch
nicht eingetretenen Dienstboten nicht annehmen will (so
1797), sondern auch der, daß sie den schon im' Dienste be-
findlichen grundlos wegschickt. Weise Beschränkung
offenbart sich in § 8 der fuldaer Ordnimg (1797: § 11).
Denn nur die erste Hälfte des entsprechenden hessischen
Paragraphen wurde übernommen. Was darüber hinaus-
geht, steht nicht in der neuen Gesindeordnung. Das
— 167 —
sind Vorschriften über Widerspenstigkeit, Fluchen, Trin-
ken, Spielen und ähnliche Dinge.
Von einer geringen Veränderung des § 9 gegenüber
dem' hessischen § 12, die sachlich nichts hinzufügt, ab-
gesehen, ist vor allenn die Neubildung des Strafensystems
zu nennen. § 10 kennt den Strang nicht mehr. Dafür
wird dann in § 11 auf das Naschen im Rückfall vierund-
z^anzig^stündiges Gefängnis gesetzt. Und statt des Schand*
pfahls dient nun das fuldaische Provinzial-Blatt dazu, die
vom Gesinde begangenen Frevel der Allgemeinheit be-
kannt zu machen (§ 13). Die Summe beim Einkaufsbe-
truge wird auf neim Gulden (statt auf fünf Thaler) ange-
setzt.
Die einzige von der fuldaer Polizeidirektion ge-
wünschte Neuerung enthält § 16 : Eine schwangere Magd
kann gleich weggeschickt werden. „Zieht es aber die
Herrschaft vor, einen solchen Dienstboten noch auf kür-
zere oder längere Zeit im" Dienste zu behalten, so ist sie
verbunden, bei der Arbeit auf den Zustand desselben billige
Rücksicht zu nehmen, und ihm nicht allzu harte oder gar
der Gesundheit nachtheilige Arbeit zuzumiuthen.**
Da die Gesindeordnimg über die Publikationsart imi
Aaihange keine Verfügung enthielt, schlug die Polizei-
kommission am 18. März 1817 „imzielsetzlich** vor, sie
im Provinzialblatt für Fulda abzudrucken. Die Regierung
stimmte dem am 31. März 1817 zu. Dies blieb der einzige
Punkt, über den nachträglich eine Verhandlung stattfand.
Im übrigen hatte niemand eine Beschwerde oder einen
Verbesserungs Vorschlag einzureichen.
Auch das zu Hessen neu hinzugekomlmene isen-
burgische Land sollte nun sein Gesinderecht haben.
Wenigstens war dies die Absicht der „Kommission zur
vorläufigen Verwaltung der neu acquirirten Standesherr-
Hchen Districte". Sie teilte es der hanauer Regierung mit,
die am 30. September 1817 eine Anfrage an die Regierung
— 168 —
in Cassel richtete. Diese fragte nun bei der hanauer
Polizeikomlmission an. Mehr ist aus den Akten ^) über die
ganze Aktion nicht zu erfahren.
Daß aber nichts dabei herausgekomanen ist, greht
aus einem! Schreiben der hanauer Regierung an das Mi-
nisterium des Innern vom' 23. Februar 1826 über die Ein-
führung von Gesindebüchem hervor *). Daraus ergibt sich,
daß es nicht bloß die damals isenbiurgischen Länder waren,
die kein Gesinderecht hatten, sondern auch noch die unter
kurmainzer Recht stehenden Dörfer Großauheim, Groß-
krotzenburg, Oberrodenbach, die gemeinrechtlichen Ge-
biete Ramholz und Praunheim' und der Huttensche Grund
um^ Rom]sthaH). Damals fragte die hanauer Regierung:
von neuem an, ob eine Ausdehnung der (fuldischen) Ge-
^indeordnung auch auf diese Gebiete nicht möglich wäre.
Nach langem: Zaudern gab das Ministerium' *\m 27. Juni
1833 den Bescheid, „dass vor einer Ausdehnimg der Ver-
ordnung vom- 28ten DeCember 1816 über das Großherzog--
thum Fulda hinaus, dieselbe, und damit zugleich die alt-
hessischen Verordnungen über das Gesindewesen, einer
Revision zu unterwerfen seyn würden, dieses aber Vor-
arbeiten und eine Veränderung der Gesetzgebung erfor-
dere, wozu dermalen nicht der geeignete Zeitpunckt sey."
Der „geeignete Zeitpunckt*' ist auch später nie ge-
kommen, denn bis heute ist in diesen Gebieten noch kein
Gesinderecht eingeführt worden *). Damals war der Grund
der Absage wohl die Furcht, die Ständeversamlmlung
möchte bei einer Neubearbeitxmg des Gesinderechts zu
radikale Abstriche vornehmen — ganz wie heute. Nur
brauchte das Ministerium! 1833 der Regierung gegenüber
') St. A. Marburg. Cass. Reg.-Akten Gesindewesen 1815—1817«
— ') Ebenda. — ') Die Geltung dieser Rechte in den genannten
Orten ergibt sich aus der übersichUichen Karte in Kerstings
Sonderrechten. — ^) Baumann S. 6, Süsskind S. 8
— 159 —
nicht auf eine Ausrede zu sinnen« sondern konnte ohne
Angabe von Gründen eine Absage erlassen.
Iiö Februar 1826 überreichte die Oberpolizeidirektion
zu Cassel dem Minister des Innern zwei für Stadt und
Kreis entworfene Gesinde bücher*). Der Ministerial-
beschluß vom 26. Februar 1825 gfenehmigte diese Ein-
richtung als zweckmäßig für alle Provinzen und beauf-
tragte die Oberpolizeidirektion, das Erforderliche den Re-
gierungen mitfuteilen. Diese erhielten darauf ein Probe-
buch und ein Dienstbotenregister zugeschickt. Im' Laufe
des Jahres (in den kleineren Orten der Provinz Hanau
erst am 13. Juli 1833) kam' die Einrichtung, zum Er-
satz der bisher gebräuchlichen Aufenthaltsscheine, über-
all zur Einführung. In der Folgezeit ergeben sich einige
verwaltungsrechtliche Streitigkeiten über die Zuständig-
keit der Behörden; näheres darüber braucht hier nicht
mitgeteilt zu werden.
Auch über Entstehen und Vergehen von verschie-
denen Plänen zur Errichtung von Gesindekrankenanstal-
ten und -Kassen an mehreren Orten Hessens wird in
andenn Zusammenhange des 2. Teiles *) berichtet werden.
Als wichtiges Sondergesetz verdient die große Hirten-
ordnung vom» 18. Oktober 1828^) Erwähnung. Über Ge-
sindestreitigkeiten wurden mehrmials prozessuale Anord-
nungen getroffen, so am 8. April 1826, 18. Oktober 1834,
22. Dezember 1853*).
In die letzten fünfzehn Lebensjahre Kurhessens fällt
öoch eine rege Tätigkeit in der Gesindegesetzgebung,
reger beinahe als alle früheren Untemehmiungen. Es war
die Zeit, da Vihniar im Ministerium^ arbeitete, imd sein
^) St A. Marburg. Cass. Reg.-Akten, Gesindewesen. 1815 bis
1817. Marb. Reg.-Akten, Rep. III, Tit. IV 10. Fuld. Reg.-Akten Pol.-
Rq>. m A, 180. Han. Reg.-Akten Nr. 815 und 816 des Repos. Cef.
Rcpert. Nr. ffl, O.-Nr. 2. — ») Teü 2, § 11. - •) Möller-Fuchs
a 627. — «) Ebenda S. 588, 1085, 1290 ff., bes. 1291, 1808.
- 160 -
Geist, wo nicht maßgebend, so doch typisch war für
Anschauungen der Regierenden und der Beamten im
Lande. Kein Wunder, daß selbst das Gesinderecht davon
berührt wurde.
1851 unternahm' die casseler Regierung eine Enquete
über das Gesindewesen und seine Mißstände^). Die Re-
gierung schickte am' 10. Juni 1851 an die drei Verwaltung^s-
ämter in Cassel, Hofgeismar und Wolfhagen ein sehr aus-
führliches Umschreiben, in dem ungefähr folgendes ent-
halten ist.
Zwar kann man den Gesindeordnungen entnehmen,
daß Klagen über das Gesinde auch schön früher vorge-
kommen sind. Aber gerade neuestens erfolgt ein steter
Wechsel der Dienstboten. Früher war ein Jahr die reg-el-
mäßige Dienstzeit. Heute kaum noch ein halbes und ein
Vierteljahr, „und es sind schon Fälle vorgekomimen, daß
ein Individuum' während 9 Monaten auch 9 Dienste ge-
habt hat**. Es werden zwölf Fragen gestellt. Die wichtigste
geht dahin, ob es sich empfiehlt, Dienstboten, die wäh-
rend zwölf Monaten den dritten Dienst annehmen wollen,
die Visierung des Dienstbuches zu versagen, auswärtige
auszuweisen. Weiter will die Regierung wissen, ob man
auch einem ungünstigen Zeugnisse der Herrschaften die
Wirkung verleihen soll, daß die Visierung des Dienst-
buchs versagt wird. Das Schreiben erkundigt sich dann
nach der Häufigkeit der Fälle, in denen zu grünstige Zeug-
nisse Veranlassimg gegeben haben, den Ausstellei: gericht-
lich zu verfolgen. Auch darüber soll Auskunft gegeben
werden, ob außerehelich geschwängerte Mägde oder Ge-
schlechtskranke zum' Aufgeben des Dienstes veranlaßt
worden sind. Wichtig ist sodann die Frage nach Zahl
und Einfluß der Gesindemäkler, sowie die Aufforderung,
eine Statistik der Dienstboten aufzustellen.
*) Fürs Folgende St. A. Marburg. Akten der Cass. • Reg., Ge-
sind ewesen betr. 1851 ff.
— 161 —
Außer den Antworten der befragten Verwaltungs-
ämter Cassel, Hofgeiamlar und Wolfhagen liegen auch
noch die von diesen herangezogenen Berichte der Land-
ratsämter vor, alle zusamhien ein ziemlich ergiebiges Ma-
terial zur Beurteilung der Fragen.
Die meisten Berichterstatter stimmen dem Vorschlag
der Bestrafung zu häufigen Dienstwechsels zu. Nur die
Landräte von Melsungen, Rotenburg und Homberg wollen
davon nichts wissen, der von Homberg deshalb nicht, weil
es „an und für sich** eine Sache der persönlichen Frei-
heit ist, wie oft ein Dienstbote sich vermieten will; „es
würde also einer Norm} bedürfen, durch welche jene
Beschränkung gerechtfertigt würde, \md eine solche ist
meines Wissens nicht vorhanden.** Fast einstimmig
wird dagegen der Gedanke abgelehnt, schlechte Zeugnisse
durch Versagen des Visierens zu ahnden. Das würde de-
moralisierend wirken. Klagen wegen Schädigung durch
zu günstige Zeugnisse hat so gut wie nie eine Herr-
schaft angestellt. Schwangere oder geschlechtskranke
Dienstboten wurden, soweit so etwas überhaupt vorkam»,
stets entlassen oder weggeschickt, ohne Widerspruch der
Betroffenen.
Am bemerkenswertesten ist das Ergebnis der Anfrage
nach den Gesindemäklem. In keinem der Landbezirke gibt
es solche. Nur die Stadt Cassel kennt sie. Und sie hat
eine bescmdere Instruktion für sie entworfen. Darin ste-
hen vornehmlich Beschränkungen der „Commissionairs**
in der Ausübung ihres Gewerbes. Sie dürfen nur polizei-
lich legitimierte Dienstboten vermieten. Sie haben Re-
gister zu führen über die Herrschaften, die Dienstboten
haben wollen, und über die stellesuchenden Dienstboten.
Vi(»ausempfang der Gebühren ist nicht gestattet. Die
Gebühr beträgt 16 Sgr., wenn ein Vertrag durch den
Mäkler abgeschlossen ist; 10 Sgr. für den Fall, daß der
Stelhmgsuchende in anderer Weise befriedigt wird oder
11
— 162 —
eine ihm vom Mäkler angebotene Stellung ausschlägt.
Der Mäkler darf von den Stellimgsuchenden keine Gegen-
stände zur Bezahlung in Versatz nehmen, bei Strafe von
1 bis 6 Th. Über den Einfluß der Gesindevermittler auf
die Dienstbotenverhältnisse äußert sich das Verwaltungrs-
amt sdu- pessimistisch. Die Mäkler verleiten die Dienst-
boten ru häufigem' Dienstwechsel, weil sie auf die Weise
viele Gebühren bekomimen. Und die Aussicht, durch die
Mäkler imimer wieder einen Dienst zu bekbmtoen, ver-
leitet die Dienenden zu Unarten und Ungehorsaim. Or-
dentliche Herrschaften komlmen fast nie in die Verlegen-
heit, sich an einen Comimissionair wenden zu müssen;
denn hier wird sich die Nachricht, daß nächstens eine
Stelle frei ist, bald herumsprechen.
Schließlich seien noch die Statistiken des Dienst-
wechsels mitgeteilt, die einige Berichte enthalten. Von
889 Dienstboten im' Amt Wolfhagen hatten im Jahre 1850
nur 16 mehr als einen Dienst. In Hofgeismär waren es
18 von insgesamt 428 Dienstboten. Auch der Prozentsatz
in Witzenhausen ist gering: 56 von 1653. Demi konmit
die Lage im Bezirke Rotenburg nahe ; hier hatten 68 von
1686 mtehrere Dienste in einem' Jahre. In Homberg waren
es nur 50 von 1807, in Fritzlar zwar noch einmal soviel,
aber immer noch wenig genug : 125 von 1895. Nur in der
Stadt Cassel war es wirklich schlimm. Das Verwaltungs-
amt gibt an, daß die Hälfte der 859 Dienstboten mehr
als zwei, ein Sechstel gar mfehr als drei Dienste gehabt
habe.
Das Ausschreiben und seine Beantwortungen blie-
ben ohne praktisches Ergebnis. Es erfolgte zunächst nichts
von gesetzgeberischen Maßnahmen. Die Zahlen, die die
Berichte brachten, ließen ein besonders dringendes Be-
dürfnis zu gesetzgeberischem Vorgehen nicht erkennen.
Dabei war freilich der „allgemeine** Inhalt der Ant-
worten auch durchaus nicht geeignet, ein praktisches Vor-
— 163 —
gehen zu veranlassen. Die Berichte triefen geradezu von
Frönxmigrkeit. Die Beamten hatten ihren Stahl mit
großem Eifer studiert, und sie hatten sich die Revolution
als Gegenbeispiel tief in die Seele greifen lassen. Sie
konnten sich aber auch der unbestrittenen Erkenntnis nicht
verschließen, daß gerade die Herrschaften mit einen
Teil der Schuld tragen an den Mängeln im» Gesindewesen.
Ja, diese Feststellung paßt sogar vortrefflich ins System'.
Die Menschen sind ja alle — so stellen die Gutachter
fest — von Gott verlassen in diesen bösen Zeiten, auch
die Herrschaften; nur ist das bei den „niederen Classen"
in stärkerem! Grade der Fall als bei den „Gebildeten**.,
Die Stellen der Berichte, soweit sie allgemeine Be-
trachtungen enthalten, sind zu wichtig für die Zeitge-
schichte, für die Art, in der sich in diesen neuen Jahren
die Welt in den Köpfen der Regierenden ansah, als daß
sie hier bloß erwähnt werden könnten. In^ folgenden
werden daher die wichtigsten, schlagendsten Stellen im-
Wortlaut wiedergegeben.
Hofgeismar: „Als die untern Volksklassen noch sitt-
lich religiös waren, auf Ordnung und Zucht hielten, ein-
fach und eingezogen lebten, da gab es gute Herrschaften
und gutes Gesinde. In diesen Zeiten gehörte das Gesinde
gleichsam mit zur Familie der Herrschaft, es arbeitete
mit Lust imd Freude für dieselbe so, als wenn es für sich
selbst wäre, war derselben gehorsam* und treu. Selten
wechselte es den Dienst, sondern blieb in der Regel so
lange bei der Herrschaft, bis es seinen eigenen Heerd
gründete, wobei es dann für seine treue Dienste auch hilf-
reiche Unterstützung bei der Herrschaft fand. Viele der-
selben blieben auch Zeit ihres Lebens in ein und demiselben
t)iensthause vom Vater auf den Sohn. Seit dem' aber die
alten guten Sitten nach und nach abgestellt, der wahre
Glaube der Väter verlassen worden, ist auch ein großer
Verfall sowohl bei Herrschaften als Dienstboten einge-
ll»
— 164 —
treten und es wird auch wohl dieser so lange bleiben, bis
jene Sitten und jener Glauben wieder zurüdclrchren. Dieses
aber zu bewirken, steht in keines Menschen Gewalt."
Ahnlich ist der Bericht aus Cassel gestimmt.
Noch frömmer ist der Landrat in Eschwege. Er
schreibt so: „Die Klagen über das Gesinde, welche man
in neuerer Zeit hört, sind leider nur zu begründet. —
Der Grund liegt in der Richtimg der Zeit. Es müßte
Wtmder nehmen, wenn es anders wäre, wenn in einer
Zeit, wo der höchste Herr im' Himinel geleugnet wird,
und man die von diesem den Fürsten der Erde ver-
liehene Gewalt zu zertrümimern sucht, bei dem Gesinde
Zucht und Sitte geblieben wäre Mit der Irreligiosität
hört der Hinblick auf das Jenseits, sowie Verehrung- der
göttlichen Welten-Ordnung und damit christliche Fügung
und Zufriedenheit mit dem einem zu Theile gewordenen
Loose auf. Dieses kann nur eine Überhebung und Auf-
lehnung des Gesindes gegen die Gesetze des Staates,
nicht weniger als gegen die Brodherrschaft zur Folge
haben. .•. Wenn die Brodherrschaft das Gesinde nicht
mehr als Theil der Familie bezw. des Hausstandes an-
sieht, nicht zum' Guten anhält, vom Kirchenbesuche wohl
gar abhält, viehnehr nur darauf bedacht ist, den grrößt-
möglichen Vortheil aus der Arbeitskraft der Dienstboten
zu erzielen, wie es in neuster Zeit meistentheils der Fall
ist, dann läßt sich keine Anhänglichkeit an die Brod-
herrschaft seitens des Gesindes erwarten, dann wird
pflichttreue Dienstübung desselben selten sein und die
Erscheinungen der Neuzeit können nicht fehlen.**
Sodann noch als besonders prägnante Zusammen-
fassung die Äußerungen im' marburger Bericht: „Wenn
es nun eine historische Erfahrung ist, daß wirklich seit
etwa 50 bis 60 Jahren (auch wohl noch länger) durch
eine Richtimg des mienschlichen Geistes — in der er
seine eigene Weisheit an Stelle der Weisheit Gottes zu
— 165 —
setzen strebte, das Wort Gottes aus Kirche, Schule und
Haus mosrlichst verdrängt und anstatt der lautem Offen-
barung Gottes in Gesetz und Evangelium' allerlei dasselbe
mehr oder weniger fälschende Menschentheorie und Weis-
heit ohne Saft, Kraft und Leben dem> Volke dargeboten
ist, die selbst dürr, auch nur auszutrocknen vermöchte
- und damit auch die Kirchenzucht in Verfall gerathen
ist, so ist es kein Wunder, im' Gegentheil sehr natürlich,
wenn sich die Folgen davon in den sittlichen Zuständen
des Volkes überall, bei allen Ständen und in allen Ver-
hältnissen auf die oben angedeutete sehr betrübende
Weise zeigen." Inü folgenden werden noch Bibelstellen
zitiert, so die bekannte Kol. 4, 1.
Hierbei kann also nichts heraus. Aber was der um-
fassenden Hnqufete nicht gelang, erreichte später eine ein-
zige Beschwerde. 1857 erfuhr die Regienmg nämlich von
dem „nächtlichen Entweichen** eines Knechts in der Stadt
Wabern. Das passierte im' März; die Regierung erhielt
im April Nachricht. Am' 25. Mai erging ein Ausschreiben
an die Regierungen, unterzeichnet von Scheffer als
Minister des Innern.
Es lautet: „Bei dem» Überhandnehmen der Klagen
über Gesindemangel imd über leichtfertige Lösung des
Dienstverhältnisses haben die Regierungen und die Regie-
nings-Comimissionen zum Schutze der dienstherrlichen
Autorität und zur Verhütimg des eigenwilligen Dienst-
bniches wegen eingehender Handhabung der Gesinde-
Ordnungen und der darauf bezüglichen Vorschriften nicht
allein einschärfende Anordnung ru erlassen, sondern auch
zu verfügen, daß Dienstboten, welche im» Laufe der Dienst-
zeit ohne Einwilligung der Dienstherrschaft austreten, auf
die Anzeige der letzteren sofort zwangsweise zurückge-
führt und denmächst zur Bestrafung gebracht werden;
und daneben darauf hinzuwirken, daß, unter geeigneter
Betheiligung der Ortsgeistlichen imd Volksschullehrer, die
— 166 —
rechtlichen und sittlichen Grundlagren des Verhältnisses
zwischen der Dienstherrschaft und dem« Gesinde überhaupt
zum lebendigeren Bewußtsein gelangen."
Auf dies Umschreiben hin sandte die Regierung am
10. Juh 1857 ein Zirkular an die Schulvorstände und
Schulinspektoren, Es ist außerordentlich fromüi ausge-
fallen, ganz im Predigttone der Berichte aus dem Jahre
1851 gehalten, und hat folgenden Wortlaut:
„Die täglich sich mehrenden Klagen über leichtfer-
tiges, tuizuverlässiges und imtreues Gesinde weisen in be-
dauerlicher Weise darauf hin, dass die religiös sittliche
Bedeutung des Verhältnisses zwischen Dienstboten und
Herrschaften dem Bewusstsein des Volkes bereits in hohem
Grad entschwunden ist und dieses Bewusstsein einer sorg-
fältigen Pflege bedarf, wenn dem» drohenden Verderben
Einhalt gethan und eine nachhaltige Besserung angebahnt
werden soll. Die Herrn Schulinspectoren und Schulvor-
stände werden es sich darum dringend angelegen sein lassen,
auf Beseitigung dieses Übels mit allen ihnen zu Gebote
stehenden Mitteln nach Kräften hinzuwirken. Sie werden
zu dem- Ende insbesondere die ihnen untergebenen Lehrer
anweisen und anleiten, bei Behandlimg des 4. bezw. 5. Ge-
bots oder sonst an passendem Ort auf Grund der einschla-
genden Schriftstellen (Col. 3, 22. 23; Eph. 6, 5—8; 1. Petr.
2, 18. 19; Gol. 4, 1; Eph. 6,9) die nöthigen Belehnmgen
und Ermahnungen eintreten zu lassen. Es ist dabei hervor-
zuheben, wie das Verhältnis zwischen Herrschaft und
Dienstboten in deml rechten Verhältniss zwischen Eltern
und Kindern seine Wurzel hat und darum die Dienstboten
als Glieder der Familie angesehen werden imd sich selbst
als solche ansehen müssen, wie es erst dann rechter Art
ist, wenn die Stellung der Herrschaft eine elterliche, die
des Gesindes derjenigen fromimer Kinder ähnlich gewor-
den ist, und wie das nur muöglich ist, wenn man sich
beiderseits von einer Vaterliebe Gottes im Geiste
— 167 —
umschlungen, durch eine Heilandsliebe erlöst, in eine
Gotteskindschaft aufgenommen und der Gemeinschaft,
dem Leibe eingepflanzt weiss, zu welchem' alle Glie-
der gleich nothwendig xmd in Gottes Augen gleicher
Ehre werth sind, cf. 1. Gor. 12, 13 ff. Die Heran-
ziehung und Teilnahme am gemeinsamen Hausgottes-
dienst ist als beiderseitige segensreiche Pflicht einzuprägen.
Endlich ist auch die an die ErfüUxmg des 4. bezw. 5. Ge-
bots geknüpfte Verheißimg als eine auch diesem» Ver-
hältniss geltende nachzuweisen und durch Beispiele aus
der biblischen Geschichte xmd Züge aus dem' Leben from-
mer Dienstboten anschaulich zu machen.**
Die Landräte, deren Vermittelimg sich die Regierung
bedient hatte, schickten bald Antworten ein, die alle in
einem übereinstimimten, daß nämlich die Schuld nicht
allein bei den» Gesinde liege. Vornehmlich die Herr-
schaften sind es, die zur Verkürzung der Dienstverhält-
nisse beitragen, sie sind hart und geizig, mieint der Land-
rat in Homberg. So sagt auch der wolfhagener Landrat:
die Herrschaften betrachten die Dienstboten als blosse
Arbeitsmaschinen, die am! allerwenigsten gute Behand-
lung beanspruchen könnten.
Auch in Fritzlar schiebt man die Schuld den Herr-
schaften zu ; auch hier heißt es, die Dienstleute seien nichts
als Arbeitsmaschinen. Aber erst in zweiter Linie haben
sich die Herrschaften zu bessern. Denn „es ist dies fast
zur Epidemie gewordene Benehmen der Dienstboten leider
ein eigentüniiliChes Zeichen der Zeit, und eine Folge
der umi sich greifenden social-demokrati-
schen Ideen (18571), der Irreligiosität, des allzuleicht
gemachten Auswandems und Ar beitsuchens in der Fremde,
der aus Annerica herüberschallenden Botschaft von dem
dortigen freieren Standpuncte der dienenden Classe**.
Die Ansicht, die der Herrschaft viel Schuld zuteilen
will, war auch bei der Regierung vertreten. Am' Rande
- 168 —
neben «der entsprechenden Stelle imi wolfhagener Schretben
steht mit Bleistift „sehr wahr!"
Angeführt sei noch eine im Bericht des Landrats
zu Wolfhagen mitgeteilte Äußerung des Pfarrers Martin
in Niedermeiser. Während die andern Pfarrer des Be-
zirkes ihre Zustimmtuig dazu geben, daß die Dienstboten
künftig den Pfarrern ihre Zeugnisse vorzeigen sollen, nennt
Martin dies Vorhaben „eine Vermischung geistlicher und
weltlicher Gewalt, welche unter dem! Scheine gegenseitiger
Stärkung vielmehr Staat und Kirche venmehrt".
Ein ähnliches Ausschreiben wie das eben behandelte»
erging im folgenden Jahre, am 9. Nov. 1858. Die Polizei
hat immer auf Anrufen der Herrschaft tind nach Uörungr
des Dienstboten einstweilen eine Entscheidung zu treffen,
tmbeschadet des Rechtsweges. Sie kann durch „geeignete
Zwangsmittel" die Dienstboten zur Pflichterfüllung an-
halten, auch soll sie bei Beschwerden der Dienstboten
über unrichtige Zeugnisse das Nötige ermitteln. Eine un-
mittelbare Veranlassimg dieses Ausschreibens ist nicht
festzustellen; auch irgend welche Folgen sind unbekannt.
So steht es auch um eine Bekanntmiachung der ha-
nauer Polizeidirektion aus den^ Jahre 1858. In der £n-
qufite von 1851 berührten wohl zwei Fragen^) den mehr-
fachen Vertragsbruch desselben Dienstboten in einem*
Jahre. Aber, soweit sich feststellen läßt, blieb ja die ganze
große Umfrage ohne Erfolg. Nun verordnet die hanauer
Polizei am« 29. Mai 1858 folgendes ^) : „Um* den liäufigen
Klagen über miuthwilliges Dienst wechseln von Seiten der
hiesigen Dienstboten thunlichst abzuhelfen, wird hiermit
verfügt, dass diejenigen Dienstboten, welche in einem
Dienstjahre — vom 22. Februar jedesmal an gerechnet —
den dritten Dienst verlassen haben, zu weiterem Dienen
in hiesiger Stadt künftig nicht mehr zugelassen werden
*) Oben S. 160 ff. — *) Polizeiliche Nachrichten. Beilage zum
Wochenblatt fOr die Provinz Hanau 1858, Nr. 22 vom 8. Juni.
— 169 —
sollen, wobei noch besonders darauf auf mlerksam gemacht
vird, dass es ganz einerlei ist, ob die Dienstzeit auf kurze
oder längere Dauer verabredet war." Diese Verordnung
wurde, wenigstens in der immittelbar folgenden Zeit, mehr-
mals angewendet^).
N\in ist noch eine Etappe auf demj langen Wege der
kurhessischen Gesindegeschichte zu erwähnen. Das Kon-
sistorium zu Cassel verlangte am 22. Nov. 1860 eine ge-
setzliche Anordnung, daß die Dienstboten sicli bei den
Pfarrern melden müssen, ein Weitergehen auf dem durch
das Umischreiben von 1867 versuchten Wege. Die Re-
gierung will aber nicht. Sie veranstaltete Umfragen und
teilte dann denn Konsistoriiün' mit, daß sie einen Zwang
nicht für gerechtfertigt hält. Einen Grund nennt sie gar
nicht.
So klingt es aus, ziemiiclh still. Noch sechs Jahre,
vnd Kurhessen mlußte sich in die unselbständige Rolle
eines preußischen Regienmgsbeziirkes einleben. Die Wei-
terbildung des Gesinderechts erfolgt seitdem von höherer
Warte aus. Hoffaitlich ist die Zeit nicht mehr fem, wo
dem Gesinde von der höchsten Stelle, dem Reiche,
sein Recht gesetzt wird und die letzten Reste einer ver-
klungenen landesväterlichen Gesindepolitik endlich dahiQ-
schwinden.
<) St. A. Marburg. Akten d. hanauer Reg., Nr. 815 und 816
<ies Repos. Gef. Repert, Nr. Ul O, Nr. 2.
B« Die ausserhessischen Länder
West^ und Süddeutschlands.
SU.
Den Rah!m!en, in dem: die Geschichte des hessischen
Rechts erst ihre ganze Bedeutung offenbaren kann, bildet
die Entwicklung in den übrigen deutschen Ländern. Um
die Übersicht der späteren Darstellung zu erleichtem, wird
hier zimächst ein kurzer Abriß der Rechtsentwicklung in
den berücksichtigten Staaten gegeben. Das hierüber Mit-
geteilte kann, im Vergleich mit der vorstehenden ausführ-
lichen Schilderung der hessischen Gesinderechtsgeschichte
über kurze notierende Angaben nicht hinausgehen. Ein
zusa!mlmenfassender abschließender Bericht über den Gang
der außerhessischen Rechtsentwicklimg ist Aufgabe der
Territorialgeschichtsschreibung, der sich aus weiter rei-
chenden Aktenstudien die inneren Zusammenhänge in noch
größerem' Umfange ergeben, als es auch für die hier ver-
folgten Zwecke nötig ist. Der Lauf des Gesinderechts in
den wichtigsten ostdeutschen Ländern ist bereits mehr
oder weniger ausführlich und gut geschildert worden, so
daß tier auf die Werke von Wuttke, Knothe, Frau-
enstädt, Lennhoff und Steffen verwiesen werden
kann.
Vorbildlich für das spätere Polizeirecht der norddeut-
sehen Territorien sollten nach der Absicht der beteiligten
Stände die Beschlüsse der sächsischen Kreistage
werden. 1650 beschloß der niedersächsische Kreis ^) eine
>) Wuttke S. 104, 105.
- 171 -
regelmäßige Untersuchung der Aufführung des Gesindes,
1654 faßten beide Krebe, der nieder- und obersächsische^
Beschlüsse wider die Vertragsbrüchigen Dienstboten^),
gegen welche Zeugnisvorschriften helfen sollten; der nie-
dersächsische Kreis stellte außerdem) ein Muster einer
Gesindeordnxmg für die Kreisstände auf.
Das Gesinderecht der nördlichsten Länder, Schles-
wigs und Holsteins, ist für die älteste Zeit hauptsäch-
lich in den Stadtrechten enthalten. Nur wenige Landrechte
ergingen hier.
Schleswigs Rechtsentwicklung beginnt mit der
apenrader Skraa von 1335 *). Weiter sind anzuführen
das Landrecht des Nordstrands von 1572^), die am
12. Oktober 1590 erlassenen Stadtrechte von Tönning*)
und Garding^) und das eiderstadtische Landrecht
vom 14. Januar 1591 *), Allzu reichhaltig ist das Gesinde-
recht hier überall nicht. Das bleibt auch weiterhin so,
z. B. in der flensburger Polizeiordnung vom' 14. Januar
1600'), die trotz des zimi' ersten Mal auftretenden neuen
Titels nur geringe Versuche polizeilicher Reglementierung
der Dienstboten enthält ; ebenso ist es im h u s u m e r Stadt-
recht, das am' 22. März 1608 ^), und in der Konstitution für
das Land Stapelholm, die am 27. Januar 1623*) er-
ging. Erst das Stadtrecht für Friedrichstadt von
1633 ^®) hat eine größere Zahl von Bestimmungen, die frei-
üch immer noch von dem zu dieser Zeit in südlicheren
Territorien herrschenden Geist der Gesindebekämpfung
Wesentliches nicht angenomimen haben. Aus diesem
Geiste stamtot nur eine von Tönning ausgegangene
Verordnimg vom 18. August 1681 ^*), die wider die Koali-
>) Ebenda 5.105, 106. ~ ') Corpus Statutorum Slesvicensium II
S. 416. — •) Ebenda I S. 428, 520. — *) Ebenda III 2 S. 1. —
•) Ebenda III 2 S. 88. — •) Ebenda I S. 1. — ') Ebenda II S. 258. —
•) Ebenda II S. 655. - •) Ebend I S. 616. - »«>) Ebenda Ul 1 S. 1. —
") Ebenda I S. 812.
- 172 —
tionen ausländischer Emtearbeiter gerichtet ist. Fast
nichts steht in der Bauemsprache für die Stadt Tendern
von 1691^). Die Polizeiordnung für Sonderburg vom
15. November 1698*) beruht auf der flensburger aus
dem Jahre 1600. Landesherrliche Gesetze entstanden erst
weit später, als die ersten Stadtrechte nachweisbar sind.
Hier ist eine Gemfeinschaftliche Verordnung wegen des
Lied- und Tagelohns imd Taxa aus dem' Jahre 1632^)
zuerst anzuführen. Weiter gehören hierher die Gesinde-
Verordnimg für die ehemals großfürstlichen Distrikte vom
23. April 1733, die Gesindeordnung vom* 24. September
1740, die Ploenische revidirte Policey-Ordnimg vom 3. Juni
1749, die Großfürstliche Polizeiordnung vom) 29. Januar
1768.
Holsteins ältestes Gesinderecht enthält wohl das
dithmarsische Landrecht von 1447*); viel ist es freilich
nicht, was dem Gesinde hier vorgeschrieben wird. Das
spätere Dithmiarscher - Recht von 1667*) wiederholt die
wenigen Sätze des alten Gesinderechtes. Noch weniger er-
giebig für diese Materie ist das alte Redht der neu-
tnünsterschen Kirchspielsgebräuche und der b o r d e s-
holmer Amtsgebräuche*).
Die würdigen Stadtrechte Hamburgs'), Lü-
becks®) und Bremens') geben zu einem Teile das
") Ebenda III 2 S. 161. — •) Ebenda III 2 S. 222. - •) L. A. G.
Schrader, Handbuch der vaterländischen Rechte, Hamburg ITOB,
8. Teil S. 189, 190 (200), wo auch die weiteren hier genannten Ver-
ordnungen aufgezählt sind. Die Ordnungen von 1740 und 1768 lagen
als Einzeldrucke vor (St. A. Schleswig, Univ.-Bibl. Marburg). —
*) Michelsen, Sammlung altdithmarscher Rechtsquellen S. 1 ff.
— ') Corpus Statutorum prov. Holsatiae. — •)Seestern-Pauly,
Die NeumOnsterschen Kirchspiels- und die Bordesholmischen Amts-
Gebräuche, Urk.-Buch S. 86ff., 87ff. — ') Lappenberg, Die ältesten
Stadt-, Schiff- und Landrechte Hamburgs. — *) Hach, Das alte
Lobische Recht — *) Ölrichs, Vollst. Sammlung alter und neuer
GesetzbQcher der . . . Stadt Bremen; Pufendorf, obs. iur. II app.
S. 104 ff., bes. 112.
— 173 —
bedeutende Gesinderecht des Sachsenspieg^els wieder, bil-
den es aber nach vielen Richtungen hin weiter aus. Selb-
ständigkeit und Drang nach Neubildung offenbart das Ge-
sinderecht des Billwärders um' 1400^).
Außerordentlich wichtige Bekundungen eigenen
Rechtsdenkens enthalten die friesischen Quellen. Von
den vierzehn allgemieinen Landrechten *) geht die Entwick-
lung über das emsiger Pf ennigschuldbuch ^) und das
drenther Landrecht*) zu dem' großen westerwol-
der Recht von 1470*) hin, das dem Gesinde ein be-
sonderes zusamimenhängendes Kapitel widmet. In Ost-
friesland regelte Edzards Landrecht aus demi Jahre
1515*) ausführlich an verschiedenen Stellen das Gesinde-
recht im Geiste der Rechtsbücher. Dagegen gibt die Poli-
zeiordnung der Gräfin Anna von 1645') den neu aufge-
kommenen Gedanken polizeilicher Reglementierung nach.
Aus der zweiten Hälfte des 16. Jhdts. ist der Entwurf emer
Gesindeordnung®) erhalten, wo jene Tendenz noch offen-
barer zu Tage tritt. Daß die angeführten alten Gesetze
auch noch in viel späterer Zeit in Geltung waren, ergeben
die langwierigen Verhandlungen zwischen Fürst und Stän-
den, die sich von 1732 bis 1738 hinzogen •). Hierbei wurde
auch ein Auszug aus dem) ostfriesischen Landrecht heran-
gezogen und schließlich der Plan einer Gesindeordnung
doch aufgegeben, weil „die Land und gemeine Rechte
di.esem Werck schon Maass und Ziel setzen". Fünfzig
Jahre danach tauchten wieder Reformpläne auf. Fried-
rich Wilhelm- III. von Preußen forderte 1798 die Stände
') Lappenberg a. a,0. 1 S.821. — *) v. Richthofen, Friesische
Rechtsquellen S. 40 ff. — •) Ebenda S. 194 ff., bes. 209. — *) Ebenda
S.6Ä - ») Ebenda S. 258. — •) Matthias von Wicht, Das ost-
friesische Landrecht. — ') Ostfriesische Historie und Landesver-
fassung n S. 181. — ■) St A. Aurich. Archiv der ostfriesischen
Landschaft. O. B. Polizeisachen zu Nr. 8. - •) St A. Aurich. O. L.
Polizeisachen, Nr. 8, 1787/8. — O. A. Verordnungen Polizeisachen I 89.
— 174 —
auf, sich über die Verbesserung der Gesindeordnung: zu
äußern *) : ob in der Zwischenzeit etwa ein Gesetz zustande-
gefcommen war, ist nicht festzustellen. Die Verhandlungen
dauerten bis 1806, ohne daß über ein Ergebnis etwas
verlautet.
Für das oldenburger Recht muß zunächst der
bremer Statuten gedacht werden, die in der Form von
1303 imi Jahre 1345 als oldenburger Stadtrecht erschie-
nen *). Rein oldenburgischer Herkxmft sind die seit 1566
zu verfolgenden Bestrebungen nach Einrichtung: der
„Armen Mägde-Gelder"'). Im Jahre 1610 fertigrte der
Kanzler J. Prott den Entwurf einer Polizeiordnungr, der
auch ein wenig Gesinderecht enthält, ohne darin vom Geiste
seiner Zeit abzuweichen*). In der späteren Zeit erg'ingen
einige Einzelerlasse, so über das Zeugniswesen am 4. No-
vember 1712 *), über die Sonntagsruhe am 16. April 1736 ^),
eine Armfenordnung am! 9. Juli 1745^). Eine kurze En-
quete über Gesindemängel erfolgte 1794®). Ein Gesetz
scheint dabei nicht herausgekommen zu sein. Die erste
Gesindeordnung wurde seit 1816 vorbereitet imd 1826
erlassen ^).
Ehe sich das heutige Hannover herausbildete imd
sich an eine wirtschaftliche Gesetzgebimg machen konnte,
*) St. A. Aurich. Archiv der ostfries. Landschaft. O. L. Justiz-
sachen Nr. 17. — Pr. A. Justizsachen Nr. 104. — ') ölrichs a« a. O.
S. 786fr.; Schröder, Rechtsgeschichte S. 700; Corpus Constitutionum
Oldenburgicarum, ed. Oettken II S. 289. — ') Oettken a. a. O. I
S. 4. — *) Haus- und Zentral-Archiv Oldenburg. Akte Grafechaft
Oldenburg, Tit. XXI, Nr. 1—5; nach Mitteilung dieses Archivs ent-
halten mehrere ältere Polizeiordnungen in ähnlicher Weise Ge-
sinderecht. — ») Oettken a. a. O. II S. 52. — •) Ebenda Suppl. II
Bd. 1 S. 1. — ') Ebenda SuppL II Bd. 2 S. 47. — •) Haus- und
Central - Archiv Oldenburg. B. II— B. VI 8, Amt Brake 2. —
I A, Nr. 4 conv. 5, betr. Dienstboten, deren Wechselzeit und Ge-
sindeordnung 1744. — *) Exemplar in der Grossh. Landesbibhothek
Oldenburg. Publikationspatent in Ges.-Samml. V 285.
— 176 —
hatten die einzelnen Landesteile schon eine lange Rechts-
entwicklungr hinter sich.
Nicht das älteste, aber ein darumi um so feiner aus-
gebildetes Recht bestand in der nördlichsten Provinz H a -
dein. Die Landesordnung von 1583 *) bringt Vorschriften
über beiderseitigen Vertragsbruch, Gottespfennig, Nicht-
antritt des Dienstes, Haftung des Herrn für das Gesinde,
Hausdiebstahl. Es ist eine Verquickung der alten Art,
das Gesinderecht unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten
zu behandeln, mit der neu aufgekommenen Kunst des
Polizeirechtes. Wie hier wiu'de auch in der Polizeiord-
nung von 1597 ^) das Gesinderecht inmitten vieler anderen
Materien geregelt. Eigene Gesindegesetze, die nichts als
dies waren, ergingen am' 12. April 1633 mit einer Lohn-
taxe ') tmd am' 14. April 1655 mit einer polizeilichen Gesinde-
ordnung*). Aus der folgenden Zeit stammen noch einige
kleinere Konstitutionen wider das Dienen außer Landes
von 1681 und 1695*) imd wider den Hausdiebstahl von
1736«).
Die schwedische Regierung der Herzogtümer Bremen
und Verden erließ am» 3. Juli 1680 eine ausführliche Tax-
ordnung des Gesindelohnes ^), für die Marsch imd K e h-
dingen bestim!mt.
An der Südostgrenze Kehdingens liegt Stade, dessen
Stadtrecht von 1279®) seine Verwandtschaft mit dem
Rechte Hamburgs und Lübecks auch im Gesinderechte
offenbart.
^) Spangenberg, Sammlung der Verordnungen und Aus-
schreiben, welche fQr sämtliche Provinzen des hannoverschen Staates
•.. ergangen sind 4. Teil, 8. Abt S. 59; Pufendorf, obs. iur. I
app. S. 1. — •) Spangenberg a.a.O. S. 127.— •) Ebenda S.240. —
*) Ebenda S. 817. — *) Ebenda S. 817, 828. — •) Ebenda S. 399. —
0 Polizeiordnung nebst andern Verordnungen far die HerzogthQmer
Bremen und Verden, Stade 1711, S. 771. — •) Pufendorf, obs. iur. I
app. S. 168.
— 176 —
Lauenfourgs politische Schicksale ließen seine
Staatszugehörigkeit sehr oft wechseln. Die hauptsäch-
lichen Gesindegesetze fallen in die Zeit, da es ein Teil
Braunschweig-Lüneburgs (Hannovers) war; dessen gesetz-
geberische Taten kamlen auch Lauenburg zu Gute^). Vor
1689, dem' Jahre der Vereinigung, erging für die Stadt
Lauenburg eine Polizeiordnung und Stadtrecht *), das von
1599 stamtat*); das Polizeiliche überwiegt, , so auch im
Gesinderecht. 1655 wurde der Gesindelohn durch Taxe
festgelegt *).
In dem Recht für Schluchter en bei Himbergen
an der Föhxde aus dem' Jahre 1571*) findet sich eine
Stelle, idie von der Beerbimg des Gesindes handelt.
Das neuere verdener Recht*), nach 1416 entstan-
den '), fügt den Sätzen des stader Rechtsbuches noch einige
Vorschriften über Vertragsbruch, Klage um Lohn, Ver-
mietung Minderjähriger u. a. hinzu.
So gut wie nichts läßt sich aus der Ordnung von
Nienburg vom' 6. Jimi 1569®) an Gesinderecht ent-
nehmen. Eine Taglohntaxe und ein allgemeines Gebot
an arbeitsfähige Müßiggänger, Arbeit zu tun, zeigen die
Wege, auf denen andere Gebiete gleichzeitig zu einer
weitergehenden Reglementierung des Gesindes gelangten.
Im Hochstifte Osnabrück entstand am 18. Juni
1608 eine Venoirdnulnig, welche die Gesindelöhne tarifiert und
einige sonstige Vorschriften über Gesindewesen enthält ').
Der Codex Constitutionum Osnabrugensium ^^) verweist auf
weitere „Verordnungen, das Dienstlohn der Handwerker
*) Darüber unten S. 180 f. — ') P u f e n d o r f , obs. iur. III app. S. 28i.
— ') Paulsen, Privatrecht der Herzogthfimer Schleswig und
Holstein, 2. Aufl. S. 872. ~ *) Spangenberg a. a. O., 4. Teil,
2. Abt. S. 227. — •) Grimm, Weistümer DI S. 200 flf., bes. 201. -
•) Pufendorf a. a. O. I app. 5.77. — ') Gengier, Deutsche Stadt-
rechte S. 507. —•) Pufendorf a. a. O. II app. S. 822. — •) St A.
Osnabrück. Rep. 100, Abschnitt 200 aus Nr. 1. — *^ S. 1104, 1106.
— 177 —
und Taglöhner, wie auch des Gesindes und des letzteren
Verhalten insonderheit betr." aus den Jahren 1702, 1704,
1766. Der angekündigte dritte Teil des Codex ist jedoch
nicht erschienen; nur die letzte Gesindeordnimg vom»
3. März 1766 ließ sich wenigstens inhaltsweise feststellen ^).
Angefügt seien emige kleinere Rechtsquellen aus denn
osnabrücker Gebiet; sie geben ziuni Teil Auskunft über
die Gestaltung des Dienstzwanges. Es handelt sich um< das
Recht v<Mi Bersenbrück aus dem Jahre 1503^), die
Haussprache zuCappelen v<mi 1570 ') und das undatierte
Recht von Rimslohe*).
Eine Vorschrift über VertragserfüUimg durch das Ge-
sinde steht in der oonstitutio de ixnibus in civitate H i 1 -
densemensi von 1249*). Von Schuldklagen wider des
Bischofs Gesinde handehi die hildesheimfer Statuten^), xun
1422 geschaffen^). Die polizeilichen Statuten der Stadt
Peine im Hildesheimischen aus dem Jahre 1597®) geben
das Fühlen und Streben der Zeit durch miannigfache poli-
zeiliche Strafvorschriften wider das unbillige Verhalten
der Dienstboten kund.
Völlig andersartig imd im Geiste des Sachsenspiegels,
zu einem sehr großen Teile auch selbständig gebildet ist
das alte Recht Goslars aus deml 14. Jhdt. ^). Etliches
Gesinderecht steht auch in den zwischen 1421 und 1490
gebildeten Statuten des Forstdinges auf demi Harze zu
Goslar ^^) sowie in einer goslarischen Sonntags- und Luxus-
ordnung von 1668 "). Die andere Harzstadt, Osterode,
') Klöntrupp, Handbuch der besonderen Rechte und Ge-
wohnheiten des Hochstifts Osnabrück II S. 75. — *) G r i m m , Weis-
tümer III S. 207. - ») Ebenda S. 202. — *) Ebenda S. 198. — ») Ori-
gmes Gueliicae IV S. 242 flf., bes. 244. — •) Pufendorf, obs. iur.IV
app. S. 287 ff, bes. 298. - ') Gengier, Stadtrechte S. 197. —
") Pufendorf a. a. O. S. 242 ff, bes. 278. — •) Göschen, Die
goslarischen Statuten. — ^*) Grimm, Weistflmer III S. 260 ff, bes.
264. — *■) Habeische Sammlung; Götze, Die archivalen Sammlungen
auf Schloss Mütenberg (Archivalische Zeitschrift H S. 146 ff.) XII Nr. 1.
12
— 178 —
zeigt in ihremi neueren Rechte^) der Zeit entsprechend
Polizeigeist in Strafen wider das unbotmäßige Gesinde.
Nicht ganz so offenbar tritt dies in den wenigen ge-
sinderechtlichen Satzungen der einbecker Statuten von
1549*) hervor.
Und ein Beispiel selbständiger Rechtsbildimg im'
Geiste der alten Rechte ist wieder in denn bedeutenden
Stadtrechte Moringens aus dem 15. Jhdt.*) gegeben.
Nur Bestimmimgen über den Feuerschutz durch das
Gesinde stehen in der Polizeiordnung von Adelebsen
aus dem Jahre 1550*).
Weitaus hervorragender imd reichhaltiger als all diese
Rechte ist das in Göttingen gesetzte. Die wichtigeren
der Statuten, die sich mit Gesinde abgeben, sind ein Brau-
verbot für Gesinde während bestimmter Jahreszeit aus
den Jahren 1330—1335'^), Maßnahmen wider Vertrags-
bruch und Abspenstigmachen zwischen 1340 und 1354^),
Bestimimtmgen über den Vertragschluß durch Mie^fennig
vom 8. März 1402 ^), ein Verbot des Dienens außer Landes
vor 1413®), vor allem aber eine große Lohnordnung aus
dem Jahre 1445 •). Diese Lohnordnung enthält in ähn-
licher Spezialisierung wie die vielen, in den drei folgenden
Jahrhunderten erlassenen Taxordmmgen Lohnbegrenzun-
gen, deren Überschreitimg mit Geldstrafe bedroht ist,
ferner Vorschriften über den Vertragsschluß und das
Dienen außer Landes.
Das alte Recht Duderstadts^^) ist ähnlich reich-
haltig wie das göttinger, nur innerlich geschlossener; die
') Pufendorf a. tu O. II app. S. d88ff., bes. 264. — *) Ebenda
S. 908 fif.. bes. 905, 297, 981. - *) Zeitschr. f. Rechtsgeschichte VII
S. 990 H., bes. 997fr., 809, 807. — «) Walch, Beyträge zu dem
teutschen Rechte VIII S. 99fr., bes. 89, 40. — *) v* d. Ropp, Göt*
tinger SUtuten S. 8. — •) Ebenda S. 87. — 0 Ebenda S. 97. -
•) Ebenda S. 105. — •) Ebenda S. 476. — >•) Gengier, Deutsche
Stadtrechte S. 91 fT, bes 98.
— 179 —
Darstellung der Rechtssätze in systematischem' Zusammen-
hange ist kaum' in einem' andern frühen Rechte so streng
durchgeführt wie hier. Mietgeld, Dienstantritt, Lohn, Ver-
tragsbruch und vorzeitige Entlassung finden der Reihen-
folge eines Dienstlebens entsprechend ihre Regelung.
Das Recht der 1705 endgültig vereinigten Stanrni-
länder, der Fürstentümer Lüneburg und Kaienberg,
machte vor der Zusanünenschließung folgende Entwick-
lung durch.
Lüneburgs Hauptstadt, Celle, erhielt 1301 vOn Her-
zog Otto dem Gestrengen von Braunschweig - Lüneburg
Statuten^), worin über die „mienasne**, den Gesindelohn,
Satzung getroffen wird. Späterhin erließ der Rat der
Stadt eine auf dem» Echten Geding jährlich abzulesende
Ordnung^); sie handelt auch vom« Gesinde xmd regelt
Abspenstigmachen, Mietgeld, Nichtantritt und verwandte
Rechtsgebiete.
Das älteste lüneburger Stadtrecht *) gibt gute Rat-
schläge, wie der Dienstherr sein Gesinde zu fleißiger Hü-
tung des Feuers mahnen soll, xmd regelt die Herrenhaftung
für den unter dem» Gesinde angerichteten Tierschaden.
Geringwertige Vorschriften über Gesinde stehen in den
neueren Eddagsartikeln^). Um! so reichhaltiger an polizei-
lichen und privatrechtlichen Vorschriften über das Ge-
sindewesen ist die großartige Neubildung des lüneburger
Stadtrechtes, die wohl demi 16. oder 17. Jhdt. angehört^);
das Gesinderecht ist in einem zusammenhängenden Ka-
pitel und noch an vielen Stellen des Gesetzes zerstreut
geregelt. Gleiches gilt von der braunschweig-lüneburgi-
*) Pufendorf, obs. iun 11 app. S. 12fr.. bes. 16; Gengler,
Stadtrecbte S. 68. — *) Pufendorf a. a. O. I app. S. 2S9tf., bes.
SS9, 380, 281, 288. — *) Kraut, Das alte SUdtrecht von Lüneburg
S. 88, 76. — *) Pufendorf a. a. O. II app. S. 201fr., bes. 201. —
*) Ebenda IV app. S. 624 fr., bes. 772, 796 fr., 801fr., 806.
12*
— 180 —
sehen Polizeiordnung vom 6. Oktober 1618^). Niir eine
Lohnvorschrift steht in der Taxordnung vom! 31. Oktober
1621 *). Nicht so vollständig wie die große Polizeiordnung
Von 1618 ist ein Auszug aus ihr voM 2. März 1640^);
eine gesonderte Behandlimg des Gesinderechtes erfolgt
hier nicht. Von den Dienstzeugnissen handelt eine Ver-
ordnung vom 16. März 1655 *), veranlaßt durch die beiden
sächsischen Kreisbeschlüsse von 1654*^).
Niu- gelegentlich in zufälligem* Zusanünenhange
kommt eine Nennimg des Gesindes im großen Stadtbuche
Hannovers*) vor. Ein Statut der Stadt Hannover von
1309^) erwähnt ferner nebenher das Gesinde. Vielleicht
das Wichtigste, was sonst im' kalenbergischen Teile
geschah, ist in der Kirchenordnung von 1569, revidiert
1615®) enthalten; kaum anderswo werden so viele Hin-
weise auf die fast familienrechtliche Behandlung des Stof-
fes gegeben. Mannigfaltige Vorschriften wieder Mißstände
im Gesindewesen bringt ein „Edictimi wegen der Lohn-
Dröscher tmd Herren-losen Gesindes" de dato 10. August
1654 ^). Nach einem< Edikt vom 10. Februar 1700 *®) wurde
verboten, dem' Gesinde Korn zu säen statt Lohn zu geben:
Aus der Zeit des vereinten Hannovers sind
zahlreiche wichtige Gesetze zu nennen, die für die west-
deutsche Rechtsentwicklimg während des 18. Jhdts. die
größte Bedeutimg erlangten. Am« 19. Jimi 1709 erging
^) Chur- Braunschweig -Lflneburgische Landesverordnung, 1741^
Cap. 4 Bd. 1 S. 1. — *) FQrstl. Braunschweig-Lüneburgische Zellischen
Theils Policey - Ordnung und andere . . . Verordnungen . . . , 1700,
S. 175. — •) Landesverordnungen a. a. O. S. 141. — *) Ebenda S. 968.
— »j Oben S. 171. — •) Vaterland. Archiv des bist Vereins für Nieder-
sachsen, Jahrg. 1844 (Hannover 1846) Heft 2-4 S. 688, 547. —
') Pufendorf a. a. O. IV app. S. 148fr., bes. 218. — •) Chur-
Braunschweig • Lüneburgische Landes - Ordnungen und Gesetze . . .
zum Gebrauch der FQrstenthflmer . . . Calenbergischen Theib, Teil 1
S. 1. - •) Ebenda Teil 4 S. 205. — »•> Ebenda S. 209.
— 181 —
ein Edikt „wegen Bestrafung der Haus-Dieberey** ^), das
auch in Lauenburg galt ^). Schon am) 7. Januar 1710 folgte
eine renovatio et declaratio '), späterhin noch am! 8. März
1725, 27. Mai 1725, 27. August 1728, 24. November 1733
und 22. März resp. 2. April 1734 *), für Lauenburg 1727 *).
Am 17./28. März 1732 ging eine große Gesindeordnung*)
ins Land, nach deren Vorbilde das deutsche Gesinderecht
des 18. Jhdts. zu einem großen Teile geschaffen wurde ').
Bis ins 13. Jhdt. ragt das braunschweiger Recht
zurück. Das Stadtrecht aus dieser Zeit®) handelt an zwei
Stellen vom Gesinde, einmal gelegentlich von der Kost
und dann von der „menasle**, dem' Lohne. Mit sprach-
lichen Abweichungen geben die Stadtrechte von 1265 •),
1279*<>), das undatierte Recht der Neustadt i^) und ein
Stadtrecht vom! Ende des 13. Jhdts. **) diese Sätze wieder.
Ohne Benutzung der alten Vorlagen wurde das Gesinde-
recht fari folgenden Jahrhundert neu bearbeitet*'); aber
noch dürftiger als früher fällt die Rechtsbildung aus,
welche die Haftung der Herrn für den vom Gesinde
verursachten Feuerschaden sowie Verbote des „dobel-
spels" seitens des Gesindes betrifft. Hier übergangen wer-
den können einige urkundliche Erwähnungen des Ge-
sindes im Laufe des 14. Jhdts.**). In einer gleichfalls
dem 14. Jhdt. angehörenden erweiterten Stadtrechtssamm-
lung**) stehen, außer anderem minder Wichtigem, Straf-
') Ebenda Teil 2 S. 686. — >) Spangenberg a. a. O. S. 866.
— ') Landes-Ordnungen Cal. a.a.O. S.688; LQn. S. 744. — ^) Landes-
Ordnungen Cal. a.a.O. a708, 706; Teü 1 S. 816; Teü 2 S. 718, 772,
706. — ») Spangenberg a. a. O. S. 416. — •) Landes-Ordnungen
Cal. 4 S.210; LOn. 4 Cap.l.Bd. S.47d; Lauen bürg: 22. Dezember
1792 (Spangenberg a. a. O. S. 461). -. ') Oben S. 69 ff., 126, 162.
— *) Hänselmann, Urkundenbuch der Stadt Braunschweig I
S. 8. — •) Ebenda S. 10. — '«) Ebenda II S. 180. — ") Ebenda I
S. 21. — »«) Ebenda II S. 220. — ") Ebenda S. 44. — ") Ebenda n
S. 199, 888, ra S. 26, 218, 886. - «•) Ebenda I S. 68.
— 182 —
drohungen wider den Vertragsbruch und Kleidervorschrif-
ten für die Dienstboten. Gleichen Inhalt hat das Echteding^
des 15. Jhdts. ^). Weit reichhaltiger ist das Gesinderecht
des Echtedinges von 1532 *). Über das Doppeltvermieten
und die Berechtigung des Dienstherm, schlechtes Ge-
sinde zu entlassen, sind ausführliche Anordnungen neu
geschaffen worden. Mit den Polizeiordnungen von 1573
und 1579') erfolgte die Überleitung dieser Grundsätze
in die bewußte Polizeizeit, ohne daß dies an dem Geiste
der Gesetze freilich zu merken wäre*). Durch Verord-
nxmg vom 23. Oktober 1621 *) ging man gegen die ledig-
sitzenden Müßiggänger vor zu gunsten eines gesteigerten
Arbeitsangebotes von Dienstboten. Die Taxordnimg vom
22. Januar 1622 ^) setzte eine Menge Preis- und Lohnhöhen
fest, darunter auch solche für Dienstboten; Naturallohn
soll verboten sein. Die beiden Verbote, zu Schaden der
Gesindezahl müßig zu sitzen sowie den Dienstboten Frucht
xmd andere Naturalien zu geben, wurden vereint am 19.
November 1637') wiederholt. Einen andern Weg, dem
Gesindemängel zu steuern, fand man gegen Ende des
Jahrhimderts : das Dienen außer Landes wurde am 19.
September 1692®) untersagt. Teilweise Wiederholungen
bringt das 18. Jahrhundert. Das Ledigsitzen dienstlosen
Gesindes wurde durch Erlasse vom 29. März 1703 und
3. Dezember 1744^), sowie durch § 23 einer 1744 nicht
näher zitierten Landesordnimg bekämj)ft. Eine Verord-
nung vom 27. Oktober 1740*®) verbot das Komsäen fürs
') Ebenda S. 126. - *) Ebenda S. 835. -- *) Ebenda S. i(H,
468. — *| Hampe, Das particulare Braunschweigische Privatrech t^
1861, S. 447, fahrt weiter eine Polizeiordnung des Herzogs Julius
von 1689 (Cap. 80) an. - •) Archiv Wolfenbattel Nr. 1688. — •) In
einem Sammelbande der Stadtbibliothek Mainz. Hampe a. a. O.
nennt weitere Taxordnungen von 1644, 1646. — ') Archiv Wolfen-
bOttel Nr. 1984. — •) Ebenda Nr. 8488. — •) Ebenda Nr. 6480. —
'*) Ebenda Nr. 6998.
— 183 —
•
Gesinde ; am 14. September 1747 mid 7. Dezember 1748 ^)
wurde das Zeugniswesen neu eingeführt. Ganze Gesinde-
ordnungen wurden dem Gange der Zeit gemäß geschaffen
am 29. Oktober 1748 für Wolfenbüttel«), am 2. Oktober
1758 für Stadt Braunschweig »), am 16. Juli 1764 für Helm-
städt *).
Besonders für sich genannt zu werden verdient eine
Handwerker-, Tagelöhner- und Gesindeordnung für das
Gebiet der Stifte Magdeburg, Halberstadt, Hildesheim
und der Herzogtümer Braunschweig und Lüne-
burg vom* 26. Juni 1445*). Sie beruht auf einer Verein-
barung dieser Territorien ; damit ist ein wichtiger Gedanke
des 16. Jhdts. schon in der Praxis vorweggenommen, die
später interterritoriale Abmiachungen häufig wählte, um
den Übermlit des Gesindes zu brechen^). Weiter ist für
die frühe Zeit bemierkenswert, daß eine sehr ausführliche
und genaue Gesuidelohntaxe das ganze einleitet. Und
es folgen dann eine Reihe Vorschriften über den Gesinde-
vertrag, ganz wie sie später in den Polizeiordnungen des
18. Jhdts. auftreten.
Sehr reichhaltig ist die Geschichte des Gesinderechts
in den beiden lipp eschen Ländern.
Lippe- Detmold beginnt zu der Zeit, da alle an-
dern Territorien gleiches tim, 1620 mit einer Polizeiord-
n\mg^); sie enthält einige Paragraphen vornehmlich
mit Lohn- und Kostbestimmungen. Entsprechende Fort-
bildung fanden diese in der großen Taxordnung von
1655®), die, durch die Nöte im Gesindewesen veranlaßt,
Taxen für die verschiedenartigsten Preise und Löhne ent-
') Ebenda Nr. 7112. — *) Ebenda Nr. 7097. — •) Zitiert bei
Hampe a. a. O. — *) Ebenda erwAhot — ^) Zeitschrift des Harz-
Vereins ftkr Geschichte und Altertumskunde (Ed. Jacobs) 27. Jahrg.
1»4 S. 427. — •) Wuttkc S. 102ff.; oben S. 170f. — ') Landes-
verordnoogen der Grafschaft Lippe I S. 858; Einzeldruck in der
Uiiiv.*BibI. Marburg. — •) Landesverordnungen a« a« O. I S. 408.
— 184 -
hält. Diese Taxordniing verweist aiif eine nicht vorhandene
vom 8. August 1654. Gleichermaßen fand die 1655er Ord>
nung ihre Ergänzung xmd teilweise Erneuerung 1 658 ^). Die
zwei schon bekannten Mittel gegen den Leutemiangel, näm-
lich Verbot des Ledigsitzens xmd des Auswandems der
Dienstboten, wendet auch das detmolder Recht in der fol-
genden Zeit an. Solche Verordnungen ergingen 1658, 1667,
20. Februar 1680, 6. Februar 1682, 25. Januar 1721, 4. April
1730, 22. Februar 1734, 12. November 1749*), ja auch
später noch am 4. Juli 1780 ^) und 23. Januar 1781 *). Da-
zwischen fällt das wichtigste Dokument^ die Gesindeord-
nung vom 6. Februar 1752*), deren erster Paragraph
(Pflicht, auf dem' Lande 3 Jahre zu dienen, ehe Heirats-
erlaubnis erteilt wurde) durch Verordnimg vom 30. Sep-
tember 1777^) eingeschärft werden mußte. Eine Erneue-
rung des Ganzen folgte schon am! 24. Februar 1778').
Und ein Regienmgsausschreiben vom 6. Januar 1783®)
schärfte den Beamten amtlich die Befolgung der Ordnung
ein. Besonderes über den Antrittstag enthält eine 1789
am 16. März erlassene Verordnimg.
Die entsprechende Polizeiordnimg fällt in Schaum-
burg-Lippe etwas früher als in Detmold: 1615*); es
ist die im hessen-schaumburgischen Teil dieser Arbeit
eingehend behandelte. 1620 folgte eine Polizei- und Tax-
ordnung ^®), die auch das Gesinde bedenkt ; sie wird 1645
und 1654 erneuert ^^). Verschiedenartige gesinderechtliche
Sätze in kleinem Rahmen werden im Dezember 1654 ver-
öffentlicht ^*). Wider das Ledigsitzen ist eine Verordnung
vom 4. Oktober 1729*^) gerichtet, wider den Einkaufs-
') Ebenda I S. 4^. - >) Ebenda I S. 429, 460, 487, 772, 886,
872, n S. 20. ^ ») Ebenda U S. 726. — *) Ebenda S. 748. — •) Ebenda
S. 47. - «) Ebenda S. 642. — ') Ebenda S. 646. ~ ') Ebenda IH
S. 57. — *) Schaumburg • Lippische Landesverordnungen I S. 240;
oben S. 118 ff. ^ >•) Ebenda S. 404. — ") Ebenda II S. 16, 28. -
>*) Ebenda S. 25. -*- '«) Ebenda S. 201.
— 185 —
betrüg eine vom 1. Februar 1730^), die am 3. Februar
1747 imd 24. Dezember 1749 Auffrischxmgen erfährt*).
Vorher war eine Gesindeordnimg gewöhnlichen Inhalts
und Umfangs erschienen, den 21. August 1738^). Ein
Weistum des schaumburgischen Ortes Vehlen*) han-
delt vom Lohne und von beiderseitigem Vertragsbruche.
Die wichtigsten Rechtsgebiete des thüringer Lan-
des sind Nordhausen und Mühlhausen, für die spätere Zeit
Frankenhausen.
In den nordhauser Statuten von 1300^) wird eine
Bestimmung über die gegen Gesinde verwirkte Buße ge-
troffen. Die Statuten von 1308 ®) bilden dies Recht weiter,
geben außerdem Anordnungen über Verspielen von Her-
rensachen durch den Knecht sowie Kleidervorschriften für
alle Stände, so auch fürs Gesinde. Mehr Wert haben die
Neuerungen des Rechtes von 1350 ^), wo ziun ersten Male
der Vertragsbruch eine Regelimg findet. Gleiches gilt
von den 1470er Statuten«). Am 28. Juli 1421 wurde
zwischen Räten und Handwerksmeistern vereinbart, daß
niemand bei Strafe vertragsbrüchiges Gesinde mieten
dürfe *). Die nordhauser Polizeiordnimg von 1628 ^°) geht
gegen die müßig sitzenden Dienstboten vor, die besteuert
werden sollen.
Mühlhausen besitzt seine ältesten Dokumente in
den Willküren von 1311 (lateinisch) und 1351 (deutsch)
') Ebenda S. 906. ~ ') Ebenda S. 869, 888. - ') Ebenda II
S.886. — *) Grimm, Weistümer HI S.812ff., bes. 816. — ») Forste*
mann, Neue Mittheilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer
Forschungen ni 1 S. 44 ff., bes. «1. — *) Ebenda III 2 S. 1 (f., bes.
11, 29, 88. — ') Ebenda ÜI 8 S. 89 fT., bes. 45, 47, 52, 56, 57, 58 ; III
4 S.82ff., bes. 58. — •) Ebenda VI 2 S. 42ff., bes. 48, 51, 61, 65, 78,
80; IV 1 S. 56 ff., bes. 68. — •) Stadtarchiv Nordhausen. U Na. 2-11
Bbtt 6 V. Nachtrag zu den statuta seu decreta der Stadt Nord*
lausen (um 1870) ; gleichzeitiger Eintrag. — ^^) StAdt. Museum Nord«»
liausen; Druck.
— 186 —
und den Statuten von 1401 ^). Sie erwähnen des öfteren
das Gesinde; hervorgehoben seien Anordnungen über den
Zeitpunkt der Mietung*), Abspenstigmisichen *), sowie
Taxen des Zimtaiermanns-, Steinmetzen- etc. Lohns; der
Gesindelohn ist nicht bestimmt. Die Heimburgenordnun^r
von 1544*) bringt Anordnungen über die landwirtschaft-
liche Arbeit des Gesindes, ferner wider die Untreue, Ver-
tragsbruch und Abspannen. Das Heimbuch von 1582 *)
wandelt die 1544 auf Untreue gesetzte Körperstrafe in
Geldbuße um. Im 17. Jhdt. ergingen mehrfach Bestim-
mungen vornehmlich wider den Vertragsbruch, so in einer
undatierten Verordnung®), femer am 28. März 1655 •)
und m den Statuten von 1692 Tit. 24 Nr. 20 Art. 46«).
Die Fragen, die der Zeit bedeutsam: erscheinen, behan-
delt das erneuerte Heimbuch von 1736®) ausführlich in
einem besonderen Abschnitte „Vom Gesinde".
Zu den bedeutendsten Rechtssystemen gehören die
f rankenhäuser Rechte, die Statuten von 1534^^) und
die Polizeiordnung von 1558 **). Trotzdem darin das Ge-
sinderecht an verschiedenen Stellen verstreut ist, kommt
doch ein großer Teil der gesinderechtlichen Gesetzge-
bimgskunst dieser Zeit zum: Ausdruck.
Unter der Masse der übrigen selbständigen Rechts-
gebiete im mittleren und südlichen Thüringen ragen weiter
Gotha, Erfm-t, die weimarischen Länder und Altenburg
hervor.
^) Die Rathsgesetzgebung der freien Reichsstadt Mohlhausen
i. Th. im U. Jhdt., hsg. von E. Lambert (Halle 1870); Mühlhäuser
Geschichtsblatter 9 S. 14 ff. — «) Lambert a. a. O. S, 124. — ») Ebenda
S. 12B. — *) Im Stadtarchiv zu Mühlhausen. — ») Ebenda. — •) Ebenda ;
den Heimbüchem angeheftet — 0 Edictbuch der Stadt Mflhlhausen
1688. Stadtarchiv Abt. Y Fach 1 Nr. 8 S. 419. - •) StatuU und
Willkühr, der Kayserlichen Freyen und Heil. Rom. Reichs -Stadt
Mohlhausen 1693. ~ •) Stadt. Bibliothek Mühlhausen. - ^<') Michelsen,
Rechtsdenkmale aus Thüringen S. 466 ff., bes. 475, 480, 481, 487, 488,
489. — ") Walch, Beytrftge I S. 286 ff.
— 187 — .
Das alte Stadtrecht Gothas^) handelt von Haftung
und Vertretung im Gesmdeverhältnisse und vom beider-
seitigen Vertragsbruche. In einer vor 1541 entstandenen
Stadtordnung ^) sowie in den neuen Statuten von 1579')
kommen nur ganz nebensächliche Erwähnungen des Ge-
sindes vor. Eine fürstlich gothaische und altenburgische
Gesindeordnung reichen Inhaltes stamtot vom 4. Januar
1719 *).
Aus Erfurt sind Polizeiordnungen von 1577^) und
1583*) zu nennen, aus späterer Zeit die Instruktion für
die „Zweyermanns-Camimer'* von 1704^) imd die Dorf-
ordnung von 1786®) mit mannigfachen Grimdsätzen im
Sinne des Jahrhunderts®).
Weimar erhielt zuerst in der Landesordnung von
1482") Gesinderecht gesetzt; Bestimimungen über Ab-
spenstigmachen, Neuvermietung, Kündigrung, sowie Lohn-
taxe sind darin enthalten. Zeugnisse wurden durch die
Polizeiordnung von 1531 **) eingeführt. Über Borgen an
Gesinde trifft die Landesordnung von 1556 **) gleiche An-
ordnung wie die Landesordnimg von 1589 **). Diese Ord-
nung von 1589 handelt weiter über die gewöhnlichen Dinge
gesinderechtlichen Polizeiwissens, Vertragsbruch beider
^ Ortloff, Samml. Deutscher RechtsqueJIen II S.819 ff., bes. 882;
Strenge-Devrient^ Stadtrechte von Eisenacb, Gotha u. Walters-
hausen (ThOr. Geschichtsquellen Bd. 9) S. 196 ff., bes. 222. — *) Strenge-
Devri ent a. a. O. S. 894 ff., bes. 898. — •) Ebenda S. 817 ff., bes. 882. —
^ Univ.-BibL Marburg. XVm f A 870. — •) Dorn, Gesinderecht
S.828. — •) In der Univ.-BibL Marburg. — ') Churfilrstliche Mayntzische
Gnädigste Ordnungen vor deren Stadt Erffurth S. 186 ff., bes. 142,
155, 156. — ') He ine mann, Die statuUrischen Rechte för Erfurt
S. 866 ff., bes. 869. — *) Weitere unvachtige kurmainzische Erlasse
ftr das Eichsfeld mit gelegentlichen Vorschriften Aber das Gesinde-
wesen in Scbepplers Codex ecclesiasticus Moguntinus novissimus
lS.108ff., 148ff. — *")Joh.Schmidt, Ältere und neuere Gesetze .. .
f. d. Fflrstenthum Weimar IV S. 187, 144, 147, 162. — ") Ebenda IV
S. 187. — »•) Ebenda IV S. 82. — ") Ebenda.
— 188 —
Teile und Zeugnisse^). W<enig steht in den Statuten der
Stadt Weimlar von 1590 2). Reichhaltiger noch als die
Ordnung von 1589 ist die Verordnung vom' 22. Juli 1651 *).
Nur geringe Ausbeute gibt das sonst so reiche 18. Jhdt.
Am 10. September 1759 traf man Vorkehrungen wider Mie-
tungen johne Zeugnisse *), am 30. Mai 1763 erging eine Tax-
ordnung*), und gegen Kreditnehmföi des Gesindes wurde
am 17. März 1777 *) eingeschritten. Weitreichende Zeugniis-
vorschriften traten 1805 imd 1807 ') in Kraft. Was hier im
18. Jhdt. fehlte, ist jenaischen Teiles in um' so größerer
Reichhaltigkeit vorhanden. Die Statuten von 1704 ^) lassen
vorahnen, was durch die große Gesindeordnung vom' 2. De-
zember 1751 *) in gewaltiger Menge reglementiert wurde.
Was sonst noch im 18. Jhdti sich ereignete, verschwindet
gegen diese beiden Gesetze. Ein Patent wider das dienst-
lose Gesinde voml 11. Mai 1757 ^^), eine der gleichzeitigen
Weimarer Ordnung entsprechende Taxordnung vom 10.
Juni 1763*^) leiten zu den am 19. April 1804 erlassenen
Zeugnis vorschrif t en ^^) über, die das angeführte Weimarer
Recht von 1805 und 1807 vorbereiten. Wie die jenaische
Gesindeordmmg von 1751, so ist auch die in Sachsen-
Ei s e n a c h am 6. Oktober 1757 *^) erlassene Ordnxmg ein
Muster des Könnens der Zeit, während die früheren eise-
nacher Statuten von 1670") sich mit einer Bestimmung
über den Vertragsbruch und über die Haftung des Herrn
begnügten.
») Ebenda S. 188, 140, 141, 146. — •) Ebenda Vni S. 101. —
*) Ebenda S. 141, 146, 147, 148, 149, 150, 162, VI S. 864, 366. — Dorn
S. 241 fbhrt weiter ein herz, sächsisches Edikt von 1626 Aber die
Gesindeuntreue an. — *) Ebenda S. 140. — ») Ebenda VIII S. 416.
— •) Ebenda IV S. 148, 144. 168. - ») Ebenda XI S. 184 ; Kr. A.
WOrzburg. V. 2616, Abschrift aus der Nationalzeitung der Deutschen
vom November 1806 S. 886. — ") Ebenda IV S. 142, 144, 160, VH
S. 416. — •) Ebenda IV S. 188 ff. — »•) Ebenda IV S. 146. - ") Ebenda
VIII S. 416. — *«) Ebenda IX S. 406. - ") Kr. A. München. G. R.
Fasz. 402 Nr. 3. — >«) Strenge-Devrient, Sudtrechte S. 120ff.,
bes. 162, 168.
— 189 —
Fürstlich altenburgisches Gesinderecht erging*
am 8. Juli 1650 mit einer Verordnung wider ledigsitzendes
Gesinde*), weiter am 3. Februar 1665 in einer Gesinde-
und Tagelöhnerordnung ^). Eine fürstlich gothaische und
altenburgische Gesindeordnung wurde am 4. Januar 1719
erlassen '). Auf dem! Landtage von 1734 trugen die Stände
vor, daß die alte Gesindeordnung von 1665 außer Ge-
brauch gekomimen sei*). Daraufhin wurde eine Neube-
arbeitung in Angriff genommen. Eine große Gesinde- und
Taglöhnerordnimg von 1744 ^) war der Erfolg, bemerkens-
wert vor allem' durch die Bestimmungen über den Dienst-
zwang. Ein Mandat vom 1. Dezember 1750®) forderte von
den Beamten Berichte über Befolgung verschiedener Ge-
setze, insbesondere wurde auch nach dem Erfolge der
Vorschriften wider das ledigsitzende Gesinde gefragt
(Frage 13, 14).
Nur wenige von den sonstigen Satzungen der zahl-
reichen kleinen Städte und Ländchen des thüringischen
Landes können Anspruch auf individuelle Wertimg ihres
Gesinderechtes erheben. Für die meisten genügt eine kur-
sorische Aufzählung. Die folgenden Rechte bringen ge-
legentlich einmial gesinderephtliche Anordnimgen ^) : Sta-
tuten und Polizeiordnung für Zeitz von 1573 ®), Statuten
für Gera vom 11. Juni 1658»), Eisenberg von 1610"),
Bürgel von 1567*^), Rastenberg von 1491*2), ßut-
telstedt von 1491"), Buttstedt von 1410"), Neu-
') St. A.Wiesbaden. VII 1 Nassau-Weilburg generalia XIV c Nr. 18.
- *) Zitiert in der Gesindeordnung von 1744. — •) Univ.-Bibl. Marburg.
XVIII f A 870; s. oben S. 187. — *) Ergibt sich aus Eingangsworten
<icr Gesindeordnung von 1744. — •) Univ.-Bibl. Marburg. XVIII f B
1119 g. -. •) Univ.-Bibl. Marburg. XVIII f A 870. - ') Reihenfolge
voo Osten nach Westen. — •) Schott, Sammlungen zu den Deutschen
Lad- und Stadtrechten I S. 268. — •) Ebenda S. 146. — ") Walch,
B«ytragc II S. 212. - ") Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar VII
S. 280. - !•) Ebenda VIII S. 2. - >») Ebenda VII S. 822. —
") Ebenda S. 841.
— 190 —
mark Von 1510^), Greußen von 1556*), Magdala.
von 1671«), Berka von 1674*), Teichel von 1596^),
Rem da aus dem 13.— 14. Jhdt.«) und von 1635'), Um
von 1350»), Saalfeld aus dem 13. Jhdt.*), Leuten -
berg aus dem 15. Jhdt.i»), Schleiz von 1625"), Wal -
tershausen aus dem 17. Jhdt. ^^). Reicher und viel-
gestaltiger sind die übereinstimmenden Statuten R u d o 1 -
stadts und Blankenburgs von. 1594^«). Auch das
ältere Recht in Rudolstadt von 1404 und 1488") nmß
einiger Gesinderechtssätze wegen bescmders angeführt wer-
den. Die hennebergische Landesordnung von 1539 ^*)
regelt den beiderseitigen Vertragsbruch. Gleichen Geistes
ist die 1580 gedruckte Polizei- imd Landesordnung für
Sachsen -Koburg^*); nur von der Antrittspflicht und
dem Vorrechte der alten Dienstherrschaft vor dem neuen
Mieter handehi die Statuten der Stadt Koburg^'). 1814
wurde in Kobiurg der Zwangsdienst aufgehoben^®).
Aus Waldeck stanmit eine sehr alte Gesindelohn-
taxe. Sie ist vom Jahre 1386*'); am Schluß wird ferner
das Dienen außer Landes verboten. In einem Sammel-
bande alter waldeckischer Verordnung (1525 — 1775) der
*) Ebenda S. 618. - •) Walch a.a.O. VII S.61. — •) Schmidt
a. a. O. S. 501. - *) Ebenda S. 206. — ») Wa Ich a. a. O. V S. 166.
•) Ebenda VIII S. 232. - ') Schmidt a. a. O. VIII S. 27.--«) Walch
a. a. O. V S. 1. — •) Ebenda I S. 1. — *•) Michelsen, Rechts-
denkmale S. 425. — ") Walch a. a. O. VIII S. 54. - ") Strenge-
Devrient, Stadtrechte S. 860 ff., bes. 861. — ") Walch a. a. O.
V S. 21 ff., 78 ff. — >«) Michelsen, Rechtsdenkmale S. 207 ff., bes.
210, 216; S. 226ff,, bes. 226. — ") Schmidt a. a. O. IV S. 164. —
'*) G. M. von Weber, Darstellung der sämtlichen Provinzial- und
Statutarrechte des Kgr. Bayern I S. 1128. - ^*) Ebenda S. 1128. —
") Ebenda S. 1124. — »•) Collitz-Bauer, Wald. Wörterbuch, 1902
S. 801; Urkunden zur Gesch. der FQrstentOmer Waldeck und Pyr-
mont, Beilage zu Bd. 1 u. 2 der Beiträge zur Gesch. der FQrsten-
tOmer W. u. F., S. 62« — Curtze, Gesch. und Beschreibung des
FOrstenthums Waldeck, 1850 S. 288 datiert die Ordnung mit 1886.
— 191 —
fürstl. Regierung Arolsen sind weiter folgende Stücke ent-
halten. Einmal eine Landesordnung vom 15. April 1581,
die 5 Th. Strafe auf den Vertragsbruch setzt. Diese Be-
stiimnung wiederholt die Landesordnung vom 16. Oktober
1607. Der Gesindelohn wird in der Taxordnung vom 24.
August 1632 bestimtait. Eine Verordnung vom 20. März
1720, welche die Gesindediebstähle mit harten Strafen
belegt, und eine vom 20. April 1736 wider den Vertrags-
bruch leitet über m der großen Gesindeordnung vom:
4. Dezember 1736, die im Anschluß an die hannoversche
Gesmdeordnung von 1732 und die hessische von 1736
alles regelte, was man damals am Gesinde der Regelimg
wert hielt. Am 2. September 1761 schließlich folgte eine
Wiederholung des Verbotes, außer Landes zu dienen.
Die katholischen Länder des westlichsten Deutsch-
land fassen das Gesinderecht nicht anders auf als die
protestantischen, von einer Einzelheit abgesehen: das an-
derswo bestehende m^rlcantilistische Verbot, außer Lan-
des zu dienen, bekommt hier manchmal die Gestalt, daß
das Dienen im; protestantischen Auslande verboten wird,
^wogegen häufig die Protestanten auch ihrerseits die Dienst-
boten im katholischen Lande für gefährdet halten. Der
Orundton und die Ausgestaltimg im übrigen sind gleich.
So im Hochstifte Paderborn. Eine Polizeiordnung
^'on 1655*) ist hier zu nennen, deren 25. Kapitel die ge-
wöhnlichen polizeilichen Maßnahmen gegen das Gesinde
enthalt. Auch über die Beschaffung der nötigen Dienst-
boten durch Anhalten der Müßigen enthält die Ordnung
eine Stelle; weitergebildet wurde dies durch eine Verord-
nung vom 26. Oktober 1702 »), und in neuer Weise durch
^ allgemeine Verbot, nach Holland auszuwandern, vom
13. Januar 1781 »).
0 Hochflirstlich Paderbörnische Liindes •Verordnungen .. . in
^r Sammlung herausgegeben, 4 Teile, Paderborn 1786-1788; T. 1
S. «ff. _ ■) Ebenda II S. 88. — •) Ebenda IV S 140.
— 192 —
In der nahebei liegenden Stadt Salzkotten wur-
den nach einem' Berichte von 1670 ^) die Gartendiebe den
Dienstboten tind Kindern zum warnenden Beispiele öffent-
lich ausgestellt.
Die alten Statutarrechte für Rüden aus dem 14.
Jhdt. *) bringen außer einer eigenartigen Satzung über
den Schutz der Mägde gegen Verführer (Art. 62) Bestim-
mungen über den Vorzug im Beweisrechte bei Lohnfor-
derungen.
Wenig ergiebig ist das Recht Lippstadt s. Das
dritte Stadtrecht von 1575^) handelt einmal von den In-
jurien, die zwischen Gesinde \'orkonlm!en.
Das Recht des hof hörigen Gesindes ergeben zum Teil
die Bestimmungen für den Hof zu E i k e 1 an der Lenne *).
Bedeutsamer für das allgemeine Gesinderecht ist die
Bürgersprache für Bielefeld von 1578^), wo vornehm-
lich über Mietgeld und Dienstantritt Bestimmungen ge-
troffen werden.
In die neuere Zeit hinein ragt das Recht der Graf-
schaft Ravensberg. Eine Landesordnung von 1655*) hat
Gesindelohntaxe, Bestimmungen über Kündigung, Antritt,
Müßigsitzen, außer Landes gehen usw. ; diese Vorschriften
sind der Schatzkamtmer entnommen, an der kein Staatdamais
vorüberging, ohne sich zu versehen. Ebenso erweist sich
die Gesindeordnung von 1766 ^) als Ergebnis ihrer Zeit ; sie
^) Wigands Archiv ftlr Geschichte und Altertumskunde West-
phalens III 3 S. 881. -— *) Seibertz, Urkundenbuch zur Landes-
und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen II S. 69 ff.; Wi-
gands Archiv V S. 56ff. — ') Veröff. der bist Kommission för
Westfalen, Rechtsquellen, Stadtrechte I, Stadtrechte der Grafschaft
Mark I: Overmann, Lippstadt S. 70 ff., bes. 71. — *) Grimm,
Weistümer II! S. 60 ff., bes. 68. — ») Walch, Beyträge III S. 58 ff.,
bes 69, 73, 75; Wi gand , Provinzialrechte des Fflrstenthums Minden . . .
II S. ^flf, — •) 18. Jahresbericht des Historischen Vereins für die
Grafschaft Ravensberg, 1899, S. 124. — "*) Auszug aus ihr in den
Ravensberger Blättern für Geschichts-, Volks- und Heimatskunde
1909 S. 62.
— 193 —
tarifiert gleichfalls den Lohn. Nur wexüge gesinderecht*
liehe Bestimlmiungen trifft die Dorfordnung für Minden»
Ravensberg, Tecklenburg und Lingen vom' 7.
Februar 1756 ^).
VcKri Rechte Münsters ist' ninächst eines Statutes
von 1373') zu gedenken, wo da^ Doppeltvennieten mit
Strafen bedroht wird. Mancherlei Gesinderecht an ver-
schiedenen Stellen enthält die Polizeiordnung der Stadt
Münster aus der zweiten Hälfte deö 16. Jhdts. '). Immer
wieder das Recht des Vertragsschlusses und des Dienst-
antrittes wird geregelt in einem undatierten Zusätze zu
einem sandwellischen Landurteil des 16. Jhdts. ^), sowie
in Godingsartikeln des Domkapitels in Fassimgen von
1665 imd 1715*). Im! 18. Jhdt. ergingen schUeßUch eine
große Gesindeoid&ung ani 6. Februar 1722^) und eine
Polizeiordnuxig 1740^), die ein ganz kurzes Kapitel
über Dienstboten enthält. In der Eigentimisordnung vom
10. Mai 1770®) erfuhr das Zwangsdienstrecht eine Kodi-
fikation.
Die Statuten Koesfelds von 1574*) handeln vom
Vertragsbruche und vom Auswärtsdienen. Einige Ein-
blicke in das Recht der hofhörigen Dienstboten gewährt
das Recht des Hofes zu Loen von 1363 und 1547 ^<').
In der benthei mischen Gerichts- und Landes-
ordnung von 1600^^) steht eine Gesindelohntaxe zu-
*) Schlot er, Provinzialrecht der Provinz Westfalen II S. 168.
-*')Niesert, Mflnstersche Urkundensanunlung III S. ISSl. — ') Samm-
lung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem KOn. Preuss.
Erbßtarstenthume Mflnster ... ergangen sind I S. 147; Schlüter,
Pravinzialrecfat I S. 117; die Datierungen der beiden Ausgaben wider-
sprechen sich — ^) Philip pi, Landrechte des Monsterlandes (VerOff.
d. Hist Kommission für Westfalen. Westf. Landrechte I) S. 68. —
*) Ebenda S. 180ff.; Wigands Archiv VI S. 862. - <") Sammlung
a.a.O.I&868. — ') Univ. BibL Marburg. — •) Ebenda. - •)Niescrt
a, a.0. & 170 ff., bes. 171, 178. — *«) Gri mm, Weistümer III S, 146 ff.,
bes. 147, 166. - ") Schlüter, Provinziah-echt I S. 486.
18
— 194 —
satnmen mit sonstigen Rechtssätzen über das Gesinde-
wesen.
Eines der wichtigsten Dokumente der westfälischen
Gesetzgebung kann an dieser Stelle eingefügt werden, die
am 29. September 1423 zwischen Ritterschaft und zahl-
reichen Städten vereinbarte Gesinde- imd Tagelohnsord-
nung*). Sie ist eine außerordentlich frühe Verwirklichung
der Idee, durch gemeinschaftliches Vorgehen die Lohn-
steigerung mit Hilfe einer Taxe zu bekämpfen. Daneben
kommen noch weiterreichende Bestimmungen, so über
das Mietgeld, vor.
Unter den erneuerten Statuten für Arnsberg von
1608 2) sind Vorschriften über Haftimg des Herrn für
Feuerschaden und über Abschiedszeugnisse.
Das Wichtigste, was die alte soester Schrae von
1350') an Gesinderecht bringt, ist eine Bestimmung über
die gerichtliche Vertretung des Hausherrn diurch sein
Gesinde.
In Dortmunds großem Stadtbuche aus dem 14.
Jhdt. *) stehen Strafvorschriften wider den Knecht, der
die Herrin begehrt; weiter wird der Verlust der Bürger-
schaft einem' Bürger angekündigt, der sich zum Knecht
vermietet. In einem Urteile für Wesel äußerte sich der
dortmunder Richter im 15. Jhdt.*) über den Vertrags-
bruch.
Das Landrecht der „sieben Freien**^) enthält
Strafandrohimgen wider den Nichtantritt des Dienstes.
Weit zurück reicht das Gesinderecht in Gl e v e. Das
alte clever Stadtrecht ') hat einen besonderen Titel ,,Van
') Seibert z, Urkundenbuch Ol S. 48ff. - *) Ebenda S. SlOff.,
bes. 825. 827, — •) Ebenda ü S. 887flf., bes. 418, 414. — *) Frens-
dorff, Dortmunder Statuten und Urteile (Hansische Geschichts-
queUen lU) S. 67flf., bes. 77, 78. - ») Ebenda S. 278 flf., bes. 284. -
^ Grimm, Weistümer III S.67flf. — ^ v. Kamptz, Die Provinzial-
und statutarischen Rechte in der Preussischen Monarchie III S. 24 ff.,
bes. 89.
— 195 —
Dyenst knechten". Für das Land Cleve ist das älteste
nachweisbare Stück erst die Tax- iind Gesindeordnimg'
vxm 2. Augrust 1608^), bemerkenswert schon wegen der
Zusammenstellimg des Titels. Sie enthält eine ausführliche
Regelmig des G^esindewesens im Geiste der polizeiUch all-
mächtigen Beaufsichtigimg, ebenso wie die beiden fol-
genden großen Gesindeordnimgen vom' 2. Juni 1644*)
und vom 29. September 1696'), deren Emeuenmg am
6. März 1727 erfolgte*). Zwischendurch fällt eine Rege-
lung des Zeugniswesens (2. April 1708)*). Eine Reihe
einzelner Bestimmtingen aus dem Gesinderechte in will-
Icürlicher Zusammensetzung, die am 12. Februar 1731 als
Verordnung erlassen wurde *), bereitete die beiden großen
Gesindeordnungen des 18. Jhdts. vor, die eine vom 7. De-
zember 1753') nur für die Städte, die andere fürs platte
Land; sie erg^ing am 7. Januar 1769®). Kaum etwas,
was sich im Gesindeverhältnis reglementieren läßt, wurde
übersehen ; in teilweise getreuer Übereinstimmung werden
von beiden Ordnimgen Rechte der Herrschaft, Pflichten
des Gesindes festgesetzt.
Schon im Anfang des 16. Jhdts. erhoben die Räte,
Ritter und Städtefreunde in Jülich Beschwerden über
den hohen Gesindelohn (30. März 1512)*). Erst in den
Verhandlungen des Jahres 1547 taucht der Gedanke wieder
auf ; in die Zwischenzeit fällt die Erwähnung des Beitrags
der Dienstboten zur Türkensteuer von 1544 ^^). 1547 wird auf
weitere Beschwerden der Stände erwidert, daß mit Aachen
und Köln über die Gesindefragen verhandelt werden solle.
^) Scotti, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche
in dem Herzogthum Cleve und in der Grafschaft Mark . . . ergangen
snd 1 S. 216. — «) Ebenda I S. 260. - •) Ebenda I S. 690. — *) Ebenda
II S. 1065. — ») Ebenda II S. 756. - •) Ebenda U S. 1004. —
'l Ebenda Ol S. 1452. — •) Ebenda III S. 1894. — •) Landtagsakten
von Jüüch-Bcrg, hsg. von von B e low. Bd. 1 S. 189, 141. — *•) Ebenda
IS. 647.
18*
— 1% —
Das geschah auch, wie aus einer beigefügten Notiz zu
sehen ist. Doch scheint ein Gesetz dabei nicht zustande
gekomimen zu sein. Die am 15. Mai 1558 erlassene Polizei-
ordnung*) erwähnt des Gesindes nur in zufälligem Zu-
sammenhange. Und 1566 werden die alten Beschwerden
wieder geltend gemacht *). Die hierauf ergehende Antwort
des Herzogs') verheißt wiederum Verhandlimgen mit
Köln. Über das Ergebnis dieser und weiterer Verhand-
lungen verlautet nichts*); hingewiesen sei atif eine Stelle
in der Entgegnung der Räte vom 8. September 1570^),
wo es heißt, daß die Einführung von „pasportzen" der
reisigen Knechte „des reichs Ordnung und policei ge-
meess** ist. Das Nächste, was auf dem Gebiete des Ge-
sinderechts geschah, ist erst eine Polizeiordnung für die
Stadt Düsseldorf aus dem Jahre 1706^). Ferner eitstan-
den im 18. Jhdt. noch mehrere Einzelverordnungen, so
am 16. Februar 1739 wider den Vertragsbruch '). Gleich-
zeitig mit der Regelung der Mietzeit wurde am 16. No-
vember 1744 eine Taxe angekündigt®). Über Zeugnisse,
Kündigungsfrist imd Vertragsbruch wird allerlei unterm 15.
Dezember 1751 bestimmt ^), eingeschärft am 18. September
1794*®). Im gleichen Jahre, am 2. Dezember 1794 ging
man gegen die Hundstagsfeiern des Gesindes vor**). All
diese einzelnen Verordnungen erfuhren eine großzügige
Zusaminenfassxmg in der Dienstbotenordnung vom 4. De-
zember 1801**), der am 16. November 1809 eine nicht
minder ausführliche für die Stadt Düsseldorf folgte ^^).
*) Univ.. Bibl, Marburg. — «) v. Below a. a. O. S. 90, 98. —
•) Ebenda S. 142. ^ *) Ebenda S. 164, 173, 178, 180. — ») Ebenda
S. 180. — •) St. A. Düsseldorf, Nr. 1009 Der Sammlung jQlichscher
etc. Verordnungen. — ^ Scotti, Sammlung der Gesetze und Ver-
ordnungen, welche in den ehemaligen HerzogthQmem JOlich, Cleve
und Berg . . . ergangen sind S. 860. ^ ') Ebenda S. 400. — *) Ebenda
S. 444; St. A. Düsseldorf. Akten des bonner Hofrats, Kurköln Re^
gierungssachen Nr. 47. — ") Ebenda S. 746. — >») Ebenda S. 747.
— ") Ebenda S. 880. — >•) Ebenda S. 1262.
— 197 —
Als letztes Stück sei noch ein Erlaß wider die Hausdieb-
stahle vom 16. Februar 1814^) angeführt.
In K ö 1 n erging 1407 ein Statut wider das Abspenstig-
machen •). Mit geringen Änderungen wurde es etwa 1460
wiederholt '). Soinst kdmmen in der älteren Zeit hier und da
noch eintmal nebensächliche Erwähnimgen des Gesindes
vor. Für Kurköln fällt die Zeit der großen Systeme in
die erste Hälfte des 17. Jhdts. Vorbereitet durch die
beiden Polizeiordnungen von 1538 imd 1595^) erschienen
am 15. Februar 1645 (für Westfalen), 28. Juni 1647 und
28. Januar 1656 (für Westfalen) Polizei- und Taxordnim-
gen*). Die von 1645 gibt in ihrem! Titel als Polizei- und
Gesindeordnung schon die bedeutende Stellung des Ge-
sinderechts kund, das auch in den beiden andern Ord-
nungen die entsprechende Rolle spielt. Aus dem acht-
zehnten Jahrhundert ist vorweg die für Westfalen be-
stimmte Polizeiordhimg vom 20. September 1723 *), deren
28. Titel „Von Abdjngung anderer Leuthen Reisigen,
Knechten xmd Dienstbotten" handelt, zu nennen, als letzter
\'ersuch das Gesinderecht in dem Zusammenhang des
gesamten Rechtssysteimes darzustellen. Im übrigen be-
schränkt mian sich während der späteren Zeit in auf-
fallender Weise gerade in Köln auf das Vorgehen mit
Einzelverordnungen von Fall zu Fall. Man verbietet für
Westfalen 1716 das Dienen in protestantischen Gegen-
^^^^)y geht später gegen den Vertragsbruch und die Un-
regebnäßigkeiten in der Wandelzeit vor, wie am 2. Mai
') Ebenda S. 1550. — *) Walther Stein, Akten zur Geschichte
^r Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln (Publikationen der
(Gesellschaft Ar Rheinische Geschichtskunde X) I S. 842 ff., bes. 948.
- •) Ebenda S. 386ff., bes. 887. — *) Scotti, Sammlung der Ge-
setze und Verordnungen, welche in dem ehemaligen ChurftkrsCenthum
Cöin . . . ergangen sind 1 1 S. 80, 168. — *) Ebenda S. S48, S5S, i88.
- *) Ebenda S. 688; Einzeldruck in der Univ. • Bibl. Marburg. ^
') Ebenda S. 609.
— 198 -
1718, 12. Oktober 1722 (Westfalen), 22. Dezember 1738»).
Oder es wird arusaimnen mit diesem in derselben Verord-
nimg das Abspenstigmiachen mit Strafe bedroht mid das
Zeugniswesen geregelt (10. Dezember 1751, 17. Juli 1770 *) ).
In zwei aufeinanderfolgenden Jahren, am 20. September
1761 und 3. April 1762 '), wird für Westfalen die Natural-
entlöhnung verboten. Am 21. November 1763 ergeht
gleichfalls für Westfalen ein Auswanderungs verbot*).
Mietzeit, Mietgeld, Dienstjahr, Gesindekost sind die Stoffe,
mit denen sich ein Erlaß für Recklinghaus^i vom 26. Juni
1764*) beschäftigt; von Kündigimg und Mietzeit handelt
eine Verordnung für Westfalen vom 23. Dezember 1785 *).
In der Leibeigentumsordnimg für Recklinghausen vom
3. April 1781 ^) wurde das Zwangsdienstrecht kodifiziert®).
Die älteste Quelle trierischen Gesinderechts bil-
det eine der zweiten Hälfte des 13. Jhdts. angehörende
Dienstordnung für die Beamten imd Diener des Dom-
kapitels®). Weiter findet sich in Beschlüssen des trierer
Konzils von 1310 ^^) die Bestinünimg, ne religiosi habeant
servos. Gelegentliche Erwähnung des Gesindes erfolgt
sodann in einem Vertrage zwischen dem Ritter Arnold
von Blankenheim' und dem Er^bischof von Trier vom
6. Februar 1358^*). Ein früher Versuch voa Lohntaxen
(aber ohne Auffühnmg des Gesindes) erfolgte 1404 ^'). Sehr
ergiebig, insbesondere auch für das Kost- und Arbeits-
recht des Gesindes sind die trierer Kellnereiordnung von
*) Ebenda S. 618, 621; I 2 S. 726. - «) Ebenda I 2 S. 771;
St A. Düsseldorf, Akten s. oben S. 196 Anm. 9. — ') Scotti
a« a. O. S. 841, 842. — «) Ebenda S. 846. - •) Ebenda S. 849. -
*) Ebenda S. 1115. — ') Ebenda S. 1004. — •) Über das Gesinderecht
in Aachen Hessen sich weder ungedruckte noch gedruckte Quellen
nachweisen. - •) Trierisches Archiv 1898 S. 87flf. — »•) Scotti,
Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen
Churfbrstenthum Trier . . . ergangen sind S. 1 ff., bes. 28. — ") Lamp-
recht, Deutsches Wirtschaftsleben III S. 281 ff., bes. 282, 288. —
**) Scotti a. a. O. S. 1540.
— 199 —
1500 ^) und die um 1530 festgestellten Haushaltungspflich-
ten des Amtmanns^). Judengesinderecht nebensächlicher
Art steht in den Judenordnungen von 1518, 1563, 1618 *).
Unter den Sendfragen von 1599*) stehen Bestimmungen
vornehmlich über des Gesindes erziehliche Beaufsichti-
gung durch die Herrschaften. Über Gesindekost bringt
die Instruktion für den Adjunkten des Küchennieisters
im Kloster St. Maximin (um 1600) *) einige wertvolle An-
gaben. Merkwürdigerweise enthalten die beiden Ausgaben
des kurtrierischen Landrechtes von 1668 und 1713^) kein
besonderes Kapitel vom' Gesinde, sondern nur einmal eine
Bestimtnimg über den Vorrug des Lidlohnes im Konkurse.
Zwischendurch 1690 tmd dann weiter 1719 ergingen Gebote
über die Pfarrmägde '^). Wegen des Judengesindes wurden
1723 und 1725«) neue Bestimmungen getroffen. Agrar-
tedmische Besonderheiten fanden 1743, 1751, 1755 ^) ihre
Regelung unter Berücksichtigung gesinderechtlicher Ver-
hältnisse. In Verordnungen über Militärverhältnisse, den
Besuch der Christenlehre, einer Feuerordnung aus den
Jahren 1761, 1779, 1783*®) fallen nebenher auch einige
Kleinigkeiten fürs Gesinderecht ab.
Über die Miniaturterritorien am Mittelrhein ist nicht
viel zu sagen. Die wiedschen Lande versenkten ihr
Gesinderecht in die beiden Kirchenordnungen vom: 4. Fe-
bruar 1643 imd 24. September 1683 "). In geistlicher Auf-
machung wird hier von der Leichtfertigkeit des Gesindes
gehandelt, die Sonntagsarbeit wird eingeschränkt usw.
^) Lamprecht a. a. O. S. 807 ff., bes. 811, 812. — *) Ebenda
S. 814«: - •) Scott! a. a. O. S. 269flf., bes. 260, 268; 382; 591. -
*) Ebenda S. 1541. ^ *) Habeische Sammlung. — ') Mauren-
brecher, Die Rheinpreussischen Landrechte II S. Iff.; 42 ff., bes.
186. — ') Scotti a. a. O. S. 728; 801 ff., bes. 818. — •) Ebenda
S.86»ff., bes. 878, 875, 881; 908. - •) Ebenda S. 1085, 1059, 1094. —
^) Ebenda S. 1127, 1810, 1882. — ") Scotti, Sammlung der Gesetze
und Verordnungen, welche in den vormaligen Wied-Neuwiedischen . . .
Landcs-Gebieten . . . ergangen sind S. 4, 18.
— 200 —
In den verschiedenen sayn sehen Gd>]etsteilen ^) kam
es za ein paar Maßregehi wider ausländische Knechte
und Judengesinde (4. Dezieinber 1739, 21. Juni 1743, 14.
Jianuar 1805)*). Was dagegen die in der sayn-wittg^n-
steiner Polizeioidnümg von 1776') enthaltene, große Ge-
sindeordnung bringt, ist bedeutsam diu-ch die in der äuße-
ren Anordnung und auch in einem Teile des Inhaltes zu
Tage tretende Selbständigkeit gegenüber den sonstigen
Zeiterscheinimgen.
Das Recht der Kinder von Moselweis aus dem
Jahre 1580^) imd zwei Weistiemler des Ortes Langezi-
lonsheim bei Kreuznach^) enthalten einige, wenn auch
nicht bedeutende gesinderechtliche Bestimmungen.
Vor dem endgrültigen Übergang zu Süddeutschlaiud
ist noch Nassau zu erledigen. Es beginnt mit einer Ver-
ordnung vom 1. Januar 1559 für Katzenelnbogen wider
das Dienen außer Landes ®). Wichtig ist femer die Mon-
tagsordnung vom 18. August 1586^). Keine Möglichkeit
näherer Datierung besteht für eine Gesindelohntaxe, wohl
vom Ende des 16. Jhdts. ®). Eines der allerwichtigsten Ge-
setzgebungswerke ihrer Zeit ist die nassau-katzenelnbo-
gener Polizeiordnung vom' 8. März 1597 % die eine Fülle
bedeutsamer Rechtssätse aus allen Gebieten des Gesinde-
rechtes enthält. Dagegen bringt die katzenelnbogener
Landordnung vom 1. Mai 1616 ^^) nichts Gesinderechtliches«
Aus dem Jahre 1618, vom; 23. Dezember, stammt die
erste vollständige nassaiier Gesindeordnung ^^), für Beil-
stein bestimimt. Weniger hat eine katzenelnbogener Ge-
^) Des dynastischen Zusammenhanges wegen an dieser Stelle
behandelt — *) Ebenda S. 665, 702, 1057. — •)Univ.-Bibl Marburg. XVm
f B 1999 m. - «) Grimm, WeistQmer II S. 509. - «) Ebenda S.
158 ff., bes. 165 ; III S. 769. -- «) St. A. Wiesbaden. VI 1 Nassau-
Weilburg. Generalia XIV c Nr. 18. — ^ Corpus Constitutionum
Nassovicarum I S. 609.— ') Siehe Anm. 6. — *) Nach einem Druck
von 1616 in der Universitätsbibliothek Marburg. — '*) Ebenda. —
") Corp. Const. Nass. II 1 S. 29.
— 201 —
sindeostliiuiii: vom 7. Dezember 1643^), die neben einer
Taxe nur das Veibot des Müßigsitzens und Dienens außer
Landes enthält» Tvofür insbescmdere auf ein Mandat vom
16. Oktober 1641 verwiesen wird. Am 20. Dezember 1643
erging femer eine allgemeine Gesindeordnung'). Das
katzenelnbogener Aktenstück') läßt sehen, daß die Gesinde-
ordnun^r vom 7. Dezember 1643 am 6. September 1649
und im Jahre 1654, diesmal imter Weglassimg der Taxe,
eme Erneuerung erfuhr. Unterm 9./19. September 1656
imd 9. August 1658 wurden Bestimimungen über die Mie-
tung des Gesindes getroffen^). Mehrfach wiederholen sich
die Verbote, außer Landes in Dienste zu gehen, so am
20. Dezember 1702*), für Usingen 1699 und 1701«).
Außer diesem Gebot kominit sämtliche Weisheit der Zeit
über Gesindewesen zum' Ausdruck in einer undatierten
MHochfürstlichen Regierungs - Verordnung" (Gesindeord-
nung), wohl aus dem Anfang des 18. Jhdts. '^). Eine ebenso
undatierte, etwa derselben Zeit angehörende Rügordnimg
für die Herrschaft Idstein ^) bringt heftige Bestimimungen
wider Abspenstigmiachen und Vertragsbruch. Am 14. Mai
1718 entstand eine weitere Gesindeordnimg für den siege-
ner Landesteil'); hier wird allgemein auf die katzeneln-
bogener Polizeiordnung verwiesen, die befolgt werden soll.
Aus d«n 18. Jhdt. liegen schließlich noch zahlreiche wei-
tere Verordnungen für die Herrschaft Idstein vor, die
wm verschiedenen Arten eines zwangsweisen Gesinde-
dienstes handeln. Die Verordnungen, deren Bedeutung
in § 2 des zweiten Teiles dargelegt werden wird, sind
^tiert vom 1. März 1736, 15. Dezember 1766, 1768,
^) St. A. Wiesbaden. VI 1 Nassau-Weilburg. Generalia XIV c
Nr. 18. — «) Corp. Const Nass. II 1 S. 204. — ») S. 200 Anm. 6. —
') Ebenda H 2 S. 48, G9. — •) Ebenda S. 248. — «) Zitiert in der
oanger Gesindeordnung vom Anf. 18. Jhdts. in der Akte St A. Wies-
Men. V Nassau -Usingen 1. Generalia II a Verordnungen Band V
Seite 188. — ^ S. vor. Anm. — •) Ebenda. — •) Corp. Const Nass.
in S. 170.
— 202 —
23. April 1774, 26. September 1776, 7. Dezember 1778.
1. März 1782, 28. Februar 1783 1).
Angereiht sei hier das rheingauische Landrecht,
nicht die Fälschimg Bodmlanns, sondern das neuere von
1643 *), das über Dienstmiete, Antritt und Abspannen des
Gesindes Anordnungen trifft.
Weit reichhaltiger und bedeutender als die Geschichte
des Gesinderechts im Lande Hessen--Darmstadt,
dessen frühere Entwicklimg ja mit der Kurhessens zu-
sammenfällt, ist die Rechtsgeschichte des Gesindes in
den darmstädtischen Nebenländern verlaufen, die teil-
weise erst später dem Gebiete zugefügt wurden.
Am weitesten in die Vergangenheit zurück reicht hier
das Recht der Burg und Stadt Friedberg. Gelegent-
liche Erwähnungen des Gesindes traten in verschiedenen
Verträgen zwischen Stadt imd Burg, in Friedeaisverkün-
dungen der Könige, Steuerfestsetzungen und andern Ur-
kunden auf. Daten solcher Akte sind 25. März 1301,
21, Juli 1306, 21. Juli 1331, 7. April 1335, 31. Januar
1354, 28. April 1394 ^). Wichtigere Anordnungen verschie-
dener Art enthält die Polizeiordnung der Burg Friedberg
aus dem Jahre 1680*). Auf ein hohes Alter blickt weiter
das mockstädter Recht zurück. Ein Weistum von
1365^) hat eine Stelle über Befreiung des Pfarrgesindes
von einer Fastnachtsabgabe, eine andere über Hirtenrecht.
Von weiteren Sonderrechten Hessen-Darm^tadts nördlich
^) Verzeichnet in dem von H. L, Benz 1784 angelegten
Kataloge idsteiner Gesetze (St. A.Wiesbaden. V 1 Nassau - Usingen.
Generalia II a Verordnungen) S. 210, 221, 227, 259, 260, 261, 271.
— ') Im Stadtarchiv Mainz; vgl. auch Paul Richter, Geschichte
des Rheingaues, in „Der Rheingaukreis**, Rfldesheim 1902, S.
240, 241. — •) Foltz, Urkundenbuch der Stadt Friedberg I (Vcröflf.
der historischen Kommission (tXr Hessen und Waldeck) S. 64, 72,
114, 180, 198, 447. — «) Druck Giessen 1729 in der Univ.-Bibl.
Marburg. - *) Grimm, Weistflmer III S. 485 flf., bes. 486.
— 203 —
des Maines versagt das solmisische Landrecht von
1571^) fast ganz; niir eine zivilrechtliche Regelung (II
3) „von Leyhen anderer beweglicher Ding und Haab**
läßt sich zur Erläuterung des Gesinderechts vcmi ferne
heranziehen. Weit bedeutsamer, insbesondere nach der
verwaltungsrechtlichen Seite hin, ist die Gesindeordnung
für die Grafschaft Gedern vom 11. Januar 1681*). Sie
bemüht sich, nichts von ihren auswärtigen Vorgän-
gerinnen Abweichendes anzuordnen. Angefügt ist ihr
ein „Kurtzer Begrriff der Gesindeordnimg" *). Völlig
andersartig als in den nassau-katzenelnbogenschen Poli-
zeiordnimgen*) wird das Gesinderecht in der Polizeiordnung
für hessisch-Katzenelnbogen aus der Zeit des Land-
grafen Georg I. (1567—1596)'*) behandelt. In Nassau eine
großzügige, eingehende Behandlimg des allgemeinen Ge-
sinderechtes; hier nur gelegentliche Äußerungen darüber
unter sehr aiisf ührlicher Hervorhebung des Müllergesinde-
rechtes. Das alte Landrecht für Katzenelnbogen ') ent-
hält nur eine Anordnung über das Lohnvorrecht beim
Tode des Herrn.
Über die Maingrenze nach Norden ragten weiter ver-
schiedene kurm'ainzische Gebietsteile ^). Für die Stadt
Orb winde 1579 eine Polizeiordnung®) erlassen, in der
eine Bestin^mtmg über das Abwendigmachen vorkommt.
Über das Gesinderecht in Mainz selber geben einige
Notizen über Aufnahme und Austreibung von Juden und
*) Nach Druck von Joh. Wolffin Frankfurt 1671, in der Univ.-
Bibl. Marburg. — ') Gräflich Stolbergisches Archiv in Gedern. B. XX
Allerhand Verordnungen und Befehle so in der Grafscha£Et Stolberg-
Gedem ergangen S. 61. — ') Abgedruckt in den Giessener Familien-
bUutern (Beil. zum Giessener Anzeiger) 1907 Nr. 59. — *) Oben S. 200,
M. — *)Selchows Magazin UXr die teutschen Rechte und Geschichte I
S. 476 ff. — •) Druck Darmstadt 1796. — ^) Über das kurmainzische
Recht ftir Thüringen s. oben S. 187. — •) St. A. Marburg. Akten orb
Nr. 488.
— 204 —
Judengesinde Auskunft, wk sie Bodnuuin gesammelt hat^).
Die früheste Nachricht stammt aus 1365, wo man ,,meister
Jacob den judden" aufnahm; bis ins 17. Jhdt. ziehen sich
solche Aufzeichnimgen hin. Rechtzeitig zu ihrer Zeit er-
ging am: 13. Oktober 1623 eine Taxordnung*), in der auch
dem Gesinde ein Höchstlohn gesetzt wird; weiterer Text
gesinderechtlichen Inhaltes fehlt aber — im Gegensatze
zu so vielen anderen allgemieinen Taxordnungen jener
Zeit, die g^radie das Gesinde, weniger andere .Stände,
mit polizeilichen Vorschriften bedenken. Einige kirchen-
rechtliche Gesindevorschriften*) können hier übergangen
wierden. Selbst eine große Kirchenordnung aus dem Jahre
1669*) bringt nur kurze Ordnung der Christenlehre und
d)er Soimtagsarbeit, woraus dem Gesinde Nutzen er-
wuchs. In zufälligem Zusammenhange erwähnt das Ge-
sinde weiter eine Notsteuerveranlagungsordnung vom' 20.
Dezember 1701*). Die bedeutsamste Erscheinimg^ main-
zischen Rechts ist erst die Verordnung wider die Haus-
diebstähle vom' 25. April 1749 •). Ein hartes Straf recht
soll die Unredlichkeit heilen; durch Zeugnisse will man
sonstige Mängel heben. Nur das Konkiu^vorrecht des
Lohnes wird in dem' Landrecht von 1755') berück-
sichtigt.
Über das Recht der Mainfahrt verglichen sich am
11. Oktober 1730 das Kloster Altenmünster ru M a i n z und
die Gemeinde Kost heim®). Dabei wurde auch die
Höhe der Abgaben für Herrschaft und Gesinde festgesetzt.
') In Belegen zu einer Abhandlung aber kurmainzisches
Judenrecht; Habeische Sammlung. — ') In einem Sammelbande
der Stadtbibliothek Mainz. — ') Scheppler, Codex ecdesiasticus
Moguntinus novissimus I S. 8fi., bes. IS; 131; 142; 196; 901. —
*) Ebenda S. 164; Kersting, Sonderrechte Sp. 1086. — ») Habcl-
sehe Sammlung. — •) Kersting a. a. O. Sp. 1067. - ') Ebenda
Sp. 1071. — *) Aus Notizen Bodmanns aber das Recht der Mainfahrt
zu Kostheim (in der Habeischen Sammlung; Götze VII 95).
— 205 —
Gering« Ausbeute ergibt das wormser Recht. In
der mn 1400 entstandenen Ordnung der Fergen*) wird
dmnal nebenher der Abgabenfreiheit bestimmter Bürger
und ihres Gesindes gedacht, ähnlich wie in dem eben
genannten kostheimler Vergleiche. Eine Satzung von
1469') bedroht das Abspenstigmachen mit Geldbuße»
Leider enthält die große 1505 bestätigte wormser Refor*
mation ^) keinerlei gesinderechtliche Vorschrift. Zwei Ver-
träge von 1509 und 1519 zwischen Bischof imd Stadt*)
verheißen für verschiedene Angelegenheiten gleiche Be-
handlung der Dienstboten und deren Herrschaften.
Das alte Stadtbuch Oppenheims*) regelte den
Vertragsbruch des Gesindes, ein Weistum: aus H eppen-
heim von 1497*) gab dem Lidlohnarbeiter ein vorzüg-
liches Pfandrecht wider den Arbeitgeber. Ob eine Satzung
des Kanzelgerichtes zu Oberbeerbach von 1498 ') von
Knechten als Gesinde handelt, oder mit „knecht** einen
umfassenderen Simi verbindet, mag dahin gestellt sein.
Für das Land Hessen- Darmstadt beginnt die
Rechtsgeschichte des Gesindes mit einer Münz- und Tax-
ordnung vom 8. Januar 1626*). Diese hat eine Gesinde-
lohntaxe und spricht außerdem das Verbot des Abwendig-
inachens aus. Geradeso wird das Gesinderecht in der er-
neuerten Taxordnung vom 29. April 1639 gehandhabt.
In einer Menge von Erlassen wird das Dienen auß^^
Landes verboten, nämlich durch Verordnimgen vom 18.
März 1650, 20. Juni und 24. August 1653, 12. November
') Boos, Quellen zur Geschichte der Stadt Worms I 8 S. 649.
- *)Baur, Hessische Urkunden IV S. 202. — ») Univ.-BibL
Marburg. XVIII b A 887 c. — *) Moser, Reichs-Stättisches Hand-
Buch 0 S. 977, 998. - •) Wilhelm Franck, Geschichte der ehe-
maligen Reichsstadt Oppenheim S. 178 ff., bes. 209. — ") Grimm,
Wdstümer V S. 681. — ») Maurer, Geschichte der Dorfverfassung
n S. 487 ff., bes. 489. — •) In der Höpfner sehen Ediktensammlung
<les Grossherzoglichen Haus- und Staatsarchivs zu Darmstadt, wo-
auch die weiter angefahrten Verordnungen zu finden sind.
— 206 —
1654 *), 3. November 1655, 10. November 1656, 1. Juli
1672, 7. März 1673 und schließlich am 15. Dezember
1710. Das einzig interessante von diesen Ausschreiben
ist das von 1673, wo den Untertanen imtersag^t wird,
ins katholische Ausland zum Dienen zu gehen. Eigen-
artige Bestimlmungen über Lohnpfändung imd Herren-
haftung wurden am 5. März 1700 getroffen, worüber
später im Zusammenhang gehandelt werden wird.
Wie in Mainz ist auch in Frankfurt die früheste
nachweisbare gesinderechtliche Satzimg judenrechtlichen
Inhaltes: die Judenordnung von 1617*) bringt verschie-
dene Beschränkungen in der Gesindehaltung der Juden.
1642 erging eine Taxordnung '), die auf einer Vereinbarung
mit Nachbarstaaten beruht *). Ebensolche Vereinbarungen
fanden nach dem Kriege statt. Eine Taxordnung ent-
stand 1654*); sie geht auf Anregung des mainzischen
Rezesses vom 1. Mai 1654*) zurück. Hundert Jahre
später wurden Versuche imtemommen, das Gesinderecht
selbständig zu kodifizieren. Einige Gedankenaustausche
zwischen Senat und Konsistorium über den Entwurf einer
Gesindeordnung fanden 1756 statt ; das hierbei vorgelegte
Projekt ist der einige Jahre zuvor (1748) erlassenen ha-
nauer Gesindeordnung mehr als nachempfunden^).
Die heute politisch zu Bayern gehörenden Gebiete
zeigten zur Zeit ihrer Getrenntheit, vornehmlich im 17.
Jhdt., in großem Umfange das Bestreben, sich kreisweise
oder durch besondere Einzelberedungen über Maßnahmen
zur Bekämpfung des Gesindes zu einigen®). 1636 und
*) St. A. Wiesbaden. VI 1 Nassau- Weilburg generalia XIV c Nr. 18.
— ") Moser, Reichs-Stättisches Hand-Buch I S. 575 flF., bes. 682,
585, 598. — ») Stadtarchiv Frankfurt. Corpus legum Francofurtensium
III Nr. 81. — *) Hierzu Notiz in der Akte des Stadtarchivs Frankfurt
Ugb B. 69 Nr. 9, letzte Seite. — •) Corp. leg. Francof. III Nr. 68. -
•) Ebenda Nr. 65.-0 Stadtarchiv Frankfurt Ugb B. 69 Nr. 9; die
hanauer Ordnung s. oben S. 134 f. — ") Über die sächsischen Kreise
s. oben S. 170; Reichsrecht oben S. 77flf.
— 207 —
1638 erließ der fränkische Kreis eine Taxe für Tag-
werker ^). 1643 folgte dann eine fränkische Kreistaxe für
Taglöhner und Dienstboten ^). Auch der fränkische Kreis-
konvent von 1651 ') hatte wenigstens in Bamberg als Folge
den Erlaß einer Gesinde- und Taxordnung fl652), die
dann den Beteiligten, nämlich dem Markgrafen von Bran-
denburg, den Regienmgen zu Würzbiu-g, Amberg, Nürn-
berg, Koburg und Onolzbach (Ansbach) mitgeteilt wurde*).
Weiter sind ni verzeichnen Vereinbarungen, die Würzburg
seit 1652 mit benachbarten Territorien, insbesondere Bam-
berg, zu treffen versuchte, die auch praktische Ergeb-
nisse hatten*). 1654 beschäftigte sich der Kreistag zu
Bamberg wieder mit der Gesindefrage. Das Ergebnis
ist zunächst der Rezeß vom' 25. Oktober und 4. November
1654*). In ihm wird des Gesinderechtes wegen auf ein
nähere Bestimmimgten enthaltendes Patait verwiesen. Er-
folglos scheinen dagegen zwei Verhandlimgen gewesen
ni sein, die vierzig Jahre danach, 1698, zwischen Würz-
burg und anderen fränkischen Staaten geführt wurden.
Das eine Mal ging die Anregung von Kurpfalz aus, wo-
bei für Würzburg jedenfalls nichts herauskam ^). Auch das
andere Unternehmen, wobei Würzburg (für Mainz), Kur-
pfalz, WormJs, Hessen-Darmstadt sich zusammentun woll-
ten, um gegen den hohen Dienstlohn einzuschreiten,
scheint ergebnislog verlaufen zu sein 8). Schließlich ist
') Kamann, Altnflmberger Gesindewesen, in den Mitt. des
Vereins ftr Geschichte der Stadt Nürnberg U. Heft (1901), S, lOL
- ■) Ebenda S. 102; Kr. A. Würzburg V 9661; Kr. A. Bamberg,
Ausschr. 28. Januar 1644 in Bamberger Verordnungen Rep. 141 Nr.
59; Kr. A, München, G. R. Fasz. 402 Nr. 1. - •) Wuttke S. 106.
^ *) Kr. A. Bamberg. Bamberger Verordnungen Rep. 141 Nr. 69.
- ')Kr. A.WOrzburg. MiscelL 4972. — •) Moser. Des Fränckischen
Crayses Abschiede! S. dOOfif.; Sammlung der hochförsUich - wirz-
burgischcn Landesverordnungen I S. 248. — '') Kr. A. Würzburg.
Sammlung Kurf. Mainz. Verord. 8. Teil Nr. 866. — ») Gen. L. A.
Karlsruhe, Baden Generalia 6888; Kreisarchiv Würzburg, Sammlung
Kurf. Mamzischer Verordnungen 8. Teil Nr. 866.
— 208 —
noch zu erwähnen, daß am 8. September 1780 die kur-
pfälzische Regierung benachbarten Staaten eine Verlegrung
der Ziehzeit des Bäuemgesindes von Weihnachten auf
Martini vorschlug. Baden lehnte ab; ob gleichwohl in
Kurpfalz die beabsichtigte Änderung vorgenommen wurde,
ist unbekannt*).
Die Einzelgesetzgebung der Territorien ist freilich
schon viel früher auf dem Plane. Die Darstellimg der
fränkischen Geschichte sei mit Würzburg begon-
nen, wenn hier das Recht auch bei weitem nicht die frühe
Entwicklimg zeigt wie etwa in Nürnberg und Bamberg.
Würzburgs ältestes Gesindegesetz ist eine Verordnung
vom 26. Oktober 1593, die in einer späteren Gesinde-
ordnung (von 1744) einleitungsweise zitiert wird. Über
den Inhalt des alten Gesetzes war nichts festzustellen.
Ebenso ist es mit einer 1652 genannten Taxordnung von
1643. Erhalten ist dagegen eine Taxordnung aus dem
Jahre 1644*) (die auf den Kreisschluß von 1643 zurück-
geht). Die auch schon erwähnten Verhandlungen mit
Bamberg führten zu einem Ausschreiben an die Amt-
männer imd Vögte vom' 24. Juli 1652'), wonach die aus
Bamberg (und wohl auch aus den andern nicht genannten
Vertragsländern) aufs würzburgische Gebiet übergetretenen
Dienstboten ausgeliefert werden sollten. Einige Tage zu-
vor, am 17. Juli 1652 war eine Taxordnung ergangen*);
sie bringt auch mehrere Verhaltensmaßregeln mit Straf-
drohungen. Die schon angeführte Dienstbotenordnung des
fränkischen Kreises von 1654 galt auch in Würzburg s);
eine Taxe ist nicht darin enthalten. Eine Wiederholung der
1652 er Taxordnimg vom 22. Juni 1696 läßt gleichfalls
gerade die Taxe des Gesindelohns (und einiger wichtiger
>) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6d91. - *) Kr. A.
Würzburg V. 9561. - ») Kr. A. WOrzburg. Miscell. 4972. — *) Kr.
A. WQrzburg. V 9561. — ») Wirzb. Landesverordnungen I S. 248.
- 209 -
Handwerkspreise) Yieannissen *). 1698 und 1723 wurden
vergebliche Versuche gemiacht, ein neues Gesindegesetz
zustande zu bringen *) ; aus 1723 sind drei nicht allzu be-
deutimgsviolle Gutachten über einen nicht erhaltenen Ent-
wurf erhalten. Erst am! 22. September 1749 kam wirklich
eine Gesindeordnung zustande^), die von dem! allgemein
Bräuchlichen der Zeit wenig abweicht. Zur Verbesserung
der Gesindeordnimg samimielte man seit 1791 Material^
teilweise durch ein Preisausschreiben; Änderungen er-
folgten nicht*). Bald darauf versuchten Erfurt (1798 bis
1802) und Aschaffenburg (seit 1804), Bestandteile des
Fürstentums Würziburg, selbständig Gesinderecht neuzu-
schaffen *). Erfurt kam über ein allzu umfangreiches Pro-
jekt nicht hinaus ; Aschaffenburg erhielt auf neuen Grund-
lagen 1811 eine großherzoglich frankfurtische Gesinde-
Ordnung •).
Weiter gehört Bamberg hierher. Das alte große
Stadtrecht ') enthält ein besonderes Kapitel vom' Gesinde,
das vornehmlich über des Vertrages Abschluß und Lösung
handelt In einer Verordmmg Bischof Weygands vom
3. Dezember 1533*) bjefinden sich außer andern Vor-
schriftai auch solche wider den Vertragsbruch und das
Abwendignuachen. Dies wurde 1542 und 1566 wieder-
holt*). Eine Menge in dem zitierten Aktenstück enthal-
tener Taglohntaxen des 16. Jhdts. führen schließlich zu
der großen Tax- und Gesindeordnung vom 12. Juü 1652 *®),
die den Anregungen des bamiberger Kreistages von 1651 ^*)
uiKi der gleich ta erwähnenden branidenburg-bayreuther
») Kr. A. Würzburg V. «661. — •) Kr. A. Würzburg. Samm-
l«ig Kurf. Mainz. Verord. 8. Teü Nr. «66. — V. 2616. — •) Würzb.
UndesverordDungen II S. 689. — *) Kr. A. Würzburg. V. 9Xm. —
•) Kr. A. Worzburg. V. 8616. — •) Oben S. 147. — ') Zöpfl, Das alte
B>inberger Recht als Quelle der Carolina, Urkundenbuch, bes. S. 109.
— •) Kr. A. Bamberg. Bamberger Verordnungen Rep. 141. Nr. 69. —
*) Ebenda.*— **) Ebenda; eine femer dort vorhandene Gesindetaze»
^>ndatiertf kann im 16. Jhdt noch entstanden sein. — ") Oben S. 207.
Köimecke. 14
- 210 —
Gesindeordnung vom 31. Januar 1652 im allerweitestea
Umfange nachgibt; was über Gesinde überhaupt be-
stimmt werden kann, wird hier auch beinahe bestimmt,
insbesondere wird auch das Recht der Vormiete gegen
die Untertanenkinder statuiert. Nun schweig^i die Quellen
über hundert Jahre. Erst 1760 kommt wieder einmal ein
Dekret wider das Ledigsitzen ^). Das bambergische Land-
recht von 1790*) hat nxu- eine Bestimmxmg über das
Dienen der Kinder bei den Eltern, unter zivilrechtlichem
Gesichtspimkte behandelt. 1790 schließlich setzt großzügig
die Arbeit zur Einrichtung eines Krankeninstituts für
Dienstboten ein*), das noch in der Gegenwart mit Er-
folg weiterarbeitet.
Dem Alter nach steht das Recht Nürnbergs der
bamberger Entwicklung nicht nach. Die ältesten Ver-
ordnungen stammen auch hier schon aus dem 14. Jhdt. ^) ;
darin wird das Abwendigmachen des Gesindes behandelt.
Ausgebildet wurde dies Recht in ausführlicher Weise
durch Statuten des 15. Jhdts. *). 1478 erging weiter
ein Gebot, daß die Bettelkinder zum Dienen gebracht
werden sollen*). Die ersten Zusammenfassungen des Ge-
sinderechtes geschahen 1521 und 1525 '). Wichtig ist so-
dann die Verordnung vom 7. August 1579 ®), die das Ge-
sinderecht früherer Mandate vereint und erweitert. Noch
weit ausführlicher geschieht das durch ein Mandat von
1628 *), welches das Recht seiner Zeit gibt, aber auf eine
ausdrückliche Tarifienmg des Lohnes verzichtet. Dies
*) Kr. A. Bamberg a. a. O. — ') v. Weber, Statutarrcchtc I
S, IfF, bes. 64. — •) Ebenda; Sippel, Das bam berger Dienstboten-
Institut, in der Festschrift zum lOOjfthrigen Jubiläum des allgemeinen
Krankenhauses zu Bamberg 1889. — ^) Siebenkees, Beyträge zum
teutschen Rechte II S. 209 flf., bes. 228. - ») Baader, NOmbergcr
Polizeiordnungen aus dem 13. bis 15. Jhdt. (Bibliothek des Litterarischen
Vereins Stuttgart Bd. 68) S. 28. — •) Ebenda S. 816. — ^) Karoann
a. a. O. S. 68. — •) Kr. A. Nürnberg. Bestand A. Akten Nr. 24 S. I
L. 566. - •) Ebenda.
— 211 —
wird 1653 eingeholt*); Nürnberg war von andern Lohn-
taxen her schon aus dem: 15. Jhdt. diese Art der Regelung
gewöhnt*). Eine große Gesindeordnung erschien im 18.
Jhdt.; sie stamtot vom 21. April 1741 und enthält auf-
fälügerweise noch eine Lohntaxe*). Mehrmlals wurden
schließlich Maßnahmen getroffen, um ländliche Dienst-
boten zur Arbeit anzuhalten; insbesondere scheint eine
Verordnung vom' 15. Dezemlber 1775 wichtig zu sein*).
Die benachbarten brandenburgischen Gebiets-
teile erfuhren 1626 die Einführung des .Gesindezwangs
dienstes nach östlichem Muster*); die fürstl. Resolution
auf die Beschwerden der voigtländischen Ritterschaft
spricht weiter noch von Abspenstigmiachen und Zeug-
nissen, wofür auf Reichsabschied und Reichspolizei-
ordnung hingewiesen wird. Eine 1643 erlassene, aber nicht
beobachtete Taxordnimg wird in der fürstl. Resolution
vx)m 22. Juni 1657®) unter § 45 zitiert; verschiedenen,
dem Gesinde ungünstigen Regelungen des Kündigungs-
rechts sowie der Einschärfung der Vorschriften über das
Abwendigmächen stimmt der Fürst hier px. Vorher schon,
1644, war nochmals eine auch das Gesinde imifassende
Taxordnung entstanden'), xmd am 28. November 1639®)
hatte die fürstl. Resolution die Zurückfühnmg Vertrags-
brüchiger Dienstboten gutgeheißen und weiter aufgefor-
dert, ein Mittel zu ersinnen, „wie die großen Löhne der
Dienstboten möchten moderirt und ihre Widersezlichkeit
und eigoier Will gebrochen, die umschweifigen Schub-
kamer zu Hausssässigen Wesen und bestendiger üienst-
barkeit gehalten werden könnten". Und am 31. Januar
1652 war eine neu revidierte Taxordnung für des Fürsten
>) Kamann a. a. O« S. 100. — ') Ebenda S. d5. -- ') Ebenda
S. 68, 108; Dorn S. 183. - *) Kamann a. a. O. S. 87. - ») Kr. A.
Bamberg. Collectanca Rep. 187 h nr. 1. - •) Ebenda. — ^ Corpus
Constitutionuni Brandenburgico-Culmbacensium. II 1 S. 1192. —
') Kr. A. Bamberg. CoUectanea Rep. 187^. nr. 1.
— 212 —
Christian, Markgraf von Brandenburg usw. Fürstentum
ins Land gegangen ^). Sie ist eng verwandt mit der oben
genannten Bamberger Tax* und Gesindeordnimg von 1652;
auch das Recht der Vormiete erfährt hier wieder seine
Regelung*). Der Rezeß viotri 8. Juni 1662*) verweist auf
die Polizeiordnung imd den Rezeß von 1626 und die Tax-
ordnung von 1643; eine Neuregelung wird ang-ekündigt.
Dies Versprechen wird in der Polizeiordnun^ von 1672
eingelöst *), Dienstantritt, Kündigung, Vertragsbruch usw.
werden behandelt. Für die Lohnhöhe wird auf „Unsere
Tax-Ordnimg" (wohl die von 1643) verwiesen. Aus dem
folgenden Jahrhundert sind die hauptsächlich«! Zeugnisse
für eine Weiterbildung des Gesinderechts ein Reskript
über Judengesinde vom 12. JuH 1715*) tmd ein Reskript
vom' 19. Oktober 1731*), das die Beamt^i auffordert,
den Dienstherrschaften hilfreich zu sein gegtn ihre Dienst-
boten, das auch noch besonders die „Erlas-Scheine** zur
Mietung vorschreibt. Am' 14. April 1745 erging eine Ver-
ordnung ^), die wie auch anderswo um' die Mitte des Jahr-
hunderts das Gesindestrafrecht ganz besonders streng
regelt. Und am 1. September 1746 vmrde noch eirunal
— eine Seltenheit für diese späte Zeit — eine Polizeiord-
nung verfaßt®), die die bekannten Bestimmungen ver-
hältnismäßig vollständig bringt, für die Lohnhöhe jedoch
auf jedes Ortes Herkomlmön verweist. Bei weiten' das
bedeutendste Gesetizjgebungswerk, das im' Brandenburgi-
schen des Gesindes wegen geschaffen wurde, ist die am
10. Juli 1769 von Ansbach aus erlassene große Gesinde-
') Kr. A« Amberg. Zugang 6 Fasz. 24 N. S12. Akte der pfalz-
sulzbachschen Kanzlei der Ehehalten Lohn betr. 165S/5. — *) Die arti
Eingang der Ordnung zitierten Ordnungen von 1622, 1628 und 1^
sind nicht bekannt. — •) Kr. A. Bamberg. CoUectanea Rep. lö^i
nr. 1. — *) Corp. Const. Brand. - Culmb. 11 1 S. 656 ff., bes. 694. —
») v. Weber, Statutarrechte I S. 1046. - •) Corp. Const Brand.-
Culmb. n 1 S. 990. — ") Ebenda S. 998. - «) Ebenda S. 675.
- 213 —
Ordnung^), die unübersehbar ausgedehnte Regeln über
den Gesindevtertrag bringt.
Kurz angeführt sei hier die Ritterordnung, die Kaiser
Ferdinand IIL für die Ritter der „Sechs Ort in
F r a n c k e n" gab *) ; sie enthält mancherlei, was für das
Recht des Hausgesindes wichtig ist.
Eine große Zahl kleiner Orte in Bayern erhielten
oder schufen sich ein besonderes, freilich gewöhnlich nicht
allzu bedeutsames Recht. In Unterfranken beispielsweise
Hof he im', wo ein Weistum mit einer Erwähnung des
Hausgenossengesindes entstand^). Femer erging in dem
Würzburg zxmächst liegenden Markt Einersheim 1626
eine Polizeiordnung*) mit Bestimmtingen über Vertrags-
bruch, Abspenstign^chen, Neumietung ohne Wissen des
vorigen Dienstherrn. Das Ehhaftrecht der Vogtei H ahn-
bach in der Oberpfalz vom; 27. Juli 1559^) traf ähnliche
Bestimmungen. Nur wenige, wenig bedeutsame Rechts-
sätze über das Gesindewesen enthält das alte Willküren-
buch von Rothenburg ob der Tauber^); trotz der
frühen Zeit (13. imd 14. Jhdt.) sind aber alle die Vor-
schriften polizeilicher Art. Ausgebildete Polizeikunst läßt
die (undatierte) Polizeiordnung Dinkelsbühls ^) er-
kennen. In Nördlingen erließ der Rat am 26. Mai
1564 eine Deklaration wegen der Stellung des Lidlohnes
im Konkurse ®). Vom Judengesinde handelt die vom Für-
sten zu öttingen von Wallerstein aus 1779 erlassene
Judenordnung *).
»^rKr-'A. Nürnberg. S. 23 ^ Nr. 779 Repert. 283. — •) Des
Heil. Rom. Reichs ohnmittelbahrer Freyer Ritterschafft Der Sechs
Ort in Francken, Erneuerte, vermehrte und Confirmirte Ordnungen . . .
Nürnberg (Bleuel) 1710. - •) Grimm, WeistOraer VI S. 94flf., bes.
96. - *) V. Weber, Statutarrechte II S. 1101 ff., bes. 1104. — •) von
Fink, Die geöffneten Archive für die Geschichte des Kgrs. Bayern,
1. Jahrg. S. 361 ff., bes. 868. — ^)Bensen, Historische Untersuchungen
über die ehemalige Reichsstadt Rotenburg S. 486 ff. — ') v. Weber,
Statutarrechte II S. 1016. — •) Habeische Sammlung (Götze IV 11).
- •) von Fink a. a. O. 2. Jahrg. S. 271 ff., bes. 287.
— 214 —
Über die Maßen ausgearbeitet ist das Gesinderecht
in der 1707 erlassenen Polizeiordnung für das Bistum
Eichstätt^); kaum ein Gedanke fehlt, soweit jene Zeit
ihn erfaßt hatte. Nebenher erwähnt sei aus Eichstätt noch
ein 1677 entworfenes Projekt ru einer Schuldenordnung*);
die Vorzugsstellung des Lidlohns wird da mit gelehrten
Gründen dargelegt. In Regensburg erging im 14. Jhdt.
zuerst Gesinderecht. Statuten aus dieser Zeit*) brachten
neben Bestim!mimgen über die Haftung des Herrn ein
Veiljot des Vertragsbruches fürs Gesinde und die Ge-
stattung der sofortigen Vertragslösung durch die Herr-
schaft. Das Verbot der christlichen Judenmägde wurde
im 15. Jhdt. ausgesprochen*). Die Gesindeordnung vom
21. Januar 1656*) bildete das Gesinderecht zu weiterer
Vollkomimenheit im polizeilichen Machtgeiste.
Uraltes Lohn- und Züchtigungsrecht steht in einem
passauer Rechtsbriefe von 1300*); weiter handelt er
von gerichtlicher Behandlung eines Knechtes. Das Recht
Landshuts beginnt mit einigen Erwähnimgen der
Mägde in Kleiderordnungen von 1361 imd 1400^). 1408,
am 13. Oktober, erging ein Statut, das von Nichtantritt
des Dienstes handelt ®). Gegen Ende des 18. Jhdts. wurden
die Amtspflichten des Spitalmeisters rum heiligen Geiste
aufgezeichnet*); mehrere Vorschriften für die Spital-
dienstboten kom'men darin vor. Eine Besteuerung des
Gesindes zu Gunsten eines Krankenhauses geschah seit
1738 10).
*) Habeische Sammlung (Götze IV 13). — •) Ebenda. — ») v.
Frey berg, Sammlung historischer Schriften und Urkunden V S. 7 ff.f
bes. 60; 109 ff., bes. 111. — - *) Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns
Heft 3, 1892: Gengier, Die Quellen des Stadtrechts von Regens-
bui^ S. 118. — ») V.Weber, Statutarrechte V S.86. - •) Erhard,
Geschichte der Stadt Passau I S.106ff., bes. 108, 110, 111; Gengier,
Stftdtrechte S. 848ff., bes. 851. — ^)Staudenraus, Chronik der
Stadt Landshut I S. 108, 102. - •) Ebenda S. 107. — •) Ebenda IH
S. 208. - «•) Ebenda S. 148.
— 215 —
Das Kloster Thierhaupten in der Gegend von
Augsburg schuf sich in der Zeit von 1475 bis 1568 eine
Ehaltenordnung ^), die für den Betrieb des Klosters be-
rechnet war. Augsburgs Gesinderecht wurde in dem
Stadtrecht von 1276*) geregelt, unvergleichlich an Tiefe.
Auch spätere Zusätze') sind nun Teil bedeutend. Sonst
ließen sich für Augsburg nur noch die bischöflichen Ar-
men- und Bettelordnungen vom; 5. November 1720 und
1749 *) feststellen, in denen die Unterbringung armer Leute
bei Dienstherrschaften angeordnet wird.
Zuerst im Rechtsbuche von 1396*), danach in einer
noch 1772 geltenden, „nicht eben alten" Zuchtordnung*)
wurden für Memmingen einige Kapitel des Gesinde-
rechtes geregelt. Nur eine Mahnung zum Kirchgang des
Gesindes steht in den „neuerer Zeiten** gesetzten Statuten
Kaufbeurens^). Vom beiderseitigen Vertragsbruche
handeln die Statuten der Stadt Rons bürg von 1517^).
In den 1749 erneuerten Statuten für Kempten*) steht nur
eine Anordnung über die Verleihimg des Bürgerrechtes
an Dienstboten. Nur über den Vertragsbruch trafen die
Statuten von Rothenbuch (Reitenbuch) 1676 ^ö) Be-
stimmung, während das undatierte Recht des Klosters
Ursberg**) femer noch einige Vorschriften zu gunsten
des Gesindes enthält. Das Recht des St. Clarenklosters
zu München aus dem 16. Jhdt. **) fügt sich hier an.
Aus den Bergen seien schließlich noch das Recht
Oberzells von 1676**) mit Bestimmungen über den
") Grimm, WeistOmcr VI S. 199. — •) Chr. Meyer, Das
Stadtbuch von Augsburg; Walch, Beytrfige IV S.lff. — •) Meyer
a.a.O. S. 78, 74. — *) Bisle, Die öffentliche Armenpflege der
Reichsstadt Augsburg S. 146. ~ *)v. Freyberg, Sammlung bist.
Schriften u. Urt V S. 289ff., bes. 282, 292, 812. - •) Walch, Bey-
Wgc II S. 27Bff., bes. 298, 804, 829. - ') Ebenda III S. 298 ff., bes.
*».«•) V. Weber, Statutarrechte IV S.318. - •) Ebenda S. 708.
-^ Ebenda & 888 ff., bes. 884. — ") Ebenda S. 882. - ») Grimm,
Wcistftmcr VI S. 179 ff. ~- ») v. Weber a. a. O. S. 287.
- 216 —
Vertragsbruch und die Stadtordnung für Traunstein
Von 1375 *) genannt ; diese enthält als wichtigste Gesinde-
rechtssätze BestimlmUngien über das Abspenstigmachen und
die Haftung bei Schadenfeuer. Das große Landrecht des
Gerichtes Raschenberg von 1671*) vernachlässigt das
Gesinderecht ; nur an einer Stelle findet sich die Verpflich-
tung der Herrschaft zur Vertragsleistung verzeichnet. Ein
Recht der „Hof mark zu T." von 1554*) mag an dieser
Stelle seinen Platz finden.
Eine wichtige Gruppe für sich bilden die aufs engste
mit dem Schwabenspiegel verwandten Systeme: Rup-
rechts Stadt- (1328) und Landrechtsbuch*), Kaiser
Ludwigs Rechtsbuch von 1346*), das münchener
Stadtrecht von 1347*) und das freisinger Stadtrecht
von 1359 '). Es hat keinen Zweek, hier den Inhalt dieser
Rechte aufzuzählen. Die Bestimmungen entstammen zum
Teil dem Sachsenspiegel; wichtige Rechtssätze sind selb-
ständig gebildet und geben bisweilen hochbedeutsamie Ein-
blicke in die Anschauungen der Zeit vom Gesindover-
hältnis.
Die Gesetzgebung im Lande Altbayern baute zu-
nächst nicht auf diesen Grundlagen auf. Die ersten
Äußerimgen der Staatsgewalt sind polizeilicher Natur.
1488 wurden die Landgerichte beauftragt, unbeschäftigten
Dienstboten den Aufenthalt zu versagen ^), Auf dem' Land-
^)Westenrieder, Glossarium Germanico-Latinum I S. XXQI ff.i
bes. XXIV, XXIX, XXX, XXXI. — «) Grimm, WcistOmer VI S.
151fr., bes. 167. - ») Ebenda IH S. 689 ff., bes. 643. — *) Maurer,
Das Stadt- und das Landrechtsbuch Ruprechts von Freysing S. 64,
140, 156, 189, 829flF. — ») v. Fre yberg, Sammlung bist. Schriften
u. Urk. IV S. 883 fif., bes. 402, 425, 426, 489, 440, 478; Rockinger,
mQnchener Sitz.-Ber. 1878 S. 899 ff. — «) Au er. Das Stadtrecht von
München S. 27, 88, 58 fl., 80fr., 182, 274. — ^ v. Freyberg a.a.O.
V S. 162ff., bes. 168, 183, 184, 219, 220, 235. - •) Piatzer, Ge-
schichte der l&ndlichen Arbeitsverhältnisse in Bayern (Altbayrische
Forschungen 11, III) S. 67.
~ 217 —
tage zu Landshut beschwerten sich gleichzeitig^ die Stände
über den Gesindelohn ; es wurde ihnen eine Lohnordnung:
verheißen^). Doch kam es mnächst nicht dazu, auch
nicht, als 1497 die Stände einen positiven Taxvorschlag
machten '). Eine Kleiderordnung von 1500 ^) erwähnt auch
des Gesindes. In größerem Zusammenhange erging dann
1500 eine Polizeiordnung ^), die auch Anordniuigen über
Dienstboten brachte, nämlich ein Gebot, daß arbeits-
fähige Leute dienen sollen, sowie Strafbestünmungen wider
den Vertragsbruch. So wurde das Recht auch ii^ die
Landesordnung von 1501*) übernommen. 1607, 1508,
1514 und 1515^) stand die Gesindefrage, Vertragsbruch,
Lohnhöhe und Beschaffung des Menschenmaterials, auf
den Landta>?en wieder zur Verhandlung. Es kam in der
Landesordnung von 1516 (Landpot)') zu einer Regelung
vieler Einzelpunkte aus dem Dienstbotenwesen, vorwie-
gend polizeilicher Art. Zum ersten Mal wird auch das
Vonpieterecht auf den herzoglichen Hofbäuen gestattet ®).
Die Reformation des Landrechtes von 1518*) übernahm
die Bestimimungen des Rechtsbuches von 1346. Mit eini-
gen Zusätzen wurde das Recht von 1516 in der Landesord-
nung von 1553*^) wiederholt. Die wichtigste Weiterbil-
dung gegenüber 1516 ist die Einführung des Vormiete-
rechts auch zu gunsten anderer privater Herrschaften*^).
Emschärfungen mid Bestätigungen erfolgten 1554 imd
1557**). Kleinere Zwischenereignisse leiten zu Maximi-
lians I. großefni Landrecht von 1616**) über. Hier erfährt
das Recht von 1553 eine außerordentlich bedeutende Neu-
bearbeitung. Diesmal wird der Lohn nicht tarifiert, was
^) Krenner, Bayrische Landtagshandlungen XII S. 280. —
') Ebenda Xffl S. 1 ff., bes. 30. — ») P 1 a tz e r S. 52. — *) Ebenda S. 76.
- •) Ebenda S. 78; Krcnner a. a. O. XIII S. 261 ff., bes. 301. -
•) Platz er S. 80, 86, 87. — ^ Ebenda S. 88. — •) Ebenda S. 6. -
•) Ebenda S. 96. — ") Ebenda S. 97. — ") Ebenda S. 7. — ") Ebenda
S. 101, 108. — ") Ebenda S. 107.
218
als eine der auffallenderen Besonderheiten des Land-
rechtes hier vermerkt sei. 1637 *) dag0gen griff man auch
in die Lohnbildung ein und verbot die Naturaliengewöh-
nimg, und 1638 wurden zwei Lohntaxen ') erlassen, deren
eine durch Hinzufügung mehrerer weiterer Bestimmungen
fast schon als Gesindeordnung erscheint. Als Knlturku-
riosa des südlichen Katholizismus mögen 'zwei Erlasse von
1628 imd 1652 wider das Luthertum der Dienstherrschaf-
ten *) Erwähnung finden. Die Aufsicht auf sittliches Ver-
halten des Gesindes wurde den Herrschaften am 20. Sep-
tember 1635 *) ernstlich eingeschärft. Verschiedene Male,
1640, 1642, 1651 gingen Ermahnungen zur Befolgung des
Gesetzes von 1638 ins Land*).
In die folgende Zeit fallen mehrere für einzelne Lan-
desteile (Rentämter) bestimmte, selbständige Gesindeord-
nungen, selbständig insofern, als sie von dem Zusammen-
hange der großen Landesordnungen losgelöst sind; unter
einander hängen sie alle zusammen mit Ausnahme viel-
leicht einer „Ordnung der Tagwerchen, Ehehalten, unnd
annderen bey der Curfrl. Statt \md Lanndt Gericht Frid-
berg von Georgi biss MichaeH 1651** •). 1652 erging eine
Gesindeordnung für Landshut '), 1654 für München «), 1656
für Burghausen ^), 1660 für München ^ö). In demselben
Jahr, 1660, wurden weiter Taxen des Gesindelohnes für
die Rentämter Landshut und Burghausen**) geschaffen,
weiter nochmals 1666 "), stets zusammen mit andern poli-
^) v. Freyberg, Pragmatische Geschichte der bayerischen Ge-
setzgebung II S. 185. - ») R. A. München. Gen. Samml. Rep. S. 9
Nr. 5; v. Freyberg a. a. O. S. 187; Platzer a. a. O. S. IIT, 118.
— •) Ebenda S. 116. — *) R. A. München. Gen. Samml. Rep. S. 9
Nr. 4 Bd. 8. — *) Platzer S. 119, 121; v. Freyberg S. 190. -
*) Kr. A. Neuburg, ad H. &887. Augsburg Hochstift ad Generalia
XI Nr. 2; Friedberg liegt OSO. von Augsburg. — ') R. A. München.
Gen. Samml. Rep. S. 9 Nr. 5. — •) Ebenda. — •) Kr. A. München.
G. R. Fasz. 402 Nr. 1. — ^«) Ebenda ; Churbaiertsches InteUigenzblatt
28. Sept. 1776 Nr. 88. — ") v. Freyberg a. a. O. S. 190, 191. -
"») Ebenda S. 191.
219
zeirechtlichen Vorschriften. 1669 mußte auf Wunsch eine
Einschärfung des Gesinderechts erfolgen ^). Als wichtigste
Ereignisse des späteren 17. Jhdts. seien dann noch ein
Verix)t wider das Dienen im* Auslande vom 5. Dezember
1681*) und die auch für das Gesindewesen wichtige Ein-
richtung des mtinchener Zuchthauses angeführt, die am
4. Juni 1682 erfolgte«).
Auch das 18. Jhdt. beherrschen mehrere bedeutende
Gesindeordnungen, von denen einige nur für Provinzen
bestimmt waren*). Unter fast wörtlicher Übernahme der
Bestimmimgen von 1660 schuf man in Burghausen 1746
eine Ehehaltenordnung^). 1753 begannen die Vorarbeiten
für neue Gesetze«). Sie ergingen 1755^) und 1761^). Alle
diese stellt die gemeinsame Gesindeordnung aus dem
Jahre 1781 •) in Schatten. Mit einer seltenen Fülle von
Einzelvorschriften regelt sie alles, woran ein guter Ge-
setzgeber der Zeit nur denken konnte. Unter den Vor-
arbeiten ru dieser Ordmmg befindet sich ein absonder-
liches Gutachten eines AjMMiymtis B. W. ^°), der in unab-
sichtlicher und auch wohl gewollter Spaßhaftigkeit mit
gelehrten Erörterungen und Vergleichen aufwartet ; leider
fehlt der Platz, um auch mir die bezeichnendsten Klagen
des Anonymus über die Ehehalten, diese „lause im pelz**,
anführen ru können. Daß er Einfluß auf die Gestaltung
der Ordnung von 1781 gehabt hätte, läßt sich nicht be-
haupten. Ob späterhin aus einem Entwürfe französischen
Geistes vom Jahre 1812^*) etwas geworden ist, läßt sich
*) Platzer a. a. O. S. 129. — ') R. A. München. Gen. Samml.
Rcp. S. 9 Nr. 6. — •) Ebenda. — *) Die pßdzischen Ordnungen werden
onten im Zusammenbange der Entwicklung in den pfälzischen Lflndem
genannt werden. — ») Kr. A. München. G. R. Fasz. 402 Nr. 9. —
•) Ebenda. — ») Churb. Intelligenzblatt vom 5. Oktober 1776 Nr. 89.
- •! Kr. A. München. G. R. Fasz. 404 Nr. 7. — •) Kr. A. München.
A. R. Fasz. 459 Nr. 209. — '•) Kr. A. München. G. R. Fasz. 402
Nr. 9. - ") Kr. A. München. G. R. Fasz. 404 Nr. 11.
— 220 —
nicht feststellen. Was während des 18. und 19. Jhdts.
sonst noch an Einzelerlassen über das Gesindewesen er-
ging, verschwindet meist neben den großen £hehalten-
ordnungen. Nur die Einführung des absoluten, strengen
Zwangsdienstes durch den Codex Maximilianeus 1756^)
ist ein Ereignis, dem in der bayrischen Gesindegeschichte
kaum eins an Bedeutsamkeit gleichsteht. 1801 und völlig
1808 erfolgte die Aufhebimg der Last^).
Es bleiben noch die pfälzischen Länder. Die von
Amberg aus geleitete Oberpfalz bekam eine Gesinde-
ordnung 1628'), eine „Provisionaltaxordnung** für das
Landgericht Parkstein und Weiden am' 30. Juni und
10. Juli 1652 sowie am 28. Dezember 1654^); in diesen
beiden stehen übereinstimmend außer einer Gesindelohn-
taxe verschiedene gesinderechtliche Bestimmungen. Ein
Patent der Regierung zu Amberg vom 27. April 1775^)
enthält Maßnahmen zur Bekämpfung des Müßigganges
und der Tanzlust der Dienstboten. Eine besondere Be-
arbeitung der großen Gesindeordnung von 1781 für die
Oberpfalz erschien am 21. August 1801*); die neue Aus-
gabe ist kürzer als das Vorbild und unterscheidet sich
von diesem vornehmlich darin, daß sie die vielen Bos-
heiten des Gesindes außer durch polizeiliche Reglemen-
tienmg auch diu-ch beachtenswerte pädagogische Maß-
nahmen austreiben will.
Für das Gebiet des früheren Fürstentums Neu-
burg ließ sich nur eine Gesindeordnung nachweisen.
1790 erhielt Neuburg — wie später 1801 die Oberpfalz —
eine eigene Bearbeitung der bayerischen Gesindeordnung
") Platzer a. a. O. S. 7. — «) Ebenda S. 8, 9. — •) Ebenda
S. 128. — *) Kn A. Amberg. Zugang 6 Fasz. 24 N. 212, Akte der
pfalzsulzbachschen Kanzlei der Ehehalten Lohn betr. 1652/5. - ») Kr.
A. Amberg. Zugang 20 Fasz. 5 N. 126. — •) Kr. A. München. M.
A. Fasz. 1821 Nr. 1166; Kr. A. Amberg. Zugang 120 N. 176 fasz, 7.
— 221 --
von 1781 *) ; seit 1788 wurden die Vorarbeiten betrieben.
Die Ordnung hat nicht allzubedeutende Unterschiede von
der Gesindeordnung aus dem' Jahre 1781 auf ^weisen;
bemerkenswerte Neuerungen, wie später 1801 vorgenom-
men wurden, sind in der vor der Revolution entstandenen
neuburger Ordnimg nicht zti finden.
Nicht allzuviel ist von dem' früheren Rechte der zu der
beute bayrischen Pfalz links d'te's Rheins gehörenden Ge-
biete zu sagen. In der Strafordntmg der Stadt Speier von
1328 *) finden sich einige Stellen wenig bedejutender Art, wo
auch vom Gesinde gehandelt wird. Die Stadt Speier ierließ
weiter im 16. \md 17. Jhdt. eine ganze Anzahl Taxordnungen
für verschiedene Arbeitslöhne, aber vom' Geisinde ist nie die
Rede'). Auf Erfordern übersandte der Bürgermeister von
Neustadt eine Gesindeordnimg, datiert vom' 22. Dezeaonjyear
1640, die auch in L Lindau galt ; Taxen, Verhaltensregeln
und Kändigungsbestim!mungen sind darin enthalten. Wie
Speier sich dieser Anregung gegenüber verhalten hat,
bleibt idunkel. Im' Herzogtum Z weiibrücken scheinen.1700
und 1701 Versuche gemSacht worden zu sein, eine Gesinde-
ordnung zu schaffen. Zwei Entwürfe aus den beiden
Jahren sind vorhanden*); ob das Stück von 1701 mehr
als einen Entwurf darstellen soll oder ob später ein Gesetz
aus ihm geworden ist, läßt sich nicht ermitteln, erscheint
aber zweifelhaft. Zwei Reskripte wider den Vertragsbruch
fallen in das Jahr 1742 (28. Juni und 7. Juli) *). Unergiebige
Strebungen folgten von 1770 an; 1773 wurde ein Ver-
zicht auf Regelung des Gesindewesens ausdrücklich aus-
gesprochen ^). Kurz zuvor, am 22. Dezember 1772, liatte
') Kr. A. Manchen. M. A. Fasz. 1821 Nr. 1165. — *) Christophori
I-ehmanni Chronica der freyen Reichs Stadt Speyer, 8. Aufl., S«
»4«:, bes, 286, 288. — •) Archiv der Stadt Speier. Fasz. Nn 648 a,
^^ 548 c, 647. - *) Kreisarchiv Speier. Bestand Zweibrücken IlL
Rep. 24 Nr. 1845 >. Kirchenschaffnei-Archiv ZweibrQcken. Nr. 8852.
Fach 197. — ») Kr. A. Spcier. Bestand Zweibrücken HL Rep. 24
Nr. 1845b. Bl. 56. -~ •) Ebenda. Ferner Nr. 1845 c,
- 222 -
man sich darauf beschränkt, durch ein Reskript Prüfung
der Gesinde-Führungsatteste vormschreiben ^). Einige Er-
wähnungen des Gesindes in einem Weistum für Haß-
loch bei Neustadt von 1492*), in einem Gereidenspruche
von Maikammer und anderen zwischen Neustadt und
Edenkoben liegenden Dörfern aus dem Jahre 1577*),
einem Weistume von Gleißweiler bei Landau von
1568*) und in der Dorfordnung von Altenglan bei
Kusel aus den Jahren 1581 und 1630^) seien hier ange-
merkt.
Nach Baden leitet K u r p f a 1 z (Heidelberg) über. Das
älteste Stück, die „Christliche Policey Ordnung" vom
30. Juli 1565 *) gibt nur geringe Ausbeute. Mehr enthalten
die Hof Ordnung von 1578') und die vornehmlich für die
Stadt Heidelberg bestimmte Taxordnung vom 1. Januar
1579 ®), die wie gewöhnlich außer den Lohnbestimmungen
auch noch allgemeine Verhaltensvorschriften gibt. In lun-
fassender Weise fanden große Abschnitte des Gesinde-
rechts ihre Regelung in der kurpfälzischen Landesord-
nung von 1582®), mehr zivilrechtlich im erneuerten Land-
rechte von 1610^). Die Polizeiordnung von 1658^°) sieht
das Heil in einer demnächst abzuschließenden Vereinigung
mit Nachbarstaaten über die Gesindeschäden. Wie die er-
neuerte Polizeiordnung von 1684 ") ergibt, kam eine solche
Vereinbarung inzwischen nicht zustande; daher wtu-den
einige sachliche Zusätze zu dem) Text von 1658 hinzugefügt.
Früh geht man gegen die Koalition des Gesindes vor;
*) Kirchenschaffneiarchiv Zweibrücken Nr. 8360. Fach 197.
Kreisarchiv Speier. Bestand Zweibrücken III. Rep. 24 Nr. 18451
Blatt 56. - «) Grimm, WeistümerV S. 677 ff., bes. 580. — ») Ebenda
VI S. 415 ff., bes. 418. - *) Ebenda V S. 667 ff., bes. 670. - •) Maurer,
Geschichte der Dorfverfassung II S. 416 ff., bes. 419, 420. — •) Univ.-
Bibl. Marburg. — 0 Gen. L. A. Karlsruhe. Kopiar Nr. 508. — •) Ebenda;
Kr. A.Würzburg. V. 9661 ; Univ.Bibl. Marburg XVIH f B 1292 angcb.
— •) Univ.-Bibi. Marburg. — ") Ebenda. — ") Ebenda XVIII f B
1259b. - 11) Ebenda.
— 223 —
ob freilich die 1683 gemachten Versuche zu Ergebnissen
in der Gesetzgebimg geführt haben, ist ungewiß ^). Erst
am 19. Oktober 1731 wurde eine Gesindeordnimg ausge-
geben*); ohne des Lohnes zu gedenken, regelt sie einige
der gewöhnlich in dieser Zeit berücksichtigten Rechts-
fragen, vornehmlich Kriminalrecht. Unveränderte Neu-
drucke erscheinen am 12. März 1755, 8. Mai 1767 und
30. Januar 1771^). 1780 gab die Regierung Nachbar-
staaten Anregung, die Ziehzeit von Weihnachten auf Mar-
tini zu verlegen *). Mit welchem' Erfolge für das Land, er-
geben die Akten nicht; in Baden wurde der Vorschlag
abgelehnt.
Ehe zu dem sonstigen badischen Territorialrechte
übergegangen wird, muß die hochbedeutende Entwicklung
des älteren Gesinderechts der badischen Städte,
Dörfer und Klöster dargestellt werden.
Das früheste Recht entstand im südlichen Baden.
Freiburg erließ 1308 und 1324 zwei Polizeiverordnun-
den*), daß das Gesinde die Geschicke seines Herrn, der
.,hinnan varn" will, teilen muß. Ein freiburger Stadtrecht
von 1520 befindet sich in der Habeischen Sammlung®).
In dem Dingrodel von St. Trudbert zu Krotzingen
aus dem 15. Jhdt. ''), in „des gotzhuses von Witnowe
iWeitnau) recht" von 1344®), dem Dingrodel von St.
Peter bei Freiburg aus dem 15. Jhdt. ^), dem hiervon
abhängigen Rechte für U w i n g e n an der Fils *®), sowie
in der sehr instruktiven (xmdatierten) Gesindeordnung des
Klosters Königsbrück^^) stehen interne Vorschriften
*) Gen.L. A.Karlsruhe. Pfalz Generalia 5046. — *) Ebenda 5047.
- •) Gen. L. A. Karlsruhe. Provinz Niederrhein Gesindepolizei. Lit
B. Nr. 1. 1755-1809 (IV 2). - *) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden
Generalia 6891; oben S. 208. — ») Schreiber, Urkundenbuch der
Stadt Freiburg I S. 180, 251. — •) Über das spätere österreichische
Recht für Freiburg s, u. S- 229. - ») G r i m m , Weistümer VI S. 881 ffl,
bes. 885, - •) Ebenda I S. 810 ff., bes. 811. - •) Ebenda S. 846 ff.,
bes. 853. — »•) Ebenda S. 406 ff., bes. 408. — ") Zeitschrift f. d. Ge-
schichte d. Oberrheins I S. 179 ff.
— 224 —
für das zum Kloster oder zum Hofe gehörende Gesinde.
Reich ist das Recht Überling-ens. Insbesondere die
gesinderechtlichen Kapitel im zweiten Stadtrecht (um
1400) ^) stehen an Fülle und Reife der Gedanken keinem
gleichzeitigen Systeme nach. Die Gerichtsordnung des
Spitak in der dem 15. Jhdt. angehörenden Fassung -) sowie
in neuer Redakticxi von 1532 ') handelt „von lidlon", und
die in den Jahren 1558, 1503 bis 1572 jährlich veröffent-
lichte Ratsverordnung wegen des Lohnes*) bringt kon-
stante Lohntaxen. Eine nebensächliche Bestimmtmg ent-
hält sodann das 1566 erteilte Judenprivileg für Über-
lingen*). Villingens Dependenz Kürnach erhielt
früher Gesinderecht gesetzt als Villingen selber®), näm-
lich schon 1508'), später noch um' 1652®). Die „Gesündts-
ordnimg" für V i 1 1 i n g e n von 1668 •), enthalten in einer
Polizeiordnung, weist jedoch darauf hin, daß auch schon in
Villingen vor vergangenen Jahren eine Ordnung wegen
des Lohnes gemacht worden ist. Gegen die seitdem ein-
geschlichenen Mißbräuche wurden nun 1668 alle die Mittel
vorgeführt, mit denen man um jene Zeit die Übel des
Gesindewesens zu heilen wähnte. Um' 1710 erhielt auch
das von Villingen abhängige Brigachtal Vorschriften
wider die Frevel der Ehehalten ^®).
In dem' westlichen Gebiete Nordbadens ist die Zahl
der für die ältere Zeit anzuführenden Rechtsquellen groß,
der gesinderechtliche Inhalt aber kärglich, so daß eine
Aufzähltmg der Satzimgen teilweise genügt. Kurz vor
1752 schuf sich die Stadt Dur lach eine Taxordnung
0 Oberrheinische Stadtrechte II 2 S. 52 ff., bes. 70, 71, 74, 84,
111. — «) Grimm, WeistOmer V S. 218 ft, bes. 216. — •) Oberrbein.
Stadtrechte II 2 S. 862 ff., bes* 868. — «) Ebenda S. 457.- *) Moser,
Reichs-Stfttt Hand - Buch II S. 748. — <) Die in der villinger Zunft-
ordnimg Ende 16. Jhdts. (Oberrh* Sudtrechte II 1 S. 96) mehrfach
genannten eehalten bedeuten Handwerksgesinde. — ') Oberrheinische
Stadtrechte H 1 S. 109. - •) Ebenda S. 112, 115. ~ *) Ebenda S. 211
— ^•) Ebenda S. 118 ff., bes. 120.
— 225 -
für Löhne ^); ob auch das Gesinde darin berücksichtigt
ist, geht aus den wenigen darüber überlieferten Akten-
stücken nicht hervor. Am' 1. Juni 1752 wurde die Aus-
dehnung dieser Taxe auf die Stadt Karlsruhe ange-
ordnet*), am' 1. April 1775 folgte eine Erneuerung •). Ge-
ringen Wert hat das Gesinderecht in der Darstellung der
folgenden Quellen: Rechte des Stifts Odenheim in
Bruchsal von 1507 *), Statuten für Eppingen von 1566 *),
Satzung für Stadt und Stift S i ns h e i m von 1429 % Weis-
tum für Zuzenhausen von 1551 ^), Rechte zu N eckar-
steinach von 1537®), heidelberger Stadtordnung
von 1465 »), Ordnung für U d e n h e i m' von 1525 ^% Stadt-
ordnung für Wieinheim' von 1489"); über Ziistände
des Gesindewesens bei den Deutschherren in Weinheim
geben einige Einträge in deren Zinsbuche vcmi 1505 bis
1517*') Aufschluß. Viel wertvoller sind die gesinderecht-
lichen Bestimlmmgen in der Stadtordnung f ür W a 1 1 d ü r n
aus dem Jahre 1492*'). Für Walldürn, Amorbach und
Buchen ergingen 1653 \md am? 2. März 1654 von Kur-
mainz imd Würzburg aus gemeinschaftliche Taxordntm-
gen**) mit Festsetzungen auch über Gesindelöhne. Aus
Amor b ach sind femer einige Gesindestreitfragen be-
treffende Einträge in den Gerichtsbüchern des beginnen-
den 15. Jhdts. **), soWie das Recht von 1528 *^) anzuführen.
Weniger läßt sich dem: Recht Mergentheims aus dem
15. Jhdts. *^) entnehmen. Das adelsheimer Stadtrechts-
*) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6886. — *) Ebenda.
- •) Ebenda. — *) Oberrheinische Stadtrechte I S. 901 ff., bes. 906.
- •) Ebenda S. 816 ff., bes. 818, 819. — •) Ebenda S. 416 ff., bes. 419.
- 0 Ebenda S. 728 ff., bes. 782, 784. — •) Ebenda S. 877 ff., bes. 881,
^ — *) Ebenda S. 488ff, bes. 485, 487; ferneres Landesrecht
Heidelbergs und Oberhaupt der kurpfälzischen Orte oben S« 222 f. —
^ Ebenda S. 962 ff., bes. 971. — ") Ebenda S. 894 ff., bes. 897, 898.
- '•) Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 1 S. 191 ff. — ") Oberrhein*
Stadtrechtc I S. 248 ff., bes. 250 ff., 254, 259, 260. 271.— ") Habeische
Sammlung. — >») Ebenda (G ö t z e IV 16). — »•) Oberrheinische Stadt-
rechte I S 228 ff., bes. 281, 282. — ") Ebenda S. 187 ff., bes. 140
(gebihftuser Oberhot); 142 ff., bes. 145, 151.
Konnecke. 15
— 226 —
buch von 1527, neu 1596 ^), und schon vorher verschiedene
bedeutsame miltenberger Satzungen von 1379, 1422,
1440 — 1459*) bringen dagegen eine große Anzahl sehr
wichtiger gesinderechtiicher Sätze. Für Stadt und Amt
Miltenberg erging am 9. November 1623 eine Taxord-
nung') von Aschaffenburg aus.
Außer diesem gab es noch in folgenden Gebieten
des heutigen Baden*) ein besonderes territoriales oder
gemeinsames Gesinderecht. Die ältesten Bestimmungen
hat die durlachische Herrschaft Rotte In, die etwa 1630
bis 1640, ferner am 6. Dezember 1631 und am 28. April
1665 Taxordnungen erhielt*); die beiden jüngeren tari-
fieren den Gesindelohn im Gegensatz zu der zuerst ge-
nannten nicht mehr, da „khein gewissheit hierin zusetzen*'.
Für das Gesinderecht des Landes Baden älteren
Bestandes im übrigen stehen nur Quellen aus dem 18. Jhdt.
zur Verfügimg. Nur von Vertragsbruch und Untreue handelt
das Landrecht von 1710. Zwischen 1715 und 1717 wurde die
Tarif ierung der Tagelöhne angeordnet®), worauf 1718 der
Versuch gemacht wurde, durch Vereinigung mit Nachbar-
staaten auch eine Gesindetaxe festzusetzen ') ; doch scheint
infolge einer abschlägigen Antwort der markgräflich badi-
schen Rentkammer zu Rastatt und wegen Weiterungen,
die die Regierimg zu Speier machte, die Absicht nicht
verwirklicht worden zu sein. Zur Herbeischaffung ge-
^) Ebenda S. 648 f^, bes. 678 ff. ~ >) Ebenda S. 807 ff., bes. 810,
814 ff.; 820, 321; 828. - ») Habeische Sammlung. — *) Wenn auch
einige der angeHlhrten Orte — so Miltenberg, Amorbach — politisch
nicht zu Baden gehören, liegt doch keine Veranlassung vor, sie bloss
aus diesem Grunde aus dem Zusammenhange mit den verwandten
Rechtsgebieten zu nehmen. — •) Gen. L. A. Karlsruhe. Herrschaft
Rütteln. Fasz. 959, 961, 962. Ober Rötteln vgl. Krieger, Topo-
graphisches Wörterbuch des Grossh. Baden, 1898, S. 595 ff. — ") Ergibt
sich aus Gen. L. A. Karlsruhe, Baden Generalia 6887 und dem Cx-
tractus Durlacher Raths Protocolli vom 18. März 1717 in Baden
Generalia 6888. — ^) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6888.
- 227 -
nügender Dienstbotemnengen wurde am 7. August 1724
verfügt, daß Eltern ihre Kinder in Dienste geben sollen ^),
Bestrebungen zur Abstellung von Klagen über das
schlechte Gesinde, die 1747 in Gang kamen, blieben, wie
es scheint, erfolglos*). Aus Erhebungen über den Ge-
sindemangel gingen 1764 zwei merkwürdige Ausschrei-
ben an die Ämter hervor, worin die Vermehrung der Ge-
sindezahl (durch eifrigere Kinderzeugimg) befürwortet
wurde'). Am 9. Juli 1774 wurden scharfe Zeugnisvor-
schriften gegeben*). Eine Erweiterung des Edikts \x>n
1724 erfolgte am 13. Mai 1778*). 1780, unterm 4. De-
zember, veröffentlichte das Oberamt Durlach eine voll-
ständige Gesindeordnung'). Vorbildlich fürs ganze Land
wurde sie aber nicht. Man begnügte sich da einstweilen
mit kleinerem. So pflog man 1780 auf eine Anregung der
kurpfälzischen Regierung Erwägungen über die Verlegung
der Ziehzeit des Bauemgesindes von Weihnachten auf
Martini, kam aber zu dem* Schluß, daß solche Ände-
rung für das Land nicht passe '). 1788 gelangt der Hofrat
auf eine Beschwerde des Amtes Grävenstein zu dem Er-
gebnis, „dass ein Verboth . . . ausserhalb Landes zu dienen
einer Sclaverey ziemlich ähnlich werde**®). Mancherlei
Neues über Judengesinde wurde — unter Ablehnung weiter
reichender Wünsche der karlsruher Judenschaft — am"
28. August 1792 bestimmt •). Endlich sollte dann auch
die Erfüllung alter Pläne kommen. Nach zwölfjähriger,
immer wieder unterbrochener Vorarbeit konnte am 15.
April 1809 eine allgemeine Gesindeordnung ins Land ge-
') Gen. L. A. Karlsruhe Baden Generalia 6886. — *) Gen L. A.
Karlsruhe. Baden Generalia 6888. — ') Gen. L. A. Karlsruhe. Baden
Generalia 6891. - *) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6886
(1772i. Ebenda Generalia 6891. Ebenda Polizei-Sache 1197 (Zugang
1B99 Nr. 12). - *) Ebenda. — *) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Generalia
6991. - *) Ebenda; oben S. 206, 228. — *) Gen. L. A. Karlsruhe.
Baden Generalia 6886. - *) Gen L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6891.
16*
— 228 —
schickt werden*). Sie gehört in die Reihe der modernen,
unter französischer Bemutterung entstandenen Gesinde-
gesetze, deren Musterbeispiele die 1811 im Großherzogrtum
Frankfurt geschaffenen sind*).
Aus späterhin an Baden gefallenen Gebieten verdient
zunächst die Grafschaft Kletgau')) genannt zu werden.
Aus dem Jahre 1603 stammt eine Polizei- und Landes-
ordnung *), die, ohne den Lohn zu tarif ieren, gegen die von
ihrer Zeit empfundenen Mißverhältnisse im Gesindewesen
vorzugehen sucht imd dabei Kündigung, Vertragsbruch,
Abwendigmachen usw. berücksichtigt. Aus einer von den
Gräflich Sulzischen Räten ru Tiengen int Klet^au dem
Vogt der Herrschaft Gutenburg (Grafschaft Bonn-
dorf*)) am' 13. August 1652 mitgeteilten ausführlichen
Ehehaltenordnung ^) geht hervor, daß u. a. für die Herr-
schaft B e i s 1 i n g e n am 3. November 1651 und 4. August
1652 (?) Lohnordmmgen erlassen waren. Eine weitere
Taxordnung für die Herrschaft Bonndorf folgte am
18. November 1652^), für das frauen hauser Amt am
20. November 1652«). Die Herrschaft Gutenburg er-
hielt 1653 wieder eine Lohntaxe •), in der ferner die Miet-
zeit auf ein Jahr von Johannis an festgesetzt wurde. Der
Großprior des Johanniterordens erließ am 24. Januar
1620 von Heitersheim' aus eine Polizeiordnung ^®) ge*
wohnlicher Art, worin ein Eid der Dienstboten bei Dienst-
antritt sowie Maßnahmen wider den Gesindemangel ver-
ordnet wxu-den.
^) Gen. L. A. Karlsruhe. Provinz Niederrhein. Gesindepolizei.
Lit B Nr. 1. 1755-1809 (IV 2). Ebenda Baden Generalia 6391.
Ebenda Breysgau acta generalia 1574. Ebenda Generalia Polizei 1397.
— •) Oben S. U7ff. - ») Krieger, topogr. WB. S. 839ff: -
^) Habeische Sammlung. (Götze III 88). — *) Krieger a. a. 0.
S. 22, 790, 70. - •) Gen. L. A. Karlsruhe. CopiarbQcher Nr. 6921.
Ordnungen . . . der Herrschaft Guettenburg. — ^ Ebenda. — *) Ebenda.
— •) Ebenda. — *•) Habeische Sammlung.
— 229 —
In der rhein- und wildgräflichen Landesord-
nung von 1754^) komimit nur einmal eine zufällige Er-
wähnung des Gesindes vor. Aus ^enl Breisgau, der ja
unter Maria Theresia und Josef II. eine Zeit fruchtbarer
und tüchtiger Gesetzgebimgsarbeit durchlebte*), sei für
jene österreichische Zeit eine große Gesindeordnimg der
Stadt F r e i b u r g von 1782 *) angeführt. Sie enthält noch
ungeordnet nebeneinander Sätze der alten Polizeikunst
und Äußerimgen, die deutlich neue Einflüsse erkennen
lassen. Bei den Vorstudien zu der allgemeinen badischen
Gesindeordnung wurde auch diese freiburger Ordnung
1797 zu Rate gezogen.
Reichhaltig wie in Baden sind auch die Ortsrechte
im Schwäbischen. Am weitesten südlich von diesen
Rechtsgebieten liegt die Reichsabtei Ochsenhausen,
wo gegen 1695 Statuten mit Vorschriften über den Ver-
tragsbruch ergingen*). Biber ach erhielt in dem! Stadt-
recht von 1624 *) und in einer imdatierten Stadtgerichtsord-
nung ^) einige Satzimgen gesinderechtlichen Inhalts. 1651
folgte eine besondere Handwerker-, Ehehalten- und Tag-
werkerordnung ^). Ein wenig Gesinderecht enthalten die
Klosterordnung von Blaubeuren aus dem' Jahre 1558 ®)
und das dem 14. Jhdt. angehörende Stadtrecht für H o r b ®).
Auch in der Stuttgarter Stadtordnung von 1492*®)
kommen hier und da Erwähnungen des Gesindes vor,
•) Walch, B«ytrage V S, 2120., bes. 215. - «) E. Gothein,
Der Breisgau unter Bilaria Theresia und Josef II. (Neujahrsblätter
<Icr badischen historischen Kommission N. F. 10). — •) Gen. L, A.
Karlsruhe. Baden Generalia 6891; v. Weber, Statutarrechte IV
S. 1866 ff. — *) v. Weber, Sututorrechte IV S. 289 ff., bes. 292. -
•) Habeische Sammlung. — •) Ebenda. — ') Kr. A. Neuburg, ad H.
M87. Augsburg Hochstift ad Generalia XI Nr. 2. — *) Reyscher,
Sammlung altwUrttembergischer Statutar-Rechte S. 829. -- *) Schmid»
Geschichte der Pfalzgrafen von Tübingen, Urkundenbuch S. 247 ff.,
bes. 262, — *•) Sattler, Geschichte des Herzogthums Würtenberg
unter den Graven V Beil S. 86 fi., bes. 44, 51, 52, 59.
— 230 -
jedoch ohne daß Graf Eberhard der Ältere, der die Ord-
nung gegeben hat, die Grundsätze der k<Mnmenden Polizei-
zeit schon erfaßt hä|te. Gleiches gilt für ihre Zeit von
der Ordnung des Dorfes Ebersberg aus dem Jahre
1736^), den Satzungen des Fleckens Winzelhausen
aus 1593 *) und der 1599 entstandenen Stadt- und Gerichts-
ordnung Bönnigheims'). Wertvolle Rechtssätze über
Lohn und beiderseitigen Vertragsbruch weisen dagegen
die Rechtsgebräuche Botwars von 1552*) auf. Eine
Polizeiordnung für Schwäbisch-Hall von 1703 *) ent-
hält Bestinmnmgen über den Vertragsbruch des Gesindes.
Infolge dankenswerter Publikationsarbeit der Würt-
tembergischen Kommission für Landesgeschichte®) lassen
sich die östlicheren Dorfrechte in zusammenhängenderer
Reihe verfolgen^). Ein Vergleich „zwischen denen im
flecken Trochtelfingen sesshaf ten adelspersonen und
denen gemeindsleuthen" von 1655®) behandelt die Feld-
frevel des Gesindes der adeligen Herren. Auch ein Ge-
meindebrief von Oberschneidheim aus dem Jahre
1568 ®) regelt die Feldfrevel des Gesindes xmd die dadurch
entstehende Haftung des Herrn. Mit dem „landfarend
gesind*', dessen Beherbergung für länger als drei Tage
*)Reyscher, Statutarrcchte S. 186 flF., bes. 186, 142. — *) Ebenda
S. 492 flf., bes. 408. - ») Ebenda S. 447 ff., bes, 462 - *) Ebenda
S. 484 ff., bes. 488. - ») S i c k e 1 , Vertragsbruch S. 99. - •) WQrttcm-
bergische ländliche Rechtsquellen, hsg. von der K. WQrtt Kommission
fQr Landesgeschichte. 1. Band: Die östlichen schwäbischen Landes-
teile, bearb. von F. Wintterlin, 1910 (vgl. hierzu von Belows
Anzeige in der Vierteljahrsschrift f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
1911 S. 464). — Die folgende Darstellung schliesst sich der von
Wintterlin gewählten, durch die Gebietsherrschaften bestimmten
Reihenfolge an; natOrlich kann diese den strengsten Anforderungen
geographischer Ordnung nicht genügen. ~ ^) Auf das regelmässig in
all den vielen Dorfordnungen vorkommende, nicht sehr variierte
Hirtenrecht wird im Folgenden nicht jedesmal ausdrücklich ein-
gegangen; dieser allgemeine Hinweis mag genügen. — ■) Wintter-
lin a. a, O. S. 60 ff., bes. 61. - •) Ebenda S. 117 ff., bes. 118.
231
von der thannhauser Dorfordnung aus der Zeit um
1600*) verboten wird, ist wohl nicht nur das gewöhnliche
Gesinde gemeint; das Wort wird als „Gesindel" exten-
siver zu interpretieren sein. Diu'ch einen Landgerichts-
spruch von Zipplingen^) erhielt Hans der Fuchs 1319
für einen Hof das Recht, „Scheidhirtein** sich zu halten,
die nur seine Herde zu treiben hatten ; dies Privileg sollte
sogar dann bestehen, wenn Hans und seine Erben nicht
auf dem Hofe wohnteb, sondern nur Gesinde sich dort
aufhielt. Von Pfändung des Gesindes bei Übeltaten han-
delt die 1567 gebildete Polizeiordnung für Disc hin-
gen*). Die MüUerknechte sollen einen Treueid schwören
nach der Müllerordnung des Klosters Neresheim aus
dem 16. Jhdt. *). Gesinderechtliche Satzimgen nebensäch-
licher Art findet man in der für Elchingen imd meh-
rere andere Orte bestimmten Dorf Ordnung von 1766*).
Wieder einmial die Haftung des Herrn für Frevel-
strafen des Gesindes wird in der neunheinier Gemeinde-
ordnung von 1724*) festgesetzt. Die Gesindeordnungen
für Bühlerzell von 1617^) und für Bühlertonn von
1643*) sprechen des Gesindes Verpflichtung zur Mitfeier
emes angeordneten regelmäßigen Hagelfeiertages aus ; da-
neben enthalten sie noch einige Vorschriften gesinderecht-
lichen Inhalts, die hier ihrer Geringfügigkeit wegen nicht
genannt zu werden brauchen. Ein wenig über Kost der
herrschaftlichen Fronbauern und über des Gesindes Ar-
beitspflicht erfährt mian aus der 1546 aufgestellten Ord-
nung für den Hofbau zu Hohenalf ingen®). Nach
den Freiheiten und Gerechtigkeiten für Oberkochen
von 1535*®) mtiß Gesindeimtreue angezeigt werden; die
") Ebenda S. 148 flF., bes. 146. — •) Ebenda S. 170 f., bes. 171. -
") Ebenda S. 196 E, bes. 198. - *) Ebenda S. 289 flf., bes. 289, 240. —
•) Ebenda S. 241 ff., bes. 242, 246. - •) Ebenda S. 299. — ') Ebenda
^ 884ff., bes. 884, 885, 886. ^ •) Ebenda S. 804ff., bes. 820, 825,
»2, 888. — •) Ebenda S. 881, 882. — »•) Ebenda S. 407 ff., bes. 408, 409.
— 232 —
„Kunckelstuben" der Knechte und Mägde werden ver-
boten. Von der Strafe des fronpflichtigen Bauern, der zur
Fronarbeit einen ungeeigneten Dienstboten schickt, spricht
die Büß- und Frevelordnung für Wellstein und A b t s -
gern und aus dem Jahre 1573*).
Mehrere Verbote, so das der Auszehendimg *) durch
das Gesinde, der Verwendung fremden Gesindes zur Acker-
arbeit, knechtlicher Tätigkeit während der Sonntagsruhe
enthalten die dem Ende des 16. Jhdts. angehörenden Ge-
bote imd Verbote für Hohenstatt imd einige andere
Orte ^) ; neu ausgestaltet wurde der polizeilich-gesinderecht-
liche Inhalt dieser Gebote imd Verbote in einer späteren
Samtnlxmg lun 1700*); noch weiter geht die Polizeiord-
nung jener Orte von 1748^). Das Polizeiliche überwiegt
im Gesinderechte der Polizei- und Dorfordnung für Adel-
mannsfelden von 1680*): das Gesinde soll zum Kirch-
gange veranlaßt werden; die Schlafgemächer müssen für
Knechte und Mägde im Her renhause getrennt sein; das
nächtliche Auslaufen des Gesindes soll der Dienstherr
verbieten usw.; die Ordnung hat ferner einen besonderen
Abschnitt „von ehehalten, knecht imd mägden**, in dem
die Beeidigrung der Knechte und die Pflichtmahnung der
Mägde angeordnet wird. Nicht allzu wichtige Gesinde-
rechtssätze — teilweise in Verwandtschaft mit den bisher
angeführten Rechten — enthalten die Weilerordnung für
H im ml in gen von 1662'), die Gemeindeordnungen für
Essingen von 1554 und 1649®) sowie die Dorfordnung
ebenfalls für Essingen von etwa 1710*), femer die Dorf-
ordnimg für Lauter bürg um 1723^°), der Gemeinde-
*) Ebenda S. 428 ff., bes. 432. - •) Auswahl der Zehntfrucht. —
*) Ebenda S. 485 ff., bes. 4d6, 488, 489, 441. - «) Ebenda S. 442 ff.,
bes. 442, 444, 448, 449. — •) Ebenda S. 449 ff., bes. 449, 450, 451, 456.
— •) Ebenda S. 468 ff., bes. 464, 467, 471, 472, 478, 480, 481. -
') Ebenda S. 482 ff., bes. 488. - •) Ebenda S. 512 ff. bes. 518, 514. -
*) Ebenda S. 528 ff., bes. 529, 588. — >») Ebenda S. 587 ff., bes. 588, 589.
L
— 233 —
brief Ig^g^ingens von 1535^), die Dorf Ordnungen von
Herlikofen (1700)*) und Dewangen aus dem Jahre
1584'), Zeaisur- und Rügordnung des spraitbacher
Amtes vcMi 1658*), Gemeindeordnung für Schlecht-
bach v<Äi 1680*). Meist handelt es sich hier um: Vor-
schriften über Kirchbesuch durch das Gesinde, Sonntags-
arbeit, Feldfrevel, Beeidigung der Knechte.
Der Tarifierungsgedanke taucht in den Statuten und
Ordnimgen für Rechberg und andere Orte von 1577*)
auf. Taglöhjier und Metzger werden hier mit Taxen be-
dacht. Fürs Gesinde kom:men daneben Anordnimgen
wegen Sonntagsarbeit u. a. vor; Dienstboten können in
Prozessen der Herrschaft nicht Zeuge sein; wichtig ist
die Festsetzxmg des Lohnverlusts auf den Vertragsbruch.
Ein geordnetes Kapitel, das nur von den Hauptstücken
des polizeilichen Gesinderechts handelt, enthält das Vogt-
buch von Ramsberg aus dem Jahre 1556 ^). Abspenstig-
tnachen, Vertragsbruch, Nichtantritt des Dienstes, Dop-
peltvermietung finden hier eine Regelung. Das rams-
berger Eidbuch von 1556®) ist deshalb hervorzuheben,
weil es außer dem' beim Diensteintritt zu leistenden Eid
auch noch eine entsprechende Versicherung beim Ab-
gang des Knechtes verlangt. Wichtig ist schließHch die
Gerichts- und Polizeiordmmg Wißgoldingens von
1612*). Deren zweiter, polizeilicher TeiP°) bringt neben
Vorschriften über Sonntagsarbeit xmd Müllerknechte eine
Strafdrohimg wider den Dienstherm, der sich an seiner
') Ebenda S. 585 jS*., bes. 587. - *) Ebenda S. 589 ff., bes. 5d2.
- *) Ebenda S. 604 ff., bes. 605, 607. - *) Ebenda S. 612 ff., bes.
^f 629, 686. Diese Ordnung ist den grossen wQrttembergischen
l^andesordnungen von 1567 und 1671 (unten S. 284) und deren Vor-
g&ngem nachgebildet ; W i n 1 1 e r 1 i n S. 612. Eingangsworte. — *) Ebenda
S. 651 ff., bes. 668. - •) Ebenda S. 682 ff., bes. 685, 698, 711, 714,
715, 717, 718, 727, 728. - ') Ebenda S. 759 ff, bes. 759, 767. -
•) Ebenda S. 767 ff., bes. 771, 772. - •) Ebenda S. 798 ff., bes. 880,
«ö, 860, 865. - »•) Von S. 829 an.
— 234 —
Magd vergreift. Ein besonderes Kapitel „von ehehalten"
regelt den beiderseitigen Vertragsbruch und spricht das
Verbot aus, den Kindern und Dienstboten Sachen abzu-
kaufen.
In seltener Regelmäßigkeit wurde das Landes-
gesinderecht in Württemberg weitergebildet. Fast
gleich ausführlich enthalten zeitgemäßes Gesinderecht die
erste Polizeiordnung vom 30. Jtmi 1549 ^), die fünfte Lan-
desordnimg vom' 2. Januar 1552*), die siebente Landes-
ordnung vom' 11. November 1621 *). Dazwischen liegt
außer einigen für das Gesinderecht weniger erg^iebigen
Landrechten (aus 1555, 1567 und 1610 *) ) und einer Tax-
ordmmg von 1579 *) ein Generalreskript, das, am 8. August
1555 erlassen, wider den Vertragsbruch gerichtet ist*).
Ein weiteres speziell dem' Gesinderecht gewidmetes Aus-
schreiben trägt das Datiun' vom: 22. Dezember 1641').
Ihm folgte mit mehreren gesindepolizeilichen Bestimmun-
gen die vierte Taxordnung vom' 30. April 1642®), am 21.
August 1651 eine sehr wichtige Schaf erordnung •) imd
daim der „Fürstliche Befehl in Betreff der durch den
schwäbischen Kreis festgesetzten Taxen tmd Regeln für
Dienstboten und Handwerker" vom 15. Mai 1652 ^^). Die
„Vergleichimg" des schwäbischen Kreises ^^) für die Städte
und Ämter Stuttgart, Kannstadt, Weiblingen, Eßlingen,
Leonberg, Deckendorf \md Ulm', auf der dieser Fürstliche
Befehl beruht, stamimt vom' 12. April 1652"); darin ist
eine Überfülle von Regelungen enthalten, ganz im Geiste
') Reyscher, Sammlung der wOrttembergischen Gesetze XII
S. 149, 154, 166. - «) Ebenda S. 198, 217, 228, 287. - •) Ebenda
S. 717; s. oben S. 288.—*) Reyscher a.a.O. IV S.96ff., bcs.808;
171 ff., bes. 808, V S. 1 ff., bes. 212; s. oben S. 288. - •) Ebenda XU
S. 422. — •) Ebenda S. 288. — ') Ebenda XIII S. 11. — •) Ebenda
S. 17. — •) Ebenda S. 103. — ") Ebenda S. 114. — ") Auf einen
Beschluss des schwäbischen Kreises von 1651 bezieht sich die oben
(S. 229) genannte Ordnung Biberachs aus demselben Jahre. — **) St
A. Stuttgart. Druck.
— 236 —
dessen, was gleichzeitig von andern Kreisen vereinbart
wurde. £ine „Neue Revidirte Tax-Ordtnungen zwischen
den Statt- imdt Ämbtern Wüsenstaig, Aurach, Göppingen,
Türckheimb, Nürttingen, Neuffen, Clöster Adelberg und
Lorch" kam' am 3. und 4. Mai 1669 ^) zustande und hatte
das Generalreskript vom 19. November 1669 *) zur Folge.
Das österreichische Recht wird in der folgenden
Darstellung mu* da ziuri Vergleiche herangezogen werden,
wo es besonders bemerkenswerte Äußerungen enthält.
Regelmäßig berücksichtigt ist ntir das Recht zweier Ge-
sindeordnungen des 18. Jhdts., von 1765 fürs Erzherzogtum
unter der !Enns, von 1779 für Österreich ob der Enns*).
Beide entsprechen in ihrem Wesen zu sehr den im übrigen
Deutschland gleichzeitig veröffentlichten Gesindegesetzen,
als daß sie hier übergangen werden könnten.
Die Verwandtschaft der deutschen Ge-
sindegesetze unter einander läßt sich im einzel-
nen mit Gewißheit nur schwer feststellen. Einige große
Richtlinien sollen hier gezeichnet werden.
Das älteste Recht folgt zum größten Teil dem Sach-
senspiegel. Nur wenige der bedeutenderen Stadtrechte
hielten sich im Gesinderecht ganz frei von seinem Einflüsse.
Mitdelm 16. Jhdt. beginnt das Reichsrecht die Landes-
^esetzgebimgen zu beherrschen ; die von den Reichspolizei-
ordnungen kreierten Kampfmittel wider den Vertragsbruch
(Taxen, Zeugnisse) eignen sich so gut wie alle Territorien
an und schreiten iml Sinne des Polizeirechts weiter. Das
Weiht so bis zum' Beginn des 18. Jhdts. Das Reichs-
*) Ebenda. Handschrift ~ ") Rcyscher a. a. O. S. 496. —
*) Kr. A. München. G. R. Fasz. 403 Nr. 1, S.
— 236 —
recht wird jetzt: abgelöst von den großen hannover-
schen Systeotnien, den Gesindekriminalordnungrcxi seit
1709 und vor allem! der Gesindeordnung von 1732. Diese
Ordnung schuf den Typ des Gesindegesetzeis, wie es im
18. Jhdt. allüberall Mode wurde. Auch wo nicht — wie
vor allem: in Hessen — eine bewußte Nachahniung der
Ordnung von 1732 geschah, lassen fast alle Gesinderechte
doch erkennen, daß sie Geist vom' Geiste der hannover-
schen Rechtsfindxmg genominen haben. Um die Wende
vom 18. zum' 19. Jhldt. imterliegen die Gesetzgeber zu
einem Teile der Macht des preußischen Allgemeinen
Landrechts. Offensichtlicher freilich sind die momentanen
Strohfeuerwirkungen des französischen Rechtes.
Zweiter Teil.
Systematische Darstellung
der Rechtsentwicklung.
S L Begriff des Gesindes; die Muntidee als leitendes
Prinzip.
Merkwürdig wie die Wandlungen, die das Gesinde-
recht durchgemacht hat, sind auch die Veränderungen,
denen der Begriff „Gesinde" unterworfen war. Die Um-
gestaltungen, die gar schon mit dem Wort „Gesinde** vor
sich gingen, sind zwar aus den gelegentlichen Darstellun-
gen vor allem in Brunners Rechtsgeschichte und in
Grimms Wörterbuch ersichtlich; eine kurze zusammen-
fassende Feststellung der Forschungsergebnisse auch für
die von den Genannten behandelte ältere Zeit kann gleich-
wohl als Einführung zur systemlatischen Darstellung hier
nicht überflüssig sein.
Wie das Wort Gesinde bei der Entstehung des Stan-
des freier Hausarbeiter aus dem Sprachschatze lange ver-
gangener Zeiten hervorgesucht wurde, ist ein ganz be-
sonders reizvolles Schauspiel.
In der frühgernoianischen Zeit nämlich war es nie-
mand geringeres als die Gefolgen des Fürsten, die als
„Gesinde**, gasindi, gisind usw. bezeichnet wurden ^). Der
Stamm sint, sind bedeutet Weg, Reise. Es gehört zum
*) Hierfür und ftkr das Folgende massgebend Schröder RG.
S.d8fr.; Brunner RG. I S. 188, II S. 260; Brunner, Gefolgschaft;
Schmid. Gesetze der Angelsachsen (2 Aufl. 1858) S. 599 ff ; Grimm,
RechtsaltertOmer S. 818; Grimm, Wörterbuch s. v. Gesind, Gesind-
eben, Gesinde, Gesindlein, Gesindlich, Hausgesinde. — Gothisch ga-
sin^ja «B ReisegefUirte; M. Heynes Wörterbuch zu Ulfilas.
240
Wesen der Gefolgschaft, daß die Gefolgen Hausgenossen
des Fürsten sind. Daraus entnehmen die Angelsachsen
auch die Bezeichnung hiredmän oder die Nordgermanen
das schöne Wort huskarl. Die Gefolgen speisen, zechen
und schlafen unter dem' Dache des Fürsten; besonders
betont wird, daß die Gemahlin des Fürsten ihnen die zer-
rissenen Gewänder flickt^). Für die fränkische Zeit ist
weiter bezeugt, daß der Gefolgsherr für den gasindu3
haftet tmd ihn vor Gericht vertreten kann*). Später kam
die Bezeichnimg der Gefolgen mit Gesinde völlig ab ; sie
hießen von da an vassi. Der bis ins 19. Jhdt. hinein vor-
kommende Name „Hofgesinde", mit dem ebensowohl
Grafen wie Stallknechte umfaßt wurden, ist vielleicht noch
eine Reminiszenz an jene frühere Zeit.
Als sich im Mittelalter der neue Stand bildete, als
hausangehörige freie Diener häufiger vorzukommen be-
gannen, griff man auf das alte Wort wieder zurück. Wie
ist aber ein so eigenartiges Auferstehen zu erklären ? Viel-
leicht so, daß das wichtigste Charakteristikum der alten
Gefolgsmänner, die Angehörigkeit an fremden Haussland
mit allen daraus herkommenden Folgen (wie der gegen-
seitigen Vertretungsmacht) doch noch derartig nach-
wirkte, daß man es als das Merkwürdigste erkannte, was
bei den alten Gefolgen und bei den neuen zur Familie
gehörenden Knechten und Mägden übereinstimmte. Den
bestimmenden Einfluß der Hausgemeinschaft auf die Ent-
stehung des Namens „Gesinde** erkennt man auch daran,
daß die im Herrschaftshofe wohnenden Hörigen anfangs
„Ingesinde** hießen, im' Gegensatz zu den übrigen auf ab-
geteiltem Sonderlande sitzenden zinspflichtigen Hörigen ').
Daß die Hatisgemeinschaft zur Übernahme des alten Na-
mens verleitete, ergibt sich weiter aus der Bezeichnung
*) Brunner RG. I S. 188. - •) Brunner RG. II S. 260. -
*) Wein hold, Deutsche Frauen S. 811.
— 241 —
selbst der Wohnimgstnieter mit „ingesinde" ^). Dazu
kommt dann noch die Untertänigkeit des Gesindes imter
den Herrn — vielleicht reichen diese Tatsachen schon aus,
eine Rechtfertigung des sonderbaren Ereignisses zu geben.
Das Wort begnügte sich aber nicht mit dem einen
Beruf. Fort und fort sucht es nach neuen Gelegenheiten,
wo es sich anbringen kann. Es sei dafür (was ja hier
nicht sehr in Betracht kommt) auf das in Grimms Wör-
terbuch*) sub voce Gesinde, Gesindlein, Gesindel usw.
Mitgeteilte verwiesen. Am; absonderlichsten ist es, daß
man in den russischen Ostseeprovinzen Gesinde „den ge-
samten Grundbesitz — Hof imd Ländereien — eines
bäuerlichen, früher leibeigen gewesenen Wirthes" nennt *).
„Gesinde" war der gebräuchlichste Name des Stan-
des, so auch in Hessen vom Kaiserrechte an bis zu den
letzten Tagen des Kurfürst entumes. „Brötlinge", „ge-
brotte dinner", „gebrote gesinde" sind früh vergangene
Benennungen*), aus denen man ersehen kann, welcher
Umstand den Alten als das Charakteristische im Ge-
sindeverhältnis erschien. Das 16. und 17. Jhdt. bevor-
zugte in auffallender Weise die Bezeichmmg „Dienst-
bote**. Dies Wort bedeutet ursprünglich einen, der in
Dienst genommen ist, um Bestellungen auszurichten, Bo-
tendienste zu tim*). Auch der bloße Stamm „Dienst*"
*) Münchener Stadtrecht Art. 80, ingolstadter Recht;
Grimm, Wörterbuch IV 1 Sp. 4112; Schmeller, bayr. Wörter-
buch I Sp. 96. — •) IV 1, 2. Teil Sp. 4n2ff. - ») Ersch-Gruber,
Encydopadie 64 S. 285; Grimm, Wörterbuch IV 1 Sp. 4111. —
') Grimm, RechtsaltertOmer S. 818. — *) Grimm, Wörter-
buch II Sp. 1128; im mhd. viele fthnliche Zusammensetzungen, Fron-
böte, Sentbote, Waltbote. — Gesinde ist Reisegefährte, Dienstbote
bezeichnet einen anderswohin Verschickten, Lidlohn ist der Lohn
der bei der Wanderung gezahlt wird (unten § 8); vielleicht ist es
kein Zufall, dass diesen drei wichtigsten Worten, die im Gesinde-
wesen vorkommen, ursprünglich gemeinsam ein rüstiger Wanderungs-
sinn innewohnte.
KÖDoeckc. 16
— 242 -
mit Plural „die Dienste*' kam und kommt noch heute in
der Bedeutung von Dienstbote vor ^) ; im Schwäbischen gibt
es weiter die schöne Be^seichnung „Dienstlein** *). In
Süddeutschland entstand auch das jetzt verklungene Wort
„£ h e ha 1 1**. Wie „Gesinde" hat auch es eine edlere Ver-
gangenheit. Der die 6, das Gesetz, das Gebot des Herrn
hält, war im Althochdeutschein der Priester, ehalto').
„Bediente** hießen — außer den Staatsbeamten — nur
die herrschaftlichen Untergebenen, die meist Livree tra-
gen. „D i e n e r** wird das eigentliche Gesinde nie g^enannt,
wenigstens in den Gesetzen nicht ; Handelsdiener und La-
dendiener nahmen das Wort für sich in Anspruch und
gaben ihm so einen höheren sozialen Rang. Mit der fran-
zöselnden Zeit kamen die „Domes tiques** auf; imd
sie spielten eine bedeutende Rolle lange Zeit, so daß
die j^romteschen Gesetzgeber gar nichts Neues einführten,
als sie Imit großem Eifer Verordnungen für die domestiques
entwarfen. Durchaus nicht einheitlich ist der Sinn der
Worte „Knecht** und „Magd**. Von seinen vielen Be-
deutungen hat „Knecht** am längsten die als männliches
Gesinde und als öffentliches Dienstpersonal behalten*).
Und welche Mannigfaltigkeit in den Bedeutungen der
„Magd**! Die „reine Magd** Maria, Magd statt Mädchen
usw. Ob Riehls Ableitumg^) des Wortes von angels.
Ma^gd (Magschaft, Verwandtschaft) richtig ist, sei da-
hingestellt; in Grimms Wörterbuch*) wird sie nicht ak-
») Schiller-Lübben I S. 506; M. Heyne, Dt Wörterbuch I
Sp. 576; als Beispiele: Grimm, Weistflmer I S 968; Gotthelf,
UU der Knecht S. 1 u. ö. — ') Velhagens Monatshefte U. Jahrg.
11. Heft S. 824.- ») Grimm, Wörterbuch 111 Sp* 43 — *) Grimm,
Wörterbuch V Sp. 1880 ff. Den Sp. 1894 angeftlhrten Bezeichnungen
öffentlicher Dienststellen sei der hessische Waldknecht (Unterförster)
zugefügt; Vilmar, Hess. HistorienbQchlein, 4. Auft. 1909, S. 2. -
») Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Sodal-
poHtik UI (FamiUe), 1866, S. 158. - •) VI Sp. 1480.
— 243 —
zeptkrt, vielmehr auf die StantiHbedeutung „Erwachsen-
sein" hingewiesen.
Als auffallende Gemeinsamkeit der sämtlichen Worte,
mit denen Hausarbeiter bezeichnet werden oder wurden,
ist festzustellen, daß ihnen allen eine Proletarisierung des
Wortsinnes zuteil geworden ist. „Gesinde** wie „Knecht**,
„Dienstbote** und „Magd** will sich niemand mehr nennen
lassen; den Ausdrücken haftet etwas Verächtliches an.
Zu welcbetn Ergebnissen die gegenwärtigen, krampfhaf-
ten Versuche, neue Namten zu ersinnen, führen werden,
muß man abwarten; darüber voraussagen läßt sich zur
Zeit nichts.
Mit eine Folge der eigenartigen Geschichte schon
des Wortes „Gesinde** ist auch die heute noch nicht über-
wundene Unklarheit in der Bestimmung der Personen-
klassen, die zum' Gesinde, zu den Dienstboten gehören.
Das alte germanische Recht wußte nichts von einem freien
Arbeitsvertrage zur Verrichtung niederer Dienste. Solche
Arbeit wurde von den Unfreien getan*). Schon in der
Karolingerzeit kommt bisweilen eine Erwähnung freier
Arbeitsverträge vor^). Die Rechtsbücher behandeln den
Vertrag über freie Diensttätigkeit als etwas Regelmäßi-
ges; imfreies Gesinde wird nur selten noch erwähnt, z. B.
im Sachsenspiegel I 20, 1. Damit war auch die
Schaffumg des neuen Berufes, des freien Gesindes, voll-
endet. Sachsenspiegel, Schwabenspiegel und Kaiserrecht
sowie die gleichzeitige Literatur kennen einen besonderen
Stand von Knechten und Mägden, für die der gemein-
same Ausdruck Gesinde gebraucht wird. Irgend eine Spe-
zialbierung der Berufsklassen kann man aus^ den Ger
setzen nicht entnehmen; es ist nicht zu ersehen, welche
Tätigkeiten dem' Arbeiter zum* „Gesinde** machten, ihn
als „Dienstboten** erscheinen ließen.
*) Schröder RG. S, 47, 48. — •) Lamprecht, Wirtschaftsr
icbcn I S. 1167.
16'
— 244 —
In den Städten war um diese Zeit eine derartige Be-
rufsabsonderung besonders schwer zu treffen. Zum „Ge-
sinde" wurden nämlich Gewerbegehilfen ebensowohl wie
Hausarbeiter gerechnet, deren Tätigkeiten noch dazu oft
in einer Person vereinigt waren ^). Für Hessen bei-
spielsweise ist spätestens mit Beginne des 16. Jhdts. die
Scheidung des alten Gesindes in Gewerbearbeit«- und
Hausbediente (Gesinde im engeren Sinne) vollzogen ; das
ergibt sich schon aus der Reformation in Polizeisachen von
1526*), worin angeordnet wird, daß arme Kinder zum
Dienste oder zum Erlernen eines Handwerkes ange-
halten werden sollen.
Immerhin hat dieser Gnmdsatz, daß künftig Gesinde
im neuen Simie und Handwerksarbeiter zwei getrennte
Gruppen bilden, nicht die Bedeutung eines ausnahme-
freien Gesetzes. Es gibt stets Übergänge.
Über solche eigenartige Rückbildungen zum früheren
Zustand der Ungeschiedenheit von Handwerks- und Haus-
gesindearbeit in Nürnberg zu Anfang des 16. Jhdts.
liegen Nachrichten vor 3). Manche Handwerker mieteten^
um männliche Arbeitskräfte zu sparen, Mägde, die sie dann
in der Werkstatt beschäftigten. Das wurde zwar verboten ;
aber 1514 z. B. mlißte der Rat den Beutlern usw. nach-
geben, „das inen ire hausm:aid zuln handwerk ziemliche
handreichimg thun mögen"; nur daß die Mägde in der
Werkstatt arbeiteten, wurde verboten. Konkurrenten in
andern Städten beklagten sich sehr über die nürnberger
Frauenarbeit. Über einen ähnlichen Fall schon zu viel
früherer Zeit scheint das große hannoversche Stadt-
buch *) Auskimft zu geben. 1399 wurde dort eingetragen :
„Wad io welkes borghers vrowe unde maghet van lene-
wande tughen (= verfertigen) dat se dat vorkopen moghen
») Kollmann S. 288ff. — •) LO. I S. 49. — ') Kamann,
S. 75. — *) Vaterland. Archiv d. hist. Vereins f. Niedersachsen Jahrg.
1844 Heft S-4 S. 488.
— 246 —
to allen tiden weme se kimnen." ^) Umgekehrt gestattete
die Reichshandwerksordnung von 1731^) Ge-
sellen, die ihr Handwerk redlich gelernt hatten, einige
Zeit ihren Erwerb durch Dienst bei Herrschaften zu
suchen; das soll zum weiteren Fortkommen als Ge-
sell oder Meister nicht hinderlich sein. Während des
Dienstes darf der Gesell aber „durch anmassende fremde
.Arbeit für unprivilegirte Personen** den Meistern des
Orts keinen Eintrag tun. Vielleicht ist es auch eine Re-
miniszenz an die frühere Ungetrenntheit der niederen Haus-
tätigkeiten, wenn bisweilen noch in ganz späten Gesinde-
gesetzen eine Vorschrift über die gewerblichen Gehilfen
im Hause mit imterläuft, und zwar bei der Behandlung
der Hausgenossenschaft, so in der hannoverschen
Ordnung von 1732*), der hessischen von 1801*).
Nur eine Verwechselung darf hierbei nicht gemacht
werden. Die sehr wichtigen Gesinderegister des hessi-
schen Gutes Loshausen ^) aus dem 17. und 18. Jhdt.
berichten über angestellte Gärtner und eine Spinnerin,
und die Deutschordensregister von Marburg^), die ferner
als Beispiele genaimt seien, führen als „Gesinde** 1378
u. ö. Bäcker, Steindecker, Schnüed, Schröder, Fischer^)
auf. Dadurch wird nicht berührt, was eben gesagt wurde.
Diese Leute sind auf dem' Gut ständig angestellt als Ge-
sinde, das mit besonderen Arbeiten betraut ist. Genau wie
es auf großen Gütern heute noch vorkommt, und wie es
zum Beispiel Jonas Lie in dem berühmten dritten Kapitel
seines „Hellsehers** auch aus Norwegen berichtet.
0 Vgl. auch Bacher, Die Frauenfrage im Mittelalter, 1889
S. 11; aus späterer Zeit z. B. kurhessische Zunftordnung 1816 § 6
(Malier -Fachs S. 88). — ') Druck im städt Museum Nordhausen;
hess. LO. IV S. 119 ff. — ») Spangen berg, Verord. f. Hannover
IV 2 S. 461. — *) LO. VIII S. 26. - ») St A. Marburg. - •) Ebenda.
^ *) VgL weitere Beispiele bei Steffen S. 43. — Ober die erheb-
^che gewerbliche Spezialisierung bei den mittelalterlichen hörigen
Knechten BOcher, Entstehung d. Volkswirtschaft, 5. Aufl. (1906) S.106.
— 246 —
Eine im Vergleich mit der rein städtischen Scheidung
in Gewerbegehilfen und Hausgesinde bedeutend feinere
Verschiedenheit bildete sich in der Art der von dem Ge-
sinde in der Stadt und auf dem Lande zu verrichtenden
Arbeit. Das Gesinde (im engeren Sinne) mietete man
in der Stadt zur Leistung von Arbeiten im Hause, beim
Wagen usw., eventuell auch noch im Garten oder im Felde,
wenn etwa welches vorhanden war ^) ; aber derartige Tätig-
keit liegt dem' Gesinde nur im Nebenberuf ob, als An-
hang der Haupthausarbeit. Dagegen auf dem Lande ver-
langen die Bedürfnisse der Wirtschaft das Vorhanden-
sein von ständig gemietetem Personal, das in gleicher
Weise die Hausarbeit, die Stallarbeit und die Feldarbeit
verrichtet. Ja, die Feldarbeit steht im' Vergleich zu den
andern so im Vordergnmd, daß sie geradezu als Maß-
stab zur Beurteilimg der Fähigkeit (im letzten iirunde
zur Bemlessimg des Lohnes) genommen wird*).
Hier haben wir schon eine weitere Eigenart des Ge-
sindebegriffes: Ob die Zofe in der Stadt die „gute Stube"
des Patrizierhauses in Ordnimg bringt, oder ob der rustikale
Knecht das Jauchefaß auf die Äcker fährt — beide Extreme
sind „Gesinde", soim verträglich mit einander ihreBetätigun-
gen auch sind. Die gemeinsamen Begriff smerkmale, auf die
solche Ungeschiedenheit zurückgeht, sind folgende. Ein-
mal handelt es sich um Arbeitskräfte, die auf einer niedri-
geren sozialen Stufe stehen als die Arbeitgeber ; die Arbeit
ist schon aus diesem Grunde eine inferiore, manuelle.
Ferner wohnen alle diese Gesindeleute der Art und Häufig-
keit ihrer Arbeit wegen im Herrenhause. Die Arbeits-
pflicht ist aber nicht auf einzelne Handlungen gerichtet,
die im Vertrag gefordert und im Gesetz allgemein ange-
^) Über die Häufigkeit ländlichen Besitzes der BQrger im Mittel-
alter, auch zu selbsttätigem Betriebe, Caro in Conrads Jahrb. f. N.
Oe. u. Stat 86 S. 721ff; Frauenstädt S. 874 (Ober Namslau). —
*) So in den Taxordnungen vornehmlich des 17. Jahrhunderts«
— 247 -
ordnet "werden könnte. Vielnitehr erstreckt sich die Pflicht
des Gesindes auf alle niedere Arbeit, die vorkommt und
in sein Ressort fällt. Eine bestiminte Begrenzung der
Arbeitspflicht läßt die Natur des Haushalts und der Land-
wirtschaft nur in einem beschränkten Umfange zu (aller-
dings inxmer mehr, je weiter die Spezialisierung vorschrei-
tet) i). Das Gesinde wird nicht gemietet, um täglich zu
der festgesetzten Stunde die und die vorherbestimmte Ar-
beit zu' machen, sondern nur, damit dem Arbeitgeber die
Zeit des Dienstboten ziu* Verfügung steht*).
Die Zusammengehörigkeit alles so begrifflich ver-
einigten „Gesindes** wird noch offenbarer durch den Ge-
gensatz zu anderen Arbeitergruppen. Vor allem sind das
die landwirtschaftlichen Tagelöhner. Sie tun gleichfalls
geringe Arbeit, aber es fehlt ihnen die dauernde An-
stellung, es fehlt ihnen vor allem' auch die Zugehörigkeit
zum Hausstand der Herrschaft. Einen gesetzlichen Hin-
weis auf diesen Unterschied kann man in Hessen der
Verordnimg über die Taglöhner von 1571*) entnehmen;
klar ausgesprochen ist der Unterschied in den Taxord-
nungen des 17. Jhdts., denen Gesinde- \md Taglöhner-
ordnungen angehängt sind. Eine Verwischung der Gren-
zen zwischen den auf längere Zeit gemieteten Dienst-
boten und den von Tag zu Tag beschäftigten Arbeitern
geschieht da, wo es Landarbeiter gibt, die mit der Ver-
pflichtimg zur Tagearbeit auf längere Zeiträume vom' Ar-
beitgeber angesiedelt werden, wie es in der modernen
Seßhaftmachung der Landarbeiter versucht wird und es
schon von jeher in den Heuerlings v^-liältnissen oder bei
den schleswig-holsteinischen Insten der Fall war*).
Hessen kannte diese Art der Taglöhner nicht.
M Für Gesinde in einem einzelnen Haushalt (Hofgesinde)
oder fllr Dienstboten mit abgegrenztem Berufe (MOlierknechte, Hirten)
lassen sich sogar Landesgesetze mit grösserer Aus.sicht auf Befolgung
machen als für die Masse der individuellen Haushalte eines Landes.
- •) Löning; oben S. »ff. — •) LO. I S. 680 - *) Ver. f. Soz.
— 248 —
Noch ein anderes, oben festgestriltes Merkmal fehlt
hier, die Hausangehörigkeit. Das ist aber auch noch bei
anderen Haus- und Landarbeitern der FalL Hierbei han-
delt es sich vornehmlich um verheiratete Leute. Sie sind
zur Verrichtung niederer Dienste von einem Arbeitgeber
ständig (nicht zu Taglohn) angestellt, aber sie wohnen
natürlich nicht in dem meist nur für eine Familie berech-
neten Hause des Dienstherm. Das sind Hirten, Vögte
(Schultheißen), herrschaftliche Förster und Jäger und
ähnliche Berufe, dazu die gewöhnlichen verheirateten
Knechte. Und das Merkwürdige ist, daß trotz Fehlens
der oben ab Charakteristikum des Gesindes kurz ge-
nannten Hausangehörigkeit diese Leute doch zum Gesinde
gerechnet werden, heute wie früher.
Die Hirten werden in der hessischen Gesindeordnung
von 1801^) und in den loshauser Gesinderegistem von
1644 bis ins zweite Drittel des 18. Jhdts. ^) als Gesinde ver-
zeichnet. Eben diese loshauser Register, die überhaupt
eine Menge neues Material geben, nenn^i die Jäger und
Förster imterm Gesinde. Der Schultheiß steht seit 1725
auch in der Lbte. Die Überschrift lautet hier freilich
„Register, über Bedient^i Besoldung undt Gesindes
Lohn", so daß vielleicht der Schultheiß seiner immerhin
prominenten Stellung halber als „Bedienter" eine „Be-
soldung", nicht Gesindelohn bekam; später aber bleibt
diese Differenzierung fort, und es bt nur noch von Ge-
sinde die Rede. Der Schultheiß wird öfters auf andere
Güter versetzt; er hat die Stellung wie anderswo der
Vogt. Über dessen Zugehörigkeit zum Gesinde herrschte
in Kursachsen z. B. Ungewißheit »), während Brandenburg
die Gesindemeier, die die Aufsicht führten, inrnier zum
Pol. Bd. B8flf.; zum vorigen vgl auch die bei Lotmar, Arbcitsvc^
trag I S. 19 geäusserten Bedenken.
«) LO. Vm S. 86. - ») St A. Marburg. ^ •) Wuttke S. 6;
dag. S. 87.
— 249 —
Gesinde rechnete ^). Eine gesetzliche Äußerung aus Hessen
über die Stellung der Vögte (Gutsschultheißen) und herr-
schaftlichen Jäger liegt nicht vor. Nach einer Prozeßent-
scheidungr') soll der Ökonomieverwalter nicht zum Ge-
sinde gehören*).
Wie soll man den Widerspruch erklären, daß die ge-
naimten Arbeitsleute, trotzdem sie selbständig wohnen
mässen, meist zum Gesinde gezählt wurden? Ist etwa das
Merkmal der „Hausangehörigkeit**, wie es kurz genannt
wurde, falsch? Oder wenigstens ungenau?
Eine Lösimg der Schwierigkeiten führt zu den feinsten
Fragen des Gesinderechts, zu den Quellen, aus denen
dieser wichtige Teil des Sozialrechts sein Leben nimmt,
seine Vorzüge imd Schäden. Ein weiteres Ausholen ist
daher nicht zu umgehen*).
Es gibt im Leben eines jeden Volkes (vielleicht am
offenbarsten bei den Deutschen) eine Staffelimg von Per-
sonengemeinschaften, die durch die Macht des Lebens
da sind, nicht infolge von Vereinbarungen künstlich ge-
schaffen; höchstens werden sie rechtlich anerkannt und
ak Objekt rechtlicher Behandlung benutzt. Solche Ge-
meinschaften sind die Familie, in kleinen Städten weiter
die Bewohner eines Hauses, dann die Gruppe der Bewoh-
ner nahe bei einander stehender Häuser (die Nachbar-
schaft), die Bewohner einer Straße, einer abgeschlossenen
Gegend, des ganzen Städtchens, der Landschaft, des Lan-
*) Lennhoff S. 88. Für das Ordensland vgl. Steffen 5.48.
^ ^ St A. Marburg. Notiz in Strippelmanns Collectaneen. — ') Dass
^ Privatlehrer hflufig zum Gesinde gerechnet wurden, mag hier
^cfagt sein. So ftkr Narnberg des 17. Jhdts. Kamann S. 75;
Air Cleve Erlass vom 28. September 1795 aber die Judenlehrer
<Scotti, Cleve S. 1087); ftkr Schaumburg Rottmanns Bemerk-
^gen (oben S. 119); für Isenburg scheint die RüRordnung von
1766 (Sammlung Amtsgericht Wächtersbach) gleicher Auffassung Aus»
<^ck zu geben. — *) Vgl. fbr das Folgende auch Jellinek, Allg.
Staatslehre S. 84 (Rousseau), 87 (Mohl), 88 f., 92.
— 250 —
des. Jede von diesen unbewußten Organisationen, wie
man sie nennen könnte, solange sie von juristischer Be-
handlung und Betätigung noch unberührt sind, hat ihr
Individualleben, anders als die entsprechenden Konkur-
renzgemeinschaften, zu denen sie sich als Gesamtheit in
unabsichtlichen und absichtlichen Gegensatz bring^en.
Die Grundlage dieses Individuallebens ist zum größ-
ten Teil (wenn auch nicht ausschließlich) durch die Per-
sönlichkeit derjenigen bestimmt, die immer gerade Mit-
glieder der Gemeinschaft sind; je nachdem die einzelnen
innerlich zusammenstimmen, ist das Band mehr oder
weniger fest. Es bedarf einer besonderen Anstrengung,
eines Studiums für einen bisher Außenstehenden, wenn
er in die ungeschriebenen Gesetze der einzelnen Gemein-
schaft eindringen will. Alle diese Gemeinschaften sind
darauf angelegt, Fremden gegenüber eine Art Feindschaft
und Abschließung durchmführen. Nur den nehmen
sie mit freundlichem Willen auf, der verstehend sich ihren
Eigenarten anpaßt (ohne zu merken, wie eine Veränderung
durch das Hinzukommen des Neuen auch in der alten
Gemeinschaft erfolgt).
Die festeste von diesen Gemeinschaften ist das Haus,
genauer die Familie. Infolge der Stetigkeit des Zusammen-
seins bildet sich hier (von anderen Gründen ganz abge-
sehen) eine im Vergleich zu den andern Gemeinschafte«
unerhörte Individualität aus, deren wichtigstes Kennzei-
chen vielleicht die absolute Unnahbarkeit andern gegen-
über ist. Wenn ein Fremder hier sich anschließen soll,
bedarf es bei ihm im weitesten überhaupt denkbaren;
Maße des Verzichtes auf Individualität; schon er als Ein-
zelner muß gegenüber der Familieneinheit in ihrer Eigen-
art zurücktreten, nachgeben.
Die vornehmliche Besonderheit der Familie gegen-
über den andern Personenvereinigungen ist die, daß sie
eine Gemeinschaft kraft herrschaftlicher Gewalt ist
— 251 —
(Gierke). Eine solche ist „ein Gemeinschaftsverhältnis,
das zwischen mehreren Personen in Folge einer personen-
rechtlichen Über- und Unterordnung besteht"^). „Zum
Träger der einheitlichen Sphäre ist hier allein eine herr-
schende Person berufen, in der nach innen \md nach außen
die im Bereiche der Verbimdenheit geltende Personen-
einheit zur rechtlichen Enscheinung kommt. Gleich-
wohl liegt ein Gemeinschaf ts Verhältnis vor,
das sich nach innen in gegenseitigen Rechten und Pflichten
zwischen dem Gewalthaber und dem Gewaltunterworfenen
offenbart, nach außen aber darin zu Tage tritt, daß die
Darstellimg der Personeneinheit durch den GewalthaJ)er
eine Vertretung der Gewaltunterworfenen einschließt
Ihre älteste Erscheinungsform ist die vom Hausherrn kraft
seiner Munt beherrschte und vertretene Hausgemein-
schaft." Das sind Worte Gierkes, grundlegende Aus-
fühnmgen, die in der Behandlung von gesinderechtlichen
Fragen bisher kaum beachtet worden sind*).
Kraft seiner Munt beherrscht und vertritt der Haus-
herr die Mitglieder der Familie. „Die Stellung des Haus-
herrn äußert sich nach innen als Herrschaft, nach außen
als Haftung')." Wenn Fremde als Dienstboten in das
Haus der Familie eintreten, so könnte allein dies schon
ein Anlaß sein, die Dienstboten der gleichen Behandlung
*) Gierke Fr. R. I § 80a; fQrs Folgende auch Brunner RG.
1 S. 92. — ') Vgl. aber E. Heymann, Sav.-Ztschr. germ. Abt 88
S 603, der immer wieder auf die Bedeutung des Muntgedankens für das
Gesinderecht hingewiesen hat und auch für die legislatorichen Fragen
bemerkt: „Die geschichtliche Entwicklung lehrt denn auch, dass der
Muntgedanke allein eine praktische, brauchbare und edle Ausgestal»
tiuig des Gesindewesens zu tragen vermag; nichts ist verfehlter, als
im Kampf gegen heutige Überbleibsel der alten rohen Ausartungen
des Gesindeverhältnisses ... in das Extrem einer rein obligatorischen
Auffassung des Gesindeverhältnisses zu verfallen und dessen per-
sonenrechtlichen Charakter zu vergessen oder zu zerstören." —
•) Brunner RG. I S. 92.
— 252 —
2u unterstellen. Dazu komtnen noch verschiedene Gründe.
Einmal die lange Zeit, auf die ein Zusamtnenleben be-
absichtigt, wenn auch nicht stets ausgeführt wird. Die
Dienstboten stehen ferner m<eist im Alter von 15 — 25 Jah-
ren, wo sie noch erziehungsbedürftig sind^). Besonders
wichtig, wenn auch nicht ausschlaggebend, ist weiter die
Art der Beschäftigiuvg zunächst der häuslichen Dienst-
boten. Um diesen die Erfülltmg ihrer Aufgabe zu ermög-
lichen, ist es nötig, sie in einem' für Nichtmitglieder ganz
außerordentlich weitgehendem' Maße in die Kleinigkeiten
^xnd Kleinlichkeiten des im' herrschaftlichen Hause ge-
bräuchlichen täglichen Lebens einzuweihen und ihnen eine
gewisse notwendig tmbeschränkbare Freiheit des Handeln
innerhalb des häuslichen Getriebes zu geben. Dazu gehört
v<Mi Seiten des Arbeitgebers größeres Vertrauen als er es
einem Handwerker, Arzt usw. entgegenzubringfen braucht.
Ein solches Vertrauen wird der Hausherr vielmehr zu
einem solchen „Dienstboten** haben, dessen technische
und geistige Qualitäten er in umfassenderem und inten-
siverem Maße keimen gelernt hat, als er dies bei einem
sonstigen Arbeitspflichtigen feststellen kann und festzu-
stellen braucht. Mit einer gewissen Notwendigkeit hat
dies ein — in seiner Stärke historisch gewandeltes — Auf-
sichtsrecht zur Folge, dem wiederum ein bestimmtes Maß
von Gehorsamspflicht entsprechen muß, beides mehr als
bei schwächeren Arbeitsverträgen. Eine fernere durch
die Art der Arbeit bedingte Besonderheit des Gesindever-
hältnisses ist die, daß der Umfang der Arbeitsleistiuigen
nicht im voraus spezialisiert werden kann. Das Gesiade
muß stets „imgemessene Dienste** versprechen, wenn es
erlaubt ist, den Ausdruck in diesem übertragenem Sinne
zu gebrauchen. Und der Umfang der Arbeit richtet sich
nach dem obersten Gesetz, der Wohlfahrt des Hauswesens.
') v. d. Goltz, Sociale Bedeutung S. 14.
— 253 —
Hierdurch ist notwendig ein teilweises Aufgeben der per-
sönlichen Selbständigkeit für den Dienstboten gefordert;
er muß bald zu dieser, bald zu jener Zeit, bald für diese,,
bald für jelne Zwecke der Herrschaft zui Verfügung stehen^
soweit er nicht zur Verrichtung besonders gearteter
DIepste geimietet ist.
All dies, mehr oder minder imwägbar, drängt gerade-
zu dahin, die Dienstboten dem' zu unterstellen, was man
die „hausherrliche Gewalt" nennt. Die häuslich enund
im Hause wohnenden Dienstboten, wohlgemerkt.
Aber schon in den ältesten Fundstellen wird das Wort
„Munt" nicht schlechtweg lediglich zur Bezeichnung der
hausberrlichen Gewalt verwendet. Es „tritt die Bedeutung
vx)n Schutz, Schirm, Friede hervor, indem es auch auf
Schutz Verhältnisse angewendet wird, denen das
Merkmal der Hausgenossenschaft fremd
ist"i). Daß sich damit die entsprechende Entwicklung
der emäncipatio der Hauskinder nicht im Einklang be-
findet, sei nur im Vorübergehen erwähnt ; es kann an dem
gewonnenen Ergebnis kaum etwas ändern*).
Möglich wäre es hiernach wohl, daß eine Überfüh-
rung der Mimt", der „herrschaftlichen Gewalt", auch auf
das Gesinde erfolgte, das nicht im' Hause des Herrn wohnte
das keine häusliche Arbeit verrichtet. Die spätere Zeit„
besonders die beiden an Gesetzgebung reichhaltigsten Jahr-
hunderte, das 17. und 18., haben diese Konsequenzen,
ohne Zweifel gezogen. Die Taxordnungen vom Beginn
des 17. Jhdts. an scheiden die „Dienstboten" und die
Taglöhner oder landwirtschaftlichen Lohnarbeiter, deren
Vertrag auf kurze Zölt reicht imd meist Tag für Tag
läuft. Die im Kapitel von den Dienstboten gegebenen
Lohnbestim'mtmgen und Verhaltensmaßregeln gelten
*) Branner RG. I S. 92. — *) Stobbe, Die Aufhebung der
^terlichen Gewalt . . , in seinen Beitragen zur Gesch. des deutschen
Äechts, 1865 S. Iff., bes. 28 ff.
— 254 —
ihrem ganzen Inhalt nach ganz offensichtlich für alle zu
niederen, im voraus nicht beschränkten Diensten auf
längere Zeit gemieteten Leute. Von der Hausange-
hörigkeit, genauer dem Wohnen im' Herrenhause, ist nie
etwas Ausdrückliches gesagt. Da dem' imstillbaren Regle-
mentierungsdrang der damaligen Zeit nichts, aber auch
nichts entgehen konnte und nicht entgangen ist, so ist
es ausgeschlossen, daß m:an die ständig angestellten
außer Hauses wohnenden niederen Arbeiter von der ge-
setzlichen Regelimg ausschließen wollte. Kein anderer
Abschnitt der Taxordnimgen läßt es zu, daß man ihm
das außerhalb hausende Dienstpersonal subsumiert; es
ist absolut kein Anlaß gegeben, anzunehmen, daß diese
Leute vom Gesetzgeber (imd seinem Volke) nicht unter
den Begriff „Dienstboten** oder Gesinde gestellt wurden.
Es bedurfte auch für die Zeit um' die Wende des 18.
und 19. Jhdts. kaum! der hervorhebenden Bestimmung
z. B. im hessischen Cresinderecht, daß alles Gesinde dem
besonderen Gesindestrafrecht imtersteht, mögen die Leute
in oder außer dem' Hause der Herrschaft wohnen. Es
ist ein dringendes Verlangen der neuen Zeit, dem' Arbeit-
geber die muntartige Aufsicht auf das Privatleben des
mit seinem' Hause gar nicht mehr in Verbindimg ste-
henden Dienstboten zu nehmien. Aber aus diesem be-
rechtigten Wunsche heraus darf man nichts in die Ge-
sindegesetze hineininterpretieren, die meist in sehr ent-
legenen Zeiten entstanden sind; am' allerwenigsten ist es
da zulässig, wo (wie im' hessischen Recht) die klare Ge-
setzesbestimmung das Gegenteil ausdrücklich feststellt.
Hier hat das freie Interpretationsrecht des Richters seine
Grenze, die ihm' erst ein neues Gesetz öffnen kann. Das
verkennt Süßkind bei seiner Polemik gegen Hey-
mann und vor allem gegen Kahler^).
*) Sasskind S. 96ff,, Heymann in der Sav.-Ztschr. gern.
Abt. 28, S. 600 fr.; Conrads Jahrb. NF. 16 S. S65; Beilage zur
-- 265 —
Das Ergdbnis entspricht auch durchaus d&ü Cha-
akter des ländlichen Gutsherrn imd dem Wesen seines
rerhältnisses zu. dem von ihm= beschäftigten Gesinde,
.seinen" Leuten. Er als der wirtschaftlich Mächtigere
bestimmt die Art, in der sich der gegenseitige Zustand
regelt. Die Leute, die er zu niederen Arbeiten für Haus
und persönlichen Außenbedarf (Kutscher) mietet, gehen
fast alle ira Sommer zur Zeit der dringenden Arbeit mit
hinaus. Da tim sie die gleiche Arbeit wie die Knechte, die
zur Acker- imd Feldarbeit gemietet sind. Mit den Haus-
dienstboten kommt der Hausherr das Jahr über, nament-
lich im Winter, wo das Leben „verdichtet** wird, täglich
zusammen. So ist die größte Möglichkeit gegeben, daß
er sich allen ihm gegenüber sozial „niederen** ein Ver-
halten und Verhältnis einrichtet, das den Verkehr mit
dem Hausgesinde zum Muster hat. Der ländliche Ge-
sindehalter gewöhnt sich an diesem ein Betragen an, das zu
bequem ist, als daß er es den andern seiner „Leute** gegen-
über ablegte. Er ist „patriarchalisch** hier wie dort. Und
instinktiv geht er darin weiter und zieht Folgerungen, die
innerlich nur dem Hausgesinde gegenüber berechtigt sind ;
er will Einblicke in die Haushalte der „Leute** tun, er
^^ill ihr außerdienstliches Leben unter seinen Augen haben,
er will für sie sorgen mit Darreichimg von Natm-alien, und
er will sie von der Macht des Geldes fernhalten, weil das
die Leute verdirbt, für die er doch zu „sorgen** liat. Ge-
wiß, allein schon die Verhältnisse auf dem Dorfe haben
etwas „Patriarchalisches**, ohne Rücksicht auf das Ver-
hältnis von Dienstherr und Diener, wenigstens in West-
deutschland. Aber sie erfahren dm-ch diese Beziehung
eine Steigerung ; erst so läßt sich die intensive „Geschäfts-
intimität*', wie man das „Patriarchalische** besser nennen
könnte, erklären.
t der Landwirtschaftskammer für die Provinz Schlesien 1897 S. 40
(oben a 251); Kahler S. 188.
^ 256 —
In derselben Richtung bewegen sich einige Ausfüh-
rungen, die Sombart^) gelegentlich macht. „Ist der Er-
werb dem Edelmaim verhaßt, so nicht minder die Form,
in der er sich abzuspielen pflegt: das Geschäft. Alles
Rechenhafte, alles Rationalistische, alles Geldmäßige stößt
ihn ab. Deshalb mag er auch die Beziehungen zu seinen
Leuten, d. h. dem! Volke, das im' Dienste des Vogts seine
Güter bestellt, nicht gern als rein geschäftliche betrachtet
sehen. Fremd dem inneren Wesen nach sind der feudalen
Wirtschaft der Lohnvertrag über bestimlmte Leistungen,
der Lohnvertrag mit kurzer Kündig^ungsfrist, der Lohn-
vertrag mit reiner oder auch nur vorwiegender Geldlöh-
nung. Weil die Wirtschaft noch keine ausgesprochene
Saisonwirtschaft ist, wie die moderne Landwirtschaft, weil
sich die Technik in den alten gewohnten Bahnen bewegt,
darum braucht man ständige, womöglich angesessene, am
liebsten Schollenpflichtige Arbeiter, die das ganze Jahr
über zur Verfügung: stehen, hat also an einem gebtmdenen
Arbeitsverhältnis — ganz im Gegensatze zum kapitalisti-
schen Unternehmer auch in der Landwirtschaft — ein
Interesse. Weil aber die Geldeinnahmen gering sind, so
ist es selbstverständlich, daß m!an den Arbeiter in Ge-
brauchsgegenständen entlohnt. Am liebsten beteiligt man
ihn am Ertrage diu^ch eine Anteilslöhnimg, wie sie die
Insten alten Schlages hatten, gliedert ihn also in die eigene
Wirtschaft ein, mit der er verwachsen soll, er und seine
Familie, Geschlecht auf Geschlecht. Dann tritt der Ar-
beiter zum Gutsherrn wirklich in eine Art Vasallenverhält-
nie, in ein Verhältnis gegenseitiger Treue, es entsteht aus
innerer Notwendigkeit eine patriarchaUsche Arbeits Ver-
fassung, die der kapitalistische Unternehmer in Industrie
und Handel als traurige Karikatur zu wiederholen be-
müht ist."
') Die deutsche Volkswirtschaft im 19. Jhdt, 2. Aufl. 190^
S. 504.
— 257 —
Wie dem (Jesindeherm die so erworbenen Befugnis.se
gegenüber seinen Dienstleuten, seinen „Mündlingen" *),
gesetzlich nicht nur bestätigt, sondern gar übertragen wer-
den, ist reizvoll zu beobachten. Ohne Unterscheidung,
ob der Dienstbote im' Hause oder außerhalb wohnt, wird er
der Familie gegenüber üi ein Verhältnis gebracht, das
bald mehr bald weniger deutlich imd vollständig die Züge
der „Munt" aufweist, manchmal ganz erstaimlich weit-
gebend. Und in Verfolgung dieser Ideen wird das Ge-
sinde noch über den Rahm^ der Muntschaft hinaus in
einer Weise gleich den Familiengliedem behandelt, daß
fast nur noch der Unterschied der Verwandtschaft das
Verhältnis des Gesindes imd der Familiengenossen gegen-
über dem Hausvater zu einem unterschiedenen machte
— bliebe nicht die stets betonte krasse Scheidxmg der
Stände *).
In den älteren hier in Betracht kommienden Rechts^
quellen ist das Muntverhältnis vomehmUch dadurch
zum Alisdruck gekommen, daß die Haftung des Herrn
und die entsprechende Stellvertretung statuiert sind.
Dagegen fehlt es an Rechtssätzen, die das besondersartige
Herrschaf ts Verhältnis ausdrücklich bestätigen. Des-
halb soll hier von den Fällen der Haftung imd Vertretung
ausgegangen werden®).
*) Grimm, Rechtsaltertümer S. 311. — «) Die folgende Schilde-
rung des Gesetzgebungswerkes erstreckt sich nur auf diejenigen
Gegenstände, die eine besonders prägnante Äusserung der Muntidee
und des Familienverhältnisses enthalten. Im letzten Grunde könnte
ja das ganze Gesinderecht fast ohne Ausnahme dazu verwendet
werden, jene Begriffsmerkmale aufzudecken. Was etwa im Lohn-
rechte, im Rechte des Vertragsbruches beider Teile u. s. w. an munt-
rechtlichen Elementen enthalten ist, kann erst im Zusammenhange
der folgenden speziellen Kapitel dieses zweiten Teiles dargestellt
werden. — •) Wichtiger als die verschiedenen von Friedrich
Oetker (Kriminelle und civile Haftung Dritter nach hessischen
Rechtsquellen; Juristische Festgaben der rostocker Juristenfakultät
Kfoaecke. 17
— 258 —
Der Hausherr trägt die Verantwortung für straf-
bare Handlungen der Personen, die in seinem Hause sind ;
für alles, was er „to miet ende to mele", „zu bier und brod",
„zu brod imd muss** hat *), mußte der Herr ursprünglich
einstehen.
Über den Rahmen der verwandten Familie hinaus
wird dies selbst für fremde Gäste bestimmt, so im
braunschwöiger Recht*): „Malk scal sen, wene he
herberghe, dat he darvore antworden moghe. Sceghe dar
zum 50. Doktorjubiläum Iherings 1892, Stuttgart 1892, S. 85 ff.) mit
grosser SchArfe durchgeführten Unterscheidungsmerkmale ist doch
wohl die Feststellung der Munt als leitenden Gedankens in der Ober-
wiegenden Zahl der HaftungsßÜle. Es w&re eine wertvolle Arbeit,
festzustellen, wo einmal nicht die Munt fbr die Haftung Dritter be-
stimmend war; welches die Gründe für solche Satzung waren. — Das
rOmischeRecht steht den Erscheinungen muntschaftlicher Haftung
verständnislos gegenüber. Der Herr haftete für ein Verschulden
seiner Angestellten unter zwei Bedingungen: »»Die eine Gruppe
bilden ... die Fälle der custodia • Haftung, denn für die custodia-
Pflichtigen ist das Verschulden seiner Leute niederer Zufall, für den
er aufzukommen hat; die zweite Gruppe umfasst eine Gruppe hono-
rarischer Klagen, bei denen für Zufall eingestanden wird; auch hier
ist das Verschulden der Angestellten für den Herrn vertretbarer
Zufall. Ausserhalb dieser beiden Gruppen haftet man . . . nur für
culpa in eligendo . . . Als Justinian die custodia - Hafhmg strich und
sie in eineculpa-Haftung abmilderte, musste er natürlich auch die in der
custodia gelegene unbedingte Haftung für die Angestellten in eine
Haftung für Verschulden des Herrn verändern" (F. Schulz, Die
Haftung für das Verschulden der Angestellten im klassischen römischen
Recht; Zeitschr. f. d. Privat- u. öff. Recht der Gegenwart 38, 1911,
S. 9 ff., bes. 10, 54). Es ist sehr wahrscheinlich, aber noch ausdrück-
lich durch besondere Studien festzustellen, dass die Minderung der
Muntverhältnisse, die im Laufe der Zeit in Deutschland vor sich ging,
mit auf den verflachenden Einfluss des weiter vordringenden römischen
Rechts zurückzuführen ist — Auf Herrenhaftung nach flandrischem
Gesinderechte weist A. Behaegel hin (Servantes et serviteurs
d'autrefois; Bulletin du comitö central du travail industriel 1906 S. 663).
*) Zitate nach Hertz S. 42. — >) Hänselmann, Urkunden-
buch I S. 44; Sammlung spätestens 1849.
— 259 —
scade af an morde, an brande, an duve eder an ienegoa
anderen dingen, de rad wel eme dar umlme tospreken.*'
In ähnlicher Weise läßt die Stadtordnung für Walldürn
von 1492 ^) dein Hausherrn gestraft werden, wenn ein in
seinem Hause wohnender Fremder auf den Gassen oder
in Spinnstuben angetroffen wird. Besonders entschieden
spricht das f rankfenhauser Stadtrecht von 1558*) den
Grundsatz aus: „Nietmöndt soll einen froembten ein-
nehmenn unndt herbergemn, er wolte dann leib unndt
gudt vor jhenenn einnsetzenn, unnd wass einn gast ann-
dernn leutenn schaden thutt, dass soll der wirdt nach
erkandtnüss desis Rathss etintgeldenn, wo der theter einn-
konunielm ist.** Auch im spÄterön Rechte komlmt ähnliche
Satzung vor. Ein^ Dorf- imd Gerichtsordnung von 1766
fürElchingeln imd einige andere Dörfer in Schwaben *)
setzt fest : „Bey schwerer straf solle nimand verdächtigen
gesind *) unterschleif geben, und so von solchen ein dieb-
stall begangen würde, ziehet der beherberger sothanen
liederlichen gesindels auch wegen ersezung des Schadens
besondere rechtfertigung auf sich.** Wenn femer selbst
die Hausmieter dem Hausfriedensschutze unterstellt wer
den, wie nach goslarer Recht (darüber unten), oder
wenn das münchener Stadtrecht auch die Mieter als
,ingesinde** bezeichnet*), so kann es nicht verwundeim,
daß auch das ständig dienende Gesinde durch seine Hand-
lungien den Haus- und Dienstherrn ^ur Verantwortung
zwingt.
Unabwendbare Haftung des Herrn für Straftaten der
Dienstboten bestand einmal in den Fällen, wo der Herr
dem Gesinde Auftrag zur Tat gegeben hat. Nach ost-
*) Oberrhein. Stadtrechte I S. 248 ff., bes. 252. — •) Walch,
Beytrage I S. 286flF., bes. 866. — •) Wintterlin, Würltemb. länd-
liche Rechtsquellen I S. 241 ff., bes. 245. — *) Hier zweifellos nicht
in der Bedeutung „Dienstbote", sondern „Gesindel". — ») Oben S. 241.
17*
— 260 -
friesischem Landrechte*) muß der Herr haften, wenn
der Knecht handelte „uth Bevel sines Broet-Heren**, für
den Fall, „dat de Heere des Huisses den Knecht sülvest
hefft geheeten off solckes em belevet is'*. Für die gräflich
adelmannschen Orte Hohenstatt u. a. erging gegen
1585 das Gelbot*): „Wan es zu der emdzeit kombt, so
solle kein imderthan ainiche erwachsene fruchten wie die
nomen gehoben mag weder für sich selbsten oder auss
seinem bevelch durch seine kinder oder knecht oder mägd
im wenigsten nichts ohne besichtigung auch darauf von
der herrschaft erlangter bewilligung, es seye zu tag oder
nacht, abschnieiden bei ernstlicher straff 1 fl. 15 kr."
Die Polizei- und Dorf Ordnung von A de Im'anih sf ai-
de n aus dem Jahre 1680') enthält die folgende Satzung
über Holz- imd andere Diebstähle: „Wie wir dann alle
haussvätteir \md mütter von obigen diebstählen ihre kin-
der imd gesind fleissig abzuwamen erinnern mit diesem
austrucklichem befehl, wo solche ungerathene kinder oder
gesind betretten und in . . . diebstählen ergriffen werden,
selbe mit dem thum imd narrenhäussle, mit brod und
wasser gespeist, gestraft, auch die eitern, wann heraus-
kommt, dass solches mit deren anleitung und ver-
will igung geschehen, ein weg alss den andern in vor-
bereite straf gefallen seyn sollen," Schon vor dieser Fest-
sietzxmg ordnete die katzenelnbogener Polizeiord-
nung von 1597 *) an, daß Dieinstboten, die auf Geheiß der
Herrschaft gestohlen haben, milde, die Herrn in erster
Linie gestraft werden. Nach der sdhaumburger Poli-
Äiiordnimg von 1615 ^) soll das Gesinde mit fünf Pfennigen
für jedes abgehauene Stück fruchtbares Buchenreis büßen.
') Wicht I 24, 72. - •) Wintt erlin, Württemb. Iflndliche
Rechtsquellen I S. 485 ff., bes. 486. Fast wörtlich wiederholt in
der Dorfordnung flSr Lauterburg von etwa 1728 (ebenda S. 587 ff,
bes. 588). - •) Ebenda S. 468 ff., bes. 471 f. - *) Univ.-Bibl. Marburg.
— •) Rottmann S. 288 (Kap. 28).
— 261 —
Hat es der Dienstherr zu dem Diebstahl angestiftet (um
Hob für Hopfejnstangen tu. bekommen), dann wird statt
des Gesindes der Herr mit fünf Thalem für jedes Stück
gestraft. Abgesehen von solchen ländlichen Strafvor-
schriften begegnet die herrschaftliche Strafsatzung noch
in einigen religiösen Geboten. In der trierischen Ord-
nung wegen der Sendfragen von 1599 ^) wird bestimmt :
„Sollen diejenigen so auf verbottenen Tagen vor sich, ihr
Gesind oder Fremde Fleisch speisen werden, 12 Alb.
(geben) et Superioribus denuntietur.** *) In ganz ähnlicher
Weise, fast mit wörtlicher Übereinstimmtmg, bestand
solche Satzimg in gräflich adelmannschen Orten Hohen-
stadt ti. a. in Schwaben nach Ordnxmg von etwa 1700').
Weitergehend ließen verschiedene Rechte den Herren
haften, schon wenn er um die Tat wußte — bloß dieser
Wissenschaft und seiner Herrenstellung wegen. Die Poli-
zeiordnung für die Stadt Münster aus der zweiten Hälfte
des 16. Jhdts. *) enthält zum Schlüsse unter Nr. 9 und 10
einige Bestimtnlmgen über die, welche sich ehehafter Ge-
brechen usw. halber die „Bürgerschaft nicht gewinnen"
können. Sie sollen dem Rat gleichwohl ganz wie die
Bürger „mit Hidden und Aeydtspflichten** verbunden sein.
Bei Ungehorsam hiergegen werden sie ausgewiesen ; sind
e jedoch Dienstleute, dann sollen sie nicht die Strafe er-
fahren: „dan ein jeder i Herrschafft oder jHausswirth solle
Uns in diesem Fall wegen seines Dienst volcks und Ge-
sindes derselben Treu halben zu antworten (s o viel ihnen
davon kendtlich bewußt) schuldig seyn**. Nach
*) Scott! , Trier S. 1541. — «) „Unter Selbsthaftung" sollen die
Hausväter ihre Kinder zur Christenlehre schicken, wurde 1779 in
Trier angeordnet (Scott i S. 1810); auch hierin darf man wohl die
Festsetzung der herrschaftlichen Haftung für die vom Gesinde ver-
wirkte Strafe des Ausbleibens sehen. — •) Wintterlin, Württemb.
ländliche Rechtsquellen I S. 442 ff., bes. 444. — *) Sammlung f. Münster
1 S. 147; Schlüter, Provinzialrecht I S. 117.
— 262 -
hessischem Rechte durften die Hirten nicht in Gärten
hüten, vor allem auch nicht die Zäime und Hecken zer-
trü;m!m|e|m, um mit der Herde in die Gärten hineinzu-
kommeln (Edikte vom 12. Mai 1629, 9. Oktober 1647,
21. April 1654, 16. August 1688, 24. April 1702 1)). Die
Hirten wurden dafür gestraft. Ebenso die Eigentümer,
aber mit dem Unterschiede, daß 1629 der Herr ohne
Rücksicht auf Wissien oder Nichtwissen mit Strafe beleget
wurde, während die übrigen Edikte die Klausel enthalten :
„wofern derselbe Wissenschafft danmub gehabt". Ähn-
licheis wollte wohl die hessische Judenordmmg von 1749 *)
statuielren ; für die Zivilschulden seiner Leute haftet der
jüdische Gesindeherr, „was aber die Delikte e. g. stehlen
und dergleichen betrif t, wann der Hausvatter kein^i Theil
daran hat, ihm dissfalls auch nichts beygemessen werden
soll". Eine isenburg-birsteiner Verordnung vom
28. Februar 1791 *) wählte ebenso wie die vorgenannten
Gesetze die Regeltuxg, daß der Herr haftet, wenn er Feld-
diebstähle seines Gesindes „gut geheißen" hat; der Herr
soll die Strafe des Täters bezahlen.
Soweit es auf diese Kenntnis des Herrn ankommt,
wird ihm bisweilen ausdrücklich gestattet, sich durch E i d
oder bloße Versichenmg von seiner Verantwortung für
dem Knecht zu befreien oder doch seine Haftung zu min-
diem. Unter den vierzehn friesischen Landrechten
aus der ersten Hälfte des 13. Jhdts.*) bestimtnt das zwölfte:
„So wat ta;nt Idolelt . . . ofte knecht . . . ofte man un-
vorwarendes achter rugghe selven doe, ofte he by syner
witscap swiedren wil, dat it eme was unwitliken ende un-
wetene, ende nicht myt willen is ghedaen; so sal men
dat boten al myt halver böte, ende nynen vrede den luden
noch broke den richter". Ähnlich ist die Satzung im
») LO. II & 80, 136, 219, HI 329, 481. — «) Ebenda IV S. 1012.
— •) Sammlung des Amtsgerichts Langenselbold Nr. 87. — *) v. R i cht-
hofen, Rechtsquellen S. 40 ff., bes. 60, 61.
— 263 —
10. Landrechte *), besonders deutlich auch im d r e n t h e r
Landrechte von 1412*), wo statt des: Eides Beweis mit
zwölf Magen angeordnet wird. Ebenso wie die älteren
Friesenrechte gestattet das ostfriesische Landrecht
von 1515*) detoi Herrn, sich mit dem' Wissenseide frei
zu machein. Eine Bestimmung aus den „Stadtrechten,
welche in dem' Königreich B ö h e i m b und Marggraf thum
Mähren üblich" Von 1579 sei angereiht *). In Kap. XXVI
heißt es: „Und wann Jemand ein frevel wiederführet,
oder ein Hochlnuth von dess andern Haussgesinde oder
Diener vjerursacht wird, so soll dieser, dem etwas zu nahe
gewesen, Ihrem Herrn mit aussgeschnittenen Zettel, oder
durch eine mündliche Bottschafft befragen, ob dasi mit
semem willen oder auff seinem befehlich geschehen ist,
so soll man detm Herrn danunb fümehinien; Sagt er aber,
das es ohne seinen willen geschehen sey, so kan man sein
Haussgesinde danunb hösichuldigen/* Das hadelner
Landrecht von 1583*) gestattet dem' Dienstherm „Ent-
schuWigung** mit Unwissteinheit.
Als eine den Herrn zur Haftung führende Billigung
der Straftat des Gesindes gilt es einigen Rechten, wenn
das Gesinde nach der Tat im Hause behalten,
wird. Dief bei Hertz*) genannten Quellen geben dem'
Gedanken in mannigfachen Formen Ausdruck. Das gos-
larer Recht ^) zieichnet sich dadurch aus^, daß es die
Aushaltung dies Dienstes bis zum Ablaufe des Vertrages
gestattet, trotÄiem' das Gesinde vervestet ist; behält der
Herr es über die Zeit, dann muß er antworten.
Weiter haftete der Herr für Straftaten des Knechts
^heschränkbar, die dieser in seiner Begleitung a;u^-
geführt hat. Solche Regelung findet sich in friesi-
') Ebenda S. 68, 59. — «) Ebenda S. 527 (§ 27). - •) Wicht I
7^ — *) Habeische Sammlung (Götze III 12). - *) Pufendorf,
Obs. iur. I app. S. Iff., Teil II Tit. XXI. - •) S. 43. - ') Göschen
S.eO; Hertz S. 44.
— 264 —
sehen Quellen^) xind im regensburger Rechte von
1331*): „Swielich khecht auch mit seinen Herren firet>
swaz der mit im' tuet, . . . daz schol der here puzzen, ob
daz ist, daz dör Herre e swert ruchet e der chnecht."
Die eben genannte schaum'burger Polizeiordnung:
von 1615 läßt in deim angegebenen Zusammenhang den
Herrn jauch dann gestraft weiden, wenn er den Taten
des Gesindes „bey, an imd über'* ist.
Die Zeit der Polizeiordnungen schuf noch weitere
Gründö, die Dienstherren allgemein für Delikte des Ge-
sindes haften zu lassen. Die genannte katzenelnbo-
giemer Polizeiordnung von 1597 befiehlt den Herrn, sich
vor der Mietung die Zeugnisse der Dienstboten vorleg'en
zu Lassen; „zum fall sie ein solches nit thim, und hier-
nechsten sich finden würde, daß solche jre dienstbotten,
emtweder Imit dieberey, hurerey, oder andern ohnthaten be-
fleckt, und dergleichen in unserm gebiet zu thim ang^e-
fangiein hatten: Sollen herren und frawen weniger nicht,
als die dienstbotten selbsten, hierumb der gebür ange-
sehen, und zu behörender straf gezogen werden." Da-
mit die rhein- und wildgräfliche Landesordnung
von 1754*) besser gekannt imd mehr befolgt werde, ent-
hielt sie die Bestimmung: „Wie denn auch alle Eltern,
Pflegvätter und Angesessene ihren Kindern, Handwercks
Gesellen, Arbeits Leuten und Dienstbotten dasjenige, w^as
selbigen zu wissen nötig zu ihrer Nachachtung sorgfältig
einzuschärfen und so gewis darauf zu halten haben, als
sonsten sie sielbsten bey vorfallenden Vergehungen vor
Schaden imd Strafe haften sollen.**
Unviermeidbare Haftimg wurde des öfteren femer
für Einzeldelikte festgesetzt, ohne daß einer jener
Gesichtspunkte, Auftrag, Billigtmg usw. seitens des Herrn,
für die Verantwortungspflicht maßgebend wäre. Vor-
») Hertz S. 46. — ") v. Freyberg, bist. Schriften u. Urk. V
S. 109 ff., bes. 171. - •) Walch, Beytrflge V S. 212 ff., bes. 215.
— 265 —
oeiunlich handelt es sich dabei um Feld- und sonstige
agrarische Delikte. In einem; Gemeindebrief von Ober-
schneidheim im östlichen Schwaben von 1568 ^} findet
sich die Bestimmtmg: „Nach deme sich bisshero unssere
weiber und töchter auch mägd tmzimblicher weiss mit
kom abschneiden auch andern fruchten gehalten, gebieten
wir einen ieden bei vier Böhmischen solchess grassen^
zu vermeiden ; alss oft er oder ein haussgesinde begriffen
wird, ist for die ohne gnad verfallen". Ähnlich wurde
1595 in Lonsheim bei Kreuznach^) die Verrückung
der Malsteine durch Gesinde, 1680 in Schlechtbach*)
die Beschädigung der Felder durch Fahren, Weiden u. a.,
in Neunheim 1724^) das Grasen zu v<erbotener Zeit
mit Strafe bedroht. Nach einem hanauer Ausschreiben
vom 4. Mai 1725^) wurden in gleicher Weise die Herr-
schaften mit der öffentlichen Rüge belegt, wenn ihr Vieh
unter dem Gesinde Schaden getan hat. In Trier erging
am 22. Januar 1743 ein Erlaß «), der feststellt, daß „grund-
begierige Ackers- und Bauersi-Leuthe** und ihre Eaiechte
den Nachbarn Ackerfurchen abackem. Die Täter sollen
gestraft werden, „diesenthalben [soll] auch der Herr, aller
Einwendungen imgehindert, jederzeit angesehen werden".
Eine Haftung der Pfarrer für die von ihrem Gesinde ver-
wirkten Hutestrafen ergibt sich aus zwei hessischen Be-
kanntmachtmgen vom 16. Januar 1787 und 6. August
1787'); der geschädigte Dienstherr kann sich an dem
Lohne des Gesindes erholen. Als ländhches Sonderrecht
ähnlicher Art erscheint weiter die Vorschrift des vor-
hin angeführten Gemeindebriefes für Oberschneid-
') Wintterlin, Württemb. ländliche Recbtsquellen I S. 117 ff.,
bes. 118. — >) Grimm, Weistümer IH S. 769. — •) Wintterlin
a. SU O. S. 661 ff., bes. 668. — *) Ebenda S. 299. - ») St. A. Marburg.
Abschrift in den Akten der hanauer Regierung« Rcp. B. Gef. 47—52.
Ord. Nr. 86. Unten wird auf dies Ausschreiben noch weiter einzu-
gchen sein. — •) Scott i, Trier S. 1086. - ') LO. Vü S.U2, 184.
- 266 -
heim von 1568^). Das Flachsdörren darf nicht in den
Stuben am Ofen gleischehen. Handeln Dienstboten dem
ehtgegen, dann wird der Herr gestraft.
Sonstiger — mit dem ländlichen Wirtschaftsleben nicht
unmittelbar zusammienhängender — Einzeldelikte unter
unabwemdbarer Herrenstrafe seien folgende genannt. Ein
göttinger Statut vün 1444 *) trifft folgende Anordnung :
W"elnn bei Geschrei uiid Sturmläuten ein Knecht nicht
„to deir jacht" (d. h. Verfolgung der Feinde, verfolgende
Meinge) komimt, dann sollen sein Herr und er selber je
ein Lot „to broke ghevten" ; ist der Knecht der Aufforde-
rung dies Herrn nicht gefolgt, dann wird die Strafe vom
Kniechte allein erhoben. Nach der Ordnung des Echten
Gedings in Celle*) soll jedamlann seine Kinder, Schü-
ler und Geisinde zu ruhigem' Betragen in Straße unjd
Kirche ermahnen ; „wessen Kinder, Schüler oder Gesinde
darwieder handeln werden, derselbe [soll] in 3fl. Lübisch
Straffe verfallen seyn, und die Ihrigen, so darwieder ge-
handelt, [sollen] andern zum: Exempel mit Gefängniss
gestraffet werden.** Ein anderes „Straßendelikt** fand in
Hessen steine Regelimg. Am 31. Mai 1706 erging eine
Verordnung über die Straßenreinigung in C a s s e 1 *). Da-
nach haftet der Herr mit zwei Gulden, wenn seine Dienst-
boten den in der Ordnung enthaltenen Geboten zuwider
handeln. In zwei fuldischen Erlassen kommt die herr-
schaftliche Strafhaftung zum Ausdruck. Die Bettelord-
nung vom' 7. Jiuli 1725*) verbietet, den Bettlern an
der Haustür etwas zu geben, „wiedrigen Falls gegen
die Ubertrettere und vermlesisentliche Verächtere dieses
Landes Fürstlichen Verbotts, es geschehe auch solches
von ihnen selbsten, öder ihren Angehörigen, und Dienst-
Botten** auf 10 GM. Strafe erkannt wird. Ebenso ist es
*) Oben S. 266 Anm. 1. - •) v. d. Ropp, Göttinger Statuten
S. 168. - •) Pufendorf, obs. iur. I app. S. 229 ff., bes. 288. -
*) LO. III S. 548. — ») Samml. d. cass. Reg. DI S. 981.
— 267 —
in denn Mandat wider das Rauchen vom 25. Oktober
1764^); die Hausväter haften für die von ihren Kindern
und Diexistboten verwirkten Strafen und erhalten außer-
dem „auch die ihrer Seit wohl verdiente** Strafe.
Dieser unumgän^hchen Strafhaftung des Herrn ge-
genüber trat schon in frühen Zeiten die Beschränkiuig:
der herrschaftlichen Verantwortung auf den Betrag des
Lohnes. So bestümmt der Sachsenspiegel') den rück-
ständigen Lohn als Maß der Herrenhaftung: „Nieman
en ist vor sinen knecht phlichtic zu antwurtene vorbaz,
wen als sin Ion gewieret, her en werde sin bürge.** Diese
Lösung findet sich ferner in friesischen Quellen, im
Rechte Goslars, Gothas, Hadelns (1583)*); im
Schwabenspiegel, in Ruprechts Landrechts-
buch *). Von neuerem' Rechte bedarf eine Bestimmtung des
mühlhäuseir Heimbuches von 1736*) näherer Erläu-
terung: „Welchen Bürger, Inwohner imd Landes-Unter-
thanen, die Schützen und Knechte, auf Befehl derer Heiml-
bürgen fordern, derselbe soll selbst erscheinen, und nicht
sein Gesinde schicken, bey Straffe acht guter Groschen,
masseii ein jeder vor sich imd sein Gesinde Rede und
Antwort zu geben hat. £s wäre dann, dass der Dienst-
bothe keinen Lohn stehen hätte^ und solches von dem*
Herrn dem Heimbürgen-Amte angezeiget würde, welchen-
fals das Amt an den Freveler allein sich halten soll.**
Die Stelle kann nur folgenden Sinn haben : Gesinde hat
etwas Strafbares begangen. Da der Herr nicht nur für
die Strafe einstehen, sondern auch selber für das Ge-
sinde auftreten mtiß, so werden acht Groschen Strafe
angedroht für den Fall, daß der Herr doch nicht selber
*) Ebenda Bd. VI ohne Seitenzahl - «) II 82. — •) Pufendorf,
Obs. iur, I app. S. Iff., Tit. XXL — *) Maurer S. 166 (Cap.186);
die flbrigen Stellen bei Hertz S. 44. Vgl. z. B. auch Estors
Teutsche Rechtsgelahrtheit II § 4691« ^ ') Stftdt. Bibliothek Mflhl-
hausen.
— 268 -
kommt. Ddr zweite Satz handelt nicht von dieser Ord-
mmgsstrafe, sondern von der dem Gesinde für das Delikt
'droheinde Strafe. Für diese also haftet der Herr nur so-
wieit, als noch Lohn rückständig ist.
Noch weitere Beziehimgen hatte die Herrenhaftimg
ziün Lohnrechte, Beziehimgen, die schon deutlich die Ba-
nalisierung des alten Mimtgedankens verraten. Cin 1655
abgeschjossener Vergleich „zwischen denen im flecken
Trochtfelfingen sesshaften adelspersonen und denen
gemeindsleuthen" ^) handelt davon, daß die Dienstboten
der Adeligen für ihre Feldfrevel von ihren Herren zur
Strafe angehalten werden sollen; der Herr hat die Ver-
pflichtung, „da derselbe (Dienstbote) vor erlegung der
straf davon gehlen würdt, an seiner statt zuebezahlei^
derentwegen ihme der edelmann mit zeitlicher inn-
haltung seines lohns ihme zu yigilirn wissen würdt*'.
Hier tritt ziun ersten Male erkennbar das Prinzip auf,
daß der Herr bloß um deswillen haftet, damit der Staat
die Geldstrafe bekommt; der Fiskus hält sich lieber an
den kapitalkräftigen und ansässigen Dienstherm als an
dein Dienstboten, der keine .bleibende Statt imd kein greif-
bares Vermögen zur Straf vollstreckimg hat. Ähnlich findet
sich in den kurfürstlich hannoverschen Landgerichts-
artifceln, die unter Ernst August (1679 — 1698) galten*),
!die Anordnung, daß ein Dienstherr den Lohn seines Ge-
sindes, das „in Unzucht betreten" wird, nicht auszahlen
darf; vielmehr soll der Herr von dem zurückgehaltenen
Lohne die Strafe erlegen. Am offenbarsten tritt jene Miß-
bildung der Mimtidee im hessen-darmstädtischen
Rechte auf. In einem Erlasse vom 5. März 1700*) wird
mitgeteilt, daß das Gesinde im Sommer allerhand Feld-
frevel und sonstige Exzesse verübt ; wenn die Deliquenten
») Wintterlin, Württemb. ländliche Rechtsquellen I S. 50 ff.,
bes. 51. — •) Pufendorf, obs. iun II app. S. 849 ff., bes. 356. -
*) Haus- und Staatsarchiv Darmstadt Höpfnersche Ediktensammlung-
- 269 -
später bestraft weriien sollen, sind sie nicht mehr zur
Stelle oder haben doch keinen rückständigen Lohn mehr
zu fordern, der sich als Strafe pfänden ließe. Daher wird
bestimlmt: Wjenn hinfür Feldschützen Gesinde treffen,
das im Felde Schaden tut, haben sie es den Beamten an-
zuzeigen. Dieise sollen sogleich dem Brodherm anbefehlen,
dem Frevler so viel oder etwas mehr vom! Lohn einzu-
halten, als die Beamten meinen, daß an Strafe verwirkt
ist. Dem Brotherrn ist anzukündigen, daß er dafür stehen
und zahlen mtiß, wenn er dem Gesinde soviel Lohn nicht
zurückbehält, Imd wenn infolge davon die Strafe nicht er-
langt we|r<den kann. Nachlässige Beamte haften dafür
ebenfalls. Ganz ähnlichen Sinn hat ein Bescheid des Land-
grafen Ernst Ludwig für den breidenbacher Grund vom:
20. Oktober 1738^). Genau dieselbe Regelimg wie 1700
in Darmstadt — nur imter Weglassung der Beamtenhaft-
pflicht — geschah 1710 in der villinger Dependenz Bri-
gachtal*). In der hessischen Feldrügordnung von
1826') lautet die Vorschrift übefr die Herrenhaftung für
Hirten: „Für die einem' Hirten zur Last fallenden Kosten
und Schadenserstattung sollen bei deren Unbeitreiblich-
keit die Besitzer des Viehes, welche nicht schon als Mit-
schuldige des etwa mit ihrem Vorwissen begangenen Fre-
vels solidarisch verurteilt worden sind, nach Verhältnisi
<ter Anzahl der ihnen .zugehörenden Stücke Vieh mit-
haften, vorbehaltlich ihres Regresses an dem Hirten mit-
telst Abzuges an dessen Lohne oder auf sonst statthafte
Weise." Der weitere Inhalt dieser Bestimmung läßt er-
keamen, daß wohl nicht der Muntgedanke in erster Linie
diese Festsetzung der Herrenhaftung veranlaßt hat, als
vielmehr die Absicht, dem Geschädigten die Verfolgung
seiner Ansprüche tunlichst zu erleichtern.
') St. A. Marburg. Sanimelband von Verordnungen u. s. w. aus
dem Breidenbacher Grund, S. 879/80. — ") Oberrhein. Stadtrechte II
1 S. 120. — •) Möller-Fuchs S. 660ff., bes. 566,
— 270 -
Des Herrn Haftung für Strafe, die das Gesinde ver-
wirkt hatte, fand einen gewissen Ausgleich in der seltenen
Bestimmung, daß eine Buße, die der Knecht wegen
einer Körperverlet2ung ta fordern hatte, in gleicher Höhe
auch dem Herrn zufiel. Der Sachsenspiegel^),
Schwabenspiegel*), das goslarer Recht') und
'Ruprechts Landrechtsbuch*) bestimmen in ähnlicher
Weise (Ssp.): „Swer so eines miannes knecht slet oder
v»eht oder raubet nicht wen durch des herren schult, nah
iiefchte sal her in beiden buze gebn, her en turre
daz iiffen heiligen geweren, daz erz deme herren zu lästere
noch zu schaden habe getan ; so ist her» der einen buze
ledic.** Der Sachsenspiegel fügt eine rationalistische Be-
gründmxg an: „Zu lästere siege ich dar umbe, ab her in
slet diirch des herren schult und nicht durch des knechtes
oider durch ir .beider schult. Zu schaden sage ich dar
utnbe, ob her in also geslagen hat, daz ein herre sines
dmstes an ime gehindert ist; daz sal her deme herren
biezzern, also der knecht solde, ab her uz des herren
dinste ane recht were komen, und buze in beiden, her
en neme sich des lasters und des schaden ab uffen heiigen
gein des mannfes herren, den her geslagen oder gevangen
hat.** Gleichwohl muß man aimehmfen, daß die Munt-
schaft des Gesindeverhältnisses mindestens .in gleicher
Wiedse Veranlassung zu jener Bestimmung gab wie die
Erwägung, daß durch die Arbeitsunfähigkeit des Knechtes
auch der Dienstherr geschädigt wird.
Noch freudiger als im Strafrecht mußte eigentlich
dter Staat die günstige Gelegenheit ergreifen, von der
zahlungsfähigem Dienstherrschaft die dem Gesinde ob-
liegenden öffentlichen Abgaben einzuziehen. Aber
— von deim nachher behandelten Sonderrechte des Juden-
schutzgeildes abgesehen — lassen sich nur wenige Beispiele
») II 34. - ») Art. 179, - ») Göschen S. 46. - *) Maurer
3. 140.
— 271 —
dafür aufwedsen, daß das vom Hausherrn erlegte Steuer-
oder Gebührengekl allgeinein für die Hausgenossen und
so auch fürs Geäinde gilt, oder daß der Herr geradezu für
die dem Gesinde im einzelnen auferlegten Abgaben
haftet.
Im Gögenteil setzt zami Beispiel das mo r i n g e r Stadt-
recht^) fest, daß die Bürger die sie selber angehenden
Steuern bezahlen müssen, „wor ok kyndere, knechte edder
iri^ede woren, dede gud hedden, dat schuUen se dem
rade vorschoten lik anderen unsen borgern und borger-
schejQ."
Die Erstreckung der hausherrlichen Abgabenzahlung
auf seine Familie xmd damit auch das Gesinde wird in
folgernden Satzungen angeordnet. 1337 erhielt Diedrich
von Wielverlinge vom Rat der Stadt Braunschweig
die Erlaubnis, ein Haus ta bauen *). „Van deme sulven
hus schal he; gbeven alle jar deme 'Rade to der sthottyd
\w schillingie vor sek imde vor sin ghesinde, dhe dar
mne wonet". Daß das von dem Herrn gezahlte Wachtgeld
für die Familie vmd das Gesinde, aber für keine weiteren
Hausbewohner gelten soll, bestintote ein kölner Statut
von 1462 ^) : „Want sich erfonden hait eyne zejt her, dat
man mit ddm' gelde^ die tymüneistere lieveren, nyet en
mach zokomen, den nachtzwechteren damyt yren gewoen-
lichen loyn zo ghöven, so haint unse heren v. r. darup
verdragen, wae in eyme hüyse mte dan eyn par volcks as
man ind wyff mit yrem gesijnde woenent, dat
die tyrmmeistere aldair van yederem' par volcks, manne
md wyff, heysschen ind boeren soilen besonder wachgelt,
ind yeder par volcks* sali dat wachtgelt sonder indracht
schuldich sijn zo ghelven/*
'} Zeitschr. f. Rechtsgeschichte VII S. 290 fr., bes. 307. —
*) Hänselmann. Urkundenbuch III S. 386. — ») Walther Stein ,
Akten II S. 888.
— 272 —
Als 1544 in Jülich die kaiserliche Türkensteuer rc
partiert werden sollte, entwarf man ein Verzeichnis, ii
dem es heißt: „Ein ider huisgeseess sal für sich und sii
huisgesint gevien und sulchs dem huisgesint an sinec
loen afzehen/* ^). Aus H e s s e n ist gleichfalls des Türker
steuerrechtes zu gedenken. Anders als 1544 in Jülicl
bestimmte die hessische Türkensteuerordhung von 1532 ^]
daß die Dienstboten selbständig besteuert werden sollteii
Die Steuererhebung freilich geschah, wie das im Ori^rinal
vorhandene Türkensteuerverzeichnis des Amts Ziegenhaü
aus 1542*) ergibt, in der Weise, daß ru dem Werte de
steuerbaren Vermögens der Dienstherrschaften der den
Gesinde gezahlte Lohn hinzugezählt imd die gesiamt<
Steuer so vom Herrn erhoben wurde. Weiter muß eii
marburger Konsistorialausschreiben vom 8. Mai 1769^
genannt werden. Es schafft den beim Abendmahl in pro
testantischen Kirchen Von der Gemeinde noch entrichteten
Beichtpfennig ab, weil „allerhand ärgerliche Stellungen
dabey vorgingen", ja wohl gar böses Geld hingelegt wurde
Künftig soll jeder Kominunikant den Predigern einen
Cass. Albus ziun neuen Jahr geben „imd jeder Hausvattei
für seine übrige Hausgenossen stehen".
Eine mainzische Notsteuerordnung vom 20. De-
jsember 1701 *) Verquickt in ganz sonderbarer Art Haftung
des Herrn für eine Subjektsteuer der Dienstboten mit
deren Objektbesteuerung. Die Ordnung setzt fest, wie
die Kopfsteuer von den Geistlichen im Erzstift zu er-
heben ist. Zunächst enthält sie eine Übersicht über die
vier Klassen der Steuerträger, von den Weihbischöfen
bis herab zu den Organisten und Glöcknern. Weiter folgt
der Steuersatz für die über vierzehn Jahre alten Kinder
der weltlichen Bedienten. Und schließlich kommen die
») V. Below, Landtagsakten I S. 647. — «) LO. II S. 245. -
•) St A. Marburg. - *) LO. VI S. 541; Büff, Kirchenrecht S. 868.
^ *) Habeische Sammlung.
— 273 —
Hubriken: „Dienstbotten** (Knecht, Junge, Magd) und
,,Das Viehe**; von jedem Stück Vieh wird genau so eine
Abgabe erhoben wie von den Dienstboten. Soll diese
Steuer der Dienstboten nim eine Subjektsteuer sein, für
die den Behörden die Dienstherren haften, oder gilt das
Gesinde gleich dem besteuerten Vieh als Objekt etwa
einer Art Luxussteuer ? Aus Mainz ist noch eine Ver-
einbarung der Gemeinde Kostheim mit dem Kloster
Altenmünster zu. Mainz vom 11. Oktober 1730 ^) zu nennen.
Da wird angeordnet: „Sollen die Färchen (Fährmänner)
von einem jeden einzelnem Inwohner zu Costheim . . .
mit allem seinem Hausgesind das Jahr diu-ch den Mayn
über tmd herüberzufahren, erheben fünffzehn Kreuzer."
In dem Kopfschatzedikte fürs Fürstentum Pader-
born von 1788*) heißt es imter 9: „Jeder Hausswirth
ist schuldig, für die Seinige xmd sein Gesinde, wie auch
für seine Häuslinge imd deren Hausgenossen das halbe
Jahr über^ in welchen der Kopfschatz beygefordert wird,
einzustehen, und für selbige das Kopfgeld zu entrichten,
jedoch ist ihme auch gestattet, an deren Lohn oder son-
stige Habseligkeit sich zu erholen \uid schadloss zu halten.'*
Schließlich noch einige kurze Feststellimgen über den
Rechtszustand im Königreich Westfalen, der be-
sonders durchsichtig ist. Ein Dekret über Personalbe-
steuerung vom 27. Oktober 1808*) ordnete an: „L'impöt
personnel sera assis sur les familles; le chef payera potu*
tous ceux qui la composent ..."; aber: „les domestiquea
de tout genre ne seront pas cens^s faire partie de la fa-
mille; ils seront cotis^s s^par^ment*'. Dies umständliche
Verfahren bei der DienstbotenbestJeuerung behielt man
nicht bei; man sah ein, daß eine Erhebimg der Steuer
') Nach Aufzeichnungen Bodmanns über das Recht der Main-
fahrt zu Kostheim (Habeische Sammlung). — *) Landesverordnungen
Paderborn IV S. 381. — *) Bulletin des lois 8. Band S. 666 £f., bes.
668, 672.
18
— 274 —
vom Hausherrn auch für die Abgaben seitens des Ge-
sindes das bequemste sei. So bestimimte deim die Per-
spnalsteuerordnung vom' Dezember 1811 ^), daß die Haus-
hbrm für ihr Gesinjde die Steuer zahlen sollen. Reixi
praktischie Gesichtspirnkte waren für diese Änderung be-
stimmend ; völlig fem liegt der Gedanke einer mimtschaf t-
lichen Stellvertretung*).
Bei der Aufnahmie von Juden in den landesherr-
lichen oder städtischen Schutz wurde das Schutzgeld
wohl sti^s für die gan^ zuziehende oder neiubegründete
Familie erhoben^).
Als Beleg sieien einige Notizen aus Mainz*) geboten.
1365 nahm die Stadt gegen 80 Goldgulden auf „meister
Jacob den judden, raby von Northüsen, Bolte sin hus-
frauwe imd sin zwene sone Kauffman und Liebman und
ire hausfrauwen, Meyem sin enkeln und ire Kinder . . .
und Gesinde die in irem brode sint und keyn
eygen gut nit enhan". In ähnlicher Weise erfolgten
Jude-nannahmen seitens des Erzbischofs zum Beispiel 1463.
Hier gilt das Geld aber nur für einen Knecht imd eine
Magd mit. Der hessische Landgraf Ludwig I. nahm
1414 geigen drei rhein. Gulden einen Meier aus Frank-
^) Moniteur Westphalien 1811 S. 1225 ff., bes. 1226; das genaue
Datum der Ordnung ist nicht angegeben. — *) Es mag in diesem
Zusammenhange auf die — freilich anders begründete — Anordnung
des neuen deutschen Reichsgesetzes Ober den Versicherungsvertrag
von 1908, § 85, verwiesen werden, wo die Rede von der Erstreckung
der herrschafUichen Feuerversicherung auf die Sachen des haus-
angehörigen Dienstpersonals ist — *) Über die Judenabgaben im
allg. vergleiche L Rösel, Die Reichssteuem der deutschen Juden-
gemeinden von ihren Anf)Uigen bis zur Mitte des 14. Jhdts. (Schriften
der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums),
Berlin 1910. Leider ist für die speziellen, hier und an anderen Stellen
dieser Arbeit behandelten Fragen des Judensteuerrechts bei Rösel
gar kein Material zu finden, selbst nicht im Kapitel von der Auf-
bringung der Jahressteuer (S. 89 ff«). — *) AuszOge aus Materialsamm-
lungen Bodmanns über das Judenschutzrecht (Habeische Sammlung).
— 275 —
fürt auf, ihn, seine Frau Sara, sieine Kinder und sein Haus-
gfesinde ^).
Auch gieisetzlich wird der Gedanke, daß das Gesinde
mit in die durch das Schutzgeld bezahlte Aufnahme ein-
begriffen ist, ausjgesprochen. So 1684 in Schaumburg-
Lippe in einer der angeführten hessischen Regelung
verwandten Art '). Das vom Judenvater für seine Familie
zu erlegende Schutzgeld galt auch für eine Magd mit;
für einen Knecht (mehrere ru halten war den Juden ver-
boten) imd für zwei tmd mehr Mägde mußte besonderes
Schutzgeld gegeben werden*). Vielleicht lassen auch die
Art. 11 imd 9 der hessischen Judenordnimgen von
1739 und 1749^) den Schluß darauf zu, daß das vom
jüdischen Hausherrn erlegte Schutzgeld für das Haus-
gesmde mit galt. Ein Jenaer Reskript vom 12. Dezem-
ber 1783*) schließlich bestimmte, daß ein Jude, der auf
den buttstedter Markt reist, „nur für seine Person und
für <seiDe{n Judenfcnecht vom Leibgleit an 21 gr. frey** ist.
In einer Fülle von Rechtssätzen kommt der Gedanke
dermuntschaftlidhenStellvertretungzum Aus -
druck. Die zivilrechtliche Haftung des Herrn für rechts-
geschäftliches oder einseitig verpflichtendes Handeln des
Knechts wird gesetzlich ausgesprochen oder sie wird aus-
drücklich ausgeschlossen, woraus man auf ein früheres
Leben der Idee schließen darf.
In kaum wieder anzutreffender Verfolgung des Ge-
dankens bis zur letzten Möglichkeit setzt das kleine
Kaiserrecht®) fest: „Ein iglich knecht, den der here
gedinget hat zu dienst, im hat sin gewalt sins gescheftes, der
*) Salfeld, Die Judenpolitik Philipps des Grossmfltigen, in
Philipp d. Gr., Beitrage z. Gesch. s. Lebens u. s. Zeit, hsg. vom
Hist. Verein f. d. Grossherzogtum Hessen, Marburg 1904 S. 519 ff. —
') Landesverordnungen Schaumb. - Lippe II S. 91. — •) VgL auch
Scotti, Trier S. 260, 382 (aus 1518, 1568). — *) LO. IV S. 689, 1018.
- •) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar V S. 19. — •) Endemann
n 29; oben S. 16.
18*
- 276 -
mag im sin varndes gut veruzzern, ab er wil un-
recht tun, daz ez der here enbem muz. Er mag auch
im schulde machen zu den, die im borgen, daz er sie
gelten muz ..."^). Die beiden hauptsächlichen Möglich-
keiten, wie der Knecht den Herrn in Schuld und Verlust
bringen kann, sind hier genannt : Veräußenmg von Eigen-
tiun des Herrn, Begründung von Schulden durch rechts-
geschäftliches Handeln. Im Zusammienhang mit einigen
weiteren Fällen sollen diese Arten der herrschaftlichen
Haftung für Zivilverbindlichkeiten, die das Gesinde ein-
gegangen hat, im folgenden behandelt werden, imd zwar
in dieser Anordnung: 1. Veräußerung von Eigentum der
Herrschaft, 2. Verlust oder Beschädigimg von Sachen
der Herrschaft, 3. von der Herrschaft zu vertretende
Schädigungen Dritter, 4. Begründung von Schulden durch
Vertrag zu Lasten der Herrschaft.
Die Regelung der Frage, ob der Dienstbote Sachen
seines Herrn ohne dessen Zustimmxmg veräußern
kann, ist schon zur Zeit der Rechtsbücher durchaus nicht
miehr überall in der vom Kaiserrechte gewählten weit-
gehenden Art geregelt worden. Überhaupt herrschte bei
weitem die Auffassxmg, daß der Gewalthaber durch Ver-
pflichtungshandlungen seiner Untergebenen, der Frau und
der Kinder, nicht gebxmden werde*). Für die Stellung
*) Das ganze Kapitel ist oben S. 16 mitgeteilt; es sei hier auf
die weiteren, immer wiederkehrenden Ausftlhrungen des Gedankens
in diesem einen Kapitel verwiesen. — •) Zum Beweise: Schröder,
Gesch. d. ehel. Güterrechts II 1 S. 109; schleswiger altes Recht
12.Jhdt. § 89 (Thorsen, d. d. jütischen Low verwandten Stadtrechte
S. 88 fr.), Flensburg er Stadtrecht 1284 Nr. 88 (ebenda S. 55 ff.);
Stadtrecht von Augsburg, Zusatz zu 1276 Art. 48, Nordhausen
1808 (Förstemann III 2 S. 29), M 0hl hausen 14. Jhdt (Lambert
S. 146), Manchen, Zusatz zu 1847 (Auer S. 279), Traunstein
1875 (Westenrieder, Glossar. IS XXXI), Überlingen 1566 (Mosers
Reichsstfltt. Handbuch II S. 798), Bielefeld 1578 (Wigand, Provin-
zialrechte II S. 40), Frank f u rt 1617 (Moser a. a. O. I S. 585), Trier
1618, 1725 (Scott! S. 591, 881), Rem da 1685 (Joh. Schmidt, Gesetze
. Weimar VUI S. 80).
— 277 —
des Herrn gegenüber Rechtsgeschäften des Gesindes ist
die folgrende Stelle des Sachsenspiegels^) maßge-
bead: „Vortoppelt (= verspielt) ein knecht sines herren
gut oder verseczet erz oder verkouft erz, der herre maö
ez wol vorderen mit rechte, deste her sich dar zu zihe,
als recht ist.*'*) Fast alle Rechtsbücher und Stadtrechte
Nord- und Süddeutschlands übernahmen diese Regelung ^)
lind erkannten damit an, daß das Gesinde mangels Be-
sitzes auch keinen geschützten Besitz übertragen kann*).
Einige, vornehmlich süddeutsche Quellen, legen dem
Diensther m erst noch den Beweis (gewöhnlich durch Eid)
über sein Eigentum auf. Das augsburger Recht von
1276 *) verlangt von der Herrschaft, sie solle „bereden . . .
daz ez ir gut si". In einem Zusätze zum Stadtrecht *J
heißt es dann: „Sprichet aber iener, dem ez da gesetzet
ist, daz er des nicht gelouben welle, daz ez sin gut si,
so sols in der herre bewisen mit seinem eide: und als
€z danne an den eit gat, so mag der man einen siner ehalten
wol da hin stellen mit rehte, der den eit für in tu, wände
ez im baz chunt ist danne sime herren. Und als daz
geschiht, so sol manz im wider geben an allen schaden."
Nach Kaiser Ludwigs Rechtsbuch') und dem f rei-
singer Stadtrecht«) soll der Dienstherr sein Gut wieder
bekommen, „ob er swert, daz ez sein guot ist". Aus Nord-
deutschland ist das nordhauser Recht von 1308®) an-
zuführen: „Vorspelt eines mannes . . . knecht . . . sines
herren . . . dinges icht, daz sal iene, des is ist, uszy uf
yen heligin, abhe wil, ab hez ieme nicht gelegin het
*) III 6. — *) Eis folgt die Bestimmung, dass der Knecht seine
eigenen Sachen verftussem darf, ohne da-s ein Recht des Herrn ent-
gegensteht; weitere Quellen Hertz S. 62. — ») Hertz S. 62. —
) Hierauf beruht wohl auch das Sprichwort „Lieber vom Herrn ge-
kauft als vom Knechte"; Simrock, Sprichwörter S. 248. — *) Meyer
Art 106. 188. -•) Ebenda S. 220. — ') v. Frey berg, bist. Schriften
«• Urk. IV S. 883fr., bes. 478. - \ Ebenda V S. 219 - •) Forste-
mann, Neue Mitteilungen IH 2 S. Iff, bes. 29.
— 278 —
unde sal daz sine mit sechs phenningen lose, Loukeat
aber iene des phiandes, di eod inne het, 90 git hi zen
Schillinge demie rate." Diese Stelle gesi6attet femer dem
Herrn die Zurückforderung nur gegen Erlegung eines
gjeringen Lösegeldes^).
Einen besonderen Fall der Verfügung des Knechts
über Vermögensstücke des Herrn, nämlich über einkas-
sierte Forderungen, regelt Ruprechts Stadtrechts-
buch'): „Ist das ein herr seinen knecht aussenndt nach
gellt, das nUan jm' .gelltnn sol, unnd der gellter geit dem
knecht das guet, unnd der knecht kümpt zue seinem
herm imd spricht, es sey jm nicht wordenn, unnd be-
hallt das guet, imd stet abx> untz das der herr seinem
gielter selbs anvodert, imnd der spricht, er hab jm es
giesanndt bey seinem knecht. Wir sprechen alzo. Er sol
den chnecht das guet anvodemn imd nicht den gellter/*
Also durch Leisttmg an den beauftragten Knecht wird
der „gelter** frei; der Streit spielt sich zwischen Herm
und Knjeicht ab.
In der späteren Zeit blieb das Recht bestehen, daß
der Dienstherr an Verfügungen von Dienstboten über sein
Vermögen nicht gebunden ist. Durch Strafvorschriften
widär ungetreue Dienstboten«) imd Leute, die Dienst-
boten offensichtlich veruntreute Sachen abkaufen oder
zum Pfände! abnehmen, sollte dem' Rechtsgebilde zur
Wirksamkeit verholfen werden.
Vereinzelt komimen derartige Sichienmgsvorschriften
schon im 14. Jhdt. vor. Die Stadtordnung für T raun-
st ein von 1375*) bestimmt: „Wer icht chauft von der
burger chinid, oder ir diener, iVon chnecht oder Diem
heimlich chawf, wo mlan dez irm würt, der shol dem
Richter bc, der Stat Ix, dem sherigen IUI.** Zwei Mark
') Hierzu Hertz S. 62, 58. — ") Maurer, S. 829ff; (II 79,
90). — •) Ober Gesindestrafrecht unten § 7. — *) Westenried er,
Glossorium Germ.Lat. I S. XXm ff., bes, XXXI.
— 279 —
ist die Hehlerstrafe, die in kern da wohl im 14. Jhdt.
festgesetzt wurde ^); „hetten Sie des ^ths nicht, So sol
man ihn dass abnehmen. An den^ Leibe, Und darfür sol
niemoiKl bitten".
Die bielefelder Bürgersprache von 1578*) be-
gnüirte sich mit dem Verbote, Hausangehörigen, darunter
auch Dienstboten, ohne Wissen des Hausherrn Pfand-
stücke abzunehmen ; das Pfand muß wieder herausgegeben
werden. Einen Gulden betrug die Strafe desjenigen, der
Herrengut von Hausangehörigen ohne Wissen des Haus-
herrn kaufte, nach einem Weistiune des Fleckens Lan-
genlonsheim (zwischen Kreuznach \md Bingen)*).
Die Gerichts- und Polizeiordnung für Wissgoldingen
in Schwaben*) setzte kategorisch fest: „Welcher oder
welche ehehalten oder kindiem wasi abkaufen, sind 1 fl. z\ir
straff verfallen**. Insblesondere den Goldschmieden unld
den Juden wurde ein solches unredliches Verhalten Unter
Strafen verboten, so in Fulda mit den Judenordnungent
von 1615, 1633*), 1751«), Schaumburg durch die Poli-
zeiordnung von 1615 ^), F ran kfurt 1617 «), Kö In 1700 »),
Lauenburg 1709 und 1735 1<>), Trier 1723"), Mainz
1749"), Isenburg 1760"), Nassau 1770^*), Sayn-
Wittgenstein 1776"), Weimar 1777").
') Wa Ich, Bcytrage VIII & 286 ; wiederholt 1686: Joh. Schmidt,
Ges. f. d. Forst Weimar VIII S. 27 ff., bes. 80. Die frankenhauser
Statuten von 1568 IV 88 (Walchs Beyträge I S. 848) scheinen dem un-
treuen Gesinde mit Strafe zu drohen. --■)Wigand, Provinzialrechte
des Fürstenth. Minden II S. 40. — ») Grimm, WeistOmer II S. 16801,
bes. 166. — *)Wi n 1 1 e rl i n »Württemb. landliche Rechtsquellen I S. 798 ff.,
^ 866. — ») Sammlung der cass. Reg. I S. 688, 699. — •) St. A. Marburg.
- ') Rottmann S. 898 (Kap. 62). — •) Moser. Reichstatt. Handbuch I
S.675ff:,bcs.686, — •)Scotti, Kölnll S.667. - '•) Spangenberg,
Verord.f.HannoverIV2S.864,609.— ")Scotti,TrierS.881.— ")Kers-
^ing. Sonderrechte Sp. 1067. — »•) Ebenda Sp. 988. — »•) Corp. Const.
Nass. VI S. 59. — >») Polizeiordnung. Univ.-Bibl. Marburg. — >•) Joh.
Schmidt, Ges. f. Weimar IV S. 168.
— 280 —
Anders als bei der unredlichen Verschleppungr von
Eigentum der Herrschaft lassen mehrere Rechte einen
unbeabsichtigten Verlust oder eine solche Beschä-
digung eines herrschaftlichen Vermögensstückes durch
das Gesinde zum Nachteile des Dienstherm ausschlagen.
Der Sachsenspiegel fährt an der angeführten
Stelle^) fort: „Wirt aber ime sin phert oder ander sin
gut dubliche oder roubliche genomen in des herren dinste,
ane des knechtes schult, daz muz ime der herre gelden."
Kaiser Ludwigs Rechtsbuch von 1346*) führt den
Unterschied durch, ob der Knecht in des Herren Dienste
oder zu seinem eigenen Vorteil die Arbeit verrichtete,
bei der ihm ein Verlust zustieß. Wenn dem Knecht sein
eigenes Gewand oder Pferd im Dienste des Herren weg-
genommen wird, dann muß ihm der Herr Ersatz leisten.
Dagegen braucht der Herr nichts zu geben, wenn der
Knecht mit eigener Habe und mit solcher des Herrn für
diesen über Land fährt, und Sachen beiderlei Art ihm
genommen werden ; hier verliert der Knecht seine eigenen
Sachen und zugleich zu schaden des Herrn dessen Eigen-
tum '). Wenn der Knecht ohne Erlaubnis des Herrn dessen
Pferd zu eigener Verwendung ausreitet und das Tier ein-
büßt, dann gilt der Schaden nicht wider den Herrn; der
Knecht haftet*). In weiterer Ausgestaltung gibt das f rei-
sin g e r Recht in der Fassung von 1359 *) diese Sätze
wieder. Sodann ist noch ein Vertrag zwischen dörn-
bergschen Familiengliedem vom 19. Augrust 1536^)
anzuführen, worin es heißt : „Worde aber ein teil in sienen
eigen ader frembden Sachen einen ader meher gemein
knecht bruchen ader vorschicken und alsdan der ader
dieselbigen knechte in solchem rithen ader dienst an iren
») III 6. — «) v. Freyberg, bist. Schriften u. Urk. IV 8.888 ff.,
bes. 426, 478. — •) Art. 98. — *) Art. 276. — ») v. Freyberg a.a.O.
V S. 162 ff., bes. 184, 220. — •) St A. Marburg. Depositum der
Freiherren von DOmberg.
- 281 -
pferden schaden nemen ader vorderben worden, so selten
dieselbigen pferdtsschaden von denihenigen, in des bevele
und geheis sie geritten weren, one des andern zuthun
bezalt und entricht werden." Daß jeder Vertragsteil eines
Leihvertrages für die Beschädigung, die der Leihgegen-
stand durch sein Gesinde erleidet, die Schuld gegenüber
dem andern zu tragen hat, bestimmt auch das s o 1 m s e r
Landrecht 1571 ^) ; da über den Rückgriff auf das lässige
Gesinde nichts weiter im Gesetze bestinmit ist, muß diö
Regel, daß der Dienstherr den Schaden trägt, auch im'
Verhältnis zwischen Herrn imd Gesinde gelten.
Über SchädigungdritterPersonen durch Ge-
sinde zu lasten seiner Herrschaft ist bereits oben im Ab-
schnitte von der strafrechtlichen Verantwortimg des Herrn
gehandelt worden ; die Bußleistungen enthalten Strafe und
Ersatz in sich. Die im folgenden angeführten Rechts-
satze regeln keine mit Strafen verfolgten Delikte, sondern
behandeln straflose Schädigungen anderer Personen, für
welche die Ersatzleistung geregelt wird.
Das westerwolder Landrecht*) ordnet folgenden
Rechtsfall: „Of ene hadde een denstknecht, den hy be-
vole syn buerschap, die salmen anders geen warck be-
velen; bevelmen hem wark, dat hy bewysen konde, wat
schade daer over geschege, solde die here des huses
voer staen." Wenn also der Herr dem Knecht ein Werk
anbefiehlt, das über die buerschap hinausgeht, dann soll
der Herr den schaden vertreten, der dadurch entsteht.
Eine andere Art genereller Haf txmg des Herrn setzen die
goslarer Statuten fest'): „Welk unse borghere ridet
in örloghe, de schal wif unde kindere unde ghesinde sich
volghen laten ut unser stad gherichte. Ne dede he des
') II 8. — •) v. Rieht hofen, Fries. Rcchtsquellen S. 258 ff.,
^.270. buerschap = Amt eines Bauernleisters? vgl Schiller-
LObben I S. 457. -») Göschen S.lOl. orloge = Krieg, Schiller-
Lübben III S. 285.
- 282 -
nicht, nimt dar umiDie ienich unser borghere schaden,
denle !5chial be irleghen unde de sin mf tmde kindere unde
ghesinde heghet unde halt.** Das freisinger Recht von
1359^) läßt den Müller, nicht den Knecht, für alles Gut
antworten, das in die Mühle kommt, „unc2 daz er ez dem
mann wider haim chumlpt ze haus und ze hoff**. In den
hessischen herrschaftlichen Mühlen bestand dagegren
eine Haftung des einzelnen schuldigen MüUerfcnechtes *).
Die eisenacher Statuten von 1670 •) setzen ausdrück-
lich die Lohnhöhe alsi Grente herrschaftlicher Schadens-
haftung fest: „Wird Jemand von wegen seines Knechts
oder Magd, die einem Andern Schaden gethan, beklagt,
so ist der Herr weiter vor den Knecht oder Magd zu
haften oder tu bezahlen nit schuldig, als sich sein Lohn
erstrecket, oder soviel daran noch hinterständig ver-
bUeben.**
Aus später Zeit sei außer Art. 1384 des Code civil,
der den Hausherrn für den vom Gesinde in Ausführung
obliegiender Geschäfte angerichteten Schaden haften läßt,
ein isen burgisches Ausschreiben vom' 20. April
1804 *) angeführt, das den Pächtern Mietimg nur gut be-
leumtmdieten Gesindes aufgibt. Entgegenhandelnde Dienst-
herren müssen den durch solches Gesinde in Waldungen
angerichteten Diebstahlsschaden ersetzen; entsteht ihnen
selber ein derartiger Schaden, dann sind sie „in subsidium
für alle desfalls entstehende .Untersuchungskosten tenent.**
Ein mit großer Ausführlichkeit und Regelmäßigkeit
imtner wieder behandelter Fall der Herrenhaftung ist der
Tier schaden, der unter Aufsicht des Gesindes ent-
steht. Von der altdeutschen, ursprünglich aus der Mimt
des Eigentümers über das Vieh hergeleiteten Haftung
') V. Freyberg a, a» O. V S. 286. - *) Mühlordnung 1616 VI
(LO 1 S. 582). — ») Strenge-Devrient, Stadtrecbte S, 120 flf., bcs»
168. — *) Sammlung des Amtsgerichts Langenselbold.
— 283 —
des Herrn für den Tierschaden ^) gibt der Sachsen-
spiegel zwar in den Anfangssätzen von II 40 noch
Kunde. Aber die weiter festgesetzte primäre Haftung des
Gesindes für das in seinier Hut befindliche Vieh enthält
nichts nüehr von der schlechthinnigen Vertretungsmacht
des Herrn, bloß wteil es sein Vieh ist. Solche Haftung
scheint dem Rechtsbewußtsein schon ru widersprechen,
wenigstens so lange im hütenden Gesinde dem Geschä-
digten die unmittelbar beteiligte Person zur Verfügung
steht. Anders wenn das Gesinde flüchtig wird. Der Sach-
senspiegel fährt fort : „Wirt aber her abrinnic, und werden
des mannes pherde oder ochsen und wagen bestetiget in
der hanthaften tat, und mac man daz gezugen, der man
muz bezzem, des daz vihe und der wagen ist, ab erz nicht
enreden en fcan, ab veme als sin wagen imd sine pherde
oder ander sin vihe wert ist, daz dar uf gehalden ist,
oder her muz es entberen, imd so behelt ez jene vor sinen
schaden.** Die Grundsätze des Sachsenspiegels, Haftung
des Herrn für die schädigenden Tiere oder Ersatz ihres
Wertes bei Flucht des Gesindes zusanmien mit hanthafter
Tat, finden sich in den meisten der bedeutenderen mittel-
alterlichen Quellen, sei es direkt übernommen oder mehr
oder minder abgewandelt ^).
Eine direkte Haftung des Tiereigentümers und
Diensthlerm ohne weitere Beschränkung begegnet dem-
gegenüber selten. Das Stadttecht von Moringen') ge-
stattet dem Geschädigten, sich am Pferdehalter zu er-
holen; dieser mag gegen dien schuldigen Knecht vor-
gehen. In einem Gereidenspruch von vier Dörfern an der
Hardt aus dem' Jahre 1577*) heißt es, daß man „dem
*) Isay, Die Verantwortlichkeit des Eigentamers itr seine Tiere,
in Jahrb. f. Dogm. 89 S, 209 ff., bes. 288, 288 ff. - ») Auf die voll-
sündige Übersicht bei Hertz S. 48 ff. sei verwiesen. — ») I § 82.
Zcitschr. f. Rechtsgeschichte VH S. 290 ff., bes. 297. - *) Grimm,
Weistümer VI S. 416 ff., bes. 418.
— 284 —
geschirr nachgehet**^). Weiter gehören die Statuten der
schwarzburgischen Stadt Teichel von 1596') hierher.
Aus neuerer Zeit sei ein hanauer Regierungsausschrei-
ben vom 4. Mai 1725') genannt, „wie es mit Bestraffung
der geistüchen Gesind t bey den Bussätzen gehalten wer
den soll". Bisher wurden die Pfarrer inmier mit dei
öffentlichen Rüge belegt wie andere Leute, wenn
durch Unachtsamkeit des Gesindes von ihrem Vieh Scha-
den angerichtet wurde. Da „solches aber dem Ministerio
fast despectirlich und nachtheilig seyn will**, so soll der
Flurschütz künftig es dem Ortsschultheißen melden, wenn
durch ein Pfarrgesinde Schaden angerichtet ist, und der
Schultheiß soll zum Pfarrer gehen und die Schadens
summe einholen. Der Pfarrer darf sich dann am Ge-
sinde schadlos halten, wenn dies die Schuld hat.
Mit Dritten konnte das Gesinde weiter auch durch
rechtsgeschäftliche Handlungen eine Schuld
begründen, die in Verfolgung der Muntidee dem Dienst-
herm zur Last fallen mußte. Aber wieder ist es so,, daß
der oben angeführte weitgreifende Grundsatz des Kaiser-
rechtes keine Gefolgschaft in seiner Zeit imd späterhin
mehr finden konnte.
„£n knecht ne mach nen gud uppe enen kopen, de
here geve eme breve darup, so wat he koft, dat he dat
gelden wille**, dieser Grundsatz des hamburger Rechts
von 1270 findet sich auch in den andern imtereinander
abhängigen norddeutschen Stadtrechten Lübecks, Bre-
mens, Stades, Verdens*).
Die spätere Zeit blieb bei solcher Regelung. Für
Wirtsschulden bestimmten die weimarischen Landes-
ordnungen von 1556 und 1589 ^), daß der Dienstherr für
*) Hierzu die Anm. bei Grimm a.a.O. — ■) Walch, Bey trage
V S. 166 ff, bes. 177. - »jSt A. Marburg. Abschrift in den Akten der
hanauer Regierung Rep. B. Gef 47 - 52. Ord. Nr. 86. S. auch oben
S. 266 — *) Belege bei Hertz S. 61. — •) Joh. Schmidt, Gesetze
f. Weimar IV S. 82.
- 286 -
Getränke und Speisen, die das Gesinde ohne seinen Befehl
sich geben ließ, nicht aufzukommen braucht; der Wirt'
mag sich an die Dienstboten halten. Gleiches steht in der
schaumburger Polizeiordnung von 1615^); die Wirte
sollen sogar gestraft werden.
Nach der trierer Judenordnung von 1618*) haben
die Juden keinen Anspruch auf Rückerstattung, wenix
sie einem Ehemann ohne Wissen der Frau, einer Frau
ohne Befragung des Mannes, ferner Kindern, Dienstboten
und Studenten Geld borgen. Das charakteristischste Stück
ist oben*) mitgeteilt worden: das pompöse, stolze Aus-
schreiben der h a n a u e r Regierung über das Verbot des
Borgens an die Gräfl. Schönbomschen Bedienten vom
29. September 1716. Allgemeiner wurde in Hanau der
Grundsatz, daß Juden an Dienstboten bei Anspruchsver-
lust nicht borgen dürfen, in der Verordnung vom 10.
Oktober 1754 ausgesprochen*). In Fulda am 15. No-
vember 1754^) und in Hessen-Cassel 1739 und 1749®)
wurde hingegen die Haftung der Juden für die von ihren
Knechten eingegangenen Schulden statuiert.
Sonnenfels empfahl in seinen ruerst 1765 er-
schienenen Grundsätzen der Policey- Handlungs- imd Fi-
nanzwissenschaft im Anschlüsse an gesetzgeberische Vor-
bilder, wider das betrügerische Kreditnehmen des Ge-
smdes dem Kreditgeber seine Ansprüche auf Erstattung
ni nehmen^). Diese Anregung nahmen die Gesetzgeber
dankbar auf, wie die sich häufende Zahl derartiger Be-
stinnnungen in der Gesetzgebimg des ausgehenden 18.
Jhdts. zeigt. Die clever Gesindeordnung von 1769 8)
geht in dieser Weise vor, ähnlich wie schon ihre Vor-
*) Rottmann S. 268, 264 (Kap. 25). — •) Scotti, Trier S.691.
•) S. 122ff. — *) Kopp, Handbuch V S. 499. — *) In A. J.Webers
Verzeichnis fuldischer Verordnungen aufgefahrt (Landesbibliothek
Cassel). — •) LO IV S. 586, 1012. — ') 8. Aufl. Wien 1777 Nr. 188.
•) Scotti, Clcvc S. 1894.
— 286 —
läuferin, die Ordnung von 1753^). In Nassau wurde
1770 Anspruchsverlust des Kreditgebers statuiert*), in
Hessen 1785 ') und in allen folgenden Gesindeordnun
gen. Die ansbacher Gesindeordnung von 1769*), die
sayn-wittgensteiner Polizeiordnung von 1776*),,
eine Weimarer Verordnung von 1777 •) und die moderne
badische Gesindeordnung von 1809^) stellen ähnlich
den Satz auf, daß die Herrschaft für die auf ihren Namen
gemiachten Schiilden nicht haftet, falls sie nicht schrift-
liche Erlaubnis gi^eben oder bei d»n kreditgebenden
Kaufmann ein Ausgabebuch stehen hat^).
Umgekehrt konnte der Grundsatz von der Stellver-
tretung des Herrn durch sein Gesinde auch dahin führen,
daß jeglicher Erwerb des Knechtes als für den Dienst-
herm geschehen betrachtet wmxle, daß selbständige
Geschäftsbetätigung der Hausangehörigen
ausgeschlossen war. Der vom Hausherrn regierte
Hausstand ist eine derart monarchische Einrichtung (Ge-
nossenschaft mit herrschaftlicher Spitze), daß er neben
sich keine Betätigung duldet, die ihm von seiten der
untergebenen Genossen in der Idee (und auch materiell)
irgend Konkurrenz macht. Wie wirs aus dem modernen
Handelsrecht kennen, schlingt der vom Hausherrn ge-
') Ebenda S. 1462. ~ ") Corp. Const. Nass. VI S. 59. — ») LO.
VI S. 1216; oben S. 87 f. - *) Kr. A. Nürnberg. S. 28 Y Nr. 779
Repcrt. 238. - ») Univ.-Bibl. Marburg. - •) Job. Schmidt, Ge-
setze f. Weimar IV S. 143, 144. - ^) Gen. L. A. Karlsruhe. Provinz
Niederrhein. Gesindepolizei. Lit B Nr. 1. 1756-1809 (IV 2). -
•) Schon 1546 setzte das belgische Recht Anspruchsverlust und Strafe
gegen den Kaufmann fest, der Dienstboten auf Kredit Seide lieferte;
ob freilich auf eignen Namen oder auf den der Herrschaft der Kredit
genommen sein musste, ergibt die Überlieferung nicht; Behacgel,
Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin du comitö central du
travail industriel 1905 S. 620). Vielleicht soll aber durch diese Be-
stimmung weniger die Herrenhafhmg jför unredliches Schulden machen
der Dienstboten ausgeschlossen werden als vielmehr dem Kleider-
luxus der Dienstboten ein Hindernis bereitet werden.
— 287 —
leitete Betrieb alle kleinen Versuche der Genossen zu
selbständiger Betätigung in sich; es ist ja alles nur ein
Unternehmen, dem sich die Genossen nicht entziehen
können. Selbständigkeit löst die Gemeinschaft.
Selten nur finden sich gegenteilige Gestattungen. So
in der Stadtordnung für Walldürn von 1492^): „Item
wer feiln kauf tribt' alhie, der nit burger ist, als burger
sone und dinstknecht, imd nit eigen kost hielten, sollen
auch bede, Schätzung geben und reiss^elt, inmiassen als
ein ander burger."
Die Ausnahmie verschwindet unter der Fülle der
widersprechenden Bestim!mungen. So wird in den Statuten
Rudolstadts von 1488*) bestimmt: „Ouch sal keyn
myte gesinde, das der stad nicht geschost noch recht
thut, kouffen nach vorkouffen uff gewyn wider körn noch
gersten noch haffem noch keynerleye getreyde.** In dem
späteren Stadtrecht Rudolstadts und Blanken-
burgs von 1594^) fehlt die einschränkende Voraus-
setzung, „das der stad nicht geschost noch recht thut**,
und es heißt allgemein: „Kein Dienst- oder Mitgesinde
soll Getreidigk oder anders uff vorkauff einkauffen, imd
hernach wieder verfcauffen, bey Verlust der Wahre, viel-
weniger andere Bürgerliche Handthierung treiben***).
Auch nach der nassauer Spitalordnung für Siegen von
1546*) durfte vom Spitalgesinde „kein personn in iren
eigenn nutzenn arbeidtenn, sonder ins hauss imnd zu ge-
meiaem nutz des hauses**. Zwei braunschweig-lüne-
burgische Edikte vom 4. Oktober 1676 und 25. März
1696 ^) verbieten die Handelsschaft der Knechte, die Vieh
^) Oberrhein. Stadtrechte I S. 248fif., bes. 250. — *) Michelsen,
Rechtsdenkmale S. 2% ff., bes. 226. — ') Wa 1 ch , Bey träge V S. 21 ff.,
bes. 46; 78 ff. — *) Man vergleiche hiermit, was zu Eingang dieses
Kapitels (oben S. 244 f.) über die Verwendung des Gesindes zu Hand«
Werksarbeiten durch die Arbeitgeber gesagt wurde. — *) Corp. Const.
Nass.1 S.115. — *) Landesordnungen Lüneburg 4. Cap. l.Bd. S.281, 288.
— 288 —
ins Ausland Verkaufen; die inländischen Händler sollei
von den Produzenten kaufen. Die hessischen Gesinde
Ordnungen von 1736 tmd 1801 ^) zählen in § 13 unter dei
Fällen der Gesindeuntreue die Möglichkeit besonders auf
daß die Dienstboten für fremde Leute arbeiten tmd dei
Lohn für sich behalten*). Auch in der freiburgei
Gesindeordnung von 1782 ') findet sich eine entsprechend<
Anordnung: Versteht ein Dienstbote ein zunftmäßiges
steuerbares Handwerk, dann darf er dies nur zum Nutzei
der Hausgeanieinschaft ausüben, nicht aber für außen
stehende Personen.
Der wirtschaftliche Hintergedanke hier und in der
oben angeführten älteren Rechtsquellen tritt ja deutlici
genug hervor. Noch offenbarer wird dies in den vieler
Bestimmungen aus dem' Judenrecht. Als erste An
deutungen seien eine Notiz aus Mainz von 1365^) und
das Konzept einer hessischen Judenordnung von
1543 '^) genannt. Der mainzer Rat nahm einige #Juden
zum Schutze auf mit ihrem' Gesinde „die in irem brode
sint tmd keyn eygen gut nit enhan**. Der hessische
Entwurf vert>ot jedem Juden, „durch sich oder sein ge-
sinde" Geldwechsel zu treiben. Die späteren hessischen
Judenordnung^en von 1739 und 1749 *) und das Ausschrei-
ben vom 4. September 1794'') lassen erkennen, daß nur
die Sorge über das Überhandnehmen der handelnden Ju-
den imd über die Entziehtmg des Schutzgeldes dazu ver-
anlaßten, die sog. Profitknechte zu verbieten ; solche trie-
ben Handel, ohne den Schutz zu besitzen, und ließen ihren
>) LO. IV S. 410; VIII S. 26. - ») Vgl auch Reglement für die
Porteurs vom 11. August 1731 § 10 (LO. IV S. 66). — •) L, A. Karls-
ruhe. Baden Generalia 6391. — ^) In der Sammlung von Belegen
zu einer Abhandlung Bodmanns Ober Judenrecht; bereits oben
S.274 verwendet — ») U.F.Kopp, Bruchstücke zur Erläuterung der
tcutschen Geschichte und Rechte» Cassel 1799. I S. 167. - *) LO.
IV S. &89, 1013. - ^ LO. VU S. 617.
— 289 —
Dienstherm am Gewinn teilnehmen^). Auch in juidern
Ländern galten solche Verbote: in Braunschweig-
Lüneburg nach der Judenordnung vom 9. Juni 1733*),
in Köln nach Verordmmgen vom 11. März 1741 und
21. Juli 1768^), in Fulda gemäß Circular vom 15. No-
vember 1754*), in Nassau modifiziert auf Grund der
Judenordnung vom 17. Januar 1770*).
In den Zeiten wirtschaftlicher Enge und Bescheiden-
heit konnte sich die herrschaftliche Gewalt über
das Gesinde in vielfältiger G^estalt als heilige Sitte aus-
bilden. Jener friedlicheren Zeit erschienen die Dienst-
boten, von dem' höheren Gesichtspunkte der Hauseinheit
aus betrachtet, als einsi mit den übrigen Hausgenossen,
die demselben Hausherrn imterstanden. Es war nicht
bloß der Idingeiide Reim „Kind und Gesind", der
es veranlaßte, daß tu unzähligen Malen wieder und inuner
wieder jenes Wortbild in den Gesetzen der Vergangen-
heit wiederkehrt, imd zwar nicht nur in Gesindegesetzen,
sondern zum größeren Teil in obrigkeitlichen Äußerungen,
die sich mit der Regelung des inneren Familienlebens;
abgeben. Und die Benennung desi Leiters eines Haus-
wesens mit dem Worte „Hausvater" *) läßt erkennen, daß
unsere Ahnen für die Kennzeichnung des Verhältnisses
zwischen Herrn und Dienstboten innerlicher wirkende
Momente maßgebend sein ließen als Arbeit, Lohn und
Kost. Wie den Kindern gegenüber hat der Hausvater auch
auf das Verhalten der Dienstboten die Aufsicht. Und
nicht nwc insoweit, als sie durch den Vertrag dem' Herrn
zur Arbeit verpflichtet sind. Nein, der Hausherr soll auch
^) Vgl. auch Koppi Handbuch V S. 590. — ') Landesordnungen
Uneburg 4. Cap. 1. Bd. S. 281, 288. — •) Scotti, Köln I 2 S. 781,
879. — *) Sammlung d. cass. Reg. V S. 267. — •) Corp. Const Nass.
VI S. 59. ~ *) In Norwegen nennen die Bauern ihren Geistlichen
und die Dienstboten ihren Herrn „Vater"; Björn so n, Fischermfldchen
(Reclam) S. 124 Anm.
K5aa«cke. 19
- 290 —
durch seinen eigenen Ld>enswandel den Kindern und
Dienstboten ein Beispiel sein, er soll dafür sorgen, daß
Kinder und Gesinde zur Kirche gehen, sich mit dem
Catechismo abgeben usw.
Es ist unmöglich, die Fülle von Material hier vor-
zutragen, die für das Erziehungsrecht ^) und die
Ecziehungspflicht des Dienstherrn gegenüber seinem Ge-
sinde in vergangenen Gesetzen .enthalten ist. Jedes Vor-
kommen des Wortspieles „Kinder und Gesinde** in den
vielen Kirchen-, Sormtags-, Katechismus-, Kinderlehr-
ordnungen müßte von Rechts wegen hier verzeichnet
werden. Statt dessen seien nur einige prägnante Äuße-
rungen dieser Art mitgeteilt.
„Gleichwie die Kinder ihren Eltern, die Unterthanen
ihrer Obrigkeit, und die Unmündigen ihren Vormündern,
also seynd auch die Dienst-Boten ihren Herrn und Frauen
erbietig, treu, hold, gewärtig imd gehorsam zu seyn
schuldig**, heißt es im neueren lüneburger Stadt-
rechte*). Eine braunschweig - lüneburgische
Verordnung vom 31. Mai 1684*) heißt die Dienstherm,
selbst zur Katechismuslehre zu gehen, Kinder und Ge-
sinde hinzuschicken, daß sie dadurch „Ihr und der
Ihrigen** Heil fördern. In einem späteren Edikt von
1732*) findet sich gar die verblüffende Zusanuntenstel-
lung: Es sollen „sowol die natürlichen als Hauss-
Väter** schuldig sein, sobald sie merken, daß ihre Söhne
oder Knechte in Kriegsdienste gehen wollen, das anzu-
zeigen. Das Staidtrecht von Teichel aus dem Jahre
1596*) heißt die Hausherrn, sie sollten zum Kirchgange
„die Ihrigen . . . anhalten, auch Kinder tmd Gesinde zur
respective Schulen und Kinderlehr und Kirchen Exami-
nibus väterlich treiben." Der Hausvater wird nach einem
*) Vgl. auch unten § 10. — «) Pufendorf, obs. iun IV app.
S. 624 ft,, bes. 796. — ») Landesverordnungen Lüneburg Gap. 1 S. 1046.
— *) Ebenda Cap. 8 S. 112. — ») Walch, Beytrilge V S. 166.
— 291 —
bayrischen Mandat vom 5. Dezember 1681, das als
Beispiel für viele gleicher Art dienen mag ^), gestraft, wenn
seine Kinder und Dienstböten der Kinderlehre fernbleiben.
Einige böse Eigenschaften des Gesindes werden be-
sonders angeführt; auf sie soll sich die herrschaftliche
Aufsicht vornehmlich beziehen *). Das nächtliche Gassen-
laufen und die Nachttänze der Dienstboten muß die Herr-
schaft durch Beaufsichtigung des abendlichen Aus- imd
Einganges verhindern, so nach der katze nein bo ge-
il er Polizeiordnung von 1597*), die der Herrschaft mit
Geldstrafen droht, einer nassauischen Verordnimg
vom 1. Oktober 1612*), der schaumburger Polizei-
ordnung von 1615^). Wider Fluchen und Schwören des
Gesindes sollen die Herrschaften vorgehen, wie die ka-
lenbergischen Landgerichtsartikel aus dem letzten
Drittel des 17. JHdts. (Geldstrafe der Herrschaft)«), die
eichstätter Polizeiordnung von 1707^), die kölner
Polizeiordnung von 1723 ®) und manche andere, hier über-
gangene Ordnung befehlen. Ein jülichsches Aus-
schreiben von 1682 über die Eintracht der Konfessionen *)
verbietet Kindern und Gesinde den Leuten der Religion
halber nachzurufen usw., „dessfalls die Eiteren, Schul-
Meisteren, und bey welchen das Gesinde wohnet, selbiges
jedesmaM abmahnen, und dafern sie solches unterliessen,
oder auch zu dergleichen Ungebundenheit connivirten,
nicht weniger auch selbsten mit würcklicher Bestraffung
angesehen** werden sollen. Die „nicht eben alte** Zucht-
ordnung der Stadt Memmingen *°) will das Lärmen und
Schwätzen bei Hochzeitsf eiern in der Kirche abgeschafft
') R. A. München. Gen. Samml. Rep. S. 9 Nr. 5. — *) Vggl.
«uch unten § 6. — ») Univ.-Bibl. Marburg. — *) Corp. Const. Nass. 1
S. 674. — ») Rottmann S. 54 (Kap. 6). — •) Pufendorf, obs. iur.
n app. S. 349 ff., bes. 361. — ') Habeische Sammlung. — •) Scotti,
Köln II S. 628. — •) Scotti, Jülich S. 184. — '«) Walch, Beyträge
ns. 275 ff., bes. 293.
- 292 -
wissen. Es sollen „die Haus -Väter und Haus - Mütter ihre
Kinder und Gesind von solcher Unbescheidenheit und
Fürwiz ernstlich ab- und hingegen zur Arbeit anhalten,
damit ein Wohllöbl. Magistrat sich nicht gezwungen sehen
mögte, solche Leuthe [die Eltern?] ihres freventlichen
Ungehorsams halber mit Ernst anzusehen und zu straffen."
Diebstähle darf die Herrschaft ihren Dienstboten nicht
auftragen, sonst wird sie gestraft^); so die Ordnung des
Dorfes Altenglan, Amt Lichtenberg von 1581 und
1630 *). In einer Polizeiordnung von 1748 für die gräflich
Adelmannschen Dörfer Hohenstatt u. a. *) wurden die
Dienstherrn bei Vermeidung ernstlicher Strafe ange-
wiesen, „ihren jungen austrieb- und dienstbuben, die sich
vor der zeit dem tabacktrincken ergeben, dasselbige gänz-
lich niderzulegen.**
Auf breiterer Grundlage ist die mit der herrschaft-
lichen Erziehungsaufgabe eng verbundene Anzeige-
p f 1 i c h t *) an die Behörden von Taten des Gesindes aus-
gebildet. Die neumünsterschen und bordeshol-
mer Gebräuche*) handeln davon, „offt einer seine Klage
verschwiegen würde": „Wann etwa einem Dienstknecht
in einem Dorffe, einem andern Dienstbotten überfallen
und blutigen schaden zufügen würde, muß derjenige, in
dessen Hause die That geschihet, dem Bauer Voigt solches
klagen"; geschieht das nicht, dann ist von dem, welcher die
Anzeige unterließ, der Bruch verfallen.
*) Daneben besteht die muntschafUiche Haftung ftlr die Gesinde-
strafen; oben S. 259 flf. — «) Maurer, Dorfverfassung II S. 416 ff., bes.
419. — •)Wintterlin,Warttemb. ländliche Rechtsquellen I S. 449 ff.,
bes. 460. — *) Ein Recht der Anklage (Rügung) stand dem Hausherrn
nach dem Schwabenspiegel (Art 821) zu: „£z mag ein man sin
gesinde undc sin wip wol rügen, . . . ob er . . . eine vergift machet,
da man die liute mit toetet.** Umgekehrt besass nach Art. 820 Schwsp.
das Gesinde neben den nflchsten Verwandten das Rügerecht gegen
die ehebrecherische Hausfrau. Vergleiche auch Art. 875 Schwsp. —
») Seestcrn-Pauly, Urk. S. 104, 105.
— 293 —
Außerordentlich häufig kommen Bestimmiungen vor,
nach denen der Herr Schwangerschaft seiner Mägde
anzeigen muß.
Das älteste Dokument allerdings, das Stadtrecht des
westfälischen Rüden ^), versäumt es, direkt diese Pflicht
auszusprechen. Der Hausherr soll den, welchen er bei
seiner Magd findet, nicht „vaen off halden**, „simder
hey sal enne laten enwech gan simder broke**. Die Idee
der Hausgemieinschaf t ist hier nicht bis in ihre letzten Kon-
sequenzen durchgedacht; nur für die engeren Familien-
glieder wird dem Herrn ein Selbsthilferecht zugestanden;
die Magd ms^g sehen, daß ihre Verwandten ihr beistehen.
Diese Erwägungen treten später hinter den für die
Polizeigesetzgeber mäJ3gebendesren Gründen des öffent-
lichen Wohles zurück. Ein Beispiel solcher Auffassung
bieten die lüneburger Eddagsartikel späterer Fassung
aus dem 16. Jhdt. *), welche die Dienstherm bei Unter-
lassung der Anzeige von der Schwangerschaft „alss gleich-
schiddig" strafen wollen. Ungefähr gleichen Alters ist
die verwandte Bestimtnlmg in der hessischen Verord-
nung vom 25. Mai 1554'). Weiter gehören aus Hessen
hanauer Erktsise vom 10. September 1765 imd 22. Juni
1787*) hierher. Genannt seien noch die flensburger
Polizeiordnung vom 14. Januar 1600^) mit der sonder-
burger Polizeiordniuig vom 15. November 1698®), eine
trierer Verordnung vom 24. April 1690''), die clever
Gesindeordnung von 1753 Tit. V § 4, Tit. 9 § 10»),
das clever Edikt vom 8. Februar 1765*), die clever Ge-
sindeordmmg von 1769 § 56 ^ö), die schleswiger Poli-
0 Wigands Archiv V S. 55 ff., bes. 78. — >) Pufendorf, obs.
iur. II app. S. 197 ff., bes. 201. — ») LO. I S. 157. — *) St. A. Mar-
burg. Bd. IV und V der Samnilung hanauer Verordnungen. —
') Corp. Stat. SIesv. II S.268. — •) Ebenda Dl 2 S.245. — ') Scotti,
Trier S. 728. —«) Scotti, Cleve S. 1452; diese Satzung beruht wohl
auf einem Edikt vom 10. April 1710. - •) Ebenda Nr. 1877. —
**) Ebenda S. 18d4.
— 294 —
zeiordnung von 1768*), ein kurmainzer Ausschreiben
vom 8. April 1783*) und die Gesindeordnung für Düs-
seldorf vion 1809 Art. 10, 14»).
Hiern^-ch ist es nicht verwunderlich, daß den Dienst-
herren auch die liebevolle Fürsorge für die letzten
Stunden der Dienstboten aufgegeben wird. Die Poli-
zeiordnung des Bischofs Johann Anton von Eichstädt
aus dem Jahre 1707*) gibt den Geist ihres Urhebers in
Zornesworten wider den Leichtsinn kund, mit dem! Haus-
väter die Sakramentsversorgimg ihrer schwerkranken Ehe-
gatten, Kinder, Dienstboten imd sonstigen Hausgenossen
versäumfen; oft ist es zu spät. „Solchem noch gebiethen
und befehlen Wir allen Hatiss Vättem, Hauss Müttern,
und denen, so die auffsicht bey jedwedem Hauswesen
obliget, bey Vermeydung unaussbleibenden geschärpften
Einsehens die zeitliche providirung der erkranckten mög-
lichster Dinge zu befördern, und hierbey sich selbsten
zu gemüeth ru führen, wie vielles einem jeden dass er in
der letzten und Kostbahristen Zeit seines Lebens nicht
verkürtzet werde, daran gelegen seye***).
Von noch anderen Sakramentspflichten (wenn man
in diesem Falle d^.von reden darfl) spricht die kölner
Judenordntmg vom' 28. Juni 1700, Qap. 1 § 7 ^). Da heißt
es geradezu : „Falls nun ein oder ander Jud seine Kinder,
Knecht oder Magd verheyrathen würdei. . ." Der Jude,
der Hausherr, „verheiratet" hier seine Dienstboten gerade
so wie er seine Kinder verheiratet.
Aufsichtspflichten, deren Versäumtmg Haftung des
Dienstherm nach sich zog, bestanden femer wegen der
*) St. A. Schleswig. Sammlung grossförstl. Verordnungen. —
•) Kersting, Sonderrechte Sp. 1168. — ») Scotti, Jülich S. 1262.
— *) Habeische Sammlung. — *) Der Tod des Gesindes gehört zu
den sieben Notsachen, die nach dem friesischen Landrechte (v.
Richthofen, Rechtsquellen S. 48) dem Herrn die Befugnis geben, auf
eine Ladung hin auszubleiben. — *) Scotti, Köln IIS. 557.
— 295 —
Feuersgefahr; inrniier wieder wird den Einwohnern
eingeschärft, auf sorgsames Umgehen mit Fefuer und Licht
bei ihrem Gesinde zu dringen.
Der göt tinger Rat gebot den Bürgern 1339^):
„Welker unser borgere knecht oder maged ginge in den
hof oder in de schunen mit eyme bkise oder mit eyme
lichte ane luchten, unde wert he des besecht von synen
neygburen, so mach de rad oren heren eder ore vrowen
laten panden vor eyn pimt. Irhove seck ock eyn vur von
deme silven lichte oder blase, dar scade af geschege,
so scolen desilve knecht oder maghed von stayt an von
Gotingen wyken unde nicht hir weder inkonnen, se en
duynt myt orlove des rades.**
Andere Rechte der Zeit gehen nicht so weit, schon das
Umgehen mit offenem Lichte deim: Herrn zur Haftimg
werden zu lassen. Sie begnügen sich mit einer Bestrafung
des Herrn für den Fall, daß durch des Gesindes leicht-
sinniges Verhalten ein Brand ausbricht. So das friesische
westergoer*), das braunschweiger*) Recht:
,,Malk scal sen to sineme viure. Wes ghesinde it vorsiu-
mede, it gheyt in sin lif ; wert he vorevluchtich, mien scal
eme volgen mit ener vestinge". Die lüneburger Bauer-
sprache aus dem' 14. Jhdt. ^) gibt ntur gute Ratschläge:
„De werd schal seen to sinen vure und to sinem lichte,
he schal wesen de leste to bede und de erste uptostande,
he enschal ok nemende staden, dat he mit lichte in den
hoff, edder in den stal ga ane luchten, und enschal nen
los licht dreghen.** Späterhin wurde in Lüneburg auch die
zivil- und strafrechtliche Haftung des Herrn für Brand-
schaden statuiert, so im neueren Stadtrechte*). Aus der
älteren Zeit ist weiter das traunsteiner Recht von
') v. d. Ropp, Göttinger Statuten S, 188. - •) v. Richthofen,
Rechtsquellen S. 478. — ') Hänselmann, Urkundenbuch I S. 44
(spätestens 1849), 68 (um 1880), 825 (1582). — 0 Kr au t, Stadtrecht von
LflDcburg S. 88. — •) Pufendorf, obs. iur IV app. S. 624 ff., bes. 806.
— 296 —
1375^) anzuführen, worin festgesetzt wird, „daz wem ez
sich entzünt, brüft ez der wirt oder sein ingesind, so
ist er unschuldig, beruft er sein nicht, so ist er schuldig
dem Richter XXX, der Stat XXX, dem shergen II." Die
Haftung ist hier so konstruiert, daß der Herr auch für
die von seinem Gesinde unterlassene Anzeige Strafe geben
muß. Im 15. Jhdt. wtu-de die Herrenhaftimg tü Köln*)
und besonders ausführlich 1492 zu Stuttgart^) fest-
gelegt.
Dem allmächtigen, erziehenden Gedanken der Zeit
entspricht es, wenn die Ermahnungen an die Dienstherren
zu besserer Beaufsichtigung des Gesindes vom' 16. Jhdt.
an den absoluten Strafvorschriften gegenüber immer häu-
figer auftreten. Die Statuten der thüringischen Stadt Neu-
mark von 1510*) und die vor 1541 erlassene Stadtord-
nung für Gotha^) setzen noch eine Horrenstrafe fest
für den Fall, daß das Gesinde beim Feuer leichtsinnig um-
geht; und die rudolstädter und blankenburger
Statuten von 1594 ^) lassen in ähnlicher Weise wie das eben
angeführte traunsteiner Recht die Erhebung des Ge-
rüftes maßgebend sein. Eine Bestraf tmg, wie es scheint,
des Gesindes wird in der Ordmmg des Dorfes Altenglan
von 1581 und 1610^) festgesetzt; wer bei einem andern
Feuer holt, muß auf dem Hafen einen Deckel haben.
Die Erziehungspflicht des Hausherrn dagegen tritt be-
sonders deutlich zu Tage in den uia 1530 festgestellten
Haushaltspflichten des trierischen Amtmlanns^). Zu
diesen Pflichten gehört auch die, „des abentz das feur
*) Westenrieder, Glossarium Germ.-Lat. I S. XXlIIff.,
bes. XXIX; „brüft" = erhebt er Gerüfte. — *) Walther Stein,
Akten I S. 849, 368. — ») Chr. Fr. Sattler, Gesch. d. Herzogth.
Würtenberg unter den Graven V S. 51, 52. — *) Joh. Schmidt,
Gesetze f. Weimar VII S. 518 ff., bes. 520.— *) Strenge-Devrient,
Stadtrechte S. 394 ff., bes. 398. — •) Wal c h , Bej'träge V S. 21 ff., bes.
70, 73 ff. - ^) Maurer, Gesch. d. Dorfverfassung II S. 416 ff., bes.
420. — •) Lamprecht, Wirtschaftsleben III S. 314.
— 297 —
und sonsten uf die lichte, damit in allen gemachen vleissig
usgelescht und verwahret, in guter achtung imd Versor-
gung haben, tmd sich in deme, deweil oftmials großer und
unordentlichen schaden daraus entspringt, nit uf das ge-
sind verlassen'*. Kraftlos, weil ohne Straf Satzung, ist auch
die in den einbecker Statuten von 1549^) atisgespro-
cbene Ermahnung, die Herren sollten ihre Kinder und
Gesinde zur Achtsamkeit auf Feuer anhalten, und hindern,
mit offenem' Licht an gefährliche Orte zu gehen. War-
nungen zur Vorsicht sprechen weiter aus die Bürgersprache
zu Bielefeld 1578^) (mit Straf haftung des Herrn), die
katzenelnbogener Polizeiordmmg 1597 *).
Im 17. Jhdt. überwiegt die Anemlxfehlung sorgsamer
Aufsicht des Herrn auf sein Gesinde. Die 1608 erneuerten
Statuten von Arnsberg*) haben solchen Inhalt; sie er-
legen weiter dem Hausherrn zehn Mark Strafe auf, falls
die Feuerglocke seinetwegen gerührt werden mtiß. Eben-
so mahnen die Statuten der sachsen-altenburgischen Stadt
Eisenberg 1610*) die Bürger, auf Kinder und Ge-
sinde des Feuers wegen zu achten, nichts Feuerge-
fährliches an unsicheren Plätzen im Hause liegen zu
lassen usw.; wer dawider handelt wird gestraft. Ähn-
lich ist die Anordmmg in der schaumburger Po-
lizeiordnung von 1615*). Die Statuten von Schleiz
aus dem Jahre 1625') geben das alte Gerüfterecht wie-
der. Die Devolvienmg der polizeilichen Fürsorgepflicht
auf den Vorsteher des Einzelhauses tritt besonders deutlich
in den Statuten Waltershausens aus der zweiten
Hälfte des 17. Jhdts. ®) hervor. Es mag ein jeder auf
*) Pufendorf. obs. iur. II app. S. 203 flf., bes.231. — *) Walch,
Beytrftge III S. 68 ff., bes. 69. — ») In der Univ. - Bibl. Marburg. —
*) Seibertz, Urkundcnbuch III S. 310 ff., bes. 825. — ») Walch,
Beyträge H S. 212 ff., bes. 262. — •) Rottmann S. 245 (Kap. 24).
-')Walch a. a, O. VIII S.54ff., bes. 127. - ») Strenge-Devrient,
Stadtrechte S. 360 ff., bes. 369.
— 298 —
das Feuer in seinem Hause achten, „denn es ist unmöglich,
daß der Rath uff eines Jeden Haushalt, Geisindt und
Kinder Tag imdt Nacht sehen kan".
Als Beispiel für die Weiterbildimg im= 18. Jhdt. sei
das hessische Recht angeführt; es lohnt nicht, die
sämtlichen einander so ähnlichen Vorschriften der vielen
deutschen Gesinde- und Feuerordntmgen des Jahrhunderts
vorzuführen. Die hessischen Gesindeordntmgen seit 1736 ^)
und die hanauische von 1748*) stellen die Haftung des
Herrn erst ersatzweise fest. Das Gesinde soll von der
Herrschaft nachdrücklichst gemahnt werden, an Orte, wo
leicht brennbare Stoffe lagern, nicht mit offenem Licht
oder brennenden Pfeifen zu gehen, auch nicht bei Licht am
Flachs zu arbeiten. Handelt das Gesinde dage^ren, dann
soll es der Brotherr der Obrigkeit anzeigen, widrigenfalls
außer dem Gesinde atich er zur Strafe gezogen wird, seinen
Regreß aber am' Gesinde nehmien kann. Aus Hessen sind
weiter die Feuerordnxmgen vom Juni 1775 und 16. März
1781*) ni nennen. Hausväter sollen bei 20 Kamnüergul-
den Strafe nicht gestatten, daß die Mägde kleines Holz
zum Feueraimiachen nachts um die Öfen heruttilegen;
die Dienstboten sind beim Dienstantritt darüber zu unter-
richten. Nachlässiges Gesinde wird nach Befinden mit
Gefängnis, auch an Leib tmd Leben gestraft *). Das Ver-
bot brennenden Lichts steht in Nr. 44. Ähnlich ist
die Satzung der Feuerordnung, die sich die Stadt H e r s -
feld 1734 errichtete^).
Eine Folgerung aus der herrschaftlichen Gewalt ist
in einigen Bestimmlmgen des Prozeßrechtes, vor-
nehmlich im Mittelalter gegeben.
Das bedeutsame Verbot, daß das Gesinde grundsätz-
lich nicht in Sachen der Dienstherrschaft als Zeuge
*) § 17 ; LO. IV S. 410; VII S. 727; VIH S. 26. - *) § 16; St A.
Marburg IX A 1621. — ») LO. VI S. 828, 1019. — *) Nr. 88. -
») Demme, Nachr. u. Urk. II S. 322 ff., bes. 328, 329.
— 299 —
auftreten durfte, stimlmt mit der gleichartigen Erscheiniing
überein, daß Hausgenossen allgemiedn zur Zeugenschaft
untereinander unfähig sind. Ein Familienglied ist zu sehr
an den Familieninteressen beteiligt, als daß es objektiv
etwas aussagen könnte, was im Rechtsstreit gegen einen
andern verwendet werden könnte. Das Recht war früher
strenger als jetzt, wo es dem Vetrwandten freigestellt ist,
ob er aussagen will, tmd wo der Richter die freie Würdi-
gung der Verwandtenaussage hat. Eine Darstellung des
durch einige nicht sehr bedeutungsvolle Ausnahmen durch-
brochenen Zeugnisrechtes der Dienstboten, das so gut wie
'ganz 'der älteren Zeit angehört, ist bei Hertzin§6 voll-
ständig gegeben; zui Vermeidung überflüssiger Wieder-
hohingen wird hier auf Hertz' Ausführungen verwiesen ^).
Nur der Code civil sei als Muster eines neueren Ge-
setzes angeführt. Er gestattet *) die Vernehmung der Ver-
wandten und des Gesindes in Ehescheidxmgsprozessen ;
„mais le tribunal atu-a tel ^gard que de raison aux d^-
positions des parens et des domestiques**, d. h. die Wür-
digung dieser Aussagen ist dem freien richterlichen Er-
nvessen iiberlassen.
Aus der herrschaftlichen Gewalt gefolgert wurde fer-
ner die prozessuale Vorschrift, daß gerichtliche Ladun-
gen des Dienstboten^) den Umweg über die Herr-
schaft nehmen, oder daß diese doch wenigstens benach-
richtigt werden müßte. Eine Stelle des augsburger
Rechts *) kann nur so verstanden werden, daß die Ladung
an den Dienst her m zu richten ist: „Ist er ein wirt, der
die notnumpht begangen hat, dem! sol man ze sime huse
^) Die interressanten Wandlungen der späteren schwäbischen
Dorfrechte seien ferner vermerkt (Wintterlin, Württembergischc
landl. RechtsqueUen I S. 682 ff., bes. 698 (1577) einerseits, S. 196 ff.,
bes. 211 (1567), S. 798 ff., bes. 810 (1612) anderseits). — •) Art. 251.
^ ') -.Allgemeine Zusammenfassung über die verschiedenen Formen
der Ladung bei OsenbrOggen, Der Hausfrieden S. 85 ff. — *) Meyer
Art 81.
— 300 —
furgebieten: ist ee ein knecht der die notnumpht began-
gen hat, so sol mian imi furgebieten zem ersten male bi
swem er gewaesen ist, unde diu andern zwai fur-
gebot sol im der vogt tun an dem- gerihte." Die Be-
nachrichtigung des Dienstherm von einer bösen Tat seines
Knechtes wird in Pas sau 1300^) angeordnet: „Wirt
eins burger knecht oder ein gast des nachtes gefangen
auf der Strasse an liecht, den sol man füren an seinen
herren oder seines wirtes tür, und so sol er in zu recht
stellen." »)
Über diese Frage liegen im übrigen nur noch Zeug-
nisse aus späterer Zeit vor.
In Hessen war der Rechtszustand während des 18.
Jhdts. verschiedenartig. Ein Urteil des Oberappellations-
gerichtes in CasseP) äußerte sich über den modus cita-
tionis so: „Dieser muss billig so beschaffen seyn, dass
aller Anstoss und coUisiones vermieden bleiben. Ein Be-
dienter lebt unter einem doppelten imperio, indem er
miter den Befehlen seiner Obrigkeit, imd unter den Be-
fehlen seines Brodherren stehet. Da er nun ohne seines
Brodherren Befehl oder Erlaubniss nirgends hingehen,
und also auch nicht vor Gericht erscheinen kann: so
muss diese ausgewürckt werden, damit er jene obrigkeit-
liche Befehle befolgen kann. Es kann also zwar der Be-
diente bey seinem Herrn um= die Erlaubniss nachsuchen;
allein, wann er es nicht thut, imd hernach etwa lealiter
citiret werden soll: so kann doch der Herr nicht vorbey-
gegangen werden.**
») Alexander Erhard, Gesch. der Stadt Passau I S. 106 ff.,
bes. 111; Gengier, Stadtrechte S. 851. - ") Nicht hierher gehören
die Festsetzungen des augsburger Rechtes von 1276 (Meyer Art
105), der hildeshcimer Statuten aus dem 15. Jhdt. (Pufendorf, obs.
iur. IV app. S. 298), des Vertrages zwischen Bischof und Stadt
Worms von 1519 (Moser, ReichsstÄtt Handbuch II S. 1017); hier
handelt es sich um Festsetzung der Kompetenz des geistlichen Ge-
richtes. — •) Canngiesser, Collectio notabilium decisionum dec.2U.
- 301 -
Genaueren Aufschluß über die hessischen Verhält-
nisse gibt eine 1741 veranstaltete Umfrage ^). Die Ladung
von Dienstboten wurde in verschiedener Weise gehand-
habt. Einfach war die Praxis im Amte Ziegenhain. Für
Dienstboten von Herrn, die unter der Regierung stehen
und Jurisdiktion haben, wird erst der Dienstherr requi-
riert, wenn die Dienstboten vor Gericht erscheinen sollen ;
hat der Herr keine Jurisdiktion, dann wird der Dienst-
bote unmittelbar geladen. Im' Landgericht Cassel ist der
andere Unterschied maßgebend: Hat der Grundbesitzer
das Gut in Eigenbewirtschaftung, dann wird der Guts-
herr um Sistierung seines Gesindes ersucht; ist das Gut
verpachtet, dann werden Pachter und Gesinde ohne Um-
weg vor Gericht geholt. Vor 1731 wurden die Bedienten
der Herrn, die unter der Regierung unmittelbar ihr fo-
rum haben, ohne Requisition zitiert; jetzt wird aber —
von dem eben genannten Falle abgesehen — die Herr-
schaft stets um Requisition des Gesindes ersucht. In Fels-
berg herrscht gleichfalls diese Praxis ausnahmslos. Am 3.
Dezember 1748 wurde dann angeordnet, daß es in Cassel
bleiben solle, wie es war; auf dem Lande sollen die von
Adel und andere privilegierte Personen, die keine Juris-
diktion haben, die Dienstboten „auf vorgängige Notifi-
cation vor denen Untergerichten sistiren** *).
Daß dies in der Praxis befolgt wurde, zeigen ver-
schiedene Einzelerlasse. So wird am 6. August 1787 einem:
Geistlichen aufgegeben, seine wegen Hutefrevels belang-
ten Dienstboten ni sistieren^). In einer Verfügung vom
15. November 1793*) wird abschwächend nur von einer
Benachrichtigung des Pfarrers gesprochen.
*) St A. Marburg. Akten des Geh. Rats. Die Zitation der
Domestiquen betr. 1748. Lit D. num. 18. — •) LO. IV S. 1007. —
*) LO. VII S. 184. — *) Ebenda S. 672; St. A. Marburg. Oberappel-
ifttioDsgerichtsakten von Keude]l gegen Collmann wegen Sistierung
eines Knechts 1797/8.
— 302 -
Von außerhessischem Rechte mag eine clevische
Bekanntmachung vomi 10. April 1816 ^) die abgeschwächte
Gestaltung des Ladungsrechts in der neuen Zeit zeigen;
die Herrschaft soll von Ladungen, Verhaftungen ihrer
Dienstboten benachrichtigt werden*).
Im ersten Teile diesleis Abschnittes wurde gezeigt,
wie die Munt die rechtsgeschäftliche« Vertretung des Herrn
durch seine Dienstboten postulierte. Die altsprechende
Bestimlm'ung, daß der Herr Rechtsgeschäfte für den
Dienstboten abschließen kann, die diesen für sein Ver-
mögen verpflichten, fehlt in dieser AUgemjeinheit. Nur
für den Prozeß wird dem Herrn die Stellvertre-
tung seiner Dienstboten überwiesen.
In enger Anlehnung an das frühere Recht der un-
freien Leute *) werden hier einige Rechtssätze ausgebildet.
Kraft seiner Herrschaft kann der Herr für alle seiner Ge-
walt unterstellten Personen sowie für die Magschaft vor
Gericht auftreten; der Kreis der Personen, für die ein
solches „versprechen" des Hausvaters zulässig ist, wird
eng begrenzt: „Ez sol auch nieman den andren vor ge-
richte versprechen, ern si danne sin m)ag oder sin eigen
oder sin lehen oder sin gedingter chnecht oder er sitze
ouf sinem eigen oder ouf sinem lehen oder ouf sinem
lipgedinge oder ouf sinem cinslehen . . /*, heißt es im
augsburger Rechte*).
Daß der Herr Schaden, der dem Dienstboten zu-
stieß, selbständig einklagen kann, wird ausdrücklich des
») Scotti, Cleve S. 2939. - •) Als lex sui generis mag hier
noch ein hannoverscher Erlass vom 81. Januar 1749 genannt sein,
dass Dienstboten ohne Benachrichtigung der Herrschaft auf der
schwerinisch-wismarischen Post nicht aufgenommen werden dürfen
(Spangenberg Nachtr. I S. 188); es sollte wohl ein Präventiv gegen
den Vertragsbruch sein? — ») Schröder, RG. S. 288, 468. -
*) Meyer S. 74; ferner westerwolder Landrecht (v. Richthofen,
Rechtsquellen S. 274), auch bayerisches Landrecht XIII 148, U9
<v. Freyberg, bist. Schriften u. U. IV S. 489, 440).
— 303 —
öfteren festgesetzt. So findet sich in den Spiegeln^)
die Beatimimlung wegen dem Knechte umgestoßenen Scha-
dens : „Wirt aber ime sin phert oder ajidelr sin gut dub-
liehe oder roubliche genomen in des herren dinste, ane
des knechtes schult, daz miiz ime der herre gelden, da
vor muz nüan auch deime herre antwurten, ab her dor
uf claget/* Das zweite überlinger Stadtrecht ^) gibt
um 1400 demselben Gedanken in folgender Weise Aus-
druck: „Es sol jeglicher sinen aigen schaden rügen; der
gliche sine kind und wib, und sine dienst in acht tagen
den nechsten, nachdem im' der schad gescheen ist."
Für 'den Fall, daß der Knecht nicht imistiande ist, die
Klage zu erheben, gestatteit das augsburger Recht
die vertretungsweise Einklagung des Schadens durch den
Herrn*): „Ist auch daz eines mannes chneht wimt wirt,
der selbe von chranchiait siner wunden niht gechlagen
mak, noch auch der miage noch der friwende niht hat
die umb in gechlagen .mtugein mit reht, so chlagt sin
herre mit allem! rehte .wol an sines chnechtes stat untz
an die aechte. Sweraie der chneht danne für mag chomen,
so sol man im! rihten mit der aehte. Ist aver daz der
chneht stiibet, so sol man dem herren rihten mit der
aehte daz ist reht/**)
Auch die Vertretung des beklagten Gesindes vor
Gericht wird dem Dienstherm bisweilen gestattet, so in
einigen mährischen Quellen*). Auch die vorhin^) an-
geführte Stelle des passauer Rechtes ist in der Weise
zu Ideuten, daß dem Herrn durch die Zuführung des schul-
digen Knechtes zunächst seine Befugnis gewahrt werden
') Ssp. ni 6, Schwsp. 259. — ») Oberrhein. Stadtrechte II 2 S. 52 ff.,
bes. 111. — ») Meyer, Zusatz zu Art. 86. — *) Die umgekehrte Ge-
stattung, dass der Herr seinem Gesinde für den einzelnen Fall Voll-
macht zur Pro2 es s Vertretung gibt, wird im soester Recht des
beginnenden 16.Jhdts. erwähnt (Seibcrtz, Urkundenbuch II S. 413,
«4). - •) Hertz S. 39. - •) Oben S. 300.
— 304 —
soll» für seinen Knecht aufzutreten; „nymbt man in nicht
aus, so sol man in behallten auf das recht' \ heißt es
im Fortgange der zitierten Stelle. Der Herr m'uß für
sein wegen Deliktes belangtes Gesinde bei Strafe auf-
treten, wie das mühlhäuser Heimbudi von 1736 be-
stimmt^); selbständiges Erscheinen des Gesindes ist ver-
boten.
Die in einem solchen Verfahren nötig werdenden
Eide darf nach den genannten mährischen Rechten
der Herr für sein Gesinde zur Reinigung schwören *). Das
gleichfalls schon angeführte bayerische Landrecht^) da-
gegen verlangt den Eid von dem jeweils durch den Herrn
vertretenen Prozeßbeteiligten selber: „get ez aber zuo
dem ayde, den sol der man selb swem**. Verwandt mit
jenem Rechte, das den Herrn im' Prozesse für den Knecht
schwören läßt, ist die Bestimmung des kölnischen
Rates von 1407 *) über den Eid des öffentlichen Rechtes :
„Vort alle verwer, de nu zertrijt synt ind namails werden
mögen, yeckliger besonder, soillen unsen heren v. r. siche-
ren ind geloyven by yrme eyde, dat sy off yre ge-
synde soillen de wairbeit sagen denghenen, de de assyse
davan gepeicht haint, off yrme gesynde van den, dat sy
de weche verwerwet betten.**
Als Bestimlmting des Prozeßrechtes ist schließlich
noch die Regelung des Gesinde -Gerichtsstandes an-
zuführen. Der nahe liegende Gnmdsatz, daß das Gesinde
dem forum^ der Herrschaft folgt *), wird in der Tat mehr-
fach ausgesprochen.
1301 hatten die Burgmannen zu Friedberg mit
den Bürgern eine Beredung*); es sollten bei künftigen
Streitigkeiten, die während der gemeinsamen Unter-
^) Stadt. Bibliothek Mohlhausen; oben S. 267 f. — *) Hertz 5.89.
— ») V. Freyberg, bist Schriften u. Urk. IV S. 388 ff., bes. 439,
440; oben S. 802, - *) Walther Stein, Akten U S, 197. - ») Cann-
giesser, Decisiones dec. 167. — •) M. Foltz, Urkundenbuch I S. 64.
— 306 —
Stützung des Königs Albrecht atifkommen könnten,
Schiedsrichter eingesetzt werden. „Diz han die bturcman,
di sich daringesazt han, vur sich und ir gesinde
getan." Der Erzbischof von Mainz verhieß im Jahre
1518 einigen Juden ^), er wolle sie und ihr Gesinde
„an khainem andern gericht oder an keiner andern statt
bezeugen oder besagen lassen" *).
Als Beispiel für die spätere Zeit mag wieder Hessen
dienen. Nur in der Stadt Cassel untersteht das Gesinde
den Gerichten, denen seine Herrschaft imt ergeben ist,
also bei Schriftsässigen auch den Obergerichten. A\if
dem Lande dagegen ist das Gesinde unbeschränkt den
schneller arbeitenden Untergerichten unterstellt •). Dies
wurde später, am 9. Februar 1819, auch auf Hanau ausge-
dehnt und für Cassel (-Land) nochmals bestätigt*). Das
Gesinde der Hofdiener folgte dem Gerichtsstande seiner
') Auszüge aus Belegen Bodmanns zu einer Abhandlung über
Jadenrecht (Habeische Sammlung). — ') Dagegen lassen sich die
Festsetzungen Pfalzgraf Ottos fQr Stadt und Stift Sinsheim von
U29 (Oberrhein. Stadtrechte I S. 419) und der Rachtungsvertrag
zwischen Bischof und Stadt Worms von 1519 (Moser, Reichsstatt
Handbuch II S. 1015 fr.) nicht als Belege verwenden; der Streit
zwischen geistlichem und weltlichem Gericht soll hier geschlichtet
werden. Vgl. auch Grimm, Weistümer VI S. 179, 180 (Ciarenkloster
in München), 885 <St. Trudbert zu Krotzingen). Auch oben S. 300
Anm. - ») Zitate bei Kopp, Handbuch IV S. 438, 489; vgl. femer
Erlasse vom U. Nov. 1752, 11. Mai 1787, 3. September 1796 (LO. V
S. 57, VII S. 174, 687); Canngiesser, decisiones. dec* 167, 157. —
^ St. A. Marburg. Geh. Rats-Akten, den Gerichtsstand des Gesindes
schriftsassiger Personen . . . betr. 1819. ■— Für Klagen der Dienst-
boten gegen schriftsAssige Herrschaften wurde 1787 das summarische
Gericht in Cassel geschaffen (LO. IV S. 430). In der GO. von 1801
jttioch Qbertrug man den Untergerichten im Lande die Jurisdiktion
in Gesindesachen, da der Landrat von K e u d e 1 1 begründete Bedenken
gegen das weitabgelegene casseler Gericht geltend gemacht hatte
(St. A. Marburg. Cass. Reg.-Akten. PoLRep. F 48 Nr. 1 a) ; weiter
St A. Marburg. Universitatsakten betr. der Studenten Bedienten
sowie die Erscheinung vor der Polizei 1786 (IX 4 A Nr. 30).
KSnaecke. ^
— 306 —
Brotherrschaft nach Verordnungen von 1801 und 1802^).
Die schaumburgis che Ritterschaft bemühte sich
im 18. Jhdt., die erstinstanzliche Gerichtsbarkeit über ihre
Dom^estiken neu zu erwerben '). In einer Eingabe aus detn
Jahre 1737 *) weisen die Ritter darauf hin, daß „die Do-
mestiquen nach althergebrachter Gewohnheith des Schrift-
Sassiats participiren und nicht am) Bruch Gericht, son-
dern ihren foro ordinario an der Cantzley mögen belanget
werden**. Im Fuldischen war 1790 der Rechtszustand
der, daß einzelne Dienstboten den privilegierten Gerichts-
stand ihrer Herrschaft hatten. „Doch ist dies keine Regel,
vielmehr auf besondere Gesetze und Gewohnheiten Rück-
sicht zu nfehmien*'*).
Im Anschluß hieran sei gleich über den Kirchen-
stand des Gesindes einiges mitgeteilt. Nach hessi-
scher Konsistorial- Verordnung vom 1 . Februar 1726 soll
das auswärts dienende Gesinde an dem Kirchort seiner
Herrschaf t zum' Abendmiahl gehen *) ; „es ist aber mehr als
Recht «einer zweiten Kirche, denn als Ausschluß der Kirche
des Heimathorts aufzufassen, und darum' vielfach Her-
konümien, daß die Dienstboten am letzteren zumi Abend-
mahl gehen** «). Umgekehrt stellt ein Ministerialausschrei-
ben vom 24. März 1860 zur Erteilung der Absolution die
prinzipale Zuständigkeit nicht des Pfarrers des Dienst-
orts, sondern desjenigen des Heimatsorts fest^); nur bei
»)Kopp, Handbuch V S. 226. -«) Näheres in §2(5.386) bei Be-
handlung des Zwangsdienstes. ~ ') St A. Marburg. Akten der
rinteiner Kanzlei betr. die y,von der Schaumb. Ritterschaft praeten-
dirte Jurisdiction über ihre Eigenbehörige und Domestiquen ....''
1786—1787. -*) Thomas, Sistem der fuldischen Rechte III § 566.
— Nach Code civil Art. 109 teilt hausangehöriges Gesinde den Wohn-
sitz der Herrschaft. — Auf die spfitere Rechtsentwicklung im ausser-
hessischen Deutschland einzugehen, hat hier nicht viel Zweck, da es
sich um eine prozessrechtlich zwar wichtige Institution handelt, die
aber fOr das engere Gesinderecht nur nebensächliche Bedeutung hat.
— *) BOff, Kirchenrecht S. 256; LO. IH S. 978 fr., bes. 982. -
•) Büff a. a. O. - ') Ebenda S. 262.
— 307 —
Übertragrung durch den zuständigen Pfarrer oder bei
Krankheit des Dienstboten darf der Pfarrer des Dienst-
orts amtieren. Der zuständige Pfarrer soll die Dimisso-
rialen (die nötige Zustimimfung) nicht verweigern, wenn
die Forderung, daß der Dienstbote bei dem' zuständigen
Pfarrer die Buße ablege,, wegen weiter Entfernung oder
aus anderen Gründen imtunlich oder hart erscheint (Mi-
nisterial-Ausschreiben vom 14. März 1860) *). Der Dienst-
ort sipielt schließlich auch eine Rolle bei Proklamationen
von Ehen*).
Was über den Sitz in der KircJhe bekannt geworden
ist, soll kurz in Verbindung hiermit angeführt werden. In
den mittelalterlichen zweistöckigen Doppelkapellen war
der Platz der Dienstleyte in dem einfacher ausgestatteten
untern Ratime ; durch eine öf fnxmg in der Zwischendecke
konnten sie an dem im^ oberen Geschoß abgehaltenen
Gottesdienst teilnehmen ^). Ein Beispiel aus Hessen ist
die Pfalzkapelle in Oberkauftmgen *). Über die Kirchen-
stühle erging z. B. in Oldenburg am 31. März 1701
ein Konsistorialreskript *). Die Mägde sollen in den Kir-
chenstühlen den Frauen und Kindern die Oberhand lassen.
Wie die Mägde in die Kirche komanien, sollen sie in den
Stuhl hineinrücken, ohne die Ordnung einzuhalten, die
ihren Wirtinnen gebührt. In gleicher Angelegenheit be-
stiminte am 6. Septemlber 1816 das hessische Kon-
sistorium^): Wenn ein Kirchenstand miehreren Familien
zusteht, so mluß das Gesinde der einen den Familien-
gliedem der andern bei mangelndem^ Räume weichen.
Schon im Verlaufe dieses Abschnittes wurden mehrere
Belege dafür gebracht, daß die Gesetzgeber die Einheit
*) Ebenda S. 276. — ») Ebenda S. 257. — ») Piper, Burgen-
kunde S. 560, 561. — *) Die Bau- und Kunstdenkmäler im Reg.-Bez.
Cassel Bd. IV (Kreis Cassel Land, bearbeitet von A. Holtmeyer),
Marburg 1910, Textband S. 184. — *) Corp. Const. Oldenb. I S. 146.
- •)Büff a.a.O. S. 777.
20»
— 308 —
des Hauses anerkannten, daß sie Bevorzugungen und Zu-
rüdkJsietzimgen, die sie dem Hausherrn zuteil werden ließen,
auch seinen Gewaltuntergebenen, der Familie und eben-
so dem Gesinde, zufügten. Nur das Maß war verschieden.
Denn lals Stand wurde das Gesinde inunier ungleich gregen-
über der Herrschaft behandelt. . Aber wo es die Familien-
einheit forderte, mußten auch dem' Gesinde die Rechte
und Pflichten gemärt oder gemindert werden, je nachdem
sie, freilich in größereim Umfange, auch zu gimsten oder
zu lasten des Hausherrn eine Veränderung erfuhren. Die
Geschichte dieser Erscheinung, der einheitlichen
rechtlichen Behandlung von Herrschaft und
Gesinde, sei als letztes Glied in der Reihe der wich-
tigsten Merkmlale des Gesindebegriffes hier dargestellt.
Die Einheit des Hauses imd des Hausrechtes kommt
am offenbarsten im* Rechte des Hausfriedens zum
Ausdrucke, wo das Gesinde der Herrschaft völlig gleich-
gestellt wird. Die Tatsache des Wohnens ist das Ent-
scheidende dafür, daß eine bestimmte Person im Haus-
frieden geschützt wird ^). Selbst die Hausmieter sind des
Hausfriedensrechtes teilhaftig wie der Hausherr, seine
Familie und sein Gesinde*).
Die goslarer Statuten*) sprechen dies klar aus:
„We in emtoe huse medinghe hevet unde darinne wonet,
de unde sin ghesinde scal darinne hebben also guden
vrede alse de wert selve oder sin ghesinde, dar si vey-
linghe oder nen." Gleiches steht in dem „Fridgerichts-
Puech" von Regens bürg, das vielleicht noch dem 13.
Jhdt. angehört*); der Hausfriedensbruch wird begangen
gegen den Wirt, „sein leut oder sein hausgenossen".
Die ausdrüdkliche Nennimg des Gesindes geschieht in
den demnächst hier anzuführenden Quellen in der Art,
>) OsenbrOggen, Hausfrieden S. 6, 7. — «) Ebenda S. 6;
oben S, 259. — •) Göschen S.50; ferner S. 34. — <) vonFreyberg,
bist. Schriften u. Urk. V S. 64 ff., bes. 69.
— 309 -
daß das Gesinde an bevorzugter Stelle als Schützer des
Hausfriedens oder als Zeuge des Friedensbruches bezeich-
net wird. Die Strafordnung der Stadt Spei er von 1328^)
sagt: ,,£s mag auch ein biu-ger und sin gesinde einen,
der wider ihren willen in jrme husse sitzet oder ist, den
sie dri wofbe uss habent heißen gehn, und uss nicht
wil usstreiben, tuid soUent danunibe nicht Verliesen, ob
sie Hant an jhne legent, ane den Todtschlag, den sol
man richten allewege." Als Zeuge wird das Gesinde er-
wähnt im zweiten Stadtrecht von Überlingen um
1400 *) : „Welcher burger dem andern in sin hus gat, es
sie tags oder nahtes, und im sin wirtinen, sin tochter, oder
sin swoster, sin mtimfen oder sin erber gehuset schraiet
und übel handlet, und si benotzogen wil, wirt daz geschrai
also gross, daz er imd sin htisgesind und sin nachbaren
sin geindert werden . . .**, dann soll der Täter mit Geld
und Ausweistmg gestraft werden.
Späterhin tritt das Gesinde — wie im goslarer Rechte
— wieder als der durch den Friedensbruch Verletzte auf.
So im Rechte der thüringischen Städte Greußen (von
1556) und Frankenhausen (von 1558)'): „Von hauss-
friede Bruchs straffe. Ein jeder Bürger, sampt demi gan-
zen Haussgesinde, sol in seinem hause undt hoffe, rech-
ten friede haben, wurde ehr oder die seinenn hierueber
von jemande vorwimdet oder geschlagen inn dem; seinenn,
oder einer stiesse ihme mlit gewalt seine haussthur auff,
schlüge oder wurffe ihmie seine fenster aus, mit frevel
undt bösem fiu-satze, der sol die rechte hiandt vorwar-
loset haben, oder ewigk vorweiset werden ** Und im
Kapitel vom Hausfrieden der braunschweiger Po-
') Christophori Lehmanni Chronica der freyen Reichs Stadt
Speyer 3. Aufl. 1698 S.285; Gengier, Stadtrecbte des M.A. S.i48.
— *) Oberrhein. Stadtrechte II 2 S. 52 ff., bes. 74. — ») Walch,
Bcytrage VII S. 61 ff., bes. 217 ; I S. 285 ff., bes. 866.
- 310 -
lizeiordnungen von 1573 und 1579^) sowie des neueren,
lüneburger Stadtrechts*) heißt es: „Wurde er den
hauswirdt, sein weih, kinder oder gesinde beschedigen
und wunden, er sol den kopff verloren haben/' Der Schutz
reichte noch weiter ; auch obrigkeitlichen Eingriffen wehrte
der Frieden des Hauses. So beispielsweise im neuen g o -
thaer Rechte von 1579*), wo es im Kapitel vom! Haus-
frieden heißt: „Ein iglicher burger soll in seinem haose
vor sich, sein weib, kinder und Gesinde für gefenglichen
angriffen in bürgerlichen sachen gefreiet sein. . ." Das
f riedrichstadter Recht von 1633*) übernahm den
Grundsatz des lünebiwger Rechtes. Als Beispiel süddeut-
schen Rechts diene die Jahrgerichtsordnung Kürnachs,
einer villinger Dependenz, von ca. 1652 *) : „Welcher dem
anderen heimblicher weiss bei nacht oder nebel in sein
gewahrsambe, als in sein behausung oder andere gefähr-
liche orth gienge oder darin befunden würde, desselbigen
weib, döchteren, khünder oder eehaJten zue schmähen
imderstuonde oder schmähung an sie legte", der soll mit
Geldstrafen beirrt werden.
Auch der bürgerliche Frieden, der zwi^hen den ein-
2»lnen Familien des Orts herrschen soll, m^uß vom Ge-
sinde gehalten werden und muß ihm! zu gute kommi^i.
Ein Satz der Weilerordnimg für Hitnimllingen in Schwa-
ben von 1662^) mag hierfür zeugen: Es „sollen alle und
jede gemeinde^enossene, die jezund zu Himlingen sein
und künftighin sich daselbsten wohnhaft ergeben werden,
samt ihren weib, kinder und gesind aller freyndüchkeit,
erbarkeit und Verträglichkeit gegen einander sich bef leissi-
') Hanselmann, Urkundenbuch I S. 404 ff.; 458 ff. Gap. 24. —
■) Pufendorf, obs. iur. IV app. S. 624 ff., b6s. 772. — •) Strenge-
Devrient, Stadtrechte S. 817 ff., bes. 882. — *) Corp. Stat SIesv.
m 1 S. 514. - •) Oberrhein. Sudtrechte II 1 S. 106 ff., bes. 112. ~
*) Wintterlin, WOrttemb. ländliche Rechtsquellen I S. 488£,
bes. 484.
— 311 —
gen, alles uiuiethig gezänck, hass, feindschaft und Wider-
willen einstellen und sicih dergestalt erweisen, wie christ-
bchen nachbarn gebührt und es die christliche lieb an sich
Selbsten erfordert."
Wie der strafrechtliche Schutz des Hauisfriedens sind
auch die sonstigen Minderungen und Mehrungen des
Rechts, an denen den Dienstboten als Familiengenossen
des Herrn ein Anteil gegeben wird, öffentlicher Natur.
Aus dem Gebiete des Strafrechtes gehören weiter-
hin nvehrere BestinKmungen über die Behandltmg von
Delikten hierher, die gegen Gesinde begangen wurden.
Da soll kein Unterschied gemacht werden, ob der Ver-
letzte ein Herr oder ein Knecht ist, vielmehr des Gesindes
Tötung oder Verwundung gleich den Taten wider Bürger
behandelt werden, da das Gesinde im Dienste eines Bür-
gers steht.
So setzen die verwandten alten Rechte von Ham-
burg, Lübeck, Bremen, Oldenburg, Goslar,
Stade imd Verden^) fest: „So welk knape an xmses
borghers denste is unde syn knecht heft ghewesen worde
he wundet ofte dot geslagen de wile he in synes heren
denste were buten desser stat imn en were de knecht
nen borgber dat were doch an den liken steden ofte he
borgher were de wile dat he unsen burgher de-
nede." Eine ähnliche Bedingung für die Festsetzung
einer gleichmäßigen Buße enthalten die nordhäuser
Statuten von 1300, 1308, 1350, 1470 ») : „Swelch buze ge-
sazt iz uf unse borger imi!m)e cheinen vorebil, di Vorwerken
der borger gesinde, ab su or rechte gemitte gesinde sint.
') Lappenberg, Hamburg 1270 VIII 4, 1292 K 4, N 10, 1497
F 6, 1608 IV 20; Hach, Lübeck 849; Ölrichs, Bremen (S. 117)
1B08 Stat. 86, (S. 840) 1428 SUt 48, 1488 Stat 75; ebenda (Oldenburg
S. 818) Art. 87; Göschen S. 49ff., UfL; Pufendorf, obs. iur. I
app. S. 168 flf. (Stade), bes. 218; ebenda S. 77 ff. (Verden), bes. 117.
-*) Förstemann, Neue Mittheil. UI 1 S.44ff., bes. 61. III 2 S.lflf.,
bes. 11, m 8 S. 89ff., bes. 45, VI 2 S. 42flf., bes. 51.
— 312 —
unde men vorwerket an on di selben buze also daz su
or brot ezin sin unde gerndt ein virteil iaris edir rae"
(so 1308). Der an einem! Pfaffen und seinem Gesinde be-
gangene Straßenraub gilt in jedem Falle als ein „rechter"
nach deim SchwabenspiegeP) und dem' augs bur-
ger Recht 2). „Schilt einer einen man oder eine frawen
oder ihr gesinde in seinem hausse, diss ist ein frevel",
wird im alten gothaer Rechte*) verordnet. Unterm
Gesichtspunkte des Hatisf riedens wird auch in der oben *)
erwähnten Stelle des neueren lüneburger Stadtrechtes
die Verwimdimg des Gesindes gleich der des Wirtes und
sfeiner Familie mit dem Tode bestraft.
Dagegen enthalten die Statutai Hannovers von
1309*) Festsetzimg der rechtlichen Ungleichheit: „Welc
borgere des andern knechte bot dede, de denet ununie Ion,
he sie borgere ©der nen, dar an ne Brac he nicht der
stad köre." Das kann nur so verstanden werden, daß
Mißhandlimg eines Knechtes nicht die städtische Geld-
strafe nach sich ziehen soll. Auch in Memm'ingen,
wurde 1396*) verschiedwie Bestraf tmg angeordnet: „Wer
ains andern gedingt mägt oder knecht misshandelt mit
fräveln worten oder werken, der nit burger oder biurgers
kind sint, an dem verliuret miau gelt, aber weder jar noch
manod . . .".
Der umgekehrte Fall, Bestrafung des Gesin-
des für ein von ihm begangenes Delikt, gerät einige MaJe
auch in Abhängigkeit von dem engen Zusamtmenhalt des
herrschaftlichen Hauses, so daß die bevorzugte Stellung
des Hausherrn auch dem Gesinde zu gute komänt. In
Friedberg verkündete 1331 der Kaiser einen Frieden
*) Art. 42. — •) Meyer, Art 82. — ») Strenge-Devrient,
Stadtrechte S. 196 ff,, bes. 212; die folgende Gegenüberstellung der
„missethadt" erwähnt des Gesindes nicht. — *) S. 810. — ») Pufen-
dorf, Obs. iur. IV app. S. 148 ff,, bes. 218. — •) von Freyberg,
bist. Sehr. u. Urk. V S. 289 ff., bes. 282.
— 313 —
zwischen Burg und Stadt ^). Hier wurde einigen Bürgern
zugebilligt, daß ausnahmsweise ihre vergangenen „schul-
den" nicht gerichtet werden sollten; dies Vorrecht sollte
sich auch erstrecken auf ihre Kinder und „gesinde, die
ir brot essent". .Nach der Stadtordnung von Walldürn
aus dem Jahre 1492 *) wurde der Feldbirnendiebstahl mit
acht Pfennigen weniger als sonst geahndet, wenn des
Bürgermeisters Frau oder Gesinde sowie die Dienstboten
der Priester, Edelleute, Zentgrafen und Zentbüttel Täter
waren.
Auch auf dem Gebiete des hohen Staatsrechts
teilte das Gesinde in miancher Hinsicht Vonrugsstelltuig und
Benachteiligung seines Dienstherm. Der Genuß des Stiadt-
rechtes wurde in B rilon 1290 ^) nur den miständigen Dienst-
boten versag: „Vort mer havei wy gesät, dat mtegede, de
in der mathe *) nicht en synt, diat synt ntilegede, de in eynen
unsteden denste synt, also dat se de eyne wile dem eynen
deynet, ind de anderen tyt dem anderen, ind gevet sich
in manniger legge hantneringe *) ind unstedes denstes,
de en suUen nicht gebruken des vurgeschr. Stades
rechten*', öffentlichrechtliche Verträge über den Frie-
den und gegenseitigen Schutz der Vertragschließenden
bezogen auch das Gesinde ein. So der bereits angeführte
Vertrag zwischen Stadt und Burg Fried berg von 1301'),
den die Bxirgmannen „vor sich xmd ir gesinde** geschlossen
haben; ausgemacht wtude hierbei unter anderm*, daß „di
burcman Stilen ane angest sin libes und gudes vor den
bürgere und die bürgere sin ane angest libes und gudes
vor den buromannen**. Die freie Reichsstadt Spei er
verheißt in der Strafordnung von 1328 ^) dem Gesinde den
*) Foltz, Urkundenbuch I S. 114. — ') Oberrhein. Stadtrechte
IS. 248flF., bes. 269. - ») Seibertz, Urkundenbuch I S. 582. -
*) Durch das folgende erklärt; dazu Schiller-Lübben III 3.48.—
•) Nahrung, durch Handarbeit verdient ; S c h i 1 1 e r - L ü b b e n II S. 199.
- •) Foltz, Urkundenbuch I S. 64; oben S. 304f. — ^) Lehmann!
Chronica S. 384 ff., bes. 288.
- 314 —
Schutz: „Wer auch nicht gezünfft hat, an den frevelt
man nicht, und ist auch in uns^m Schinne nit, ane
eines Mannes gedinget Gesinde, imd sine Kindt, die un-
beraden sindt, an den soll man frevelen, und sollent in
unserm Schirm sin." In ähnlicher Weise wie in Fried-
berg behandelt die 1358 getroffene Vereinbarung zwischen
Ritter Arnold von Blankenheim und dem Erzbischof von
Trier^) das Gesinde. Der Ritter verpflichtet sich, die
Stadt Hillesheim also zu bestellen, „daz unser vorg. herre
sine nakomen und der stieft der wol sicher sin, und daz
sie ire frund tmjd gesinde dar us und in zu allen iren
willen und noeden varen riden und sich behelfen mugen
wider allermenlichen . . ." ; weiter folgen Bestimknimgen
über die Verköstigung des Ritters und seines Gesindes
zu Kriegszeiten. Dieser Anteil des Gesindes an dem' ins
alber gariae') kommt beispielsweise auch in den 1507
aufgezeichneten Rechten des Stiftes Odenheim in B r u c h -
sal gegenüber der Stadt') vor. Darin steht die Auf-
forderung an die Bürger, die Stiftsleute und ihr Gesinde
gut m behandeln und wohl zu schirmen. Weiter ist für
die Frage der öffentlichrechtlichen Gleichbehandlung ein
Weistum des würzburgi sehen Städtchens Hof-
h e i m *) zu nennen ; es verleiht den Kindern, Geschwistern
und Dienstboten eines Hausgenossen alle Freiheiten, die
dieser selber hat. Ein gewerberechtlicher Vertrag zwischen
den braunschweiger Lakenmachem und den Juden
von 1312*) endlich verdient hier angeführt zu werden,
weil in ihm das beiderseitige Gesinde für die Erledigung
der geregelten Fragen (Verpfändung von Laken ttaw)
>) Lamp recht. Wirtschaftsleben HI & 232, 283. - *) du
Gange, Glossarium I S. 168, III S. 656; Pufendorf, de iurisdic-
tione p. II scct. III § 209; Wal ch, Beyträge VI S. 258 Anm. -
•) Oberrheinische Stadtrechte I S. 901 flf., bes. 905. — *) Grimm,
WcistOmcr VI S. 94 ff., bes. 96 (§ 26). — ») Hänselmann, Ur-
kundenbuch II S. 888.
— 316 —
den kontrahierenden Arbeitgebern völlig gleichgestellt
wird*).
Wi© die Bürgerrechte half das Gesinde dem Herrn
auch Mühen tragen, die diesem von der Öffentlichkeit
auferlegt wurden. Die goslarer Statuten gaben den
Bürgern auf, Weib, Kinder imd Gesinde sich in den
Krieg folgen zu lassen, bei Meidimg der Haftung
für die Schäden, die durch die Ztu-ückgebliebenen an-
gerichtet werden*). Zu Freiburg im Breisgau wurde
1308, verstärkt 1324*), verordnet: „Nimet ouch ieman ür-
lop vor deim'rate, und wil hinnan vam kriegen, oder anders
tuon das imie füget, der sol dar nach nüt me in die
stat vam, er noch enkein sin knecht, noch nieman der imie
dar zuo hilfet." Für einen Einzelfall wurde gleiches 1410
in Hannover besftimjralt *).
Schließlich hatte das Gesinde in verschiedenen Ge-
genden Teil an den Erleichterungen der Steuer- und
sonstigen Abgabenlast, die der Dienstherr erfuhr.
Als in Friedberg 1354*) eine Fruchtabgabe ein-
geführt wurde, erhielten die Btu-gmannen samt ihrem Ge-
smde Freiheit von der Steuer mgebilligt. Die beschränkte
Menge Wein, die nach einem Revers von 1394 •) der
Pfarrer Johann Fyde in seinem zu Friedberg neu gekauften
Hause halten dtu^fte, war so bestimmt: „Auch so sal
und enwil ich keynen wyn da kellern odir nyderlegen, ez
enware 'dan zum jare ejn fuder wynss, daz ich selbis drin-
ken wulde mit myme gesynde, und nit darubir, des ich
') Ober den Judenschutz wurde oben S. 274 ff. bei Behandlung
<ier Herrenhaftung ftkr das Schutzgeld das Nötige mitgeteilt. —
"JObcn S.281. — •) Schreiber, Urkundenbuch der Stadt Freiburg
i- Br. I S. 180, 251. — *) Im grossen Stadtbuche enthalten ; Vaterl.
Archiv des bist Vereins f. N.-Sachsen Jahrg. 1844 Heft 2—4, S. 64l
-•)Foltz, Urkundenbuch I S. 198. — Für Älteres Recht Nord-
deutschlands vgl auch Goschen, Goslarer Statuten S. 84. —
•) Foltz a. a. O. S. 447.
— 316 —
auch nymande virkauffen sal noch enwil und auch nit me
ktellem noch nyderlegen.** ^)
Auch in Mockstadt hatte das Pfarrgesinde teil
an der Befreiung seiner Herrschaft von der Fastnachts-
huhnabgabe, wie ein Weistum von 1365*) anordnet. Zu
Worms wurde in der um' 1400 entstandenen Ordnung
der Fergen ^) den Bürgern, die auf ihre Wiesen gelangen
wollten, der Rheinzoll erlassen. „Item suUen sie von der
btffger mfedem siejmjmeneim knechten mieden, die uff ir
wiessen gent, von den armen luden, die rore imd holtze
holent, und von gresem nusnit nemen.** Als weiter in
Worms 1509 die Freiheiten der Geistlichen und ihres welt-
lichen Gesindes geordnet wurden *), wurde auch bestimmt,
daß die Objektlasten, d. h. die „Beschwerden und Bür-
den, so andern weltlichen Bürgern ihrer güttere halber
aufgelegt werden", von den Dienst leuten gleich andern
Personen getragen werden sollten. „Was aber den Per-
sonen und nicht den Güttern aufgelegt wird, dess sollen
sie frey und ledig stehen, ohn alle Beschwerde**.
^) Dies Privileg des Haustrunks zu gunsten des Gesindes besteht
z. B. auch nach dem münchener Stadtrecht Art 340 (Auer
S. 132) verbietet, dass die Wirte nach der Bierglocke abends noch
ausschenken; „doch fleust (s= verleust) chain leitgeb danimb, ob er
seinem ingesind oder seinen gesten, die datz im ze herberg sind,
nach der glocken ze trincken geit''. Ähnlich ist die Bestimmung in
einem Bierrezess zwischen Landgrafen Wilhelm von Thüringen
und dem von Erffa a\is dem Jahre 1463 (Strenge - Devrient, Stadt-
rechte S. 69). Wohl um nicht zu viele Personen des Vorteils ge-
messen zu lassen, ordnete das duderstadter Recht (Gengier, Dt
Stadtrechte S. 98) an: „Nymant en schal der ackerknechte, noch der
deinstmegede mehr in sin huss nehemen wen sesse, dat dey kumpanie
in synen huse heffen, den hey beyer vorkouppen wille." Vgl. ferner
Stadtordnung Heidelbergs von 1465 (Oberrhein. Stadtrechte I
S. 488 ff., bes. 487). — «) Grimm, Weistümer III S. 436 ff., bes. 436.
— •) H, Boos, Quellen zur Geschichte der Stadt Worms, I 3 S. 649.
— *) Moser, Reichsstätt. Handbuch II S. 977.
— 317 —
In ähnlicher Weise wie in Friedberg 1394, nur mit
Herauskehnmg der Steuerfrage, wurde um die Mitte des
15. Jhdts. in Miltenberg*) angeordnet, daß nicht „ver-
bedet" zu werden braucht, „wie viel ein man hiissrat hat,
bette, kann, pfanne, heffen, wie es genant si, das dar
zu gehöret, . . . den er zu sinem hussgesinde hat und
heWet**, ferner Frucht, Fleisch, Obst, das der Hausherr
„mit sinem gesinde** essen will „und nit verkeuffen an-
geverde". InWeinheim sicherte die Stadtordnung von
1489*) auch dem Gesinde der „frien person" Freiheit
von „ungelt, leggeh imd ander bürgerlicher beswer-
niss" zu.
Eine Festsetzung aus dem 1540 zwischen Philipp dem:
Gr. von Hessen und den Pfännem zu Sooden an der
Werra geschlossenem Vertilge*) sei sodann angeführt.
Philipp verheißt den Pfännem und ihren Knechten Frei-
heit von aller Dienstbarkeit, die er seinen Salzknechten
usw. vielleicht auferlegen wird. Daß auch in späterer
Zeit die Großen im Lande Steuerprivilegien für sich und
ihr Gesinde sich auszubedingen verstanden, zeigt eine Be-
schwerde der hessen -schau mburger Ritter von 1737*),
die sich hierin auf Zusicherungen von 1731 berufen. Ganz
Ähnliches wie die wormser Fergenordnung ^) bestimmte
schließlich die Satzung eines Vergleiches zwischen der Ge-
naeinde Kostheim^ und dem Kloster Altenm-ünster
zu Mainz vom 11. Oktober 1730*). Das Recht der
Nachenfahrt über den Main haben die zur Überfahrt be-
fahrt bestellten Fährleute nicht ausschließlich: „wo ein
*) Oberrhein, Stodtrechte I S. 828. — «) Ebenda S. 894 ff., bes.
3W, 398. — •) U. F. Kopp, Beiträge zur Geschichte des Salzwerks
in den Soden bey Allendorf an der Werra. Marburg 1788. S. 100.
— *) St A. Marburg. Akten der Rintelner Kanzlei betr. die von
i Ritterschaft beanspruchte Jurisdiction, 1786—87, Bl. 72 v. -
•) Oben S. 816. - •) Nach Notizen Bodmanns über das Recht der
Mainfahrt zu Kostheim (Habeische Sammlung).
— 318 —
Bürger . . . einen eigenen Nachen hätte, soll demselben
damit für sich und sein Hausgesind nach Mainz zu fahren
. . . erlaubt . . . seyn**^).
An dieser Stelle angefügt sei schließlich eine Er-
wähnung des Gesindes in besonderem Zusamknenhan^e.
Die Gemeindeordnung für Bühlertann in Schwaben
von 1643*) ordnet an: „Wan gemeind und darinen ein
umfrag gehalten würdt, soll ainicher gem^indsman dem-
andern, auch weder weib, kinder und ehehalten im wenig-
sten nichts davon offenbahm, wass einer oder der ander
gtemeindsman für ein antwort oder stimm gegeben, bey
^) Über die sonstigen Beziehungen des Gesindes zum Steuerrecht
seien kurz einige Angaben beigefügt. Als Steuersubjekt kommt das Ge-
sinde ausserordentlich hftufig vor, insbesondere auch in den Zeiten der
Kopfsteuer, in den TQrkensteuerordnungen des Reichs und den daraufhin
erlassenen Landesordnungen. Ein sehr frühes Beispiel solcher Notbe-
steuerung auch des Gesindes wird in der halberst. Sachsenchronik für
1429 gemeldet (Casper Abels Ausgabe, Braunschweig 1732 S. 215);
„de Werlde wart geschattet" wider „de Bemische Ketter", das ge-
meine Volk, so auch die Dienstboten, geben einen böhm. Groschen.
Femer Reichsabschied 1512 I § 2 (Neue u. vollst Sammlung II S. Id8);
späterhin noch weitere Besteuerungen. Aber auch als Steuerobjekt
muss das Gesinde dienen, als Wertmesser für eine gewisse Höhe
des Wohlstandes. Dienstbotensteuern gab es vornehmlich im
Ausland, England, Holland, Schweiz (Wörterbuch d.Volksw. IIS. 442);
in England insbesondere wurde während der letzen Zeit des 18. Jhdts.
eine Bedientensteuer eingeführt (KrQnitz S. 712). In Preussen schuf
Hardenberg 1810 eine allgemeine Luxussteuer auf Dienstboten, Pferde,
Hunde und Wagen (Treitschke, Deutsche Gesch. l S. 870). Auf der
Grenze von Subjekt- und Objektsteuer steht das oben S. 272f. mitge-
teilte mainzer Recht von 1701. — Einen eigenartigen Einfluss auf
die Steuerlast des Dienstherm übte das Gesinde nach eisenacher
Willkür des 14. Jhdts. aus (Strenge - Devrient, Stadtrechte S. 82).
Vom Grundbesitz braucht nur der dritte Teil versteuert zu werden,
„darumb das eym yglichen beerbten manne sein erbe auf ein ihaer
nicht mehr den den dritten teil nuz brenget, wen das eine teil leigt
in brache, das ander teil wirdt den gesinde zu lohn, der dritte teil
kumpt ym zu nuze". — ■) Wintterlin, Württemb. Iflndl. Rechts-
quellen I S. 304 ff., bes. 882 f.
— 319 —
1 fl. straff/' Das Gesinde wird hier neben Hausfrau und
Kindern als besondere Vertraueasperson des Hausherrn
genannt, denen gegenüber die Amtsverschwiegenheit aus-
drücklich eingeschärft werden muß.
Die hier gegebenen zahlreichen Beispiele dafür, daß
das Gesinde in gleicher Weise wie sein Dienstherr an
Rechten und Pflichten Anteil bekam, dürfen nicht zu dan
Irrtum vteirleiten, als habe dadurch eine soziale Gleich-
^ellung in die Wege geleitet werden müssen. Nichts lag
unsem klassenbewußten Ahnen femer. Der Unter-
schied des Standes bleibt. Das Muntschaftliche im
Gesindeverhältnis verlangt nicht nach einer Ausgleichung
des sozialen Unterschiedes. Im Gegenteil; die Gemein-
schaft kraft herrschaftlicher Gewalt braucht Untergebene.
Zwar stehen die der Herrschaft des Hausvaters Untertanen
verwandten Familienglieder mit diesem auf derselben so-
zialen Stufe. Ihre Unterstelltmg unter die Macht des
Gemeinschaftsführers wird anders als durch soziale Min^
derung herbeigeführt. Die Munt verlangt nicht, daß auch
im Stande der nicht vorhandene Unterschied zwischen
den Gliedern und dem Leiter künstlich herbeigeführt wird.
Aber ebenso gilt das umgekehrt. Wo die soziale Scheidung
besteht (wie zwischen Herrn und Gesinde), liegt kein An-
laß vor, diesen Unterschied durch Hebimg des Gesindes
aus seinem Stande heraus zu beseitigen ^).
Ja, das Klassenrecht des Mittelalters ging noch wei-
ter*). Es nahm einem« Bürger, der in Gesindedienste ein-
■) Nur vor der höchsten Gewalt fand wenigstens die Theorie
der frommen Betrachtung einen Ausdruck für die allgemeine Menschen-
gleichheit von Herrn und Diener. Eüne alte Inschrüt sagt es:
Der Tod ist blind, sieht doch all' an,
Er schiesst gewiss, trifil jedermann,
Herr, Knecht, Frau, Magd, reich, arm, jung alt,
Wie, wo, wann und wer ihm gefallt.
*) Dass das Gesinderecht aus der Zeit der Unfreiheit der Form
nach noch hftrter war, braucht nicht hervorgehoben zu werden;
Grimm, Rechtsaltertümer bes. S. 839 ff.
- 320 —
trat, seinen sozialen Ran^^ und versafi^te ihm so beispiels-
weise das Recht des Einhgers. 1303, 1428 und 1433
wurde in Bremen bestimmt^): „Thenet oc en borghere
ether enes borgheres sone ummte loon, ed scal in theneste
wesen. Hevet ok en mfcui enen mach, then he set to siner
boden tafle, the loon openemet, the scol oc in theneste
wesen. Jeghen aldusdanne knechte, also hir vore bescre-
ven stat, en schal nen borgere to leghere ^) komen, noch se
jeghen nenen borgere." Ebenso war das Recht in 0 1 d e n -
bürg*) imd in Verden*). Noch deutlicher redet das
Recht, das im großen Stadtbuch Dortmunds*) enthalten
ist : „Were eyn borghere, dey knecht oder ghesinne werde
eynes heren, ritters eder knapen, die gheseten is tusghen
Wezere unde Ryn, die sal siner borgherscap entweret siin,
hie en dede dat met wulbort des rades.**
Wenn auch diese Quellen einer Zeit angehören, die
vielleicht die Gegensätzlichkeit der Handwerker zu dem
sich ausbildenden neuen Stande der Hausdienstleute*)
besonders kräftig hervorkehrte, so blieb der Unterschied
zwischen Handwerkern, die für eine künftige Selbständig-
keit arbeiteten, und Diensitboten, die eine solche Selb-
ständigkeit nie zu erwarten hatten, doch bestehen'). In
») Ölrichs S. 44; 337, 338; 1433 Stat. 77. — •) Schiller-
Lübbcn II S. 661. — •) Ölrichs S. 786fr., bes. 800. — *) Pufen-
dorf, obs. iur. I app. S. 77 ff., bes. 117. — ») Frcnsdorff, Statuten
und Urteile S. 67 ff., bes. 78 (Nr. 48, 49). — •) Oben S. 244 f. -
0 Gelegentlich vorkommende unbedeutendere Rechtsunterschiede
zwischen Bürgern und Gesinde kennen den Eindruck noch verstarken.
So wenn in Rastenberg 1491 nur den gesessenen Bürgern, nicht
auch Kindern, Ges i nde, Hausgenossen u. s. w. das Fischen gestattet
wird, oder in Rem da 1686 das Verbot ergeht, dass Gesinde,
Gflste und Bürger, die unter fünf Mark verschossen, Messer tragen,
die langer sind als das Mal an Hofmanns Haus (Joh. Schmidt, Gesetze
f. Weimar VIII S. 2 ff., bes. 14 ; 27 ff., bes. 30). Vgl. ferner Weistum
von Langenlonsheim, letzter Satz (Grimm, Weistümer US.
163 ff., bes. 166). — Zu Goethes Zeiten war Mägden (und Hand-
werksgesellen) der Aufenthalt in den Esplanadeaniagen zu Weimar
— 321 —
den Städten gehörte eben das Gesinde nicht zu den Bür-
gern, ^^cmdem nur tvL den „Einwohnern" ^). Und auch auf
den Dörfern mit ihrer noch heute unvermindert harten
Standesscheidung zählte man das Gesinde nicht als voll-
berechtigte Gemeindeglieder, sondern als Beisassen wie
die noch nicht selbständigen Kinder*). Die ächtende Wir-
kimg des Gesindedienstes verlor sich späterhin in einem
gewissen Maße. Nach der oben *) angeführten Reichs-
handwerksordnung von 1731 sollte einem Hand-
werksgesellen ein vorübergehender Herrschaf tsdielnst nicht
hinderlich sein.
Die im Verlaufe der Dai^elltmg mitgeteilte Fülle von
Belegen für die müntschaftliche Anschauung des Gesinde-
verhältnisses reicht bis ins 19. Jhdt. hinein. Nicht überall
hat die rationalistische Auffassung des Gesinde Vertra-
ges, die gegen Ende des 18. Jhdts. in die Praxis überzu-
gehen anfing, die Ausscheidtmg jener Elemente bewirkt.
Im preußischen Recht ist eine Entfernung verschiedener,
bequemer Weise „jÄtriarchalisch** genannter Bestimmun-
gen aus dem Gesinderecht in der Zeit des ALR. er-
folgt *). Vielleicht ist das in eineon' Zuge mit der Zertrüm-
merung der vielen Feslseln des Gesindes, die damials ge-
sprengt wurden, vor sich gegangen. Die rtihigere Ent-
wicklung im Welsten, die solche Gewaltkuren nicht nötig
hatte, ging zu einem* sehr großen Teile damials nicht zu
anderen Grundsätzen über, sondern begnüg^te sich mit
einer formellen Neubildung des Gesinderechts. Typisch
hierfür sind die beiden großen hessischen Gesindeord-
nungen, die ja in die hohe Zeit der preußischen Rechts-
geschichte fallen. Sie nehmen Einiges aus dem- preußi-
verboten (Wilhelm Bode, Damals in Weimar, Weimar 1910, S. 24);
gleiches Verbot bestand für die Aue in Gas sei nach. Verordnung
von 1745 (LO. IV S. 842),
*) Schröder RG. S. 648* — •) Maurer, Dorfverfassung I S.
143. - ») S. 245. - *) Hedemann S. 202.
K8BD«eke. fl
— 322 —
sehen Recht hinüber ; aber, was sie an Äußerungen über
die muntschaf tliche Art des Gesindewesens enthielten, das
behalten sie auch. Nichts wird hinzugetan und nichts ge-
nommen; das Verhältnis zwischen Brotherm und Dienst-
boten ist genau so viel und so wenig Vertragszustand wie
bisher.
Wie die Übertragiuig' der Herrschaftspflichten und
Rechte auf den Dienstherm sogar durchaus mit den da-
maligen modernen Vertragsideen verträglich war, zeigt
die aschaffenburger Gesindeordntmg von 1811 *), die
ihre neufranzösische Abkunft in nichts verleugnet. Die all-
mächtige Polizei verleiht hier dem Hausvater das uralte
Hausrecht unter neuem! Namien zu neuem Rechte. §2 lau-
tet: „Insofern der Dienstherr als Familienhaupt die häus-
liche Ordnung handhabt, überträgt die Polizei dem Dienst-
herrn die Wachsamkeit über das Dienstgesinde, und in
Zuversicht auf diese häusliche Wachsamkeit begiebt sich
die Polizei jeder Einmengung in Dienstbothen Angelegen-
heiten in solange, als solche das Innere der Hausshaltun-
gen nicht überschreiten, oder der Dienstherr und Gesinde
ihren Beistand anzurufen nicht nothwendig findet." Völlig
in Einklang hiermit ist es, wenn in § 26, wo die Treu-
pflichten des Gesindes aufgezählt werden, ihm insbeson-
dere auferlegt wird, „im Falle der Noth und augenblick-
licher Gefahr das zu thun, was jedes andere Glied
der Familie, nach seinen Kräften und Um'ständen, in
diesem Falle nicht verweigern würde." Und dann heißt
es noch in § 31: „Der Dienstgeber a 1 s Familienvater
und Hausherr ist verbunden", dem Gesinde Lohn,
Kost imd das übrige zu reichen.
Es handelte sich in diesem« Kapitel darum', den Begriff
des Gesindes, seine Unterscheidungsmerkmale gegenüber
andern Berufen xmd Ständen festzustellen. Wirkungen
■) St. A. Marburg Akten der Pracfektur Fulda, Landes-Polizci,
Aufsicht aufs Gesinde, 1128.
— 323 —
gerade der Muntidee treten, wie schon bemerkt, noch an
vielen andern Stellen des gesamten Gesinderechts auf,
ohne daß in dieser grundlegenden Feststellimg zunächst
darauf eingegangen zu werden brauchte. An ihrem Platze
wird auf die Hervorhebimg der sonstigen muntartigen Be-
sonderheiten der nötige Bedacht genommen werden. Viel-
leicht das wichtigste Stück aus dem weiterhin zu berück-
sichtigenden Muntrechte ist die Pflicht der Dienstherr-
schaft zur Krankenfürsorge*), deren Grundlagen ja
erst in der neuesten Zeit so völlig verändert worden sind.
S 2. Die Beschaffung der Dienstboten
(Der Gesindemarkt).
Nicht die Lohntaxen und nicht die Vorschriften über
Vertragstoruch, Abspenstigmachen oder Untreue sind die
häufigsten Rechtssätze, die im Gesinderecht vorkommen;
das sind vielmehr die meist nur nebenher beachteten
(und allerdings auch nur nebenher erscheinenden) Bestim-
mungen über die Herbeischaffimg des nötigen Gesinde-
materials, was auf die mannigfaltigste und absonderlichste
Weise versucht wird.
Die Klagen über Mangel an Gesindeangebot sind bei
weitem die dringendsten, welche die Dienstherrschaften
erheben; mit der größten Regelmäßigkeit geben die Re-
gierenden, die ja auch Dienstherrschaften zu sein pflegen,
dem herrschaftlichen Empfinden nach imd bringen die
Klagen vornehmlich in Einleitimgen zu gproßen Gesetzen
beweglich zum Ausdruck. Aus diesen vielen Äußerungen
der Gesetzgeber darf man keine weitgehenden Schlüsse
auf den Gesindemangel herleiten; man bekommt ja doch
nur eine Partei zu hören.
Eine fortlaufende statistische Berechnimg, wie weit
die Beschwerden über das Auseinandergehen von An-
>) Unten § 11.
21*
— 324 —
gebot und Nachfrage auf dem Gesindemarkt in der Ver-
gangenheit berechtigt waren, läßt sich aus Mangel an jeg-
lichem Material nicht ausführen. Volkszählungen konnten
keinen Stoff zur Beurteilung liefern, da über den Um-
fang der Ai^beitslosigkeit in der Vergangenheit Erhebun-
gen nicht veranstaltet worden sind; die Volkszählungen
könnten bei ihrem vereinzelten Auftreten auch immer nur
Material für ihr Jahr geben, das durch vorangegangene
Kriege, Krankheiten oder Hungersnöte vielleicht ein
außergewöhnliches Gepräge erhält.
Jedenfalls steht das fest, daß die Behauptung einer vor-
wiegenden Gesindenot in der Vergangenheit aus Quellen
nicht bewiesen werden kann. Die Tatsache, daß während
des Mittelalters auch in der dienenden Klasse das weibliche
Geschlecht überwogt), sagt nichts zu dieser Frage, son-
dern bekundet nur etwas über die Zusammensetzung des
Gesindes in sich, ohine es in Beziehung zu den nach-
fragenden Dienstherrschaften zu setzen.
Das bei weitem' wirksamste Mittel zur Gesindebeschaf-
fung war der Zwangsdienst. Man muß hierbei ver-
schiedene Arten unterscheiden.
Der Zwangsdienst des älteren Rechtes bestand
in Westfalen und Hannover. Hier mußten schon
im 14. und 15. Jhdt. die Kinder der Eigenbehörigen dem
Herrn als Gesinde ein Jahr lang dienen ^). Welches der
Ursprung dieses Rechtes war, mag dahingestellt bleiben.
Wichtiger ist der Zwangsdienst des neuerenRech-
t e s, wie er vornehmlich in Ostdeutschland und in Bayern
vom 16. Jhdt. an entstand; er erfuhr eine weitergehende
Ausbildimg. Es gibt zwei Formen dieser Art Untertanen-
pflicht.
») Bücher, Die Frauenfrage im Mittelalter S.5. - «) Wittich,
Die Grundherrschaft in Nord Westdeutschland S. 289 ff.; dazu Grimm,
Weistümer III S. 68, 147, 156, 199, 901, 208, 207; Kind linger, Gc-
schichte der Hörigkeit S. 97 ff.
— 325 —
Die Kinder der unfreien Bauern waren entweder ver-
pflichtet, sich für den Fall, daß sie sich zu vermieten
vorhatten, der Gutsherrschaft ziun Dienen anzubieten. Erst
\sitnn. diese Herrschaft erklärt hatte, von dem ihr zu-
stehenden Vormieterechte keinen Gebrauch zu ma-
chen, oder wenn die mehreren Jahre Dienst, auf die der
Herrschaft das Vorrecht zustand, von dem Dienstboten
ausgedient waren, durfte dieser sich auch an anderen Stel-
len vermieten. Die andere Form bestand darin, daß der
Herrschaft ein absolutes Recht auf einige Dienstjahre der
Bauemkinder zustand, mochten diese nun überhaupt die
Absicht haben, zu dienen, oder nicht. Dies ist der
Zwangsdienst im engeren Sinne.
Man darf aber zwischen den beiden Arten keine
allzu großen Verschiedenheiten annehmien. Denn die
Kinder der untertänigen Bauern hatten doch stets die Ab-
sicht, vor der Heirat erst einige Zeit in Gesindedienste
zu gehen. In Wirklichkeit stellt sich das Vormieterecht
nur als eine Benachteiligimg der anderen Dienstherrschaf-
ten im Lande dar, während es für die Bauemkinder nur in
den Ausnahmefällen, wo sie wirklich einmJal nicht die Ab-
sicht zu dienen hätten, eine Grausamkeit und Ungerechtig-
keit im Vergleiche zum' absoluten Zwangsdienste war. Die
Form der Vonniete schont anscheinend das Selbstbestim-
mungsrecht der Bauemkinder mtehr, als es der absolute
Zwangsdienst tut. Ein praktischer Unterschied aber ist in
der Regel nicht vorhanden.
Über das Vorkomimlen des neueren Zwangsdienstes
beider Formen iml O sten Deutschlands liegen schon meh-
rere teilweise gründliche Arbeiten vor ^), durch welche die
Frage für diese Gebiete genügend geklärt ist. Es sei vor
Behandlung der west- imd süddeutschen Geschichte ganz
*)DieWcrke von Fuchs, Wut tke, Knothe, Frauenstädt,
Lenn hoff sind im Literaturverzeichnis näher bezeichnet.
— 326 —
kurz auf die Entwicklung des Rechtes im Osten einge-
gangen.
Schon im ersten Teile wurde ausgeführt, welches die
Gründe für das Vorkommen des Zwangsdienstes im Osten
waren, die Größe der Betriebe, die dadurch bedingte
Leutenot, die politische Macht der Großgrundbesitzer^).
Mit dem Beginne des 16. Jhdts. gelangten die meisten
der östlichen Staaten zur Einführung des Zwanges. In
Brandenburg begann man 1518 nüt der Vor-
miete*). Eine „subsidiäre Gesindedienstpflicht** der Bau-
emkinder entwickelte sich in Pommern zu Anfang
desselben Jahrhunderts*). Schlesien führte 1545
die Vormiete ein*). Wie in Pomimem liegen auch
für die Oberlausitz die ersten Beispiele von Dienst-
zwang aus dem Anfange des 16. Jhdts. vor; die Lan-
desordnimg von 1539 sanktionierte den Zustand*). Am
spätesten geschah etwas in dieser Richtung in Kur-
sachsen. Es kommen gelegentliche, ganz vereinzelte
Maßnahmen großer Herren zur Begründiuig eines Dienst-
zwanges in der zweiten Hälfte des 16. Jhdts. vor; 1568
wurde auf den kurfürstlich sächsischen Vorwerken das
Vormieterecht eingeführt. Die allgemeine Einrichtung des
Zwangsdienstes geschah nach langen Vorverhandlimgen,
die besonders von 1609 an dringlich von den Gutsbesitzern
betrieben wurden, erst 1651 in Form der Vormiete®).
») Oben S. 29ff. - «) Lennhoff S. 2, 105. - •) Fuchs S. 54.
— *) Frauenstädt S. 875. — ») Knothe S. 280. — •) Wuttke
S. 40, 42, 80, 84 Welche Ersparnis der Zwangsdienst fl\r den Guts-
herrn bedeuten konnte, sieht man aus einer Notiz in R. C. Ben*
ningsens Abhandlung vom Anschlag der Gother in Sachsen; 1771
S« 821. Benningsen gibt hier als Musterbeispiel den Anschlag eines
fingierten Ritterguts Adelsheim und bemerkt: „Der Dienstzwang ist
hier gar beträchtlich, . . . daher fast niemals frem des Gesinde
not h ig ist." Da Benningsen praktisch brauchbare Ratschläge und
Anschl&ge geben will, ist wohl kaum anzunehmen, dass er dies
Idealbild eines bloss auf Zwangsgesinde angewiesenen Gutes frei
erfunden hat; er wird genug Besitzungen kennen gelernt haben, die
— 327 —
Die Befreiungsgesetze des 19. Jhdts. berichten überall die
endgültige Abschaffung des Dienstzwanges.
Für die Länder des westdeutschen Kleinbetriebes
bedeutete der Zwangsdienst — in der Form' des absoluten
Zwanges oder des Vormieterechtes — eine Ausnahme.
Am rusamimenhängendsten ist das Gebiet des Zwangs-
dienstes in B a y e r n. Hier durften die Grundherrn zur Er-
richtung eines Hofbaues die Scharwerke ihrer imtertänigen
Bauern nur in beschränktem Maße heranziehen; die dar-
über hinaus erforderliche Arbeit verrichteten Taglöhner
und Gesinde*). Die Schaffung des Zwangsdienstes zur
Sicherung des nötigen Gesindematerials lag daher nahe.
Schon 1516 wurde die Einführung der Vormiete auf
den herzoglichen Hofbäuen gestattet *). 1553 erfolgte die
Verleihung dieses Zwangsrechtes auch an die sonstigen
Herrschaften des Landes; das Landrecht von 1616 blieb
dabei ^). Im Codex Maximilianeus schließlich geschah
1756 die Einführung des absoluten, allgemeinen Gesinde-
zwangsdienstes der Bauemkinder *), es wurde nämlich be-
stinmit, „dass die Jurisdiktionstmtertanen auf dem Land
sich ihrer Herrschaft, sofern sie dieselbe bedarf, sowohl
zum Schloss- und Hofbau, als anderen anständigen Dien-
sten, jedoch andergestalt nicht, als in der Hofmark und
um gebräuchlichen Lohn, wenigstens auf einige Jahre
zu verdingen schuldig sind**.
Wie weit die Gutsherrn in der Geltendmachung ihrer
ungerechten Rechte zu gehen wagten, zeigt ein Bericht
des Pfleggerichtes Biburg an den Kurfürsten vom 2.
August 1781 *). Es wird hier die Bestimmung der neuen
Gesindeordnung (von 1781) erwähnt, daß Ziehzeit Licht-
tatsächlich nur den geringeren Zwangslohn in ihr Budget einzustellen
brauchten.
*) Brentano, Warum herrscht in Altbayem bäuerl. Grund-
besitz? in Ges. Aufsätze I S. 228 ff., bes. 248. — *) Platzer S. 6 -
•) Ebenda S. 7. — *) Ebenda S. 6. — ») Kr. A. München. GR. Fasz.
404 Nr. 7.
— 328 —
meß und Michaelis mit jährlichen Dienstzeiten sein soll.
„Da nun in hiesigen und andern viellen gegenden die Hof-
marchs Herrschaften ohne alle Rücksicht mitten in der
Dienstzeit je nach ihrer Willkühr, und Bedürfnis ihre Un-
terthans Kinder aus fremden Diensten ab, und zu sich
in Zwang Dienste, zu welchen Sie durch Herfcommfen
berechtigt zu seyn behaupten, zu ruffen pflegen", wird
leine Resolution hierüber erbeten. Diese in Form eines
allgemeinen Patentes an mehrere Ämter am 13. und 24.
August 1781 lerlassene Resolution geht dahin, „dass, wenn
schon eine Hofmarchs Herrschaft befugt seyn sollte, die
Kinder ihrer Unterthanen zu sich in zwang Dienste zu
nehmen, so darf jedoch dieselbe ein solches unter der zeit
einem andern Baum oder Dienstherrn außer den be-
stimmen Tetminen keineswegs abnehmen, und kann ein
derley Unfug durch kein auch uraltes Herkommen, oder
sonstigen Titl jemals gerechtfertiget werden.**
Erst 1801 aber wurde wieder das frühere mildere
Vormieterecht neu geschaffen, 1808 schließlich mit der
Leibeigenschaft auch es abgetan *). In Bayern imd öster-
*) Platzer S. 8, 9. In seinem oben angeführten Aufsatze bemüht
sich Brentano, zu beweisen, dass es in Bayern mit dem Zwangs-
dienste gar nicht so schlimm gewesen sei, dass die brandenburgischen
Gutsherren jedenfalls in viel weiterem Umfange sich des Mittels be-
dient haben. Der Vergleich ist soweit ohne Zweifel richtig. Aber
das Gemeinsame zu betonen, unterlässt Brentano leider. Diese Gleich-
heit der Entwicklung aber ist nicht wegzuleugnen. Bayern war das
Land, wo ausser im Osten der Zwangsdienst — ob als Vermiete
oder als strenger Zwangsdienst, ist nach dem Gesagten einerlei —
am verbreitesten war. Weshalb noch Unterschiedlichkeiten kon-
struieren zwischen dem freien Bayern imd dem egoistischen, gross-
agrarischen Preussen, Unterschiede, die in Wirklichkeit gerade das
Gegenteil darstellen, nftmlich eine für Bayern beschämende Überein-
stimmung der Rechtsentwicklung mit der preussischen Geschichte.
Es gibt doch noch genug andere in der Tat vorhandene Verschieden-
heiten zwischen der Geschichte der beiden Länder, womit man in
ausreichendem Umfange operieren kann.
— 329 —
reich heißen die Jahre, die ein Bauernkind beim Zwangs*
herrn dienen muß, „Waisel jähre*' oder Pariser Jahre ^).
Das Gebiet des Zwangsdienstes war nicht auf Alt-
bayem beschränkt. Noch weitere Gegenden südhch der
freimachenden Mainlinie hatten Teil daran.
Das brandenburgische Franken ist in erster
Linie zu nennen. In einem' Rezeß mit der voigtländischen
Ritterschaft vom 8. Juni 1626 2) lieferte der Fürst das
Gesinde den Herren aus. Unter Nr. 27 heißt es : „Halten
wir nicht vor unbillig, dass deren von Adel Unterthanen
Kinder um gebührl. billigen Lohn vor andern imd frem-
den Ihnen zu dienen angewiesen werden; jedoch dass
gleichwohl kein Missbrauch imd diese Ungebühr mit unter-
laufe, dass da einer oder der andere mit Vorwissen seiner
Herrschaft in andere Dienste sich eingelassen, er hernach
ehe und dann die bedingte Zeit sich endet ztim Nach-
theil und Ungelegenheit des Dritten abgefordert werden
möchte.**
Die Taxordnung, datiert Hof 31. Januar 1652^), setzt
gleiches Recht, in der Begründung beschönigend auf die
Guttaten der Zwangsherrschaft verweisend: ,,Es ist bey
Unserer Cantzley auch klagend vorkommen, dass der Un-
terthanen oder Hintersassen erwachsene Kinder, die ohne
das andern dienen und arbeiten, ihrer Lehen- Herrschafft
^er Gerichts-Herrn weniger, als einem frembden, zu
willen seyn wollen, da ihnen doch eben der Lohn, den sie
l^ey andern haben, geboten worden. — Wann aber dieses
ein blosser Muthwill, Eigensinnig- und Undanckbarkeit zu
seyn scheinet; In betrachtung, daß der gleichen Personen
von solch ihren Lehen- und Gerichts-Herrschafft allerley
Gutthat, Hülff tmd Schutz empfangen und geniessen, auch
hinter derselben, nach ihrer Eltern Tod, der Erbschafft
*) Schmeller, W. B. II Sp. 1020; Scherz, Glossar Sp. 1926;
P^atzcr S. 4. — •) Kr. A. Bamberg. CoUectanea Rep. 187H nr. 1.
■" ') Kr. A. Amberg« Zugang 6 Fasz. 24 N. 212.
— 330 —
lind Güter zu gewarten. Als sollen Unserer und anderer
Lehen- und Gerichts-Herrn Kinder schuldig seyn, denen-
selben, auff begehren, vor anderen zudienen und zu ar-
beiten, widerigen Falls mögen sie bey andern auf fgetrieben
und verfolget werden."
Auch in Bamberg bestand das Vormieterecht, wohl-
geregelt. Die Tax- und Gesindeordnung von 1652*) setzt
für der Untertanen Kinder fest: „Sollen auch schul-
dig und verbunden sein, da sie jhre Eltern in deren
Hausshaltungen nicht selbsten bedürfftig, sich zu fremb-
den nicht ehender zu verdingen, sie haben sich dann zu-
vor bey ihrem Herrn, undter dem' sie gebohren und er-
zogen, vor sich oder durch die Eltern angebotten, welchen
falls sie auff begehren jhrer Herrschafft zwey Jahr umb
den in diser unserer Ordnung gesetzten Lohn vor andern
zu dienen, oder auch da sie nit zu dienen und doch umb
das Taglohn zu arbeiten pflegen, ebnermassen jhren Erb-
herrn vor f rembden arbeiten, im' widreigen und da sie ohne
ursach jhrer Obrigkeit die Dienst oder Arbeit entziehen
und tmangezaigt an andere Orth vermieten würden, sollen
sie mit Vorwissen und Hülff der Obrigkeit, worunter sie
betretten auffgetrieben und diu-ch zwangs Mittel zur Ob-
servanz dieser Ordnung angehalten werden. — Da aber
eines Unterthanen Sohn oder Tochter nach beschehener
Anbietimg inner 14 Tagen von jhrem Herrn nicht ange-
nommen würden, solle jhnen alssdan zugelassen sein, sich
an andere Orth zu vermiethen, in massen auch diejenige
so sich bereits vor Publicierung dieser unserer Ordnung
anderwerts verdinget hatten, biss zu Endimg dess Jahrs un-
geirret bleiben."
Daß in K o b u r g Zwangsdienst herrschte, ergibt sich
aus der Gesindeordnung von 1814*). Da wird vqn den
*) Kr, A. Bamberg. Verordnungen Rcp. 141 Nr. 69. — *) v.
Weber, Statutarrechte I S. 1124.
— 331 —
Kindern der Hintersassen die Last der Zwangsdienste
g^enommen, die sie auf den Rittergütern zu leisten hatten.
Im Fürsten txime Altenburg war der Zwangsdienst
streng, wie die Gesindeordnung von 1744^) sehen läßt.
Die Untertanenkinder müssen ihren Herrn zwei Jahre
zwangsweise dienen. Der Zwangslohn ist in einer Taxe
seiner Höhe nach begrenzt. Aber auch nach den zwei
Jahren, die sich der Herr nach Belieben wählen kann,
sind die Dienstboten noch nicht frei. Ehe sie sich später
anderswohin vermieten, müssen sie sich immer wieder
dem vormieteber echtigten Herrn zum Dienste anbieten;
doch gilt dies merkwürdigerweise als freiwilliger Dienst,
wenigstens soll hier die Taxe des „frey willigen Lohnes"
angewandt werden. Sind an einem Orte zwei Gerichts-
herrn, dann hat jeder Anspruch auf ein Dienstjahr. Da-
mit das Gesinde rechtzeitig weiß, ob es in dem jeweiligen
Jahre zum Dienste genommen wird, soll es sich sechs
Wochen vor der gewöhnlichen Ziehzeit dem Zwangsherm
zum Dienste anbieten. Vierzehn Tage hiernach muß der
Herr erklären, daß er den Dienstboten annehmen will.
Sonst ist dieser für dies eine Jahr frei. Wenn ein Unter-
tan sein Kind selber im Hause nötig hat, oder wenn das
Kind heiraten kann, dann braucht es den Zwangsdienst
nicht anzutreten imd darf sogar den laufenden Dienst
verlassen — vorausgesetzt, daß ein geeigneter Ersatzdienst-
bote beschafft werden kann.
Früh trat die Begehrlichkeit der Leibeigenherren in
Baden auf. In Weitnau bestimmte 1344 „des gotz-
huses recht***): „Swa ouch ein gotzhus man het ein sim
ald zwen, wen su dienon umb Ion, so son su dem gotzhus
umb gewonlichen Ion, üb ir der probst bedarf.** Zwei-
hundert Jahre danach machte sich ein Jimker Vormiete-
rechte auf Tagelöhner aus. Ein 1551 gebildetes Weistum
') Univ.-Bibl. Marburg. XVIII f B 1119«. - «) Grimm, Weis-
tümer I S. 811.
— 332 —
von Zuzenhausen^) setzt nämlich fest: „Ein iglicher
taglohnner zu Zucaenhiausen seihen jtinckher Hannsen
von Venningen vor andern umb den tagklohn zu schaffen
schuldigk**. Auf dem Wege war mlan; aber die Einflüsse
mangelten, die auf eine Verwirklichung des Dienstzwanges
mit Erfolg hinwirken konnten.
Genau dieselbe Feststellimg kann man an einem an-
derthalb Jahrhunderte jüngeren Fall aus der württemb'er-
gischen Geschichte machen. Um' das Jahr 1700 schu-
fen die Grafen Adelmiann in Schwaben für mehrere ihrer
Dörfer, Hohenstatt u. a., erneuerte Gebote und Ver-
bote 2), darunter auch dies: „Sollen ohne vorwissen und
vergönnen gnädiger herrschiaft keines underthanen noch
haussgenossen kind noch die eitern selbsten in aussherri-
sche orth sich verdingen, weniger verheurathen bey unauss-
bleibender straff." Noch ein Schritt weiter und das off en-
barste Vormieterecht ist in voUkomimenster Gestalt ausge-
bildet. Nichts zeigt so deutlich wie dieser adelmannsche
Erlaß, welche Gefahr die gesetzgeberische Allmächtigkeit
der adeligen Grund- oder Gutsherren in sich barg. Auf
dem Umwege über ein allgemeines Aus wanderungs verbot
ließ sich der Dienstzwang außerordentlich leicht herbei-
führen. Der Gesetzgeber brauchte nur durch eigenen
Grundbesitz an der Beschaffung des nötigen Leutemate-
rials interessiert zu sein ; oder die Großgrundherren muß-
ten den nötigen Einfluß auf die Regierenden haben.
In Nassau gab es, wie es scheint, zunächst auch nur
ein Vormieterecht der Tagelöhner. Zum- Heumachen und
andern Emtearbeiten statuiert sich die Herrschaft ein
solches Recht am 26. Juni 1634^). Spätestens im' I^ufe
des 18. Jhdts. hat sich ein seiner Art nach nicht bestimm-
bares Zwangsrecht zu Gesindediensten in der usingi-
*) Oberrhein. Stadtrechtc I S.728flF., bes. 734. — «) Wintt erlin,
Württembergische landliche Rechtsquellen I S. 442 ff., bes. 448. —
*) Corps. Const. Nass. II S. 160.
— 333 —
sehen Herrschaft Idstein herausgebildet; wie es den
Anschein hat, aber nur zu gunsten der Landesherrschaft.
Das «ergibt sich aus einem Erlaß vom' 15. Dezember 1766 ^).
Da ist von einer Beschwerde der Hofbeständer über die
Untauglichkeit der gestellten Knechte die Rede. Bei drei
Gulden Strafe sollen die Schultheißen nur taugliche Per-
sonen 2ruln Dienste auswählen. Diese Dienste werden üb-
rigens aus zwei Gründen geleistet, „m Aufrechterhaltung
der Gerechtsamte derer Herrschaftl. Höfe und nöthigen
Application jimger Bauerskinder zur Landwirthschaft."
Nach dem Inhalte der Ordnung scheint es sich um' eine
bestimimten Dörfern allgemein obliegende Pflicht zur Ge-
stellung junger Leute für vorübergehende Arbeiten zu
handeln, nicht um' Leistung ständiger Zwangsgesinde-
dienste bestimtnter untertäniger Bauemfamilien. Es war
also m!ehr eine Art der gewöhnlichen Bauernpflichten,
wie es bei den Scharwerken der Fall war.
Daß es aber außerdem wirklichen Gesindedienst-
zwang gab, zeigt ein Reskript vom 7. Dezember 1778 2),
das „die, denen leibeigenen Unterthanen Kindern des
Fürstl. Oberamths Idstein gestattete gänzliche Redemtion
ihres Dienstzwangs auf die herrschaftl. Höfe, und zwar
derer Knechtsidienste mit 1 Rthlr., der Magdsdienste aber
mit 1 Fl. zu Fürstl. Kellerey . . .** betrifft.
Auch noch in die neuere Zeit setzte sich der alte
westfälische Zwangsdienst 5) fort, wohl unterstützt
durch die Tendenz, die anderswo srtir Schaffung des Zwangs-
dienstes neueren Rechtes führte. Im' 18. Jhdt. wurde in
Münster und im kölnischen Recklinghausen die Frage
des Zwangsdienstes geregelt. In der münsterschen
Eigentumsordnung vom' 10. Mai 1700*) und der kurköl-
*) Verzeichnet in dem von H. L. Benz 1784 angelegten Kata-
loge idsteiner Gesetze S. 269 (St. A. Wiesbaden. V 1 Nassau-Usingen.
Generalia II t Verordnungen). — •) Ebenda S. 889, — ») Oben S. 824.
- *) Originaldruck in der Univ.-Bibl. Marburg.
— 334 —
ni sehen Ordnimg für die Leibeigenen vom 3. April
1781 ^) wird fast übereinstimmend angeordnet *) : „Dann
müssen auch der Eigenbehörigen Kinder nach erreichtem
Dienstfähigem Alter bey ihren Guts-Herren den Zwang-
Dienst verrichten, und ein halb Jahr (es wäre dann, dass
der Guts- Herr einen längeren, oder der Eigenbehörige einen
kürtzeren, oder gar keinen Zwang-Dienst hergebracht zu
seyn, beweisen könte) ohne Lohn für die Kost dienen,
jedoch muss der Aufbott zum- Zwang-Dienst, wann die
Kinder bey andern würcklich dienen, zu rechter Edict-
mäßigen Mieth Zeit geschehen** (Münster).
Das Vorkonunen von Zwangsdi^nsten berücksichtigt
ferner die clevische Gesindeordnung von 1753^1. In
§ 5 wird von den jungen Dienstboten, die noch nicht ge-
dient haben, ein Zeugnis des Predigers oder der Gerichts-
obrigkeit verlangt, „und zwar von Letzterer sonderlich in
dem Fall, wenn die Kinder der Unterthanen derselben
zuforderst zu dienen schuldig sind**.
In Hessen ist es nie bis zur Ausbildung auch nur
von Ansätzen des Zwangsdienstes gekommen. Die ge-
messenen und ungemessenen Hand- und Spanndienste
berührten nur die Freiheit der Selbstbestinuntmg bei den
arbeitspflichtigen Bauern, imd auch hier nicht auf längere
zusammenhängende Zeiträume, sondern nur für die Ver-
richtung der einzelnen schuldigen Arbeit. Auf die Kin-
der der Bauern imd für eine längere Zeit erstreckten sich
die Pflichten nur in Ausnahmefällen. Gab es somit keine
Gesindezwangsdienste, so koimten doch die gewöhnlichen
Hand- und Spaimdienstpf lichten ihrerseits einem anderweit
abgeschlossenen Gesindedienstvertrag hinderUch sein, so
daß indirekt eine Art Zwang zum Diensteintritt gerade
beim Gutsherrn bestand.
') Scotti, Köln I 2 S. 1004. - •) IV 6; II 17. — •) Scotti,
Cleve S. 1452. -
— 335 —
Von diesen Verlegenheiten, in die der Mieter von
handdienstpflichtigem Gesinde kommen konnte, gibt ein
Brief des marbnrger Deutschordenskomthurs Georg Da-
niel von Habel an Rudolf Wilhelm von Radenhausen,
datiert 21. Juni 1651 ^), Kimde : „Ich habe hierdurch zu-
ersuchen gehabt, Nachdem sich Merten Ebert von Grossen
Seelheimb bey mtein Geschirr daselbsten vor einen Knecht
bestellen lassen, dem Vettern aber mit gehenden Diensten
?erhafft undt bey dehrer Verrichtung das Geschirr zu
meinem mercklichen schaden undt uffhalt still halten moiß.
Er wolle obgedachten Merten Ebert solcher gehenden
Diensten befreyen. Welches ich umb den Vettern ander-
wertig vorschulden will, ihn darmit Gott zu gnaden emp-
felent."
Weiter als in Hessen reichte die Begehrlichkeit der
großen Herren in der Provinz Schaumburg. Der
schaumburgischen Ritterschaft stand auf Grund einer Ver-
leihung durch Elisabeth Gräfin von Schaumburg aus dem
Jahre 1640 2) die Jurisdiktion über ihr Hausgesinde in
kleinen Sachen zu. Während des 18. Jhdts. bemühten
sich die Ritter um neuerliche Anerkenmmg ihres Rech-
tes^). Ob dies Streben Erfolg gehabt hat, ist den Akten
nicht zu entnehmen; wahrscheinlich ist es aber nach dem
Inhalte der Vorberichte nicht. Kein Erfolg war den 1798
auf dem Landtage gemachten weiteren Bemühungen der
Ritter um Einführung einer Art Zwangsdienst beschieden ;
im ersten Teile *) wurde das Nähere hierüber ausgeführt.
Die Geschichte des Zwangsdienstrechtes in Deutsch-
land außerhalb des Ostens und Bayerns ist hiemach nicht
allzu umfangreich. Es konnten hier vorwiegend nur die
Rechtssätze des Zwangsrechtes dargestellt werden.
') St. A. Marburg. Amöneburger Stiftsarchiv. — •) St. A. Mar-
burff. Rintelner Kanzleiarcliiv betr. die von der schaumburg. Ritter-
schaft prartendirte Jurisdiction Ober ihre Eigenbehörige und Domes-
tiqucn. 1786-87, Bl. 10. - ») Ebenda. — *) Oben S. 100 ff.
— 336 —
Über Üie wirtschaftlichen Grundlagen der für die Ländei
des westdeutschen Kleinlandes, so Nassau, auffallenden
Erscheinung mögen weiter:gehende Studien vielleicht nocli
Erklärungen finden. Ein Eingehen hierauf verbietet sich
jedoch an dieser Stelle ^).
Zum Abschliisse der Darstellung des Zwangsrechtes
sei die Äußerung Seumes, eines der edelsten Deutschen,
darüber wiedergegeben. Anfang November 1805 schrieb
er in einem Briefe an Karl August Böttiger *) : „Ich bin
eben kein Gegner der Monarchie, werde aber bis zum
letzten Athenlzuge Gegner sein der Ung'erechtigkeiten und
Bedrückungen imd Freiheiten und Privilegien und des
ganzen Unfugs der Unvernimft, mit welchem wir über-
schüttet sind. Dass es noch schlimmer sein könnte, ist
wahr; dass es aber schlinümi genug ist, kann nur der
Blödsinn oder der weggeworfene Eigennutz übersehen.
Der Landmlann soll nun fechten. Für wen denn? Schlägt
er für sich? Wird ihm der Sieger nicht noch mehr auf-
bürden? Ein Grenadier soll sich in die Bajo-
nette stürzen, dessen Schwester oder Ge-
liebte zu Hause bei dem gnädigen Krautjun-
ker jährlich für acht Gulden zu Zwange
dient; dessen Mutter oder alte Muhme, die selten satt
Brot und Salz hat, ihre halbblinden Augen noch damit
verderben muss, dass sie zur Frohne für den Hof ihre
nicht kleine Quantität Garn abspinnt ; dessen kleiner Bru
der für einen Groschen von der Herrschaft wöchentlich
einige Male Boten gejagt wird?" Diese hochverräteri
sehen politischen Folgerungen sollten kurz danach ihre
volle Bestätigung erfahren. Erst der heilsame politische
D^bacle war imstande, den Bauern eine Art Freiheit zu
verschaffen ^).
*) Verfasser behalt sich vor, darauf zurQckzukommen. "
') Planer u. Reissmann, Joh. Gottfr. Seume S. 581. - •) Gerade
im Anschluss an diese letzten Feststellungen lohnt es sich, darauf
— 337 —
Eine weit regelmäßiger über ganz Deutschland ver-
breitete Maßnahm^e zur Beförderung der Gesindezahl ist
die Anhaltung von Arbeitslosen zum Dienen.
^»Müßiggänger'*, Bettler und deren Kinder sind beliebte
Objekte der Polizeigesetzgeber*).
In den frühesten gesetzlichen Äußerungen hierüber
ist die Maßregel vornehmlich als solche der Armenpflege
gedacht; nur nebenbei komimt auch ein Erfolg für die
Vergrößerung der Dienstbotenzahl heraus. So ist es vor
allem ständig in der Gesetzgebung des Reiches. Die
Reichsabschiede von 1496, 1498, 1500, 1530, 1548*) re-
geln in besonderen Artikeln „Von Bettlern und Müssig-
gängem'* das Bettelwesen, ver'bieten kräftigen Personen
das Betteln und wollen, daß die Bettelkinder „zeitlich, so
sie ihr Brod zu verdienen geschickt seyn, von Ihnen ge-
nonmüen, und zu Handwercken oder sonst zu Diensten
geweist werden, damiit sie nicht alsso für und für dem
Betteln anhangen**.
hinzuweisen^ dass in unserer modernsten industriellen Ent-
wicklung sich alle Ansfltze zur Ausbildung eines regul&ren Zwangs-
dienstes der Arbeitersöhne zeigen, dass die Industrieritter von dem
Egoismus der |,Krautjunker" nicht mehr unterschieden sind. Die in
tinnatOrlicher Verdrehung ,,Wohlfahrts''-£inrichtungen genannten In-
stitutionen (wie der Bau von Arbeiterwohnungen) kommen nur den
gefügigen Arbeitern zu Gute. Verschiedene Verträge zwbchen den
Ruhrzechen und ihren Arbeitern Ober Mietung von V^ohnungen be-
tonen noch weitergehend aufs deutlichste, „dass für denSohn eine
Pflicht besteht, beim Arbeitgeber des Vaters in Dienst zu
treten, eine Pflicht, auf deren Nichterfüllung auch der Verlust eines
unter Umstflnden vierteljährlichen Mietzinses gesetzt ist'' (Ver. f. Soz.
PoL 114 S. lOB).
^)Allgemeines über die Armen- und Bettelordnungen, insbesondere
auch ihre Erfolglosigkeit, bei Riebe 1 im Archiv f. Kultiurgeschichte
n S. 893 ff.; femer Nobbe in der Zeitschr. f. Kirchengeschichte X
S. 569 fil, sowie in den sonstigen im Verlaufe der Darstellung ge-
nannten Aufsätzen von Gooss, Schorer, Frauenstadt und in
Bis! es Buch Ober die Off. Armenpflege in Augsburg (Paderborn 1904).
- *) Neue Sammlung II S. 89, 48, 78, 882, &87.
KSnnccke. 28
— 338 —
Die Zeit nahm d^i Gedanken auf. Man soll „unnützei
Letite aber, die wider ta wehren noch zu nähren dienen,
sondern niu- zehren, fatdlenzen und miiissigsrehen könnea,
nicht leiden, sondern aus dem! Lande ja^en, oder rum
Werke halten, ^fleichwie die Bienen thun und stechen
die Hiuntoeln weg, wilche nicht arbeiten, und den an-
dern Bienen ihr Honig auffressen." So Luther^).
Seine Äußerung beeinflußte direkt die hessischen
Gesetzgeber, auf deren Tätigkeit zunächst eingiegangen
werden soll. Die Taglöhnerordnung vom! 24. März 1571 '}
wurde erlassen, da „der gem^eine Mann" statt zu arbeiten
sich inümier m^ehr dem Müssiggang hingibt, und sich Und
seine Familie an den Bettelstab bringt. Mit daher kommt
es auch, daß Taglöhner so schwer zu bekomimien sind.
Und idie wirklich Armfen, werden umf ihre Portion von der
allgtemieinen Wohltätigkeit gebracht; es ist so, daß den
Armen „durch bös Buben oder Bübinnen, auch starke
oder junge Bettler und faulentzer, gleich wie die lose
Humm^eln, denen arbeitsamen Bienen be-
schicht, mit ihrer Faulheit, das brod vom* matihl abge-
schnitten" wird.
Schon vorher waren in Hessen Schritte zur Bekäm][>-
fung der Mißstände in gleicher Richtung erfolgt. In Wil-
helms II. (1483—1509) Reformationsordnung') heißt es:
„Was fcettler jm lande gesessen und gebrechlich syn die
kinder haben sobakle solche kynder jre jare emeichen,
daz sie jre broit verdienen können, sal mian sie dienen
laissen tmd dem Bettel nit anhängig machen by unser un-
gnedigen straiffe." Noch deutlicher tritt die Tendenz, prin-
zipiell für die Amüenpfl^e zu sorgen, in der Reforma-
tionsordnung von 1526*) zu Tage; hier handelt Pimkt 7
„Von armen kindem und weysscn". „Es sollen Ampt-
^) H. Wiskemann, Darstellung der in Deutschland zur Zeit
der Reformation herrschenden national^onomischen Ansichten, 1861,
& «0, - •) LO. I S. eao. -- *) Ehenda S. 8S. — «) Ebenda S. 49.
— 339 —
leut und Räthe an eynem jeden Ort fleissig insehen haben,
so arm kinder waren, die kein eitern oder kranck oder
arm verstorben eitern hatten, die äu arbeyten erwachsen
weren, das mian dieselben zu arbeyt zyhe, und an dienst,
bey fromlmie leuth verdinge, oder sie handtwerck lernen
lasse, damit sie auch narung zu uberkomimen mit der
zeit geschickt und dem' bettelstande entzogen, dadurch
die brüderliche liebe unter uns allen beweyst werde**.
Auch Moritzens Armenordnimg vom« 20. Jimi 1601 ^)
ist auf ähnlichen Ton gestimmt. Der Müßiggang, „als
welcher eine wurtzel alles bösen ist**, reißt imimieir mehr,
besonders in Cassel, ein. Die schädlichen Folgen äußern
sich auch in der Verlegenheit, in der sich Handwerker
und Hausleute umi die Beschaffung von Hilfspersonen
befinden. Daher sollen Beamte und Bürgermieister dar-
auf acht haben und dafür sorgen, daß alle zu tauglicher
Arbeit herangezogen werden, denn lässige Hände ma-
chen arm, fleißige aber reich. Um die Absicht leichter
zu verwirklichen, sollen in Cassel zwei Censores ernannt
werden, die auf die Knaben und Mädchen achten, die sich
des Betteins und Müßiggehens befleißigen, „sie seyen
gleich von sieben oder acht, biss in die achtzehen oder
zwantzig Jahr'*; die Kinder sollen dann denjenigen, die
ihrer Arbeit bedürfen, zugewiesen werden, ma gegen Lohn
zu dienen.
Diesen Bemühimgen zur Versorgxmg der Handwerker
und Dienstherrschaften mit Arbeitsleuten blieben die Re-
gierenden treu, solange sich nicht ergiebigere Verwen-
dungsmöglichkeiten für das überschüssige Menschenma-
terial zeigten. Am 13. März 1617 *), „nachdem« in Unsem
Fürstenthümem . . . stattliche und ansehnliche Berg-
wercke sich aufthim**, wird verordnet, daß zunächst ein-
mal die Untertanen in den Bergwerksorten sich doch an
der Bergwerksarbeit beteiligen sollen. Sodann sollen
*) Ebenda S. 490. - *) Ebenda S. 591.
22*
— 340 —
#
„über das auch alle starcke Bettler, Biersäuffer, so stetigs
in Wirthshäusern liegen, und das ihre miuthwillig ver-
sauf fen, desgleichen das Hermlose gesinde (= Gesindel)
und Gartenknechte, so sich des bettelns bey uns^n Unter-
thanen befleißigen", zur Arbeit in den Bergwerken ange-
halten und nötigenfeiUs zwangsweise hingebracht werden ^).
Eine Rüdkkehr zu den Grundsätzen des früheren Bett-
lerrechtes geschah, ab 1622 nach dem Vorbild des Reichs-
rechts die Polizeiordnung erlassen wurde*). Schon das
Kapitel vom Gesinde (17) droht den Dienstboten, die statt
um' den geringen Taxlohn ^u arbeiten, sich lieber gar
nicht vermieten, „sondern lieber ihr eygen Herr seyn,
und tmterm schein des Taglohhens müssig gehen wollen",
Turmistrafe; hier ist es ziun' ersten Male die Gesindenot,
die direkt ein Vorgehen gegen die Müßiggänger veran-
laßt. Und auch das folgende 18. Kapitel der Polizeiord-
nung „Von Hermloss Gesinde unnd Müssiggängem ..."
steht imter dean! leitenden Einfluß der Gesindefrage, weit
offenbarer als die sonst vorbildliche Reichsgesetzgebung.
Es gibt im' Lande, so 'wird dort ausgeführt, „viel müßiges
fretnbdes ungerathenes loss Gesinde, Htiren und Buben,
so an andern Orten bissweilen dess Landes verwiesen
oder vferlauffen, unterm' schein, dass sie sich bey andern
vtermiethen wollen . . .**, die aber „gleichwohl hemacher
wann sie ein Jahr oder 'hällbes gedienet, imnd sich f romb ge-
stellet, jhre alte böse Art imd gewonheit wieder annehmien,
lieber ohne Herrn seyn und müßig gehen, als sich ver-
v<ermiethen wollen, auch offt gegen anbietung, ziemblich
giesetzten Tag Lohns nicht arbeiten wollen . ." ; sie steh-
len und treiben Unzucht imd verreizen „auch andere
frontoe Dienstbotten, auch Hausssöhne imd Töchter zu
solchieim* jhrem bösen Leben unnd Wandel**. Solch frem-
*) Über den Umfang der hess. Bergwerke und die geringen
Löhne der dort beschäftigten MOssiggftnger Rommel VI S. 674 ff.,
bes. 675. — ») LO. I S. 616; oben S. 48flF.
— 341 —
des Gesindel soll künftig' nur noch mit obrigkeitlichem
WohlVerhaltenszeugnis aufgenomjmen werden, und es soll
ihm nicht erlaubt sein, „unterm praetext dess Taglohns"
ledig 2u sitzen, sondern wer arbeiten kann, miag sich zum
Dienen vermieten. Die Taxordnung" von 1653 ^) enthält im
Anschluß an das Gesinderecht das Verbot des Taglöh-
nems diuxrh kräftige Personen ; sie sollen sich zum' Dienjen
vermieten.
Die Armien- und Bettelordntmg von 1627^) bringt
wieder die Anordniuxg, daß Bettler wenigstens ihre Kin-
der zum' „Handwerk oder sonsten zu dienen" bringen.
In der Bettelordnimg von 1651 *) steht derartiges nicht
ausdrücklich. Ein Fürstl. Befehl vom' 28. Septemlber
1672 *) ordnet die Ausweisung des ledig sitzenden, taglöh-
nemden Gesindes an. Zwei Ausschreiben von 1702 und
1703*) dagegen wollen die Müßiggänger zirni« Militär
stecken. Wieder anders ist es nach den Edikten vom
3. August 1723 und 23. September 1724 *) ; fremde Müßig-
gänger sollen ausgewiesen, einheimische ins Zuchthaus ge-
bracht w«erden.
Eine bewußte Aufmunterung der „geringen Leute"
zum Dienen, nicht um der Armenpflege, sondern des Ge-
sindewesens willen, enthält die Gesindeordnung von 1736 ^)
in §§ 1 tmd 2. Gering^e Leute sollen ihre Kinder in den
Dienst schicken; Zwangsmittel sind nicht gegeben. § 2
r^elt die Anhaltung arbeitsfähiger Müßiggänger zum
Arbeiten, falls sie nicht dienen wollen. Der Entwurf des
Geh. Rats hierzu wollte die Widerspenstigen imbeschränkt
ausweisen oder besteuern. Die Regierung* verwies aber
darauf, daß eine Ausweisung auch aus dem Geburtsort
dazu führen müßte, daß das müßige Volk immer im
Lande umhergeschickt würde; auch sei eine Besteuerung
») LO. II S. 134, 190; oben S. 61 f. — •) LO. II S. 4. — •) Ebenda
S. 149. — *) LO. in S. 6. — ») Ebenda S. 604. - •) Ebenda S. 917,
960. — 0 LO. IV S. 410.
— 342 —
wirkungslos, weil die Leute doch nichts hätten^). Beidea
Anregungen gibt die endgültige Fassung nach; einhei-
mische Müßiggänger sollen ernstlich zur Arbeit ange-
halten weisen, von Steuer und Ausweistuigen ist nicht
die Rede.
Die weiteren Armlen- imd Bettelordnungen des 18.
Jhdts. ') erwähnen das Dienen nicht mehr ausdrücklich;
es war ja durch die Gesindeordnung selber gesorgt.
Im ersten Teile') ist bereits dargestellt worden, wie
nach den Untersuchxmgen der sechziger Jahre die Frage
eine neue Färbung teilweise bekam^; durch das Leinsäen
werden die Dienstmägde veranlaßt, im« Winter ledig zu
sitzen, um den Flachs zu verspinnen.
Die Armenlast war es geradezu, die Anlaß gab zu
den beiden großen Gesindeordnmigen von 1797 und
1801*). Infolgedessen erfolgte eine ausführlichere, aber
sachlich gegenüber 1736 nur unbedeutend geänderte Be-
handlung der Frage der Müßiggänger und ihrer Kinder.
Daß aber noch imi 19. Jhdt. die Bestimmungen prak-
tisch durchgeführt wurden, ist aus einem Ausschreiben
vom 1. September 1804 ^) tmd aus mehreren polizeilichen
Entscheidungen zu entnehmen. Der Jungfer Christine
Gschwind z. B. wurde am' 8. Oktober 1804 mitgeteilt,
daß ihr zum Vermieten noch bis Christtag Frist vergönnt
sei«).
Die fuldaer Gesindeordmmg von 1816') hat Regeln
über die Beschäftigung armer Kinder und Müßiggänger
nicht mjehr.
') Oben S. 60f. — «) 1787, 1752, 1763, 1773, 1784 cLO. IV S.
467, V S. 49, VI S, 72, 707, 1155); vgl. auch Reglement für das
Findelhaus von 1761 Nr. 14 (LO. VI S 20). - •) Oben S. 73 ff. —
*) Oben S. 93, 94. - ») LO. VIII S. 195. — •) St A. Marburg. Cass.
Reg.-Akten Pol. Rep. F. 43 Nr. 7», wo auch für weitere gleiche Falle
Material vorhanden ist. — Ferner Akten des Landratsamts Melsungen,
Gesindesachen 1829 ff. Rep. IX Gef. J Nr. 10 (St. A. Marburg). —
') Möller. Fuchs S. 113; oben S. 155f.
— 343 —
Ähnlich wie in Althessen waren die verwandten Be-
stimmtingen in Schaum'burg^. Die Polizeiordnung von
1615 verbietet das Müßigsitzen früherer Dienstboten, die
ledig sind tind kein Vermiögen haben ^). Ein besonderes
Kapitel 34*) behandelt die Angel^enheit der Müßig-
gänger noch als Frage des Armenrechts. „Gemieine
schändliche Handthierung'* wie Hausieren außer Landes
wird „Bauern und Gesindlein** verboten*); dagegen wird
gerade den Dienstmägden Flachsarbeit erlaubt, da sie
vom Bettel abhält.
Hanau kennt keine Vorschriften solcher Art; die
Gesindeordnimg von 1748 hat sie von ihren Vorbildern
nicht übemomimlen. In Fuldas geistlicher Regienmgsr
zeit wurden Bestimimungen über Betätigung der Müßig-
gänger imd Unterbringimg der armen Kinder in Dienste
am 15. Oktober 1688*), 20. Juni 1722, im« Jahre 1725«*)
rmd am 31. August 1784*) erlassen. Eine Beschränkung
der Taglöhnerzahl mit Rücksicht auf die „Nachbarschaft"
erfolgte am' 22. April 1789 ').
Das älteste außerhessische Gebot wider die Müßig-
gänger ist ein kölner Ratsstatut vom! 14. Jimi 1437®).
„Muylenstoisser, weigener ind ledichgenger, knechte und
maichde**, die aus dem Ausland in die Stadt gekom-
men sind und hier lüderlichen Müßiggang treiben, obwohl
sie dienen können, sollen binnen acht Tagen „sich tzer
arbeit stellen ind umlb yre broit dienen**. Wer es nicht
tut, wird ausgetrieben,' und wenn er wieder in die Stadt
kommt, soll er ins Halseisen gelegt imd dann nackt mit
Ruten aus der Stadt gejagt werden. Kölnische Bestimmun-
gen hierüber, die unzweifelhaft rein gesinderechtlich sind.
*) Rottmann 8.428 (Kap.63). — •) Ebenda 8.342. — ») Ebenda
S. 414 ff. (Kap. 61). — *) Verordnung in marburger Privatbesitz. —
*) Samml. der Cass. Reg, Bd. IIL — •) Journal von und für Deutsch-
land 1. Jahrg. (1784) 10. Stück 8. 27« ff. — ') Einzeldruck im St. A.
Marburg. — •) Habeische Sammlung.
— 344 —
staimnien weiter aus deirt 17. und 18. Jhdt. Daß Bettler
und Müßiggängler sowie amie Kinder ztim' Dienen, Tag-
löhnem, zur Übernahme eines wüsten Hofs u. dergl. an-
giehalten wierden sollen, steht in der Gesindeordnung vom
15. Februar 1645, Art. 4, der Polizeiordnung vomi 28. Ja-
nuar 1656, Art. 8, der Polizeiordnung vom 20. September
1723, Tit. 13 § 3, und in den Verordnungen vom? 22.
Oktober 1732 und 21. April 1749 1).
Das benachbarte Trier heißt in der Bettelordnung
vom 1. Juli 1533*) taugliche jimge Bettler zum Hand-
werk bringen, daß sie sich von ihrer Arbeit nähren können.
AUgi^miein von Bettlerarbeit, ohne Nennung eines be-
stimimitein Berufes, ist in der Armfenordnung vom 7. April
1768 die Rede 3).
Jülichs ältestes Armengesetz stammt vom 5. Ok-
tober 1546*). Es heißt da: Welche jre kinder nit dienen
oder leren lassen, auch nit zu der arbeit, sonder zu dem
betlen halten, die sollen diu-ch die Fürstendere vermiant
werden, und wo solchs nit hülf, jhnen die almüsen ent-
zogen werden." Ebenso sollen die Fürstender die Waisen
in Lehre, Dienst oder Arbeit unterbringen. Gleiches, nur
ausführlicher, sagt ein Erlaß voml 10. Oktober 1554**).
Als Gesindegesetz, nun! Wohl der letitesuchenden Dienst-
herrschaften, wird am 2. Augxist 1608 bestimlmt^): Wer
früher gedient hat und sich dann Züxa^ Müßiggang und
Bettelstab begeben hat, der soll nacfh Befinden gestraft
werden und die Almosen verlieren.
Von Cleve liegen keine Zeugnisse aus früherer Zeit
vor. Am' 12. Februar 1731^) wird den Knediten und
Mägd^i verboten, sich auf die eigene Hand zu setzen. Die
Gesindeordmmgen von 1753 und 1769 ®) verschärfen diese
») Scotti, Köln IIS. 349, 268, 628, 12 S. 712, 762. — «) Scott i,
Trier S. 298. — ») Ebenda S. 1218. — *) Scotti, Jülich S. 84. -
*) Ebenda & 180. — •) Ebenda S. 219. — «) Scotti, Cleve S. 1104.
— ') Ebenda S. 1452, 1894.
— 345 --
Bestinumingen ; die von 1769 in merkwürdigrer Weise:
alles junge Volk soll dienen, bis es heiratet. Auf
eigene Hand sitzen ist verboten. Geringer Leute Kinder
sowie Waisen sollen mlit Nachdruck nuni Dienen ange-
halten werden. Statistiken über den Gesindemiangel von
1725, 1735, 1740 seien weiter erwähnt^).
Die paderborner Polizeiordnimg von 1655*) will
gleichfalls die Müßigen zum! Dienst gebracht wissen.
Durch Contribuierung luid Registriemng der Ledigsitzen-
den sollte das Gebot am 26. Oktober 1702 ') mehr Lebens^
kraft gewinnen. Münster geht nicht so vor. Es schickt
die arbeitsfähigen inläjodischen Bettler ins Arbeitshaus
(18. November 1698)*). Die ravensbergische Lan-
desordnung von 1655^) hat einige Besonderheiten: Da-
mit es an Gesinde nicht miangelt, soll keine unver-
heiratete junge gesunde Person künftig ohne erheb-
liche Ursache sich heuerlingsweise bei anderem auf-
halten. Solche Ledigsitzenden werden mit der SumJme
gestraft, die sie in einem! halben Jahr hätten erarbeiten
können; gleiches geschieht mit denen, die solche Leute
herbergen.
Von ihiem Vorbilde, der hannoverschen Ordnung von
1732, nimmst die Gesindeordnung für Wal deck von
1736^) die Besteuerung der arbeitslosen Hausgenossen,
die nicht dienen wollen. Vermögenslose Eltern dürfen
nur so viele Kinder im Hause behalten, als sie zur eigenen
Arbeit nötig haben; nach der Konfirmiation müssen die
Kinder vermietet werden. Berufslose fremde Müßiggän-
ger, die die Dienstboten nur zum Bösen verleiten, werden
ausgiewiesen.
Widerspruchsvoll ist im' Anfang das Recht von
0 Ebenda S. 108S, 1154, 1805. -^ ') Landesverordnungen Pader-
born I S. 6. - •) Ebenda U S. 88. — *) Samnüung f. Münster I S. 829.
— *) 18. Jahresbericht des Hist Vereins f. d. Grafschaft Ravensberg
S. l%i. — *) Sammlung der Reg. Arolsen.
— 346 —
Schaumburg-Lippe. Die Polizeiordnung von 1615
wurde bereits oben bei Gelegenheit der hessen-schauxnbur-
gischen Rechtsgeschichte behandelt^). Durch eine Ver-
ordnung aus dan Dezember 1654*) wurde ihre Tendenz
weiter verfolgt. Harte Strafe steht auf deml Müßigsitzen;
bloß Leuten, die ihrer Kinder wegen ledig sitzen müssen
und nur von Zeit ^zu Zeit auf Arbeit gehen können, soll das
gestattet sein. Kleinlichst spezialisiert wurde all das durch
durch einen Erlaß vom! 4. Oktober 1729'); Alter und
Zahl der Kinder, die ein Ehepaar zu hause haben durfte,
werden genau nach den Umiständen der Leute besthnmt.
Die Gesindeordnung von 1738*) bezieht sich hierauf und
legt den untätigen Einliegem außerdem! noch Steuern und
Personaldienste auf*).
In Lippe-Detmiold wird der Grundsatz, daß die
Armlen zum Dienst angehalten werden sollen, zuerst von
der Polizeiordnung aus dem' Jahre 1620 *) ausgesprochen ').
Schon die Taxordnung von 1655®) verläßt diesen Stand-
punkt. In der Bestim'miung, daß dienstloses, tagelöhnern-
des Gesinde sich miit des Hauswirts Getränke genügen
las9^i soll, ist die Erlaubnis des Ledigsitzens enthalten;
allerdings wird solchem Gesinde Steuer je nach Vermögen
auferlegt. Diese Besteuerung wird weiterhin auch durch
die Verordnungen von 1658 und 1667») bestätigt. 1682 *«)
dagegen geht mian dazu über, die Müßiggänger tum Die-
nen zu zwingen. Sie sollen von der Obrigkeit „beim* Kopfe
genomtaien" imd in der Hofhaltung oder sonstwo in Dien-
ste gesteckt werden. Einen neuen Grund für den Kampf
gegen die bettelnden Häuslinge und Einlieger nennt eine
Verordnung vom! 25. Januar 1721^^). Jetzt wird gegen
*) Oben S. 843. — •) Landesverordnungen Sch.-Lipppe II S.25.
— ») Ebenda S. 901. — *) Ebenda S. 386. - ») Art 12 ff. — •) Landes-
verordnungen L.-DetmoId I S. 868. — ') 24. Titel. — •) Landesver-
ordnungen a. a. O. S. 408. - •) Ebenda S, 429, 460. — ") Ebenda
S. 488. - ") Ebenda S. 772.
— 347 —
sie vorgegangen, weil sie stehlen und rauben. Vom! Ge-
sindedienst ist dabei keine Rede; \\re|der so, daß der
Dienstbotenmiangel als Grund des Vorgehens genannt
wird, noch auch sielbstverständlich in der Weise, daß
die Diebe und Räuber den Herrschaften in den Dienst
geschickt würden. Eine radikale Rückkehr zu dem' frü-
heren Gedankengang bedeutet die Verordnung vomi 4.
April 1730^). Die jungen Leute auf dem! platten Lande
dürfen sich nicht verheiraten, wenn sie vorher nicht zwei
Jahre gedient haben ; die Ledigsitzenden werden besteuert.
Und noch verstärkt wurde jener nahezu ostelbische Grund-
satz durch § 1 der Gesindeordnimg von 1752 ^) : So wie
die Handwerker in den Städten ihre Jimgen aufs Hand-
werk reisen lassen, müssen die Bauern ihre Kinder erst
drei Jahre in (Dienst schicken; vorher wird eine Ver-
heiratung nicht erlaubt. Der Zusam'm'enhang zwischen der
Wanderschaft der Handwerksburschen und dem subjekt-
losen Gesiiidezwangsdienst läßt sich nur mit logischen
Sprüngen finden. Aber nicht genug damit. Am« 30. Sep-
tember 1777^) wird festgestellt, daß § 1 der Gesindeord-
nung nicht genügend nachgelebt wird. Das Heiratsverbot
wird daher eingeschärft, und nachdrückliche Strafe oben-
drein noch angedroht. Drei weitere Erneuerungen dieser
Vorschriften vom 4. Juli 1780, 23. Januar 1781 und 2. Juli
1782*) sind weniger energisch gehalten; sie nennen das
anstößige Einzelne der Bestimimungen nicht noch einmal.
Eine für die Zeit charakteristische tmd sehr verständ-
liche Begründung des Verbotes, Wolle zu spinnen imd
nicht zu dienen, gibt eine sachsen-altenburger Ver-
ordnimg vom 8. Juli 1650*); von den gerügten Übeltaten
heißt es: „darbey . . . die Erhaltimg Menschlicher So-
1) Ebenda S. 836. — «) Ebenda II S. 47. — •) Ebenda S. 642.
- *) Ebenda S. 726, 748, UI S. 22. — ») St. A. Wiesbaden. VI
1. Nassau- Weilburg generalia. XIV £ Nr. 18.
— 348 —
cietät, diirch Entstehung dienstwertiger Leuthe, blol
allein, daß dadurch etlichen wenigen, auch wohl Auss
ländischen, einiger Vortheil zuwächst, zum höchsten be
schwerlich gemiacht wird**. Später wird das Ledigsitzei
ohne derartige nähere Begründung verboten oder er
Schwert. Die fürstlich gothaische und altenbur
gische Gesindeordnung von 1719^) läßt jährlich zu re
vidierende Listen der ledigsitzenden Erwachsenen uiw
Kinder aufstellen. Müßiggänger, die sich unter „unerheb
lichem** Vorwande bei Angehörigen aufhalten, müssei
monatlich einen Gulden Strafe zahlen. 1724 erging ein<
Almbsenordnung in Altenburg, die von der großen Ge
Sindeordnung des Jahres 1744^) übernommen wurde. Ii
dieser Gesindeordnimg wird das Verbot müßiger „Stuben
art)eit** (Stricken, Spinnen usw.) öfter und energischei
ausgesprochen als 1719. Die dienstfähigen Personen, di€
sorgfältig kontrolliert werden, sollen von der Obrigkeit
mit Geld- und Freiheitsstrafen zum Dienen angehalten
werden. Will jemiand aus erheblichen, von der Behörde
zu billigenden Gründen bei Angehörigen ein Gewerbe
für sich treiben und nicht in Dienst treten, dann ist ein
jährlich<es Schutzgeld von zwei Gulden zu entrichten.
Armier Leute Kinder, „so zu keiner andern Ldbens-Art
sich begeben haben, oder zu begeben, in Begriff stehen'*,
odier die die Eltern nicht für sich nötig haben, müssen
sich ein Jahr nach deml ersten Abendmahlsgang, eventuell
mit deta 14. (Knaben) oder 13. (Mädchen) Lebensjahre
vermieten. Durch Mandat vomi 1. Dezember 1750*) wur-
den die Behörden angewiesen, über den Erfolg dieser
Maßnßlunlen zu berichten.
In Weimar ordnete schon die Landesordnung von
1482*) an, daß zum! Dienen geschicktes Gesinde binnen
>) Univ.-ßibl Marburg. XVIII f A 870. — •) Ebenda XVIfl f B
1119i. — •) Ebenda. XVm f A 870. — *) Job. Schmidt, Gesetze
f. Weimar IV S. 144.
— 349 —
möU Tagen nach Dienstende wieder vermietet sein muß ;
jonst hat «s soviel Strafe zu zahlen, als sein Jahresver-
lienst betrug. Weiter wurde 1531, 1556, 1589, 1742,
1776^) verordnet, daß die Armlenkinder, wenn sie selbst
verdienen, nicht zuml Bettel gezogen werden sollen. Alle
Ledigen, die dazu geeigenschaftet scheineia, sind nach den
Verordnungen von 1589 (Landesordnung) und 1651*) zu
Dienst xmd Ait)eit anzuhalten. In der Stadt Jena ging
man stets mit Ausweisung vor, so 1704 laut den Statuten •),
femer nach der Gesindeordnimg von 1751 *), die jährliche
Visitationien anordnete; hat das Gesinde, das sich bei
Mäklern aufhält, nach sechs Tagen keinen Dienst ge-
funden, daim wird es ausgewiesen. Ein Patent von 1757 *)
heißt die dienstlosen Dienstboten wegschaffen; die Be-
hörden sollen sich — bei 50 Th. Strafe für die Außer-
achtiasstmg — dabei unterstützen. Im Eisen achschen
sollen Armte geimäß der Gesindeordnung von 1757 *) ihre
Kinder dienen lassen, Müßiggänger kömimien ins Zucht-
haus. Hilfsmittel sind weiter Steuer, Strafen der nach-
sichtigten Eltern, vierteljährliche Hausvisitationen. Wai-
senkinder werden Petritags im Wochenblättchen ange-
zeigt.
Auch Stadti^echte Thüringens operieren mit der Aus-
^sung. Die frankenhauser Statuten von 1558')
wenden sich geigen die arbeitsfähigen Müßiggänger, „un-
angiesehenn, dass sie mit jhreim diennstenn undt arbeit
jhress leibess nahruimg einsttheilss wol erlangenn könn-
tenn, dadmxrh mlann auch nicht woU zu dienstbothenn,
taglöhnemn oder gesinnde komtmien mag". Solche Leute
sollen zu Arbeit und Dienste veranlaßt oder ausgewiesen
^rden. Ebenso gebieten die 1594 verfaßten Statuten
*) Ebenda I S. 221, 222, 427. — «) Ebenda IV 8. 188. - ») Ebenda
S. 144. - *) Ebenda, sowie S. 188. — ») Ebenda S. 146. - •) Kr. A
MflnchcD. Sign. GR. Fasz. 402 Nr. 8. — *) Walch, Beyträge I S
^^~ T., bes. 240.
— 350 —
Rudolstadts und Blankenburgs^), Müßiggänger,
die kein ehrlich Gewerb und Handlung treiben, so auch
herrenloses Gesinde, in der Stadt nicht zu dulden. Nach
nordhauser Polizeiordnung von 1628*) werden müßig
sitzende Dienstboten besteuert ; Herberger solcher Di«ist-
boten werden mit Geld und Gefängnis gestraft, wenn
sie ihre Gäste nicht zu der Steuer anm>elden. In Mühl-
hausen wtirden im" 17. und 18. Jhdt. Beratungen ge-
pflogen, wie die Leute ^ur Emteaibeit (Taglohn) veran-
laßt werden könnten*).
BraunsChweig-Wolfenbüttel verbietet öfters
das Müßigsitzen der ai1>eitsfähigen Leute, weil das „pes-
simi exemipli unnd gantz unleitlich** ist. So am 23. Okto-
ber 1621, 19. November 1637, 31. Juli 1654, 29. März
1703, 7. Dezelmber 1744, 29. Oktober 1748 (Gesindeord-
nung) *) ; auch das Verbot an arme Leute, ruviele Kinder
bei sich zu behalten, ist darin meist ausgesprochen.
Als Übergang zum' folg»enden dient hier die Lohnord-
nung für die Länder am: Harz, danmter Bratinschweig
und Lüneburg, von 1445*). Binnen acht Tagen sollen
sich die ledig liegenden Dienstboten zu Dienst und Ar-
beit vermieten, „id benomfe one deinne echte nod".
Eine Verfolgung dieser Grundsätze bildet die spätere
Rechtsgeschichte inBraunschweig-Lüneburg. Das
neuere Stadtrecht Lüneburgs^) entzieht die Almosen den
starken Bettlern, die nicht arbeiten und dienen wollen,
„dadurch man schier zu Dienst-Boten, Pflegs-Leuten, Tag-
löhnern oder Gesinde nicht mehr wohl kommen mag".
Der „Pracher Voigt** soll den Bettlern die Kinder wegneh-
men und 201 Dienst oder Handwerk bringen. Der Londes-
*) Ebenda V S. 21fr., bes. 62; 78flF. — •) Stadt. Museum Nord-
hausen; Druck. — •) Stadtarchiv Mühlhausen i. Th. Abt. ? Fach 1 A
Nr. 68ji. - *) Herz. Archiv Wolfenbüttei. Nr. 1528, 1984, 2417, MO,
7097. — ») Zeitschr. des Harzvereins, 27. Jahrg. S. 427. - •) Pufen-
dorf, Obs. iur. IV app. S. 624 ff., bes. 801—808.
— 351 -
vater befiehlt von sich aiis in der Polizeiordnung^ von 1618^),
mit der die von 1640*) in den hier zu berücksichtigen-
den Punkten übereinstimlmt, daß Kinder armer Leute zum
Dienst gebracht werden sollen *). Beide Ordnimgen gehen
ferner gegen die entlaufeinen Knechte und Mägde vor*),
,,so, zumal zu wolfeilen Jahren, entweder gar nicht dienen
wollen, oder aus böser Liebe imd Zimeigung, die sie zu
dem hoch - schädUchen Müßiggang tragen'*, entlaufen,
„auch eines theils lose Bestien tmd unzüchtige Wedber
seyn, in Städten, Flecken und Dörffem sich einlosiren,
und an etlichen Oertem von den Bürgern und Bauern
sonderliche Spiecker, darinnen miehr als eine Parthey sol-
ches Gesindleins zusamimien liegen, erbauet werden'*. Es
sind Leute, die viel Böses treiben, die „den Hausswirthen
mit listigen behenden Worten ihr Gesinde der Andacht
und Meintuig abspannen, dass sie in dessen Mangel von
den Hausswirthen ztir Arbeit gebrauchet werden, imd
insonderheit in der Emdte, imd wann es sonsten am
hillesten und nöthigsten ist, die Hausswirthe gleichsam^
zwingen mögen, ihnen den Taglöhnem, an Essen,
Trincken und Taglohn, was sie nur fordet^i und haben
wollen, zu reichen und zu geben; imd dadurch imter an-
dern auch dieses verursachet wird, dass entweder das
Gesinde übel zu bekomimen, oder je an Lohn nicht zu
ersättigen..." Daher sollen unbekannte Fremlde nicht
zum Wohnen aufgenomim^, ledige Dienstboten nicht ge-
duldet werden, sondern entweder Dienste nehmen oder
<äas Land verlassen. Eine Arm<enordnung vom' 19. No-
vember 1712^) ordnet an, daß starke Bettler in Dienste
gehen.
Der in der kalenbergischen Kirchenordnung von 1569
^ 1615 *) enthaltene mildere Grundsatz, wonach arbeits-
') Landesverordnungen Lüneburg Cap. 4 Bd. 1 S. 1. — ') Ebenda
S. Ut « •) Kap. 9. ~ *) Kap. 60. — ») Ebenda Cap. 1 S, 610. —
•) Undesordnungen Kaienberg I S. 1 ff., bes. 879 ff.
— 352 —
willigen Armlen zu einem} Verdienst verhelfen werden soll
mlußte mit deta' Edikt vom 10. August 1654^) dem schar
fen Gebot Platz mlachen, daß arbeitsunlUstige Leute aus
gewiesen weirden sollen. Diesie zwei Arten der Fürsorge
treten auch im! 18. Jhdt. auf. Die Armenordnung füi
die Stadt Hannover aus dem' Jahre 1700 *) spricht, wenn
auch nicht mit der schroffen Strafdrohung, den zuletzt
genannten Grundsatz aus, daß die Arbeitsmiüden dem
Müßiggang entfriemdet werden sollen*). In der Armen-
ordjiung von 1702*) dag^egen wird den Mädchen, die
dienten wollen, aber kein G^eld zur notdürftigen Kleidung
haben, Unterstützung aus der Armienkasse versprochen^!.
Und ein Edikt voml 17. Mai 1721 *) regelt die Züchtung
der Waisienkinder zu Diensten oder sonstiger Arbeit; die
Mittel sollen ihnen aus der Arm'enkasse vorgeschossen
werben.
Im! Lande H adeln werden die Müßiggänger mit
den „landesüblichen Bürden und Steuern** belegt^). Im
Hochstifte Osnabrück wurde 1608 am 18. Juni den
„Hüsselten**, das sind armle Ledigsitzende, anbefohlen,
sich zürnt Dienen zru vermieten®).
Die in ganz Hannover erlassene große Gesinde
Ordnung von 1732*) hat dieselben Grundsätze; sie gefällt
sich in der genauen Bestimimung der zulässigen Zahl ledig
sitzender Kinder. Auch ein späterer haimoverscher Er-
laß vom' 12. November 1764 ^<>) setzt Besteuerung fest.
Ausschließlich Armengesetz ist die Bestimmriung der
o Id en b u rge r Armfenordnung vom' 9. Juli 1745 *^). Nach
') Ebenda IV S. 206. — «) Ebenda I S. 968; hierzu auch Goos
in den Hannov. Geschichtsblattem VIII S. 146 ff. — •) Nr. XVII. -
*) Ebenda S. 948. — ») Nr. XXXffl. — •) Landesordnungen a. a. 0.
S. 983. — 0 Gesindeordnung 1656; Spangcnbcrg, Verord. f. Han-
nover IV 8 S. 966. — •) St A. Osnabrück. Rep. 100 Abschn. 800
aus Nr. 1. — •) Spangenberg a. a. O. IV 2 S. 461. - *") Ebenda
II S. 106. — ") Corp. Const Old. Suppl. Xl Bd. II S. 47 AT., 68.
— 353 —
Nr. 19 sollen Armenkinder ihren vagierenden, bettelnden
Eltern abgenommen und zum Hüten der Schweine oder
Gänse angestellt, nach ihrem Alter auch zu Egge und
Pflug oder sonst in Dienste getan werden.
Ebenso ist es mit den Vorschriften des tönninger^)
und des gardinger^) Stadtrechts, beide vom 12. Ok-
tober 1590^). Arme Kinder sollen, sobald sie dazu ge-
schickt sind, von den Eltern zum Dienen oder zum Hand-
werk angehalten werden. Nach gemeinsamer schles-
wiger Verordnung vom 25. Februar 1632*) werden her-
renlose Knechte und Mägde nicht geduldet. Mit Gefäng-
nis und andern Strafen werden sie zur Arbeit angehalten,
und wenn das nichts hilft, „als schädliche und verfaulte
Gliedmaßen hinweggeschafft". Greifbarer als die son-
stigen Rechtssätze sind die in der holsteiner Gesinde-
ordnimg von 1740 enthaltenen *). Geringe Leute, die nicht
dienen oder ihren Angehörigen helfen, werden besteuert,
Männer bis zum 40. und Frauen bis zum 30. Jahre. Be-
steuerung ist es auch, womit, die kieler Polizeiordnung
von 1768 ®) die Eltern zur Verdingung ihrer überflüssigen
Kinder treiben will.
An die Spitze des süddeutschen Rechts gehört das
Gebot des Schwabenspiegels''), nach dem Findel-
kinder, sobald sie alt genug geworden sind, ihren Pfleg-
eltern dienen sollen; „ez sol den dienen, der im sins libes
geholfen hat**. Wollen die echten Eltern das Kind wieder
nehmen, dann müssen sie dem Pfleger Kostgeld ersetzen.
Daß ledige, zu hause überflüssige Personen nicht?
,,auf ihren eygenen Zaun gehen** sollen, steht in den
nassau-weilburger Ordnungen vom 20. Dezember
1643 und 9./19. September 1656 ^) und den usinger Edikten
') Tit. 26. — ») Art. 24. — ») Corp. Stat. Slesv. lU 2 S. 21, 108*
— *) Schradcr III S. 192. — •) St. A. Schleswig. Sammlung Gross-
fiirsü. Verordnungen. — •) Ebenda, — ') Art 368. — ') Corp. Const.
Nass. II S. 266, 461.
— 354 —
von 1699, 1700, die in einer weiteren, undatierten Ver-
ordnung zitiert werden^). Im nassauischen Katzeneln-
bogen mahnte die Polizeiordnung von 1597 ^), die Kinder
doch von Bettel und Müßiggang abzuhalten. Wer das
unterläßt, die Kinder „zu handwercken, oder andern dien-
sten (zu) verdingen", der wird gestraft, ebenso die Kin-
der. Die Behörden sollen darauf sehen, daß solche
Kinder den Eltern genommen werden ; das LehSrgeld wird
aus dem Almosenkasten bestritten. Auch starke Müßig-
gänger sollen zu Handwerk und sonstiger Hantierung
veranlaßt werden. Die katzenelnbogener Gesindeordnun-
gen von 1641 und 1643*) verbieten das Sitzen auf eigenen
Zaun.
Auch in Frankfurt sollen die Müßiggänger, die
nicht arbeiten wollen, ausgewiesen werden; es beruht auf
dem am 1. Mai 1654 mit benachbarten Staaten verein-
harten Mainzer Rezeß*).
Für das hessen-darmstädtische Stück von
Katzenelnbogen erließ Landgraf Georg I. (1567 — 1596)
eine Landesordnung*). Unter Hinweis auf die Reichispolizei-
ordnungen werden die Eltern ermahnt, ihre Kinder etwas
lernen zu lassen; starke Bettler, die imi gebührende Be-
lohnung nicht arbeiten wollen, kommen in die „Betzen-
kammer" oder werden sonst gestraft. Für die Burg
Friedberg wurden 1680 in der Polizeiordnung ^) mit
Turmstrafe verschärfte Gebote erlassen, daß Kinder den
Eltern oder fremden Herrschaften dienen sollen. Die Ge-
sindeordnung für Gedern von 1681 ') verbietet das Hau-
') St. A. Wiesbaden. V. Nassau-Usingen. Generalia 11^. Ver-
ordnungen Band V Seite 123. — «) Univ.-Bibl. Marburg. — ») St A.
Wiesbaden. VI 1 Nassau -Weilburg. Generalia XI V^ Nr, 13. —
*) Stadtarchiv Frankfurt. Corpus Legum Francof. Nr. 68. — *) Sel-
ch ows Magazin f. d. teutschen Rechte und Geschichte I S. 475. —
*) Üniv,-Bibl Marburg, — ') Grafl. Stolb. Archiv in Gedern B. XX.
Allerhand Verordnungen und Befehle so in der Grafschaft StoUberg-
Gedern ergangen S. 61.
— 355 —
sieren und das Ledigsitzen dienstloser Hausgenossen bei
Verwandten ; sie sollen Dienste suchen.
Ganz besonders reichhaltig ist das Recht Bayerns.
In Nürnberg wurden schon früh die Ledigsitzenden
zum Dienen angehalten; wollten sie nicht, dann verloren
sie alle Almosen im» Alter und in der Not und wurden aus-
gewiesen ^). Nach der Bettlerordnung von 1478 *) soll ver-
sucht werden, die über acht Jahre alten gesimden Kinder
von Bettlern im Dienste unterzubringen. Einen Mittelweg
bedeutet es, wenn öfters, so am* 15. Dezember 1^75, imter
Androhung von Geldstrafen imd Ausweisung geboten
wurde, daß ländliche Dienstboten, die den Winter in der
Familie eines Bauern zugebracht hatten, im folgenden
Frühling dessen Felder bebauen sollten^).
Die durch die Würzburger Taxordnung von 1644 *)
angeordnete Strafe auf den Müßiggang ledigsitzenden Ge-
sindes geht auf eine Vereinbarimg der Mitglieder des
fränkischen Kreises vom' September 1643*) zurück. In
Tit. I 'der Taxordnung von 1652®) wird jene Straf drohung
dahin geändert, daß den Übeltätern ein monatliches Geld
von 4 — 6 und mehr Batzen auferlegt wird, bis sie sich
vermieten. Es soll auch (1652) auf Betrügereien, Unzucht
solcher Leute gesehen werden, und, so oft es vonnöten ist,
Erkundigung von Haus zu Haus nach Einliegem erfolgen.
Mit besonderer Verordnung ging der fränkische Kreis
am 20. Dezember 1654 vor'). Die Obrigkeiten sollen
fleißige Aufsicht aufs entlaufene, müßig sitzende Gesinde
haben. Späterhin werden in Würzburg das freiwillig ar-
beitslose Gesinde oder die Bettler überhaupt zur öffent-
lichen Arbeit gebracht ; der Zweck der Sorge für die
Herrschaften verschwindet. So ist es nach den Verord-
^)KaniannS. 88, 84. —*) Baader, Polizeiordnungen S. 816.
* •) Kamann S. 87. — *) Kr. A. Würzburg. V. 9561. — *) Kr. A,
München. Sign. GR. Fasz. 402 Nr. 1. - •) In der zit. Würzburger
Akte. — *) Landesverordnungen Würzburg I S. 248.
28»
— 356 —
nungen vom 20. Mai 1726*), 10. Mai 1730»), nach den
Almosenordnungen für die Stadt Würzburg vom« 24. Juni
1732 und 26. Novemlber 1749*), sowie nach der Ver-
ordnung vom' 7. November 1746*).
Im Fürstbistum' Bamberg war es die Tax- und
Gtesindeordnung vom! 12. Jtili 1652 5), die merst die Frage
der Dienstbotenbeschaffung regehe; sie ist der branden-
burgischen Taxordnung für Bayreuth vom 31. Januar
1652*) nachgebildet. Ausgetretene Dienstboten müssen
nacfh vierzehn Tagen wieder vermietet sein; armie Leute
mit vielen Kindern sollen zum Verdingen der Kinder an-
gehalten werden. Die Eigenbrödler, die vorgeben, „sich
in aigenen Rauch zunehren" imd sich nur zur Ernte gegem
übermäßigen Lohn (gleich einem' Jahreslohn) verdingen,
sollen zu Arbeit tmd Dienst vermahnt, mit starker Con-
tribution belegt tmd wöchentlich festgestellt werden. Dem
ledigsitzenden früheren Gesinde ist nicht erlaubt, Han-
tierung oder Gewerbe zu treiben, insbesondere dürfen sie
kein Kräuterwerk über Land tragen ; sie sollen auch nicht
Getreide bauen bei Verlust des Getreides und anderer
Strafe. Ähnlich ging mtan später vor. Ein bambergisches
Dekret vom' 26. November 1760 ^) befiehlt allen früheren
jungen Dienstboten, sich bei Arbeitshaus - Straf e binnen
vier Wochen wieder zu vermieten. Ein bayreuthisches
Reskript verwandter Art vom 19. Oktober 1731®) tmter-
ssagt Dienstboten, sich ohne Mittel einen eigenen Haus-
stand zu gründen. In der Oberpfalz verboten ein Man-
dat vom' 14. März 1761 und ein Patent vomi 27. April
1775^) das Sitzen entbehrlicher dienstfähiger Leute zu
*) Ebenda S. 760. — «) Ebenda H S. 64. — •) Ebenda S. 62,
664. — *) Ebenda S. 468. — *) Kr. A. Bamberg. Verordnungen Rep.
141 Nr. 69. — •) Kr. A. Amberg. Zugang 6. Fasz. 24 Nr. 212. -
Auch Gesindeordnung von 1769 (Onolzbach) Art. 26; Kr. A. NQmberg
S. 28 V Nr. 779. Repert. 288. — ') Kr. A. Bamberg. Verordnungen
Rep. 141 Nr. 69. — •) Corp. Const. Brand. - Culmb. 11 1 S. 990. -
•) Kr. A. Amberg. Zugang 20. Fasz. 6 Nr. 126.
— 357 —
hausie oder gar in Herbergren; Zwangsmittel wie Arbeits-
haus tL ä. stehen darauf.
Eine eichstädter Polizeiordnung von 1707*) ord-
net unter Nr. 129 an, daß arme Kinder von Obrigkeits
wegen vermietet oder za einem* Handwerker getan werdem.
Mit recht erheblichen Kam)pf esmitteln ging mian in D i n -
kelsbühl vor. Eine undatierte Polizeiordnimg* *) erlegt
den gelnieinen Bürgersleuten, denen die Erhaltimg ihrer
Kinder zvl schwer fällt, auf, für einen geeigneten Dienst'
zu sorgen. Bleiben solche Kinder gleichwohl m hausie!
sitzen, dann erfolgt Wamimg und demmächst Ausweisung
aus der Stadt. Nicht so streng war das Recht der Herr-
schaft Stauffen von 1621'); die in Armlut geratenen
Leute sollen ihre Kinder za billig'er Handarbeit treiben.
In Aug^sburg bestand nach den Bettelordnimg'eii
von 1720 und 1749*) die Gewohnheit, jährlich die Ar-
beitsfähigkeit der Armfen festzustellen. Wer Dienstboten
oder Taglöhner nötig hatte, sollte solche einheimischen
Kräfte Fremden vorziehen. Welchen Umfang die Bettelei
in Augrsburg bisweilen hatte, geht aus einer Denkschrift
der 1770er Jahre über die neue Armlenanstalt hervor*).
Da werden viele Beispiele von Leuten angeführt, die die
ganze Woche arbeiten, Sonntags wohlgekleidet und nicht
sparsam rechen, aber ami Samlstag sich in alte Lumpen
hüllen und mit Weibern, Kindern, Gesellen und Dienst-
mägden die ganze Stadt abbetteln und so den wahren
Armen die Almosen fortnehmten. Über Verwirklichimgen
des Zwanges Müßiger zur Arbeit wird aus Landshut
fürs 17. Jhdt. berichtet«).
*) Habeische SammJung. — *) v. Weber, Statutarrechte II
S. 1016. — •) Ebenda IV S. 819 ff., bes. 820. — *) Max Bisle, Die
öffentliche Armenpflege der Reichsstadt Augsburg. (Paderborn 1904)
S. 146. — *) Schorer, Das Bettlertum in Kiu-bayern, in Forschungen
zur Gesch. Bayerns XII S. 176fi'., bes. 191. — ') Staudenraus,
Chronik von Landshut II S. 179, 180.
— 358 —
In Altbayern ging die Entwicklung größtenteils
ähnlich wie anderswo. 1488 zuerst wurden die Landge-
richte beauftragt, „fürder ledigen Knechten, Ehehalten
und anderen nicht zu gestatten, in ihrem Amt ohne Dienst
zu liegen, zu zehren, noch Wohnung zu haben". Das zog
sich, zusamlmen mit den Geboten wegen Vermietung der
Kinder, über das 16. und 17. bis zum' 18. Jhdt. hin; die
großen Landesgesetze enthalten stets derartige Sätze als
wesentliche Bestandteile. Nebenher geht noch, verschie-
dentlich abgewandelt, das Verbot an Dienstboten, zu hei-
raten.' Im einzelnen sei hier auf die übersichtliche Dar-
stellung Platzers verwiesen *). Hervorgehoben muß wer-
den, daß bei einer Umfrage 1762 ein Gutachter den Man-
gel an Dienstboten vornehmlich auf den Bettel zurück-
führte 2).
Das Recht der badischen Länder beginnt mit
der kurpfälzischen Landesordnung von 1582^),
welche die Unterbringung der Armenkinder in Handwer-
ken, Bauers- und anderer Arbeit und imi Dienste anordnet.
In Waisenhäusern sollen die Kinder zu Handwerken „und
anderem" angehalten werden. Die spätere kurpfälzischc
Polizeiordnung von 1684*) operiert sogar mit der Aus-
weisungsstrafe wider die müßigsitzenden jungen Leute.
Nach dem Stadtrechte für Villingen aus dem« Jahre
1592*) soll der Vogt die Waisenkinder zur Gottesfiu-cht,
„kunst oder zue einemi handtwerck . . . ufferziehen**.
In der Polizeiordnung für den Kletgau von 1603*)
wird den starken Müßiggängern, die keine Arbeit an-
nehmen, Ausweisimg angekündigt. Die Eltern sollen die
Kinder nicht auf der Straße umher laufen lassen, sondern
sie zur Arbeit erziehen. Eine Taxordmmg der Herrschaft
*) Die Tagwerkenordnung des Landgerichts Friedberg (Kr. A.
Neuburg, ad H. 5887. Augsburg Hochstift ad Generalia XI Nr. 2)
licss Ausweisung der massigen Dienstboten zu. — •) Schorcr a. a. 0.
S. 188. — •) Univ. - BibL Marburg. — *) Ebenda. - *) Oberrhein.
Stadtrechte II 1 S. 166 ff., bes. 189. — •) Habeische Sammlung.
— 359 -r
Rotte In von ca. 1640 1) ordnet die Begteuerung der
Müßiggänger an. Durch ein baden-durlachisches
Umschreiben an die Ämter vom 7. August 1724 *) wird den
Eltern aufgegeben, ihre entbehrhchen Kinder in Dienst
zu geben; die Ämter sollen von Zeit zu Zeit Nachricht
über den Erfolg einziehen. Das Ausschreiben von 1724
erfuhr modifizierende Ausdehnung am 13. Mai 1778 ^). Be-
sonders ausführlich behandelt schließlich die freiburger
Gesindeordnung von 1782 *) die Frage in § 34. Dienstlos
gewordenes Gesinde darf nur mit Erlaubnis des Gesinde-
kommissars bis zum nächsten Wandeltermin dienstlos
bleiben. Solche „Nachsicht** verdienen aber Dienstboten
mit schlechten Zeugnissen nicht; denen droht, wenn sie
ausländisch sind, Ausweisung, wenn sie im' Lande geboren
sind und keine Verwandten haben, die sie „zu einem' sitt-
lich-christlichen Betrag anhalten**, Spinnhaus. Die Be-
herberger ledigen Gesindes, sowie Leute, die ihm Ge-
legenheit zum Saufen usw. geben, werden mit Turm- oder
sonstiger Leibesstrafe bedacht.
Nicht viel anders als anderswo ist schließlich das
Recht in W ü r 1 1 e m- b e r g. Nach der vierten Taxordnung
vom 30. April 1642 ^) kommen Dienstboten, die sich „auff
anerbieten dess gemachten billichen Lohns, lieber faul-
lentzen \md müssig gehen, dann arbeiten tmd schaffen
wollen**, in das Narrenhäuslin. Schon 1652 wird dies
aber abgeschafft. Die Gesindeordnung vom 15. Mai dieses
Jahres^) bestimlmt in Ausführung der Vergleichung des
schwäbischen Kreises vom 12. April 1652'), daß sich
junge, gesunde Knechte und Mägde vierzehn Tage nach
Weihnachten vermietet haben müssen. Sonst werden sie
') Gen, L. Archiv Karlsruhe. Herrschaft Rötteln Fasz. 969. —
') Gen. L, A. Karlsruhe. Baden Generalia 6886. — •) Ebenda. Poli-
zcisache 1197 (Zugang 1899 Nr. 12). — *) Ebenda. Baden Gen. 6391.
-•)Reyscher, Gesetze XIU S. 17. — •) Ebenda S. 114. — ') St.
A. Stuttgart. Druck.
— 360 —
bestraft ebenso wie die „UndersChleuffer, und wer ihnen
sonsten Anlaß hiezu giebt". Armie Leute mit vielen Kin-
dem sollen diese dienen lassen. Und starke Faulenzer
werden bestraft, dürfen nicht behaust werden. In die-
selbe Kerbe schlägt die Verordnung vom! 19. November
1669 ^), die durch eine Vereinbanmg schwäbischer Städte
vom 3./4. Mai 1669 ^) veranlaßt ist. Nach einer Ordnimg:
für Biberach von 1651*) konnte das müßiggehende
Gesinde ausgewiesen werden. In Gräflich Adelmannschen
Orten, so Hohenstatt u. a. erging 1748 eine Polizei-
ordnung *), die auch wider die Bettler Bestimmungen trifft.
Wenn ein Bettelkmd „besser in die Höhe komimen, . . . folg-
lich in den stand gelangen würde, zu dienen tmd sein stück
jbrod Selbsten zu erwerben", dann soll ihm! der Bettel
künftig verboten sein und es m Diensten und ehrlicher
Nahrung angehalten werden^).
Der Osten und einige Länder im! Westen und Süden
kannten ja das viel praktischere und radikalere Mittel
des Zwangsdienstes*), um' den Dienstherrschaften Ge-
sinde zu verschaffen. Unbemittelte Leute werden gezwun-
gen, Gesindedienst anzunehmien. Das ist das übereinstim-
mende Merkmial von Zwangsdienst und Bekämp-
fung des Müßiggangs. Aber es bestehen gewaltige
Verschiedenheiten zwisch«! beiden Einrichtungen,
die eine Gleichstellung ausschließen.
Die Müßiggänger wurden zu Anfang im' Interesse
der Armenpflege zur Arbeit angehalten; dies Charakte-
*) Rey seh er a.a.O. S. 496. — ») St.A. Stuttgart. Handsehrift.
— •) Kr. A. Neuburg, ad H. 6887. Augsburg Hochstift ad Generalia
XI Nr. 2. — *) Wintterlin, Württembergische ländl. Rechtsquellen I
S. 449 ff., bes. 456. — •) Recht energisch ging das ältere flandrische
Recht von 1588 gegen die arbeitsscheuen Dienstboten vor, was hier
nebenbei angemerkt sei. Dienstboten, die unter nichtigem Vorwande
sich ihrem Berufe entziehen wollten, sollten als ,,Vagabonden ende
Ledighgangbers" behandelt und mit Prügeln und Verbannung gestraft
werden (Behaegel, Servantes et serviteurs d' autrefois, im Bulletin
du comit^ central du trayail industriel 1905 S. 619). — *) Oben S. 824 ff*.
— 361 —
Tistikum blieb auch späterhin noch zu merken. Der
Zwangsdienst der Untertanenkinder dagegen wurde einge-
führt nur im' Interesse des leutebedürftigen Zwangsherm;
Nebenerwägungen altruistischer Art waren diesem! so fem,
wie ihm nur etwas fem sein konnte. Der Dienstzwang
wurde weiter sru Gimsten eines einzelnen Arbeitgebers ge-
schaffen; der Müßigen Arbeit aber sollte zum- Heile der
sämtlichen, vielen, großen und kleinen Dienstherrschaf-
ten eines Landes führen. Für die Durchsetzung des
Dienstrwanges sorgte der einzelne Herr (und auf seinen
Befehl die Polizeigewalt des Landes), während der Zwang
gegen die Müßiggänger von der vielbeschäftigten Poli-
zei ausgeübt werden sollte, die ein immittelbares, ak-
tuelles Interesse (wie der Zwangrsherr) nicht hatte. Der
Zwangsdienst ist ein aristokratisches Instrument, das Vor-
gehen gegen die Ledigsitzenden hat alle Mängel einer
Masseninstitution. Der wichtigste Unterschied, der aus
alledem folgt, ist der, daß der Zwangsdienst großzügig
durchgeführt werden konnte und auch immer großzügiger
durchgeführt wurde ; die andere Maßregel ist eine Hand-
habe der Polizei wie so viele andere auch.
Man sollte annehmen, daß die Länder des
Zwangsdienstes so zarte Maßnahmlen nicht nötig
gehabt hätten wie Besteuerung oder sonstige Versuche,
die Ledigsitzenden und armen Kinder in Dienst ta brin-
gen. Jedoch es gab neben den großen Zwangsherm auch
noch andere Dienstherrschaften im' Lande, besonders auch
in den Städten. Für die wurde auf die bescheidenere Art
gesorgt. Teilweise läßt sich auch beobachten, wie die
Maßregeln gegen die Müßigen der Einführung der Vor-
miete oder des strengen Dienstzwanges zeitlich voran-
gehen; es scheint, als habe die äußerliche Ähnlichkeit
zu einem Vorgehen auf dem' in Wirklichkeit doch ganz
fem liegenden Wege des Zwangsdienstes geführt. Über
das Vorkommen der gelinden Formen des Müßigenzwan-
— 362 —
ges in den wenigen westlichen und südlichen Ländern
der Vormiete und des Dienstzwangs (Bayern, Nassau,
Köln usw.) wurde im: Zusairtmenhange schon berichtet.
Für die östlichenLänder besonders durchsichtig
ist die Entwicklung in Kursachsen. Bereits im 15.
Jhdt. setzen hier neben Auswanderungsverboten vor allem
Maßregeln gegen die Müßiggänger ein^), so Ausweisung
der Faulenzer, Bestrafung des CJesindes, das acht Tage
nach Ablauf seiner letzten Dienstzeit imvermietet ange-
troffen wird. Die Sprache ist hier energischer als man
es aus dem Westen gewohnt ist; 1482 erhalten die Räte
in den Städten die Anweisimg, „Gesind in die Dienst zu
zwingen***). Auch aus dem' 16. Jhdt. liegen Zeugnisse
für ähnliches Vorgehen vor *). Das 17. Jhdt., in dem der
Zwangsdienst eingeführt wurde, beginnt mit Maßnahmen
gegen die „Hausgenossen**, das sind ledige Personen, die
sich zur Beschäftigimg mit Heimarbeit bei andern ein-
mieten, und so den Gesindemangel erhöhen*). Die Vor-
arbeiten zur Gesindeordnung von 1651 und diese selber
enthalten Vorschläge und Vorschriften wider die Haus-
industrie, über die Besteuerung ledig sitzenden Gesindes,
Auswanderungs verbot *). Die Annahme der Gesetzgeber
von einer inneren Verwandtschaft des Zwangsdienstes mit
all diesen Maßnahmen ergibt sich daraus, daß der zweite
Abschnitt des Gesetzes „von dienstlosem Gesinde, Haus-
Genossen imd Müssiggängem** sowie „von derer Un-
terthanen Kinder-Diensten** handelt, also beides
in innigem Vereine*).
In Pommern wurde 1621 auf Antrag der Ritter-
schaft angeordnet, daß alle unter, 40 Jahre alten arbeits-
0 Wuttke S. 8, 9. — «) Ebenda S. 11. — •) Ebenda S. 20, 21;
Statuten vonZitUu 1667, zit. bei Emmi ngh aus S. 9, 10. - *) Wuttke
S. 61. — ») Ebenda S. 78, 83. — •) Über den Fortgang der Entwick-
lung in der spateren Zeit s. Wuttke S. 127, 161, 169, 162, Ifö,
191, 194.
— 363 ^
fähigen Personen nicht bei andern zur Heuer hegen dür-
fen; haben sie keine eigene Wohnung, daim sollen sie
sich zu Diensten begeben oder an andern Orten Unter*
halt suchen *).
Auch Brandenburg kannte neben dem' Zwangs-
dienste das Verbot des „Sizens des Gesindes auf seine
eigene Hand und zur Miethe". Eine derartige Bestimmung
komimt regelmäßig vor*).
Schlesien führte 1545 die Vormiete ein*). Weit
älter aber sind schon die Klagen darüber, daß sich dasi
Gesinde nicht vermieten wolle, daß es die Bauern durch
Verlangen nach Lein- imd Getreidesäen auswuchere. Die
Verbote helfen nicht *). In der ersten Hälfte des 16. Jhdts.
wurde das Wohnimgsvermieten an dienstfähige, aber
dienstlose Personen verboten. Weigern sich die ^ledig
sitzenden Dienstboten, einen Dienst zu nehmen, dann be-
kommen sie hohe Geld- und Gefängnisstrafe^).
Im Ordenslande wurde das Vermieten von Unter-
kunftsstellen an ledig sitzendes Gesinde schon 1420 ver-
boten^). Nicht länger als vierzehn Tage dürfen Knechte
und Mägde dienstlos gelitten werden^). Später wurde
immer wieder verboten, daß das Gesinde sich nach einer
Dienstbeendigung auf mehrere Monate zur Ruhe setzte
und sich erst später wieder für den Rest des Jahres ver-
mietete, aber zu vollem Jahreslohn ^). Wer sich als Dienst-
bote der Gesindearbeit entzieht, der soll in die Ketten
gespannt oder genötigt werden, ein Jahr um'sonst zu
») Fuchs S. 172. — •) Lcnnhoff S. 88. Lennhoff inter-
pretiert die Worte irrtümlich dahin, als sei es dem Gesinde ver-
boten, wahrend des Dienstes ausserhalb des Hauses zu wohnen.
- ») Fraucnstädt S. 876. - *) Ebenda S. 878. — ») Das Sitzen
auf eigene Hand heisst in Schlesien „Sitzen zu ledigem Sattel";
Frauenstadt S. 879. Ober das spatere Bettclwesen in Schlesien
Frauen Stadt in der Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft 17
S. 712ff. - •) Frauenstadt S. 879 Anm. — ') Ebenda; Steffen
S. U. — •) Steffen a. a. O.
— 364 -^
dienen ^). Bestraft werden auch die Personen, die arbeits-
loses Gesinde länger als drei Tage herbergen*).
Durch Wanderungen der Dienstboten vornehm-
lich ins Ausland wurde die Gesindenot verschärft. Nicht
nur dies. Die vielen großen Lohntaxen •) wurden damit
illusorisch gemacht. Ein Hauptzweck jener Vorschriften
über die Unterbringung der feiernden Müßiggänger
konnte nicht erreicht werden, wenn den mm' Dienen Taug-
lichen der Weg ins Nachbarland (der ja manchmal sehr
kurz war) offenstand. Und schließlich wurde auch die ab-
strakte Theorie, daß die Auswandernden die Bevölkerungs-
zahl des Landes schädlich minderten imd auch Geld
außer Landes führten, durch Gestattung der Wanderung
nicht befriedigt.
Hessen alten Bestands kannte kein Auswanderungs-
verbot. Auch dann erließ es noch keins, als ihm' hessen-
darmstädtische Ang^riffsmlaßregeln 1776 das a.uswärtige
Gesinde aus dem Lande za ziehen suchten*). Aus dem
später an Hessen gefallenen miainzischen Amöneburg
liegt dagegen ein Auswanderungsverbot schon aus dem
15. Jhdt. vor. Das Stadtrecht ^) sagt: „Item sal keyn
knecht von deme slosse gen czwen dagin adder drey
') Ebenda S. 15. — ') Ebenda. — Was Goethe einmal gelegent-
lich Ober die Ausbildung der Arroenkinder zum Dienste sagt, mag
anhangsweise hier angeführt sein. Im ersten Buche von Dichtung
und Wahrheit (Hempel XX S.22) erzählt er von der Pfingstweidc:
„Dorthin trieb man zu Pfingsten die Schafherden, und zu gleicher Zeit
liess man die armen verbleichten Waisenkinder aus ihren Mauern
ins Freie; denn man sollte erst spät auf den Gedanken geraten, dass
man solche verlassene Kreaturen, die sich einst durch die Welt
durchzuhelfen genötigt sind, früh mit der Welt in Verbindung bringen,
anstatt sie auf eine traurige Weise zu hegen, sie lieber gleich zum
Dienen und Dulden gewöhnen müsse und alle Ursach habe,
sie von Kindesbeinen an sowohl physisch als moralisch zu kw
tigen ..." - ») Unten § 8. — *) St. A. Marburg. Cass. Finanzkammer-
Archiv 88 Nr. 7 Generalia 1776—1792; oben S. 86 f. — ») Oben S. SO.
— 365 —
noch sanct Jadobtisdagie (25. Juli), ob mian er dorffte,
biss die lüde er fruchte von dem felde brengin; wilcher
dass tbede demle solde inlan funff Schill, pennige abnemen,
wen he widder quemie." Fulda erließ ein Auswanderungfs-
terbot erst am 25. J\mi 1803*). Da das „Landgehen**
in die Wetterau zur Erntezeit für Gesundheit, Sitten und
Landwirtschaft schädlich ist, wird (zunächst provisorisch)
verordnet, daß wandernde Arbeiter in den Orten ihrer
Durchreise nicht weitergelassen werden sollen, wenn sie
nicht mit Amtszeugnissen über ihre EntbehrHchkeit ver-
sehen sind.
Das übrige Deutschland ist energischer vorgegangen.
K u r k ö 1 n zum' Beispiel ordnete in seiner Polizeiordnung
von 1645 *) Art. 3 an, „daß den Arbeitern das aus Trotz
auswärts geschehende Suchen der Arbeit in der Zeit wo
man ihrer am meisten einheimisch bedarf, bei Strafe der
Nachsendtuig ihrer Familien oder sonst verboten wer-
den soll"; das „oder sonst" wird in Artl. 10 dahin er-
läutert, daß Brüchtenstrafe festgesetzt wird, bis zu dereoi
Entrichtung das etwaige Besitztum! der Ausgewanderten
mit Arrest bestrickt wird. Auch die folgende Polizeiord-
nung von 1656*) wählt als bequemstes Mittel die Ver-
mögenskonfiskation. Himdert Jahre danach wird den im
Ausland lebenden Dienstboten „durch Verordnimg vomi
21. November 1763 *) die Rückkehr binnen sechs Wochen
bei drei Gulden Strafe anbefohlen. Andere Hilfen gegen
die Auswanderungsnot wählt die clever Gesindeord-
nung aus dem! Jahre 1608^). Sie drückt sich so aus: „Zum
Fall obgemelte Taglöhnere und Dienstbotten auch außer-
halb Landes, dieser Ordnimg zum! abbruch, und frevent-
licher widersetzung, es seie lange ader kurtze zeit, dienen
*) Fürstl. Oranien- Nassau -Fuldaische wöchentliche Polizei-Kom-
merzien- und Zeitungsanzeigen 1808 Nr. 27 (Samml. der cass. Reg.
Bd. X). — ») Scotti, Köln I 1 S. 249. - •) Ebenda S. 268. -
*) Ebenda I 2 S. 846. — ») Scotti, Cleve S. 219.
— 366 —
und arbeiten wurden, das alssdan dieselbe des Landes,
mit verluiss jrer freiheit zu. verweisen, und ohne erlaub
nuss der Obrigkeit nit wider einzukomlmien, jenen auch
Weib und Kindern nachzujagen".
Recht früh lernten die westfälischen Ritter und
Städte den Wert der Auswanderungsverbote kennen. Die
Gesindeordnung von 1423*) bringt das Verbot geschickt
in Zusammenhang mit gegenseitiger Schutzverheißung :
„Wert ok, dat welck arbeydes persone ume des brokes
wyllen, toghe in eyne andere stat, der vorg. stede jenich,
effte op de borde der vorg. ridderschap, waner dat men
dat de stat effte den amptman dat wetten, de vorg. brocke^)
salmen van deme ghenen nemen und keren den brocke
an de stat, dar de ghen her ghecohmen is und dan seien
se den ghenen van stunt von sich driven und nicht behol-
den in eyrer stat effte ampte, des gelikes sollen de stedde
wedderum don.**
In der Landesordnung für Ravensberg von 1655 ^)
wird willkürliche Strafe denen in Aussicht gestellt, die
außer Landes dienen. Die entsprechende Stelle der gleich-
zeitigen paderborner Polizeiordnung von 1655*) läßt
auf nachbarliche Vereinbarung schließen. Es heißt zum
Schluß : Dienstboten, die zum Dienen auswandern, sollen
„versichert seyn, dass man bey den benachbarten Herr-
schaften sie verschreiben, handfest machen, und remit-
tiren lassen, demnächst aber an ihren Leibe sie ernstlich
bestrafen werde, worinn man dann auch denselben Herr-
schaften in gleicher Begebenheit zu deferiren erbietig ist;
und da sie nicht zu ertappen seyn sollten, wird man ihnen
Weib und Kinder nachschicken, imd weder Zutritt noch
Herberge ihnen dahier gestatten.*' Später erging in Pa-
derborn noch ein allgemeines Verbot, nach Holland auszu-
») Seibertz, Urkundenbuch III S. 48 ff., bes. 45. — ») Eine
Mark oder Haft — •) 18. Jahresber. des bist. Vereins f. d. Grafschaft
Ravensberg S. 134. — *) Landesverordnungen Paderborn I S. 6.
— 367 —
wanifern^). Es enthält die eigentümliche Sonderbestim-
mung für die Knechte, die um Cathedra Petri (22. Fe-
bruar) ihren Dienst wechseln, daß sie vorher ihremi alten
Herrn den neuen Mieter nennen müssen. Tim sie dies
nicht, oder geben sie einen falschen an, darm sind sie
verdächtig, nach Holland*) auswandern zu. wollen. Der
alte Dienstherr ist in solchemi Fall bei 5 Thaler Strafe
verpflichtet, den Knecht anzuzeigen, der arretiert und ins
Zuchthaus gebracht wird.
Weit früher war Koesfeld zu einer Satzung ge-
langt. Wie es scheint, hatten die Stadtväter beim' Er-
lasse des dem' 16. Jhdt. angehörenden Statuts 3) Fälle
politischer Not im Auge, während der das Auswärtsdienen
verboten war: „Item- is verordnet, dat gein Borger oder
Inwohner in noetfällen und sunsten sich uth dieser Stadt,
buten bei frembde Herrn, imd up den Junkern Huessern
in Dienst geven oder annhemen und bestalten laten soll,
ohne Vorweten des Rhades, oder thom- wenigsten der
Burgermeistern, bey Verluess der Borgerschafft und
Rueminge der Stadt." In Münster spielte vielleicht
auch die Sorge tun Erhaltung des Gesindebestandes neben-
her mit, als man 1372 die Versetzung des imfreien Ge-
sindes nach außerhalb imtersagte *) : „Welk Mann, de
unse Borger iss, und egene Lüde kopet, de bynnen imser
Stadt wohnachtig sien of de in et, de soll de Lude nicht
von bynnen Munster hen doen, he en doe dat mit I?aede
der Borgermester und Scheppen." (Es folgt eine Vor-
schrift über Aushaltung bestehender Dienste durch sol-
ches Gesinde.)
Eines der ältesten Rechte ist ferner das der wal-
decker Lohnordnung von 1386*). Arbeitsleute, die zur
') 13. Januar 1781 ; ebenda IV S. 140. — «) Vgl. die Bemerkung
ober das „Hollandgehen" der westfölischcn Heuerleute bei A. Neu-
mann, Die Bewegung der Löhne der ländlichen „freien" Arbeiter
S. 114. — •) Niesert, ürkundensammlung III S 178. — *) Ebenda
S. 12Bff:, bes. 126. — ») Bauer-Collitz, Wald Wörterbuch S. 801.
I _ 368 —
Umgehung der Lohntaxe außer Landes gehen, sollen mit
drei Mark gestraft werden, „se en mochte dan mit der
warheyt erwysen, daz se in unszme lande to keyme arveyde
komen künden". Besondersartige Weiterbildungen dieser
Gedanken enthält späterhin die Gesindeordnungr von
1736 ^). In Art. 3, 5 und 6 wird das Dienen außer Landes
verboten. Nur daim soll es mlässig sein, wenn der Aus-
wandenmgslustige sich vorher an drei Orten des Landes
bei je vier Herrschaften angeboten hat. Übertreter müs-
sen bei ihrer Rückkehr soviel Strafe asahlen, als sie aus-
wärts verdient haben; bei Unvermögen erhalten sie vier
Wochen Gefängnis, und tui Sicherung der Geldstrafe
wird ihr Kindteil beschlagnahmt. In derselben Weise wird
der bestraft, der eine falsche Bescheinigung ausstellt, der
Dienstbote habe sich bei ihmj lun Dienst beworben. Eng^er
konnten die Maschen nicht gezogen werden. Daß die
Art arg kompliziert war, gab der Gesetzgeber zu, als er
am 2. September 1761 auf alles Zubehör verzichtete und
nur Vermögenskonfiskation auf das Dienen außer Landes
androhte ').
In der detmolder Taxordnung: aus dem! Jahre
1655 •) wird dem zum Dienste außer Landes Gegang'enen
langedroht, daß ihm! Weib und Kind nachgeschickt wer-
den, die Rückkehr und der Genuß von „Wohltaten"
von Seiten der Seinigen verboten wird. Wirksamer mußte
die Strafe von 10 Goldgulden sein, die auf das gemeinsame
Dienstsuchen imi Ausland durch eine Verordnung vom:
20. Februar 1680*) gesetzt wurde. Eine spätere Verord-
nung vom: 22. Februar 1734^) schränkte dies ein, imd
verbot nur das Auswandern des Dienstvolks nach Holland
und Friesland ohne Paß. Die Übertretung dieser Vor-
schrift bedachte dann die Gesindeordnung von 1752*)
*) Sammlung der Regierung Arolsen. — ■) Ebenda. — •) Landes-
verordnungen L.-Detmold I S. 408. — *) Ebenda S. 487. — ») Ebenda
S. 872. — •) Ebenda II S. 47.
— 369 -
in § 2 mit Geldstrafe. Das Recht in Schaumburg-
Lippe bringt keine sachlichen Neuerimgen. Die Münz-
und Taxordntuig vom 19. Dezember 1620 ^) erklärt die Aus-
ge'wanderten ihrer Benefizien verlustig; dazu bekommen
sie ihre Familie nachgeschickt. Vermögenskonfiskation
ist das Mittel, mit dem' in der Taxordnung aus dem No-
vember 1654*) vorgegangen wird. Nach der Gesinde-
ordnung von 1738^) darf Gesinde nur mit Konsens aus-
wandern, insbesondere wieder nach Holland imd Fries-
land; auf tmerlaubtes Austreten steht Er b teils verlust *).
Den einzig möglichen Gedanken, wie die Auswande-
rung zu unterbinden sei, faßten die Gesetzgeber Wei-
mars. Hier verglich mjan sich mit Nachbarn über die
Auslieferung der abgewanderten Dienstboten, wovon eine
Verordnung aus dem Jahre 1651 ^) Kunde gibt. Mit Turm-
strafen und anderm Zwange sollen die Dienstboten nach
dieser Verordntmg zum' redlichen Ausharren im Lande
gezwungen werden. Die eisenacher Gesindeordnung
von 1757*) formuliert den Gnmdsatz so''), daß Dienst-
boten erst an ihrem' Orte, dann im Lande, dann im Aus-
lande Arbeit suchen sollen.
Sogar innerhalb des Fürstentiuns Altenburg
wurden die Wanderungen des Gesindes eingeschränkt.
Nur mit behördlicher Erlaubnis dürfen sich ledig sitzende
Leute bei Überfluß an Gesinde zu Feldnachbam des Für-
stentums vermieten, wie die Gesindeordnung von 1719®)
bestimmt. Diese etwas unklare Vorschrift will wohl den
Gesindevorrat der einzelnen Orte konstant erhalten. Ein
offenbares Verbot, im Lande zu wandern, steht in der
Gesindeordnung von 1744^). Wenn ledigsitzende Müßig-
*) Landesverordnungen Schau mburg.-L. I S. 404. — •) Ebenda U
S. 28. — •) Ebenda S. 836. — *) §§ 18, 14. — ») Job. Schmidt,
Gesetze f. Weimar IV S. 152. — •) Kr. A. München. Sign. GR. Fasz.
402 Nr. 8. ~ ') § 8. — •) Univ.-Bibl. Marburg. XVIIl f A 870. —
•) Ebenda XVIII f B 1119«.
Könnecke. 24
— 370 —
ganger sich den Anordnungen der Behörden nicht führen
wollen und deshalb an einen anderen Ort ziehen, dann
(sollen sie zurückgebracht und mit schweren Freiheits-
strafen, bei wiederholtem' Rückfalle gar mit Zuchthaus,
gestraft werden. Auswanderung aus dem! Lande hat Ver-
mögenskonfiskation nach sich. Und die Angehörii^en
müssen schwören, daß sie dem Ausgewanderten keinerlei
Unterstützung zukommen lassen wollen. Nach derselben
Ordnung soll sich das freigewordene Zwangsgesinde am
Orte selbst oder in der Nachbarschaft, aber nicht leichtlich
im' Auslande anderweit vermieten.
Von braunschweiger Recht ist die mit andern
Staaten vereinbarte große Gesindeordnung von 1445 ^) zu
nennen. Dienstboten und Taglöhner, die „umme dusses
gesettes [der Taxe] willen" außer Landes gehen, sollen
nicht zurückkehren, sie erlegten denn zehn Gulden Strafe.
Ende des 17. Jhdts. miachten aber gerade die Nachbarn
ihren eigenen Landeskindem das Dienen in Braunschweig
streitig. Eine Verordnung vom' 19. September 1692 *) stellt
dies fest sowie weiter, daß die Braimschweiger von ihrer
Ziehfreiheit zuviel Gebrauch machen. Auswärts dienen
#
und überhaupt auswandern soll mian künftig nur noch
mit Konsens^).
Von den hannoverischen Gebieten hat Göt-
tingen die ältesten Auswanderungsregeln. Vor 1413
schon wurde den Dienst- und Arbeitsleuten geboten, nie-
miandem zu arbeiten als den Bürgern, bei Stadtverweisung
von einem; Jahre; die Familie wird mit vertrieben*). Wer
der Taxe von 1445 entgehen will und deshalb nach aus-
wärts geht, der soll nicht wieder konttnlen, er zahle denn
eine Geldbuße 0). Ami 15. März 1467 wurde den Knechten
*) Zeitschr. des Harzvereins für Gesch. u. A. 27. Jahrg. S. 427.
— ■) Archiv Wolfcnbüttel Nr. 8488. — ») Über Auswanderungsrecht
Kursachsens Wuttke S. 10, 11. — *) v. d. Ropp, Statuten S. lOB.
— •) Ebenda S. 476 flF.
— 371 —
gar bei ewiger Landesverweisung und Erbschaf tsverlusf
verboten, ,,in dussin kriges geloufften" aus der Stadt zu
ziehen ^).
Das Land H adeln droht in der Gesindeordnung
von 1655^) auf Arbeiten außer Landes zur Pflug- und
Erntezeit 60 Mark Strafe. Ebenso geschieht es am 13. Mai
1681 ^) und aiö 26. Juni 1695 *) ; auf die Auswanderungs-
lustigen soll Real- und Personalarrest gelegt werden. In
der Verordnung von 1681 wird mit zierlicher Verdeckimg
des herrschaftlichen Egoismus eine Rechtfertigung und
Begründung des Auswandenmgsverbots gegeben, das
nicht um des Wohles der Dienstherrschaften willen er-
lassen worden ist, sondern weil es die Billigkeit selber
heischt, daß das Gesinde sich redlich inü Lände nähret,
„weilen Knechte imd Mägde, Jungen imd Diener raehren-
theils, auch viel Meyerleute, Arbeiter und Tagelöhner,
von den Eingesessenein dieses I. H. F. D. Erblandes
Hadeln, von Kinderbeinen ernähret, aufgefüttert und gross
gemachet worden, auch täglich, insonderheit wenn nicht
viel zu verdienen, oder Sie imd die Ihrigen krank, ohne
Vermögen, oder alt werden, hiesigen Einwohnern für den
Thüren und auf deml Halse liegen, imd von denselben,
dafem sie nicht Hungers sterben, oder in ihrer Dürftig-
keit verderben sollen, durch die Allmosen und allerhand
freiwillige Zusteuer unterhalten, ja theils in die Gast- und
Armenhäuser aufgenommen, zu Weges Ende, wie man
allhier redet, gebracht, und aus dem' Gotteskasten zur
Erden bestattet werden müssen."
Nach der Lohnordnung für die Marsch und für
Keh dingen vom 3. Juli 1680*) soll das Gesinde, das
um höheren Lohnes willen das Land verläßt, auf ewig
verbannt und des Vermögens verlustig sein.
') Ebenda S. 204. -—■) Spangenberg, Verord. f. Hannover IV 8
S 366. — •) Ebenda S. 617. - *) Ebenda S. 828. — ») Polizeiordnung nebst
andern Verordnungen f. d. Herzogthflmer Bremen u. Verden S. 771.
24*
— 372 —
Aus dem äußersten Norden kann nur die holstei-
ner Gesindeordnung von 1740^) genannt werden, die
wieder eine kleine Besonderheit bringt. Nach § 2 naüssen
Knechte bis zum 30., Mägde bis zum 20. Jahre im Lande
bleiben imd um gewöhnlichen Lohn dienen. Bei Erb-
schaftsveriust dürfen sie dies Gebot nicht übertreten. Es
gilt nicht für Livreebediente.
Mißgünstig gegen ihre Nachbarländer wie die im Nor-
den waren auch die Süddeutschen. In Nassau wech-
selten Vermögenskonfiskation imd arbiträre Strafen als
Mittel gegen das Auswandern der Dienstboten. So be-
stimmte eine katzenelnbogener Verordnung vom 1. Ja-
nuar 1559*), daß ausgetretene Dienstboten zehn Thaler
ohne Ablaß zahlen müssen, wenn sie wieder ins Land
wollen. Die katzenelnbogener Gesindeordntmg vom 7. De-
zember 1643 3) imd das von ihr zitierte Mandat vom 16.
Oktober 1641 verbieten außer dem Ledigsitzen auch das
Auswandern der Dienstleute bei Vermögensverlust. Dies
ist auch die in der Gesinde- und Taglöhnerordnung vom
20. Dezember 1643, in der Verordnung vom 6. September
1649 und einem Ausschreiben von 1654*) angekündigte
Folge des Auswanderns. Am! 9./19. September 1656 wird
nur arbiträre Strafe angedroht *). Die Rückkehr zur Erb-
schaftskonfiskation (samt Leibesstrafe) geschah am 20.
Dezember 1701 *). In zwei usinger Edikten von 1699 und
1701, die in einer undatierten Verordmmg') zitiert wer-
den, ist die Regelimg auch so. Nur wenn die Dienstboten
keinen inländischen Dienst haben finden köimen, soll ihnen
besonders erlaubt werden, ein Jahr auswärts zu dienen.
Die Rechtsgeschichte des Gesindes in Hessen-
*) SL A. Schleswig. Sammlung Grossftirstl. Verordnungen, —
•) St. A. Wiesbaden. VI 1 Nassau- Weüburg. Generalia XIV± Nr. 18.
— •) Ebenda. - *) Ebenda; Corp. Const. Nass. II 1 S. 204. — •) Corp.
Const Nass. II 2 S. 48. — •) Ebenda S. 248. — ') St. A. Wiesbaden.
V Nassau-Usingen. Generalia lU Verordnungen Bd. V S. 123.
— 373 —
Darms tadt setzt sich von 1650 an ruiri größten Teil
aus Auswandeningsverboten zusamtoen. Di© Daten der
vielen Ausschreiben über diese Fra^e wxirden in Teil I ^)
angegeben. Nach der Polizeiordnung für Burg Fried-
berg von 1680*) mußten die Diaistboten sich erst im'
Lande zu Dienste anbieten, ehe sie ins Ausland gehen
durften; wer dawider handelte, wurde nicht wieder ins
Land hineingelassen imd verlor Erbschaften und Vermö-
gen. In der gederner Gesindeordnung vom! 11. Januar
1681 ^) wird das Dienen außer Landes eine „ungebührliche
Wieder spenstigkeit** genannt. Alle auswärts Dienenden
sollen sogleich kündigen und sich bis Lichtmeß in ihrer
Heimat melden. Finden sie hier keinen Dienst, dann
dürfen sie auf ein Jahr aus dem' Lande gehen, müssen
sich aber danach erst wieder im' Lande zum' Dienen mel-
den. (Die Art erinnert an die Diffikultäten, die die wal-
decker Dienstboten späterhin zu überstehen hatten.)*)
Alle Möglichkeiten des Vorgehens wider das Dienen
inil Auslande sind in der bisherigen Darstellimg schon er-
schöpfend aufgezählt worden. Bayern kann sachlich
Neues nicht miehr bringen.
Und doch liegt hier das allerälteste Beispiel eines
Kampf Versuches wider die Auswanderer — allerdings nur
Tagelöhner, nicht auch Gesinde — vor in den dem 13. oder
14. Jhdt. angehörenden Willküren von Rothenburg
ob der Tauber '^). Ganz wie in der chronologisch hier
folgenden waldecker Ordniuig wird das Auswandern mit
der Lohntaxe in Verbindung gebracht. Tagelöhner, die
um der Taxe willen aus der Stadt gehen und um den ge-
setzten Lohn nicht arbeiten wollen, sollen auf ewig ver-
bannt sein.
*) Oben S. 205 f. — ») Univ. - Bibl. Marburg. — •) Gran. Stolb.
Archiv in Gedem. B. XX Allerhand Verordnungen und Befehle so
in der Grafschaft Stolberg - Gedem ergangen. — *) Oben S. 868. —
) Bensen, Histor. Untersuchungen über Rotenburg, Nürnberg 1887,
S. 486ff., bes. 606, 507.
— 374 —
Auf feinem' Gegeriseitigkeitsvertrage fränkischer Terri-
torien, Idarunter Würzburg und Bamberg, beruht die w ü r z-
burgische Verordnimg vom 24. Juli 1652^), wonach
die von den andern Vertragsländem ins Würzburgische
übergetretenen Dienstboten dem' durch den Austritt ge-
schädigten Lande wieder zugeliefert werden sollen; es
ist wohl mehr als Maßregel wider den Vertragsbruch denn
als Auswanderungsverbot gegenüber nicht im Dienste be-
findlichen Dienstboten gedacht.
In Altbayern hatte die Ritterschaft auf dem= Land-
tag von 1497 den Antrag gestellt: Dienstboten, die um
den vorgeschlagenen Lohn nicht dienen wollten, und des-
halb auswanderten, sollten mit Verlust des Erbrechts und
ewiger Verbannung gestraft werden*). In der Polizeiord-
nung von 1500 wurde daraus ein Verbot des Vertrags-
bruchs^). Das „Buch der gemeinen Landpot** von 1516
Nr. 6 fügte der Ordnung des Vertragsbruchs das Laufen
ins Ausland als erschwerendes Merkmal ein, und sprach
in Nr. 9 auch drei Jahre Landesverweisung auf Dienen
im fremden Lande aus ^). 1543 kamen Beschwerden, daß
die Bauerssöhne und Knechte jährlich zum! Mähen ins
Elsaß gingen^). Die Landesordnung von 1553 wieder-
hiolte denn auch die Vorschriften von 1516 und ver-
schärfte sie noch durch Maßnahmen wider das Auswan-
dern verheirateter Dienstboten*). Aus dem 17. Jhdt. sei
angeführt die Taxordnung vom! 23. Mäxz 1638^); wer
auswärts um hohem Lohn arbeitet, darf nicht mehr ins
Land hinein. Strafen imd Einbehaltung des Erbteils bis zur
Rückkehr stellt die Tagwerkenordmmg des Landgerich-
tes Friedberg von 1651^) den auswandernden Dienst-
') Kr. A. Würzburg, MiscelL 4972. — *) Krenncr, Bayr.
Landtagshandlungen XIII S. 80. — >) Platzer S. 75. - ^) Ebenda
S. 87. - ») Ebenda S. 97. - •) Ebenda S 97, 98. — ») R. A. München.
Gen. Sammlung Rep S. 9. Nr. 7 Bd. 1. ^ ') Kn A. Neuburg, ad
H. 5887. Augsburg Hochstift ad Generalia XI Nr. 2.
- 375 —
boten in Aussiebt. Ob mit dem in § 13 der Gesindeordntm^
von 1755 ^) genannten Verbot das Tanzen oder das Dienen
im Auslande mit Arbeitshaus bestraft werden soll, läßt
der Zusamlmenhang nicht erkennen; wahrscheinlicher ist
wohl die Bestrafung des Tanzens mit der geringen Er-
ziehimgsstrafe des Arbeitshauses. Die Gesindeordnung
von 1781*) gedenkt der Flucht ins Ausland nur bei Be-
handlung des Vertragsbruchs in § 19; in § 37 wird Aus-
treten einheimischen Gesindes in der Ernte verboten.
Vielleicht das wichtigste Auswanderungsverbot, das
überhaupt erlassen wurde, ist das bereits an anderer Stelle')
angeführte Gebot der Grafen Adehniann in Schwaben,
daß die Einwohner von H o h en s tat t imd anderen Orten
sich ohne herrschaftliche Erlaubnis nicht anderswohin ver-
dingen durften^). Es wurde bereits darauf hingewiesen»
daß der enge Zusamimenhang zwischen Wanderungsver-
bot imd Zwangsdienst hier besonders deutlich zu dmrch-
schauen ist.
Diesen vielen Auswanderungsverboten gegenüber er-
scheint die Anordnimg eines Jenaer Reskriptes von
1792^), daß den Dienstboten der Aufenthalt in Jena nur
für die Zeit des Dienens gestattet ist, fast als ver-
schwenderischer Luxus. Freilich venmag die Fiu-cht vor
der Armenlast diesen Schritt genügend zu erklären.
Für die Dienstherrschaften m!ochte durch die Aus-
wanderungsverbote ja gesorgt sein. Auch der eine Satz
des Merkantilismus, daß dichte Bevölkerung ein wesent-
liches Moment nationaler Stärke sei, erfuhr durch die
Auswanderungsverbote eine Anerkennimg. Aber ein weite-
les, wichtigeres Dogma jener Schule konnte einer sot
*) Kr. A, München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. Churbayr. Intelligenz-
blatt Nr. 89. 1776. - «) Kr. A. München. A. R. Fasz. 469 Nr. 909.
- *) Oben S. 889. — «)Wintterlin, Württembergische ländliche
Rechtsquellen I S. 449 ff., bes. 448. — *) Joh. Schmidt, Gesetze f.
Weimar IV S. 140.
— 376 —
chen Praxis widersprechen. Das Dienen im! Ausland ließ
die Landesangehörigen nicht das ganze Leben draußen
bleiben; wenn die jungen Dienstjahre um' waren, kamen
die Leute nach hause xmd brachten Vermögen, bares
Geld mit, das dann im! Lande verzehrt wurde. Mochte
es weiter auch vom Standpimkte der „Peuplinmgs-'Treude
schön imd nützlich sein, wenn gar ausländische Arbeiter
ins Land kamen und die Volkszahl vermehrten, so kom-
pensierte diesen Vorteil doch bei weitem! die Tatsache,
daß die Ausländer mfeist nicht ihr Leben lang im' Lande
blieben, sondern nach einigen Jahren — mit barem
Gelde — wieder hinauszogen. Und wo es ihnen nicht
gelang, Reichtümer zum Fortschleppen anzusammeln, da
blieben die Fremden im Lande, der Armenpflege zur
Last^). Hier hakte die Gesetzgebung ein.
Solche Gedanken kamen beispielsweise der kurpfäl-
zischen Regierung, als sie 1682 die Ausarbeitung eines
Gesindegesetzes unternahm*). Ein Gutachten klagt über
all die Unsitten des Gesindes, das den Lohn steigert, sich
nur auf kurze Zeit vermieten will, sich kostbarer als der
Landmann kleidet, „auff die Sontag doli undt voll sich
mit Pichlleuthen belustigt, darauff den folgenden Mon-
tag sie ihre arbeit nicht recht vorsehen köimen"; daß
dagegen „der Aussländische, so Spahrsamb,
dass baare geldt auss der Pfaltz in frembde
Lande trage, welches bey jetzigen sehr
schlechten Zeiten wohl zu consid er iren, undt
zueremedirenhochnöthig"... Zu dem Zweck soll
eben eine Gesüideordnimg erlassen werden; ob es dazu
gekomimen ist, war nicht festzustellen. In einem Memo-
riale des dur lachischen Hofrats an das Fürstl. Ge-
heimeraths-CoUegium vom 3. Mai 1724 ^) tritt der gleiche
^) Vgl. das eben mitgeteilte Jenaer Reskript von 1792. —
*) Gen. L. Arch. Karlsruhe, Pfalz Generalia 5016. — *) Ebenda. Baden
Generalia 6886.
— 377 —
Gedanke auf. Man hält für gut, daß die Untertanen ihre
Kinder dienen lassen nnüssien. Die jungen Leute werd^i
dann vom Müßiggang abgehalten, und es geht kein
Geld durch das f rem'de Gesinde ins Ausland.
Den Vorzug des einheimischen Gesindes vor dem
ausländischen verheißt jene schon öfters zitierte unda-
tierte usinger Verordnung^), die zwei weitere Edikte
von 1699 und 1701 heranzieht. In Augsburg ordneten
die Armengesetze von 1720 und 1749 an, daß die Dienst-
herrschaften das ihnen an arbeitsfähigen armen Leuten
zur Verfügtmg stehende einheimische Gesindematerial aus-
wärtigen Angeboten vorziehen sollen*). Auch in Nr. 2
der Gesindeordmmg für Eisenach von 1757^) stehli
ein solcher Grundsatz. Die Absicht, die Niederlassung
fremder vermögensloser Leute im Lande ta verhindern,
hatte 1739 die (eisenach-) sayner Regierung zu denn stren-
gen Verbot bewogen, Knechte außerhalb Landes zu din-
gen und bereits im Dienst befindliche noch länger als ein
Jahr zu behalten; das Verbot wurde aber ausdrücklich
für Dienstboten 1743 wieder aufgehoben*). Noch viel
später dagegen wurden in Isenburg ähnliche Verbote
erlassen. Am 18. Dezember 1798*) erging eine Verord-
nung wider die ausländischen Hirten, „indem! solche zm*
Viehhuth öffters ganz untüchtig und nicht selten so un-
vermögend sind, dass sie weder den durch ihr Verschul-
den, dem Eigenthümer des Viehes zufügenden Scha-
den zu vergrüten noch die verwürckte Strafe zu bezahlen
vermögen, zuletzt aber mit einer zahlreichen Familie dem
Ort und Land rur Last fallen." Ausländische Hirten dür-
fen nur dann gedungen werden, wenn keine einheimischen
*) St. A. Wiesbaden. V Nassau - Usingen Generalia. Ili: Verord-
nungen Band V. S. 128. - ■) Bisle, Armenpflege in Augsburg
S. 146; s. oben S. 867. - •) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 3.
— *) Scotti, Neuwied S. 666^ 702. — ») Sammlung des Amtsgerichts
Wächtersbach Bd. I.
- 378 -
zu haben sind; nur zwei, höchstens drei Jahre ^llen sie
auf gute Zeugnisse hin inü Lande geduldet werden. Ein
Ausschreiben vom 20. April 1804^) verbot den Pachtern
wegen der vielen Walddiebstähle die Mietung ausländi-
scher Dienstboten.
Diese letzten Erlasse enthalten miehr oder weniger
deutlich andere Gründe, aus denen die ausländischen
Dienstboten mit Mißbehagen von den Gesetzgebern ange-
sehen wurden, tmd Mittel, mit denen man gegen solche
Plage vorging; ein prinzipielles Aufenthaltsverbot wird
nicht ausgesprochen. Es ist die Unkenntnis; man weiß
nichts von den hinzuziehenden Neulingen. Daher wird
zu verschiedenen Zeiten Legitimierung durch Zeugnisse
und obrigkeitliche Erlaubnis zum! Dienstantritt vorge-
schrieben. So mehr oder weniger abgewandelt im a d e 1 s-
heimer Stadtrechte von 1527 imd 1596*), in der nas-
sauer Montagsordnung von 1586'), der katzeneln-
bogener Polizeiordnung von 1597*), der flensburger
Polizeiordnung von 1600 Tit. 30*), der Jülich er Ver-
ordnung vom 4. April 1789 ^), die Gesundheitsscheine ver-
langt, der (französisch-) j ü 1 i c h e r Bekanntmachung vom
8. September 1813^), der kurhessischen Verordnung
vom 29. November 1823 § 29^),
Zwei Petitionen von ad hoc gebildeten Interessentenver-
einigungen wider die ausländischen Dienstboten und Land-
arbeiter mögen diesen Abschnitt schließen. 187 Taglöhner
in Mühlhausen tmd Nachbardörfern richteten 1787
eine Bittschrift an die Stadt •), der ein (nicht erhaltenes)
») Ebenda Bd. 2. - •) Oberrhein. Stadtrechte I S. 648 flf., bes.
678. - •) Corp. Const. Nass. I S. 609. - *) Univ.-BibL Marburg.
- •) Corp. Stat. Slesv. II S. 268. — •) Scotti, Jülich S. 706. -
*) Ebenda S. 1610. — •) Möller-Fuchs S. 468ff. - Dass aus-
landische Knechte ebenso wie die inländischen bisweilen, besonders
nach süddeutschen Rechten, beeidigt wurden, sei hier erwfthnt; in
§ 8 wird auf den Knechtseid des näheren eingegangen werden. —
^ SUdtarchiv Mühlhausen. Abt. $ Fach 1 A Nr. 68«..
— 379 —
Memöriale beila?. Sie beantragen „eine Drescher Ord-
nung, und Inniing^, sohin denen fremibden, besonders denen
Voigtheyischen Innwohnem, das Dreschen bey hiesigen
Bürgern und auf denen Dorffschaften zu untersagen";
Das Gesuch wurde aber „schlechterdings abgeschlagen".
Nicht besser erging es vier kurhessischen Knechten»
die 1827 den Mut hatten, sich direkt an die Regierung
zu wenden^), da sie sich „gleichsam! berufen fühlen,",
der Regierung mitzruteilen, „dass der Einländer beinahe
keinen Dienst, wenigstens keinen hinreichenden Lohn
mehr finden kann, weil der ausländischen Knechte, be-
sonders aus dem Fürstlich- Waldeckischen imtaier mehr
und mehr herüber kommen und tms verdrängen, oder
den Lohn schmälern." „Wenn wir auch nicht selbst dem
Grundsatz huldigten: bleibe im! Lande imd nähre dich;
so nöthigt uns doch imsre Militairverfassimg dazu. Wir
bitten deshalb unterthänigst, diesem! Uebel abzuhelfen."
Der Entscheid der Regierung ging sehr kurz dahin;
„Nachsuchenden bekannt zu machen, dass ihrem Gesuche
nicht zu willfahren stehe."
Die eben erwähntei Militärverfassung Kur-
hessens beeinflußte das Gesindewesen erheblich und
wurde umgekehrt immer wieder von der Knechtenot der
Landwirtschaft berührt. Das hessische Recht ist über-
reich an Bestimmungen über Schonung tmd Heranziehung
<ler Dienstboten ztun- Militärdienst. Bald war das Wohl des
Heeres maßgebend, bald wieder erhielt das Interesse der
Landwirtschaft die Überhand über die Forderungen der
LandesverteidiiTung.
Der Landtagsabschied vom' 9. November 1658 *) emp-
fahl, darauf zu sehen, „dass dem* Haussmann seine Kinder»
Gesinde imd Dienstbotten, so in würcklichen Diensten
') St A. Marburg. Cass. Reg.- Akten. Gesindewesen 1815—1817.
^ *) St A. Marburg. Landtagsakten 1658.
— 380 —
begriffen, nicht abgehalten werden mögen". Daß land-
wirtschaftliches Gesinde teilweise schon früher mit der
Aushebung verschont wurde, ergibt ein Deutschordeos-
prozeß aus dem Jahre 1702 ^). Der Syndikus des Ordens
beruft sich darauf, daß auch in den beschwerlichsten
Kriegen die Ordensknechte mit Heerdienst verschont und
auch Ersatzleute nicht verlangt worden sind ; das ist nach
Behauptung des Syndikus in alten, von Kaiser Ruprecht
bestätigten Verträgen ausgemiacht worden.
Schon ein Ausschreiben vomi 22. Juni 1702 ^) änderte
die Anordnungen des Landtagsabschiedes. Von Gesinde
im allgemeinen ist gar nicht die Rede. Frei von der
Ausnahme zum Kriegsdienst sind Schäfer, die wirklich
leine Herde ru hüten haben. Ein weiteres Aus-
schreiben vom] September 1740*) bestätigte dies, be-
fahl aber weiter Rücksichtnahme auf „Contribution, Feld-
Bau, Commerce, Fabriquen, Manufacturen** ; soweit Leute
dem Militär größeren Nutzen als diesen Tätigkeiten brin-
gen, sollen sie ausgehoben werden. Schon die Landmiliz-
ordnung vom' 30. Mai 1741*) sprach in Art. 1 die Be-
freiung der „würcklichen Dienstbotten" aus, aber nur für
sich, nicht auch ihre Kinder. Doch führte diese xmbe-
schränkte Freiheit zu Mißbräuchen. Daher wurde am
28. Juni 1743*) verordnet, daß Dienstboten, auch die
landgräflichen und ritterschaftlichen, nicht mehr frei sein,
sondern zu Nebenmäimem nach Befinden eingestellt wer-
den sollen. Zur Musterung muß das Gesinde unbedingt
erscheinen, es sei denn, daß die Dienstherrschaft die
völlige Unabkömlmlichkeit bescheinigt.
So ging es nun imimer weiter, bald mehr, bald weniger
abgeschwächt. Auch auf drei Landtagen kam! es zu Ver-
') St A. Marburg. Deutschordensakten. Akte in Klag Sachen
Syndici Ordinis contra den Ober Schultheiss Klappmeier zu Marburg
1702 (N. 1, 755). — «) LO. Ill S. 487. — •) LO. IV S. 710, — *) Ebenda
S. 750. — ») Ebenda S. 844.
— 381 —
handlimgen darüber, 1779, 1798, 1799 (Schaiuniburg) ^).
Das Ergebnis war, daß die Ritterschaft ihre nötigeia,
eine bestinümte Größe nicht überragenden Knechte nicht
zum Militär zu stellen brauchte, daß aber bei Betrugs^
versuchen das betreffejnde Gut für imnier das privile^
gium (reale) verlieren sollte*).
Von der Lohnregelimg im! Falle der Abberufung eines
Knechtes aus dem Gesindedienste nun Heer handelt ein
Reskript vom 11. April 1741*). Es teilt die Verfügung
des KriegskoUegiiunls mit, daß die Brotherren ihren weg-
gemusterten Knechten gleichwohl pro rata temporis den
Lohn zahlen müssen. Die Herrschaften hatten sich für
solche Fälle auf den 18. Artikel der Gesindeordnung von
1736 *) berufen, wonach der Dienstbote den rückständigen
Lohn verliert, wenn er unter irgend einem Vorwande den
Dienst vor der Zeit verläßt. Das KriegfskoUegiiun' gibt
zwar, wenn auch nicht ausdrücklich, zu, daß hier ein
Dienstverlassen wider den Willen der Herrschaft vorliegt,
*) St A. Marburg. Landtagsakten dieser Jahre. — ') Die Daten
der verschiedenen obrigkeitlichen Erlasse über diese Fragen sind:
10. Dezember 1762 (LO. VI S. 55), 7. März 1775 (Kopp, Handbuch I
S. 865), 9. Mai 1775 (Kopp I S. 864), 5. März 1776 (Kopp I S 865)»
16. November 1778 (LO. VI S. 77; Kopp I S. 865), 4. März 1788 (LO. VI
S. 1101), 18. JuU 1784 (LO. VI S. 1161), 7. Februar 1785 (Kopp I
S. 364), 12. Mai 1786 (LO. VII S. 70), 1. Februar 1787 (LO. VII S.
144), 14. August 1798 (Kopp I S. 865), 18. April 1796 (LO. VII S. 668),
19. Januar 1798 (LO. VII S. 774), 2. März 1805 (LO. VIII S. 225). —
Femer enthalten folgende Akten des St. A. Marburg Material: Cass.
Rcg.-Akten, die Einrichtung der Werbe-Cantons betr. 1762 flf.; Geh,
Rats Akten^ Die von denen Land Räthen ... zu besorgende, das
Militare . . . concemirende Angelegenheiten betr. 1776—1788; Akte,
die Ausnahmegeschäfle in der Grafschaft Hanau überhaupt betr.
1788—1792; Akte, die von der schaumb. Ritterschaft praetendirte
Jarisdiction über ihre Eigenbehörige . . . betr. 1786, 1787 Bl. 72 v.;
Akte der rittersch. Deputation Schaumburg enth. Schreiben des Kriegs-
kollegiums an den Oberforstmeister von Bardeleben vom 20. März
1800. -. ») LO, IV S. 748. - *) Ebenda S. 410.
— 382 —
doch ist „dieser Fall in faveiir der Werbung allerdings
auszunehmen, und denen Leuten dessenthalben von ihrem
billigen Verdienst nichts zu entziehen".
Nach den Freiheitskriegen wurden die alten Grund-
sätze ausdrücklich erneuert. ano! 17. September 1816^).
Aber die Verfassungsurkunde von 1831 kündigte in § 40
ein Gesetz an, das die ausnahmslose Dienstpflicht fest-
setzen sollte. Nachdem' erst noch durch Gesetz vom 23.
Juni 1832*) Dienstboten, Lehrlinge usw. von dem' be-
sonderen Dienst in der Bürgergarde ausgeschlossen wor-
den waren, sprach das Rekrutierungsgesetz vom 10. Juli
1832 *) den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht imbe-
schränkt aus. Von Dienstboten ist, abgesehen von einer
nebensächlichen Vorschrift in § 42, gar nicht miehr aus-
drücklich die Rede. So blieb es auch in den späteren
Rekrutierungsgesetzen von 1834 imd 1848*).
Die Entwicklung als solche ist interessant genug.
Von der allgerp^inen Freiheit des Gesindes im Interesse
der Dienstherrscnaften ging es in immer weiteren Em-
schränkungen fort; schließlich waren es vornehmlich nur
noch die Adeligen, denen das Privileg zustand. Und auch
ihnen nahm' es die Bewegung der dreißiger Jahre.
Der Lauf der militärrechtlichen Geschichte in Hessen
ist bei weitem' am' reichhaltigsten, so daß sie eine voll-
ständige Musterkarte aller gesetzgeberischen Gedanken
über das Verhältnis von Gesindenot und Landesverteidi-
gung gibt. Da diese Frage immerhin nur nebenher fürs
Gesinderecht in Betracht kommt, wesentlich militärrecht-
lich ist, so miag die Darstellimg der hessischen Rechts-
geschichte hier genügen. Nur an zwei außerhalb Hessens
entschiedenen Rechtsfällen soll noch gezeigt werden, in
*) Kurh. Ges Sammlung S. 101. — «) Ebenda S. 121. — •) Ebenda
S. 188. — *) Ebenda S. 113, 95. — Auch den Standcsheirn wurde
Militärfreiheit nur noch für die engere Familie zugesichert, nicht auch
fürs Gesinde; Edikt v. 29. Mai 1888 § 11 (Möller-Fuchs S. 945).
— 383 —
welche Lagen durch die Militärverfassung die Parteien
eines Gesindevertrages gebracht werden können.
Aus Frankfurt wurde 1785 der Schleichweber
Walther ausgewiesen^). „Was aber dessen angebliches
Eheweib Margaretha Schmelzern aus Biebelsheim Ober-
Amts Abey betrifft, welche dermialen bey dem Goldar-
beiter Otto an der Faul Pomipe allhier in Diensten seyn
solle, so könnte gedachter Otto vorgefordert, imd ihm' be-
deutet werden» dass er die Schmelzern aus seinem' Dienst
entlassen solle." Und in Jülich wurde 1813*) ein Ur-
teil des Kassationshofes zu Paris verkündet: Wer einen
Deserteur oder Refractair als Knecht oder Bedienten an-
nimüxit, ohne ihn vorläufig der Munizipalobrigkeit vorge-
stellt zu haben, wird wegen dieser bloßen Versäiunnis
als Hehler betrachtet, und mit 300 — 3000 Fr. sowie mit
einer« Jahr Gefängnis bestraft.
Noch sind alle Mittel, die zur Hebtmg der Gesinde-
zahl führen sollen oder doch außer zu anderml Ziel auch
dorthin führen können, bei weiteml nicht erschöpft. Einen
Emfluß auf die andern Leuten rur Verfügung stehende
Dienstbotenmenge konnte zirai Beispiel auch das alt-
bayerische Gebot über das Dienen der Kinder bei
ihren Eltern habem. Es hängt nicht mit dem früher*)
behandelten Streben zusammen, arme Kinder in Dienste
w bringai, hat vielmehr seinen besonderen Gnmd im
Erbrecht. Die Landesordnimg von 1516 hatte das Dienen
bei den Eltern noch erlaubt, aber Anrechnung des er-
baltenen Lohnes bei Erbschaft imd Ausstattung ange-
ordnet*). Die Landesordnung von 1553 und Maximilians
Landrecht von 1616 aber verboten das Dienen der Kinder
bei den Eltern gegem Lohn überhaupt und verhießen
*) StadUrchiv Frankfurt. Act. milit Tom. XLVII Krieg und
Frieden 189 BL 812. 818. — «) Scott!, Jüüch S. 1485. - ») Oben
S.387flf. - *) Platzer S. 88 ff.
— 384 —
den Eltern Rechtsschutz gegien das Lohnverlangen der
Kinder i).
Ein solches Verbot kommt außerdem noch im Klet-
gau vor, dessen Polizeiordnung es 1603 ausspricht-).
Haben die Kinder gleichwohl den Eltern gedient und Loha
dafür erhalten, dann können die Geschwister später am
Erbteil einen Abzug durchsetzen.
Erbrechtliche Folgen hatte das Dienen der Kinder
bei den Eltern auch für die Inhaber der Erbgüter des
Propstes zu Usingen im- Württembergischen^).
Die Kinder, „die jr müss und brot essy, imd vatter und
muter nit drangkten, das sy in Ion geben, die erbt ein propst
nit, hatt er aber eigen gut \md geben sy im; Ion, so erbt
ein propst was er hatt on das erbgut**. Eine weitere
schwäbische Quelle weiß gleichfalls nichts von denn stren-
gen Verbot, das in Bayern und im! Kletgau durchge-
setzt wurde. Im Gegenteil. Es heißt in der Polizeiord-
nung für die Gräflich Adehnaimschen Orte Hohenstatt
usw. von 1748*), daß oft zwischen Eltern und verheira-
teten Kindern imi den Lohn keine Satzung gemacht wird
und dadurch Unfrieden entsteht. Daher sollen sich Eltern
und Kinder, nötigenfalls auch Enkel, über den zu reichen-
den Lohn bestimimt vergleichen.
Die Landesordnung der Herrschaft Stauffen von
1621*) und das bamiberger Landrecht von 1769^) be-
fahlen den Kindern geradezu, bei ihren Eltern zu dienen,
ordneten also das Gegenteil von dem' an, was man in
Bayern und im Kletgau für das richtige Recht hielt.
Sind die Kinder erwachsen, so daß sie anderswo Lohn
beanspruchen könnten, und sparen die Eltern dadurch
*) Kr. A. Amberg» Repert. Landrechtspolizei Fasz. 1 Akt. 9;
Platz er S. 100, 108. - ») Habeische Sammlung. — ») Grimm,
Weistümer I S. 406 ff., bes. 408. — *) Win tt erlin, Württemberg-
ische ländliche Rechtsquellen I S. 449, 460. — ») v. Weber, Statu-
tarrechte IV S. iB20. — •) Ebenda I S. 1 ff., bes. 64.
— 385 —
Arbeitskräfte, dann nmiß diesen Kindern bei der Erb-
teilung eine billige Belohnting zuteil werden, weil sie zum
Besten der Miterben den Eltern geholfen haben (Bam-
berg). Auch in Nassau- Usingen begünstigte man
während des 18. Jhdts. ^) das Dienen der Kinder bei den
Eltern, wenn auch nicht mit direkter Absicht. Während
das Dienstverhältnis bestand, war der Sohn auf eine Reihe
von Jahren der öffentlichen Dienstpflichten ledig*).
Ganz absonderlich und singulär ist das Mittel zur
Hebung der Gesindezahl, das ein badisohes Aus-
schreiben an das Specialat Badenweiler vomi 29. Novem-
1765 enthält ^). Es bedarf keines Kommentars ; es spricht
für sich selbst: „Die verabscheuimgswürdige Sünde der
freywillig verhindernden Erzeugung derer Kinder iml Ehe-
stand ist, dem VemehmiMi nach, in einigen Vogteien der
Herrschaft Badenweiler eine derer Ursachen des in dor-
tiger Gegend sich äussernden ... Mangels an Letuten.
Da kein anderer Weg übrig zu seyn scheinet, diesem'
höchstverderblichen Übel zu steuern, als dass die Abscheu-
lichkeit dieses Lasters mit dem darauf gesetzten göttlichen
Fluch !und Strafen, denen, welche sich desselben ver-
dächtig miachen, von ihren Seelsorgern in behöriger Art
nachdrücklich vorgestellet werde: So hat das Specialat
sämtl. Pfarrer der Dioeces Badenweiler hiemach zu be-
scheiden, damit dieselben von Zeit zu Zeit in denen Beicht-
stühlen deshalb die nöthige Erinnerungen mit der er-
forderlichen Behutsamkeit anzubringen, und ihre Zuhörer
von den schweren imd schädlichen Folgen dieser Sünde zu
überzeugen, sich angelegen seyn lassen." An die übrigen
Oberämter ging an demselben Tage ein Befehl, daß zur
^) St A. Wiesbaden. V 1 Nassau-Usingen. Generalia IIa Ver-
ordnungen. Verzeichnis von usingischen Gesetzen (H. L. Benz)
S, 210, 221, 227. - ») Vgl. fftr schweizerisches Recht
Grimm, Weistümer VI S. 871. — ») Gen.-L. A. Karlsruhe. Baden
Gen, 6891.
KAnnecke. 25
— 386 ~
Hebung des Gesindemtangels die Annehmting von Hinter-
sassen künftig begünstigt werden sollte.
Die hessischen Hofordnungen beschränken
die Zahl der Dienstboten, die das an den Hof berufene
Hofgesinde sich mitbringen darf. Nach den Hofordnun-
gfen von 1570, 1682 und 1710^) bestimmt sich die Anzahl
der Dienstboten, je nachdem^ der Gesindeherr zwei, drei
oder vier Pferde hat; er soll über diese nicht „mehr
Jungen, Bemheuter, und dergleichen ungesindes an sich
hencken". In den späteren Hofordnimgen ist von der
Anzahl der „Cavaliers Dienere" nicht mehr die Rede.
Auch die niederen Hofgesindeleiute, Stubenknechte usw.
sollen sich nach den Hofordnimgen von 1682, 1710, 1752
und 1762*) kein weiteres Untergesinde mit an den Hof
bringen, „welche vor sie die Arbeit verrichten, und sie
darbey müssig sitzen mögen**. Hessisches Mühlenrecht
verlangte, daß die Müllerknechte unverheiratet sein soll-
ten; heirateten sie, dann mußten sie die Mühle verlassen.
So bestimmt die Mühlenordnung vom 11. Januar 1615').
Indirekt auf den Gesuidemarkt konnte auch die casselef
Verfügung vom 3. August 1790 *) wirken, wonach künftig
in den herrschaftlichen Gärten und Bauuntemehmiungen
die Taglöhner entlassen werden sollen, wenn sie über
fünfzig Jahre alt werden. Erwähnt sei auch noch das
isenburgische Verbot vom^ 1. Jimi 1804^), daß Amts-
leute und Forstbediente die im» herrschaftlichen Dienste
angestellten Amtsdiener, Fruchtmesser imd Waldförster
zu Privatdiensten verwenden.
Besonderer Art ist schließlich eine Reihe verschie-
dener kirchenrechtlicher Gebote, die den Gesinde-
mlarkt beeinflußten.
*) LO. III S. 177, 157, 625. — ■) LO. V S. 88, VI S. 46. -
•) LO. I S. 580, — *) St A. Marburg. Cass. Rcg.-Aktcn. Nr. 81
d. V. 54 Acc. 1904/45. — ■) Bd. 2 der Wächtersbacher Sammlung
Nr. 161.
— 387 —
Da ist zunächst das Spezialrecht zu nennen, dem'
das Pfarrgesinde in katholischen Ländern untersteht.
Das alte kanonische Verbot jugendlicher Pfarrmägde ^)
findet sich partikularrechtlich gestaltet beispielsweise in
der hessischen Reformationsordnung Wilhelms II.*).
Pfarrer dürfen nur ihre Schwester oder Schwesterkind
im Hause haben, von nichtverwandten Frauen nur solche
über fünfzig Jahren, die ehrbar sind. Ähnliche Gebote,
teilweise unter bedenklichem' Hinweise auf das periculum,
offendiculum' et scandalum, woru der Umgang der Geist-
lichen mit personis alterius sexus führt ^), finden sich z. B.
in den mainzischen Synodalbeschlüssen von 1548*), der
mainzischen Kirchenordnung fürs Eichsfeld von 1605*),
der Charta visitatoria fürs Eichsfeld von 1668^), einer
trierischen VIerortintmg vom! 26. April 1690^).
In Trier fand ferner auch das Verbot der D iener-
haltung durcfh Mönche besonderen Ausdruck, das
prinzipiell in den Bedürfnislosigkeit heischenden Mönchs-
regeln seinen Grund hat. Das Provinzialkonzil ordnete
am 29. April 1310 an®): „Item inhibemus, ne Monachi,
vel Moniales habeant famulos vel servientes utriusque
sexus si>eciales, nisi forsitan in talibus constituti sint of-
ficiis, quod ipsis onmim)odo carere non possint. Et tunc
de consensu Praelatorum! suorum assumant eosdem. Si
quis autem alias tales personas retinere praesumserit, ex-
pelli eas de Monasterio sub poena exconumlinicationis
praecipimtis per Praelatos,**
Auch aus ganz andern Gründen konnten eineml Geist-
lichen seine Dienstboten genommen werden. Die casse-
1er Statuten von 1444 ®) verbieten Auflassungen vor geist-
«) Hinschius, Kirchenrecht I S. 131— 188, — «) LO^ I S. 88. —
') Vgl auch Hinschius a. a. O. sowie V S. 252, 258, 260fif, —
^) Scheppler, Codex eccl. Moguntinus S. 8 ff., bes. 12. — *) Ebenda
S. 108 ff., bes. 105, 106. - •) Ebenda S. 148 ff., bes. 152. - ') Scotti,
Trier S. 728. — •) Ebenda S. 28. — •) Kopp, Gerichtsverfassung I,
Beilagen zu dem ersten Stück S. 27 ff., 29, 80; I S. 196.
25*
— 388 —
liehen Gerichten. Ein Laie, der das Verbot übertrat, wurde
auf vier Wochen aus der Stadt gewiesen. „Were es aber
ein geystlic^h i>ersone, was dann der wemtliche gesynt
hatte, es were knecht adder nDagt, dem solten und wolten
wir zu stundt gebietten aus seinem Dienste zugehen, unnd
nicht wider darin zukommen bissolange solche Ladunge
imd Bann apgethan würde.** Dem geistlichen Übertreter
werden also — völlig einzigartig in allen Strafensystemen
— seine weltlichen Dienstboten zur Strafe genomlmen (und
es darf ihm nichts gemiahlen, gebacken und verkauft
werden) ^).
Kirchlichen Rechtes sind ferner einige Satzungen i n -
terkonfessioneller Dienst verböte. Evangeli-
sche Potentaten verboten ihren Untertanen, ins katholische
Ausland oder auch nur zu katholischen Dienstherrn zu
gehen; und nach Auffassung der zur Wache über das
Seelenheil angestellten geistlichen und weltlichen Fürsten
mußten umgekehrt evangelische Brotherrschaften die ka-
tholischen Dienstboten arg gefährden. Keine von beiden
Parteien kann der anderen etwas nachsagen; allseits
herrschten solche kleinlichen Eiferungen,
Das älteste Stück, das hier anzuführen ist, zeugt von
der Intoleranz der evangelischen Reichsstadt Nürnberg
im' 16. und 17. Jhdt. 1532, in den Reformationskämpfen,
nimmt die Befürwortung, katholische Dienstboten auszu-
schließen, nicht wunder*). Aber noch anderthalb Jahr-
hunderte danach, 1687, wurden die Kirchenpfleger ersucht,
„denen herren geistlichen zu bedeuten, dass, indeme das
papistisch gesind allhie allzusehr überhand nehmie und zu
sehen sei, was für ohngelegenhedt^i solches nach sich
ziehe, sie dahero ihre beichtkinder, wo es nutzlich imd
thunlich befunden werde, privatim' oder nach dem beicht-
stuhl ermahnen mögte, sich des catholischen gesinds so
^) Über besondere Erwähnung des Pfarrgesindes als Steuer-
subjektes, jOUch, 27. Juni 1668: Scotti S. 136, 187. - ^ Kamann S.89.
— 389 —
viel möglich zu entschlagen und lieber ihre glaubensge-
nossen in dienst anzunehimien" ^).
Vom! Corpus EvangeliöorumI gehört weiter Hessen-
Darm' Stadt hierher. Eins seiner vielen Auswanderungs-
dekrete, vom: 7. März 1673 ^), wendet sich mit großer Aus-
führlichkeit gegen „die jenige Unterthanen, so Ihre Kin-
der außerhalb Lands unter frembde, Päbstlicher und Re-
formierter Religion zu gethane Leuthe, in der Nachbar-
schafft gern verdingten". Daher wird in den Haupt orten
ein Amt errichtet, das inländische Dienststellen nach-
weisen luid nötigenfalls die Erlaubnis zum! Dienen außer
Landes erteilen soll.
Auch der deutsche Orden in Hessen beanspruchte
von der Regierung zu Marburg 1724 das Recht, nur evan-
gelische Bedienten annehmien zu brauchen ^) ; katholische
Ritter müßten zwar aufgenomlmen werden, aber auf die
Dienerschaft sei das nicht auszudehnen ; es sei früher auch
nie anders gehandhabt worden, eine Änderung nicht zu
empfehlen „aus vielen erheblichen Ursachen, Und sonder-
lich zu Verhüthung derer grossen inconvenientien, so sich
einige Zeithero im Deutschen Hauss begeben". Im be-
nachbarten Waldeck wurde 1736*) das Vermieten der
Kinder außer Landes, besonders an Orte anderer Religion,
den Eltern bei willkürlicher Strafe verboten.
Aus Hessen selber aber stamlmt das jüngste Doku-
ment *). Dem casseler Konsistorium war vom Konsistorium
in Münster 1859 mitgeteilt worden, daß sich die hessi-
^) Ebenda S. 90. — *) St* A« Darmstadt. Höpfnersche Sammlung.
— ') St. A. Marburg Ordensakten, an FQrstl. Reg. zu Marbm*g, pcto.
der Besetzung der Baley * . . Bedienungen mit Römisch Catholischen
Subjects; seit 1734. — *) Gesindeordnung in der Sammlung alter
Wald. Verordnungen bei der Fürstl. Regierung zu Arolsen. — •) St. A.
Marburg, acc. 1882/86 Akten der Reg. der Prov. Niederhessen, „betr.
die Maasregeln wegen des gefährdeten Confessionsstandes kurhessischer
Staatsangehöriger, namentlich Dienstboten evangelischen Glaubens,
im katholischen Auslande" 1859.
— 390 —
sehen Dienstboten im katholischen Westfalen in „con-
fessioneller Gefahr" befinden. Die Metropolitane der
hauptsächlichen hessischen Auswanderungsgegenden gut-
achteten, daß eine Einrichtung wünschenswert sei, wo-
nach die auslandslustigen Dienstboten vorher zu ihrem
Seelsorger komlmien müssen; der soll sie an die Gefahren
erinnern, ihnen die Treugelübde ins Gedächtnis rufen und
sich nötigenfalls mit dem westfälisch«! Amtsbruder in
Verbindimg setzen. Atif Vorschlag des Konsistoriums ver-
fügte Idie Regierung am' 13. Januar 1860 an die Landräte,
die Bürgermeister sollten doch junge evangelische Unter-
tanen, <iie zur Arbeit ins Ausland gehen wollen, zu einem
Besuch beim' Pfarrer veranlassen.
Daß die Katholiken den Evangelischen besondere In-
toleranz nicht vorwerfen können, zeiget die bayerische
Geschichte. Eltern sollen Kinder imd Ehehalten zum Be-
suche der Kinderlehre anhalten, heißt es in einer Ver-
ordnung von 1628, „weil sie gemieiniglich gar wenig
wüssten und ebendahero, wann sie in die Fremde kom-
men, von den Akatholischen leicht überworfen und zum
Abfall gebracht würden" ^). 1652 wurde die Haltung evan-
gelischer Ehehalten verboten wegen der großen Gefahr
für 'der Herrschaften und ihrer Kinder Seelenheil *). Sehr
langatmig ist ein Mandat vom! 5. Dezember 1681 ^), das
den Hausvätern auferlegt, ihr Gesinde in die Kinderlehre
zu schicken. Weiter heißt es dann : „Sovil aber in Specie,
die ledige Dienst-Mägd, Diendien, und dergleichen Weibs-
Personen anbelangt, nach demie die Tägliche Erfahrung
gibt, dass von Ihnen das Ausslauffen an frembde unCatho-
lische Orth eine Zeit hero auss Connivenz Ihrer Eltern,
Vormlinder, und Befreundten, wie auch der Obrigkeiten
und Beambten, allzugemein gemächt werden wollen, und
zwar mehrern theils ohne Noth, auss lauter Muthwillen,
•) Platz er S. 116. — ») Ebenda. — *) R. A. MOnchen. Gene-
ralien-Sammlung Rep. S. 9 Nr. 5.
— 391 —
und umb üppiger Kleider-Hoffartswillen, oder damit Sie
nur desto freyes imd iingezämlbtes Leben führen mögen,
durch welches wie auch sonsten durch allerhand Schanck-
und Versprechungen, und andern schmleichlerischen Ein-
blasen, schon maniche Persohn, wie wir mit imgnädigsten
Missfallen veme}mlm:en müssen, zu den leidigen Abfall
von dem Catholisch allein Seligmachenden Glauben, und
Annemmung anderer verderblichen Secten, gebracht, und
verführt worden, oder noch in Gefahr stehet". Deshalb
wird das Auswandern der Dienstboten überhaupt ^^erbo-
ten; doch wird „bey Catholischen Leuthen, auch in un-
Catholischen Ort zu dienen, Ihnen verwilliget**.
Ku r kö In verbot am' 22. November 1716 das Dienen
in unkatholischen Orten ^). Die tri er er Generalvika-
riatsordnimg von 1719 *) empfahl den Eltern an, ihre Kin-
der nicht in unkatholischen Dienst oder gar solche Schule
zu schicken; da lernen die Kinder „irrige Principia und
Meinxmg", werden auch im! Glauben „kaltsinnig und lau**.
Dann ist noch eine Verordnung des Fürstbistumis
Fulda vom 25. Februar 1780 ^), die einen goldenen Mittel-
weg zu finden sucht. Sie lautet : „Es ist an sich zwar sehr
bedenklich, daß die Kinder katholischer Inwohner sich
ohne Unterschied in fremde protestantische Dienste be-
geben; gleichwolen ist es eben so bedenklich, dergleichen
Dienstannahme völlig zu versagen, sondern man verord-
net vielmehr, dass denen Eltern nicht eher gestattet werde,
ihre Kinder in solche auswärtige protestantische Dienste
abgehen zu lassen, bis sie sich mit einem' vom Pfarrer
und Schulmeister abgefertigten Attestate bei Amte legiti-
miret, daß sie die für den Unterricht in Schulen und krist-
lichen hehren bestimlmte Zeit ausgehalten, und darinnen
genugsam! bevestiget seien. Und sollten vor dieser Zeit
auch ohne solche Beglaubigung Eltern ihre Kinder von
*) Scotti, Köln I 1 S. 609. - ») Scotti, Trier S. 801. ~
*) Bd. VII der cass. Reg.-Sammlung.
— 392 —
sich lassen, so ist gegen selbe mit emsthaifter wiUkühr-
licher Strafe nach Beschaffenheit des Vermögens und der
Hartnäckigkeit unxiachsichtUch zu verfahren; wobei die
welthche Obrigkeit ihres Orts den Elteim die schwere
Verantwortung begreiflich zu machen hat." Am 26. Fe-
bruar 1789 wurde das Gebot erneuert^).
Ein zeitgeschichtliches Ruriosum: ist schließlich die
Satzimg der kurpfälzischen Landesordnung von 1582 ') :
„Wenigers nit wollen wir jedermleinniglich ernstlich ge-
botten haben, dass keiner einigen W ledert a uf f e r oder
Wiedergetauffte Person in Dienst imd Arbeit annemmen,
oder wissentlich underschleiffen sol.**
In brüderlichem Vereine gehen Katholiken und Pro-
testanten gegen den Juden und seine Dienstboten vor.
Ganz sonderbare und mlannigfaltige Gestaltung erfährt
das Recht des Judengesindes.
Um die Zahl der Juden zu beschränken, verbietet
man ihnen, mehr als eine bestimmte Anzahl Dienstboten
zu haben. Als 1518 der Erzbischof von Mainz einige
Juden aufnimlmt, wird ihnen je ein Knecht und eine
Magd zu halten erlaubt. Als Rechtsgrundsatz wird das
in der Judenordnung vom 8. Dezember 1662 ausgespro-
chen*). Am 17. Mai 1563 wurde in Trier das Juden-
*) Verzeichnet in A. J. Webers Katalog fiildischer Verordnungen
(Landesbibliothek Cassel). — Eine Stimme aus der Gegenwart sei
hier angemerkt, aus dem vom katholischen Volksverein herausge-
gebenen Schriftchen A. Pipers, Dienstbotenfrage und Dienstboten-
vereine (M..Gladbach 1908) S. 82 : „Gar viele sind in der Stadt, die
diese „Einfalt vom Lande" bewusst ausnutzen. Die Mädchen
gehen leichtfertige Bekanntschaften ein, ohne von der
Hausfrau oder vom Vereinsgeistlichen sich beraten zu lassen und
bringen erst spflt in Erfahrung, dass sie mit einem Andersgläu-
bigen, vielleicht mit einem religiös Gleichgflltigen sich eingelassen
haben." (Sperrungen sind eingefügt) — ') Univ.-Bibl Marburg. -
') Beide Zitate aus Belegen zu einer Abhandlung Bodmanns:
lus recipiendi , protegendi , iudicandique ludaeos • . . ; Habeische
Sammlung.
— 393 —
geleit erneuert*). Danach werden 23 bezeichnete, „aus
den Eheleuten, ihren Kindern und ihremi nur nothdürf-
tigen Gesinde** bestehende jüdische Haushaltungen ge-
duldet. Ähnlich ist der Grundsatz der Judenordnung von
1618*). Die frankfurter Judenordnung von 1617*)
bestimmte die zulässige Zahl genauer auf eine Magd und
einen Knecht. Dies ist auch das Recht der fuldischen
Judenordnun^en von 1623 und 1633*). Ebenso ist es
in Schaumburg nach Verordnung vom 6. August
1684 *). Gar bloß ein Knecht ist es, den sich die Juden in
brandcnburgisch Franken gemäß Reskript vom
12. Juli 1715^) halten dürfen. Der hessische Land-
tagsabschied von 1731 ') ging dahin, daß die Juden in
den Städten nicht über zwei Domestiquen haben sollten.
Das bestätigten die Judenordnungen von 1739 imd 1749 ®),
diese mit dem weiteren Zusatz, daß auf dem Lande nur
ein Dienstbote erlaubt sei ^). Noch mehr wurden die Juden
1733 in Hannover*®) eingeengt: Ein Jude, der Söhne hat,
darf keine Handlungsknechte haben; deren darf er sonst
immer nur einen annehmen, imd auch diesen einen nur mit
besonderer Vergünstigung des Geheimen Rats CoUegii. Die
Judenordmmg des Fürsten zu öttingen, erlassen in
Wallerstein 1779"), bestimmte folgendes; „Es mag ein
Jeder in Unserm' Schutz stehender Jud nach seiner Noth-
durft Knechte imd Mägde (wobey jedoch aller Ueberfluss
und unwahrhafter Prätext zu meiden ist) . . . annehmen.**
') Scotti, Trier S. 882. - ») Ebenda S. 591. — ') Moser,
Reichsstatt. Handbuch I S. 575 ff., bes. 598. ~ «) Sammlung der cass.
Regierung. — *) Landesverordnungen Schaumburg -L. II S. 91. —
*) V.Weber, Statutarrechte I S. 1045, — ^ SL A. Marburg. Land-
Ugsakten von 1731. — ») LO. IV S. 590, 1012. — •) Wie es scheint,
wurde 1688, oder schon vorher, auch in Hanau die Zahl beschrankt:
Kopp, Handbuch V S. 516. « ^^ Landesverordnungen Lüneburg
4. Cap. 1. a S. 427, Kalenb» IV S. 428; Estor, Teutsche Rechts-
gelahrthcit II § 4699. — ") von Fink, Die geöffneten Archive f. d.
Geschichte des Kgr. Bayern 2. Jahrg. S. 271 ff., bes. 287.
- 394 —
Ins 19. Jhdt. hinein ragt das kölnische Recht mit
einem Erlassse vom 30. Januar 1804^), daß die unver-
gleideten Judenfamdlien sowie die überzähligen Juden-
knechte ausgewiesen werden sollen. Noch ein sayner
Gebot vom' 14. Januar 1805*) mag genannt sein, das
bei 10 Fl. Strafe Mietung von Judengesinde ohne vor-
herige Anzeige untersagt. Und in der Stadt München
erging am 17. Jimi 1805 ein Regulativ*), das die Zahl
des jeweiligen Judengesindes auf den nötigen Bedarf der
Herrschaften beschränkte.
Nicht bloß die Zahl der Judendienstboten wurde be-
schränkt, auch ihre Art unterlag kleinlichen Vorschriften.
Daß keine unbegleideten Judenknechte aufgenommen
werden sollen, war eine selbstverständliche allgemieine
judenrechtliche Bestimmung, die in Paderborn 1719*)
besonders ausgesprochen wurde.
Auswärtige Juden durften als Gesinde nur mit aus-
drücklicher Erlaubnis angenomimien werden, wie in Hes-
sen am' 21. November 1798 bestimimt wurde*). Die frü-
heren hessischen Judenordnungen von 1739 imd 1749 ent-
halten auch schon das Verbot, fremde Juden „unterm
Schein des Gesindes** aufzunehmien ; es galt hier vor-
nehmlich der Bekämpfung der „Profitknechte**®). Auch
das fuldische Zirkular vom« 15. November 1754') ord-
net die vorherige Anmfeldimg imd Erlaubniserteilung zur
Niederlassimg fremder Judenknechte an. Die ausländi-
schen Judenknechte müssen nach kölner Recht vom
16. März 1781^) „genugsam bekannte tmverdächtige
Leute** sein.
Auch das 19. Jhdt. hielt anfangs an diesen alten Grund-
sätzen zxmi Teile fest, wie die kurhessischen Verord-
0 Scotti, Köln II 1 S. 87. - •) Scotti, Neuwied S. 1067. -
•) v. Weber, Statutarrcchte I S. 1046. — *) Landesverordnungeo
Paderborn II S. 66. — •) LO. VII S. 798. - •) Oben S. SSSf. -
') Sammlung der cass. Reg. V S.267. — •) Scotti, Köln I 9 S. 100».
— 395 —
Ordnungen vom' 14. Mjai 1816 § 10 Nr. 3, § 14 ^), 29. No-
vember 1823 § 31*) lind das Ausschreiben vom 30. De-
zember 1828^) zeigen. Auch durch hanauer Regierungs-
ausschreiben vom 31. März 1821 wurde das Halten aus-
ländischer israelitischer Dienstboten untersagt. Darüber
geriet die Regierung mit den bockenheimer Juden in Kon-
flikt; die mit der Angelegenheit befaßte Polizeidirektion
gab tatsächlich, aber sehr diplomatisch nach, und erklärte,
daß einstweilen die Anordnung noch nicht durchgeführt
werden könne, da vorher die Einschreibung des Gesindes
bei der Polizei angeordnet werden müsse*). Erst die in
der Verfassung angekündigte Israelitenordnung vom- 29.
Oktober 1833 ^) hob die „nur auf das Glaubensbekenntniss
gegründeten Verschiedenheiten** auf®).
AnnahmJe verheirateter Judenknechte war ganz ver-
boten in Hannover gemäß dem Judenedikt vom 9.
Juni 1733') tmd nach kölner Verordnung vom 11. März
1741 8).
Ein mierkwürdiger Umstand mußte die Gesindenot
noch verschärfen. In Baden wurde 1792 eine Juden-
gsesindeordnung geplant^). In einem bei dieser Gelegen-
heit entstandenen Schreiben findet sich folgende Stelle,
die Aufschluß über den Zweck des Vorhabens gibt : „Da
der Handelsjude dadurdh imimer leidet, wenn ihme ein
Knecht, der das innerliche seines Handels und die Kimd-
schafft kennt, aus seinem! Dienst gelockt imd dahier in
') Ges. Samml. S« 57. — Zur Auslegung: St A. Marburg. Akten
der judenschafUichen Kommission zu Cassel, die Duldung der fremden
israelitischen Dienstboten betr. 1821. — ») Ges. Samml. S. 57. —
') Ebenda S. 68. — *) St A. Marburg. Han. Reg.-Akten, das Halten
aosL Israel Dienstboten betr. 1822/8. IX Nr. 6Ö (512). — ») G. S.
S- 144. — •) Soweit jene Vorschriften auch Fremdenrecht in sich
begreifen, blieben sie bestehen; Möller-Fuchs S. 465 Anm. —
0 Landesverordnungen Lüneburg Cap. 4 Bd. 1 S. 427; Kaienberg
IV S. 428. — •) Scotti, Köhi I 2 S. 781. - •) Gen. L. A. Karlsruhe.
Baden Generalia 6891.
— 396 —
einen andern gleichen gezogen wird.** Zustande kam am
28. August das folgende eigenartige Conclusum:
„1. dass, wenn ein Dienstherr aus der hiesigen Ge-
mieinde seinem Gesinde den Dienst aufsagt, der Dienst-
bote alsdann des Dienstherrn Einwilligung nicht brauche,
um in einen andern Dienst in hiesiger Stadt zu gehen.
2. dass, wenn aber das Gesinde den Dienst aufkündet
und die Rede von einem Handelsmann ist, alsdann der
zur Handlung gebrauchte Diener nacher wenigstens ein
halbes Jahr außer Unsrer hiesigen Residenzstadt dienen
solle, ehe er dahier wieder in einen andern Dienst gehet, es
wäre denn, daß er zu dem letztern seines vorigen Dienst-
herrn Einwilligung hätte oder von seinem Dienstherrn
durch würckliche Mishandlungen zum Aufkündigen er-
weislich genötiget worden wäre, als welches ihr bei ein-
tretenden Fällen rechtlich zu entscheiden habt. 3. Den
Knechten imd Mägden aber, wenn keine Abspannung
erwiesen werden kann, soll es frei stehen, wenn sie die
gehörige und gewöhnliche Aufkündigungs Zeit beobach-
ten, in hiesiger Stadt in andere Dienste ohngehindert zu
gehen. 4. Wenn aber eine Debauchirung erwiesen werden
kann, so soll außer obigem alsdann der Debaucheur um
zwei Reichsthaler . . . gestraft auch derselbe solange
bis er den Handelsdiener oder gemeinen Dienstboten wie-
derum ausser Dienst thut, in den kleinen Bann gethan
werden.**
Also ohne Rücksicht darauf, ob eine „Debauchierung"
im Interesse des neuen Mieters erfolgt ist, soll der Diener
ein halbes Jahr nicht dienen dürfen, damit die Geschäfts-
geheimnisse des bisherigen Dienstherrn nicht verraten
werden. Auf der Debauchierung (Abspannimg) selber
steht Strafe.
Statt defe badischen halben Jahres galten in Hes-
sen gar zwei Jahre nach dem Konstituten-Buch der
— 397 —
Juden*), das seit 1726 den Beratungen der judenschaft-
lichen Komlmission als maßgebend zu Grunde gelegt
wurde. Kopp*) berichtet von weiteren Bestätigungen
aus dem Jahre 1790*).
Die wichtigste Beschränkung der Juden im Gesinde-
halten bildet das uralte kanonische Verbot der Dingting
christlicher Mägde und Knechte durch Juden,
jenes Verbot, daß Christen mit Juden unter einem Dache
wohnen. Von Gregor dem Großen an zog es sich über
die Jahrhunderte hin in die neueste Zeit hinein*). Über die
früheren Jahrhunderte gibt Stobbe*) vorzügliche Aus-
kunft ; er zeigt, wie wenig alle die Gebote befolgt worden
sind.
Nachdem schon der Schwabenspiegel den Satz aus-
gesprochen hatte, daß Christen den Juden nicht dienen
sollen*), kam er in Hessen zum ersten Male 1538 zur
Diskussion bei den Vorbereitungen zu einer Judenordnong.
Martin Butzer und sechs andere Geistliche gutachteten
^) Im St. A. Marburg ; ferner ebenda cass. Reg. Akte, die denen
Juden Simon Jacob und Abraham Hertz . . . aufgegebene Abschaffung
ihrer Bedienten betr. 1790 ; Kopp, Handbuch V S. 517, II S. 466
(der zweiten Zahlung, da 4&6 irrtümlich doppelt vorkommt); U. F.
Kopp, Bruchstücke zur Erläuterung der teutschen Geschichte und
Rechte, Cassel 1799, Bd. II S. 168. - ») Handbuch V S. 617. —
*) Ausserhalb des Judenrechts galt eine ahnliche Vorschrift nach
dem unter Mitgliedern der Familie von Boineburg vereinbarten
Burgfrieden vom 28, November 1446 (St. A. Marburg; Boineb. Archiv).
Da heiast es : „Ouch so sal unsir keyner dess andern gesinde innemen,
«z en sij dan ein vierteil jars uss syme huse und von syme
brode gewest, ez gesche dan mit willen des yennen, mit deme daz
gesmde gewest were, ussgescheidin doch alle gemiete gesindte, daz
^n iglicher miedin und innemen mag, wan sin czit und dinst uss bt
und were, sonder geverde.*' Was der hier vorkommende Unterschied
zwischen „gesinde'^ und „gemiete gesindte" bedeuten soll, sei dahin-
gestellt. — Vgl. mit diesem Rechtsgebilde das Konkurrenzverbot
unseres neuen Handelsrechtes (HGB. § 74). — *) Stobbe. Die Juden
in Deutschland, 1866, S. 4, 197. — ») S. 66, 171, 172, 178, 272, 278.
-" •) Art. 262; oben S. 14.
— 398 —
jdarüber und erklärten, die alten Kaiser und Bischöfe
hätten die Juden luiter bestimmten Voraussetrungen ge-
duldet ; „sie haben ihnen auch nicht zugelassen, Christen-
leut zu kaufen und eigen zu haben, dergleichen auch kein
Gewalt oder ehrlich Amt über die Christen zu führen" ^).
Die Judenordnimg von 1539 *) enthält jedoch nichts über
Dienstboten.
Erst 1679 brachte die Judenordnung ^) die Vorschrift,
daß Juden tnit Christen nicht imter einem Dache wohnen,
insbesondere kein christliches Gesinde haben sollen bei
zehn Gulden Strafe. Die antisemitische Agitation hatte
in der Zwischenzeit gerade die Frage des christlichen
Judengesindes aufgegriffen \md in der danDals" gewohnten,
verhetzenden Weise Reklamie für ihre Ansichten ge-
macht*). Es waren namentlich die „Schabbesgojim",
gegen die mlan vorging ; da Juden Sabbaths nicht arbeiten
dürfen, pflegten sie für den einen Tag sich christliche
Aushilfen zu nndeten, die ihnen Feuer anmachen, Licht
anstecken usw, Imimer wieder eifern dagegen vornehmlich
die Pastoren.
Aus demi Jahre 1730 liegt eine Beschwerde der Juden
in Zwesten vor*). Ihnen hatte der Pfarrer das Sabbaths-
gesinde genomlm^n, und bei fünf Thaler Strafe seinen
Pfarrkindern den künftigen Dienst verboten. Der Ordens-
vogt untersagte den Einwohnern von Goßfelden 1737
^) S. Salfeld, Die Judenpolitik Philipp des Grossmatigen ; in
yyPhil. der Grossm. Beiträge zur Gesch. seines Lebens und seiner
Zeit", hsg, vom Histor. Verein für das Grossherzogtum Hessen.
Marburg 1904. S. 519 flF., bes. 528 flF. - ») LO. I S. 120. - •) LO. IH
S. 120. — *) „Theologisches Bedencken, wie und welcher gestalt
Christi. Obrigkeiten den Juden unter Christen zuwohnen gestatten
können, und wie mit ihnen zu verfahren sey. Von etlichen Theologis
hiebevor unterschiedlich gestellet Sampt einer Vorrede der Theo-
logischen Facultflt von der Universität zu Giessen*', 1612; zitiert nach
einem Neudruck Cassel 1882. — ») St. A. Marburg. Akte der Juden
Sabbaths Magde betr. 1781.
— 399 —
bei Gefängnisstrafe, den Juden am Sabbath zu helfen^);
unter Berufung auf eine Kirchenverordnung hatte der
Superintendent den Vogt vorher dazu veranlaßt.
Diese (und wohl noch mehr) Vorkonunnisse werden
bewirkt haben, daß 1739 in die Judenordnung-) die
Bestimlm'ungen aufgenommen wurden, Juden dürften kein
christliches Gesinde haben, insbesondere nur imi höchsten
Notfall eine christliche Säugamme; „dieweil übrigens aber
die Juden auf ihre Sabbaths-Tage zu Anzündung des
Feuers und Lichtes sich Christlicher Weibs-Personen zu
bedienen pflegen, so sollen diese, unter Vermeydung
scharffer Gefängniss-Straffe, sich nur selbigen Tages bis
gegen Abend, länger aber nicht, in derer Juden Behausung
aufhalten, sondern sich alsdann sofort wieder von dannen
begeben". So wird es auch 1749 wiederholt^); statt der
1739 festgesetzten Strafe von 50 Th. auf das Dinge«
christlicher Amimen werden 1749 allgemein nur 10 Th.
angeordnet. Etwas anders sind die Bestimmungen in der
Judenordnung von 1816*) formuliert. Die Hälfte des zur
Landwirtschaft eines Juden nötigen Gesindes muß aus
Juden bestehen. Wenn auch nach Erlaß der Israeliten-
ordnung von 1833 *) die Schärfe des Gesetzes den kon-
fessionellen Eiferern genonmien war, so hinderte das die
Konsistorien doch nicht, selbst noch 1858 anzuempfehlen,
daß junge Christen anü Eintritt in jüdischen Dienst ver-
hindert werden sollten, „umi das Vergessen christlicher
Sitte zu verhüten*'«).
^) St A. Marburg. Deutschordensakten, die sämbtl. Juden zu
Gossfelden wegen abschaffung der Christlichen Sabbaths-Mfigde betr«
1787 (Xm 88). - «) LO. IV S 586. - >) LO. IV S. 1012 - *) Ges.
SammL S. 57. — ») G. S. S. 144. —•) Büff, Kirchenrecht S. 223.—
In Wageners Staats- und Gesellschaftslexikon. Bd. 7 (1861) S. 15
findet man folgende Auslassungen : „Es ist eine bemerkenswerthe
Erscheinung, dass christliche Dienstboten, welche längere Zeit in
JMischen Familien beschäftigt waren, auf grosse Schwierigkeiten
«tossen, wenn sie einen christlichen Dienst suchen. Der Grund liegt
— 400 -
Die Länder um Hessen haben eine besonders ausg(
dehnte Geschichte des Rechtes der Schabbesgojim. Ei;
absolutes Verbot der Werktags- und Sabbathsmägde eni
halten die fuldischen Judenordnungen von 161£
1623, 1633 *) ; „dürftige" Juden mögen bei Juden Gesind«
dienste tun.
In Hanau erging am' 24. August 1724 ein Dekret
wonach die Sabbathentheiligung der Schabbesgojiii
schwer und unnachlässig gestraft werden sollte. Zehi
Jahre danach kam es in Rodheim zu einem ergötzlicher
Kampf zwischen Pfarrer und Juden wegen dieser Mägde -)
Auf die Einzelheiten kann leider nicht eingegangen wer
den. Der Erfolg war ein Ausschreiben vom« 23. Dezembei
1734, wonach den Mägden bei unfehlbarer Strafe das
Schabbesdienen am' Weihnachts- und Neujahrstage unter-
sagt wurde. Da halfen sich die hanatier Juden sehr ein-
fach in der Weise, daß* sie sich christliche Männer zur
Schabbesarbeit ins Haus holten. Die Regierung merkte
die köstliche Ironie nicht, sondern wollte ernsthaft gegen
die Übeltäter vorgehen. Umfragen bei Nachbarstaaten
wurden veranstaltet. Das Ergebnis dürfte in der Juden-
Capitulation vom 20. September 1738 zu sehen sein*).
Danach sollen die Juden bei ihren Versamtadtuigen an
Sabbath- und Festtagen bei 20 Gld. Strafe durch keinen
hanauer Bürger sich Lichter anzünden, putzen oder son-
stige Dienste tun lassen. Auch werden Schabbeanägdfi
erlaubt; aber sie dürfen sich nicht über den Abend
I
hinaus im Judenhause aufhalten. Ein Judenvergleich von
darin, dass der jfldische Dienst, wegen der UnfiÜiigkeit der Judeflj
dem GemQth durch sittliche Würde zu imponieren, die einzige sittj
liehe Unterlage des Dienstverhältnisses : den auf Achtung gcstötztfl^
und deshalb gern geleisteten Gehorsam, zerstört und die Dicnstboteij
durch die an Stelle dieses Bandes höchst unpassend angewandt^
Vertraulichkeit demoralisiert!" I
») Samml. der cass. Reg. Bd. I. — «) St A. Marburg. Akt^
des Hanauer Konsistoriums 1784. -- *) K op p » Handbuch II S. 216, 8»^
— 401 —
1744, wie es scheint, für Gelnhausen bestimJmt^), be-
schränkt den Sabbathdienst in der Weise, daß die Mägde
während des christlichen Gottesdienstes „sothane Actus"
nicht vorzunehmen haben.
Als von Hanau aus während des Kampfes lun die
Schabbesgojim 1734 bei Nachbarstaaten Umfrage getan
wurde, liefen von Darnistadt mehrere Verordnungen
ein, wonach 1602 das Sabbathsdienen erlaubt, 1639 *) aufs
strengste verboten wiu'de; 1642 aber wurde das Verbot
schon wieder aufgehoben, und 1651 und 1698 erfolgten
Bestätigungen der Aufhebung. Die Stadt Frankfurt
erklärte auf die Anfrage hin, sie würde zwar gern das
Verbot einführen, doch stehe dem! die vom Kaiser kon-
firmierte Juden-Stättigkeit entgegen. In der Judenord-
nung von 1618 ^) war freilich auch in Frankfurt das Verbot
der christlichen Säugamimen und des „beständig geding-
ten" Christengesindes, „darimter die Samibstags-Weiber
mit verstanden werden sollen'*, ausgesprochen worden. Für
den Tag sollte ein zuwiderhandelnder Jude zehn Gulden
Strafe geben. Das Gesinde komimt in den Turm. Die
kurmainzer Judenordnung vom 8. Dezember 1662*)
verbot die Mietung christlicher Säugamimen in und außer
dem Hause; „beständig Christengesind" durfte nur für
den Samstag gehalten werden. In Nassau bringen das
Verbot der Christenmiägde die beiden Judenordnungen
von 1682 Und 1770*).
Aus dem übrigen Deutschland sind vornehmlich noch
katholische Länder reich an Vorschriften über die Sab-
*) St A« Marburg. Han. Reg.-Akte. Beil. zum Commissarischen
Gutachten, den Zustand der Stedt Gehihausen betr. 1804. (Zu ^ VI).
— •) Diese Verordnung meint wohl Estor, Teutsche Rechtsgelahrt-
hcit II § 4695. — ») Moser, Reichsstatt Handbuch I S. 576 ff., bes.
^- ^ *) Zitiert in Belegen zu einer Abhandlung Bodmanns: lus
rcäpiendl, protegendi iudicandique ludaeos (Habeische Sammlung). —
•) Corp. Const Nass. K 2 S. 181, VI S. 61.
Kfinnecke. 26
— 402 —
bathsmägde ^). Münstei* untersagte ihren Dienst für
die Wochentage 1662»), Paderborn folgte 1686, wo
die Kirchenordnung*) solches bestimtote; die Judenord-
nung von 1719*) wiederholte es. Auch Köln kannte
die Art, wie die Judenordnimg von 1700 und deren Ein-
schärfung vom 2. Juni 1750^) zeigen. In Trier verbot
die Judenordnung vomi 10. Mai 1723«) auch das Dienen
am Sabbath ; doch soll es den Christen erlaubt sein, „auss
Nachbarschafft** den Juden Feuer und Licht anzuzünden.
Christliche Hebiamimen sind nur erlaubt, wenn man keine
jüdischen bekomlmen kann; christliche Säugammen da-
gegen sollen stets verboten sein. Eine Einschärfung
dieser nicht beachteten Vorschriften folgte schon am
1. September 1725'); jede „zu Verachtung des römisch-
katholischen allein seeligtnachenden Glaubens sowohl, als
zur Gefahr des Seelenheiles gereichende** Entgegenhand-
lung soll Unterlassen werden.
Au§ bayerischem' Rechte seien das regensbur-
ger Recht des 15. Jhdts. ®) und das alte bamiberger
Recht § 369 angeführt^): „Aber welich Christenknecht
oder mieide den Juden dienen dy mügen urlaup nemen
wenn sie wollen imd den sol man Ionen und sol in ir
gelube nichts daran schaden sie verziehen sein odir nicht."
Dies ist der einzige Fall in der Geschichte des Gesinde-
rechts, daß der willkürliche Dienstaustritt, der Vertrags-
bruch des Gesindes, nicht mit den gewöhnlichen harten
Strafen bedroht, vielmehr noch gefördert wird.
Die umigekehrte Lage, daß jüdische Dienstboten zu
Christen in Dienst gehen, ist denkbar. 1652 hieß in Los-
MlnPreussen bestand das Verbot seit 1612 (Dorn S. 121).
— ') Landesverordnungen Münster I S. 257. — *) Landesverordnungen
Paderborn I S. 214 ff., bes. 297. — *) Ebenda II S. 66. — ») Scotti,
Köln II S. 657, I 2 S.767. — •) Scotti, Trier S.861. — ') Ebenda
S. 908. - *) Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns, Heft 8, 1892:
Gen gl er, Die Quellen des Stadtrechts von Regensburg S. 118. —
•) Zöpfi, Urk.-B. S. 110.
— 403 —
hausen die eine Viehmia^d „Sara"; wer weiß, was die»
chronische Gesindenot nicht alles heraufbeschwor 1 Von
gesetzeswegen berücfksichtigrt wird der Fall — natürlich ab-
gesehen von den allgemleinen Verboten des Zusammen-
wohnens von Juden und Christen — nur einmtal: durch
Ausschreiben des ktirhessischen Staatsministeriumls
vom 30. Dezember 1828 ^) wird den Christen die Haltung
jüdischer, ausländischer Dienstboten untersagt; maßge-
bend für das Verbot war weniger die Eigenschaft jener
Dienstboten als Juden denn als Ausländer oder gienauer:
als ausländischer Juden.
Die meisten bisher genannten polizeilichen Mittel zur
Hebung der Gesindezahl waren niu- darauf angelegt, dies
Menge der Dienstboten zu vergrößern (direkt oder durch
Beschränkung einzelner Herrschaften imi Gesindehalten),
ohne daß auf die einzelnen Dienstherrschaften, die
gerade Gesinde nötig hatten, Bedacht genommien wurde.
Um die Erfolge solcher Maßnahmen den Arbeitgebern
zukomtmen zu lassen, standen vornehmlich zwei Mittel
zur Verfügtmg: die ErmögUchung von Anzeigen in Zei-
tungen und die Einrichtung von Arbeitsnachweisen für
Gesinde.
Bei ider geringen Verbreitung der älteren Zeitungen,
die vor allem die gesuchten Dienstboten höchstens durch
Zufall einmal in die Hände bekonunen konnten, war das
Annonzieren früher ein kärgliches Mittel für Dienst-
herrschaften, die Gesinde suchten. Nur gelegentlich finden
sich bisweilen obrigkeitliche Aufm^unterungen zum Inse-
rieren von Gesindegesuchen; wie die Zeitimgen ergeben,
wurde katun je Gebrauch davon gemacht.
1731 erhielt Johann Heinrich Hampe in C a s s e 1 Kon-
zession zur Herausgabe einer wöchentlichen Zeitung*).
Er zeigte dies an und teilte mit, was alle „nach jedes-
') Ges. Samml. S. 68. — «) G. Könnecke, Hess. Buchdrucker-
buch, 1894, S. A4 ; LO. IV S. 48.
96»
— 404 —
mahligen Umständen" in der Zeitung „nun Vorschein
kommen'* wird; dabei werden auch genannt unter Art.
VII „Personen, so Bediente verlangen", unter Art. VIII
„Personen, so Dienste suchen". Die Würzburger Ge-
sindeordnung von 1749*) stellte den Herrschaften und
Dienstboten das gedruckte wöchentliche Kundschaftsblätt-
chen zum Annonzieren zur Verfügung, sicherlich nicht
ohne Entgelt. Und die eisenacher Gesindeordnung
von 1757*) kündigte an, daß jährlich um- Petritag die
Waisenkinder, die zum' Dienen reif sind, im Wochenblätt-
lein bekannt gemacht werden sollen. In München wurde
am 10. April 1782 dem Zeitungs-Comptoir die Befugnis
übertragen, Gesinde zu vermitteln \md Wohnungen zw
verstiften ^). Hier sind die Dienstboten lun'sonst zu be-
scheiden ; von den Herrschaften werden tarifierte Beträge
erhoben.
Wirksamer war jedenfalls das andere Mittel, die bei-
den Teile einander nahe zu bringen. Hier früher, dort
später kam' man dazu, daß man von obrigkeitswegen be-
stimmte Personen damit betraute, den Kontakt zwischen
Nachfrage und Angebot herzustellen. Die Gesinde-
vermittlung (Mäkelei) wurde eine eigenartige Zwi-
schenbildung zwischen privatem- Gewerbe und amtlicher
Tätigkeit*). Die obrigkeitlichen Reglemientierungen der
Mäkler befassen sich mit ihrer Anstellung imd Entlassung ;
die Verhaltensvorschriften wenden sich besonders oft ge-
gen das Abwendigmachen der Dienstboten durch Mäkler,
') Landesverordnungen Würzburg 11 S. 689. — *) Kr. A. München.
Sign. GR. Fasz. 402 Nr. 3; s. auch oben S. 849. — *) R. A. München.
Generalien-Sammlung. Rep* S. 9 Nr. 7 Bd. 1. — *) Ludwig, Die
Gesindevermittlung in Deutschland (Zeitschriil fbr die ges. Staats-
wissenschaft, Erg&nzungsheft 10) Tübingen 1908; Reitzenstein,
Der Arbeitsnachweis (Schriften der Centralstelle für Arbeiter -Wohl-
fahrtseinrichtungen Bd. 2) Berlin 1897; Jay, Die Frage des Arbeits-
nachweises in Frankreich (Archiv ftkr soziale Gesetzgebung und
Sutistik Bd. IX, S. 1 ff.) 1896.
— 405 —
die so ihre Gebühr öfters verdienen wollen, femer wider
das Beherbergen Vertragsbrüchiger Dienstboten durch die
Mäkler. Bisweilen sehr früh, mianchmal auch gar nicht
beschäftigen sich die Polizeigesetzgeber mit der Vermitt-
lung, die ihrer Natur nach in den verkehrslosen Zeiten
eine spezifisch städtische Einrichtimg sein mußte. In
einigen Ländern entwickelte sich die Einrichtung aus
andern Ämtern, z. B. solchen für Gesindeaufsicht oder
für Auswanderung.
Gesinde-„Zubringerinnen** gab es am) frühesten in
Nürnberg^). Sie wurden vom- Rat schon am Ende
des 14. Jhdts. bestellt; jährlich mußten sie den Dienst-
eid leisten. Nur imbescholtene Frauen wurden ausgewählt.
Die Herrschaften diurften sich ihre Dienstboten ohne die
Vermittlung der Zubringerinnen aussuchen. Aber zum Ver-
tragsschluß mußte stets eine Zubringerin hinzugezogen
werden, weil, wie § 22 der Gesindeordnung von 1741
sagt, „in vorkommenden Irnmgen und Klagen zwischen
Dienstherrschaften und Ehehalten mit der Entscheidung
nicht wohl fortgekommen, dem Zeugnis der Zubringerin
aber, als einer verpflichteten Person, Glauben beizumessen
seye". Schon sehr früh, jedenfalls im' 16. Jahrhundert*),
wurden besondere Taxen für die Zubringerinnen aufge-
stellt; ein Teil wurde von der Herrschaft, einer vom!
Dienstboten bezahlt. Wider die gewinnsüchtigen Zubrin-
gerinnen wird oft mit Strafen vorgegangen.
Auch Breslau und Leipzig sind früh auf dem' Plan.
Am 16. August 1616 beklagt sich der Rat der Stadt
Leipzig über die Mittlerinnen. „Sie verhetzen**, so
wird berichtet*), „das Gesinde so, dass es alle Viertel-
jahre, ja alle Monate seinen Dienst wechsle und keine
Strafe seines Unfleisses von Herren und Frauen leiden
wolle. Gegen Ende der Dienstzeit müssten die Dienst-
*) Kamann S. 69ff.; Dorn S. 186 ff. — •) Kamann S. 78. —
*) Wuitke S. 58.
— 406 —
herrschaften das Gesinde bitten, im' Dienst zu bleiben
und sich vor ihren Dienstboten gleichsam! demütigen, da
es doch Sache des Gesindes sei, „solches zu thuen und
ihren Herren und Frauen die Ehre anzulegen gebühret,
ob sie in demselben Dienst länger geduldet werden könn-
ten.**" Die breslauer Gesindeordnimg von 1640^) be-
stimmt zwölf „Mägdeschickerinnen** zur Bestellung des
Gesindes; sie werden konzessioniert und auf ihr Amt ver-
pflichtet.
Nicht allzu spät konnmen die ersten Ansätze einer
Regelung für ganze Länder vor. Emibryonal ist die kom-
mende Entwic'klung schon in der Armenordnung für
Jülich vom 5. Oktober 1546*) enthalten. Da werden
die „Fürstender" eingesetzt. Die sollen die Eltern er-
mahnen, daß sie ihre Kinder dienen lassen. Und weiter:
„Aber welche jre kinder gern wölten lernen, dienen, oder
arbeyden lassen, und kein Behülff haben, das sie darzu
kbmlen. Denen sali durch die Fürstender darzu anweisung
geschehen, mmd stuer gethan werden**. Die Fürstender
sollen weiter sich der Waisenkinder annehmien, und ihnen
behilflich sein, in Lehre, Dienst oder Arbeit zu kommen.
Den gleichen Rechtszustand schafft für Cleve-
Mark die Verordnung vom 10. Oktober 1554^). Am
Ende des folgenden Jahrhunderts ist hier die Entwicklung
so weit gediehen, daß eine umfassende Regelung des
Mäklerrechts erfolgen muß. Sie ist in der Gesindeordnung
vom 29. September 1696*) enthalten. Danach sollen die Ver-
mieter, die hier eine rein privjate, nur durch die folgenden Be-
stimmungen der Obrigkeit untergebene Stellimg haben,
sich genau nach dem' Ruf der von ihnen zu vermietenden
Dienstboten erkundigen. Zu den* Zweck haben sie sich bei
der vorigen Herrschaft danach umzutxm, ob der Dienst
ausgehalten worden ist, imd wie das Betragen war. Fahr-
") Kollmann S. Ä49. — •) Scotti, JüWch S. 84. — •) Scotti,
Cleve S. 180. — *) Ebenda S. 690.
— 407 —
lässigrkeit der Vermieter bei diesen Erkundigungen kostet
Geldstrafe. Erfahren sie von Unehrlichkeit und Unfleiß
der Dienstboten» oder von erfolgtem! Vertragsbruch, dann
dürfen sie bei Geldstrafe diese Leute nicht weiter ver-
mieten. Gleiche Strafe droht den Vermietern, wenn sie
gar schon vermietete Dienstboten nochmals vermieten,
dazu raten oder helfen „direct6 oder indirectö**, oder wenn
sie Dienstboten durch Versprechen hohem Lohnes ihrer
Herrschaft abspenstig miachen oder sie sonst zum Ver-
tragsbruch bewegen. Stärker .„veramltlicht** wird die Stel-
lung der clevischen Gesindevermieter durch die Gesinde-
ordnung vom 7. Dezember 1753 ^). Im Titel II handeln die
§§ 8 — 10 von ihnen. Es . . „sind gewisse verehelichte
Leute zu. Gesinde-Mäcklern, imd zwar in den großen
Städten derer zwey, in den kleinen aber Einer dergleichen
zu bestellen, deren Nah'men allemahl zu Rath Hause zu
erfahren . .**. Mäkler wird nur, wer vorher vom Magi-
strat ordentlich angewiesen und vereidigt worden ist. Auf-
gabe der Mäkler ist, Dienstboten zu vermieten, Verzeich-
nisse über sie zu führen. Sie dürfen keinen Dienstboten
abspenstig mac'hen, imd nur dann weiter vermieten, wenn
Kündigung wirklich erfolgt ist; nur Gesinde mit Zeug-
nissen darf von ihnen vermietet werden, imd sie müssen
sich noch dazu ^ach allen Lebensverhältnissen des Ge-
sindes erkundigen. Es ist ihnen verboten, dem in Diensten
stehenden Gesinde Zusaimnienkünfte in ihrer Wohnung
zu ermöglichen, oder ihre Sachen und „Coffres" aufzu-
bewahren. Als Entgelt erhalten die Vermieter die
Hälfte des Mietgeldes; auf Gebührenüberhebung
steht Haftstrafe. Geld- und eventuelle Haftstrafen sind
in §§ 4 und 5 des 9. Titels auf Vermietung von Gesinde
ohne Zeugnisse Und auf Abspenstigmiachen angesetzt. Die
Gesindeordnimg fürs platte Land von 1769*) nennt im!
>) Ebenda S. 1452. - *) Ebenda S. 1894.
— 408 —
Unterschied von der vorigen die Mäkler nur ganz neben-
her. Nach § 43 sind Zusammenkünfte des Gesindes bei
den Vermietern verboten. § 51 untersagt den Vermietern
die Unterbringung von Dienstboten ohne Atteste. Die
unterschiedliche Behandlimg der Frage im- Vergleich mit
der städtischen Gesindeordnung erklärt sich wohl dadurch,
daß im Gesindeverkehr des platten Landes die berufs-
mäßige Vermittlung kaum eine Rolle spielen konnte.
Zahlreiche Bestimmungen über Gesindemäkler wur-
den in Süddeutschland getroffen^).
Maximilians Landrecht für Bayern von 1616
enthielt in Tit. 12 Art. 2 etliches „Von den Hindingerin-
nen" ^). Ernstliche Strafe, auch Stadtverweisimg, wird
ihnen angekündigt, wenn sie Dienstboten nach dem' Dienst-
austritt noch einige Tage herbergen imd beköstigen. Bei
Strafe dürfen sie auch nicht ungekündigte Dienstboten
weitervermieten ; sie sollen sich vielmehr zu Vermietungen
vorher bei der früheren Herrschaft über die Dienstbe^
endigung erkundigen. Zur Unterbringung müßigsitzender
Dienstboten wurde durch die burghausener Gesindeord-
nung von 1655^) die Nieder lassimg von Hindingerinnen
mehreren Orts angeordnet. Sie sollen ehrlichen Wandel
treiben, das müßigsitzende Gesinde in Dienste bringen,
es beaufsichtigen und Widerspenstige der Obrigkeit an-
zeigen. Die der burghausener Ordnung nachgebildete Ge-
sindeordnung fürs Amt München von 1660*) gibt die
bösen Erfahrungen kund, die man mit den Hindingerinnen
wohl gemacht hatte. Die Bestinunungen von 1656 er-
halten den bekräftigenden Zusatz, daß die Vermieterinnen
bei Geigen- und anderer Schandstrafe, auch Entziehung
des Amtes Gesinde nicht vermieten dürfen, bevor sie bei
der früheren Herrschaft angefragt haben. Zur Ergänztmg
der Ehehaltenordnung von 1781 ergmg am 10. April 1782
') Über das frühe Recht Nürnburgs s. o. S. i06. — •) PI atzer
S. 109. — *) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. - *) Ebenda.
— 409 —
eine Verordnung^), die auch über die Hindingerinnen
Vorschriften bringt. Es hat sich ergeben, daß die Hin-
dingerinnen an dem „Aufbochen** der Dienstboten Schuld
tragen. Allen Hindingerinnen imd Zimlmer-Verstifterinnen
wird daher ihr Gewerbe künftig verboten. Statt ihrer
stellt die Obrigkeit acht „bewährt ehrbar redlich und
Christliche Persohnen** zu Hindingerinnen an, deren Na-
men bekannt gemacht werden sollen. Sie dürfen sich
auch mit dem Zimmer- und Wohnungverstiften abgeben
und werden nach einer Taxe bezahlt. Wenn ein Dienst-
bote sich nur einige Tage ohne Dienst aufhält, dann
soll er mit der Entschuldigung, er habe keinen Dienst
bekommen können, nicht gehört werden, er liabe sich
denn bei einer der Hindingerinnen (oder beim' Zeitungs-
Comtoir) gemeldet. Ähnliche Zusätze zu der als Vorbild
verwendeten Gesindeordnung von 1781 hat auch jene von
1790 für das Herzogtum' Neuburg 2).
Die bamberger Taxordnung von 1652^) droht den
Vermittlerinnen („ Vorkauf f er- oder Tändtlerinnen**), die
die Dienstboten zur Vertragsimtreue verleiten, mit Geige
oder Pfeife an öffentlichen Markttagen. Nur das Verbot,
vertragsbrüchiges Gesinde weiterzuvermieten, steht in der
regensburger Gesindeordnung von 1656*). Aus glei-
chem Anlaß erinnert die Polizeiordnung für Eichstätt
von 1707*) die Fürlegerinnen „ernstlich" an das Verbot
des Abspenstigmiachens.
Die brandenburgisch-fränkische Gesinde-
ordnung von 1769®) gibt ein ganzes System' des Mäkler-
rechts. Zwei männliche und zwei weibliche beeidete Mäk-
ler sollen in der Residenzstadt bestellt werden mit jedes-
*) R. A Manchen. Generalien-Sammlung Rep. S. 9 Nr. 7 Bd. 1«
- *) Kr. A. München. M A. Fasz. 1821 Nr. 1165 — •) Kr. A Bamberg.
Verordnungen Rep. 141 Nr. 69. — *) v. Weber, Staiutarrechre V
S. 86. — ■) Habeische Sammlung. — •) Kr. A. Nürnberg. S. 23 V
Nr. 779 Repert. 288.
— 410 —
inialigeT Confinnierung durch die Regierung. Gewissen-
hafte, ehrliche und wohlhabende Personen sind da-
für auszusuchen, „die da nicht aus Armiuth und Dürftig-
keit, betrügliche Händel miit dem Gesind verdingen zu
treiben, veranlasset werden mögten**. Sie sollen Liste über
das gemeldete Gesinde führen; sie dürfen bei schwerer
Strafe keinen Dienstboten über Nacht beherbergen, ihnen
keine Kleider usw. aufbewahren, es nicht verführen oder
abspannen. Gegen dies Abspannen wird eine eigenartige,
sehr wenig wirksame Maßregel eingeführt ; um den Mäk-
lern das Interesse an den öfteren Mietpfennigen zu neh-
men, soll die Hälfte des Mietgelds von der Herrschaft
selbst dem 'Mäkler ausgehändigt werden.
Von früherem Rechte Süddeutschlands ist dann noch
dasdarmistädtischezu nennen. Auf sonderbare Weise
kam' man hier dazu, eine Art amtliche Gesindevermittlung
zu schaffen. Eine Verordnung vom 7. März 1673*) will,
wie viele vorhergehende, das Dienen außer Landes mög-
lichst verhindern. Die Leute, die ihre Kinder zum Dienen
ins Ausland schicken, geben vor, im! Lande sfelber sei
keine Gelegenheit. Daher wird nun angeordnet, „daß
in dem f ürnehmsten Haubtorth iedes Ambts iemand etwan
tmib eine geringe recompens bestellet, und beaydiget
werde, bey deme so wohl die jenige Leuth ausser Land
in und auss dem? Amt, so Gesind bedürfen, als auch die
welche ihre Kinder gern in oder außerhalb Landes ver-
dingen wolten, sich anmelden, der auch eine gewisse Spe-
cification darüber halte." Danach soll dann eventuell die
Vermietung außer Landes erlaubt werden.
Diese darmtetädter Einrichtung gibt schon einen V^or-
geschmack von der Art, wie die Gesindevermittlung spä-
ter veramItlicht wtdde.
Ein ganz frühes, verfrühtes Beispiel reiner behörd-
*) Oben S. 389.
— 411 —
lieber Gesindevemuttlung' *) bietet Kursachsen, dessen
Gesindeordnung* von 1735 *) die Bestätigung der privaten
Mäkler wegen all der vielen Mängel, die sich bei ihnen
gezeigt haben, unter harter Strafdrohung verbietet. Die
Ordnung heißt die Dienstboten, sich sofort nach ihrer
Ankunft amj Dienstbrte der Behörde vorzustellen; dort
wird ein Register über die vorhandenen Dienstboten ge-
führt Weiter heißt es: es „hab^ . . . alle diejenigen,
welche Dienstbothen brauchen, sich künftighin bey der
Obrigkeit des Orts, und dem- oder denenjenigen, welche
selbige aus denen Raths- und Gerichtspersonen dazu zu
deputiren gut finden möchte, zu melden, und allda von
dem vorhandenen dienstlosen Gesinde, und dem Orte
ihres Aufenthalts, Nachricht zu erwarten".
Unter Beibehaltung der Privatmäkler bürdete auch
diealtenburger Gesindeordnung von 1744 *) der Ver-
waltungsbehörde eine Art fakultativer Vermittlertätigkeit
auf. Das Gesinde soll sich sofort, nachdem es einen Dienst
verlassen hat, bei der Behörde mielden imd angeben, wo-
hin es sich wenden will. Dabei soll das Gesinde auch
anfragen, ob nicht irgendwo ein Dienst frei ist. Allzu
wirksam: wird diese nebenher erfolgende behördliche Ver-
mittlung freilich kaum! gewesen sein. Privatmäkler, die
Gesinde abspenstig miaChen, sollen nach demselben Ge-
setze nrit mehrwöchigem Gefängnis gestraft werden.
Eine andere Art amtlicher Aufsichtsstelle auf Dienst-
boten wurde in Dur lach 1780 diurch die „Gesinds Ord-
nung oder Instruction vor den Aufseher aiif das Gesinde** *)
geschaffen. Der Aufseher führt eine Tabelle der Dienst-
boten, in die bei jeder Dienständeriui^ Namie der Herr-
') Vgl auch das Amt der jQlicher Forstender, oben S. 406. —
") Codex Augusteus 1. Forts. 1. Bd. Sp. 624 ff., bes. 625; Wuttke
S. 150. - •) Univ.-Bibl. MarburR. XVIII f B 11191^. - *) Gen. L. A.
Karlsruhe. Baden Generalia 6891.
— 412 —
Schaft, bedingte Dienstzeit u. a. eingetragen werden muß.
Will ein Dienstbote in neuen Dienst eintreten, dann muß
er dem Aufseher ein Zeugnis des Wohlverhaltens im
früheren Dienst beibringen. Der Aufseher hat darauf zu
sehen, daß das Gesinde ehrlich usw. ist. Beim! Aufseher
haben die Parteien alle kleineren Klagen anzubringen,
die hier erledigt werden. Die eigentliche Gesindevermitt-
lung steht nicht ausdrücklich in dem' Verzeichnis der
Amtspflichten.
Mit dem Konsulat imd dem Kaiserreich zog eine
immer weiter schreitende Bürokratisierung und Ausdeh-
nung der polizeilic'hen Befugnisse auf die Arbeitsnach-
weisbehörden ein^). Nur war das für Deutschland, das
die sächsische Gesindeordnung von 1735 erlebt hatte,
nichts Neues mehr.
Unter französischem Einflüsse steht das Recht der
großen badischen Gesindeordmmg von 1809*). § 6
läßt konzessionierte Privatmäkler zu. In § 7 aber wird
auch das Vermittlungsamt der Polizei angeordnet, welche
Listen der Stelle oder Dienstboten Suchenden führt ; jeder
kann sich dort einzeichnen oder sich die Listen umsonst
vorlegen lassen.
Auch Hessen sollte in seiner westfälischen Zeit eine
sogar noch weiter gehende Veramtlichung der Maklerei
erfahren, wäre es nicht vorher mit dem Regime J^romes
vorbei gewesen. Jener projet von 1813 plante eine rein
^)Reitzensteina.a.O.S.19; Jay a.a.O.S.5. Ober die hochbedeu-
tende frühere Entwicklung der (teilweise amtlichen) Stellenvermittlung
für Gesinde in französischen Ländern s. Reitzenstein S 8 ff., 12 E;
Jay S. Iff.; Behaegel, Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin
du comit^ central du travail industriel 1905 S. 658, 659); des Marez,
Les bureaux de placement ä Bruxelles; le projet de Fran^ois Feig-
naux 1791 (Revue de l'Uni versitz de Bruxelles 1905 S. 241 ff); de
Ryckere, La servante criminelle S. 424. — •) Gen. L. A. Karlsruhe.
Provinz Niederrhein. Gesindepolizei. Lit B Nr. 1. 1755—1809 (IV 3).
— 413 —
polizeiliche Stellenvermittlung^ unter Verbot jeder privaten
Konkiirrenz bei Geldstrafen^).
Die kurhessische Regieningskunst, di^ sich vorher
an Bestimmungen über Gesindemäkler nie herangemacht
hatte, wurde durch die J^romieschen Pläne beeinflußt,
allerdings ergebnislos. Auf dem Landtag von 1815 ging,
wie im Zusammenhange des ersten Teils des näheren schon
ausgeführt wurde*), ein Vorschlag a\if Einsetzung einer
„Gesindekommission**, der außer einer Dienstvermittler-
rolle Befugnisse übertragen werden sollten, wie sie der
durlacher Gesindeaufseher etwa hatte; es wurde aber
nichts aus dem Vorhaben. Auch auf die ähnlichen Pläne
der marbiu-ger Professoren, die nach dem Vorbilde eines
frankfurter Institutes 1815 ein Gesindebüro errichten
wollten^), sowie auf die 1851 von der Regierung getanen
Umfragen, deren eine sich auf die Gesindemäkler bezog,
ist im ersten Teile *) schon hingewiesen worden ; das ein-
zige, was bei der Untersuchimg von 1851 hierüber zur
Kenntnis der Regienmg gelangte, war die inhaltlich an
der genannten Stelle mitgeteilte casseler Mäklerordnung,
welche die gxitachtlichen Bestinmiungen über die amt-
lich beaufsichtigten Gesindevermieter, ihre Anstellung und
ihre Pflichten enthält ^),
') Oben S. 140 ff. — Der erste kommunale Arbeitsnachweis des
19. Jhdts nach der eben erwähnten badischen Einrichtung von 180^
wurde 1818 in Dresden begründet, nachdem schon 1808 in Leipzig
eine Gesindeexpedition mit ähnlichen Aufgaben wie die des Gesinde-
aufschers in Durlach (1780) errichtet worden war; Wuttke S, 146;
Ludwig S. 12. — •) Oben S. 150 ff. - •) Oben S. 161. - *) Oben
S, 160 ff. — •) Zu vergleichen ist noch eine Bekanntmachung der Stadt
Folda Ober die Gesindebureaus vom 9. August 1866 (abgedruckt im
Wochenblatt fllr die Provinz Fulda 1866 S. 609).
— 414 —
$ 3. Der Vertragsschluss.
Ein sächsischer Gutsbesitzer hat vor etlichen Jahren
die Art erzählt, wie er sein Gesinde mietet^), charakte-
ristisch genug, um hier wiedergegeben zu werden: A.
„Ihr wollt bei mir in Arbeit treten?" — B. Ja. — A. „Ihr
habt euch 'schon darnach erkundigt, was ich Lohn zahle?"
— B. Ja. — A. „Nun, dann werde ich am Sonntag vor
dem 1. April eure Sachen holen lassen, wieviel Wagen
braucht Ihr?" — B. Zwei. — A. „Es ist gut; Adieu."
So oder ähnlich mlag" die Abrede zwischen Gutsherrn
und Arbeitnehmer auf dem Lande immer stattgefunden
haben. In den Städten bedarf es der Berücksichtigung
komplizierterer Verhältnisse. Deren Beredung* und das
Feilschen um! den Vertragsprofit bringt es bei der noto-
rischen Rechtsungewandtheit mindestens des einen Kon-
trahenten in vielen Fällen mit sich, daß Streit über die
Vollendung des Vertrages entsteht; was der eine Teil
nachher für unverbindliche Vorbesprechungen erklärt, will
der andere, der vielleicht ein besonders gutes Geschäft
gemacht zu haben glaubt, als Vertragsabschluß gelten
lassen.
Derartige Erwägungen möchten wir von heute allein
als Veranlassung gelten lassen, daß auf einigen Rechts-
gebieten für den Abschluß von Verträg^en die Darreichung
eines CJegenstandes vorgeschrieben wird, wodurch das Ab-
kommen der schwierigen Beweisführung des Konsensual-
vertrages entzogen wird und die greifbare Grundlage des
Realvertrages erhält. Aber diese Bedeuttmg der arrha
ist nicht die ursprüngliche. Nicht Beweissichenmg will
die arrha in den Anfängen der Rechtsentwicklung b^
zwecken ; sie stellt vielmehr nach G i e r k e s *) neuer, wohl-
') Ver. f. Soz. Pol. VII S. 6. — «) Otto Gierke, Schuld und
Hafhing (Untersuchungen zur dt Staats- und Rechtsgeschichte Heft 100)
S. 887 flf., auf dessen Darstellung hier verwiesen wird; von filtert
Literatur, die im Obrigen bei Gierke angef&hrt ist, sei nur Stobbe
— 415 —
begründeter Anschauung das zu dem Schuldgeschäft hin-
zutretende Haftungsgeschäft dar.
Eine besonders wichtige Rolle spielt die arrha in
Form des Mietgeldes im Gesinder^chte. Aber gleich
von vornherein zeigt sich hier eine Zwiespältigkeit in der
Bedeutung der arrha für das Zustandekommen des Ge-
sindevertrages. Nach einigen Rechten bringt erst die
Gabe des Mietgeldes den Vertrag zustande. Da die gleich-
zeitigen, noch weniger vorhergehende formlose Äußerun-
gen der Vertragsteile Wirkung nicht haben sollen, son-
dern erst die arrha die Beredungen gültig mächt, stellt
sich die Darreichimg mid Hinnahmie der arrha in Wirk-
lichkeit als eine Vertrags-(Willens-)Erklärung dar, nicht
aber als bloße Bestärkimg mündlicher Vereinbarungen^).
Jede andere Art der Vertrags voUendimg wird ausge-
schlossen. Anderswo wird die Gabe imd Annahmt des
Mietgeldes ausdrücklich oder stillschweigend für unnötig
erklärt, und sonstige bindende Vertragsweisen sind zu-
gelassen.
Vorschriften dieser letzten Art sind in der Minder-
zahl. Hierzu gehört das alte bamberger Recht. In
§ 392*), wo es vom; Vertragsschlusse handelt, spricht es
nur davon, daß Dienstboten „einem' geloben odir gereden
zu dienen auf ein benante zeit" ; das ganze Gesinderecht
und auch die sonstigen Kapitel des Rechtsbuches erwähnen
das Mietgeld nicht. Entsprechend ist die Regelung im
Rechte Stades und Verdens*), sowie iml ostfrie-
sischen Landrechte*). Einen ausdrücklichen Verzicht
auf das Mietgeld gibt das zweite Stadtrecht von Über-
Hngen kund*): „Welche frow oder man einen dienst
genannt: Reurecht und Vertragsschluss (Z. f. Rechtsgesch. 18 S. äOBfü);
Stobbe-Lehmanu 111 S. 168 fif.
') Gierke S. 889 Anm. 12. - •) Zöpfl, Urk,-B. S. 109. —
*) Pufendorf, obs. iur. I app. S. 168 flf., bes. 217 (Vin 1); 77 fr., bes.
118 (129). — *) Wicht II 282. - ») Oberrheinische Stadtrechte II 2
S. 52 ff., bes. 70.
— 416 —
dinget und in winkof git oder ane winkouf mit worten
uberkomen . . .".
Die bayerische Landesordnung von 1553^) ver-
pflichtet die Dienstboten, die den Dienst aufsagen, „so
sy ein hafftelgelt empfangen", dies zurückzugeben. Da-
nach scheint es möglich, daß die Mietung auch ohne
hafftelgelt erfolgen konnte — wenn die bequeme Rechts-
sprache des Gesetzes solch strikte Auslegimg gestattet.
Klar sprechen dagegen die Statuten der Stadt G r e u ß e n
in Schwarzburg von 1556*) in B. 4 Art. 74 und ebenso
die frankenhauser Statuten von 1558') in Art. 83
vom „Versprechen" des Dienstes, ohne des Mietpfennigs
zu gedenken. Die Bürgersprache zu Bielefeld aus dem
Jahre 1578*) stellt die Annahme des Mietgeldes in das
Belieben des Dienstboten: „offt ock Jennige Dienstmagk
oder Knecht sich vermiedet und des einen Weinkauff
entpfangen oder doch sonder Weinkauff zu frieden
wurde . . .**.
Alternativ, aber ohne Hervorhebung des Beliebens
auf Seite der Dienstboten ist auch die Fassung in der
jüngeren Vergleichimg des schwäbischen Kreises
vom 12. April 1652*). Hier wird offen die Wahl gelassen:
Wenn das Haftgeld genomimen oder der Dienst (bloß)
versprochen imd zugesagt ist, dann findet kein Abwandel
mehr statt. So ist es auch mit der hiermit verwandten
Taxordnung vom 3. tmd 4. Mai 1669, die schwäbische
Städte unter sich vereinbarten*). Das in der Frage des
Mietgeldes wandelbare Cleve bestimmte nach Vorgang
der gegensätzlichen Gesindeordnung von 1644') in der
Gesindeordnung von 1696 § 5») ganz ausdrücklich: Der
*) Kr. A, Amberg. Repert. Landrecht Polizei Fasz. 1. Akt 9.
- •) Walch, Bcy trage VII S. 61 flf., bes. 224. — ') Ebenda I S. 236ff^
bes. 366. - *) Ebenda III S. 58 flf., bes. 75. — •) St A. Stuttgart, Druck.
— •) St. A. Stuttgart, Handschrift. — ») Scott! , Cleve S. 260. -
') Ebenda S. 690.
— 417 —
Dienst miuß von den Dienstboten nach Vertragsschluß
angetreten "Werden, „es seye dass sie deswegön einen Miet-
pfenning empfangen haben oder nic^ht". Auch Münster
machte diese Entwicklung durch. Die Godingsartikel
des Dom!kapiteb in der Fassung von 1665^) erklärten
den Mietpfennig für nötig; 1715*) dagegen ist es einerlei,
ob der Dienstbote mit oder ohne Mietgeld sich vermietet.
Zirai Rechte des 18. Jhdts. ist femer die Bestimmung
der altenburger Gesindeordmmg von 1744*) anzu-
führen, wonach auf denn Lande eis zwar bei der Gewohnheit
wegen des Mietgeldeis belassen werden soll, während ies in
der Stadt ganz der Willkür der Herrschaft überlassien
ist, ob sie Mietgeld geben will oder nicht. In Fulda ge-
nügte schon das Versprechen des Mieitgeldeis, um' die
Bindung herbeizuführen. Das Reskript vom' 7. April 1761 *)
erklärt den Emipfang des Mietgeldes für nicht nötig. Der
Mißbrauch, heißt es, soll gänzlich abgeschafft sein, daß
das Gesinde den Dienstantritt weigtert, ehe „das stipu-
lirte, doch keineswegs^ vorenthaltene Dinggeld ihm. aus-
gezahlt worden seye"; es geinügt das bloße Abreden des
Vertrages, ohne daß es auf das nochmalige „Andingien"
(d. h. wohl Auszahlimg des versprochenen Mietgeldes)
ankomimt ^).
Die häufigere Art, daß Gabe des Mietgeldes als we-
sentliche Voraussetzung des Vertragsschlusste gilt, findet
sich in vielen mittelalterlichen Quellen«). Zur Ergänzung
der Hertzschen Darstellung angeführt sieien göttinger
Statuten des 15. Jhdts. ^): „Welk miauet siek vormiedet
unde m^epeiuiinge opnomJet, demie schal se deynen",
heißt es 1402; imd 1445: „We sek vormiedet und den
0 Philipp!, Landrechte des MOnsterlandes S. 181. — ') Ebenda.
- •) Univ,.Bibl. Marburg. XYDI f B 1119«.. - *) Bd V der Cass»
Reg.-SaminL; weiteres Exemplar in der Freysschen Sammlung Mflller«
Fulda.— ■) Hiemach ist die Angabe in Thomas' Sistem III § 566 zu
berichtigen. — «) Hertz S.ll, 12. — *) v.d.Ropp, Statuten S. 97,476.
97
— 418 —
berkop (Bierkauf) upgenomknen hedde, de sal solken denst
holden dem he sek vormedet heft/' Die verhaftende Wir-
kung allein der Gabe des Gottespfennigs wird femer in
H a d e 1 n mehrfach ausgesprochen, in der Polizeiordnun^^
von 1583 Teil II Tit. 20 und der Gesindeordnunir von
1645*). Ein ostfriesischer Entwurf zu einer Gesinde-
ordnimg vom Ende des 16. Jhdts. ') drückt den Gedanken
so aus: „Alle Knechte, Mägde, . . . welche sich mitt
einem Handtpfenningk auff S. Jürgen, oder Michaelis ver-
mieten. Sollen gehalten sein . . . anzutreten". Das Recht
in Osnabrück gemäß Verordnung vom 18. Juni 1608 ')
und später Gesindeordnung von 1766*) hat gleichfalls
die ausschließliche Geltung des Weinkaufsvertrages.
Auch die meisten Rechtsgebiete der näheren imd
ferneren Nachbarschaft arbeiten mit diesem Grundsatze,
so Schaumburg nach der Polizeiordnung von 1615
Kap. 63 § 1^) und später der Gesindeordnung von 1738
§ 4*), Sayn- Wittgenstein nach der Polizeiordnung
von 1776^), Bentheim' gemäß Gericht- und Landes-
ordnung von 1690®), Münster nach Vorbild seines alten
Rechtes von 1390 •) in einem Zusätze zu einem sandwelli-
schen Landurteil des 16. Jhdts. i®), dann in einem: Ge-
dingsartikel von 1665^^) sowie — nach vorübergehender
Anerkennung der Formlosigkeit 1715") — in den 1722
imd 1740 entstandenen Gesindeordnimgen ^'), Hanau
laut § 5 seiner Gesindeordnun^r von 1748 ^*) : „So bald der
*) Spangenberg.Verordf Hannover IV 2 S. 78, 265. - •) St A.
Aurich. Archiv der ostfriesischen Landschaft. OB. Polizeisachen zu
Nr. 8. — ») St. A. Osnabrück. Rep. 100. Abschnitt 200 aus Nr. 1. —
*) Klöntrupp, Handbuch U S. 76. — ») Rott mann S. 427. — •) Landes-
verordnungen Schaumburg-L. 11 S. 886. — ') Univ.-BibL Marburg. -
■) Schloter, Prov. Rechte Westfalen 1 S. 486. — •) Niesert, Ur-
kundenbuch III S. 121; vgl. auch Seih er tz U.-B IH S. 45 (1428).-
'*) Philippi, Landrechte des MOnsterlandes S. 68. — ^^) Ebenda
S. 181. ~ ") Oben S. 417. — ") Sammlung I S. 868; Univ.-BibL
Marburg. - ") St. A. Marburg. IV A 1621.
— 419 —
Dienstbotte das Miethgeld genomimien, kann er, wann der
so es gegeben, darauf bestehet, nicht wieder los kommen".
Cleve hatte im Laufe des 17. Jhdts. seine 1644 ver-
tretenen Grundsätze über die Ausschließlichkeit des Wein-
kaufsvertrages ^) verlassen, nahm sie aber mit der großen
Gesindeordnung von 1753*) wieder ganz auf: ohne Miet-
pfennig ist keine Vermietung giltig. Gleiches Recht setzt
die Gesindeordnung für Ravensberg von 1766 ^). Noch
ins 19. Jhdt. hinein gelten solche Grundsätze in dieser
Gegend. Die jülicher Dienstbotenordnimg von 1801*)
hat eine besondere Auffassimg von der Bedeutung des
Weinkaufs, wie Art. 5 ergibt : „Zur Schließung des Mieth-
Contractes ist kein schriftlicher Ansatz nöthig, imd ver-
tritt der Miethpfennig gewöhnlich dessen Stelle". Noch
mehr in eine subsidiäre Stellung verdrängt die d ü s s e 1 -
dorfer Gesindeordnung von 1809^) den Mietpfennig.
Soll der Vertrag nicht vor dem Gesindebureau abgeschlos-
sen werden — diese Art gilt als die Regel — , dann ver-
tritt ein Mietpfennig „die Stelle des Mieth-Vertrages".
Hier ist der französische Gedanke der Schriftlichkeit des
Gesindevertrages unter amtlicher Aufsicht, was ja ähn-
lich auch J^romes Räte 1813 in Hessen erstrebten^).
Während die arrha anderer Verträge in der Rezeptions-
zeit durch Beurkundung auf dem Gericht oder beim Notar,
vornehmlich vor Justizbehörden, ersetzt wurde'), kam 'es
mit dem Eindringen des fremden französischen Rechtes so
schließlich auch inn Gesindewesen zu Verdrängungsver-
*) Oben S.416f. — «) Scotts, Cleve S.1452. — •) Ravensberger
Blätter für Geschichts-, Volks- und Heimatskunde 1909 S. 62. —
'IScotti, Jülich S. 880. — ») Ebenda S 1252. - •) Oben S. 141.
Vgl auch die Gestattung des schrilUichen Vertrages im flandrischen
Rechte von 1708; Behaegel, Servantes et serviteurs d'autrefois
(Bulletin du comitö central du travail industriel 1905 S. 624) Das
Mietgeld scheint hier nur Bedeutung einer freiwilligen Leistung ge-
habt zu haben (so Recht von 1719); ebenda S. 660. — ') Stobbe^
Reurecht S. 260.
27»
— 420 —
suchen gegenüber der arrha zugunsten des Abschlusses
vor Behörden; nur mlußten dies, der Struktur des fran-
zösischen Rechtes entsprechend, Verwaltungsämter sein.
In Süddeutsdhland war inzwischen eine ganz
ähnliche Entwicklung vor sich gegangen. Der Grund-
satz des alten münchener Stadtrechts von der Notwen-
digkeit des Mietgeldes*) galt über die Jahrhunderte hin-
aus ; auch Neubayern wich davon nicht ab. Die a 1 1 b a y e-
rische Gesindeordnung von 1652*), das Landrecht yon
1654'), die bayreuther Polizeiordnung von 1672 Tit.
XII*), die Gesindeordnung für Würz bürg aus dem
Jahre 1749 0) geben davon Kunde. Das rheingauer
Landrecht von 1643«), die württem'berger Gesinde-
ordnung aus dem Jahre 1652^) und eine österreichi-
sche Gesindeordnung von 1779») sollen weiter hier ge^
nannt sein.
Die für den Norden teilweise festgestellte Entwicklung
der Verdrängung des Mietgeldes in eine Stellung zweiten
Ranges läßt sich in Baden beobachten. Die villinger
Polizeiordnung von 1668^) hatte Mietgeld und Eintritts-
versprechen zur Bindung für nötig erklärt. Während so
auch von den beiden „modernen** badischen Gesindeord-
nungen die von Freibxurg aus dem Jahre 1782 *®) in § 12
noch ausdrückUch erklärt, daß erst mit Gabe der Haftung
eine Verbindlichkeit entsteht» heißt es 1809 (§ 8) ") : „Das
Geben vaid Annehnten des Haftgelds vertritt die
Stelle der schriftlichen Übereinkunft.**
») Auer S. 81 (Art. 209). — «) R. A. Manchen. Generalien-
Sammlung Rep. S. 9 Nr. 5. - ») Platzer S. 190. — *) Corp. Const
Brand. - Culmb. 11 1 S. 556 ff., bes. 594. — ■) Landesverordnungen
Wfirzburg II S. 589. — *) Abschrift in einem Sammelbande der
Stadtbibliothek Mainz. — *) Reyscher, Gesetze XUI S. 114. —
•) Kn A. Mönchen. GR. Fasz. 402 Nr. 2. — •) Oberrh. Stadtrechte II
1 S. 208 ff., bes. 215. — '<») Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Gen. 6891.
— ^') Gen. L. A. Karlsruhe. Provinz Niederrhein. Gesindepolizei
Lit B Nr. 1. 1756-1809. (LW 2).
— 421 —
Die Herkunft des Mietgeldes als Teiles des
Lohnes oder als einer davon unabhängigen, s^bständigen
Leistung ^) läßt sich mit Gewißheit nicht mtehr feststellen.
Für bestimlmte Werkverträge ist bewiesen worden, daß
hier zweifellos die arrha nur eine! Anzahlung auf den
künftigen Lohn darstellt^). Nur aus späterer Zeit liegen
verschiedenartige gesinderechtliche Zeugnisse für jede von
jenen beiden möglichen Anschauimgen vor.
Für die Auffasstuig, daß die arrha im! Gesinderecht
eine selbständige form'ale Gabe, nicht eine An-
zahlung auf den Lohn ist, spricht die gelegentlich vorkomi-
mende ZaMung einer Anerkennungsgebühr durch den ge-
mieteten Dienstboten statt wie gewöhnlich durch den
Herrn»).
Es scheint sich lun eine vornehmliche Eigenart des
Schäferrechtes zu handeln. Nach der württemberger
Schäferordnimg von 1651 § 13*) mußte der gemietete
Schäfer einen „Einstand und Meistergeld" ru der Zunft-
lade, der Rentkamimer imd der Meisterlade erlegen. Diese
Gabe scheint bei der Zunftorganisation der württemberger
Schäfer^) erklärlich.
Aber in Hessen herrschte ähnliche Sitte noch viel
später; eine Schäferorganisation gab es hier nicht. 1828
berichtete der Pfarrer in Hernianrode über die große
Unsittlichkeit, die bei der Hirtenmiete herrsche*). Es
ist Sitte, „dass die Gem^einden an den Sonntagen vor oder
nach Johannis ihre Kuh, Schweinehirten imd Schäfer von
neuem auf das folgende Jahr miethen, bei welcher Gelegen-
heit die Gemdetheten denen, die sie miethetn, ein söge-
') Gierke S. 888, 889. — «) Rothenbücher, Geschichte des
Werkvertrages nach deutschem Recht (Untersuchungen zur dt. Staats-
^d Rechtsgeschichte 87) S. 81. — ») Also eine Ausnahme der von
Gierke S. 851 aufgestellten Regel. — *) Reyscher, Gesetze XIII
S. 108. — •) über Hirtenrecht s. u. § 17. — •) St A. Marburg. Caas.
Reg.. Akten Pol..Rep. F 48 Nr. 8; 226. Akte betr. Wechselzeit der
Schflfer und Hirten 1828-1852.
— 422 —
tianntes Miethegeid entrichten müssen, also gerade das
Gegentheil von dem' thun, was sonst in den gesellschaft-
lichen Verhältnissen zwischen Herrschaften und Dienst-
boten etc. üblich ist, nemlich dem Gemietheten zur Be-
festigtmg des gegebenten Worts ein Miethegeid zu geben**.
Dies Mietgeld ist entweder eine bare Sumime, die regel-
mäßig in Gemeinschaft vertrunken wird, oder von vorn-
herein naturaliter geleisteter Schnaps. Die Klagen des
Pastors über Sonntagsentheiligimg, Schlägereien usw., die
beim Gelage vorkomlmen, gaben der Regierung Anlaß
zu einer Umfrage über die Sitte im Kreis Witzenhausen.
Es ergab sich, daß mit den Hirten jährlich eine „Miet-
feier** abgehalten wird, wobei die Gemfeindeangehörigen
den Hirten neu mieten imd ihre Beschwerden über seine
Amtsführung anbringen. Der Hirt gibt ein Mietgeld an
die Gemeinde, wofür gemeinsam getrunken wird. Da-
gegen in Hebenshausen bekommt der Hirte zwei Thaler
Mietgeld aus der Gemeindekasse, wovon er Bier und
Schnaps für die Gemeindeglieder kauft; „jedoch ge-
schieht letzteres von ihm freiwillig**. Die Hirtenordnung
von 1828^) bestimimte nun in § 13: „Bei keiner Gelegen-
heit dürfen der Gemeindevorstand imd der Hirt von ein-
ander Geschenke oder Bewirtimg begehren oder anneh-
men**. Doch hatte dies Verbot wohl keinen Erfolg. Noch
heute bestehen in Hessen die alten Bräuche. Petri Stuhl-
feier (der 22. Februar) ist mieist der Ziehtag der Schäfer.
Dann ist der neue Hirt (oder der alte, wenn er bleibt)
durch Volksrecht verpflichtet, der „ Schaf enei** ein Bock-
essen in seiner Wohnimg zu geben; zur „Schäferei** ge-
hören alle, denen er Schafe hütet*).
') Möller-Fuchs S. 627. — •) Werner (Böttc), Aus einer ver-
gessenen Ecke (8. Aufl. Langensalza 1911) S. 87. Vielleicht gehen
auch die uralten Schfifertage zu Markgröningen in WOrttemberg
(vgl. Schaferordnung von 1651 bei Reyscher, Gesetze XIU 5. 108;
L. F. Heyd, Gesch. der . . . Stadt Markgröningen, Stuttgart 1839,
— 423 —
Außerhalb des Schäferrechts bestfeht gleiches Recht
noch heute in Hohen zollern. Der Dienstbote gibt
der Herrschaft ein Mietgeld; die Herrschaft muß es ihm
nach vier Wochen doppelt — wenn der Dienstbote schuld-
los nicht antritt, einfach — wenn er schuldhaft ausbleibt,
gar nicht zurückgeben^).
Dafür, daß jene Sitten bei der Schäfermiete für die
Auffassrung des selbständigen Charakters des Mietgeldes^
sprechen, läßt sich die Ähnlichkeit der geschilderten
Szenen mit den mittelalterlichen Leitkäufen heranziehen *).
Solche Gelage, auch Wein- oder Bierkäufe genannt, be-
weisen, daß nun kein Zwiespalt mehr zwischen den Kon-
trahenten besteht, daß der Vertrag zustande gekomtoen
ist. Ein Leitkauf wurde beispielsweise auch bei der An-
nahmie eines Gesellen durch den Meister veranstaltet^).
Die einzige Erwähnung eines deml gewöhnlichen Ge-
sinde von der mietenden Herrschaft gesetzten Leitkauf-
gelages findet sich in der m!ünchener Gesindeordnung
von 1660 *), wo vierboten wird, daß ein Dienstbote von
der Herrschaft „mit bezahlung. eines Thruncks, oder in
andere weeg etwas verhüfftelt wird"^).
Von einer Anzahlung auf die künftig zu erlegende
Summe kann hier kaum noch die Rede sein, sicherlich
dann nicht mfehr, wenn beim Weinkauf bisweilen die
Kosten von beiden Kontrahenten zu Teilen getragen wer-
den ^). Und wenn gar, wie imi württembergischen und
S. 152—167) auf solche jährlichen Mietfeste zurQck, Doch scheint es
im Schwäbischen nicht Sitte gewesen zu sein, dass der Hirt das Ge-
lage bezahlen musste; die Gemeindeordnung fflr Killingen von 1665
(Wintt erlin, WOrtt ländl. Rechtsquellen I S. 857 ff., bes. 868} Iflsst
dies eiicennen«
») Kahler S. 140, 141. — •) Stobbe, Reurecht S. 281 flf. —
>) Ebenda S. 288. — «) Kr. A. München. Sign. GR. Fasz. 402 Nr. 1.
-* *) Ähnliche Herkunft hatten vielleicht die „Kolbelbraten'S die in
Nflrnberg nach der Vermietung von Zubringerin und Dienstboten
verspeisst wurden; die Sitte wurde 1656 verboten (Kamann S. 91).
~ •) Stobbe S. 284; Gierke S. 851, 852, 868 ff.
— 424 —
hessischen Hirtenrecht, der Gemietete alles zahlt, ist die
Selbständigkeit des Mietgeldels gegenüber deml Lohne
völlig offenbar.
Auch die Einrichtung des sog. trockenen Weinkaufs,
wo den Zeugen des Vertrages statt Gelages das Geld
gegeben wird^), dokumentiert die Auffassung, daß die
hier verwandte Sumimie mit der Geschäftsleistong keinen
Zusaimnienhang hat. Hier ist nur noch eine Zeugenge-
bühr vorhanden. Auch im: späteren Gesinderecht lassen
sich analoge Erscheinungen feststellen, die aber nur eine
äußere Ähnlichkeit mit dem trockenen Weinkaufe haben.
Denn aus dem Umstände, daß in Franken bisweilen das
„Mietgeld** zu einem Teile gar nicht einer der Vertrag-
schließenden, sondern einer dritten Person, der Zubringe-
rin, zufällt, darf man nicht 2u weitgehende Folgerungen
dahin ziehen, als spreche sich hier klar die Auffassung
einer Verschiedenheit von Lohn und Mietgeld aus.
In Nürnberg erhielt seit 1579 die Zubringerin die
Hälfte des (tarifierten) Mietgeldes*); nach der ans-
bacher Gesirideordnung von 1769*) soll die Hälfte des
Mietgeldes dem Mäkler von der Herrschaft selber aus-
gehändigt werden, da die Mäkler wegen ihres (geringeren)
Anteils am Mietpfennig die Dienstboten zu häufigerem
Dienstwechsel verleiteten. Vornehmlich diese Begründung
gibt Aufschluß darüber, daß der Anteil des Mäklers wahr-
scheinlich nicht an dem' Mietgelde in dessen Eigenschaft
als Mietgeld bestand, sondern daß der Mäkler wie von
der Herrschaft, so auch vom Dienstboten sich eine Ge-
bühr bezahlen ließ; und das nächstliegende war, daß
der Dienstbote zur Zahliuig dieser Gebühr den eben ver-
dienten Mietpfennig verwandte, der ihm! ja direkt durch
die Bemühungen des Mäklers zugekommen war. Be-
stärkt wird diese Annahme gewissermaßen eines still-
») Stobbe S. 284 flF.; Gierke S. 871. - •) Kamann S. 74. -
•) Kr. A. Nürnberg. S. 28 V Nr. 779. Repert. 288,
— 426 —
schweigenden Vorzugsrechtes des Mäklers an dem' (^-
nächst vom Dienstboten verdienten) Mietgelde durch die
im 18. Jhdt. bestehende nürnberger Einrichtimg zweier
verschiedener Mietgelder, des einen für den Mäkler,
des andern für den Dienstboten („Fadengeld") ^). Statt
des vom Mäkler mm ganz in Anspruch genommenen herr-
schaftlichen Mietgeldes erhält der Dienstbote diese be-
sondere Anerkemmngsgebühr, die jetzt allein als arrha
fungiert; das „Mietgeld** für den Mäkler ist das Geld,
das dieser für seine Bemühungen mti. die Vermietung
erhält, es hat also mit der arrha gar nichts mehr zu tim ').
Klare Belege für die Anschauung, daß Mietgeld und
Lohn nichts mit einander gemein haben, enthalten die
Gesinderegister des von Lüderschen Gutes Loshausen
in Hessen aus den* 17. und 18. Jhdt*). In den ersten
Jahren fehlt eine Erwähmmg des Miet^eldes. Bei der
an Gewohnheit gemiahnenden Regelmäßi^fbeit, mit der
dies später imimer verzeichnet wird, kann es kaum so
sein, daß es auf einmial, plötzlich auf dem' Gute zur Sitte
geworden ist. Es spricht nichts gegen die Annahme, daß
der Lohnausteiler tmd Buchführer den Charakter des
Mietgekls als etwas ganz vom Lohn verschiedenen er-
kannte und danach handelte. Die Löhne enthalten die
Register, Geld imd Naturalien, d. h. regelmäßiges, von
Monat zu Monat sehr tropfenweise fließendes Entgelt.
Was einmalig alle Jahre und als Anerkennung des
Vertragsschhisses gegeben wurde, gehörte nicht hinein.
Diese Annahme wird durch weitere Tatsachen bestätigt.
1655 heißt es: „hatt meine frauw den 15 Januar Anna
Cristina von Zigenhain zur kamimer magt gedingt giebt
*) Dorn S.147, 189. — *) Das Kanzelgericht zu Oberbeerbach
gab 1498 den Knechten auf, jährlich zu Lichtmess dem Pfarrer eine
halbpftkndige Kerze darzureichen (Maurer, Dorfverfassung II S* 487 ff.,
bes. 489); die Bedeutung dieser Pflicht ist zu offenbar, als dass man
sie auf ein froheres (j&hrliches) Mietgeld an dritte Personen zurück-
zuführen brauchte. -— *) St. A. Marburg.
— 426 —
ihr 7 Rthlr. zu lohn vor alles und alles und hatt
ihr 2 Kopfstücke zum mietpfenig geben". Weiter
ebenda: „den 4 may hatt meine frauw Anna Catarin von
Cassel so auch ein jungen hatt, zur köchin gedingt g i e b t
ihr in allem bis zu neuwem Jahr 3 Rthlr. und hatt
ihr IVj Kopfstück zum' mietpfenig geben". „Alles
in allem" ist mit dem Lohn bezahlt. Was soll da noch
mit dem Mietgeld bezahlt werden? Für die materielle
Bestimmung des Mietgelds bleibt hier nichts mehr über;
einzig möglich ist, daß es von jedem Anspruch auf ma-
terielle Ausgleichung losgelöst ist und seinen Beruf in
der „Gegenleistung" der Anerkennung des Vertragpes
findet.
Für das Vorherrschen der Anschauimg, daß das
Mietgeld vom Lohne in seinem Wesen nicht unter-
schieden ist, würde dagegen der Umstand sprechen,
daß — von wenigen Ausnahmen abgesehen — späterhin
den Herrschaften immer gestattet wird, das Mietgeld imter
Umständen auf den Lohn anzurechnen^). Nur darf man
das Vorkommen solcher Bestimmungen weniger auf ein
Weiterleben früherer Anschauimgen zurückführen, als
vielmehr darauf, daß die Gesindegesetzgeber wie über-
all so auch hier sich zu gtmsten der Dienstherrschaft
gegen das Gesinde äußern wollten. Es entspricht durchaus
dem stets verfochtenen Interesse der Dienstherrschaften,
weim sie vorkommenden Falles nichts weiter bar auszu-
zahlen brauchen, sondern den Dienstboten auf das bereits
gegebene Mietgeld statt Lohnes verweisen können.
Das Prinzip der Selbständigkeit der arrha findet sich
denn auch rein nur in der ganz modernen jülicher
Dienstbotenordnimg von 1801 *), die ausdrücklich die An-
rechnimg des Mietgeldes auf den Lohn verbietet.
Die beiden Gesindeordnimgen für Cleve von 1753
') Gierke S. 888, 852. - •) Scotti, Jülich S. 880.
— 427 —
I
und 1769^) benutzen dagegen schon den Grundsatz der
Getrenntheit von Mietgeld und Lohn, um! etwas für die
Dienstherrschaften herauszuschlagen : Über eine gegebene
Taxe des Mietgeldes darf das Gesinde nicht fordern, „weil
der Mieths-Pf ennig ohnedem kein Theil vom Lohne, son-
<iern nur ein Zeichen des errichteten Dienst Contracts
ist". Diese merkwürdige Begründung, mit der vom Dienst-
Tx)ten die Genügsamkeit verlangt wird, er solle sich mit
einer Anerkennimgsgebühr begnügen, muß kurz danach
in denselben Gesetzen wiederum dem hohem Einfluß der
Herrschaft weichen. Wird der Dienstbofre um' eigene
Schuld des Dienstes im ersten halben Jahre entlassen,
dann kann ihm das Mietgeld am Lohne abgezogen werden,
heißt es weiter. Das Geldwerte der Weinkaufsleistung
soll also nur für den Herrn, nicht auch für den Dienst-
boten in Rechnung gezogen werden.
Genau wie jene erste Kalkulierung der clevischen
Gesetzgeber war schon vorher die Überzeugung der Ver-
fasser einer für Altenburg 1744 erlassenen Gesinde-
ordnung*). Hier wurde dem Gesinde aufgegeben, die
Höhe des gegebenen Mietgeldes nicht zu bemängeln, „weil
der Mieth-Groschen ohnedemi kein The^il vom Lohne, son-
dern nur als ein Zeichen des errichteten Dienst-Contracts
anzusehen ist**.
Die sonstigen Gesetzgeber geben sich jener Zwie-
spältigkeit, wie sie im: clever Rechte zu Tage tritt, gar
nicht erst hin, sondern berücksichtigten von vornherein
das Mietgeld nur als Wertobjekt, das der Diemstbote
abverdienen muß oder das ihm am Lohne eventuell ab-
gezogen werden kann, falls er vorzeitig aus dem Dienste
ohne Schuld des Herrn scheidet. So ist es nach den a 1 1-
bayerischen Gesindeordnimgten von 1755 und 1761 ^)y
») Scotti. Qeve S. 1462, 1894. - «) Univ.-Bibl. Marburg. XVUI
f B 11191. — ») Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1 (Churbair.
IntcUigenzblatt 1776 Nr. 39); GR. Fasz. 404 Nr. 7.
— 428 —
nach österreichischem Rechte, insbesondere der
Gesirideordnung von 1765^), ebenso in Nürnberg'),
im Ansbachschen nach der Gesindeordnung von
1769'), in Sayn-Witt genstein nach der Polizeiord-
nung von 1776 *), femer nach der hessischen Ordnung
von 1797*) § 8 und schließlich den beiden badischen
von 1782 und 1809«).
Die sonderbarsten Rechtsbildungen finden sich unter
diesen im nürnberger und im österreichischen
Recht ^). Ein österreichischer Rechtssatz lautet, „dass
nur dem Dienstbothen, der 14 oder weniger Tage an
einem Orte dient, das Miethgeld bleibet, dem aber, der
eine längere Zeit dienet, von dem Lohne abgezogen wer-
den solle". Dies erhält erst einen Sinn durch Dorns
Mitteilungen über die gleichartige nürnberger Rechtslage:
Bleibt der Dienstbote nur vierzehn Tage, dann kriegt
er keinen Lohn, „weil er erst, wie es heißt, liat den
Leihkauf abverdienen müssen".
Von dem weiteren wesentlichen Charakteristikum des
Mietgeldes, das mit verschwindenden Ausnahmen nie als
Reugeld aufgefaßt wird, soll im nächsten Abschnitt
bei der Behandlung des Nichtantrittes des Dienstes und
und der Nichtannahme gehandelt werden.
Die Mietung des Gesindes erfolgt in mehr als einer
Hinsicht auf „die zceit", wie das Weisttun sagt«). Es
hängt eng mit den landwirtschaftlichen Betriebsverhält-
nissen zusam^men, daß die Dienstboten gewöhnlich auf
eine bestimimte Zeit, meist ein Jahr»), gemietet werden,
selten auf unbestimmte Dauer. Ist das Jahr um, dann be-
darf es neuer Mietung nach vorheriger Anfrage ^*>). Das
») Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1; Dorn S. 146, 82. -
«) Dorn S. 146. — •) Kr. A. Nürnberg. S. 28 V Nr. 779 Repert 288.
— *) Univ,.Bibl. Marburg. ~ •) LO. VII S. 727. - •) Gen. L. A.
Karlsruhe. Baden Gen. 6891; Provinz Niederrhein. Gesindepolizei
Lit. B. Nr. 1. 1766—1809 (IV 2). — ») Quellen s. oben. — •) Oben
S. 24 flF. — •) Näheres unten § 4. — ><>) Näheres unten § 12 (Kündigung).
- 429 ~
Einhalten der jährlichen Frist zur Neumietung wird bei
der regelmäßigen Gestaltung des jährhchen !)Lebens den
Landleuten nicht schwer fallen ; meist sind feste Ziehzeiten
gebräuchlich. Bei dem neuen Abschluß des Vertrages
müßten streng genommen dieselben Förmlichkeiten ge-
wahrt werden, wie sie für den ersten Vertrag angewandt
wurden, vor allem müßte danach das Mietgeld jähr-
lich gegeben werden. Bisweilen ist diese Folgerung auch
von Gesetzgebern gezogen worden; noch öfter freilich
wurde es als ein ungerechtfertigtes Verlangen des Gesindes
angesehen, das im! Interesse der Dienstherrschaft nicht
geduldet wurde.
Vor Anführung von gesetzlichen Äußerungen über
diese Frage sei einiges über die in zwei g^roßen Gutsbe-
trieben herrschende Sitte mitgeteilt. Die Knechte des
Klosters Königsbrückin Baden bekamen im 15. Jhdt.
alljährlich bei Verlesung der Gesindeordnung eine kleine
Geldgabe, deren Charakter als Miettmgsgeld kaum zwei-
felhaft sein dürfte^).
Besonders reichliche Ausbeute geben wieder die Ge-
sinderegister des hessischen Gutes Los hausen^). In
zahlreichen Fällen wird hier denselben, schon im Vor-
jahr angestellten Dienstboten bei der Mietung fürs neue
Jahr wiederum ein Mietgeld gegeben. Ztun erstenmal ge-
schieht das nachweisbar 1652: Peter Colus, der Bey-
stenner, und Hans Jürgen, der Junge, waren schon im
vorigen Jahr auf dem' Gut; sie bekommen aber doch ein
Kopfstück als Mietpfennig. Das läßt sich weiterhin ver-
folgen. 1653 bekomlmen die beiden wieder Mietgeld, dies-
irtal sogar IV2 Kopfstücke. Ebenso ist es mit dem Ober-
knecht und der Viehmiagd; so ist es auch 1655. Eine an-
dere Auffassung komimt im 18. Jahrhimdert auf, macht
*) Mone, Zcitschr. f. Gesch. d. Oberrheins I S. 179. — *) St. A.
Marburg.
— 430 —
aber bald wieder der alten Gewohnheit Platz. 1725 findet
sich beim? Laquay Johann Henrich Doricke der Ver-
merk : „. . . ist . . . zu einem Laquayen . . . wieder ange-
nommen worden, Es ist ihme aber, weil Er das vorige
Jahr auch schon hier gedienet, kein Miedtpf enning,
wie gebräuchlich, weiter gegeben worden". Dieselbe
Notiz steht unterm Namen des Kutschers, des Vorreuthers.
Im Widerspruch hiermit heißt es über das Mietgeld der
Haushälterin: „. . . ist ... uff dies jähr wieder gemie-
thet worden. Hat zu miethgeldt bekommen 1 Fl."
Und auch die Cammer Magdt ist wieder gemietet und er-
hält doch Mietgeld; ebenso ist's mit der Hausmagd und
der Oberviehmagd. Von dem alten, wie der gemieteten
Personal erhalten folgende Personen gleichwohl jährliches
Mietgeld : 1726 Oberviehmagd ; 1728 Haushälterin, Haus-
magd; 1733 Oberviehmagd, Hausmagd; 1734 Kammer-
jungfer; 1735 Gärtner, Köchin, Hausmagd; 1736 Gärtner,
Kutscher, Kammer jimgf er ; 1741 Haushälterin (laut eines
bei den Akten liegenden Zettels); 1742 Kutscher, Haus-
magd, Köchin, Ober-, Unter viehmagd, Hühnermädchen;
1743 erhält das ganze verzeichnete Personal, das aus dem
vorigen Jahr übernommen ist, Mietgeld; 1744 Obervieh-
magd, Hühnermädchen. Anderen Wiedergemieteten ist
kein Mietgeld beigeschrieben, vielleicht aus Verseheu?
Die männlichen speziell landwirtschaftlichen Dienstboten,
Oberknechte usw., sind seit einiger Zeit überhaupt nicht
mehr verzeichnet. Auch für die Jahre von 1644 an, in
denen die Register das Mietgeld noch nicht kennen, läßt
sich die Annahme der jährlichen Neumietung auch des
alten Gesindes begründen. Es heißt stets: N N wurde
„angenommen" als Kutscher usw., mag es sich um altes
oder neues Gesinde handeln. Wäre der Dienstbote schon
beim ersten Vertragsschlusse für unbestimmte Zeit imd
nicht nur für ein Jahr gemietet worden, dann brauchte
es nicht jährlich einer neuen Annehmimg.
— 431 —
Nur von vier Gebieten ließ sich nachweisen, daß
dort der wirklichen Art des Vertrages entsprechend jähr-
lich eine Erneuerung mit Gabe des Mietgeldes vorüber-
gehend vorgeschrieben war. Es handelt sich um! Würt-
temberg nach der Vergleichung imd der Gesindeord-
nung aus dem Jahre 1652^), Bayern nach der Gesinde-
ordnxmg von 1652*) und später der kurpfälzischen Ge-
sindeordnimg von 1801^), sowie das Fürstbistum^ Mün-
ster gemäß Gesindeordnxmg von 1722*); auch in N ürn-
berg soll für ländliches Gesinde die Gewohnheit jähr-
licher Neumietung durch Mietgeld bestanden haben*).
Häufig'er imterliegen die juristischen Erwägungen
dem Bedenken für das Wohl der Dienstherrschaften,
denen die regelmäßige Gabe des Mietgeldes nicht zu-
gemutet werden soll. Auf der Grenze zwischen beiden
Auffassungen stehen — von einer unklaren Bestimmung
im badischen Rechte abgesehen®) — die Gesindeord-
nung von 1755 imd 1761 für Bayern^). Sie haben als
Regel, daß nur einmal, bei der ersten Vermietung, das
Mietgeld fällig sein soll; doch wird abweichendes Her-
kommen zugelassen. Durchaus ablehnend verhalten sich
dagegen Bamberg, wie eine Taxordnimg aus dem
16.— 17. Jhdt. und die Tax- vmd Gesindeordnung von
1652*) ergeben, und die schwäbischen Städte nach
') St. A. Stuttgart, Druck; Reyscher, Gesetze XIII S. 114. —
*) R. A. München. Generaliensammlung Rep. S. 9 Nr. 5. — ') Kr. A.
München. AR. 11 Vz. 84. Fasz. 8 Nr. 94. — *) Sammlung Münster I
S. 368. — ») Dorn S. 149. — Höhere Bediente, Lakaien, Jäger,
Haushälterinnen etc. erhielten bisweilen keinen Mietpfennig, dafür
aber jährlich ein Neujahrsgeschenk (was demnach bei dem sonstigen
geringeren Gesinde fortfiel); Estor, Teutsche Rechtsgelahrtheit II
§ 4660. Vielleicht sind diese „Geschenke** Überreste früheren jähr-
lichen Mietgeldes. — *) In einer Gesindeordnung für Gutenburg aus
16B2 (Gen. L. A. Karlsruhe. Copiarbücher Nr. 6921). — ') Kr. A.
Monchea GR. Fasz. 402 Nr. 1; GR. Fasz. 404 Nr. 7. — •) Kr. A.
Bamberg. Verordnungen Rep. 141 Nr. 69.
— 432 —
der Vereinigung von 1669 ^) ; aus dem nördlichen Deutsch-
land sodaiui gehören die clevischen Gesindeordnun-
gen von 1644 und 1753*), die Polizei- und Gesindeord-
nung für Köln von 1645*) und die Gesindeordnung der
Stadt Wolfenbüttel aus dem= Jahre 1748*) hierher.
In besonderer Gestalt erscheint das Verbot des regel-
mäßig sich folgenden Mietgeldes in gelegentlichen Be-
stimmungen für Köln imd für Württemberg. Statt
des in der eben genannten kölner Ordnung v<mi 1645
ausgesprochenen Verbotes ordnet die Polizei- und Gesinde-
ordnung von 1656*) an, daß man bei 4 Gld. oder Leibes-
strafe den Mietpfennig nicht auf zwei und mehr Jahre
(im voraus auf einmal) annehmen darf. Die Scheti vor dem
durch hohes Mietgeld reizvoller gemachten Vertragsbruch
hat dies Verbot hervorgerufen, aus dem man entnehmen
kann, daß bis dahin die gegenteilige Ubuni: bestand^).
Die oben dargelegte Stellung der schwäbischen Städte
veranlaßte ferner eine Einschränkimg der bis dahin auf
dem' Standpunkte der Geschiedenheit des alten und des
neuen Vertrages stehenden württembergischen Ge-
sindepolitik ^). Ein Reskript vom 29. November 1669^)
verbietet es, derselben Dienstherrschaft in einem Jahre
mehrere Mietgelder abzunehmen. Ob sich auch eine Stelle
der villinger Polizeiordnung von 1668*) in ähnlichem
Siime deuten läßt, ist zweifelhaft. Da wird festgesetzt,
daß während des gewöhnlichen Dienstjahres klein Dienst-
bote von einer neuen Herrschaft gemietet werden darf^
es sei denn, daß die vorige Herrschaft den Diener gut-
») St. A. Stuttgart Handschrift. — •) Scotti, Cleve S. 260,
1452. — •) Scotti, Köln I 1 S. 249. - *) Herzog], Archiv Wolfen-
büttel. Nr. 7097. — ») Scotti, Köln I 1 S. 268. — •) Im hessischen
Loshausen wird der Vorreuther 1728 und 1788 mit Vi Fl. Mictgeld
für 2 Jahre gemietet. Ob der Mietpfennig hier gedoppelt oder ob
es der gebrauchliche ist, kann nicht gesagt werden, da Angaben flsr
die andern Jahre fehlen. — 0 Oben S.481f. — •)Reyschcr, Gesetze
Xm S. 496. — •) Oberrhein. Stadtrechte n 1 S. 208 f^ bes. 216.
— 433 —
willig entlassen hat. Doch soll hier die Neumietung „ohne
entgeh* * vorgenomtaen werden; dies kann ein Verbot
des Mietgeldes sein, kann aber auch bedeuten, daß der
Dienstbote für den Rest des Jahres keinen neuen Lohn
m^hr bekommen soll.
Solches sind nicht die einzigen Bemühungen der Ge-
setzgeber, ru Gimsten der Herrschaften auf das Mietgeld
einzuwirken. Vom 16. Jhdt. an zieht sich über die beiden
folgenden Jahrhimderte das Bestreben hin, den Miet-
pfennig durch Tarifierung auf eine möglichst geringe
Höhe hinabzudrüdken. Nichts anderes ist dies als ein
Stück der imimer wieder mit Taxen operierenden Lohn-
politik der allmächtigen Polizeigesetzgeber; vmten in §8
wird über die Lohntaxen im! besonderen des näheren be-
richtet werden. Daß selbst der meist nur einmal für jeden
Dienst fällige, imi Vergleich zu dem' großen Lohne nichts-
sagende Mietpfennig mit Gewalt herabgedrückt werden
soll, zeugt von der oft über das Maß hinausgehenden
Sorge der Regierenden tmil Wohl imd Wehe der Dienst-
herren.
Ja, in Hessen beispielsweise erfährt das Mietgeld
seine Begrenzung nach oben viel früher als die systemar
tische Politik der Gesindetaxordnungen einsetzte ; lind das
einzige, was in Hessen über das Mietgeld tun seiner selber
willen bestimmt wird, ist die mehrmalige Taxierung. Das
Vorbild für die Taxordnungen des 17. Jhdts. bildet hier die
Taglöhnerordnung vom: 24. März 1571^). Zum Schluß
ider Ordnung wird festgestellt, daß „auch der Dienst-
botten halben, ein Zeitlang große Unordnung eingeführet,
Sonderlichen aber der Meidt imd Dienstpfennig halben^
die man nicht groß genug geben können, und jhe einer
dem andern in denselben übersetzt". Der Mietpfennig
wird daher je nach Gesindeklasse tarifiert ; einer gemeinen
Dienstmagd soll „nicht mehr, als von alters herkommen
>) LO. I S. 680.
KBuccko. 28
— 434 —
ist", nämlich ein Schillini^, einer Köchin oder Haupt-
magd drei Albus, einem Knecht ein Schreckenberger und
einem Jungen drei Albus gegebem werden. Überschrei-
tungen werden mit zwei Gulden (wohl an der Herrschaft)
geahndet. So blieb es auch während des 17. Jhdts. Die
Gesindeordnimg von 1736 ^) ging von ihremi Vorbild, der
hannoverschen Gesindeordnung von 1732*), die den
Gottespfennig tarif ierte, ab imd verordnete nur, daß Lohn
und Mietgeld der Arbeit „billig proportionirt" sein sollen.
Späterhin wird in Hessen die Höhe des Mietgeldes nicht
mehr erwähnt, weder in den Taxen des 18. Jhdts. noch
in den großen Gesindeordnungen.
In den übrigen Gebieten kommt es zu Bestimmungen
über die Höhe des Mietgeldes meistens erst im 17. Jhdt.»
zugleich mit den Lohntarif ierungen. So in Nassau;
hier wurde am' 9. August 1658') ein Erlaß wider die
hohen Mietpfennige veröffentlicht; die Behörden sollen
genau auf den Mißstand achten. Eine feste Tarifierung
für Usingen erfolgte in einer Gesindeordnimg aus der
Zeit nach 1700^). Im: 17. Jhdt. kam mit den allgemeinen
Taxen in Köln auch eine solche des Mietgeldes. Die
Polizei- und Gesindeordnimgen von 1645 und 1656*), aus
späterer Zeit die Verordnimg vom 26. Juli 1764 •) sind
dafür zu nennen. Auch die ravensbergischen Ge-
setze, Landesordnung von 1655 und Gesindeordnung von
1766 ^), bringen neben Lohntaxen Bestimmungen über die
Höhe des Mietgeldes. Selbst 1809 noch wird in der Ge-
sindeordnung für Düsseldorf 8) der Mietthaler eben
') LO. IV S. 410. — *) Spangenberg, Verordnungen flir Han-
nover IV 2 & 461. — •) Corp* ConsL Nass. 11 2 S, 69. — *) St A.
Wiesbaden. V. Nassau - Usingen. 1. Generalia II« Verordnungen
Band V S. 128. - ») Scotti. Köln I 1 S. 249, 268. - •) Ebenda 1 2
S. 849. — *) 18. Jahresbericht des Histor. Vereins f. d. Grafschaft
Ravensberg S. 124; Ravensberger Blfltter ftkr Geschichts-, Volks- und
Heimatskunde 1909 S. 62. ~ >) Scotti, jQlich S. 1252.
— 435 —
auf einen Thaler angesietzt. Osnabrück tarifiert durcbt
Verordnung vom; 18. Jimi 1608^) den Mietpfennig wiel
die Löhne; die Gesindeordnung von 1766*) ordnet die
kirchspielweise Normierung an. In der altenburger
Gesindeordnung von 1719') wird auf die Sitte verwiesen;
über 4, 6, bis höchstens 8 und 12 Groschen darf niemiand
geben. Vermittehid schließlich ist der Standpunkt der
Gesindeordnung für die Stadt Wolfenbüttel aus dent
Jahre 1748^). Prinzipiell wird die Bestimmung der Höhe
des Mietgeldes dem Ermessen der Herrschaften über-
lassen; niu: soll bei Gesinde, das zu „gemeiner und ge-
wöhnlicher Hausarbeit imd Dienstleistung" gebraucht
wird, nicht mehr als sechzehn Gutegroschen; gegeben
werden, „wol aber darunter".
Aus Süddeut sc bland können außer einer öster-
reichischen Gesindeordnung von 1778*) nur baye-
rische Gesetze und die mehrerwähnte Polizeiordnung
für Villingen von 1668 angeführt werden. Am ältesten
ist das nürnberger Recht. Hier wurde der Mietpfennig
seit 1579 tarifiert^), wie auch das Mandat von 1628^)
ergibt. In verschiedener Weise wurde die Beschränkung
des Mietgeldes inAltbayern gehandhabt. Die Gesinde-
ordnung von 1781^) verbietet beiden Teilen bei Geld-
oder Arreststrafe, m^hr als Vso des Lohnes zu Mietgeld
anzusetzen. In der Gesindeordnimg von 1801') wird die
Höchstsumme dagegen mit einem Gulden bestimmt. In
der villinger Polizeiordnung von 1668") wird eine
Strafe von drei Pfund auf Überschreitimg der Taxe ange-
*) St A. OsnabrQck. Rep. 100 Abschnitt 200 aus Nr. 1. —
*) Klöntrupp, Handbuch II S. 76. - •) Univ.-Bibl. Marburg. XVm
f A 870. — *) Hcrzogl. Archiv Wolfenbüttel Nr. 7097. - •) Kr. A.
München. GR. Fasz. 402 Nr. 2. -. •) Kamann S. 78. — ') Kr. A.
Nürnberg. Bestand A. Akten Nr. 24 S. I L. 565. — *) Kr. A. München.
AR. Fasz. 459 Nr. 209. — •) Kn A. München. MA. Fasz. 1821 Nr.
1165. - '•) Oberrhein. Sudtrechte U 1 S. 208 ff., bes. 214.
28»
— 436 —
setzt; wer die Strafe zahlen soll, Herrschaft oder Ge-
sinde, ist nicht gesagt.
Die sämtlichen hier mitgeteilten Taxen setzen ledig-
lich bares Geld fest. Dies Vorgehen ist gerechtfertigt.
Die überwiegende Regel wird stets die Reichung von
Mietgeld sein. Nur ein einzigesmal ließ sich das Vor-
kommen eines naturaliter gegebenen Mietmittels
feststellen. In Loshausen erhäk 1654 (?) die Kammer-
magd als Mietpfennig ein Kopfstück (Geld) und zwei Ellen
,,schmial duch".
Soviel zunächst über das Recht der arrha beim Ge-
sindevertrage ^).
Ein besondersartiges Bestärkungsmittel für den Ab-
schluß eines Dienst Vertrages ist der E i d des Gemieteten.
Er kommt in verschiedenen Formen und verschiedener
Bedeutung vor. Entweder wird er dem- Mieter zm* Ver-
heißung guten Betragens geleistet*), oder er dient dazu,
der obrigkeitlichen Verwaltung besondere Treue zu ge-
loben'). Bisweilen wird von der Leistimg des Eides die
Gültigkeit des abgeschlossenen Vertrages abhängig ge-
macht. Aber nie wohnt dem Eide die Wirkung inne,
daß er «-st den Vertrag zustande bringt. Und nie hat
der Eid auch die Bedeutung des Treugelübdes*).
Von jener ersten Art, daß der Eid dem' Mieter selber
geleistet wird, ist die Satzung in Kaiser Ferdinands III.
Ritterordnung für die reichstmmittelbare fränkische
Ritterschaft*): „Und damit des Gesindes, wie sonder-
lichen der Knecht und Diener halber, um so viel bessere
Zucht, Folge, Gehorsam, und daraus verhoffter mehrer
Fleiss, Treu tmd Bescheidenheit erhalten, dann leider I
>) Ober Reugeld unten § 4. — •) Im Sinne der fidelitatis pro-
missio; Gierke S. 188, — •) Ebenda S. 186, 187. — *) Eben<^«
S. 182 ff - ») Des H R. Reichs ohnniittelbahrer Freyer Ritterschaft
der sechs Ort in Francken . . . Ordnungen . . ., Nürnberg 1710, S. l&r
86.
— 437 —
jetziger Zeit fast insgemein gespüret wird, so ist für rath-
sam, nützlich und nothwendig ermessen, daß hinf uro keiner
aus der Ritterschafft Fränckischen Craises, und xvelcher
sich dieser Satzung- und Ordnungen unterworffen, einigen
Knecht oder Diener beständiglich annehmien, oder in die
Harr^) aufhalten solle, er habe dann auf nachfolgende
Articul, selbige bestes Fleisses, und so viel uimier mög-
lich, Achtung zu haben, und sein Thun und Wesen dar-
nach zu richten, gelobet und geschworen." Und nun fol-
gen Versprechungen, daß der Gemietete dem Jimker treu
und hold sein, seinen Schaden warnen usw. will.
Solchen Ergebenheitseid ließen sich weiterhin auch
Großbetriebe schwören, die einen ganzen Gesindestaat
in Diensten hatten, so z. B. das badische Kloster Königs-
brück') oder die fürstlichen Hofhaltungen, wie z. B.
die hessischen Hof Ordnungen ') ergeben. Auch die
Hirten schwuren ihrer Dienstherrin, der Stadt. In Amor-
bach war es so seit 1528*): „Es sollen auch hinfurtter
die hirthen durch unsere amptleut iederzeit zu glubde
und eidt angenommen werden, ires bevelhs und be-
schaidts geleben tmd nachgeen."
Daß Knechte nach ihrer Mietung einen Eid an die
Obrigkeit schwören müssen, wird sehr oft, vornehmlich
in Süddeutschland, angeordnet. Schon 1451 wurde in
Köln*) der Inhalt des Eides normiert, freilich ohne Be-
zugnahme auf den Zusammenhang mit der Neumietung.
Nach Graf Eberhards d. ä. Stadtordnung für Stutt-
gart von 1492 •) dagegen mußte jeder Dienstherr seinen
Knecht acht Tage nach der Mietung denn Amtmann
stellen. Der Knecht soll an Eides Statt versichern, „imss
») harre = Handgeld; Lexer, mhd. Taschen -W. B. S. 68. —
•) Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins I S. 179. — •) LO. III. S. 157-182,
€26, 996, V S. 88, VI S. 46. — *) Oberrhein. Stadtrechte I S. 228 ff.,
bes. 281. — »)W. Stein, Akten I S. 867» — •) Sattler, Geschichte
d. Herz. Wörtenbcrg unter d. Graven V Beil. S. 86 ff., bes. 44.
- 438 -
und unser statt Stuttgarten als lang er daselbs Wonen
werde fromloien und Nutze ze schaffen und Schaden ze
warnen und ze wenden und unsem und unsem Amtlüten
und der Oberkait diser Unser statt gepotten und verpotten
gehorsam! und gewärtig ta sinde und von hinen nit ze
ziehen, er hab dann mlen^klich dem er gelten solle, ent-
richt . . .". Nur für Versehxmg der Wache verlangt die
Stadtordnun^: Walldürns von 1492^) Beeidigung der
Knechte. Imi Sinne des Stuttgarter Rechtes ist die Rege-
lung in einer Ordnung Überlingens aus dem; 15.
Jhdt. *), Udenheimls von 1525*), Adelsheims von
1527, 1596*), wohl auc^h Neckar steinachs von 1537*),
Ranisbergs von 1556®), Gleissweilers (bei Lan-
dau) von 1568^), Rechbergs, Heuchlingens und
Weilers von 1577®), Hohenstatts imd einiger weite-
rer Gräflich Adelmannscher Orte von etwa 1585'), des
Fleckens Winzelhausen (Amteis Botwar) von 1593^^).
Eine Polizeiordnung, die der Großprior des Johanniter-
ordens am: 24. Januar 1620 von Heitersheim aus
erließ"), die Zensur- und Rügordnung des sprait-
b acher Amtes von 1658"), die Polizei- und Dorf Ord-
nung von Adelmiannsf elden aus dem Jahre 1680"),
die essinger Dorf Ordnung von etwa 1710^*) enthalten
gleiches Recht.
Die bedeutsanüste unter den angeführten Rechts-
quellen ist die Polizei und Dorf Ordnung von Adel-
*) Oberrhein. Stadtrechte I S. 248 £F., bes. 271. — «) Grimm,
Weistümer V S. 218 ff., bes. 216. — •) Oberrh. Stadtrechte I S. 962 ff.»
bes» 971. — *) Ebenda S. 648 ff., bes. 674, 676. — ») Ebenda S. 877 ff.,
bes. 882. — •) Win tt erlin, Württembergische ländliche Rechts-
quellen I S. 789 ff., bes. 767, 769. — ') G rim m , Weistümer V S. 669 ff.#
bes. 670. — •) Winttcrlin a. a. O. S. 682 ff., bes. 711, 714. -
*) Ebenda S. 486 ff., bes. 441. — *<^) R e y sc h er, Statutarrechte S. 492 ff.,
bes. 498. — ") Habeische Sammlung. — ") W i n 1 1 e r ii n a. a. O. S. 612ff ,
bes. 686. — ^ Ebenda S. 468ff., bes. 480, 481. — '«) Ebenda S. 628 ff.,
bes. 688.
- 439 -
mfannsfelden (1680). Wie so viele Polizeifesetze ihrer
Zeit enthält auch sie einen besonderen Abschnitt ,,von
ehehalten, knecht und mägden". Der Eingang zu diesem
Sonderkapitel bilden wie stets bittere Klagen über des
Gesindes Halsstarrigkeiten und Bosheiten. Aber statt nun
mit einer Reihe von Zwangsmaßnahmien widetr Vertrags-
bruch, Lohnsteigerung usw. zu komimen, begnügt sich
die Ordnung damit, als Allheilmittel nichts als den Eid
anzuordnen. Wer einen Knecht auf (länger als) ein Jahr
gemietet hat, der darf ihn keine vierzehn Tage im Hause
behalten, ohne daß der Knecht der Obrigkeit den Eid
der Treue abgelegt hat. „Die dienstmägd und ander ge-
sind kan von dem' haussvatter tmd mutter bei antritt
des diensts der Schuldigkeit imd fleisses treulich erinnert
werden, sollte es aber nichts verfangen imd klagen vor-
kommen, hat man von ims die behörige obrigkeitliche
hülfe zu erwarten.*' Eine Besonderheit, nämllich ein Ge-
lübde bei der Dienstbeendigung, enthält femer das vorhin
gleichfalls genannte Eidbuch f ür R a m* s b e r g von 1556 ^).
Besonders nahe lag es, gerade die Müller knechte
(und Müller) der Öffentlichkeit gegenüber eidlich zu ver-
pflichten. Es hat keinen Zweck, die vielen Mühlenord-
nungen hier aufzuzählen, die alle solche Satzung ent-
halten. Als Probe sei der Eidesinhalt der hier vorbildlichen
Landesordnimg des hessischen Katzenein bogen aus
aus dem 17. Jhdt. *) mitgeteilt. Die Müller sollen alle-
') Den aUgemeinen Untertaneneid leisten die ausländischen
Knechte nach dem württemberger Recht des 16. und 17. Jhdts.
(Reyscher, Gesetze XII S. 56, 118, 217, 717, XIII S. 60, 108, 819,
XIV S* 414, XV S. 471, U S. 277). Bei manchen der in vorstehender
Darstellung angeführten Quellen ist der Charakter des Eides — ob
allgemeiner Untertaneneid oder Knechtseid — mit Gewissheit viel*
leicht nicht festzustellen ; es ist da mehrfach von „fremden" Knechten
die Rede, denen der Eid abgefordert wird, so z. B. im Rechte Rech*
bergs (1577), Spraitbachs (1658), Essingens (1710). - ')Selchows
Magazin £ d. teutschen Rechte u. Gesch. I S. 475 ff.
— 440 —
m!al, wenn sie einen neuen Knecht annehmen, mit ihm zum
Centgrafen komlmen und dort ihn schwören lassen, „dass
er treu und fleissig seyn, auch eineml jeden gleich und
recht thim, das Seinige unverfälscht xmd unverwechselt
mahlen und wiedergeben, danmter a:ber den geringsten
Vortheil oder Betrug nicht suchen, noch ausserhalb des
gebräuchlichen Molters davon etwas nehmen, verkaufen
oder sonsten veruntreuen, sondern sich aufrichtig und
dieser Unsrer Ordnung gemäß verhalten wollen, bey un-
gnädiger Leib-^ imd Lebensstraf". Weiter soll auf die
(kur-) hessischen Mühlenordnungen ^), auf das früheste
Stück derartigen Rechts in Hessen, eine marburger Rech-
nimg von 1464 *), sowie femer für das eidesreiche badische
Land auf die Stadtordnimg Heidelbergs von 1465 •),
das Stadtrecht von Osterburken aus dem' 15. Jhdt. *)
Und die Müllerordnung Bruchsals von 1555*) ver-
wiesen werden.
Daß auch die Hirten den Behörden einen Eid leisten
mußten, in dem sie vornehmlich Beachtung der Forst-
und Wildschutz- sowie der Seuchenbestimlmungen ver-
sprachen, ergeben hessische Gesetze vomi 1. Dezember
1659, 1. Juni 1682, 16. Oktober 1731, 6. November 1739,
1. September 1789, 17. Juni 1796, 18. Oktober 1828 «)-
In den Rechnungien des Pfarrhofes Selzen, die
der Pfarrer Peter Suleffel von 1501 bis 1512 führte^),
komimt regelmäßig vor, daß zu dem Vertragsschluß mit
dem Gesinde Zeugen zugezogen wurden; ein Mietgeld
wird nie erwähnt. Ob es sich hier um' eine Gewohnheit,
') LO. I S. &80, m S. 90, 897, V S. 61. - ») Oben S. 20. -
^ Oberrhein. Stadtrechte I S. 488 £F., bes. 485. — *) Ebenda S. 1040 ff.,
bes. 1044. — ») Ebenda S. 913, — •) LO. U S. 676 ff,, bes. 588, 589;
m S. 216 ff,, bes. 284, 287; IV S. 64 ff., bes, 65; S. 608 ff., bes, 681,
622, 688; VII S. 862; S. 675; MöUer-Fuchs S. 627 ff., bes. 682.-
Der Hirteneid wird im Interesse des Staates diesem geschworen;
anders der Eid, den die amorbacher Hirten ihrer Arbeitsherrin,
der Stadt, schwören (oben S, 487). — ') Habeische Sammlung*
- 441 -
die Befolgtmg eines Rechtssatzes oder ntir um! Eigenheiten
eines besonders vorsichtigen Di^istherrn handeke, mliß
dahingestellt bleiben. Nirgends sonst begegnet eine ähn-
liche Erscheinung.
Für die beiden Vertragsteile im? Gesindewesen galten
bisweilen besondere Vorschriften. So war Zustimmting
der Eltern des Dienstboten nötig, vornehmlich wenn dieser
minderjährig war.
Die Gesindegesetze sprechen diese dem' allgem,einen
Rechte angehörigen Vorschriften mieist nicht aus. An-
geführt sei ein Urteil des Oberhofes Dortmund für
Wesel aus dem! 15. Jhdt. ^), in dem — allerdings ohne
Erwähnung der Minderjährigkeit — davon die Rede ist,
daß eine Frau ihre Tochter zu Dienste vermietet; geht
die Toöhter gnmdlos axts diesem; Dienste, und nimmt die
Mutter sie auf, dann ist diese schuldig, dem' Mieter
einen versprochenen Lohn zu ersetzen.
Ähnliche Bedeutung hat folgender Eintrag im Ge-
richtsbuche Amorbachs von 1433'): „Item tobelin
dagt von der hinderer, daz sie ym eyn medelin bevollen
habe, ym zu dienen, und gesprochen, er solle daz zum
besten wysen und zijhen als sin eygen kind. Nu habe
sie daz medelin ym genomen imd heyme gezogen, an
sin willen, und fordert doch den lone gancz. Und er
habe an sie daz medelin widder gefordert. Da by sin
erber lüde gewest, tmd loss ym' daz medelin nit zu dinste
kommen, imd uss dienen. Ist ym leyder und schader
dann 1 gulde zucht zu den erbem beden." *).
*) Frensdorff, Statuten S. 284. — •) Habeische Sammlung;
<lie amorbacher Gerichtsbacher enthalten noch mehrere gleichartige
Eintrage aus jener Zeit. — •) Vielleicht lasst sich in gleichem Sinne
die Bestimmung des moringer Stadtrechts I 86, 46 (Zeitschr. f.
Rechtsgcsch. VII S. 290 ff., bes. 298. 299) verwenden, wo davon die
l^ede ist, „dat des knechtes eidern den knecht sinem herm wedder
to huss brochten eder bringen wolden".
— 442 —
Ob Bestiimmiiigai des bremer» oldenburger
und verdener Rechtes über den durch den Gewalt-
haber vorzunehnüenden Vertragsschhiß von ,,knecht idher
roegedike" ^) hier als besonderes Gesmderecht zu ver-
zeichnen sind, ist fraglich. In der ursprünglichen bremer
Fassung steht dies Statut weit weg von den sonstigen
gesinderechtUchen Sätzen; erst später wurde es als letzte
Bestimmung dem Kapitel über Gesinderecht angefügt.
Es soll wohl nur den allgaooteinen Grundsatz ^'om Ver-
tragsschluß Minderjähriger aussprechen (Knedit ist
Knabe).
Besondere elterliche Genehmigung verlangte das
brandenburger Recht'); von modemeiea Gesetzen
gehören beispielsweise die jülicher Dienstbotenordnung
von 1801 und die düsseldorfer von 1809 hierher^).
Nach Baumiann^) ist in Hessen die Zustimmung des
Gewalthabers nur für die jeweils erste Vermietung nötig;
wieweit diese Deduktion von auswärtigen Gesetzen her in
der Praxis befolgt wurde, steht nicht fest*).
Aus besonderem Grunde wurde der Konsens der Eltern
1427 im Ordenslande erfordert*). Preußische Dienst-
boten, die sich an Preußen vermieten, imd deutsche Dienst-
boten, die zu Deutschen in Dienst treten wollen, bedür-
fen der Zustimmung der Eltern — ohne Rücksicht auf
Voll- oder Minderjährigkeit. Diese können stets wider-
rufen, ohne daß das Alter der Kinder dabei maßgebend
wäre. 1444 wurde den Bauemkindem, die sich ohne Ge-
stattung der Eltern vermieteten, mit Verlust des Erbteiles
gedroht. Weigerte sich der Dienstherr, das Gesinde auf
Verlangen der Eltern herauszugeben, dann erhielt er eine
>) Bremen (Oelrichs) 1808 Stat 125, 1428 U 80, 1488Stat82;
Oldenbuiig 1845 II 26; Verden (Pufendorf, obs. iur. I app. S. 77ff.,
bes. 119) Stat 181. — «) Lennhoff S. 41. — •) Scotti, JüÜch S.880,
1252. — *) S. 11. — •) Vgl. auch Kraut, Die Vormundschaft nach
den Grundsätzen des Deutschen Rechts II (1847) S, 880« — ^ Hert2
S, 16; Steffen S. 7fr.
- 443 -
halbe Mark Strafe; 1445 wurde diese gar verdoppelt und
auch auf das Gesinde ausgedehnt^).
Uralt ist das Recht der Hausfrau zur vorläufigen
Mietung der Dienstboten. Im Mittelalter „konnte die
Hausfrau allerdings Verträge mit ihnen schließen, allein
die Giltigkeit derselbem hing von der Bestätigung des
Mannes ab"'). Juristischer ausgedrückt bedeutet dies
nichts weiter, als daß die Hausfrau die Gesindemiete
nicht vornehmen kajin. Das entspricht durchaus den
mittelalterlichen Quellen, die nie ausdrücklich der
Frau die Mietung auch nur des Hausgesindes zuweisen.
Nur über kleine Beträge konnte die Frau in genau gezoge-
nen Grenzen selbständig kontrahieren'). Die speziellen
Gesindegesetze der späteren Jahrhunderte handeln nie von
der Stellung der Hausfrau zur Gesindemiete. Die tatsäch-
Uch hier erfolgte Ausdehnung der Schlüsselgewalt ist in
den allgemeinen Gesetzen des Familienrechts enthalten.
Für Hessen des 19. Jhdts. spricht Baumann ^) der
Frau das Recht zui Mietimg zu. Daß dies auch früher
schon dem Volksrecht entsprach, ergeben die loshauser
Gesinderegister*). 1652 ist hier notiert: „hatt mein fraw
ein maitgen von Zigenhain gedingt heist Barbling und
gibt ihm 1 Kthlr. 8 Ellen duch 1 par schuh, und 1 Kopf-
stück zu mit Pfennig ist den 26 july eingangen.'* Eben-
so wird 1644 imd 1655 das ganze weibliche Personal von
der Frau gedingt, imd zwar nicht nur das Hausgesinde,
sondern auch die beiden Viehmägde. Und die Frau dingt
nicht bloß, sie „gibt*' auch den Lohn, d. h. natürlich
nur: sie verspricht ihn; die Auszahlimg fand gemeinsam
für das ganze Gesinde durch den Buchführer statt.
') Steffen S, 8. — ") K, Wein hold, die deutschen Frauen in
dem Mittelalter, 1861, S. 311. — •) Schröder, Gesch. d. ehelichen
Güterrechts U 1 S. 100 flF., II 2 S. 8 flf., II 8 S. 218 ff. - *) S. 10. -
*) St A. Marburg.
— 444 —
S 4. Der Dienstantritt Ziehzeit und Dienstdauer.
War die Schuld begründet iind die Haftung durch
Hingabe und Annahme des Mietgeldes erwirkt, dann gab
es regelmäßig keinen Rücktritt. Ein Reurecht kennt
das deutsche Recht in nicht allzu vielen Fällen^). Nur
ausnahmsweise nimimt das Mietgeld den Charakter eines
Reugeldes an, gegen dessen Verzicht der rurücktretende
Vertragsteil sich befreien kann.
Ohne Einschränkung ist ein derartiges Recht in fol-
genden Satzungen enthalten. Das lübische Recht sagt
1294 *) : „So we so 'deme anderen gif t des hileghen gheystes
penninch up enen koop oder up en lovede, dat is also
stede alse he hebbe den litkop gegheven, it ne si also dat
er en den penning weder gheve oder de andere ene weder
esche er se sie vuUen scheden". Und ein göttinger
Statut von 1402^) bestimmt: „welk maget sek vormedet
unde medepenninge opnomet, deme schal se deynen, efte
se ome de miedetpenninge joch wol weder sende eder
brechte".
Ganz merkwürdig ragt hier das hohenzollern-
sche Recht in imsere Zeit hinein. Die bereits erwähnten
Gesindeordnungen von 1843 lassen das Mietgeld von dem
Gesinde an die Herrschaft gezahlt werden und bestimmen
darüber*): „Die Herrschaft, welche vomi Dienstboten
Mietgeld angenomlmien hat, muß es diesem nach vier-
wöchentlicher Dienstzeit doppelt — wenn der Dienstbote
ohne eigene Schuld nicht antreten kann, einfach — , wenn
er schuldhaft oder ohne genügenden Grund nicht antritt,
gar nicht zurückgeben." Dieser letzte Passus gibt dem
Gesinde die Möglichkeit, gegen Verlust des Mietgeldes
ohne weitere Folgen zurückzutreten.
In anderer Gestalt erscheint die gestattete Reue da,
') Gierke, Schuld und Haftung S. 81^8 ff.; Stobbe, Reurecht
S. 261 ff. — ") Hach Nr. 117. — «) v, d. Kopp, Statuten S. 97. -
^) Kahler S. Ul.
— 445 —
wo derAusschluß des Rücktrittes erst bestimUnte Zeit nach
Empfang des Mietgeldes angeordnet wird, während inner-
halb jener Zeit Reue gestattet ist. So setht im de Her
Stadtrecht ^) : „Es sollen die Diensten, bey denen der
Gottes oder Miedes-Pfeamig benachtet demjenigen,
dem sie sich verpflichtet, Dielnste halten." Gleiches in
anderer Form sagt an zwei Stellen das Stadtrecht (II)
von Überlingen imii 1400*). Der Dienstherr darf am
Tage der Mietung, nachher nicht mtehr, Mrücktreten :
„. . . dazselb mag sinen dienst wol absagen und den win-
kouf widememen uf den tag, alz es gedinget hat, und
darnach nit, an alle gevaerde". „Und desgelichen ist
ouch den diensten gen iren herren und frowen auch be-
halten: Welche knecht oder magt zu ieman dinget, die
sond iren winkouf nit widergeben, si rügen es denn uf
denselben tag, alz si gedingt hand, an gevierde". Ein
sandwellisches Landurteil aus dem 16. Jhdt. ') setzt für
Münster eine dreitägige Frist fest: „Derselbe, so den
Dienst nicht anzimehmien veitneinte, soll den Weinkauf bey
der dritter Sohnnen ahn seinen Ohrt wieder einzuHeferea
schuldig sein, oder einen ^deren, wohmit die künftige
Herr und Fraw einen Frieden haben, ahn seinen Platz
bestellen." Auf eine ähnliche frühere Sitte inWürtteml-
berg läßt die Schäferordnung von 1651*) schließen. Bei
einer Mark Zunftstrafe wird hier verboten tmd für die Zu-
kunft abgeschafft, daß die Kontrahenten sich gegenseitig
acht Tage nach der Vermietung kündigen dürfen. Auch in
Bayern mußte die Gesindeordnung von 1781 *) ausdrück-
üch verbieten, daß die Sitte, wonach beide Teile vier-
zehn Tage nach dem Dienstantritte wieder ziurücktreten
dürfen, beibehalten wurde.
*) P u f c n d o r f , obs. iur. I app. S. 229 ff., bes. 281. - «) Oberrhein.
Stadtrechte II 2 S. 52 ff., bes. 7ü. — •) Philippi, Landrechte des
Monsterlandes I S. 68. — *) Reyscher, Gesetze XIU S. 108. «
*) Kr. A. Manchen. AR. Fasz. 469 Nr. 209.
— 446 —
Vereinbaren die Parteien ein Dienen auf Probe,
so ist auch dies als Ausmachiuig eines Reurechtes an-
zusehen. Eine derartigie Sitte bestand zumi Beispiel im Ge-
werberechte Straßburgs nach der Innungsordnung von
1536^): bei festem' Engagement auf ein Vierteljahr wird
der Weinkauf getrunken; wird nur probeweises Arbeiten
auf vierzehn Tage ausgenaacht, dann ist der Weinkauf
nicht nötig. Fürs Gesindewesen wird über den Brauch
eines Probemonats aus Hessen berichtet. Aus einer Bcr
schwerdeakte vom' Jahre 1830 *) ergibt sich, daß die Ver-
tragsparteien die ersten vier Wochen als Probemonat für
beide Teile betrachteten^).
Sobald dem vom Vertrage Zurücktretenden eine
Hauptleistung auferlegt wird, die nicht auf die arrha zu-
rückführbar ist, nimmt diese Verpflichtimg den Charakter
einer Strafe an. Dann fehlt das Reurecht, das die Ge-
stattung der Reue voraussetzt. Ebensowenig wie eine
mit Strafe bedrohte Tat rechtlich gegen Verbüßung der
angedrohten Strafe gestattet ist, wird die Reue da erlaubt,
wo die für die Nichterfüllung des Vertrages angekündigten
Folgen den zivilrechtlichen Charakter verHeren und als
Privatstrafe erscheinen. Wenn insbesondere im! Gesinde-
recht der eine oder andere Teil bei Nichtantritt des Dien-
stes oder Nichtannahme dem Gegenkontrahenten den hal-
ben oder ganzen Jahreslohn auszahlen muß, so wird hier-
mit nicht etwa Rücktritt, Reue gegen Entrichtung des
Lohnes erlaubt; vielmehr ist der Rücktritt prinzipiell ver-
boten, und es steht ^ine Strafe in Höhe des Lohnes auf
^) S c h a n z , Gesellen verbände a 252; S t o b b e , Reurecht S. 8S3.
— *) St. A. Marburg. Fuldaer Reg.-Akte in Betreff Beschwerden der
Dienstherrschaften gegen ihr Gesinde und umgekehrt. PoL-Rep. A
Nr. 8 (in Sachen von Buttlar gegen Vollmoellcr). — ■) Ober einige
weitere Falle von Reurecht zu gunsten des Bleibens bei der bis*
herigen Dienstherrschaft wird in diesem Abschnitte weiter unten
in anderm Zusammenhange berichtet
— 447 —
der trotzdem erfolgenden Weigerung, den Vertrag zu ear-
füllen. Den Hauptteil der Verpflichtung des ErfüUungs-
tinhistigen bildet nicht der Mietpfennig — der doch das
eig^entliche Reugeld sein müßte — sondern die Zahlung
eines miehr odier weniger großen Teiles der Vertragslei-
sttingr, des aiisgemiachten Jahrlohnes.
Der Strafchaiakter solcher Anordnungen tritt in der
Zeit der Polizeigesetze noch deutlicher hervor. Bestand
schon früherhrn die Geldleistung des Dienstboten bei
Nichterfüllung meist in emem größeren Lohnteile, als
die Vertragsbrüchige Herrschaft zu zahlen hatte, so wer-
den dem Gesinde die Geldbußen bald in Leibes- (Freiheits-)
Strafen und Ausweisung umgewandelt, und es kommt
noch — der Vertragsnatur gänzlich zuwiderlaufend — der
Gedanke zwangsweiser Zuführung zum Dienste auf. Nur
gelegentlich einmial aber wird der Symmetrie halber auch
der Vertragsimtreue der Dienstherrschaften gedacht.
Von der Auffassung, daß nur dem geschädigten Ver-
tragsgegner eine Genugtuung gebührt, dagegen dem Staat
kein Strafanspruch zusteht, geben von älteren Rechten
beispielsweise die von Hamburg, Lübeck, Bremen
und Oldenburg Kunde; der untreue Dienstbote muß
dem: Gegner „halff wedderfceren dat eme lovet was"*).
Weiter geht aus dem ältesten Rechte eine h i 1 d e s h e i -
m e r Quelle von 1249 *), wo es heißt : „Si quis conducit
servum vel ancillam, et illi recedunt sine licentia, tantum
premii debent ipsi lestituere, quantiun eis fuit promissum."
Eine göttinger Lohnordnung von 1445 •) zeigt, daß
die anfängliche Zubilligung des Reurechtes nicht mehr
uneingeschränkt aufrecht erhalten wird. An erster Stelle
») Hamburg (Lappenberg) 1270 VIII 1, 1292 K 1, 1497 F 2;
1608 II 9 Art 2. 8; Ltkbeck (Hach) 1294 Stat. 846; Bremen (Öl rieh s)
1808 Stat 88; 1428 Stat 88; 1488 Stat 80; Oldenburg (Ölrichs) 1845
Art. 84. - ") Origincs Guclficae IV S. 242 ff., bes. 244. - •) v. d. Kopp,
Statuten S. 476.
— 448 —
steht das Gebot des Dienstantrittes, erst danach foli
die wahlweise Festsetzting eiaer bestimmten Lösung:
summe: „Unde we sek vormedet und den berkop u]
genomen hedde, de sal solken denst holden dem he se
vormedet heft. We des nicht en dede und des so nid
holden en wolde, de sol demjennen deme he solken dens
gelovet eder togesecht heft, 3 gott. m. gheven und Ix
talen eder solken denst holden." Das ostfriesisch
Landrecht ^) setzt als Leistimg des Dienstboten bei Nicbl
antritt den Lohn fest, „alse se solden vordenet hebben*'
Im Anschluß an ihre älteren Vorbilder legen dai
eiderstadter Landrecht von 1586*) und die Stadt
rechte für Husum! von 1608') imd Friedrichstadl
von 1633*) dem zurücktretenden Vertragsteil — Herr
sChaft oder Gesinde — Zahlung des halben Jahrlohns aD
den Gegner auf ; der Rechtszustand erhielt sich in solcher
Gleichmäßigkeit auch noch weiterhin im Lande, wie die
Polizeiordniuig für P 1 o e n von 1749 *) beweist. Auch in
dem nahe dabei liegenden Lande H a d e 1 n galt in der
nachmittelalterlichen Zeit gleiches Recht gemäß dem
Landrecht von 1583«) und der Gesindeordnung von
1655 ^) ; die Regelung ist hier „von Alters her gebräuch-
lich*'. Bei zivilem Schadensersatze läßt es auch die henne-
bergische Landesordnung von 1539*) bewenden. Eine
genauere, individuellere Schadensermessung wählte die
bayerische Ehehaltenordnung von 1656 •). Nach ihr
kann sich der Dienstbote durch Stellung eines tauglichen
Ersatzmannes befreien. Die Berechnung und Ersetzung
des wirklichen Schadens in Geld wurde in Mühlhau-
•) Wicht n 282. - >) Art. 42; Corp. Stat. SIesv. I S. 1. "-
•) ra Tit. 44; ebenda H S. 66. — •) U 2 Tit XI § 86; ebenda IH 1
5 1.-») Tit 8 Art 2; Schrader, Handbuch ül S. 19ß- "
•) Pufendorf, obs. iur. I app. S. Iff. II 20. - ') Spaogenbcrgr
Verord. f. Hannover IV 8 S. 266. — •) Sickcl, Vertragsbruch S,l(»
— •) Kn A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1.
— 449 -
sen durch Statut von 1692^) und das erneuerte Heimbuch
von 1736*) angeordnet •). Dies mußte auch der Grund-
satz des gerechteren mjodemen Rechts werden, wovon
die Gesindeordnnng für Jülich von 1801^) und die für
Düsseldorf von 1809^) Ktuide geben.
Besonders für sich genannt werden miuß eine Stelle
aus dem' bereits genannten Statut der Stadt Münster
von 1372 •), wo von dem Kaufe tmfreien Gesindes
in der Stadt die Rede ist; nur mit besonderer Er-
laubnis des Bürgermeisters darf solches Gesinde aus der
Stadt heraus gebracht werden. Weiter heißt es: „Wer
ock jennich Mensche, de gekoft worde, jemimande deinde
of Deinst gelavet hadde, de sali dat halve Jaer uth deinen
dem gennen, dem he dat gelavet hevet." Eine Strafe
fehlt. Der Grund hierfür ist einfach der, daß es sich ja
um* kein Gebot an die Dienstboten handelt, als vielmehr
um eine Beschränkung des Eigenherm, dem die Ver-
wertung seines Gesindes auf eine Zeit entzogen wird.
In sonstigen Gesetzen komimt die Ersatzpflicht nur
neben dem kriminellen Mittel, der Geld- und Leibesstrafe
oder Ausweisung, und dem polizeilichen Mittel, der
zwangsweisen Zuführung zum! Dienste, vor. Der Zweck
der Bestrafung ist bisweilen direkt dem! praktisch erstreb-
ten Erfolge, der Zwingung in den Dienst, imterstellt;
es heißt in solchen Fällen, daß der Dienstbote solange
ins Gefängnis gesperrt werden soll, bis er sich zum' Dienst-
eintritt versteht. Meist ist aber die Strafe absolut in ihrer
Höhe bestimtait, xmd der Poliaei ist zur Zuführung in
den Dienst weiter keine Vorschrift gemacht, sondern es
bleibt ihr überlassen, von dem wirksamsten Mittel Ge-
') In der stfidt BibUothek Mahlhausen. — ') Tit. 24 Nr. 20 Art. 46
§ 4; Stadtarchiv Mahlhausen. — ') Nach Sickel (a. a. O. S. 102)
galt zivilrechtliche Ausgleichung in Schwein fürt 1720 und 1780. —
•) Scotti, JflUch S. 880. - ») Ebenda S. 1262. - •) Niesert, Ur-
kundensammlung DI S. 125 ff., bes. 127 ; oben S. 867.
K5nn«ckc. 29
— 450 —
brauch zu machen. Wenn es auch leichter wäre, hier die
Gesindegesetze aufzuzähl^i, welche Bestimimungen über
die mit Zwang zu erreichende Antrittspflicht nicht ent-
halten, so ist die Erscheinung zur Beiu-teilung der Ge-
schichte des Gesinderechts doch allzu wichtig, als daß
sie hier kurz erledigt werden könnte.
Mit das älteste Zwangsrecht kennt Bayern. Schon
das münchener Stadtrecht von 1347 ^) drohte dem' Gesinde,
das nicht antreten will, mit Haft bis zur Gefügigkeit, einer
Geldstrafe imd Ersatzpflicht: „Waer aber, ob ain knecht
oder diern, der sich also verdingt hielt, das nicht tuon
wolt, und wolt die pfening wider geben und dem- nicht
dienn, als er im' versprochen hat, so sol der selb man
oder frau, zuo dem er sich vferdingt biet, im für recht
pieten; kumpt er nicht, so sol er im ze dem andern mal
^ürpieten und kumpt er dann nicht, so sol er ez dem
richter ze wizzen tuon, der sol enen dann in die schergen-
stuben antwnrten, und da sol er es als lang innen ligen,
hinz daz er seinem herren oder fraim iren dienst ver-
wizzt, und im sein schaden abtuot, den er des rechten
genomen hat, und dem richter XX II II pfening, der stat
XXXVI." Auch die Landesordnung von 1501 ^) stellt den
Dienstboten in Aussicht, daß sie nicht los gelassen und
bei hartnäckigem Weigern auf drei Jahre ausgewiesen
werden sollen. Seit 1507 wurde neu beraten. Es kam
schließlich 1516 in der Landesordnung als Ergebnis her-
aus, daß die Landesverweisung aufgehoben wurde; die
Dienstboten sollten dafür unter Strafdrohungen zum Ein-
tritt in den Dienst angehalten werden, niemand diurfte wäh-
rend des vertragswidrigen Verhaltens die Dienstboten
in sein Haus aufnehmen*). Die Landesordnung von
1553*) ging wieder ziu: Ausweisimg über; wollten die
M Auer, Art. 209, — ') Krenner, Landtagshandlungen XIII
S. 261 ff., bes, 301. — •) PI at z er S. 80. — *) Kr. A. Amberg. Repert.
Landrecht Polizei Fasz. 1 Akt. 9.
— 451 —
Dienstboten nidit eintreten, dann durften sie sich ein
Jahr lang an dem Mietort nicht verdingen. Auch das
bayerische Recht des späten 18. Jhdts. ging mit dem
direkten gerichtlichen Zwang gegen die ungetreuen Diener
vor ; dafür sei § 7 der Gesindeordnung von 1781 ^) ange-
führt.
Im lands huter Rechte von 1408*) heißt es von
dem Dienstboten, der nicht antreten will: „Dem soll die
Stadt verboten seyn, von demselben künftigen Lichtmessen
über ein ganzes Jahr imd soll darin nichts genießen,
weder Freiung, Fried, Gelait, gewaltiger Herrn oder
Frauen Bitt oder Both, noch kein ander Sach." Rückgabe
des Mietgeldes und empfindliche Strafe waren nach der
Polizeiordnxmg Dinkelsbühls') die Folgen, die der
Nichtantritt für die Dienstboten hatte. In Nürnberg
mußte der Dienstbote selbst bei triftigem Grunde einen
Ersatzmann stellen, ehe er von der Antrittspflicht ent-
bunden wurde. Das Mandat von 1628*), das diese Be-
stimommgen enthält, ordnet weiter für den wegen des
Ausbleibens nicht entschuldigten Dienstboten acht Tage
Eisen und zwei- bis vierjährige Veirbannung aus der
Stadt an.
Die Würzburger Taxordnimg von 1652 *) heißt den
^derspenstigen Dienstboten ins Gefängnis stecken, bis
er in den versprochenen Dienst gehen will. Die in demh
selben Jahre erlassene Taxordnung für das branden-
burgische Franken •) verfolgt ähnliche Gedanken wei-
ter. Bringt das Gesinde das angenommene Mietgeld wie-
^cr, dann soll der Herrschaft ^Amtshilfe hiergegen ge-
währt werden. Die Kamipfmittel bei Nichtantritt sind wahl-
*) Kr. A. München. AR. Fasz. 459. Nr. 209. — •)Stauden-
faus, Chronik I S. 107. - •) v. Weber, Statutarrcchte II S. 1016.
^ *) Kr. A. Nürnberg. Bestand A. Akten Nr. 24 S. I L. 666. —
*) Kr. A. Würzburg. V. 9661. — •) Kr. A. Amberg. Zugang 6 Fasz. 24
Nr. 212.
— 452 —
weise Auferlegung der doppelten Mietgeldzahlung und
Leibesstrafen. In der späteren Gesindeordnung von 1769 *)
werden die anerkannten Gründe des Nichtantrittes ge-
nauer aufgezählt; ihre Bergung durch ärztliche Zeug-
nisse oder auf sonstige Weisel wird angeordnet. Bleibt
ein Dienstbote ohne solche Gründe und Beweise aus, dann
wird er von obrigrkeitswegen für die Herrschaft aufge-
sucht Und auf 48 Stunden in den Turm geatzt ; die Herr-
schaft ist aber nicht mlehr verpflichtet, einen solchen
Dienstboten anzunefamien.
Daß die österreichische Gesindeordnung von
1779') Arrest als Zwangrsmittel wählt, magr im Anschlufi
hieran kurz erwähnt sein.
Aus Süddeutschland gehört sonst noch hierher das
Vogtbuch für Ramsberg von 1556*). „Wölche knecht
öder ander ehehalten in die versprochen dienst nit ein-
standen, die sollen auch in diser oberkait nit gedult, sonder
ain jar lang auss disem gerichtszwang gepotten werden.**
Ein anderes Recht steht in der Polizeiordnimgr für den
Kletgau von 1603*). Sie erklärt den Dienstboten, der
nicht antreten will, des Lohnes verlustig und droht mit
Turmstiafe; außerdem darf er während der Zeit, für die
er sich verdimgen hatte, nicht anderwärts dienen. Diese
Ausbildimg' des Boykotts ist von der gewöhnlichen, auf
eine bestimimte Zeit angesetzten Ausweisung oder Dienst-
untersagung aus besondereml Grunde verschieden. Was
eigentlich erreicht werden sollte. Zwingung in den Dienst
für die versprochene Zeit, sollte so wenigstens zum Schaden
des Dienstboten, wenn auch ohne Nutzen für die Herr-
schaft durchgesetzt werden; während der abgemachten
Zeit wurde der Dienstbote gestellt, als sei er der Dienst-
verabredimg entsprechend tatsächlich ani Annehmen eines
») Kr. A. Nürnberg. S. 28 ^^ Nr. 779 Repcrt 288. — «) Kr. A.
München. GR. Fasz. 402 Nr. 2. -») Wintt erlin, Württembergische
ländl. Rechtsquellen I S. 759 ff., bes. 767. — «) Habeische Sammlung.
— 463 —
neuen Dienstes gehindert^). Die andere Formt grvmd-
lieberer wirtschaftlicher Schädigung der untreuen Dienst-
boten wählte die villinger Polizeiordnung von 1668*).
Der Dienstbote wird auf ein Jahr der Stadt verwiesen.
Schließlich sollen noch die badischen Gesindeordnun-
gen von 1782 (für Stadt Freibtirg) und 1809») genannt
sein; diese beiden verzichten auf Bestrafung des Nicht-
antritteSy lassen aber polizeiliche Zwangsmittel zu.
Von mitteldeutschen Rechten reicht die Entwicklung
in Kurhessen ami weitesten zurück. Nach der Polizei-
ordnimg von 1622*) ist die „Leichtfertigkeit gar nicht
zu dulden" tmd mit Tturm zu strafen, daß das Gesinde
den Mietpfennig zurückbringt und nicht antritt. Die Ge-
sindeordnung von 1736 *) regelt die Fragen in § 7 ff . Der
Dienstbote „sol . . . allerdings schuldig und gehalten
seyn zu versprochener Zeit in den Dienst zu gehen, und
wiedrigen Falls darzu von der Obrigkeit nach vorgängiger
Bestraffung ernstlich angehalten werden". Straffrei, aber
zur Rückgabe des Mietgelds verpflichtet ist, wer aus er-
heblichem' Grunde (Krankheit) zur rechten Zeit nicht
kommen kann. Ausführlicher noch sind die gleichartigen
Bestimmungen der hanauer Gesindeordnung von 1748*)
§ 5; der Dienstbote muß den Schaden ersetzen, den die
Herrschaft durch Zuziehung fremder Arbeitskräfte zum
Ersatz erlitten hat. Die drei letzten Gesindeordnungen
von 1797, 1801, 1816*) lassen eine mißverständliche Un-
klarheit über der Frage der Antrittspflicht. § 8 regelt
die Frage des Doppeltvermietens und droht Strafe darauf.
Dieser Paragraph ist von 1736 her übernommen. Der
1736 vorangehende Paragraph über die Pflicht des Ge-
*) Hertz S. 26. — «) Oberrhein. Stadtrechte II 1 S. 208flf., bes.
216. — ») Gern L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6891 ; — Provinz
Niederrhein. Gesindepolizei. Lit. R Nr. 1 IV 2. - *) LO. I S. 616.
- •) LO. IV S. 410. - •) St A. Marburg. IX A 1621. - ') LO. VH
S. 727; Vm a 26; MöllerFuchs S. 118.
— 454 —
sindes zum Dienstantritt ist 1797 und später erw^tert:
§ 7: „Der Dienstbote ist schuldig, die ganze Miethzeit
ün Dienste auszuhalten, und darf sie nicht eigenmächtig
abkürzen." Man glaubte wohl mit dieser umfassenderen
Regelung auch die Fälle der Abkürzung der Dienstzeit
nach vom getroffen zu haben, imd unterließ so eine aus-
drückliche Erwähnung der Antrittspflicht ^).
In Schaumburg brachte die Polizeiordnung von
1615*) keine ausdrückliche Regelung der Antrittsfrage.
Bei der Behandlung des Abspenstigmachens ') nur wird
ein besonderer Unterschied zwischen dem Abspannen eines
schon dienenden und dem' eines erst gemieteten, aber
noch nicht im Dienst stehenden Dienstboten gemacht.
Die Betonung des Zustandes dienstloser Vermietung macht
die Annahme wahrscheinlich, daß die öffentlich-rechtliche,
nicht bloß kontraktliche Pflicht zirni Dienstantritt hier
wie anderswo damals auch bestand, wenn auch zur Durch-
setzung direkt keine Mittel gegeben waren. Stumpfe Waf-
fen sind es auch, die das f u 1 d i s c h e Reskript von 1761 *)
den Herrschaften und der Polizei in die Hände gibt; der
gedungene Dienstbote ist nur gezwungen, „in die einmal
angenommene Dienste einzugehen", ohne daß Zwangs-
mittel angegeben werden.
Eine Gesindeordnung aus dem! 18. Jhdt. für Nassau-
Usingen*) bringt die bekannte Verquickung von Strafef
und Polizeizwang; bis der Dienstbote sich zum: Eintritt
hergibt, soll er im= Gefängnis bleiben. In der sayn-
wittgensteiner Polizeiordnung von 1776*) stehen
neben dem Polizeizwang zweitägige Gefängnisstrafe oder
Geldstrafe von täglich 15 Kreuzer der geschädigten Herr-
schaft als Machtmittel zu Gebote.
M Heute durch preuss. Gesetz von 1886 ausdrOcklich bestätigt
(Süsskind S. 112). — «) Nach Rottmann. — •) Kap. 68. — *) Bd. V
der cass. Reg.-SammL; Freyssche SammL Mflller^Fulda. — *) St A.
Wiesbaden. V. Nassau-Usingen. Generalia 11 • Verordnungen Band V
S. 128. — •) Univ.-Bibl. Marburg.
— 455 —
Cleve ging von 10 Thlr. Geldstrafe, die die Ge-
sindeordnting von 1696^) deml ausbleibenden Gesinde an-
kündigte, 1753*) zur zwangsweisen Zuführung über; der
Scherge soll 20 Stüber Lohn bekommen. Früh schon
kam in Westfalen die Strafe auf. Eine Mark oder
bei Armut Haft hat der ausbleibende Dienstbote nach
der 1423 von Rittern und Städten vereinbarten Gesinde-
ordnung') zu gewärtigen. Iml Münsterlande setzten
die Godingsartifcel des Domkapitels nach der Fassung
von 1665*) fünf Mark Strafe fest: der Knecht „soll den
Dienst halten oder einen andern Knecht lohnen und der
Obricheit fimf Marck rue Straeff gieben". Die Fassung
von 1715^) dagegen erkennt die Lösung durch Angebot
eines Ersatzmiannes an, wohl aus Mißverständnis der vor-
hergehenden Bestimmung. Es heißt: „Derselbe soll den
Dienst halten oder einen andern Knegdt, wan der Wirth
damitt zufrieden, ahn seinen Platz schicken, wiedrigen
Falss dem' Wirthen nicht allein den Lohn undt erhttenen
Schaden zu ersetzen schuldig, sondern auch dem Fisco
Verfallen sein in 5 Marök Straeff*. Die Strafe folgt also
nur, wenn der Knecht nicht antritt tmd auch keinen Er-
satzmann stellt. Die Gesindeordnung von 1722 *) dagegen
spricht offen die gewohnte Strafdrohung schon für den
Fall des Nichtantrittes aus; ebenso ist wohl die Pi)ü-
zeiordnimg von 1740'') m verstehen.
Eines der ältesten Zeugnisse für strafendes Vorgehen
liegt in dem dem 13. oder 14. Jhdt. angehörenden Stadt-
rechte von Duderstadt vor®). Der Dienstbote wird
-auf ein Jahr der Stadt verwiesen, wenn er sein Verspre-
chen nicht hält. Willkürliche Strafen dagegen droht die
*) Scott! , Cleve S. 690, — «) Ebenda 1452. — •) Seibertz,
Urkundenbuch II( S. 48 fr., bes. 45. — *) Philippii Landrechte des
MQnsterlandes S. 181. — ■) Ebenda. — *) Sammlung Münster I S. 868.
^ Univ. -Bibl. Marburg. — ')Gengler, Deutsche Stadtrechte des
Mittelalters S. 91.
— 466 —
detmolder Polizeiordnung von 1620^). In Weimar
bestand 1651 ^) Geldstrafe in Höhe des Vierteljahrslohnes.
Die jenaische Gesindeordnung von 1751 •) dagegen hat
die Musterkarte Haft, Zwangsmittel, willkürliche Strafen,
Ersatz. Die altenburger Gesindeordnung von 1744*)
setzt die Strafen auf zwei Gulden oder sechs Tage Ge-
fängnis fest. Drei Jahre lang sollen die Dienstboten nach
celler Rechte^) ausgewiesen werden, wenn sie nicht in
den versprochenen Dienst eintreten.
Außerordentlich weit geht die gründliche hanno-
versche Gesindeordnung von 1732 •), das Vorbild für so
viele Ordnungen des 18. Jhdts. Wenn der Dienstbote
zwar kommt, aber nicht rechtzeitig, dann bleibt es ja beim
zivilen Ausgleich: ihm wird der Lohn um die durch sein
Fernbleiben nötig gewordenen Taglohnausgaben gekürzt.
Wenn er aber ganz ausbleibt, ohne durch Krankheit, Hei-
rat „oder sonst bevorstehendes Glück, welche Sache keinen
Verzug litte", verhindert zu sein, daim kommt er bei Wasser
und Brot ins Gefängnis und wird später auf Verlangen
zwangsweise in den Dienst geführt, oder er muß den
Schaden ersetzen „und bey Ermangelung des Vermögens
am Leibe dafür büßen". Und auch wenn ihm ein hin-
derndes „Glück" wie eine Krankheit dazwischen kommt,
ist er nicht ohne weiteres frei. Das muß der Herrschaft
gleich angezeigt werden, damit sie sich nach Ersatz uni-
sehen kaim. Oder es muß ein Ersatzmann gestellt wer-
den; der abtrünnige Dienstbote hat „ehender seine Loss-
lassung nicht zu gewärtigen". So spezialisiert war das
Recht der hessischen Gesindeordnungen von 1736 und
1748, die gleichfalls Ableger dieser großen Gesindeord-
nung sind, nicht, wie eben gezeigt wurde ^). Auch die
^) Landesverordnungen L.-Detniold I S. 858. — *) Joh. Schmidt,
Gesetze f. Weimar IV S. 162. - •) Ebenda S. 168. — 0 Univ. - Bibl.
Marburg. XVIII f B 1119 1 . - *) P u f en d or f , obs. iur. I app. S. S89 fi;
bes. 281. ~~ *) Spangenberg, Verordiu f. Hannover IV 2 S. 461.
— ') Oben S. 468 f.
— 457 —
waldecker Gesindeordnting von 1736^) folgte ihrenü
Muster hier nicht, sondern droht nur Geldstrafe für ver-
späteten Dienstantritt.
Die bremer Bursprake von 1350*) und kundige
Riolle von 1489') verhängen über den ausbleibenden
Dienstboten ein Jahr Dienstverbot nebst Ersatzpflicht.
Aus Schleswig-Holstein kommeDi nur die neueren
Provinzialrechte in Betracht *). So bestimante die Gesinde-
ordnung von 1740*), daß bei verspätetem Antritte der
Lohn für jeden versäumten Tag gekürzt werden könne;
auf gänzliches Ausbleiben sind Gefängnis, zwangsweise
Zuführung und Schadensersatz, bei Unvermögen noch-
mals Leibesstrafe angesetzt. Die Polizeiordnung von
1768*) stellte dagegen nur zwei Thaler Geldstrafe mit
Verlust des Mietgeldes imd zwei Tage Haft zur Wahl.
Ein besonderer Fall des Nichtantrittes ist der, daß der
Dienstbote sich auf dieselbe Zeit mehrfach ver-
mietet imd es sich so unmöglich macht, in die sonst
versprochenen Dienste einzutreten.
Hier überschreitet das Verhalten des Dienstboten in
der Tat die bloßem zivilrechtlichem Ausgleich gesetzten
Schranken und ninmit strafrechtlichen Charakter an. Um
so auffallender ist, daß die Gesetzgeber von der ihnen
gegebenen Möglichkeit, das mißliebige Gesinde beson-
ders energisch zu strafen, nur sehr zurückhaltend Ge-
brauch machen. Ja, die Auffassimg der älteren Zeit ging
sogar teilweise dahin, daß nur der Nichtantritt bei dem'
Erstmieter als Vertragsbruch erscheint, während das doch
zweifellos betrügerische Verhalten gegenüber den späteren
Mietern Straffolgen nicht zu haben braucht^). Späterhin
wird allerdings sehr oft das Doppelt vermieten neben dem
*) Saminlung der Regierung in Arolsen. — *) Pufendorf, obs.
iur. n app. S. 104 flf,, bes. 112. — •) Ölrichs S. 647 flf., bes. 669. —
*) Abweichende Regelung 1749 oben S. 448. — •) St. A. Schleswig.
Sammlung grossfürsti. Verordnungen. — •) Ebenda. — ') Hertz S. 28.
— 458 --
Nichtantritt als selbständige Tat genannt. Aber in der
Strafart finden siüh keine allzu großen Unterschiede, viel-
leicht deshalb, weil alles, was an Strafe möglich erscheint,
schon für die einfache Antrittsweigerung angedroht ist.
Eine in zahlreichen Fällen vorkomtoende Besonderheit
bei der Behandlimg des Doppelt vermietens gegenüber der
einfachen Versagung des Dienstantrittes ist die Bestra-
fung der späteren bösgläubigen Mieter, die luü den vorher
abgeschlossenen Mietvertrag bei der Dingung wußten.
Unter Einhaltung der eben befolgten geogiaphischeii
Anordnung gewinnt man folgendes Bild.
Die Landesordnung für Bayern von 1501^) weist
den Dienstboten, der mehrfaches Mietgeld nimmt, auf
drei Jahre aus dem' Lande ; das ist auch die Strafe für das
hartnäckig den Antritt weigernde Gesinde. Imi Laufe der
Zeit milderte sich die Strafe zu einer imbestinunten, bloß
„ernstlichen", wie es in der Ehehaltenordnung von 1652 *)
heißt; die übrigen, unredüchen, Mietpfennige sollen den
Mietern wieder zurückgegeben werden, die jedoch, falls
sie in bösem Glauben handelten, auch emstUche Strafe
erfahren sollen. Die imbestimimte Strafe erhielt sich auch
im" folgenden Jahrhundert. Die Gesindeordnimg von
1781') legt dem; Dienstboten Rückgabe der später ge-
nommenen Mietgelder und Schadensersatz für die ge-
täuschten Herrschaften auf; die Bestrafung geschieht
nach Befinden.
Milder ist das fränkische Recht. Die alten bam-
berger Sätze*) zwar verfügen wider das doppeltvermietete
Gesinde, das dem' ersten Mieter die Treue nicht halten
mag, stetes Dienstverbot. Jedoch begnügt sich die bam-
berger Taxordnung von 1652*) mit der Anordnung, daß
*) Krenner, Landtagshandlungen XIII S. 261 ff., bes» 801. —
■) RA. Manchen. Generalien-Sammlung Rep. S. 9 Nr. 5. — •) Kr. A.
München. AR. Fasz. 459 Nr. 209, — *) Zöpfl, Urk.-B. S. 109 (§ 892^
893). — •) Kr. A. Bamberg. Bamberger Verordnungen. Rep. 141 Nr. 69..
— 459 —
dem fersten Mieter der Dienst gehalten werden mtiß ; den
späteren Mietern ist ein Ersatzmann 211 stellen oder Scha-
densersatz zu leisten. Gerade so ist die Rechtslage in den
brandenburgischen Ciebieten; die Polizeiordnungen
von 1672 imd 1746^) beweisen das. Die Gesindeordnung
von 1769 *) setzte zunächst eine Strafe für die Mäkler an,
welche die Dienstboten zum' mehrfachen Nehmen des Miet-
geldes verführen; den Dienstboten selber wird auferlegt,
die später erhaltenen Gelder zurückzugeben und 24 Stun-
den im Timn bei Wasser und Brot zuzubringen. Die
Dienstboten in der Vogtei Hahnbach (Oberpfalz) wur-
den nach demi Ehhaftrecht von 1559^) mit Lohnverlust
und fünf Gulden gestraft. In Würzburg waren die
Dienstboten nach der Taxordnung von 1652*) straffrei,
wenn sie sich mehrfach vermieteten. Sie mußten beim
ersten Mieter eintreten und den späteren Ersatzmann cder
Schadensersatz verschaffen. Strafe ist in demselben Para-
graphen für die Dienstboten angedroht, die sich vermie-
ten, aber vor dem' Antrittstag „uffsagen". Diese kommen
in Verhaft, bis sie ihre Pflicht erfüllen. Diese Polizei-
strafe, nicht um' ru vergelten, sondern um: den Dienst-
antritt zu erzwingen, kann auf das Doppelt veamieten keine
Anwendung erfahren; hier wird die Bereitwilligkeit des
Dienstboten zum» Eintritt bei dem ersten Mieter unterstellt,
so daß ein Zwang dazu nicht ausgeübt zu werden braucht.
Straflos bleiben die doppeltvermieteten Dienstboten
auch nach württembergischem Rechte, wenigstens
wird die auf den einfachen Nichtantritt gesetzte Strafe
für den Fall der betrügerischen mehrfachen Verdingung
nicht gesteigert oder überhaupt geändert. Nur die spä-
teren Mieter sollen bestraft werden. So ist es nach deM
') Corp.Const. Brandenb.-Culmb. II 1 S.6&6ff., bes. 694; S 675 ff.
•" ") Kr. A. Nürnberg. S. 28 Y Nr. 779 Repert. 288. - •) von Fink,
geöffnete Archive S. 861 ff., bes. 868. - *) Tit IV § 1 ; Kr. A. Würz-
burg. V. 9661.
- 460 —
Vogtbuch für Ramlsberg von 1556*): „Wölcher auch
ain solchen vor versprochen ehehalten wissentlich dingt,
der soll umlb ain gtddin gestraaft werden." Noch weiter
geht mit Auf stelltmg einer ganz eigenartigen Präsumption
die württemlberger Schäferordnung von 1651 •). Der zweite
Mieter wird stets giestraft, „weil wohl zu vennluthen, dass
er den Knecht verführet**.
Die hessischen Gesindeordnungen von 1736, 1748,
1797, 1801 und 1816*) gehen ständig mit Strafen vor.
Auf Verlangen des ersten Mieters wird der Dienstbote
ihm zwangsweise in den Dienst geführt. Außerdem er-
hält der Dienstbote einige Tage Gefängnis. Den spä-
tem Mietern, soweit sie gutgläubig waren, ist das Mietgeld
zurückzugeben. Bösgläubige zweite Mieter erhalten das
Geld nicht zurück; statt ihrer bekommen es die Armen,
und die Herrschaften werden gebührend gestraft. So be-
stimmen die genannten Gesindeordnungen übereinstim-
mend ; die hanauer von 1748 stellt in § 6 den ersten Mieter
sogar noch besser: der Dienstbote muß ihm das Miet-
geld zurückgeben tmd außerdem einen vierteljährlichen
Lohn erstatten.
Die Polizeiordnimg für Nassau-Katzenelnbo-
gen von 1597*) stellt den Dienstleuten, die mehrere Miet-
gelder nehmen, in Aussicht, daß sie (wie bei Entlaufen
aus dem Dienst) „der gebür angesehen'* werden sollen.
„Würde aber ein Leichtsinniges gemüthe sich zweyen
Herren zugleich vermiethen'*, dann muß es den ersten
Dienst antreten imd dem späteren Mieter das Mietgeld
zurückgeben oder einen Ersatzmann stellen — dies steht
in der gederner Gesindeordnung von 1681*^). Die Po-
*) Wintterlin, Württembergische ländL Rcchtsquellen I S. 759flf.,
bes, 767. — *) Reyscher, Gesetze XIII S. 108. — •) LO. IV S. 410;
St. A. Marburg. IX A 1621; LO. VII S. 727; Vill S. 26; MöIIer-
Fuchs S. 118. - *) Univ.-Bibl. Marburg. — ») Gräfl. Stolb. Archiv
in Gedem. B XX« „Allerhand Verordnungen und Befehle so in der
Grafschaft Stolberg-Gedem ergangen", & 61.
— 461 —
lizeiordnung für Sayn-Wittgenstein von 1776^) er-
härtet ihre ähnlidhen Bestimlmungen durch Strafdrohun-
gen wider das Gesinde und die bösgläubigen späteren
Mieter ; diese haben keinen Ersatzanspruch und bekomlmen
2 bis 6 Tbaler Strafe, das Ciesinde erhält zwei Tage Ge-
fängnis.
Strafdrohungen enthält ziemlich regelmäßig auch das
rheinische Recht. Die kölnische Polizeiordnung
von 1723*) bedenkt die betrügerischen, sich mehr-
fach vermietenden Dienstboten mit einer Mark Strafe;
ebenso die Herrschaften, die einem schon vermiete-
ten Dienstboten den Mietpfennig „wissentlich auftrin-
gen". Die clevische Gesindeordnung von 1753 •) be-
handelt die Frage an verschiedenen Stellen*). Der erste
Mieter hat den Vorrang. Das Geisinde miuß die späteren
Mietpfennige erstatten imd kommt etliche Tage ins Ge-
fängnis. Etwas dimkel sagt die Gesindeordnung fürs Land
vom 7. Januar 1769^) in § 8: „Im Fall aber, dass ein
Dienst-Bothe doppelt Mieths-Geld angencHiiimen hätte, soll
er das erste» mit dem letzteren verlustig seyn (d. h. wohl,
er soll sie beide verlieren), oder mit dreytägiger Gefäng-
niss-Strafe beleget werden". Später heißt es dann noch
IQ § 53, daß der doppeltvermietete Dienstbote den letzten
Mietpfennig erstatten mluß imd Gefängnisstrafe erhält.
Noch die alte Boykottierungsstrafe in einiger Beschrän-
kung steht in der Dienst botenordnung für Düsseldorf
von 1809 •). Nach Art. 4 sind nicht nur die späteren, son-
dern alle Mietpfennige zurückzugeben, xmd der Dienst-
bote darf inü nächsten Jahre bei keiner der b^iachteÜigten
Herrschaften Dienst nehmen. Außerdem muß der Dienst-
bote den Betrag der erschwindelten Mietpfennige noch-
') Univ..BibU Marburg. — •) Scotti, Köln S. I 1 S. 628. —
") Scotti, Qevc S.1452. — *) In Tit II §§ 11 und 12 und in Tit. IX
S 6. ^ •) Scotti a, a. O. S. 1894, — •) Scotti, JüUch S. 12B2.
— 462 —
mials zur Armenkasse erlegen, aus seinem Vermögen oder
von künftigem' Lohne.
In Münster bestand schon nach Statut von 1373^)
die Ausweisxmgsstrafe der miehrfach vermieteten Dienst-
boten. Die Gesindeordnung der westfälischen Ritter
imd Städte von 1423 *) setzt eine Mark, bei Unvermögen
Haft als Strafe der Herrschaft an, die wissentlich einen
schon vermieteten Dienstboten annimmt. Nach dem Land-
rechte der sieben Freien in Westfalen *) schuldet der
doppeltvermietete Dienstbote, der zu einem der späteren
Mieter eintritt, „die höchste broeke**; er muß einen Er-
satzmann stellen, ja auch der spätere Mieter scheint den
ungetreuen Dienstboten nicht behalten zu dürfen. Eine
besondere Berechnimg der Geldstrafen kannte Biele-
feld nach der Bürgersprache von 1578*): „Wan ock
einer zween offt mehr Weinkauffe aufbürde den ersten
sol Er holden imd den andern Dienst lohnen und so
mannigen Weinkauff boven den ersten so mannige vier
Schillinge Schwaer**. Drei Mark ist die Straf sumtae der
paderborner Polizeiordnung von 1655 Tit. 25^).
Auch die Gesindeordnung der Vertragsstaaten am
Harze von 1445®) setzt eine feste Geldbuße von zwei
Schock Groschen fest. In Braunschweig sollte die
vom Echteding 1532 '') festgesetzte Geldstrafe, bis zu deren
Erlegimg der Dienstbote keine Stelle annehmen durfte,
wohl auch für das Doppeltvermieten Geltung haben. Die
Polizeiordnungen von 1573 und 1579®) stellen einjähriges
Dienstverbot zur Wahl mit dem Eintritt beim ersten Mie-
ter. Die Gesindeordnimg für Wolfenbüttel von 1748 •)
*) Niesert, Urkundensammlung III S. 121. — •) Selber tz,
Urkundenbuch III S. 48 flF., bes. 46. — •) Grimm, Weistümer III S, 67ff
— *)Walch, Bey trage III S 58 ff, bes. 75. — •) Landesverordnungen
Paderborn I S. 6. — •) Zeitschr. des Harz- Vereins für Geschichte und
Altertumskunde 27. Jahrg. S. 427. — ^) Hänselmann, Urkunden-
buch I S. 825 Art. 22. — •) Ebenda S. 404, 458 (Art. 94). — •) Archiv
Wolfenbüttel Nr. 7097.
- 463 —
erklärt die erste Mietung wie stets für allein gültig ; später
genommene Mietspfennige müssen zurückgegeben werden,
und dazu wird der Dienstbote noch eines? Vierteljahrs-
lohnes für verlustig erklärt oder er muß zwei Tage Ge-
fängnis absitzen. Wer bösgläubig bereits vermietete
Dienstboten „an sic'h ziehet und miethet**, hat 5 bis 10
Th. Strafe zu zahlen tmd „den imbefugter Weise gemie-
theten Dienstboten fahren zu lassen".
In Weimar wtirden Doppelt vermieten und Nicht-
antritt 1651 ^) gleichermlaßen mit einer Geldstrafe in
Höhe des Vierteljahrslohnes belegt. Genauere Regelung
bringt die Jenaer Ordnung von 1751 2). Beim' ersten
Mieter ist anzutreten, den getäuschten Dienstherrn ge-
bührt Rückgabe des Mietgeldes und Ersatz ; während Ab-
sitzung der verwirkten zwei bis drei Wochen Gefängnis
muß der Dienstbote dem Herrn einen Ersatzmann stellen
oder sich Lohn abziehen lassen. Diealtenburgischen
Gesindeordnomgen von 1719 und 1744*) erklären den
ersten Dienst für giltig; die getäuschten späteren Mieter
haben gegen den Dienstboten Anspruch auf Stellung eines
Ersatzmaimes. Außerdem wird der Betrüger gestraft, will-
kürlich 1719, mit zwei Gulden oder sechs Tagen Gefäng-
^s 1744. Diese Regelung ist 1744 dieselbe wie die des
einfachen Nichtantrittes.
Nicht zur ganzen Klarheit durchgednmgen sind die
Polizeistatuten der Stadt Peina (Peine) von 1597*). Der
Dienstbote, der sich mehrfach vermietet, soll den ersten
Dienst antreten oder — wohl für den Fall, daß er nir-
gends eintreten will — ein Jahr lang nicht in der Stadt
<lienen. Wer solch Gesinde behaust oder anninimt „ohne
dess vorigen (d. h. des ersten Mieters?) Bewilligung", er-
hält drei Gulden Strafe. „Es were dan, das einer sich
*) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S, 152. — •) Ebenda
S. 158. ^ ») Univ.-Bibl. Marburg. XVIII f A 870; XVIII f B 1119« .
- *) Pufcndorf, Obs. iur. IV app. S. 242 ff., bes. 278.
— 464 —
zu seinen Eltern begeben und einkommen müßte'*; dies
kann wieder nur für den Fall einfachen Nichtantrittes
gelten. Auch das lüneburger Stadtrecht des 16. oder
17. Jhdts.^) wählt ak Strafe für das Doppeltvermieten
Ausweisung; der Dienstbote „soll ... in unsrer Stadt nicht
geduldet werden". Bösgläubige Herrschaften erhalten für
das spätere Mieten zehn Mark Strafe. Die Polizeiord-
nung Braunschweig-Lüneburgs von 1618*) straft
das Gesinde für den Mietbetrug überhaupt nicht ; aber die
bei der Mietung bösgläubige Herrschaft erhält eine Geld-
buße auferlegt. Das Stadtrecht Lauenburgs von 1599'}
will mit zweijähriger Ausweisung den Dienstboten züch-
tigen, der dem ersten Mieter nicht den Vertrag hält.
Daß die große Gesindeordnimg für Hannover von
1732*) sehr ausführliche Bestinmnmgen wider das Dop-
peltvermieten bringt, ist nicht verwunderlich. Die erste
Herrschaft hat den Vorrang. Die späteren Mieter muß
der Dienstbote durch Rückgabe des Handgeldes und Stel-
lung eines Ersatzmannes zufriedeostellen. Ist dies nicht
timlich, dann hat der Dienstbote jedesmal einen halbjähr-
lichen Lohn zu erstatten. Außer demi erhält er einige Tage
Gefängnis bei Wasser und Brot. Im" weiteren Verlauf der
Ordnimg wird nochmials eine Strafe für das Gesinde fest-
gesetzt : nach Vermögen Geldstrafe, bei Unvermögen Ge-
fängnis. Bösgläubige Herrschaften werden mit Geldstra-
fen je nach ihrem Vermögen belegt. Die Gesindeord-
nung des Hochstiftes Osnabrück aus dem Jahre 1766 ^)
sichert den späteren Mietern dreifache Erstattung des
durch Betrug vom' Gesinde eingenommenen Mietgeldes
zu. Bei diesen Dienstherrschaften darf das Gesinde nicht
wieder dienen. Bösgläubige Mieter werden mit 5 — 10 Th.
*) Pufendorf a.a.O S.624flF., bes. 796. — *) Landesordnungen
Lüneburg Cap. 4 Bd. 1 S. 1. - ») Pufendorf a. a. O. Ul app. S.9Wff*
bes. 817. — *) Spangenberg, Verord. f. Hannover IV 2 S. 461.-
•) Klöntrupp, Handbuch H S. 75, 76.
— 466 —
gestraft. Als Strafe des Gesindes werden zum Schluß
24 Stunden Gefängnis angekündigt ; auch erfolgt zwangs-
weise Anhaltung der Dienstboten zur Schuldigkeit^).
Das Wohlwollen der Gesetzgeber für die Dienstherr-
schaften ging so weit, daß unter gewissen Umständen
den Dienstboten sogar das Doppeltvermieten erlaubt oder
doch milder angesehen wurde. Wenn eine Herrschaft
glücklich einmal einen Dienstboten hatte, dann sollte sie
ein besonderes Recht an ihm haben, daß er ihr seine
Dienste fortsetzte, ehe er sie andern anbot. Das konnte
die Herrschaft ja zunächst einfach durch Abrede erreichen.
Aber ihr Recht am Dienstboten ging weiter noch dahin,
daß trotz bereits geschehener anderweiter Vermietung des
Dienstboten derjenigen Herrschaft, bei der dieser gerade
in Diensten stand, ein Vorzugs- und Widerspruchsrecht
gegen die neue Mietung gehörte. Die alte Dienstherr-
schaft ist es, „de were dar neger tho beholdende**. Hatte
sich der Dienstbote also während seines alten Dienstes
noch bei einem neuen Herrn vermietet, dann konnte unter
gewissen Bedingungen die alte Herrschaft gleichwohl mit
dem Dienstboten ihren Vertrag erneuem; das galt dann
Aach manchen Rechten nicht als ein gleich sonstigen
Doppeltvermietungen strafbares Vergehen des Dienstbo-
ten. Immerhin bedeutet die Gültigkeit des nach der Neu-
vennietung geschlossenen Vertrages mit der alten Herr-
schaft und die Entkräftung des inzwischen abgeschlosse-
nen Mietvertrages eine Ausnahme von den allgemeinen
Rechtsg^rundsätzen ; nur wo die besondere Regel ausdrück-
lich ausgesprochen ist, kann sie wirken. Zeitlich ist kein
Unterschied zwischen der Erlaubnis und dem ausdrück*
liehen Verbot eines Vorzugsrechtes der alten Herrschaft
festzustellen. Vom 15. bis ins 19. Jhdt. hinein wird der
alten Herrschaft die besondere Gunst zugesichert. Wäh-
') Es sei ferner auf die bei Dorn S. 188 ff. angefahrten Gesinde-
gesetze des 18. Jhdls. verwiesen.
KSnneckc. 3Q
— 466 —
rend derselben Zeit geben andere Gesetzgeber, die aller-
dings in der Überzahl sind, ihrem Mißfallen über eine
solche Gewohnheit Ausdruck und vterbieten sie.
Eine ausdrückliche Gestattimg, daß die alte Herr-
schaft trotz anderer Abrede des Dienstboten diesen im
Dienste behält, wird zuerst in der Gesindeordnung der
Harzländer von 1445 ^) ausgesprochen. Der Dienstbote
soll aber seine Absicht, beim alten Herrn zu bleiben, dem
lieuen Mieter vier Wochen „tovom", wohl vor dem ver-
abredeten Antritt, anzeigen. Hierauf beriiht wohl die ent-
sprechende Bestimmung des braunschweiger Echt^
dings von 1532 und der Polizeiordnungen von 1573 und
1579*). Ähnliche Vorschriften kannte das friesische
Recht. Das westerwolder Landrecht von 1470') will
wohl denselben Fall regeln, wenn es festsetzt: „Weert
sake ene queme ende ontwonne ene synen denst, ende die
denst na der tyt sick verenichde myt synen heren, dat
mach he doen sonder gebreck, in den he in enen anderen
denst nyet weer in gegaen.** Vielleicht sollte aber diese be-
sondere Rechtsfolge nur für den Fall des Abwendig-
machens *) gelten. Das ostfriesische Landrecht *) da-
gegen setzt ausdrücklich ohne Rücksicht auf das Abwen-
digmachen eine unterschiedliche Behandlung des Falles
fest. Es belegte den Nichtantritt mit Verlust des ganzen
Lohnes, das Bleiben bei der alten Herrschaft dagegen
mit der Buße in Höhe nur des halben Jahrlohnes. Solche
Bestimmungen galten ferner in folgenden Gebieten.
Die bayerische Landesordnung von 1553*) ver-
pflichtet den Dienstboten, der lieber bei der alten Herr-
^) Zeitschr. des Harzvereins f. Gesch. u. Altertumskunde 27, Jahrg.
S.427.- •) Hänselmann, Urkundenbuch I S.825flf., bes. 887; 404flC;
468 ff. (Kap. M). — •) V. Richthof en, Rechtsquellen S. 268 ff., bes.
270. — «) Dies bedeutet „entwinnen", Schiller-Lübben IS. 709.
— ») Wicht II 282. — •) Kr. A^ Amberg, Repert. Landrecht Polizei
Fasz. 1 Akt. 9.
- 467 -
Schaft bleiben will, dero neuen Mieter den Mietpfennig
zuräckzugeben und ihm die geänderte Absicht anzuzeigen«
In der Bürgersprache zu Bielefeld aus 1578^) ist die
Regelung so, daß die frühere Dienstherrschaft zwei oder
drei Tage, nachdem: sie von der Neuvemüetung ihres
Dienstboten erfahren hat, sich über die Ausübung ihres
Weitennietrechtes erklären muß ; danach muß der Dienst-
bote seine Verabredung mit dem neuen Mieter halten.
Auch eine Willkür von Zittau aus dem Jahre 1567 ge-
stattete die Vorzugsstellung der alten Dienstherrschaft und
Heß das Gesinde straflos*). Etliche Schwierigkeiten be-
reiten der alten Herrschaft die Statuten Koburgs vom
Ende des 16. oder Anfang des 17. Jhdts. *). Binnen acht
Tagen muß der Dienstbote dem bisherigen Mieter den
neuen Vertrag melden, binnen nochmals acht Tagen hat
der alte Dienstherr dem Neumieter das Mietgeld zurück-
zugeben und kundzutun, daß der bisherige Vertrag weiter-
laufen soll.
Späterhin verliert' sich dies Recht mehr und mehr.
In den vielen polizeilichen Gesindeordnungen des 17,
Jhdts. ließ es sich nur einmal nachweisen. Das nürn-
berger Mandat von 1628*) spricht das Recht aus; der
Dienstbote muß dem neuen Mieter das Mietgeld zurück-
geben Und seine neue Absicht fünf Wochen vor dem ab-
gemachten Antrittstag anzeigen. Über das nürnberger
Recht des 18. Jhdts. wird folgendes berichtet*). Will
der Dienstbote lieber doch beim alten Herrn bleiben, dann
kommt es darauf an, ob der neue Mieter schon den Leih-
kauf gegeben hatte. War er schon 24 Stunden in den
Händen der Dienstboten, dann kann dieser vom neuen
Vertrag nicht mehr zurücktreten; während der ersten
24 Stunden aber hat er zu gxmsten der alten Herrschaft ein
»)Walch, Bcyträge III S. 58flf., bes. 75. — ») Dorn S. 158;
Hertz S. 28. - •) v. Weber, Statutarrcchte I S. 1128. — *) Kr. A.
Nürnberg. Bestand A Akten Nr. 24 S. 1 L. 565, — ») Dorn S. 158.
80*
— 468 —
Rücktrittsrecht. Ein weiteres hiermit eng verwandtes Bei-
spiel aus dem 18. Jhdt. fand sich nur noch in der ans-
bacher Gesindeordnung von 1769^). Wenn nur 24 Stun-
den über der Neumietung verflossen sind, darf die alte
Herrschaft einen Vertrag auf Fortsetzimg des Dienstes
nicht mehr abschließen. Merkwürdigerweise steht auch
die Gesindeordnung für Jülich von 1801*) noch auf
solch antiquiertem Standpunkt. Bei Doppeltvermieten hat
der erste Mieter den Vorzug, „es sey denn dass der Dienst-
bote mit seiner alten Herrschaft einen neuen Mieth-Con-
tract geschlossen, alsdenn hat diese den Vorzug vor allen
übrigen** (Art. 6).
Hiemeben verhält sich freilich die große Masse der
Gesetze ablehnend; die Nichterwähnung des Grundsatzes
gibt dies kimd. Bisweilen findet sich auch eine ausdrück-
liche Hervorhebung solcher Anschauung. So im Stadt-
recht für Duderstadt aus dem 13. oder 14. Jhdt.'),
in einer landshuter Satzung von 1408*), den ein-
becker Statuten von 1549*^), im rheingauer Land-
i:echt von 1643*) in der ha deiner Polizeiordnimg von
1645''), den Jenaer Statuten von 1704®), der hanno-
verschen Gesindeordnung von 1732 und ihrem Nach-
läufer, der Gesindeordnung für Hanau aus dem Jahre
1748 •), femer in der altenburger Gesindeordnung von
1744 ^®). Die bamberger Taxordnung von 1652 "), spä-
terhin dieschleswigsche Gesindeordnung von 1733 ^*)
und die sayn-wittgensteiner Polizeiordnung von
*) Kr. A. Nürnberg S 28 ^ Nr. 779 Repcrt 288. - •) Scotti,
Jfllich S. 880. - •) Gen gier, Deutsche Stadtrechte des Mittelalters
S. 98. — *) Staudenraus, Chronik I S. 107. — ») Pufcndorf,
Obs. iur. II app. S. 208 ff., bes 227. — •> Abschrift in einem Sammcl-
bände der Stadtbibliothek zu Mainz. — ') Spangenberg, Verord. f^
Hannover IV 8 S. 266. - •) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar VU
S. 416. - ») St. A. Marburg. IX A 1621. - "; Univ -Bibl. Marburg.
XVIII f B 1119«. — "I Kr. A. Bamberg. Bamberger Verordnungen
Rep. 141 Nr. 69. - ") Sehr ad er, System III S. 191.
- 469 —
1776*) verbieten den Dienstherren, ihre Domestiquen an
anderweiter Vermietung zu hindern.
Anstatt der bisherigen Dienstherrschaft eine A»rt Vor-
mieterecht gegen die bereits anderswo geschehene Neu-
vermietung einzuräiunen, verlangen einige ältere Rechte,
daß Gesinde nur mit Vorwissen der alten Herr-
schaft gemietet werden darf*). Hieraus leitete sich spä-
terhin das Zeugniswesen her; gleiches bezweckte die den
mietenden Dienstherrschaften bisweilen auferlegte Pflicht
zur Erkundigung bei der vorigen Herrschaft, ob der Dienst
dort beendet sei*).
Praktischer ist das von den ältesten Zeiten bis ins
18. Jhdt. hinein gebräuchliche Verfahren, daß für die
Ding^ung des Gesindes eine bestimmte Zeit vor der
Beendigung des alten Dienstes vorgeschrieben wird,
oder daß womöglich erst nach Dienstbeendigung die Neu-
roietimg gestattet wird. Diese letzte Art trifft man im
Mittelalter, solange sich noch keine Kündigungsfristen
herausgebildet hatten*). Späterhin ist meist die Kündi-
gungsfrist *) als Zeit der Neumiete erlaubt ; vorherige Ver-
mietimg ist verboten. Oder die Gesetzgeber verlassen sich
auf die Sitte gleichzeitiger Mietung im Lande und setzen
eben bestimmten Jahrestag an, von dem> an die Dingung
neuen Gesindes vorgenommen werden darf*). In außer-
ordentlich engem Zusammenhange stehen diese Rechts-
gebilde mit den häufigen Verboten des Abspenstig-
machens, auf die unten in § 15 näher eingegangen wird;
*) Univ.-Bibl. Marburg. — •) Hertz S. 17, 18.-») Ober Zeugnis-
wesen unten § 16; über die Anordnung mündlicher Erkundigung
unten § 18. - *) Hertz S. 17, 18. - •) Hierüber unten § 12. —
) Diese Dingungstage sind nicht mit den weiter unten behandelten
Tagen des Diensteintrittes zu verwechseln. — Wie sehr die Gesinde-
^t zu immer früherer Mietung der Dienstboten auf späte Termine
verleitet, wird in Hesslers hessischer Landeskunde II S 815 be-
lichtet; schon Mitte Sommer oder noch früher wird das Gesinde au&
nächste Jahr verpflichtet
— 470 —
hier mag zunächst nur eine Übersicht über das Recht ge-
geben werden, wonach die Dingung vor einem bestimmten
Tage verboten ist.
Während im hamburger Recht von 1292 und
1497^) die Nennung von Ostern und Michaelis als Miet-
termine nur als Beispiel zur Erläuterung der Vorschrift
über den Antrittstermin zu gelten hat, ohne daß eine
Rechtsnorm mit weitergehender Wirkung damit geschaf-
fen werden sollte, setzen die Statuten für Mühlhausen
nach 1311 ') den Andreastag, 30. Noviember, als frühesten
Miettermin fest. Vorherige Mietung ist nichtig und wird
mit zwölf Schillingen an der Herrschaft gestraft, un-
gefähr gleichen Alters ist ein göt tinger Statut'), das
einem nicht zu „rechter** Zeit mietenden Herrn Schadens-
ersatz an die dadurch benachteiligte Dienstherrschaft auf-
gibt. Noch dem' 14. Jhdt. gehört die Stadtordnung
Traunsteins (1375) an*), welche „Entfremdung" des
Gesindes „e der zeit** bei Strafe untersagt. Wichtig fat das
im 15. Jhdt. in Nürnberg geschaffene Recht*). Zu-
nächst bestehen keine Aufsagefristen. Daher wird bei
Strafe der Herrschaft und des Gesindes verboten, einem
andern die Dienstboten „vor irem zil** abzudingen. Danach
ergeht ein gleiches Verbot, aber für die Abmietimg früher
als sechs Wochen vor dem Dienstende. Die weimari-
sche Landesordnung von 1482^) untersagte den Dienst-
boten die Vermietung in einen neuen Dienst, ehe der alte
gekündigt ist.
Aus dem 16. Jhdt. ist die umständliche Festsetzung
des Jakobitages in der Lohnordnung des überlinger
*) Lappenberg I S. 87flF,, 166ff ; 1292: K 7, 1497: F 1. -
*) Lambert, Rathsgesetzgebung S. 124, 125. — ') v. d. Ropp, StatuteD
S. 87. — *) Wcstenricder, Glossarium Germ.-Lat. 1 S. XXIIIE,
bes. XXIV, — ») Baader, Polizeiordnungen S. 28; Siebenkces^
Beyträge zum teutschen Rechte II S. 228 ; vgl. bes. auch unten § Ib-
— •) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S.162; wiederholt 166L
— 471 —
Rates für die Jahre 1558 bis 1572 ^) zu nennen : „Ob ain
maister oder fraw, ain knecht oder magd, ain winter
aussgef üetteret und also ain dienst nach dem' winter seinemi
meister oder frawen noch weiter biss sant Jacobs tag
zu dienen versprochen hat, und sich aber zutrieg, das
also ainer dem' andern ain dienst nach dem winter und
vor verscheinung oder aussgangs seins zils abgedinget»
demselben dienst soll weiter alhie zu dienen nit zugelassen
noch gestattet werden/* Die katzenelnbogener Poli-
zeiordnung von 1597*) erklärt Mietverträge, die vor der
ein Vierteljahr betragenden Kündigungsfrist abgeschlos^
sen werden, für „ohnbündig und ohnkräftig".
Auch im lüneburger Stadtrecht, das dem 16. oder
17. Jhdt. angehört^), ist dies Verbot zu finden, ebenso in
dem nürnberger Gesindemandat von 1628 ^) mit Sechs-
wochenfrist, im rheingauer Landrecht von 1643*) un-
ter Ansetzimg von Martini. Besonders ausführlich ge-
dachte die 1660 erlassene Gesindeordnung fürs Rentamt
München^) der Dingzeit. Es heißt da: „Ist vorkom-
men, das etlicher Orten auff dem Land diser schädliche
Missbrauch eingerissen, dass die Ehehalten schon zu
Jacobi oder Michaeli (siel), in andere Dienst angeredt
und wo nit also gleich gedingt : doch mit bezahlung eines
Tnmcks, oder in andere weeg etwas verhäff telt : und dar-
durch verursacht worden, das nachgehends dergleichen
Ehehalten bey jhren Herrschafften die übrige Zeit dess
Jahrs sich sehr unfleissig, trutzig: und pucherisch ver-
halten, imnd der Arbeit nit mfehr wie vorhero abgewartet
haben, welche frühezeitige Anred- und Abdingung der
£behalten hiemit solle abgeschafft: und keinem ehender
nit, dann erst zwischen Martini und Andraee einigen Ehe-
*) Oberrhein. Stadtrechte II 2 S. 457 flF., bes* 4B8. — ») Univ.-
BibL Marburg. -•) Pufendorf, obs. iur. IV app. S. 624flE:, bes. 796»
- *) Kr. A. Nürnberg. Bestand A. Akten Nr. 24. S. 1 L. 506. —
») Stadtarchiv Mainz. — •) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1.
— 472 —
halten in seine Dienst anzweden oder zu dingen ^'erlaubt
und zugelassen." Die Mietung ungekündigten Gesindes
war es auch, was in Gedern 1681^) verboten wurde.
Das Recht Münsters blieb sich stets gleich in
der Bestimmung der Ding^eiten. Ein alter Godingsar-
tikeP) nennt Neujahr und Johannis Baptistae [24. Juni);
fünf Mark Poen stehen auf der Übertretung des i^botes.
Die Godingssartikel des Domkapitels in der Fassung von
1715«) ermäßigen die Strafe auf drei Mark. Auch die
Gesindeordnung von 1722*) verbietet Dingung vor den
genannten Terminen. Durch Edikt von 1733 *) wtirde dies
gemildert. Es soll künftig gestattet sein, das eigene oder
doch in keines anderen Dienste stehende Gesinde jeder-
zeit zu mieten; nur auf das in einer fremden Herrschaft
Diensten befindliche Gesinde soll das Verbot der Ordnung
noch angewandt werden.
Mit zehn Gulden Herrschaftsstrafe bedroht eine un-
datierte Gesindeordnung für Nassau-Usingen aus
dem 18. Jhdt. ^) die Mietung (locken imd abspannen) des
in fremdem Dienste stehenden Gesindes vor Michaelis.
Eine Jülich er Verordnung von 1744') erklärt Dienst-
boten, die sich früher als ein Vierteljahr vor Dienstende
neu vermieten, ihres Lohnes verlustig; die so zu Unrecht
mietenden Dienstherrschaften werden mit 25 Goldgulden
gestraft. Die in demselben Jahre erlassene fürstlich alten-
burgische Gesindeordnung ^) enthält das Verbot, daß
Gesinde gemietet wird, ehe es bei der alten Herrschaft
seinen Abschied genonmien.
*) Gräfl. Stolbergisches Archiv Gedern. B. XX „Allerhand Ver-
ordnungen und Befehle so in der Grafschaft Stolberg- Gedern er-
gangen'' S. 61. — «) Archiv f. Gesch. u. Alterthumskunde Westphalens
VI S. »62. - •} Philippi, Landrechte S. 181. - *) Landesverord-
nungen Münster I S. 868. — ») Ebenda S. 869. — •) St. A. Wiesbadea
V. Nassau • Usingen Generalia IIjl Verordnungen Band V S. 128. —
•) Scotti, Jülich S.400.-») Univ.-Bibl. Marburg. XVffl f B 11191.
— 473 —
Streng ist das Recht der osnabrücker Gesinde-
ordnung von 1766^). Mit der Mietung soll bis zum Be-
ginn der nach Jahrestagen genau bestimmten Kündigungs>*
zeit und bis zur tatsächlich geschehenen Kündigung ge-
wartet werden. Vermietimgen vorher sind gleichwohl un-
gültig, mag auch noch so lange zuvor gekündigt sein.
Dienstboten, die sich vermieten, solange sie noch bei
der alten Herrschaft (ungekündigt) in Diensten stehen,
erhalten 24 Stunden Gefängnis bei Wasser und Brot und
können zur Erfüllung ihrer Pflichten zwangsweise ange-
halten werden. Milder war das Recht der Gesindeordnung
für Ravensberg aus dem Jahre 1766*). Gesinde darf
bei 3 bis 10 Thaler Strafe nicht gemietet werden, be-
vor es von der alten Herrschaft entlassen und hierüber
Zeugnis beigebracht ist.
Eine Mietui^g, die zu. anderer Zeit als Josephi oder
Martini vorgenomlnen wurde, sollte nach dem« Willen der
österreichischen Gesindeordnung von 1779') un-
gültig sein. In Bayern beschränkte man sich während
des 18. Jhdts. *) darauf, die Verdingung ungekündigter
Dienstboten bei Arreststrafe zu verbieten, und den neuen
Mietern Anzeige bei der vorigen Dienstherrschaft anzu*
empfehlen (Gesindeordnung von 1781*)).
Nach einigen Quellen durfte das Gesinde noch nicht
einmal bei dem Austritte aus dem< alten Dienste neuge-
dungen werden, sondern der neue Mieter mtißte erst noch
eme Zeit lang warten, damit das Gesinde nicht in frischer
Erinnerung an die Besonderheiten des früheren Dienstes
jener ersten Herrschaft einen Schaden bereitete. Der
boineburger Burgfriede von 1446*) ließ die Mietung
von Gesinde aus anderm Dienste nicht zu, bevor ein Vier-
*) Klöntrupp, Handbuch II S. 76. - •) Ravensb. Blätter für
Geschichts-, Volks- und Heimatskunde 1909 S. 62. — ') Kr. A. MOnchen.
GR. Fasz. 402 Nn 2. — *) Bayern früher: oben S. 471. — •) Kr.A.
München. AR. Fasz. 459 Nr. 209. — •) Oben S. 897.
— 474 —
teljahr seit Beendigoing des vorigen Dienstes verflossen.
Nach hessischem Judenrechte des 18. Jhdts. ^) betrug
die Frist zwei Jahre, nach badischem Judenrechte von
1792') ein halbes Jahr.
Nur wenig sei über die Stellimg Brandenburgs
zu der Frage des Dienstantritts und des Doppeltvermie*
tens gesagt'). Die Herrschaft konnte bei Versäumung
der Antrittspflicht für jede nicht eingehaltene Woche zwdi
Thaler vom Lohne abziehen oder unentgeltliches Nach-
dienen verlangen. Handelte es sich nicht um bloße Ver«
zögerung des Dienstantritts, sondern tun dessen völlige
Verweigerung, dann erhielt der Dienstbote schwere Frei*
heitsstrafen. 1810 wurde die polizeiliche Zufühnmg zum
Dienst eingeführt; erst wenn dies ergebnislos war, soll-
ten Gefängnis, Geldstrafe, Verpflichtung ziun' Schad^is-
ersatz und zur Rückgabe des Gottespfennigs Platz greifen.
Das Doppelt vermieten *) wollte man 1620 mit Festungs-
strafe, 1635 mit Ausweisung ahnden. Im 18. Jhdt. aber
merkte man, daß Freiheits- und Axifenthaltsstrafen die
Gesindenot noch verschärfen mußten. Daher erhielt das
Gesinde als Strafe nur die Erlegung des doppelten zu
Unrecht empfangenen Betrags an die Armfenkasse auf-
gegeben ; der erste Dienst mußte angetreten werden. Die
bösgläubige Herrschaft blieb von peinlicher Strafe frei;
sie verlor niu: ihren Ersatzanspruch.
Im Ordens lande stand auf Nichtantritt und Dop-
peltvermieten Geldstrafe*). Konnte der Dienstbote diese
nicht zahlen, dann mußte er ein Jahr lang dem ersten
Mieter imisonst dienen; der erste Mieter hatte vor den
späteren Mietern ein Vorrecht auf Eintritt des Dienst-
boten. Auch die schlesische Gesindeordntmg von
') Oben S. 896 f. — «) Oben S. 896 f. — ») Lennhoff S. 64. -
*) Ebenda S. 48. - •) Steffen S. 16, 16; auch Frauenstftdt
S. 880.
— 476 -
1623 wendet sich gegen das Doppelt vermieten und den
Nichtantritt ^).
Die angeführten zahh?eichen und vielfältigen Bestimf-
mux^en über die Antrittspflicht des Gesindes enthalten
nur geringe tuid kümmerliche Gegenstücke in Anordnun-
gen über die entsprechende Annahmepflicht der
Herrschaft. Das Prinzip wird überall hochgehalten:
nur wer eine (andere) Dienstherrschaft oder die Gesamt-
heit der Herrschaften schädigt, hat Zwangsmaßregeln zu
gewärtigen, und wenn er auch selber zu diesem; hohen
Stande gehört. Bei der Regelung der Nichtannahme ge-
mieteter Dienstboten ist die Gesetzgebung — von einer
leichten Ausnahme abgesehen — immer auf den juristisch
richtigen Standpunkte geblieben, daß eine strafbare Hand-
lung in diesem Vertragsbruch nicht zu sehen ist. Während
für den umgekehrten Fall — Nichtantritt des Dienstes
durch das Gesinde — sich bald ein Strafrecht ausbildete,
fehlt die entsprechende Entwicklung hier bei der Regelung
der Nichtannahme der gemieteten Dienstboten durch den
Dienstherm. Der Dienstbote ist dem Gesetzgeber nicht
wert, daß um seinetwillen die vertragsuntreue Herrschaft
gestraft wird; will diese den Gemieteten nicht annehmen»
dann genügt ein Ersatz — oder überhaupt nichts. Mit
dem ältesten Rechte, das durch Hingabe der arrha niur
den Empfänger, nicht auch den Geber gebunden werden
ließ«), wurde so ejine eigenartige Analogie geschaffen;
das Wesen der beiden Erscheinungen aber ist verschieden.
Daß beide Teile den Vertrag nicht ohne weiteres
schon vor der faktischen Vollziehung lösen dürfen, ist im
Norden Deutschlands altes Recht. Nachdem im wester-
') Frauenst&dt S. 881. — Strenge Strafen auf Nichtantritt
und Doppeltvermieten, ganz ähnlich wie in Deutschland bestanden
nach flandrischem Rechte von 1708 und 1719; Behaegel, Ser^
vantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin du comitö central du travail
mdustriel 1906 S.624, 660). -») Gierke, Schuld und Haftung, S. 846 ff.
— 476 —
wolder Recht von 1470^) dem Dienstboten, der dea
Vertrag nicht halten will, Zahlung des ganzen Lx)hnes
taiuf erlegt worden ist, heißt es weiter: „of een here se
niet ontfangen wolde, sal he hem dat loen geven*'. Die
bordesholmer Gebräuche^) machen gleichfalls kei-
nen Unterschied, ob Herr oder Diener dem Vertrag nicht
Genüge tun; stets muß der Ungetreue dem Gegner den
halben Lohn ersetzen. Dies ist auch der Grundsatz der
späteren sc'hleswig-holsteinischen Rechte: des jüngeren
lübischen Stadtrechts von 1586*), des eiderstädter
Landrechts von 1591*), des husumer Stadtrechts von
1608*), des friedrichstädter Rechts von 1633«).
Auch das spätere schleswig-holsteinische Provinzialrecht
sicherte dem nicht genommenen Dienstboten einen Halb-
jahrslohn zu — so 1749^); oder es gab ihm (1768®))
den Mietpfennig und einen Quartalslohn, während der
Herrschaft vom nicht antretenden Dienstboten außer dem
Mietgeld zwei Thaler feste Summe gegeben werden muß-
ten, wofür Gefängnis eintreten konnte.
Zu den wenigen Gesetzen, die in löblichem Paritäts-
streben auch die Herrschaften ziu: Vertragstreue veran-
lassen wollen, gehören weiter die späteren der hessi-
schen Gesindeordnungen. Die von 1736*) und 1748**)
zwingen nur den Dienstboten zum Antritt des Dienstes;
die Herrschaft kann ungefährdet den Dienstboten zurück-
weisen. Aber die beiden Gesindeordnungen von 1797 imd
1801 *i) und die fuldische von 1816 ") statuieren in § 10
resp. § 8 eine Pflicht der Herrschaft, das gemietete Ge-
sinde anzunehmen. 1797 Und 1801 findet eine unter-
*) v.Richthofen, Rechtsquellen S. 258 ff., bes. 269. —») See-
Stern. Pauly S. 112. — •) B. III Tit. 8 Art. 6; Corp. Stat prov.
Hols. — *) Art 42; Corp. Stat. Slesv. I S. 1. — ») HI Tit 44; ebenda
II S. 5&6. -•) II 2 Tit XI § 86; ebenda III 1 S. 1.— ') Seh rader,
Handbuch II S. 195 — •) St. A. Schleswig. Sammlung Grossftkrst Ver-
ordnungen. — •) LO. IV S. 410. — >•) St. A. Marburg. IX A 1681
") LO. VII S. 727, VIII S. 26. - ") Möller-Fuchs S. 118.
— 477 —
schiedslose Behandlung der beiden Fälle statt, daß die
Herrschaft die Annahme mit „erheblichen Ursachen" ver-
weigert oder „um ihrer blossen Convenienz willen**. Beide
Male ist die Herrschaft zur Entrichtung eines vierteljähr-
lichen Lohnes verpflichtet ; aber Kostgeld braucht sie nicht
zu bezahlen. Hier wird 1816 eine gerechtere Unterschei-
dung gemacht. Außer dem Vierteljahrslohn erhält der
Dienstbote Kostgeld, wenn die Herrschaft aus bloßer Will-
kür gehandelt und der Dienstbote außerdem noch keinen
andern Dienst gefunden hat ; in diesem zweiten Erfordernis
komtnt der Herrenstandpimkt freilich wieder deutlich zuni
Vorschein.
In hessischen Nachbarländern wird gelegentlich ein-
mal von der Verpflichtung der Dienstherrschaft zur Ver-
tragstreue gesprochen, so in G e d e r n 1681 ^), wo aber das
vertragswidrige Verhalten keine Folgen zu ung^unsten der
Herrschaft hat, in Waldeck 1736*) (dem Dienstboten
soll zu seinem Recht verholfen werden) und in Schaum-
burg-Lippe; hier gibt die Gesindeordnung von 1738*)
den nicht angenommenen Dienstboten einen Anspruch
gegen die Herrschaft auf Belassung des Mietgeldes und
Zahlung des halben Jahrlohnes. Weiter noch geht die
Gesindeordnung für Münster von 1722*). Außer dem
Mietpfennig kann der Dienstbote den ganzen ausgemach-
ten Jahrlohn fordern.
Aus ganz Süddeutschland lassen sich gerade zwei^
^im man will drei Rechtsgebiete anführen, wo den
Dienstherren die Erfüllung des Vertrages ernstlich auf-
erlegt wird. Die Polizeiordnung Dinkelsbühls*), die
dem ausbleibenden Dienstboten empfindliche Strafe
*) Grad Stolbergisches Archiv in Gedem. B XX „Allerhand
Verordnungen und Befehle so in der Grafschaft Stolberg-Gedern er-
gangen", S. 61. — •) Sammlung der Regierung Arolsen. - •) Landes^
^rordnungen Schaumburg -L. II S. 886. — *i Sammlung Münster I
S. 868. - •) V. Weber, Statutarrechte II S. 1016.
- 478 —
droht, gibt der Herrschaft für den Fall, daß sie den
Vertrag nicht halten will, nur auf, dem Dienstboten den
Mietpfennig und einen Vierteljahrslohn tu. überlassen. So-
idann verdient Baden der Hervorhebung, dessen mo-
dernes Recht das einzige Beispiel eines über die Geld-
buße hinausgehenden Zwangs der Herrschaft zur Annahme
kennt. Es ist in der großen Gesindeordnung der Stadt
Freiburg von 1782 enthalten^). § 12 bestimmt, daß die
Herrschaft annehmen muß, und dazu zwangsweise ange-
halten werden kann. Hilft dies nichts, dann muß sie
dem Dienstboten einen anderen Dienst verschaffen oder
ihn umsonst ein Vierteljahr lang in oder außer dem Hause
verpflegen. Die moderne Gesindeordnung für Baden von
1809*) gibt keine derartigen vorherigen Bestinmiungen
des Schadeins, den der Dienstbote erlitten haben soll,
soindern läßt die Entschädigung, auf die er Anspruch hat,
frei bestimmen (§ 18); nur aus erheblichen Gründen darf
die Herrschaft den Dienstboten zurückweisen'}.
Es scheint uns von heutzutage das Natürliche zu
sein, daß der Eintritt des Dienstboten in den Dienst am
verabredeten Tage zu erfolgen hat. Früheren Zeiten so-
wie zurückgebliebelnen Verhältnissen der Gegenwart war
und ist diese Auffassung nicht in dem' Maße selbstver-
ständlich. In seinem Allmachtsbewußtsein glaubte na-
mentlich der Polizeistaat auch hier Regeln vorschreiben zu
können, denen sich die Vereinbarung anpassen sollte.
Ihm war um die Schaffung einer einheitlichen Miet-
*) L. A. Karlsruhe. Baden Gen. 6891. — ■) L. A. Karlsruhe,
Prov. Niederrhein. Gesindepolizei Lit. B Nr. 1 1756-1809 IV 2. -
•) Mit Strafe der Herrschaft und Ersatzpflicht wollte das fland-
rische Recht von 1719 den Dienstboten ihr Recht aus dem Vertrage
sichern. Aber daneben war es doch den Dienstherm gestattet, die
Annahme des gemieteten Gesindes zu weigern aus ,,motifs lögaox
arrivös ä leur connaissance depuis le jour auquel l'engagement 6tait
pris'*; Behaegely Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin da
comitö central du travail industriel 1905 S. 624).
— 479 —
und Ziehzeit des Gesindes und um möglichst srleichmäßige
Dienstdauer m tun; denn, so war hauptsächlich der Ge-
danke, wenn der eine heute, der andere in 14 Tagen,
Ider dritte in IV« Monaten sein Gesinde erst braucht,
wie kann da der gegenseitige Austausch von Gesinde
und Herrschaften von statten gehen. Da muß doch immer
ein Teil der Dienstboten ledig dasitzen. Es war die be-
kannte nationalökonomische Betrachtungsart, die sich in
Fiktionen gefiel, der die Aufstellung einer Theorie wert-
voller war als die Betrachtung des Lebens, und die nicht
merkte, wie das Leben sich an die aufgepflanzten Vogel-
scheuchen nicht kehrte, weil sie eben nur in der Theorie
existierten.
Noch weitere Erwägrungen führten zur Festlegung
der Dienstzeiten. Der Vertragsbruch des Gesindes konnte
leichter kontrolliert und bekämpft werden; jeder außer-
halb der anberaumten Zeiten dienstlos gefundene Dienst-
bote war des Vertragsbruchs verdächtig. Zusammen hier-
mit muß auch der bereits behandelten Verbote gedacht
werden, die sich gegen die Mietung des Gesindes vor
Beginn der Kündigrungsfristen oder vor einem bestimmten
Jahrestag wendeten. Weiter erleichterte die Bestimmung
einer festen Dienstdauer das Bestreben der Dienstherr-
schaften, die Dienstboten möglichst lange fest zu halten ^),
Und noch etwas bestimmte die Gesetzgeber zum Vor-
gehen in dieser Richtimg, Das Gesinde, das sich seiner
Stärke bewußt ist, bringt es fertig, sich nur für die Zeit
der Ernte zu vermieten und die stille Zeit zu hause zuzu-
bringen, aber sich gleichwohl den vollen Jahreslohn aus-
0 Diesem Zwecke dienten die Massregeln zur Festlegung der
Pienstdauer nicht allein. Auch die Vorschriften, dass der bisherige
Dienstherr das Gesinde trotz anderweiter Vermietung behalten darf
<oben S. 465 ff.), gehört beispielsweise hierher, ebenso einif^e Be-
stimmungen, wonach nur die ständig angestellten Dienstboten be-
sonderer Vorzüge teilhaftig werden sollen (oben S. 818 mit Hertz S. 6).
— 480 —
zahlen zu lassen. Die Arbeiten, die das landwirtschaft-
liche Gesinde zu leisten hatte, brachten es mit sich, daß
die Dienstzeit £ast stets auf ein Jahr festgesetzt wurde;
die Frage, an welchem Tage dies Jahr beginnen sollte,
wird verschiedenartig zu lösen ^^esucht. In den Städten
genügten den Gesetzgebern oft kürzere Fristen.
Für die aus all den genannten Gründen immer wie-
der gewählten Mittel, Festlegimg eines bestimmten An-
trittstages und Bestimmung d^ Dienstdauer ^) in mehr
oder weniger absoluter Form, findet sich in Hessen
das erste Beispiel im Weistum von Kaltensundheim
aus dem Jahre 1447*): „Wer einen dienstboten hat ge-
dinget, geschiehet auff meynimg in einem jar ixler be^
pante Zeit zu dienen". Im Zweifel also gilt das Jahr
als Mietzeit, aber Abmachung einer andern rkürzeren)
Zeit ist zulässig. Die Landesgesetzgebung in Hessen setzt
erst im 18. Jhdt. ein, wenn man von den Hofordnungea
absieht, die ständig die Mietzeit des Hofgesindes auf zwei
Jahre angeben').
Ehe auf jene späten Errungenschaften der hessischen
Gesetzgebung für das gewöhnliche Gesinde eingegangen
wird, sollen einige Angaben über die tatsächlich ge-
bräuchlichen Ziehzeiten in der vorhergehenden Zeit ge-
macht werden. Aus einem Prozeß des Knechts Witte-
kind in Ottershausen gegen seinen früheren Dienstherm
Gilbrachten in Rodenhausen aus dem Jahre 1531 und
0 Dass Glosse zum Sp. Art. 88 sowie Code civil Art 1780 die
Vermietung auf ewig bezw. auf unbestimmte Zeit nicht aner-
kennen, sei hier angemerkt; abhängig von Code civil in Ähnlicher
Weise Gesindeordnung f. Düsseldorf 1809 (Scotti, jQlich S. 1258). —
») Oben S. Mffl — ») LO. III S. 167-182, 626, 996, V S. 88, VI S, 46.
^ FOr die S alz knechte in Sooden erwflhnt der Vertrag zwischen
Philipp d. Gr. und den PßUinem von 1640 als Dienstzeit ein Jahr;
U. F. Kopp, Beytrag zur Geschichte des Salzwerks in den Soodeik
bey AUendorf an der Werra, 1788, S. 99.
— 481 —
1532 ^) ergibt sich, daß der Kläger auf ein Jahr gemietet
war. Henn Maurer, der 1533 g^egen Tutores heredum
Adolph Schwalbachs um' Lohn klagte, war als einziger
Knecht während einer Pestzeit von Martini bb Cathedra
Petri (22. Februar), also auf ein Vierteljahr, gemietet
worden, später noch einmal von Jakobi (25. Juli) bis
Martini, etwas mehr als ein Vierteljahr. Eine reichhaltige
Quelle sind weiter die loshauser Gesinderegister aus
den Jahren 1644 — 1743. In den allermeisten Fällen liegt
der Tag des Dienstantritts um' Neujahr herum»; Neujahr
selbst, Weihnachten oder Tage im' Januar. Auch Michae-
lis, Johannis, Jakobi xmd Cathedra Petri kommen öfter
vor. Die einzige Regel, die sich daraus ergeben könnte,
ist höchstens die, daß in den meisten Fällen das Miet-
jahr mit demi bürgerlichen Jahr zusammenfällt. Gemietet
wird fast stets auf ein Jahr. Es komlnen auch einige
Fälle vor, wo der Mietpfennig gleich für ein paar Jahre
gegeben wird. Wo der Dienstbote im' Laufe eines ange-
brochenen Dienstjahres (z. B. an Stelle eines kranken
oder entlaufenen Genossen) gemietet wird, geschieht es
oft, daß die Zeit bis zum' Ende dieses Jahres als Miet-
dauer gewählt wird. Der Lohn ist dann entsprechend
gemindert; es heißt wohl auch: er bekommt das, was
der Vorgänger noch zu fordern hatte.
Wenn nach den angeführten Beispielen im' landwirt-
schaftlichen Leben auch stets irgend eine Regelung der
Ziehzeit, der Dienstdauer gebräuchlicher war als andere,
so war doch, wie das Gesagte ergibt, oft ein Bedürfnis
vorhanden, von der Regel abzugehen. Daß das geschah,
lag im Interesse des individuellen Wirtschaftsbetriebs.
Nun wird sich zeigen, wie in der hessischen Gesetzge-
bung das Wohl der Universalwirtschaft zu betonen ver-
sucht wird, wie beide Lebenskreise mit einander ringen,
^) Ebenso wie der weiter genannte Prozess in Akten des mar-
burger Samthofgerichts enthalten (St. A. Marburg).
Kfinnecke. ^^
- 482 -
und schließlich immer ein Kompromiß dabei heraus-
kommt.
Erst 1736 ging Hessen zu einer gesetzlichen Erwäh-
nung der Ziehzeit über. § 7 der Gesindeordnung ^)
schreibt die Kündigung auf Johannis oder Christtag vor,
läßt jedoch daneben Mietimg des Dienstboten für „ge-
wisse", zu anderer Jahreszeit endende Zeitspannen zu.
1766 machte das Amt Gudensberg tmter andern Vor-
schlägen auch den, die Ziehzeit fürs Gesinde auf Johannis
zu legen*). Die Regierung lehnte ihn jedoch ab, schlug
dafür aber dem Geh. Rat wenigstens eüie Festlegung der
Schäfermiete auf Walpurgris vor. Diese Vorschläge ka-
men aber nicht zur Verwirklichung, vor allem« vielleicht,
weil andere Ämter wieder andere Termine zur Annahme
empfahlen.
Auch 1797 wollte die Regierung die Fixierung einer
Ziehzeit nicht vornehmen, nur bei männlichen Dienstbo-
ten die Zeit mäßgebend sein lassen, für die die Livree
gegeben wird'). Die Lösimg erfolgte in der Weise (1797
§ 7) *), daß die Dienstboten verpflichtet wurden, die ganze
Zeit auszuhalten, sie mag durch Abrede oder durch
Observanz bestinünt sein. „Diese letztere nemlich ist
hierin bey weiblichen Bedienten, und bey solchen männ-
lichen Dienstboten, welche keine Alltagslivree erhalten,
alsdann die Richtschnur, wenn die Dienstzeit nicht durch
ausdrückliche Verabredung festgesetzt ist. Wo aber eine
Alltagslivree gegeben wird, da bestimmt die 2^it, worauf
dies geschieht, zugleich die Länge der Dienstzeit." Über
die Dauer des zweiten und folgenden Mietjahrs wird be-
stimmt : Wenn keine Kündigung erfolgt, „so ist die ^'orige
durch Vertrag oder Observanz bestimmte Miethe still-
schweigend für fortgesetzt und erneut zu halten". Da-
durch ist der ursprüngliche Gesetzentwurf der Polizei-
*) LO. IV S.410. — •) HierftJr und ftlrs folgende ist oben S,7Öff:
das Nähere mitgeteilt. — ») Oben S. 112 f. - *) LO. VII S. 727,
— 483 -
kom'mission abgeändert worden, der eine Fortdauer stets
um ein halbes Jahr gelten lassen wollte^}.
Daß trotz der im ganzen liberalen Grundsätze der
Gesindeordnung zu kurze Dienstfristen nicht dem Rechts-
gefühl der Zeit entsprachen, geht aus einem! Votumi des
Oberapellationsgerichts von 1801 in Sachen des Reit-
knechtes Austermühl gegen die Witwe seines Dienstherrn,
Major Eigenbrodt in Hofgeismar*), hervor: „Vielmiehr
fällt ins unerhebliche, was sie (Klägerin) davon führt,
dass die Dienstzeit des Querulanten mit jedemi Monathe
zu Ende gegangen, weU ihm: ein monatlicher Gehalt von
4 Th. nebst dem' Brod wäre zugesagt gewesen. Der ver-
storbene Major wäre gewiss in Campagne übel daran
gewesen, wenn am Ende jeden Monaths seine Domestiquen
hätten von ihrem' Dienste abgehen können. Auf derglei-
chen Weise miethet niemand sein Gesinde."
Das in der Gesindeordnimg von 1797 Enthaltene
steht auch in der Gesindeordnung fürs Land von 1801 ')•
Inzwischen war (1799) mit sächsischen Staaten die Ver-
einbarung über die Wandelzeit der Schäfer abgeschlossen
worden*). So konnte denn noch eingefügt werden, daß
die Schäfer Weihnachten gemietet werden und Petri
ziehen müssen.
Doch erfuhr diese Bestimmung häufige Abänderun-
gen. So wurde das Amt Bergen 1802 schon von der Be-
folgrung befreit*). 1816 erhielt der Amtmann in Nieder-
aula auf seine Mitteilungen von der Unmöglichkeit der
Durchführung den Bescheid, die Gesindeordnung sei hier-
in „nicht so genau" zu halten. Er könne gestatten, nach
dem jeweiligen Interesse die Mietzeit zu bestimmen. Nur
wenn sich ein Teil auf die Gesindeordnimg beruft, müsse
danach verfahren werden •).
*) Oben S. 96. - ») St, A. Marburg. — ») LO. VIII S, 26. —
*) Oben S. 118. — •) Oben S. 117. — •) St. A. Marburg. Cass. Reg.«
Akten Pol.-Rep. F 48 Nr. 7± (Vol. I), letzter Teil des Bandes.
81*
— 484 —
Hingegen, als die kurfürstlicbe Deputation des Land-
Wirtschaftsvereins der Provinz Oberhessen 1823 bat, die
Bestimmungen über die Ziehzeit der Schafer einzuschär-
fen^), wurde ihr bereitwillig gestattet, eine zweimalige
Bekanntmachung solchen Inhalts im Provinzialwochen-
blatt zu erlassen; sie erfolgte in Nr. 26 vom 28. Juni
und Nr. 27 vom S. Juli 1823.
Gleichzeitig kam freilich die casseler Regierung zum
entgegengesetzten Ergebnisse '). Am 3. April 1823 fragte
der Landwirtschaftsverein zu Cassel bei ihr an, ob der nütz-
lichen Bestimmung über die Wechselzeit der Hirten über-
all nachgelebt werde. Die Antwort der Regierung ging
aber dahin, daß man es bei Abfassung der Gesindeord-
nung von 1816 nicht für ratsam gehalten habe, einen
Termin zu bestimmen; die Ziehzeit soUte sich vielmehr
nach dem beiderseitigen landwirtschaftlichen Interesse
regeln. Auf nochmaliges Drängen des Vereins veranstal-
tete die Regierung jedoch eine Rundfrage. Das Ergebms
war, daß nirgends im Lande (Niederhessen) die Vorschrif-
ten der Gesindeordnxmg über die Ziehzeit der Schäfer rich-
tig befolgt wurden. Auf einen hiemach erstatteten langen
Bericht der Regierung über für und wider antwortete das
Ministerium nicht; noch 1828 wurde es gemahnt. Die
Hirtenordnung vom 18. Oktober 1828 ') erklärt das Schwei-
gen : Nach § 11 „entscheiden hinsichtlich der Mieth- und
Wechselzeit Verabredungen und Observanz".
Auch das spätere 19. Jhdt. wird nicht ohne Klagen
über die stete Abkürzung der Ziehzeiten fertig. Bei der
Enquete von 1851 bekam die Regierung dann genug zu
hören *). Diese Enqu6te ging auch dahin, ob es zu billigen
sei, daß man den Dienstboten, die in einem Jahre in den
») St A. Marburg. Marb. Reg. - Akten Rep. III Tit IV 10. -
*) St A. Marburg. Cass. Reg.-Akten. Pol.-Rep. F48 Nr. 8; 226. Acte
betr. Wechselzeit der Schaferund Hirten a828— 1852). — ») Möller-
Fuchs S. 627. — *) Oben S. löOffl
— 485 —
dritten Dienst g^hen wollen, die Visierung de!5 Dienst-
buchs verweigere, ausländische Dienstboten ausweise.
Wie nach langen Jahren dies Vorgehen zu der Bekannt*
machiing der hanauer Polizeidirektion vom 29. Mai 1858
führte, in der der hier ausgesprochene Gedanke verwertet
wjurde, ist früher dargestellt worden^).
Über Fuldas Rechtszustand teilt Thomas') mit»
daß auf dem Land die Dienstzeit ein Jahr ist, von Cathedra
Petri zu Petri. In der Stadt ist es ein halbes Jahr, das sich
nach den beiden Marientagen richtet, oder auch ein Jahr»
wofür die Vermutung spricht*). Die hanauer Gesinde-
ordnung von 1748 setzt Petritag als Ziehzeit *) fest, „damit
die bisherige Unordnung der Auf- und Losskündigung
'derer Dienste vermieden werde**. Der Dienst soll im
Zweifel ein Jahr währen, aber Vereinbarungen sind nicht
ausgeschlossen.
Einen der frühesten Belege für das Vorkommen
von Jahresdiensten außerhalb Hessens bietet die Ende des
15. Jhdt. entstandene Gesindeordnung für das Kloster
Königsbrück^). Sie spricht davon, daß alle Jahr dem
Gesinde die Ordnung vorgelesen wird. Daraus ergibt sich
mit großer Wahrscheinlichkeit, wie M one bemerkt, „dass
regelmässig das Gesinde auf ein Jahr gedinget wurde und
sämtlich an einem und demselben Tage aus- und eintrat'*.
Das sind Beobachtungen über den Brauch, der im
Kloster herrschte. Sich selber eine immer einzuhaltende
Ziehzeit vorzuschreiben, dazu hatte die Klosterverwaltung
natürlich keinen Anlaß.
- •
^) Oben S. 168 f. — Eine Menge Material über die gegenwärtige
Gewohnheit der Ziehzeiten in Hessen bietet Hesslers Landeskunde
n S. 165, 816, 867, 888, 678; auch Werner (Bötte), Aus einer ver-
gessenen Ecke S. 87. Bald ist es Weihnachten, bald Petn, Lichtmess,
Ostern, Michaelis. Kaum sind diese Sitten anders, als sie vor Jahr-
hunderten waren. — «) Sistem III § 66; oben S. 182. — ») Hessler
a.a.O. S. 867 (Lichtmess). — *) Ebenda S. 888 (Petritag). — •) Mone,
2cit8chr, ftr Geschichte des Oberrheins Bd. I S. 179.
— 486 —
Aus der späteren badisc'hen Rechtsgtechichte ist
die Festle^rung: der Ziehzeit auf ein von Johannis oder
Weihnachten an laufendes Jahr zu nennen, wie sie in der
Gesindeordnung der Herrschaft Gutenburg von 1652 ^}
enthalten ist. In der Kurpfalz wtirde 1684 durch die
Polizeiordnung') das Austreten zu Johannistag verboten,
da das dem Bauer schädlich sei, zugleich aber die Fest-
legung einer gemeinsamen Ziehzeit fürs ganze Land wegen
Verschiedenheit der landwirtschaftlichen Sitten für nicht
praktikabel erklärt. Kurpfalz richtete weiter 1780 an die
Nachbarstaaten einen Vorschlag '), man solle die bisherige
Ziehzeit des Bauemgesindes von Weihnachten auf Mar-
tini verlegen. Weil Martini aber noch viele Feld- und
Weingartarbeiten zu tun sind, lehnt die badische Regie-
rung ab. Die freiburger Gesindeordnung von 1782*)
setzt als Mietzeit 1 Jahr fest; doch mag anderes abge-
macht werden. Kündigung darf aber nur auf die gebräuch-
lichen Wandelzeiten Ostern, Johannis, Michaelis, Weih-
nachten erfolgen*). 1809 wird in Baden*) unterschie-
den nach Stadt- und Landarbeit. Für jene wird Vi
Jahr als Mietzeit bestimmt; für Bauemgesinde 1 Jahr.
Verabredungen anderer Art sind gültig. Die vier Wandel-
zeiten werden in ihrem Redht belassen.
Aus Süddeutschland hat ferner die württember-
ger Gesindeordnimg von 1652^) hier Platz, die ebenso
wie ein Reskript vom 19. Novem^ber 1696®) die Mietzeit
auf ein von Johannes Evangelista (27. Dezember) an lau-
fendes Jahr bestimmt ; Vermietxmg auf nur ein halbes Jahr
wird ausdrücklich verboten. Die Anordnung' geht wie
überhaupt die Gesindeordnung von 1652 auf die in dem-
*) Gen. L, A. Karlsruhe. Copiarbücher Nr. 6921. — •) Univ.-
Bibl. Marburg — •) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Generah'a 6891 -
*) Ebenda. — ») § 11. - •) Gen. L. A. Karlsruhe. Provinz Niederrhcin.
Gesindepolizei. Lit B Nr. 1. 1756-1809 (IV 2). - ') Reyscber,
Gesetze XIH S. lU. — ') Ebenda S. 496.
— 487 —
selben Jahre erfolgte Vergleichung des schwäbischett
Kreises^) zurück; an zwei Stellen wird hier das Gebot
ausgesprochen. Auch die gemeinsame Taxordnimg schwä-
bischer Städte von 1669*) läßt nur Vermiettmgen auf
ein Jahr zu. Ebenso ist das Recht der Gesindeordnung
für Biberach von 1651*).
Während die österreichische Gesindeordnuilg
von 1769*) zur Bekämpfung des Abspenstigmachens die
Einhaltung der Miettermine für unbedingt notwendig er-
klärt*), ist sie in der Bestimmung der Eintrittstage tole-
ranter. Sylvester und Walpurgis sollen imbeschadet an-
derer Observanz als Anfangstage des Dienst Jahres gel-
ten; muß eine Mietimg vor diesen Tagen erfolgen, dann
rechnet das Dienstjahr doch erst von jenen Terminen
an, während Lohn höchstens vom Tage des faktischen
Einstandes gezahlt zu werden braucht.
Bei weitem am> ältesten in Bayern ist die Bestim«
mung des augsburger Stadtrechts von 1276 •): „Swaer
einen ehalten dinget der mak des niht vertriben e ze
sinem jare." Das Rechtsbuch der Stadt Memmingen
von 1396^) straft den, der sein Gesinde für einen andern
Termin als Lichtmeß mietet, mit 30 Schillingen und so-
gar einem Monat Stadtverweisung; eine Frau gibt drei
Pfimd Strafe. Auch inLandshut wurde 1408 Lichtmeß
als Ziehtag genannt®); zu welcher Zeit auch sich ein
Dienstbote für das folgende Jahr vermietet, stets muß
er Lichtmeß antreten.
Deutlicher als der Gesetzgeber in Augsbiurg spricht
den Gedanken des Jahresdienstes die altbayerische
*) St 4. Stuttj?art Druck. — ») Ebenda. Handschrift. — •) Kr,
A. Neuburg. Ad. H. 5387. Augsburg Hochstift, ad. Gen. XI Nr. 1
- *) Kr. A München. GR. Fasz. 402 Nr. 2. - •) Oben & 478. —
•) Meyer Art 129. — ^M. von Freyberg, Hist Schriften u. Urk.
V. S. 289flf., bes. 812. — •) Staudenraus, Chronik I S. 107.
— 488 —
Ehehaltenordnung von 1652^) aus. „Durchgehends und
aller ortten" sollen Dienstboten sich stets auf ein Jahr
von Lichtmeß an verdingen; ebenso, nicht anders
fen die Herrschaften mieten. Nur wo in Städten
Mietzeit, ein halbes oder Vierteljahr, üblich ist, mag es
so bleiben. Das Landrecht (Gesindeordnung) von ].654')
setzte ebenfalls Jahresmiete fest, gestattete aber den Herr-
schaften Mietung auf kürzere Zeit; dies ist auch der
Rechtszustand nach der Ebehaltenordnung fürs Amt Burg-
hausen von 1656 und der für München von 1660'). So
bleibt es auch im 18. Jhdt. nach den Gesindeordnungen
von 1746, 1766, 1761, 1781*) für ländliche Verhältnisse.
Die Gesindeordnung von 1755 überläßt die Festlegung
der Ziehtage der Ortsobservanz, die aber wohl maßgebend
sein soll; 1781 dagegen werden dem ländlichen Gesinde
Lichtmeß und Michaelis, dem städtischen eben diese Tage
sowie Georgii (23. April) und Jakobi (25. Juli) als An-
trittstage vorgeschrieben. Bei billigen Ursachen will die
Ordnung von 1781 Abkürzung des ländlichen Dienst-
jahres in beiderseitigem Einverständnis zulassen ; muß Ge-
sinde vor der ordentlichen Ziehzeit angenommen werden,
dann rechnet das Jahr doch erst vom nächsten Ziehter-
min ab*^). Durch Patent vom» 13. August 1781 •) wurde
auch für die Hofmarchsherrn des Pfleggerichtes Biburg
wegen ihres Zwangsgesindes bestimmt, daß sie sich nach
den festgesetzten Ziehzeiten bei der Einforderung von
Zwangsdiensten richten müßten. In Eichstätt war nur
ein halbes Jahr Mietzeit nach der Polizeiordnung von
1707 ^).
Für die Mitglieder des fränkischen Kreises
') R. A. Manchen. Generalien • Sammlung Rep. S. 9 Nn 5. —
") Ebenda Nr. 7 Bd. 1; Platzer S. 190. — •) Kr Manchen. GR.
Fasz. 403 Nr. 1. — M Ebenda; femer Churbaierisches IntdUgenzblatt
1776 Nr. 89, und AR. Fasz. 459 Nr. 909. - •) Art 2, 4, 10, 12. -
*> Kr. A. Manchen. GR. Fasz. 404 Nr. 7« — ^ Habelache Sammlung.
- 489 —
chreibt die Dienstbotenordnunfir von 1654^) ohne Fest-
egxins eines Ziehtages vor, daß Dienstboten nur auf ge-
Mrisse Zeit gemietet werden dürfen.
In Nürnberg scheint gleichwohl die Dienstzeit nur
Ivirch die Sitte bestimmt gewesen zu sein'), und zwar
wenigstens bis zum 15. Jhdt. auf ein Jahr. Es galten nämf-
lieh damals die Vorschriften '), „dass Knechte, Mägde und
Jungen nur einmal im« Jahre sich verdingen lassen durften,
mit Ausnahme jener Dienstboten, welche von den Herr-
schaften freiwillig entlassen worden waren, oder aus trif-
tigen Gründen . . . die Genehmigung zum* Stellenwechsel
erhalten hatten". Die Taxordnung für Bamberg von
1652 *) «verzichtet auf Ansetzung von Dienst-Tagen, ord-
net jedoch ein Jahr als regelmäßige Dienstzeit an. „Es
were dan sach das der Zustandt dess Hausswesens ein
anders imn nemblich dises erforderte, das etwa ein Dienst-
bott nur uff ein halb oder Viertel Jahr angenommen wer-
den müste*'; dann darf aber Lohn nur pro rata terot-
poris gegeben werden. Erheischen so „der Sachen umb-
stände" etwas Besonderes, dann soll man bei der Obrig-
keit anfragen. Wird nicht gekündigt, dann läuft der
Dienst um ein Jahr weiter.
Für die brandenburgischen Länder Frankens
bringt die der bamberger Taxordnung verwandte Ordnung
von 1652*) die erste Regelung; wenn die Gewohnheit der
Miete auf Lichtmeß oder Walpurgis nicht befolgt wird,
soll doch wenigstens der Lohn nur der wirklichen Dienst-
zeit entsprechend gezahlt werden. Die „Chur- und F ürstL
Vormundschaftliche Resolution auf die Voigtlandische
Ritterschaftlichen Gravamma", Bayreuth 22. Jxmi 1657 •),
gibt zu, daß eiii Dienst um ein Jahr fortdauert, wenn
') Landesverordnungen WOrzburg I S. 248. — *) Kamann S. 72.
— •) Ebenda S. 74. — *) Kr. A. Bamberg. Bamberger Verordnungen
Rep. Ul Nr. 69. — •) Kn A* Amberg. Zugang 6. Fasz. 24 N. 212.
— •) Kr. A. Bamberg. .Collectanea Rep. 187^, nr. 1.
— 490 —
nicht gekündigt wird. So steht es auch in der Polizei-
Ordnung von 1672 ^). Anders will es die Gesindeordnang
von 1769 *). Die bisherigen vier Termine Lichtmeß, Wal-
purgis, Laurentii (10. August) und Martini brauchen di
nicht eingehalten zu werden, wo es anders Sitte ist. Wird
zu spät gekündigt, dann läuft der Dienst ein Vierteljahr
weiter. Ziemlich am Schluß der Ordnung findet sich noch
die väterliche Mahnung: „Wir halten übrigens nicht vor
nöthig, weitläufftig anzurathen, oder vorzuschreiben, sich
vor offtermaligen Dienst- Veränderungen, als einer denen
Hausshaltungen höchst schädlichen Sache, möglichst zu
hüten, indem eine Christliche und auf ihr eigen Bestes
sehende Dienst-Herrschafft fromme und wohlgeartete
Dienstbothen je länger je lieber beyzubehalten, von sich
selbst beflissen seyn, und dergleichen vernünftige Dienst-
bothen bey guten Herrschafften beständig bleiben zu kön-
nen, wünschen und sich bestreben werden".
Angeführt sei noch die Gesindeordnung der Städte
Neustadt tmd Landau von 1640'), die ein Jahr als
xmumgängliche Mindestzeit ansetzt.
Über die Mietung des Gesindes auf Johannis wurden
in Nassau Klagen Jaut. Deshalb legte man am 9./19-
September 1656 *) als Ziehtag Michaelis fest, und erklärte
andersartige Mietverträge für nichtig. Verschärft wurden
diese Bestimmungen am 9. August 1658*). Für Usingen
wurde im 18. Jhdt. Weihnachten als Mietzeit verordnet*).
Die Gesindeordnung für Ge dem von 1681 ^) setzte Petri
(22. Februar) als Ziehtag an, ohne daß aber diese Äuße-
*) Corp. Const. Brand.-Culmb., II 1 S. 666 ff., bes. 6^. — ») Kr.
A. Nürnberg S. 28 ^^- Nr. 779 Repert. 288. — ») Archiv der Stadt
Speier. Fasz. 648^.. — *) Corp. Const Nass. II 2 S. 48. — •) Ebenda
S. 69. — •) St A. Wiesbaden. V. Nassau -Usingen. Generaüa III
Verordnungen Band V S. 128. — ») Gräfl. Stolbergisches Archiv ift
Gedem. B XX ,,Allerhand Verordnungen und Befehle so in der
Grafschaft Stolberg-Gedem ergangen", S. 61«
— 491 —
rung 'die strenge Form eines Befehles erhalten hätte. Die
Polizeiordnung Sayn-Wittgensteins von 1776^) ge-
stattet die Beibehaltung der Sitte, daß von Weihnachten
zu Weihnachten ein Dienstjahr läuft.
iKölner Recht ist, daß seit der Polizeiordnung von
1645 *) die Dienstzeit einjährig läuft ; halbjährige Mietung
soll nicht mehr stattfinden. Ziehzeit der ländlichen Dienst*
boten soll Lichtmeß sein, im» Herzogtum Westfalen da-
gegen für alle Dienstboten Martini — so wird am 2. Mai
1718 und am 12. Oktober 1722 verordnet ^). Energischer
wird die Bestimmung für Westfalen in der Polizeiordnung^
von 1723 ausgesprochen*); wird ohne Not dawidergep
handelt, dann verliert das Gesinde den verdienten Lohn,,
die Herrschaft erhält ansehnliche Brüchtenstrafe. Die Ver-
ordnungen vom 10. Dezember 1751 und 17. Juli 1770*)
weisen auf den „Jahresdienst" hin, während dessen kein
fremder Knecht ohne obrigkeitlichen Erlaubnisschein ge-
mietet werden darf. „Zur Abstellung der Unordnungen:
im Gesindewesen imi Vest Recklinghausen'' wird am 26.
Juni 1764*) angeordnet, daß künftig keine Vermietung^
auf eine Zeit vor Johannis oder Neujahr erfolgen darf;
»JDienstboten, welche ohne gemachten Vorbehalt wegen
6 monatlichen Dienstaus trittes sich vermiethen, sind zur
Aushaltung des ganzen Dienstjahres verpflichtet."
Nach der clevischen Gesindeordnung von 1608^)
folgt der Zug des Gesindes in der Oster- tuld Michaelis-
woche. Daß es hier nicht halbjährige Mietzeit gab, son-
dern ganzjährige, geht aus der Gesindeordnung von 1644 ^y
hervor. Weitere Spezialisierungen bringt die vom 29. Sep-
tember 1696 •). Der Antritt muß mindestens drei Tage
*) Univ..Bibl. Marburg. — •) Scott!. Köln II S.249.- •) Ebenda
S 618, 621. - *) Ebenda S. 628. - ») Ebenda I 2 S. 771; St. A.
DOsseldorf. Sammlung jülichscher Verordnungen. — •) Scott! a. a.O^
S 849. - T Scott!, Cleve S. 216. — •) Ebenda S. 260. - •) Ebenda
S. 690.
— 492 —
nach der stipulierten Zeit erfolgien. Nach der stipu-
lierten Zeit — also ist jetzt die Vereinbarung der Miet-
dauer erlaubt. Die frühere Herrschaft soll den Dienst-
boten zu der genannten Zeit entlassen. Denn für jeden
Tag, den das Gesinde zu spät kommt, erhalt es 15 Stüber
Lohn weniger. Und für jeden Tag, den die bisherige
Herrschaft zu spät entläßt, muß sie 15 Stüber Strafe
zahlen. Erfolgt keine Kündigung« dann läuft eine iveitere
Mietezeit von sechs Monaten. Für Cleve wurden im 18.
Jhdt. noch die beiden Gesindeordnungen von 1753 ^) und
1769') geschaffen, die beide von einander abweichen.
Wenn keine Verabredung erfolgt, gilt ein Jahr vereinbart;
so 1753. Dagegen schließt die Gesindeordnung von 1769,
die fürs platte Land bestimmt ist. Mietungen imter einem
Jahr aus, und sagt aufmimtemd, daß die Vermietung
auf 1, 2, 3 und mehr Jahre erfolgen kann. Mietzeit ist
nach der Gesindeordnung von 1753 die Zeit von Ostern
bis Victoristag (10. Oktober), auch wenn der Dienstbote
schon einige Zeit vorher eintritt. Das gilt seit 1769 nur
für Cleve; im Märkischen sind die Termine Ostern und
Michaelis. Nach beiden Rechten bedeutet Unterlassen
der Kündigung Verlängerung des Dienstverhältnisses um
ein Jahr.
Hinweise auf einjährige Mietzeiten f laden sich in der
Gesindeordnung für Düsseldorf vom 15. Dezember
1751'); schon vorher war hier in den Polizei- und Tax-
ordnungen von 1706 und 1728*) dem Dienstboten un-
tersagt worden, ohne Ursache in seinem Dienst j a h r aus
dem Dienst zu gehen. Dem gegenüber stellt die Gesinde^
Ordnung von 1809*) die Geltung des Vertrags an die
Spitze. Und nur „zur Bequemlichkeit des Diensthalters
«) Ebenda S. 1452. — «) Ebenda S. 1894. — •) St. A. Dflsseldofl
Akten des Bonner Hofrats, Kurköln, Rechnungssachen Nr. 47. —
^) St. A. Düsseldorf. Nr. 1009 der Sammlung jOlichscher etc. Ver-
ordnungen. — ») Scotti, Jülich S. 1252.
— 493 -
sowohl als des Gesindes sind jedoch folgende Miethzeiten
festgesetzt : Ostern, Johannis, Michaelis und Weynachten",
Im Zweifel gilt nur das kommende Qxiartal als Mietzeit»
beißt es weiter. Wird von der vierzehntägigen KündigTung
kein Gebfauch gemacht, dann verlängert sich der Ver-
trag um ein Vierteljahr. Der Vorläufer dieser düssel-
dorfer Gesindeordnung, die jülidher von 1801^), hatte
die Mietzeit auf in dubio ein Jahr festgesetzt, und zwar
ein mit dem> Tage des faktischen Diensteintritts begin-
nendes Jahr. Damit wurde natürlich die Festlegimg be^
stimmter Zeittermine überflüssig. Der ungekündigte Miet-
vertrag läuft ein Jahr weiter.
Die wenigen aus Westfalen überlieferten Bestim-
mungen betreffen vornehmlich die Ziehtage. Nur Pa-
derborn setzt in seiner Polizeiordnung von 1655*) die
Dienstzeit auf ein Jahr an; für Ackerknechte läuft das
Jahr von Petri bis Petri. Die Landesordnung für Ret-
vensberg von 1655 •) sieht MichaeUs imd Ostern als
gewöhnliche Ziehtage an, ohne gerade diese Zeiten zur
Aufstellimg einer Norm zu verwenden. Dieselben Tage
gelten in Münster als genau einzuhaltende Termine;
die Godingsartikel des Domkapitels in der Fassung von
1715*) drohen mit drei Mark Poen auf Übertretungen.
Die Gesindeordnung von 1722*) scheint es bei diesen
Tagen zu lassen, wie die Bestimmimgen über die Mietungs-
termine ergeben; ein Gebot gar mit Straf ankündigungen
wird aber nicht ausgesprochen.
Ständig ein ganzes Jahr wird in Detmold als Miet-
et beibehalten. So nach der Taxordnung von 1655, der
von 1658 und der Gesindeordnung von 1752 ^). Während
') Ebenda S. 880. ^ ') Landesverordnungen Paderborn I S. 6.
"* *) 18. Jahresbericht des Hist. Vereins für die Grafschaft Ravens-
borg a 124. — *) Philippi, Landrechte S. 181. — ») Sammlung
Münster I S. 868. — •) Landesverordnungen L. - Detmold I S. 408^
*^ II S. 47.
— 494 —
1655 ein bestimtnter Ziehtermin nicht festgesetzt
erscheint 1658 Michaelis als Wandeltag; 1752 wird da-
zu noch Ostern zur Wahl gestellt. Ein Regierungrsaus-
schreiben vom 6. Januar 1783^) schärfte die Gesinde-
ordnung von 1752 teilweise ein, darunter auch die Be-
stimmungen über die Mietzeit. Noch Genaueres sollte
dann durch Verordnung vom 16. März 1789 bestimmt
werden ^) ; lange Bestimmungen über den Wochentag des
Dienstwechsels (darüber unten) lassen erkennen, daß
Ostern und Michaelis feste Ziehzeiten sein sollen. In
Waldeck ist nach der Gesindeordnung von 1736*) die
— durch besondere Abmachung veränderliche — Dienst-
zeit ein Jahr.
In den braunschweiger Polizeiordnungen von
1573 und 1579*) wird einmal auf Ostern imd Michaelis
als Ziehzeiten hingewiesen; mehr als Nennung einer Ge-
wohnheit soll dies aber kaum sein. Die Gesindeordnun^r
für die Stadt Wolfenbüttel von 1748*) läßt Abwei-
chungen von den angesetzten vier Mietterminen Ostern,
Johannis, Michaelis und Weihnachten und von der vor-
geschlagenen einjährigen Dienstdauer zu; wird nach Be-
ginn eines Vierteljahres der Dienst angetreten, dann darf
der Lohn nicht für das ganze Quartal, sondern nur für
die tatsächlich abgediente 2^it gegeben werden.
Eine Stelle des alten duders tadter Rechts*) kann
nur so verstanden werden, daß eine Mietzeit auf Weih-
nachten festgelegt werden soll: „Welk Borger eynen
Ackerknecht meydet, dey schal on meyden weter up Wy-
nachten. Pena eyn Pimt." Nicht ganz klar ist auch die
Bedeutung der folgenden Stelle der ilmischen Sta-
tuten^): „Nach cristi gebmrt tausend ffunff hundert und
*) Ebenda III S. 57. - >) Ebenda S. 541. - «) Sammlung der
Regierung Arolsen. — *) Hflnselmann, Urkundenbuch I S. 404 fif.;
453 ff. (Kap. 94). — ») Archiv WolfenbOttel. Nr. 7097. — •) Gengier,
Stadtrechte S. 98. - ^) Walch, Beyträge V S. Iff., bes. 80.
— 495 —
ym Sibenzdehenden Jare uff mitwochen in der gemein
Wochen (30. Sept.) ist durch drei Rethe beschlossen das
alle f urmunden hinfurt uff Bartholomei ire rechnunge thun
sollen bey des rats straffe dor nach mögen sich alle
dinstboten adir gesinde widerumb bie einem« newen rathe
ümb ilienste bewerbenn.** Es mag sein, daß dieser Termin
den allgemein gebräuchlichen Tag des Dienstwechsels
oder vielleicht auch der Neumietung bedeutete. In Fran-
kenhausen hatte der Rat 1534 erfahren, „das etlic^he
muthwillige dinstgesinde sich nicht änderst wan auf eine
Wochen imd urab wochenlon vermiethen wollen". Es soU
sich künftig niemland mehr auf weniger als ein halbes
Jahr vermieten^). Hier wollte man zunächst nur im
Sinne der Müßiggänger-BestimMungen *) gegen die tage-
oder doch wochenlöhnemden Leute vorgehen; gleich-
zeitig gelangte man aber auch 211 einer Fixierung der Min-
destmietzeit. Neujahr imd Johannis sollen mangels an-
derer Vereinbarung als Ziehzeiten in Mühlhausen gel-
ten (Heimbuch 1736 1 1 3 ») ). Die fürstlich gothaische
und altenburgische Gesindeordnung von 1719*) be-
läßt es beim Landesbrauch, daß die Dienstboten ein Jahr
lang von Neujahr an dienen. Erwähnt seien von den thü-
ringer Re<^hten schließlich noch die Jenaer Gesinde-
ordnimg von 1751*), wonach die ordentliche Dienstzeit
ein halbes Jahr von Ostern bis Michaelis imd wieder bis
Ostern bt, sowie die eisenacher Gesindeordnung von
1757*), die für die Ziehzeit auf Ortsgebräuche ver-
weist.
Das Stadtrecht von Lüneburg') spricht von den
gewöhnlichen Ziehzeiten, außerhalb deren Gesinde nur
') Michelsen, Rechtsdenkmale S. 466 ff., bes. 481. — *) Oben
S 9. — *) In der stftdt Bibliothek MQhlhausen. - ^) Univ.-Bibl. Mar-
burg. XVm f A 870. — •) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV
S. 146. — •) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 8. - 0 Pufen-
dorf, Obs. iur. Bd. IV Appendix S. 624 ff., bes. 797.
— 496 —
mit Kundschaft redlichen Abschiedes angenommen wci-
den soll. Die allgemeine Gesindeordnung für Hannover
von 1732 ^) erlaubt abweichende Vereinbarungen von der
auf ein oder ein halbes Jahr bestimmten Dienstdauer. Ais
Antrittstermine sollen die Quartalsanfänge gelten. Kom-
plizierter ist die Regelung, die für H ade In am 11. Man
1789 vorgenomimen wird'). Knechte und Jungen ziehen
im Frühjahr um Maria Verkündigimg (25. März), im
Herbste auf Allerheiligen ; Mägde xmd Spinnerinnen gehen
am" achten Tage nach Ostern und Michaelis. Nach Vor-
bildern der Zeit wurde gegen Ende des 16. Jhdts. für
Ostfriesland eine Gesindeordnung entworfen*). Als
Antrittstag sind hier St. Georg (23. April) und Michaelis be-
stimmt; ist es nötig, zwischen diesen Terminen Gesinde
anzunehmen, dann darf der Lohn nur der wirklich aus-
gedienten Zeit entsprechen ; Übertreter zahlen einen Vier-
teljahrslohn. Bei Umfragen, die in Oldenburg seit
1794 veranstaltet wurden*), stellte sich heraus, daß die
Dienstzeit verschieden war, meist ein Jahr von Ostern
oder Michaelis an.
Von den nördlichsten Rechten bringt die Ansetzung
fester Fristen für die Gesindemietung zuerst das h a m b u r-
ger Stadtrecht in der Fassung von 1292*); die schon an-
geführte Stelle K. 7 setzt Ostern und Michaelis als Mie-
tungs-, die dritte Woche danach als Eintrittszeit fest. Von
den späteren Stadtrechten gehört hierher die flensbur-
ger Polizeiordnung von 1600®). Kündigimg erfolgt Jo
haimis und Weihnachten. Wann daraufhin der Umzug des
Gesindes stattfinden soll, ist nicht gesagt; es wird wohl
wie fast überall ein Vierteljahr später sein. Dienstboten,
*) Spangenberg, Verord. f. Hannover IV 2 S 461. — *) Ebenda
III S. 404. — •) St. A. Anrieh. Archiv der ostfriesischen Landschaft
O. B. Polizeisachen zu Nr. 8. — *) Grossh. Haus- und Central-Archiv
Oldenburg. B II-B VI 8 Amt Brake 2. I A Nr. 4 conv. 5. -
•) Lappenberg S.574; oben S. 470. — •) Corp. Stat. SIesv. II S Ä
— 497 —
die sich zu ungidegener Zeit vermieten, kommen ins Ge-
fängnis. Ganz wie hier ist es sjÄter in Sonderburg
nach der Polizeiordnung von 1698^). In den Landes-Ge-
sindeordnungen des 18. Jhdts. wechselten hier Viertel- und
Halbjahre als Mietzeiten ab. 1733 war es ein halbes
Jahr^), 1740 und 1749 wurden die Quartalsanfänge als
Eintrittstermine bestimimt*); bei Nichtkündigung lief der
Dienst um die ursprünglich abgemachte Zeit von einem
halben oder ganzen Jahr weiter. Die Gesindeordnung von
1749 erfuhr aber 1756 eine declaratio authentica dahin,
daß nur noch Ostern und Michaelis das Gesindfe antreten
solle*). So ist auch der Rechtszustand, der von der Ge-
sindeordnim^ des Jahres 1768*) eingeführt wird.
Da vornehmlich in den Fällen, wo das Gesinde zum
neuen Dienst an andere Orte ziehen muß, Austritts- und
Eingangstag kaum derselbe sein können, so werden bis-
weilen bestimimte Tage vor Ostern, Michaelis usw. als
Ausrugstermine, Tage nach dem' Fest als Antrittszeiten
festgesetzt ; oder es heißt, daß das Umziehen in der Fest-
woche zu erfolgen habe. Auf diese Bestimmungen braucht
hier ihrer Geringfügigkeit wegen nicht weiter eingegangen
zu werden*).
^) Ebenda HI 2 S.222. — *) Schrader, Handbuch II S.202. —
*) St A. Schleswig. Sammlung Grossf. Verordnungen; Schrader
a. a. O. — ^) Schrader a. a. O. — •) St. A. Schleswig. Sammlung
Grossf. Verordnungen, — •) Beispiele: bayerische Landesordnung
1516, ravensberger Landesordnung 1655, nassau-usinger Ge-
sindeordnung des 18. Jhdts., Godingsartikel des Domkapitels Münster
1715, Gesindeordnung ftkr Osnabrück 1766, Polizeiordnung Hlr Sayn-
Wittgenstein 1776, Gesindeordnung für Hadeln 1789, Düssel-
dorfer Dienstbotenordnung von 1809. In der detmolder Gesinde-
ordnung von 1789 (Landesverordnungen III S. 541) heisst es: „Zur
Ausrottung des, sonst hiebey noch nachtheilig bleibenden aberglfiu-
bigen Vorurtheils, dass ftir Zugehen der Dienstag und der Freitag
nur die glücklichen, die übrigen aUe aber die unglücklichen Tage
seyen, . , . haben Wir, da sie durch Gesetzgebung nicht geschehen
K&iDeoke. 32
— 498 —
Nur über die vom: Gesinde öfters vorgenamimeiien
eigenmächtigen Verlängerungen der Zwischenzeiten und
den Kampf der Gesetzgeber hiergegen sei kurz eiiiigres
gesagt. Es bandelt sich uni die in Bayern bekämpfte
Erscheintuig der Kälberweilen, Schlender-, Schlexikl-
zeit, oder Rockenreiß. Die Gesindeordnung von 1801 *)
erklärt sie so: „Nach hiesiger Landessitte eine kleine
Zeitfrist, binnen welcher der Ehehalt zwischen dem Aus-
tritt aus seinem' vorigen, und der Einstehimg in seinen
neuen Dienst zu seinen Eltern oder Verwandten nach
Hause geht, und seine Leibwäsche und Kleidungsstücke
zusaminienrichtet.** Doch kam es dabei vor, daß die Dienst-
boten von der Herrschaft während der Zeit Brot, Schmalz,
Eier, Mehl, Käse usw. begehrten. Diese „Mißbräuche"
werden durch Maximilians Landrecht von 1616 verfolgt.
Das Landrecht verbietet all das und droht dem Gesinde
imd auch den Herrschaften mit Strafen *). „Nachdem je-
doch bisweilen ein Ehehalt etwa sein Gewand auszubes-
sern oder sonst zu seiner Notdurft etwas zu verrichten
habe, solle ihm vergönnt sein, zwei Tage vor denn Ziel
auszustehen und zwei Tage nachher erst einzustehen, also
4 Tage Schlenklweil zu haben." Die schon erwähnte Ge-
sindeordnung von 1801 erlaubt die Schlenklzeit nur bei
Gestattimg der neuen Dienstherrschaft. Ganz energnische
Polizeimaßiegeln, vornehmlich Kontrolle der während der
Faschingszeit zu hause sitzenden Dienstboten, werden 1809
angeordnet ^).
Am 27. April 1775 erließ die Regienmg in Am-
berg ein Patent*) wider die Dienstboten, die sich nur
können, dem Consistorium die zweckmässige VerfQgung aufgetragen,
dass sie durch Unterricht und Lehre geschehen."
*) Kr. A. München. MA. Fasz. 1821 Nr. 116&. — «) Platzer
S. 108. — •) Kn A. München. GR. Fasz. 404 Nr. 9. — Döllingers
Gesetzsammlung Bd. 18 T. 2 S. 1828. — *) Kr. A. Amberg. Zugang
90. Fasz. 5 Nr. 126.
— 499 —
unter <ler Bedingtuig Vermietien, daß ihinien Sonntags, ja
sogar tempore! sacrato et vietito ,,übe(r halbnächtiges Dan-
zen, Pichlen" und andere Leichtfertigkeit verstattet wird;
an Werktagen dagegen miachen sie die „Rocken-Reiss",
d. h. sie sagen den Dienst auf, sietzen sich 211 ihren Eltern
oder in Herbergen und ernähren sich dxirch Spinnen und
Entfremdung von Feldfrüchten. Hier ist also wieder der
Konnex mit den Kampf mittein * gegen die Müßiggänger
und ledigsitzenden Dienstboten.
Vielleicht will auch die altenburger Gesindeord-
nung von 1744^) eine Art „SchlenW-Sitte bekämpfen.
Die Ordnung vierbietet nämlich, daß die Knechte und
Mägde „in denen so genannten 12. Nächten*) ihres Ge-
fallens auslaufen'*. Hier kann es sich aber auch um eine,
allgemeine Gesindesitte handeln, die auch bei fortdauern-
dem Dienste, liicht bloß zwischen altemi und neuem Dienst,
geübt wurde*).
Ohne daß die weisen Gesetzgeber dawider ankämpf-
ten, machte sich eine gleiche Sitte wie in Bayern auch
in Hessen*) geltend. In Oberhessen bleiben die Knechte
und Mägde zwischen den Diensten zwei bis vier Tage im
Eltemhause, inn ihre Kleidimgsstücke auszubessern. Die
Knechte werden dann von ihren Kameraden unter Peit-
schenknall in den neuen Dienst geleitet, die Mägde be-
gleitet der Gesang der Freundinnen ; im' Hause des neuen
Herrn werden alte bewirtet. An manchen Orten Ober-
hessens ist das Gesinde sogar vom' dritten Weihnachtstag
bis zum' Dreikönigstag, also vierzehn Tage frei; es
arbeitet währenddem' für sich und besorgt dem) Herrn
Iwichstens das Füttern. In der Rhön wird der Dienst noch
^Hn zwei Tage hinter Lichtmjeß ausgedehnt. Da: Tag nach
*) Univ..BibL Marburg. XVIII f B 1119g.. — ") Nach Weihnachten.
-') Siehe unten §6. — *) Fürs Folgende Kessle r, Landeskunde II
S. 164, 166, 578.
89
•
— 500 —
Lichtmieß ist der „Töppestag", an dem die Dienstbotea
das während des Diensteis zerbrochene Geschirr abver-
dienen müssen. Der nächste Tag erst ist der „Scherz-
tag", wo die Mägde „schürzen**, aus dem' Dienst gehen.
Auch im Schatunburgscben wird der alte Dienst am Tage
nach Ostern verlassen und lelrst am! folgemden Donnerstag
tangetreten ^).
§ 5. Pflichten des Gesindes.
L Verrichtung der Arbeit Arbeitszeit Sonntagsarbeit
Im fersten Abschnitt*) wurde als ein wesentliches
Kennzeichen deflr mieisten unter dem* Namen „Gesinde** zti-
samlmengefaßten Berufsarten die Unbestimtnlbarkeit des
Arbeitsumfanges festgestellt. Die Hirten und die Müller-
knechte haben eine begrenzte und relativ leicht begrenz-
bare Tätigkeit. Wann und wie imd auf was für Land der
Schäfer weiden darf, kann immerhin schon für ein größe-
res Gebiet gleichmäßig oder doch mdt bewußten Abwei-
chungen verordnet werden. Wenn man es ebenso mit den
Pflichten des Oberknechts und des Mittelknechts, der
.Oberviehm;agd tuid des Hühnermädchens, des Hausmäd-
chens und des Stallburschen machen wollte, dann müßte
man ebenso viele einzelne Gesetze schaffen, als es Haus-
halte gibt — und würde auch dann noch ins offene Faß
gießen, da sich der Bedarf des Haushalts nach Arbeit jähr-
lich, täglich, stündlich ändert.
Da eine Bestimmung des Arbeitstunfanges mithin sehr
schwierig ist, die Dienstherrschaften aber eine Vorschrift
0 Mit einem Gulden täglichem Lohnabzuge wollte man 1719 im
flandrischen Rechte die Pünktlichkeit des Diensteintrittes auf den
Tag durchsetzen; Behaegel, Servantes et serviteurs d'autrefois (Bul-
letin du comit6 central du travail industriel 1905 S. 659). — *) Oben
S. S47, 252.
— 501 —
nicht entbehren wollten, welche die Dienstboten rum Ar-
beiten verpflichtete, griff man bisweilen dazu, demi Ge-
sinde Ausführung aller aufgetragener Arbeiten zu be-
fehlen, mit mehr oder weniger geringen Ausnahmen. Der
Gesetzgeber beschränkte sich darauf, die höchste Vollzugs-
gewalt zu besitzen imd dem Dienstherm den Rahmen zu
liefern, den dieser nach Gutdünken ausfüllen konnte. Auf-
zeichnimgen einztebier Arbeitspflichten komtoen wohl hier
und da einmal vor, spielen aber imi Vergleich zti der F üUe
von Tätigkeiten, die dem Gesinde obliegen, gar keine
Rolle. Daß selbst diese kümimerlichen Arbeitsvorschriften
noch zu weit gehalten, zu wenig spezialisiert sind, als
daß die Praxis sie verwerten könnte, ergibt sich daraus,
daß unter den zahlreichen zu diesem Werke benutzten Pro-
zeßakten ein Hinweis aiif derartige Vorschriften mit einer
Ausnahnve nicht tu finden ist.
Welche Gefahr für die Dienstboten in dieser Unbe-
stinünbarkeit und daher fehlenden Festsetzung des Ar-
beitsimifanges liegt, braucht nicht betont zu werden. Es
wird nicht allzuviel über die übermäßige Dauer und
Schwere der Arbeit aus der Vergangenheit berichtet*).
Das liegt aber nur daran, daß die Quellen, die auf uns
herabgekomlmen sind, so gut wie ausschließlich Kund-
gebungen des einseitigen Standpunktes der Dienstherrai
sind, während Äußerungen der Dienenden allzu selten
vorkomtoen. Daß die Dienstboten mit Arbeiten nicht ver-
schont wurden, zeigt schon das Sprichwort: „Das Ge-
sinde soll arbeiten ; was im Hause zu feiern ist, das können
Herr und Frau selbst verrichten'**).
In kleinerem Maßstabe treten die festgestellten
Schwierigkeiten der Rechtssetzung schon bei den größe-
ren Einzelhaushaltungen des Landes hervor. Aus
') Beispiel: K. Weinhold, Deutsche Frauen in d. M.-A. S. 8^
über die harte Mflgdearbeit des Waschens und Heizens. — ") Sim-
rock, die deutschen Sprichwörter S. 187.
— 502 —
den genannten Gründen ist es für diese inuner mit einem
Risiko verbunden, sich autonom! Wirtschaftsgesetze auch
für das Gesinde zu schaffen. Da es dem' Hausherrn hier
unmöglich ist, jedem einzelnen Dienstboten Verhaltungs-
maßregehi m geben, teilt er sie schriftlich und durch jähr-
liche Verlesung dem Personal mit xmd gibt sein Aufsichts-
recht dem ihm immittelbar untergebenen Hausmleister ab,
der die Einzelbefehle austeilt. Die Stelle der unmittel-
baren Herrenweisung vertraten so vornehmlich die H o f •
Ordnungen wohl aller Länder, die über des Hofgesindes
Arbeit imd Arbeitsart, Essen und Trinken, Fluchen und
Zanken gar viele einzelne Bestimimungen trafen^). So
konnten es ferner die klösterlichen Großwirtschaf-
ten tun.
Ein lehrreiches Beispiel hierfür ist die Gesindeord-
nung des badischen Klosters Königsbrück*), die z.B.
ausführliche, sehr spezialisierte Vorschriften über das Um-
gehen der Knechte mit den Hunden des Klosters ent-
hält^); weiter soll der Knecht, der seinen Torschlüssel
verUert, ihn auf seine Kostien neu machen lassen, eventuell
kann es am Lohn einbehalten werden*); ein oder zwei
Knechte sollen imtaHer auf dem Hofe bleiben*); es darf
nichts ohne Erkiubnis weggeliehen ^) und nichts zu eigenem
Nutzen gebraucht werden^) und so weiter.
Weitere Beispiele gleicher Art bieten die trierer
Dienstordnimg aus dem 13. Jhdt. ®), die trierer Kellnerei-
ordnung von 1509*), die Klosterordnung zu Blaubeu-
ren aus dem Jahre 1558^*^) und die Instruktion des Spi-
talmeisters am' Bürgerhospital zu Landshut").
') Näheres über das (hessische) Recht des Hofgesindes unten in
§ 18. — ■) Mone, Zeitschr, f. Gesch* des Oberrheines I S. 179 ff. —
•) Nr. 28ff. - *) Nr. 42. — »| Nr. 5. — •) Nr. 9. ~ ') Nr. 11. -
•) Trierisches Archiv 1898 S. 87. — •) L a m p r e c h t , Wirtschaftsleben
m S. 807. — »«) Reyscher, Statutarrechte S. 829. — ") Stauden-
raus, Chronik von Landshut III S. 208.
— 503 —
Es ist neicili dem Gesagten eine leicht begreifliche
Sicherungsimiaßregel, wienn die Urheber dieser großen
Haushaltsordnungen zur Stützung der vielartigen Einzel-
vorschriften weiter gehen und auch nodh dazu greifen,
allgemein gehaltene Arbeits- und Verhal-
tensvorschriften für ihr Gesinde zu geben.
So geschieht es zum Beispiel auch in jener Gesinde-
ordnung für Königs brück: „20. Item' die knecht und
alles gesindt, wo sie unssern schaden sehen, erfaren
oder innen werden, es sie in weiden, veldern oder matten,
nist ussgenomimen, so sollen sie es wenden, als ferne
es in irem vermügen ist". „50. Item die knecht sollen
auch thun, was mian sie heist, es sie der Schaffner oder
die Schwestern, und sich keiner arbeit entsla-
gen, die gebührlich zu thun ist, und nit sagen,
er sie nit zu disseml oder dem gedingt, sunder
nach sinem vermiügen das best thun . . ." „60. Item es
soll auch ein jeder bei seinem- aidt, wozu er dingt,
vleissig verrichten, darnach, so solcheis geschehen,
wass der Schaffner oder hofmieister einemj jeden zu thun
oder ussrurichten weiter bevelhen würde, soll ein jeder
solches zu thun, ohne einige einrede verbimden sein."
Und in demselben Sinne lautet der Eid: „. . . ewerer
oberkeit gehorsam, getrew und holt zu sein, dess clo-
sters nutzen in allen sachen furdem und schaden warnen,
gebott, verbott nach gehorter Ordnung, so vil dieselben
alle und jede betreffen, halten wollen, also imd der ge-
stalt, das ermeltemi Closter von euch kein schade noch
einige geferde wie der erdacht werden mochte, es sey
heimlich oder öffentlichen geschehen solle, getrewlich
^ind mit vleiss nachzukommen."
Noch weiter geht ausdrücklich diel Art, mit der das
Gesinde der Deutschhenen m W e i n h e i m^) imi 16. Jhdt.
^) Mone a. a. O.
— 504 —
zur Arbeit angehalten wurde. Da wird beispielsweise ein
Fuhrknecht gedingt „für alle ding, und soll, so er von
holtz kompt, andere arbeit thun, wass man in anrieht";
oder ein „wingartknecht**, der aber doch auch andere
Arbeit noch tun soll, m der man ihn bestellt. Beides sind
Knechte, die für eine im voraus individuell bestimmte
Tätigkeit gemietet sind. Gleichwohl ist ihre Arbeits-
pflicht dadurch noch nicht umgrenzt; sie haben „unge-
messen** sich zu betätigen.
Auch eine Spitalordnung für Siegen aus dem Jahre
1546^) kann hier angeführt werden. Sie sagt, die Spital-
genossen imd die Dienstboten „sollen dem geordneten
haussvatter und der haussmutter gehorsamb leistenn, sie
horenn, irem bevelch nit widder siein, usrichtain was sie
geheissenn werdenn, die vermuglichen allerley arbeit thun,
daran imnd dahin sie gestelt werdenn, es sey im hauss, in
gartenn, zu felth, zu holtzt, nichts usgescheidenn, soviel
Ine mtiglich . . .**
Die mitgeteilten Auszüge aus der königsbrücker Ge-
sindeordmmg geben zugleich eine Überschau aller Mittel,
mit denen dem' Gesinde seine allgemeine Arbeitspflicht
klar gemacht werden kann; der Mittel, die alle die spä-
teren Gesetzgeber je für ihr ganzes Land anwandten und
auch allein anwenden konnten: vor allem Feststellung
der Gehorsantöpflicht des Gesindes, seiner Obliegenheit
zur Verridhtung aller vom Herrn aufgetragenen Arbeit,
seiner Verpflichtung mr Anwendxmg von Fleiß, zur Hin-
derung allen Schadens. Geleitet werden diese Ideen von
dem allgemeinen Grundsatz, daß der Staat dem Haus-
herrn die Bestimmung der Arbeitsart notwendig über-
lassen muß und demgemäß auch überläßt.
Soweit möglich, soll der Unnrfang der Arbeit gleich
beim Eintritt in den Dienst bestimimt werden. So heißt
') Corp. Const. Nass. I S. 115.
— 505 —
es in einem österreic'hischen Mandat vom' 27. März
1784 ^) : „Damit aber den zwischen demi Gesinde und den
Herrschaften vorfallenden Streitigkeiten so viel möglich
vorgebogen werde, so sollen die wechselseitigen Verbind-
lichkeiten auf das klarste bestimtot werden."
Nur darf diese Abmachung beim« Arbeitsbeginn nicht
soweit gehen, daß sich der Dienstbote durch „Auf-
bochen" eine bestimmt umgrenzte Arbeit aus-
macht. Das galt den Gesetzgebern als ein besonders
raffiniertes Mittel des Gesindes, sich das Leben bequem
zu machen tmd die Herrschaft zur Mietung von noch
mehr Dienstboten zu zwingen. Das Prinzip des weisen
Colerus*) fand stets Anerkennung: „Man weiss doch
wol dass Knechte nicht waschen oder melcken, Stuben
kehren oder spinnen, man findet aber gleichwohl örter,
da Knechte eben so wol spinnen oder melcken, als die
Mägde, und warumb solte nicht ein jedes Gesinde seiner
Herrschaft nutz schaffen, imd schaden verhüten helffen,
wo es imimer könte und möchte? Wann gleich einem
jeden G^esinde seine besondere Arbeit gehörte, warumb
soll es aber nicht im Nothfall, wann eines oder das an-
dere nicht zur Stelle wäre, den andern die Hand reichen,
und ein jedes nach seinem Verstand imd Vermögen alles,
was im Hauss m thun ist, verrichten helffen? wollen sie
doch alle essen und trincken, in weichen Betten schlaffen,
und ihren Lohn haben, so sollen sie auch zugleich ar-
beiten."
So wtuxie beispielsweise in Österreich 1769®) im
Zusammenhange mit dem Gebot, alle aufgetragene Ar-
beit zu tun, den Dienstboten auch untersagt, der Herr-
schaft „allerhand unanständige auch sünd- und laster-
hafte Bedingnussen vorzuschreiben, worunter nicht nur
die gute Hausiucht empfindlich leidet, sondern anbey
*) Dorn S. 202, 32. — ■) Oeconomia ruralis et domestica S. 7.
- ») Kn A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 2.
— 506 —
ein Herr in seiner Wirthschaft merklich verkürzet, und
Gott Selbsten sehr schwer beleidiget wird**. Besonders
häufig hat sokbe Verbote das bayerische Recht.
Maximilians Landrecht von 1616 spricht es aus; die
Dienstboten sollen sich nicht von der Herrschaft be-
stimmte Arbeit ausbedingen und sie sollen sich anbe-
fohlener Arbeit, die sie wohl verrichten können, nicht
weigern^). So steht es auch in den Gesindeordnungen
von 1654 und 1656*). Auch das 18. Jhdt. bleibt hierbei.
Die Gesindeordnung von 1755 *) droht dem: Gesinde mit
Arbeitshaus; dies ist auch das von der 1761 erlassenen
Gesindeordnung*) gewählte Kampfmittel. Aus dem 17.
Jhdt. ist noch die Vergleichimg des schwäbischen
Kreises von 1652*) anzuführen; die angedrohte Strafe,
10 — 12 Th. <^er Turm', soll wohl für die sämtlichen im
Zusamim^nhang dort aufgezählten Delikte, auch für das
Ausbedingen beschränkter Arbeit, gelten.
Eine direkte Erlaubnis, sich mit der Herrschaft über
den Umfang der Arbeit im' voraus tu. einigen, gibt § 20
der freiburger Gesindeordnung von 1782*); ähnlich
ist die Fassung in § 24 der auf der freiburger Ordnung
mit beruhenden badischen Gesindeordnung von 1809 ').
Auch die Gesindeordnung für Ansbach aus dem Jahre
1769®) läßt aus einigen eigenartigen Rechtssätzen er-
kennen, daß sie Vereinbarungen von Dienstboten und
Herrschaften über die Arbeitsteilung unter dem Gesinde
zulassen will. Wird ein Dienstbote, so heißt es, zu einer
andern Arbeit verwendet, als wozu er angenommen ist,
und verdirbt er dabei etwas ohne Vorsatz, dann kann der
^) Platzer S. 110. — ') R. A. München. Generaliensammlung
Rcp. S. 9 Nr. 7 Bd. 1. — Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. —
•) Abgedruckt im Churbair. Intelligenzblatt 1776 Nr. 89. — *) Kr. A.
München. GR. Fasz. 404 Nr. 7. — ») St. A. Stuttgart. Druck. —
*) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6891. — ') Gen. L. A.
Karlsruhe. Provinz Niederrhein. Gesindepolizei. Lit. B Nr. 1. 1765
bis 1809 (IV 2). - ») Kr. A. Nürnberg S. 28 V Nr. 779, Repcrt. 283.
— 507
Dienstherr Entschädigting von ihm nicht verlangen. In
seinem Tätigkeitsbereich aber hat jeder Dienstbote cul-
pam levem= ru vertreten.
Soweit solche Mietung 211 beschränkter Arbeit nicht
erfolgt oder nicht zugelassen ist, muß sich der Dienstbote
aller vorkommenden Arbeit iinterziehen, die ihm der Herr
atisdrücklich oder auch (im' Einzelfall) stillschweigend auf-
gibt; die Grenzen für die Anordnungen der Dienstherr-
schaft sind weit gezogen, so daß diese nicht auf atißer-
gewöhnliche Umstände zu warten braucht, tun dem Ge-
sinde eine möglichst große Menge Arbeit aufzulegen. Not-
stände rechtfertigen eine intensive Heranziehung der
*
Dienstboten. Der Knecht Henn Maurer in T r e y s a findet
nichts dabei, daß er während einer Pestzeit 1533 alle
Arbeit für seinen Herrn hat txm müssen^); er hat „alle
heusslich arbeit allein gethan, hauss und hoff gar müssen
versorgen imd verwaren", die Frucht vom Felde geholt
und ausdreschen lassen.
Das spielte sich in einer Zeit ab, wo Hessen noch
keine Gesetze über das Gesinde imd seine Arbeit kannte ;
erst im 18. Jhdt. bringen in Hessen die Gesindeord-
nungen Vorschriften über den Umfang der Gesindetätig-
keit. 1736*) enthalten die §§ 11 ff. Bestimmungen über
des Gesindes Pflicht zur Verrichtung seiner Arbeit. Es
soll keine ehrliche Arbeit ablehnen „unter dem praetext,
dass Ihnen dergleichen nicht zukommie, oder sie nicht darzu
angenonrnien worden**. Dafür wird aber auch der Herr-
schaft die Pflicht auferlegt, das Gesinde nicht mit un-
erträglicher und allzu harter Arbeit zu beschweren. Der
Herrschaft Nutzen ist zu fördern, Schaden von ihr ab-
zuwenden. Ebenso sind auch die Bestimmungen der drei
späteren Gesindeordnimgen '). Nur fehlen in der von 1816
*) St. A. Marburg. Akten des marburger Samthofgerichts in
Sachen Henn Meurer gegen Tutores Adolph Schwalbachs. — ') LO.
IV S. 410. - ») LO. Vn S. 727; VH! S. 26; Möller-Fuchs S. 118.
— 508 —
die Hinweise auf Förderung herrschaftlichen Nutzens und
Abwendung des Schadens; sie enthält die neue Vor-
schrift, daß die Herrschaft, die aus Gutmütigkeit ein
schwangeres Dienstmädchen eine Zeit lang noch im
Dienste behält, auf dessen Zustand „billige Rücksicht" zu
nehmen hat, »und ihm- nicht nachteilige Arbeit zumuten soll.
Viel älter ist auch hier das schon früh sehr ausgebil-
dete Recht des südlicheren Deutschlands, vornehmlich
Kurbayerns. Die Landpolizeiordnimg von 1516 ^) sagt :
„Die BestinüTumg der Arbeit hängt von der Bescheidenheit
des Dienstherm ab.** Die Dienstboten dürfen sich keine
besonderen Vorteile in Kost imd sonsten ausmachen, dem-
nach sicherlich auch nicht in der Beschränkimg der Ar-
beitsmenge. Auch Maximilians Landrecht von 1616*) ge-
bot, daß die Dienstboten sich aller anbefohlenen Arbeit,
die sie verrichten können, unterziehen. In Österreich
bestimmte die Gesindeordnung von 1765^), daß das Ge-
sinde bei scharfer Strafe sich keiner Arbeit weigern darf ;
ohne gerade hierauf solche Strafe anzudrohen, spricht auch
die Gesindeordnimg von 1769*) von dieser Pflicht im Zu-
samlnenhange mit der strafbaren Erwirkung von „Be-
Üingnussen**. 1784 wurde hier in dem schon vorhin*)
genannten Mandat das Arbeitsgebot dahin erläutert, daß
das Gesinde sich keiner Arbeit weigern darf, auch wenn
diese vorher nicht ausbedungen war. Auch in Ansbach
statuierte man 1769^) die Verpflichtung der Dienstboten
zu allen vorkomlmenden Arbeiten; aber die Herrschaft
soll dem Gesinde keine unmöglichen und imanständigen
Arbeiten zumuten.
Dann gehören noch die bereits genannten') beiden
') Max vonFreyberg, Pragmatische Geschichte der bayerischen
Gesetzgebung und Staatsverwaltung seit den Zeiten Maximilians I.
Bd. II S. 185. — «) Platzer S. 110. - •) Kr. A. München. GR. Fasz.
402 Nr 1. - *) Ebenda. Fasz. 402 Nr. 2. — •) Oben S. 606. — •) Kr.
A. Nürnberg S. 28 V^ Nr. 779 Repert. 233. — ') Oben S. 606.
— 509 —
ba'dischen Gesindeordnungen hierher. In der frei-
b u r g e r von 1782 wird dem' Gesinde, das nicht durch be-
sondere Abmlachiing ntir für bestimmte Arbeitsgattungen
gemietet ist, auferlegt, alle vorkommende, angemessene
Arbeit zu tun, „indem' das Gesinde überhaupt m Erleich-
terung, und Verrichtung der Hausgeschäfte, die sich nach
ihrer verschiedenen Vorfallenheit nicht allzeit zum vor-
aus genau bestimlm)en lassen, angenommen wird, und dafür
seine Kost und Lohn erhält**. Die Gesindeordnung von
1809 beginnt die Aufzähltmg der Gesindepflichten in § 23
mit der Bestimimimg, daß die Dienstboten sich bei der
Arbeit nicht vertreten lassen dürfen. Weitergehend als
die freiburger Ordnung verpflichtet § 24 auch die zu. be-
stimmten Arbeiten gemieteten Dienstboten, in Notfällen
alle Arbeit zu tun. Wie in der früheren Vergangenheit
ähnliches Recht gehandhabt wurde, zeigt das amor-
bacher Gerichtsbuch aus 1409/10^). Da heißt es: „Item
lemlins frauwe clagt von düczelin, daz er ir gedingter
knechte waz und wolte ir nit zu walde farn und
weit ir nit dun, daz er nun geli<^h tun salte»
. . . Daz ist ir leider dan X pfunt.**
Aus Norddeutschland sei noch einiger hannoverscher,
jülicher und clevischer Gesetze gedacht. Die Gesindeord-
nung von 1732 für Hannover*) gibt wie die schon ge-
nannte hessische von 1736^), deren Vorbild sie war, den
Dienstboten Ausführung aller geheißenen Arbeit auf, legt
aber den Herrschaften ans Herz, dem Gesinde nicht allzu
viel Arbeit zuzumuten. Die Gesindeordnimg für Osna-
brück aus dem Jahre 1766*) vertritt den Standpunkt,
die Herrschaft solle ihr Gesinde in der Arbeit so halten,
daß darüber keine gegründete Beschwerde entsteht. Un-
verdrossen und ohne Murren soll vom Gesinde alle auf-
') Hab«lsche Sammlung. — ') Spangenberg, Verordn. f. Han-
nover IV 2 S. 461. - •) Oben S. 507. - *) Klöntrupp, Handbuch
IS. 76.
— 510 —
getragene Arbeit vierrichtet werden. Der Herrschaft
Nutzen suchen, schaden von ihr wenden — alles das sind
die Ideale, die die jGesindeordnung für C 1 e v e von 1753 *)
stellt. Und nicht anders will es die Gesindeordnung von
1769 '), die fürs Land gilt. Deshalb (nämlich wegen ihres
agrarischen Charakters) verlangt sie auch, daß die Dienst-
boten nicht nur alle vorkomitaende Hausarbeit tun, sondern
auch die Feld-, Wiesen- und Gartenarbeit, kturz alle öko-
nomischen Verrichtimgen ausführen. Die jülichsche
Gesindeordnung von 1801 •) und die verwandte d üs sal-
do rf er von 1809*) wollen dasselbe wie all die genann-
ten Gesetze erreichen. Besonders energisch ist das Vor-
gehen 1809 : Hier wird „unter Dienst . . . jede häusliche
Verrichtimg verstanden, in so fem sie gegen die Moralität
nicht anstößt, und die Freyheit des Dienenden nicht auf
unbestimmte Zeit einschränkt". Verletzt der Dienstbote
die Pflicht des Fleißes, indem' er Aufgetragenes nicht tun
will, dann kann er laut Art. 17 gleich entlassen werden.
Bittere Ironie ist es, weim das brande nburger
Gesinderecht verlangt, die Dienstboten sollten die Arbeit
so verrichten, „als wenn alles ihre eigene Wirtschaft und
Nutzen beträfe" *). Wie sollten diese unselbständigen, stets
geknechteten Dienstboten überhaupt einen Begriff dawn
haben, wie der handelt, der eine „Wirtschaft" sein eigen
neimt! Radikal, aber ohne Zweifel praktisch 'bestimmt
dann das ALR., ähnlich wie es in den schon genarmten ba-
dischen Gesindeordnungen geschieht, daß das Gesinde, das
nicht zu bestimmten Arbeiten angenommlen ist, alle ver-
richten m;uß, vor allem' wenn Mitgesinde krank ist ®). Auch
im Ordenslande waren die Verrichtungen, die den
Dienstboten oblagen, nicht besonders festgesetzt ^).
In der geschilderten Weise stellten die Regierungen
») Tit. IV § 1, 2; Scotti, Cleve S. 1452. — «) Ebenda S.189i
*) Scotti, Jülich S. 830. — *) Ebenda S. 1252. - ») Lennhoff
S. 91. — •) Ebenda S. 61. — ') Steffen S. 10.
— 511 —
(die Rahmen atif , die dann in der Praxis von den einzelnen
Herrschaften und ihren Dienstboten auszufüllen waren.
So erfolglos also Einzelbestimimiungen aus den angegebe-
nen Gründen auch sein mußten, so unternahmen es doch
einzelne Gesetze, über die von der Macht der Verhältnisse
gebildete Grenzte hinweg zu gehen, und den einzelnen Herr-
schaften gewissermaßen ins Zeug 211 pfuschen.
Scheinbar am! tiefsten greift die Gesindeordnung von
1769 für Cleve^) in die Bestimlmungssphäre des Einzel-
haushalts ein. Aber nur scheinbar. Denn wenn sie in
§ 16 auch Vorschriften über einzelne Tätigkeiten und die
Art ihrer Vornahme bringt, so gibt sie doch gleichwohl
ihre eigene Überflüssigkeit (in dieser Beziehimg) zu und
verweist auf den Brauch in der einzelnen Wirtschaft. Die
Knechte sollen den Acfcer auf keine andere Weise pflügen,
als der Herr will; sie sollen den Pferden und dem
übrigen Vieh kein anderes oder mehr Futter geben als
der Herr will; „wie denn, wenn sich Knecht, Magd oder
Hirthe, dem* zuwider, unterstünde, aus unzeitiger Zunei-
gung für das Vieh zu stehlen", er als Entwender bestraft
werden soll»).
Einige spezielle Verhaltungsmaßregeln für das Ge-
sinde komimen mit einer gewissen Regelmäßigkeit in meh-
reren Gesetzen vor. Anvertraute Sachen soll das
Gesinde zurückgeben und nicht verderben. So steht in
allen hessischen, hanauer und fuldischen Gesindeord-
nungen von 1736 an; ferner z. B. in der Gesindeordnimg
för Hannover von 1732^) und in § 2 derjenigen für
Cleve von 1753*). Wenn das Gesinde zu Aufträgen
verschickt wird, soll es, wie ein weiterer derartiger
Rechtssatz lautet, rasch wiederkommen. Das stand
ini Entwurf zur hessischen Gesindeordnimg von 1797*)
0 Oben S. 510. — *) Man vergleiche hier das eigenartige
l>elikt unseres Strafgesetzbuchs, den Futterdiebstahl in § 870 Nr, 6. —
') Oben S. 509, — «) Oben S. 510. - ») Oben S. 95.
— 512 —
und wurde auch Gesetz (§ 11)^). Der wesentlich kürzer
gefaßte § 8 der fuldischen Gesindeordnung von 1816^»
hat diese besondere Bestimmung dagegen wieder nicht.
Als hessische Gewohnheit erwähnt sei, daß vor dean' Dienst-
austritt die Knechte noch Hof und Ställe in Ordnung
bringen, die Mägde alles Geschirr reinigen müssen *). Von
außerhessischen Rechten, die Bestimtniungen in der Art
der Gesindeordnung von 1797 enthalten, sollen wieder die
beiden mehrfach angeführten clevischen Ordnungen
von 1753 und 1761, § 6, 20 genannt sein.
Galten diese Vorschriften vornehmlich dem' Wohl der
einzelnen Dienstherrschaft, so kam in anderen Bestimimim-
gen auch einmal das Gemeinwohl zur Geltimg, das Fest-
setzimg bestimmten Verhaltens der Dienstboten bei der
Arbeit forderte. So wenn die mühlhäuser Statuten
1351 *) festsetzen, „daz eyn yclich ackirknecht eyne grelle ^)
mit yme füre sal czcu Holcz imd czcu dem ackire, und sal
die habe uff sime phluge und ensal die nicht by sich
nider lege, by eymfe Schillinge phennynge" •). Noch miehr-
fach ergingen agrartechnische Einaelvorschriften in Mühl-
hausen. Die Heimburgenordnung von 1544^) verbot bei-
spielsweise das Wenden mit dem« Pfluge „in eines andern
saith"; der Herr wird mit einem Schilling, der Knecht
mit sechs Pfennigen gestraft ß). Nach derselben Ordnung
verwirkte der Knecht einen Schilling, wenn er von des
Herrn Pfluge ging ; Weiber diuiten den Pflug überhaupt
*) LO. Vn S. 727. - •) Möller-Fuchs S. 118. - •) Kessler,
Landeskunde II S. 164. — *) Lambert, Rathsgesetzgebung S. 79.
— •) „grelle" ist ein landwirtschaftliches Instrument, vielleicht auch
Waffe? Grimm, WB. V Sp. 1982, 8^,^. •) Vgl. auch Strafordnung
Speiers von 1828 Nr. 82 (Lehmanni Chronica S. 285) über die
Erlaubnis, dass Knechte bestimmte Messer tragen; ähnlich Remda
1636 (oben S, 820 Anm.). — ') Stadtarchiv MQhlhausen. - *) Das
Heimbuch von 1786 (in der Stadt. Bibliothek Mühlhauscn) erwähnt
in IV 16 die Knechte nicht mehr ausdrücklich.
— 513 —
nicht bedienen. Vom Ackern handelten auch schon früher
die nordhäuser Statuten von 1350^), die gleichfalls
bei Strafe eines Schillings untersagten, daß die Knechte
von Pflug, Wagen oder Pferden weggingen.
Strenge Strafen setzte die altenburger Gesindeord-
nung von 1744 *) fest gegen die Knechte, die „bey Ackern,
Egen und Waltzen, die aufgegebene Feld Arbeit nicht so,
wie selbige angeordnet worden, und nicht anders, als mit
2 Pferden, unter Vorschütrung einer hergebrachten Lan-
des-Gewohnheit, vierrichten, auch wohl mit Ochsen solche
Arbeit zu thun, sich vor eine Schande achten". In Trier
wird 1743 den Bauern und Knechten bei Strafe das Ab-
ackem von Nachbarfurchen untersagt^), 1751 die Vieh-
hütung diwch Weibspersonen verboten, „in Berücksich-
tigung der dadurch befördert werdenden Veranlassungen
zur Unsittlichkeit" *). Die bayerische Gesindeordnung
von 1761 *) hingegen steigt sich besorgt um die einheimi-
sche „Gespiuist**-Industrie. Um deren Rückgang aufzu-
halten, wird den Herrschaften bei Arbeitshausstrafe an-
befohlen, das Gesinde zur Fertigung des Gespimstes amw-
halten«).
Zu Frankenhausen verbot 1534 die Polizeiord-
nung 7) unter fünf Schilling Strafe, daß Gesinde dazu ver-
wendet wurde, das Holz zum Feuermachen aus dem Walde
zu holen ; das sollen die Dienstherrschaften selber oder die
Kinder besorgen. Der Grund ist der, „das uns imd unsern
bürgern von dem holcz tragen beide an reisigk imd stocken
roerglicher schade zugewanth werde, imd am- meisten von
dehnen die des nicht hoch benötiget seint, und g e s i n d e
OFörstemann, Neue Mittheilungen III 8 S* 89 ff., bes. 58;
Buch 2 Nr. 79. ~ «) Univ. - Bibl. Marburg. XVIII f B 1119^. -
•) Scotti, Trier S. 1015.-*) Ebenda. S. 1059. —») Kr. A. München.
GR. Fasz. 404 Nr. 7. — •) Hierzu vergleiche man das oben S. 244 f.
<lber Kompetenzkonflikte zwischen Haushalts- und Zunftindustrie Mit-
geteilte. — ^Michelsen, Rechtsdenkmale S. 466 ff., bes. 488, 489.
KSnnecke.
— 614 —
darauf f halten, und von frombden, so sich hie nidder
schlahen, uns und unser Stadt nichts vorwandt noch zu-
gethan seinth, die aus solchem; holcz tragen ire herberge
und nahrunge haben". In schwäbischen Dorfrechten
komimt bisweilen das Verbot der eigenmächtigen Aus-
zehendimg, der Auswahl der Zehntfrucht, durch die Bauern
oder ihre Ehehalten vor. So heißt es in den Geboten und
Verboten für die Gräflich Adelmannschen Orte Hohen-
statt usw. von etwa 1585^) sowie in der Dorf Ordnung
für Laut er bürg von etwa 1723*): „So soll niemands
für sich selbst, seine kinder, knecht oder mägd ausszehen-
dcn oder zehlen, sonder solches diurch die verordnete \md
geschworene zehentknecht geschehen solle und derselbigen
erwarten." ')
Besondere Eigenschaften wurden von dem Knechte
Verlangt, den ein Bürger oder Bauer an seiner Statt zur
gemein-bürgerlichen Gesmeindearbeit oder zum Fronwerke
schicken wollte*). So heißt es im' braunsöhweiger
Rechte <ies 14. Jhdts. *) : „Wenn de rad bevelet uppe den
idoren to slapende, de sdal dar uppe slapen, oder scal dar
enen vromfen knecht up senden vor one, dar deme rade
Idimket, dat se miede bewaret sin". Der Rat von Butt-
städt verlangte 1410*), daß der zur Wache geschickte
Knecht zwanzig Jahre mindestens alt sein müsse. In der
celler Ordnung für das echte Ding^) wird weitergehend
festgesetzt : „So jemiand Knechte oder Mägde oder andere
zum Bürgerwerk schicken würde, die zur Arbeit nicht
^) Wintterlin, Warttembergische Iftndliche Rechtsquellen 1
S. 485 ff., bes. 486. — «) Ebenda S. 687 ff., bes. 589. - •) Vgl. auch
an beiden angeführten Stellen die Anordnung des Zehntrufes bei Not
im Verzuge. -^ *) Dass lüneburger Eddagsartikel des 16. Jhdts.
(Pufendorf, obs. iur. II app. S. 197 ff«, bes. 201, 202) von den Borgern
verlangten, sie sollten den Schoss selber bringen und nicht durch das
Gesinde schicken, sei hier nebenbei vermerkt. — *) Hänselmann,
Urkundenbuch I S. 68 ff., Nr. 185. — •) Joh. Schmidt, Gesetze f.
Weimar VII S. 841. — ') P u f e n d o r f , obs. iur. I app. S. 229 ff., bes. 280.
— 615 —
Slüchten, der soll 5 fl. Lübisch vierbrochen hiabto, der-
jenige, welchen er geschicket, auch wieder heimgehen
•und er nichts desto weniger einen andern schicken." An
süddeutschem Rechte seien ländliche Satzungen aus
Württemberg angeführt. Zur öffentlichen Gemeinde^
arbeit durfte man Ehehalten schicken, wie ein Gemeinds-
brief von Iggingen aus dem' Jahre 1535^) zeigt:
„So man an der gemaind schaffen will, an weegen, Stegen
oder anderen, so sollen all imd jeglich inwohner darzue
helfen oder ain taugentlichen ehehalten darzue schicken
bey peen 5 ß. heller". Für die zur Fronarbeit geschick-
ten Dienstboten verlangt auch die Büß- imd Frevelord-
ordnung für Wellstein-Abtsgemünd von 1573*)
Tauglichkeit zur Arbeit; und zur Sicherheit wird dem
arbeitspflichtigen Dienstherm tnit Strafe gedroht: „Wel-
che ehalten oder kinder an dienst schicken, die vor dass
taglon nit geschafft haben und ein taglon nit verdienen
roechten, dieselbigen mag die herrschaft auch strafen umb
3 Pfd. 5 ß." »)
Die Liste von Vorschriften über die einzelnen Tätig-
keitspflichten der Dienstboten ist hiemach nic'ht allzu um-
fangreich«; nach dem Gesagten durchaus verständlich.
Die aufgezählten Gründe sind es auch, die eine Fixie-
rung der Arbeitszeit unmöglich machen. Solange der
extreme Individualism^is der einzelnen Haushaltungen sich
nicht auch nur ein wenig imiformieren lassen will, und
solange der Landwirtschaft früher noch nicht so \iele
Hilfsmittel über die Schäden der Natur hinaushalfen —
wie wäre da eine Vorausbestimimtmg der Arbeitsdauer
und gar für eine große Menge von Haushaltimgen zu
treffen. Es war nicht die Art aller Staaten (vornehmlich in
0 Wintterlin, Wflrttembergische Iftndliche Rechtsquellen I
S. 585 ff, bes. 587. — «) Ebenda S. 428 flf., bes. 482. — •) Vgl weiter
ein bayerisches Weistum von 1554 bei Grimm, Weistümer m
5. 689 ff., bes. 648.
88*
— 516 —
Westdeutschland nicht), daß sie in solch energischer Weise
den Knoten durchhieben, wie es in Brandenburg:
geschah: Die „Hofdiener" müssen ihre Feldarbeit tun, so-
lange die Sonne am Himimel steht^). Wo dies
nicht behagte, mußten farblosiere Bestimmungen getroffen
werden, wie die, daß sich das Gesinde immer arur Arbeit
im' Hause halten muß \md nur mit Erlaubnis ausgehen
darf. Alles dies sind — dem Geist der Gesindegesetze ent-
sprechend — Maßnahmen n\u- gegen die Verkürzung
der Arbeitszeit.
Es gibt tatsächlich nur eiue einzige Bestimtmung, die
die Arbeitszeit um' des Gesindes' selber willen beschränkt,
imd auch diese Vorschrift der u s i n g e r Gesindeordnung
aus dem 18. Jhdt. *) beläßt es beim' Gutfinden der Dienst-
herrschaft. Da wird dem! Gesinde Einzug in den neuen
Dienst genau auf den dritten Weihnachtstag geheißen.
Der Herrschaft aber wird die „Bescheidenheit" anemp-
fohlen, dem neuen Dienstboten mr Regelimg seiner Ange-
legenheiten täglich bis Neujahr etliche Stunden nach Ge-
legenheit freizulassen. Dagegen ist hier nicht zu verwerten
eine — ab bloße Definition zudem' praktisch recht unwirk-
samte — Äußerung der düsseldorfer Gesuideordnung
yon 1809*): „Unter Dienst wird jede häusliche Verrich-
tung verstanden, in so fem sie gegen die Moralität nicht
anstößt, und die Freyheit des Dienenden nicht
auf unbestimmte Zeit einschränkt"; hier soll
nur die neue persönliche Freiheit von der Leibeigenschaft
festgestellt werden, ohne daß über die einem Dienstboten
während der Arbeit zustehende freie Zeit etwas gesagt wird.
Im Gegenteil; ganz wie oben schon zur Frage der
besonderen Arbeitsart festgestellt wurde, gefallen sich
auch hier die Gesetzgeber öfters darin, den Dienstboten
*) Lennhoff S. 60. — •) St A. Wiesbaden. V. Nassau-Usingen.
Generalia Ili Verordnungen Band V S. 123. - *) Scotti, Jülich
S. 1252; oben S. 480 Anm.
— 517 —
streng die vorherige' Ausbedingung freier Arbeitszeit zu
verbieten. Hierfür kann im ailgenueinen auf das oben^)
Ausgeführte verwiesen werden ; die da genannten Gesetze
regehl meistens die beiden „Unbotmäßigkeiten**, Ausbe-
dingung besonderer Arbeit und bestimimter Ruhezeit, über-
einstinuniend.
Das Gesinde soll die gehleißene Arbeit ?un, solange
die Herrschaft es verlangt. Das ist imgeschrieben in diesen
Bestimmungen und überhaupt m den Gesindegesetzen ent-
halten. Bisweilen wird auch der Umfang der Arbeitszeit
durch Einzelvorschriften in diesem' Sinne, also wiedenuö
als Maßnahmfe gegen das Gesinde zu regeln versucht.
Jener Vorschrift des brandenburger Rechts*) ver-
wandt ist der Satz der detmolder Taxordnung von
1655 ^), daß das Gesinde nach Gutfinden der Herrschaften,
insonderheit zur Erntezeit, morgens imd abends von und
zu der Arbeit gehen soll. In demselben Jahre erfolgte in
Ravensberg eine Regelung des sog. Uchtwerks *), der
Arbeit während der Morgen- und Abenddämimerung ; die
Tätigkeit soll von Michaeüs bis Petri dauern. Ob dies zu-
gunsten des Gesindes oder, was das Wahrscheinlichere isf ,
im Interesse der herrschaftlichen Arbeit angeordnet ^vurde,
sei dahingestellt; die bei Schiller-Lübben a. a. O. über
Uchtwerk der Taglöhner mitgeteilten Stellen sprechen
nicht für die Absicht einer Bevorzugung der Arbeiter.
Nach Hof recht, wofür die schon öfters genannten
hessischen Hofordnimgen als Beispiele angeführt
seien, darf niemand vomi Hofgesinde ohne Erlaubnis in
eigenen Sachen verreisen, sondern muß immer präsent
sein. Die m manchen Mühlenordnungen z. B. der
hessischen von 1615*) vorkommenden Begrenzungen
*) S. 605 ff. — ") Oben S. 616. — •) Landesverordnungen L.-
Detmold I S. 408. — *) 18. Jahresbericht des histor. Vereins für die
Grafschaft Ravensberg S. 124; Schiller-LObben, mittchiieder.
deutsches Wörterbuch V S. 1. — ») LO. I S. 680,
— 518 —
der Arbeitszeit geh^ nur die subalternen Angestellten an,
dagegen nicht die niederen technischen Arbeiter, die Müh-
lenknechte. Schon auf der Grenze zum! Rechte des Ver-
tragsbruchs steht die Regelung des b i 1 1 w ä r de r Rechts
Nr. 79^), das die tagelange Versäumung der Gesinde-
arbeit behandelt*).
Nur an der gem^insamto Sonntagsf rieiheit sollte
auch das Gesinde seinen Anteil haben. Die vielen Sonn-
tags- oder Sabbathsordnungen betreffen auch die Dienst-
boten in ihrer Arbeit, meist allerdings nur indirekt oder
durch allgemeine Ruhegebote.
Solch generelle Rechtssätze wie, „das des sontags
. . . Niemandts einige arbeit vokibringe, noch uff den
märckten, gassen, oder andern Ortten stehe, Sonderlich
vormittag und die zeit war man prediget . . ." ^) brauchen
bei der Darstellung des Gesinde-Sonderrechts nicht be-
sonders hervorgehoben zu werden. Nur die in obrigkeit-
lichen Erlassen bisweilen vorkomlmlende ausdrückliche Be-
tonimg der Ruhe des Gesindes von siuiner Arbeit ver-
dient hier Berü(^ksichtigmxg. So wie es z. B. in einem
hessischen Ausschreiben vom 10. April 1628*) ge-
schieht. Durch den schlechten Besuch des Gottesdienstes
und gar die Arbeit währenddessen wird „Gottes gerechter
zom je mehr imd mehr über uns gehäuf f et" und „ver-
ursachet, uns seines heiligen Worts imd unserer wahren
Religion (als welche bey jetzigen fast gefährUchen Zeitai
ohne das sehr periclitiret) gänzlichen zu berauben". Da-
her soll alles in die Kirche kommen imd die Bürger sollen
nicht nur selber das Arbeiten währenddem unterlassen,
y,sondem auch ihres Gesindes unter solchen Predigten
mit der Arbeit verschonen" und es erst nach der Predigt
an die Arbeit lassen. Übertretungen werden bestraft. In
*) Lappenberg I S. 821fr. — *) Näheres unten § 18. —
') Hessisches Ausschreiben wegen des Sabbaths vom 35. Februar
1546 (LO. I S. 147). - *) LO. U S. 26.
— 519 —
den weiteren bessischen Ausschreiben usw. vom 9. No-
vember 1638, 20. Juli 1642, 28. April 1649, 25. Juli 1651,
28. September 1672, 21. Mai 1683 imd weiterhin 1. Ok-
tober 1777, 13. Mai 1801, 17. Juni 1801, 6. Dezembier
1804 ^) wird allerlei Arbeit „imter der Predigt" verboten,
so auch die Haus- lutid Feldarbeit, das Viehtreiben und
Hüten; auf Übertretungen stehen Geld- lutid Gefäng-
nisstrafen.
Ähnliche Bestimimiung hatte die Stadt Hersfeld
laut Taxordnung vomi 19. August 1643*) und Stadtord-
nung von 1665 ^), von hessischen Nebionländem Hanau
in den Sonntagsordnungen vom 22. August 1669, 29. Juli
1678, 17. September 1698, 14. September 1713*), Fulda
in den Sonntagsordnungen vom 21. Juli 1702 und 16.
August 1770 sowie in einigen SpezialOrdnungen über Vieh-
hüten vom 5. März 1767, 4. Juni 1771, 6. August 1772 0).
Im großen und ganzen geradeso vierlief die Entwicklung
inisenburg, das am 12. Mai 1758, 14. Mai 1760, 9. Juli
1760, 18. März 1761 und in der Rügordnung von 1766 •)
insbesondere auch eingehende Vorschriften über die Sonn-
tagsarbeit der Hirten erließ.
Geldstrafe, später schweme herrschaftliche Strafe kün-
digt der Erzbischof von Mainz denen an, die Soimtags
»JeibUche Handarbeit zu Feld und zu Haus" vierrichten;
in der Hirtenordnung von 1669^) Und in der Sabbath-
ordnxmg von 1769®) ist solches ausgesprochen. Gleich-
*) LO. n S. 77, 84, 142, 148; lü S. 6, 242; VI S. 900; VH! S. 26
Nr. 18, 44, 216. - ») Demme, Nachr. u. Urk. II S. 182 flF., bes. 188.
— ') Ebenda S. 206 ff., bes. 208. — *) St A. Marburg. Sammlung
hanauer Verordnungen I Nr. 62, 72, 129; II Nr. 179. — ») In Bd. H
und VI der cass. Reg.-Sammlung; die Verordnung von 1771 in A. J.
Webers Verzeichnis fuldischer Verordnungen (Landesbibl. Cassel).
'- *) Sftmtlich in den Verordnungsbänden der Amtsgerichte Langen*
Mlbold und Wächtersbach; dort auch der Antrag einiger Müller um
Gestattung der Sonntagsarbeit vom Jahre 1846. — ^ Codex, ecd.
Mogunt. nov. I S. 164. •— *) Kersting, Sonderrechte Sp. 1149.
— 520 —
falls mit Geldstrafen arbeitet die nassau-katzeneln-
bo gener Polizeiordnnng von 1597^). Mit dem' bloßen
Verbot aller „Arbeiten und Geschäfte, sie haben Nahmen
wie sie wollen", begnügen sich die beiden Kirchanord-
nimgen für Neuwied von 1643 und 1683 2).
Derselbe Eifer ist in den katholischen Ländern des
weiteren Westens festmstellen. Wie schon Mainz, so wen-
det auch Köln Geldstrafen an; die Polizeiordnimg von
1723*) verbietet bei zwei Mark Buße, an Sonntagen zu
pflügen, Korn und Heu ernten, Holz imd Mist fahren und
was dergleichen „knechtliche Arbeit*' mehr ist, oder was
sonst für Handtierung in christlich-katholischen Gemein-
heiten verboten ist, ohne Rücksicht Standes und der Wür-
den. Doppelte Strafe, als wenn die Tat an einem Werktag
geschieht, steht auf dem Abweiden fremder Wiesen am
Sonntag. Am 11. Mai 1790*) wurde wiederum ein ähn-
liches Verbot knechtlicher Sonntagsarbeit erlassen. Die
trierer Ordnung wegen der Landfragen vom 15. Ok-
tober 1599 *) sagt unter 9 : „Welcher an den h. Sonn- oder
gebotenen Feyertägen mit öffentlicher Aergemiss nicht
feyert, sondern im Feld oder sonsten in Arbeit sich finden
läßt, soll erlegen 4 Flor. 2 Pfund Wachs. Diejenigen aber,
die ihr Gesind an solchen Tagen vom Gottesdienst zur
Arbeit halten, um doppelt so viel gestraft werden."
Aus besonderem Grunde pflegten die Dienstboten in
Schaumburg-Lippe Sonntagsarbeit zu tun. Eine Ver-
ordnung vom 18. März 1671^) verbietet den Knechten,
an Sonntagen ihr eigenes, ihnen an Lohnes statt ausge-
gesäetes Korn zu bearbeiten; die Mägde dürfen Sonntags
nicht ihren Flachs spinnen. Sie sollen sich dazu von den
Herrschaften freie Zeit an Werktagen ausbitten. Mit be-
0 Univ*-BibL Marburg. — ») Scotti, Neuwied S. 4, 18. —
•) Tit. 8 § 2; Scotti, Köln I 1 S. 623. - *) Ebenda II S* 908. -
') Scotti, Trier S. 1641. — •) Landesverordnungen Schaumburg-L.
II S. 70.
— 521 —
sonders sdiöner, urwüchsiger Sprache zieht die lippe-
detmolder Kirchenordnung von 1571 ^) gegen die Sonn-
tagsarbeiter los : „Etliche Geitzwänste, so gar in irdischen
Kaufhändeln ersoffen sind, und sich schändlichs Gewinsts
gelüsten lassen, obliegen entweder unter den Predigten
ihren Gewerben imd Krämlereien auf den Kirchhöfen, als
in Flecken und Dörfern 201 sehen ist an den heiligen
Tagen, oder bleiben mit ihremi Gesinde daheim, mit Ver-
säumnis tmd Verachtung des Gottesdienstes, auf dass sie
ihren Wein, Bier, Brodt, Brandtewein, und dergleichen
Ware verkaufen, oder sonst im Felde arbeiten mögen,
träumen fleischlich und vermeinen aus heidnischem zwei-
felhaftigem Gemüth, sie werden auf die Feiertage in ihrer
Nahrung verhindert, wo sie nicht gleichwol Kaufenschaft
üben, imd knechtische Arbeit treiben." Das soll durch
strenge Edikte verboten und mit Strafen bedroht werden ^).
Das weimar ische Sabbathsmandat von 1756^) un-
tersagt den Dienstherrn bei nachdrücklicher Strafe, das
Gesinde durch Auftrag lumötiger Arbeit am Besuche des
Gottesdienstes zu hindern.
Nach den braunschweiger Polizeiordnungen von
1573 imd 1579*) dürfen während der Sonntagspredigt
Bürger, Bürgerin, Kinder oder Gesinde nichts auf dem
Markte feilhalten; ein Gulden ist die Strafe. Gleichfalls
durch gottesdienstliche Rücksichten eingegeben ^vurde die
in Braunschweig-Lüneburg (Stadt Celle) am' 22.
März 1689*) geschehene Beeinflussimg der Arbeitszeit.
Dienstboten und andere Arbeitsleute sollen zur Abend-
beichte nicht mehr Sonntags, sondern schon am Sonn-
abend komtnen, und „von ihrer Arbeit so lange sich ab-
*) Landesverordnungen Lippe-D. I S. 83. — ») Der Ton der
Kirchenordnung klingt hier an des Erasums Alberus Ehbachlin S.
G. 41, sehr an. — ») Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S. 188.
— *) Hänselmann, Urkundenbuch I S. 404flF.; 458ff. (Kap. IX).
— ■) Landesordnungen Lüneburg IIS. 448.
— 522 —
¥
müssigen". Eine ähnliche Bestimmung erging am 16. Fe-
bruar 1705 ^). Die beiden Sonntagsordnimgeii für den ka-
lenbergischen Teil von 1710 imd 1735*) verbieten,
wie es auch anderswo geschieht, landwirtschaftliche Sonn-
tagsarbeit, außer im höchsten Notfall. Differenzierte Ar-
beitseinschränkungen für die Sonntagsarbeit der verschie-
denen Mühlenarten stehen in der Verordnxmg vom' 15.
Juli 1710 ^) ; andere als Mahhnühlen dürfen Sonntags über-
haupt nicht gehen, Mahhnühlen niu- zu Notzeiten und
auch dann nicht über der Predigt. Wieder andere Ge-
sichtspimkte kommen in der hannoverschen Sabbathord-
nung vom 17. Juli 1777 *) ziuni Vorschein. An den Sonn-
tagen und den beiden Tagen der drei hohen Feste sollen
keine Hochzeiten und großen Gastereien sein, „wodurch
die Dienstboten von den Kirchen abgehalten werden".
Noch weiter unten im Norden, in Oldenburg be-
stimmt die Sonntagsordnimg vom 16. April 1736*) (ohne
das Gesinde besonders zu nennen), daß nicht vor Cnde
des Nachmittagsgottesdienstes auf dem Lande gearbeitet
werden darf. Mühlen dürfen Sonntags überhaupt nicht
gehen, ebenso darf kein Vieh ausgetrieben, kein Ackerbau
getan werden, außer in der Ernte bei der höchsten Not.
Mit dem allgemeinen Verbot sonntäglicher Landarbeit
begnügt sich die schleswiger Polizeiordnung von
1768 •).
Als Beispiele süddeutschen Rechtes mögen einige
schwäbisch-ländliche Quellen dienen. Mehrfach verbieten
diese Dorfrechte die „knechtliche" Arbeit am Sonntage»
so die Ordmmgen für Essingen von 1554, 1649^) und
um 1710«), Rarasberg von 1556»), Redhberg,
*) Ebenda S. 948. — *) Landesordnungen Kaienberg 1 S. 416, 432.
— ■) Ebenda S. 422. — *) Spangenberg, Verordn. f. Hannover II
S. 646. - ») Corp. Const Old. Suppl. U Bd. 1 S. 1. — «) St A. Schleswig.
Sammlung GrossfQrstl. Verordnungen. — ^ Wintterlin, WOrttem-
bergische IflndL Rechtsquellen I S. 512 ff., bes. 514. ^ *) Ebenda
S. 528 ff., bes. 529. — •) Ebenda S. 789 ff., bes. 759.
— 523 —
Heuchlingen tmid Wiöiler von 1577^), Hohen-
statt und andere Orte von 1585*), Wißgoldingen
von 1612*), das spraitbacher Amt von 1658*), El-
c hin gen und weitere thum und taxissche Orte von 1766 *)»
Feierung eines besonders angesetzten „Hagelfeiertages**
durch Herrn tmd Gesinde, insbesondere durch Arbeits-
ruhe, ordneten die Gesindeordnungen für Bühlerz eil
von 1617«) und Bühlerthann von 1643^) an. Das
Gesinde hatte hinreichenden Nutzen von der hier angeord-
neten Sonntagsruhe, wie Aufzählimgen der verbotenen
Tätigkeiten zeigen: „hin- und widerlaufen, waschen,
misten, brechen, bachen, treschen, fahren, reuten, itenn
sichlen und seegessen denglen**, ferner „fuhren auf die
sonn- oder feyrtäg verschieben, an solchen laden oder
verrichten , . ., bachen, waschen, aufhencken und öffent-
lich trücknen oder tuech auf die plaich legen**®). Aus-
drücklich das Gesinde nennen das Vogtbuch von R a m s -
berg (1556) und die Statuten für Rechberg, Heuch-
lingen und Weiler von 1577: „Es sollen auch weder
meyster, frauen, knecht oder miegt an sonn- oder feyer-
tagen under der predigt noch davor grass miehen, miesten^
trom uffschlagen, kaufen oder verkaufen oder sonsten ob-
gemelter miassen hantieren noch treyben** (Rechberg). Nur
hei Vorliegen von Notständen mag „bey gnädiger herr-
schaft und mit wissen eines jeweiligen herm pfarr-vicary
um erlaubnuss (zur Sonntagsarbeit) nachgesucht werden**
(Elchingen 1766).
Dieser letztgenannte Umstand, landwirtschaftliche
Notstände, gab den Gesetzgebern Anlaß zu weiterem Vor-
gehen. Größere Länder verwiesen für solche Fälle nicht
') Ebenda S. 682 ff., bes 685. - *) Ebenda S. 486 ff., bes. 489.
- •) Ebenda S. 798 ff^ bes. 880. — *) Ebenda S. 612 ff., bes. 629. —
*) Ebenda S. 241 ff., bes. 242. — «) Ebenda S. 884 ff., bes. 884, 885. —
') Ebenda S. 804 ff., bes. 820. - •) Essingen 1554, 1649; Hohen-
statt usw. 1585.
- 524 —
auf jedesmalige Einzelbefreiimgen, sondern gewährt^i
gleich fürs ganze Gebiet Dispense. Als Beispiel für die
überall gleichartige Gesetzgebung sei Hessen angeführt.
Ein Regierungsausschreiben vom 22. August 1771^) ge-
stattete der Witterung wegen, daß die Einemtung der
Früchte auch an Sonntagen vorgenonünien werde. Genauer
steht das noch in einem Ausschreiben vom' 27. August
1785*); die Feldarbeit darf nach der Frühkirche fort-
gesetzt, das Gesinde dazu angehalten werden. Wie es
scheint, waren die Dienstboten damit durchaus nicht ein-
verstanden. Denn eine Erneuerung des Ausschreibens vom
30. Juli 1789 ^) droht dem Gesinde und den Tagelöhnern
Gefängnis an, für den Fall, daß sie sich der Sonntags-
arbeit weigern. Auch 1795 war das Wetter naß. Ein
Regierungsausschreiben vom 10. August*) erlaubt dahcT
wiederum die Sonntagsarbeit; bemerkenswert ist, daß das
Gesinde nun gar nicht mehr genannt ist, ebenso daß die
Strafdrohungen fehlen — ein Zeichen dafür, wie innii;
beides, Gesinde imd Strafe, msaminengehören.
Ein weiterer Grimd, gegen die Feiertagsruhe vorzu-
gehen, war schließlich für katholische Länder in der fort-
gesetzten Abschaffung von Feiertagen und dem Beharren
des Gesindes bei der alten Ruhegewohnheit gegeben *). In
Köln zum Beispiel wurde die ami 11. Mai 1770 hier-
über erlassene Verordnung nicht befolgt, die für die Zu-
kunft den Dienstboten Werktagsarbeit an den ausrangier-
ten Feiertagen anbefahl. Deshalb erfolgte am 16. März
1784 eine Einschärf ung •), wonach die Dienstboten an
solchen Tagen bei ^1^ Goldgülden Strafe ihren Dienst-
herm die Arbeit nicht weigern durften. Weit energischer
*) LO. VI S. 616. - ») Ebenda S. 1214. - ») LO. VII S. 868. -
*) Ebenda S. 650. — ») Vgl. Schönfei dt in der Vierteljahrsschrift
f. Soz.- u. Wirtsch.-Gesch. I S. 38 ff., bes. 89. - •) St A. Düsseldorf.
Akten des Bonner Hofrats, Kurköln. Regienmgssachen Nr. 47. Ge-
sinde 1770—1784; Scotti, Köln I 2 S. 903, 1070.
— 525 -
ging Bayern vor. Die Gesindeordnung von 1781^) läßt
die an abgeschafften Feiertagen widersässigen Dienstbo-
ten polizeilich zur Arbeit anhalten und verheißt Arbeits-
haus, Prügel, Geige und Stock ; bei beharrlichem Weigern
komroien die Dienstboten auf ein Jahr ins Arbeitshaus
oder gleich auf sechs Jahre ad Militiam. Diese Grundsätze
mit einigen Abwandlimgen gibt auch eine besondere Ver-
ordnung wider die abgeschafften Feiertage vom 14. Januar
1785 wieder*); die Herrschaften sollen an diesen Tagen
selber mit Hand anlegen und ihren Angestellten ein „er-
bauliches Bey spiel** geben.
Die vielen Sonntagsgesetze darf man in ihrer Be-
deutsamkeit dturchaus nicht überschätzen; wir von heute
neigen vielleicht zu solcher Auffassung, obwohl doch un-
sere modernen Gesetze über die Sonntagsruhe auf einer
ganz anderen Grundlage stehen als die frommen Sonn-
tagsordnungen der Vergangenheit. Schließlich waren
diese, soweit einmal das häusliche Gesinde von ihnen be-
troffen wurde, bloß Aufzeichnungen des herrschenden, un-
überwindlichen Brauches. Die Sonntagsarbeit des Haus-
gesindes ist in normalen, nicht mit außergewöhnlicher Ar-
beit erfüllten Zeiten fast ausschließlich dmrch den Be-
darf dieses einen Tages bestimmt. Vorsorgende und
nachholende Arbeit wird an andern Tagen vorgenommen.
Dafür sorgt schon die Macht des dritten Gebots. Und wo
diese fehlt, die allzu fest gewordene Sitte ; denn es ist kein
Mensch so gottlos, die christlichen Feiertage feiert er
doch mit, sagt Hebbel in den Tagebüchern. In den städti-
schen Häusern war tmd ist das Gesinde also gegen Ar-
beitsüberlastung am Sonntage auch ohne Gesetze in der
Regel geschützt. Noch viel mehr ist dies aber auf dem»
Lande der Fall. Die Ernte ist eine Ausnahme, gewiß;
hier hat sich von je, auch in katholischen Gegenden, ein
') Kr. A. München. AR. Fasz. 459 Nr. 209. — •) R. A. München.
Generalien-Sammlung Rep. S. 9 Nr. 7 Bd. 1.
— 526 —
Gewohnheitsrecht gegen die staatlichen, bischöflichen,
konsistorialen Sonntagsordnimgen durchgeisetzt. Aber in
ruhigen Zeiten ist es ausgeschlossen, daß am' Sonntag mehr
als die beim Vieh und sonst für den Tag nötige Arbeit gre-
scfhieht. Das hindern nicht bloß Religion imd Sitte, son-
dern vor allem auch' die Lebensfreude des bäuerlichen
Volkes.
S 6. Pflichten des Gesindes.
2. Das allgemeine Verhalten.
Es ist hier imigefcehrt wie bei den im* vorigen Kapitel
behandelten Fällen. Dort schloß der Drang nach Indivi-
dualisierung eine großzügige Gesetzgebung aus. Dageg^en
kami es keinen Unterschied in der Betrachtungsart für
die vielen vorhandenen Dienstherrschaften geben, wenn
es sich darum' handelt, die allgemieinen Verhaltungsmaß-
regeln für die Dienstboten festzustellen. Jede Dienstherr-
schaft will ehrliches imd treues Gesinde haben; es soll
nicht trinken, nicht fluchen, nicht liederlich sein, und was
dergleichen Eigenschaften noch sind.
Möglich wäre eine Gesetzgebung schon, die von den
Dienstboten bestimtaite Eigenschaften allgemeinster Art
verlangt, andere Eigenschaften ihnen zu verbieten sucht.
Die Frage ist nur, ob solche Gesetzgebung nötig ist. Wäh-
rend bei den meisten Untertanen zur Herbeiführung eines
der hohen Obrigkeit genehmen Betragens aUgemeine Ge-
setze oder der Religionsunterricht genügen, werden dem
Gesinde die erforderlichen Eigenschaften noch einm)al be-
^nders eingeschärft. Ein Grund dafür ist in der be-
sonderen Arbeitsvierfassimg der Gesindetätigkeit gegeben.
Fleiß, Ehrlichkeit, Schweigsamkeit, Gehorsamj, Unter-
lassung von Beleidigxmgen der Dienstherrschaft postuliert
die Verfassung des Hauses, in das die Dienstboten als
Freunde aufgenonmien werden. Gegenstück hierzu ist die
— 527 —
manchmal in Gesindeordnungen vorkommjende Mahnung
an die Dienstherrschaften, ihr Gesinde gut zfu behandehi ^).
Was aber an Vorschriften über das Betragen des Ge-
sindes weitergeht, was sich nur mit Mühe als Forderung
der besonderen Tätigkeitsart des Gesindes auffassen läßt,
das ist aus dem Geiste geboren, der die Gesindeordnimgen
überhaupt eingegeben hat : die angeborene Schlechtigkeit
des Gesindes soll öoerciert werden. „Tragkeit findt man
in allen gschlechten, Vorusz in dienstmägten und knech-
ten" '). Daher stamlmteai die immier wieder vorkommenden
Bestimimtmgen über die schätzenswerten Eigenschaften,
die ein Dienstbote haben soll.
Wo immer Gesindeordnungen erlassen wurden, gab
es auch eine Aufzählimg dieser besonderen Dienstboten-
Begabungen, deren Nichtvorhandensein mit Geld- und
Freiheitsstrafen geahndet wurde : Das Gesinde soll fromm*,
züchtig, ehrbar, fleißig, treu, aufmierksam*, sorgfältig, ehr-
erbietig, gehorsam, schweigsami, ehrlich, friedfertig, de-
•
mutig tmd so weiter sein, es soll sich mit dem Mitgesinde
oder mit Freunden oder gar mit der Herrschaft nicht
zanken, sie nicht verleumden, nicht schimpfen, über Nacht
nicht aus dem Hause bleiben, nicht fluchen, nicht Gott
lästern oder die Kirche versäumen, die Kinder nicht ver-
führen. Wie für das Betragen im Hause oder doch unter
den Augen der Herrschaft, so werden auch für das Ver-
halten der Dienstboten außerhalb des Hauses und Dienstes
regelmäßig wiederkehrende Vorschriften gegeben. „Sau-
fen", spielen und tanzen gehören nicht zu den Betätigun-
gen, deretwillen eine Herrschaft ihr Gesinde mietet;
strengstens werden solche üblen Dinge daher untersagt.
Selbst Kriminalfälle, wie Messerzücken, Schlägereien, wer-
den des öfteren mit besonderer Beziehung aufs Gesinde
erwähnt. Streng ist auch die Bestrafimg der alten Volks-
M Unten §10. - «) Seb. Brant, NarrenschifF, Zit. bei Grimm,
WB. II Sp. 1180.
— 628 —
brauche, des Besuches der Spinnstuben, der „Rocken-
reiss" und Fastnachtstänze, überhaupt der „liederlichen
Gesellschaften**, das alles „zur Unzucht keinen geringren
Anlass giebt**.
Die Gesetzgeber suchten oft die Verlegenheit, in die
sie kamen, wenn sie in die Treupflichten des Gesindes
gegen die Herrschaft wirksam; kodifizieren wollten, da-
durch zu umgehen, daß sie eine Formel einsetzten. In
sehr zahlreichen Gesindegesetzen aller Zeiten heißt es so
immer wieder, das Gesinde solle der Herrschaft Nutzen
und Frommen fördern, Schaden meiden imd warnen,
Nachteiliges nicht verschweigen. Das sind Ausdrücke, die
nicht nur im Gesindeverhältnisse, sondern immer und über-
all gebraucht werden, wo es gilt, ein Treuverhältnis zu
dokumentieren^). Diese Worte können durch den vielen
Mißbrauch, der in allen Lebenslagen mit ihnen getrieben
wurde, schließlich nur noch als Phrase wirken. Und das
taten sie wohl sicher auch, wenn sie in den Gesindegesetzen
^) Zum Beweise seien aus vielen Fällen nur folgende, beliebig
vermehrbare Beispiele angeführt: 1508 wurde Heinrich von Swartz-
perg als Diener des Landgrafen Wilhelm von Hessen angenommen;
Swartzperg soll „unsern schaden alzeit wamnen, bestes werben und
sust alles das thun, das ein getreuwer diener seynem herm zu tund
schuldig und pflichtig ist" (St. A. Marburg. Dienerbuch der Land-
grafen Wilhelm II. und III. 1489-1508. Kopiar 181 Blatt 21). 1531
nahm Philipp der Grossmütige einen Diener an, ,, . . • also das er uns
getreu hold . . . gehorsamb und ge wertig sein, unsern schaden ailet-
zeit getreulich warnen, fromen und bestes fordern ..." (St. A. Marburg.
Dienerbuch I Philipps des Grossmütigen 1516—1581. Kopiar 132).
Verpflichtung des Gemeindeknechts zu Pflaumloch in Schwaben
1480; Wi n 1 1 e r 1 i n , Württembergische ländl. Rechtsquellen I S. 10 ff.^
bes. 12. Simplicii Revers für den Kommandanten von Lippstadt;
H. Kurz, Grimmeishausens Simplicianische Schriflen I S. 811, 812.
Dienerbestellungen mit gleichen Zusagen wie zuvor ferner z. B. bei
Abraham Säur, Formular und volkommlich Notariat - Buch oder
Spiegel . . . (Frankfurt 1598) S. 686—670, Urfehden ebenda S. 725 ff.,
Lehnsbriefe ebenda S. 266 u. ö. Siehe ferner den Eid oben S. 487;
auch oben S. 507 ff.
— 529 -
alle Jahre und Tage wieder mm Vorschein Kamen. Ir-
grend em erziehender Einfluß auf das Gesinde war diesen
Vorschriften schon ihrer gedankenlosen Wiederholung
wegen versagt.
Wie schon bemterkt, würde es mit einer Aufzählimg
fast sämtlicher Gesindegesetze gleichbedeutend sein,
wenn hier das jedesmialige Vorkonmien des Ehrenkodex
für das Gesinde mit Quellen belegt werden sollte. Es
kann daher hier imterbleiben, umisomiehr als diese Vor-
schriften, wie kaum eine andere, als Ausfluß landes^äter-
lic?her Fürsorge erscheinen, deren Vollziehung in der rich-
terlichen Praxis sich nicht nachweisen läßt, soweit jene
allgemeinen Pflichten der Ehrbarkeit, Wohlanständigkeit
und so fort in Betracht komlmen. Nur insofern können
derartige Bestimimtungen größere Bedeiutimg erlangen, als
deren Nicht befolgung der Dienstherrschaft etwa Grund
zur vorzeitigen Entlassung gibt^). Aus der Fülle der Vor-
schriften hervorgehoben zu werden verdienen einige Ge-
setzesstellen, die dem' Verlangen der Gesetzgeber vor alleml
durch Wahl eigenartiger Strafmittel besonders bezeich-
nenden Ausdruck geben ; femer rechtfertigt sich eine kurze
Darstellung, wie die Bekämpfung alter Volkssitten des
Gesindes versucht wurde.
Aus dem Rahmen heraus fällt di^ Fesfeet^ung einer
dem Dienstherm vomi Gesinde zu entrichtenden Privat-
buße, wie sie das Recht des Billwärders*) für nächt-
liches Ausbleiben des Gesindes trifft: „Vor islifce nacht,
dat knecht unde mieghede uthslapen, sonder der gennen
willen, deme se denen, darvoer scholen se geven deme
gennen, deme se denen, enen schillingh alse dicke sei
dat doen, imde dat miach mien in oreme lone afrekenen."
Eine noch tiefer greifende, der Schuldhaft entsprechend
ausgebildete Verqtuckimg des Privatinteresses mit der
*) Darüber unten § 14. — «) Lappenberg I S. 821ff. Nr. 80.
Könii«cke. 34
— 530 —
öffentlichen Strafgteiwalt, nämlich' Üblertragimg des Voll-
zugs einer Freiheitsstrafe an den Dienstherm, enthalten
Idie Zeitz er Statuten von 1573^): „So mag auch ein
jeglicher Bürger, sein imgehorsaml Gesinde, oder tmbe-
sessene Schuldiger luid die ihm! in seinen Hausse frevel-
hafft üben, ohne Laube des Richters, wohl ins Gefängniss
setzen, ohne sein Wissen aber nicht heraus lassen."
Noch weitergehend schuf mian selbst besondere Straf-
mittel wider das ungehorsame Gesinde. Mit dem einen
Hauptzwecke, das schlechte Dienstgesinde zu strafen und
zu bessern, wurde in München 1682 ein Zuchthaus er-
richtet*), Zuchthaus im Sinne von Arbeitshaus: „Damit
nun diesem allemi mit besserml Nachtruck, als biss da-
hero geschehen, abgeholffen, auch anders hailloses Ge-
sindl vertrieben: die übermüthige Hermdiener, stitzige
und schlimme Ehehalten, tmd haillose Dienstbotten, die
liederliche und insolente Handwerckspursch, die klein-
nutzige Lehrjungen, ungl sträffliche Schuellerbueben, in
bessern! zäum«, gehorsamb, und Respect gegen jhren re-
spective Herrschafften, Maistem imd Praeceptorn gehal-
ten. Die ungerathne Kinder gegen jhren Eltern tmd Ger-
haben zu mehrerm Gehorsamb gebracht, freche und leicht-
fertige Menscher, faule, und wol in der nöthigsten Arbeit
auss den Diensten stehende Ehehalten, Bauernknecht und
Mägd, schlimme und langsame Zimmerknecht und Maurer-
gesellen, welche z\i Nachts mehrer haimb- und dem Baw-
herm abtragen, als selbige etwan den gantzen Tag hin-
durch mit jhrer Handarbeit verdient haben, faule Hand-
langer imd Tagwercker, so lieber feyren, als umb einen
rechten Lohn arbeiten: in Sunüna ein jeder, der sonst
nit gut thun, oder sich auff den Betl und Müssiggang^
legen will, zur Buss, Arbeit und ru besserem Leben ge-
bracht, oder an ein solches Orth gesetzt werde, wo er
*) Schott, Land- und Stadtrechte I S. 368 ff; bes. 268. — *) R.
A. Manchen. Generalien-Sammlung Rep. S. 9 Nr. 5.
— 531 —
niemiaiKl mtelir ttebchwlerein : noch andere verführen
kan/*
Ein anderes Mittel, das den Vorzug hatte, die he-
straften Dienstboten dem* Publiktim zur Warnung bekannt
zu machen, wählte die schaumburger Gesindeord-
nung von 1738 ^). Dienstboten, die gegen ihre Herrschaft
drohende Worte ausstoßen, sollen an den Schandpfahl ge-
stellt werden. Es wird sogar ein besonderer Pfahl für
die Dienstboten errichtet mit der Inschrift: „Strafe für
ungehorsame, ruchlose und faule Dienst-Boten".
In Verhaltensvorschrift und Strafe können die gro-
ßen Einzelhaushalte gerade wie bei der Statuienmg der
Arbeitspflichten in ihren Gesindesatzungen weiter ins ein-
zelne gehen als die Landesgesetze. Als Beispiel mögen
wieder die Satzungen des Klosters Königsbrück*)
Öienen. Hier ist die Spezialisierung bis zur Spitze ge-
trieben. Weiter geht es kavon noch. Die Knechte und
Mägde sollen in die Kirche gehen; tun sie es nicht, dann
bekommen sie kein Fleisch zu essen oder der Lohn wird
ihnen gekürzt. Auch zur Strafe von Tanzen, Spielen und
ähnlichen Extravaganzen erleiden sie Lohnabzug. Das
Gesinde soll sich nicht schelten und zanken, nichts ohne
Erlaubnis verleihen, oder für eigenen Nutzen brauchen.
Wollen die Knechte in eigenen Geschäften sich entfernen,
was sie ohne besondere Gestattung nicht können, dann
dürfen sie nicht reiten, sondern müssen zu Fuß gehen.
Beschädigtes müssen sie auf eigene Kosten herstellen
lassen. Die Klosterschwestem sollen nicht spöttisch ber
handelt werden. Es folgen dann außerordentlich ins ein-
zelne geführte Vorschriften über das Verhalten mit Hun-
den, die gemeinsamen Speisungen, das rechtzeitige Schla-
fengehen, den Gehorsam gegen den Schaffner u. a. nn.
Natürlich dürfen die Knechte nicht in die Küche zu den
') Landesverordnungen Schaumburg-L. 11 S. 886. — ") Ztschr. f.
Gesch. d. Oberrheins I S. 179.
84*
_ 532 —
Mägden giehieii; auch sollen sich die Knechte nicht ,,zar
samlnien fügen". Schließlich wird noch eine Zwangsmaß-
regel unter Nr. 59 gegeben „Item! wann ein knecht oder
fein magt, so im closter dienet, nit wie sich das geburte,
l^ten wurde, sollen wir oder der Schaffner nach ge-
legenheit mit einem oder einer nach gedienter zeit abzu-
rechnen gut fug imd macht haben, und nit den gantzen
Ion zu geben schuldig sein". Ähnlich, wo nicht noch
ausführlicher, ist die Regelung in der Ehehaltenordnung
des bayerischen Klosters Tierhaupten^).
Aus der Landesgesetzgebung hat wohl die größte Be-
deutung das Vorgehen zur Erhaltung oder Mehnmg des
sittlichen Anstandes des Gesindes, vornehmlich der
Mägde. Zwar so wie in Pommiern unter dem Regime
der Gnmdherren wird es nicht überall gewesen sein, be-
sonders in den vom Gesindezwangsdienst freien Landern :
„Gemeiniglich wird (in Pomimem) den Mägden das Hei-
raten nicht eher nachgegeben, als nachdem sie sich vor-
her verjungfert haben" *). Im Ordenslande bestanden
Strafen wider den Bienstherm, der diei Magd geschwängert
hatte; mit dem' vollen Jahieslohn mußte sie zudem ent-
lassen werden*).
Die Nachrichten aus südlicheren Gegenden in dieser
Richtung treten durchaus nicht in der Masse auf, daß
man daraus kühne Verallgeimeinenmgen herleiten dürfte.
Das Fehlen der rechtlich bestätigten Zwangsgewalt der
großen Herren über die Untertanenkinder, die die Ost-
elbier 90 mächtig machte, würde es schon zur Genüge er-
klären, wenn eine — leider nicht bewirkbare — Statistik
hier stark zu gunsten der südlicheren Länder des land-
wirtschaftlichen Kleinbetriebes sprechen würde. Immer-
hin mag auch genug Pharisäertum« dabei mitsprechen,
daß die Gesetzgeber fast nie von der Verfolgung der
*) Grimm, Weistümer VI S. 199E — •) Fuchs S. 186. —
•) Steffen S. 20.
— 533 —
Mägde dxirdi ihre Dienstherm reden, dafür aber iimso
energischer gegen die „unsittlichen Beysamim'enwohnimr
gen" von Burschen und Mädchen, insbesondere Knechten
und Mägden, eifern.
Nur eine schwäbische Rechtsquelle behandelt in
strafrechtlicher Hinsicht den Umgang des Dienstherm
mit den Mägden. In der Polizeiordnung für Wiß gol-
din gen von 1612 ^) steht folgende Satzung: „Es ist auch
hinfüro gesezt, geordnet und gebotten, welcher ein frauen-
bild, die er freundschaft halb zue der ehe nit gehaben
mag oder sein befohlene vogttochter ald sein gedingter
ehehalt ist, beschwengeren wurde, der soll von mir alss
der herrschaft nach gestalt der sachen gestraft werden.** *)
In vielen ländlichen Bezirken Hessens beispiels-
weise war (und ist) vorehelicher Geschlechtsumigang nichts
Seltenes, auch durchaus nichts Anstößiges. An der
Schwahri wird die Legitimation der imehelichen Kinder
durch nachfolgende Ehe oft absichtlich hinausgeschoben,
•damit die Braut inzwischen als Amlme sich ihre Aus-
steuer verdient*). Die hessische Reformlationsordnung
^) W i n 1 1 e r 1 ] n , Würtembergische ländl. Rechtsquellen I S. 798 ff.,
bes. 842. — *) Beispiele von Alimentenklagen der Mflgde gegen ihre
früheren Dienstherm aus Fulda 1784; Bd. VIII der Sammlung der
Reg« in Cassel. Vgl. femer Karl Bachmann, Gesch. der Kirchen-
zucht in Kurhessen (Marb. theol. Diss. 1910) S. 54 Anm. 6, S. 56
Anm. 1. Pierre Ayrault plaidierte 1615 dafQr, dass bei Schwanger-
schaft einer Dienstmagd eine Rechtsvermutung dafür spricht, dass der
Dienstherr der Schwängerer sei ; Pierre Ayrault, Playdoyers (1615),
Playdoyer VI. Dem Verfasser stand nur eine schlechte Abschrift der
fraglichen Stelle aus dem einzig nachweisbaren Exemplar der Play-
doyers im Britischen Museum zur Verfügung* Er muss sich daher
grösstenteils auf die Mitteilung in Claude Joseph de Ferridres Dic-
tionnaire de droit et de pratique II S. 642 verlassen. — •) Die Ver-
erbung des ländlichen Grundbesitzes im Kgr. Preussen IV (O.L.G.-
Bez. Cassel), hsg. von Serin g, bearb. von Holzapfel, S. 87«
Vgl. auch Bachmann, Kirchenzucht S. 58. Leider gibt es keine
Statistik, mit der sich feststellen liesse, dass solche naive Anschauung
— 534 —
von 1656^) hätte daher zweifellos nach Auffassung der
Gesetzgeber Grund geniig, gegen die „heimlichen Ver-
löbnisse und fleischlichi«! Vermischimgen" *) m kämpfen.
Damit die Ehe „nüchtern mit wolbedachtem Muth,
Hertaen und Sinn** beginne, richtet die Refoimations-
ordnung an Pfarrer, Eltern und Dienstherrschaften die
folgenden Mahnungen : „Desshalben dann nicht allein die
Prediger jederzeit und vomemlich aliff die Sontage das
jimge Volck treulich erinnern und vermahnen, sondern
auch die Eltern und Haxissherren selbst ihre Kinder und
Gesinde, insonderheit hierinnen imterrichten und verwar-
nen, auch fleissig mit zusehen, und die ihren in acht
nehmen sollen, dass sie in solche und dergleichen Schandt
und Laster nicht gerathi^i, noch aliff eine solche unchrist-
liche unartige und verbottene weiss, die Ehe anzufangen
sich xmtemehmen.** In Schaum'burg bestrafte die Po-
lizeiordnung von 1615 •) den außerehelichen Verkehr am
Burschen mit zwanzig, ami Mädchen mit zehn Thalern.
Die Herren freier schaumburger Höfe hattien das Privileg,
daß sie die von ihreiml Gesinde erlegten Geldstrafen ein-
nahmien^}.
In mianchen, vomeÜmilich katholischen Ländern
herrscht das Bestreben vor, den Herrschaften die Un-
terbringung der Knechte und Mägde in demselben Schlaf-
raumie tu. imtersagein. So erging in Bayern am» 20.
September 1635 ein besonderes Ausschreiben wider die
Unzucht der Ehehaltjen *). Die Herrschaften sollen ihren
zu einer Verminderunj; der Kindesmorde beiträgt Im allgemeincD
ist der Kindesmord auf dem Lande häufiger als in den Städten, allein
deshalb schon, weil hier die künstlichen Hinderungsmittel verbreiteter
sind als unter den Bauern; de Ryckere, La servante criminelle
S. 150 f.
*) LO. n S. 417. — «) Kap.X. - ») Rottmann S. 50 (Kap. 6).
*) Ebenda S. 51. — ■) R. A. München. Generalien-Sammlung Rcp. S. 9
Nn 4 Bd. 8.
- 536 -
Dienstboten das nächtliche Auslaufen, „die Gunckeln und
das Nächtliche Fensterlein (wie sie es ins gemain zu nennen
pflegen)** verbieten. Auch wird den Dienstherrn auferlegt,
„dass sief auch besagtet jhre Kinder und Ehehalten, jhr
nächtliche ruhe, nit wie anhero miehrem theils geschehen
seyn solle, in offnen und bloss mit Brettern ünderschlag-
nen, ja wol etwan in e i n e r Kamimier beysanümien nemmen,
sondern dieselbe, zum wenigsten mit ainem Schloss ver-
wahren, tmd verschließen lassen.** Die Herrschaften sollen
auch öfters visitieren, ob ihre Söhne, Knechte tmd Mägdei
nachts „anheimb** sich zur Ruhe befinden. Ist jemand
von ihnen nicht zu hause, dann soll er den folgenden
Morgen nach seinem Verbleib gefragt werden. „Zum fall
sich mm zaigen tmd befinden solte, dass er die Nacht
über, ausserhalb des Hausse, oder über Feld, polterisch
umbgeschwaifft, etwan auch in einemi Schlüff winckel, oder
bey einer leichtfertigen verdächtigen Zusammenkunfft,
verzehrt**, dann soll er angezeigt imd von der Polizei ge-
straft werden. Die große bayerische Gesindeordnung von
1781 ^) huldigt ähnlichen Grundsätzen : „Jeder Hausvater
hat gute Obsorge zu tragen, dass die Dienstboten männ-
lich- und weiblichen Geschlechts wohl abgesondert werden,
alle ungebührliche Verträidichkeit möglichst vermieden
bleibe, tmd derselbe solchergestalten bey Gott und der
Obrigkeit nichts zu verantworten habe**; den Obrigkeiten
wird ernstliche Aufsicht anbefohlen. »
Auch im' Schwäbischen sind ähnliche Gebote zu
treffen. Die Polizei- und Dorf Ordnung für Adelmanns-
felden von 1680*) und Gebote und Verbote für die
gleichfalls gräflich adelmännschen Orte Hohenstatt
usw. (um 1700) «) stellen übereinstimimend fest : „So haben
wir auch mit grossem befremden erfahren müssen, dass
*) Kr. A. München.* AR. Fasz. 459. Nr.209. — •) Wintterliii,
WOrttembergische Itodbche Rechtsquellen I S. 462fif., bes. 467. —
•) Ebenda S. 442ft., bes. 449.
— 536 —
untersthiedlichej eitern, baussvätter und mütter ihre er-
wachssene kinder, söhn tind töchter, knecht und mägd
zusamimen in eine kaminier gelegt und damit zu der-
gleichen tumicht nicht wesdg gelegenheit gemacht . . .".
Bei fünf Gulden Straf© sollen die Dienstherrschaften künf-
tig dafür sorgen, das3 solche „Gelegenheit zu Unzucht'*
nicht miehr gegeben wird.
Daß die Dienstherrschaften dadurch, daß sie
Knechte imd Mägde in derselben Kamimer schlafen
lassen, „bey Gott, imd der Obrigkeit" eine schwere Ver-
antwortung auf sich nehmten, ist auch die Auffassung der
Gesindeordnimg für österreic'h ob der Enns von
1779^). Die Herrschaft soll so etwas ja verhindern,
damit „alle imgeziemende Vertratdichkeit vermieden
bleibe"; die Obrigkeit sieht hierauf stets von amts-
wiegen. Von einer fuldisChen geistlichen Regierungs-
yerfügung vom 16. August 1785 schließlich war leider
nur die Überschrift erhalten *) ; sie besagt, „dass die Eltern
die Nachtlager der Kinder imd Dienstboten beiderlei Ge-
schlechtes gehörig absondern sollen, damit kein Anlass
zum Fall erfolge".
In Würzburg hiatte die Gelsindeordnung von 1749 *)
als Hauptübeltäter das Militär entdeckt und gezeichnet:
„Nicht weniger imd nachdem' die Erfahmiss zeithero ge-
geben hat, dass durch fast allgemeinen Umjgang der
Dienstmägde mit den Soldaten nicht nur verschiedene
Ungebühren vorgehen, sondern auch den Dienstherren
grosse imd merklichei Beschädigimgen vermittist heim-
licher Abtragung Brod, Fleisch, Weui und dergleichen
durch die Dienstmägde zugezogen werden, imd noch wei-
tere böse Folgerungen daraus entstehen; als wird hiemit
den Dienstmägden aller Um<gang sowohl auf den Gassen,
') Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 2. - •) In A. J. Webers
Katalog fuldischer Verordnungen (Landesbibl Cassel). — ») Landes-
verordnungen Würzburg II S. 539.
— 537 —
als in den Häusern mit dem Soldaten dergestalten ver-
bothen» dass im! widrigen solche Diensttnägde sogleich
ihres Diensts ohn6 zti gewarten habenden Lohn verlusti-
get, und dieselben aus der Stadt, auf weiters ßetretten
aber in das Zuchthaus verwiesen werden/*
Mit der ganzen Wucht altdeutscher Satzung und
Rechtssprache redet das dort munder Stadtrecht ^) von
der Strafe des höherbegehrenden Knechtes, der sich an
Familienmitglieder vergreift : „Were eyn man efte vrowe
dey knechte hedden in iren brode, dey dey vrowen efte
eyne dochter efte suster beslepe unde enterede, dey in
eren brode weren, dey knecht sal sinen hals verloren
hebben." Und umgekehrt dokumientiert das Recht der
westfälischen Stadt Rüden aus dem' 14. Jhdt. *) von an-
derer Seite her die rechtliche Ungleichheit scheinbar in
verblüffender Deutlichkeit. Da wird mnächst festgesetzt,
daß der Hausherr den töten darf, welchen er bei seiner
Frau findet; der Verführer der Tochter kann sich durch
Zahlung von zehn Mark von der Heiratspflicht loskaufen.
„Vortmer so en madh noch en sali neymant van rechte by
syner gemieden miaget eyn man vaen off halden, sunder
hey sal enne laten enwech gan sunder broke.** Der tiefere
Grund für diese Auffassung, diei noch nicht völlig durch-
geführte „Consequenz der Geschlossenheit des Haus-
halts'* wurde oben') des näheren angegeben*).
Als besondere Verführungsmittiel zur Unsittlichkeit
erschienen den Gesetzgebern durchaus nicht ohne Grund
von je die alten Volks brau che, wie Fastnachtstänze,
*) Frensdorff, Statuten S. 57flf., bes. 77. — ■) Wigands
Archiv V S. 65 ff., bes. 78; s. oben S. 293. - ») Oben S. 298. -
*) Hier sei auf ein französisches Strafurteil von 1644 hingewiesen das
^tt i,qu*un serviteur merite peine afüictive, lors'qu'il abuse de la
fiUe de son maltre quoique majeure, et quoiqu' eile dise Ten avoir
Pri^, et m^me qu' eile veuille V öpouser"; FerriÄre, Dictionnaire
n S. 642.
— 538 —
Spinnstuben, ja selbst Kirmessen und einfache, gelegent-
liche Tanzereien. So wie schon in Augsburg 1384
ging man späterhin gegen die Tanzbelustigungen mit be-
schränkenden Maßnahmen vor^): 1384 „hat der rat (zu
Augsburg) erkant, daz die med und knecht an den vier-
tagen dheinen tantz nach mittemtag in den husem niht
haben suUen, si mugen aber wol uf der strazz einen tantz
haben alz von alter her körnten ist, biz man vesper lut
daz si dann in irrer herschafft huser sien, und nach dem
abentezzen suUen sie zu. dheinem tantz gann, er wer dann
vor iren husem, und wer in sin huz zu tentzen licht,
ez si nach mittemtag oder nach abentessen, der geit der
stat 5 pfd. dn. in den graben ze pezzerunge".
Das bayerische Recht ist in dieser Beziehung über-
haupt reichhaltig. Die Gesindeordnungen von 1660, 1755,
1761, 1781 *) engen die Gelegenheiten zur Tanzfreude im-
mer mehr ein. Ein besonderer Erlaß vom 15. Dezember
1760^) nennt die „teutsche walzende auch schuzende
Tänze" imd verbietet den Bauerssöhnen und Knechten,
Töchtern und Mägden Tanzeieien „mit solcher aussge-
lassenheit, und frechen gebärdte". Die Spinn- imd Rocken-
stuben sind es, gegen deren Besuch durch Dienstboten
beispielsweise die fürstlich brandenburgische Tax-
ordnung von 1652*), bestätigt dwcdh landesherrliche Re-
solution von 1657 auf ständische Gravamina *), in S c h w a -
ben schon 1651 die Ehehaltenordntmg für Biberach*)
vorgehen. Kirchweihen, „Ganimeltäg", Rockenstuben be-
*) Meyer, Stadtbuch von Augsburg S. 267. — ") von Frey-
berg, Pragmat. Geschichte der bayerischen Gesetzgebung II S. 190.
— Kr. A. München. GR. Fasz. i08 Nr. 1. — Ebenda. Churbaierisches
Intelligenzblatt 1776 Nr. 89. — Ebenda. GR. Fasz. 4M Nr. 7. -
Ebenda, AR. Fasz. 469 Nr. 909. — ») Kr. A. München. GR. Fasz.
404 Nr. 7. - *) Kr. A. Amberg. Zugang 6. Fasz. 24 Nr. 212. -
*) Kr. A. Bamberg. Collectanea Rep. 187 *[ nr. 1 (Corpus Recessuum
et Resolutionum ...). — •) Kr. A. Neuburg, ad H. 5887. Augsburg
Hochstift ad Gen. XI Nr. 2.
— 539 —
kämpft auch die Vergleichung des schwäbischen Kreises
von 1652^). Im Anschluß daran verbietet die württem-
berger Gesindeordnung von demiselben Jahre 2), daß das
Gesinde sich die Erlaubnis ta solchen Unsittlichkeiten
ausbedingt *).
Auch das Gesinde der kathoUschen Gegenden West-
falens und am Rhein feierte seine besonderen Feste.
Die paderborner Polizeiordnimg von 1655*) mußte
bei drei Mark Strafe die Fastnachtsversammlungen der
Handwerksgesellen imd Ackerknechte verbieten, deren
Umlaufen, das Samlnieln von Würsten und Geld, Veran-
staltung von Mmmnereien und dergleichen. Darauf heißt
es: „Und weilen dann auch an einigen Orten die Acker-
knechte den Missbrauch haben, dass sie die einkommende
Knechte mit ihren Peitschen durchs Rad jagen, es sey
dann dass solches mit Gelde von ihnen abgekauft, und
eine 2jech dafür ausgelegt werde; so wird solches auch
hiermit verboten, und soll ein jeder, so darwider handlet^
in Zwey Mark Straf verfallen seyn."
In Cleve bestimlmlte man am 25. Januar 1656^):
Fastnacht sollen keine unsittlichen Mummereien ge-
trieben werden. Knechte und Mägde sollen auch jetzt
nichts als ihre Arbeit tim. Die kölner Obrigkeiten rüg-
ten laut Gesindeordnung von 1645*) allerlei Mißstände,
die im Gesindewesen bestehen, „alss mit abforderung
fastellabentsshästen, samblimg Kees, Butter, Eyer zu
Meyergelagen, schertzdäntzen und andere dergl. verbot-
tene gesellschafften . . .**. Bei Strafe eines Goldguldens
') St A. Stuttgart. Druck. — ■) Reyscher, Gesetze XIII
S. 114. — «) Vgl. aus Schwaben beispielsweise weiter die Gemeinde-
ordnung von Oberkochen aus dem Jahre 1678 und die Polizei-
önd Dorfordnung für Adelmannsfelden von 1680; Wintterlin,
Württembergische itodl. RechtsqueUen l S. 407 ff., bes. 409 (Nr. 12);
*®fi., bes. 478. — *) Landesverordnungen Paderborn I S. 6. —
*) Scotti, Qeve S. 821. — •) Scotti, Köhi I 1 S. 249.
— 540 —
für die Teilnehmer und von zehn Goldgulden für den
Wirt wurden weiter 1656 in der Poliaeiordniing ^) die
„Fastelabends-Bursen, Hastesambelen, und üppige Bei-
sammenkünfte der Knechte, Söhne und Mägde" verboten.
Die neuwieder Kirchenordnungen von 1643 und 1683 *)
untersagten die „Jahr-, Fress- und Tantz-Kirühmessen"
mit Strafdrohungen gegen „ein jede Person, Mann od»
Weib, Knec'ht oder Magd". Geldstrafe stand insbesondere
auf den „leichtfertigen von gesambten Knechten und Mäg-
den angestelleten, mit geheischenen Eiern und Braten,
Fastnachts-, Mai- imd Pfingst-Tänzen, Lehnausrufen,
Nac'hts-Garben, Laub- und Heu-Tragen, Brunnenausfegen
und dergleichen Nachts-Conventen imd Arbeiten."
Von späterem rheinischem« Rechte ist noch aus Jü-
lich des mit Erlaß vom! 2. Dezember 1794*) erfolgten
Vorgehens gegen Gesindefeste zu gedenken. Hier heißt
es : „Uns ist die Anzeige geschehen, . . . dass an andern
Orten von den Knechten imd Mägden am Ende des
Dienstjahres die sogenannten Himdstage*) gehalten und
diese in Wirths- und Privat-Häussern mit Tanzen, Schwel-
gen, und dergleichen mgebracht werden, bei welcher Ge-
legenheit dann der verdiente Lohn nicht selten auf ein-
mal verschwendet, auch wohl gar auf den künftigen ge-
borget, imd somit der Dienstboth der Mitteln I^eraubet
wird, die nöthigen Kleidimgsstücke sich anzuschaffen; —
Da wir nun diese die bürgerliche Ordnung und das allge-
meine Wohl der Unterthanen störenden Missbräuchen ab-
gestellt wissen wollen, und dem gemäss verordnet haben,
dass diejenige, welche sich solche Missbräuche femer er-
lauben, mit 6 Rthlr. bestraft werden sollen; So befehlen
Euc'h gnädigst, den Inhalt zu jedens Nachricht bekannt
») Ebenda S* 268. — •) Scotti, Neuwied S. 4, 18. — ») Scotti,
Jülich S. 747, 748. — *) Grimm, WB. s. v. „Hundstage" und andre
Lexikographien kennen das Wort nicht in dieser besonderen Bedeo*
tung einer Festlichkeit.
— 541 —
machen zu lassen, tuid demaiach mit der Bestrafting wider
'die Uebertreter ohne Nachsicht ta verfahren.**
Hessen verbot durch Konsistorialausschreiben vom
1. Februar 1726^) die Spinnstuben, „worinnen die Weibs-
Persohnen mit ihren Spinnrädern des Nachts zusammen
kommen imd die Manns-Persohnen sich bey ihnen ein-
finden, folglich ihren Eltern und Herren die Arbeit ver-
sätunen, hingegen allerhand Üppigkeit und Muthwillen zu-
sammen treiben/* *) In F ul da erging am' 11. Januar 1731
ein Geistliches Regierungsausschreiben wider die heim-
lichen Zusammenkünfte tmd Privattänze der jungen Leute,
insbesondere des Gesindes •). Die schaumburgör Po-
lizeiordmmg von 1615 ^) wandte sich gegen die Fasthachts-
tanzerei des Gesmdes, die „zur Unzucht keinen geringen
Anlass giebt". Veranstalter von Spinnstuben Und son-
stigen Zusamtaenkünften des „jxmgen Gesindes** sollen
nach der isenburger Polizeiordnung von 1690*), einem
Konsistorialausschreiben von 1703') tmd einer Verord-
mmg von 1755^) gerügt werden.
Auch im höheren Norden eiferten bußfertige Gesetz-
geber wider sündig-frohe Bräuche des Gesindes. Ganz
ähnlich wie 1615 in Schaumburg ist die Regelung der
lüneburger Polizeiordnung von 1618^). Sie verbietelE
außer Sonntagsgelagen insbesondere die Fastnachtsfeiem
des Gesindes ^) ; den Kindern und Dienstboten etwas Bier
zu geben, soll erlaubt sein, wenn es nur „ohne Täntze,
Volsaufen und andere Üppigkeit" zugeht, „gleichwol sol-
ches zu thun niemand wider seinen guten freyen Willen
und Gelegenheit gezwungen seyn**. Später in Herzog
*) LO. III S. 978. — «) „Schäferhochzeiten", durch die die Forst-
beamten die Untertanen bedrücken, verbietet die hess. Sportelordnung
vom 16. Mai 1666 (LO. U S. 312 flf., bes. 816, 818). - •) Verzeichnet
in A. J. Webers Katalog fuldischer Verordnungen (LandesbibUothek
Cassel). — *) Rottmann S. 64 (Kap. 6). — •) Kersting, Sonder»
rechte Sp. 888 fif., bes. 889. — *) Ebenda Sp. 901. — ^) Ebenda Sp. 922.
— •) Landesordnungen Lüneburg Cap. 4 Bd. I S. 1. — •) Kap. 86.
— 642 —
Friedrichs Polizeiordntiiifir von 1640 ^) wird den Knechten
und Mägden verboten, Bier aufzulegen und sich gegen-
seitig einzuladen. Sie dürfen auch nicht wie bisher durdi
Nachttänze zu „solcher lästerlicher Unzucht** Anlaß geben.
Gleichfalls gegen die Fastnachtsmummereien von Hand-
werkern, Kindern und Gesinde wendet sic!h auch ein
lauenburger Erlaß vom 15. Februar 1691*).
Wieder anders erlustierte sich das Volk in Lippe-
Detmold. Eine Verordnung vom< 4. Februar 1684 wider
die Entheiligung der Fastenzeit *) verbot insbesondere den
„Misbrauch in Umtrag Und Setzung des Becken am^ Christ-
fest, und was dabei in Auskleidung des unbändigen Ge-
sindeis, auch Umlaufung mit den Sternen für Gaukelei
mehr vorgehet, imd durch den Misbrauch des also ge-
nannten Kränzens von dem! Hausgesind als eine Schätzung
betrieben wird.**
Die fürstlich gothaische und altenburgischie
Gesindeordnung von 1719*) verbietet die Sitte, daß
Knechte in der Wirtschaft mit neu eingetretenen Knechten
„eine Arth der so genannten Hänselung** vornehmen, „in
dem diese die andern tmterm' Nahmen einer Neu-Kanne
Zech-frey halten müssen'*. Derartiges „Hänseln** ist über-
haupt, auch außerhalb des Gesindewesens, bei Aufnahme
neuer Mitglieder in eine Genossenschaft oder geschlossene
Gesellschaft gebräuchlich*). In der altenburger Gesinde-
ordnung von 1744 •) wird gesagt, daß „die bereits ver-
mietheten Knechte imd Mägde, in denen so genannten
12. Nächten') ihres Gefallens auszulaufen, nicht befugt
seyn** sollen^).
^) Tit. 4. Landesordnungen a.a.O. S. 141. — *) Spangenberg,
Verordn. f. Hannover IV 2 S. 821. — ■) Landesverordnungen L.-Det-
mold I S. 496. — *) Univ.-Bibl. Marburg. XVIII f A 870. — ») Oben
S. 589 (Paderborn); Gottbelf, Uli der Knecht (Ausgabe Janssen)
S. 168; Grimm, Wörterbuch IV 2 Sp. 464. — •) Univ.-Bibl. Marburg.
XVIII f B 1119 «.. — ^) Zwischen Weihnachten und Epiphanias. —
') Siehe auch oben S. 499.
— 543 —
Auch die Teilnahme von Gesinde an Hochzeiten und
Ändern Familienfesten war den Gesetzgebern nicht ge-
nehm. Der Grund für solches Empfinden war allerdings
nicht in erster Linie die Völlerei, die die Knechte bei der
Gelegenheit treiben konnten. Es war vielmehr das Be-
streben, den Luxus der Privatfestlichkeiten durch Be-
schränkung der Besucherzahl zu, vermindern. Daher ging
das Verbot an die Teilnehmer, ru Hochzeiten mehr als
eine bestimtate Anzahl Dienstboten mitzubringen. Das
alte bamberger Recht aus dem Jahre 1326^), welches
das Mitnehmen von Dienstboten zu Hochzeiten überhaupt
verbot, und das Recht der Stadt Rothenburg ob der
Tauber aus dem 14. Jhdt.*), durch das die Zahl der mit-
zubringenden Dienstboten auf einen Knecht beschränkt
wurde, sind die frühesten Zeugnisse für die Betätigung
der Polizeimacht auch auf den Hochzeiten. In langem
Zuge geht es so weiter durch die Jahrhunderte hin ; kaum
ein Land, das in der einen oder andern Weise nicht nach-
folgte »).
Noch wichtiger als der Kampf gegen den nur bei
außergewöhnlichen Anlässen bemerkbaren Festluxus war
dem Polizeistaat das Vorgehen gegen die Tag für Tag dem
Auge des Gesetzes mißliebig auffallende Kleiderpracht
der Vornehmen und ebenso des Gesindes. Die Geschichte
der Kleiderordnungen, eine der zierlichsten Komö-
dien der Rechtsentwicklung, beginnt im 14. Jhdt. *). Ge-
*) Zopf 1 S. 241; Urk.-Buch S. 163. - •) H. W. Bensen, Histo-
rische Untersuchungen über die ehemalige Reichsstadt Rotenburg,
1837, S. 486 iF., bes. 492. — *) Darstellungen dieser für das Gesinde-
Brecht weniger bedeutsamen Erscheinungen geben beispielsweise H.
Bodcmeyer, Hannoversche Rechtsalterthümer I, die Luxus- und
Sitten-Gesetze, 1867; J. Schwarten, Verordnungen gegen Luxus
und Kleiderpracht in Hamburg, Ztschr. f. Kulturgeschichte VI S. 67,
170.-.*) G. Liebe, Die Kleiderordnungen des Erzstifls Magdeburg,
Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg, 87. Jahrg. S. 177 flf.,
bes. 179; Hänselmann, Urkundenbuch I S. 68 ff. Nr. 128 ffl; Stauden-
raus, Chronik von Landshut I S. 108, 102.
— 544 —
gen Ende des 15. Jhdts. befaßten sich auch die Reichs-
tage mit der Angelegenheit. 1495 in Worms wurde dea
Einzelgebieten aufgegeben, wegen der „ubermessigen
Cleydung und ander unzymlichen Köstlichkeit" etwas „in
Handelung** tu nehmen *). Ein Entwurf einer Kleiderord-
ntuig von reichswegen kam! in Lindau 1496 und 1497 zu-
stande*); der entgültige Beschluß darüber wurde für
den folgenden Reichstag verschoben. Das Gesinde nennt
der Entwurf nicht bei Namen; Handwerker und ihre
Knechte, ferner „der gemain Paursman und arbaitend
Leut in Stetten, oder auff dem' Land** bekommen ihre
einfache Kleidungsart vorgeschrieben. 1498 wurde in Frei-
burg dieser Entwurf seiner Bestinmiung zugeführt ^). Die
im augsburger Reichsabschied von 1500 *) enthaltene Klei-
derordnung, desgleichen die Reichspolizeiordnimgen von
1530, 1548 und 1577*) ändern die Stellen, welche von
der Arbeiterkleidimg handeln, nur wenig*).
Die Einzelstaaten folgten diesem Beispiele. In Hes-
sen setzte das Bestreben, die Kleiderpracht im Lande
pi mindern, 1598 ein. Auf dem- Landtag dieses Jahres
baten die Stände xun' Erlaß einer Polizeiordnung wider den
Kleiderluxus ; der Abschied vom' 31. Dezemiber sagte ihnen
ein Vorgehen zu'). Ein Gesetz scheint aber nicht zu-
stande gekomimen zu sein. Erst mußte auf dem! Landtag
von 1650 der Wunsch der Stände von neuem: ausgespro-
chen werden^). Dann kam 1654 ami 12. Dezember eine
Verordnung ^), die bestimmte, daß „der eingerissene Miss-
brauch in Kleydung des Gesindes gäntzlich eingestellet
») J. J. Müller, Reichstagstheatrum I S, 461. — ») Ebenda II
S. 57. — •) Ebenda II S. 615, 677. — *) Neue und vollständigere
Sammlung der Reichs- Abschiede II S. 78. — ») Ebenda II S. 882, 587,
879. — •) Ohne Erw&hnung der Dienstboten forderte ein kais. Com-
missionsdekret vom 80. August und 9. September 1667 Gutachten
Über die Kleiderpracht und andern Luxus; a, a* O. IV S. 51« —
0 St A. Marburg. Landtagsakten 1598. — •) Oben S. 46 ff. — •) LO.
n a 226.
— 645 —
bleibe", und daß audi andere luxuriöse: Betätigungen un-
terlassen -wierden sollten. Sehr ausführlich redet später
die Kleiderordnung vom' 7. August 1723^) über alles,
was den treuen Untertanen an Kleidting zu tragen ver-
boten ist. Da kiomimt dann vor, daß allen Bürgern, Tag-
löhnem, Bauern und Handarbeitern, insbesondere Mäg-
den, Knechten, Dienern und Lakaien, sowie Judenweibem
und Kindern anbefohlein wird, nichts mit „Faden-Gold,
Süber, oder Seyde" m tragen, und sidbl ausländischen
Cattuns, Spitzel u.s.w. zu enthalten. Zur Beförde-
rung der Arbeit in den teilweise brachliegenden in-
ländischen Wollfabriken wurde der geringeren Bevölke-
rung, darunter auch ausdrücklich deiti Gesinde^ ami 27.
Juni 1739 ^) geboten, nur inländische Wollstoffe für ihre
Kleidimg zu verwenden; eine Beschränkung dieser Vor-
schrift zugimsten der gehenden Förster und Lakaien er-
folgte am' 24. Oktober 1739 »). Wie 1723 werden die Be-
stiramlungen auch in der Kleiderordnung vom 1. Mai
1772*) erlassen.
In der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. ergingen zwei
fuldische Kleiderordnungen: am' 19. April 1766 und
25. November 1767 *). Die zweite enthält nichts über der
.Dienstboten Kleidungsart. In der ersten finden sich die
absonderlichen Bestimimungen wie in der hessischen Klei-
derordnung, nur noch spezialisierter« Den Livreebedienten
darf Silber imd Gold nur auf den Hut gegeben werden,
^nd nwc bei herrschaftlichen Bedienten ist noch ein dau-
menbreiter Streifen auf der Veste zulässig. Wollen sie
sich für eigene Rechnung etwas anschaffen, dann mliß
€8 dem Stand ihrer Herkunft angemessen sein, ohne Rück-
sicht auf die gegenwärtige Herrschaft. Gleiches soll von
*) LO. m S. 909. — •) LO. IV S. 577. — •) Ebenda S. 607. -
*) LO. VI S. 647. — •) Beide Bd. VI der cass. Regieniogssammlung.
Vgl auch Hohmann, Fuldaer Luzusgesetze; Fuldaer Geschichts-
blätter 1911 S. 129 ff.
KSnnecke. 85
— 646 —
den weiblichen Bedient^i beachtet werden, die mehr sein
sollen als gewöhnliche Dienstboten. Geringere Dienst*
boten, Taglöhner u. dgl. dürfen halbseid^ies 2^eug, Spitzen,
deren Elle mehr als 30 Kreuzer kostet, halb Zitz, dessen
Wert über 40 Kr. die Elle „hinaus schiesset", nicht tragen»
am wenigsten aber „gestec'kte Hauben".
Gerade wie die Hochzeitsordnungen sind auch die
Kleidergesetze Kuriosa, die für die Gesindegeschichte
keine allzu große Bedeutimg haben. Auch hierfür genügt
nach Darstellung der hessischen Entwicfklung 6in Hinweis
auf die oben genannten Schriften^).
Hier sei nur ktirz etwas über die tieferen Gründe und
die Durchführung der Kleidergesetze, besonders gegen-
über den Dienstboten, angeführt.
Nicht die einzige, aber doch bei weitem, die haupt-
sächliche Veranlassung bot der Standesstolz. Der verarmte
Adel wollte dem reidh gewordenen Bürgertum) nicht pitmk-
voUeres Auftreten gestatten^). Und gem!einsaim« wandten
sich alle gegen die noch tiefer stehenden, die kleinen
Handwerker, die Bauern, diei Dienstboten*). Ein
weiterer Grund für die Schaffung der Kleidergesetze wurde
bereits angedeutet : die einheimischen Gewerbe, vomehmr
lieh die Textilindustrie sollen befördert, die Auswanderung
^) Bodemeyer, Liebe, Schwarten. Ferner M. German,
KurfCLrstliche Kieiderordnungen und ihre DurchftÜirung in Meissen,
Mitteilungen des Vereins fth* Gesch. der Stadt Meissen V S. 1; Kopp,
BruchstQcke Bd. U S. 154, Qber ein frankfurter Verbot von 1458, dass
Knechte Schnftbelschuhe tragen. Als Beispiele aus dem Auslande
mögen Behaegels Mitteilungen Ober Flandern dienen (Behaegel,
Servantes et serviteurs d'autrefois; Bulletin du comit^ central du
travail industriel 1905 S. 621, 622). Wie aber viele andere Dinge
schrieb Ed. Heyck auch über „Dienstmftdel «Trachten'' ein bildge-
schmflcktes FeuiUeton (in Velhagen u. Klasings Monatsheften 24. Jahrg.,
9. Heft, S. 94 ff.), — •) Liebe a. a. O. S. 178. — •) Selbst das Ued
gibt dem Ausdruck: „Lange Kleider und spitze Schuh, die kommen
keiner Dienstmagd zu''; O, Bö ekel, Deutsche Volkslieder aus Ober-
hessen (1885) S. 9, 10.
— 547 —
des Geldes in die Länder der Modeischiaf fung verhindert
v^erden. Es wirkten femer hier und da auch fronmue
Kasteiung auf eine Einschränkung der kostbaiiein Moden
hin, besonders in der Refomiationszeit, sicher auch in
den späteren Jahren der großen Kri^rsnot.
Im Gegensatz zu anderen, bisweilen ausgesprochenen
Ansichten sei noch dieis betont : Ein plötzlich zunehim^ider
Kleiderluxus, der in solchem: Umfang früher noch nicht
dagewesen, hat die vielen R^lemientierungsversuchiei
sicherlich nicht hervorgerufen, mag reiche Kleidungsaif
immerhin die notwendige Voraussetzung für die Kleider-
ordnungen gewesen sein.
Vielmehr: Als die Zeit herankam, da man mit ge-
schriebenem' Gesetze alles Leben regeln zu köxmen glaubte»
und sich des Bewußtseins der vermeintlichen Kraft freute,
griff man, wie an andern Stellen so auch hier, ins frische
Leben hinein. Als diese Zeit vorüber gegangen war, ver-
schwanden auch die Kkiderordnungen, und mSan ließ den
Kleiderluxus unbehelligt weiter leben. Dies war gut und
nützte 'dem Ansehen der Gesetzgeber. Denn mit so vielen
Polizeig^etzen teilten die Kleiderordnungen das Schick-
sal, nie beachtet zu weiden. Die oben hierzu angeführten
Schriften geben zahlreiche Beispiele, wie vergeblich die
Mühen der Obrigkeiten waren, wenn diese auf der Durch-
setzung ihrer fromlmlem Erziehungsabsic^hten bestehen
wollten.
S 7. Pflichten des Gesindes.
3. Insbesondere Pflicht der Ehrlichkeit Gesindestrafrecht
In höherem' Maße als andere Arbdtsverhälthi^e gibt
der Gesindedienst bevorzugte Gelegenheit zu einer Reibe
von Delikten, „cfrimleis profe^ionek*' ^). Denn Dienstboten
') Vgl im allgemeinen Tardes Bericht Qber die „Criminalit^
professionelle" in Comptes-rendus des travaux du 4. Congrte inter-
86*
— 548 —
stehen zur Verrichtung der Arbeit notwendig die meisten
Räume luid Schränke des Hauses offen. Weitere Ver-
suchtmg schaffen ihm' die Arbeiten, die er außerhalb des
Hauses besorgen muß ; beim« Einkaufe, beim Säen, Vieh-
füttem bekomimen die Dienstboten Vermögenswerte der
Herrschaft in die Hand. Eine fernere Klasse von Gesinde-
verbredhen bilden die Rachehandlimgen gegen die Dienst-
herrschaft, in erster Linie der Giftmord 0. Diese Rache-
delikte haben mit den Unredlichkeiten gemeinsam, daß
sie tmter Mißbrauch des zwischen Herrschaft imd Gesinde
tiestehenden Vertrauensverhältnisses begangen werden.
Die Vermögenswerte wie schließlich die Person der Dienst-
herrschaft sind dem' Gesinde mehr als sonst jemandem
überantwortet ; niemand kann hier auf eine so leichte Weise
wie die Dienstboten unentdeckt verbrecherisch wirken.
Weiter aber reichen die gem.einsam)en Grundlagen der
natioiyü d'anthropologie criminelle (Genf 1896) S. 76 ff. Femer gehören
die wichtigen Arbeiten Raymond deRyckeres hierher : La servante
criminelle, Paris 1908; La criminalit^ ancillaire, in Comptes-rendus du
6.Congr6s international d'anthropologie criminelle (Turin 1908) S. 253ff.;
der Vortrag, den Ryckere auf dem kölner Kongress für Kriminal-
anthropologie 1911 über dasselbe Thema gehalten hat^ wird demnftdist
erscheinen (bei Winter, Heidelberg).
^) de Ryckere, La servante criminelle S. 194 ff. Was de
Ryckere weiterhin an Gesindedelikten behandelt, crimes passioneis
(S. 282 ff.), crimes poliüques (S. 261 ff.), empoissonement (S. 264 ff.,
vgl. jedoch die Ausführungen oben im Text), Prostitution (S. 277 ff.),
suidde (S. 859 ff.), sind Stoffe, die ftlr den Kriminalpolitiker gewiss
von höchster Bedeutung sind. Aber für eine Darstellung des Gesinde-
rechts der Vergangenheit scheiden sie schon aus dem Grunde aus,
weil niemals ein Sonderrecht des Gesindes f&r diese Fftlle ausgebildet
worden ist. Es wird auch kaum möglich sein, hier gesetzliche Normen
für den Fall aufzustellen, dass der Tater Dienstbote ist und dass
dieser Umstand Einfluss auf die Tat gehabt hat Vielmehr gilt auch
hier (vgl den Text weiterhin), dass es für den Richter Aufgabe des
psychologischen Abwftgens ist, inwieweit die Beurteilung des Delikts
etwa durch die Berufsumstftnde des Tftters beeinflusst werden muss.
Das Gesetz kann dem Richter den Rahmen bieten, mehr nicht
— 549 —
Untreue- und Rachehandlungen nicht. Denn was diese
Rachedelikte als besondere Gesindeverbrechen erscheinen
läßt, das ist lediglich das Motiv, aus dem diese Delikte
hegan^^en werden; die Motive za den Unredlichkeiten
des Gesindes dagegen hängen regebnäßig nicht oder nur
nebenher mit dem Gesindedienst zusammen; dieser bietet
lediglich eine bevomigte äußere Grundlage mr Begehung.
Die Gesetzgebim^ hat für die Fälle des Hausdieb-
stahles und des Einkaufsr(Kredit-)Betruges ein Sonder-
Gesindeiecht ausgebildet. Nirgends aber begegnen Vor-
schriften, die sich mit einem! der Rachedelikte als sol-
chem beschäftigen. Die Gründe für diese verschiedene
Behandlung sind offenbar. Wie gesagt, bietet für die
Radiedelikte! das Gesindeverhältnis nur ein Motiv. WeaxK
aber die Gesetzgebung: die Delikte je nach ihren Motiven
immer weiter differenzieren wollte, dann würde sie eine
vernünftige Rechtspflege hindern. Es ist viehnehr Sache
des Richters, die feineren, durch gesetzliche Bestimmun-
gen oft doch nicht mehr faßbaren Motive der Verbrecher
bei der Strafbemessung zu berücksichtigen und' danach
strenger oder schärfer Recht zu sprechen. Zudem! fra^t
es sich, ob gerade in den vorliegenden Fällen die im: Ge-
sindeverhältnisse liegenden Motive überhaupt eine der-
art ausschlaggebende Rolle spielen dürfen. Weiter haben
auch die folgenden Gründe dam beigetragen, daß von
einer besonderen gesetzgeberischen Behandlung der
Rachedelikte als solcher abgesehen wurde. Diese
Rachehandlimgen sind selten vorkommende Fälle,
causes cöl^bres. Hausdiebstähle und Kreditbetrügereien
dagegen ereignen sich Tag für Tag in vielen Haus-
halten. Sie fordern daher durch ihre Menge besondere
Vorbeugungsmittel. Schließlich imterblieb eine gesonderte
Gesetzgebung für die Rachehandlimgen, weil die allge-
mein schon festgesetzten Strafen (Tod) eine Verschärfung
nur durch Hinzufügung unzulässiger Grausamkeiten ge«
— 560 —
statteten. Die normale Diebstahls- und Betrugsstrafe da-
gegen duldete mleist eine weitere Ausgestaltung.
Dabei darf freilicfh durchaus niüht als ^Ibstverständ-
lieh vorausgesetzt werden, daß die besondere Art des
Gesindediebstahls und des Gesindebetruges gerade eine
Erhöhung der Strafen postulierte. Ein kunaes Eingehen
auf die kriminalistischen Grundlagen dieser Vergehen wird
zeigen, daß eine solche Auffassung mindestens einseitig
ist 1).
Die Dienstboten, vomehlmlich auch die weiblichen,
kommen aus kleinen Verhältnissen plötzlich in den Glanz
(oder doch den vermeintlichen Glanz) des HerrschaftSr
hauses. Sie finden hier Dinge, die ihnen in solcher Herr-
lichkeit noch nim!mer vorgekonunien sihd^). Es ist ihnen
gleichwohl eine mehr oder weniger freie Verfügungsmacht
über sehr viele dieser Kostbarkeiten gegeben. Wenn ein
Dienstbote das erste Mal ein wenig über die Grenzen seiner
verliehenen Macht hinausgeht, und sich vielleicht aus
Nascherei irgend etwas von den herrschaftlichen Vorrät^i
aneignet*, was ihm streng genomimen nicht zukomimai
darf, dann entschuldigt sich der Täter vor sich selber
damit, daß das Genommene so gering ist im- Vergleiche
ta der Fülle des herrschaftlichen Reichtumis, daß die Tat
nur eine extensive Interpretation des Dienst Vertrages be-
deutete; vielleicht einen kleinen Ungehorsam, aber bei-
leibe nichts Strafbares oder gar etwas, mit dem die Ge-
richte belästigt werden könnten. So geht das auch noch
^) Auf de Ryckeres geistvolle Ausftlhrungen, vor allem in
„La servante criminelle'', sei hier überhaupt verwiesen; die Kapitel
1, 8 und 12 sind ftU* die Frage der besonderen Gesindeunredlichkeiten
die wichtigsten; über strengere oder mildere Bestrafung auch Tarde
a* a. O« S. 79, 80, — ') Dieser Umstand trägt mit dazu bei, dass in
den Grossstädten die Kriminalität der weiblichen Dienstboten weit
grosser ist als auf dem Lande, wo immer doch eine Art Lebensgleich-
heit oder wenigstens Ähnlichkeit der LebensfiOhrung bei Herrschaft
und Gesinde besteht; vgl. de Ryckere S.20, 68 (Lombroso, Ferrero).
— 561 —
das zweite und das dritte Mal. Dann werden die Zwischen-
räume kleiner und die Portionen größer. Und schließlich
sind alle Merkimiale des Gelegi^iheits- und des Gewöhn^
heitsdiebs vorhanden. Zur Beförderung der diebischen
Neigung: trägt weiter das Beispiel naher Angehöriger oder
der Mitdiemer bei. Und eä bildet sich aus den ersten An-
fängen der entschtildigenden Ausrede die feste und in
ihrem Sinne ehrliche Überzeugung heraus, daß Entwen-
dung mid Betrug gegen die Dienstherrschaft eine ge-
stattete Sitte, ein durch Gewohnheit erworbenes Recht
sind. Was wissen bisweilen die imverbildeten Dienstbo*
ten, wenn sie vom' Lande herüberkbmlnien, auch weiter
über die sittliche! Mißbilligimg der Unredlichkeit? Kaum
daß sie das siebente Gebot mühsam auswendig her-
sagen können; ins Bewußtsein ist ihnen oft wenig genug
übergegangen. So komimt es denn, daß der Dienstboten-
beruf den größten Prosaentsatz der Diebe überhaupt stellt ^).
All diese Um'stände kann man als Anlaß za milderer
Beurteilung der Gesindedelikte auffassen. Als Hauptmittel
zu ihrer Bekämpfung würde! eine solche Anschauung sicher
nicht die Strafe wählen, sondern Vorbeugungsmaßnah-
men, in erster Linie eine Aufbesserung des Erziehungs-
wesens.
Es braucht nicht betont 2^ werden, daß bei dem
Klassencharakter des Gesinderechtes derartige Ansichten
sicher nicht die Regel bilden. Kaum in einigen Rechten
des Mittelalters und in Zeiten sozialer Erregimg tauchen
diese milderen Ideen einmtal auf ; nicht sehr oft verdichten
sie sich zu gesetzgeberischen Betätigungen.
Die regelmäßigen Meinungen der Gesetzgeber gingen
dahin, daß die Gesindeunredlichkeiten Verbrechen seien,
die gleich streng oder womöglich noch strenger als an-
dere Diebstähle bestraft werden mußten, oder deren Ver-
') Ebenda S. 24.
— 552 -
worfenheit doc^h häiifigier und ilegelmäßiger, als sonst zu
geschehen pflegte, den Untertanen dienenden Standes klai
zu mächen war. Die Schwierigkeit der Entdeckung und
die Möglichkeit größter Schädigung der Dienstherrschaf-
ten mächten den Gesetzesverfassem die Untreue des Ge-
sindes zu besonders verabsCheu^iswürdigen Arten von
Verbrechesi. Noch etwas müßte diese Auffassiuigr be-
stärken. Die Gesindedelikte spielen sich fast völlig im
Verborgenen ab und komimien säudem so gut wie nie ans
Tageslicht; die Geschädigten selber unterlassen es näm-
lich; Anzeige zu erstatten; m^eist werden die Hausdieb-
stähle durch bloße Entlassiung des untreuen Gesindes ge-
sühnt, teilweise weil die Herrschaft die Unbequemlich-
keiten der Strafvierfolgung scheut oder weil sie Mitleid
hat und den Dienstboten wegen Kleinigkeiten nicht der
ganzen Strenge der Strafe aussetzen will, zum Teile aber
auch deshalb, weil nlan als Rache der angezeigten Dienst-
boten Aufdeckung oder Erdichtung von allerlei bloß-
stellenden Skandalen fürchtet^). Daß imter diesen Um-
ständen die Gesetzgeber mit imtaiier größerer Strenge vor-
gehen zu müssien glaubten, ist nicht zu verwundem, wo
mian doch in der Regel Gesetze nur gegen die Dienst-
boten zu verfassen pflegte.
Die Meinung des Volks und der Literatoren, die ja
selber dem Stande der Dienstherrschaften angehörten,
stimmt mit solcher Auffassimg überein. Das Sprichwort
sagt es: „Wieviel Knecht einer im Hause hat, soviel
Dieb hat er auch** *). Und aus der Literatur sei des Pfarrers
Colerus^) Stimime angeführt: „Darum soll ein recht-
schaffener Haussvater lund eine rechtschaffene Hausswirtin
gute Spürhunde seyn, und alle Tage in allen Winckeln
einmal herumlb suchen, sonderlich in Knechte und Mägde
>) Schnapper- Arndt, Sozialstatistik, 1906,5.604; deRyckere
a. a. O. S. 21, 22, 72ff.; Tarde a. a. O. S. 77. — «) Colerus,
Oeconomia ruralis et domestica S. 6. — *) Ebenda S. 5.
— 553 —
Betten und Bettstroh, und an anderen Orten mehr, da
Tnaji sonst selten pfleiget hinzuzukomlmen, als in den
Scheuren, auff den Heuböden, da wird man offt verhör*
gene und aAigedeCkte heimliche Schätze finden, Rocken,
Gersten, Haber, Eyer, Käse, Brod, Obst, Butter etcf. Man
soll ihnen auch bissiweilen, wann sie nicht ziu wege sind,
ihre Laden besuchen, darzu. man ihm! dann sonderliche
Dietericbei miachen lassen soll . . /'.
Ehe die Gesetzgebung der beiden, milderen oder
strengeren, Richtungen dargestellt wird, sei kurz eine Be-
merkung ^ur juristischen Charakterisierung der ver-
schiedenen vorkommenden Verbrechen vorausgeschickt.
Die vielen alten und neueren Verordnungen wider
die „Hausdiebereyen" zählen an strafbaren Fällen
auf, was alles dem Gesetzgeber einfiel, in buntem
Wirrwarr und mit möglichst genauer Beschreibung der
einzelnen Tatumlstände. Eine Charakterisierung der Hand-
lungen als Veruntreuimg, Unterschlagung, Diebstahl usw.
war der Gesetzgebtmgspraxis früherer Zeiten fremd. Eben-
so ist es bei den verschiedenen außerhalb des Hauses be-
gangenen spezifischen Dienstbotendelikten. Systematisie-
rung der einzehi genannten Dehkte wird nicht versucht;
die Stiafen sind stets die gleichen. Infolgedessen hat
es kaum Wert, die bunte Menge der Einzelfälle etwa
in unsere neuerworbenen Strafrechtsbegriffe einzuschach-
teln, und kritische Betrachtungen darüber anzustellen, ob
das imd das Diebstahl, Unterschlagung oder sonst et-
was sei^).
Das Vorkomtaien einer grimdsätzlich milderen Be-
handlung der Hausdiebstähle und sonstiger Unredlich-
keiten des Gesindes ist im Vergleiche mit den gewöhn-
lichen Diebstählen nach dem Gesagten selten ; im< Zusam-
^) Hier interressiert nur die strafrechtliche Seite der Delikte;
über die zivilrechtliche Hafhing wurde in § 1 (oben S. 275 ff. das
Erforderliche mitgeteilt
— 664 —
mienhiange der folgenden Darstellung des reg^ehnäßigen,
strengen Gesindestraf rechtes werden diese Fälle gebüh-
rend hervortretien ^).
Nur eine Klasse von ihnen verdient besondere Her-
aushebung. Die innerhäuslichen Unredlichkeit^i lassen
eine Untersucfhung und Erledigung des Falles im' Rahmen
der Hausordnung m, fordern solches sogar bisweilen;
und die Praxis des Lebens handelt gewöhnlic!h auch dem-
gemäß, wie oben *) bereits festgestellt wurde. Aber nur
wenige Gesetzgeber jener Zeit, da es noch eine häusliche
Strafgewalt gab, verstanden sich dam, ein solches Vor-
gehen der Parteien ausdrüdklich m gestatte^ imd es dem
Herrn zu überlassen, ob er die Angelegenheit kraft seiner
Hausgewalt selber erledigen oder der Staatsgewalt über-
geben wollte.
Solche Überreste häuslichen Strafrechtes kommen im
älteren lübisdhen Rechte') vor: „Stelt ok jenich def
sinem rechten heien boven vier ß., wil he ene richten
laten, zo henghet mfe ene boven de anderen deve.** Auch
das Rechtsbuch Kaiser Ludwigs von 1346*) und —
weniger ausführlieh — das münchener Recht*) haben
den Grundsatz: „Vindet ain man oder ain frawe in irem
haus hausgeraet, daz in verstoln oder ab dem' wege ge-
tan waer von iren ehalten, dez mugen si sich imderwinden
und haimen an daz gericht in selb an schaden, ob si
den ehalten fürbaz haben wellent, daz mögen si wol tuon,
und ist daz der herr oder die frawe mit dem« ehalten nicht
') Eine ganz untergeordnete Rolle spielen einige Vorbeugung^
und Heilmassnahmen, die von Bestrafung absehen. Man verbietet
beispielsweise den Dienstboten, ihre Truhen und sonstigen VermögcDs-
stüdce ausserhalb des Herrenhauses aufzubewahren (näheres unten
§18); es wird untersagt, dem Gesinde besondere ScUOssel anzu-
fertigen oder ihnen verdächtige Sachen abzukaufen (oben S. 278 f.).
— •) S. 562 Anm. 1. - •) Hach S. 286. — *) v. Freyberg, bist-
Schriften u. Urk. IV S. 888 ffi, bes. 402 (Art. 82). — •) Aucr S. ^
(Art. 64).
— 555 —
^ent, und dhainerlay guot dar xun'b nement haim-
leich oder offenleich, so sol der richter dhäin puozz auch
dar inne haben ; geschaech aber ez so sol der richter gen
den ehalten sein puozz haben nach des puochs sag."
Die frühesten Anfänge diös regulären strengen
Strafrechtes finden sich in Süddeutschland. Rup-
rechts Stadtrechtsbuch ^) behandelt den Fall, daß der
Herr den Knecht zur Einholting einer Schuld ausschickt.
Der Knecht vollzieht den Auftrag, sagt aber dem Herrn,
er habe nichts bekbm^nien, und behält den Gegenstand.
Zunächst wird der Bewieis geregelt*). Dann wird dem
Knechte aufgegeben, das Veruntreute samt Schaden zu
ersetzien, dem Richter „für dy gewishait" 62 Pfennige zu
geben*). „Und hat er deiri herren nicht zugelltenn, man
sol jm den knecht gefangenn anntburttnn bey der hannt.
Der fürt jn dann, wo er wil, da er jn behaltenn wil. Er
sol auch jn behaltenn an eisne panntt. Er sol jn unnter
ein potting stürtzenn, dy dröy vinger hoch ob der erdenn
sweb, und sol jm' ein käs und ein laib obnn auf dy poting
legenn unnd ainem napf mit wassen darznie, imd sol jn
alzo lassenn ligenn untz an den drittenn tag. So sol
er jm dann wasser unnd prot hinwider gebnn sein not-
turft."
Weniger originell imd vom rechten Diebstahl nicht
unterscheidend ist die Regehmg im freisinger Recht
von 1359*). Findet die Herrschaft gestohlenes Gut bei
ihren Dienstboten, dann kann sie es an sich nehmen;
„chumpt ez an den richtßir, imd ist ez under vier und
zwainczig pfening, so sol der Richter sein recht haben,
alz hinCz anidern deuben darnach imd die haut
tat ist".
Das alte bani berger Rechtsbuch ^) gibt dem Ge-
') Kap. 79, 80; Maurer S. 829-888. — «) Kap.79. — •) Kap. 80.
— *) V. Freyberg, histon Schriften u. Urk. V S. 162 ff., bes. 168.
- •) Zöpfl, UrlL-B. § 897, 898.
- 666 -
sinäe eine besondere Möglichkeit, &ich vom Verdacht des
Diebstahls z\i reinigen: „Und waz in einem) haus ver-
loren wirt, da mage man knechten und meiden unib zu
sprechen odir sie dorumlb bekümem. Aber die weil
sie ledig sein und daz sie behaben daz sie dorumb nicht
wissen und s^in selber nicht getan haben und ez gern
bewart heten und ir schult nicht sei daz er verwarlost
sei on ge verde, des genieszen sie**.
Zu Nürnberg^) wurden während des 15. Jhdts.
diebische Dienstboten ausgewiesen; häufig wurden ihnen
beide Ohren abgeschnitten. Das Kloster Tierhaup-
ten*) nahm den Knechten 16 Pfennige ab, wenn diese
dem Vieh Futtter entzogen; 8 Pfennige Lohnabzug ward
dem' zuteil, der „ergriffen wirt in öpflen, pim, ärbis oder
anders on erlaubt**.
Von außerbayerischem Rechte aus dieser frühen Zeit
gehören vor allem die nordhauser Statuten von 1350
bis 1456^) hierher. Wenn eine Magd Malz, Korn oder
Kleie einem Fremden ohne rechte „molen mietzen** *) gibt,
muß sie der Stadt eine Mark zahlen; gleiche Buße trifft
den Mitkontrahenten. Weiter heißt es an späterer Stelle:
„Ez ensal dikeynes männes gesinde sines herren körn
vergeben, weder an den garben, oder an samen. wer
iz dar bobin tut den sal man burnen dordh die backen."
Wahrscheinlich handelt es sich hier mn einen späteren
Zusatz, der in Unkenntnis des geltenden Rechtes oder zu
dessen Aufhiebung geschaffen wurde. Das erste dith-
marsische Landrecht*) spricht im Kapitel vom Dieb-
stahle den Grundsatz aus: „Ofte jemant sineme volke
(= Dienstvolk) schult gheve, wat sake dat were, dat schal
he don binnen jar imd daghe, ofte he dat nidht en dede und
*) Kamann S. 188. - •) Grimm, Weistümer VI S. 199ff.,
bes. 200. - ») Förstemann, Neue Mittheilungen Ol 8 S. 89flf.,
bes. 62, 68. — *) Bedeutet wohl ein Mass; Schiller-Lobben IH
S. 118. — ») Michelsen, Dithm. Rechtsquellen S. Iff., bes. 22.
— 557 —
dar na beschulden wolde und nene bewisinghe liadde
edder in der hant begrepe, de schal dar nicht ens up
antworden." Die Stadtordnung von Stuttgart aus dem
Jahre 1492^) hat keine besondere Strafe, verbietet nur
den Schlossern, dem' Gesinde ohne Befehl des Hausherrn
Nachtschlüssel zu fertigen.
Im Jahrhundert der Carolina wird das besondere Ge-
sindestrafrecht nur wenig lebhafter fortgebildet, obwohl
docb die Carolina eine Regelung des Deliktes nicht brachte
und so den Einzelstaaten Spielraum! ließ. Der Grund für
die geringe Straflusf der Territorien ist einmal darin zu
sehen, daß man die Carolina als vollständiges, miuster-
haftes Vorbild nicht durch Erfindung neuer Delikte er-
gänzen zu müssen glaubte; sodann trug auch die mangel-
hafte Durc'hbildung und Durchführung des damaligen Ge-
sindesonderrechts dazu bei, daß auch von einer beson-
deren Bestrafung zunächst Abstand genommen wurde.
Drei süddeutsche, drei mitteldeutsche und einige teilweise
von eniander abhängige nördliche Rechtsgebiete bildeten
in jener Zeit ein Sonderrecht zur Bekämpfimg der Gesinde-
delikte aus.
Nürnberg*) bestimlmlte seit dem 16. Jhdt. die Strafe
je nach dem' Grade des Diebstahls ; die Straf stuf en waren
Landesverweisung, Ausstreichen mit der Rute, Tragen
des Lastersteins, Pranger, Galgen und Schwert ; die Todes-
strafe wurde oft an diebischen Dienstboten vollzogen').
Die kurpfälzisdhe Landesordnung von 1582*) kommt
nach einigen Erwägimgen über die Straftheorien des Ge-
sindediebstahls zu einer mit den gewöhnliöben Diebstahls-
strafen übereinstimimienden Behandlung. Im 56. Titel des
5. Teils heißt es: „Wiewol von etlichen darfür gehalten
wird, dass die Ehehalten und Haussgenossen, als Knecht
*) Chr. Fr. Sattler, Geschichte des Herzogthums Wflrtenberg
unter den Graven, V, Beilagen S.86if., bes.59. — ■) Kamann S.188.
- •) Ebenda S. 184. — *) Univ.-Bibl. Marburg.
— 558 —
und Mägd, wegen b^^angenen Diebstals, härter als ge-
meine Diebe, ru strafen, dieweil für denselbigen nicht wie
für fremden auffgehoben und verschlossen werden mag,
so lassen wir es dodh bey dem', daß zwischen jhnen, da sie
ein Diebstal begangen, unter andern Dieben kein Unter-
scheidt gehalten. Sonder die Straff obverordneter massen
angelegt werde." *) Auf dem Rügzettel, weldier der Stadt-
und Gerichtsordnung von Bönnigheim aus detai Jahre
1599 *) beigefügt ist, findet sich auch die Frage, ob „Ehe-
halten iren Herrn, Meister, und Frawen, untrewlich mit
abtrag, und sonnsten tumützlichen dieneten"').
Die Spitalordnung für Siegen von 1546*) sagt in
ihren Anweisimgen für das Spitalgesinde: „Es soll auch
kein person wenig nodh vil clein noch gross nit vergebenn,
verschenckenn noch Imland In geheimb noch sunst zustos-
senn" bei Strafe. In offenbarem Anklänge an das nord-
hauser Recht*) wurde in Mühlhausen 1544*) verord-
net: „Auch soll kein knecht seines hem getreidich vor-
geben an samien ader an garben, thütt er dar poben, so
soll man inen durch einen backen bomen, ader erkent
ein rath, das es der diebe wert sey, so soll man jhn dar-
umb hengen lass^en.'* Schon 1586 bringt die emeuerfe
Heimburgenordnung ^) in Art. 32 mildietres Recht. Sie be-
zieht sich auf eine Willkür, nach der jene Untreue eine
Mark Strafe nach sich zieht. Eine Übernahme der Rechts-
^) Wiederholt im Landrecht von 1610; in der Univ.-BibL Marburg.
— ■) Reyscher, Statutarrechte S. 447 ff., bes. 452. ^ ") Eine Satzung
für Graflich Adehnannsche Orte Hohenstatt u. a. aus der Zeit um
1585 (Wintterlin, Württembergische landl. RechtsqueUen I S. 43501,
bes. 488, Nr. 9) soll wohl nicht dahin aufgefasst werden, dass sie
den Dienstboten verbieten will, fbr fremde Leute zu arbeiten. Viel-
mehr scheint darin untersagt werden zu sollen, dass ein Bauer mit
Hilfe seines Gesindes dem Nachbar heimlich seine Felder bestiehh.
Immerhin ist die Auslegung zweifelhaft — *) Corp. Const Nass. I
S. 115. ^ *) Oben S. 556. — *) Heimburgenordnung; Stadtarchiv
Mahlhausen. ^ ^) Ebenda.
— 559 —
g^edanken der nordhäuser und älteren mühlhänser Ord-
nungen ist es, wenn in F ranken hausien 1534^) und
1558*) das „Vorgeben" von Korn diircli Dienstboten mit
vier Mark geahndet wird.
Das einzige norddeutsche Recht dieser Zeit, das aus-
drücklich von der Bestrafung des untreuen Gesindels han-
delt, ist das lauen burger aus dem letzten Drittel des
16. Jhdt.»). In Teil IV Nr. 18 „von Untreu des Haus-
g^esindes" wird festgeseifzt : „Knechte, Mägde, Tagelöhner
und dergleidhen Dienstbbhten, sollen nicht weniger als
andere Dieibe, sondern auch schärffer nach gelegenheit des
Diebstahls gestraffet werden. Um! geringe Übertretung
aber sollen ihre Herren und Frauen sie zu züchtigen ans
Hals Eysen stellen zu lassen, und sie mit Verweisung
ihres dienstes ohne Lohn zu straffen macht haben.'*
Was sonst in Norddeutschland wegen der Gesinde-
delikte b^timtot wird, ist mit Strafen nicht ausgestattet.
Ganz das Gegenteil der lauenburger Ordnung ist die h'a-
delner Polizeiordnung von 1583*). Auch sie hat ein
Kapitel *) „Von Diebstall so von Hausgenossen geschieht".
Trotzdem Strafrecht in Menge vorausgeht, heißt es hier
nur : „Da einem seine Dienste, Knecht und Megde etwas
aus dem; Hause würdiön entwenden, dasselbige andern ver-
kaufen, oder Versetzen, da solchs der Herr oder Frau ge-
wahr wirdt, mügen sie das entfretobte Guth für das ihre
wieder an sich nehlmien, und verbrechen nichts daran."
Die strafrechtliche Verantwortung des Dienstherm soll
hier wohl geregelt werden, nicht die des Gesindes. Das
dithlmarsische Landrecht von 1567 Art. 83*), das
eyderstadter Landrecht von 1591 Art. 42^) und das
husumer Stadtrecht von 1608 Tit. 44') wiederholen
*)Michelsen, Rechtsdenkmale S. 466 ff.^ bes.487.^*) Walch,
Beytrfige 1 S. 285fr., bes. 848. - *) Pufendorf, obs. iur. UI app.
S. 384 ff:, bes. 841. — *) Pufcndorf, obs. iur. I app. S. Iffl, bes. 59.
- •) IV 24. — •) Corp. Stat, Hols. — ') Corp. Stat Slesv. I S. 92. —
•) Ebenda II S. 555.
— 560 —
unter Verkürzung der Fristen den Grundsatz des alteo
Dithmarserrechtes ^), daß mit Geltendnüachung der Dieb^
Stahlsklage nicht beliebig lange vom: Dienstherm gewar-
tet werden darf.
Auch das 17. Jhdt. läßt — der Menge nach — keinen
Fortschritt feststellen; die Regelung des Gesindewesens
vom polizeilichen Standpunkt aus war den Gesetzgebern
wichtiger als die Ausbildung eines neuen Deliktbegriffes,
deren die Carolina auf weit hinaus einstweilen genug ge-
schaffen hatte.
M^ beschränkte sich vielfach auf Wamungen an
Juden und Goldschmiede, von Dienstboten verdächtige
Sachen zu kaufen^). Oder man versuchte auch, pädago-
gisch auf das Gesinde einzuwirken, wie in der westfäli-
schen Stadt Salzkotten; deren Magistrat berichtete
nämlich 1670 ^), „dass jeder Gartendieb ... in der Ost-
pforte gesetzt und ihm das gestohlene Gewächs über den
Kopf gehangen werde, damit das vorübergehende Ge-
sinde mit den Kindern solchies anstehen imd zumi Bey-
spiel nehmlein mögen."
Straf recht enthält ein herzoglich sächsisches
Edikt von 1626*): „Hat auch eure Magd an Kleidern
soviel gestohlen und dieblicherweise entwendet, dass es
über 5 Ungar. Dukaten austrägt, wenn sie nun gkich
dessen geständig, auch sonsten in dergl. Fall, und wenn
von dem Gesinde Diebstahl begangen wird, soll auch die
ordentliche Strafe des Stranges statthaben.** In Weimar
wurde 1651 *) den Obrigkeiten aufgegeben, über die Per
sonen zu wachen, die das Gesinde zu Diebstahl und Par-
tiererei veranlassen; Pranger und Gefängnis stehen auf
solchen Handlungen. Die Taxoidnung von 1652 für das
brandenburgische Franken«) läßt in Kap. 3 \inttr
0 Oben S. 566. - •) Oben S. 554. - ») Wigands Arclüv fijr
Gesch. u. Altcrthumskunde Westphalens, III 8 S. 281. — *) Dorn S.»*^
- •) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S. 150.-*)Kr. A. A^i-
berg. Zugang 6 Fasz. 24 N. 212.
- 561 —
Vertragsbrudi ausgetretenes diebisches Gesinde als ge-
wöhnliche Diebe strafen. Schließlich gehören noch die
hannoverschen Landgerichtsartikel aus der Zeit Kur-
fürst Ernst Augusts (1679 — 1698)^) hierher. Sie liandeln
vom Futterdiebstahl : „Welcher Knecht, Junge oder Magd
ihren Herrn das Korn aus der Scheune oder vom Boden
stehlen, xmd dem Vieh etwas zustellen möchten, sollen mit
Gefängnisse gestraffet werden.** In der Polizeiordnung
Dinkelsbühls*) wird dem' diebischen Gesinde emp-
findliche Strafe angekündigt.
Das 18. Jhdt. bildet den Höhepxmkt des Gesinde-
strafrechts. Hier lassen sich verschiedene teilweise neben-
einander herlaufende Entwicklimgsreihen verfolgen. Eine,
wichtigere, geht von dem hannoverschen Rechte aus,
eine andere, auf die erste Hälfte des Jahrhimderts be-
schränkt, beruht auf Fortbildung der Traditionen des 17.
Jhdts., zum Teil auch auf selbständigen Neuerungsver-
suchen ; kleinere Ereignisse laufen nebenher oder schließen
sich an.
Unabhängig von harmöverschem Recht ist das ba-
dische Landrecht von 1710»). Teil 7 Titel 59 „Von
Diebstal der Ehehalten, als Knecht und Mägd** ordnet
an, daß von Dienstboten verübte Diebstähle härter als
gewöhnliche Fälle bestraft werden sollen, „dieweil vor
denselben nicht, wie vor Frembden, auffgehoben und ver-
schlossen werden mag**. Spezielles Straf recht für Hof-
gesinde steht in einem württem'bergischen Reskript
vom 16. Oktober 1718*). Nur ein gefährlicher Diebstahl
des Hofgesindes, der durch Einsteigen oder Einbrechen
geschieht, wird gemäß Art. 159 der Carolina mit dem
Tode gestraft, ohne Rücksicht auf den Wert des Ent-
wendeten,
*) Pufendorf obs. iur. II app. S. 849 ff., bes. 868. — •) v. Weber,
Statutarrechte II S. 1016. — •) Univ.-Bibl. Marburg. — *) Dorn S. 240.
Könnecke. 2/ß
— 662 —
Eine nassau-usinger Gesindeordnung vom An-
fang des 18. Jhdts. *) setzt auf Veruntreuungen und über-
haupt pflichtwidriges Verhalten des Gesindes Zuchthaus
bei Wasser und Brot, bis der Dienstbote Besserung ver-
spricht und im Dienst auch erweist. Bei schweren Ver-
brechen ist nach gemeinem Recht zu verfahren. Die Ver-
führer des Gesindes („Gesindt Diebe") erhalten Geldstrafe
von 10 Thalem oder Strafe am Leibe. Prozessual wird
angeordnet, daß schleunige Justiz geübt werden soll ohne
Kosten und ohne „Erforderung eines förmlichen Be-
weisses, als welcher in dergleichen fällen niemahlen oder
doch selten za haben, sondern (dass) es bey einer sonst
glaubwürdigen Persohn gewissenhaffter Betheuer ung an
Eidesstatt solchenfalls wohl belassen werden ralag".
In dem neuen nnühlhäuser Heimbuch von 1736*)
werden Gefängnis, DrehhäxisChen imd Schandkorb als
Strafen zur Wahl gestellt; je nachdem' das Verbrechen
bedeutend ist, soll vor dem Kriminalgericht, nötigenfalls
auch peinlich, gegen Stehler und Hehler verfahren werden.
Die fürstlich gothaische und altenburgische Ge-
sindeordnung von 1719*) setzt allgemein fest, daß Ver-
untreuungen durch Gesinde gerade wie andere Unredlich-
keiten, ja noch strenger geahndet werden sollen. Wenn
Knechte beim Holzfahren etwas unterschlagen, dann ist
die Strafe ein Gulden für jedes entwendete Scheit Holz.
Einkaufsbetrug, den das Gesinde „durch allerhand Pup-
peley*'*) begeht, wird mit willkürlicher Geld- und Frei-
heitsstrafe gestraft; die Dienstboten müssen das zurück-
behaltene oder „durch Puppel erhaltene" Geld zurück-
geben.
*) St. A. Wiesbaden, V Nassau - Usingen. Generalien 11« Ver-
ordnungen Bd. II S. 123. — •) Stadt. Bibliothek Mühlhausen. —
») Univ.-Bibl. Marburg. XVffl f A 870. — *) In den Wörterbüchern
nicht nachzuweisen; vielleicht irgendwie mit „poppe" = Schwelger,
Grosssprecher (Lexer, mhd. Taschenwörterbuch S. 141) zusammen-
hängend ?
— 563 —
Das Recht in Schaumburg-Lippe gibt sich des
öfteren mit dem „Thames-Beutel-Betrug** ab. Der Thames
ist der Speisesack, den ein Dienstbote auf Reisen mitbe-
kommt. Eine Verordnimg vom' 1. Februar 1730^) ver-
bietet den reisenden oder sonst verschickten Dienstboten,
mehr Speisen zumi Mitnehmen ru fordern, als den Ver-
hältnissen der Herrschaft entspricht. Vor allem: das Ver-
kaufen des Mitgegebenen wird je nach Rückfall mit Stra-
fen bedroht. Der Dienstbote soll doch bedenken, „wie
sauer tmd schwer einem Dienstherrn die Unterhaltung
des Gesindes falle, und dass er dermaleins selbst in solchen
Stand gerathen werde, also durch dergleichen Uebermuth
und Untreue gegen seinem Dienstherm, ihml leicht Gottes
gerechte Strafe mziehen könne". Wer den Dienstboten
Brot usw. abkauft oder gegen Bier imd Branntwein um-
tauscht, wird das erste Mal init Geld, später mit Karren-
schieben gestraft. Am. 3. Februar 1747 folgte eine Ein-
schärfung ^). Jetzt soll schon gestraft werden, wenn über
das (in der Verordnimg näher bestimimte) Maß von Speisen
gefordert und gegeben wird. Im' übrigen verweist § 10
der Gesindeordnimg von 1738*) für Gesindeuntreue auf
gemeines Strafrecht.
Besonders wichtig imter den selbständigen Rechten
aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts ist die hessische
Gesindeordnung von 1736 *). Sie bestraft Unterschlagxmg,
Diebstahl, Betrug, alles in krausem Durcheinander*):
„. . . sollen diejenige, so ihre Brod-Herren uff einige Weise
zu vervortheilen, oder denenselben etwas an Geld, Ess-
Waaren, Garten- und Feld-Früchten oder sonsten, es sey
auch noch so gering, und bestehe worin es wolle, aus
denen Häusern, Scheuren, Garten oder vom' Feld zu ent-
wenden sich imterstehen", falls die Tat nicht „zur Pein-
lichkeit qualificirt** ist, im' ersten Fall mit Gefängnis bei
') Landesverordnungen Schaumburg-L. II S. 206. ^ *) Ebenda
S. 869. — ») Ebenda S. 386. — *) LO. IV S. 410. — •) Art 18.
86»
— 564 —
Wasser und Brot, das zweite Mal mit dem Turm (in
Cassel mit Zuchthaus), das dritte Mal mit opere publice,
oder nach Befinden, wenn der Wert der Sache 10 Th.
übersteigt, mit demi Strange bestraft werden. Bis dahin
galt für Gesindediebstähle in Hessen das gemeine Recht
der Carolina. Eme Gegenüberstellung ist lehrreich:
Der erste Diebstahl: CCC. Zweispiel, ev. Kerker;
GO. Gefängnis.
Der zweite Diebstahl : CCC. Ausweisung ; GO. Turm.
Der dritte Diebstahl: CCC. Tod; GO. opus publi-
cum, wenn über 10 Th., nach Befinden Strang.
Das ganze ist 1736 milder. Höchstens die Ersetzung
der Ausweisung durch Turmstrafe könnte aus wirtschaft-
lichen Gründen hart erscheinen. Mit Ausweisimg arbei-
teten die Strafgesetzgeber im Mittelalter erstaunlich leicht-
sinnig. Die geringsten Vergehen wurden mit monate- oder
jahrelanger Stadtverweisung geahndet; zahlreiche Bei-
spiele aus dem Gesinderecht wurden imi Verlaufe der
Darstellung bereits mitgeteilt. Vielleicht bedeutete aber
die Ausweisimg — wenigstens für die nicht mit Grund-
besitz imd Geschäft ansässigen Einwohner — keine so
harte Sühne, wie sie uns heute erscheint, wo die Auf-
fassung vom xmentreißbaren Grtuidrecht der Staatsange-
hörigen auf Aufenthalt im' Heimatslande herrscht. Hessen
beispielsweise lag fast überall nicht allzuweit von irgend
einem „Ausland" entfernt. Da war es bei der ständigen
Leutenot den Dienstboten leicht, draußen in Waldeck
oder Westfalen oder „drüben im Hessischen" (Darmstadt)
Arbeit zu finden, die womöglich von längerer Dauer war.
Die Sorge um die Dienstbotenbeschaffung im eigenen
Lande, überhaupt das Streben nach „Peuplirung" haben
bei der Ersetzung der Ausweisung durch eine Freiheits-
strafe sicher eine ^ößere Rolle gespielt als himiane Er-
wägtmgen.
Die Gesindeordnimg kennt ferner einige Fälle von
— 565 —
Veruntreuung im Sinne des heutigen Strafrechts. In dem-
selben Artikel imd imter denselben Strafdrohungen wer-
den das Entziehen von Futter, das Nichtaussäen von Sa-
men behandelt. Eine unbewußte Strenge gegen die Dienst-
boten liegt in der Zusammenhäufimg der verschiedenen
Delikte ^). Denn bei der Berechnimg der Rückfälle werden
alle diese ganz und gar nicht mit einander zu vergleichen-
den Delikte hinzugezählt, so daß die Höchstziffer viel eher
erreicht wird, als wenn Diebstähle, Veruntreuungen und
Betrugsfälle gesondert zur Berechnung gestellt würden.
Weder Veruntreuung noch Betrug im Sinne des mo-
dernen Rechts kannte die Carolina. Auch für das Betrugs-
recht schuf die Gesindeordnung 1736 etwas Neues. Sie
zählt in xmgeregelter Folge eine Reihe von Betrugsfällen
mit Namen auf. Davon betroffen werden die Knechte,
1. die „ohne ihrer Herren Vorbewust und Einwilli-
gung andern das Land heimlich ackern, den dafür emp-
fangenen Acker-Lohn aber vor sich behalten",
2. bei Einkäufen für die Herrschaft weniger ausgeben,
als sie ihr nachher angeben, oder
3. ein geringeres Maß der Ware einkaufen, als ihnen
aufgetragen ist imd sie nachher als gekauft angeben,
4. „ohne Vorwissen imd Geheiss ihrer Herrn uff
äeren Namen imd Rechnung Waaren und andere Sachen
ausnehmen".
Dos zu 1 genannte Vergehen findet sich in demselben
Artikel wie die Unterschlagungen und Veruntreuungen,
und wird mit gleicher Strafe bedroht. Die drei andern
Delikte bilden eine besondere Gruppe; hier „sollen uff
solchen Fall die Ubertrettere nebst Ersetzung des ihrer
Herrschaft dadurch zugefügten Schadens ohne alle Nach-
sicht mit dem opere publico abgeschafft werden". Der
„Betrug" besteht im Fall 1 darin, daß der Knecht dem
^) Es kommen auch noch Betrugsfälle hinzu; darüber sogleich.
— 666 —
Herrn den Lohn abnimtnt, obwohl er an dem! betreffenden
Tage nicht für ihn arbeitet, sondern heimlich auf Tage-
lohn geht. Doch fallen nach dem Wortlaute des Gesetzes
auch solche Fälle unter diese Strafbestimmung, in denen
der Knecht ohne ausdrückliche Zustimmung seine freie
Zeit für fremde Arbeit verwendet. Diese Konsequenz ent-
spricht durchaus der Anschauung der Zeit, die in Ver-
folgung der Mimtidee alles, was der Knecht erwirbt, dem
Herrn zufallen läßt ^). In den unter 2 imd 3 aufgeführten
DeUkten ist der Betrag gleichfalls gegen die Herrschaft
gerichtet, die der getäuschte und geschädigte Teil ist.
Das betrügerische Kreditnehmen dagegen (Fall 4) erfolgt
nicht gegen die Herrschaft, sondern gegen den kredit-
gebenden Kaufmann, der Getäuschter und Geschädigter
in einer Person ist. Soweit reichte damals die Kraft des
Muntgedankens schon lange nicht mehr, daß etwa die
Herrschaft für die betrügerischen Handlungen des Ge-
sindes civiliter einstehen müßte *) ; vielmehr geschieht alles
hier zum Schaden des Kreditgebers^).
In der hessischen Gesindeordnung von 1736 wird
weiter auch die Teilnahme dritter Personen an den Ge-
sindedelikten berücksichtigt. Die Carolina hatte in Art.
177 „hilff, beistandt oder fürderung, wie das alles namen
hat" mit peinlicher Strafe bedroht. „Fürderung" bedeutet
wohl das Verhalten nach begangener Tat ; „hilff und bey-
standt" werden dem Verbrecher bei Verrichtung der
Handlung zuteil, imd der Anstifter ist mit der clausula
generalis „wie das alles namen hat" auch genügend be-
zeichnet. Die Gesindeordnung macht es ähnlich; sie nennt
0 Belege oben T. 2 § 1, a 286 flf. — «) Oben S. 284. -^ •) Die
strenge Bestrafung des Einkaufsbetruges steht vielleicht in Zusammen-
hang mit der damals wohl auch in Hessen unter dem Gesinde weit-
verbreiteten Anschauung, dass die Zurückbehaltung von etwas Ein-
kaufsgeld fQr das Gesinde ein selbstverständliches Recht sei. In
Bayern scheint diese Ansicht die Regel gewesen zu sein (Stillich
S. bS, bi).
— 667 —
Anstifter, Sachhehler und Begünstiger zusammen. Die
sollen mit noch härterer Strafe als der Täter selber nach
Befinden bedacht werden. Ein Unterschied liegt darin»
daß Anstiftung bei allen Gesindedelikten strafbar ist;
Sachhehlerei imd Begünstigung werden ausdrücklich nur
beim TJFnterschlagen von Sachen aus Haus, Scheuem,
Garten und Feld erwähnt. Vergeßlichkeit oder Versehen
des Gesetzgebers haben hier wahrscheinlich den Aus-
schlag gegeben; über irgendwelche innere Gründe geben
Gesetz und Material keine Auskunft.
Die ha n au er Gesindeordnimg von 1748^) die ja
die gleiche Wurzel hat wie die hessische von 1736, bringt
einiges Strafrecht in den §§ 17 tmd 19. Hier trifft man
fast dieselben Gedanken; nur die Strafen sind gering ge-
ändert. Einkaufsbetrug und betrügerisches Borgen auf
der Herrschaft Namen haben Ersatzpflicht und arbiträre
Gefängnisstrafe nach sich*). Sonstige Übervorteilungen
der Herrschaft, Entwendung von Geld und Früchten, Fut-
ter entziehen, übergebenen Samen veruntreuen, für
Fremde arbeiten, werden bei kleineren Werten das erste
Mal mit acht Tagen Gefängnis bestraft, das zweite Mal
mit Schanzarbeit für Männer, während für Frauen die Ge-
fängnisstrafe auf vier Wochen erhöht wird; amm dritten
Mal kommt der Täter zur Ausstellimg auf die Schand-
bank und es erfolgt relegatio in perpetutun, womit also
der alte Gedanke der Carolina doch wieder zur Erschei-
nung kommt. Ist das Gestohlene über 10 Thaler wert,
dann wird der Täter aufgeknüpft. Die gleichen Strafen
drohen den Tdlnehmem.
Wichtiger als all dies für die Geschichte des Ge-
sindestrafrechts ist die Bewegung, welche von dem am
19. Juni 1709 in Hannover erlassenen „Edictum wegen
Bestraffung der Haus - Dieberey" eingeleitet und wesent-
*) St. A. Marburg. IX A* 1621. — •) § 17.
— 568 -^
lieh bestinünt wurde ^). Das Edikt ist erlassen, um einen
jeden in seinem Hause wider die Hausdiebe zu schützen,
da trotz der schweren Strafen der CCC. „eine Zeithcro
verschiedene Haus-Diebstähle sich hervorgethan" . Alle
Hausbediente sollen befundenen Umständen nach am
Leben oder mit perpetuierlicher Condemnation ad opus
publicum bestraft werden, wenn sie „sich unternehmen,
ihrem Haus-Herrn oder Haus-Frauen etwas von ihren
Sachen, Gelde, Silber, Pretiosis, Kleinodien, Linnengc-
räth, imd anderen ansehnlichen Meublen, auch gar £ss-
und Trinckel-Waaren, weim sie solche, schnöden Gewinsts
halber, verpartiren und verkauften, boshafft- oder vor-
setzlicher Weise zu entwenden", „es wäre denn dass es
nur Kleinigkeiten von gar geringen Wehrt, so gestohlen,
oder der Thäter noch sehr jung von Jahren**. Das Edikt
soll gehörig publiziert, dam jährlich an dem Tage, wenn
das Evangelium vom imgerechten Haushalter erklärt wird,
von den Kanzeln verlesen werden.
Weil dies Edikt gegen den Willen der Gesetzgeber
von einigen Gerichten so ausgelegt wurde, daß die Stra-
fen als arbiträr galten, erfolgte am 7. Januar 1710 eine
Präzisierung *). Ohne Rücksicht darauf, ob der Täter schon
rückfällig ist oder nicht, ob er das Gestohlene wiederer-
stattet hat oder nicht, wird er mit dem Tode bestraft.
Nur wenn der Diebstahlswert unter 5 Th. geblieben ist,
oder wenn Eß- imd Trinkwaren nicht Gewinnstes
halber bei Seite geschafft worden sind, oder schließlich,
wenn der Täter erst 18 Jahre alt ist, tritt an Stelle der
Todesstrafe Verurteiltmg ad perpetuum opus publicum
toder zu Werk- imd Spinnhaus. Eine Erläuterung der
5 Thaler-Summe, die nicht als currente Münze, sondern
„nach speciebus** angeschlagen werden soll, folgte am
*) Landesordoungen Kaienberg 11 S. 686; Spangenberg,
Verordnungen f. Hannover IV 2 S. 365. — ■) Landesverordnimgen
a« a. O. II S. 688.
— 569 —
23. Mai 1725 ^). Zwei Monate vorher, am 8. März 2), war
eine neue Einschärfung der Kriminaledikte erfolgt. Zu
besserem Bekanntwerden soll der Sonntag, an dem die
Verlesung von der Kanzel vorgenommen wird, allemal
acht Tage vorher angekündigt werden. Die Prediger „wer-
den wohl thun**, in den rugehörigen Predigten auf „die
Materie des Diebstahls und insonderheit die Enormität
der Haus-Dieberey'* kürzlich einzugehen, „und ihre Ge-
meine davor zu warnen". Am 27. August 1728 kam! schon
wieder eine Einschärfimg ^), die sich mit der Publikations-
art beschäftigte.
Die Gesindeordnimg von 1732 bezieht sich auf die
vorangegangenen Edikte *). Um der Gesindeordnung zur
besseren Wirkimg zu verhelfen, die sie infolge der Nach-
lässigkeiten der Beamten noch nicht hat, wird am 13.
November 1732 die Errichtung eines besonderen Straf-
pfahls binnen acht Tagen angeordnet *) ; § 11 der Gesinde-
ordnung, wo der Befehl, aber ohne Fristsetzung, schon
stand, ist nicht befolgt worden. Eine Ausdehnung der
Kriminaledikte auf den Harz wurde am 24. Novem,ber
1733 vorgenominen*). Und um' das Maß voll zu machen,
wurde am 22. März und 2. April 1734 ^) gegen die Dienst-
boten, die fremden Dieben im Hause Vorschub leisten,
die Strafe angesetzt, als hätten sie die Tat selber be-
gangen.
Im Herzogtum Lauenburg wurde vorsichtshalber am
5. August 1735 ®) verordnet, „dass die Schmiede auf keines
Dienstboten Begehren, ohne Vorbewust ihrer Brodherrn,
*) Ebenda II S. 705. - *) Ebenda II S. 703. - ") Ebenda I
S. 816, U S. 713; die bei Spangenberg T. IV Abs. II S. 416 nur
mit dem Titel genannten zwei Erlasse wider die Hausdieberei be-
deuten wohl Ausdehnungen auf Lauenburg. — *) Ebenda IV S. 210;
Spangenberg a*a. O. IV 2 S. 461. — ») Landesverordnungen a. a. O.
IV S. 228; Landesverordnungen Lüneb. I S. 988. — •) Kaienberg II
S. 772. — ') Ebenda U S. 706. — •) Spangenberg IV 2 S. 609.
— 570 —
Nach- oder doppelte Schlüssel miachen, noch Koffer, Cas-
setten, Laden etc. aufdircken (?) sollen***).
Eine Mißbildung brachte schließlich die allgemeine
hannoversche Verordnung vom 24. November 1772 *) ; das
Alter für die Todesstrafe und der für sie maßgebende
Wert des Diebstahlsobjektes wurden heraufgesetzt. Wer,
über 20 Jahre alt, Gewinnes halber einen Hausdiebstahl
begeht, und auf einxnlal oder nach imd nach sich 15 Thaler
oder 30 Gulden zusamlmenstiehlt, wird gehängt. Minder-
jährige sowie Hausdiebe, die weniger stehlen als die ge-
nannte Summe, komimen 2um Karren oder ins Zuchthaus,
und zwar lebenslänglich ( I ). Die Nascher erhalten harte
Leibesstrafe, können nach Befinden auch mnl Festungs-
bau, zu Zuchthausarbeit verdammt werden. „Nachdrück-
liche" Strafe steht dem Futterdiebe bevor, und zwar dem
Futterdiebe nicht im Sinne des hessischen Rechts, son-
dern so, wie ihn unser heutiges Strafrecht kennt. Es
heißt nämlich: „Sollte auch das Haus-Gesinde, welchem
die Futterung des Viehes anvertrauet ist, seiner Haus-Herr-
schaft Korn, Stroh, tmd andere Futterung nicht Gewinn-
stes halber, sondern deren Vieh damit zu füttern, heimlich
imd treuloser Weise hinwegnehmen; so soll diese be-
gangene Untreue tmd Unterschleif jedesmal nachdrück-
lich bestraft werden." Wie ein Dieb wird femer bestraft,
wer Geld imterschlägt, das er verwalten soll. Harte Leibes-
strafe droht dem, der Anleitung oder Vorschub gibt ; par-
tizipiert er hernach an dem Gestohlenen, dann wird er
als ein Dieb bestraft. Im Unterschied vom hessischen
Recht erfolgt Mildenmg nach gemeinem Kriminalrecht,
wenn das Entwendete wieder erstattet wird. Es macht.
^) Spangenberg a. a. O. S. 574 (Lauenburg) und Teil IV
Abt 8 S. 899 (Hadeln) teilt zwei Erlasse vom 6. August und 20. De-
zember 1786 mit, die wohl das frühere Recht Air jene Gebiete in
Geltung bringen sollen; mehr als die Überschrift über Hausdieberei
gibt Spangenberg hier nicht an. — *) Spa n genberg a. a. O. II S. 45L
— 571 —
wie dann nodi' gesagt wird, zur Beurteilung der Tat keinen
Unterschied, ob die Sachen der Herrschaft gehörten oder
ihr nur geborgt waren. Jährlich wird die Verordnung
von den Kanzehi verkündet und überall gehörig affigieret ^).
In Hannover war man so zuerst auf den Gedanken
gekommen, wider die Gesindexmtreue besondere, kleinere
Verordnungen mit ausgesprochen strengen Strafvorschrif-
ten zu erlassen. Diese Art wurde rege in andern Staaten
nachgeahmt, und mit der Art auch der Inhalt. Wie in
Hannover wurde dieser bisweilen auch in imifassende all-
gemeine Gesindegesetze übernommen. Für beide Arten
der Ausführung, Einzelgesetz tmd Einreihung in die Ge-
sindeordnung, gibt Waldeck Beispiele. Am 20. März
1720 erging eine Verordnung wider die Untreue des Haus-
gesindes*). Der Diebstahl im' Lande nimant überhand^
auch beim Gesinde, das umsomlehr strafbar ist. Daher soll
ein Dienstbote, der über 5 Thaler Wert stiehlt, mit Stau-
penschlägen und ewiger Landesverweisung gestraft wer-
den. Diebstahl im Werte von mehr als 10 Thalern kostet
den Hals. Anstifter, Hehler und Helfer werden dem' Dieb
gleichgestellt. Die Gesindeordnimg von 1736 *) führte ge-
nauere Unterscheidimgen ein: Übervorteilimg der Herr-
schaft wird das erste Mal mit Gefängnis bei Wasser und
Brot, das zweite Mal mit Schubkarrnarbeit im Zuchthaus
zu Schloß Waldeck (für Männer) oder mit dem Pranger
(für Frauen) bestraft; beim dritten Fall wird der Täter
mit Staupenschlägen aus dem Lande gejagt. Wird die
in der Halsgerichtsordnung (Carolina) gesetzte Summe
von 5 Gulden erreicht, dann komhit der Täter an den
Galgen. Einbruchsdiebstähle mit Werkzeug werden gleich
*) Weitere Bestimmungen über das Verlesen der Verordnung
ergingen noch am 19 Januar 1778 (Spangenberg II S. 467), 2. Februar
1778 (II S. 463) und 19. März 1778 (II S. 468). - «) Sammlung der
Regierung Arolsen; Curtze, Gesch. u. Beschr. des FOrstenthums
Waldeck, 1860, S. 283. — ») In der genannten Sammlung.
— 572 —
beim ersten Mal mit Staupenschlägen imd Ausweisung
gestraft. Hehler und Verführer werden wie der Täter
behandelt; sie müssen auch den Schaden ersetzen, wenn
der Dieb selber dazu außer Stande ist. Wer von einer Ge-
sindeuntrexie weiß und sie nicht anzeigt, erhält willkür-
liche Geld- oder Gefängnisstrafen.
Der Zeit nach ist hier die kurpfälzische Ge-
sindeordnimg von 1731 ^) einmfügen. Da Gesindeuntreue,
wie § 7 sagt, weit gefährlicher ist als fremder Leute Un-
redlichkeit, muß besonders strenge Bestrafung erfolgen.
Nach der Peinlichen Gerichtsordnimg (der Carolina) wird
der Dieb von Sachen im Wert von 20 Gulden am Leben
bestraft, mögen die 20 Gld. auch niu- nach und nach
2usammengestohlen sein. Auf geringeren Diebstählen
steht Fustigation, ewige Landesverweisung, öffentliche
Schanzarbeit. Bei 20 Th. Strafe muß die Herrschaft den
Dieb anzeigen, „er sey gering, mittelmässig oder gross"
<§ 8). Die Hehler werden wie die Stehler gestraft (§ 10).
Am 16. April 1755 wurde die Gesindeordnimg unverän-
dert neu erlassen^).
Von süddeutschem' Rechte ist femer die Verordnung
wider die Hausdiebstähle zu nennen, die am' 14. April
1745 für die bayerischen Teile Brandenburgs er-
lassen wurde ^). Wenn ein Dienstbote über 20 Gulden
Rheinisch stiehlt, wird er gehenkt, ohne Rücksicht auf
Rückfall oder tätige Reue. Diebstähle von mehr als 10
Gulden werden mit Staupenschlägen imd ewiger Landes-
verweisimg oder mit 10 bis 12 jährigem Zuchthaus ge-
straft. Übersteigt der Wert des Gestohlenen einen Gulden,
dann kommt der Dienstbote auf ein, zwei oder miehr Jahre
ins Zuchthaus.
Eine sehr ausführliche kurm'ainzer Verordnung
wider die Hausdiebstähle vom' 25. April 1749*1 hat teil-
') L. A. Karlsruhe. Pfalz Generalia 6047. — *) Ebenda. — *) Corp-
Const. Brand.-Culmb. 11 1 S. ^8. — *) K e r s t i n g, Sonderrechte Sp. 1067.
— 573 —
weise Präventivmittel, wie Verbote der Aufnahmen unbe-
kannten liederlichen Gesindels, Zeugnisvorschriften. „Und
weil die Untreue und Diebstähle eines Dienstboten, als vor
andern Diebshändeln weit gefährlicher, folglich auch .mit
mehrerer Schärfe und Strenge zu bestrafen ist, als soll
. . . ein Hausdieb, männlichen oder weiblichen Ge-
schlechts, so seiner Hausherrschaft entweder an barem
Geld oder Effekten, oder an Markt- und Schaurengeld,
wie es iminer Namien haben mag, den Werth der in sanc-
tione Carolina enthaltenen fünf Goldgulden entweder auf
einmal oder nach und nach, sonderheitlich wenn dabei
einige Kisten oder Schränke eröffnet worden, entwendet
und gestohlen, gestalten Umständen nach mit der Lebens-
strafe verfahren, die geringeren Diebstähle imd Abträge
aber nach Proportion des Verbrechens mit öffentlicher
Schanze und Zuchthaus und sonst unnachlässig mit aller
Schärfe, nach dem Befund der Umstände, geahndet wer-
den." Bei willkürlicher Strafe darf die Dienstherrschaft
ihren untreuen Dienstboten nicht stillschweigend ent-
lassen, sondern muß ihn zur Bestrafung anzeigen. Nie-
mand darf ferner einem Dienstboten ohne Wissen der
Herrschaft etwas abkaufen*).
Wegen des offenbaren Zusammenhanges mit den hier
geschilderten Rechtsruständen sei ausnahmsweise ein
mecklenburger Edikt angeführt; es stammt von
1749 *). Danach sollen die Todesstrafe „alle wahre Haus-
diebe zu gewarten haben, und zwar ohne auf den Werth
der gestohlnen Sachen, tmd ohne auf die Art und Weise,
wie der Diebstahl begangen worden, zu sehen".
Einige Jahre danach gab auch Hessen dem allge-
meinen Streben der Zeit nach. Am 1. Dezember 1752 er-
&mg eine Verordnung wegen Bestrafung der Hausdieb-
stähle»). Es hat folgenden Wortlaut : „Thun hiermit kund
') Oben S. Ö98ff. — •) Dorn S. 240. - •) LO. V S. 67: oben
S. 152 flF.
— 574 —
und za wissen; Nachdem' die Hauss-Diebstähle und Un-
treue des Gesindes in Unsern Landen bevorab hiesiger
Residentz-Stadt Cassel Ueberhand nehmen, dergestalt dass
fast niemand, welcher Dienstbotten zu unterhalten nöthig
hat, davor sicher ist; Und Wir dan diesem Unwesen auf
alle Weise zu steuren und JedernDann in seinem Hause
und Eigenthiun gegen dergleichen gefährliche Diebe, vor
denen sich niemand hüten kan, Sicherheit zu verschaf-
fen gemeynet seyn: So ordnen und wollen Wir, dass
diejenige Hauss-Bediente überhaupt, welche in eines an-
dern Hoch- oder niedrigen Kost imd Lohn stehen, Sie
mögen im Hause die Kost geniesen oder Geld davor
bejkommen, \md sich selbst verköstigen, Sie haben auch
den Aufenthalt in ihres Herren Hause oder wohnen ausser-
halb desselben, imd seyen Laden-Diener, Gesellen
und Lehr jungen etc. wann selbige ihren Hauss-Herren
oder Frauen und Meistern, Geld, Silber, Geschmeide, Lin-
nen-Geräthe und Meublen oder Waaren vorsetzlich ent-
wenden, oder Ess- imd Trinck- Waaren wegnehmen und
auf die Seite bringen, Gewinsts halber verparthieren, ver-
kauf fen, im Lombard oder sonst wo versetzen oder ver-
schleppen und imterschlagen, ingleichen diejenige, welche
die von ihren Herren ihnen anvertraute Gelder vor sich
behalten, \md in ihren Nutzen verwend«i, oder zu deren
Schaden auf Credit Waaren ausnehmen, falls sich die
Summa auf Vier Reichsthaler oder darüber belaufft, ohne
Unterscheid, und Ausnahme, ob Sie dergleichen Dieb-
stahl zu einem oder mehrmahlen ausgeübt und begangen,
es betreffe Manns- oder Weibs-Persohnen am Leben ge-
strafft, und die Restitution und Erstattung des Gestohlnen
oder Unterschlagung geschehe entweder freywillig, oder
hernach aus Reue und Furcht, Ihnen keineswegs zur De-
fension oder Milderung der Straffe gereichen, allenfalls
aber und wann der Diebstahl keine Vier Reichsthaler
werth ist, oder in Ess- imd TrinCk-Waaren bestehet, so
— 575 —
nkht Gewinsts halber auf die Seite gebracht sind, oder
uvann der Täter noch nicht 18. Jahr alt ist, Derselbe
entweder zum Vestungs-Bau verdammt, oder ohne Zeit
in das Zuchthauss oder Spinnhauss gebracht, auch wer
dergleichen gestohlne Sachen abnimimt oder verhelet und
es weiss und nicht anzeigt mit eben dieser Straffe ange-
sehen imd belegt werden soll."
Gegenüber der Gesindeordnimg von 1736 ist die Auf-
zeichmmg der Straftaten hier nicht bedeutend geändert,
aber die Strafen sind der hannoverschen Höhe angepaßt :
Ihrem Muster, der hannoverschen Gesindeordnung von
1732, konnten die hessischen Gesetzgeber 1736 das Kri-
minalrecht nicht entnehmen; denn in der hannoverschen
Ordnung war bloß auf die Edikte seit 1709 verwiesen,
sachlich war nichts über den Inhalt dieser Edikte in
der Gesindeordnimg gesagt und den hessisc^hen Rät^n
auch sonst nicht bekannt.
Was an Straftaten 1752 neu genannt wird, ist teil-
weise eine überflüssige Erweiterung der von 1736 her be-
kannten Begriffe (so : das Versetzen von Sachen der Herr-
schaft) teilweise auch eine Milderung (so : die Einführung
einer weniger strengen Strafe auf das Naschen) ; nur eine
strafrechtliche Verschärfung gibt es in der Aufzählung
der Verbrechen : die Berücksichtigung des Unterschlagens
von anvertrautem Gelde ; dies wurde 1736 zivilrechtlich ge-
regelt. Einige Delikte, die 1736 aufgezählt worden waren,
fehlen 1752 sogar: Einkaufsbetrug, heimliches Ackern
für fremde Leute. Sie werden nicht einmal diurch einen
umfassenden Ausdruck getroffen etwa in der Art „und
wie das alles Namfen habe**, wie man es in anderen Ge-
sindegesetzen dieser Zeit oft finden kann. Vielmehr ist
die Reihe der Delikte in einem numerus clausus er-
schöpfend aufgezählt.
War so die Anführung der einzelnen Delikte 1752
teilweise günstiger für die Dienstboten, so hob das Straf-
— 576 —
maß diese Wirkling um so gründlicher wieder auf. An
erster Stelle steht drohend die Todesstrafe. Das ist psy-
chologisch gar weise erwogen; überhaupt ist die Ver-
ordnung ein Muster raffiniert effektvoller Gesetzestech-
nik. Bei einer Verlesung der Verordnung nämlich —
etwa in der Kirche — bekommen die Dienstboten zuerst
davon zu hören, daß sie bei Diebstählen von zusammen
vier Thalern die Aussicht haben, gehenkt zu werden. Nun
stelle man sich die Erregung vor, die sich ihrer dabei
bemächtigt, wie sie sich vielleicht bemühen, die Wert-
summe der von ihnen bereits verübten Diebereien zu-
sammenzuzählen, wie sie sich entsetzen über die so rasch
und leicht begangene Tat. Dann mag ihnen schon der
darauf folgende Teil, der die Strafermäßigimgen für Ju-
gendliche \md fürs bloße Naschen bringt, mehr oder weni-
ger entgehen, nur im Ohre klingen. Und zum Schluß tönt
es dann wieder, grausam wie zum Ersten, daß der Hehler
oder wers nicht anzeigt, „mit eben dieser Straffe ange-
sehen und belegt werden soll". Daß schon die erste Tat
gerade so hart geahndet wird wie jeder Rückfall, daß die
Wertsumme, die über Leben und Tod entscheidet, von
10 auf 4 Thaler herabgeisetzt ist, daß die tätige Reue nichts
hilft, daß gegen Jugendliche imd aufs Naschen unbe-
schränkte Zuchthausstrafe gedroht wird, — all das sind
weitere bittere Verschärfungen.
Ein gutes niu- hat diese grausame Verordntmg im
Gefolge gehabt: Trotz einer schon am' 15. März 1759
vorgenommenen Erneuerung^) ist sie vielleicht nie an-
gewandt worden. Später, bei den Vorarbeiten zu den zwei
großen Gesindeordnungen, wurden derartige Feststellun-
gen gemacht, es wurde darauf hingewiesen, wie sehr die
törichte Irrung, aus der das Gesetz 1752 entsprang, dem
Rechtsbewußtsein des Volkes widersprach, und wie selbst
') LO. V S. 161.
— 577 —
in den östlichen Ländern Deutschlands ta grausames Vor^
gebiein gegen der Dienstbotien Untreue nicht miehr auf die
Zustimanjung des Volk^ rechnen darf^). 1797 war es
dapn auch mit der Geltung der Dienstbotenk^iminalord-
nung vorbei.
Clie "TU dieser Zeit übergegangen werden klann, müssen
noch einige weitere Stücke aus der Gefolgschaft der han*
növerschen Edikte sowie mtehrere sonstige Strafrechts-
bestiiTiätnUngen angeführt werden, die inzwischen ergingen.
Die isenburger Verordnung wider die Hausdieb-
stähle vom' 8. Dezemibier 1760*) bestimimt — etwas mil-
der als die hessische — daß erst ein Diebstahlswert von
15 Gulden den Täter zuml Tode bringt, mag auch durch
zweimalige Tat eine Summe von mehr als 15 Fl. zusam-
mengestohlen sein. Ohne Rücksicht auf die Summfe wird
der Täter beim' dritten Rückfall gehängt. Und schließ-
lich soll auch der ziuml Tode gebracht werden, dessen
„Verbrechen mit andern beschwerlichen Umständen be-
gleitet ist". Scharfe Strafen erhält, wer von einemi Haus-
diebstahl weiß tmd die Anzeige unterläßt. Zumi Schluß
heißt es: „Es soll auch Niemand von einem in eines
Andern Brod Stehenden Sachen erkaufen, ohne vorher
bei dessen Herrschaft anzufragen, ob es selbigem! eigent-
lich zustehe.'* Die Verol^dnung ist jährlich zweimal von
den Kanzeln zu verlesen.
Von großen Gesindeordnungen, die sich durch die
strenge Zeitrichtung beeinflussen ließen, gehören vor-
nehmlich die Wolfen bütt 1er von 1748'), die det-
m' Ol der von 1752 mit Ergänzung vom 6. Januar 1783*)
^) Oben S« 97. Es Hessen sich keine aktenmdssige Nachweise
für Anwendung von Todesstrafen bei Hausdiebstählen gemäss der
Verordnung von 1752 erbringen. — *) Kersting, Sonderrechte
Sp. 988; oben S. 298. - ») Archiv Wolfenbüttei Nr. 7097. —
*) Landesverordnungen L.-Detmold II S. 47; III S. 57.
KGnnecke. 87
— 678 —
und die Ordnung der Stadt Frei bürg im Breisgau von
1782^) hierher.
Nach der wolfenbüttler Ordnung von 1748 wird
das Verschleppen von £ß- und Trinkwaren aus dem
Hause oder sonstige heioüiche Veii>artiening mit Gefän^r-
nis oder Zuchthaus geahndet; ein ,,wirklicher Hausdieb"
aber soll nach dem! (biaunschweig-lüneburgischen) ILdikt
wider die Hausdiebe gestraft werden. Der Hehler erhält
den Lohn des Stehlers. Laut § 11 des detm>older Ge-
setzes von 1752 steht absolut Todesstrafe auf Veruntreur
imgen im' Werte von mehr als fünf Thalem. Wer etwas
von den Unredlidikeiten weiß, soll es anzeigen bei Kar-
renstrafe. Unter den Zusätzen von 1783 befindet sich
auch ein strafrechtlicher; verboten ist die Entwendung,
,,und also auch die tui Viehfütterung". Die frei bur-
ger Ordnung von 1782 kann an Grausanakeit mit den
weitestgehenden Kriminalgesindegesetzen aus der Mitte
des Jahrhunderts wetteifern, Untreue wird nach der The-
resianischen peinl. Halsgerichtsordnung Art. 94 § 11
mit dem Tode bestraft, ohne daß es auf den Wert, Ver-
zeihimg oder tätige Reue ankommt *). Als Untreue gilt es
sogar, wenn anvertraute Sachen absichtlich verdorben
werden, sowie (nach § 14) wenn für fremde Personen
Kost beiseite gesdhafft wird. Der Einkaufsbetrug kommt
milder davon ^): sechsfacher Ersatz, dazu mehrtägiges
Spinnhaus bei schmaler Atzung. So wird auch der bös-
gläubige Kaufmlann gestraft; beim dritten Male wird ihm
das Gewerbe entzogen.
Andere der seit Mitte des Jahrhunderts erlassenen
großen Gesindeordnungen schließen sich dem energischen
Vorgehen nicht an, sondern bleiben mit dem Kriminal-
Gesinderedit in ruhigeren Bahnen.
Die altenburger Gesindeordnung von 1744*)
') L. A. Karlsruhe. Baden GeneraUa 6891. ^ •) § 17. — *) § la
- *) Univ.-Bibl. Marburg. XVHI f B 11195.
— 679 —
stellt den Partierern, Wegstädeppem ti. dgl. unter den«
Gesinde hartes Gefängnis^ nach Befinden auch Zuchthaus
in Aussicht. Bei der Fülle von Todesstrafen, die anders-
wo verhängt werden, kann man schon die jenaische
Ordnung von 1751^} unter den milderen Gesetzen auf-
zählen. Betrug bei Ein- und Verkauf, Hausdieberei, Un-
terschlagung, bedingt auch die Partiererei haben Prangelr,
Zuchthaus und Verbannung nach sich.
In der eisenacher Gesindeordnung von 1757*)
steht zunädhst eine Mahnung an die Dienstherrschaften»
ihr Gesinde nicht zu Unredlichkeiten zu vteranlassen ; Un-
treue soll angezeigt, der Schuldige entlassen werden. Wäh-
rend weiter hjux § 12 auf Veruntreuung von Eßwaren und
Geld Lohn- und Dienstverlust androht, regeln die §§ 15
bis 18 die strafrechtliche Seite. Eine ganze Menge De-
likte werden da aufgezählt, die als wahre Diebstähle nadh
Schärfe der peinlichen Rechte mit öffentlicher Arbeit,
Zucht- tmd Spinnhaus, Pranger oder härter zu strafen
sind: Futter verkaufen, heimlich für Fremde Fuhren tun,
es nun' Schaden der Herrschaft mit den Handwerksleuten
halten, den übergebenen Samten nicht aussäen, Eß- und
Trinkwaren tmd andere anvertraute Gegenstände, insbe-
sondere das smmt Einkauf gegebene Geld behalten. Die
Mägde, die mit „Kerln", Wäscherinnen u. a. „Ränke;
spielen" werden besonders genannt; die Eltern oder son-
stige Angehörige der Dienstboten^ die sie zur Jntreue
verleiten oder ihnen gestohlene Sachen abnehmen, über-
haupt alle Hehler werden den Tätern gleich behan-
delt. In Weim'ar erging eine Verordnimg wider das
Borgen des Gesindes 1777*). Die Kaufleute erwerbesx
keine Ansprüche gegen die Kimden, die durch ihre Dienst-
boten Kredit nehmen lassen, es sei denn, daß ein Konto-
^) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S. 148, 146, 150. ^
^ Kr. A« Manchen. GR. Fasz. 402 Nr. 8. — *) Joh. Schmidt a. a. O.
S. 148, 144; oben S. 286.
87*
— 580 —
buch geführt, schriftlicher Erlaubnisschein vorgelegt wird
oder der Kaufmann sich binnen 24 Stunden bei dem
Dienstherm erkundigt.
Das Borgen auf der Herrschaft Namfen ist es auch,
bei dessen Regelung das hessische Straf recht die nacli-
ste Umbildung erfuhr. Das „Ausnehmen" von Waren
auf Rechnung der Herrschaft ohne deren Geheiß und
Erlaubnis war 1736 und 1752 mit Strafe belegt. Ks ist
bezeichnend für den schon angedeuteten, weiterhin ein-
geschlagenen Weg der hessischen Gesetzgebung, daß
durch die Verordnung vom" 16. September 1785*^) die
harte strafrechtliche Regeltmg teilweise durch eine bloß
zivilrec'htliche Ersatzleistung abgeschafft wurde. Die Herr-
schaft braucht für das von Dienstboten Erborgte dann
nicht aufzukominen, wenn sie nicht davon benachrichtigt
ist imd schriftliche Bewilligung gegeben hat. Damit ist
in Hessen die letzte Stufe auf deml Wege zur Vernichtung
der muntschaftlichen Stellvertretung erreicht. Vom klei-
nen Kaiserrecht bis hierher — es ist ein Weg, der wie kaum
ein anderer die Spuren der Rechtsgeischichte weisen kann ;
hier genügt es, auf das an früheren Stellen des öfteren
dazu Gesagte Bezug zu nehmten*).
1785 wurde in Hessen die erste Bresche in die un-
mlenschliche Verordnung von 1752 gelegt. Das ganze
wurde 1797 ») endgültig abgeschafft. Die Regiejnmg lehnte,
wie bekannt *), die Übemahimte der Strafordnung von 1752
4
ab, imd kehrte, von der 1765 geschaffenen halberstädter
Gesindeordnimg beeinflußt, zu den alten Gedanken des
hessischen Gesinderechts ziurück, wie sie 1736 aufge-
zeichnet worden waren. Die Strafen beimi Hausdiebstahl
süid die gleichen wie damals*), Gefängnis, beim ersten
Rückfalle Turm oder (in Cassel) Zuchthaus, beim zweiten
öffentliche Arbeit, oder nachBefinden, falls der Wert
») LO. VI S. 1215; oben S, 87 ff., 286. — «) Oben S. 87 ff., 286 f.
— •) LO. Vn S. 727. — *) Oben S. 97. - ») § 13.
— 581 —
des G^ohlenen 10 Th. übersteigt, Straagr; auch in der
Bestrafung der heinn Diebstahl beteiligten drittein Per-
sonen ist kbine Änderung eingieltlreten. Die GesindeoiS-
nung^ von 1797 *) erneuert in ganz m&lder Form" den 1752
kreierten Gedanken, glegien das Nasc'h^ der Dienstboten
besonders vorTmgehen. In verständnisvoller Würdigting
des Lebens der Di^enstbotetn sieht siei von einer Bestrafung
überhaupt ab ; sie gibt 'der Herrschaft ntu: das Recht, den
Dienstbolten, „wienn er sich dturch' zweymialigei Warnung
nicht hat abischreüken lassen, ohne Abschied^ und insofern
es MannsTßersonen sind, mit ZiuiiCkbehaltung der ganzien
LivTÖe fortzusdiickien**. Unter Weglassung der spezifisch
agrarischen Delikte (urie Nichtaussäen dtls Samlens) droht
§ 15 einei besondere Strafe*, näinlidh ^wei Jahre Zucht-
oder Spinnhaus, delmi Einkiaufsbetmg, sowteit er unter 5
Thaler Wert bleibt; geht er 'darüber hinaus^, dann ist
der Fall detnl (ordentlichen) Kriminalgericht zu übelrgebeiL
Das Borgen auf der Herrsühlaft Naimleln ist tmter Über-
nahme der Verordnung von 1785 gteregelt*).
Neu ist: 1797 diel Ktmdbarmjach'ung der Strafen, die
in, § 16 angeordnet ist: „Dam&t a,ber die hier angedrohten
Zucht- lund Spinnhaussltrafen desto sicherer zu Jedetrmanns
Wissenschaft gelangten mlögen, di6 Heirrschaften daher
vor der Annah!m!e solcher untreuen Dienstboten sich ge-
hörig in Acht nehmten können, und das Gesinde selbst
um so mehr ewnimtert: werden mögpei, die s<:h'uldige Treue
auf keine Weise ta Verleftzen, indelml es sichter vorauissieht,
<laß seine entdeckten Betrügereyen nicht blos wenig'en
Leuten, sondern dem' ganzen Publidum- bekannt i;^rden,
und also sich selbst der Gelegenheit berauben würde, bey
einer andern Herrschaft wiedieir armikomlmen; so yerord-
nen Wir femer, dass der diebisch^ Dienstbolie atissler jenen
Strafen auch noch an den Schandpfahl angestlellt, und
durch die Strassjen heitunigeführt werdein solle."
*) Vgl. auch oben a 676 f. — •) § 17.
— 582 —
Es ist nur wenig, was die Gesindeordnting fürs plaCte
Land von 1801 ^) von ihrer städtischen Vorgängerin trennt«
Sie straft den Hausdiebstahl und all die nun natürlicb
angeführten agrarischen Vergehen (Futterentziehen, Sa-
nnen unterschlagen, Fremden arbeiten) nach dem gleichen
System wie jene. Die Strafen auf Betrug beim Einkauf
sind individualisiert. Auf den ersten Entdedkungsfall stellt
willkürliche Strafe, wenn das Objekt unter 5 Thalem
bleibt. Ist es miehr wert, oder handelt es sich um 6en
rweiten Entdedcungsfall, dann komimt der Täter auf zwei
Jahre ins Zucht- oder Spinnhaus. Ausstellung am Schand-
pfahl tmd Herumführen durch die Straßen sind beibe-
halten. Naschen sowie Borgen auf der Herrschaft Namen
werden nicht viel anders behandelt, als es 1797 geschah ;
1801 wird auch das Verschenken von Eßwaren unterm
„Naschen" behandelt, während 1797 der Fall noch nicht
berücksichtigt wurde. Die Behandlung der Anstifter und
Hehler ist dieselbe wie 1797.
In Sayn-Wittgenstein schuf die Polizeiord-
nung von 1776^) ein verhältnismäßig mildes Strafredit
in der Art, daß auf Gesindediebstählen in der Regel Ge-
fängnis oder Schubkarren, Triller, Halseisen standen, wäh-
rend der Diebstahl von Eßwaren imd Futtermitteln mii-
Uer geahndet wurde. Die Diebesgenossen traf gleiche
Strafe. Für jeden veruntreuten Pfennig diufte die Herr-
schaft dem Gesinde einen Groschen am Lohne abziehen,
aber nicht für sich behalten ; sondern sie mußte das Geld
der Polizei abliefern. Die ravensberger Gesindeord-
nung von 1766») bestraft imtreue Dienstboten und ihre
Helfer als Diebe mit Halseisen und Zuchthaus.
Nach der clevischen Gesindeordnung von 1753*)
werden Betrügereien mit Halseisen, Gefängnis „und so
«) LO. Vm S. 26, — •) Univ..Bibl. Marburg, - •) Ravensberger
Blätter mr Geschichts-, Volks- und Heimatskunde 1909 S. 62. —
*) Scotti, Cleve & 1462.
— 583 —
weiter** bestraft; so wenn bemii Einkiatif M viel berechnet,
weniger Maß und Gewicht gebracht wird^), wenn diel
Dienstboten sonstwie mit Krämern, Höckern, Wirten
Durchstechereien machen. Außerdem wird den Dienst«
boten für jeden der Herrschaft entzogenen Deut*) ein
Stüber vom Lohne abgezogen. Die von Strafe absehende
Regelung des Einkaufsbetrugs wurde an früherer Stelle >)
erwähnt. Fast gleich, um das agrarische Delikt des Fut-
terdiebstahls (in § 16} vermehrt, ist auch das Straf recht
in der clevischen Gesindeordnung fürs Land von 1769 *) ;
hier wird außerdem' noch auf einige Edikte vom 9. Ja-
nuar tind 29. Oktober 1769 verwiesen*). Ami 11. August
1771 brachte Cleve ein Edikt gegen die Veruntreuung des
den Postillonen und Dienstknechten anvertrauten Futters*)»
Aus Süddeutschland ist zunächst Würzburgs zu
gedenken, dessen 1748 entstandene Gesindeordnung') in
§ 12 einen besonderen Untreuefall erwähnt, das Behalten
des für Einkäufe mitgegebenen sogenannten Kesselgeldes ;
die Herrschaft darf dem Dienstboten dafür Lohnabzug
machen, und außerdem bekommt der ungetreue Diener
nach der Zahl der Rückfälle gestaffelte Freiheitsstrafe«
Ein ähnliches Delikt fand ami 29. Februar 1762 seine
Regeliuig ^). Es hatte sich herausgestellt, daß das Fleisch
von einigen Metzgern nicht ordentlich ausgewogen ver-
kauft wird, und daß dies daran liegt, daß die Zuwag-
beine fehlen. Es ist möglich, daß die Dienstboten diei
Zuwag imterwegs hinwegschaffen oder in den Fleischer-
bänken zurücklassen. Das wird ihnen fürs künftige bei
Freiheitsstrafe verboten; die Herrschaften sollen ent-
deckte Mängel der Obrigkeit anzeigen. Vom' allgemeinen
Zug des damaligen Gesindestrafrechts ist Würzburg nicht
berührt worden.
') Oben S. 285f. - *) Kleine MOnze. - «) Oben S. 285, 286«
- *) Scott! & 1894. - •) § 66. - •) Scott! S. 1966. - 0 Landes-
verordnungen Würzburg II S. 689. - •) Ebenda S. 772.
- 584 -
Die ans bat her Gesiadeordatmg von 1769^) ver-
bietet, einem Dienstbotein ohhe Vorwisseü der Herrschaft
etwas für diese ta borgen; wer eis gleichwohl tut, Verliert
seinen Anspruch, es sei denn, daß die) Herrschaft ein
Kundenbüchlein bei dem' borgendem Kaufmann führt. Et-
was von Dienstboten ohne Zustimimtmg der Herrschaft zu
kaufen, ist untersagt. Der Gesindedieibstahl wird als or-
dentlicher Diebstahl angesehein tmd gestraft; Helfer und
Hehler gelten den Dieben gleich.
Fälle von Gesindeuntreue, die zur Peinlichkeit quali-
fiziert sind, .vierweist das österreit^hischei Recht der
Gesindeordntmgen von 1765*) und 1784') vor den pein-
lichen Richter. Bloße Polizeistrafe ist zulässig in den
Fällen, wo der Wert des Gestohlenen einen Gulden nicht
übersteigt *).
») Kr. A. Nürnberg^S. 28 V Nn 779 Repert 288; oben S. 286.
— •) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. — •) Dorn S. 240. —
^) Wieweit der Gang der gesindestrafrechtlichen Entwicklung des
18. Jhdts. durch die gleichzeitige Kriminalwissenschaft beeinflusst
worden ist, sei dahingestellt. Beccaria wurde rasch in Deutschland
bekannt; die erste italienische Ausgabe erschien 1764 (K, von Zahn,
Karl Ferdinand Hommel S. 22), 1766 und 1767 folgten deutsche Ober-
setzungen (Beccaria ed. Hommel S. XII; von Zahn a. a. O. S» 80).
Vielleicht geht die Milderung der Strafen, wie sie nach den strengen
Gesetzen aus der Mitte des Jhdts. einsetzte, auf Beccarias Kampf
wider grausame und zwecklose Strafen, vornehmlich die Todesstrafe
(Beccaria a. a. O. S. 186 ff.), zurOck. Hommel seinerseits hat viel-
leicht weniger dazu beigetragen, die Gesetzgebung wider die Gesinde-
delikte milder zu gestalten. Zwar will er den Hausdiebstahl als An-
tragsdelikt behandelt wissen (Beccaria, EinK S« VI). Aber die von
Hommel durchgeführte strenge und sehr vernQnftige Scheidung von
Polizei- und Kriminalstrafen (Beccaria, Einl S. XXXIV f.) musste einer
milderen Betrachtung einzelner Gesindedelikte etwa im Zusammen-
hange einfacher Polizeivergehen — wie es in früherer Zeit möglich
war — hinderlich sein. Denn alle tatsächlichen Unredlichkeiten
unterschieden sich doch zu offenbar von dem Hommelschen Begriffe
des Polizeidelikts; „Unverständigkeiten und Fahrlässigkeit, nicht
Sünden, nicht Verbrechen" hat die Polizei zu ahnden (Beccaria, EinL
- 585 —
Vom Recht des frühen 19. Jhdfe. soll nur Weniges
aus einigen Territorien angeführt weirden. Die: große Ge-
siiideordnung für die Stadt Düsseldorf von 1809^)
gesteht der Herrschaft das Recht ru, den Dienstboten bei
unbeträchtlichen Veruntreuungen zu entlassen. Ist die Un-
treue bedeutend oder handelt es sich gar u!ml Hatisdieb-
stahl, dann mtiß die Herrschaft dies unter eigeiner Ver-
antwortung bei der Justizbehörde anzeigsejn. Später, am
16. Februar 1814 *), ergeht die Bestimtaung, daß die Hau»-
diebstähle in thesi zwar den Charakter als Kriminalver-
brechen behalten sollen, es aber (imi Gegensatz ziun fran-
zösischen Recht) dem' Richter gestattet ist, bei mildernden
Umstäniden auf eine korrektionelle Strafe zai erkennen,
die aber nie unter sechs Monaten sein darf.
Des örtlichen Zusiamimenhanges wegsein sei weiter ein
Ausschreiben des clevischen Obeirbergamtes vom 2.
Juli 1816') hier angeführt, das eine besondere Art von
Betrügerei treffen will. Es waren Beschwerden eingelau-
fen, Idaß Knechte ihre Herrschaften bei der Steinkohlen-
anfuhr zti betrügen versüchtrai, indem' siei Erhöhung der
Preise vorgeben, oder auf eine andere Grube fahren, wo
die Kohlen dann billiger imd schlechter sdnd. Die Söhicht-
meister werden daher ernstlich angewiesen, jedetm Fuhr-
mann ohne Ausnahme den üblichen Ladeschein ta er-
teilen, auf deml außer dem geladenen Quantum audh der
Name der Grube und der Preis genannt sind.
Aus dem' Jahre 1816 stammt auch die hessen-
fuldische Gesindeordnimg*). Zwischen 1801, dem
Jahre der großen iallgelmlein-heissischen Geisindeordnung,
und 1816 liegt der Beginn einer neuen Zeit. Es gibt
S. XXXV, XXXIX f.). VgL im allgemeinen die oben genannte sorg-
^tige Studie Karl von Zahns Ober Hommel, Beccaria, und die
praktischen Erfolge ihr Theorie.
*) Scott!, Jülich S. 1262» — ") Ebenda & 1660. - ») Scotti,
Cleve S. 2946. — *) Möller-Fuchs S. 118.
— 686 —
keine Todesstrafe nüehr für den bloßen Gesindediebsiahl;
das erste Mal Gefängnis, das zweite Mal Zuchthaus -
weitere Rückfälle sind gar nicht genannt. Und auch eine
Summe, wonach die Strafe sich belrechneai soll, ist an
dieser Stelle nicht miehr zu finden. Anstifter und Hehler
sind auch 1816 nach Befinden mit strengerer Stiafe zu
behandeln als der Täter. Naschende Dienstboten können
fortgeschickt werden, mit allen Nebeinbestimmungen wie
1797 imd 1801. Eine Neuerung ist, daß der wiederiwK
beim Naschen betretene Dienstbote 24 Stunden ins Ge-
fängnis komoien soll. Einkaufsbetrug hat künftig schwere
Gefängnisstrafe, nadh Befinden auch Zuchthaus nach sich;
handelt es sich um' einen Wert von mehr als neun Gulden,
dann geht der Fall an die peinliche Gerichtsbehörde. Der
Schandpfahl ist ersetzt durch die Publizierung der Be-
strafung im: Provinzial-Wochenblatt.
Fürs 19. Jhdt. mag dann noch für Süddeutschland
ein Ausschreiben der kurfürstlichen Landesdirektion Neu-
bürg vom' 10. Januar 1803^) genannt sein. Schlosser-
meistern und ihren Gesellen droht es Strafe für den Fall,
daß sie an Dienstboten oder „nicht genug ver-
traute Personen" Schlüssel nach Abdrücken fertigen; <Bes
wurde schon in den Handwerksartikeln und dem' vater-
ländischen Gesetzbuch angeordnet, aber nicht genügend
beachtet. Die badische Gesindeordnung von 1809*)
begnügt sich mit einer Verweisung des untreuen Gesindes
an den peinhchen Richter, je nach Beschaffenheit des
Falles ®).
Die Schriftsteller, die das ostdeutsche Gesinde-
recht behandelt haben, schweigen fast ganz über die ältere
Entwicklung des Deliktrechts. Nur eine Mitteilung über
Kursachsen*) läßt sich hier verwerten, wonach ^
') Döilingers Gesetzsammlung XIII p. TL S. 1848. - *) ^J^
Karlsruhe. Provinz Niederrheia Gesindepolizei Lit B. Nn 1- ^^
bis 1809 (IV 2). — «) § 80. — *) Wuttke S. 166.
— 687 —
bis zunt 16. Jhdt. die Ansicht herrschte, daß der Haxis-
diebstahl milder zu bestrafen sei als andere Diebstähle;
1572 freilich wurde der Unterschied beseitigt. Die Ge-
sindeordnmigsen von 1735 und 1769 ^) straften Dienstboten,
die auf einmal oder nach und nach mehr als 12V2 Thaler
Wert gestohlen haben, mit dem Strang. Einkaiifsbetrug
sollte nur mit zwei Tagen Gefängnis, das zweitemal aber
schon mit dem Pranger, das drittemal mit Zuchthaus ge-
straft werden. Hehler und Helfer sind den Dieben
gleich •).
£inem: Irrtum sei 2um Schlüsse dieses Abschnittes
noch vorgebeugt. Es sollte hier prinzipiell nur die
gesetzliche Regelimg behandelt werden, welche die
Pflicht des Gesindes zu ehrlichemi Verhalten im Laufe
der Zeit erlebt hat. Auf unehrliches Verhalten standen
damials wie heute Strafen. Man kann hier also von „Ge-
sindestrafrecht", wenigstens im engeren Sinne, reden. Aber
die Strafen auf UnehrUchkeit sind, wie sich' aus dem in
den früheren Abschnitten Mitgeteilten schon zur Genüge
ergibt^ und wie die späteren Kapitel noch offenbarer zeigen
werden, bei weitem nicht die einzigen, die das Gesinderecht
kennt. Man könnte ohne große Übertreibung sagen : Fast
überall, wo eine Pflicht des Gesindes statuiert ist, ist auch
eine Strafe zi^ finden, mag das Verlangte auch noch so
ferne von dem sein, was wir von heute etwa als „kriminell**
ansehen. Kaiun auf einem andern Rechtsgebiete nimmt
das Sonder straf recht einen so großen Raum' im Rechts-
system ein wie gerade beim Gesinderecht.
^) Codex Augusteus 1. Forts« 1. Bd. Sp. 624 ff,, bes. 684, 685 ;
^. 967 ft, bes. 980. — «) Über das strenge Strafrecht in Flandern
siehe Behaegel, Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin du
comit6 central du travail industriel 1905 S. 656, 657, 662, 668). Über
Prankreich de Ryckere, La servante criminelle S. 55 tt, 60.
- 588 —
S 8. PflUchten der Herrschaft.
1. Die LohnzaMimg.
„Verdienter Lohn schreit zu Gott", sa^ das Sprich-
wort*); „sieht, der Arbeiter Lohn, die euer Land eangtr
erntet hkben, der von etiCh abgebrochen ist, der schreiet,
tind das Rufen der Emter iäi gekomlmen vor die Ohren des
Herrn Zebaoth", heißt es in der Bibel (Jak. 5, 4). In
dem' ehrlichen Recht deis Mittelalters* findet dieste Auf-
fassting Von der Unvörletzlichkeit deis Lohnanspruchs der
niederen Arbeite!r häufigen und gründlichen Ausdruck;
später sollte es anders wetden. Auf die verschiedenste
Weise wurde so aiicb' delral Geisinde sein Recht geschützt:
durch Strafen wider die Herrschaft, die sich umi Lohn
verklagen läßt, durch! Vorschriften über die Zahlungs-
zeit des Lohnes, diurch ein bieivorrugtes Pfandrecht tmd
durch besondere Beweisregeln. Diese besonderein Arten
der Regelung finden wieder vorbildlichle Ausbrüche in
der Bibel; und auch das Sprichwort stellt das Herrschen
gleichen Brauches fest.
„Gebbt den Leuten ihren Arbeitslohn, ehe ihnen
der Richter densfelbfen zweifach zuspricht" *) ; dies frie-
sische Sprichwort erhielt während des Mittelalters in
anderen Gegendem Deutschlands noch stärkere Bedeiutung
durch gesetzliche Fixierung. Ein Rechtsbrief für Pas^sau
aus 1300 ^) ist an erster Stelle zu nennen : „Uf wen man
chlaget umlb gamtz Ion ^), daz man mit dem Swaeizz ver-
^) S im rock, Sprichwörter S. 246; Estor, Deutsche Rechts-
gelehrsamkeit S. 206. Vgl. auch Sickel, Vertragsbruch S. 168 ff.;
R. C, Benningsen, Vom Pacht und Verpacht der Gflther (Leipzig
1771) S. 228f. — «) Wiarda, Wirtsch. Verhältnisse Ostfrieslands
S. 76; auch KL Kaiserrecht II 81. — •) Alezander Erhard, Ge-
schichte der Stadt Passau S. 106 ff., bes. 108. — *) Schmeller,
W.-B. I Sp. 146. Gamtz Ion kommt von arnen, gewinnen, Stamm
ömten. Diese Bedeutung ist die wahrscheinlichere. An einigen
Stellen des Ruprechtschen Rechtes (II 81 ff.) trifft man bisweilen die
— 589 —
dient hat, der sol dem chlagaer zwispdl geben, dem Rih-
taer zwey tmd sibenzikh phenning". Weiter setzen das
lÄünchener Stadtrecht*) und das Rechtsbücb Kai-
ser Ludwigs*) fest: „Swaz ain ehialt seins geaxnten
Ions behabt mit dem rechten gen seiner herschaft, des
sol man den ehalten wem des selben tags mit pfant oder
mit Pfenning; wer sidh anderstunt darumb laet chla-
gen, der fletist (= verleiust) 72 dn. .." Mit Geld strafte
auch eine dem 15. Jhdt. angehörende Ordnimg Über-
lingens^); aber gleicht Strafe muß zahlen, „welcher
ainen bedagti imib lidlon, und sich erfund, das es nit
lidlon waer**. Eine große Anzahl sdhweizerischer
Weistümer*) setzte Geldstrafen wider die Herrschaften
fest, die sich xmii Lidlohn verklagen ließen. Einen Gul-
den hat nach dem adelsheimer Stadtrecht von 1527,
neu redigiert 1596 ^J, der zu zahlen, „welcher . . . seine
knecht oder mägd umb den verdienten lohn ohne recht-
messige Ursachen nicht bezahlen oder sonsten zu zahlen
verursacht würd**.
Form „geordnetes" Lohn. Doch entspricht die von Schmeller ange-
nommene Erklärung mehr der Bedeutung auch des Wortes Lidlohn;
das ist der Lohn, der bei der Wanderung gezahlt wird (unten S. 691),
Vielleicht soll der gamtz Ion der Lohn sein, den das Gesinde nach
Beendigung der Ernte, vor dem Dienstaustritte, erhält, jedenfalls aber
der „erworbene", gewonnene Lohn (vgl, auch bayr. Rechtsbuch 1846
Art 90, mOnch. Stadtrecht Art« 140). Für die sprachlich mögliche
Herleitung von „ordnen", anordnen, festsetzen wQrde sprechen, dass
ursprünglich der Herr kraft seiner Munt den Lohn einseitig setzen
I^onnte, ohne dass das Gesinde eine Entscheidung hätte (darüber
unten S. 606 ff.).
*) Au er Art. 137, 186. — *) Rockinger, mOnchener Sitz.-Ber.
1873 S. 899 ff., bes. 448. - ») Grimm, WeistOmer V S. 218 ff., bes.
216; die spätere Fassung von 1532 (Oberrh. Stadtrechte II 2 S. 862 ff.,
bes. 868) ist verdorben und nur durch den früheren Wortlaut ver-
ständlich. — *) Grimm, Weistümer I S. 126, 211, 281; IV S. 411;
^19; V S. 128, 140, 160, 187, 190; VI S. 845. - ») Oberrheinische
Stadtrechte I S. 648 ff., bes. 675.
— 690 —
In besonderer Bedeutung kommt eine verstärkte
Lohnzahhingspflicht in eineml 1446 zwischen Mitgliedem
der Familie von Boineburg vereinbarten Burgfrieden
ihres Schlosse ^) vor. Da heißt es, nachdem; vorher von
der gemfeinschaftlichen Benutrung des Schlosses die Rede
war : „Ouch so sfuUen und wuUen wir eintrechtlichen thor-
wertere, wedhtere und husslute mieden tmd da sal unsir
eyner deme andern getruwelichin zu helff in, imd wan die
tddt kom!pt, daz man en er loen gebin sal, so sulko
und wuUen wir en er loen gutlichin und unvorzoglichin
gebin, ydermian noch siner anzai noch altem berkomineD,
und wilchir ünsir darane sumig wurde im.d sinen teil
loens nicht engebe, deonie adir den suUen sie ire eselc
alle uff halden, und emie kein halc^ adir wassir uff imsir
borg füren adir trijbin lassin, adir sich derzu keinerley
gebruchin lassin, en sy dann er Ion gutlich bezalt und
gegebin, adir en sij darumjb wille gemacht, daz en gnuge.
Und darimiib so slal unsir keyner mit den obgenanten
thorwertem, wechtem uns hussluten tzornen, reden adir
sie darumb vordendken, in keyne wise, an geverde". Hier
ist der besondere Grund für einen so weit gehenden Schutz
des Lohnanspruches wohl nur der, daß die Herren von
Boineburg, die das Gesinde für gemieinsame Rechnung
mieteten, nicht für die den einzelnen säumigen Lohn-
schuldner treffenden Schuldposten solidarisch einstehen
wollten. Das Interesse des Gesindes allein oder auch
nur hauptsächlich hat kaum! veranlaßt, daß der Burg-
f riedensvertrag mit einer so weitgehenden Bestimmung be-
lastet wurde.
Die Zahlungszeit als Veranlassung der Zahlungs-
pflicht wird nach Tagen oder nach längeren Zeiträumen
festgesetzt. Vornehmlich für den Tagelohn gelten die
Stellen der Bibel : „Du sollst dem- Dürftigen und Armen
^) St A. Marburg. Boineburgsches Archiv.
— 591 —
seinen Loh!n nicbt vorenthalten ; er sei von deinen Brüdern
oder Fremdlingen, die in deinem Lande und in diesen
Toren sind; sondern sollst ih!ml seinen Lohn deis Tages
geben, daß die Sonne nicht darüber untergehe;
denn er ist dürftig imd erhält seine Seele damit, auf daß
er nicht wider dich den Herrn anrufe, imd sei dir Sünde." ^)
Darin ist zugleich enthalten, daß der Lohn eirsft am) Abend
nach der Arbeit gezahlt werden soll. Demi ientspricht
die Bedeutung des deutschen Wortes „Lid lohn": Es
ist der Lohn, der nach Beendigiuig einer Arbeit ausr
gezahlt wird, wenn der Arbeiter aus seiner Stellung ent-
lassen wird (lid = Wanderung)*).
Im alten deutschen Rechte kommt dieser Gedanke
oft zum' Ausdrucke. Das münchener Stadtrecht') be»-
stimmt: ,,Swaz ain ehalt seins gearnten Ions behalt mit
dem rechten gen seiner herschaft, das sol man den ehalten
wem des selben tags . . .'\ Besonders häufig findet sich
der Grundsatz im! Recbt Hessens und seiner Nach-
barländer. Das kleine Kaiserrecht drückt ihn so
aus*): „Welch knecht einem manne dienet biz an die
zit, die er im' gelobet hat, dem sal man sinen Ion gebeii,
e er us sins mjeisters htise scheide**. In einer Lohnordnung,
Üie 1424 der Graf zu Nassau mdt Nachbarn verein-
barte*), wird den Dienstherren aufgegeben, alle Viertel-
jahr dem' Gesinde den Lohn zu geben: „. . . unndt solde
den auch den Dienstbotten alle vierteil Jahrs Ihren lohn
nach antzall gütlich geben, Sie wollen denn mit willen
den lenger anstehen lassen . . .**. Eine besondere Deut-
lichkeit in der Begründtmg bringt das Weistum* des nahe
') 5. Mos. 24, U, 15; femer 8. Mos« 19, 18; im Gleichnis vom
Weinbei^ Iflsst der Herr den Knechten den Lohn a m A b e n d durch den
Schaflfoer auszahlen (Matth. 20, 8 ff,). — •) Grimm, Wörterbuch VI
Sp. 994. — •) Auer S- 64 (Art 187). — *) Oben S. 17. - ») Gaul,
Verhältnisse des Bauernstandes im Fürstentum Solms - Braunfels
S. 127ff., bes. 181.
— 592 —
der hessischen Grenze liegenden schaumb^urgischen Ortes
V e h 1 e n *) : „Wenner dat einer einen knecht oder maget
hedde und oh!m!e tmelich diemde, also dat men ohnen
keine s^Aitilde geven konde, wo lange sie obres verdienen-
den lohns missen schplden? So lange men ethen und
drinken entrathen kan*'. Auch zwei mit Hessen noch näher
in Beziehung stehende Weistümier bringen den Gnmdsatx
fürs Gesinderecht. Das Weistura von Kaltensund-
heim*) verpfhchtet 1447 den Dienstherm, den Dienst-
lohn ru zahlen „bey scheynender sonne". In einem! hep-
penheimer Weistum von 1497*) heißt es: „Was lied-
lohn antrifft, soll, so der bekantlich verdient ist, von
zeit der clage bisz zum' 32. (var. : 3.) Sonnenschein tisz-
gericht und bezahlt werden". In Marburg urteilten die
Schöffen 1522 so*): „Zwischen der Westvelingerin und
irer magt nach verhör, clage und antwtut erkennt der
scheff : dweil das mfetgen ein jar bei ir gfewest, sol sie
ime bei sonschein zaln . . .". Von einem Ave Maria bis
zum andern muß nach den Rechtsgebräuchen der Stadt
Bot war in Württemberg von 1552^) der Lidlohn ge-
zahlt sein.
Auf andere Weise verfügt das Recht des Billwär-
ders®) eine Beschleunigung der Lohnzahlung im Ver-
gleich zu anderen Forderungen : „Unmie alle schulde de
me eneme tolecht an gherichte, dar mach he de tucht
unune hebben beth tome negesten richte, uthgenomen
vordenet 1 oe n, tegheden, herenschat, gaerspise unde hure,
*) Grimm, Weistümer III S. 815. — •)Oben S.22flf. — •) Grimm,
Weistümer V S. 631. — *) Abgedruckt in modemer Orthographie
bei Stolz ei, Gel. Richtertum II S. 76; hier nach dem Original, dem
marburger Gerichtsbuche von 1622 Bi. 11, 15 im St A. Marburg. -
•) Reyscher, Statutarrechte S. 484flf., bes. 488. — •) Lappenberg
I S. 321 ff.; tucht = Verzug; tegheden = Zehnten; herenschat =
Abgabe an die Herrschaft; gaerspise s fertig bereitete Kost; hure
= Miete; Schiller-Lübben IV S. 626, 518, II S. 248, 12, 336.
— 593 —
dar schal he van staden an to antwerden, unde we des
vorwunnen werd, de schal den bynnen achte dachen be-
talen." Also nur der Lohn und die paar wenigen weiter
genannten Forderungen sollen an dem Privileg teilhiaben *).
Das ältere Recht gab dem' Gesinde weiter einen be-
vorzugten Anspruch auf Pfandbestellung seitens der mit
dem Lohne rückhaltenden Herrschaft^). So heißt es in
einem Weistume von Haßlocih aus 1492*): will die
Herrschaft den Dienstboten keinen Lohn geben, „so soll
in der amjbtman pfand geben und soll kommen der ihr
beclagen. Die pfand soll er behalten also lang, biss er
ungessen mag gesein". Gibt der Herr das Pfand nicht
freiwillig^, dann verfällt er noc^h in eine besondere Geld-
strafe. Ebenso ist die Anordnung in den Rechtsgebräu-
chen der Stadt Bot war von 1552*). Auch in Amior-
bach mtiß ein ähnliches Recht bestanden haben, wie
sich aus der folgenden Stelle des Gerichtsbuches von
1437*) ergibt: „Item hartman hirtz son clagt von der
alten wissen, daz er jm' gedingt habe und solichen lidelon
gebe er jm nit. Und als er daz an jn fordert, do gebe
er jm eyn phant. Darnoch do fordert er aber an jn sin
gelt, und sprac'h, man wolte jm off daz forder sin phant
nicht lijhen oder geben, oder aber solte ym die phant
bessern und ander phant geben. Dez weret er jm de phant
0 Ober den Tag der Lohnzahlung bei wahrendem Dienste
— also ohne Rücksicht auf die Dienstbeendigung — wird nichts be-
stimmt. Die loshauser Gesinderegister (Sl A. Marburg) beispiels-
weise ergeben, dass der Lohn ohne Regelmassigkeit in Teilbeträgen
das Jahr Ober ausgezahlt wurde. Der dritte Weihnachtstag ist in
Hessen bei den Bauern ein bevorzugter Zahltag, besonders auch für
den Lohn (Hessler, Landeskunde II S* 8U). In Hann.-M finden war
der Cäcilientag (22. November) Zahltag für das Vogteigesinde (Viertel-
jahrsschr. fc Soz.- u* Wirtschaftsgesch. I S. 88 ff., bes. 87). — «) Über
das anders geartete Vorzugsrecht des Gesindes beim Tode und im
Konkurse des Herrn unten § 12. — •) G r i m m , WcistOmer V S. 577 ff.,
bes. 680. — *) Reyscher, Statutarrechte S. 4M&, bes. 488. —
*) Habeische Sammlung.
Konnecke. 33
— 594 —
uff recht und wolte jm wedder gelt noch phant geben.
Ist jm leider dan IUI g^ulde/* In dem Forstding auf dem
Harze zu Goslar aus 1452^) heißt es s^ogar: „Bekende
he (der Herr) der schuld, de moste he lesten myt borgen
edder panden, edder moste sulve pand wesen." Nach
der Spitalordnimg Ueberlingens*) darf die Herr-
schaft bei Geldstrafe kein „imnutz pfand" geben. Und
in* Stadtrechte von Horb*) wird ausnahmsweise den
Dienstboten gestattet, die Pfandstücke ohne Abwarten
gleich zu verwerten: „und die pfand imvertadinget uff
stund verkoffen" *).
Eine mit all diesen Rechtssätaen eng verwandte
Gruppe von Rechtsgebilden soll hier im! Zusammenhange
dargestellt werden, bevor zu den Entartungen der hen-
schaftlichen Lohnzahlungspflicht in der späterem Zeit
übergegangen wird. Es handelt sich um) das Beweis-
recht, für das dem Gesinde bisweilen eine Vorzugs-
stellung eingeräumt wird. Dem um Dienstlohh beklagten
Herrn wurde von einigen Rechten der dem) Bddagten
*) Grimm, WcistOmcr III S. 260 flF., bes. 264. - *) Ebenda
S. 213 E, bes. 216; Oberrhein. Stadtrechtc H 2 S. 862 flF., bes. 368. -
•) Schmid, Geschichte der Pfalzgrafen von Tübingen, Urkundenbach
S. 247 flF., bes. 262. - *) Der umgekehrte FaU, eine Pfändung des
Gesindeeigentums durch Herrschaft oder Dritte, wird gelegentlich
einmal geregelt, was hier angemerkt sein mag« Im alten lobischen
Rechte wird bestimmt (Hach S. 670) : „Neen wert oflfte werdinnc
mach crer geste gudt besweren eflfte inwaner vor ein pandt, sonder
se mögen dat tuegen mit twen beseten borgeren, dat idt en vor ein
pandt gesettet is. Also is dat ock umme knecht unde maget, siinder
idt were also, dat se idt vor der tidt, eer se geste oflfte denstbodcn
weren entfongen hadden, efte na der tidt, dat se van en gescheden
weren/* Hier wird gesagt, dass den Dienstherren ein gesetzlkbes
Pfandrecht an der Dienstboten Sachen nicht zusteht, dass ein Pfand-
recht nur dann rechtlich wirksam sein soll, wenn es ausdrücklich
oder ausserhalb der Dienstzeit begründet wurde. Eine Vorschrift des
miltenberger Rechtes von 1879 (Oberrh. Stedtr. I S. SOTfi:, bes.
314) verbot auch die Pfändung von Dienstboten durch Aussenstehendc
in gewissem Umfange.
— 595 -
sonst rustehende Unschtildseid versagt, und deml Dienst«
boten g'estattet, seine Fordenmgr durdh Eid zu erhärten.
Wenn der Sac'h'senspiegreP) sagt: „Versachet
man ou^h in ires loneis von eime jare oder von eimie halben,
daz mtuzen si wol uffen heiigen behalden", so kiann man
eine ^Erklärung für diese Sonderbildung darin siehen, daß
es sieh imi Ansprüche handelt, die nach dem* Tode des
Dienstberm vom Dienstboten gegen die Erben geltend
gemacht wierden ; der Dienstbote schwört hier über eigene
Wahmehmtingen, von denen die Erben nichts wissen
können.
Aber andere Rechte gehen weiter, und bestimmen
Gleiches für die Klage unter Lebenden, so daß also jene
Erklärung auszruscheiden hat. Von dem! freybergeir
Recht von 1294*) abgesehen, sprechen besonders deut-
lich die Statutarrechte der westfälischen Stadt Rüden
aus dem Jahre 1310*): „We den anderen wyimet in ge-
richte ind schuldiget ene uimlme syn vordende Ion van
unvoryardem' denste, dat Ion mach he vorstan myt synem
rechte, ghegien den he beschuldiget. Simder einwolde he
des loneis nicht verstan mlyt synem rechte, und wil dan
de beschuldigede dar syn luischult vore doin, dat he emie
van denste nicht schuldig ensy, de Unschuld sal he dan
van emie nemen simder vorder deghedingei."
Noch weitere Rechte Niederdeutschlands stehen auf
dem Standpunkte, daß das Gesinde bei seiner Lohinklage
gegen den Herrn ausnahimisweise näher dem Eidd ist.
Die Rechte von Ham^burg, Lübeck, Bratln-
schweig, Celle, Bremlen, Oldenburg, Stade,
Goslar imd Verden*) ordnen in tmgefährer Überein-
') II 22. — «) Hertz 5. 86. — ») Seibertz, Urkundenbuch II
S.69ff., bes. 88. — *) Labeck (Hach) Art. 347; Hamburg (Lappenberg
1 S. Iff.) Buch Vra Art 2; Bremen (ÖHchs S. 116, 389, 427) 1803
Stat 84, 1428 Stet. 40, 1438 Stat. 74; Oldenburg (ebenda S. 817)
Art. 86; Stade (Pufendorf, obs. iur. I app. S. 163) VIU 2; Goslar
38»
— 596 —
stimimting an: „Eyn juwelik mensche de denet, mocht
vor rechte holden upten hilgen syne manasle, dat is XL
pennynge. Schuldiget he over synen heren ofte syaer
vTouwen iim!me syn Ion, dat scholen se eme gheven ofte
mit ereme rechte dar vore stan" (so Lübeck Art. 347).
Was „mtanasle** bedeutet, ist streitig*). Schiller-
Lübben*) erklären das Wort mit „Mietgeld", geben
freilich die Fraglichkeit ihrer Interpretation zu. Hertz')
nimmt im Anschluß an Maurer*) an, daß manasle mit
Lohn gleichbedeutend sei. „Esne*' war eine eigene Klasse
Unfreier *), nach Maurers begründeter Vermfutung hießen
vielleicht jene Unfreien so, die im Gegensatze zu ckn
unbesoldeten Knechten einen Mietlohn bekamen ; „asnen"
„hasnen" ist Lohn, Miete, Heuer *). Der Deutung Schiller-
Lübbens widerspricht schon die Höhe der angegebenen
Summen; vierzig Pfennige und auch die vier Schillinge
des bremer Rechtes würden selbst eine beträchtliche
Lohnhöhe darstellen, Mietgelder von solchem Betrage er-
scheinen ganz unwahrscheinlich. Auch ist es zwar mög-
lich, aber doch recht femlieg»ead, eine Rechtslage zu
konstruieren, in der das Mietgeld von dem Dienstboten
eingeklagt wird. Es liegen also keine miaßgebenden
Bedenken gegen die Annahme vor, daß manasle mit Lohn
gleichbedeutend ist.
Die Stelle von der manasle besagt hiernach: Klagt
der Dienstbote den Lohn ein, dann schwört er bis zum
(Göschen S. 79) ; Verden (Pufendorf I S. 77 ff., bes. 116) Stot 188 - die
verdener Statuten bringen nur die Stelle vom Lohn, nicht auch die
über die manasle — ; Braunschweig 18. Jhdt. (Hänselmann l S. 9S.,
bes. 6) Art. 45; 1965 (ebenda S 10 £, bes. 18), Rechtsbach der Neu-
stadt (ebenda S. 21 ff, bes. 34), 1379 (ebenda II S. 180 ff^ bes. Wh
Ende 18. Jhdts. (ebenda S. 320 ff., bes. 338).
^) Verschiedene ähnlich lautende Bezeichnungen in den angc-
ftlhrten Stadtrechten bei Hertz S. 85. — ■) IIl S. 64. ^ ») S. 86. -
*) Krit Vierteljahrsschrift 1 S. 408. — •) Maurer a. a. 0. -
•) Schiller-LQbben I S. 188.
- 597 ~
Betrage von vierzig Pfennigen. Verlangt er mehr („over"),
dann hat er — mindestens für die Zuvielforderung —
den Eid nicht, sondern es bleibt bei der gewöhnlichen
Eides verteilimg; also der Herr schwört.
Ein Statut Celles^) regelt den Fall des Lohnan-
sprudhes in der Weise, daß dem! Herrn der Beweis mit
Zeugen für die Zahlimg ausdrüc'klich gestattet wird:
„Neynen hasnen ne miach neman behalden, knape oder
maghet, he ne si an des mannes brode, so mach he vif
Schillinge behalden^ jene mianne moghe des vullenkomen
mit goden lüden, dat he eme sin Ion yorgulden hebbe.**
Das (nach 1416 entstandene) verdener Recht läßt, wie
bereits gesagt, die Stelle von der mianasle ganz fort. Da-
für spricht es ähnlich wie das celler Recht in beson-
derer Bestimmung*) die Gestattung aus, daß der Herr
für die bereits im voraus geleistete Zahlung Beweis führt.
Von oberdeutschen Rechten, die vom' Beweise der
Lohnforderung handeln, ist das augsburger Stadt-
recht zu nennen®). Nach Meyer lautet die in Betracht
kommende Stelle : „Clagt iemend hinze dem andern um*be
sein Ion, sprichet danne iener, ern habe si dannoch niht
verdienet, so sol dirre bereden mit sinen zwein vingern
daz er dez niht verdient habe.'* Die schlechtere Ausgabe
Walchs läßt das entscheidende „niht" zum! Schlüsse
fort, imd bestätigt den so völlig entgegengesetzten Sinn
durch Hinzufügung folgender Worte: „. . . ihn bezeug
denn Jener selb dritte dass er sein nidht verdient habe".
Nach der ersten Lesart ist der beklagte Dienstherr der
zum Schwüre berechtigte; bei Walch hat umgekehrt der
klagende Dienstbote das Sc'hwurrecht.
Das Eidesvorredit des Gesindes bestand doch nicht
unbeschränkt, wie die mitgeteilten Stellen aus den ver-
schiedenen Rechten erkennen lassen. Der Sachsenspiegel
*) Pufendorf, Obs. iun U app. S. 12 flF., bes. 16. — «) Art. 180. —
*) Meyer S. 129; Walch, Beytrage IV S. IflF., bes. 885, Nr. 886.
— 598 —
setzt als Grenze des Vorzugsrechtes den Betrag eines
oder eines halben Jahrslohnes fest. Die angeführten rüdener
Statuten ^wedhfen „van unvoryaeden denste**, dessen Ent-
lohnung ider Dienstbote mit Eid^recht fordern darf. Das
verdener Redit biestimtat zum Schlüsse des Art. 130:
„Men schall ok vordenet Ion mjanen binnen jähr und dage
alse me erst uth deme denste kumpt***). Statt der Zeit
geben die das monasle- Recht enthaltenden Stadtrechte
die feste Sumime von vierzig Pfennigen oder vier Sdiillin-
gen als Grenze des bevorzugten Dienstbotenrechtes an.
Die Privilegien der Lohnforderung des Gesindes ver-
schwanden späterhin baW. Kaum' die besonders betonte
Pflicht der Herrschaft zur Lohnzahlung wird noch aus-
gesprochen. Eine neißer Verordnung von 1652 sei aus-
nahmlsweise angeführt; die Liste wäre sonst zu kümmer-
lich. Da heißt es „sehr schön***): „Soll keinem sein
gesezter Lohn vorenthalten, sondern derselbe jedesmabl,
wenn sein Dienstjahr aus ist, oder was er etwa mittler-
dessen, unentbehrlich benöthigt wäre, richtig ausgezahlet,
und wider seinen guten Willen 2 oder mehrere Jahre
lang nicht zusammengesparet werden**. Das Landrecht
des Gerichts Raschenberg (zwischen Salzburg und
Traunstein) von 1671*) bestimmt so: „es soll ain ieder
herr und frau ire ehehalten mit gelt und gewand, wie er
ihme verdingt hat, und kainen andern wert geben und
bezalen**. Nach dem' Zusammenhange im raschenberger
Rec'hte kann diese Stelle nur die Bedeutimg einer Berech-
tigung, nicht einer polizeilichen Beschränkung des Ge-
sindes Uabien. Dies ist auch die Tendenz noch mtehrerer
süddeutscher Rechte. In einer undatierten Polizeiordnung
für Dinkels buhl*) heißt es: „Dienstboten soll der
Lohn nicht geflissentlich aufgehalten, vielweniger diese]-
^) Weitere Beispiele ftir das nicht- westliche Deutschland bei Her tz
S. 87, 88. - •) Dorn S. 880. — ») Grimm, Weistümer VI S. 157. -
*) V.Weber, Stetutarr echte II S. 1016.
- 699 -
ben, ihren Lohn bei dem Dienstherm stehen zu lassen»
überredet werden." Das glekfafalls undatierte Recht des
m
Klosters Ursberg ^) will gar die Dienstherren, die den
Lohn vorenthalten, mit einem ThaJer strafen. In der 1672
für das brandenburgische Franken erlassenen Po-
lizeiordnimg *) steht die Ermahnung ain die Herrschaften,
dem Gesinde rechtzeitig den Lohn zu geben und das
Zeugnis zu erteilen, „damüt sie (die Dienstboten) nicht
gefährdet, noch an ihrem' Glücke gehindert werden**.
Das Gegentöl einer Bevorzugxmg des Gesindes trat
ein. Aus dem früheren Recht der Dienstboten, zu einer
bestimtmten Zeit bezahlt tu. werden, wurde eine Vorschrift
an die Dienstherrschaften, daß sie den Lohn erst an einem
festgesetzten Tagie zahlen durften. So bestimlmt die
kölner Polizei- und Gesindeordnung von 1645 ^) in Art. 8,
daß der Lidlohh, besonders aber der in Geld bedungene,
erst*) am Ende des Jahres zu entrichten ist. Das Recht
der bayerischen Gesindeordnimg von 1652*) ist:
„. . . solle khein herrschafft verbunden sein, einem Ehe^
halten vor der jarszeit an seinem! bestimbten Lohn etwas
zu bezallen, er sehe aber, das dess Ehehalten grosse
notturfften erfordern miechte**®).
Die großen Gesindeordnimgen des 18. Jhdts. ver-
schwenden nicht allzu viel Mühe auf die Kodifizierung
der herrschaftlichen Zahlungspflicht. Die hannover-
sche Ordnung von 1732^) bringt in Art. 22 ziemlich
am Ende, eine recht kursorische Übersicht der Herren-
*) Ebenda IV S. 382. — «) Corp. Const. Brandenb. - Culmb. II 1
S. 556 tt, bes. 504. - •) Scotti, Köln I 1 S. 249. — *) Früher hiess
es: spätestens. — ') R. A. Mönchen. Gen. -Samml. Rep. S. 9 Nr. 5.
— ^ Vielleicht lässt sich eine sonst unverständliche Bestimmung des
mcmminger Rechtes von 1896 (von Freyberg, Schriften u. Urk.V
S. 289 ff,, bes. 292) in ähnlichem Sinne verwenden, dass nämlich dem
Gesinde nichts geborgt, also auch kein Lohnvorschuss gegeben werden
soll. — ') Spangenberg, Verordn. f. Hannover IV 2 S. 461.
— 600 -
pflichten ; da ist auch vom Lohn die Rede : die Herrschaft
soll den „versprochenen Lohn und Kleidung richtig al-
stets geben". Die Gesindeordnungen des übrigen Öeutsch-
lands mlachen auch dieses ihrem Vorbilde nach, nur daß
die Aufzählung der Pflichten einer christlichen Herr-
schaft oft noch dürftiger wird und intoier weiter an den
Schluß des ganzen gerückt wird. Ab Beispiel kann die
hessische Gesindeordnung von 1736 *) dienen ; zu aller-
letzt steht da ein wenig von den Obliegenheiten der Herr-
schaft gegenüber dem Gesinde; sie soll „denenselben den
versprochenen Lohn und Kost, auch was ihnen sonst ge-
bühret, reichen lassen". Die wenigen nicht allzu wesent-
lichen Abweichungen der verwandten deutschen Gesinde
Ordnungen betreffen etwa die Zahlungszeit ; der Lohn soll
am Dienstende oder sonst zu seiner Zeit rechtzeitig be-
zahlt werden; es soll nichts daran ungebührlich gekürzt
werden ; Lohnvorschüsse werden verboten (Bayern 1781 *),
Österreich 1779 ') ). Einen patriarchalisch-liebenswürdigen
Bückling vor der Treuherzigkeit der Herrschaften macht
die c 1 e V e r Gesindeordnung von 1769 *) : „Von guten und
ordentlichen Herrschaften, wird vermuthet, dass sie
ihrem Gesinde den gehörigen und nothdürftigen Unter-
halt an Essen tmd Trincken, Lohn und die etwa ver-
sprochene Kleidimg geben".
Nur süddeutsche Rechte versuchen wieder, auch dem
Dienstboten seine Lohnforderung zu sichern. So die ans-
bacher Gesindeordnimg von 1769^). Wenn der Dienst-
bote den Lohn nicht freiwillig bei der Herrschaft stehen
läßt, muß er bestimmt alle zwei Jahre ausgezahlt werden;
nur einen Sechswochenlohn darf sich die Herrschaft der
Sicherheit halber immer zurückbehalten. Aus besonderen
Gründen ging ein salzburger Konsistorialausschreiben
0 LO. IV S. 410. — •) Kr. A. München. AR. Fasz. 459 Nr. 209.
•) Kr. A. Manchen. GR. Fasz. 402 Nr.2. - *) Scotti, Cleve 3.18^.
») Kr. A. Nürnberg. S. 28 ^ Nr. 779 Repert. 238.
— 601 —
vom' 13. Augtist 1742^) nodh darüber hinaus. Den De-
chanten wird auferlegt, bei ihren Revisionen darauf zu
achten, daß die Geistlichen ihren Dienstleuten den Lohn
alle Jahre pünktlich gegen Quittung zahlen. Lassen die
Dienstboten den Lohin gleichwohl auf mehrere Jahre an-
wachsen, dann haben sie nicht zu gewärtigen, daß ihnen
etwa aus dem' Nachlaß ihres Herrn der Betrag erstattet
wird ; "zur Strafe für die Nachlässigkeit gehen sie vielmfehr
ihres Rechtes verlustig.
Der Code divil muß schließlich als lex sui generis
genannt werden. Er greift auf uraltes Recht zurück, mo-
delt dies zu gunsten der Dienstherrschaften in sein ge-
rades Gegenteil unt imd setzt in Art. 1781 fest, daß der
Dienstherr bei Lohnstreitigkeiten immer näher dem Eide
ist: „Le maltre est cru siu: son affirmation pour la quo-
tit6 des gages, pour le paiement du salaire de rann6e
^chue et pour les ä-comptes donn^s pour rann6e cou-
rante."
Ein besonderes Mittel, in die Lohnzahlung die ihr
öfters fehlende Ordnung zu bringen, kam' im Anfang des
18, JhÜts., wenn nicht noch früher, auf, die Einrichtung
von Lohnbüchern oder doch Lohnzetteln.
Die früheste Kimde darüber stammt aus Würz-
burg 2). 1723 stand ein (nicht vorhandenes) Projekt einer
Gesindeordnung in Beratung. Ein nicht genannter Rat
gutachtet zu § 4, „dass ein solches zu bestimmendes
Lohnbuch nicht in den Händen des Dienstboten, son-
dern vielmehr des Dienstherm zu belassen.** Dieser muß
es strittigen Falls deml Dienstboten oder der Obrigkeit vor-
legen ; weigert er sich deissen, dann soll dem' Dienstboten
*) v. Weber, Statutarrechte V S. 150. — «) Kr. A. Würzburg.
V 2616. — Ob der nach Sickel S. 110 in Östereich während der
zweiten Hälfte des 16. Jhdts. eingeführte „Arbeitsbuchzwang** eine
gleiche Bedeutung hatte» ergibt Sickels kurze Bemerkung nicht; wahr-
scheinlich ist diese Annahme nicht.
— 602 —
voller Glaube beigemessen werden. Weiter heißt es:
„Denn behaltet der Dienstbott das Dienst-Buch in ban-
den, so hat der Dienstherr von ersterem, weilen gleich-
wohl unter dieser Klasse (leydter) sehr viele schlechte,
undt elendt denckendte Leuthe gezählet werden, alles zu
befahren, wo jedoch bey jenen, welche Dieastbotten zu
halten fähig sindt, die Muthmiassung einer besseren Ge-
denckungs-Arth obwaltet ...**; außerdem würde es der
Herrschaft nicht lieb sein, wenn das von ihr mit dem
Dienstboten akkordierte Zeugnis „ein Gespräch der
Wirthshäuser und Märckte" würde. Eine Gesindeordnung
kam damak in Würzburg nicht zustande.
Zum Ausdruck im Gesetze gelangte der Gedanke,
die Löhne aufzuzeichnen, in der Gesindeordnung für W o 1-
fenbüttel von 1748^). Was für Lohn ausgemacht und
was davon bezahlt ist, soll in ein Lohnbuch eingetragen
werden. Weim die Herrschaft kein Lohnbuch hält oder
das Gesinde es abhanden komlmen läßt, sollen beide da-
für „angesehen" werden. Die Gesindeordnung für Cleve
von 1753*) bestimmt, daß die Dienstherren den Lohn
geben miüssen, „auch allenfalls über letzteres einen Lohn-
zettel halten und darin das Empfangene, wenn ein oder
ander Gesinde solches mit Zufriedenheit der Herrschaft
sonst nicht stehen lassen will, quartaliter verzeichnet
werde". Die badische Gesindeordnimg von 1809*) mag
noch genannt sein *). Wenn der Löhn in längeren Zielen
als monatüch oder vierteljährlich ausgezahlt wird, muß die
Herrschaft ein „Lohnbücher* halten, in dem' auf der einen
Seite Betrag und Fälligkeitstag des Lohnes stehen, auf
der gegenüberliegenden Seite die faktisch erfolgten Zah-
lungen eingetragen werden. Kann der Dienstbote bewei-
*) Archiv WolfenbOttel Nr. 7097. — «) Scott i, Cleve S. 146i
— •) L. A. Karbruhe. Provinz Niederrhein, Gesindepolizei Lit. B.
Nr. 1. 1766-1809 (IV 2). — *) Weitere Beispiele bei Dorn S. 374 ff.,
Lennhoff S. 86.
— 603 —
sen, daß der Dienstherr ihm das Lohnbüdhel verweigert
hat, dann verliert der Dienstherr die ihmi nach § 1781
des Code Napoleon zustehende Glaubwürdigkeit^).
Die Lohhzahlungspflicht wurde fast nie dahin ausge-
dehnt, daß der Herrsc^haft Rückhaltungen am Lohne
aus irgiend welchiem( Rechts^rnmde verboten wurden. Der
Satz «des Kaiser recfhts*), in dem! die durch Nichtauszah-
lung !des Lohnes versuchte Geltendmachung eines Ersatz-
anspruclhs gegen das Gesinde verboten wurde, kam später-
hin in Hessen axißer Übung. So findet sich im' loshauser
Gesinderegister 1727 einmial die Notiz (unterm Jägerlohn) :
„Aus erheblichen Ursachen ist Ihme diesser völlige Lohn
uff Eine Zeitlang Einbehalten worden** ; er wird erst später
ausgezahlt. Eine andere Art Lohneinbehaltung, diesmal
richtige Aufrechnung, erfolgte 1735. Da stellt der Jäger
bei seinem Scheiden die Quittung aus: „Dass ich diese
Sum 3 rth. 7 albs. 8 ^ schuldig bin und mir von ihre
gnaden dem Hrn. von Lüder mein Lohn darauf bezahlet
worden bescheine hier mit. Loshausen den 18 Julii 1735.
(Unterschrift.)**
Mannigfaltiger sind die Gründe, aus denen im Be-
triebe des badischen Klosters Königsbrück^) Lohn-
abzüge vorgenomimen wurden. Wer Sonntags nicht in
die Kirche geht, bekomimt kein Fleisch, oder er muß
sich 5 ß vom Lohn nehmen lassen — so fängt die Ge-
sindeordnung an. Ebenso erhält einen Tagelohn weniger,
wer ohne Urlaub weggeht ; davon muß der , besonders
gemietete Tagelöhner bezahlt werden*). Zur Strafe von
Tanzen, Spielen usw. wird der Lohn um= 2 ß gekürzt*).
Wenn ein Knecht den Torschlüssel verliert, muß er einen
neu machen lassen, oder er bekommt soviel Lohn weni-
ger«); dies ist ein Fall des wirklichen Schadensersatzes
durch Lohnabzug. Dagegen wird eine selbständige Geld-
*) Oben S. 601. — «) II 80. - •) Mono, Ztschr. f. Gesch d.
Oberrheines I S. 188. — *) Nr. 6 und 16. — ») Nr. 6. — •) Nr. 42.
— 604 —
strafe, ohne Erwähnung des Lohnabzuges in Nr. 54 aus-
gesprochen für den Fall, daß die Dienstboten in Ställen
oder Scheuem oder sonstwie „allein zusammen fügen".
Außer in deirt einen Fall Nr. 42 widerspricht solch Vor-
gehen nicht dem!, was das kleine Kaiserrecht für seinen
Geltungsbereich so deutlich ausspricht. Denn dies will
dem Dienstherm verwehren, um die Auszahlung des
Lohnes mit der Ausrede einer wirkUchen oder nur fin-
gierten Schadensforderung herumirukommen ; es schließt
das Geltendmlacfhen einer zivilrechtlichen Gegenforderung
aus, wo Forderung mit Fordenmg sich kompensieren
könnte. In Königsbrück dagegen zehren nicht gleichartige
(zivile) Forderungen den Lohnanspruch auf, sondern ge-
wissermlaßen „öffentlich rechtliche", solche des Straf-
rec'hts tmd solche des Kirchenrechts, autonom begründet.
Mit jener Praxis, die sich auch zivilrechtliche Auf-
rechnung erlaubte, stimimt die spätere Gesetzgebung über-
ein. In den lauenburger Statuten von 1599 ^) heißt es :
„Damit auch des Gesindes imachtsamkeit etwas einge-
spannet werde, soll hiemit Herren und Frauen Macht ge-
geben sein, was ungehorsam! gesinde muthwillig verwar-
loset, ihrem- Gesinde an Lohn abzukürtzen." Die zum
Teil vorhin bereits behandelten beiden clevischenGe-
sindeordnungen von 1753 imd 1763*) ordnen an: „Wo-
bey einer jeden Herrschafft frey stehet, zu ihrer Sicher-
heit, wenn ein oder ander Gesinde etwas veruntreuen,
oder von dem, so es im Hause tmter Händen hat, aus
Nachlässigkeit, Unvorsichtigkeit, oder gar Bossheit ver-
derben, zerbrechen, oder gar abhanden bringen solte, im-
mer ein vierteljähriges Lohn rurück behalten, um allen-
falls daran sich erholen zu können." Aber von diesem
Recht soll die Herrschaft nicht zu hart Gebrauch machen,
nicht lun aller Kleinigkeiten willen und wegen unvorsätz-
') Pufendorf, obs. iur. III app. S. 284 flf., bes. 317. — ») Scotti,
Cleve S. 1452, 1894.
— 605 —
lieber Schädigxingen, „am allerwenigsten aber ihnen auf
eine albnieigennützige Weise das Lohn zu Wasser ma-
chen". Nach der gleichfalls oben schon genanntem ans-
bacher Gesindeordnimg von 1769 darf die Herrschaft
imtner einen Lohn für sechs Wochen mrückbehalten, da-
mit sie sich eventuell daran halten kann; Kostgeld muß
alle Woche ausbezahlt werden. Die saynische Poli-
zeiordnimg von 1776^) und die freiburger Ordnimg
von 1782 *) verpflichten das Gesinde zwar (wie überhaupt
alle Gesindeordnungen) der Herrschiaft den verschulde-
ten Schaden zu ersetzen. Aber die Herrschaft soll nicht
jede Kleinigkeit reklamäeren, „aus allzueigennützigen Ab-
siebten ihnen den sauer verdienten Lohn durch unchrist-
lidhe Abzüge zu nichts zu machen", „widrigenfalls ihrer
Hartherzigkeit durch obrigkeitliches Einsehen Schranken
gesetzt werden würden". Nach der badischen Gesinde-
ordnung von 1809 *) kann die Herrschaft schon gegebene
Geschenke dann vom Lohne abziehen, wenn durch Schuld
des Dienstboten später der Vertrag vorzeitig aufgehoben
werden muß. Der Code civil verbietet in Art. 1023
die Anrechnimg von Vermächtnissen, die dem Gesinde zu-
fallen (vornehmlich natürlich seitens der Herrschaft), auf
die Lohnforderung.
Aus Hessen sei zur Frage der Anrechnung son-
stiger Einkünfte auf den Lohn das bereits an früherer
Stelle verwertete Urteil des Oberappellationsgerichts aus
dem Jahre 1800*) in Sachen Austermühl gegen Eigen-
brodt angeführt. Dem' verstorbenen Major Eigenbrodt
hatte der Knecht u. a. auch 11 Monate in französischer
Gefangenschaft gedient imd verlangt nun den ausge-
'nsachten Monatslohn von 4 Th., im ganzen also 44 Th.
Die Beklagte beruft sich darauf, daß der Kläger während
*) Univ.-BibL Marburg. - ■) L. A. Karlsruhe. Baden Gen. 6891.
"^ *) L. A. Karlsruhe. Provinz Niederrhein. Gesindepolizei Lit B.
Nr. 1. 1766-1809 (IV 8). — *) Oben S. 488.
— 606 —
der Gefangenschaft von der französischen Republik tag-
hch IV2 Pfund Brot und 10 Sous erhalten habe, die
ihrem Manne abgezogen seien. Eine Entscheidung geht
dahin, daß der Fjnüpiaiig des Brotes und der 10 Sous
„dem monatlichen Lohn der 4 Th. gleich stehet", daß
also der Kneöht keinen Lohn nüehr fordern könne, so-
fern die Witwe beweisen kann, daß dem! Knecht die iVi
Pfd. Brot imd 10 Sous so wie den übrigen Reitknechten
wirklich mgekomlmen sirid^).
Mit dieser Darstellung der allgemleinen Lohnzahlungs-
pflicht ist das Lohnrecht freilich erst zu einem- kleinen
Teile erschöpft. Die Zusamjmensetzung und die
Höhe des Lohnes sind es, die von den Gesetzgebern
seit Ausgang des Mittelalters vornehmlich beirücksichtigt
wierden. Über diese Umlständc? brauchtien sich Dienst-
herrsthaften und hohe Obrigkeit solange kleine Gedan-
ken zu miachen, als im Zustand der Unfreiheit alle Arbeit
dem' Herrn umsonst geleistet wurde*). Aber schon dem
tmfreien Gesinde gab der Diensthierr bald einen Jahres-
lohn, der wohl anfänglich ein freiwilliges Gesch«ik ge-
wesen sein mag').
Die einseitige Lohnfestsetzung durch den
Herrn kraft seiner herrschaftlichen Gewalt ist hiemach
für die ersten Zeiten sehr wahrscheinlich.
Ein weiterer Umfetand, der hierfür spricht, ist das
häufige Vorkomimen des Dienens „uf genade" nach
vielen Rechten des Mittelalters vom Sachsenspiegel*)
an. Die Zahlung des Lohnes ist hier in das Ermessen
der Herrschaft gestellt. Hertz^) gibt eine ausreichende
Übersicht über diese Erscheinung; hinzugefügt sei der
Hinweis auf eine Handschrift Ruprechts von F r e i s i n g
^) Über die Verjährung des Lohnanspruches schweigen die ge-
sinderechtlichen Sondergesetze. Beispiel aus allgemeinen Rechts-
systemen: Code civil Art 2273 (ein Jahr), — ■) Grimm, Rechts-
altertümer S. 866, 867. - •) Ebenda S. 867. — *) I 22. — •) S. 8L
— 607 —
von 1436 und auf das Vorkommen des Dienens auf Gnade
in den bayerischen Landtagsverhandhingein deis Jah<
res 1600*). .Vielleic'ht ist auch eine Stelle des bilt-
war der Rechtes*) dem ähnlich klingenden Satze des
Sachsenspiegels nachgebildet: ^,Doch we uppe loven de-
net, de mioet des loven wardem". „loven" ist glauben,
versprechen, kreditieren*), „warden**, „waren" bedeutet
erwarten, aber auch hüten, besorgen, verteidigen*).
Wie noch in ganz später Zeit das Dienen auf Gnade
in Verquickung mit römischen Auffassungen in der Ge-
richtspraxis vorkam?, zeigt ein Prozeß, der von 1804 an
beim Oberappellationsgericht Cassel spielte*). Ein Vo-
tum sagft: „Da die Appellantin ihre Dienste geschäzt
haben will, so 'gibt sie selbst an, daß kein gewisser und
bestimmter Liedlohn ausgemacht, und kein rechtlicher
Klaggrund vorhanden sey; inctertae enim poUicitationes
obligationem quidem naturalem pariunt, sed actionem in
foro humano non produCunt. Quod non solimi de pactis
simplicibus sed et de contractibus, qui alias actionem
producunt, valet. Valet proverbiiun germanicum: Wer
auf Gnade dienet, muss auf Gnade mahnen
. . . Mit Recht ist demnach eine Schätzung der Dienste
für imstatthaft angesehen, und weder hierüber noCh über
einen xmerfindlichen Vergleich erkannt."
Für die einseitige herrschaftliche Lohnfestset^ung im
Gesindeverhältnbse spricht weiter auch die Ähnlichkeit
der Verhältnisse im' Gesellenrecht. Schanz vertritt die
Ansicht, daß das Recht einseitiger Lohnfestsetzung, wie
es früher der Handwerksimeister seinen Gesellen gegen-
über hatte, ein Ausfluß des herrschaftlichen Verhältnisses
zwischen den beiden war, imd daß man dem Meister
<larin anfangs nicht vorgreifen wollte^).
*) Platzer S. 50. — •) Lappenberg 1 S. 321ff., Nr. 78. —
•) Schillcr-Labben II S. 786, 787. - *) Ebenda V S. 600, 608. —
*) St. A. Marburg. Hagemeyer gegen Herold. — •) Schanz, Ge-
— 608 —
Die Mösrlichkeit autokratiscfaer Statuieruiig der Lohn-
höhe nttißte freilich dem Arbeitgeber — des Gesindes
wie der Gesellen — vcarloren ^ehen, je mehr or im Ver-
trauen auf das ihm durch seine Macht zustehende Recht
mit seinem Lohne hinter andere Konkurrenten zurücktrat,
und je weiter dies in das Bewußtsein der Dienstboten
hineinkam. Die Konkurrenz der Herrschaften, die sich
im Üherbieten und im Abspenstigmachen des Gesindes
äußerte, scheint imimer heftiger geworden zu sein. Es
gab keine Zünfte der Dienstherrschaften, in denen sie
ihre gemeinsamen Interessen hätten vertreten können. Die
gewerblichen Meister schlössen ja ihre Übereinkimfte zur
Bestimknimg von Höchstlöhnen schon im 14. und 15.
Jhdt. ^) — wie sollte dagnirnftl eine solche Eüirichtung auch
für Privatpersonen getroffen werden, die vielleicht keine
weiteren gemeinsamen Interessen hatten als die zur Nied-
righaltung der Gesindelöhne? Dazu kam dann im 16.
Jhdt. noch ein entscheidender Faktor, weit abliegend, aber
mit um so größerer Wucht eingreifend: die Geldent-
wertung.
Die Zustände müssen wohl derartig gewesen sein,
daß alles danach drängte, eine übergeordnete Instanz zur
Regelimg der Gesindelöhne im' Sinne der Dienstherr-
schaften herbeizurufen. Es war der stets vorhanden ge-
wesene „Polizeistaat", der hier einsprang, voller Bewußt-
sein seiner Allmacht, auch die feinsten Beziehimgen der
Menschen untereinander seiner Kontrolle unterwerfen und
in- die von ihm' vorgezeichnete Bahn zwingen zu können.
Nicht zu unterschätzen ist femer der Einfluß jener An-
schauxmg, „dass der Gesellenlohn möglichst tief gehal-
ten werden soll, widrigenfalls das Gewerbe im' Lande
schichte der Gesellenverb&nde, S. 109; die Polemik Zwiedineck-
Sfldenhorsts (Lohnpolitik und Loluitheorie, S« 46) kann Schanz'
AusftÜirungen nicht widerlegen.
^) Zwiedineck-Sadenhorst a. a. O. S. 46.
- 609 -
darunter leiden könnte** ^) ; eine Ausdehnung dieser Worte
darüberhinaus auch auf das Gesinde widerspricht der
Meinung der Zeit jedenfalls nicht.
Das Mittel, mit dem die Obrigkeiten vorgingen, war
die Statuierung von Höc'hstlöhnen. Dies ist
keine singulare Erscheinung der Wirtschaftspolitik. Ehe
man anfing, allgemein an die Tarifierung der Löhne her-,
anzugehen, hatte man schon in der Höchstbegrenzung
der Warenpreise Vorbilder, nach denen man sich auch
für die Lohnbestimmimg richten konnte. Immerhin
weicht die Veranlassung der Warentaxen beträchtlich von
den Umständen ab, durch die sich die Gesetzgeber be-
stimmen ließen, auch für die Löhne, insbesondere den Ge-
sindelohn, Tarife zu bestimimen. Es ist der nachherigem
Unterscheidung wegen kurz auf die Entstehung der
Warentaxen einzugehen*).
Die Zünfte hatten in ihrer Organisation das beste
Mittel, Monopolpreise zu bilden. Daß dies eine Gefähr-
dimg des öffentlichen Wohles bildete, ist offenbar, be-
sonders wo die Preise der Lebensmittel, die Tag für Tag
nötig sind, aber nicht gelegentlich erworben werden kön-
nen, künstlich gesteigert werden. Daher griffen hier schon
früh die Stadtobrigkeiten ein. Entweder öffneten sie die
Zünfte (Gas sei 1384')), oder aber sie erließen Preis-
taxen für die wichtigsten Waren.
Die frühesten städtischen Preistaxen für Lebensmittel
^) Ebenda S. 59« — ') Zur Taxfrage im allgemeinen sind zu ver-
gleichen Rohrscheidt, in Jahrb. f. NatJonalök. u. Stat. N. F. Bd. 51
S. 858, und im Handwörterbuch der Staatswissenschafien VI S. 259 ;
V. Be lo w im Wörterbuch d. Volkswirtschaft II S. 654; Zwiedineck-
SOdenhorst a. a. O. Abschn. I; Inama -Sternegg, Deutsche
Wirtschaftsgeschichte III 1 S. 808 ff., III 2 S. 460 ff. Vgl. femer
Willemsen, De Loonquaestie in Vlaandem op het ein<k der XIV^
eeuw (Annalen van den oudheidskundigen kring van het Land van
Waas, 28. d. S. 10 ff.). - *) Casselische Gerichtsordnung vom 21. Februar
1384 (LO. I S. 5.).
Könnecke. g0
— 610 —
sind: kölner Komtaxe von 1246^), soester Brottaxe
von 1250*), lübeoker Brottaxe von 1255'), berliner
Bäckertaxe von 1272*), flensburger Biertaxe von
1284*), regensburgrer Biertaxe von 1320^), mar-
burger Fleisditaxe von 1363^)* hamiburger Fleisch-
taxe von 1375^), frankfurter (a. O.) Brottaxe von
1377*), regensburger Biertaxe von 1388^**), ebers-
walder Brottaxe von 1395"), femer aus dem! 14. Jhdt.
noch Fleischtaxen für München und Nürnberg").
Diese Taxen gab die Not um' das täglic'hie Brot ein. Aber
der Taxgedanke wurde auch noch anders verwertet, man
schuf Taxen sonstiger Gebrauchsgegenstände; teilweise
schützte man das Publikum gegen Überforderungen seitens
der Gewerbetreibenden durcb Taxen der Gesellenlöhne.
So wurde 1361 in Schlesien eine Schheidertaxe ge-
schaffen^'), 1377 tarifierte man in Braunschweig den
Preis für einen „dantzelrock" ^*), 1414 erging eine ScHnei-
dertaxe in München"), 1440 in Lübeck eine Bött-
chertaxe"), 1459 ebenda eine Beutlertaxe i^).
Allmahlich trat an die Stelle der städtischen Obrig-
keit der Staat als Gewerbegesetzgeber ^^). Schon dies er-
klärt, daß nun von höherer Warte aus die Taxordnungen
immer umfassender wiurden. Es ergab sich fast von selber,
daß eines Tages auch Arbeitslöhne in regelmäßigerer
Folge, als das früher schon geschehen war, denn zu-
0 Inama-Sternegg III 1 S. 308, III 2 S. 461. — •) Ebenda
III 2 S. 615. — •) Ebenda III 1 S. 809, III 2 S. 614. — *) Ebenda III 1
S. 809. — ») Ebenda Ul 2 S. 462. - •) Ebenda. — ') Eintrag im
Stadtbuche (St. A. Marburg). - •) In ama- Stern egg III 1 S. 309.
— •) Ebenda III 1 S. 809. - >^ Ebenda III 2 S. 462. - ") Ebenda
m 1 S. 809. - ») Ebenda S. 307. - ^») Ebenda III 2 S. 462. -
*^) Liebe, in den Geschichtsblattern f. Stadt u. Land Magdeburg 37
S. 187; Hanselmann, Urkundenbuch I S. 63 ff., Nr. 126. — ") Inama-
Sternegg III 2 S. 462. — ") Ebenda. — ") Ebenda. - ") Gelegent-
lich vorkommende frühere Taxversuche von Staaten: Inama-
Sternegg I S. 476 ff., III 1 S. 808 ff., III 2 S. 460ff.
— 611 —
lässigen Maximlum nach aufgeaseichnet wurden. Die weni-
gen, der frühesten Zeit angehörenden Lohntaxen wurden
zum größten Teile sdhon nicht von den Städten, sondern
von übergeordneten Instanzen für ganze Länder geschaf-
fen. Folgende Taxen der Arbeitslöhne aus dem
13. imd 14. Jhdt. seien hervorgehoben. Die bayeri-
schen Landfrieden von 1244, 1256, 1282, 1300^) ent-
halten Aufforderungen zur bezirksweisen Regelung der
Höchstlöhne. 1352 schuf Herzog Albrecfht II. von
Österreich eine Lohnordnung für die Weingartenar-
beiter*); eine gleiche wurde 1364 erlassen').
Mit dem' Aufkommen der Lohntaxen neben den Preis-
taxen ist jetzt folgendes zru beobacht^i. Die PreistaxeA
sind zum Schlitze des Publikums gegen die Kaufleute ge-
schaffen. Die Lohntaxen dagegen schützen erstens zwar
auch die „Konsuinienten" der Ware Arbeitskraft, näm-
lich die Dienstherren, vor den übertriebenen Lohnforde-
rungen der Verkäufer dieser Ware. Zweitens aber schützen
sie die Herrschiaften, die Käufer der Arbeitskraft, auch
.gegeneinander, gegen das Überbieten, gegen das Ab-
spenstigmachen. Hier gehen die Gesindelohntaxen über
das von den Preistaxen erstrebte Ziel hinaus.
Vor einer Darstelltmg der Taxgesetzgebung im' ein-
zelnen sei noch auf folgendes hingewiesen. Das beispiels-
weise in den Rechnungen des deutschen Ordens oder des
fürstlichen Hofes zahlreich vorhandene Material über die
nrittelalterliche Lohnhöhe insbesondere in Hessen läßt
sich für die Darstellimg des Löhn rechts^ wie es in den
Taxordnungen enthalten ist, nicht verwerten. Es über-
schreitet den Rahmen des vorliegenden Buches, eine all-
gemeine Geschichte des Lohnes und seiner Höhe zu geben.
Nur da ist eine Heranziehimg der Lohnlisten von Einzel-
>) Ebenda lü 1 S. 808. - *) Ebenda S. 805. — ') Ebenda S. 806;
Aber Gesindetaxen aus der frühesten Zeit wird weiter unten im Zu«
^mmenhange berichtet werden.
89*
— 612 —
hiaushalten erforderlich, wo sie die Löhne von Jahren
enthalten, die dem» Erlasse emer Taxordnung nahe
liegen ^).
Nur sehr wenige Taxen des Gesindelohnes
wurden im Mittelalter erlassen. Die dem Rechte der „ma-
nasle" teilweise beigefügten Lohnzahlen*), die der Zeit
nach mit an erster Stelle genannt werden müßten, lassen
sich nicht als Taxsumimen auffassen. Folgen für die Über
schteitung sind nicht angekündigt, es ist auch gar nichi
ausdrücklich von einer Pflicht, den Satz nicht zu über-
schreiten, die Rede; wohl nur als Beispiele des damals
gewöhnlich gegebenen Lohnwertes sollten die Zahlen
dienen ').
Auch die Dienstordnung für die Beamten xmd Diener
^) Gedruckte Mitteilungen über Lohnhöhen im Mittelalter z. B.
bei Kflch in Z. des Vereins f. hess. Gesch. u. L. K. 27. Bd. (1892)
S.409fif., bes. 429 £f. (Hessen); von Freyberg, bist Schriften u. Urk.
n S. 81 f[, (Niederbayem) ; Inama-Sternegg, Wirtschaftsgeschichte
m 1 S. 452 (Österreich) ; Steffen S. 80 ff. (Ordensland) ; Zi es emer,
Ausgabebuch des Marienburger Hauskomthurs. Auf d'Avenels ver.
dienstvolle Arbeiten sei hier ferner hingewiesen (Histoire öconomique
de la propri^t^, des salaires eta Tomes III, IV; Paysans et oav-
riers depuis sept cents ans; D^couvertes d'histoire sociale). Im all-
gemeinen vergleiche man L u s c h i n s von Ebengreuth (Allg. Münz-
kunde S. 185 fif.) gewichtige Bedenken wider die Mitteilung einzelner
Preise und Löhne für einzelne Jahre und Gebiete. Eine Reduzierung
der (jesindelöhne auf die Roggennorm (vgl. den zusammenfassenden
Bericht bei A.Neumann, Die Bewegung der Löhne der ländlichen
»,freien" Arbeiter S. 64 ff«) wäre, auch wo sie sich bewirken liesse,
zwecklos. Denn die Kost wird den Dienstboten in natura gereicht
Was sie an Bargeld bekommen, dient vornehmlich zur Beschaffung
der Kleidimgy soweit nicht auch diese statt Lohnes gegeben wird.
Ein Oberall anwendbares Normalmass fehlt bei der Vielgestaltigkeit
der Gesindeverhältnisse. In den Lohnregistern können femer die
von dritter Seite dem Gesinde zufallenden Trinkgelder regelmftssig
nicht verzeichnet sein, die im Gesindewesen wohl zu allen Zeiten
eine allzugrosse Rolle gespieU haben. — ■) Oben S. 596. — •) Vgl
auch die Bemerkung von Hertz S. 87" Mitte.
— 613 —
des trierischen Domkapitels aus der zweiten Hälfte
des 13. Jhdts.^) läßt sich hier nicht verwerten. Zwar
werden da Löhne festgesietzt ; aber nicht zu dem) Zwecke,
daß Außenstehienide sich danach xa richten haben, son-
dern lediglich als Ankündigung der für die Doml-Dienst-
leute gtebräuc'hlichen Lohnhöhe sind die Sat^ngen ge-
dacht.
Als ältestes Stück ist so eine Taxordnimg zu nennen,
die Ludwig der Brandenburger in Tirol 1352 erließ*).
Die Taxordnxmg (für Dienstboten, Tagelöhner, Hand-
werker) vereinigt in merkwürdigie(r Deutlicfhkeit die drei
Arten in sicfh, nach denen sipäterhin die Taxen allgemein
erlassen wurden: Es wurden drei Bezirke gebildet. Im
einen sollten die Löhne auf den vor fünf Jahren -giebräuch- '
liehen Stand zurückgeschraubt werden; für den zweiten
Bezirk sollte die Bezirksobrigkeit Löhne nach Ermiesisen
ansetzen ; der dritte Bezirk erhielt fest bestimimte Taxen.
1386 ^ging in Waldedk eine Landesverordnung').
Außer zahlreichen Tagelöhnen werden darin auch zwei
Gesindelöhhe durch Taxe beistim!mit: der oberste Knecht,
der säen und das Landwerk bearbeiten kann, erhält als
Lohn von Petri bis Martini 4 Morgen ausgesäet und 7
Schillinge Pfennige korbacher Währung; eine Dienst-
magd, die einem Manne die Kost bereitlen tmd dem Haus^
Wesen wohl vorstehen kann, bekomimt im Jahre 1 Mark
korba<^hier Pfennige.
Wohl dem' 14. Jhdt. gehört aucfh eine Lohntaxe dar
MüUerknecfhte in Rothenburg ob der Taubeir an *) ; wer
*) Tricrisches Archiv 1898 S. 87flF. — ") Inama-Stern egg,
Wirtschaftsgeschichte HI 1 S. 804, 805. — ■) Bauer- Collitz,
Waldeckisches Wörterbuch; BeiL 2 zu Bd. 1 u. 2 der Beiträge z.
<^e3ch. d. FürstentOmer Waldeck u. Pyrmont Nr. 48; Curtze, Gesch.
u. Beschreibung des FOrstent Waldeck S. 288. — «) Im alten WUl-
kOrenbuch der Stadt aus dem 18. u. 14. Jhdt.; Bensen, Historische
Untersuchungen Aber die ehemalige Reichssiadt Rotenburg, NOmb.
1887, S. 486 ffl, bes. Ö08.
— 614 —
mtehr als die Taxe gibt, erhält vier Heller Strafe; welcber
Arbeiter nicht um den gesetzten Lohn arbeiten will und
darum aus der Stadt ginge, der soll ewig verbannt sein.
Schon miehr geschah im 15. Jhdt. 1406 bereits be-
gann man im Ordenslande mit der Setzung fester
Löhne ^). Am 29. September 1423 vereinbarten Ritter-
schaft und Städte Westfalens eine Lohntaxe fürs
Gesinde*), die kaum je von einer der späteren Taxord-
nungen an kleinlicher Ausführlichkeit übertroffen wurde ;
Geldstrafe, bei Unvermögen Haft steht dem Übertreter
bevor. Reich an Einzelvorschriften ist auch die Lohn-
ordnung, auf die 1424 der Graf von Nassau mit seinen
Nachbarn sich einigte '). Herrschaften werden mit 2 Schil-
lingen für Übertretungen bestraft ; Dienstboten geben die
Jlälfte. Die Gesindeordnung, die 1445 mfehrere Terri-
torien am Harze vereinbarten*), setzt genaue Taxen für
die einzelnen Gesindeleute fest. Vielleicht wurde die gö t -
tinger Lohnordnung aus denüselben Jahre 1445*) hier-
durch veranlaßt. Beide Ordnungen drohen den Über-
tretern der Höchsttaxe, Dienstboten oder (insbesondere)
Herrschaften, Geldstrafen; zehn rhein. Gulden setzt die
harzische, eine Mark die göttinger fest, und zwar in
gleicher Höhe für Herrschaft und Gesinde. Die säch-
sischen Länder erhielten .1482 Taxen ^), nachdem in
Kursachsen schon 1466 eine solche ergangen war^).
Eine Lohntaxe enthält das amöneburger Stadt-
recht aus der zweiten Hälfte des 15. Jhdts. ®). Die Löhne
werden hier sehr genau nach Jahreszeiten spezialisiert:
*) Hertz S. 8. - «) Seibertz, Urkundenbuch in S. 48. —
*) Gaul, Verhältnisse des Bauernstands im Fürstentum Solms-Braun-
fels S, 127 ffl — *) Zeitschr. d. Harzvereins f. Gesch. u. Altertums-
kunde 87 S. 486, 486. — ») v. d. Ropp, Gott Statuten S. 476. —
•) Wuttke S. 10; Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV & 147, 148;
Brandt, Der Bauer im Herzogtum Sachsen -Altenburg S. 78 ff.;
Inama-Sternegg, Wirtschaftsgeschichte in 1 S. 454. — ') Wuttke
S. 9. — •) Stadtarchiv Amöneburg.
— 615 —
„19. Dys ist der lone, den mann plege den erbeydess-
luden zcfu gebin dorchi dasS jax. 1. Zcu demie ersten sal
man gebin eym dresdier adder eym andern erbeydenss-
knechte von Mertin biss unserer frouwen tag akse man
die liechte wyhet, VI heller. 2. Ouch saJ man en giebin
von unserer frauwen dag egenannten bis Walpnrgis VIII
heller. 3. Oucfh von Walpurge biss uff sanct Laurencien
dag XII beller. 4. Von sanct Laurencien dag biss imsser
frauwen tag alsse sie »gibom wart XII heller. 5. Von
unserer frauwen dag egenannten biss galli VIII heller,
6. Von Galli biss Martini VIII heller. 7. Item! eym grrasse-
meyder II ß ... h^eller. 8. Item eymi hahermeyer XII
pennige. 9. ItettH eym bender oder heber von den schelin-
gen adder garben VIII phennige. 10. Item' eym kornsnyd-
der X heller. 11. Iteml eyner flassfegerschen V heller,
12. Item eyner wesc'herschin IUI heller." Auch noch
vor 1500 miuß in Marburg über den Gesindelohn ver-
handelt worden sein, wie der oben^) abgedruckte Ver-
merk in einer Stadtredhnimg von 1469 ergibt. Wie a. a. O.
schon angedeutet wurde, kann les sich nur umi eine Lohn-
festsetzung der Höhe na<^h, nicht tun' sonst eine femlie-
gende Anordnimg über den Lohn handeln.
Diese Bemierkung gilt auc^h für den Inhalt dner Be-
schwerde der Stände auf dem' Landtag in Landshut
1488*). Der Herzog antwortet 1489 darauf: „Von der
£hehalten Soldes wegen wollen Wir gern nac'h Rath ziem^
Kch Ordnimg fümehmien, wie solches za fürkontoien sey."
1497 schlug die Ritterschaft wiedenun eine Taxordnung
vor ») ; welche Dienstboten des geringen festgesetzten Loh-
'ics wegen ins Ausland gehen und binnen Jahres nicht
^wiederkommen, die sollen auf ewig bei Verlust ihres Erb-
rechts verbannt sein.
Eine kölner Münzordnung vom« Gründonnerstag
^) Oben S* 19f. — ') Krenner, Bayr« Landtagshandlungen XII
S. 280; Platzer S. 67. - •) Krenner a. a. O. XIU S. Ifi., bes. 80-
— 616 —
1493^) fordert auch die Dienstboten auf, künftig der
neuen Münzfuß tu, beacbten, ohne daß dadurch aber die
Vereinbarung der Lohnhöhe betroffen werden soll.
Im' 16. Jhdt. gieht die Entwicklung ruhig weiter ; man
fühlt, daß der Höhepunkt bald komimen nrniß. Als Be-
sonderheit tritt hier das gesetzgeberische Vorgehen des
Reichs auf. Wie bereits des näheren ausgeführt wurde ^,
bringen die g^roßen Reic'hspoli^eiordnimgein von 1530,
1548 und 1577 Mahnungen an die Einzelstaaten, wider
die hohen Gesindelöhne Taxordnungen zu errichten.
Einige Territorien waren zu Beginn dieses Jahrhun-
derts — teilweiste imteir Weiterausbau bestehender Verhält-
nisse — sc'hon ohne die kaiserliche Anregung zu Tari-
fierungen übergegangen. So Bayern, wo, wie bemerkt,
schon gegen Ende des 15. Jhdts. Klagen über die Lohn-
höhe auf deim! Landtage erhoben worden waren. Nachdem
1508 die Vorstellung der Prälaten an den landschaftlichen
Ausschuß auch von der Höhe des Gesindelohns gehan-
delt hatte, brachte dann die Landesordnung von 1516
(Landpot) die ersehnte Lohntaxe, die 1518 in die Re-
formiationsordnung übernommen wurde ^). So ge^cfhkh es
auch in tder Lohnordnung Ivon 1553, wo femer die bis dahin
beschränkt gesitiattete Naturallöhnung ganz untersagt
wurde*). 1554 freilich hob mian dies Verbot wieder auf,
schärfte aber die übrigen Lohnvorschriften der Landes-
ordnung von neueimi ein*). Die Stände des jülicher
Landes waren 1512 den Reichsgesetzgebem mit dem Tax-
gedanken ebenfalls zuvorgekommen. Eine Urkunde vom
30. März 1512«) faßt die Beschwerden der Räte, Ritter-
schaft imd Städtefreunde von Jülich so zusamimen: „ouch
van gesindeloin, dat nu swar gelt genomimien wiurd so
vil, as vur des lichten geltz, damit de underdanea
>) Scotti, Köln I 1 S. 26. — «) Oben S, 35ff. — *) Platzer
S. 86, 88, SB. — *) Ebenda S. 98, 100, 101. — ») Ebenda S. 101. -
*) V. Below, Landtagsakten I S. 141, 189.
— 617 —
mirklich beswert sin/* Über den Erfolg verlautet
nichts.
NaclKlem das Reich gesprochen hatte, mehrten sich
die Stimmen im Lande. Die ostfriesische Polizeiord-
nung von 1545^) gab Münzvorsdhriften und Lohntaxen
für Handwerker xmd Mäher. Über Dienstboten heißt es
in demselben Abschnitt „Von Vermeidung imnöthiger Aus-
gaben, tmd andern Policfey-Sachen" : „Die Dienst-Knechte
und die Dienst-Mägde, die in einem stedigen Dienst sin-
nen, die scholen sick ock laten benoegen an ein redlick
Lohn, lund nicht nehmen, wat sie gedencken, angesien, dat
sie nu nicht miehr können doen, und nu noch veel weniger
vor dat groetie Loen." Unfreiwillig war dagegen die Ent-
haltsamkeit, die im weiteren Verlauf der jülidher Ge-
schichte sich zeigte. Bei den Verhandlungen des Jahres
1547 trugen Rittersc^hiaft und Stände vor : . . . 5. über die
Verordnung „mit den dienstboden und werkluiden, imd
das hinwiderumlb auch bei den kremem xmd andere, da
die werkluide Und dienstboden ire notturft beiholen müs-
sen, polidei giehalten und die durchsehen werde**. Es
wurde Beratung und Anfrage bei Köln und Aachen be-
schlossen; mit welchem Erfolge, ist nicht ersichtlich*).
Hessen kam! 1571 zu einer nebenher erfolgenden
Bestimimung des Hck^hstbetrags eines Mietpfennigs, wie
oben im Kapitel vom Mietgelde *) bereits dargelegt wurde.
Nur weniges steht in den hessischen H of Ordnungen *)
(deren wichtigste aus dem Jahre 1570 *) stammt), obwohl
dodh hier eine gute Gelegenheit gegeben war, einseitig
die Löhne za normieren. Der eine Jimge, den sich die
Hofleute halten dürfen, soll einmal jährlich von Hofes
wegen in schlechtes (schlichtes) Tuch gekleidet werden.
Aus Art. 15 der Hofordnung von 1570 geht hervor, daß
') Ost Friesische Historie und Landes Verfassung II S. 181. —
*) v. Below, Landtagsakten I S. 580. - ') Oben S. 488f. ~
*) Darüber unten § 18. — ») LO. HI S. 177.
— 618 —
die am Hofe tätigten Leute Kleiderstoff geliefert bekamen;
es wird ihnen verboten, das Tuch gegen schlechteres
umzutausc'hen. Wie Art. 16 ergibt, kam der Hof für
Pferde lauf ; in wekhetnl Maße, ist nicht g^esa^. Die g e In-
hause r Verordnimg von 1560^) befiehlt den Dienst-
boten, daß sie „ire dienstlohn nit ersteigen" ; eine Höchst-
stimttne ist nicht genannt. In der Polizeiordnung des Erz-
bisChofs Daniel von Mainz für die Stadt Orb vom! 7.
April 1579*)' wird (zumi 36.) angeordnet, daß jedes Jahr
zum» Monat vor Petri „der Knecht, Weinhauer, Tagloner,
Magt und aller Arbeit her Belohnung" in einer Taxe ver-
öffentlicht werden soll, „denn Herrn xmd Knecht treglich".
Einen direkten Hinweis auf das Vorbild, die Reichs-
gesetzgebung, spricht die württemibergische Poli-
zeiordnung von 1549 ^) aus?. Der Reichspolizeiordnung ge-
mäß -sollen die Amtleute und Gerichte wegen der Ehehai-
ten Belohnung Anordnungen treffen. Vollständige Taxen
der Gesindelöhne, femer solche für Tuch xmd Schuhe
bringt späterhin die Taxordnung von 1579*). Der Preis-
taxen gibt es während des 16. Jhdts. in Württemberg
(wie auch anderswo) noch eine ganze Anzahl, aber ohne
Nennung des Gesindelohnes. Eine laufende Lohntaxe,
die Jahr für Jahr erneuert und öffentlich verlesen werden
soll, erließ der Rat der Stadt Überlingen im Jahre
1558 *). In dieser Taxordnung, die in den folgenden Jahren
bis 1572 wiederholt wurde, steht außerdem- noch ein Ver-
bot der Naturalentlöhnimg. Wie in Württemiberg 1579,
so ergingen gerade in demiselben Jahre noch in anderen
Territorien Taxordmmgen. Die Stadt Heidelberg er-
hielt eine solche, die auch die Gesindelöhne festsetzte,
am 1. Januar des Jahres^). In Nürnberg erschien am
*) Oben S. 121 f. — «) St A. Marburg. Orb, Akten Nr. 488. -
•) Reyscher, Gesetze XII S. 157. — *) Ebenda S. 424. - ») Ober-
rheinische Stadtrechte II S. 457. — *) L. A. Karlsruhe, Kopialbuch
508; Kr. A. Würzburg V. 956t
— 619 —
. Augtiist 1579 eine Verordnung ^), die nicht die absoluten
faxen ^bringt, dafür aber eine „Verwarnung** an die Dienst-
K>ten, ,Jre Dienstbelonungen also anzustellen, das ein
ZTbepr RatU nit tusadh hab, in solchem tax und mass für-
runehxDien**. Die kurpfälzisdhe Landesordnung von
L682*) -wies die Unterinstanzen zums Erlaß von Gesinde-
tohnordnungen an. Undatiert, aber sicherlich demi
16. Jhdt. angehörig, ist eine im! Kreisarchive zu Bam-
berg') aufbewahrte Taxordnung, die an erster Stelle
den Gesindelohn, danacSi andere Löhne der Höhe nach
bestimlmt. Auch Idas Datumi eines Taxversuches in Neu-
burg atis 'dem 16. Jhdt. *) läßt sich nicht näher feststellen.
Es handelt sich nur um* einen Entwurf — „ist nit auss-
gangen** — , der die gewöhnlichen Vorschriften fürs Ge-
sinde enthält.
Kurz vor deml Jahlrhundertende brachte die ha dei-
ner Polizeiordnung von 1597*), die als Übergang 2aun
Jabrhtuidert der großen Taxordnungen dienen niiag, leine
abgeschlossene Lohntaxe fürs Gesinde; die Überschrei-
tung ist bei zehn Gidden Strafe verboten, nur über die
Reichimg yon Leinen und Schuhen mag freie Verein-
banmg erfolgen •).
Iljre Blüte erlebten die Taxordnungen im} 17. Jhdt.
Der Anstoß ist offenbar. Amierika war von 1545 an für die
Lieferung der Edelmetalle ausschlaggebend geworden;
die Silberproduktion stieg imgeheuer. Späterhin kam' dann
^) Kr. A. Nflraberg Best A. Akten Nr. 34 S. I L. 665; Kamann
S. 98. — *) Univ.-Bibl. Marburg. — ■) Kr. A. Bamberg. Meyers
CoUectanea Fase 64. — *) Kr. A Neuburg. Pfalzneuburg aus A 10014.
') Spangenberg, Vcrordn. f. Hannover IV 8 S. 140. — •) Auch
das Ausland arbeitete in diesem Jhdt mit Taxen. Als Beispiel diene
Willemsens (oben S. 609) Bericht Aber eine grosse flämische
Tazordnung aus dem Jahre 1688« Vgl. hierzu femer Behaegel,
Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin du comitö central du
travaU industriel 1906 S. 486).
— 620 -
der große Krieg. Und es erschien das Jahr 1621, das Jahr
der Kipper und Wipper, schon mitten im Kriege.
An der Hand der hessischen Gesetzgebung kann
man das Zunehmen der Münzverlegenheiten und das da-
durch veranlaßte intensive Vorgehen mit Taxgesetzeo
wahrnehmen. Nach Erlaß mtehrerer früherer Münzord-
nungen *) erfolgte 1622 *) eine zusanHnenfassende Erneue-
rung 'des Münzrechtes. Darin hatte nüan nach den Worten
der gleichzeitig publiziertien Taxordnung „den miss-
brauchlichen Unterschied eides guten Reichs- und schlech-
ten Zahlthalers, wie auCh der unterschiedlichen Gülden
und Albussen gäntzlich casisiren und auffheben, und alle
Müntzsorten, so Wir nicht giantz verruffen unnd verbotten,
auff , und nach demj Fuess der innerlichen Güte und Gc^
halt eines guten, gerechten, an schrot und Korn dess
heiligen Reichs Müntz Edicten gemiessen Reichsthalers,
reduciren, valviren imd setzen lassen". Um! dem Münz-
edikt zur Wirksamkeit zu verhelfen, schuf man die dazu
gehörige Taxordnung. Sie gehört demnach zu den Tax-
ordmmgen, die nicht um« der Löhne selbst willen, aus so-
genannten „innem" Gründen des Arbeitsverhältnisses ge
schaffen wurden^), deren Grund vielmehr der war, daß
das Münzredht ein dankbares Wirkungsfeld nötig hatte.
Die Taxordnimg soll nur da gelten, wo nicht üiedri-
gere Preise imd Löhne hergebracht sjnd. Sie ist zunächst
nur für Cassel bestimimt, miuß aber subsidiär auch im
übrigen Lande befolgt werden; „an welchen Orten man
es aber gleichwol wolfeiler haben und zu komen kau.
auch die precia rerum sampt den Handwercks und Ar-
beits Lohnen, so hoch nicht wie allhier zu Cassel ge-
stiegen", da soll von den dortigen Beamten eine Um-
arbeitimg der Taxordnung erfolgen. Auf Überschreitung
der Taxe werden durch die Polizeiordnung von 1622*)
') Oben S. 42. — «) LO. I S. 618. — ») Zwiedineck-Soden-
hörst a. a. O. S. 21. — *) LO. I S. 616.
_ 621 -
Vrt. 17. zwei Gulden Strafe gesetzt. Doch soll dadurch
len Herrsdhiaften das Recht nicht genommen werden,
üohtige Dienstboten „mit einem oder anderm ... zu
t>e£^ben".
In der Taxordnung werden zunächst die Warenpreise
regruliert. Dann folgen die verschiedenen Löhne, <lar unter
die für Feldarbeiter, Fruchtbinder, Waschfrauen usw. Als
64. Abschnitt kommt der Gesindelohn. Dieser beträgt
(in der Klamlmier ist der entsprechende 1620 von den
Herren von Dörnberg auf ihren Gütern gezahlte Lohn
angegeben)^): 1. „Einemi Ackerknecht so allerley
Arbeit verriditet, als Säen, Grass- imd Heumachen, sei-
nem Herrn das Futter schneidet, auch den Acker stellet
und drischet" Mietgeld 4 Alb. 8 hell, Lohn 11—12 Th.
(16 fl.), 3 Paar Schuhe (1 Paar), 12 Ellen Leintuch.
2. „Einem Acker jungen, der edn Garben heben kann**
MietgeW 2 Albus, Lohn 5 Th. (7 fl.), Schuhe und Tuch
wie dem Knechte. 3. „Einem Jungen, der den Pflug
treibt, und nicht die Garben heben kann*' Mietgeld 1 Alb.,
Lohn 2 — 3 Th., Schuhe imd Tuch wie oben. 4. „Einer
starken Dienstmiagdt** Mietgeld 4 Alb., Lohn 6 Pfund
(2 fl. 10 Alb.), 40 Ellen halbbreites oder 20 Ellen ganz
breites TuCh (14 Ellen), 3 Paar Schuhe, wovon zwei ge-
doppelt (4 Paar), 8—9 Alb. Schleiergeld. (Dazu bei Dörn-
berg 1 Meste Lein gesäet); wenn die Magd geringer ist,
dann goU sie auch weniger bekomimen. 5. „Einern^ Kin-
der- oder dergleichen Mägdlein** Mietgeld 2 Alb.,
Lohn 3 Pfund (geringere Mägde bei Dörnberg 2 fl.),
20 Ellen Tuch (14 Ellen), Schuhe und Schleier wie oben.
Wenn mian die in der Taxordnung enthaltenen
Knechtlöhne mit den Dömbergschen auf gleichen Fuß
bringt lunter Zugrundelegimg der im Münzedikt von 1622
enthaltenen Angaben *), so ergibt sich folgendes : A c k e r-
') Aufgestellt nach den Lohnlisten der von Dörnberg (LandesbibL
Cassel). — ") 1 Rthlr. = 82 Albus; 1 Gulden = 87 Albus.
— 622 —
knechtslohn Dömberg 592 Albiis, Taxordnung 384
Albus; Adkerjungenlohn Dömberg 259 Albus,
ordnmig 160 Albus.
Hieraus sieht mian, was die Taxordnung wenigsl^ns
für die männlichen Dienstboten brachte, eine Verminde-
rung des Einkomimens des Ackerknechts um- 200, deri
Ackerjungen um 100 Albus. Aus den Mitteilungen überi
die Magdlöhne kann man keine Berechnung machen. Die
Taxordnung will den Mägden 6 imd 3 ,,Pf und" gewähren, i
Was für Pfund gemieint sind, ist schwer festzustellen, j
Wenn man das gebräuchlichste, Pfund Heller, zugruade
legt, kann mian nicht weiter operieren. Ein Pfund Heller
ist gleich einem rheinischen Gulden^), und der ist 1622
in der Münzordnimg nicht mlehr genannt. Wenn man den
gemeinen Gulden real = 37 albus wählt, bekomml man
für die Magdlöhne unwahrschemliche Steigerungen der
Taxe gegenüber der Dömbergschen Gepflogenheit; die
Dörnbergsche Magd würde 138 albus, das Kindermädchen
37 albus weniger bekomimen, als die Taxordnung als Maxi-
mum zugestehen will. In der Gewähnmg von Naturalien
bleibt Dömberg vielfach hinter der Taxe zurück. Nur in
wenigen Punkten gibt er mehr; vor allem mit dem Lein-
säen, das die Taxordnung gar nicht erwähnt.
Da die Geschichte des Taxwesens in Hessen im
weiteren Verlauf des 17. Jhdts. ein Hauptstück des ersten
Teils dieser Arbeit bildet, genügt es, hier auf die Interna
der Entstehungsgeschichte, insbesondere die langwierigen
Landtagsverhandlungen, wie dies oben *) mitgeteilt wurde,
zu verweisen. Hier sei nur das angeführt, was die ver-
schiedenen zustande gekomlmenen Taxordnungen an ma-
teriellem Inhalte bieten.
Der Taxordnung von 1622 sollte wenig Wirksamkeit
beschieden sein. Der gewaltige Gegensatz der Lohnmaxi-
*) Scherz, Glossarium, sub voce Pfund Heller. — *) S. 46 ff.
— 623 -
ma zu den tatsäc'hlich gezahlten Löhnen erklärt dies zur
Genüge. Dann komlmt noch der Krieg hinzu. Dagegen
schwand ein Faktor» die Geldentwertung, auf einige Zeit.
Nach 1620 zeigte sich ein auffallender Rückgang der
Süberproduktion (wähnend allerdings das Gold sich stetig
vermehrte) ^).
Die wichtigsten der späteren hessischen Taxordnun-
nungen sind die von 1645 und 1659*). Die Taxe von
1645 gilt zunächist nur für Cassel ; wo die Löhne niedriger
sind, da „mia^ es dess orthis Gebrauch unnd der Billigkeit
nach gehalten und gesetzt werden". Die Löhne, die wie
1622 in Kap. 65 stehen, sind im Vergleich mit 1622 die:
16i5
1622
▲ckerkneeht:
Mietgeld 8 Albus
Lohn 19—14 Th.
Schuhe und Tuch
wie 1632
4 Alb. 8|HeU.
11-12 Th.
Junge ftlr Garbenheben:
Mietgeld 6 Albus
Lohn 6V« Th.
Naturalien wie 1622
2 Albus
5 Th.
Jimge für Pflugtreiben:
Mietgeld 4 Albus
Lohn 8—4 Th.
Naturalien wie oben
1 Albus
2-8 Th.
Magd:
Mietgeld 6 Albus 4 Albus
Lohn 6 Pfund, 6 Pfund
Naturalien unver-
ändert
Kfaidermädehen:
Mietgeid 4 Albus 2 Albus
Lohn 8 Pfund 8 Pfund
Naturalien unver-
ändert
Die teilweise bedeutende Taxerhöhimg, zu der man
sich hiemach 1645 verstehen mußte, sollte durch zwei
Maßnahmen wenigstens etwas zum Vorteil der Brotherren
abgeschwächt werden. Einmial wurde erlaubt, daß der
Lohn für die Knechte statt in Geld durch Fruchtsäen,
nach Belieben des Herrn beglichen wurde. Dies Vor-
*) Helfferich, Das Gold, S. 88-104; Lexis, Artt. Gold,
Süber im Handw. d, St. W. - «) LO. I S. 667; U S. 89. -HS. 124, 190.
— 624 —
gehen ist durchsichtig. Der Herr konnte das bare Geld
natürlich imlmer brauchen, auch wenn es noch so sehr
entwertet war. Und die Fruc'ht stand ihm gerade jetzt,
wo sie fast nidhts mehr wert war, da sie ihm zinslos
lagerte, reichlich und billig zur Verfügxmg; möchte der
Knecht sehen, wie er sie verwerten wollte. Die andere
Maßnahme ist die, daß den Mägden, wenn der Herr
mit ihnen handeln will, „eins vor alles" gegeben werden
soll, der Köchin 7 Th., Viehmlagd 6 Th., Kindermagd
31/, — 4 Th. Dies steht nicht iinl Widerspruch zum vorigen.
Denn den Mägden soll nicht Brotfrucht durch Geld er-
setzt werden, sondern das im' Preise getriebene Leder-
und Kleiderwerk. Wenn die Herrschaft dies auch aus der
eigenen Wirtscfhiaft: liefern konnte, es ihr also relativ billi-
ger zu beschiaffen war als andern, so hatte sie davon
doch mehr, wenn sie es nicht den Dienstboten zu geben
brauchte, sondern teuer verkaufen konnte. Natürlich ist
die Taxüberschireitung auch 1645 mit Strafe bedroht: ein
Halbjahrslohn für den Dienstherrn, für den Dienstboten
ein Vierteljahrslohn oder Gefängnis, wenn er nicht bezah-
len kann.
Audi für die Taxordnung von 1645 gibt es zur
Betirteilung ihrer „Richtigkeit" einen Maßstab in den
loshauser Registern*). Wieder soll hier zunächst die
Taxe von 1645 hergesetzt werden, daneben dann die los-
hauser Löhne.
(Siehe nebienstehende Tabelle.)
*) St A. Marburg.
— 625 —
Diese Liste aeigt, daß der Lohn des Obierknechts
stets weit über die Taxe hinaus ist; bisweilen erreicht
er das Doppelte. Der Geld lohn des Mittelknechts bleibt
in den ersten Jahren unter deml Taxminimtim. 1645, wo
er sogar gerade halb so groß ist, wird die Lücke durch
die sechs Mesten Weiaaen, die er ausgesäet bekonrünt,
erfüllt. Und dann steigt der Lohn plötzlich; nie kommt
er wieder iinter die Taxhöhe, während der Weizenlohn
verschwindet. 5 und 3 Thaler ist der Mittelknecht über
den Taxzahlen imi letrten Jahr 1651. Der Jungenlohn
hält sich in den Jahren 1644 und 1645 unter der Höchst-
grenze, wie sie die Taxordnimg normiert. Dann steigt
er 1646 und ist 1647 uirt drei Thaler der Taxordnung
über den Kopf gewachsen. Dafür bleibt aber das Ein-
kommen an Naturalien (Schtihen, Lein) immer unterhalb
der Grenze; dies ist, wenn man von deim für Loshausen
typischen Pfund Schmalz oder Fett, absieht, regelmäßig
auch für die andern Dienstboten der Fall. Mit den An-
gaben über Magdlöhne Läßt sich nicht viel anfangen.
Da ist wieder die Pfundrechnung; in Loshausen werden
dagegen Thaler und Albus gezahlt. Doch kann mian wohl
soviel entnehmien, daß der Lohn, insbesondere was die
Natuialia anbetrifft, in der Regel die Taxgrenze nicht
übertroffen hat. Das Kindermädchen dagegen scheint an
Geld Imehr, an Sachen das in der Taxordnung bestimlntfe
bekomanen zu haben.
Im' Landtage wurde eine Gesindelohntaxe auch in
den folgenden Jahren stets von neuem verlangt*). Zu-
nächst freilich erg^gen Taxordnungen, die nur für Tage-
löhner und sonstige landwirtschaftliche Arbeiter be-
stimmt waren, so 1645, 1647, 1649, 1655*). Sie wieder-
holen mteist die alten Lohnsätze ; ntir 1647 sind die Taxen
meist um Vj albus höher.
*) Oben S.^46 flEl - *) Oben S. 46.
Kdnnecke. 40
— 626 —
Eine Tarif ierimg auch der Gesindelöhne erfolgrte wie-
der in der ^rroßen Taxordniing vom! 19. Dezember 1653 ^).
Bei Vermieidung schwerer Strafe sollen die Sätze nicht
überschritten werden. Die Preise und Löhne sind diesmal
alphabetisc'h geordnet, so daß die Dienstboten nicht wie
früher an letzter Stelle, sondern schon in* 8. Titel be-
rücksichtigt werden.
Die Taxen sind, soweit Vergleiche zu miachen waren,
gegenüber 1645 mteist gestiegen. Nur der Lohn der
Ackerknechte ist noch unter die Höhe sielbist von 1622
hinuntergeschraubt, er soll 8—12 Th. betrag^en (1622:
11—12, 1645: 12—14 Th.). Und die Naturaliengewäh-
rung wird noch mehr eingeschränkt. Beachtenswert ist,
daß die Mietgelder gegen früher ganz rapid gestiegen
sind : 25 Albus für den Knecht (1645 : 8 Albus), 18 Albus
für den Mittelknecht (ein älterer Junge 1645: 6 yVlbus),
8 Albus für iden Jimgen (1645 : 6 resp. 4 Albus), 20 Albus
für die Magd (1645: 6 Albus), 10 Albus fürs Kinder-
mädchen (1645: 4 Albus). Nm: w«iig mehr, imd man
braucht, beim! Ackerknecht wenigstens, nicht mehr von
einem Mietpfennig, sondern man kann nun von einem
Mietethaler reden; in der Praxis war dieses Moment
wohl schon lange eingetreten, ehe die stets nachhinkende
Taxordnung so weit gekomimen war.
Zwei Jahre später, 1655, wurde, wie schon erwähnt,
eine Taxordnung für Tagelöhner usw. erlassen'), in der
die Beamten, Bürgermieisller xmd Rat aufgef ordiert wurden,
für ihren Bezirk Taxen äu entwerfen xmd zur Geinehmiigung
einafureidien. Inwieweit diese befolgt wurde, war nicht
festztisjtellen.
Wie gering der Erfolg auch der späteren Taxord-
nungen war, ergibt sicih aus folgender TabeDe; die erste
Reihe gibt die Sätze der Taxordntmg von 1653, die fol-
») LO. II S. 134, 190. - «j LO. II S. 122, 286. •
— 627 —
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— 628 —
gende die 1652 — 56 wirklidi gezahlt^ti Löhne nach einer
Zusamimenstellting aus den DömbergscWen Lohnbüchern M
und aus dem' loshanser Register*).
Weitere Beispiele von hohen, die Taxe überschreiten-
den Löhnen, bieten einigte Prozeßakten *). 1652 gab Albert
Rabe von Pappenheiml einem Knecht 18 Thaler fürs Jahr,
1660: 7 Thaler, einem! Ackerjungen 1662: 6, 1663: 8
Thaler. Ein anderer Knecht war 1654 vom' Oberschultheiß
ru Cassel, also eineml Mann, dem die Befolgung der Tax-
ordnung speziell auferlegt war, um' 20 Thaler gemietet
worden. Nac'hher fiel dem' Oberschultheißen allerdings
die Taxordnung ein, imd so wollte er dem! Knecht nur
12 Thaler geb|en; so wenig bekomimt, wie der Knecht in
seiner daraufhin angestrengten Klage gi^en den Ober-
schultheißen sagt, ein Bauemjunge auf dem' Dorfe als
Lohn.
Dies über Hessen. Nic^ht anders als hier war es in
den andern deutschen Ländern. Schlag auf Schlag folgen
sich hier die Taxordnungen für Gesindelöhne, ganz ab-
gesehen von den sonstigen Preis- und Lohntaxen. Es
hat keinen Wert, hier die verschiedenen Taxsätze auf-
^) Die Taxordnung von 1658 soll zwar nur fürs Oberftürstentum
gelten. Bei dem Mangel an vergleichbarem Material mag die Heran-
ziehung der niederhessischen Dömbergschen Lohnverhaltnisse ge-
stattet sein. Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen dem Ober-
und dem NiederfÜrstentume waren nicht so gross, dass man den
Vergleich, sowie er in der umstehenden Tabelle durchgeftlhrt ist, nicht
wagen könnte. Die Tabelle zeigt ja fOr Loshausen imd für DOmberg
genau dieselbe Erscheinung: grossenteils beträchtliche Oberschreitungen
der Taxe. — *) Bemerkt sei noch, dass Dömberg den Lohn zunächst
in Gulden angibt und diesen dann nach einem mit dem MOnzedikt
von 1622 durchaus nicht mehr übereinstimmenden Fusse auch noch
in Thaler umrechnet. Da die Taxordnung sich wohl noch an die
Bestimmungen des MOnzediktes halt, dies aber den wahren Geldwert
nicht mehr auszudrücken vermag, so wurde die DOmbergsche Um-
rechnung aufgenommen. -^ ') Landesbibliothek CasseL Ohne Akten-
zeichen. — Die Löhne stammen freilich auch wieder aus Niederhessen.
— 629 —
zuführen, zumal nur geringes Material zur Vergleichüng
mit den tatsächlich gezahlten Löhnen zur Verfügung steht.
Die bloße Aneinanderreihung der vielen Taxbestintiimunr
gen zeigt ja schon zur Genüge die Tendenz und den Eifer,
mit dem ihr nachgelebt wturde.
Folgendes sind die Daten der Taxordnungen, die
feste Sumünen bestimmten: Schleswig 1632^), Ha-
deln 12. April 1633 und 14. April 1655*), Kehdingen
3. Juli 16803), Lauenburg 9. April 1655*), Ostfries-
land (Entwurf, undatiert)^),* Osnabrück 18. Juni
1608^), Braunschweig 22. Januar 1622'), Waldeck
24. Au^TUSt 1632^), Schaumiburg-Lippe im Novenu-
ber 1654^). Lippe-Detmold 8. August 1654, 1655
und 165810), Sachsen-Weim'ar 22. Juli 1651"), Ko-
burg imd Altenburg 1652"), Paderborn 1655"),
Ravensberg 1655 1*), Cleve 2. August 1608, 2. Juni
1644 und 3. August 1646"), Friedberg 1680"), Ge-
dern 11. Januar 1681"), Katzenelnbogen (unda-
tiert, nur für Müllerknechte)*®), ferner 7. Dezember 1643**),
*) Schrader, Vaterland. Rechte IIIS.SOO. — *) Spangenberg,
Verordn. f. Hannover IV 8 S. 240, 265. — *) Polizeiordnung f. d. Herzog-
thOmer Bremen und Verden (Stade 1711) S. 771. — ^) Spangen-
berg a. a. O. IV 2 S. 227. — *) St. A. Aurich. Archiv der ost-
friesischen Landschaft. OB. Polizeisachen zu Nr. 8. — *) St. A. Osna-
brück« Rep. 100 Abschnitt 200 aus Nr. 1. — ') In einem Sammelband
der Stadtbibliothek Mainz. — *) Fflrstl. Regierung Arolsen. Alte
Waldeckische Verordnungen 1626 — 1776 (Sammelband). — •) Landes-
verordnungen II S. 28. ^ ^^) Landesverordnungen I S. 406, 42i. —
") Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S. U8, U9. — ») Dorn
S. 860; Brandt, Der Bauer in Altenburg S. 82 ff. — ^') Landesver-
ordnungen I S. 6. — *^) 18. Jahresbericht des historischen Vereins f.
d. Grafschaft Ravensburg S. 124. — ") Scott i, Cleve S. 216, 260,
264. — »•) PoHzeiordnung. Univ.-Bibl. Marburg. — ") Grafüch Stol-
bergisches Archiv in Gedem. B. XX „Allerhand Verordnungen und
Befehle so in der Grafschafit Stolbeig - Gedem ergangen", S. 61. —
^*) Magazin f. d. teutschen Rechte u. Geschichte (Selchow I S. 476 ff.
") St. A. Wiesbaden. VI 1 Nassau-Weüburg. Generalia XIVf.Nr. 18.
— 630 —
Nassau 20. Dezetnlbier 1643^) und 6. September 1649 >),
Nassau-Beilstein 23. Dezembbr 1618^), Mainz
13. Oktober 1623*), Frankfurt a. M. vor 1644 und
1. Mai 1654*), Hessen-Darmistadt 8. Januar 1626
und 29. April 1639«), der f ränkis<?h.e Kreis 13. und
23. September 1643^), Würzburgf September 1644 und
17. Juli 1652 «), Würziburg' und Kurmlainz gemeinsam für
Amorbadh, Buchen und Walldürn 1653 und
2. März 1654»), AsChaffenbürg für Miltenberg 9. No-
vemiber 1623^*^), das brandenburgische Franken
31. Januar 1652, 1672 (wenigstens Hinweis auf eine frühere
Taxe) ^^), Bam'ber g 28. Januar 1644 (ebenso) und 12. Juli
1652 1«), pfälzisdhe Gebietsteile 10. Juni und 30. Juli
1652 und 28. Dezefailber 1654"), Neustadt (mit Geltung
auch für Landau) 22. Deaemiber 1640^*), Altbayern
23. März 16381«^), 14. April 1638"), 15. November 1654*^),
7. Januar 1656 "), 14. März 1660 1«), 7. Mai 1660 »<>), Land-
gericht Friedberg 1651*^), Württemberg 30. April
1642"), sowie nach der Vergleichung des schwäbi-
schenKreises vom 12. April 1652 "), der Vereinbarung
') Corp. Const Nass. II S. 204. — *) St. A. Wiesbaden a. a. 0.
— •) Corp. Const. Nass. 11 S. 29. — *) In einem Sammelbande der
Stadtbibliothek Mainz. — *) Stadtarchiv Frankfurt Corpus legum ID
Nr. 81, 68, 65. — *) Haus- und Staatsarchiv Darmstadt. Höpfnerscbe
Sammlung. — 0 Kr. A. München. GR. Fase. 402 Nr. 1. — •) Kr. A.
WOrzburg. V. 9561. — *) Taxordnungen in der Habeischen Samm-
lung. — »«) Ebenda. — ") Kr. A. Amberg. Zugang 6 Fasz. 24 Nr. 212;
Corp. Const. Brandenb.-Culmb. II 1 S. 556 ff., bes. 594. - ^*) Kr. A.
Bamberg. Verordnungen Rep. 141 Nr. 59. — **) Kr. A. Amberg. Zu-
gang 6 Fasz. 24 N. 212. — '*) Archiv der Stadt Speier. Fasz. 547. -
*•) R. A. Mönchen. Generalien-Sammlung. Rep. S. 9 Nr. 5, — *•) von
Frey berg, Pragmatische Geschichte der bayerischen Gesetzgebung
und Staatsverwaltung II S. 187. — ") Wie Anm. 15. — ") Kr. A.
München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. — *^ Ebenda. - '•) v. Freyberg
a. a. O. S. 191. — «) Kr. A. Neuburg, ad H. 5887. Augsburg Hoch-
stift ad Generalia XI Nr. 2. — «") Rey seh er, Gesetze XIII S. 17. -
*^ St. A. Stuttgart Druck.
— 631 —
mehrerer schwäbischer Städte vom 3. und 4. Mai 1669 ^),
schließlich der Taxordnung vom 19. November 1669*),
Biberacfh 1651»), Baden: Herrschaft Gutenburg
13. Aiigrust 1652*), Bonndorf 18. Novemfber 1652*),
Gutenburg 1653«), Villingen 1. August 1668^).
Anders ist die Gesetzgebungsmethode der schäum-
burger Polizeiordnung von 1615®). Sie beauftragt die
Drosten imd übrigen Beamiten, Lohntaxen fürs Gesixide
gebietsweise ru erricfhten; diese Taxen dürfen bei Strafe
nicht überschritten werden.
Wieder in anderer Weise wollten die Verordnungen
mehrerer Staaten dem Lauf des Wirtschaftslebens eine
Art Freiheit lassen. Sie stellten keine feste Zahl auf,
die die Lohnsimitme nic'ht überschreiten durfte. Sie re-
gulierten die Löhne vielmehr in der Weise, daß verboten
wurde, über eine vor Jahren gebräuchliche Lohnhöhe
hinaus zu geben.
So wiude in SchaunUburg die vor 10 Jahren ge-
bräuchliche Lohnsumime als Norm aufgestellt am 19. De*
zember 1620 ®). Wie sehr gerade diese Art der Lohntari-
fierimg tintfcr Umiständen von der Auffassung diktiert war^
daß der Lohn nicht fest taxierbar sei, geht aus dem
Wortlaut einer vom 6. Dezember 1631 datierten Tax-
ordnung für Rötteln*®) hervor: „Weyl in solchem ubrgen
^) Ebenda. Handschrift. — *) Reyscher, Gesetze XinS.496.
- ') Kn A. Neuburg« ad H. 5887. Augsburg Hochstift ad Generali XI
Nr. 2. — *) L. A. Karlsruhe. KopiarbOcher Nr. 692i.. — ») Ebenda.
- •) Ebenda. — ') Oberrheinische Stadtrechte II S* 208 ff., bes. 214.
- •) Rottmann S. 428 (Kap. 68). — Vgl. auch die oben S. 618
an der Hand der tiroler Ordnung von 1852 gemachte Darlegung Ober
die drei verschiedenen Hauptarten der Tarifierung; im folgenden
Absatz werden Beispiele für die dritte Art mitgeteilt — ») Landes-
verordnungen Schaumburg - L. I S. 404. — Schaumburg hatte 1615
gebietsweise Tarifierung, 1620 Verweisung auf Brauche vor Jahren,
1664 feste Taxen (oben S. 629). — ") Gen. L. A. Karlsruhe. Herr-
schaft Rötteln Fasz. 461.
— 632 —
Ungleichheit der arbeiten undt der Personen, auch es des
Lohns halber ung'leich gehalten würdt, ako khein grewiss^
heit hierin zusetoen; So \^rden sich Herrn undt Meister,
Knecht und Mägdt hierin der billichkheit wissen ru ver-
halten : Undt sich die Dienstbotten also dess Lohns hal-
ber verhalten, damit man beysamimen bleiben, undt uff
vorkomimendei Klage nit ursach habe, gebührendt einsehen
zuehaben: damit aber hierin kein Ubermaass gebraucht
werde. So soll sunderliüh der jenige Lohn auch dissmahles
aecht genomknen undt geben werden, der in Ar. 17 undt
18. den Knechten undt Mägdten ist gegeben wordoi."
Zuerst wird der Lohn also wegen der Ungleichkeit der
Arbeit und der Kräfte der Billigkeit der Parteien anemp-
fohlen. Aber es muß doch eine Gnmdlage geschaffen
werden, damit „hierin kein Ubermaass gebraucht werde".
Hier ist ferner der im; Verzeichnisse der festen Taxen
oben ^) schon aufgezählten clevischen Gesindeordnung
von 1644 m gedenken. Für die meisten Dienstboten wird
eine feste Taxe gegeben. Baumeister, Fuhr- und Mittel-
knechte jedoch sollen keinen höheren Lohn erhalten, ak
vor 1609 (I) jeden Orts üblich war, „wobei jedoch der
jetzige Münzwerth und die grössere Theuerung aller Ge-
genstände ru berücksichtigen ist". Köln greift am 15.
Februar 1645*) auf den vor 15 bis 16 Jahren üblichen
Satz rurück. Die Polizeiordntmg von 1656^) bestimmt gar,
daß der Lohn ermittelt werden soll, wie er vor 40—50
Jahren war; er soll „hiemach für die Zukunft festgestellt
werden". Auf bloßes „vor Alters Herkommen" verweist
eine darmstädter Verordnung vom 1. Juli 1672, die
am' 15. August 1684 erneuert wurde*); eine feste Taxe
ist in Vorbereitung. Auch die braunschweig-lüne-
burgischen Gesetzgeber hielten eine solche Regelung
für grut, als sie am; 31. Oktober 1621 in einer Taxord-
0 S. 629. — ») Scotti, Köln I 1 S. 249. — •) Ebenda S. 263.
— *) Archiv Darmstadt. HOpfnersche Ediktensammlung.
— 633 -
nung ^) die vor 20, 30, 40 und mehr Jahren gebräuchlichen
Löhne für miaßgiebend erklärtet.
Bisweilen gehen die Lohnbestimlmungen nicht ein*
mal so weit. Ein ziemlicher, erträglicher Lohn soll nach
lüneburger Recht vom! 6. Oktober 1618*) künftig ver-
einbart werden ; von irglend einer Festsetzimg ist gar nicht
die Rede. Noch genügsamier ist das fuldische Aus-
schreiben vom' 3. Deziember 1652 '). Es klagt in der Ein-
leitung über zu hohen Lohn, bestimlmt aber hinterher
nur über Dinge, die damit direkt nichts zu tun haben.
Im' Kalenbergischen wird am 10. August 1654*)
angeordnet, daß billigmäßiger Lohn, den vorigen Ge-
sindeordnungien „allerdings conform^*, gefordert und zu-
gebilligt werden soll.
Offen ausgtesiprochen wird der Gedanke, daß eine
Tarifienmg immlögliCh erscheint, sogar im 17. Jhdt. des
öfteren. So verzichtete mian 1616 vorübergehend auf eine
Bestimtaiung in Bayern. Da heißt es*): „Wiewohl in
voriger unserer Polizei-Ordmmg den Ehehalten nach eines
jeden Dienstes Gelegenheit ein gewisser Lohn bestimmt
worden sei, da sich aber immerhin die Zeit xmd Jahrgang
verändern, auch in unsem Landen in diesiem' nicht allent-
halben kami eine Gleichheit gehalten werden^ so soll
gleichwohl niemland, wie er seine Ehehalten belohnen
solle, einig gewisise Mass fürgeschrieben werden ; doch soll
den Obrigkeiten jeden Orts hiemit anbefohlen sein, wo
sie hierin mit Gebung oder Fordenmg des Lohnes sowohl
bei den Herrschiaften als Ehehalten eine Übermass ver-
spürten, sie nadh Gelegenheit der Zeit, Ort und anderer
Umstand gebührend Einsehen fürnehmen zu wollen.**
Auch die nürnberger Dienstbotenordnimg von
*) Fürstl. Braunschw.-L. Zellischen Theils Polizey-Ordnung (1700)
S. 175. — ") Landesverordnungen Lüneburg Cap. 4 Bd. 1 S. 1. —
*) Sammlung der cass. Regierung; oben S.127 ff., — ^) Landesordnungen
Kaienberg IV S. 205. - •) PI atz er S. 115.
— 634 —
1628^) will den Lohn nicfht begrenzen: „Solchem nach
gebeut ein E. E. Rath hiemit auch ernstlich und will,
dass hinfüro dissfalss aller Uberfluss eingestellt und den
Ebehalten ein billiger und bey disen Zeiten leydenlicher
und erschwinglicher Lohn nach deren Qualitäten und Be-
schaffenheit jährlich geraichet werde." Nürnberg hielt
sich überhaupt von den Taxstrebungen des 17. Jhdts.
fern.
Verzichtsam: wurden gegen Ende des Jahrhunderts
auch Idie Regierenden in Würzburg. Im letzten Abschnitt
der „New ifevidirten Tax-Ordnung" vom* 22. Juni 1696^
wird wörtlich das wiedergegeben, was über die Dienst-
boten schon in der für die neue Ordnung vorbildlichen
Taxordnung von 1652®) stand. Nur der letzte Titel V
ist ganz geändert. 1652 war hier eine spezialisierte Lohn-
taxe gegeben; 1696 mlacht sie folgenden Erwägungen
Platz: „Wann auch under andern Beschwerden diese
nicht die geringste ist, gleichwohl aber etliche Jahr hero
sehr überhand genomimen, dass die Knecht und Mägd viel
zu hohe übenn»essige Löhn fordern, also dass der Hauss-
mann, wegen diese ersteigerten Löhne hart zuleiden hatt ;
Ja da es ru Zeiten geschieht, dass man den Knecht und
Mägden über jhren gebührenden Lohn noch Viehe uff-
ziehen, oder ein Anzahl Getreyding aussähen muss ; diesen
schädlichen Missbräuchen dann nachtrücklich lusteuren,
verordnen und befehlen Wir hiemit ernstlich, dass sich
jede Dienstbotten KneCht und Mägd, mit solchem billigen
Lohn dergestalten begnügen lassen mögen, damit uff vor-
kommende Klag oder Beschwemuss man solchen von
Ambtsweegen zu verringern und zu determiniren keine
Ursach haben." Dies entspricht der schon an früherer
Stelle der Taxordnung gleich vor dem Gesinderecht fest-
>) Kamann S. 101. — «) Kr. A. Würzburg. V. 9661. -
*) Ebenda.
— 635 —
gelehrten Anschauung: „WdUen denen Trechsslern und
mehreren anderer oben nit genanter Handwercker ver-
fertigenkle Arbeith, natih eines jeden Hausshalters ver-
schiedene anfremibd- und Bestellung dergestalten diffe-
rent und underscheiden, dass darinnen gewisse Zahl und
maass zugeben nit sowohl als in obigen thuenlich'*, wird
keine Taxe gegeb^i, sondern auf die Billigkeit verwiesen ;
bei Beschwerden, so wird in Aussicht gestellt, wird mit
Strafen verfahren luid andere Ordnung erlassen werden.
Khe endgültig zu der neiuen Zeit übergegangen wird,
die sich hier sichon mit tmverkennbarer Deutlichkeit an-
kündiget, sei noch eine Klemigkeit aus dem Gebiete des
Lohnrechts für die früheren Jahrhunderte erledigt. In
der FrsLse der Naturaliengewährung spielen sich
— vornehimlidh seit dem 17, Jhdt., aber mit früheren
Ansätzen — Kleinkämpfe ab, die wenigstens landwirt-
schaftlich interessant sind. Der Wert der Naturalienge-
wähnmg, Kost, Wohnung, Kleidung, Frucht u. a., über-
wog und überwiegt vielleicht größtenteils auch heute
noch den Geldlohn um ein Beträchtliches^).
Die Stellimg der Gesetzgeber ist verschieden. Bald
gestatten sie die Natturaliengewähnmg, bald verbieten sie
solches, soweit es über die Einräumung von Wohnung,
Kost luid vielleicht auch Kleidxmg hinausgeht, mit den
härtesten Strafen xmd befehlen, daß Geldlohn gegeben
werden soU. Der Grund für dies gegensätzliche Verhal-
ten liegt offen da. Wenn Frucht, Vieh und Leder teuer
sind xmd von dem produzierenden Landwirt und Gesinde-
herrn zu hohen Preisen mit hohem Gewinn verkauft wer-
den können, dann nimimt sich der Landesvater des Profits
semes treuen Untertanen an imd verbietet dem Gesinde,
^) Für die älteste Zeit Grimm, RechtsaltertOmer S. 857, 858;
für das 19. Jhdt,: Mitteilungen des Vereins für nassauische Altertums-
^de undGeschichtsforschunglS. Jahrg. S. 100; vgl. auch A.Neumann,
Die Bewegung der Löhne der ländlichen „freien" Arbeiter S. 859 ff.
— 636 —
als Lohn die teuren Gegenstände in natura zu begehren i
Geld ist billiger. Ist dagegen der Preis der Landwirtschaft-
liclien Erzeugnisse gering, dann ist es dem! Gesindeherra
lieljer, wenn er statt Geldes den Leuten das g-eringwertige
Deputat an Frucht und anderm' Naturale geben kann, und
schleunigst wenden sich die Gesetzgeber wider das hab-
gierige Gesinde, das Geldlohn beanspruc'ht, anstatt sich
mit der nahrhafteren Getreidefrucht zufrieden zu gebeiL
Weitere Erwägungen, die das Vorgehen der Gesetzgeber
in der einen oder andern Richtung beeinflußten, werden
sich aus der folgenden Darstellung ergeben.
Für das Recht der geringerwertigen Naturalien, Klei-
der, Schtihe, wurde ^) aus Hessen genügendes Material
zur Beurteilung der gesetzgeberischen Stellungnahme mit-
geteilt. Wichtiger und mit größerer Erbittenmg ausge-
fochten wurde der Kam'pf um die Gewährung der wert-
volleren Leistungen des Dienstherrn: Fruc*htliefem,
Fruchtsäen, Viehhalten. Die Besorgnis, das Gesinde
könne des Herrn Land und Vieh zugunsten seines eigenen
vernachlässigen, spielte hier eine erhebliche Rolle.
Aus der älteren Zeit sind zwei Naturalienverbote zu
nennen, die wohl aus anderen als den angeführten
Gründen ergingen. Welches die Veranlassung zu dem
Verbot einer nürnberger Verordnung des 17. Jhdts. *)
war, die Ehehalten mit Trebem zu entlohnen, sei dahin-
gestellt; vielleicht wurde diese Bestimmung gerade mit
Rücksicht auf das Wohl des Gesindes erlassen. Mehr
für die Taglöhner als das ständig angestellte und bezahlte
Gesinde sollten einige, wohl im Interesse der Zehntein-
kunft erlassene Verbote badischer Orte*) dienen, den
Dreschern Garben statt Geldes zu geben.
Zwei andere Vorschriften aus der Zeit vor 1500, ein
Gebot und ein Verbot des Naturallohnes, haben wohl die
») Oben S. 621 ff. — •) Baader, Polizeiordnungen S. 211; Ka-
mann S. 107. — •) Oberrheinische Stadtrechte I S. 816, 261, 819.
— 637 —
gewöhnlicfben Veranlassungen all dieser Bestinimungen,
wie sie oben angenomSmen wurden. So spricht das duder-
stadter Rec?ht^) mit Straf drohungen folgendes Ver-
bot aus : „We eyne Maget mieydet, dey en schal or neyn
lin seygen, noch schleyger geven. Pena or Jowelk eyn
Fouder steyness." Dagegen ordnet dief Gesindeordnung
der Harzländer von 1445*) an, daß dem' Gesinde ver-
schiedene Naturalleistungen zu machen sind. Die Ober-
köche in Schlössern imd Klöstern beispielsweise „schullen
. . . hebben de vel von kalvem, lammeren xmde hoken
(Böckchen) van paschen wente to pinxsten, darto dat
kokgerichte de ersten kohut unde viff elen parchammes,
effte he dat vordenen kan"; „isbeyn" (Hüftbein) und
„pust** (Lunge) sind davon ausgenommen.
Aus dem! 16. Jhdt. läßt sich nur über zwei Gebiete
berichten, die Bestimmungen über den Naturallohn trafen.
Aus Gründen des Zehntrechtes wiederum!, die des näheren
hier nicht in Betracht komimen, wurde 1570 vomi Ge-
richte zu Witzenm'ühle an der Aller dem Gesinde
die Viehhaltimg verboten^). Bayern imtersagte 1553
die Naturaliengewährung, erlaubte sie aber 1554 wieder *).
Späterhin ging man in Bayern aber wieder ganz
zu dem Verbot über. 1637 wiurde der Ausbau einzelner
Äcker untersagt*). Unter Ferdinand Maria (1651—1679)
wurden ,yalle Actidenzeln und Ausbedingungen, als: Vieh
und Förkel zu halten, Kälber aufziehen, . . . Aecker um-
ackern," . . . verboten^). So ließ es auch die Gesinde-
ordnung von 1656'). In Bam'berg erhielt die Dienst-
herrschaft auf Grund der Tax- und Gesindeordnung von
1652®) zwölf Thaler Strafe zudiktiert (im Interesse der
*) Gengier, Stadtrechte S. 91. — •) Zeitschr. d* Harzvereins
f. Gesch. u. Altertumskunde 27 S. 486, 486. — •) Grimm, Weis-
tOmcr lU S. 481 flF., bes.488.- *) Platzer S. 100, 101. — ») v. Frey-
^e r g, Pragm. Geschichte der bayr. Gesetzgebung II S.186. — •) Ebenda
S. 190. — ') Kr. A. München, GR. Fasz. 402 Nr. 1. - •) Kr. A.
ßamberg. Bamberger Verordnungen Rep, 141 Nr. 59.
— 638 -
übrigen Dienstherrschaften, die ihrem Gesinde Geringeres
gewährten), wenn sie dem' Gesinde Frucht säet oder Vieh
hält; derartige Zumtitiingen sieitens der Dienstboten müs-
sen angezeigt werden. Ein Rezeß zwischen den BurgrfiTraf en
von Nürnberg und der voigtländisdhen Ritterschaf:
vom' 8. Juni 1626 *) verweist auf eine Polizeiordnung, die
das Verbot der Lohnsaat bereits enthält. Die branden-
burgische Taxordnung von 1652*) untersagt das
Fruchtsäen und Viehhalten fürs Gesinde mit Strafen b«der
Teile, der Herrschaft und des Dienstboten. Weiter will
eine brandenburger Polizeiordnung von 1672*) auch das
Säen fürs Gesinde abschaffen, femer die „Her leihung
der Pferde auf einen oder mtehrere Tage, welches an
etlichen Orten das Gesinde an Stell des Lohns mit ein-
gedingt" ; wo es nicht abgestellt wird, soll doch ein Lohn-
abmg erfolgen.
Das gewöhnliche mit Strafen gestützte Verbot steht
in der Gesindeordnung für Biberach von 1651*), für
die Herrschaft Guttenburg von 1652*), der Gesinde
Ordnung des schwäbischen Kreises aus dem' Jahre
1652^) xmd der hierauf beruhenden württemberger Ge-
sindeordnung desselben Jahres ^), in der von schwäbischen
Städten 1669 verembarten Gesindeordnimg®).
Hessen gestattete, wie hier wiederholt sei'), 1655
das Fruchtsäen. Umgekehrt geht die gederner Ord-
nung von 1681 *®) wohl am weitesten mit ihrem' Verbot der
Reichung von Kleidern, Schuhen, des Leinsäens, Vieh-
*) Kr. A. Bamberg. Collcctonea Rcp. 1871 Nr. 1. — ■) Kr. A. Am-
berg. Zugang 6 Fasz. 34 Nr. 212. — ») Corp. Const Brand.-Culmb. 11 1
S. 566 flF., bes. 694. — *) Kr. A. Neuburg, ad H. 5887. Augsburg Hoch-
Stift ad Gen. XI Nr. 2. — *) Gen. L. A. Karbruhe. Kopiarfotk:ber
Nr. 6921. — •) St. A. Stuttgart. Druck. — ') Rey scher, Gesetze
Xm S. lU. - •) St A. Stuttgart Handschrift. — •) Oben S. G28£ -
") Graft. Stolberg. Archiv in Gedem. B. XX „AUerhand Verord-
nungen und Befehle so in der Grafschaft Stolberg-Gedem ergangen"
S.61.
— 639 —
haltens. In Fulda wurde 1652 das Säen für Dienstboten
verboten^), in Sdh'aum'burgr schon durch die große
Polizeiordnung von 1615 *). Schwarz in Schwarz malt die
detmolder Poliaeiordnung von 1618»). Im 23. Titel
§ 5 wird gescWldert, wie sich die Knechte das beste
Land neh!m)en, htemach deim Herrn die Frucht verkaufen
und ihn so mit der Zeit in große Schulden versenken.
Bei wiUkürlichier Strafe wird das Säen fürs Gesinde ganz
verboten.
Viehhalten, Fruchtsäen, sogar Reichimg von Linnen
und Schuh werden in der weimarer Verordnung vom
22. Juli 1651*), ähnlich in der altenburger Gesinde-
ordnimg von 1652 *), verboten. Nadh einer dem: 17. Jhdt.
angehörenden mlühlhäuser Ordnimg *) dürfen die land-
wirtschaftlichen Arbeiter nicht für sich Ähren lesen. Die
lüneburger PoUzeiordnimg von 1618 ') gibt nichts nach.
Durch das Verlangen des Gesindes nach solch kostspie-
liger Naturallöhhimg geraten die Hauswirte „noch irni
so viel desto miehr in Verderb und Abnehmen ihrer Nah-
rung". Und auch die Taxordnung Herzog Friedrich Ul-
ric'hs von Braunschweig xmd Lüneburg aus deml Jahre
1622*) kann sich nicht genug tun in Schilderungen, wie
verderblich das Lohnsäen ist. Dem: Vieh wird das Futter,
dem Mist Stroh auf diese Weise entzogen, allerhand An-
laß zur Dieberei entsteht so, dadurch nämlich, „dass
solch Gesindtlein allwege das beste Korn, imd auff einem
Morgen, mit dess Nachbarn Schaden, wol mehr als ein
ander auff zwey Morgen hat." Solcher „Korn und Früchte
Lohn" wird verboten. Dann erging auch noch in H a d e 1 n
') Oben S. 638, 127 ff. — ») Rottmann S. 841 (Kap. 82). -
■) Landesverordnungen L.* Detmold I S. 858* — *) Joh. Schmidt,
Gesetze f. Weimar IV S. U7. 148. - •) Brandt, Der Bauer in Alten-
burg S. 82. — *) Stadtarchiv MOhlhausen; den Heimburgenordnungen
angcbundea — ') Landesverordnungen Lüneburg Cap. IV Bd. 1 S. 1.
-^ *) In einem Sammelbande der Stadtbibliothek Mainz*
- 640 -
ani 14. April 1655*) das Gebot, den Dienstboten nicht
zu säen oder Vieh zti halten.
Die Hochflut von Lohntaxen, die im 17. Jhdt. her
eingebrochen war, ist, wie gesagt, der Münzentwertung
und dem großen Kriege vor allem zuzuschreiben. Als
der Krieg mit seinen Folgen vorbei war, und als man sich
dem Münzzustand anzupassen vermocht hatte, war eigent-
lich kein Raumi mehr für obrigkeitliche Preisregulierun-
gen. Das folgende Jahrhundert erlebt es denn auch, wie
das so üppig hochgewachsene Kraut allmählich abstirbt.
Hier imd da wächst freilich imaner wieder einmal ein
neues Pflänzlein hoch, so in den Notzeiten nach dem
siebenjährigen Kriege ; dadurc'h wird der Charakter des
allmählichen Aufhörens noch mehr betont.
Nachdem das Reich das ganze 17. Jhdt. hindurch
geschwiegen hatte*), da die Territorien ja seinen Vor-
schlägen treulich nachlebten, äußerte es sich wieder ein-
mal 1731. Die Reic'hshandwerksordnung von 1731 und
späterhin vom 4. Juli 1768 ^) setzte unter Nr. 15 fest, wegen
Regulierung des Gesindelohnes solle jeder Kreisstand mit
dem andern imd die Kreise unter sich korrespondieren
und sich einer billigen Tax- und Gesindeordnung ver-
gleic^hen.
Schon die vorbildliche hannoversche Gesinde-
ordnung von 1732 *) freilich kehrte sich nicht hieran, son-
dern begnügte sidh mit einem Kompromiß, welcher den
Verzicht auf die gn'imdlegende Weisheit des vergangenen
Jahrhunderts deutlich erkennen läßt : Präzise ist ein Lohn
nicht 'determinierbar, da die pretia rerum zu verschieden,
*) Spangenberg, Verordn. f, Hannover IV 3 S. 266. - ') D^«!
wenig bedeutende Anregung des regensburger Reichsabschiedes von
1664 (oben S. 62) kommt nicht in Betracht. — •) Stadt Archiv Nord-
hausen. Sammlung reichsstadt. Nordhausener Verordnungen BdJ
Nr. U9; Hess. LO. IV S. 119. — *) Spangenberg, Verordn. t
Hannover IV 2 S. 461,
— 641 —
auch die Dienstleisttingen unklar sind. Daher soll we-
nigstens über das, was vor drei Jahren von den meisten
gegeben wurde, nicht hinausgegangen werden. Femer
wird der Mietpfennig tarifiert. Wer sich nur auf die Ernte
vermietet, darf nicht den ganzen Jahrlohn fordern, son-
dern ^miuß mit deim' seiner Arbeitszeit entsprechenden Ver-
dienst zufrieden siein.
Die der hannoverschen Gesindeordnung nachgebil-
deten Gesetze gingen teilweise nicht einmal so weit.
Hessen zimü Beispiel ließ 1736 ^) der Vereinbarurxg einen
viel weiteren SpielraimH; man konnte kaumi noch eine
Beschränkung wahmehmten. Da heißt es : „Und ob zwar
so wohl die Pretia rerumi im' Land, als auch die Dienst-
Leistung selbst und einem' jeden Dienst-Botten aufzule-
gende Arbeit sehr unterschieden, der Lohn und Mieth-
Pfennig aber der Arbeit billig proportionirt seyn muss,
mithin ein gewisser imd beständiger Lohn überall nicht
wohl zu regulieren ist; So wollen Wir jedoch, dass von
demjenigen Lohn, so an jedem Ort bishero üblich ge-
wesen, nicht leichtlich abgegangen werden, sondern es
dabey sein Verbleibens haben, imd weder das Gesinde ein
mehreres zu praetendiren, noch die Herrschaft demselben
ein mehreres zu geben befugt seyn solle, es wäre dann,
dass dieselbe einem Dienst-Botten wegen seines außer-
ordentlichen Fleisses imd Geschicklichkeit ein mehreres
zum gratiale zukommlen lassen wolte."
Die weitere Entwicklung in Hessen führte nach dem
siebenjährigen Kriege nochmiak zu umfassenden Taxord-
nungen für alle Waren imd Löhne; die Vorgeschichte
dieser Verordnimgen von 1764 an wurde bereits eingehend
dargestellt*). Hier seien noch zur Illustrierung einige
Angaben über Lohn- und Preishöhen gemacht.
Die Steigenmgen der Getreidepreise, besonders aber
') LO. IV S. 410. - *) Oben S. 70 flF.
Konnecke. ^\
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der immer wieder angieführten Leder- und Lederwaren-
preise waren ganz enorm. Im Amte Eschwege ^) kostete
das Getreide in den Jahinen von 1720 — 40 ein fünftel von
dem 1740 — 60 gezahlten. Die Sc'huhpreise in Wanfried
waren vor dem! Kriegie nach dem Kriege
Kneditschiihe 1 Th. 1 Th. 16 Ggr.
Mägdeschiihe 20 Ggr. 1 Th.
Pantoffehi 10—12 Ggt. 16 Ggr.
Und die Sc^hlihinlacher beriefen sich wieder auf die Le-
derpreise, die Gerbter hätten sich wohl auf die Viehpreise
berufen imd so fort. Daß der Stand der Löhne dem ent-
sprach, ist selbstverständlich. Während vor dem' Kriege
auf lange zurück in den politbch und wirtschaftlich ruhigen
Zeiten die Löhne ^leicb blieben, läßt sich für die Jahre
1764 und 1767 eine beträchtliche Erhöhung: feststellen,
die trotz aller Taxversuche stetig weiterschritt. Vor dem
Kriege betrug der Lohn auf den Beckerschen Gütern ni
Wanfried (von 1685—1756 g-leich): Großknecht 18 Th.,
Mittelknedht 13 Th., Kleinknecht 8—10 Th., Hausnugd
7 Th., Viehmagd 8 Th., Kindermagd 4 Th., Naturalien
stets inbegriffen*). Noch niedriger waren die Löhne in
Neuenstein, wie sich aus der 1767 dort auf Grund des
Regierungsausschreibens vom' 17. Dezember 1764 erlasse-
nen Taxe ergibt ») : Großknecht 14—16 Th., Mittelknecht
9 — 11 Th., KleüikneCht 5 — 6 Th., wenn unter 18 Jahren
3—4 Th., Großmag'd 7 Th., Hausmagd 5—6 Th., mit allen
Naturalien. Ähnlich sind die in der Taxordnun^ für Neu-
kirchen 1767 festgesetzten Löhne*), noch geringer schei
nen die in Rotenburg gewesen zu sein *). Nur wenig höher
sind die Sätze der casseler Taxordnung von 1765*) an.
Die nach dem' Kriege tatsächlich gezahlten Löhne
*) St. A. Marburg. Cass. Reg.-Akten PoL-Rep. F 48 Nr. 1'/«. -
") Ebenda — »y Oben S. 72. — *) Ebenda ; St A. Marburg. Cass-
Reg.-Akten. Pol. • Rep. F 48 Nr. IV*. — •) St. A. Marburg. Cass.
Reg.-Akten. Pol.-Rep. F 48 Nr. IV«. — •) Oben S. 72.
— 643 —
^weisen in Bargleld imd vor allem in den Naturalien eine
stete Steigierungr auf. Die in Gudelnsberg herrschenden
Zustände^) können ab typisdi für die übrigen Ämter
gelten: GroßknecKt 20—24 Th. und 1—2 Steigen Hern-
dentucb, Mittelknecht 12—16 Th., sonst wie der Groß-
knedht, Magd 8—10 Th. und viel Naturalien, besonders
Leinsäen. In Neukirdhien forderte ein Großknecht 25 Th.*).
Der Amltmann zu Hehnjajshiausien schlägt einen Maximal-
tarif vor*), aus desisen Höbe mian einen Schluß auf die
wirklich gezahlten Löhne herleiten darf: Großfcnecht 24
Th., Mittielknecht 16 Th., Kleinknecht 8 Th., Großmagid
8 Th., Hauslm|afe|d 7 Th., Kleinimagd 4—5 Th., Naturalien
stets mütjgieredhniet.
Die weitere Entwicklung bis zum endgültigen Auf-
geben des Taxgedankens in der Gesindeordnung von
1797 wurde imi ersten Teile*) dargiejstellt.
In den hiössiscihen Nebenländern vollzog sich
gleichfalls die Entwicklung zur Lohnfreiheit. Die ha-
nauer Gesindeordnung von 1748*) überläßt es dem Par-
teien, sich' eines billigen Lohneis zu vergleichen, „weilen
der zu reichiatide Liedlohn sich nicht so praecise deter-
minieren lasset, gestalten diel pretia nicht überall gleich,
mithin das Gesinde an einem Ort eines mehreren als am
andern benöthiget, auch die Dienst-Leistimg sehr unter-
schieden ist, die Belohnimg aber mit der zu verrichtenden
Arbeit eine billige Proportion haben mtiss". In Fulda
erging amf 7. September 1759 eine „Ordination in diversis
cameraJibus" ^) für die herrschaftlichen Wirtschaftsbe-
triebe. Sie sagt u. a. : „Jahr Lohn deren Dienst-Knechten
imf Altenhoff . Wollen Wir noc«h zur Zeit auf sich beruhen
lassen." Über die Auffassiuig der Gesetzgeber in Isen-
*) St. A. Marburg. Cass. Reg.-Akten. FoL-Rep. F 48 Nr. VU.
— •) Ebenda. — •) St A. Marburg. Cass. Reg.-Akten. Pol.-Rep. F 48
Nr. IVi. — *) Oben S. 72 flF. - •) St. A. Marburg. IX A 1621. —
*) Cass. Reg. Sammlung fuld. Verordnungen V S. 675.
41»
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bürg, nach der niir die unvermögenden Stände des
Schutzes einer Taxe bedürfen, gibt eine am! 24. Januar
1769 ^) an die Stadt Offenbach ergangene Instruktion Aus-
kunft, die für Fuhr- und TageUihner Ausarbeitung einer
Ordnung mläßt; jedoch: „weil aber die Wäscherin und
Bieglerin nicht von den mieisten, sondern niu: von ver-
mögenden gebrauchet werden, lassen wir deren eigener
Übereinkimft über, wie sie sich mit ihnen vereinigen".
Teils in Abhängigkeit vomi hannoverschen Recht, teils
selbständig gingen die sonstigen Territorien vor; so
schwankt auch die Stelliuignahmie im einzelnen gegenüber
der Taxidee. Nur nodh vom* „gewöhnlichen" Lohn, um
den die Dienstboten dienen sollen, redet die holsteiner
Gesindeordmmg von 1740'). Rechtgläubig dagegen ist
noch die 1766 entstandene Gesindeordnung für Osna-
brück'). In den Städten sowie in den Kirch^elen auf
den Bauersprachen müssen die Mietgelder und Löhne
durch Stimimeranehrheit festgesetzt werden. Nach Be-
stätigung durch die vorgesetzte Behörde ist jedermann ver-
irflichtet, sich nach der Taxe zu richten. Herrschaften, die
gegen die Ordnung handeln, erhalten 5 bis 10 Th. Strafe.
In der Gesindeordnimg für Wolfenbüttel von 1748*)
steht gar noch eine völlige Taxe, allerdings mit außerge-
wöhnlichen Besonderheiten, insbesondere einer Minimal-
satzimg des Lohnes: Der Lohn der höheren Bedienten
wird einstweilen noch dem' Gutfinden der Herrschaften
überlassen. Gewöhnliches Gesinde soll 10 bis 12 Th. be-
kommen. „Dieses an sich schon hohe Liedlohn wird vor-
erst noch geduldet, da eigentlich und ordentlicher Weise
das Lohn solcher Art Dienstboten von 4 Thlr., als wor-
unter auch nicht zu geben, bis zu 8 Thlr. oder
1) Sammlung des Amtsgerichts Langenselbold. — *) St A. Schles-
wig. Sammlung GrossfOrstl. Verordnungen. — ') Klöntrupp. Hand-
buch II S. 76 ff. — *) Archiv WolfenbOttel Nr. 7097.
— 646 —
etwas weniger darüber, bey nicht Erwachsenen aber nie-
häIs über 5 Thlr. ajisiteigef *.
Wegen Ider Unbeistimlmbarkeit deis angebradhten Loh-
nes will die eisenadher Geisindeordnung von 1757^)
von einer Beötimbiting absehen. Die miaßgebenden Gründe
der Niditregulienmg sind wieder Ungleichheit der Arbeit,
der Kost, der Gestehicklichkjeit und anderer Umstände.
In den benachbarten Weimarer und jenaischen Ge-
bieten dagegen wurde- 1763 eine Taxordnung der sämt-
lichen Löhne und Preise erlassen*). Die Instruktion für
die „Zweyermlanns-Cammter" in Erfurt von 1704*) enf-
halt eine Vorschrift, daß die Herrschaften mit Lohn nicht
übemomimen werden sollen.
Die altenburger Gesetzgebung ging von der Tax-
freiheit späterhin dodh wieder rur Tarifielrung über. Die
Gesindeordnung von 1719*) erklärt den Verzidht auf die
Taxe mit ganz eigenartigen, praktisdh doch wohl nicJht
miaßgebenden Gründen. Das Gestetz sagt: „Ob wir nun
wohl nach dem) Exempel der benachbarten Reichs-Stände
wegen der bisUerigen Missbräuche in Steigerung des Ge-
sinde-Lohns ein gewisses determiiniren könten, so wollen
Wir Uns doch versehen, es werden so wohl die Herrn als
das Gesinde ta beieden Theilen die Christliche Billigkeif
beobachten, imd den Lohn dergestalt einrichten, dass sie
darbey bestehfen können, und niemlanden dadurch ein prae-
juditz zuwachlse. Würde aber von ein oder dem! andern
hierwider glehandelt werden, soll der Obtigkeif obliegen,
deshalb Erkundigtmg einzuziehen, und naCh Befinden den
Lohn zu ermiässigien." Muß Gesinde auf kürzere Zeit
im' Jahre, etwa nur zur Ernte, gemietet werden, dann soll
ihm nur ein Lohn pro rata tem^wris zukommen; aus-
nahmisweisie angebrachte Erhöhungen solchetn Lohnes muß
0 Kr. A. Mflnchen. GR. Fasz. 403 Nr. 8. — *) Joh. Schmidt,
Gesetze f. Weimar Vm S. 415. — ') Mainzische Ordnungen für Erfurt
S. 186. - *) Univ..Bibl. Marburg. XVIH f A 870.
— 646 —
die Behörde bewilligten. Die Gesindeordnung von 1744^)
deutet auf ErfaUrungien hin, diie mtan wohl inzwischien ge>
Ttiaidht hatte. Es wird eine sehr genaue, nach Kreisen ge-
schiedene Taxe für freies \md für Zwangsgesinde erlassen.
Überschreitungen der Taxe werden an beiden Teilen mit
sehr hohen Geld- oder Freiheitsstrafen belegt. Aber:
„Weibi jedoch die Besitzer derer Ritter-Güther, so offt-
mahls viel Leute glebrauchen, sowohl auch in denen Städ-
ten diejenigen Honoratiores, so nach Beschaffenheit ihres
Standes asu einemi oder dem andern Dienst geschicktere
Leute nöthig haben, sidi siehr auf das Gesinde verlassen
müssen, und dahier, dass sie tüchtige Leute erlangen mö-
gen, grosse Ursach haben, der Bürger xmd Bauer hingegen
selbst überall mit 2nisiehlet, und Hand anleget, und folglich
weit weniger Gefahr mit denn Gesinde ru besorgen hat . . .",
— aus diesien Gründen brauchen die redchen Leute die
Taxe nidht eumihaltenl Nur für die Vermiietung in
den Emteftnionaten darf auf dem Lande höher akkordiert
werden.
Nadh der Gesindeordnung Waldeck^ von 1736*)
mag es bei den besteUesiden Löhnen bleiben. Noch eine
richtige Taxe bringen diesayn-wittgensteiiner Ord-
ntmg von 1776') und die detmiolder von 1736*), „da-
mit endlich auch wegien des Lohns eine Gleichheit ge-
halten, tmd dasselbe eines Theils von dem' Gesinde, nach
eigenen Belieben, ztmi! Beschwer der Land- imd Hauswirth-
sdhaft nicht gesteigert, noch anders Theils denselben wi-
der Recht und Billigkeit geschmälert werde, sondern das
Gesinde vor sauren Schweiss und Arbeit sich eines billig-
massigen Lohns zu erfreuen habe**.
Mietgeld und Lohn setzt auch die ravensberger
Gesindeordnimg von 1766*) der Höhe nach fest; Über-
^) Ebenda. XVIII f B1119A.— ') Sammlung derRegiening Arolsen.
— •) Univ.-Bibl. Marburg. — *) Landesverordnungen L.-Detmold 11 S. 47.
— ■) Ravensberger Blatter f.Geschichts-, Volks* u. Heimatskunde 1909 S.68.
— 647 —
schreitungen nüuß die Dienstherrschaft mit 5 bis 10 Th.
büßen. Erklärlicher ist das Festhalten an den Grund-
sätzen des vergangenen Jahrhunderts bei der düssel-
dorfer Polizei- und Taxordnung von 1706^), die ja der
hoben Zeit der Taxordnungen näher liegt. Die Ordnung
enthält eine Taxe gewohnter Art. Wenigstens eine parti-
kuläre Regelxmg strebt Jülich anil 16. November 1744
an*). Da heißt es: „Über die künftige Festsetzimg des
Liedlohns imd des Tagelohns für Knechte, Mägdei, Tage-
löhner imd Handwerksleute, sollen die Beamten sich mit
den Ritterbürtigen, Schieffen und Vorstehern xmd mit ihren
benachbarten CoUegien berathen und darüber berichten."
Lange Listen der Gesindelöhbei, die nur von den höhe-
ren Herrschaften nicht eingehaltetn zu werden brauchen,
bringen die beiden die vi sehen Gesindeordnungen von
1753 xmd 1769*). Auf jeden zuviel gegebenen Thaler
Lohn stehen zehn Thaler Strafe. Lakaien können kein
besonderes Wäschiegield fordern, sondern müssen es vom
Lohne nelunjen. 1769 aber heißt es weiterhin : Zwar sollen
die Herrscftiaften die Dienstboten durch zu hohen Lohn
nicht übermütig machen, aber sie sollen dein Lohn auch
nicfht„darunter gegen die Gewohnheit, und dasjenige
was hier nachfolgend festgesetzt ist, etwa kürzen**. Und
es folgen dann in der Tat Satzungen für einen höchsten
und niedrigsten Lohn. Nur fehlt die Strafdrohung wider
Herrschaften, die unter die absolute Grenze hinabgehen.
Nach einem der Rezepte des 17. Jhdts. verfährt die köl-
ner Polizeiordnung von 1723*): Wie der Lohn vor 15
oder 16 Jahren war, soll er auch künftig sein. .
Die usinger Gesindeordmmg aus deml Beginn des
18. Jhdts.*) bietet einen Übergang zum' süddeutschen
Recht. Sie folgt den Spuren der Vergangenheit. Ihre
*) St, A. DOsseldorf. Nr. 109 der Sammlung jfliichscher etc. Ver-
ordnungen. — ") Scotti, Jülich S. 400. — •) Scotti, Cleve S. 1452,
1894.-*) Scotti, Köln II S. 628.-») St. A.Wiesbaden. V. Nassau-
Usingcn. Generalia n± Verordnungen Band V S. 128.
— 648 —
Taxe des Lohhes und des Mietgeldes darf bei 10 FI.
Strafe nicht überschritten ^vierden. In Nürnberg wurden
1741 die Löhne festgeseifet ^). Der Wert der Geschenke
(zu Weihinadhten) darf höchstens acht Gulden betragen:
alle anderen Geschenke außer dem' Johaxuys- und Kind
leinsäniarktgeld sind verboten. Mit den Gründen der Zeit
lehnte die ansbadher Gesindeordnung von 1769 ') eine
Festsetzung des Gesinddiohnes ab; eine Taxe wird aber
angedroht für den Fall, daß die zu große Steigerung des
Lohnes, die den unbemittelten Dienstherrschaften das
Mieten von Gesinide unmöglich macht, nicht eingestell:
wird. Einer Belohnung guter Dienstboten steht nichts
in>' Wege; GesÜhtenke sind*aber vom Gutfinden der Hen-
schaft abhängig imd dürfen nicht ausgemlac^ht werden.
Diese Ordntmg setzte fort, was in der revidierten branden-
burgiscben Polizeiordnung von 1746') imter Verweisung
auf das örtliche Herkomimen bereits begonnen war.
Die Gesidhichte Altbayerns währ^id deis 18. Jhdts.
besteht größtenteils aus Taxplänen oder Taxandrohtmgen.
Nur die Ebehaltenordnung von 1746 *), die ja die Gesinde-
ordnimg von 1660 getreu nadhlahmt, bringt eine Taxe;
die Löhne sind gegen 1660 sitark gestiegen, teilweise um
sechs Gulden. Die weiteren Gesmdeordnungen begnügen
sich mit mildem Hinweis auf den herkömmlichen oder
auch nur den aiisgemachten Lohn ; 1781 wird eine Taxe an-
gedroht für den Fall, daß die Dienstboten nicht „sofort
von der einige Zeit hier sehr übertriebenen Steigerung
des Lohns von selbst abgehen" ^). Das Landesübliche ist
es, was auch die österreichische Geisindeordnung
von 1779^) für das einzig Wahre hält imd den Dienst-
boten als Norm für ihre Lohnforderung hinstellt.
») Kamana S.108, 106. — «) Kr. A. Nürnberg. S.28 i^ Nr. 779
Repert 288. - •) Corp. Const. Brand.-Culmb. II 1 S. 667. — *) Kr. A.
München. GR. Fasz, 402 Nr. 1. - •) Kr. A. München. AR. Fasz. 459
Nr. 209. - •) Wie Anm. 4.
— 649 —
In der badischen Stadt Dur lach erging in der
ersten Hälfte dies Jahrhunderts eine Taxordnung, die der
badische Hofrat am' 24. März 1752 dem Geheimen Rat
mitteilte und tüx Ausdehnung empfahl ^), „imimassen . . .
diese Ordnung dem Publico um desto nüzlicher ist, als
dasselbe seithiero von de!m Eigensinne derer Arbeitsleute
abgehiängt ist, und diese eigenen Gefallens die Löhne
zu steigern gewohnet gewesen sind**. Ami 1. April 1775
erst schdnt die „Confirmderung** der Taxordnung für die
Stadt Karlsruhe erfolgt zu siein. Den seltenen Gedanken
des Minimallohnes spricht ähnlich wie schon die wolfen-
bütteler Ordnimg von 1748 *) und die clevische von 1769 ')
die Gesindeordnimg für die Stadt Frei bürg im Jahre
1782 aus*). Der Lx)hn wird laut § 13 nicht bestimmt.
Aber er soll so eingierichtet sein, daß der „arme wirth-
schaftliche Dienstboth über seine nöthige Kleidungs-
stücke, und übrige geringe Bedürfnisse, auch noch einigen
Nothpfenning dabey ersparen könne, aber auch nicht so
erhöhet werden . . ., dass das Gesinde dadurch übermü-
thig, und für andere, die ebem so hohen Lohn zu geben
ausser Stande sind, verdorben werde**.
So beginnt das Lohinrecht ein völlig verändertes Aus-
sehen 7ni gewimiien. Aus delml einseitigen Klassenrecht zu
gunsten der Dienstherrschaften scheint ein gerechteres
Institut werden zu sollen. Wenn eis auch mit solcher
endgültigen Umjwandlung noch seine gute Weile hatte,
so wurde damialsi docfh die Abkehr von der Lohnmaximie-
rung durchaus vollzogen*). Kleinere Rückfälle vermögen
daran nichts zu ändern.
Was die Zeit über die Taxversuche dachte, sprach be-
sonders offen und ehrlich 1805 ein aschaf fenburger
0 L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6886. — ') Oben S. QU f.
- *) Oben S. 647. — «) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6891.
- ') In der Schweiz gab es im 18. Jhdt. industrielle Minimallöhne;
Zwiedineck-Sfldenhorst, Lohnpolitik und Lohntheorie S. 65.
- 650 —
Beamter, Molitor, aus^). Man dachte an die Schaffung
einer Gesindeordnun^: und hatte sich dazu von mehreren
auswärtigen Staaten Oixlnungen koroimen lassen. Über
die in einigen von diesen vorkomimendein Lohntaxen spricht
Molitor: „B^seufze ich sehr oft das nothwendige imnier
traurige Übel, unentbehrliche Lebensmittel, Fleisch, Brod,
Bier taxiren ta müssen, um wieviel empörender kömmt
es mir vor, die Fähigkeiten eines Dienstboten dem eisernen
Maassstabe <ler Taxe zu xmterwerfenl In allen Objekten
des Handels imd Wfandels — und was sind im« Gnmde
die Dienste, welche der Dienstboth seiner Herrschaft ver-
handelt, anders I — entferne man doch nur allen Zwang.
— Man schlüge hiedurch jede Aufmunterung nieder, ein
und dasselbe Kaliber für mienschliche Fähigkeiten! —
von dieser Ansicht müssen wahrlich die preusskchen Ge-
setzgeber ausgegangen sein . . ."*).
£s soll nunmehr noch kurz eine Zusamlmenfassung^ der
hauptsächlichen Bestimimiungen aus dem 18. Jhdt. über
die Naturalentlöhnung' gegeben werden. Wegen der durch
das Fruchtsäen entstehenden Fruchtteuerung verbietet ein
kalenberger Edikt vom' 10. Februar 1700*) das Kom-
säen für Knedite bei willkürlicher Strafe. 1709 folgte
für Lüneburg ein gleiches samt delm- Verbot der Vieh-
haltxmg durcb Gesinde *) ; nur Imimenknechten, sowie da,
wo das Säen gegen Lohnabzug stattfindet, mag es er-
laubt sein. Die hannoversche Gesindeordnung vcm
1732*) ging so weit, selbst Schuh und Linnen zu ver-
bieten. Nicht ausdrücklich versagt die osnabrücker
Gesindeordnimg von 1766®) den Dienstboten auch die
*) Kr* A. Würzburg^ V, 2615. — •)Carmer sprach sich in
Preussen schon 3790 gegen Lohntazen aus, die ,|den Grund ihrer
Vereitelung und Nichtbeachtung schon mit sich führen'', hatte aber
keinen Erfolg (Lennhoff S. 82). — ') Landesordnungen Kaienberg IV
S. 209. — *) Landesverordnungen LOneburg Cap. 4 Bd. 1 S. 971. —
•) Spangenberg, Verordn. f. Hannover IV 2 S. 461. — •) KlOn-
trupp, Handbuch II S. 76.
— 651 —
ivertvolleren Naturalien ; nur sollen diese Gegenstand der
jä.hrlic'hen Taxberedung sein. Ein braunschweiger
Erlaß vom 27. Oktober 1740*) verbietet das Lohhsäen,
„es sey denn an einem' oder andern Orte etwa üblich, den>
Gesinde, aus^r dem' Gelde, ein weniges an Korn oder
Lein zu säen, als wobey es vors erste also verbleibet".
In Altenburg war es nach der Gesindeordnung von
1744 «) nur den Schäfern, die Deputat erhielten, gestattet,
eine Anzahl Schafe als Lohn zu nehmen. Imi übrig^en
soll eine NaturaJentlöhnxmg, Frucht gehen, Land säen,
Vieh halten, unterbleiben.
Unter den „Allerhöchsten Resolutionen" vom' 23. Juni
1732 auf den von der hessen-sdhaumburgischen
Landvisitations- Komimission erstatteten Bericht •) findet
sich auch eine Strafdrohung wider das Säen fürs Gesinde.
In Althessen gab es seit der Enqufite von 1766*) ge-
setzgeberische Experimente wegen des Fruchtsäens. 1801
wurde es strengstens verboten, 1804 wieder erlaubt*).
Schaumiburg-Lippe verbot das Fruchtsäen 1747^),
Detmold 1766').
Die in der ravens berger Gesindeordnung von
1766®) auf Taxüberschreitung gesetzte Geldstrafe der
Herrschaften soll insbesondere auch für die Zuwiderhand-
liiiig gegen das Verbot des Fruchtsäens gelten. Andere
Gebiete wollen nichts gegen das Fruchtsäen haben, so
Cleve: die ländliche Gesindeordnung von 1769, deren
Taxbestimjmungen schon genannt wurden^), erlaubt das
Säen von Lohnflachs usw., wenn nur der Wert nicht die
Taxsätze übersteigt. Eine andere Beschränkung hat die
*) Archiv WolfenbOttel Nr. 6998. — *) Univ.-Bibl. Marburg. XVffl
f B 1119a. "-•)Kersting,' Sonderrechte Sp. 1268. — *) Oben S. 73 ff.
— ») LO. Vm S. 152; oben S. 117. — •) Landesverordnungen Schaum-
burg-L n S. 869. — ') Landesverordnungen L-Detmold II S. 225. —
") Ravensberger Blatter f. Geschichts-, Volks- und Heimatskunde 1909
S. 62. — •) Oben S. 647.
— 652 —
gleichfalls schon angeführte kölner Polizeiordnung vcc
1723^). Sie gfötattet das Fruchtsäen für das Gesinde,
nur m!uß das Saatland auf des Brotherrn Kosten voc
einem vereideten Landmtesser abgesteckt werden. 1761
jedoch, „bei dem durch Fouragirung geschwächten Be-
stände imd erhöhten Preise der Früchte" wurde die Er-
setzung des „Naturalien-Liedlohns" durch Geld der Frucht
taxe gemäß angeordnet *) ; 1762 folgte eine spezielle Unter-
sagung Ider Fruchtsaat *). Bleibt noch das bayerische
Recht; die Gesindeordnungen d^ 18. Jahrhunderts g^
statten den Naturallohn je nach Herkommien *).
Eine Besonderheit des Gesindeverhältnisses schließ-
lich ist das ausgebildete Geschenkwesen. Die Jahres-
feste, Gesellschaften, Familienfeiern, wichtige Ereignisse
des häuslichen Wirtschaftslebens und viele sonstige Ge-
legenheiten geben Anlaß zu der Betätigung jener Sitte,
an die Stelle der verdienten Belohnimg ein scheinbar
aus Gnade gegebenes Geschenk za reichen. Häufige schrei-
ten die Gesetzgeber gegen diese Sitten ein. Für das Vor-
komimen der versc'hiedenen Geschenksarten und ihre Be-
kämpfimg durdh die Behörden sollen im' folgenden einige
ausgewählte Beispiele gegeben werden.
Gaben der Herrschaft zu den Jahresfesten kommai
in nfiannigfacher Weise vor, als Naturale oder Bargeld,
Zu Weihnachten^), Neujahr*) und den andern hohen
*) Ebenda. — •) Scotti, Köln I 2 S. 841. — •) Ebenda S. m,
— *) Zahlreiche Naturallöhne aus den preussischen Provinzen vom
frühen 19. Jhdt. an teilt A. Neumann, Die Bewegung der Löhne
der landlichen „freien" Arbeiter S. 369 fr. mit. — ») Das Weihnachts-
geld hiess früher Opfergeld. Das ergibt sich aus einer im St A.
Marburg befindlichen Rechnung der Renterei Marburg aus dem Jahre
1876; „In vigilia nativitatis domini. V puncf zu opergelde den wechteni,
portenern, thomhudem, beckem, den meiden, holczfurstem unde anders
myns heren unde junghem gesinde, daz in den hob gehöret unde myns
hem londe'^ Vgl. auch Schmincke, Monimenta II S. 669 fif., oben
S. 20 ff., bes. 22 (Opfergeld des Schulmeisters u. a.). — •) Über Neu-
— 653 —
Festen, an den Quatdmibertagen (Wichfasten) ^) er-
hält das Gesinde „Gesdhenke" von der Herrschaft. Ge-
schenke sind das oft, wohl mteistens, nicht. Sondern es
wird beim! Vertragsschluß mehr oder weniger genau ak-
kordiert, daß neben dem! Lohn noch diese imd jene Fest-
oder auch Jahrmarktsgeschenke gereicht werden müssen.
Diese Gaben stellen also zusamimien mit dem Lohn das
Entgelt für die Arbeitsleistung dar. Wie das Mietgeld
haben auch die Festgeschenke ihren Charakter als ein-
seitige Leistung eingebüßt und sind in bewußte Abhängig-
keit von der Gegienleistung der Dienstboten geraten. Diese
Entwicklimg zur Entgeltlichkeit hin war freilich den Ver-
fassern ider Lohntaxen nicht erwünscht. Denn nun konnten
ja die mit vieler Mühe aufgestellten Höchstsätze des Lohns
sehr einfach dadurch umigangen werden, daß man das
Gesinde zwar zu dem Lohne der Taxe mietete, ihm da-
neben aber noch große „Geschenke" versprach. So über-
bot eine Herrschaft die andere, ohne sich eine Taxüber-
schreitung zu schulden komanen zu lassen. Die Gesindage-
setze der späteren Taxzeit enthalten denn auch fast alle
strenge Verbote, daß die Parteien beim Vertragsschluß
über die Reichimg von Geschenken feste „Bedingnusse"
ausmachen. Was eine Herrschaft als Geschenk den tüch-
tigen Dienstboten geben will, das soll aus wirklicher
Freigebigkeit geschehen und von Fall zu Fall während
des Dienstjahrs gereicht werden; aber man darf nicht
vor dem Dienstbeginn die Freigebigkeit der Herrschaft
festlegen. Die allzuvielen Gesetze anzuführen, die solche
Bestimmungen im Interesse der Einhaltung der Lohn-
taxen bringen, lohnt nicht*)»).
Jahrsgaben an höhere Bediente, die dafür kein Mietgeld bekommen,
Estor, Rechtsgelahrtheit II § 4660; oben S. 481.
*) Beispiele in Urkunden des 15. Jhdts. (Landgraf Friedrich von
Meissen); St. A. Weimar. Kopiar F 1 Blatt 108. — •) Beispiele, will-
kürlich ausgewählt (ausser den schon im Verlauf der vorstehenden
DarstcUung genannten) :Nürnberg 1579 (Kamann S. 98), 1628 (Kr. A.
— 664 —
Bei bestimlmjten Momieiiteii des hauswirtsctiaftliches
Lebens konnten die Dienstboten früher wie auch heute
noch auf eine feste Freuden^abe rechnen. Daß es in
Hessen im 16. Jhdt. Brauch war, wonach der Knecht
eines Pferdekäufers von einer der Vertragsparteien ein
Trinkgeld, „Halftergeld" gemannt, erhielt, lassen Prozeß^
akten aus dieser Zeit erkennen ^). Auch im' aleman-
nischen Lande besteht solche Sitte*). Noc'h heute be
kommt in Hessen beim Stutzen der Pferde der Knecht
das Roßhaar. Nicht recht klar ist das „Knechtrecht'',
das in einem Prozesse des deutschen Ordens zu Marburg
aus 1733 bis 1740 eine Rolle spielt*). Das Knechtrech:
ist nach dem dort Vorgebrachten edn ius reale, „wie dann
was das Knechtrecht besonders betreffe, solches einem
zeitig Zmssreuter von allen . . . Ordens Leyhhöffen un-
verweigerlich verhandreichet wurde imd werden nmßte".
Nürnberg. Bestand A. Akten Nr. 34 S. I L. &65), 1741 (Kamann
S. 106); Weimar 1651 (Job. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S. 148),
AI ten bürg 1662 (Brandt, Der Bauer in Altenburg S. 82), 1744 (Univ.-
Bibl. Marburg), brandenburgisch Franken 1662 (Kr. A. Amberg.
Zugang 6 Fasz. 24 Nr. 212), 1769 (Kr. A. Nürnberg. S. 28 ^ Nr. 778
Repert 238), Bamberg 1662 (Kr. A, Bamberg. Bamberger Verord-
nungen Rep. 141 Nr. 69), die oft angeführten bayerischen Gesinde-
gesetze des 17. und 18. Jhdt, Goslar 1668 (Habeische Sammlung
Düsseldorf 1706 (oben S. 647), Jena 1761 (Job. Schmidt a, a. 0.
S. 149), Cleve 1768 und 1769 (oben S. 647), Sayn-Wittgenstin
1776 (Univ.-Bibl. Marburg). — •) Nicht in diesen Zusammenhang ge-
hört, was ergänzend bemerkt sei, das „Schleiergeld'S das den Mägdec
häufig gereicht wird; in den Rechnungen des deutschen Ordens zu
Marburg und anderer grossen Haushaltungen wird es erwähnL Hier
scheint es sich vielmehr um einen Ersatz des Naturallohns (an Klei-
dung oder KleidungsstofT) durch bares Geld zu handeln.
^) St. A. Marburg. Akten des marburger Samthofgerichts W 250,
in Sachen Wittekind gegen Gilbrachten. — •) Gotthelf, Uli d«
Knecht (Ausgabe Janssen 1909) S. 89; vgl. auch Gierke, Schuld
und Haftung S. 871. — •) St. A. Marburg. Acta in Sachen Ordeis
zu Marburg contra des Ordens ständigePacht-Höfner Henrich Hahn ett
in Anzefahr.
— 655 —
I>axiach scheint es sich um eine Gabe der zinspflichtigen
Sauem an den (zum) Gesinde gehörigen) Zinseinnehmer
zu handehi. Von Trinkgeldern bei Gnmdstücksverkäufen
handelt eine kölner Vertragsurkunde vom 17. Februar
1406 *) : Der Hauseigentümjer stellt dem Rat für festliche
Gelegenheiteai einen Teil sieines Hauses zur Verfügung
xmd erhält dafür 50 Mark; ferner gibt der Rat „syme
gesunde eynen guMen zu verdryncken".
Hier feind schon vorwiegend Fälle behandelt, in denen
ideml Gesinde nicht von seiner Herrschaft, sondern von
Dritten, Außenstehenden eine Gabe gereicht wird. Be-
sonders häufig pflegen si<^h solche Gelegenheiten bei Fa-
milienfesten zu hielten. Die Gesetzgeber gingen auch hier-
g'egen vor. Gegen die Neujahrs- und sonstigen Gaben
der Herrschiaft selber kämlpften sie, weil die Lohntaxen
sonst illusoriscW geworden wären. Die Geschenke, die
das Gesdnde von Fremden bei festlidher Gelegenheit er-
hielt, widersttebten dem' Geiste der Gesetzesverfasser des-
halb, weil deren kasteiende Enthaltsamkeit die Festes-
freude überhaupt haßte. Der Festluxus und im! Zusammen-
hang damit die Festgeschenke wurden demgemäß durch
viele Gesetze eifrig v<erboten. Die hessischen Gesetz-
geber wandten sich' oft in Verordnungen wider den bei
Taufen, Hocfhaeiten und sonstigen Festlichkeiten üblichen
Luxus und wider die Gesindetrinkgelder ; als Beispiel sei
die Verordnung voml 26. Dezemiber 1731 *) genannt. Eben-
so häufig wie in Althessen gingen die frömtneren Gesetz-
geber im Fuldisc?hen gegen diese Trinkgelderunsitten,
vornehmlich die Festgaben vor. Daß den Knechten nichts
ohne Leistimg zu gute komimlen sollte, war der Zweck
einer Verordnung wider den Luxus auf den Taufen und
Hoc'hzeiten vom! 1. Oktober 1551 *). Bei den Taufen sollen
die Knechte Weck imd Käse auf einen jeden Tisch legen,
0 Walther Stein, Akten D S. 145. - •) LO. IV S. 79flF., bes. 80.
') Sammlung der cass. Regierung I S. 249.
— 656 —
aber nur nach Notdtirft, „damit die uberbkibende Frag-
mente nicht also, ru des Knechts Vorteil wie bissanhero
geschehen, gehäuffeit imd gesamimelt werden". Insbeson-
dere die ausdrücklichen Trinkgelder werden späterhin in-
hibiert. Die Kindbetterordniing vom 24. Apwil 1717*)
stellt fest, das „nicht nur bey der Gevatter-Bettung dar-
durch ein grosser Missbrauch begangen worden, dass die
Magd, oder das jenige Haussgenossene so den Gevatter
Brieff überbracht, nicht nur mit übermässigem Trunck
doli und voll gesoffen, sondern auch mit einem excessi-
ven Trinck-Gelt beschencket . . . worden". Der Dienst-
bote, der den Gevatterbrief bringt, soll daher höchstens
einen halben Gulden Trinkgeld bekomimen. Ein Erlaß
vom 29. Dezeimiber 1735*) wendet sich gegen das Neu-
jahrsbetteln der Jägier, Tromlpeter, Köche, Bäcker, La-
kaien und Stallbedienten bei Fremden, „dass sie höhere
imd niederige umb eine Neu Jahrsgabe anzugehen, und
einer dem anderen die Thüre zu solchem« Ende gleich-
sam? in die Hand zu geben sich unterstehen** ; daher heißt
es, „dass Wir rwar denen Laquaien bey dem entstehenden
neuen Jahr gnädigst indulgiren wollen, umlb ein Neu-
Jahrsgeschenk sich an Orthen imd Enden doch mit aller
Bescheidenheit mielden zu dörffen**, während es den son-
stigen Bedienten verboten wird.
S 9. Pflichten der HerrschafL
2« Die Gewährung von Kost und Wohnung«
Die Kirnst, das Gesinde richtig zu verköstigen, galt
als eine der Grundbedingungen, auf die hin erst eine
Familie gegründet werden durfte. In einem augsburger
Druck des 16.— 17. Jhdts. heißt es»):
') Ebenda III S. 77. — >) Ebenda IV S. 428, — •) Schnapper-
Ar n d t, Zur Theorie und Gesch. der Privatwirtschaftsstatistik, Sonder-
abdruck aus dem Bulletin de l'Institut International de Statistique T.
XIII 2.
— 657 —
,,Derh2Üb junger GscU
nodh nit in Ehstandt stell,
sondern thu vor erwegeai,
ob es sey dein vormögen,
das du dein Gsindt
mit weih und kindt,
durch dein arbeyt kanst nehren,
das skh kein nuangel findt."
Und das reckenbergische Land- oder Hausgenossenrecht
antwortete 1652 ^) auf die Frage, „wie eine Frau bescfhaf-
fen seyn solle, so aufn Erbe, oder Kotten ziehen wolle", so:
„^11 sein alt 18 Jahr,
Die GeBondheit kundt und offenbahr;
Melken, keysen undt buttern,
Schweine, Kühe und Kälber auffuttern,
^Rocken, heckein, rippen imd schinnen,
Speisen zu rechter Zeit Ihr Mann und Hausgesinne."
Die scheinbare Bedeutsamtkeit, mit der man so die
Speisung des Dienstvolkes maß, schrumpft freilich bald
zusaminiyen, wenn man Äußerungen vergleicht, die sich
mit der Gesindekost als solcher, um ihrer selbst willen,
befassien, die nicht den Maßstab für die Kimstfertigkeit
des Haushaltsleiters normieren wollen.
So küe folgende: „Weil aucU einem treschenden Och-
sen Isiein Futter und Mahl gehöret •), so soll denn Gesinde
sein Esisen imd TrinCken nach Nothdurfft und zu rechter
TjtxX verrichtet imd gegeben, und so zugerichtet werden,
dass es dassielbige zur Gestmdheit, Stärcke und Kräffte
seines Leibes gemessen kan." „Wiewol ich hertzlich gern
essen und trincken sehe, xmd manchmal einem treuen
Diener auss meiner Schussel, und auss meiner Kannen
ein gut Bisslein oder Trüncklein habe überreichen lassen,
»)Wigands Archiv V S. 409 ff; bes. 411. — •) Vgl. 1. Kor. 9^ 9;
1. Tim. 5, 18; 5. Mos. S5, 4.
KSniMcke. 42
— 658 —
sonderlii^ den gxösten und vornehmlsten Knecht» der die
Sorgie der gant^en Nahrung auf ihm» gehabt, in Betradi-
tung ihrer grostsien Sorge, Mühe und Arbeit, die sie auf
dem- Halse hjaben: So ist mirs doöh off tmahlen auch
widerfahren, dass sie darnach stoltz, frech, muthwillig
und widerwärtig worden seyn, dass ic?h offt wiederumb
gedadht habe, ein Knecht ist ein Knecht, den muss man
nicht 2um- Herrn machen, sonst kan er sich selbst nicht
regiren. Ein Bauer ist imd bleibt ein Bauer, wann man
ihn auf ein güMen Sessel setzt, wie auch Salomon sagt,
Proverb. 30, von der Mag'd die ihrer Frauen Erbe wird,
danmib halte mian ein Gesind mit Essen und Trinckcn,
wie sichis gebühret imd gehöret, doch dass sie auch gnug
211 essien und 211 trincken haben, und dass es ihnen recht
zuigerichtet wierde. Sihet man aber, dass es bey einem
Gesinde angiewand ist, und dass mans mit seiner Gutwillig-
keit, auch gutwillig zur Arbeit macht, Ey so müste es
auch ein schlimimler Herr seyn, der ihm bissweilen auch
nicht Imit einem guten Bissien und Trunck za hülff kommen
solte."
Dies sind Stellen aus der Oeconomia ruralis et do-
mestida, einem' im 17. Jhdt. weit verbteiteten Hausbuche
des Johanns Colerus^). Fast alles, was die Gesetzgeber
über die Kost, das wichtigste Naturale des Gesindelohns,
imi Laufe der Zeiten ru erdenken vermöchten, ist in diesen
sicherlich wenig liebevollen^ aber sehr praktischen Äuße-
rungen enthalten^).
Über Idie faktisdhb Zusamimiensetzung deir Gesindekost
in der Vergangenheit ist noch nicht allzu viel bekannt
geworden. Im« Mosfellande ^) bekam das Gesinde während
*) Nach der Ausg. von 1672, S. 6, 814. — *) Dem Gesinde freund-
licher ist Peter Glaser; Stillich S. 56. — •) Lamprecht, Wirt-
schaftsleben IIS. 558; vgl. auch das Recht der Kinder von Mosel*
weis 1580 (Grimm, Weistümer II S. 509), die samt ihren Knechten
jährlich auf Johannis Baptistae von der Hof herrschaft ein „keess essen"
erhielten.
659 —
des Mittelalters selten Roggen- und Weizenbrot, regele
naäßig vielmehr Brot aus Hafer- und Gerstenmehl nebst
Hafergrütze. In hann. Münden*) gab es für das Vogtei-
&esinde von Zeit zu Zeit, besonders an Feiertagen, morgens
xind abends Brei aus „Schonebrot*' (Weißbrot), zu Neu-
ja^hrsabend imd Ostern Fladen aus Weizenmehl, Char^
freitags Krengeln, geleg^entliclh auch eine Kalbskeule, Das
regelmäßig verabreichte Getränk war wohl hauptsächlich'
Bier. In Seestädten sollen sich die Dienstboten ausbe-
idimgen haben, nicht öfter als zweimal in der Woche
Lachs essen zu müssen*).
Wohl (die früheste gesetzliche Erwähnimg der Gesinde-
speise bringen der Schwabenspiegel und das alte braun-
Schweiger Recht, freilich in ganz entlegeneim Zusam-
iiienhange, und ohne eine sac^hliche Anordnung über den
Gegenstand ru treffen. Im' SchwabenspiegeP) wird
angeordnet : „Swer einen man becilaget vor gerichte umbe
gelt, und er nut ze vergeltenne hat, noch bürgen geben
hat, noch binrgen gehaben mag, der richter sol im den
man für sin gelt geben, und antwurtet in im. Den sol
er gehalten gelich sinem' ingesinde, mit spise
unde arbeit.** Ähnlich imi braunschweiger Recht*):
,,Swe enen man irwerft vor sin ghelt*) binnen der stad
gherichte, he möt ene wol bringen an sine were; want
he eme ghelde, dar mede ne heft he wedde noch böte
0 Schön feldt, Lohn- und Preisverhältnisse in Hann.-MQnden
zu Anfang des 15. Jhdts«; Vierteljahrsschrift f. Sozial- u. Wirtschafts-
geschichte I S. 83 fF., bes. 89. — •) v. Siebold, SOsswasserfische
(1868) S. 267 Anm. Über KostverhälUiisse in Narnberg s. Ka-
nn an n S. 109 ff. Zahlreiche Mitteilungen von Gesindekost in den
preussischen Provinzen während des 19. Jhdts. enthält A. Neumann ,
Die Bewegung der Löhne der ländlichen „freien" Arbeiter S. 869. —
«) Art. 804. — *) Hänselmann, Urkundenbuch I S. 8ff., bes, 5;
10 ff., bes. 12; 21 ff., bes. 22; n S. 180 ff., bes. 182; 220 ff., bes. 221.
- *) als Geisel erhält? Schiller- Lübben I S. 744.
42*
— 660 -
vorsdult an nenem grherichte. He scal eme so gedane
spise gheven, alse sinemle inghesinde"*).
Als selbständiges Objekt der Gesetzgebung fand dk
Verköstigung des Gesindes zuerst eine Regelung in K a i •
ser Ludwigs Rechtsbuch und entsprechend inn mün-
chener Stadtrecht*). Ein Grund für das Gesinde, dco
Dienst vor der Zeit zu vierlassen, ist gegeben, ivenn es
im Hause des Herrn „von htmgers wegen" nicht mehr
auszuhialten ist. Bald komimlt auch die Vorschrift, daß
das Gesinde sich keine Bedingungen wegen der Kost
machen darf). Die 1423 von westfälischen Rittern
imd Städten vereinbarte Gesindeordnimg *) setzt hier fest :
„Item Isal de wylkoer stan an deimie genen, de de arbeydes
lüde medet und nycht an den arbedes luden, efft se en
gheven wyUen kost tmde gelt, effte sunder kost."
Im' folgenden Jahrhundert ging es auf diesen Wegen
weiter. Die Amitspflichten des trierer Amtmannes, um
1530 aufgezeichnet '^), umfassen auch die Versorgung des
Gesindes mit „notturft an essen imd drinken" ; doch sollen
die sonstigen Speisevorräte in Küche und Keller wohl
verwahrt werden. Es ist ferner noch vom» Abendessen und
dem« Schlaftrunk des Gesindes die Rede. Etwas jünger
als diese Satzung ist die Instruktion für den Adjxmkten des
Küchenmeisters im Kloster St. Maximin zu Trier ^). Da
heißt es: „. . . Item am sontage, dienstage, domstage,
morgens [und abends soll das gesinde mit fleisch gespeiset
werden, nemlich mit speck und andern victualien. Item
am montage, mittwochen, freitage imd sanibstag soll
das gesinde mit doppel speise erhalten werden^ die woU
und reinlich zugericht, imd lüt morgens imd abends all-
*) Ähnlich goslarcr Recht (Göschen S. 70). — •) v. Frey-
berg, hist Schriften u. Urk. IV S. 888 ff., bes. 425 (Art. 88); Au er,
Stadtrecht S. 54 (Art 188). — *) Die vorhin mitgeteilte Kunde von
dem verpönten Lachsessen würde sich hiernach als Gesetzesverletzunj:
darstellen. — *)Seibertz, Urkundenbuch III S. 48 ff., bes. 45. —
*) Lamprecht, Wirtschaftsleben III S. 814. — *) Habeische Sammlnng.
— 661 —
v«^«ge mit scbollen oder Stockfisch gespeiset werden. Es
soll aucfh der conventskoch ein aufsehems haben auf den
S^sii^dekoch, das er nit zuvill noch zuwenig dem gesindell
von es9en furstelle/* In Erfurt erging 1577, wohl im
y\xischluß an die Reichspolizeiordnung, eine Polizeiord-
rkung^): „Es soll auch eine jede Obrigkeit, so viel die
TDienstbothen, Handwerker imd Taglöhner, sowohl in den
Stätten, als in den Dörfern betrift, in ihren Gebieten eine
Sazimg oder Ordnung aufrichten, wie dieselbe nach eines
j-eden Landes Gelegenheit, ihrer Unterthanen gemeinen
Nuzen mit Essen und Trinken, und anderer Beloh-
Tiung \md dargegen mit treuem' fleissigem Arbeiten zum
f ruchtbarlichsten angesehen wird, damit sie ihres Gefallens
nicht aus den Diensiten und Arbeit tretten, imd derselben
Ungehorsam» imd eigenem Willen, auch mit ernstlichem
Einsehen fürgekomlmen werde." Überhaupt greifen für das
Klostrecht immer mehr die von den Lohntarifierungen
her bekannten Grundsätze Platz: es soll keiner sein Ge-
sinde zu gut halten, auf dass deml Nachbar seine Dienst-
boten um geringerer Ausstattimg willen nicht entlaufen
oder überhaupt den Dienst weigern. So wird in der k u r -
pfälzischen Landesordnimg von 1582') zur Abstel-
lung des „ubermässigs abfressens und sauffens*' den Amt-
leuten anbefohlen, eine Ordnung für einzelne Bezirke zu
entwerfen, „wie es . . . mit Lohn, essen und trindken,
nach notturfft und zu keinem uberfluss zu halten"').
Das 17. Jhdt. blieb bei dieser Auffassung. Sq steht in
der clever Gesindeordnung von 1608*): „Das auch zu-
letzt, jm fall mehrberurte Taglöner und Dienstbotten mit
grober zeitiger und gewohnlicher kost, wie auch zimb-
lichem notturfftigem schenck oder dünnen bier nit be-
>) Dorn S. 828. — •) Univ..Bibl. Marburg. - «) Wie die ftrst-
liehen Beamten die Gesindekost in den Rechniingsregistern verzeichnen
sollen, ordnete die hessische Rentkammerordnung von 1568 an
(LO. I S. 888; s. a. oben S. 40). — *) Sc Ott i, Cleve S. 216.
- 662 —
gnugig sein wurden» der arbeitzberr, bei straff, wie oben
gemelt, solches an gebärenden ortem zu offenbaren und
anzuhalten, gestalt gegen solche mutwillige Verbrecher,
der gebür, imd nach gelegenheit alsbaldt mit der straff
zu verfahren." In Bayern erging 1616 und 1656*) das
Gebot, ^daß das Gesinde sich: mit der gewöhnlichen Speise
begnügen „\md derentUalben kein Geding mit einiger
Herrschaft machen" soll. In einer an ostdeutsche Ver-
liältnis8e') gemahnenden Spezialisierung bestimmte die
detmolder PoUzeiordnung von 1620*), daß nicht mehr
als drei Mahlzeiten am> Tage gegeben werden dürfen;
abgeschafft wird das Vesperbrot „in specie". Bei Über
tretungen droht beiden Teilen Strafe von einem> Thaler.
Eine direkte Verpflichtimg des Dienstherrn rur Gewäh-
rung der nötigen Kost wird in der fried berger Poli
zeiordnung von 1680*) begründet. Freilich findet sich
diese Gesetzesstelle nur ganz nebenher bei der Behand-
lung der allgemeinen Lohhzahlungspf licht. Der Herr soll
dem« Gesinde den verordneten Lohn und die Speisung ge-
währen, damit das Gesinde keine Ursache erhält, aus dem
Dienste zu gehen.
Die Polizeiordnungen hatten anderes zu tun, als sich
mit Einzelheiten des Kostwesens oder auch in weiterem
Umfange mit der Statuienmg einer Herrschaftspflicht lur
Kostreichimg ans Gesinde abzugeben. Erst die Gesinde-
ordnungen des 18. Jhdts. gingen zu einer Behandlung
des Gegenstandes im« System' ihres Gesinderechts über.
Freilich begnügen sich die mieisten Ordnungen — gani
wie das friedberger Gesetz — danfiit, zum' Schluß, wo
summarisch die Herrschaftspflichten aufgezählt werden,
neben dem Lohne audh die Kost zu nennen. Bald wird
ein erläuterndes Adjektivum im Interesse der Dienstboten
') PI atz er S. 110; Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. -
*) Darüber unten S. 666flf. — •) Landes Verordnungen L.-Detmold I S.
— *) Univ.-Bibl. Marburg.
- 663 -
hmzu^refügt — z. B. >, ausreichende" oder „reinliche" oder
,, gesunde" Kost — , bald heißt es zu Gunsten der Dienst-
herrschaft; daß von der landesüblichen Kost nicht ab*
gegaxLgen werden soll. Im Norden, Westen imd Süden
komimt solche Vorschrift in den verschiedenen Fassungen
vor ; <iie9er allgemeine Hinweis mag genügen.
Verschärft ist die herrschaftliche Pflicht zur Kost-
reichung in der schleswiger Gesindeordnung von
1740 ^) ; mangelhafte Kost ist ein Grimd für das Gesinde,
vorzeitig den Dienst zu verlassen. Noc'h weiter geht hier
die Ordmuxg für Düsseldorf von 1809*): Die Herr-
schaft ist zur Kostgewährung verpflichtet. Bei Mangel
kann der Dienstbote die Stelle verlassen, imd die Herr-
schaft wind bestraft.
Den alten Ton behielt im 18. Jhdt. vornehmlich das
detmolder Recht bei. Die Gesmdeordnung von 1752')
klagt über die vielen Beschwerden, daß das Gesinde nicht
mit der Kost zufrieden ist, sondern vorschreibt, was es
haben will ; ja es praetendiert gar zu jeder Mahlzeit Fleisch,
Butter. Daher ergeht das Gebot: nicht mehr als drei
Speisungen täglich, wobei einmal Butter verabreicht wer-
den darf, wöchentlich zweimal Fleisch oder Speck; im
übrigen sind Suppe imd Gemüse nach des Orts Herkom-
men zu geben. Vesperbrot, ferner Brantwein sowie Tabak-
rauchen werden verboten. Jede Übertretung wird am
Herrn, 'der die verbotene Speise gibt, und am« Gesinde mit
einem' Gulden gestraft.
Der Genuß von Kaffee imd Tee galt dem 18. Jhdt.
als arger Luxus. Ganz besonders energisch mußte er be-
kämpft weiden, wenn selbst die geringen Leute sich solche
Üppigkeit anmaßten. Hier bekommen auch die Dienst-
boten mandhimial ihr Teil Strafe ab. In Detmold er-
^) St A. Schleswig. Sammlung Grossfürstl. Verordnungen. —
*) Scotti, Jülich S. 1262. — ») Landesverordnungen L.« Detmold II
S. 47.
— 664 —
ging 1765 und 1778 das Verbot, demi Gesinde Kaffee
2U geben ^). Die ihin fordern und geben, erhalten Leibes-
oder Geldstrafe; von denn Gelde soll der Denunziant ein
Drittel bekonilmien. Nach der osnabrücker Gesinde-
ordnung von 1766*) darf die Herrschaft dem Gesinde
„ausser an Feiertagen oder bey Krankheiten keinen Thee
oder Caffee geben, auch nicht geslatten, dass solcher
in seinem^ Hause von dem Gesinde getrunken werde".
Zehn Thaler Geldstrafe oder vierzehn Tage Gefängnis
drohen den Bauern, Taglöhnem und Dienstboten, die
sich des Kaffetrinkens vermessen, nach der hes s ischen
Caf f^-Ordnung von 1766 •) ; noch um» einen Thaler wurde
die Strafe 1774 erhöht *). Bei der 1767 und 1801 veran-
stalteten Untersuc^hting über das Gesindewesen liefen
einige Berichte voll Empörung über den Luxus des Kaffee-
trinkens ein*). Recht streng ist eine braunschweiger
Verordnung von 1772 *), nach der „Gesinde, welches Cof -
fee und Thee zu trinken prätendiren würde, mdt Verlust
des Dienstes, im' Fall es die Herrschaft verlangte, und
des Dienst lohns, auch mit Gefängniss und noch wohl
hartem Strafen belegt werden soll**').
Unter Androhung von Turmstrafe wurden in der
Polizeiordnung für Hohenstatt und einige andere Orte
in Schwaben aus dem» Jahre 1748®) die Dienstherrn an-
gewiesen, „jhren jimgen ausstrieb- imd dienstbuben, die
sich vor der Zeit dem tabacktrincken ergeben, das-
selbige gänzlich niderzulegen**. Die detmolder Ge-
sindeordnung von 1752, die eben angeführt wurde ^), ent-
hält das Verbot des Rauchens für das Gesinde allgemein.
Audh in Fulda wurde die Tabaktrunksucht am 25. Ok-
») Ebenda S. 201, 209, 647. - •) Klöntrupp, Handbuch II
S. 76 ff. — •) LO. VI S. 818. - *) Ebenda S. 761. - »| Oben S. 80,
110. — •) Dorn & 829. — ^ Vgl. auch Mühlhäuser GeschichtsbUtter
IX S. 127. — •) Wintterlin, Württembergische ItodL Rechts-
queUen I S. 449 ff., bes. 4&0. — •) Oben S. 668.
— 665 -
tober 1764*) bei scharfer Strafe verboten. Für die von
Kindern xmd Gesinde verwirkten Strafgelder sollten die
Hausväter haften^ auch ihrerseits noch selbständige Strafe
erfahren *).
Es ist noch einer bisweilen vorkommenden Besonder-
heit im Kostwesen zu giedenken. Die hessischen Ge-
sindeordnungen seit 1797 sprechen davon, daß die Dienst-
boten sidi selber verköstigen und dafür Kostgeld er-
halten; Vorbild war 1797 die halberstädtische Ge-
sindeordjiimg von 1765 '), die dieser Möglichkeit gedenkt.
Ijn § 13 ider hessischen Gesetze von 1797 und 1801 *), der
von der Veruntreuung spricht, ist die Rede von Knechten
und Mägden, „sie mögen bey hohen oder niedrigen Herr-
schaften in Kosft und Lohn stehen, im* Haus% die Kost
gemessen, oder Geld dafür bekommen und sich
selbst verköstigen**. Daß hiermit vor allem die ver-
heirateten Dienstboten geimeint sind, die allerdings haupt-
sächlich auf dem) Lande vorkomlnen, wird nicht dadurch
berührt, daß die Gesindeordnung von 1797 nur für die
vier größeren Städte des Landes erlassen ist. Denn bei
dem agrarischen Charakter auch dieser Städte, vor allem
an der Peripherie, ist es durchaus möglich, daß auch hier
verheiratete Knechte an2rutreffen sind, ganz zu schweigen
von den städtischen Lebens berufen als Gesinde (Die-
ner, Kutscher usw.). Femer wollte man mit der Bestim-
mvng alle „Hausbedienten**, nicht nur Gesinde, sondern
auch kaufmännische und gewerbliche Hilfspersonen um-
fassen, für welche die besondere Regelung der häuslichen
Unredlichkeiten Geltung haben sollte. Das Kostgeld fin-
det 1816 noch an anderer Stelle Erwähnung. Bis dahin
konnte in Hessen der grrundlos entlassene Dienstbote nur
^) SammL der cass. Reg. Bd. VI. Rauchverbote aus dem
schlesischen Gesinderecht s. Schlesische 6con. Sammlungen II
S. 708. - •) Oben S. 267. - •) VI § 4; oben S. 94ff. - *) LO. VII
S. 727; VIII S. 26. - 1816: § 10 (Möller-Fuchs 8. 118).
— 666 -
Lohnersatz fordern ; nun wird ihm auch ein Kostgeld zu-
gestanden.
Eine letwas abweichende Behandlung erfährt das Kost-
geld in anderen Rechten. Einigeostdeutsche Ordnun-
gen^), sowie die beiden clevischen Gesindeordnungen
von 1753 und 1769 *) treffen Bestimmungen über die Höhe
des Kostgeldes, über sein Verhältnis zu der in natura
gewährten Kost. In der clevischen Ordnung von 1753
heißt es imter § 4: „Doch kann das Gesinde, wenn es
sich anfänglich auf des Herrn Kost vermiethet, hernach
währenden Dienstes nicht fordern, dass es auf Kost-Geld
gesetzet werden roiöge, und ist die Willkühr der Herr-
schafft ob selbige Kost-Geld oder selbst Kost geb^i wolle."
1769 erfolgte eine Weiterbildung im- folgenden Sinne.
Will die Herrschaft Kostgeld geben, dann miuß dessen
Höhe gleich bei der Annahme des Dienstboten bestimmt
sein. Wie 1753 kann das Gesinde nicht hinterher Ersatz
der Naturalkost durch Kostgeld verlangen. Aber jetzt
ist die Herrschaft gleichem- Recht unterstellt: Sie darf
dem Gesinde, das anfangs Kostgeld erhielt, nicht zumuten,
daß es nachträglich Kost im' Hause nimmt.
Wenn Bediente männlichen Geschlechts „auf Kost"
gemietet sind, so heißt das nach der ansbacher Gesinde-
ordnung von 1769 '), daß sie im- Wirtshause essen müssen.
Im Gegensatz zum Lohne, der längere Zeit stehen bleiben
kann, muß nach dieser Ordnung das Kostgeld, von dem
die Dienstboten leben müs^n, alle Woche ausbezahlt
werden *).
Hart imd abstoßend kleinlicih ist im übrigen das Ver-
köstigungsrecht in Ostdeutschland. Bis ins einzelne
geht zwar beispielsweise auch das oben '^) mdtgeteilte Kost-
') Dorn 8. 325, 81 (Berlin, Oberlausitz). — ■) Scotti, Clevc
S. 1462, 1894. - •) Kr. A. Nürnberg. S. 28 V Nr. 779. Repert 288.
— *) Erwähnung von Kostgeld (wohl der verheirateten Dienstboten)
bei Steffen S. 50. - •) S. 660.
^ 667 —
recht des Klosters St. Maximin in Trier. Aber diese Be-
stimmungen sind als interne Vorschriften für den Kloster-
koch und seine Adjunkten aufzufassen ; diese beiden müs-
sen die Einzelheiten der zu reichenden Kost vorgeschrie-
ben erhalten. Etwas anderes aber ist es, wenn ein Landes-
gesetzgeber sich mit kleinlichsten Kostvorschriften an die
Dienstherrschaften wendet imd diesen die Überschreitung
eines bestimmten Maßes verbieten will. Diese Auswüchse
der Polizeigesetzgebung herrschten im- Osten.
Überaus genau sahen so die brandenburg-preu-
ßi sehen Gesetzgeber auf Einheitlichkeit in der Gesinde-
verpflegimg*). In der Provinz Brandenburg selber war
die Kost freilich immer noch besser als in den übrigen
Landesteilen. Aus diesem* Grunde vielleicht gibt es auch
bis 1687 keine Vorschrift über Gesindekost. 1687 wird
dann freilich bestimmt, daß täglich nur dreimal Mahl-
zeiten gehalten werden dürfen, Vesper nur da, wo es
üblich ist. Die Dauer und die Zeit der Mahlzeiten werden
genau festgelegt. Übertretungen soll die Herrschaft nüt
20 Th., das Gesinde mit Zahlimg eines Jahrlohns, im
Rückfall mit Festung büßen. „Die Handhabung eines
solchen Gesetzes möchte ein sehr lästiges Eindringen in
die häuslichen Verhältnisse erfordern", meint Dorn*)
in seiner biedern Art hierzu. 1735 wurde verordnet, daß
das Gesinde bei Leibesstrafe mit dem gebotenen Essen zu-
frieden sein muß. Es folgen Bestimmungen über die
Dauer der Mahlzeiten. Die Herrschaften werden ange-
wiesen, dass sie höchstens viermal täglich zu essen geben
dürfen; für jede Mahlzeit mehr haben sie einen Thaler
Strafe zu zahlen. Das Allgemeine Landrecht will dem
Gesinde die ortsüblichen Speisen bis zur Sättigung ge-
reicht wissen, und die Gesindeordnimg von 1810 fügt
noch hinzu, daß das Gesinde nicht gezwimgen ist, ge-
sundheitsschädliche und ekelhafte Speisen anzimehmen.
') Lennhoff S. 85 ff. - •) S. 829.
- 668 -
Auch Schlesien hat ähnUche Bestmunun^en ^). Ic
der Gesindeordniing des Jahres 1652 heißt es so: „Ab
ist ^r^schlossen worden, dass dem Gesinde täglich und or-
dinaire des Morgens oder Mittags, drei Essen oder Speisen
und zwar eine Suppe und ein Zugemüse und wöchentlich
an Statt des einen Zugieimiüses, zweimal, nämlich Sonntags
und Donnerstags, ein Gericht Fleisch, an Orten, wo es
vor Alters bräuchlich und zu bekommen, zu allen aber
die Notdurft an Brot 'und täglich von Georgi bis Michaelis
em rindern Käse, dass sie ihr genügsames Auskommen
haben mögen, gegeben werden solle.*' 1770 wird konse-
quent weiter angeordnet, daß künftig nur noch vienoal im
Jahre Fleisch, xmd zwar ^/^ Pfd., gegeben werden darf.
Die geizige Kleinlichkeit, die in dem brandenburger
und schlesischen Kostrechte zu Tage tritt, offenbaren in
gleicher Gestalt die kursächsische Landesordnung
(Kostordnung) von 1482*) imd die Gesindeordnving für
die Oberlausitz von 1767*). Diese verlangt, daß dem
Gesinde das Brot vorgeschnitten wird, imd verbietet die
Verschwendimg damit und insibesondere „das Ansinnen
der Dienstbothen, dass die Dienstherrschaften das Brod
den ganzen Tag frey und auf dem- Tische liegen lassen
sollen", bei ernster Strafe. Das Gesinde soll keine andere
Speise verlangen, als die Herrschaft ißt, sondern hmiB
mit dem nach Gutfinden gegebenen zufrieden sein; die
Herrschaft muß freilich Speisung bis zinn Sattwerden
reichen *).
Sicherlich aus der Seele der östlichen Gutsherröi
hat Kr Unit z gesprochen, wenn er in voller Naivität
sich äußert*): „Den Brande wein, als ein einheimi-
sches Product, wodurch unsere Kornconsumtion befördert
») Frauenstädt S. 886. — •) Wuttke S. 18. — ») Dorn
S. 826 fr, - *) Vgl. auch die Vorschriften über Gesindekost bei R.C
Bennigsen, Abhandlung vom Anschlag der Güther in Sachsen,
Leipzig 1771, S. 198, 199. — •) Dorn S. 882.
— 669 —
wird, wollen wir gar nicht aus unsern Haushaltungen
verbannen. Wenn er w&ßig von unsern Landleuten ge-
trunken wird, ist er ihnen gar nicht schädlich. Eine
kluge Hausmutter kann nxit einer kleinen
Dosis Brandtweindurdh ihre Knechte grosse
Dinge in der Gesdhwindigkeit ausrichten»
und vielen guten Willen hervorbringen."
Die Wohnung der Dienstboten ist nie Gegenstand
der Gesetzgebung gewesen. Mit höherem Lohne xmd
besserer Kost konnte eine Herrschaft ihren Dienst im
Vergleich ru andern Stellen ru einem vorzüglichen ge-
stalten und freimldes Gesinde anlocken. Die Wohnung da-
gegen spielte bei dietmi Konkurrenzkampfe der Herrschaften
untereinander nie solch bestimimiende Rolle; die fürsor-
gende Gesetzgebung koimte daher auch nicht zu einem
Vorgehen veranlaßt werden*). Über den tatsächlichen
Zustand der Gesindewohnxmgen in der Vergangenheit
ließen sich folgende Feststellungen machen.
Melchior S e b i z verlangte in seinem« Feldbau 1580 *) :
„Drei Stücke sollen bei Erbauiuig eines Bauerngutes be-
sonders erwogen werden : erstlich des Besitzers und s e i -
*) Vgl. auch das oben S. 2&S, 254 über das Vorkommen bezw.
Fehlen des Merkmales der Hausangehörigkeit Gesagte. Dass das
Wohnen des Gesindes auf dem Gute in bestimmter, freilich recht
fernliegender Beziehung einige Bedeutung haben kann, Iflsst ein Land*
Rerichtsspuch des Dorfes Zipplingen im Ries von 1819 erkennen
(Wintterlin, württemb. ländl« Rechtsquellen I S. 170, 171). Danach
ist es Hans dem Fuchs und seinen Erben erlaubt, sich einen ,,scheide-
hirten, der sin oder ir vihe us triebe und dhein vremdes do mit'V
zu halten. Wenn Hans und seine Erben auf dem mit diesem Vor-
rechte versehenen Hofe nicht mehr sitzen, „doch bu und ehalten
do het oder heten, die sin brot oder ir do ezen'', dann soll
das Recht auf den Scheidehirten fortbestehen. Gleiches Recht galt
filr den Komtur des deutschen Ordens. — •) Heyne, Fünf Bücher
deutscher HausaltertQmer; Bd. I, Das deutsche Wohnungswesen,.
1899, S. 16B.
— 670 —
nes Gesindes Wohnung; danach die Unterkunft
des Viehes, und endlich die Verwahrung der einkontifnen-
den Frucht/'
Wo die Gesindekammern zusammen mit den Schlaf-
räumen für die Hauskinder unter dem Dache angebracht
sind ^), mag solchen Erfordernissen Genüge geleistet sein.
Bisweilen befanden sich aber auf dem« Lande in der Nähe
des Herdes einfache Verschlage mit den Schlafstellen
der Dienstboten imd der Milühkammer ; „solche Ver-
schlage und Absperrungen sind wohl ziemlich lichtlos" *^.
Das Bett des Bauern war infolge des Reichtums an Gänse-
federn von den städtischen Einrichtungen nicht allzu ver
schieden. Jedoch „miuss sich bäuerliche Armut mit \iei
dürftigerem« Nachtlager begnügen, mit dem blossen Stroh-
sacke, der auf die Erde gelegt wird, selbst mit einfachem
Stroh, und ihre Bettdec'ken bilden alte Säcke"'). Im
Stall finden von jeher die Viehknechte und -Mägde ihre
Unterkunft *).
In den Städten v^r während des Mittelalters die
Kemenate der Dienstmädchen oft im Hinterhaus, zusam-
men mit den Vorratsräumen, den Werkstätten für Hand-
werker oder den Ställen*).
Auf den mittelalterlichen großen Burgen lag in der
Regel die Kemenate der Herrin vom Gemache ihrer Die-
nerinnen getrennt. Der Raum», der den Dienerinnen zur
Verfügung stand, war bisweilen so groß, daß 30 Betten
darin stehen imd 63 Jungfrauen darin wohnen konnten*).
») Ebenda S. 167. — >) Ebenda. — •) Ebenda S. 173. — *) Ebenda
S. 178. — ») Ebenda S. 222; vgl. auch Stillich S.67. — •) Maurer.
Fronhöfe II S. 180.
— 671 -
S 10. Pflichten der Herrschaft
3. Gute Behandlung. Das Zfichtigungsrecht —
Anhang: Schulwesen.
Das Haxis stellte die xinterste Stufe der mittel-
ilterlichen Justizorganisation dar. Dem' Hausherrn ge-
borte in einem- bestimmten, mit der Zeit mehr und mehr
eingeengten Umfange die Strafgewalt über die Hausge-
nossen. Man scheute sich des Eingriffes in die Geschlos-
senheit des Haushaltes. Auch das Gesinde war so dem
Herrn iinterworfen.
Die herrschaftliche Strafgewalt äußerte sich freilich
der Regel nadh nur in eineM Züchtigtingsrechte gegen-
über den Dienstboten. Nur ganz wenige Fälle sind nach-
weisbar, wo idem' Herrn gegen sein freies Gesinde eine dar-
über hinaiisgehende Strafgewalt verliehen worden ist.
Einen Rest des alten Herrenrechtes, über die Rich-
tung des Gesindes zu entscheiden, bieten die früher in
andermi Znsamlmenhange erwähnten alten Rechtssätze aus
Lübeck und Bayern, wonach es der Willkür der Herr-
schaft überlassen ist, ob sie einen unehrlichen Dienst-
boten strafen lassen will oder nicht i).
Noc'h weiter gehend wird dem' Herrn selbst der Voll-
zug der Freiheitsstrafe übertragen. Im' Dingrodel von
St. Peter im Sdhwarzwalde*) heißt es an einer
Stelle, daß niemand vom Abt oder seinen Amtsleuten
ins Gefängnis gesetzt werden soll, außer wer sein
Leben verwirkt hat, „ussgenomien des gotshus ehalten
und dienst mag ein herr auch wol strafen"; „strafen"
soll mehr bedeuten als eine bloße Züchtigung, es bezieht
sich auf das vorher genannte Gefängnis. Die gleiche Be-
fugnis, das Gesinde in Haft zu setzen, gibt ein zeitzer
Statut 1573 3) dem- Dienstherrn: „So mag auch ein jeg-
*) Oben S. 564 f. — >) Grimm, Weistüm er I S. 346 flf., bes. 353.
— •) S c h o 1 1 , Land- und Stadtrechte I S. 263 ff., bes. 268 ; oben S. 530.
— 672 -
lieber Bürger, sein ungehorsam Gesinde, oder uixbeses-
sene Schuldiger imd die ihm in semem Hausse f revd-
hafft üben, ohne -Laube des Richters, wohl ins Gefäng-
niss setzen, ohne sein Wissen aber nicht herauslassen.*"
Geldstrafe für nächtliches Ausbleiben des Ge-
sindes konnte der Herr nacfh dem Rechte des B i 1 1 w ä r-
ders^) von den Übeltätern erheben: „Vor islike nacht,
dat kneeht unde meghede uthslapen, sunder der gennen
willen, demle se denen, darvoer s<^holen se geven deme
gennen deme se denen enen schillingh alse dicke se dat
doen, unde dat mtach mien in oreme lone afreken."
Reichhaltiger ist das Recht der Züchtigung ic
der Gesetzgebung behandelt. Die Grenzen einer miß-
bräuchlichen Ausübimg dieser herrschaftlichen Befugnis
wurden verschieden festgesetzt*).
Nach einigen Rechten darf der Herr den Diener
schlagen, wenn er ihn niu" nicht verwundet. Hierher ge-
hört als das wichtigste Gesetz Kaiser Rudolfs Land-
frieden von 1281 '), das früheste Dokument reichsrecht-
lichen Vorgehens auf dem' Gebiete des Gesinderechtes.
Da wird festgesiet^ in Kap. 52 : „Maul siege. Swer den
andern rouffet oder an das maul sieht, oder in mit cfanut-
teln sieht, daz er in niht wundet: der sol im« ein pfunt
geben imd dem) rihter zwedn und sibentzig pfenninge,
an di chint diu hüider viertzehen iaren sint. Und an
da ein man oder ein frowe ir ehalten slahent an mezzer
siege und an swert siege und an wunden." Nach
dem ostfriesischen Landrechte*) darf der Diener
*) Lappe nberg I S. 821 ff., Nr. 80; oben S. 629f. — •) Ober
Züchtigungsrecht an unfreiem Gesinde siehe Wein hold, Die deut-
schen Frauen im Mittelalter S. 826; „diu mich gester fttnf stunt sluoc^»
sagt eine Magd von ihrer Herrin in einem Gedichte Gottfrieds voo
Nifen (um 1284— 1255); Grimm, Rechtsaltertflmer S. 857; Godeke,
Grundriss I S. 154. - ') Mon. Germ. Hist Leg. II S. 427 ff; bes. 430.
- *) Wicht n 286.
- 673 -
l^esc^hlagen werden; aber nicht so, daß er blutig oder
>la\i wird. Wenn der Herr das Gesinde „wünt siecht**,
soll er es büssen „als fliesende wunden" nach einer geln-
tiäuser Oberhofentscheidung für Mergentheim« aus
iem 15. Jhdt.*).
Andere Rechte zjehen weitere Grenzen. Nur der Tot-
schlag: soll verboten sein; was darunter ist, mag gesche-
hen. „Wer einen knecht oder ein dim in seinem» brot,
was er ni>it den zürnet an gewaff ender hand an den tode,
da ist er nyemiajit umb schuldig*', bestimmt ein Rechts-
brief für Passau vom< 2. Juli 1300*). Ruprechts
Landrecht') sagt von dem» Herrn, der seinen Knecht er-
schlug: „Man nympt jm seinenn leib pilleich dann ob
er ain fremden erslagen hiet**. „Ussgenommen des Tod-
sctüa^s** idarf der Herr seine Dienstboten ohne Schranken
züchtigen, wie das Recht^buch von Memimingen aus
dem Jahre 1396*) verordnet.
Wieder verschieden hiervon ist die Art, wie vorwie-
gend im' Norden die Grenzen der erlaubten Züchtigung
festgesetzt werden. Nicht der Erfolg, sondern die Mittel
des Täters sind maßgebend. Hier gibt es verschiedene
Festsetzungen. Kaiser Rudolfs Landfrieden von 1281
läßt außer der Zufügung von Wunden auch die Waffe
entscheidend sein für das Verbot. Messer und Schwert
sind verboten. Ebenso spricht das auch schon angeführte
passauer Recht von „gewaffenter hand**. In Bayern
ist schließlich noch das münchener Stadtrecht*) zu
nennen, wonach die Verwundmig mit scharfen Waffen
der gerichtlichen Buße untersteht. Von norddeutschen
*) Oberrheinische Stadtrechte I S. 140. — •) A. Erhard, Gesch.
d. Stadt Passau I S. 106 ff., bes. 110; Gengier, Stadtrechte S. 848.
- •) Maurer S. 64. — *) v Freyberg, bist. Schriften u. Urk. V
S. 289flf., bes. 282. ~ ») Auer S. 80 (Art. 206); nach froherem
mOnchener Rechte blieb der Herr straflos, wenn er den Knecht
schlug, stiess und raufte (Auer S. 274).
Kdnnecke. 43
— 674 -
Rechten lassen ein salfelder Statut aus defn 13.
Jhdt. 1), die Statuten Rudolstadts von 1404 ^) und das
Stadtrecht für Leutenberg aus detoi 15. Jhdt.*) den
Herrn straflos, w^enn er den Knecht bloß schlägt und rauft
Scharfe Waffen machen die Tat zu einer unerlaubten
nach den Rechten von Hamlburg, Lübeck und
Stade*).
Diesen zahlreichen Zeugnissen für ein Vorkommen des
herrschaftlichen Zü<^htigungsrechtes in älteiler 2Jeit stehen
einige Rechte gegenüber, die demi Dienstherm solche
Befugnis versagen. An erster Stelle sind Schwaben-
spiegel und kleines Kaiserrec'ht anaaiführen. Im
Schwabenspiegfel *) heißt es : „Swer sinen knecht und sine
dime sieht mit Ruten, unde sterbent si im luider den
banden, er ist dez todez schuldig. Lebent aber si dar
nach über einen tag, oder rwene, oder me, er ist dez nut
schuldig. Dez lasters ist er schuldig." Allgemieiner ge-
faßt igt das Verbot des kleinen Kaiserredhts^j: „Legt
auch der here sine hende an den knecht mit unschulde
zu zome und zu slahen, des m/uz er dem keiser verbuz-
zen." Noch mehr Spielraum geben die beiden Wedstümer
von Kaltensundheimiund Herrenbreitungen'),
wenn sie unter Verzicht auf die strafrechtliche R^elung
festsetzen: j,Wann aber der hjerre mit dem gesinde der
massen umbgieng, das es nit zu leiden, alsdann sali er
im seinen vollen lone giehen." Femer lassen auch die
Rechte Bremens (1303, 1428)»), Oldenburgs^) und
V e r d e n s i<^) dorn Herrn nicht das Bestrafungsrecht : „So
*) Walch, Beyträge I S. 1 flf*, bes.46. — •) Michelscn, Rechts-
denkmale 8. 207 ff., bes. 215. - ') Ebenda S. 435 ff., bes. 439. -
*) Lappen berg 1270 VIII Art. 6, 1292 K. Art, 6, 1497 F. Art 8,
1608 IV Art. 48; Hach Nr. 351; Pufendorf, obsJur. I app.S.168ff:,
bes. 218. - •) Art. 201. - •) II 28. — ») Oben S. 22 ff. — •) Ölricbs
S. 44 (Art. 2); S. 887 (Stat. 84). — •) Ebenda S, 800 (Art 2). -
") Pufendorf a. a. O. S. 77 ff., bes. 117.
— 675 —
welik Tx)rfirhere sec vorvieit in simlei knechte, the eme the-
net iimtne loon, ether in eneme anderen knechte, the an
theneste begrepen si, themie sCal he beteren like eneme
gaste/* Auch in Nürnberg scheint schon während des
14. Jhdts. Scihlagen des Gesindes verboten worden ta
sein ^). Im Gerichtsbuche Amorbachs*) wurde 1401 fein-
getragen: „Itemi Halberman klagt von Cunrade Bring,
das er yn gescblagen hab, und ist ym> auch sinen lidlone
schuldic." Das Ergiebnis der Klage ist dem Buche nicht
zu entnehmien ; der Umistand, daß wegen Züchtigung ge-
klagt Svurde, läßt erkennen, daß ein Verbot oder doch eine
£msdhränkung der herrschaftlichen Straffreiheit bestand.
Wie sich das Züchtigungsrecht in der Folgezeit ge-
staltete, ist nicht festzustellen. Die Polizeiordnungen
schweigen fast vollständig darüber ; es lag ja auch außer-
halb ihres Wirkungskreises, die Rechte der Dienstherr-
schaften in dieser Beziehung einzuengen. Nur ein Ver-
gleich zwischen Angehörigen der Familie von Dörnberg
unterm 3. Septeimber 1571') kann angeführt werden:
„Zum letztenn soll auch keiner des andern dhiener und
gesinde übel annfaren, schlagen oder veruhnrechten, be-
sonndem do einer oder der annder teil feele, manngel oder
annspruche gegenn einem diener gewinnen oder haben
wiurde, soll er solches des dieners junckhern anzeigen,
welcher inen auch alsbaldt inn billiche straff aufnemien
und zu geburUchem- abtrag annhalten soll." Hier wird
wenigstens die Züchtigimg des fremden Gesindes unter-
sagt; wie es mit den eigenen Dienstleuten gehalten wer-
den sollte, das zu bestinttnen, war nicht die Aufgabe des
Vergleiches. Im lauenburger Rechte aus dem letzten
Drittel des 16. Jhdts*) findet sich die Gestattung, daß der
Herr „um geringe Übertretung" das Gesinde züchtigt.
*) Kamann S. 149. — ") Habdsche Sammlung. — •) St. A.
Marburg. Depositum der Freiherm von Dörnberg. — *) Pufendorf,
obs. iur. m app. S. 284 ff«, bes. 841.
43'
— 676 —
Vielleic'ht gehört der Zeit nach audh das undatierte Recht
des Klosters Ursbergr^) hierher. Üble Behandlung des
Gesinde miuß der Dienstbeirr mit Schadens-, Kostenersatz
und einem Thialer Strafe büßen. Gegen Ende des 17.
Jhdts. wurden in Landshut die Pflichten des Spitat
meisters aufgestellt *). Da heißt es, der Meister solle „die
Knecht und Ehehalten ihres nicht rechten Verhaltens
halber mit guten bescheidenen Worten strafen, sich aber
sonsten des Schlagen, Stossen und anderer dergleichen
Gewaltthatigkeiten gänzlich lassen".
Über die theoretischen Anschauungen, auf denen die
Gesetzgeber des 18. Jhdts. zu fußen hatten, geben einige
Werke der Zeit Auskunft*). Glafey will Schläge ge-
statten, „wobey aber Masse ru gebrauchen ist, damit man
nicht die Condition des Gesindes dem* Vieh gleich mache,
und demselben zu viel thue**. Jedoch ist manches Ge-
sinde von der „servilischen Art**, daß es nur durch Kei-
fen und Schläge zu etwas gebracht werden kann. Glafey
hält daher „der Vemunfft gäntzlich zu wieder zu seyn",
daß wegen Schimpfworten und mäßiger Kastigationen
Klagen des Gesindes gegen die Herrschaft gestattet wer-
den, „wodurch das Ansehen der Herrschaften prostituirt,
das Gesinde hartnäckig gemacht und dergestalt verder-
bet wird, dass die Herren eine erschrecklich Noth mit
demselben haben, welche gewiss unerträglich seyn würde,
wenn das Gesinde dieses sein Recht wiesste und ge-
brauchte. Und was ist das vor eine gewaltige Inaequalität,
wenn ein Herr oder Frau von Stande einer geringen Magd
deswegen eine Abbitte thim sollen, weilen sie selbige v.
g. eine Schand - Hure geheissen ? Denn obwohl ein jeder
*) v. Weber, Statutarrechte IV S. 882. — ") Staudenraus,
Chronik von Landshut III S. 208. — •) Adam Friedrich Glafey in
Leipzig, Vemunflft und Völcker Recht 1728 S. 796, 796; Thomasius,
An actionem iniuriarum servi nostri et anciUae mercenariae, si
modice castigentur, adversus dominos habeant? Lipsiae 1786.
— 677 —
VfenscSx einen Grad der Ehre hat, den mlan ihm' nicht
aehmien edier kränCken soll: so wird doch durch solchien
Ajnts-Eyfer einer Herrschaft des Gesindes Ehre so wenig
gekxänket, ats) eines Kindes, wenn es der VaDeir sc^hilt und
schimpft, weilen ein Herr nicht animum iniuriandi, sed
oorrigtendi zu haben scheinet".
jyen Gegensatz zu dieser Weisheit des Ostens bildet
Christian Wolf fs Philosophie. In seinen „Vemünfftigten
Gedancken von dem Gesellschiafftlichen Leben der Men-
schen** *) wehrt Wolff ein Übermaß der herrschaftlichen
Affekte wider das Gesinde ab. „Da der Zorn imter die
beffti^sten Affecten gehöret, die Affecten aber der Ge-
sundheit imd dem* Leben dier Menschen sehr nachtheilig
sind; so schadet dadurch die Herrschafft ihr selbst und
ist miehr eine Straffe für sie, als für das Gesinde.** Es
ist ratsam«, bloßen Ernst statt des Zornes anzuwenden, da
hierdurch das gleiche Ergeilmis erreicht wird; ja Ernst
ist sogar denn Ereifem vorzuziehen, weil mlan im Affekif
mehr sagt, alsi mtan sagen möchte, „da hingegeb, wo man
ohne Affedt redet, mön leichter b^rreiffet, dasis es ein
Ernst sey**. „Unterdessen gilt auch! hier, daäs mtan nicht
zum härteren (Mittel) schreiten mUss, so lange gelindere
vorhanden. Audi wird mtan leicht beigreiffen, dass ver-
nünfftige Henlschiafft, die des) Gesindes Bestes suclM,
mit dem Gesinde wie mit dem Kindern verfahren, tmd auf
den UnterscUeid der Gemüthier acht haben wird, ob sie
sich mehr Jdurch Güte als durch' Härte lencken lassen. Wo
man Änderung tiieffen kan, s«o ist es' bieissietr das Gesinde
gfehen zu lassten, al^ sich mit ihnen durch Härte Verdruss
zu mäcWen." Umlgfekehrt üiegt es aber auch am Gesinde,
sich gebührend zu betragen. Es soll die Arbeit ohne
Verzug und Widerwillen tun. Das bringt Vorteil für die
Herrschaft und für daö Gesinde. Denn dadinrch wird
>) 1721; hier nach der 8. Aufl. 1782.
— 678 —
Zeit grespart, und das Gesuide setzt sich nicht der Ge-
fahr iaus, daß die Herrschaft es schilt oder gar „im £ifer'*
schlägt.
Späterhin, gegen Ende des Jahrhunderts, sind frei-
lich die maßgebenden Literatoren wieder ausgesprochea
für ein maßvolles ZüChtigtuigsrecht. Krünitz*) leitet
dess^en Betechtigtmg aus der Untertänigkeit des Gesindes
unter die Hausgewalt her. Hom'mel*) will eine Rechts-
Vermutung dahin aufgestellt wissen, daß Züchtigfun^ de:
Frau durch ihren Mann, der Schüler durch den Lehrer,
des Gesindes diu-ch' den Gutsherrn verdientermaß^i ge-
schehen ist. Der Nürnberger Dorn^) ist der Ansicht:
„Das rohe imd ungebildete Bauemvolk ist nicht selten
dann erst am tüchtigsten, wenn es Schläge gefühlt hat" *;.
In der Gesetzgebung Westideutschlands aber
nahm man die reine Klugheit Wolffs auf*). Nur wenig
blieb mehr von dem alten Rechte übrig. Am weitesten
geht noch die Gesindeordnun^ für Wolfenbüttel
1748 •) : bei einer Bestrafung soll der Herr „die Grenzen
einer b6scheidetnen und giemä^igten Züchtigung nicht
überschreiten". Nur für iden beschränkten Kreis des fürst-
lichen Stalles wtuxie 1736 in Fulda gtetattet, „sowohl in
dieser als nachfolgenden Verordnungen die Stallleuth mit
dem Stock zu corrigiren" ^). Dann mag noch ein Ent-
wurf zu einer ostf riesisChen Gesindeordnimg ge-
nannt isein, an ider in den Jahren 1737 und 1738 gearbeitet
wurde®). Es heißt da: „Und obgleich denen Herrschaften
') S. 618. — •) von Zahn, HL J. Hommel als Strafrechtsphilo-
soph und Strafrechtslehrer S. 118. — ») S. 2d8ff. — *) VgL femer
R. C. Benningsen, Vom Pacht und Verpacht der Güther (Leipzig
1771) S, 223. — ') Vielleicht aus dieser Zeit stammt der Spruch:
Du sollst der Knechte schonen,
So dir dienen um Lohnen;
Gedenk, dass ihrer einer ist
Ein Mensch, als du selber bist.
•) Archiv Wolfenbüttel Nr. 7097. — ^ Sammlung der cass. Regierung
IV S. 427. — •) St A. Aurich. O. L. Polizeisachen Nr. 8.
— 679 —
vermöge Land Rec'htes \md dieser Unserer Verordxmng
erlaubet ist, ihre Dienstboteoi, nach erheischender Noth^
wendigkeit gehörig zu züchtigen, so sollen sie doch ohne
erhebliche und auf Erfordern beweisliche Ursachen dazu
nicbt schreiten, auch allenfalls bescheidene Masse halten ;
Schlüge aber eine Herrschafft ihr Gesinde ohne Uhrsache,
oder doch dermlassien übermässig, dass es davon verwun-
det, oder gebrechlich würde, so soll dieses nach Land
Recht oder sonst gerichtlich srti klagen befugt steyn."
Soweit die späteren Gesindeordnungen Verbote der
Züchtigung enthalten, sprechen sie sich teilweise sehr
scharf aus. In Schleswig bestimlmte die Ordnung von
1733^), daß Herrschaften, die ihr Gesindel schlecht be-
handeln, es an Gesundheit, Leib, Leben schädigen, „mit
verhöheter desto grösserer Strafe belegt" werden und
die Kur- und SCUmierzensgelder ersetzen sollen. Fünf Gul-
<len Strafe aufs Prügeln des Geisindes wurden 1741 in
Nürnberg verhängt*). Die eisenacher Gesindeord-
nung von 1757*) begnügte sich' mit dem einfachen Ge-
bote, daß die Herrschaft die Dienstboten \mter keinen
Umständen prügeln darf. Die brandenburgischen
Gesetzgeber für Franken tmtersagten den Gesinde-
herren Tätlidhkeiten „oder andere vermteintUche Hauss-
Strafen** mit der 1769 erlassenen Gesindeordnung *). Auch
dieerfurter Dorfpolizeiordnimg von 1786*) sprach den
Herrschaften die Befugnis ab, ihre Dienstboten durch
Schläge oder sonstwie zu mißhandeln.
Aus Hessen mag schließlich noch die Stimme
eines Regierungsbeamiten über die Gesindezüchtigung an-
geführt sein. In einem 1792 verfaßten Bericht über Ver-
^>esserung des Gesindewesens •) stellt der Landrat von
')Schrader, Handbuch ffl S. 189, 199. — ") Kamann S. 149. -
') Kr. A. München. GR, Fasz. 402 Nr. 8. — *) Kr* A. Nürnberg.
S. 28 V Nr. 779 Repert 288. — ») Heine mann, Rechte f. Erfurt
S. 866 ff., bes. 869. - •) Oben S. 98.
— 680 —
Dalwigk fest, daß gegen freches Gesinde Schmählen nichts
helfe, da niemand sich daran kehrt, daß der Brotherr
so kein Mittel 2ur Bes^run^f sednies Gesindes in der Hand
hat, „da das prügeln des Gesindes unschicklich, verbothen,
sehr gegen die Sittlichkeit anstossend, auch gegen den
Vortheil des Brod Herrn wäre, indem sich das gute Ge-
sinde nun für seinem Dienst scheuen würde". Auf die
kurz gefeJßte Ablehnung des Züchtigimgsrechts durch die
Verfasser der Gesindeordnung von 1797 wurde im ersten
Teile hingiewieseai ^).
Im 19. Jhldt. ist es mit der he(rrschaftlichen Straf-
gewalt vollends vorbei. Strafen der Herrschaften, sofor-
tiges Kündigungsrecht für die Dienstboten, Lohnersatx
an sie sind die Mittel, diu-oh die m)an das Erziehungs-
bedürfnis der Gesindehierm zu unterbinden suchte. Die
jülic'her Gesindeordnung von 1801*), die düssel-
dorfer von 1809*), die badische von 1809*) mögen
als Beispiele dienen.
Die östlichen Länder brauchten weit'ijiigtte Zeit,
diese Entwickltmg durchzumachen. Noch im Anfang des
17. Jhdts. hatte die Herrschaft in Brandeti4>urg keine
Züchtigungsbefugnis*). Dann entstand die Theorie, daß
der Haushierr sein Gesinde züchtigen darf, wie der Vater
seine Kinder durch Schläge erzieht. Wie willkommen
die neue Weisheit den Gesindeherren kam, zeigen die
Verbote, ein gewisses Maß zu überscfhreiton. Wurde das
Gesinde verwundet, daxm durfte es sofort austreten. 1709
\md 1738 ergingen sogar völlige Prügelvierbote; dem! Rück-
fälligen drohte nichts weniger als die Todesstrafe. Das
AUgemieine Landrecht etrklärte leichte Schläge als Not-
») Oben S. 98. — •) Scotti, Jülich S. 880. - •) Ebenda S. 1262.
— *) L. A. Karlsruhe. Prov. Niederrhein. GesindepolizeL Lit B.
Nr. 1 IV 2. ~ *) Lennhoff S. 68 ff., auch fiOr das folgende; Hede-
mann S. 194t; Heymann in der Zeitschrift der Savignystifhing
(germ.) 1907 S. 601.
- 681 —
wehr der Herrschaft, wofür Genu^Ttuung nicht verlangt
werden kann. Bei Zwangsgesinde dagegen war Züchti-
gnng stets erlaubt. Sehr deutlich kam der Gegensatz von
Ost- imd Westdeutsdüand bei einer 1795 von Berlin aus
veranstalteten Umfrage der Regierung zum Ausdruck:
in den westlichen Provinzen war die Verprügelung des
Gesindies etwas völlig Unbekanntes; Strafen standen dar-
auf. Für die Länder diesseits der Weser wurde daher
1796 verfügt, daß nur lederne imd bi^same Peitschen,
uncj. die auch niu- für Schläge über die Kleider verwandt
werden dürfen. Im* O r denslande^) war die Züchtigung
des Gesindes schon seit dem! alten Kuhn giestattet. Todes-
strafe stand darauf, wenn der Herr das Gesinde zu Tode
prügelte.
Das der Herr seinen Diener nicht schlagen soll, ist
freilich nur eins, wenn auch das wichtigste der Gebote,
mit denen den Diensthbrrschaften allgemein eine gute
Behandlung des Gesindes anbefohlen wird. Solche Vor-
schriften über das anständige Verhalten der Herrschaften,
worin man gewissermaßen Gegenstücke m der stets be-
tonten Pflicht des Gesindes zu gutem Betragen 2) sehen
kann, sind natürlich dem' Zwecke der Gesindegesetze ent-
sprechend nicht allzu häufig anzutreffen. Die Gesetzgeber
wollten ja nicht um; die Erziehung der Dienstherrschaf-
ten sich bemühen; niu- nebenher, lun das angeschlagene
Thema vollständig zu erschöpfen, gab man auch den Herr-
schaften bisweilen wohlgemieinte Ratschläge und Ermah-
nungen, doch nicht schlecht mit den Dienstboten um-
zugehen. Fast nie ist es einmal Hauptzweck eines Ge^
setzes, auf die Behandlung' des Gesindes durch unge-
eignete Herrschaften einzuwirken.
Das früheste imd kräftigste Beispiel für eine solche
verständige Art ist im zweiten Stadtrecht von Ueber-
*) Steffen S. 25. — >) Oben § 6, S. 526fr.
— 682 —
lingen ru finden, das um 1400 entstand*). § 75 des
Stadtrechtes handelt „von dienenden hiten**, aber in erster
Linie nic^ht deshalb, weil die dienenden lute sich schlecht
aufführen, sondern „wan vil dag da hergewesen ist von
dienenden luten, daz si von iren herren und frowen anders
gehalten werden, denn liht biUich sig, es sie mit urlob ze
geben in dem jaur . . .".; erst danadh werden auch die
Schlechttaten des Gesindes angteführt.
Bis zum 18. Jhdt. ereignet sdch auf diesem Gebiete
nicht viel. Recht gering ist, was die großen württem-
bergischen Gesetze des 16. Jhdts. dem Gesinde hier
bieten. Die erste Polizeiordntmg von 1549 imd die fünfte
Landesordnung aus dem Jahre 1552 *) verweisen die Ehc-
halten, denen von der Herrschaft übel begegnet wird, an
die Obrigkeit, die „hierinn ein gebührlichs billichs ein-
sehens haben" soll. In Hessen giab sich die Kirchen-
Zuchtordnung von 1539') mit dem Wohle der Dienst-
boten ab. Die christliche Gemieinschaft ist allen abzu-
sprechen, die ihr „Ehgemahl, kind und geäuid mit un-
leidlicher imbilligkeit übel halten, oder zu offenbaren
sc'handen unnd sünden verursachen". Ähnlich stellt die
nassau - katzenelnbogener Polizeiordnung von
1597^) als Rügfrage, „ob eitere und kindere, mann und
fraw, herr imd knecht ärgerlich tmd in ohneinigkeit mit
einander leben, und was dissfalls ohngeziemtes mag vor-
gangen seyn". Eine spätere katzenelnbogener Landes-
ordnung aus dem 17. Jhdt.*) mahnt die Müller, ihr ge-
treues Gesinde also zu halten, daß es bei ihnen bleiben
kann.
Jetzt komtait die Zeit der großen Geisind^edits-
systemie. So gut wie alle Gesindeordnungen des 18. Jhdts.
*) Oberrheinische Stadtrechte II 2 S. 70. — «) Rcyscher,
Gesetze XII S. 149, 198. — ») LO. I S. 109; vgl. auch Bachmann,
Kirchenzucht S. 9. — *) Univ. ■ Bibl Marburg. — •) Selchows
Magazin f. d. teutschen Rechte u. Gesch. I S. 475.
- 683 —
bringen in ihrer nun schon bekannten kursorischen
Sc'hlußmahnun^ an die Herrschaften auch die Aufforde-
rung, man solle doch' die Dienstboten so behandeln, wie
es redht und christlich ist, also nicht ru streng; eine g^ute
Herrschaft soll ihrem Gesinde mit trefflichem' Beispiel
voranleuöhten und es äu allem Guten anhalten, und was
dergleichen Ratschläge miehr sind. Wieder kann hier der
allgemieine Hinweis auf all die Gesindeordnungen genü-
gen ; eine Aufführung der vielen wesentlich nicht von ein-
ander verschiedenen Sätze würde doch nur einer Anein-
anderreihtmg der Gesetze gleichkomlmen.
Einige kleine Besonderheiten seien angeführt. So daß
der bereits genannte ostf riesisChe Entwurf der Jahre
1737, 1738 1) den Herrschaften aufgibt, den Dienstboten
„mit Vemunfft und Mitleiden zu begegnen". Zum Kündi-
gungsgrunde wurde die luischickliche Behandlung der
Dienstboten durch ihre Herrschaften in der Gesindeord-
nung für Holstein von 1740*) erhoben; der Dienstbote
wird wegen Vertragsbruches nicht gestraft, wenn die
Herrschaft ihre Macht über den Dienstboten „in Un-
recht, Wüterey imd unmässigen Eifer verkehrete". Nach
der ansbachischen Gesindeordnung von 1769*) soll
die Herrschaft ihre Diener als Nebenmienschen mit „aller
Menschen- und Christen-Liebe** betreuen, „und ihnen nicht
mit beständig stürmenden und gehässigen rauhen Worten
und Tractament den Dienst sauer machen'*.
Aus der Zeit der Revolution liegen zwei sich völlig
widerstrebende Äußenmgen über die Mitschuld delr Dienst-
herrschaften an den Mißständen im Gesindewesen vor.
Ein oldenburgischer Beamter, AmtsverwaJter Bul-
ling in Deedesdorf, erhielt 1794 eine Anfrage der Regie-
*) St A. Aurich. O. L. Polizeisachen Nr. 8; oben S. 678 f. —
*) St. A. Schleswig. Sammlung grossf. Verordnungen. — •) Kr. A*
Nürnberg. S. 28 V Nr. 779. Repert. 288.
— 684 —
Tung über die Gesindeverhältnisse ^). Die eine Auskunft
sollte darüber erteilt werden, „ob, wenn die Klagen der
Herrschaften über das Gesinde wircklich vorhanden scya
und sich in neuem zeiten vermiehret haben sollten, auch
die Schuld vielleicht hie und da bey den Dienstherrea
die etwa die Leute nicht gehörig behandeln, liegen könne"
BuUing berief den Landesausschuß ; dessen Beschluß ging
dahin: „sie mleinten nicht, dass die Herrschaften Ver-
anlassung dazu geben*'. Als dagegen die Würzburger
Regierung in den neunziger Jahr^ des 18. Jhdts. ein
Ausschreiben zur Erlangung des Entwurfes einer Ge-
sindeordnung erließ *), ging unter anderm auch ein Gut-
achten ein, in dem' es heißt : „Der Dienstherrschaft wird
fordersamSst die evangelische Grundlehre: was du nicht
willst, idass dir gesdhiehe, das sollst du keinem andern thun,
in dem Verhalten gegen ihre Dienstboten an das Herz
gelegt.** Wie weit von dler Gerechtigkeit die Verfasser
all der Gesindeordnungen mit der Schaffung eines Rech-
tes fast nur gegen die Dienstboten entfernt waren, zeigt
nichts so deutlich wie dieser einfache, naive Hinweis auf
den obersten Grundsatz aller Ethik.
Aber selbst das 19. Jhdt. wandte sich noch nicht un-
beschränkt solchen Auffassimgen zu. Zwar die jülicher
Dienstbotenordnung von 1801*) geht so weit, den Hen-
schaften „anständige Bescheidenheit** gefiren die
Dienstboten aufzugeben; die düsseldorfer Ordnung
aus dem Jahre 1809*) droht der Herrschaft mit Geld-
strafen, wenn sie das Gesinde zu etwas Unzulässigen ver-
leitet. Umjso sonderbarer mutet dagegen eine Bestinunung
der badischen Gesirideordnung von 1809*) an. Die
*) Grossh. Haus- und Zentralarchiv Oldenburg. B. 11— B. VI
3« Amt Brake 2. — I A Nr. 4 conv. 6, betr. Dienstboten. — ■) Kr. A,
Würzburg. V 2094. — ■) Scotti, Jülich S. 880. — *) Ebenda & 1261
— •) L. A. Karlsruhe. Prov. Niederrhein. Gesindepolizei. Lit E
Nt. 1. IV 2.
- 685 -
Herrschaft darf die Dienstboten nicht mit entehrenden
Schimpfworten belegen ; „Ausdrücke jedoch, die zwischen
andern Personen als Zeichen der Geringschätzung oder
Verachtung anerkannt sind, begründen gegen die Herr-
schaft noch nicht die Venntithüng, dass sie die Ehre des
Dienstboten dadurdh habe kränken wollen". Ähnlich hieß
es in einem nicht Gesetz gewordenen Entwurf für Er-
furt, der 1801 von Aschaffenburg aus angefertigt wurde ^).
Und selbst manchje noch heute in Geltung stehende säch-
sisch-thüringische imd östhchere Rechte, so auch das
preußische, kennen ein derartiges Sonderrecht*).
Die herrschaftliche Pflicht, das Gesinde gut zu be-
handeln, ist teilweise mit der Aufgabe verquickt, auf die
Dienstboten erziehend einzuwirken. So wenn den Herr-
schaften aufgegeben wird, den Dienstboten durch vor-
trefflicte Lebensführung als Beispiel voranzugehen. Die
Ergänzung dieser herrschaftlichen Erziehung durch staat-
liche oder kirchliche Versuche mag hier anhangsweise
behandelt werden.
Die Schulverhältnisse scheinen in Ostdeutsch-
land während des 17. Jhdts. besonders elende gewesen
zu sein. Für Brandenburg imd Pommern wird,
gerade amter Berücksichtigimg der ländlichen Arbeiterver-
hältnisse, solches berichtet*). Aber auch die Länder, die
näher der Kultur lagen, können nicht viel Rühmens mit
ihren Volksschulen machen.
Über Hessen sei angeführt, was Heppe*) berlch-
*) Kr. A. Würzburg. V. 2615. — •) Kahler S. 165 flF.; frühester
Ansatz hierzu (aber nicht mehr) im dritten Stadtrecht von Lipp-
stadt (bearb. v. Overmann S. 71). Gleiches Recht in Holland
ni9; Behaegel, Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin du
comita central du travail industriel 1905 S. 662). Ebenso im fran-
zösischen Recht nach Anschauung Ferneres (Dictionnaire II S. 642),
der überhaupt Klagen des Gesindes gegen den Herrn ausschliesst. —
') Lennhoff S. 71; Fuchs S. 185. — *) Heinrich Heppe, Beiträge
zur Geschichte und Statistik des hessischen Schulwesens im 17. Jhdt.,
— 686 -
tet. „Trauriger nodi als in den Städten sah es ... in
den Dörfern aus. Viele hatten gar keine Schule, und nur
selten sah sich der Landmann veranlaßt, seine Knaben
an dem Unterrichte der benachbarten Stadtschule Teil
nehntien zu lassen. . . . Wo sich aber in den Dörfern
Schulen vorfanden, da waren die Lehrer ... in der Regel
Handwerker, die nic'hts als Lesen und Schreiben gr^lenit
hatten, und neben der Schulmeisterei und dem damit
verbundenen Küsterdienst ihr Handwerk ungestört fort-
trieben.** Umstände, die einen geregelten Schulbetrieb
unmöglich machten, waren femer „die Armtit imd Gleich-
gültigkeit der Eltern, welche ihre Kinder nur im Winter
zur Schule schickten, imd sie im' Sommer und Herbst
zu den Feldarbeiten verwendeten; der Mangel jeder Be-
stimmung über Schulpflichtigkeit der Kinder, und vor
allem die pädagogische Verwahrlosung des weiblichen Ge-
schlechts (für welches es nur in wenigien Städten des Lan-
des Schulen gab)**. Der Krieg „riß . . . auch das Schul-
wesen gänzlich zu Boden**. Die namienlose Armut danach
veranlaßte, wie ein Bericht aus dem' Jahre 1653 meldet,
noch mehr als früher die Eltern, „ihre Kinder nament-
lich im Sommer vom Schulbesuche abzuhalten und sie
zum Hüten des Viehes, zur Feldarbiedt \md zu andern
Dingen zu verwenden**.
Ob sich im frühen 18. Jhdt. die Verhältnisse merklich
gebessert haben, sei dahingestellt. Einen Schluß auf eine
Hebimg der Zustände, von der auch die Dienstboten pro-
fitierten, lassen imJmerhin die loshauser Gesindere-
gister ^) zu. In Loshausen, einem kleinen Dorfe bei Ziegen-
hain, war es vielleicht die Unterstützung der Herren von
Lüder, die Ausnahmszustände herbeiführte. 1726 findet
sich in den Registern die Notiz: „Arm Elss Culin, von
in der Z. d. Vereins f. hess. Gesch. u. Landeskunde, 4. Supplement-
heft 1860, S. 24, 25. 81, 84«
0 St A. Marburg.
— 687 —
Steina bürtig, ist uff Ostern 1727 biss Christag zum Hüener
Mägdcben gedinget und jhm' zu jahrlohn versprochen
worden, benebest Es f rey in der Schule zu hal-
ten, 1 Fl." 1735 wird der Kühjunge entlassen, damit er
in die Schule gehe, weil er Ostern konfirmiert werden
soll.
Über staatlic^he Fürsorge für die Schulbildtmg gerade
des Gesindes läßt sich für die Zedt vor 1800 nur aus Wal-
deck imd Eisenach berichten. Diewaldecker Gesinde-
ordnung von 1736^) bestimmt, daß ganz arme Kinder,
die schon vor der Konfirmation dienen müssen, von ihrer
Herrschaft einige Stunden täglich zur Schule gehalten
werden sollen; die Herrschaft mag solche Dienstboten
um die bloße Kost dienen lassen oder ihnen vom Lohne
etwas abzieht. Gleich der erste Abschnitt der eise-
nacher Gesindeordnung von 1757*) geht auf die Schul-
bildung der Dienstboten ein. Weil die mieisten Mißstände
von Unkenntnis der Pflichten in den bürgerlichen Ständen
herrühren, sollen die Obrigkeiten, Pfarrer, Schul- und
Waisenhausbediente die ihnen anvertraute Jugend in den
Schulen und im' Katechi^musunterricht „nach Gelegen-
heit der Haustafel und diesier Ordnung** unterweisen, da-
mit die künftigen Herrschaften tüchtig, die Dienstboten
geborsaflii werden.
Was die Schule nicht vermochte, sollte wenigstens
teU weise die Kirche gutmachen. Katechismus- und Kin-
derlehre waren gleicherweise für die Kinder wie für die
Dienstboten bestimmt. Daher ergingen immer wieder an
die Hausväter des Landes Befehle, Kinder imd Gesinde
zu diesen Unterrichtsstimden zu schicken; in anderm Zu-
sammenhange') wurde sxd diesie Vorschriften schon hin-
gewiesen. Nach älterem hessischem Kirchenrechte
galt die Vorschrift nicht bloß für die jimgen Dienst-
0 Sammlung der Regierung Arolsen« — *) Kr. A. München.
GR. Fasz. 402 Nr. 8. - •) Oben S. 290 ff.
- 688 -
leute, fiondem ebenso für die älteren Knechte. Wenigstens
wurde dies 1688 in einem Einzelfalle vom casseler Kon
sistorium angeordnet ^). Späterhin muß die Erziehungslus:
gegenüber den erwachsenen Knechten geschwimden sein.
Nach Büff*) waren die sonntäglichen Katechisationa
für die Jugend vom 7. bb zum 17. Jahre bestinunt. Es
gab zwar auch Katechisationen Erwachsener, so von
Brautleuten, Paten; des Gesindes wird dabei nicht gt
dacht »).
Wo die Bildungs- und AusbildungsmögUchkeiten für
das Gesinde so kärgUche waren, ist es nicht zu verwundern.
daß gegen Ende des 18. Jhdts. inmier wieder Reformvor-
schläge hervortreten. Es wurden allgemein Realschulen
zu den verschiedensten Zwecken vorgeschlagen ; so auch
für die Fortbildung des Gesindes.
1762 erschien im 9. Teile von D. G. Schrebers
„Samimlimg verschiedener Schriften, welche in die öcono
mische, Polizei- und cameral- auch andere verwandte Wis-
senschaften einschlagen" ein Aufsatz, der verschiedene
Vorschläge zur Anlegimg neuer Schularten brachte. Außer
theologischen imd Schulmeisterseminarien wollte der Ver-
fasser auch „höchstnöthige Gesindeschulen** gegründet
wissen. Der Gesindemangel und die schlechte Beschaffen-
heit des vorhandenen Gesindes zwingen dazu; in einem
Jahre können die ungetreuen Dienstboten eines Landes
na<^h Berechnung des Verfassers an zwei Millionen Thaler
zusammenstehlen. Die Gesindeschulen sollen geschieden
nach Stadt und Land eingerichtet werden. In den Städten
sind sie den bestehenden Waisenhäusern, Armenanstalten
imd Zuchthäusern (Arbeitsanstalten) anzugliedern. „Alte
*) St« A. Marburg. Akten des casseler Konsistoriums betr. Ttür
nähme erwachsener Knechte zu Iba an Katechisation und Kirchen-
gebet 1688. - •) Büff, Kirchenrecht S. 127, 211. — ■) Besonderer
Gottesdienst ftir Dienende nach braunschweiger Recht von 12^
(Hanselmann, Urkundenbuch II S. 198 ff., bes. 199).
— 689 ^
Anstalten sind hierzu fruchtbar. Hier könnte man
uinehinien, was vorkäme; insbesondere alle Bettelkinder.
Man präparierte sie auf eine mtmtere kurze Art, setzte sie
ixm, tind mac'hte sie dem Vaterlande geschwinde brauch-
bar. Man dürfte sie nicht in den Waisenhäusern 8. bis 10.
Jahr füttern, da es am' Ende doch meistentheils unbrauch-
bare Mens<^hjen sind, die niemiand gerne haben will."^)
Auf dem Lande müssiein besondere Gesinde^ oder Armen-
sohrulen einglerichtet wterden, oder man «behält die ordent-
liche Dorfschule bei, „mlachte sie aber zu diesem Zwecke
mit brauchbar'*. So zöge man auf den Stadtschulen städ-
tisches, auf den Landschtden rustikales Gesinde. „Hier
würde nun gleich' im' Anfange genau imtersuchet, wozu
ein jedes Lust hätte, tmd wozu sichs am meisten schickte.
Wären von den Knaben welche darunter, die außerordent-
lich Geschick zum' Studiren hätten, auch diese zöge man
heraus, ließe sie zwar, so viel ihnen gut und nöthig wäre,
das Hauptsächlichste mit lernen: hernach aber suchte
man sie in höhern Unterricht zu bringen. Und so würde
mehr nac^h der Absicht tmd nach den Gaben des Schöpfers
ohne Zwang mit gutiem Fortgange verfahren." Der Unter-
richt soll Chrisitenlehre, Rechnen, Schreiben und häus-
liche Arbeit je nach der Klasse lunfassen; z. B. den
Köchinnen soll beigebracht werdein, in „allen bekannten
Arten zu kochien, sieden, braten, mit Holz, Butter etc.
menagirlich umzugehen u.s.f.**.
Dieser Vorschlag, der nicht die Schaffung neuer
Schulen, sondern die Ausgestaltung vorhandener Anstal-
ten durch Einfügung des Hausarbeitsunterrichtes in den
Lehrplan bezweckte, erlebte damals kaum eine Verwirk-
lichung. Kr ünitz«) erklärte den Gedanken für gut, aber
noch nicht erreichbar»).
0 Vgl. hierzu auch die oben S. 864 Anm. mitgeteilten Be-
merkungen Goethes Ober die Erziehung der Waisenkinder. —
') S. 595. ^ ») Vgl weiter Stillich S. 87, 88.
K5nne€ke. aä
— 690 —
Zunächst war es der Zeit nicht so sehr um die Schaf
f ung ineuer Schtüarten als erst einmal um den Ausbau der
bestehenden schlechten Schulen zm tim. Die Äußerungen
des hessischen Regienmgsbeamten Wust aus dem Jahre
1797 wurden bereits mitgeteilt*); nicht polizeiliche Maß-
nahmen wider das Geisinde könnieln nach seiner Ansicht den
Dienstherrschaften besstenes Gesinde verschaffen, nur aus
innen heraus durch Behebtmg der „moralischen Verdor-
benheit und der schlechten Ergehimg" der untern Klasse
kann etwas erreicht werden.
Genügisamler ist Sc" h rader, der Verfasser der „vater-
ländischien Rechte" Schleswig- Holsteins. Ihm ist die wert-
volle Erziehting der Dienstboten im Hause der Dienstherr-
sdhaft imentbehrlich : „Ich gfehe von dem Satze aus, dass
die Jahre der Dienstzeit dem' Mittelstande, und besonders
unserm Landvolke, die Zeit ihrer practischen Erziehung
sind, dass also die Frage, ob sie ordentliche, fleissige,
und moralisch-gute, oder unreinliche, faule, und bösartige
Wirthe werden, mieistens von ihrem Verhalten während
ihrer Dienst jähre abhänge; — dass es also Pflicht des
Gesetzgebers sey, dtu-ch bestiminte Vorschriften so vid
als möglich das Gesinde auf der Bahn der Diensttreue,
und des Fleisses zu erhalten . . ., dass der Grund zu einer
dauerhaften Verbesserung des Gesinde- Wesens in der er-
sten Jugiend-Erziehung und dem moralischen Beyspiele
der Dienstherm selbst zu setzen sey. — Ich bin völlig mit
diesem allen einstinunig, aber auch fest überzeugt, dass
die Spuren der sorgfältigsten Erziehtmg des Kindes und
Knaben, wie ein Hauch verfliegen werden, wenn der Jüng-
ling als Diener, durch' das Gesetz nicht femer geleitet,
sondern durch dessen Mängiel sogar aufgefordert wird,
imgestraf t idie Pflichten der Tröue, und die eingegangenen
Gontracfe-Verbirxdlichbeiten zu verletzten."
') Oben S. 106 f. — •) S. 190.
— 691 -
Zu besonderer Klarheit arbeitet sidh Dorn dtirchM.
Ihm sind gute Sohulen das beste Mittel 2?iir Schaffung
eines nietien Geisindies, Allgfemeiner spinnt er diese Ge-
danken aus unter Berufung auf Campe, Roöhow und Salz-
mann, weldie Industrieschulen vorgeschlagen hatten:
„Der ^ößte Thieil des Verderbens der Menschheit kommt
ohnstreitig von dem elenden Schulunterricht hier, wo bloss
für das Gedächtniss gesorgt, das Herz aber und der Ver-
stand leer gtelaösen wird. Ein Tadel fürwahr, der nicht
nur kleinere Schiulen trifft, sondern auch solche, die mit
den erhabenen Titeln der Gymnasien imd Akademien
prangen. Solange nodh zu einem solchen moralischem
Pesthaijs Zutritt verstattet wird, imd Privilegien ertheilt
werden, die mfenschlichen Seelen äu verkrüppeln, ist an
keine mOralischie Beösteming zfu denken.** Und weiter*):
„Der grösste Sdhiade für Herrschaft und Gesinde war bis-
her, dass mian sie so lange mit ihren gegensieitigen Ver-
hältniss imd ihren wedhsielseitiglen Pflichten unbekannt ge-
lassen. Wohfer es, kam', dass? der meiste Theil des herr-
schenden Theib auf den Irrthüm verfiel, als wenn das
Gesinde einen sklavischen Zustand hätte, und nur für
die Latmen anderer Menschlen erschaffen worden wäre,
das Gesinde aber wirklich einen sclavischen Sinn und
wahre knechtische Feighiexzigfceit bekam.** ^).
Im: Beginne des 19. Jhdts. erst sollte der Gedanke
der GesindesChtde wlenigstens Versuche der Verwirk-
lichimg finden. Zwar 1801 inAschaffenburg äußerte
sich der bereits einmsal genannte Regierungsbeamte M o -
litor über die Angelegönhleit ablehnend*): „Eigene Ge-
sindeschülen gehören in mteinen Augen ru den polizteS-
lidti pädagogischen Uibertreibungen; sind nur die übrigen
Schulen in gutem! Stande, so kajm sich das Gesinde in
denensielben glenug ausibilden.**
^) S.74. — •) S. 77. — •)Vgl. weiter Krünitz S. 687 ff., Stillich
S. 37. - *) Kr. A. Würzburg. V. 2616: oben S. 660.
44*
— 692 —
Eine Mahnung mm Ausbau von Arbeitsschulen für
Dienstboten wuikle dagegen in demselben Jahre in der
bayerischen Gesindeordnung für die Pfalz deutlich
ausge^roc'hen *). Die Ordnung, die nach der gfroßen Ge-
sindeordniuig von 1781 gearbeitet ist, drhielt gegenüber
dieser einige Zusätze. Die wichtigste Neuerung betrifft
die Schulbildimg des Gesindes. Unter Hinweis auf die
Ordnimgen der Trivial- und Primarschulen werden Obrig-
keiten, Seelsorger imd Lehrer ermahnt, ihre PflicJiten zu
erfüllen, „und voreüglich auf die Kinder der ärmeren
Volksklassen, deren gewöhnliches Loos Dienen ist, ein
besonderes Augenmerk zu richten, sie, vielmehr ihre Eltern
und Anverwandte, in jeder thunlichen Art zu unterstützen,
und besonders auch' dahin zu trachten, dass der Unter-
richt unentgeltlich ertheilt, tmd hauptsächlich die Ar-
beitsschulen, wo nur immer ein Fond hiezu auszu-
mittein ist, empor giebracht werden**. „Die in dem Christen-
thüme tmd übrigen Elementarunterricht gut bewanderte
Personen beyderley Geschlechts sind Vorwurfs zum Die-
nen weit geschickter und brauchbarer, als wenn sie ganz
ohne Kultur tmd Unterricht die Dienste antreten.** Im-
mer !9oll aber noch die Herrschaft durch tätige Erziehung
imd Vorbild auCh im Dienste weiter wirken.
Ebenfalls 1801 erfolgte eine Einschärf ung der Ge-
sindeordnung von 1781 *). Darin wird von der Erziehung
der beiden Vertragsteile zu vertragsgemäßem Verhalten
gehandelt. „Übrigens ist der Wimsch Sr. Churf. Durch-
laucht, dass den Dienstherm imd Dienstboten ihre wech-
selseitigen PfUchten und Verbindlichkeiten nicht so fast
durch Schärfe und Strenge eingeprägt, sondern vielmehr
durch zweckmässigen Unterricht auf ihre Überzeugung
gewirkt werden möge.** Am Sonntag vor Lichtmeß soll
») Kr. A. München. M. A, Fasz. 1821 Nr. 1166. — •) Kr. A.
Manchen. AR. Fasz. 459 Nr. 909.
— 693 —
daher immer die Gesindeordnung von den Kanzeln ver-
kündet tund erläutert werden.
I U. Pflichten der Herrschaft
4. Fürsorge fOr Krankheit und Alter.
Es gibt einige bei dem' Cbiarakter der Dienstboten-
gesetze als reinen KlassenreCKtes auffallende Bevor-
zugungen des Gesindes, denen Fehlen weniger bemerkbar
sein würde als ihre ständige Beibehaltimg tmd Betonung.
Hierzu gehören die Privilegien des Lohnansprudhes ^), ins-
besondere das Konkurs Vorrecht *).
Die weitestgehenden Pflichten aber werden der Herr-
schaft ihren erkrankten Dienstboten gegenüber auf-
erlegt. Es handelt sich hier wieder tun eine Folgerung aus
der Geschlossenheit des Haushaltes, aus der Munt des
Dienstherren über das Gesinde. Wie dem Hausherrn die
Versorgung steiner Familie im Falle einer Krankheit ob-
liegt, so soll auch dem Gesinde — dem häuslichen, dem-
nächjst auch dem außenwohnenden ^) — die Pflegte ta
Teil werden. Eine weitere Erklärung für diese Herr-
schaftspflicht ist darin zu sehen, daß die meisten Er-
krankungen rasCh vorübergehen; wienn jedesmal schon
am ersten Krankhieitstage, wo über Charakteir und Dauer
des Leidens oft noCh nichts feststeht, der Dienstbote ent-
lassen und ein Ersatzmann eingestellt werden sollte, würde
das meist eine größere Mühewaltung gerade für die Herr-
schaft bedeuten, als wenn siei den eingearbeiteten Dienst-
boten trotz der Erkrankung noch einige Tage bis zur
Feststellung der Krankheit behält und sich währenddessen
behilft. Von solchen praktischen Überlegungen bis zur
Statuierung einer herrschaftlichen Pflicht (vielleicht schon
im Interesse der konkurrierenden Diensthierrsdhaften) ist
kein großer Sclmtt. Mit deiti allmähhchen Schwindeln der
*) Oben § 8; S. 688 ff. - ») Unten § 12. - ») Oben § 1; S. »8 ff.
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Mimtidee wird diese Begründung wohl eine stets größere
RoUe gespielt haben.
Sc'hon in der besten alten Zeit finden wir die folgenden
verständigen Nützliöhkeitserwägungen des Erasmus A 1 -
berus^): „Unnd ob derselbigen eyns kranck würde, sol
sie versdhaffen, das sein wol gewart werde, dadurch es
auc'h darnach desto williger sei, unnd thu wie die Biene,
die wol sehen, wie jhr König für sie sorget, und acht uff
sie hat, darumb sie jn nimtner mehr verlassen, und immer-
dar uirib jn her sind, und sich gegen jm also erzeygen, das
er sehe, wie sie jn sonderlich lieb unnd werd haben/*
Eine Stärkung erfuhr das verblassende ursprüngliche
Pflichtgefühl der Herrschaften durch christliche Ideen.
„Um Christi willen" mag der Dienstherr die armen Leute,
denen das traurige Los zu dienen zugefallen ist, auch in
den Tagen der Krankheit nicht verlassen. Typisch für
diese Auffasstmg sind Ausführungen des Colerus in
seinem Hausbuche *) : „Wann auch ein arm Gesinde
kranck wird, so soll man ihm bald rathen und helffen
lassen, und es nit bald auss dem Hause Verstössen, sonder-
li<^h was nicht eine anfällige Kranckheit an ihm hat. Colu-
mella *) sagt : Ein Herr soll auc'h seines Gesindes Gesund-
heit in acht haben, imd wanns kranck wird, nicht bald
auss dem Hause jagen, sondern ihm lieber helffen und
rahten lassen. — Dann es ist eben so wol ein Mensch als
wir, \md Christus hat um ihrent willen gleidh so viel ge-
than, als lun imsert willen: So were es auch ein grosser
unmenschlicher Undanck, wan sie in unserm Dienste zu
Unglück kämen, oder in eine Kranckheit fielen, wann man
sie bald aussjagen wolte."
Die absolute Fürsorge für alle Krankheiten des Ge-
sindes ohne Rücksicht auf den Ursprung wird der Herr-
*) In dem „Ehbüchlin" (o. O. u, JJ Seite G 4. - «) Oeconomia
rur. et dorn., S. ICy*. — ») Römischer Schriftsteller („de re nistica").
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•Schaft nur in zwei mittelalterlichen Rechten zur Pflicht
gemacht. Das westerwolder Landrecht ^) und Rup-
rechts Rechtsbuch *) siet^den beide zimächst vierzehn Tage
als Höchstdauer der Herr schaftspf licht fest. Ruprecht
sagt so: „Wie lang ein man oder ein fraw iren ehalten
stehen behalten sulk, daz sult ir wizzen: an ir schaden,
daz suUen si virzehen tag; mues aver man einen andern
ehehalten dingen an ir stat, daz sol tuen newer viertzehn
tSLg, daz ist ein ganzer manaid. Will sein der berr und der
fraw nicht enpem, so mues der ehalt dem, der an sein
stat gewtumen ist, daz Ion geben, daz er di viertzehn tag
verdient hat.** Auch das wteterwolder Recht läßt mit
den vierzehn Tagen die Herrschaft der Pflicht noch nicht
völlig ledig sein. Es setzt fest: „Of een denst kranck
worde in lange suycken, soe sal hem die here holden veer-
tien dagen up syn kost, ende soe sal bem die denst soe
lange nae denen, off in den lone ontfallen, na gelegentheit
der tyt; off weer he langer kranck, soe mach he hem
die kost betalen, meer he sal den heren vul doen voer
den kost.**
Häufiger regeln die Rechte des Mittelalters die Fälle,
in denen die Herrschaft an der Krankheit des Dienst-
boten schuld ist, oder wo doch durch den Dienst der
Dienstbote sich das Übel zugezogem hat.
Dies ist der Sinn beispielsweise der Bestimimimg des
lü bischen Rechtes*): „Is en man in enes mannes
denste unn schut em wat van imgelicke an syneme lyve
ofte an syner sunt in synes hieien denste, de here schal des
blyven ane schaden unde ane schult. Men he schal eme
geven syn vulle Ion.** So ist die Regelung auch in zahl-
reichen verwandten mittelalterlichen Rechtem*). Für die
0 v« Richthofen, Rechtsquellen S. 258 ff., bes. 270. —
") Hertz S. 61. — •) Hach Nr. 860. — *) Hertz S. 59; sonstige
(Vermögens-) Schädigung braucht der Herr nicht zu ersetzen nach
bayrischem Rechtsbuche von 1346 Art. 91 (v. Freyberg, bist.
Schriften u. Urk. IV S. 388 ff., bes.
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Schädigting diirch des Herrn Vieh kommt noch die be-
sondere Vorschrift vor, daß der Dienstherr auch zur Zah-
lung des Arztlohnes verpflichtet ist. Außer dem friesi-
schen emsiger Recht*) spricht besonders deutlich das
ostfriesische Landrecht an mehreren Stellen*) von
diesem Rechtsfalle : „Wort eines mannes denst van sinen
beesten, peeide eder hlmde gewimdet, so is de huis-her,
den denst schuldig, mit kost und kleider vant bedde tho
helpen, und oeck dat arst-loen, und dewyle he kranck
licht, sali men em de tyt in syn loen nicht afkorten, id
were dan saeke, dat de denst dat beesth thom thome
eder bossheit erwecket hadde, so bewissliek weare.**
Für ein Vorkommen gleicher Rechtsanschauungen
im Süden sei aus dem amorbacher Gerichtsbuche von
1448') eine Stelle mitgeteilt: „Item fricz koch zu peter
fytschendeyen, das er yme gebedden hab umb sinen kna-
ben zu yme' zu verdingin. Also sprach fricz: Ich en-
weisz, ich hare sagen, du seist grobe imd hart. So ist
der knabe kranck imd weich, du wollest yn leicht über
wolde syche bescheiden imd yme sein hals brechen. Also
sprach fytschendey : Nein, warlich ich wil ym schon tun,
und sal auch nit tim dan das er wol getim mach. Also
hat der knabe des vihs halben schaden genomen, als
das er lange zum arctzt gelegen ist und zu schiaden komen.
Meynt friCz fytschendey suUe dem knaben an sollichen
schaden zu staden komen noch gebur billichen dingen." *)
Das ostfriesische Recht handelt in I 94 weiter
von dem Falle, daß der Knecht im Dienste durch das
Herrenvieh ums Leben kommt. Die Entscheidung ist
abhängig davon, ob der Herr Tiere und Wagen wieder
*) v. Richthofen, Rechtsquellen S. 909. — ") Wicht I 81,
III 87. — *) Habeische Sammlung. ~ *) Nachbildungen des filteren
Krankenrechtes aus späterer Zeit: Landrecht des Nordstrandes
(C Stat. Slesv. I S. 428 ff., bes. 520), Hadeln 1588 (PufendoH; obs.
iur. I app. S. Iff.), LQbeck 1586 (C. Stat. Hob.), Friedrichstadt
1688 (C Stat. Slesv. III 1 S. 858).
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an sich immmt oder nicht: ,,Hans nimpt einen knecht
an, und gifft em' iaer-gelt, eder dagelickes syn loen, dar-
umme he oene glelwiinnen hefft, alsdan versendet he em
mit einem wagen, wat up eine stede tho haelen eder tho
bringen, of he vörsöhickt em mit ein pert, syn werff*)
uttoridhten, imd de peerde werden flüchtich vor den wa-
gen, edler he fallt van peerde, dat he also tho doede kumpt,
so balde alsie hians höret, dat syn knecht, den he also vor-
medet hefft um dat gelt, eder dach-loen, umme dat levent
gekoemen is, wan he dan dat loen nimpt, welckes he em
tho gesecht imd belavet hefft, und lecht em' dat up syn
lieff*), edder gifft id van sick, dat he so by den doden
nicht komen künde, imd hans nimpt de peerde und Wagen,
eder dat peert, dar de knedht up geseten, nicht weder an
sick, so darff he den dodem nicht gelden. Dan nimpt
Hans peerde und wagen, eder dat peerd an sich, und dat
loen nicht averantwortet: so most he den doden gelden
unde betaelen.
Wie bei den meisten für das Gesinde geschaffenen
Rechtsinstituten setzt die Rechtsentwicklung in der Zeit
der Polizeiordnimgen aus. Für FüUimg dieser Lücke mag
die in einigen HofreChten*) enthaltene Beistimmung
angeführt sein, daß das kranke Hofgesinde nicht zur ge-
meinsamen Tafel kommen soll, sondern ein Kostgeld für
die Krankenzeit erhält. Über die Rechtsgewohnheit im
Kloster Mollen beck (Schaumburg) gibt ein Eintrag
in der ProbsteireChhimg des Jahres 1478*) Auskunft;
„1 Mark Corde Gronauwe demie jimghen, betalde ik ome
die Jeronimi (30. September) vor 4 weken, was he holt-
bouwer by unsseme eynen worwaghen ime vorganghen
Sommer, in Corden van der Rosen stede, alze de krangk
was, juwelken dach xunme 2 albus. Des moste Cord vam
*) =s Geschäft. — ") s= Leib. — •) Beispiele: hessische Hof-
ordnung 1570 (LO. III S. 177), kurpfälzische Hofordnung 1578
(L. A. Karlsruhe. Kopiar 508 Bl. 186). - *) St. A. Marburg.
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der Rose in zynemm lone de helffte dar engeghen missen,
ut consuetum est/* Also der Kranke muß nach Ge-
wohnheit den Lohn, den der Ersatzmann bekam, sich
abziehen lassen. Über die Redhtsauffasstmg in Schaum-
b u r g zu Beginn des 18. Jhdts. äußert sich Rottmann
in seinem Kommentare zur schaumburger Polizeiord-
nung ^). Er stellt Betrachtungen über den guten Haus-
vater an, der nach dem Beispiele des capemaitischen
Hauptmannes sein krankes Gesinde nicht gleich aus dem
Hause tut, sondern es beherbergt imd mit Arzneien ver-
sieht; nach Rottmanns Ansicht muß der Herr dem kran-
ken Diener den vollen Lohn geben.
Auch anderswo gab man im Laufe des 18. Jhdts.
und weiterhin solcher Auffassung Ausdruck*). In Hes-
sen freilich unterließ man es, den allgemeinen Gesinde-
ordnungen eine Vorschrift beizufügen. Nur die h a n a u e r
Gesindeordnuog von 1748 *) bestimmte unter Verzicht auf
die Anrufung des christlichen Sinnes der Dienstherrschaf-
ten, daß die Dienstboten bei vermögenden Herrschaften
Anspruch auf vierzehn-, bei weniger bemittelten Herren
achttägige Krankenverpflegung haben; wenn die Dienst-
boten beim Antritt eine Krankheit verschweigen, steht
ihnen zum Lohn für solche Täuschimg gar kein Anspruch
gegen die Herrschaft im Falle der Krankheit zu.
Ein wenig über die Verhältnisste im alten Hessen
ergeben die loshauser Gesinderegister*). 1733 wird eine
Köchin krank. Sie stellt deshalb eine andere an ihre
Stelle und behält sich 1 Th. Lohn vor; die Nachfolgerin
bekommt den Rest. Auch die Viehmagd war 1733 sieben
Wochen lang krank. Als Ersatz arbeitete eine andere für
sie und bekam die Woche 8 albus, insgesamt 1 Th. 24
albus. „Ist aus Diensten kommen", heißt es nachher bei
') S. 481, 482 (zu Kap. 63). - «) Vgl. auch Estors Teutsche
Rechtsgelahrtheit III § 4680. — •) St. A. Marburg IX A. 1621. -
*) St. A. Marburg.
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der ersten. Aus den zwei Ereignissen geht nichts über
eine geschehene Fürsorge hervor; es scheint dagegen,
als sei die Ersatzperson von dem Gelde bezahlt worden,
das in der versäumten Zeit der erkrankte Dienstbote hätte
bekommen sollen.
In Oldenburg wurde 1794^) als Landessitte fest-
gestellt, daß in Krankheitsfällen der Dienst böte den Lohn
für die Krankheitszeit verliere; nach seiner Wiederher-
stellung gehe er wieder in den Dienst ein. Mit christ-
licher Liebe der Herrschaften gegen die kranken Dienst-
boten gibt sich die altenburger Gesindeordnung von
1719 *) zufrieden : „Solte sichs auch zutragen, daß ein und
das andere Gesinde bey währendem Dienste mit Kranck-
heit befället würde, wird sic'h ein jeder Dienst-.Herr aus
Christlicher Liebe von selbst dahin bescheiden, dass er
dasselbe mit nothdürfftigen Hülffs-Mitteln so lange ver-
seben lasse, bis es wieder in den Stand gesetzet worden,
dass es seinen Dienst fortstellen könne." Die e ise na-
ch e r Gesindeordnung von 1757 *) ermahnt' die Gesinde-
herren, „auch bey zustossenden Kranckheiten oder Un-
glücks-Fällen, nach Möglichkeit, ihrer sich zu erbarmen,
und mitleidig anzunehmen". Auch die schaumburger
Gesindeordnimg von 1738 *) appelliert an die Freundwillig-
keit: der Dienstherr soll seine Dienstboten, „wenn sie in
ihrer Arbeit, ohne Schuld des Herrn, zu Schaden kommen,
oder auch sonst zufälliger Weise mit Krankheit beladen
werden, . . . nicht sogleich Verstössen, und Hülflos lassen,
sondern in allen Fällen sich gegem sie als Haus- Väter
und Haus-Mütter beweisen."
Bestimmungen, die einen deutlichen Verzicht auf die
Herrschaftspflicht um Christi willen darstellen, bringt die
^) Haus- u. Zentralarchiv Oldenburg. B ü— B VI 1 Amt Brake
2-1 A Nr. 4 conv. 6. — «) Univ.-Bibl. Marburg. XVUI f A 870. -
') Kr. A. Mönchen. GR. Fasz. 402 Nr. 8. — *) Landesverordnungen
Schaumburg.-L. II S. 886.
/
— 700 —
cJlevische Gesindeordnim^ von 1769*): „Da es sid
auch zuzutragen pflegt, dass wenn ein Dienst-Bothe krand
wird, der Haus-Herr nadh geendigter Dienst-Zeit verlas
get, dass für die Zeit der KranCkheit nachgedienet wer
den solle; So soll es künftig in solchen Fällen dergt
stalt gehalten werden, dass, wenn die Kranckheit nicht
länger denn acht oder vierzehn Tage gedauert, solch«
bey einem Dienstboten, welcher ein gantzes Jahr gedie-
net, in keine Consideration genommen werde, Falls aber
die KranCkheit länger gewähret, soll der Haus-Herr da
für, wenn der Dienstbote, nicht wenigstens noch ein Jahr
bey ihm in Diensten bleiben will, so viel als das Lohn
in der Zeit der Kranckheit beträgt, abzuziehen berechtiget
seyn, als z. E. für einen Monath ^/n des jährli^^en Lohns,
wogegen dann, wie sich von selbst versteht, alles Nach-
dienen dessiret, als welches sowohl dem Gesinde nach-
theilig ist, da dieses ausser der Dienst-Zeit, nicht leicht
in einen guten Dienst eintreten kann, als der Herrschaft,
die den, in ' den abgehenden Platz gemietheten neuen
Dienst-Bothen, auf Ostern, Victoris (10. Oktober) und
Michaelis bekommt, und aJso einen mehr als sonst be
köstigen muss."
An drei Stellen behandelt die j ü 1 i ö h e r Gesindeord-
nung von 1801*) diesen Abschnitt des Gesinderechts.
Axt. 9 ordnet kurz an, dass ein Dienstbote, den sein Krank-
sein zum Arbeiten unfähig macht, gehen darf; nach Art.
10 kann eine schwangere Dienstmagd entlassen werden.
Mit einer Menge freundlicher Ermahmmgen an die Herr-
schaft spricht Art. 13 in großer Breite von dem gleichen
Thema : „Wenn ein Dienstbothe im Dienste krank wird,
lund die Krankheit nicht über 8 bis 10 Tage währet,
so ist die Herrschaft denselben zu verpflegen der Billigkeit
nach verbimden, und nicht befügt, ihm desfalls an dem
*) Scotti, Cleve S. 1894. — •) Scotti, Jülich S. 880.
— 701 -
Lohne was abzuziehen; sollte aber die Krankheit länger,
und wohl 3 bis 4 Woc'hen dauern, so wird eine wohl-
denkende HerrscWaft sich von selbst bereit finden, für
derselben nöthige Verpflegimg sru sorgen; sollte aber die
Krankheit nodh länger als 4 Wochen dauren, und die
Herrschlaft ^durch der Arbeit auf länge Zeit s^ich beraubt
sehen, und keine Hofnung zur baldigen Herstellimg vor-
handen seyn, so wird eine gut gesinnte Herrschaft dem
kranken Gesinde zwar aus Menschenliebe beyzustehen^
sidh von selbst willig finden lassen, sie ist aber, wenn sie
sich gütlich dazu nicht verstehen will, oder auch Ursachen
halber nicht kann, nicht schuldig, auf solchen Fall das
kranke und zum Arbeiten unfähige Gesinde in ihrem
Hause zu halten, sondern befügt, selbiges mittels Zahlung
des Liedlohnes, nach Ertrag der Zeit des Dienstes, zu ent-
lassen." Ähnliches steht in der düsseldorfer Gesinde-
ordnung von 1809^).
Nur die nebeinsächliche Beistimtaung, daß der wegen
Krankheit zu seinen Angehörigen entlassene Dienstbote
auf Verlangen später in den Dienst zurückkehren muß,
bringt fürs erste die Würzburger Gesindeordnung von
1749«). Weiter hfeißt es dann aber: Will der Herr den
Diener nicht wieder aufnehmen, dann muss di^em Zeugnis
und voller Lohn bis zum nächsten Quartalsziel gegeben
werden. Die zwiespältigen Bestimmungen in der ans-
bacher Gesindeordnung von 1769*) lauten dahin, daß»
geringer Unpäßlichkeit willen ein Dienstbote nicht gleich
verstoßen werden soll; nur bei anhaltender bettlägeriger
Krankheit, die besondere Pflege erfordert, und den Dienst-
boten ganz und gar xmtüchtig macht, der Arbeit vorzu-
stehen, mag er entfernt werden. „Doch sind in vorbe-
nannten Fällen die Dienst-Herrsdiaften a«ch nicht zu
verargen, wann sie ihre, naöh eingeholten Rath und Da-
*) Ebenda S. 1262. — ■) Landesverordnungen Würzburg II S. 529.
- •) Kr. A. Nürnberg. S. 28 V Nr. 779. Repert. 288.
— 702 —
vorhalten eines Medici, mit einer lang anscheiaender.
Kranckheit befallenen Ehehalten, bey Zeiten ihren Kltem,
oder andern Freunden übergeben, .damit nicht theils an
der Wart etwas versäimiet, imd theils das Haushalteoi nich:
in Schaden und Nachtheil gesetzet werde/* Die wahre
Menschen- imd Christenliebe ist es auch, die den Herr-
schaften von den Verfassern der altbayerischen Ge-
sindeordnimgen der Jahre 1781 und weiterhin ans Herz
gelegt wird ^). Ebenso gibt sich die österreichische
Ordnung von 1779*).
Christliches Mitleiden ninnnt femer die Gesindeord-
ntmg für Dur lach von 1780*) rur Grundlage der Pflege
erkrankter Dienstboten. Weiter hat aber die Herrschaft
dafür zu sorgen, daß jeder Krankheitsfall dem Gesindeauf-
seher*) angezeigt wird; aus welc'hen Gründen, ob etwa
wegen der Ansteckungsgefahr, wird nicht gesagt. 1809^)
wird in Baden die milde Berufung auf die Frömmigkeit
der Dienstherren ersietzt durch energischeres Polizeigebot.
Die Herrschaft mtiß „wie in gesunden so auch in kranken
Tagen** das Gesinde verpflegen imd die Arzt- und Arznei-
kosten übernehmen, falls die Krankheit vorübergehender
Natur ist; bei länger dauernden Krankheiten sorgt die
Polizei, wenn der Dienstbote nicht Mittel zur Selbstver-
pflegung hat.
Die herrscihaftliche Krankensorgepflicht hat auch das
ostdeutsche Recht aufs eingehendste ausgebildet. Ge-
rade Brandenburg hat die interessanteste, weil in
ihren Wurzeln offenbarste Rechtsentwicklung durchge-
macht. Es gehört nicht hierher, die klar gehaltenen Aus-
führungen Lennhoffs^) und Hedemanns'') noch
*) Kr. A. München. AR. Fasz. 469 Nr. 209; ebenda MA. Fasz.
1321 Nr. 1165. — •) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 2. - ») L. A.
Karlsruhe. Baden Gen. 6391. — *) Oben S. 411 f. - ») L. A Karls-
ruhe. Prov. Niederrhein. Gesindepoh'zei. Lit. B. Nr. 1. 1766— 180Ö
iW 2). - •) S. 91ff. - ') S. 206ff.
— 703 —
einmal in ihrem ganzen Umfange wiederzugeben. Nur
soviel sei bemerkt : Die Fürsorge für das kranke Gesinde
lag dem Dienstherrn bis 1769 lediglich „um Christi willen"
ob. 1769 ist das entsc'heidende Jahr. Da wird eine, wenn
auch dehnbare, Fürsorge p f 1 i c h t eingeführt ; in leichten
Fällen ist die erforderliche Pflege zu tun, aber der Aufwand
dafür 'kann am Lx)hne abgenommen werden. Weiter geht
das Allgemeine Landredht. Steht die Krankheit in ur-
sächlichem oder bloß, zeitlichem Zusammenhang mit dem
Dienst, dann m^uß die Herrschaft unentgeltlich für den
Diener sorgen. Andere, zufällige Krankheiten verpflichten
die Herrschaft nur dann, wenn keine vermögenden, ge-
setzlich zum Unterhalt verpflichteten Verwandten des
Dienstboten in der Nähe wohnen. Über den Zeitpunkt der
Dienstbeendigung reicht die Sorgepflicht nicht hinaus.
Anders als in Brandenburg trat in Kursachsen der
Gedanke an eine Herrschaftspflicht unentgeltlicher Kran-
kenfürsorge erst ün Beginn des 19. Jhdts. auf, bei den
Vorarbeiten zur neuen Gesindeordnung ^). Nach Vor-
schlägen, die der Regierung von den Kreisen gemacht
wnrden, sollten die Dienstherm zur imentgeltlichen Ver-
pflegung des im Dienste erkrankten Gesindes verpflichtet
werden. Die Regierung lehnte das aber ab. In ihren Ent-
wurf setzte sie genau die entgegengesetzte Vorschrift, daß
nämlich schwere Erkrankung des Gesindes dem Dienst-
herm Grund zur sofortigen Entlassung geben sollte. Aus
diesem Entwürfe wurde glücklicherweise kein Gesetz*).
Erst späterhin im Verlaufe des Jahrhimderts kam Sachsen
so zu einer Regelimg der Krankenpflege im Sinne einer
herrschaftlichen Fürsorgepflicht ^).
Im Ordenslande*) mußte die Herrschaft bei Un-
glücksfällen imd Krankheit für die Pflege des Gesindes
sorgen imd den Arzt bezahlen*).
») Wuttke S. 190 ff., bes. 192, 198. - «) Ebenda S. 196. —
») Kahler S. 110; 169, 160. - *) Steffen S. 21. — ») Für die
— 704 —
Wie es freilich in Wirklichkeit um die Krankenv^-
sorgting der Dienstboten bestellt war, kann man einem
gegen Ende des 18. Jhdts. verfaßten Promemoria des
bambergischen Arztes Dr. Marcus^) entnehmen. Er
äußerte sich so: „Man darf nur ein wenig mit der
hiesigen Dienstboten- Verfassimg im Erkrankungsfalle be-
kannt sein, um zu wisisen, wie wenig Beihilfe sie sich von
den meisten Dienstherm zu versprechen haben, wenn
Krankheiten sie überfallen. Viele dulden ihre kranken
Dienstboten nicht im Hatise, weil sie die Unkosten und
Ungemächlichkeiten scheuen, andere, weil es ihnen an
Raum gebricht, imd wieder andere, weil sie sich der Ge-
fahr der Ansteckung nicht aussetzen wollen. Sehr oft tx-
eignet sich daher hier der Fall, daß Dienstboten, wenn
sie gleich mehrere Jahre- treu dem Dienste ihres Herrn vor-
gestanden, bei dem Erkranken ohne Nachsicht das Diwist-
haus verlasisen müssen. Wenig^ens hing dieses bisher ganz
von der Willkür der Dienstherm ab, indem meines Wis-
sens hierüber in hiesiger Stadt kein PoUzeigesetz vorhan-
den ist. Aber auch das Loos derjenigen Dienstboten, deren
Dienstherrschaft Raum, Vermögen und Barmherzigkeit
genug besitzet, sie bei sich im Hause zu behalten, ist meh-
renthleils traurig und bemitleidenswexth. Denn gewöhn-
lich ist das Krankendienstbotenzimimier ein enges, dump-
figes Behältniss, wo reine Luft xmd Sonnenstrahlen nicht
deutsche Entwicklung im 19. Jhdt sind zu vergleichen die stenogr.
Berichte über die Verhandlungen des Reichstages 8. Legislaturperiode
I. Session 1890/1, Aktenstücke 381 S. 2434. Als Beispiel ausländischen
Rechtes sei dasjenige Hollands von 1719 angeführt; Behaegel,
Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin du comitö central da
travail industriel 1905 S. 660). Es lässt mit seiner imglaublicbea
Kleinlichkeit auch die schwerfälligsten Satzungen aus Deutschland
hinter sich.
^) Heinrich S i p p e 1 , Das bamberger Dienstboten - Institut
S. 2flf.
— 705 —
hindurchzudringen vermögen, theils fehlt es an gehöriger
Warte, die gewöhnlich von einem Nebendienstboten ab-
hän^, dem es oft an Gutmüthigkeit, öfter aber an Zeit
gebricht, das Krankenwärtergeschäft zu besorgen. So
traurig" die Lage des kranken Di^istboten ist, nicht minder
ist es die des Dienstherm, depn' sieine Dienstleute erkran-
ken. Viele Wohnungen in hiesiger Stadt sind so einge-
richtet, dass Herr und Knecht oder Magd, wo nicht in
einem Zimmer, doch sehr nahe bedsammien wohnen, so
dass, wenn er seinen kranken Dienstboten auch gleich
gerne "bei sich behielte, er der Gefahr der Ansteckimg sich
aussetzen würde. Bei Epidemien Uat dies nahe Beisammen-
sein oft die traurige Folge gehabt, dass ganze Familien
ausgestorben sind. In den mehrsten Diensthäusem liegen
zwei Dienstboten in einem Bette beisamimen, so dass der
Gefahr der Ansteckung gar nicht auszuweichen ist. Sollte
dieses auCh der Fall nicht sein, so ist es für den Dienst-
herm kein kleiner Gegenstand, wenn er für seinen kran-
ken Dienstboten Arztlohn, Arzneien, Warte, die ihm täg-
lich einen Gulden imd noch mehr kosten dürfen, bezahlen
sollte. Bedenkt man, dass dergleichen Ausgaben Wochen
und Monate lang fortdauern können, so wird es begreiflich,
warum öfters die harmherzigsten und Christlichsten Herr-
schaften sich in die Nothwendigkeit versetzt sehen, ihre
kranken, treuen Dienstboten aus dem Hause zu thun."
Diese Erwägungen lassen es erklärlich erscheinen,
wenn die Öffentlichkeit der christlichen Denkungsart der
Diensthierren manchmal doch nicht recht traut und ihrer-
seits auf weitere Abhilfe sinnt. Früh schon suchte man
durch öffentliche Einrichtungen die Stelltmg der
erkrankten Dienstboten zu sichern. Freilich handelte es
sich bei der Bemühung um Unterbringung der Dienst-
boten in Krankenhäusern der Regel nach nicht um^ Maß-
regeln zum Schutze der Dienstboten, denen ihrer elenden
Lage wegen eine Wohltat erwiesen werden sollte. Viel-
K5nnecke. ^5
~ 706 —
mehr faßte man solche öffentliche Fürsorge nur als eine
besondere Abart der Armienlast auf ^).
Die früheste Erwähnung öffentli<^her Fürsorge für
kranke Dienstboten komimt in dem zweiten Stadtrecht
von Ueberlingen vor, das um 1400 entstanden ist'}.
§ 121, der davon handelt, „waein Dienst sondersiech wirde",
ist freilich durchstrichen ; er scheint nicht eingeführt wor-
den zu sein. Seine, wenn auch wesenlose Existenz ist
gleichwohl wichtig genug, xun die Wiedergabe des Stückes
hier zu rechtfertigen. Es lautet : „Wer der ist, der gesunt
in imser statt komet, luid jaur und tag ain imserm burger
dienstbar ist, ob da ain semlicher siech und usssetzit
wirdet, daz der xmser pfründ uf dem berg haben und
niessen sol in aller mass^ alz ain ander bürger, ungevorlich".
Eine Unterstützung anderer Art verheißt eine mil-
tenberger Ratssatzung von 1422*) allen Einwohnern,
auch denen, die bei andern im Brote stehen: „Welcher
scherer, artzet oder beder einen burger bindet oder kint,
oder die danne den bürgern zusteent und in irem brot sin
ein schade widderfert, da got vor si, das man das binden
oder heilen solt, imd dar zu also sin hiilffe imd das beste
dut, wolt er danne zu vil von siner arbeit, so sal es stene
an den burgermeistem. Sust usswert und fremde lute
krut die stat nicht *), danne was fremde lüde sin, die sollen
sich mit irem Hebe einen oder mit irer einem dingen."
Wider die Überforderungen der Ärzte soll den Patienten,
darunter audh den hätislichen Dienstboten, der Schutz
der städtischen Obrigkeit zur Verfügung stehen.
Im Anschluß hieran sei die in der kurpfälzischen
Landesordnung von 1582*) enthaltene Almosenordnung
erwähnt. Deren Zweck ist, „dass auch zucht, Ehrbarkeit,
^) Vgl* z. B. Brentano, Die Arbeiterversicherung gemftss der
heutigen Wirtschaftsordnung, S. 66ff. — •) Oberrheinische Stadt-
rechte n 2 S. 1 flf., bes. 84. — •) Oberrheinische Stedtrcchte I S. 820.
— *) Darum bekümmert sich die Stadt nicht — •) Univ.-Bibl. Marburg.
— 707 —
Gehorsam und Massigkeit, bey Dienstbotten, Handwercks-
leuten iund Taglöhnem, auch anderen, besser gebandhabt^
Und dann weil die Herrsdiiafften und Meister sich ihres
Gesindts, und anderer, so in jeder Gemeinde wohinhafft, in
zeit ihrer KranCkheit und Elendts, ja im fall die Kranck-^
heit und Annut gross und langwirig, die gantze Gemeynde
solcher annemmen soll". Inder unter IX folgenden Spezial-
bestim'm'ung werden die Dienstboten zwar nicht besonders
genannt, dodh ergibt der Zusamimenhang, daß auch sie
von der Wohltat öffentlicher Verpflegung Vorteil haben
sollen. £s sollen nämlich im Hauptspital zu Heidelberg
und Alzey von den Ärzten gebeilt werden bresthafte Arme
„und auch etwan nach gelegenheit die Frembden, die
nicht Landbettler, sondern Handtwercks und Arbeiter,
oder andern ehrlichen Geschefften. unn nicht dem Bett-
\en nadhwandemde Leuth**.
Wichtiger wegen der Deaitlichkeit, mit der der Stand-
pimkt vertreten wird, ist die kalenberger Kirchenord-
nung für die Dörfer von 1569, revidiert 1615 ^). Auch in
ihr wird die öffentlicJhe Fürsorge in den Vordergrund ge-
stellt: „Ziu- zeit sterbender noth, auch sonsten, so offt
arme Dienstknecht und Mägde, auch andere frembde
bastig niederfellig mid kranck würden, oder nüt dem
Erbgrindt und andern schweren Kranckheiten beladen
weren, luid aber von ihren Herrn imd Frawen Unterhaltung
nicht erlangen möchten, die sollen von dem gemeinen
Allmosen oder Spittehi untergeschleifft, geheilet, und
zimlich unterhalten werden, so lang, biss sie ihre Gesund-
heit zimlich erlangen, und doch die Herrn imd Frawen
dameben durch die Kastenpfleger vermahnet werden,
ihnen, in ansehung sie in derselben Diensten kranck und
niederfellig worden, zum wenigsten ein hiandreichimg und
hülff zu thim." Eine weitere Ausdehniuxg der hierrschaft-
') Landesverordnungen Kaienberg I S. 127, 880.
46'
— 708 -
liehen Fürsorgepflicht mit einer völlig überraschenden,
in der ReChtsgeschicJhte durchaus singulären Verschärfung
folgt darauf^). Alle Untertanen werden vermahnt, selbst
sowie mit Kindern imd Geisinde zur Kirdhe \md zur Kate-
chismuslehre zu geben. Dann heißt es: „Auch wo die
Herrn und Frawen ihre Knechte \md Mägde, imib eigen-
nützigkeit willen, nicht zur Predigt noch Catechismo an-
hielten, sollen dieselben, wo die Knecht und Mägde, bey
ihnen in KranCkheit fielen, noch femer mit hülff und
Uandtreichung, solchen krancken Erhalten, nach gestalt
der Sachen, gestrafft werden." Krankenfürsorge als
Strafe für gottlose imd ungehorsame Herrschaften ist
vielleicht ein praktisches! Mittel gewesen; die alte An-
schauung über die Begründimg der Fürsorgepflicht ist
aber hier 2rur Karikatur geworden.
Wieder folgt jetzt die große Lücke des 17. Jhdts. *).
Eine Anekdote aus Nürnberg wäre zu vermelden*).
Das Spital zum h. Geist war, wie es scheint, zur unent-
geltlichen Versorgung der Dienstboten verpflichtet; aus-
wärtige Dienstboten erhielten wenigstens ärztliche Hilfe
und Arznei umsonst. 1667 wurde dem Freiherm Franz
von Sickenberg ein Dienstmädchen krank; da drohte er
dem Spitalamte, er werde das Mädchen auf die Gasse
setzen, wenn es im Spitale keine Aufnahme finde. Nach
dem Spitalrecht von Augsburg*) wurden Geisteskranke
ins Pilgerhaus aufgenommen. Die Habschaften der Aufge-
nommenen wurden verzeichnet, in eine Truhe verschlossen
imd dem Pilgervater übergeiben, „oder wenn es sich um
kranke Dienstboten und Gesellen handelte, den Herr-
schaften und Meisterschaften, so diese dafür gut stan-
den, in Verwahrung gelassen, jedoch ebenfalls imter Ver-
schluss".
') S. 886. — *) Ober Bamberg, das seit 1639 ein Ehaltenhaus
besass, wird weiter unten im Zusammenhange gehandelt werden. —
')KamannS. 115, 116. ~ «) Max Bisle, Die öfTentliche Armenpflege
der Reichsstadt Augsburg (Paderborn 1904) S. 112.
— 709 —
Aus idem frühen 18. Jhdt. kann die Polizeiordnung für
Eichstätt von 1707^) angeführt werden. Da es „sich
öfters zutraget, diass die erkranckhte Ehehalten luid Hand-
werckhs Pursch bey denen Bürgfem und Handwerckhs
Leuthen schlechte Verpflegung zu empfangen, allermeyst
bekandter Dinge die mehriste in ihren kleinen Häusseirn
so eingieschlossen, und eng beysannmien wohnen, dass sie
kaum vor die ihrige dass: erforderliche imterkommen ha-
ben, noch weniger im Standt seynt, ednem darnieder lie-
genden Ehehalten, HandwercfksgesöUen, oder Lehrling
ein besonders gewärmbtes Zimmier einzuräumen, aml aller-
wenigsten aber aus selbst leydendemi abgang die erforder-
liche kost imd warth m verschaffen, bey welchen in einem
solchen Hausis nicht zu ändern stehenden umibiständten
der Krandche in seiner ordinari und kalten Liegerstatt
sich eilend biehelffen, oder falls er in ein warmes Zimmer
eingelassen wird, die gestmdte bey hitzigen oder anderen
leicht erblichen Krankheiten erwartjien müssen, ob sie
nicht dass nembliche übel ergreiffet, und anmit die Nach-
bahrschafft, oder vielleicht die ganze Statt inficiert imd
angestedkhet werde, so wollen wir diser dem gemainem
weesen zu grosser gefahr von selbst erachtlich ausschla-
genden Bes<^hwehrnus soviell möglich vorkomm^i." Es
wird daher eine Krankenhaus-Stiftung gemacht, damit die
Bürger von der Last befreit worden.
In L a n d s h u t ^) bestand ein Krankenhaus, das durch
eine Epidemie 1738 an die Grenzen seiner Leisttmgsfähig-
keit kam. Um die Einnahmen zu erhöhen, wurde eine Auf-
lage von einem Kreuzer auf den Gulden von dem Lohne
der Ehehalten und Handwerksgesellen ausgeödhriebein.
Da dies die einzigen Zwangsbeiträge waren, von andern
Personen keine solchje erhoben wurden, kann man ver-
muten, daß diese Einrichtung als eine Art obligatorischer
*) Habeische Sammlung. — ») Staudenraus, Chronik III S. 143.
— 710
Krankenversicheruiig gedax:ht war. Nähere Angaben dar-
über fehlen. Auch 1800 wurde der Beitrag der Dienst
boten und Handwerksgesellen noch weiter erhoben *).
Genaueres über die Einrichtung der Gesindeverpfle-
gung in einem Spital ist der Geschichte der Charit^ in
Gas sei zu entnehmen*). Landgraf Friedrich IL von
Hessen machte 1772 in einer eigenhändigen Denkschrift
den Vorschlag, ein großes Hospital für Epidemien zu
bauen, „das ein Jeder könte kranke Bediente Unterbringen
vor ein gewisses Geld". So ging auch am 26. Juni 1772
eine Umfrage an die Gutachter (Ober-App.-Ger.-R Kopp,
Kriegsrat Wille, Hofrat Comitius, Oberschultheiß Lennep,
Bürgermfeister Goeddaeois, Professor Dury); deutlicher
noch als in der landgräflichen Proposition heißt es:
„kranke Bedienten, Knechte und Mägde, deren Brod-
herrschaft sie nicht in ihrem eigenen Hausse dulden kann
oder will".
In den Gutachten spielt die Hauptrolle die Frage der
Kostendeckung. Aber keiner der Gefragten schlägt Her-
anziehung der Dienstherrschaften vor. Als MitteJ wählte
man beispielsweise Ungiltigkeitserklärung der Testamente,
die kein Legat für das Krankenhaus enthalten '),
Als endlich 1785 am 2. Februar der Stiftimgsbrief
erging, konnte man sehen, daß es sich weniger um eine
wohltätige Einrichtung zu gunsten der Dienstboten han-
deln sollte, daß vielmehr die Unterbringung „vor ein ge-
wisses Geld" erfolgte, wie der Landgraf proponiert hatte.
Die maßgebende Stelle des Briefes lautet so:
„§ 8. Und damit dieses wohlthätige Institut noch
allgemeinnütziger werden möge, so bewilligen Wir gnä-
») Ebenda S. 148. — *) Fürs Folgende St A. Marburg. Akten
des Ministeriums d. I., betr. das Landkrankenhaus (Charit^) zu Cassel,
Vol. I (Rep. X Kl. 24 Nr. 1). — •) Später, durch Verordnung vom
22. Dez. 1822, griff man sogar zu einer Trauungssteuer zu Gunsten
des Landkrankenhauses.
— 711 —
ligst, dass alle und jede Herrschafften, Handwercker,
Bürger und Einwohner unserer Residentz auch Fürstliche
Livree Bedienten nicht ausgenommen, welche m gehöriger
Verpflegung ihrer Krancken, und durch Unglücksfälle
Verwundeten Doniestiquen, Handwercks Gesellen, Lehr-
bursdhe, Knechte und sonstige Hausgemossen, allenfalls
in ihren eigenen Häusseren und Wohnimgen, weder ge-
nugisamien Raum, noch bequeme Gelegenheit haben, zu
Curirung gedachter ihrer Krancken, gegen leidliche Zah-
lung sidh der Charite nach Gutfinden ebenfalls bedienen
können, woselbst dann auch' diese Krancke, so wie über-
haupt alle andere, welche zur Aufnahme und Cur in der
Charit^ sich von selb^st m<elden und dazu nach dem §pho
7 qualificirt sind, auch die vestgesetzte Verpflegungs
Kosten bezahlen wollen, ohnweigerlic'h recipirt, und mit
eben der Aufmierdksamkeit und Sorgfalt, wie alle übrige
Patienten bis zu ihrer vöUigen Genesung in allem Ord-
nungsmäs^sig imterhalten und verpflegt weirden sollen."
Aber ganz so, wie der Stiftungsbrief bestimmte, war
die Praxis im! Krankenhiause doch, nicht. Das geht aus
einem Berichte hervor, den die Regienmg für Nieder-
hessen am 18. Juni 1828 an das Ministerixun richtete^):
„Nach dem von der Landkrankenhaus-Direktion hier-
selbst eingezogenen Berichte, werden für Gesellen, Lehr-
linge etc. wie für alle übrige gegen Bezahlung in das
Landkrankenhaus aufgenommene körperliche Kranke in
der Regel wöchentlich 24 V2 Ggr., für Dienstboten
aber, welche nach! § 8 des Stiftungsbriefes auf-
genommen werden, ausnahmsweise, nach
einer alten, stets beobac?hteten Observanz
überhaupt ohne Rüciksicht auf die Dauer d eis
Aufenthalts, ein 14 tägiger Betrag, mithin
2 Rthlr. 1 gGr. aversional bezahlt, imd bemerkt
0 Bd. 11 der S. 710 Anm. 2 genannten Akten.
— 712 —
die Direction, dass es meist sehr schwer halte, den Er
satz dieses Betrages zu sichern und sie eine Erhöhuza
desselben oder der von andern Kranken zu bezahlender
Verpflegtingskosten, mithin eine Vermehrung der Ein
nahmen überhaupt auf diese Art! für imausführbar halte.'
Der Erfolg dieses Berichtes war der, daß nun die Bevor
zugung der Dienstboten insoweit aufgehoben wurde, als
„die Vergütung für die Verpflegung des kranken Gesindes
vollständig nach der in der Anstalt zugebrachten Zeit
(nicht bloß für die ersten 14 Tage) der Re^rel nach er-
hoben" werden soU^).
Für die Entwicklung des sonstigen öffentlichen Kran-
kenreChts Hessens und seiner Nebenländer wichtig ist
sodann eine 1795 in Fulda gelöste Streitfrage*).
Zwei Mägde sind am Faulfieber erkrankt. Die eine
hat (bis ziu- Genesung 36 Tage im Nikolaihospital gelegen
und für Arzt 15 Fl., Medizm 24 Fl. 5 Kr., Krankenwärter
und Verköstigung 10 Fl. 12 Kr. gebraucht. Nun ist es
die Meinung der Regierung, „dass, weilen des Küchen-
meisters Ritzels Magd Anna Catharina Laimannin eine
dahiesige Bürgerstochter ist, so ex fundatione in der-
gleichen Fällen Anspruch auf das Nicolai Hospital zu
machen hiabten, der Arzt Kaib, als Hospitals Arzt und
Verwalter die Ciu- seinem bei der Annahme von ihnoe
gemachten Engagement gemäs, bei diesem und künffti-
gen Fällen arme Dienstbothen, so Bürgerskinder sind,
ohnentgeldlich verrichten müsse. Der Wart Lohn, und
Verköstigtmg abfer dem Küchenmeister Ritzel dermal,
und so künftighin andern Dienstherren, so ihre Dienst-
bothen dorthin bei Epidemischen Kranckheiten bringen
kssen, aus der Pflicht der christlichen Liehe, so sie ibrcn
Dienstbothfen in KranCkheitsfällen schuldig sind, auffi«^
Die Medizin hingegen bei solch krancken Dienstbothen,
*) Verfügung des Ministeriums vom 10. September
*) In der Sammlung fiild. Verordnungen der Regierung zu CasscL
— 713 —
Bürgerskinder sind, der Stadt armen Cassa aufzurech-
L-^n, oder (wann wie itz nach vom Vicedora geanachter
-^^Tiaseige der Fall ist,) solche dies zu bestreiten ohnver-
ögend ist, von dem Landes aerario zu bestreiten seie,
die Abwendimg" der Gefahr der Verbreitung auch im-
ein Gegenstand der allgemeinen Landeispolizei ist**.
Die andere Magd ist kein Bürgerskind. „In dem' Falle
Iss müste der Aryt Kaib, deme Jedoch als einem Lazaret
A/'orsteher so mehrere Krancke dort hat, imd immer gegen-
"^^ärti^ sein soll, bei solchen Ereignüssen nur die Ordina-
tionen, keineswegs aber die besondere Besuche^ und da-
zu jeden mit 20 kr., eben so wie die medicin von hoch-
f ürstl. Landesobereinnahtoe, weil für derg'leichen kranck
gewordene Landleute (wann sie nicht selbst zahlbar sind)
kein anderer Fond, worauff sie Anspruch machen kön-
ten, vorhanden ist, ihre befriedigimg erhalten, der Dienst
Herr aber aus ob ang'eführtem Grunde auch hier den
AVart-Lohn, imd die Verköstigimg tragen."
Bischof Adalbert schloß sich diesen Ansichten un-
term 21. Mai 1795 an. Zum geschriebenen Recht wurde
all dies einige Jahre später in dem' „Reglement für den
Arzt Kaib, wegen ohinentgeltlicher Besorgtmg einiger ar-
mer KranCken im Nikolaispital vom 16. November 1801** :
Es bestimlmt, dass „Erstens nur Arme, deren Medika-
menten, und Verpflegtmgs Kosten aus der Landes Kasse
bestritten werden, 2tens Arme Dienstboten, die aus der
Stadt in das St. Nikolaispital geschickt werden, 3tens
alle zum Militär gehörige Personen, imd 4tens die Fürst-
liche Unterthanen aus demi Amte Altenhof ohnentgelt-
lich zu bedienen seien.** Am 12. Januar 1804 erfolgte die
BekanntmlaCbung' über Einrichtung einer öffentlichen
Krankenanstalt für Arme ^) ; sie war auch für die Dienst-
boten bestimimt.
*) Sammlung der cass. Regierung. Bd. III; oben S. 181.
— 714 —
0
Im Anfang des 19. Jhdts. kam es in Hessen öfters
zu Verhandlungen über die Versorgung des kranken Ge-
sindes. Der westfälisc'he Projet von 1813^) sah vor, daß
der Überschuß der vielen zu erhebenden Gebühren teil-
weise zur Versorgung kranker Dienstboten verwendet wer-
den sollte. Eine Krankenkasse fürs Großherzogtum Frank-
furt schlug der moderne Baron von Hettersdorf vor*).
Bald danac!h kam' die Frage auf dem Landtag für Schaum-
burg zur Besprechung. Die Regierung zu Rinteln machte
1815 den Vorschlag, eine Fürsorgestelle für erkrankte
Dienstboten zu statuieren; es kam' aber nichts dabei her-
aus ').
Außerordentlich bedeutungsvoll sind dagegen die
mehrfachen Versuche, in einzelnen hessischen Städten
Krankenanstalten für Dienstboten eanzurichten. Zuerst ist
über eüi Vorgehen in B o d koYi h e i m zu berichten *). Am
6. Jimi 1824 beantragte der Dr. med. Czihak als Arzt
der Firma Melzer imd Co., bei Gelegenheit eines prak-
tischen Falles, „ein geeignetes Haus für erkrankte Fabrik-
arbeiter, Handwerksgesellen und Dienstbothen zu bestim-
men, in welches diese, bei Erkrankungsfällen ü^och ohne
dem kurfürstlichen Staate, oder der Stadt Bockenheim,
nur im geringsten ä charge zu sein) gehörig xmtergebracht,
und besorgt, dadurch aber auch die Verbreitung anstecken-
der, für Stadt- imd Landbewohner üblesten Folgen er-
zeigender Krankheiten, verhütet werden könne." Das
Kreisamt in Hanau, an das Czihak berichtet hatte, fragte
beim bockenheimer Stadtrat an. Dieser äußerte Beden-
ken; die Stadt sei verschuldet. Jedoch sei gleichwohl
eine solc'hfe Anstalt für Handwerksgesellen imd Dienst-
boten möglich!, wenn jeder Arbeitsnehmier wöchentlich
») Oben S. 148. - ») Oben S. 148 f. - •) Oben S. 152. — *) St A.
Marburg. Han. Reg. -Akten. Unterstützung erkranker Handwerks-
gesellen etc. in Bockenheim. Nr. 158—156 des Repos. - Gefachs;
Repert. III Ord. Nr. 47.
— 715 —
drei Kreuzer abzugeben verpflichtet werde, „und jeder
Meister und Dienstherr für die richtige Zahlung dieses
Beitrags . . . einstehen müsse". Es gibt in Bockenheim
159 „ausheimische** Handwerksgesellen imd Dienstboten,
im Jahresdurchschnitt 180. Deren Beiträge würden jähr-
lich 468 Gld., wöchentlich 9 Gld. ergeben, also genug
für Verpflegung und Begräbnis; ein Überschuß könnte
zu einem Krankenhaus verwendet werden.
Das Kreisamt schickte im Juni 1824 die verschie-
denen Berichte an die Regierung ; es steht dem Vorhaben
skeptisch gegenüber. Die Regierung läßt die Sache bis
zur Entscheidung über den Bau eines Landkrankenhauses
in Hanau beruhen, stellt es aber dem Kreisamt anheim,
eine Krankenkasse für Fabrikarbeiter und Handwerks-
gesellen (nicht für Dienstboten!) nach dem Muster der
hanauer Anstalt in Bockenheim einzurichten.
Das geschah aber nicht. Am 24. April 1826, zwei
Jahre später, geht bei der Regierung ein neuer Antrag
ein, diesmal gemeinsam von Stadtrat und Kreisamt
Bockenheim. Darin wird vorgeschlagen, die bisher aus
Bockenheim an die Kasse der hohen Landesschule in
Hanau bezahlten Patentgelder für eine Versorgungsan-
stalt zu verwenden. Daim würden Handwerksmeister, Fa-
brikanten imd Brotherrn die Kosten gern aufbringen. Die
Regierung antwortet, daß das Geld der hohen Landes-
schule zukomme, „überhaupt aber die angetragene Ein-
richtung beruhen müsse". Diese Antwort ergeht sogar
erst sechs Jahre später, am; 31. Januar 1832.
Aber sieben Jahre später scheint doch ein Erfolg kom-
men zu sollen. Auf einen Antrag des Kreisamts Bocken-
heim vom 20. Nov. 1839 genehmigte die Regienmg die
Bildung einer gemeinschaftlichen Kasse der Handwerks-
meister zur Verpflegung kranker Gesellen. Die Verwirk-
lichung zog sich aber sehr lange hin. Am 29. Janxiar 1847»
acht Jahre danach, berichtete der Bürgermeister, daß sich
— 716 —
die städtischen Behörden geeinigt haben, 1. nur verhei-
ratete, in Bockenheim! ansässigie Handwerksgesellen ajos-
Tuschließen, 2. Handwerksgeöellen und Dienstboten
wöchentlich 2 Kreuzer, Tagelöhner 1 Kreuzer zahlen zu
lassen. Ein Statut soll entworfen werden. Es blieb also
nicht bei der lu-sprünghchen Beschränkung auf Hand-
werksgesellen, sondern es sollten alle Handarbeiter, vor
allem die Dienstboten, hinedngezogen werden.
Nun dauerte es noc^h beinahe ein Jahrzehnt, und die
Krankenversorgimg kam in der so beabsichtigten Weise
wirklich zustande *). Am' 3. Juli 1855 berichtet der Bürger-
meister von Brand dem Stadtrat zu Bockenheim nach
Aufforderung der Regienmg über die Grundsätze, die bei
<ier Einrichtung einer konöntmalen Krankenpflege befolgt
werden müßten. Er bezieht sich auf die Bestimmungen der
Medizinal-Ordnung, „nacfh welcher wenigstens gefolgert
werden kann, dass den Gemieinden auch obliegt, die er-
krankten Dienstboten, w^che die Dienstherrschaften be-
reits 14 Tage gepflegt haben, zu verpflegen"^). Brand
meint ferner, „dass auch das Fortschreiten der Stadt grös-
sere Einridhtimgen für Krankenpflege fordert und nament-
lich wünschenswerth nladht, dass kranke Dienstboteai, Ge-
sellen und Lehrlinge in städtischen Krankenstuben auf-
genomm.en imd verpflegt wearden können; die Einwohner
wünschen dies, da sie leichter gutes Gesinde und gute
Gesellen bekommen können, wenn diese für den Fall
<ies Krankwerdens keine Besorgnisse hegen dürfen."
Das Statut, das ijni § 2 auch allen Ortsfremden Pflege
umsonst zubilligt, läßt nach § 4 den Fonds dadurch zu-
stande kommen, dass die Herrschaften und Arbeit-
^) Fürs folgende Stadtarchiv Frankfurt. Akten der Armen-
Deputation Bockenheim, Acta spec. betr. die Kranken- mid Armen-
anstalt, 1836-1879. J XI f. 4. ^ «) Die Medizinalordnmig vom
10. Juli 1880 (MoUer-Fuchs S. 726), die einzige, auf die eine Bezug-
Jiahme möglich ist, enthält eine solche Vorschrift nicht
— 717 —
e b e r f ür Dienstboten, Gesellen und Lehrlinge wöchent-
ch 2 Kr. für jeden Arbeitnehmier, für Taglöhner 1 Kr,
ahlen müssen.
Auf dieser Grundlage trat die Anstalt schon am
. Sept. 1856 ins Leben. Besondere Schwierigkeiten in-
olge der Heranziehung: der Dienstherrsc'haften zur Bei-
ragskistung haben si<^h in der späteren Zeit nicht er-
geben.
Eine Darstellung der Bemühimgen zur Organisation
^n Gesellen- und Arbeiterkrankenkassen auf Grund der
}§ 130 ff. der hessischen Zunftordnxmg von 1816 ^), z. B. in
Fechenheim (1838) und Hanau (1851), gehört nicht
hierher*). Es mag nur die Tatsache erwähnt sein, um
auf die überall zu spürenden Reizungen nach neuen Le-
bensäußerungen hinzuweisen. Die Staatsregierung war es
übrigens nicht, von der der Anstoß kam; das Unter-
nehmen ging von Kommimen oder Zünften aus.
Erfolgflose Bemühungen waren es, die seit 1854 in
Gas sei rur Errichtung eines Instituts auch für Dienst-
boten gema<^ht wurden. Wieder kam die Anregung von
ärztlicher Seite; ein Schreiben der Direktion des Land-
krankenhauses an die Regierung vom 26. Juli 1854 gab
den Anstoß. Dies weist darauf hin, daß die Herr-
schaften gesetzlich nicht ziur Fürsorge für erkrankte
Dienstboten verpflichtet sind. Das Landkrankenhaus
nahm bisher Dienstleute nur auf, wenn die Herrschaft
vorher die Zusicherung gab, daß sie die Kosten tragen
wolle; doch wurde die Zusicherung herkömmlich nur auf
14 Tage gegeben '). Die einfachste Lösung ist nach An-
sicht der Antragsteller Schaffung einer Gesinde-Kranken-
') Moller-Fuchs S. 82fi., bes. 65ff. ~ >) St. A. Marburg.
Akten des kgl. Landratsamts Hanau, die Errichtung einer Fabrik*
arbeiter- Krankenkasse in hiesiger Stadt betr. Rep. L.-P. Nr. 8i. ~
Akten des kurf. Kreisamts Hanau, die Errichtung einer Kranken- und
Sterbekasse bei den Bauprofessionisten zu Fechenheim betr. 1888— -89
Sect H. Abt-Fach 84 Nr. 9± Vol. I, — •) Vgl dagegen oben S. 712.
— 718 —
kasse für die Stadt, und zwslt so, „dass sowohl von de
Herrschaft, wie von den Dienstboten ein nach Verhak
niss des Lohnes festzusetzender Beitrag, wofür die erster?
zu haften hätte, jedesmal im Anfang^ der Dienstzeit unc
weiter auf ein Jajir vorausg^ezahlt würde", sowie daß di-:
zu schaffende Kasse an diejenige des Landkrankenhauses
angeschlossen würde. Nach einem späteren Bericht des
Landkrankenhauses wurden im Durchschnitt der Jahre
1848 — 53 jährhch 120 Dienstboten mit durchschnittlich
26 Tagen Verpflegimgsdauer im Krankenhaus aufg:enom
men. Jeder Kranke kostet täglich 5 Sgr., im ganzen also
4 Th. 10 Sgr.; der jährliche Kostenaufwand würde 520
Th. betragen.
Die Polizeidirektion, an die sich die Regierung wandte
war zurückhaltend. Am 22. Okt. 1855 erstattet sie einen
Bericht und reicht den Entwurf eines Regxilativs ein.
Sie hat inzwischen bei mehreren Großstädten Umfrage
getan. In den Vordergrund rückt sie den Gesichtspunkt,
ob fakultative oder obligatorische Versicherung zu wählen
sei. Sie entscheidet sich, im Anschluß an Mag'deburg.
für fakultativen Beitritt der Herrschaften ; die kaum aus-
reichende Begründung dieser Ansicht lautet so, „dass der
Zutritt zu dergleichen wohlthätigen Einrichttmgen ledig
lieh der freien Entschließxmg der Betheiligten überlassen
werden müsse**.
Diesser Standpunkt ist für damals durchaus erklär-
lic'h. Man sah die zu schaffende Krankenversorgung als
eine Wohltat an, die man dem Gesinde aus freien Stücken
erweise, auf die aber niemand ein Recht habe. Diese
charitative Auffassung der Sozialpolitik konnte dem Staate
natürlich keine Rechte geben, in das Wohltätigkeitsbe-
dürfnis irgend einer Dienstherrschaft mit Zwang einzu-
greifen. Und doch war hier leicht zu erkennen, daß eine
IKrankenkasse mit freiwilligem Beitrag der Herrschaften
eine Fehlgeburt sein würde.
— 719 —
Das war auch' der Regierung offenbar. Sie eröffnet
lämlicrh der Polizeidirektion, daß der Entwurf „als ge-
lüg'end und rücfcsichtlich der Konsequenzen als haltbar
rieh nicht darstelle". Es sei zu bedenken, daß bei frei-
?nllig*er BeteiUgung die Nichtmitglieder am besten weg-
kommen würden, da ihre Dienstboten schließlich doch
iuch aufgenommen werden müßten. Und dadurch wür-
den dann auc'h die freiwilligen Mitglieder zurücktreten.
Auf Wunsch der Regienmg gibt die Polizeidirektion
eine Übersic'ht über die Regelung der Angelegenheit in
den befragten Großstädten. Da eine solche Zusammen-
stellung aus mehr als einem' Grunde wichtig ist, sei sie
hier kurz angeführt. Hannover, Hamburg, Bremen und
Frankfurt haben überhaupt keine solche Einrichtung; in
Frankfurt ist das Hospital zum heiligen Geist verbunden,
das Gesinde der Bürger umsonst aufzimehmen. Auch in
Berlin ist keine besondere Krankenkasse; doch erwirbt
sich ein großer Teil der Herrschaften durch Einzahlungen
in die öffentliche Krankenanstalt das Recht, Dienstboten
unterzubringen. Magdeburg hat seit 1847 eine Kranken-
kasse mit freiwilligem Beitritt der Herrschaften. Ein
Zwang besteht inMünchen imd Dresden. In Dresden
müssen die Dienstboten seit 1854 einen jährlichen Bei-
trag zu einer Krankenkasse zahlein, Männer einen Thaler,
Frauen 18 Neugroschen. Die Dienstboten in München
sind verpflichtet, an die Kommunalkasse einen Jahres-
beitrag zu leisten, die männlidhen 2 Fl. 24 Kr., die weib-
lichen 1 FI. 12 Kr. Eine besondere hiermit verwandte
Regelung findet sic'h ferner in einer hessischen Stadt,
inEschwege. Nach den Statuten für das dortige Kran-
kenhaus vom 31. Jtüi 1837 ist den Herrschaften die Alter-
native gestellt, für erkrankte Dienstboten entweder die
gesamten Verpflegungskosten zu zahlen, oder abel- fixierte
Monatsbeiträge von 1^/2 bezw. 1 g. Gr. zu entrichten. Also
nur in Esc'hwege hält man sich an die Herrschaften,
- 720 —
und zwar zwangsweise; für eine kleine Stadt damals eine
bedeutende Errungenschaft I
Die hessische Regierung hatte ihre Abneigung gegeo
fakultative Beiträge ziemlich offen kundgegeben. Daher
zog es die Polizeidirdction doch vor, einen Entwurf für
den Fall des Kassenzwanges zu machen. Sie hält 7Vt
Sgr. als Beitrag der Herrschaften für jeden Dienst-
boten für ausreichend ; die Herrschaften sollen gezwungen
werden, und sie sind fähig, 7^/t Sgr. und mehr zu leisten,
„weil solchen Personen, welche nicht in diesen Verhält-
nissen sind, die Annahme von Dienstboten polizeilich ver-
sagt wird***). Auch die Direktoren des Landkranken-
hauses, die am 22. August 1856 ihre Ansicht kundgeben,
sind für absoluten Beitragszwang der Herrschaften; sie
fürchten allerdings, daß daran das Projekt scheitern wird.
Doch die Schwierigkeiten sollten von anderer Seite
kommen. Die Regienmg spricht sich am 8. Oktober 1856
dahin aus, daß nicht gegen die Herrschaften, sondern
gegen die Dienstboten ein Beitrittszwang ausgeübt wird.
Sie will das in der Weise durchführen, „dass ihnen (den
Dienstboten) die Erlaubnis bezw. das Verbleiben in ^nem
Dienste untersagt wird, sofern sie nicht entweder für die
Dauer eines Jahres oder ihre dermalige Miethzeit die fest-
gesetzte Einlage leisten". Hier werden Polizeidirektion
und Verwaltung des Krankenhauses kritisch. Sie meinen,
daß doch rechtliche Bedenken vorliegen, „einen mit poli-
zeilicher Zustimmung geschlossenen Gesindevertrag gegen
den Willen der Contrahenten zu lösen".
Am 11. Juni 1857 wird der Gedanke zu Grabe ge-
tragen. Beschluß der Regierung : „dass man bei der einer-
') Diese Bemerkung stellt wohl nur einen legislatorischen Vor-
schlag dar. Eine gesetzliche Bestimmung, nach der ein solches Ver-
bot bestanden hatte, liess sich nicht nachweisen; oben in T. II § 2,
wo derartige Dienstverbote behandelt wurden, ist daher hierauf nicht
eingegangen worden.
— 721 —
seits voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer Gesindekran-
kenkasse mit freiwilliger Betheiligung imd bei den an-
dererseits einer derartigen Anstalt mit zwangsweiser Be-
theiligung entgegenstehenden mannigfachen Bedenken
und Schwierigkeiten, vorerst von der Errichtung einer
Gesindekrankenkasse überhaupt abzustehen, für zweck-
mässig erachtet".
Dieser Gegaisatz von fakultativer und obhgatorisCher
Beitragspflicht ließ auch einen ähnlichen Plan scheitern,
den 1840 der Stadtrat in Allendorf an der Werra
gefaßt hatte ^). Dieser reichte der Regierung ein (den
Akten nicht mehr beiliegendes) Statut für eine „Gesinde-
belohnungsanstalt" ein. Auf den Regierungsbeschluß,
,,dass auf der Grundlage im § 2 des Entwurfes, wonach
eine zwangsweise T hei Inahme an der Anstalt statt-
finden soll, die erbetene Genehmigung nicht zu ertheilen
stehe", erklärte der Stadtrat (Bürgermeister Seyl), daß
er auf eine Umlarbeitung deis Statuts und auf den Plan über-
haupt verzichte, „da ohne eine zwangsweise Erhebung
einer Abgabe von neu hierher kommendem Gesinde so
wie bei dem! Wechisel des bestehenden Gesindes das Sta-
tut nicht ausiTuführen steht".
Für andere Gebiete ließ sich die Entwicklxmg seit
dem letzten Drittel deis 18. Jhdts. bis zur neuesten Zeit
nicht in dieser Ausführhchkeit feststellen. Doch sind im-
m^erhin noch manche sehr interessante Erscheinungen zu
verzeichnen.
Die freiburger Gesindeordnimg von 1782*) ge-
stattet Unterbringtmg kranker Dienstboten im Spital ge-
gen Vorschußleistimg der Dienstherrschaft. Aus einer
jülicher Verordnung vom 4. April 1789^), die sonst
andere Rechtsgebiete behandelt, ergibt sich, daß künftig
') St. A. Marburg. Akte Nr. 855 acc 1894/28. ProtocoU die Er-
richtung einer Gesindebelohnungsanstalt in AUendorf betr. 1840. —
') L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6891. - *) Scotti, Jülich S. 705.
Könnecke. 4g
— 722 —
die im Lande erkrankten ausländischen Handwerker und
Arbeitsleute, soweit sie nidits haben, auf Kosten der Ge
naeinden ihres Aufenthalts bis zur Gesundung verpflegt
werden sollen. Ob die herrschaftliche Fiirsorgepflicht für
die Dienstboten damit erleichtert werden sollte, oder ob
die Wohltat niu- die Handwerks- und sonstigen Arbeiter
treffen sollte, erscheint ungewiß.
Bei weitem die allerwichtigst^i Einrichtung^!, über
die 2U berichten ist, bestanden in Bamberg^).
Hier gab es seit 1629 das „Arme Dienstbotenhaus",
später EhebaltenJ^aus genannt. Es sdieint Pfründner- imd
Krankenhaus zugleich gewesen zu sein. Für bestimmte
Handwerker waren Betten aufgestellt, auch Dienstboten
wurden vorübergehend verpflegt.
Viel bedeutsamer ist aber die Dienstboten-Kran-
kenkasse, die 1790 geschaffen wunde. Fürstbischof
Franz Ludwig scheint ein seiner Zeit weit vorauseilen-
der Organisator gewesen zu sein. Nachdeib 1789 ein Kran-
kenhaus gegründet worden war, ging man weit^ an die
Errichtung eines Geselleninstitutes, das als Krankenkasse
diente. Es bestand Beitrittspflicht; Kranke wurden im
Krankenhause frei verpflegt.
Die guten Erfahrungen, die mian mit dieser Ein-
richtung machte, bestimmten Franz Ludwig, seinen Plan
eines entsprechenden Dienstboten-Institutes zu verwirk-
lichen. Der Leibarzt des Fürstbischofs, Dr. Marcus,
übernahm die Bearbeitung. Aus seinem Promemoria wur-
den oben*) einige Stellen mitgeteilt, die seine Menschen-
und Lebenskenntnis ersehen lassen.
') Die folgende Darstellung beruht grösstenteils auf (unbezeich-
neten) Akten im Kr. A. Bamberg; femer auf Heinrich Sippeis
schöner Studie ,,Das bamberger Dienstboten-Institut*' in der Festecbrift
zum lOOjahrigen Jubiläum des allgemeinen Krankenhauses zu Bamberg,
1889. Vgl. aber das Dienstboteninstitut von 1790 auch einen Reisebericht
im Journal von und für Deutschland, 9. Jahrg. 1792 S» 905 ff., bes. 206.
- •) Oben S. 704.
— 723 —
Von den sonstigen Erwägungen, die bei den Be-
ratungen aru Tage traten, sollen nur die folgenden über
die wichtigste Frage, ob der Staat, die Dienstherren oder
das Gesinde die Kosten aufbringen müsse, hier im Aus-
züge wiedergegeben werden. Marcfus ist der Ansicht, daß
Dienstboten, die jährlich 6 bis 10 Gulden verdienen, nicht
dazu berufen sein können, die Kostenlast zu tragen. Auch
dem Staate will er nicht die Aufbringung der Mittel auf-
erlegen. „Dem Staate ^) könne wohl in diesem Falle keine!
andere Pflicht auferlegt werden, als die Obsorge, öffent-
liche Verpflegungsanstalten m errichten, ohne jedoch die
Unkosten für alle dahin zu bringenden Kranken auf sich
zu nehmen. Auf dem Dienstherm allein also hafte nach
meinem Dafürhalten die Pflicht, für die Heilung seiner
kranken Dienstboten zu sorgen. Dies sei namentlich in
acuten Krankheiten der Fall, während bei langwierigen
unheilbaren Uebeln es mehr die Pflicht des Staates sei,
die Sorge für den dürftigen imd hülflosen Dienstboten
zu tragen. Nehme mm aber der Staat, oder, wie es hier der
Fall sei, der Regent die Sache auf sich, eine Verpflegungs-
anstalt für kranke Dienstboten zu errichten, wodurch jähr-
Uch deip Dienstherm die wohlfeilsten Mittel an die Hand
gegeben würden, für das Wohl seiner Dienstboten zu sor-
gen, so habe der Regent sicher seine Fürstenpflicht im
vollsten Masse erfüllt, und demjenigen Dienstherm, der
diese angebotenen Vorteile nicht mit offenen Armen an-
nehmen würde, müsse das Gefühl der Menschlichkeit ab-
gesprochen werden."
Eine Konunission wandte sich nun an das Publikum.
Es wurden gedruckte Heftchen verschickt : „Ankündigung
und Einladung zu dem Beytritt des zu errichtenden Kran-
kendienstboteninstituts an die Dienstherrschaften und
Dienstleute der hiesigen Stadt", datiert vom 28. Septem-
>) Nach Sippeis. 5.
4«*
— 724 —
ber 1790. Die Veranlassung gaben, wie darin gesagt
wurde, das bereits bestehende Institut für kranke Hand-
werksgesellen, dann „die lauten Wünsche fast aller hie
sigen Dienstherrschaften, eine ähnliche Anstalt für ihre
Dienstleute errichtet zu sehen". Daß das Institut zu Mar-
tini eröffnet werden soll, wird daher „allen Dienstherr-
schaften, denen das Wohl ihrer untergebenen Diener,
die Pflichten der Religion und der Nächstenliebe nicht
gleichgültig sind, so wie auch allen Dienstleiuten, denen
ihr eigenes Besteis am' Herzen liegt* *, mitgeteilt.
Die Bedingungen, unter denen das Institut ins Leben
treten soll, sind nac'h der veröffentlichten Darstellung im
westent liehen die folgenden. Von den wenigstens 2000
Dienstboten der Stadt müssen mindestens 1000 beitreten.
Für diese hat der Dienstherr einen vorauszuzah-
lenden Vierteljahrsbeitrag von je 15 Kreuzern zu erlegen.
„Distinguirte" Dienstboten werden nur gegen Entrichtung
der doppelten Summe aufgenommen; als solche Dienst-
boten werden angesiehen Sekretäre, Kammerdiener, Köche,
Haushälterinnen usw., „welche abgeisonderte Zin^mer und
eigene Wartung verlangen". Die Verwaltung des Insti-
tutes besorgt die Armenkonimission. Zur Pflegan-
stalt wird das neue fürstliche Krankenhaus bestimmt.
Hier sind besondere Räiune nur für MitgUeder der Dienst-
botenkasse eingerichtet. Behandlung in der Wohnung ist
ausgeschlossien, „indem dieseis' an imd für sich unmöglich
ist, überhaupt aber die ganze Anstalt nur auf die Ver-
pflegung im Hospitale Bezug hat". Allzu langwierige und
unheilbare Krankheiten sind von der Behandhing aus-
geschlossen. Gleiches gilt von den „zu leicht heilbaren
Krankheiten", die ein Bettliegen nicht nötig machen. Für
die Beitragspflicht entscheidet die Zahl der bei einer Herr-
schaft in Dienst stehenden Leute; es verschlägt nichts,
wenn die Personen der Dienstboten während der Beitrags-
zeit wech3eln. „Den Verfall dieses Instituts ... zu ver-
— 725 —
^Lindem", wird angeordnet, daß Dienstboten, die nicht
i^m Institute beitreten, nicht die geringste Verpflegung
: ixiden, weder von der Armieinkonmüssion nodh von irgend
fixier andern öffentlichien Anstalt, „indem es nicht wohl zu
vr^rzeihen seyn würde, um eine so massige Abgabe, die
n^iemanden drücken kann, m ersparen, dem: Armeninsti-
txite mit einem weit grösseren Kostenaufwand lästig fallen
zxi wollen". „Seine Hochfürstliche Gnadeon sehen daher
xrielmehr mit grösster Zuversicht entgegen, dass Dienst-
lierren und Dienstbothen Ihre väterliche Absicht bey Er-
richtung dieses Instituts nicht misskennen werden, imd
<lass beyde die ihnen hier angebothenen Vortheile nicht
sillein mit Freuden annehmen werden, sondern dass sie
3.iich' alles beyzutragen suchen werden, dieses Institut
recht bald zu Stande zu bringen. Dieses würde den Ein-
^wobnem dieser Stadt zu desto grösserer Ehre und Ruhm
gereichen, da eine ähnliche so wohlthätige imd vollkonl-
mene Anstalt etwa kaum bis jetzt in Deutschland vor-
handen seyn wird**.
Das Institut trat tatsäChUch mit allerdings nur 590
Mitgliedern ins Leben. Kassierer wurde der Geistliche
Rat Schellen berger, ein einflußreicher und tätiger
Helfer des Fürstbischofs. Schon im dritten Jahre waren
es 827 Teilnehmer. Diel Gesamteinnahmen der ersten drei
Jahre beliefen sich auf 4164 Fl. 23V4 Kr. Deren größerer
Teil kam aus den ordentlidhen Mitgliedsbeiträgen, näm*
lieh 2425 Fl. 38 Kr. ; außerordentliche Beiträge brachten
338 Fl. 45V4 Kr. Ein Zuschuß des Fürsten mit 400 FL
vervollständigte die Summe. Die Leistimgen des Instituts
waren im ersten Jahre: Verpflegtmg von 101 Kranken
an 2417 Tagen mit 843 Fl. 44 Kr. Auslagen ; ein Kranker
starb. Im zweiten Jahre: 121 Kranke, 3865 Krankheits«
tage, 1192 Fl. 30 Kr. Auslagen; sechs starben. Im dritten
Jahre: 109 Kranke, 2566 Krankheitstage, 879 Fl. Aus-
ixen; drei Todesfälle.
— 726 —
Der dritte Jahresberic'ht, dem diese Zahlen entnom-
men sind, äußert sich in sehr freudigeir Art über die
Erfolge des ganz neuen Gedankens. Was da von den
Verfassern der Denkschrift gesagt wird, gibt treffliche
Einblicke in die Grundlagen der Auffassungen, denen
diese Urheber deir ersten kommunalen Krankenkasse hul-
digten.
Es heißt da : „Die gute Sadhe erhielt das Wachstum,
welches sich von einem Volke hoffen liess, das Einsicht
und guten Willen besitzt. . . . Wieviel Gutes ist im Ver-
laufe dreyer Jahre bewirkt worden, tmd so bewirkt wordeo,
dass dadurc'h keinem unserer Mitbürger ein druckender
Last aufgelegt wurde I — Welchen Kosten- Auf wand f odert
die Krankheit eines Dienstbothen, wenn derselbe nur et-
liche Wpchien in dem Hause seiner Dienstherrschaft da-
nieder liegt! Hat die Herrschaft nur Menscbengefühl
(ich will nichts von den Pflichten sagen, die unsere gött-
liche Reli^on iso dringend empfiehlt, und so nahe an das
Herz legt); kann sie ihren Mitmenschen, der seine ge-
Sunden Tage in ihrem Dienste zubrachte, und etwa seine
Gesundheit selbst in demselben aufopferte, ohne Hülfe
schmachten lassen ? Ist es nicht Verbindlichkeit für einen
Dienstherm, durch den Arzt und die von ihm verordneten
Heilun^smittel dem Kranken die Genesung ta verschaffen,
ihm idie gehörige Warte imd bey kalter Witterung ein ge-
heiztes Zimmer zu geben, ihm dienliche Speisen zu reichen,
und alles herbeyzuschaffen, was nach der Vorschrift des
Arztes zur Herstellung des Kranken wenigstens nothwen-
dig ist? — Dieses war Ersi>ainiss für Dienstherrschaften,
die dem Institute beygetreten sind. Ihre kranken Dienst-
leute wurden nac^h Vorschrift der Statuten in dieses der
leidenden Menschheit gewidmetes Haus bey dem Anfalle
einer Krankheit sogleich aufgenommen^ erhielten daselbst
aUe Bequemlichkeit und eine Verpf legtmg, die selbst der
.Wohlhabende in seinem' eigenen Hause in diesem Fall
— 727 —
nicht erwarten kann. — Welches reine Vergnügen müssen
jene liebvollen Herrscihaften fühlen, die an dieser herr-
liclieii Anstalt Antheil nahmen, wenn siei jene imschätz-
baren Wohlthaten erwägen, die dadurch im Verlaufe dieser
drei Jahre ihren Mitmenschen so reichlich zuflössen I Was
ist über den Werth der Gesimdheit, die der Mensch öfters
nxir alsdann recht zu schätzen lernt, wann er den Ver-
lust iderselben bey einer sohmerzenvollen Krankheit fühlt I
Wie vielen wurde ia dieser Zeitfrist dieses so edle Ge-
schenk, das sie verloren hatten, durch diese Anstalt zu-
rückgestellt I . . . Welcher Trost mtiss sich bey dieser
kurzen Uebersicfht (nämlich der Leistungen des Institutes)
in die Seele eines Wohlmieinenden imd Mitleidigen er-
giessen, der sidti in seinen Gedanken lebhaft 331 Brest-
hafte mit Schmerzen imd Krankheiten kämpfende Men-
schen vorstellt, ihre Leiden in so verschiedener Gestalt
erblickt und fühlt, imd 321 mit neuen Kräften belebt,
munter omd gestmd Gott, ihrem Fürsten und ihren Herr-
schaften dankend zu den vorigen Dienstverrichtungen zu-
rückkehren sieht! I Wie herzerhebend mtiss für wahrhaft
edle *und christliche Dienstherren der Gedanke seyn : Auch
ich habe Antheil an dem grossen Werke; auch ich gab
mein Opfer zum Besten der Leidenden, mit thieilnehmen-
der Freude schloss ich mich an diese Gesellschaft an,
und i<^h fühle den Werth und die Grösse des Guten,
das diu-ch diese Theilnahme bewirket wurde I — Da sich
aber bey üebvoUen Dienstherren so hohe und tröstende
Gedanken erheben; was werden jene denken, die bis da-
her ohne Rührung imd ohne Mitleiden blieben, die sich
durch keine Gründe bewegen liessen, an einer so gemein-
nützigen Anstalt einigen Antheil zu nehmien, bey ihren
vorigen Vorurthleilen blieben, eine Gattung einer
Auflage träumten, und den triftigsten Vorstellungen
allerley Scheingründe entgegenstellten, endlich die Wider-
spänstigkeit ihrer Dienstbothen vorschützte(n, die Stich zum
— 728 —
Beytritte niöht bequemen wollten, wo aber der wahre Grund
aller dieser Entschuldigungen in jenem lag, dass sie ihren
Gulden, dieses geringe Opfer für die Liebe ihres Nächsten.
ersparen wollten?"
Im £fleichen Tone geht es noch eine geraume Weile
fort mit Lobsprüchen für die verständigen Dienstherren,
mit bösen Wünschen auf die Lässigkeit jener Herrschaf-
ten, die aus Geiz ihre Dienstboten vom Beitritte zurück-
halten. Unterzeichnet ist der Bericht von Scfhellenberger.
Die Rechenschaftsberichte für 1798—1801 bringen
Nachweise über den fortschreitenden Geschäftsgang ohne
Geleittext. 1802/4 ist ein solcher beigefügt. Die Statu-
ten sind mehrfach geändeif worden. Redliche, untaxleüge
Dienstboten, „deren Herrschaft aus Beweggründen, die
man hier nicht mit dem wahren Namen nennen wiU",
einen Beitritt unterlassen, können selbständig beitreten,
„um solche schuldlose Dienstleute für den Fall der Er-
krankimg ihrem traurigen Schicksale nicht zu überlassen".
Kranke werden als Mitglieder nicht aufgenommen.
Nach 1804 hatte das Institut oft mit Schulden zu
kämpfen. 1806 tat die bayerische Regierung den ent-
scheidenden Schritt imd verpflichtete sämtliche Dienst-
boten, idem Institut beizutreten. Mit der Zeit verschwanden
die Schulden dank dieser Maßnahme und mehreren Ver-
mächtnissen. Das Institut gedieh fortan trotz der nötigen
erheblichen Aufwendungen vortrefflich. Seit dem baye-
rischen Armengesetze vom 29. April 1869^) fungierte es
als gemeindliche Krankenleistung im Sinne dieses Ge
setzes; das Institut besteht gegenwärtig noch, wie es
scheint in alter Frische.
Eine ähnliche Einrichtung wie in Bamberg wurde
im Anfange des 19. Jhdts. inKurbayern geplant. Eine
sehr umfangreiche Geseitzesvorlage *) sah auch die Errich-
^) Hierüber Manes im Handwörterb. d. Staatsw. I 3. Aufl.
S. 769. — «) Kr. A. München. GR. Fasz. 404 Nr. 11.
— 729 —
:uiig einer „Gesindekasse** vor, die in jeder Hauptstadt
Für die einzelnen Kreise errichtet werden sollte. Der
Z^veck der Kassen sollte unter anderm auch Versorgung
erkrankter Diensitiboten sein. Die Mittel wurden aufge-
bracht durch verschiedene Gebühren für Eintragung in
Gcisindeüsten, femer Strafgelder und vor allem Zwangs-
beiträge aller Dienstboteoi, ohne Rücksicht darauf, ob sie
eiximtal die Kasse in Anspruch nehmen wollen oder nicht.
Die Zwangsbeiträge sollten nach der Lohnhöhe erhoben
werden; die Jahressrummen würden danach fünf Kreuzer
bis zu einem Gulden betragen. Der Anspruch auf Ver-
pflegung ist nicht imbeschränkt. Wenn die Dienstboten
nicht von der Herrschaft versorgt werden, vermögenslos
sind imd keine Eltern oder Verwandte haben, dann wird
ihnen vollständige Verpflegung in öffentlichem Kranken-
hause oder sonstwo zuteil. Finden sie bei Verwandten
Unterkunft, sollen sie wenigstens ärztliche Pflege und
Arzneien frei haben. Bei eigenem Vermögen steht dem
Dienstboten doch' ein verhältnismäßiger Kassenbeitrag zu
den Kurkosten in Aussicht, „bis seine Unfähigkeit zu
weiterem Gesindedienst entschieden nachgewiesen ist,
und er also entweder eine andere Lebensart ergreift, oder
aus den öffentlichen allgemeinen Wohlthätigkeits Fonds
unterstützt wenden mtiss". — Über die Verwirklichung
des Entwurfes konnte freilich nichts ermittelt werden*).
Schließlich verdient noch eine Stimme aus Köln
der Erwähnimg. Ein Erlaß vom 19. April 1814*) hatte
den Zwec'k, „die örtlichen Armen-Fonds von Zahlungs-
Anforderungen derjenigen Kosten für Arzneien und ärzt-
liche Auslagen zu befriedigen, welche an imqualificirte
Personen, namentlich an das im Dienste erkrankte Ge-
*) Über Zwangsversichening in Bayern, Baden und Württem-
berg seit 1869 Manes a. a. O.; Stenogr, Berichte über die Verhand-
lungen d. Reichstages 8. Legislaturperiode I. Session 1890/1, Akten-
stück 381 S. 2484. — ») Scott!, Köln II S* 866.
— 730 —
sinde, verwendet worden sind". Nur in den von amts-
wegen für nötig erkannten Fällen soll nadh Anzeige beim
Amtsarzt öffentlidhe Hilfeleistung erfolgen. In anderen
Fällen, insbesondere wo arme Dienstboten ohne Wisset
der Behörde sich behandeln lassen, wird auf die Sollici-
tanten keine Rücksicht genommen.
All diese öffentlichen Unternehmimgen — großentefls
auch das bamberger Institut — beruhen auf gemeinsamer
Grundlage. Bei weitem soll den Dienstboten kein festes
dureh Geburt und Stand erworbenes Recht gegenüber
*der öffentlichikeit auf Unterstützung anerkannt werden.
Nur als ein besonderer Zweig der Armenfürsorge wird
die Verpflegung von armen Dienstboten auf öffentliche
Kosten betrachtet. Die christliche Liebe mtiß stets das
ihre tun, dem Publikum die neuen Einrichtungen verständ-
lich zu machen. Die meisten Schwierigkeiten entstehen
daher dann, wenn den Dienstherrschaften scheinbar
zwangsweise Geld abgenommen werden soll. In Bam-
berg mußte es anfangs besonders betont werden, daß ja
keine neue Steuer ges<^haffen werden soll, daß der Cha-
rakter der Freiwilligkeit imtner gewahrt bleibt.
Inmiier aber bedeutet doc'h die bamberger Einrichtung
auch schon vor 1806 einen ganz frühen Versuch, xmtcr
Ausschluß der Nichtmitglieder auch von der Armenfür-
sorge den beigetretenen Dienstboten nach dem Prinzip
von Leistung und Gegenleistung im öffentlidhen Inter-
esse Verpflegung im Krankheitsfalle zu gewähren. Schon
die Lösung, daß der Stand die Kosten durch gemein-
same Samimlung aufbringt, daß also das einzelne Mit-
glied von den Leistungen der übrigen Genossen, Vorteil
zieht, ist ein gewaltiger Fortschritt gegen die frühere Art,
nur mit dem christlichen Mitleiden der Öffentlichkeit die
Durchführung einer Organisation zu wagen. Mit d&
selbsttätigen Beitragsleistung der Dienstboten wird dem
verpflegten Kranken das Bewußtsein genomanen, daß ihm
— 731 —
Lur faiis Gnade „xun; Christi willen" die Liebe zuteil wird;
fleiclies gut, wenn die Dienstherrschaft für den Dienst-
x>ten in dieser seiner Eigiensdliiaft die Beiträge zahlt.
Jolclie Regielting bringt den Dienenden eine größere
Sidhierheit ; wer Mitglied ist, muß aufgenommen xmd ver-
pflegt "werden. Hierbei verschlägt es nichts, daß die Auf-
fassung*, aus der die Anstalt ins Leben gerufen wurde, nur
dahin ging, ein Gott wohlgefälliges Werk der Nächsten-
liebe ru verrichten — im Interesse der Armen, die das
harte Los getroffen hat, dienen zu müssen. Und 1806»
wo in Bamberg der Beitritszwang eingeführt wurde, stellte
sich die Regierung durchaus auf den Standpunkt, von
dem aus unsere gegenwärtige Sozialversicherung geleitet
wird. —
Nicht niu- für die kranken Tage der Dienstboten
zeigten sich! die Landes väter besorgt. Auch für die Zeit
nach der Beendigung eines Dienstlebens durch Hei-
rat oder Übertritt in den wohlverdienten Ruhestand traf
man bisweilen Vorkehrungen^).
Versidüedenartigie Mittel wandte man an, um den
getreuen Dienern eine Erkenntlichkeit zu eirweisen. Bis-
weilen wurde ihnen das Bürgerrecht gegeben, ohne
daß sie Bürgergelder zu bezahlen brauchten.
So in Braunschweig nach dem Stadtrechte von
1279 xmd einem weiteren aus dem Ende des 13. Jhdts. *) :
') Aber nur gut beleumundeten Dienstboten sollte der Lohn
werden, den ihnen Bartholomäus Ringwaldt (Die lauter Wahrheit
' S. 804; Segen eines frommen Knechts) verhiess:
„Ein jeder ist jhm wol geneigt,
All Förderung, Gunst und Ehr erzeigt
Mit Worten, Werkn und mit Gabn,
Wenn er einmal soll Hochzeit habn.
Ja jhm wird (weil er from gewest)
Gar offt geholffen in ein Nest,
Darinnen er sich frü und spat
Mit Guter Narung wol gehat''
')Han seimann, Urkundenbuch II S. 180 ff., bes. 185; 220 ff., bes. 225.
— 732 —
„Swelich knape dhenit to Bruneswic ane Ion tein jar
dhe ne darf dhurch recht nene burscap winnen." Weiter
nacb dem biberacher Stadtrechte von 1624*): Ehc-
halten können das Bürgerrecht erwerben, wenn sie in
einem oder zwei Diensten zwölf Jahre ausgehalten habecu
treu tmd ehrlich gewesen sind, xmd jetzt Vermögen haben
(Männer 100, Frauen 50 Fl.). Das Bürgerrechtsgeld wird
ihnen geschenkt. Nur für ehelich Geborene gilt das Voa--
recht. Zehn Jahre genügen der (undatierten) Zuchtordnung
der Stadt Mem'mingen'). Ähnlich ist die Regelung
in Kempten nach den 1749 erneuerten Statuten'). Die
Dienstboten müssen 100 Gld. bares Vermögen beschei-
nigen, „wöbenebens ihnen änderst nicht als sich zu Bür-
gers-Genossen zu verheurathen gestattet seyn solle". Ein
imdatiertes neueres Ratsstatut von Celle*) verheißt einer
Magd, die drei Jahre hintereinander bei einem Bürger ge-
dient hat, daß sie „dessen an den Bürger-Geldern zu ge-
niessen haben" soll. Daß es bei der alten Sitte, lang-
gedienten Dienstboten die Bürgergelder zu erlassen, blei-
ben soll, bestimmt die hannoversc'he Gesindeordnung
von 1732*). Wer zehn Jahre redlich gedient hat, wird
unentgeltlich in die Bürgerschaft aufgenommen, wie die
Gesindeordnung für Wolfenbüttel 1748*) bestimmt;
will sidh ein solcher Dienstbote außer Ortes begeben, dann
soll er sich „eines Obrigkeitlichen und rühmlichen Zeug-
nisses von seinem Wol verhalten ru erfreuen haben". Die
frei burger Ordnung von 1782^) erklärt erst sechzehn
Jahre für ausreic'hend. Nach der kurhessischen Kir-
chenordmmg von 1828®) sollen die Hirten durch ihre
Anstellung zwar kein Einwohner- oder Beisitzerrecht er-
>) Habeische Sammlung. — *) Walch, Bey träge 11 S. 275&
bes. 304. — ») V.Weber, Statutarrechte IV S. 708. — *) Pufendorfi
obs. iur. I app. S. 229. — *) Spangenberg, Verordn. f. Hannover
IV 2 S. 461. — •) Archiv Wölfenböttel. Nr. 7097. - ^ Gen. L. A.
Karlsruhe. Baden Generalia 6891. — ')§14;Möller-FuchsS.6S7.
— 733 —
?w^rben; doch kann das Recht ihnen nach zehnjähriger
gnter Dienstführung nic'ht versagt werden.
Solche Einrichtung war immerhin eine kärgliche
3a.be für die alten Dienstboten. Sie sollte meistenteils
^uch nur die Wohlsituierten unter ihnen treffen. Was
sL-us den weniger sparsamien alten Gesindeleuten wurde,
isst eine andere Fragie, welcKe die Theorie sich seit der
Erweiten Hälfte des 18. Jhdts. stellte. Im' ersten Teil*)
wTtirde berichtet, wie 1767 der hessische Amtmann imd
Oppositionist Udkerrtiann darauf hinwies, Maximal-
löhne fürs Gesinde seien falsc'h, weil die Dienenden in der
JuLgend etwas vor sicW bringen müßten, auf daß sie nach-
her zur Heirat oder fürsi erwerbslose Alter ein Stück Geld
zu Händen hätten. Sonst würden die früheren Dienst-
boten dem Staate zur Last fallen. Uckermann denkt hier-
bei natürlich nur an die Armlenpflege. Unbewußt liegt
in <ler Zusammenstellung der beiden Gedanken — prä-
ventive Lohnerhöhung' tmd Vorsorge für das spätelre Ein-
kommen von Staats wegen — das, was in der Theorie
unserer heutigen AltersversicJherung Leben gewonnen hat.
•Kurz nacih den Uckermiannschen Tastversuchen sprach
Moser in den Patriotischen Phantasien (1774 — 1786) den
Gedanken einer Alters- und Invaliditätsversidherung der
Dienstboten aus, wie Hedemiann*) annimmt, ziun ersten
Male öffentlich'^). Ähnliche Vor^hläge folgten*). Diese
meinte wohl der hessiscihe Landrat Lindau*), als er
1797 der Regierung gegenüber den in der Literatur her-
vorgetretenen Gedanken an „Associationen** zur Bildung
von Fonds für heiratende oder alt gewordene Dienst-
boten verwarf.
Die Praxis suchte solche Gedanken einmal durch
Ausbildung des Spitalwesens zu verwirklichten. Die
Siechenhäuser mlißten ja von jeher den altgewordenen
*) Oben S. 77 ff., bes. 78, — ») S. 191. - ») Femer D orn S. 491 ff.,.
Krünitz S. 636. — *) Stillich S. 42. — ») Oben S. 108.
— 734 —
Armen rur Unterkunft dienen, soweit es keine sonstigeL
Mittel tuT Versorgting gab. Also konnten auch alte Dienst
boten dort untergebracht werden. Bisweilen wurde ihi»
aber ein ausdrückliches Recht rur Auf nahmte zugestandei
— tVLT Belohnimg für ihre guten Dienste.
So konnten sich in Nürnberg alte Dienstboten
durch Erlegung ihres Sparpfennigs lebenslängliche Ver
sorgung im Spitale erkaufen ^). Unentgeltliche Versorgung
verheißt <iagegen die Würzburger Gesindeordnung von
1749 *) : „Gleic'hwie gegenwärtige Verordnimg zum Besten
des dahiesigen gemieinen Stadtwesens sowohl, als auch n
mehrerm Fortkommen der fromimien, gfetreuen und fleissi-
gen Dienstbothen und Ehehalten, dahingegen zur War-
nung imd Besserung, auc'K gänzlicher Abschaffung des
liederlichen tmd untreuen Gesindels abzielet: also wird
den schon gemeldeten ehrlichen imd treu dienenden Ehe
halten die Vertröstung gegeben, dass, wann ein Dienst-
both dahier steine Jahre in Diensten dergestalt zugebracht
haben wird, dass derselbe Alters und entgangener Leibs-
kräfte wegen weitershin zu dienen außer Stand seyn, sich
jedoch mit beglaubten Attestatis wegen seines guten und
getreuen Aufführens legitimiren würde, solcher alte und
zu weiteren Diensten . nicht mehr taugliche Ehehalt yen'
mittelst Aufnahme in die armen Pflegen oder Reichung
eines sonstigen Allmosens eine Beyhilf zu gewarten habeci,
dabey jedoch nicht auf die Vielheit der Attestaten von
mehreren Dienstherren, sondern vorzüglich auf längere
bey wenigeren Dienstherrschaften erstandene Jahre ge-
sehen und Bedacht genommen werden solle." Die prak-
tische Bedeutung der besonderen Festsetzimg eines Rech-
tes auf Altersverpflegung zeigt sich in einem kur baye-
rischen Generalmandat vom 3. März 1780*). Durch
' *) K a m a n n S. 117. — *) Landesverordnungen Würzburg fl
S. 589. — •) Reichsarchiv München. Generalien-Sammlung Rep. S 9
Nr. 2 Bd. 6.
— 735 —
längere Dienstzeit erwirbt sich ein Dienstbote den Unter-
stützuixgswohnsitz gerade in dem Orte seines Dienstes.
Wer 15 Jahre ehrüch an einem Orte gedient hat, der
soll verpflegt imd geduldet werden wie die am Orte Ge-
borenen. Altgewordene Dienstboten mit kürzerer Dienst-
zeit werden an ihren Heimatsort zurücktransportiert. Die-
selbe Wohltat will die freiburger Gesindeordnung von
1782 ^) iden Dienstboten gewähren, die länger als 20 Jahre,
wenn auc*h bei verschiedenen Herrschaften, gedient haben.
Bloß neun Jahre genügen in Sacfhsen-Weimar laut
Erlasses vom 11. Juli 1798').
Ja, hier vnd da ging man noch weiter und schuf
besondere Kassen lediglich zur Versorgung früherer
Dienstboten im Falle der Verheiratung oder des Verlustes
der Arbeitsfähigkeit durchs Alter.
In Nürnberg gab es mehrere private Stiftungen,
aus denen Dienstboten bei ihrer Verheiratung etwas er-
hielten *). Ein Herr von Kettelhold inRudolstadt hatte
100 Thaler gestiftet, deren Zinsen mit fünf Thalern jähr-
lich zu Weihnachten an Mägde verteilt werden sollten;
die Mägde mußten durch Zeugnisse nachweisen, daß sie
sieben Jahre lang bei einer Herrschaft treu gedient
hatten*). Auch für Hannover gab es besondere Stif-
tungen •m gunsten armer Mägde *) ; welche besondere Be-
stimmung sie hatten, wird vom Chronisten nicht ange-
geben.
Um ©o genauer kann über die oldenburgischen
„armen Mägde Gelder" Auslamft gegeben werden«). Ihr
Ursprung geht auf das Testament des Grafen Christoph
vom 1. März 1566 zurück. In ihm heißt es: „Ock geve
*) Gen, L. A. Karlsruhe. Baden Generalia 6891. — *) Joh.
Schmidt, Gesetze f. Weimar I S. 228. — •) Kamann S. 117. -
*) KrQnitz S. 686. — •) K. Goos, Armenpflege ... im alten Han-
nover, in den Hann. Geschichtsblattera 8. Jahrg. S. 145 flF^ bes. IBO.
- •) Cod. Const. Oldenburg. I S, 4.
— 736 —
ick dem Ehrwürdigen Doctor Albrecht Hardenbo-g und
siner Hues-Fruen twe dusend Dahler Renthe, dewile se
lewen, und na örer beyde dotlichien Afgangk schall so-
daen Geld gedahh werden by dem Rahde tho Olden
btirg, und mit den Renthen schölen se alle Jahr eine arme
unberüchtigte Deenst-Maget thon Ehren helpen bestaden.*
1718 ist das Kapital auf über 16 000 Thaler angewachsen.
Eine Resolution vom' 11. September dieses Jahres be
tont, daß das Geld nur ru dem ursprünglichen Zweck
verwandt werden soll. Der folgende Legitimationsbe-
scheid für Bewerberinnen gibt noch genauere Einblicke
in die Einric'htung. Es mtiß „Supplicantin sich dahin
legitimiren, luid von ihrem; Seelsorger ein schriftlich-un-
partheyisch imd Gewissenhaft, wie auch mit drey leben-
digen an Eydes-Statt von ihm dem Pastore ermahneten
Gezeugen bekräftigtes Attestat beybringen, dass sie der
gebetenen Beysteuer als eine arme Magd bedürftig und
würdig, imgleic'hen von ehrlichen Eltern ehelich gebo-
ren; imd dass sie si'Ch als eine gute Christin bisher ver-
halten, wie lange und bey weme sie gedient, und welcher
Gestalt sie sich in ihrem Dienste auf geführet, wie auch,
dass sie dem Fluchen imd leichtfertigen ärgerlichen Le-
ben nicht ergeben gewesen, sondern allerdings ein gutes
Gerüchte habe"; femer soll eine Bewerberin Angaben
über ihren Bräutigam machen, sowie dass sie pure sich
verlobt hat, schließlich ob sie reiche Verwandte besitzt.
Aus dem 19. Jhdt. sind zunächst zwei Unternehmun-
gen in Süddeutsöhland zu nennen. Molitor in Aschaf-
fenburg ^) hielt 1801 die Vorschläge, Kassen für Dienst-
boten zu bilden, nicht für praktisch, weil die Beiträge
weder von den Dienstboten noch von den Herrschaften
beigetrieben weiden können. Wenigstens bis zum Ent-
würfe eines Planes gedieh die Angelegenheit in Kur-
0 Oben S. 691.
— 737 —
l>ayern zu Anfang des 19. Jhdts. Die bereits geschil-
derte Gesindekasse ^) sollte außer zur Krankenversorgung
stuch dazu dienen, an treue und durch gute Aufführung
ausgezeichnete Dienstboten Belohniuigen zu verteilen.
AVie gesagt, konnte nicht festgestellt werden, ob ein Gesetz
aus dem Entwürfe geworden ist.
In Weimar beschloß 1805 die „Klubgesellschaft*' *),
gegen die Verderbung des Gesindes jährlich Preise für
tüchtige Dienstboten auszusetzen. Der Regierung des
Großherzogtumis Frankfurt machte 1811 der Baron
von Hettersdorf Vorschläge, die außer auf eine Kranken-
fürsorge auch auf die Belohnung treugedienter Dienst-
boten hinzielten *). Aber das Großherzogtum verschwand,
ehe 'der Vorschlag zu Ende beraten werden konnte*).
Für Hessen liegen aus der Mitte des 19. Jhdts.
einige Nachrichten über Unterstützungsversuche vor. Es
sind zwei Aktenstücke der casseler und hanauer Regie-
rung vorhanden*), die das „Gratifikations"-Wesen be-
treffen. Sie enthalten teilweise rührende Bitt schreiben von
altgedienten Dienstboten um Gewährung von Gratifika-
tionen zur Belohnung. Die casseler Regierung erhielt
13 Anträge, die hanauer 7. Im öasseler Bezirk sind keine
Fonds für so etwas vorhanden. Vorübergehend hat ein-
mal der landwirtschaftliche Verein in ^en Jahren 1842
und 43 Belohnungen ausgezahlt, es aber bald eingestellt,
weil zu viele Gesuche einliefen*). Von der Regienmg in
Cassel wurden alle Bitten gleichmäßig abgewiesen. Da-
') Oben S. 628f. -.«) Kr. A. WOrzburg. V. 2616, Abschrift aus
der Nationalzeitung der Deutschen vom November 1805 S. 886, —
■) Oben S. 148, 714. — *) Versuch in Kursachsen aus dem Anfang
des 19. Jhdts.: Wuttke S. 192. — •) St. A. Marburg. Cass. Rcg.-
Akten PoI.-Rep. Dienstboten-Gratifikation betr. 1848 ff, Fach 48 Nr. 9.
— Han. Reg, - Akten Gratificationen fQr Dienstboten betr. 1860 VI
Nr. 908 (Acc. 1888/88). — Han. Reg. - Akten Nr. 816 und 816 des
Repos. Gef. Repert. Nr. IIIO — Nr. 2. — •) Statuten in der landw.
2eitung, 1842 S. 167—169; 1848 S. 177—179,
Kfoneeke. 47
I
— 738 —
gegen zahlte die hajnauer Regierung den Bittstellern et-
was aus. Und zwar wurde das Verfahren richtig büro-
kratisiert: Wer 10 bis 15 Jahre gedient hat, bekommt
3 Thaler, wer bis zu 20 Jahren aushielt, 4 Thaler und so
weiter (beschlossen am 10. Jajn. 1851). In Waldeck
schließlich wurde vom landwirtschaftüchen Verein in den
vierziger Jahren an altgediente Dienstboten eine Beloh-
nung gezahlt^). Es fanden sich Dienstboten, die zwanzig,
dreißig imd vierzig Jahre lang bei derselben Herrschaft
gearbeitet hatten; insgesamt wurden 157 Thaler als Prä-
mien verabreicht.
Diese Art der Belohnung treugedienter Dienstboten
scheint um die Mitte des 19. Jhdts. gar sehr beliebt ge-
wesen zu sein. Die Hausväter sollten doch lernen, so
meint Riehl*), „dass das Radicalmittel wider die Ent-
artung des Gesindes nidht in Medaillen und Prämien
für brave Mägde u. dgl. besteht".
S 12. Beendigung des Dienstes auf fHedlichem Wege.
Die hier ru behandelnde Art der Dienstbeendigung
ist insofern regelmäßig, als sie der im Dienstvertrage
und in den Gesetzen niedergelegten Regel des objek-
tiven Rechts entspricht. In einem andern Sinne — als
Gegensatz zur tatsächlichen Ausnahme — dagegen war
diese „friedliche" Dienstbeendigung vielleicht nicht die
Regel im Vergleich mit den Fällen „feindlichen" Dienst-
abbruches, wie er beim beiderseitigen Vertragsbruche und
bei gegründeter vorzeitiger Entlassung und Aufsage sich
ereignet. Nach den Berichten über die unberechtigte
Lösung des Vertrags durch das Gesinde imd bei der ge-
hamisc'hten Sprache der Gesetze wider solches Vorge-
0 Curtze, Gesch. u. Beschreibung des FOrstentoms Waldeck
S. 283. ~ *) Naturgesch. d. Volkes lU (Familie) 1865 S. 158. -
— 739 —
lien nmß man den Eindruck gewinnen, daß der Ver-
tirag'sbruch' in gewissen Zeiten zu. alltäglich war, xim Aus-
xiafame sein zu können. Die Vorschriften über den Vejr-
tragsbrucW überwiegen denn auch an Zahl bei weitem
'diejenigen über die normale Dienstbeendigung und ihre
Sewöhnlicfhe Voraussetzung, die Kündigung.
Nidht stets freilich war es so, daß der Dienstbeendi-
STung eine Ankündigfung seitens desjenigen vorausgehen
mußte, der den Vertrag lösen wollte. Bei den Verträgen,
!die auf eine bestimlmtei Zeit^ meist ein Jahr, geschlossen
ivurden, mtißte eine Kündigung überflüssig erschteinen,
<ia ja mit dem' Jahre audh der Vertrag ablief.
In der Tat verzichten denn auch manche Rechte
auf die Festsetrung einer besonderen Ansage. Freilich
sind das nicht die ältesten Rechtsquellen. Wenn mian
xuicli dem Alter der Rechte urteilen wollte, dann würde die
Kündigung im' Gesindewesen als die ursprüngliche Ein-
richtimg erscheinen. Schon 1478 wurde im Ordens-
lande die Kündigung mit zweimonatiger Frist ange-
ordnet *). 1482 setzte die sächsische Landesordnung *)
Aufsagung des Dienstes seitens des Dienstboten lest. Diese
beiden frühen Äußerungen beweisen freilich nichts ge-
gen eine etwaige vorhergehende Sitte, daß der Vertrag
stillschweigend ablief, wenn er nicht ausdrücklich er-
neuert wurde, daß es also einer Kündigung nicht be-
durfte. Ja, es steht sogar für das Ordensland feist, daß
bis 1478 von einer besonderen Aufkündigung nie die Rede
war.
Eine hohe Wahrscheinlichkeit spricht für die! An-
nahme, daß die Kündigung erst aus einem früheren Zu-
stande der stillschweigenden Vertragsbeendigung hervor-
gegangen ist ^). Doch haben praktische Rücksichten schon
*) Steffen S. 19. — «) Hertz S. 64. — •) Immerwahr,
Die Kündigung, Breslau 18d8; Heymann in der Kritischen Viertel-
jahrsschrift 1902 S. 589.
47*
— 740 —
recht früh veranlaßt, daß aus der jährlich^i Neumietung
sicfh eine Kündigting herausbildete. Denn es wäre un-
vernünftig gewesen, wenn die Parteien mit der Feststel-
lung, ob jeder von ihnen den Vertrag weiter befolgen
will, gewartet hätten, bis der Tag des Vertragsendes her-
angekomtn^n war. Meist wird derjenige, welcher am Fort-
bestehen oder an der Lösung des Verhältnisses ein be-
sonderes Interesse hatte, schon einige Zeit vor Ablauf
der Zeit bei dem! Mitkontrahenten angefragt haben, wie
dieser über die Weiterdauer des Vertrages denkt. Aus
dieser imverbindlidhen Vorbeisprechung mag sich dann
die Gewohnheit herausgtebildet haben, ntir in den Fällen
noch miteinander ^u verhandehi, wo edn Vertragsteil die
Beendigung des Verhältnisses wünscht, während sonst
der Vertrag weiter wie bisher Hef . Im' Interesse der beiden
Teile wurde die Gewohnheit zum' Recht ausgebildet ; jeder
konnte sicih so leichter nach einem neuen Kontrahenten
umsehen. Auf dasselbe Ziel hin wirkte femer das Inter-
esse der übrigen Dienstboten und Herrschaften im Lande,
denen an einer Gleichmäßigkeit der Fristen liegen mußte.
Das Recht der Kündigung in den einzelnen Jahr-
himderten nach jenen obem angeführten ersten Erschei-
nungen wird im folgenden kurz dargestellt; die wenigen
Fälle, in denen eine Anfrage und Ansage über die Dienst-
fortsetnmg vorgeschrieben wird, lassen sich bequem in
die Schilderung einordnen.
Wenn eijie nürnberger Polizeiordnung aus dem
15. Jhdt. ^) den Dienstboten gestattet, sich zwischen sechs
Wochen unid vierzehn Tagen vor dem Ablaufe ihres alten
Dienstes mit einem: neuen Mieter über einen weiteren
Dienst ru vergleichen, so kann man in der angesetzten
Frist zugleich nur die Begrenzung der Kündigimgsfrist
oder einer Ansagezeit nach ihrer längsten und kürzesten
') Baader, NOrnberg. Polizeiordnungen S. 28.
— 741 -
Dauer sieUen. Denn mnt sich veotnieten m können, muß
der Dienstbote über seine 2feit weiterhin zu verfügen die
Madit haben. Sodann die altbayerische Landesord-
nuns: von 1516*). Sie bringt eine rechtüche Ungleich-
heit in der Behandlung von Herrsdiaften und Gesinde.
Der Dienstherr muß sechs, der Dienstbote dagegen acht
Wochen vor Dienstende kündigen. 1553 wird nur der
Kündigimg seitens der Herrschaft gedacht; daß die
angesetzte sechswöchige Frbt auch für die Dienstboten
gelten 9oll, ergibt sic!h nicht aus den Bestimmimgen
der Ordnamg'). Dagegen setzt die Taxordnung für Hei-
delberg von 1579^) prinzipiell die Kündigrungspflicht
mit vierteljähriger Frist für die Dienstboten fest; „wie
es auch' im gegenfall gleichmessig zu halten", heißt es
zum Schlüsse, woraus man entnehmen kann, daß glei-
ches Recht für die Herrschaften gelten soll.
Nur von der Kündigung seitens des Gesindes handelt
die nassauer Montagsordnung vom 18. August 1586 ^).
Eine Frist ist nicht angeordnet. Ob m)an aus dem Fehlen
einer Satzung für die Herrschaften darauf schließen darf,
daß diesen jederzeitige fristlose Kündigung gestattet
war, sei dahingestellt. Gleiches muß von der Festsetzung
der Polizeiordnung für Nassau-Katzenelnbogen
aus dem Jahre 1597*) gelten. Wieder wird niu- dem Ge-
sinde vorgeschrieben, daß es ein Vierteljahr vor dem Ab-
laufe des Dienstes kündigen muß. Aus einer im hessi*
sehen Hof rechte vorkommenden Bestimmung gleicher
Art kann man entnehmen, daß in der Tat wenigstens dem
fürstlichen Gesindehalter in Hessen die Befugnis frist-
loser Entlassung rustand. Die Hofordnung von 1570*)
sagt: „. . . soll keiner an Hoff genommen werden, der
') Platzer S. 88 ff. — •) Kr. A. Amberg. Rcpert. Landrecht-
polizei. Fasz. 1 Akt 9. — ») Kr. A. Würzburg. V 9561 ; L. A. Karls-
nihe. Kopialbuch 603. - *) Corp. Const Nass. I S. 609. - ») Univ.-
BibL Marburg. - •) LO. UI S. 177.
— 742 —
sidh nicht verpflichtet, zum wenigsten zwey Jahr in un-
s^rm Dienst, sofern Wir ihii so lan^f darin behalten wollen,
zu bleiben, unid wo einer zu Ausgang derselb^i zweien
Jahten Urlaub nehmlen wolte, dass er Uns solclhes ein
viertel Jahr zuvor anzeigen solle, darmit Wir Uns mit
einem andern Diener a;n seine Statt verstehien mögen".
Einseitig wie die Verpflic'htung zur Aushaltung dier zwei
Jahre Dienstzeit ist auc?h die Festsetzung der vierteljähr-
lichen Kündigung, damit der Herr sich einefti neuen
Diener rechtzeitig anschaffen kann. Diese einseitige An-
ordnung entspricht der Ausgestaltung der hetrrschaf tlicben
Gewalt, die sidti auch hierher erstreckte, und die sich
noch in all ihrer ursprünglichen Kraft gerade beim' fürst-
lichen Arbeitgeber zeigen konnte. Kraft sieiner Hausge-
walty die dem Herrn beispielsweise auch die Macht ein-
seitiger Lohnsatzung verleiht ^), kann er auch bestimmen,
daß das Dienstverhältnis sofort sein Ende haben soll.
Gerechtere Gleichheit herrscht in dem wohl dem
16. Jhdt. angehörenden lüneburger StadtreCht *), das
für beide Teile je? ein Vierteljahr als Kündigungszeit be-
stinunt. Auch! ein gegen Ende deö 16. Jhdts. entstandener
ostfriesisCher Entwurf') wahrt die Gleichheit der
Vertragsteile; die Kündigungsfrist ist übereinstimmend
auf -siechs Wochen angesetzt.
Eine Verkürzung der Kündigungsfristen ist fürs 17.
Jhdt. nicht festzustellen. Ein Vierteljahr, acht oder sechs
Wochen ,sind die regelmäßigem Fristen. Das besonders
weit vorgeschrittene süddeutsche Recht bevorzugt es, zwei
Fristen zur Wahl zu stellen. Dies geschieht in verschie-
dener Weise.
Entweder bleibt es bei der alten Art, daß der Herr-
schaft kürzere Fristen zugebilligt werden als dem Dienst-
") Oben S. 606flf. — ») Pufendorf, obs. iur. IV app. S. e24ffn
bes. 796. ~ ') St. A. Aurich. Archiv der ostfriesischen Landschaft.
O. B. Polizeisachen zu Nr. 8.
— 743 —
boten. So ist es in der Polizei- und Landesordnung des
Kletgaues von 1603*); das Gesinde muß sechis, die
Herrschaft vier Wochen vor. Dienstende denfi' andern dief
Kündigung mitteilen. Die bayerisc'hen Ordnungen des
17. Jhdts. behalten gleic'hfalls die schon im vorigein Jahr-
hundert gewählte Regelung, daß die Dienstboten sechs-,
die Herrschlaf ten achtwöchig'e Kündigungsfrist habein, bei,
so 1654 und 1656«), wohl auc?h 1616») und 1652*). Die
Zwiespältigkeit der Fristen komimt ferner in der Ordnung
des Klosters Ursberg*) vor, für die Herrschaft gelten
vier, für die Dienstboten sechs Wochen. Die regens-
burger Gesindeordnimg von 1656*) und die dinkels-
bühler Polizeiordnung') bestimimen glei-öhes Maß von
sechs Wochen bezw. drei Monaten.
Anders als in jenen bayerischen Rechten werden zwei
Fristen in einigen Ländern zur Wahl geisteilt, nämlich
durch bloße Aneinanderreihung. Ohne daß deni einen
der beiden Vertragsteile die kürzere Zeit ausdrücklich zu-
gebilligt wird, heißt es z. B. in württembergischen
Gesindegesetzem des 17. Jlidts., daß Kündigungsfristen
ein Vierteljahr oder zum mindelsten sechs Wochen sind;
so in der Gesüideordnung von 1652 ®), deren Vorbilde, der
Vergleich'ung des schwäbischen Kreises aus demselben
Jahre®), der 1669 zwischen verschiedenen Städten und
Ämtern vereinbarten Taxordnung ^^). Auch die Gesinde-
ordnung der Herrschaft Gutenberg von 1652") sötzt
solches fest. Ein Vierteljahr und zwei Monate stellt die
ha deiner Gesindeordnung von 1655") beiden Teilen
^) Habeische Sammlung. — *) R, A. München. Gen. -Samml.
Rep. S. 9 Nr. 6; v. Freyberg, Pragm. Gesch. d. Ba3rr. Gesetzgebung II
S. 190; Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. — ■) v. Frey her g
a. a. O. S. 186. — *) R. A. München. Gen.-Samml. Rep, S. 9 Nr. 5.
— ») v. Weber, Statutarrechte IV S. 882. — •) Ebenda V S. 85.
- ') Ebenda U S. 1016. - •)Reyscher, Gesetze XIII S. 114. —
•) St A. Stuttgart Druck. - »•) Ebenda Handschrift. — ") L. A.
Karlsruhe. Kopiarbuch Nr. 6921. — ") Spangenberg, Verord. f.
Hannover IV 8 S. 265.
— 744 —
zur Wahl. Den Parteien wird hier der Spiekaum zwischec
den beiden Fristen gelassen; vielleicht handelt es sid
teilweise um Nachklänge nicht mehr Verstandener frühe-
rer Vorschriften, die der Dienstherrschaft eine bevorzugte
Stellimg im Kündigxmgsrechte durch Zubilligung kürzerer
Kündigtmgsfrist gaben.
Eine andere Art von Verschiedenheit in der Behand
lung Ider Dienstboten und der Dienstherrschaften stellt die
1672 für das fränkisdhe Brandenburg* erlassene
Polizeiordnung ^) nach altem Muster auf. Die Dienstbo-
ten müssen ein Vierteljahr vor dem Jahresende kündigen.
Weiter heißt es dann: „Wie Wir dann auch die Henen
und Frauen ebenmäßig dahin erinnert und vermahnet
haben wollen, dafem sie ihr Gesinde nicht länger in
Diensten begeren, dass sie solches ihnen bey Zeiten
wislich machen."
Soweit in den Gesetzen eine einheithche Frist vor
gezogen wird, überwiegt die Festsetzung einesr Viertel-
jahres. Die Gesindeordnungen für Cle ve von 1608, 1644
und 1696»), Köln von 1645») die württemberger
Schäferordnung" von 1651*), die bamberger Tax- und
Gesindeordnung von 1652 *) wählen als Regel die Quar-
talskündigtmg. In bewußter Abweic^hxmg von der Viertel-
Jahrskündigimg des kursächsischen Rechts setzt die ai-
tenburger Gesindeordnimg von 1651 •) nur eine Zwei-
monatsfrist an. Bei sechs Wochen lassen es die Gesinde-
ordnungen für Gedern von 1628^) imd für Würzburg
von 1654 8).
Einige Erwähnungen der Anfrage statt einer Kün-
*) Corp. Const. Brandenb. - Culmb. n 1 S. 666 flf., bes. 59i -
•) Scotti, Cleve S. 216, 260, 690. — •) Scotti, Köln II S. 249-
*)Reyscher, Gesetze XIII S. 108. - •) Kr. A. Bamberg. Baa.
bcrger Verordnungen Rep. 141 Nr. 69. - •) Brandt, Der Bäuerin
Altenburg S. 80. - ') GräfL Stolbergisches Archiv in Gedern- ß^
y^Allerhand Verordnungen ... so in der Grafschaft Stolberg -Gedem
ergangen" S. 61. — •) Landesverordnungen WOrzburg 1 S. W.
— 745 —
digiing begegnen im 17. Jhdt. Die Regelung in der 1640
geschaffenen Gesindeordnung für Neustadt und Lan-
dau^) ist so, daß auf Begehren der Herrschaft das Ge-
sinde sich vierzehn Tage vor dem' Ziele erklären muß,
ob es im Dienste bleiben will oder nicht. Ausführlicher
äußert siöh die brandenburg-f ränkische Taxord-
nting von 1652 *) : Bisher war es Sitte, dass das Gesinde
vor Jahressc^hluß von der Herrschaft gefragt wurde, ob es
im Dienste bleiben wolte. Die Dienstboten schoben dann
iinmler die Erklärung darauf von einem Tage tum andern
hin. Damit solches für die Zukunft verhütet wird, ergeht
der Befehl, daß das Gesinde der Herrschaft jedesmal
ein Vierteljahr vor dem beabsichtigten Dienstantritte
von diesem seinem Vorhaben Nachricht gibt; dabei hat
der Dienstbote der Herrschaft auch mitzuteilen, wohin
er sich begeben will. Weiter gibt eine fürstliche Reso-
lution vom 22. Juni 1657') auf die Beschwerden der
voigtländisChen Ritterschaft Einblick in die frühere
Gewohnheit. Der Fürst stimmt einem ritterschaftlichen
Wunsche zu, daß die Dienstboten ein Vierteljahr vor
Ende des Dienstjahres entweder der Herrschaft aufsagen
oder 'sich (wenn sie bleiben wollen) zu neuen Diensten an-
zubieten haben. Aus dem Norden verdient nur die ra-
vensberger Landesordnung von 1655*) Erwähnung.
Nach ihr muß das Gesinde der Herrschaft sommers vor
Mittensomlmerstag, winters vor Weihnachten mitteilen, ob
es bleiben oder gehien will; wird nichts bis dahin gesagt,
dann hat der Dienstbote die folgende Dienstzeit bei der
Herrschaft jausruharren.
Auch das 18. Jhdt. bevorzugt bei weitem eine viertel-
jährige Kündigtmgszeit. Vor Hannover trafen diese Rege-
*) Stadtarchiv Speyer. Fasz. Nr. 547. — ") Kr. A. Amberg.
Zugang 24 Nr. 212. — •) Kr. A. Bamberg. Collectanea Rep. 187 JL
nr. 1. ^ *) 18. Jahresbericht d. Historischen Vereins f. d. Grafschaft
Ravensberg 1899, S. 124.
— 746 —
lung Nassau am 14. Mai 1718^) und Köln 1723^).
Die Anordnung in der hannoverschen Gesindeord-
nung von 1732 *), daß in den Städten die Kündigungsfrist
ein Vierteljahr vermfehrtf lun vierzehn Tage, in den Land-
orten ein halbes Jahr betragen solle, war den Staaten,
die im übrigen diese Gesindeordnung peinlich nachahmten,
doch zu kompliziert. Mit der allgemeinen Festsetzung
eines Vierteljahres begnügten sich daher Hessen seit
1736*), Waldeck 1736*), Sc ha um bürg 1738«),
Wolfenbüttel 1748'), Plön 1749«), Jena 1761»),
Detmold 1752 und 1784 ^o)^ Cleve 1753 und 1769^),
Schleswig 1768^*), wohl auch Osnabrück 1766").
Noch im 19. JUdt. behielt* man das Vierteljahr als Kün-
digungszeit bei, wofür die badisChe Geisindeordnung
von 1809^*) als Beleg dienen möge; sie setzt diese lange
Zeit aber doch nur für das ländliche Gesinde fest, wäh-
rend in den Städten vier Wochen oder, bei monatsweiser
Mietung, vierzehn Tage genügen^*).
Acht Wochen ist die in K ö 1 n seit 1751 geltende Frist ;
Bestätigungen erfolgten 1770 und 1784 ^*). Noch genauer
sagt eine Verordnung vom 23. Dezember 1785^^), daß
beide Teile nur zwis^dhlen d&m 1. und 15. August kündigen
dürfen; sagen sie innerhalb dieser 2^it nicht auf, dann
») Corp. Const. Nass. III S. 170. - •) Scotti, Köln I 1 S. 628.
— •) Spangenberg, Verordn. f. Hannover IV 2 S. 461. — *) LO.
IV S. 140, VII S. 727, VIU S,26; Möller-Fuchs S. 118. —*) Samm-
lung der Regierung Arolsen. — *) Landesverordnungen Schaumbnrg-L.
n a 886. — ') Archiv Wolfenböttcl. Nr. 7097. — •) Schrader,
Handbuch III S. 195. — •) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV
S. 145. — ") Landesverordnungen L.- Detmold II S, 47, III S. 57. —
") Scotti, Cleve S. 1425, 1894, — ") St A. Schleswig. Sammlung
GrossfOrstl. Verordnungen. — ") Klöntrupp, Handbuch II S. 76. —
^*) Gen. L. A. Karlsruhe. Provinz Niederrhein. Gesindepolizei Lit B.
Nr. 1. — *•) Vierteljahrskündigung in Holland 1719; Behaegel,
Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin du comit^ central du
travail industriel 1905 S. 660, 661). — ") Scotti, Köln I 2 S. 771,
1070. — ") Ebenda S. 1115.
— 747 —
läuft der Vertrag ein Jahr weiter. Diese letzte Verord-
nung war veranlaßt durch Klagen der westfälischen Land-
stände, „daß daselbst die Dienstbot hien ihren Brodherren
vielfältig den Dienst! zur Unzeit aufkündigen, und hier-
durch diese genöthiget wierden, einen grössieren Lohn als
gewöhnlich za zahlen**. Die Verordnungen von 1751,
1770 und 1784 ergingen gemeinsam mit gleichlautenden
in J ü 1 i c h *). Auch die Polizeiordnung für Sayn-Witt-
gen stein von 1776*) hat Zweimonatsfrist.
Am häufigsten nach der Einrichtung vierteljährlicher
Kündigung tritt die Sedhswochenfrist auf, nämlich in
Eichstätt nach der Polizeiordnung von 1707*), Ans-
bach nach der Gesindeordnimg des Jahres 1769*),
Bayern seit 1781*), Freiburg gemäß der Ordnung
von 1782 *), Altenburg laut Gesindeordnimg von 1744'),
Jülich nach derjenigen von 1801®).
Noch ins 18. Jhdt. hinein zieht sich die Ungerechtig-
keit des bayerisc^hen Rechtes, das der Herrschaft eine
Kündigungsfrist von sec^hs, dem Gesinde eine solche von
acht Wochen gibt, so 1755 und 1761 »).
Bis auf vier Wochengteht die Würzburger Gesinde-
ordnung von 1749 herunter^**); kündigt ein Dienstbot^
nicht zur rechten Zeit, tritt aber doch aus, dann soll ihm
kein Zeugnis erteilt weaxlen, imd er darf ein Vierteljahr
lang in der Stadt nicht dienen**). Ja selbst die für die
damalige Zeit imerhörte Kündigimgszeit von vierzehn Ta-
0 St A. Düsseldorf. Bonner Hofrat; Kurköln Regierungssachen
Nr. 47, — «) Univ.-Bibl. Marburg. — •) In der Habeischen Sammlung*
- *) Kr. A. Nürnberg. S. 28 ^ Nr. lld Repert. 288. — *) Kr. A.
München. AR. Fasz. 469 Nr. 209. — •) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden
Gencralia 6891. — ') Univ. - Bibl. Marburg. XVIII f B 1119^. —
•) Scott! , Jülich S. 880. - •) Churbayerisches Intelligenzblatt 1776
Nr. 89; Kr. A. München. GR. Fasz. 404 Nr. 7. — *^ Landesverord-
nungen Würzburg U S. 589. - ") Damit kollidieren die übrigen Vor-
schriften über den Vertragsbruch, worüber in § 18 Näheres mitgeteilt
werden wird.
— 748 -
gen komlmt einmal in der österreicfh'ischen Gesinde-
ordnung von 1765 ^) und dann späterhin in der d ü s s e 1 -
dorfer Ordnung von 1Ö09*) vor.
Die R^iielung, daß nicUt Kündigung, sondern eine
neue Vertragsberedung vorgesdirieben ist, findet sich in
der gothaisdhen und altenburgischen Gesinde-
ordnung von 1719 •). Da wird zunächst dem Gesinde in
die Seele geredet, es möge dodh' ja nicht kündigen : „Ob
nun wohl dem' Gesinde am! besten gerathen, wenn es
sich dergestalt iti seinem Diemste aufführet, dass es über
die auf ein Jahr lang geschehene Versprechung noch
länger von dem Dienst-Herrn, denen die öftere Verände-
hing des Gesindes so wenig lieb noch anständig, als
wenig solche dem' Gesindel vorträglich ist, zu dienen ver-
langet würde . . .", so soll dodh' ein Zwang in dieser Rich-
tung nicht ausgeübt werden. Aber das Gesinde muss,
wenn les gehen will, ein Vierteljahr vor Dienstablauf kun-
digen. Will es dagegen bleiben, dann hat es den Dienst-
herm zu dieser Viertel jahrszeit anzureden, ob der
Dienst fortbestehen soll. Unterbleibt die Anrede seitens
des Gesindes, so ist es im' Blieben des Herrn, ob er am
letzten Tage den Dienstboten behalten oder wegschicken
will. Geredhter, auch die Herrschaff ^ur Anrede ver-
pflichtend, ist die schleswiger Gesindeordnung von
1733*); sechs Wochen vor Ablauf der Vertragszeit soll
derjenige, welcher den Vertrag fortsetzen will, dies dem
andern mitteilen. Die eben genannte bayerische Ge-
sindeordnung von 1755 will ausdrücklich die „Anredung"
statt Kündigung abgeschafft wissen. Auch die eisena-
eher Ordnung von 1757^) verbietet wenigstens die „un-
schickliche" Art, daß die Herrschaften beim Ablaufe des
Jahres die Dienstboten fragen, ob er bleiben wolle; da-
*) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. - •) Scotti, JOüch
S. 1262. - ») Univ.-Bibl. Marburg. XVni f A 870. — *) Seh rader,
Handbuch II S. 202. — •) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 8.
— 749 —
gegren muß das Gesinde die HerrsChiait ein Vierteljahr
vor Ende des Dienstes um weitere Dienstbehialtimg an-
sprediien.
Außer solchen Bestimmungen übeir die Zeit der Kün-
digtmg erfuhr das Recht der friedlichen Dienstbeendigung
so gut wie keine Regelung. Insbesondere die Art der
Kündigung wurde dem Ermessen der Vertragsteile über-
lassen. Während mian für den Vertragsschluß nicht ge-
nug an bestätigenden oder gar rechtschaffenden Förmlich-
keiten bilden konnte, zeigte man hier eine verhältnis-
n\äßige Sorglosigkeit^).
Daß auch die Dienstbeendigung aus teilweise den-
selben Gründen wie die Vertragsbegründung die Ver-
deutlichung durch eine äußerlich wahrnehmbare Form
vertragen kann, offenbart sich imm^er wieder bei Streitig-
keiten über die Rechtsgültigkeit einer geschehenen Kün-
digimg. Als Beispiel mag ein 1791 und 1792 vor dem
Oberappellationsgeridhte in Cassel verhandelter Rechts-
streit dienen*). Die Beklagten bestreiten die Bedeutung
einer von ihnen der klagenden Magd gegenüber gebrauch-
ten Äußerung als rechtsgültiger Kündigung. Der Magd
war die für einen Sonntag geplante „Plaisir Reise** zu
ihrer Mutter verboten worden. Die beklagte Ehefrau er-
zählt in dem! Schriftsatze : ,,Ho€hnisch antwortete sie mir,
Sie wollte sehen, wer ihr dieses verwehren würde, sprung
in groster Bosheit vor mir herum, verlachte mein Ver-
sagen, und verursachte auf diessen Sonntag einen solchen
Lärm, dass mann ihn weit hören konnte. Ich verwies
ihr [dieses unschickliche Betragen und zu mahlen auf einen
Sonntag auf meiner Stube, das ich nicht länger dulten
^) In Brandenburg beantragte die Kammer 1767, fdr die
Kündigung das Erfordernis der Schrif^lichkeit und der öffentlichen
Erklärung vor Justitiar oder Dorfgericht aufzustellen (Lennhofif S. 92).
— *) St A. Marburg. Prozess in Sachen Müller Coester et uxor zu
Marburg gegen die Magd Christina Bohlin zu Moischt.
— 750 —
wollte, imld gebirauölite die Worte: jedoch in Abwesen-
heit meines Mannes, „Mensch pack dich", ich verstünde
natürlichier Weisis wiegen ihreks? tmgezogenen Lärmens und
Gesdhrey, blos von der Stube. Nun glaubte Adversarün
ihren Wunsch erreicht ra haben, fort aus deini Dienst
geben zu dürffen, wohin sie wollte, und machte auch
wirklich' Anstalten ohne Vorwissen meines Ehesnaimes
fortzugehen/* Durch die liebevollen Worte der Hausfrau
war der Prozeß entstjanden; wie die Richter die Äuße-
rung ausgelegt hiaben, geht aus den Akten nicht hervor.
Nicht für die Kündigung, sondern als Anhang zu
ihr verlangte das Recht von Ramsberg in Schwaben
(Eidbuch 1556) ^) einen E i d des austretenden Knechtes,
entsprecWerid dem beim Dieoistantritt m leistenden Schwur.
Es heißt da: „Wiann dann der Dienstknecht wider von
dannen zeucht und begert, ine Steiner gethonen gelübt
ledig m zeln, sover dann er bey seiner gelübt satzen ntag,
das er niemiand nichts schuldig sey, auch kain nachvol-
gender spann wiss, der sich in zeit seines diensts erhoben
und mit willen seines maisters urlaub hiab, so soll der
schlilthaiss ihne ziehen und seiner gethonen gelübt er-
lassen.** —
Das Recht der giewöhnlichen Kündigung ist nicht
allzu eingehend von den Gesetzgebern ausgebildet wor-
den. Um= so eifriger gaben sie sich mit einigen Sonder-
fällen der friedlichen Dienstbieendigtmg ab, für die ein
bevorzugtes Recht geschaffen wurde. Es handelt sich
um (vorzeitigle) Dienstbeendigung durch
1. 'Heirat des Gesindes,
2. Eintritt ins Kloster,
3. Übernahme einer Vormundschaft durch den
'Knecht,
4. Eintritt ins Heer,
^)Wintterlin, Württembergische 1 Andl. Rechtsquellen 1 S. 767 fif.,
bes. 772; oben S. 4d9.
— 751 —
5. KrankKeit des Gesindes,
6. Tod des! Gesindes,
7. Tod der Herrschaft,
8. Konkurs der Herrschaft.
1. Die Frage, ob die Heiratsabsicht des Ge-
sindes einen Einfluß auf das Dienstverhältnis haben und
dessen vorzeitige Beendigung herbeiführen soll, ist zu ver-
schiedenen Zeiten verschieden gelöst worden.
Int Mittelalter war man der Ansicht, daß Heirat die
Miete lösit. Vom Sachsenspiegel^) an gebpn zahl-
reiche Rechte detti Dienstboten die Befugnis zu Zwecken
der Heirat den Dienst vorzeitig zu verlassen*). „Swilch
knecht aber elich wib nimt, . . . der muz wol uz sines
herren <linste komen, und beheldet also vil lones, als ime
gebäret biz an die zeit. Ist aber imie mer gegebn, daz muz
her wider gebn sunder wandel" (Ssp.). Als ungedrucktes
Recht diester älterein Zeit sei aus dem am'orbacher
Gerichtsbiuch von 1406^) ein Beispiel aus der Praxis an-
geführt: „Item dy alt nebegerin dlagt von kunzen, daz
er ir dienen salt, und da er ein wip genam, da sprach
sie: Lieber sim, du hast ein frauwen, nun wiltu by mir
blyben ein weg als den andern. Da sprac>h er: ia liebe
fröuwe, ic'h wil daz beste dun. Und detz helte er ir nit.
Daz ist ir leider dan 2 gtild.**
Nur recht selten aber blieb die spätere Zeit bei dem
Gnmdsatze, Üaß Heirat den Dienst löst. Das schleswig-
holsteinische und das mühlhäuser Recht als die
einzigen behielteln ihn unbeschränkt bei, so das spätere
Recht Lübecks von 1586*), Friedrichstadts von
1633*); über das spätere Recht auf der Halbinsel be-
richtet Schrader*): „Den Satz: Ehe bricht Häuer;
haben unsere Gesindiefverordnungen fast einmüthig an-
- «
») U 88. — «) Übersicht bei Hertz S.'69; Steffen S. 19. —
') Habeische Sammlung. — ^) Corp, Stat. Hols. — *) Corp. Stat. Slesv.
III 1 S. 1. - •) Handbuch III S. 208.
— 752 —
genommen." UnÜ das erneuerte Heimbuob Mühlhan
sens aus dem' Jähre 1736^) gestattete unbeschränkt dr.
Dienstboten zwecks einer Heirat aus dem Dienste vc:
der Zeit zu gehen; wird jedoch dem Dienstherm dies
Absicht nicht rechtzeitig genug eröffnet, dann ist ilo
der Schaden zu ersetzen.
Alle andern Redhte bereiten dem Gesinde Schwierig-
keiten, zur Heirat zu kommen. Vornehmlich zwei Antz
der Regelung kommen hier vor. Entweder gestattet man
dem Dienstboten, gegen Stellimg eines Ersatzmannes aus
dem Dienste zu treten, oder es wird ihm Aushaltung des
Dienstes wenigstens bis zu einem bestimmten Zeitpunkte,
regelmäßig dem Beginne des kommenden Halbjahres,
auferlegt.
Die beiden Regelungen verbindet das ostfriesi
sehe Lanidxecht von 1515*). „Offt nu de ni^aget be
raden worde, de wile se im denste is, und hefft de be
scheden tyt byna halff uth gedent, so mOet se den densi
vortan uth denen eder eine ander in uire Stade levern
offt loenen.** Wenn also die Heiratsabsicht kurz vor Ab-
lauf des ersten Halbjahres zu Tage tritt, dann muß die
Dienstmagd im' Dienste ausharren, bis ihr Jahr um ist.
es sei denn, daß sie einen Ersatz stellen kann. Äußert
die Magd den Wimsch dagegen schon in der ersten Hälfte
der Dienstzeit, nicht allzu geringe 2feit vor dem Beginns
des zweiten Halbjahres, dann braucht sie nur bis zu die-
sem Zeitpunkte auszuhalten, kann sich aber auch durch
Stellung eines Ersatzes sc'hon vorher befreien. Daß diese
Interpretation der Absicht des Gesetzes entspricht, wird
die weitere Geschichte in anderen verwandten Gebieten
ergeben. Einem heiratsbegierigen Knechte gesteht das
ostfriesische Landrecht eine frühere Dienstbe«idigxin^
nicht zu ^). Das entspricht der Stellung der Knechte im
') Stadt. Bibliothek Mühlhausen. — «) Wich t H 288. — *) Ebenda.
— 753 —
biäuerlichen Leben; während für die Magd die Heirat
mieistens das Ende der für Fremde zu leistenden Arbeit
und des selbständigen Gelderwerbes bedeutet, bleibt der
Kjiecht auch nach der Heirat in der unselbständigen Stel-
lung auf dem Hofe, die für ihn Lebensberuf ist. Jedoch
soll nach' dem Landrechte ein Dienstherr audh seinem
Dienstknechte wenigstens drei Hochzeitstage frei geben.
In ähnlicher Weise wie hier im friesischen Rechte wer-
den Aushialtung einer bestimmten, aber gegen die ursprüng-
liclie Dienstdauer verkürzten Zeit und Stellimg eines Er-
satzmannes dem heiratslustigen Dienstboten zur Wahl ge-
stellt in der bamberger Taxordnung von 1652*) und
in der württemberger Gesindeordnung aus demsel-
ben Jahre ^). Fürs 18. Jhdt. ist vornehmlich die Polizfei-
ordntmg von Eichstätt aus dem Jahre 1707*) zu nen-
nen. Nach ihr soll der Dienstbote di^ Heiratsabsicht
zeitig ankündigen. Tut er dies bald nach dem Einstände,
darm muß er dasi erste halbe Jahr aushalten ; geschah die
Anzeige nach dem ersten Vierteljahre, dann ist dos
ganze Dienstjahr auszuhalten. Doch kann sich der Dienst-
bote in beiden Fällen durch Stellung eines geeigneten
Ersatzmannes befreien. Fast dieselbe Regeltmg schlug
1737 ein ostf riesisCher Entwurf*) vor, nur daß ent-
scheiden sollte, ob die Anzeige im' ersten oder im zweiten
Halbjahre erstattet wurde.
Anderswo beschränken sich die Gesetzgeber darauf,
nur eins dieser Befreiungsmittel dem Gesinde zu bieten.
Die Aushaltung einer weiteren Frist, und zwar des halben
Dienst Jahres, in dem der Dienstbote gerade bei der Herr-
schaft steht, wird in der Gesindeordmmg der Herrschaft
Gutenburg^) und des schwäbischen Kreises®),
*) Kr. A. Bamberg. Bamberger Verordnungen. Rep. 141 Nr. 59.
— ')Reyscher, Gesetze XIII S. lU. — ■) Habeische Sammlimg.
— *) St. A. Aurich. O. L. Polizeisachen Nr. 8. — •) Gen. L. A.
Karlsruhe. KopiarbOcher Nr. 692. — •) St. A. Stuttgart. Druck.
Könnecke. 43
— 754 —
beide aiis dem Jahre 1652, sowie in der 1669 von sc h wä
bischen Städten und Ämtern vereinbarten Ordnung'
den Dienstboten vorgeschrieben. Aus dem 18. Jhdt. k
eine Nachricht aus Oldenburg wichtig, die 1794 de:
Kanzleiverwalter BuUing in Deedesdorf der Regierung
gab*): „In alten Zeiten", sagt er, „habe ein sich ver
heiratender Knecht das volle Jahr ausdienen müssen ; eicc
Magd sei auf nechsten Ostern oder Michaeli losgegeben.'
Die bayerischen Gesindeordnungen von 1755 und
1761 *) beschränken die Zeit, die ein Dienstbote noch im
Dienste bleiben muß, auf vier Wochen. Sechs Wocher
sind es nach den großen jülicher Gesindeordnungen
von 1801 und 1809*).
Durch Stellimg eines Ersatzmannes (xmd nur hier-
durch) erwerben sich die Dienstboten nach den folgen
den Rechten einen festen Anspruch auf Entlassung ge-
genüber der Herrsdhiaft. Die Polizeiordnung des Klet-
gaues aus dem Jahre 1603*) verlangt von den Dienst-
boten, daß der Ersatz völlig genügend sei; andernfalls
ist die Lösung von dem Ermessen der Herrschaft ab-
hängig. Nach der schau mburger Polizeiordnung von
1615 *) darf der heiratslustige Dienstbote gleichfalls nicht
den Dienst verlassen, wenn er nicht der Herrschaft einen
Ersatz an seine Stelle gestellt hat. Ebenso bestimmen
die Ordnung für Biberac^h von 1651'), die altbaye
ri sehen Gesindeordnungen von 1654®) imd 1656'), im
18. Jhdt. die Gesindeordnungen für Usingen (unda-
tiert) lo), Gotha und Altenburg 1719") und 1744^'/
^) Ebenda. Handschrift. — *) Haus- und Zentralarchiv Oldenbur;^.
BII— BVI 8. Amt Brake 2-1 A Nr. 4 Conv.5. — •)Churbayerisches Intelli-
genzblatt 1776 Nr. 89; Kr. A.München. GR. Fasz. 404 Nr. 7, — *) Scotti,
jQlich S.880, 1252. — *) Habeische Sammlung. -«)RottmannS4^
(Kap. 68). — ^) Kr. A. Neuburg* ad H. &887. Augsburg Hochsdft ad
Gencralia XI Nr. 2. — •) R. A. München. Gen.-Samml. Rep. S 9 Nr. 5.
— •) Kr. A. München. GR. Fasz. 402. — ") St. A. Wiesbaden. V
Nassau-Usingen« Generalla IIa Verordnungen Bd. V S. 128. — ") Univ.-
Bibl. Marburg. XVIII f A 880. — '") Ebenda. XVHI f B 11191.
— 755 —
(diese fürs Zwangsgesinde), Köln 1723^), Wal deck
1736»), Sc'haumburg 1738»), Detmold 1752*), Eise-
nd ch 1757*), Osnabrück 1766«).
Völlig ablehnend verhalten sich nicht allzu viele
Rechte. Die ganz frühen bayerischen Ordnungen wet-
tern gar energisc'h ge^^en das leichtsinnige „Zusamtoen-
heiraten** des unvermögenden Gesindes, so 1553 und
1616^). Demigiemäß erklärt die Ordnung von 1616 ») Hei-
ratsabsicht für keinen ausreichende Grund zu vorzeitiger
Dienstbeendigung. Die Gesindeordnung von 1652®) ver-
-weist hierauf. 1654 aber traten freiere Grundsätze in
Kraft, wie oben gezeigt wurde. Noch über das 18. Jhdt.
hinaus «aber blieben andere Staaten bei einem völligen Ver-
bote. Die clever Ordnungen von 1753 und 1769 1^) be-
fehlen den Dienstboten, ein Vierteljahr vor Dienstendi-
gxing der Herrschaft die Heiratsabsicht mitzuteilen. Das
bedeutet aber nichts weiter als Aufrechterhaltimg der ge-
wöhnlichen Kündigungsfrist. Hessen übernahm 1797 ^^),
als es die Dienstlösung durch Heirat zuetrst berücksichtigte,
Sätze der halberstädtisdien Gesindeordnung von 1765 ^•).
In den beiden Ordnungen von 1797 und 1801 ^*) wird be-
stimmt^*), daß die priesterliche Verbindimg nicht vor-
genommen werden darf, ehe die Mietzeit verstrichen, der
Herrschaft ein Ersatzmann — zu dessen Annahme sie
aber nur verpflichtet ist, wenn er ihr zusagt — gestellt
oder die Parteien sich sonstwie verglichen haben. Aber
es wird der Herrschaft dabei anheimgegeben, daß sie
*) Scotti, Köln I 1 S 628. — •) Fürstl. Reg. Arolsen. Alte
Waldeckische Verordnungen (Sammelband). — ') Landesverordnungen II
S. 886. — *) Landesverordnungen II S. 47. — •) Kn A. München. G. R.
Fasz. 402. — «) Klöntrupp, Handbuch II S.76. — ») Platzer S. 98,
111. — •) v. Freyberg, Pragm. Gesch. der bayr. Gesetzgebung II
S. 186. — •) R. A. Mönchen. Gen.-SammL Rep. S. 9 Nr. 6. — ") Scotti,
Cleve S. 1462, 1894. - ") LO. VII S. 727. — »«) Ober das branden-
burg-preussische Recht überhaupt Lennhoff S. 101 ff. — *») LO. VIII
S. 26. — ") § 7.
48*
— 756 —
sich bei gegründetem Vorgeben des Dienstboten billig
solle befinden lassen; ihre Willkür freilich bteibt es.
Wie in der Praxis sidh die Parteien in der Frage ver-
haken haben, ist nidht weiter festzustellen. In den los-
hauser Registern^) kommen einige Fälle vor, daß ein
Dienstbote aus dem Dienste geht, weil er heiraten wül,
1697 erfährt man von Marien, der Hausmagd: „Weyl
Sie aber gefreyet ist an deren statt Anna Liss von Mengs-
berg gedinget.** Anfang September 1733, mitten im Dienst-
jahre, heiratet der Kutscher; für ihn konmit ein anderer.
Und 1736 auf Petritag, also zu einer gebräuc'hlichen Zieh-
zeit, begibt sich die Camtner Jimg^fer Kimigunde Menss-
dorf f in in den Stand der heiligen Ehe. Sie hat „an ihre
Stell gestellt** Anna Liss Stimimichin; zwischen beiden
erfolgt eine Auseinandersetzung. Nur der letzte Fall
könnte zur Erläuterung des damaligen Zustandes des
Volksrechtes gebraucht werden. Hier ist von den Par-
teien die von so vielen Rechten vorgeschriebene Art be-
obachtet worden, daß der austretende Dienstbote einen
Ersatz an seinen Platz stellte; ob das freilich noch nötig
war, da doch das Dienstjahr sowieso zu Ende zu sein
schien, ist unklar.
Was braucht es noch weiter hervorgehoben zu werden,
daß Üie möglichist weitgehende) Freiheit in der Wahl der
Heiratsizeit das allein Richtige ist. Betont sei nur, daß
durch Erschwerung oder Verbot der Dienstscheidung auf
eine Erhöhung der Zahl der unehelichen Geburten hin-
gearbeitet, die äußere Sittlichkeit der Mägde arg ge-
fährdet wird. Nur für die Zeiten mit langen Kündigungs-
fristen bedurfte es solchfer Sonderbestimttmngen. Heute
würden sie kaum' noch beschränkte Bedeutung haben.
2. In den goslarer Statuten wird des Falles ge-
dacht, daß eine Magd „in godeshus sek begeve"*). Das
') St. A. Marburg. - ") Göschen S. 91.
— 757 —
^vird der Heiratsabeicht gleichgestellt; die Magd kann
^xis dem Dienste gehen und erhält soviel Lohn, als sie
^ixiient hat.
3. Der Sachsenspiegel macht im 33. Kap. des
2. Buches die Übernahme einer Vormundschaft
-dxirch den Knecht zu einem Grund vorzeitiger Dienstbe-
endigung; dem Walten über das WoM des Mündels ist
<iie Dienststellung hinderli<^h. All die großen niederdeut-
scliien Stadtrechte, Hamburg, Lübeck, Stade usw. folgen
ilxm hierin^). In der späteren Zeit des polizeilichen Ge-
sinderechtes verschwindet der Rechtssatz; voller Gelehr-
sajtnkeit geht Dorn*) noch einmal auf das veraltete In-
stitut ein.
Für die Dienstbeendigung
4. durch Eintritt ins Heer,
5. dur<^h Erkrankung des Gesindes
Avurde oben in anderm Zusammenhange ^) eine Darstellung
des Redites gegeben; eine Verweisung genügt hier.
6. Die bloße Feststellung, daß der Tod des Ge-
sindes ein Endigungsgnmd für den Dienst sei, wird ihrer
Überflüssigkeit überhoben durch den Hinweis auf die
Lohnregulierung, die mit dem Todesfalle nötig wird*).
Schon der Sachsenspiegel gedachte dessen. Den
Erben des toten Dienstboten wird laut I 22 nur soviel aus-
bezahlt, als wirklich verdient ist. Zuviel erhaltenen Lohn
brauc'hen die Erben nicht herauszugeben, wie z. B. Sach-
senspiegel und hamburger Recht festsetzen. Diese Be-
stimmungen übernahmen viele andere gleichzeitige
Rechte*^). Aus neuer Zeit sind die jülicher Gesinde-
*) Ausreichende Übersicht bei Hertz S. 70, 71. — ") S. 102. —
*) Oben § 2 S. 879 ff.; § 11 S. 698 ff. - *) Fürsorge der Herrschaft
für die letzten Stunden des Gesindes oben S. 687; ebenda Anm. über
Tod des Gesindes als gerichtliche Notsache. — *) Übersicht bei Hertz
S. 64, 65. — Die Bestimmung des west er wo Id er Rechtes XI 4
(v. Rieht ho fen, Rechtsquellen S. 269) ist wohl ebenso zu verstehen.
— 758 -
Ordnungen von 1801 und 1809*) sowie die badische
von 1809*) zu nennen; die Zwischenzeit gab sich zuviel
mit der polizeilichen Regelung ab, als daß solche zivil-
rec'htlichen Bestinmiungen, die sich zudem teilweise aus
allgemeineren ReChtssätzen ergaben, Berücksichtigung:
hätten finden können. Die jülicher Ordnungen setzen
fest, daß der Lohn bis zum Sterbetage ausbezahlt werden
isoU, falls der Dienstbote vorher nicht über 10 (1801:
8 — 10) Tage krank war; andern Falls erhalten die Erben
nur soviel Lohn, als mit Beginn der Krankheit verdient
war. Die badische Ordnung spricht den Erben den tat-
sächlich verdienten Lohn zu; Begräbniskosten braucht
die Herrschaft nicht zu zahlen.
7. Die eben angeführten Gesetze sind wieder fast
die einzigen, die auch eine Regelung der durch Tod der
Herrschaft geschaffenen Verhältnisse enthalten. Aus
der Erbschaft sollen vor allen andern die Dienstboten
befriedigt werden, setzt der Sachsenspiegel') fest.
Weiter wird ihnen das Recht des Dreißigsten zugebilligt,
„daz sie sich mugen bestaten". Auf Wunsch des Herrn
aber müssen sie noch über die dreißig Tage der Toten-
ruhe hinaus im Dienste bleiben. Zuviel erhaltenen Lohn
brauchen sie nicht wieder herauszugeben. Dies Recht
kehrt in sehr vielen Quellen des Mittelalters wieder*).
Auf dem weiten Wege bis zum Ende des 18. und
Beginne des 19. Jhdts. nahmen diese Bestimmungen teil-
weise andere Gestalt an.
In Oldenburg war es 1794*) Sitte, daß bei Auf-
hören der Haushaltung das laufende halbe Jahr ausbe-
zahlt wurde. Die beiden jü lieber und die badische
») Scott i, Jülich S. 880, 1252. - •) Gen. L. A. Karlsruhe. Pro-
vinz Niederrhein. Gesindepolizei. Lit B. Nr. 1. 1755-1809 (IV 9).
— ») I 22. — *) Hertz S. 66, 66; Homeyer, Der Dreissigste (Abh.
d. berl. Ak. phiL-hist. 1864), oben S. 7. — ^) Haus- und Zentralarchiv
Oldenburg. B II-B VI 8 Amt Brake 2 I A Nr. 4 conv. 5.
— 759 —
Gesindeordnung aus dem ersten Jahrzehnt des 19. Jhdts.,
die vollständigsten Ordnxingen, die es gibt, haben folgende
Regelung. Die jülicher Ordnungen behalten das alte Recht
des Dreißigsten bei, gestalten es sogar teilweise noch
günstiger fürs Gesinde. 1801 heißt eis in Art. 14 : „Stirbt
aber die Herrschiait, so dass die Haushaltung von den
Erben nidht fortgesetzt werde, so sind die Erben schuldig,
da.s Gesinde, in so lange sie demselben keinen eben so
anständigen Dienst anderwärts verschaffen würden, län-
ger doch nie als 6 Wochen noch zu beköstigen, und ihm
auch dafür den Lohn zu entrichten." Etwas anders ist
die Regelung 1809 ^). Den Lohn bis zur Sterbezeit müssen
die Erben zahlen; sie müssen ferner den Dienstboten bis
zum Ablauf Ües Quartals beköstigen (also ohne Lohn),
-wenn er nicht vorher einen andern Dienst bekommen
kann.
Kompliziertere Unterscheidungen macht die badi-
sche Gesindeordnung in §§ 40 und 42. Stirbt der Herr
vor Ablauf der gewöhnlichen Kündigungsfrist, dann ist
der Lohn bis zum Ende des laufenden Quartals zu zahlen.
Wenn der Tod nach Ablauf der Kündigungsfrist für
das laufende Vierteljahr eintritt, und die Erben den Dienst-
boten nicht mehr behalten wollen, dann hat er Anspruch
auf Lohn und Kost des laufenden und auf den Lohn
des folgenden Quartals; jedoch nur imter den Voraus-
setzungen, daß ein neuer Dienst nicht gleich zu bekommen
ist, ^oder sonst nach den Gesetzen und der Natur des
einzelnen Vertrags, nicht ein anderes vom Richter zu
Recht erkannt wird*'. Mutatis mutandis gilt das alles
auch, wenn auf kürzere Frist, nur monatsweise gemietet
worden ist. Statt des Dreißigsten setzt der Code civil')
die Inventar- und Bedenkfrist als die Zeit fest, innerhalb
deren die Witwe sich und das Gesinde „mod^r^ment**
zu Lasten des Nachlasses verköstigen darf.
') Art 21. - ») Art. 1465.
— 760 —
8. Daß der Dienst durch Konkurs der Her:
Schaft geendigt wird, findet sich ausdrücklich nur selte
ausgesprochen. Was dabei mit besonderer Vorliebe und
Ausführhchkeit aber imlmier wieder behandelt wird, is:
das allgemein-deutsche Recht des Gesindes auf Vorzugs
weise Befriedigung.
Nicht nur im Konkurse, sondern auch für die bloße
Pfändung erhielt der Dienstbote ein Vorzugsrecht. So
wird 1552 in Botwar^) bestimmt: „Hette aber der
Schuldner (der Dienstherr) nitt Gellt, so soll er dem Lid
lohner oder Ehehallten an Lidion geben der besten
Pfandt, die er wol treiben und tragen mag, und darauf/
seins Lidlohns, mit sampt dem Schaden wol bekhommei:
möge . . .**.
Für das Konkurs vorreCht gibt Dorn') eine histch
risch ziemlich weit zurückreichende und vollständige Über-
sicht ; für die älteste Zeit teilt Herz') das Nötigste mit.
Nur eine zusamimenfassende Darstellung der hessi-
schen Entwicklung sei daher hier gegeben. Zuerst be-
handelte die Gerichtsordnung von 1497 *) die Frage. Dies
ist der Wortlaut, soweit er hier heranzuziehen ist: J^^o^
Volnstreckung der urteil. — Einen ieden gebrötten dienst-
botten, sol umb seinen verdienten lidlon axiff erscheinung
der zeit seins dinstes, und sein anruffen diu-dh den richter
mit verhörung seins herren oder frawen, so solcher lidlon
nit in spenne erscheint, von stimd an zu aussrichtung
unnd bezalung des selben verholffen werden, imverhindert
einig behlelfs seiner herschafft, und es soll und mag auci
der Richter darumb pfenden so vil Volzihung vornemen,
damit dem dinstbotten sein bezalung nit verzogen werde,
sonder entüdh geschehe. Wo aber mercklich gespem*
oder immg zwischen jne erschiene. So sol dem, o^^
den selben zu seiner herrschafft auff sein erstliche g^'
*)Reyscher, Statutarrechte S. 484 0*., bes. 488. — ») S.*^^^*
— •) S. 91. — *) LO. I S. 16; oben S. 89.
— 761 —
rechtliche Ladtuig mit rechtlichem entscheid, darumb ver-
bolffen worden, imd was dann der dienstbot, der mass
in Recht erlangt, Darumb sol auch ie zu zeiten der Rich-
ter ferrer verhielffen als vor begriffen ist, und der Dienst-
bott soll auch mit sollicher entrichtung seines lidlons den
Vorgang haben vor andern personlichen schulden, so sein
herrschaft schuldig were. Doch unschädlich den sie dar-
vor TU Steiner herrsc'hafft mit Recht erlangt und erstanden,
oder älter einsetzung, oder Verpfandung hetten/*
Eine merkliche Verschlechtenmg, wie es sehr viel in
Deutsdhland geschah^), erlitt das Recht im Laufe der
Zeit. Nach einem' Urteil der gelehrten marburger Jurisien-
fakultät vom 15. Januar 1734*) sollte zwar noch das alte
günstige Recht gelten. Die Reihenfolge war nämlich die :
1. Die gemeiner Stadt restirende Contribution und andere
onera publida, worunter mitverstanden wird, Steiuer, Ge-
schoß, Erbzinsen imd dergleichen. 2. Dero Dienerund
Gesinde Mieth'lohns, wan soldhes eydlich bestärcket
wird. 3. Die Ehefrau ratione illatorum. 4. Die Kirche
imd Hospital. 5. Die gerichtlichen Obligationes. 6. Die
Privatschieine.
Doch die harte Praxis der Gesetzgebung kehrte sich
nicht daran, sondern erließ am 9. September 1751 das
folgende Ausschreiben^), „die Classification des Lied-
lohnsdes Gesindes bey entstehenden Concursen betr.
Nachdem' bey denen entstandenen Concursen wegen des
rückständigen Liedlohns des Gesindes verschiedentlich
Zweiffei entstanden, in was vor eine Classe sothane Dienst-
botten mit ihrem Lohn zu setzen, und dahero Unsers
') Dom S. 498. — ') St. A, Marburg. Sammelhandschrift des
Witeenhfluser Stadtarchivs „Schatzkammer" S. 876. — •) LO. V 26.
St. A. Marburg. Akte des Geh. Rats Lit. C. Nr. 28, Verordnung den
Gesindelohn im Konkurs, von 1760, betr. Akte der cass. Reg., das
von der Cantzley zu Rotenburg über die Gerichtsordnung von 1497
geäusserte Bedenken, 1767.
— 762 -
Gnädigsten Fürsten und Herrn Hochfürstl. Durchlauck
7M Vorkommung alles Zweiffels Gnädigst befohlen haben^
dass, wann in Zukunft ein Conctirs entstehet, das Gesinde-
Lohn von denen zwey letzten Jahren in die erste Classe
zwar mitgesetzt, wegen desjenigen aber, was noch weiter
als rückständig angegeben wird, denen Dienstbotten ihr
Platz unter Chirographarios angewiesen werden solle:
So wird Euch auch solches zur Nachricht und Ach-
tung hiermit bekandt gemacht und befohlen, vors künf-
tige das Vorrugs-'Rec'ht wegen des Gesinde-Lohnes nicht
weiter zu erstrecken.**
Audh die 1770 zur Abkürzung der Prozesse geschaf-
fene Verordnung^) erklärt nur den „zwey jährigen Ge-
sindlohn" als bevorzugte (mit singulari praelationis pri-
vilegio versehene) Konkursforderung; sie soll „nicht weiter
ad protoc'oUum; liquidiret, viel weniger deren Bezahlung
bis zur Endsc^hafft des Prozesses ausgesetzt**, sondern
gleich bezahlt werden.
Aus Akten des dasseler Oberappellationsgerichts aus
dem Jahre 1770*) ergibt siöh, daß die Rechtsgelehrten
über die Stellimg der Zinsen des Gesindelohnes
im: Konkurse im Streite waren. Der Kläger scheint in der
Vorinstanz abgewiesen worden zu sein, weil er Zinsen ge-
fordert hat. Er gibt den Fehler zu und sagt, das habe
sein Anwalt ohne sein Wissen getan, „wobey noch zu
gedencken, dass die Meinung derer Rechtsgelehrten,
welche denen Dienstboten, insofern sie sich von ihrem
Liedlohn Zinsen stipuliren, dadurch ihres Vorzugsrechts
verlustig erklärt wissen wollen, kein Gesetz ausmacht und
solche in hiesigem provincial Recht nicht einmal reci-
pirt ist, sondern hierinnen ohne alle restriction und Aus-
nahme dem Liedlohn von denen beyden letzteren Jahren
der oft gedachte favor beygeleget**.
») LO. VI S. 578, 581. - *) St. A. Marburg. In Sachen Dörr'
Löwen steinsche Konkursmasse.
— 763 —
Eine weitere Streitfrage wurde 1781 von der Regie-
rung in Cassel erörtert *). Es handelt sidh darum; ob auch
das frühere, zur Zeit des Konkursausbruches nicht mehr im
Dienste befindliche Gesinde, des Vorzuges genießen soll.
Auf Ersuchen des Geh. Rats, an den sich die Regierung
in Marburg zur Entscheidung wegen Uneinigkeit ihrer
Mitglieder gewendet hatte, gab die Regierung in Cassel
ein Gutac'hten ab, dessen wesentliche Stelle so lautet:
Es „pflegft zwar, wo nicht ein anderes verordnet oder
hergebracht ist, selbst denen Dienstbothen, welche zur
Zeit des ausgebrochenen Concurses nicht mehr an des
genüeinschaftl. Schuldners Brod gewesen, das Vorzugs-
recht des Liedlohns zugestanden zu werden Wie
jedoch der möglichst aufrecht zu erhaltende Credit der
geridhtl. Pfand Verschreibungen es erfordert, dergl. Vor-
zugs Rechte, soweit dieses ohne Unbilligkeit geschehen
kan, einzuschränken, und ein Dienstbote es sich selbst
beyzumessen hat, wenn er ohne seinen Lohn sofort ein-
zuklagen aus dem Dienst gehet ; so kan er sich mit Grund
nicht beschwehren, wenn ihm in einem solchen Fall so-
thanes Vorzugsrecht nicht angedeyhet, wie denn deshalb
in denen Königl. Preussischen Landen ausdrücklich ver-
ordnet ist, dass nur diejenige Dienstbothen, welche zur
Zeit des Absterbens oder entstandenen Falliments würck-
lich in des Schuldners Brod sich befinden, oder sogleich,
als sie aus dem Dienst getreten, wegen des rückständigen
Lohns geklaget haben, mit diesem von denen letzteren
2. Jahren vorzüglich befriediget werden sollen".
Von hessischen Nebenländern kam, soweit sich nach-
weisen ließ, nur Fulda 1758 in einer Konkursordnung ^)
zur landesgesetzlichen Festsetzung des Vorrechtes für den
Dienstlohn. Der aus dem letzten Jahre fällige Lidlohn
steht in der ersten Klasse an fünfter Stelle. Der frühere
*) St A. Marburg. Geh. Rats-Akten Lit. C. Nr. 28, die Verord-
nung von 1750 (1761) betr. — •) Sammlung der cass. Regierung IV S.465w
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Lohn wird ad dassem Chyrographorum verwiesen. I>^
Forderiingfen der Dienstboten sollen tunlidlist schlsmüi
befriedig, säumige Schuldner mit Zwangsmitteln zur Zah
lung angehalten werden, „d^mit die soldhergestalten br
dürfftige Leuthe nicht gleichsam geflissentlicher weiss k
Schaden versetzet, oder gar des ihrigen Verlustiget werdet
mögten**. Auch 1790 bestand nach Mitteilimg Thomas'^
das Vorzugspfandrecht der Lohnforderung.
Die schaumburger Polizeiordnüng von 1615 b^
stimimt nichts ausdrücklich über das Vorrecht der Dienst-
boten. In Kap. 30 *) wird auf „hin und wider** zu findendes
verwiesen, wie es scheint, auf die Regel des allgemeinen
Rechts. Rottmann^) setzt denn auch den Lohn in die
erste Gläubigerklasse und macht imter Berufung auf die
mamügfachsten gelehrten Schriftsteller noch eingehende
Ausführungen über allerlei dabei in Betracht kommende
Fragen. Am wichtigsten ist folgende Bemerkung Rott-
manns aus der Praxis: „Dahero bey denen Gerichten
pfleget gesprochen zu werden : Daß, wenn zufor-
dlerst das Gesinde-Lohn bezahlet, alsdann
folgende Ordnung unter denen Creditoren
2U halten sey . . . ** usw. So wie es Rottmann
mitteilt, scheint dies zu seinen Zeiten ständige Gerichts-
formel gewesen zu sein.
Anhangsweise seien aus rechtspsychologischem In-
teresse noch die folgenden Betrachtungen über die Stel-
lung der Lohnforderung der Dienstboten im Konkurse
mitgeteilt. Sie stammen aus einer Zeit, die sich über die
Gründe der eigenartigen Bevorzugung des Gesindes erst
von neuem klar werden mußte. Es handelt sich um ein
„Unvorgreifliches Project** eines nicht genannten Juristen
zu einer ei<^hstädtischen Ordmmg der Schulden-
zahlung vom 19. August 1677 *). Der Verfasser des Ent-
») Sistem III § 556; oben S. 182. - *) Rottmann S. Sli. -
*) S. 818. — *) Habeische Sammlung.
— 765 -
Wurfes geht davon aus, daß in Bayern die Lidlöhne gleich
nach den „Leicht- und Begräbnüss Kosten", in Sachsen
sogar vor ihnen gezahlt werden, daß eine solche Regelung
freilich nicht mit dem „gemeinen Recht" verträglich sei.
In Eichstädt wurde aus diesem Gründe den „LiedlöhnerÄ"
nur ein Personalprivileg zugestanden; d. h. sie wtirden
erst hinter den real gesicherten (Hypotheken- usw.) Schul-
den befriedigt.
„Nachdem aber die Erfahrenheit zu erkennen gibt,,
dass die Liedlöhner fast in allen ausgangenen)^ wohl
erwogenen, und geordneten Landrechten vor anderen
Praetensionibus in consideration gezogen worden, und dem
gemeinen Weesen viell daran gelegen, dass man gute
vertraute, arbeitsame Mägd, Knecht und Taglöhner auff-
treiben möge, daran vorab jeziger Zeit grosser Mangle
und noch grösserer Abgang, imd weniger Treue. zu be-
fahren seyn würde, wann dieselbe sich sonderlich bey dem
armen Bauern Mann (da sein Vermögen, wie leider mehr
mahlen beschiehet, auff die Hand geschlagen wird) kei-
nes besonderen Vorzuges zu getrösten haben sollte, da-
nebens ja die Höchste Ohnbilligkeit wäre, da die arme
Mägd, Knecht, Taglöhner, und dergleichen gesind bey
ihrer anwesenden so harten und saueren Arbeith, erst
in Gefahr das in dem Schweiss ihres Angesichts ver-
dienten Liedlohns stehen sollten, da sie doch das ganze
Haus, und Bauern weesen meistens erhalten helfen, und
eine Ursach seynd, dass die Herrschafft und andere Cre-
ditores hernach zu ihrer Schuldigkeit desto füeglicher,^
und richtiger kommen mögen, zumalen die Erfahrung
selbst lehret, dass ohne die Knecht, Mägd, imd dergleichen
Dienstleut die Feidung nit in Bau gebracht, noch zu Dorf
erhalten werden können, so wäre ich der ohnvergreiflichen
Meinung, es mögten Ihro Hochfürstl. Gnaden das Gut-
achten auch auff die Stell eingerichtet, jedoch nit sa
gar extendirt, sondern allein auff solche Ehehalten Dienst-
— 766 -
botten, und Tagfwerker gezogen werden, die würcklid
bey dem Debitore in Diensten gewesen, oder von ihme ge
weisset worden, und sich um' einen bedüngten gewiesss
Lohn zu Dorf, und Feld gebrauchen lassen, nit abe
s&gar auff Schmid, Wiagner, und andere dergleiche:
Hanidwercker erstrecket werden, welchen zwahr in it
in quam operas has impenderunt, tacita Hypotheca ge
stattet werden mögte, cum ex harum rerum*, quasi lestat
ratores, et ctonservatores esse oenseantur . . ., worunier
aber diejenige Handwercker nit zu rechnen, welche neber
ihrer angewendeten arbeit die Materi selbst hergeben .
Innmassen dann auch die abgesezte obgebrödte ehehal
ten vel operarii qui in aedibus Domini morantur, dbc
ipsius fruuntur derta meroede, vel in singrulos dies, Sepn
manas, Menses, aut annos constituta diese ihre praerc-
^tiv verliehen, wann sie dem Herrn, oder Banren da
verdienten Lohn um Zünss in Händen lassen, cum iure
etiam alias ustiras seu interesse decipientibus eiusmod:
Privilegia denegare soleant."
Dem entspricht es, wenn in der Reihenfolge der Gläu
biger der Liedlohn zu viert steht ; nur von Gerichtskosien.
Depositenforderungen, Begräbniskosten braucht er sich
einen Vorrang gefallen zu lassen.
$ 13. Vertragsbruch des Gesindes.
Anhang: Das Koalitionsverbot
Bei der willkürlichen grundlosen Dienstauflösung ^'
ben Recht und Wirtschaft von je unterschieden, ob der
Dienstbote wegläuft, oder ob die Herrschaft ihn fortjap,
ehe die Zeit gekommen. Während der Vertragsbruch d^
Herrschaft, wie uns heute als das natürliche dünkt, fast
ausnahmslos nur eines zivilrechtlichen Ausgleiches teil-
haftig wurde, zeigt sich fast überall schon in früher Zeit
- 767 —
eine besondere polizeiliche Behandlung und eine Härte
in der Bestrafung Vertragsbrüchiger Dienstboten. Daß
diese Auffassung von der grundsätzlich verschiedenen Be-
handltuig der beiden Parteien auch heute noch die ge-
wöhnliche ist, äußert sich in dem Gebrauche des Wortes
,j Vertragsbruch**. Stets denkt man in erster Linie dabei
an das Entlaufen der Dienstboten; die neue Sammlung
von Ehrenberg z. B. spricht von „Kontraktbruch in
ländlichen Arbeitsverhältnissen**, tmd behandelt trotz die-
ses paritätischen Titels den herrschaftlichen Vertragsbruch
überhaupt nicht.
Woher solche Selbstverständlichkeit? Es sind die
schon oft genannten Gründe, zusammen mit neuen, ihnen
innerlich verbundenen. Keinem Zweifel unterliegt, daß
die Vertragsbrüche des Gesindes an Zahl überwiegen und
wohl früher auch überwogen haben. Hauptsächlich kommt
das Auffällige bei der Überzahl der Vertragsbrüche beim
Gesinde daher, daß die Herrschaften sich zehnmal be-
sinnen, ehe sie einen Vertragsbruch begehen und Dienst-
boten ohne Veranlassung wegschicken. Sie sind froh,
daß sie bei dem Gesindemangel, über den sie ja immer-
zu jammern, einen Dienstboten glücklich im Hause haben.
Nur unter ausnahmsweisen Umständen möchten sie ihn
einmal gerne los sein, etwa wenn eine längere Reise unter-
nommen werden soll, oder sich ein billigerer Diener an-
bietet. Und wo die Herrschaften einen Dienstboten ein-
mal zu Unrecht wegschicken, sind sie mit ihrem festen
Wohnsitz leichter für die verfolgende Behörde zu er-
reichen als die Dienstboten, denen das Fluktuieren hier-
hin und dorthin und das Verschwinden viel leichter ist.
Gewiß ist auch der Schaden, den ein Dienstherr durch
das Weglaufen seines Gesindes erfährt, empfindlicher als
der Nachteil, den ein Dienstbote infolge des Vertrags-
bruches seiner Herrschaft erfährt; nach der stets herr-
schenden Ansicht können eher hundert Dienstboten in
- 768 —
Stellungen kommen, als hundert Herrschaften einea
Dienstboten finden.
Einen Grund (aber nur einen) mag maji aud
in der moralischien Verfassung des Dienstbotendurct
Schnitts Stichen, oder in des Gesindes „Unbildung". Es
gefällt ihm nicjit im gegenwärtigen Dienste, sie träumes
sich goldene Berge von einem andern Hause; sie freuen
sich auf den neuen Mietsthaler, den es gibt, während
der alte Dienst ohhe solche Reize dahinläuft, und sie
können sich nicht denken, daß das Leben überall mir.-
destens auf Leistung und Gegenleistung beruht.
Dann mtiß noch auf eines nachdrücklich hingewie-
sen werden. Die Herrschaften verfügen über das Sprach-
rohr der ihnen sozial gleich empfindenden Regierungs-
beamten, die ihnen (imd damit sich selbst) die Gesinde-
gesetze zu Willen machen. Diejenigen, die in früheren
Zeiten sich niit dem Gesindewesen in der Öffentlichkeit
schriftstellerisch beschäftigten, gehörten (von unbedeuten-
den Ausnahmen abgesehen) dem „Herrschafts**-Stande an
und vermochten kaum, in die Seele der Dienenden ein-
zudringen, aus Ungeschick oder aus Egoismus. Die Mei-
nung der organisierten und der unorganisierten Öffent-
lichkeit ist dem Gesinde feindlich gesinnt. Und wo sie
nicht entstellt, da imterstreicht sie wenigstens alles Un-
günstige, was über die Dienstboten zu vermelden ist. So
erklärt sich nun Teil auch die Selbstverständhchkeit, mit
der man die verschiedenartige Behandlung der beiden
Vertragsteile von Gesetzes wegen für gerecht erklärt.
Stützen konnten sich die Geseitzesverfasser schließ-
lich bei ihrer Tätigkeit noch axif den redn juristischen
Grund, daß der Dienstbote verpflichtet ist. „die zceit"
zu dienen *). Eine Nichtleistung eines Teiles der Dienste
bedeutet sofort die Unmöglichkeit der Erfüllung für diese
^) Löning S. 461 ff.; oben S. 25 ff.
— 769 —
Reihe Dienstleistungen. Eine nachträgliche Erfüllung
dieser Dienste ist ausgeschlossen, da sie unabänderlich
an die Zeit geknüpft ist, anders als es bei den meisten
Verpflichtungen der Herrschaft ist, soweit diese aus realer
Gegenleistung bestehen.
Ein schärferes Vorgehen wider die Vertragsuntreue
des Gesindes konnte so wenigstens zu rechtfertigen ver-
sucht, wenn auch nicht vollständig und ausschließlich
erklärt werden.
Der Mittel, die gegen den Vertragsbruch des Ge-
sindes kämpfen, sind zwei Arten zu nennen, die Strafe
als Radikalmittel und einzelne mildere, vornehmlic'h Vor-
beugungsmaßregeln, die einige Gesindeordnungen kennen.
Von Kampfesmitteln, die von Verwendung einer
Strafe absehen, gehört einmal die Bestimmimg hier-
her, wonach sich die neu mietende Herrschaft bei der
vorigen nach der ordnungsgemäßen Dienstbe-
endigung zu erkundigen hat*): Einersheim!
1626«), Regensburg 1656»), Cleve 1644 § 3,
1696*), Köln 1538, 1595 § 24, 1645 Art. 5, 1723 Tit.
28^), Alten bürg 1744*). Ähnliches, nämlich Vermie-
tung immer nur nach geschehener Kündigung, sollte bei
der Redaktion der hessischen Gesindeordnung von
1801 nach' Vorschlag einiger Gutachter dadurch erreicht
werden, daß die Abschiede in Zukunft nicht erst beim
faktischen Dienstantritt, sondern schon bei der Kündigung
zu erteilen seien ^). Dieser unpraktische Gedanke v/urde
aber nicht verwirklicht. Neben der Ausgestaltung des
Zeugniswesens ^) konnte die Einrichtung herrschaftlicher
Erkimdigung keine allzu große Wichtigkeit erlangen.
Ein anderes Mittel auch zur Bekämpfung des Ver-
') Oben S. 469. — •) v. Weber, Statutarrechte II S. 1104. -
») Ebenda V S. 85. — *) Scotti, Qeve S. 260, 690. — •) Scotti,
Köln 1 1, S. 60, 166, 249, 628.- •) Univ..Bibl. Marburg. XVIIl f B 1119 g. —
') Oben S. 109, 112. — •) Unten § 16.
KSnnecke. ^9
— 770 —
tragsbruches bildete das an anderer Stelle schon erwähni.-
Verbot, die Laden (Mägdekisten) und sonstigen Besitz
gegenstände der Dienstboten außerhalb des
Herrenhauses stehen zu lassen^). In erster Lini«
wollten einige Gesetze den Dienstboten dadurch die Ge
legenheit nehmen, Sadhen, die sie der Herrschaft gestohlen
hatten, anderswo unterzubringen. Zur Hintertreibung des
Vertragsbruches konnte das Verbot abelr auch Dienste lei
sten. Das Weglaufen kostete dem Gesinde, das seine
Sachen im Hause der Herrschaft stehen hatte, mehr
Überlegung; die Kisten und Truhen mußten heimlich
oder unter einem Verwände fortgeschafft werden, oder
der entlaufene Dienstbote mußte sie im Stiche lassai.
Eine Menge Gesindoordnimgen vornehmlich des 18.
Jhdts. sprechen daher direkt oder auf Umwiegen das Ver
bot aus, daß Dienstboten ihre Laden bei Fremdöi aufbe^
wahren. So zuerst das bayerische Landrecht von
1616 2), die Polizeiordnung für Vi 11 in gen von 16685),
dann die Gesindeordnungen für Nürnberg von 1741 *),
Kurmainz von 1749^) (mit besonderem Hinblick auf
die Hinderung von Delikten), Weimar von 1751^'.
Cleve von 1753 und 1769^), Österreich von 1765^\
Böhmen, Mähren und Schlesien von 1782*) und
einige weitere bei Dom*®) genannte städtische Verord-
nungen.
Doch all diese Maßregeln sind Ausnahmen. Bei wei-
tem überwiegen Ersatzpflicht und Strafe ; aus der reinen
Privatstrafe entwickelte sich diei mteist mit Ersatzleistung
verbundene öffentliche Strafe"). In den Zeiten polizei-
0 Oben S. 554 Anm. — «j Platze r S. 110. — •) Oberrheinische
Stadtrechte II S. 216. — *) Dorn S. 188. - ») Kersting, Sonder
rechte Sp. 1067. — •) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S 1^ "
^) Scott i, Cleve S. 1452, 1894. — ») Kr. A. München. GR. Fasz.4(e
Nr. 1. — •) Dorn S. 18Ö. — '^) Ebenda. — ") Löning, Der Vertrags-
bruch und dessen Rechtsfolgen Bd. I., 1876 S. 458 fiF.; Sickel, Die Be-
strafung des Vertragsbruchs. 1876 S, 96ff., 168 ff.; Hertz 5.78 C
- 771 -
lieber Allmacht kommt ein neuer Geidanke auf: die poli-
zeiliche zwangsweise Zuführung der Dienstboten in den
Dienst. Wie diese Art Kampfmittel in den einzeMen Ge-
bieten Deutschlands ausgebildet wurden, sei im folgenden
dargestellt.
An die Spitze des norddeutschen Rechtes gehört die
Bestimmung des Sachsenspiegels II 32: „Entget
der knec'ht sime herren von mutwillen, her sal deime her-
xen also vil geben, als im der herre gelobet hatte; Und
swaz so ime vergulden ist, daz sal her zwigelde wider-
geben.** Wie Löning^) ausgeführt hat, wird hier dem
Vertragsbrüchigen Knecht die Erlegung einer Privatstrafe
an den geschädigten Dienstherm auferlegt ; die Buße be-
steht in der Zahlung des versprochenen oder (ganz oder
teilweise) schon erhaltenen Lohnes. Diese Bestimmung
kehrt in den norddeutschen Rechten des Mittelalters sehr
häufig wieder*).
So insbesondere auch im älteren Redite der s c h 1 e s -
wig--holsteinischen Städte. Schon früh trat hier
aber m der Privatstrafe hina^u oder neben sie Genug-
tuung gegenüber der Obrigkeit. Unter den in den 1 ü b i -
sehen Codictes nicht enthaltenen Stellen befindet sich
die Festsetafung ^) : „Is dat jenich knecht sichedet von
synemfe heren, unde syn unvordenede lön eme endrecht,
syn here schal eme volgen, imde is dat sake, dat he ene
ergieyt, Unde vindet in dessen seesteden ofte dar lubesch
recht is, de pennynge schal he betalen syneme heren; is,
dat he nicht enheft, dar von he betale, men schal ene
leggen in denn toren, imde« geven eme XII II nacht water
unde bröt.** Die subsidiäre Turmistrafe wird hier durch
die unredhöhe Unterschlagung dels noch nicht verdienten
») S. 466_flf.; auch Hertz S. 76. - «) Auf die von Hertz S. 76,
77 gegebene Übersicht wird hier verwiesen ; dazu dithmarsisches
Landrecht von 1447 (Michelsen, altdithm. Rechtsquellen S. Iff., bes,
14). - ») Hach S. 583, 1586 B. 3 Tit. 8 Art. 5; Corp. Stat. Prov. Hols.
49»
— 772 —
Lohnes gerechtfertigt. Der Vertragsbruch als solcher
zieht nur zivilrechtliche Folgen, nämlich Lohnersatz, nach
sich.
Wohl aber ging das bremer Recht 1450 und 1489
von der 1303, 1428 imd 1433 festgesetzten privaten Er-
ledigung zur öffentlichen Strafe der Untersagun^T des
Dienens in der Stadt während eines Jahres (neben der
Buße an den Herrn) über ^). Deutlich tritt die öffentliche
Geldstrafe der Privatbuße gegenüber imfehmarschcn
Landrecht von 1558 *) : „Dar jemands Deener von ehm mit
Unrecht fahret^ so schall dersülvige, so weggefahren tind
averniunmen, Uns böten de halve Hüere, und den Kläger
ock so vehl."
Lohnverlust mit willkürlicher Strafe drohen das
eiderstadter Recht von 1591^), das husumer von
1608*), das friedrichstadter von 1633^); im fried-
richstadter Recht wird übrigens, was sehr selten sonst
vorkomtnt, der herrschaftliche Vertragsbruch vor dem-
jenigen des Gesindes behandelt^). Die richterliche Will-
kür wird in den Polizeiordnungen für Flensburg von
1600') und Sonderburg von 1698®) an Gefängnis-
strafen gebmiden; nach sonderburger Recht soll diese
Strafe sogar erst bei behiarrender Widersetzlichkeit wi-
der obrigkeitliche Erinnerungen verhängt werden. Die
um 1700 aufgezeichneten Amtsgebräuche von Bordes-
holm und die gleichzeitigen neu m uns ter sehen
Kirchspielsgebräuche®) setzen lediglich Lohnverlust fest
und gfeben so ihr hohes Alter kund.
Lohnverlust mit willkürlicher Geld- oder Leibesstrafe
sind die in der herzoglich holsteinischen Gesinde-
*) ölrichs S. U, 114; 388, 889, 484; 669; Puf endorf obs.
ur. II app. S. 104 flf., bes. 112. — ») Corp. Stat. SIesv. I S. 680. -
•) Ebenda S. 1. — *) Ebenda II S. 565. — ») Ebenda UI 1 S. 1. -
•) Darüber unten § 14. — ») Corp. Stat SIesv. II S. 258. — •) Ebenda
m2S.222. — •)Seestern-Pauly,Urk.S.36flf.,87tt, bes. 112,113.
— 773 —
Ordnung von 1740 1) dem Vertragsbrüchigen Dienstboten
\in<i seinen Hehlern angekündigten Übel. Tritt edn Dienst-
bote, der noch keinen Lohn erhalten hat, aus der Stelle
xinter Vertragsbnidi' aus, dann droht ihm die Gesindeord-
nung für Ploen von 1749*) mit bloßem Lohinverlust ;
»die Unterschlagung dagegen, die in dem Entweicheai mit
dem noch nicht abgedienten Lohn liegt, soll mit Gefängnis
oder anderer willkürlicher Leibesstrafe geahndet werden.
Beim Lohinverlust läßt es die Gebindeordnung v^on 1768 ').
Von Gefängnis- tmd anderen Leibesstrafen wider Ver-
tragsbrüchige Dienstboten sah man in Ostfrieslanid
stets ab. Das Landredht von 1515*) spricht dem Ge-
sinde, das grundlos austritt, allen Lohinanspruch ab. In
einem auch noch im 16. Jhdt. entstandenen Entwürfe
zu einer Gesindeordnimg *) wird dagegen zwangsweise Zu-
führung dem rückfälligen Vertragsstörer angedroht;
außerdem war geplant, stets dem ungetreuen Diener Lei-
stung eines ganzen Jahrlohnes an die Herrschaft aufzu-
erlegen. Ein 1737 entworfenes Gesetz, das aber gleichfalls
zu keinem Erfolge geführt tu. sein scheint *), will dem Ver-
tragsbrüchigen Dienstboten einen halben Jahrlohn (wohl
zu gfunsten der Herrschaft) abnehmen; die Herrschaft
soll sich stets eine solche Summe am Lohne einbehalten.
Die alten Statuten Oldenburgs von ^345 '') geben das
Recht Bremens von 1303 wieder®).
Ntu* wenige der heute hannoverschen Gebiets-
teile blieben bei dem Ursprünglichen Rechte reiner Privat-
strafe, wie es die Gesetzbücher von Stadei, Verden,
Goslar im Mittelalter vertraten®). In späteiren Zusätzen
*) St A. Schleswig. Sammlung Grossftkrstl. Verordnungen. —
^)Schrader, Handbuch III S. 196. — ») St. A. Schleswig. Samm-
lung Grossfürstl. Verordnungen. — *) Wicht U 286. — ») St A. Aurich.
Archiv der ostfriesischen Landschaft. O. B. Polizeisachen zu Nr. 3, —
•) St A. Aurich. O. L. Polizeisachen Nr. 8. — ') Ölrichs S. 786 ff.,
bes. 811, 817. — •) Oben S. 772 ff. — •) Hertz S. 77.
— 774 —
zum alten goslarer Rec'hte^) kommt aber schon eine
Andeutung polizeilicher Fürsorge zum Ausdruck: ,,\Ve
de (die entlaufenen Dienstboten) inneme to denste edder
dem Tieren edder frowen toweddere dem' de entgan wäre,
lunde iennen dat vorboden worde mid gerichte, helde
denne de ienne den knecht edder maget dar en boven,
dar vore scholde he deme rade eyne mark g^even ane
gnade." Auch haftet dieser Neiumieter persönlich dafür,
daß der frühere Dienstherr den ihm zum Ersätze ge-
schuldeten Lohn erhält.
In H ade In behielt noch die Polizeiordn.tiixg von
1583*) das alte Re<^ht der Privatstrafe .bei. Dagegen
stellte die Ordnung von 1597*) die Regelung unter das
Taxrecht. Läuft nämlich Gesinde, das mit d&mt festge-
setzten Lohne nidht zufrieden ist, weg, dann soll es „in
Unserm Erblande keine Sicherung und Gelegenheit ha-
ben**, sondern mit schwerer Strafe zurückgeführt werden.
Niemand soll es bei 7 Mark Strafe mieten, und es muß
noch den Schaden ersetzen, den es ,durch das Weg-
laufen angerichtet hat. 60 Mark statt 7 Mark drohen
dem Mieter entlaufenen Gesindes seit der Gesindeord-
nung von 1655 *) ; den Dienstboten selber trifft man dies-
mal mit bloßem' Lohnverbote. Das lüneburger Stadt-
recht*) schonte ^die Dienstboten und drohte gleichfalls
nur mit Lohnverlust. Dagegen soll nach der Polizeiord-
nung von 1618®) Strafe am Lohne „oder sonsten" ge-
nommen werden. Niemland darf die ohne Kündigung aus-
getretenen Dienstboten mieten.
Uralt ist die öffentliche Strafe in Göttingen. Ein
Statut aus den Jahren 1340 — 1354 '') geht so weit, Vertrags-
brüchige Dienstboten auf immer auszuweisen, „et en sy
*) Göschen S. 90, 91. — ■) Spangen her g, Verordn. f. Han-
nover IV 8 S. 59; Pufendorfobs. iur. I App. S. Iflf. — »)Spangen-
berg a. a. O. S. 127. - *) Ebenda S. 265. - ») Pufcndorf obs.iur.
IV app. S. 624 ff., bes. 797. — •) Landesverordnungen Lüneburg Cap. 4
Bd. 1 S. 1. — 0 V. d. Ropp, Statuten S. 87.
— 775 —
in gnaden des rades**. Das moringer Stadtrecht des
15. Jhdts. ^) dagegen normiert bloßen Veriust des Lohn-
ajispruches. Mit Privatbuße in Höhe des Lohnes und
doppelt so viel als öffentlicher Geldstrafe geht die osna-
brücker Verordnung vom 18. Juni 1608^) vor.
Die allgemeine hannoveirsche Gesindeordnung
von 1732 ^) belegt die böswillig Vertragsbrüchigen Dienst-
boten mit geschärftem Gefängnis bei Wasser und Brot;
auf Verlangen werden sie zurückgeführt. Wenn auch noch
die Livree gestohlen war, dann verliert das Gesinde den
ganzen Lohn — den er sonst bis zum Tage des Austritts
behalten zu dürfen scheint — kommt an den Strafpfahl
oder muß Karren schieben und hat schließlich die Livree,
auch wenn sie schon größtenteils abverdient war, zurück-
zugeben. Geld- oder Leibesstrafe erhält, wer das Gesinde
zum Bösen verführt oder entlaufenes wissend aufnimmt.
Braunschweig hielt mit großer Zähigkeit von An-
fang an das einjährige Dienstverbot fest. Die älteste der-
artige Bestimmung wurde vor 1360 getroffen *), weiter in
dem Echteding, das nach Gengier*) dem Jahre 1402
angehört^), in dem Echteding von 1532^), den Polizei-
verordnungen von 1573 und 1579«). Wohl schon im 17.
Jhdt., der Hauptzeit der Polizeiordnungen, wird auch hier
die zwangsweise Zuführung zum Dienste eingeführt wor-
den sein. Die Gesindeordnung für Wolfenbüttel von
1748 ^) droht hiermit, ferner mit Zuchthaus, nötigen Falles
Strafpfahl und Lohnverlust.
Schon 1445 hatte Braunschweig mit andern Ter-
ritorien, so Hildes heim, in der mehrfach erwähnten
») Zeitschr. f. Rcchtsgeschichte VIII S. 290 ff., bes. 298. — ») St. A.
Osnabrück. Rep. 100 Abschnitt 200 aus Nr. 1. — •) Spangenberg
a. a. O. IV 2 S. 461. — *) Hänselmann, Urkundenbuch I S. 68. —
•) Gengier, Stadtrechte des M.-A. S. 86. — •) Th. Hagemann,
Pract. Erörterungen IX S. 522; Hansel mann a. a. O. S. 126. —
') Hänselmann a. a. O. S. 825. — ») Ebenda S. 404ff.; 458 ff. —
•) Herz. Archiv Wolfenbüttel. Nr. 7097.
— 776 -
Gesindeordnung ^) vereinbart, daß vertragsbrüchigres Ge-
sinde auf unbestimmte Zeit nicht im' Lande dienen dürfe,
dass es dem geschädigten Dieostherrn den Lohn zwiefältig
ersetzen müsse. Erstattet der Dienstbote diese Summe
nicht freiwUlig, dann kann der Herr ihn durchs Gericht
verfolgen lassen; das einkommende Geld wird hier zwi-
schen Herrn und Richter geteilt.
Von thüringischen Städten hat Nordhausen seit
1421 2) als Strafe ein Dienstverbot auf die Dauer der vom
Dienstboten ursprünglich verheiß^ien Dienstzeit. Diese
Vorschrift wurde um die Festsetzung, daß einem Ver-
tragsbrecher kein Lohn gegeben werden solle, 1470 ver-
mehrt*). Das alte Sachsenspiegelrecht — doppelte oder
einfache Lohnleistung — übernahm das g o t h a ei r Recht*).
Die alten Satzungen von Duderstadt ^) verweisen die
Dienstboten zur Strafe des Vertragsbruches auf ein Jahr
aus der Stadt ; Lohn braucht ihnen nicht gegeben zu wer-
den. Auch nach osteroder Recht des 16. Jhdts. *) war
es so ; in den wohl dem 17. Jhdt. angehörenden Statuten *)
wird die Strafe dem Befinden des ^Richters anheimge-
geben imd von der Anzeige: des Diensthjerm abhängig
gemacht.
Die frankenhäuser Statuten von 1534*) ver-
schärfen die zweijährige Ausweisung noch in der Weise,
daß demjenigen, der gleichwohl solch verbanntes Gesinde
in Dienst nimmt, zwei Gulden Strafe auferlegt werden.
Lohnverlust und ehrsamen Rates Strafe standen auf dem
Entlaufen des Gesindes nach Heimburgenordnung M ü h 1 -
*) Zeitschr. d. Harz- Vereins f. Gesch. u. Altertumskunde 27. Jahrg.
S. 427. - •) Handschrift des Stadtarchivs Nordhausen II Na 2-11
Bl. 6v; Förstemann, Neue Mittheilungen Bd. III 4 S.82ff., bes. 58.
— ») Förstemann Bd. I V 1 S. 66 flf., bes. 63. — *) Ort 1 off, Rechts-
quellen II S. 819 ff., bes. 382 (Art. 104). — ») Gengler, Stadtrechte
des M.-A. S. 91 ff., bes. 93. - •) Pufendo rf, obs. iur. II app. S. 283 flf.,
bes. 264. - ^) Ebenda. - >) Michelsen, Rechtsdenkmale S. 466 ff.,
bes. 481.
- 777 —
ha Olsens von 1544^). Eine xmdatierte, dem 17. Jhdt.
angehörende mühlhäuser Verordnung *) sowie eine v/eit?ere
Ordiwing wider den Vertragsbruch vom 28. März 1655^)
verbieten den Dienstherrschaften bei Strafe, entlaufene
Dienstboten ohne Rücksprache mit deim' vorigen Herrn zu
mieten; das Gesinde verliert seinen Lohtianspruch. Nach
cler Ordnung von 1655 erhält es auch ,,eine andere ge-
>visse Geldt- oder Gefängnüs Busse**. Prinzipiell nicht
verschieden, nur genauer ausgeführt, ist die Regelung
in den „Statuten xmd Willkühr** der Stadt Mühlhausen von
1692*), Tit. 24 Nr. 20 Art. 46, und in dem erneuerten
Heimbuche von 1736*).
In Greußen 1556*) und in Schwarzburg
1558'') genügte dem Rechtsbewußtsein der bloße Lohn-
verlust des Gesindes. Auch Erfurt war in den Zeiten
seines selbständigen Stadtrechtes mit der zivilrechtlichen
Regelung des Vertragsbruches zufrieden, wie die Poli-
zeiordnung von 1583®) erweist. Späterhin, in der kur-
mainzischen Zeit, kamen Gefängnisstrafen auf. Die 1704
ergangene Instruktion für die „Zweyermanns-Camlner** ®)
und die Dorfpolizeiordnung von 1786^®) normieren sol-
ches Recht. Die 1594 aufgezeichneten Statuten von Ru-
del Stadt") und die gleichzeitigen, übereinstimmenden
von Blankenburg") bestimmen, daß vertragsuntreues
Gesinde des Lohnes verlustig sein „imd abgeschafft (aus
der Stadt?) werden** soll.
Noch im 18. Jhdt. drohte die Stadt Jena mit Aus-
weisung und Dienstverbot für die Dauer des ursprünglich
') Stadtarchiv Mühlhausen. — ') Ebenda; den Heimburgenord-
nungen angebunden. — •) Ebenda. Ediktbuch von 1688. Abt. Y.
Fach 1. Nr. 3. Seite 419. — *) Stadtarchiv MOhlhauscn. — •) Stadt.
Bibüothek Mühlhausen. — •) Walch, Beyträge VII S.61flf., bes. 225.
- ') Ebenda I S. 286 flf., bes. 867. - •) Univ.-Bibl. Marburg. — •) Kurf.
mainz. Ordnungen f. Erfurt S. 142 ff., bes. 166, 166. — »•) Heinemann,
Rechte far Erfurt S. 866 ff., bes. 869. — ") Walch a. a. O. V S. 21 ff.,
bes. 62. - ") Ebenda S. 78 ff.
— 778 —
versprochenen Dienstes; außerdem enthalten die Statu-
ten von 1704^), die dies festsetzen, als Strafmittel Lohn-
verlust fürs nächste halbe Jahr. Und sogar die fenaer
Gesindeordnting von 1751 *) behält die Verbannungsstrafe
bei. Ja, sie dehnt sie in unglaublicher Weise aus: Das
weggelaufene Gesinde soll nach Herausgabe des erhal-
tenen Lohnes und der Geschenke sowie nach .Absitzimg'
von vier Wochen Gefängnis auf immer die Stadt mei-
den, es sei denn, daß die Dienstherrschaft auf dem Aus-
halten des Dienstes besteht; in diesem Fall bekommt
das Gesinde wenigstens Gefängnis und muß während der
Verbüßung der Strafe einen Ersatzmann stellen oder sich
Lohnabzug gefallen lassen. Die eisenac'her Statuten
von 1670 *) handeln in dem Kapitel „von Dienstboten" nur
über den Vertragsbruch, der mit Lohnverlust und Oienst-
verbot gesühnt werden soll. Die der Jenaer Ordnung
verwandte eisena<^her Gesindeordnung von 1757*) be-
stimmt folgendes. Wenn ein Dienstbote, der „ausge-
wintert, oder (wenn) die nothwendige und etwas saure
Arbeit vor der Thür wäre** davonläuft, so soll er seinen
Lohn verlieren, darf bei 5 Th. Strafe! von niemand ge-
mietet werden, und muß das ganze Jahr über Ort und
Land meiden. Oder er wird auf Verlangen der Herrschaft
wieder in den Dienst gezwungen imd sonstwie ernsthch
abgestraft.
Über das Länderrecht in Thüringen, soweit es eben
nicht schon berücksichtigt wurde, ist folgendes zu be-
richten. 1539 wollte die hennebergische Landesord-
nung *) mit Lohnverbot, Ersatzpflic'ht und Strafdrohungen
gegen Personen, die entlaufene Dienstboten aufnehmen,,
den Vertragsbruch des Gesindes bekämpfen. Etwas Neues
bringt die koburger Polizei- und Landesordnung, 1580
*) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S. U2. - •) Ebenda.
*) Strenge- De vrient, Stadtrechte S. 120 ff., bes. 162. — *) Kr. A.
München. GR.Fasz. 402 Nr. 3. — ») Schmidt a. a. O. IV S. 154.
— 779 —
gedruckt^). Der ungetreoie Diener verliert seinen Lohn-
anspruch und muß auch die noch ,übrige Zeit umsonst
atisdienea. Nur in der Landesordnung von 1589^) er-
klärte sich Weimar mit der Festsetzung des Lohn Ver-
lustes beim Vertragsbruche ziifrieden. 1651 wurde der
geschädigten Dienstherrschaft Verfolgung des entlaufe-
nen Gesindes auch in fremde Gebiete hinüber sowie Zu-
rückschaffung zum Dienste verheißen. Die Dienstboten
müssen dazu den herrschaftlichen Schaden ersetzen und
kommen etliche Tage ins Gefängnis^). Das Rechtssystemi
der alten burger Gesindeordnung von 1651*) — 5
Thaler Strafe und Dienstverbot — wurde späterhin man-
nigfach gewandelt. Die fürstlich gothaische und alten-
burgische Gesindeordnung von 1719*) setzte Strafe nach
Erkenntnis, Lohnverlust und Ersatzpflicht fest. Die Ord-
nung von 1744 ^) ordnete genauer als Strafe sechs Gulden
oder sechs Tage Gefängnis an und fügte noch zwangsweise
Zurückführung des Gesindes hinzu.
In Schaumburg soll das entlaufene Gesinde nach
der Polizeiordnung von 1615 '') den Lohn verscherzt iiaben ;
auf ein Jahr wird ihm der Dienst untersagt. Schon die Tax-
ordnung von 1670®) geht weiter. Vertragsbrüchige Dienst-
boten werden zum Dienste angehalten, ferner dazu, „den
Schaden mit ihrem Auswich verursacht abzutragen, oder
an dessen statt mit Wasser und Brod im' Thurm zu spei-
sen**. Die Gesindeordnung von 1738*) schließlich setzt
Ersatz und Gefängnisstrafe, eventuell auch Strafpfahl»
nic'ht bloß wahlweise, sondern kumulativ fest, vorausge-
setzt, daß das Entweic*hen aus dem Dienste ohne Ver-
anlassung geschah. Poena duph trifft die Herrschaft, die
») v. Weber, Statu tarrechte 1 S. 1128. — ") Schmidt a. a. O.
S. 141, — «) Ebenda. — *) Brandt, Der Bauer in Alten bürg S. 80.
— ») Univ.-Bibl Marburg. XVIII f A 870. - «) Ebenda XVIII f B
1119 g. — 0 Rot t mann S. 428 (Kap. 68). — •) Landesverordnungen
Schaumburg-L. I S. 404. - ») Ebenda II S. 886.
— 780 —
aus Barmherzigkeit einem: Dienstboten doch den volte
Lohn auszahlt. Ein Urteil des schaumburgischen One
Vehlen^) setzt Lohnverlust fest. In der detmolde
Polizeiordnung von 1620*) wird dem Vertragsbrüchige
Dienstboten willkürliche Strafe angedroht. 1Ö55 *) sind di
Folgen : Ersatzpflicht und Haft bei Wasser und Brot ; vei
tragtsbrüchiges Gesinde wird in Stadt imd Dorf nich
geduldet. Neu ist das Recht in der Gesindeordnung vor
1752*). öffentliche Strafe ist das Halseisen. Dazu mu£
^er Die.nstbote gegen Kalution den Rest der Zeit ohac
Lohn dienen, den er ganz verliert; will die Herrscht
<ien ungetreuen Diener nicht wieder aufnehmen, dant
wird dieser für die übrige Zeit ^um opus publicum ge-
bracht. Das Gesetz bestimmt ferner, daß bei Geldstrafe
von 6 Thalem oder Leibesistrafe niemand vextragsbrüchi
ges Gesinde aufnehmen soll.
Die waldeckischen Landesordnxmgem von 1581
tmd 1607*) wollen mit 5 Th. strafen Dienstboten, die
außerhalb der Zeit ohne gehörige Ursachen ihren Herren
aus dem Dienste gehen und sich in die Dörfer wieder
einschleichen, sowie alle, die sie wieder aufgenominen
haben. Weil die Dienstboten aus Armut die Strafsumme
meist nicht bezahlen konnten, wurde die Geldstrafe loit
Verordnung vom 20. April 1736«) durch fünf Tage G^
fängnis ersetzt. Die im Dezeim'ber desselben Jahres er-
lassene große Gesindeordnung^) will vornehmlich durch
Ausgestaltung des Zeugniswesens den Vertragsbruch be-
kämpfen. In den Orten, in die dienstloses Gesinde kommt,
sollen ihm sofort die Zeugnisse abgeif ordert werden ; sind
keine Zeugnisse vorhanden, dann ist die Person zu ver-
haften Und der frühere Dienstort zu benachrichtigen*};
*) Grimm, Weistümer III S. 812 ff., bes. 315. — *) LandcsvcT'
-Ordnungen L.-Detmold I S. 868. — •) Ebenda S. 408. — *) Ebenda II
S. 47. — •) Sammlung der Regierung Arolsen. — •) Ebenda. -
') Ebenda. - •) § 15.
— 781 —
Strafe droht nach § 23, ebenso denjenigen, welche denk
entlaufenen Gesinde Unterschleif gdben^).
PoUzeilichie Zurückführung in den Dienst, Ge-
fängnis,' Lohnverltist sind die BekämpfTingsmittel in
der sayn-wittgensteinischen Polizeiordnung von
1776 *). Der weise Polizeigeist der Gesetzgeber ergibt sich
daraus, daß der verfallene Lohn nicht der Dienstherr-
schaft zukommt, sondern von dieser an die Polizei abge-
geben werden muß; ist kein Lohn mjehr oder nur noch
sehr wenig rückständig, dann erhält das Gesinde gar
noch eine besondere Fiedelstrafe.
Aus Westfalen sei zunächst die paderborner
Gesindeordnung von 1655*) genannt. Treten Dienstbo-
ten ohne Kündigung aus, dann erhalten die Knechte 6,
die Mägde 3 .Mark Strafe, dazu werden sie bei Androhung^
leiblicher Gefängnisstrafe zum Dienen angehalten. In der
Stadtordnung und Willkür Gesekes von 1593*) wird
neben dem Abwendigtnachen auch der Fall, daß die
Dienstboten „sonsten muthwillig aus dem Dienst l retten**^
mit willkürlicher Strafe bedroht. Nach der ravensber-
ger Gesindeordnung von 1766^) kommen Vertragsbrü-
chige Heuerlinge ins Zuchthaus. Zu Münster erging
zunächst 1372 das Gebot, daß das unfreie Gesinde den
anderswo eingegangenen Dienst aushalten muß^). Spä-
terhin wurden auf Grund der Gesindeordnung von 1722'')
Dienstboten nach einem Vertragsbruche mit Pfahl imd
Rollhaus gestraft. 1740 in der Polizeiordnung ®) ging man
dazu über, das Gesinde auf ein Jahr auszuweisen imd
ihm aufzugeben, ein halbes Jahr lang einen Ersatzmann
zu bezahlen oder entsprechendes Geld zu entrichten. Die
0 § 16. — *) Univ.-Bibl. Marburg. — •) Landesverordnungen
Paderborn I S. 6. — *) Habeische Sammlung ; konnte im ersten Teile
(oben S. 191fr.) noch nicht berQcksichtigt werden. — •) Ravensb.
Blätter für Geschichts- etc. Kunde 1909 S. 67. - •) Auf die Aus-
fQhrungen oben S. 867 imd 449 sei hier verwiesen. — ^ Sammlung
Münster I S. 368. — •) Univ..Bibl. Marburg.
— 782 —
Verwandtschaft dieser Bestimmting mit dem Rechte
Koesfelds von 1574^) ist offenbar; hier mußte der
•ungetreue Diener ein Jahlr lang die Stadt räumen, außer-
dem der Herrschaft auf ein halbes Jahr einen andern
Dienstboten lohnen oder das Geld dafür ersetzen. 3^1^
Th. Strafe droht die bentheimische Gerichts- und
Landesordntmg von 1690 *) den Vertragsbrüchigen Dienst-
boten; sie müssen atißerdöm' auch' noch den Dienst aus-
halten oder einen halben Jahreslohn „auskehren".
Vom clortm-under Rechte liegt eine dem 15. Jhdt.
angehörige, für Wesel bestimmte Oberhofentscheidung
vor^). Eine Frau hat ihre Tochter zum Dienste vermie-
tet. Die Tochter hat den Vertrag gebrochen und ist zur
Mutter zurückgekehrt. „Na onser stads rechte so is die
vrouwe, die oir dochter vermyedet hefft, der vrouwen, die
sy gemyedt hadde, so vele schuldich to geven, als die
vrouwe oerre dochter to loen gelovet hadde."
Gl e V e hatte das anfängliche mildere Vorgehen, wie
es in der Gesindeordnimg von 1644*) zum Ausdruck ge-
kommen ist, bald überwunden. Die Gesindeordnung von
1696 bringt neben der oben*) erwähnten vorbauenden
Bestimmung, daß der neue Mieter sich bei der vorigen
Herrschaft erkundigen muß, schon ein wohl ausgebil-
detes Strafrecht. Es stehen laut § 4 auf Vertragsbruch und
Nichtantritt des Dienstes sowie auf Verstecken in frem-
dem Hause 10 Thaler Strafe. Auf den Vertragsbruch
allein setzt § 5 noch besondere Ahndung fest: Gefäng-
nis bei Wasser und Brot für die doppelte Zeit der ver-
säumten Tage und auf Anzeige Bestrafung mit „der Dril-
len, Zuchthause oder anderer arbitrairen Straffe"; außer-
dem wird der Entlaufene zurückgeschafft und muß der
Herrschaft das für fremde Aushilfe bezahlte Geld er-
*) Niesert, Urkundensammlung III S. 171. — "; Schlüter,
Provinzialrecht I S. 486. — •) Frensdorff, Statuten S. 278 ff., bes.
284. — *) Oben S. 769. — ») Ebenda.
— 783 —
setzen ; und beträgt er sich nun, nach der Zurückf ührung,
widerspenstig oder sonst untüchtig, dann ist opus pubhcum
oder sonstige arbiträre Strafe sein Los. Dieser umfang-
reichen Regelung gegenüber dokumentiert sich in der
Verordnung vom 12. Februar 1731^) eine Erschöpfung;
die früheren Gebote wider den Vertragsbruch sollen wei-
ter gelten. Der alte Ton klingt wieder 1753 in der Ge-
sindeordnung ^). Der imgetreue Diener wird nach Tit.
VII § 8 durch die Magistratsleute aufgesucht, in Haft
gebracht, mit Gefängnis oder dergleichen bestraft und
braucht von der Herrschaft nicht wieder aufgenommen
zu werden; die Livree und den Lohn des letzten Quartals
verliert der Dienstbote auch, — den Lohn übrigens,
„welc'hes in solchem Fall, damit es nicht etwa das An-
sehen habe, daß die Herrschaft allzueigennützig sey, denen
Armen zufließen kan". In Tit. VIII § 5 wird denen, die
entlaufenes Gesinde beherbergen, mögen es auch Bluts-
verwandte sein, mitgeteilt, daß sie „davor nachdrücklich
angesehen** werden, öfters entlaufenes Gesinde soll von
niemand aufgenomimen, „auch so viel möglich, in der Stadt
gar nicht gelitten werden**. Nicht ganz so kompliziert
redet die agrarische Gesindeordnung von 1769 in § 41 *).
Sie sagt nur kurz, daß der Dienstbote verhaftet wer-
den soll, damit die Desertion gebührend gestraft wird;
die Herrschaft kann den Lohn einbehalten.
Ob die Beschwerden der jülicher Ritterschaft
1566*) über die „on ursach abtredenden** Dienstboten
Erfolg hatten, war nicht festzustellen. Partikulär für die
Stadt Düsseldorf erging 1706 eine Polizei- und Tax-
ordnung, die 1728 erneuert wurde*). Die Einleitung von
Art. 20 klagt über den Vertragsbruch; er wird mit Ver-
lust Ües Lohnes und arbiträrer Strafe geahndet. Dagegen
») Scotti, Cleve S. 1104. — ") Ebenda S. 1452. — ») Ebenda
S. 1894. — *) V. Belo w, Landtagsakten II S. 90. — ») St. A. DOssel-
dorf. Nr. 1009 der Sammlung jQlichschen Verordnungen.
— 784 —
war es nach der allgemeinen j ü 1 i c h e r Verordnung voni
16. Februar 1739 1) so, daß nur Schiadensersatz und Ver-
bot anderweitiger Dienstannahme auf Vertragsbruch stai
den. Nachdem ami 16. November 1744*) als Präventir
bestimmt worden war, daß Dienstboten sich bei Lohn-
verlust nicht früher als ein Vierteljahr vor Ablauf ihre:
früheren Dienstzeit neu vermieten dürfen, wurde am 15.
Dezember 1751*) im Einverständnis mit Kurköhi Brüct
tenstrafe dem Schadensersatz hinzugefügt ; .dies wurde vm
neuem am 18. Sept. 1794 *) eingeschärft. Die beiden Ge-
sindeordnungen von 1801 imd 1809*), sonst oft gleich-
artig, haben etwas verschieden lautende BestimmiingeiL
Während die von 1801 noch mit den alten Mitteln, Ar-
rest und Zuführung zum Dienst, vorgeht, und der Herr-
schaft ein Rückhaltsrecht an deiT Kleidern und am Lohn
des Entlaufenen gibt*), wird 1809 nur der Verlust des
Lohnanspruchs gegen die Herrschaft statuiert'); will der
Dienstbote einen andern Dienst suchen, darm soll er ak
Viagabund ergriffen und bestraft werden.
Kölnisches Recht war zimächst milde Präven-
tion ®), dazu kam 1645 ^) noch das Verbot, ohne Ursache
ausgetretenen Dienstboten den Aufenthalt zu gestatten.
Nur konsequente Weiterbildung dieser Grundsätze bedeu-
tet das völlige Landesverbot, wie es die Polizeiordnun^
von 1656^°) ausspricht. Aus gutem Grunde milder war
ein Erlaß vom 2. Mai 1718 *^), der nicht vornehmlich den
Vertragsbruch, sondern mehr den Dienstwechsel außer-
halb der festgelegten Ziehzeit straft, und zwar mit Lohn-
verlust und anderer willkürlidher Strafe. Ein Zurückgrei-
fen auf die ehemaligen milden Grundsätze vollzieht die
») Scotti, Jülich S. 360. — «) Ebenda S. 400. — ») Ebenda
S. 444; St. A. Düsseldorf. Akten des Bonner Hofrats. Kurköln Re-
gicrungssachen Nn 47. Gesinde 1770—84. — *) Scott i S. 745.—
») Ebenda S. 880, 1262. — •) Art 12. - ') Art 24. — «) Oben S. 769.
— •) S c o 1 1 i , Köln I 1 S. 249. — ") Ebenda S. 268. - ") Ebenda & 613.
— 785 -
Polizeioildniiiig' von 1723^). Die eben erwähnte jülicher
^erordniungf von 1751 ist mit Köhi geimieinsaJn erlassen
ivorden ; Emeuenuig'en folgten 1770 und 1784 *).
Ans N a s s a u ist als ältestes Stück die 1424 mit Nach-
barstaaten vereinbarte Lohhordnung* *) zu niennen. Sie sta-
tuiert als Strafe einjähriges Dienstverbot. Nach der nas-
saiier Montagsordnimg von 1586*) soll der Vertrag vom
Gesinde bei Turmstrafe ausgehlalten wetdea. Die Polizted-
ordntmg für Nassau-Katzenelnbogen von 1597*)
heißt die Obrigkeit, vorzeitig eintlaufene Dienstboten „der
gebür anmsehen". Die Geisindeordmmg für Nassa.u-B e i 1-
sftein von 1618^) verweist auf eine (nicht ermittelte)
Polizeiordntmg, die den Vertragsbruc^h untelrsagt. Auf die
katzenelnbogener Polizeiordnung nimmt die nassau- sie-
ge ner Gesindeordnung von 1718'') Bezug; die ausgetre-
tenen Dienstboten sollen tarn Aushalten des Vertrages
„angewiesen** imd mit Strafe angesehien wearden. Eine
undatierte und chronologisch schwer einzuordneinde ältere
Rügordnung für die Herrschaft Idstein®) droht dem
Vertragsbrüchigen Gesinde mit ewigem' Dienstverbote im-
Lande. Die u s i n g e r Gesindeordntmg aus dem Anfange
des 18. Jhdts. ^) ist milder und hat als Strafen Gefängnis
und Zuchthaus bei Wasser und Brot. Niemand, auch
nic^ht die Eltern, darf einen vertrag^sbrüchigen Dienst-
boten aufnehmen und herbergen.
Für Kurhessen liegt die früheste Nachricht über
die Behandlung des Vertragsbruches in den beiden Weis-
tümem von 1447 und 1506^®) vor. Sie setzen Lohnver-
') Oben S. 769. — *) Staatsarchiv Dasseldorf. Akten des Bonner
Hofrats, Kurköln, Regierungssachen Nr. 47. Gesinde 1770—84. —
') Gaul, Verhältnisse des Bauernstandes in Solms-Braunfels S« 127 ff.
bes. 180 f. — *) Corp. Const. Nass. I S. 609. — ») Univ.-Bibl. Marburg.
— •) Corp. Const Nass. II S. 29. — 0 Ebenda in S. 170. — ») St A.
Wiesbaden. V Nassau-Usingen. Generalia II a Verordnungen Bd. V
S. 1. - •) Ebenda S. 128. — »•) Oben S, 22flf.
Kfinnecke. e^
— 786 —
hist fest. Weiter gehört der an anderer Stelle*) teilweise
wiederg^gebelne marbiirger Schöffenspruch aus dem) Jahre
1522 hierher. Die Herrin mtiß den Lohn zahlen; aber
„so sich erfindt, das das metgfen sonder laube ussm' dinste
gangen, solle sie ledig etrkant werden**.
Einstweilen regelt sidi das in Hessen noch, ohne Ger
setz. Erst hlmdert Jahre später gereift der Gesetzgeber ein.
Die Polizeiordnüng von 1622 *) ist die früheste Quelle. Sie
behandelt ausschließlich den Vertragsbruch, und zwar mit
Hilfe zivilrechtlicher, straf rechtHcher und polizeilicher
Maßnahmen. Die polizeiliche Regelung geht dahin, daß
kein Dienstbote ohneZeiugnis des Abschieds aus dem vori-
gen Dienste von einer neuen Herrschlaft gemietet werden
darf; die herrschaftliche Bescheinigung wird ausdrück-
lich als Maßnahme wider den Vertragsbruch genannt.
Einer direkten zwangsweisen Zuführimg in den Dienst
wird nicht gedacht. Die Verpflichtung zum Wiedereintritt
wird zwar ausgesprochen, doch wird diese Pflicht nur
durch strafrechtliche Maßnahmen, nämlich Turtnstrafe
und zeitlich unbeschränkte Verweisung aus Stadt und
Amt wirksamer gemacht. Ohne Rücksicht auf Wieder-
eintritt oder gänzliches Ausbleiben hat der Dienstbote
den rückstehfenden Lohn verwirkt. Femer muß er der
Herrschaft den Schaden ersetzen^ insbesondere die ver-
säumte Zeit bezahlen.
1736') wird angeordnet, daß der Vertragsbrüchige
Dienstbote ins Zuchthaus konmit, und daß er rückstän-
digen Lohn, Livree und Zeugnis verwirkt *). Nach § 5
untersteht das entlaufene Gesinde rüdem der besonderen
Kontrolle der Obrigkeit ^). Ebenso emergisch wie die alt-
') Oben S. 602. - •) LO. I S. 616. - ») LO. IV S. 410. - *) § 18-
— •) Über eine Verwirklichung dieser Vorschriften im Rechtsstreite
unterrichten die Deutschordensakten »die vom Syndico der Land*
Commende Höchsten Orts wegen des Gerichtsstandes der Ordens-
Bediente übergebene Beschwerde betr." von 1784/5 (St A. Marburg).
Darin befindet sich die Abschrift zweier Prozesse aus neuerer Zeit
— 787 —
i^ssische von 1736 ist die hanauer Gesindeordnung von
. T48 ^). Sie droht geschärftes Gefängnis bei Wasser und
5 rot, bei Mitnahme der Livree sogar doppelte Gefängnis^
; träfe. Außerdem wird der Fäll in den Zeitungen veröffent-
icTit, und der entlaufene Dienstbote wird auf Verlangen
.vieder in den Dienst geführt. Wer Gesinde verreizt oder
entlaufenes aufnimmt, wird mit Geld, nach Befinden auch
im Leibe gestraft.
Die Gesindeordnungen von 1797 und 1801*) über-
riehmefi diese Grundsätze nur teilweise. Eines der wich-
tigsten Mittel, die Zurückführung, wird bewußt^) weg-
gelassen. Es wird ferner noch eine Bestimmung für den
Fall hinzugefügt, daß das Gesinde sich den Abschied
ertrotzt*). Wenn nämlich das Gesinde, ohne ein Recht
dazu zu haben, vorzeitig den Dienst kündigt und die Herr-
schaft nur, um keinen gezwungenen Dienstboten zu ha-
lben, darein willigt, so darf sie doch das ganze Mietgeld,
nicht nur pro rata temporis, vom Lohne abziehen. 1801
weicht von 1797 nur in ganz nebensächlichen Bestim-
mungen (wegen der Livree) ab.
Im' Laufe des 19. Jhdts. wurde vornehmlich die
zwangsweise Zuführung wieder ^um Gesetze erhoben, und
zwar durch Ausschreiben von 1857^), bestätigt 1858®).
Mit dem uralten und veralteten Gedanken des Dienst-
verbotes operierte noch 1858 die hanauer Polizei gegen
Dienstboten^ die in einem Jahre schon den dritten Dienst
verlassen haben ^).
Der eine war vom Erbschenken in Frohnhausen wider den Knecht
Heinrich Meyer von Oberweimar gerichtet. Der Beklagte lief dem
Schenken weg in den Dienst des Ordens, aus dem er dann auch
durchgegangen ist. Der Orden hat „weiter nichts** als 5 Th. 46 albus
Gut behalten, „welcher (Lohn) der herrschaftlichen Verord-
nung gemäss dem hohen Orden anheimgefallen". Entscheid ist dahin
gegangen, dass Orden und Schenk sich in diese Summe teilen müssen.
') St, A. Marburg. IX A 1621. — •) LO. VII S. 727 ; VIII S. 26.
— •) Oben S, 98. - *) § 8. - ») Oben S. 165 f - •) Oben S. 168. —
') Oben S. 168 f.
50*
- 788 _
Von hessischen Nebenländeim ist (außer den. bereit
in anderm Zusanimenhiangie erledigten Schaumburgr unc
Hanau) zunächst Gelnhausen anzuführen. 1560 wurd<
hier den Vertragsbrüchigen Dietistboten Lohnverlust iind
einjähriges Dienstverbot angedroht^).
Fulda behandelte am 7. April 1761 in einem Re-
skript *) den Vertragsbruch, in der Art, daß ziinächst ohne
Untersuchung der weggelaufene Dienstbote polizeilich zu-
rückgeführt und dann Klage über die Rechtmäßigkeit
erhoben werden sollte. Strafe drohte dem Gesinde aber
nicht, wohl aber denen, die es durch „Ableit- iind Ver-
reitirung** zum Vertragsbruch veranlaßt hatten. Im' Gegen-
satz zu diesen Bestimmungen stehen Thomas' Angaben
über das fuldische (Gewohnheits-) Recht ^). Danach mußte
der weggelaufene Dienstbote der Herrschaft bloß Ersatz
leisten. Vielleicht ist diese Mitteilung nicht so richtig
als das, was bei den Vorarbeiten für die Gesindeordnung
von 1816 über <üe städtische Gewohnheit berichtet wurde*],
allerdings gleichfalls im Widerspruch mit dem! Reskript
von 1761. Entlaufene Mägde wurden danach bisher der
Herrschaft wieder zugeführt und mit Zwangsarbeit be-
droht. Wenn sie vom Lande waren, und auf keine Weise
ihre Zeit aushalten wollten^ wurden sie „nach uralt
hiesigem Gebrauch" aus der Stadt geführt, in der
sie hinfort nicht mehr dienen durften. Die Vorschriften
der Gesindeordnung von 1816 imterscheiden sich dann^^)
in nichts Wesentlichem vom' hessischen Schema.
In Isenburg drohte die Kirchendisziplinordnung
von 1697 *) dem Gesinde, das „mUthwillig aus ihren Dien-
sten zu treten sich' unterstehen würde**, mit „ernstlichem
Einsehen und Bestrafmig**.
Aus dem Gebiete Hessen-Darm$tadts ist Oppen-
») Oben S. 121 f. -. «) Oben S. 288. - ») Sistem III § 666; oben
S.182. - *) Oben S. 168. — •) Möller-Fuchs S. 118. - •) Ker-
stin g, Sonderrechte Sp. 894ff., bes. 900, i
— 789 —
li e i m anzuführen, dessen großes Stadtbuch *) als einzige
gesinderechtliche Bestimmlung den Satz enthält, daß der
Vertragsbrüchige Dienstbote seinen Lohn verscherzt. Die
friedberger Polizeiordnung von 1680 *) statuiert Turm-
strafe wider entlaufenes Gesinde.
Wenn sich auch die schwachen Territorialverbände
vielfach mit bloßer Aufforderung an ihre Mitglieder, Ge-
setze 2U erlassen, begnügen mußten, so war doch gerade
in der Bekämpfung des Vertragsbruchles das Vor-
gehen des Reidhes und der Kreise von Erfolg be-
g^leitet. Seit 1530 mahnten die R e i d h s polizeiordnungen
die Einzelländer, strafend wider die vertragsuntreuen,
Dienstboten vorzugehen*). Aus dem 17. Jhdt. ist der
Vereinbarungen des fränkiscfhen Kreises zu gedenken.
Eine Übereinkunft vom September 1643 *) bestimmte unter
Verweisung auf frühere Polizei- und Taxordnungen, ins-
besondere eine solche von 1623, daß der Vertragsbruch
verboten werden solle. Gleiches wurde in einem Rezeß
vom Oktober und November 1654*) angeordnet; durch
Ausgestaltung des Zeugniswesens, Lohnverlust und son-
stige ernstliche Bestrafung sollte der Mißstand beseitigt
werden. Auf eine 1651 geschehene Vergleichung des
sc'hwäbischen Kreises bezieht sich eine Ordnung der
Stadt Biberach aus 1651®). 1652 wurde weiter eine ge-
druckt vorliegende Gesindeordnung vereinbart'). Lohn-
verlust, Aufenthaltsverbot, zwangsweise Zuführung, kör-
perliche Strafen, sogar Landesverweisung haben die Ver-
tragsbrüchigen Dienstboten zu erwarten. Aus dem Jahre
1 654 stammt ein mainzischer Rezeß ®), der mit zwangs-
^) Wilhelm Franck, Gesch. d. Reichsstadt Oppenheim S. 178 fr.,
bes. S09. — ') Univ.-Bibl. Marburg. — *) Neue u. voUst. Sammlung d.
Reichs-Abschiede II S. 882 (1580), 587 (1548), III S. 879 (1577); oben
S. 85ff. — *) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. — •) Moser, Des
Fränckischen Crayses Abschiede, I S. 800 ff.; Landesverordnungen
WQrzburg I S. 248 ff., bes. 244. — •) Kr. A. Neuburg, ad N. 5887.
Augsburg Hochstift ad gen. XI Nr. 2. — ') St A. Stuttgart. — ') Stadt-
archiv Frankfurt. Corp. leg. Francf. III Nr. 66.
— 790 -
weiser Zurückführung in den Dienst und mit Turmstrafe
operierte. Welche Erfolge diese Unternehmungen hatten«
wird aus der folgenden Darstellung des süddeutschen
Rechtes ersichtlich.
Der mainzer Rezeß zwar fand in seinem Rechte des
Vertragsbruchs keine nachweisbare Gefolgschaft. Die
frankfurter Taxordnung von 1654*) bringt nur Lohn-
vorschriften.
Dagegen waren die Mitglieder des fränkischen Krei-
ses der Ermahnung zum gesetzgeberischen Vorgehen größ-
tenteils schon zuvorgekommen.
Würzburg zum Beispiel schritt schon, wenn auch
ungeschickt, 1644 gegen den Vertragsbruch ein. Die in
diesem Jahre erlassene Taxordnung*) gestattet es „kei-
nem Ehehalten ohne erhebliche Ursach, imder dem Ziel
ausszutretten** ; von Ersatzleistung oder Strafe wird nichts
gesagt. Den Mangel heilt die folgende Taxordnung von
1662'). Vertragsbrüchige soll kein anderer bei 12 Gld.
Strafe annehmen; Hehler oder Helfer, die das ihnen be-
kannte entlaufene Gesinde nicht anzeigen, erhalten Geld-
oder Gefängrniss träfe. Schadensersatz und Lohnverwir-
kung sind weitere Folgen für den entwichenen Dienst-
boten. Die oben erwähnte Satzung des fränkischen Kreises
von 1654 wurde auch in Würzburg eingeführt *). In der
Gesindeordnung von 1749^) wurde Mannigfaches ziem-
lich regellos bestimmt in den §§ 5, 9, 11, 17. Die Herr-
schaft braucht keinen Lohn zu geben. Ein Jahr lang
darf der entlaufene Dienstbote in der Stadt nicht dienen ;
er wird solange ausgewiesen (§ 5). Dem widerspricht
scheinbar § 11, wonach der ohne Kündigung austretende
Dienstbote nur V* J^^r l^ng ausgewiesen wird; damit
ist aber offensichtlich der Austritt mit Ablauf der ver-
') Ebenda Nr. 63. - «) Kr. A. Wflrzburg. V. 9561. — ») Ebenda.
- *) Landesordnungen WOrzburg I S. 248 ff., bes. 244. — ») Ebenda
II S. 639.
— 791 —
iinbarten Zeit gemeint, woraxifhdn. zu kündigen der Dienst-
30te unterlassen hat. Die dem entlaufenen Gesinde Unter-
><rlilupf verschaffen, werden nach § 17 mit 20 Th. be-
straft; 10 Gulden muß zahlen, wer es in Dienst „oder
sonsten** annimmt.
Uralt im Vergleich mit den übrigen fränkischen Län-
dern ist das Recht in Bamberg. Das Stadtrecht des
X4. Jhdts. ^) versagt den Dienstboten das der Herrschaft
zustehende Recht willkürlicher jederzeitiger Dienstbeen-
digtmg. Nur bei Vorliegen eines Grundes ist unzeitigei
Lösung des Verhältnisses unter Zustimmung des Gerich-
tes gestattet. Eine Ausnahme gilt für christliches Juden-
gesinde. „Dy mügen nrlaup nemien wenn sie wollen**
xind sollen dodh ihren Lohn bekommen *). 1533 wird eine
Strafe, Dienstverbot, eingeführt ') ; auch die weiterhin fest-
gesetzte Summe von zehn Gulden soll wohl als Strafe
des Gesindes für den Vertragsbruch gelten. Einen be-
sonderen Abschnitt widmet die Tax- und Gesindeordnung
von 1652 *) den „entlaufenen Dienstbotten**. Niemand darf
solc^he bei 20 Th. Strafe mieten, ehe edn Zeugnis der
vorigen Herrschaft vorgezeigt xmd ihr der durch den Ver-
tragsbruch entstandene Schaden ersetzt ist. Die Obrig-
keit trachtet den entwichenen Dienstboten nach, führt
sie in die Arbeit zurüdk oder gibt ihnen einige Wochen
Haft, oder, je nachdem, ein Jahr Arbeitsstrafe. Geld-
buße oder Gefängnis haben alle zu gewärtigen, die ent-
laufenen Dienstleuten Unter3chlejif geben oder Vorschub
leisten, oder die um das Ausreißen wissen und es nicht
anzeigen.
Das Recht des Vertragsbruches in brandenbur-
gisch Franken beginnt mit einer am: 28. November
1649 getätigten Hochfürstlichen Resolution auf Beschwer-
den der voigtländischen Ritterschaft*). Das Vertrags-
') Zöpfl, Urt S. 109. — ») Ebenda S. 110; oben S. 402. —
*) Kr. A« Bamberg. Bamberger Verordnungen Rep. Ul Nr. 59. —
*) Ebenda. — •) Kr. A. Bambei^ Collectanea. Rep. 187 h er. 1.
— 792 —
brüchig« Gesüide soll mit Zwang in den Dienst zurück-
geführt werden. Die Taxordnung von 1652^) verweist
auf eine nicht näher angegebene Polizedordnung sowie
auf die Rechtspolizeiordnung'en und -Abschiede, insbe-
sondere auf den von 1530; hiat ein unter Vertragsbruch
ausgetretener Dienstbote etwas gestohlen, dann soll er
wie ein gewöhnlicher Dieb behandelt werdöi*). Nach
der Polizeiordnung von 1672*) soll dem Vertragsbrüchi-
gen Diener kein Lohn gegeben werden; ein Jahr Landes-
verweisung oder Gefängnis ist die weitere Strafe. Die
revidierte Polizeiordnimg von 1746*) bleibt bei diesen
Grundsätzen. 1769*) wird angeordnet, daß die entlau-
fenen Dienstboten aufgesucht, mit 48 Stunden Arrest be-
straft und zum Ausdienen gezwtmgen werden sollen.
Die anfange in Nürnberg ausgebildete Auswei-
sungsstrafe*) ist in der Verordnung von 1579^) auf ein
Jahr normiert, verstärkt mit zwanzig Pfund Strafe, die
sowohl an die Dienstherrschaft als auch an den Rat zu
zahlen sind. 1628®) wird die Dauer der Verbannung auf
zwei Jahre für einheimische, vier Jahrei für auswärtigie
Dienstboten festgesetzt.
In dem EhhaitreChte der Vogtei Hahnbach von
1559^) ist die Straf summe fünf Gulden; dazu kommt der
Lohnverlust. Zwei Gulden genügen der Polizeiordnung
des Amtes Markt Einersheim von 1626*^). Die Poli-
zeiordnung für Eichstätt von 1707^^) schließlich sta-
tuierte Lohnverbot, Untersagung jeglicher Unterkunft,
Geige, Triller oder gar Ausweisung samt zwangsweiser
Zurückf ührung ; diese letzte wenigstens für den Fall, daß
») Kr. A. Amberg, Zug. 6. Fasz. 24 Nr. 212. — •) Oben S. 560 f.
— *) Corp. Const. Brand.-Culmb. II 1 S. 556 ff., bes« 5di. — *) Ebenda
S. 675 ff. - •) Kr. A. Nürnberg. S. 28 ^ Nr. 779. Repert 288. —
*) Kamann S. 72. — ') Kr. A. NQraberg. Bestand A Akten Nr. 24
S. I L. 565. — •) Ebenda. Nr. 1628 S. 9. — •) v. Fink, geO&ete
Archive 1. Jahrg. S. 861 ff., bes. 868. - ») v. Webe r, Statutarrechte II
S. 1104. — ") Habeische Sammlung.
— 793 —
der Dienstbote zu spät gekündigt hat und gleichwohl
ausgetreten ist.
In der Ob erpfalz wurden 1628*) den Vertrags-
brüchigen Dienstboten vierzehn Tage Gefängnis oder im
Vermögensfalle je ein Gulden Strafe für jeden dienst-
losen Tag angedroht ; zehn Gulden mußte jeder bezahlen,
der einen entlaufenen Dienstboten aufnahm. Die bekann-
ten Mittel: zweimalige „Einthürnimg" imd Verbot, ein
Jahr lang in der Stadt zu dienen, werden seit 1742 auch
in Pfalz-Zweibrüc'ken angewandt, lun gegen die Un-
sitte des Gesindes, das ohne „erhebliche Ursache" ent-
lief, vorzugehen^).
Das alte Recht von Augsburg*) stellt lediglich
fest, daß ein Dienstbote ohne Zustimmung seines Herrn
nicht aus dem Dienste gehen darf, ehe die rechte Zeit
gekommen ist. Auch die regensburger Statuten aus
dem 14. Jhdt. *) sind so genügsam. Dagegen legt Rup-
rechts Buch*) dem entlaufenen Knechte Lohnerstat-
tung auf ; zwiefachen Lohn muß der Knecht geben, wenn
er aus dem Dienste geht, obwohl er bereits Lohn erhalten
hat. Weiter noch gehen Kaiser Ludwigs Rechts-
buch^), das münchener Stadtrecht ^), das freisin-
ge r Stadtrecfht von 1359®). Sie regeln zunächst das Be-
weisrecht: „Gieng ain chnecht oder ain diern von irem
herren, und spraech, si hiet ir maisterschaft vertriben
mit übler handlung oder von himgers wegen, oder spricht,
man hab im urlaup geben; mag sich der maister davon
genemen mit seinem ayde, daz er dez nicht getan hab, dez
sol er geniezzen ; ez bezeug dann der chnecht mit zwaien,
als hievor geschriben stet, daz im also war, als er für
') Platzcr S. 128. - «) Kr. A. Spcicr. Best Zweibrücken ffl
Rep. 34 Nr, 1846 b. - •) Meyer Nr. 129. — *) v, Freyberg, hist.
Schriften u. Urk. V S. 7C, bes. 50. — >) Maurer S. 166 (Kap. 186).
— •) V. F reyb e rg a. a. O. IV S. 888ff; bes. 426 (Art 88). - ») Auer
S. 64 (Art 188). - •) v. Freyberg a. a. O. V S. 162 ff., bes. 188.
— 794 -
geben hab/* Je der Schuldige, Herr oder Knecht, miifc
dann den Lohn zahlen oder einbüßen; der Richter er
hält 72 Pfennige.
Das Kloster Tierhaupten an der Ach bestimmte
etwas später in seiner Gesindeordnung 0, daß dem va-
tragsbrüchigen Gesinde kein Lohn gegeben werden darf,
daß der Herr es an andern Diensten „irren***), es „in
die keichen ^) legen" und zum Ersätze anhalten mag*. Daß
das Gesinde für den Vertragrsbnich seine Lohnansprüche
verliert, ist audh weiter das Recht mancher südbayeri-
sohen Stadt: Ronsburg* 1517, Rothenbuch 1676.
O herze 11 1676, Abtei Ochsenhausenca. 1695, sowie
Dinkelsbühl und Kloster Ursberg, diesie beiden unda-
tiert*). In Ronsburg und Rothenbuch galt außerdem Dienst-
verbot; nach ochsenhausener Recht mußte auch der be-
reits angenommene Lohn zurückgegeben werden, und in
Dinkelsbühl war die Lösung die, daß das entlaufene Ge-
sinde nur dann gestraft wurde, wenn es bereits allen
oder fast allen Lohn erhalten hatte.
Das spätere Landesrec'ht Ältbayerns brachte neue
Gedanken auf. Durch Polizeiordnung^ von 1500 und Lan-
desordnung von 1501 *) wurde die Landesverweisung ohne
Zeitbeschränkung eingeführt. Auf dem Landtag von 1507
schlug man freilich vor, die Verbannung durch bloße Lei-
bestrafe und zwangsweise Zuführung zu ersetzen^); auch
1508 drangen die Stände auf wirksamere Bekämpfung
des Vertragsbruches ^). Aber erst die Landesordnung von
1516 änderte'das Recht «). Die ausgetretenen Dienstboten
sollen gehalten werden, weiter zu dienen oder Schadens-
ersatz zu leisten oder einen Ersatzmann zu stellen. Tun
') Grimm,Weistümer VI S,199flf. - ") = verhindern; Schmellcr,
Wörterb. I Sp. 181. — •) = Kerker; ebenda Sp. 1219. ~ *) v. Weber,
Statutarrechte IV S. 818; 287; 292; U S. 1016; IV S. 882. — ») Platzcr
S. 75, 78; Kren n er, Landtagshandlungen XIII S. 261 ff., bes. 301. -
•) Piatzer S. 80. — ') Ebenda S. 86. — •) Ebenda S. 88ff.
— 795 -
sie nichts von dem, dann erhalten sie Gefängnis- iind an-
dere Strafen und dürfen keinen andern Dienst annehmen.
Auf 'drei Jahre ausgewiesen werden Dienstboten, die zur
Erntezeit der Herrschaften ins Ausland entweichen. 1553
und 1616 wurden diese Grundsätze wiederholt^). Mit ein-
fachem Verbote läßt es die Gesindeordnung von 1652*)
genügen. Dieser Mangel wurde erst 1746*) durch Ein-
f ügung der zwangsweisen Zurückführung beseitigt. 1755*)
kam dann die je nach Rückfällen gestaffelte Freiheits-
strafe hinzu. Die Ordnung von 1761*) ließ es so, die
von 1781^) vereinigte all die möglichen Mittel in beson-
derer Ausführlichkeit. Die bisher nach Monaten bemes-
senen Strafen werden nun auf ein Jahr Arbeitshaus odear
gleich sechs Jahr Militär in die Höhe geschraubt.
Bis ins 16. Jhdt. reicht das württembergische
Recht zurück. Vor dem Landesrecht seien einige Orts-
rechte angeführt. Nach den Gebräuchen von Botwar
aus dem Jahre 1552*) soll der entwichene Ehehalt gar
keinen Lohn beanspruchen können, imd er muß „den
kosten abtrag thun nach erbar Leuth erkhennen**. Mit
Lohn Verlust strafen ferner das Vogtbuch Ramsbergs
von 1556^), die Rechte Rechbergs und anderer Gräf-
lich Adelmannscher Orte von 1577 «), Wißgoldingens
von 1612^). Das ramsberger Recht fügt noch das zeit-
lich unbeschränkte Gebot hinzu, daß die entlaufenen
Dienstboten „in diesem geridhtszwang zu dienen nit gcr
statt werden.** In der Ordnung Wißgokiingens wird statt
dessen auf ein Pfund Strafe erkannt. Zu B i b e r a d h er-
ging 1651 auf Grund eines Kreistagsvergleiches eine .Ge-
') Ebenda S. 98, 108. — •) R. A. München. Gen. Samml. Rep.
S. 9 Nr. 5. ~ •) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. - *) Chur-
baierisches Intelligenzblatt 1776 Nr. 39. - »^ Kr. A. München. GR.
Fasz. 404 Nr. 7. — •) Kr.' A. München. AR. Fasz. 459 Nr. 209. —
0 Reyscher, Statutarrechte S. 484flf, bes. 488. — •) Wintterlin,
Württembergische landliche Rechtsquellen I S. 759 flf., bes. 767. —
•) Ebenda S. 682 ff, bes. 715. — ") Ebenda S. 798 ff, bes. 866.
— 796 —
Sindeordnung*), die durch Lohnversagung, AusweisuEi
oder sonstige Strafe sowie zwangsweise Zurückführunj
zum verlassenen Dienste dem' Gesinde die Lust am Vc
tragsbruch nehmen wollte. In der Polizeiordnung fi
Schwäbisch- Hall von 1703') wurde dem vertragi
brüchigen Gesinde Geldstrafe auferlegt.
Einige Jahre früher schon als die Ortsrechte setzt»
die Landeshoheit mit neuer Rechtsbildung ein. Dii
erste Polizeiordnung von 1549 *) beruft sich auf die Reicfc
Polizeiordnung. Das fortgelaufene Gesinde bekommt kei
nen Lohn und darf von niemandem' ohne Willen der frt-
beren Herrschaft gemietet werden. Die 5. und 7. \^
desordnung von 1552 und 1621 *) schließen sich dem an.
Eine andere Gruppe setzt sich aus dem 1. Landrech:
von 1555, dem 2. von 1567 (2. Teil, am' Ende der con
ductio, unmittelbar vor denn Werkvertrag), dem 3. vod
1610 zusammen*). Wem» Taglöhher, Knecht und Mägde
„ohn ursach aus dem Zil giengen", der miag sie durci
die Amtleute „hiandthaben und behefften *, bis sie ausdienen
oder Schaden gut machen. „Wer aber einem nit ge^
legen sie also zubeschafften und in Dienst ferrer anzune-
men, so soll er jhhen doch umib vergangnen Lohn zu-
geben nit schuldig sein" ; außerdem werden sie noch ge-
straft. Das Jahr 1555 kennt außerdem noch eine Ein
sdhärfung der Polizeiordnung (von 1549), am 8. August
erlassen «). Man soll sol<^hie Dienstboten ins Gefängnis tun,
„und als leichtfertige, die jr zusagen trawen und glauben
vergessen, onnachlässig straffen". Die 4. Taxordnung von
1642 ') beschäftigt sich wieder mit der Frage. Sie spricht
den Dienstboten für den Vertragsbruch den Lohnanspnidi
ab und tut sie ins „Narrenhäuslin" «). Energischer ist
») Oben S. 789. - «) Sickcl S. 99. — ») Rcyschcr, Gcscw
XII S. 149. - *) Ebenda S. 193, 717. — •) Ebenda S. 288, IV S. lU
V S. 1. - •) Ebenda XII S. 288. - ') Ebenda XIII S. 17. — •) Ein Kafi«
zu öffentlicher Schaustellung der Übeltater; Staudenraus, Chronik
von Landshut II S. 179.
— 797 —
die Gesindeordnung von 1652 ^), die im Ansöhluß an die
kurz vor hier 1652 abgeschlossenen Vergleichung des
scJh'wäbischen Kreises ^) mit Geigen- und Turmstrafe oder
Ausweisung droht, den Lohn für verwirkt erklärt, und
anordnet, daß der Dienstbote auf Vetlangen eintreten
muß, kein anderer ihn mieten darf. Die 1669 zwischen
schwäbischen Städten und Ämtern vereinbarte Taxord-
nung^) äußerte sich in ähnlicher Weise. Für einen be-
schränkteren Kreis schuf die Schäferordnimg aus dem
Jahre 1651*) Recht. Sie setzt Geldstrafe fest für den
Fall, daß die Mietung des Schäferknechts vor Ablauf
des Dienstjahrs erfolgt; für die Strafe haften die Schafe
des Knechts, „die er dem Meister gestellet".
Aus badischem Lande ist als ältestes Stück das
zweite Stadtrecht von Überlingen (um 1400)*) erhal-
ten. Lohhverlust und einjähriges Dienstverbot sind die
Folgen des Vertragsbruches. Mit Lohnverlust begnügte
sich Idie Gesindeordnung des Klosters K ö n i g s b r ü c k *).
Nach freiburger Stadtrecht von 1520') kann sich der
verlassene Dienstherr das ungetreue Gesinde zwangsweisie
zurückführen lassen. Will er das nicht, dann braucht er
doch nicht den ganzen Lohn zu geben; der Dienstbote
soll gestraft werden; wie, ist nicht angegeben. Das 1527
aufgezeichnete, 1596 neu gefaßte Stadtrecht von Adels-
heim«) will wider Lohnsteigerungen, „uf wüschen** zu un-
rechter Zeit und andere Mutwilligkeiten des Gesindes im
allgemeinen „nichts sonderlichs ordnen**; doch soll we-
nigstens den Vertragsbrüchigen Dienstboten kein Lohn
gegeben werden. Die in der Polizeiordnung für Vi 11 In-
gen von 1668^) wider das Dienstverlassen wählend der
Erntearbeit angedrohte ,, exemplarische Strafe** wird des
*) Ebenda S. 114. — •) St. A. Stuttgart. Druck; oben S. 789. —
•) St A. Stuttgart. Handschrift. — *) Reyscher a. a. O. S. 108. —
•) Oberrhcinbche Stadtrechte II 2 S. 52 ff., bes. 70. - •) Mone^
Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins I S. 191 ff. — ^) Habeische Sammlung.
— •) Oberrh. Stadtrechte I S. 648. — •) Ebenda II 1 S. 208 ff.
— 798 -
näheren als einjährige Stadtverweisung , Turmstrafe, La
sterstein mit Lohnverlust bestimmt.
„Im fall aber ein Ehehalt ohne erhebliche Ursache:
vor dem Ziel auss seinem Dienst trette, dem soll man gx-
nichts geben'*, sagt die Taxordnung der Stadt Heidel
berg: vom 1. Januar 1579*). Aus dem' Gebiete der Kur
pfalz sind weiterhin die beiden großen Landesordnui:
gen (Landrecht) von 1582 und 1610*) anzuführen. Über
einstimmend verheißen sie dem geschädigten Dienst-
herrn, daß ihm der entwichene Dienst böte wieder zug?
führt werden oder daß er ihm Schadensersatz leisten soll
will der Herr vom Wiedereintritte nichts wissen
dann braucht er auch dem Dienstboten keine Belohnung
zu geben, dazu wird dieser seines „Muthwillens" halbe:
noch mit einer Amtsstrafe belegt. Nach vorgängriger An
kündigtmg in der Polizeiordnung von 1658') nahm man
in Kurpfalz mit der folgenden Polizeiordnung von 1684*
eine Neuregelung dahin vor, daß Schadensersatz und
Lohnverlust als Repressivmittel gewählt wurden. Das
Hauptgewicht aber legte man auf die vorkehrende Hand
t^be einer Ausgestaltung des Zeugnbwesens.
Von kleineren Territorien schuf sich der Klet-
gau 1603*) besonderes Recht in der Art, daß ver
tragsbrüchige Dienstboten Turmstrafe und keinen Lohn
bekommten ; vor Ablauf der versprochenen Zeit dürfen sie
anderwärts keinen Dienst annehmen. In der Gesinde-
ordnung der Herrschiaf t Gutenburg von 1652 ®) werden
Lohnversagung, Geige, Turm und Verbannung als Straf-
mittel genannt.
Im 18. Jhdt. erschienen mehrere große Gesinderechts-
systeme in Baden, die stetig an der Bestrafung des Ver-
tragsbruches festhalten und gar noch neue Mittel er-
«) Kr. A. WQrzburg. V 9561 ; Gen. L. A. Karlsruhe Kopiarbuch 603.
— •) Univ.-Bibl. Marburg. — ») Ebenda. — *) Ebenda. - ») Habdsche
Sammlung. — *) Gen. L. A. Karlsruhe. KopiarbOcher Nr. 692 d.
— 799 —
sinnen. Das Landrecht von 1710^) verheißt der Dienst-
herrschaft zwangsweise Zurückführung des ausgetretenen
Gesindes, es sei denn, daß solches „einem ehrlichen Hauss-
vatter ohngtelegen" ; in diesem Falle braucht der ehr-
liche Hausvater keinen Lohn zu herzählen. Die Dienst-
boten werden gestraft und sind ersatzpflichtig. Nach der
Gesindeordnung von 1731, erneuert 1755*) wird das vfer-
tra^brüchige Gesinde an der „schwarzen Tafel" öffent-
lich bekannt gegeben; nach Befinden wird es ausgewie-
sen und verliert den rückständigen Lohn. Das Recht
des Vertragsbruches ist in der sonst mild modernen frei-
burger Gesindeordnung von 1782*) in ähnlicher Weisfe
recht hart. Das entlaufene Gesinde wird von der Polizei
aufgesucht, zurückgebracht, auf acht Tage ins Spinnhaus
geschickt, ein Jahr lang aus der Stadt ausgewieisen ; der
noch nicht ausbezahlte Lohn gfehört den Armen. Der
einzige Fortschritt, der für die sonst völlig neuartige badi-
sche Gesindeordnung von 1809 *) festzustellen ist, besteht
im Fehlen der Verbannungsstrafe. Polizeiliche Zurück-
schaffung und körperliche Bestrafimg (die eirst nach der
Ausdienung vollzogen werden soll) sind geblieben, eben-
so die Ersatzpflicht; für den Schaden haftet auch, wer
dem Vertragsbrüchigen Dienstboten Unterkimft gab.
Die österreichische Gesindeordnung fürs Erz-
herzogtuYn unter der Enns von 1765*) gestattet polizei-
liche Aufsuchung der entlaufenen Dienstleute auf An-
zeige der Herrschaft. Das eingefangene Gesinde wird
„in gefänglichen Verhaft" gebracht „imd sodann nach
beschaffenen Umständen zur billigen Spiegelung ande-
rer seineis gleichen wohl empfindlich gezüchtiget**;
schärfste Strafe wartet der Beherbergier des entlaufenen
*) Univ.-Bibl. Marburg. — ") Gen. L. A. Karlsruhe. Pfalz Generalia
5047. — ») L. A. Karlsruhe. Baden Gen. 6891. — *) Gen. L. A. Karls-
ruhe Provinz Niederrhein. Gesindepolizei. Lit B. Nr. 1 IV 2. -
•) Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1.
— 800 —
•
Gesindes und der bösen Personen, die es ziim Vertrags-
brüche verreizten. Die Gesindeordnungr von 1779 fürs
Land ob der Enns*) ist gleicfhen Sinnes, aber weit prak-
tischer, Ida sie die Straf^i genauer faßt. Nach Rückfällen
werden die Strafen gestaffelt. Ein Beamtej-, der sich
säumigT in der Verfolgung der flüchtigen Dienstboten er-
weist, erhält 18 Gld. Strafe und muß der Herrschaft
den Schaden ersetzen. Flieht der Dienstbote aus den
Erbländem, dann wird er steckbrieflich verfolgt.
Dies ist das Recht des Vertragsbruches, wie es sich
vom Mittelalter an bis ins 19. Jhdt. hinein gestaltet hat.
Es ist — insbesondere im Verg^l^ch mit dem« weiter unten
behandelten Recfhte des herrschaftlichen Vertragsbruches
— ungerecht, überaus ungerecht. Aber das entspricht,
wie schon im Eingange zu diesem' Abschnitte ausgeführt
wurde, so sehr dem Wesen der sich stets gleich bleibenden
Gesindegesetzgebung, daß es nicht verwundern kann.
Einen, wenn auch arg* hinkenden Sieg kann sich
die Gerechtigkeit sogar noch zugute schreiben. In § 12 *)
wurden bereits einige in der Person der Dienenden ge-
giegebene Gründe angeführt, aus denen dem Gesinde ein
Recht vorzeitiger Dienstbeendigung bisweilen gegeben
wurde. Wenn in recht vielen Gesetzen den Dienstboten
auch wegen ungünstiger Eigenschaften der Herrschaft
das Recht sofortigen oder baldigen Austritteis verliehen
wird, so bildet diese Rechtseinrichtung lediglich eine nö-
tige Ergänzimg zu jenen in § 12 behandelten Gestaltun-
gen. Allerdings ist die Regelung nie so, daß das Dienst-
verlassen straflos bleibt, wenn der Dienstbote „seines Ab-
tritts erheblichen ursach gehabt** (hess. Taxordnung 1622).
Stets fordern die Gesetzgeber vielmehr, daß das Gesinde
Beschwerden der Obrigkeit anzeigt und deren Gestattung
des Austrittes abwarte't ; hat das Gesindel diesen Weg
») Ebenda Nr. 2. — ») Oben S. 788 ff.
— 801 —
nicht emg^chlagen und eigenmächtig den Dienst ver-
lassen, dann wird es wegen Vertragsbruches gestraft, mag
aXLdh Ider Herr noch so schlimmfen Anlaß zum sofortigen
Fortlaufen gegeben haben.
Solche Anzeigepflicht legten dem Gesinde auf die
Gesindeordnimg* des Herzog^tums Holstein von 1740 *),
die Statuten Greußens von 1556, Frankenhausens
von 1558, die Weimarer Verordnung von 1651, die
altenburger von 1744, die Jenaer von 1751. Im
moringer Stadtredhte heißt es ausdrücklich: Der ver-
tragsbrü<?hige Knecht verliert seinen Lohnanspruch, „id
wore denne irkannt, dat sin herre ome soda un-
recht und ungelik to foyget hedde, dat he von not den
denst darume breken moste; so wore ome wess pflichte
na irkantnisse**. Vom Rheinlande gehören hierher
die gemeinsamie Ordnung für Jülich und Köln von
1751, die große clevische Gesindeordnung von 1753.
Die große Lohhordnung, auf die sich 1424 der Graf von
Nassau mit seinen Nachbarn verglich, enthält die Ge-
stattung vorzeitiger Vertragslösung durch das Gesinde
für den Fall, „dass es sein löhn Herr also gröblich an
den Dienstbotten brachtt, das köntlich were, das es nicht
pleiben könte**.
Hessen blieb stets bei dem Grundsatze der Polizei-
ordnung von 1622, daß erst Anzeige und obrigkeitliches
Befinden dem Gesinde vorzeitige Freiheit geben darf. Wie
diese Art hier auch im 19. Jhdt. noch durchgeführt wurde,
zeigt eine 1840 in Fulda ergangene polizeiliche Entschei-
dung^). Der entlaufenen Magd wird darin aufgegeben,
zurückzukehren. „Wenn sie auf Lösung des Dienstver-
hältnisses klagen will, muss sie dieses besonders thuen.
*) Die meisten der hier angeftkhrten Gesetze wurden bereits im
Verlaufe dieses Abschnittes durch Zitate belegt. — ") St. A. Marburg.
Fuldaer Regierung. Acta in Betreff Beschwerden der Dienstherr-
schaften gegen ihr Gesinde und umgekehrt. Pol. Rep. A. Nr. 8.
— 802 —
Dieses ist ihr bekannt zu machen mit deim' Bemerke?:
dass, wenn sie von Seiten der Brodherrschafft oder dt:
erwachsenen Söhne ungebührlich behandelt wurde, s^:
deshalb ebenfalls klagen könne. Der X. ist vorzuladeri
und ihm zu empfehlen, dass die fragl. Magd in seinen
Hause g*ut xmd sittlich behandelt werde.**
Das älteste Zeugnis für gleiches Vorgehen in Süd
deutsdhland ist im b am' berger Stadtrecht des 14.
Jhdts. *) gegeben: Die der Herrschaft verliehene Mach:
einseitiger Kündigung steht dem Gesinde nicht zu. „Es
wer dann solicher unredlicher gebreche da daz sie pillich
urlaup hetten und das den gebrec'hen daz gericht erkente
so sallen sie es auch haben und iren lidlon nemen iv:
die vergangen zeit, on geverde** *). Audh die bamberger
Taxordnung von 1652 wies die Dienstboten an die Be-
hörde. So war es ferner nach der brandenburgi-
schen Taxordnung desselben Jahres, im altbayeri-
schen Rec'hte seit 1516^), in Baden nach den Ge-
setzen von 1731 und 1755, in Österreich seit 1779.
Die neu gearbeiteten Systeme, des Gesinderechts, die
unter französischem Einflüsse zu Beginn des 19. Jhdis.
geschaffen wurden, geben präziseres Recht. Es wird den
Dienstboten (wie auch den Herrschaften) eine genau for
mulierte Tabelle von Gründen, die zu vorzeitigier Kündi-
gung berechtigen, aufgestellt. Musterbeispiele sind die
jülicher Gesindeordnungen von 1801 und 1809, die
badisc'he von 1809. 1801 werden dem Gesinde für vor-
zeitige Kündigung mannigfaltige Gründe, teils in seiner
Person, teib in der Herrschaft entstanden, zur Verfügung
s
gestellt, so Schläge, Fehlenlassen des nötigen Unterhal-
tes, „wenn die Herrschaft das Gesinde zu was unzulässiges
verleitet", Heirat, Krankheit, wenn die Eltern des Dienst
') Zöpfl, Urk. § 895. - *) Da6 christliches Judengesinde obn«
weiteres nach bamberger Recht entlaufen durfte, wurde oben S. 791
vermerkt — ») Platzer S. 88, 97, 108. <
— 803 —
>oten ans einem nicht vorhergesehenen Grunde bedürfen
mit Strafe auf Unwahrheit). 1809 wird in Jülidh noch die
Mangelhaftigkeit der Kost, in Baden z. B. lange Reise
der Herrschaft genannt. Der königl. westfälische
Entwurf von 1813 ^) führt insbesondere Beleidigungen an,
deretwegen ein Dienstbote vorzeitig gehen darf.
Die Folgen, die ein gegründeter vorzeitiger Austritt
für das Gesinde hat, werden freilich nur allzu selten mit
<ier nötigen juristischen Schärfe ausgesprochen. Wo über-
haupt davon die Rede ist, heißt es gewöhnlich, die Obrig-
keit solle das Nötige veranlassen, sie solle nadh Billig-
keit entscheiden. Als Beispiel kann das alte moringer
Recht dienen *).
Über präzisere Festsetzungen ist folgendes ziu sagen.
Daß dem Dienstboten, der durch Schuld des Herrn aus
dem Hause gehen mußte, sein Lohn gegeben werden soll,
steht in der oben angeführten Stelle des alten bamber-
ger Stadtrechtes. Das freisinger Recht von 1359*)
gestattet dem entlaufenen Kmechte, den Eid der Herrschaft
über das Nicht vorliegen von Kündigungsgründen mit zwei
Zeugen zu überbieten. Gelingt dies, dann muß der Herr
den Lohn geben und sogar dem Richter 72 Pfennige als
Buße. Eine überlinger Ratsverordnung, die von 1558
bis 1572 galt *), verordnete : „Es mecht sich auch ain miai-
ster oder fraw mit iren diensten so ungepeurlic^h halten,
also das sie vor dem zeil mit unlieb von ain ander komen,
so soll es, wie von alter her jnit dem' lohn gehalten
werden." Wie diese Gewohnheit war, ist nicht festzu-
stellen. In Peina bestimmten die Statuten 1597*):
„Würde sich auch ein Herr oder Fraw jegen Ihr gesinde
Also verhalten, das sie weic'hen musten, dem' sol man Ihr
Lohn geben, was verdienet ist.**
*) Oben S. 140 ff. - •) Oben S. 801. — ») Oben S. 798. - *) Oberrh.
Stadtrechte II 2 S. 457, 468. — •) Pufendorf, obs. iur. IV app.
S. 242ff., bes. 278; Peine, Bez. Hildesheim.
61 •
— 804 —
Fürs 17. Jhdt. mag die hessische Taxordnung von
1622^) als Beispiel dienen; der mit Recht ausgetretene
Dienstbote soll den ganzen Jahreslohn erhalten; wenn
er es verlangt, auch einen Abschied.
Die schau mburger Gesindeordnung von 1738*)^
in diesem einen Punkte ein Vorbild trefflicher Gerechtig-
keit, setzt fest, ehe ein Dienstbote wegen Vertragsbruches
gestraft wird, solle untersucht werden, ob nicht die Herr-
schaft durch schlechte Behandlimg, schlechtes Essen, zu
schwere Arbeit Anlaß zum Entweichen des Dienstboten
gegeben hat. War dem tatsächlich so, dann ,muß die
Herrschaft dem Dienstboten den vollen Lohn zahlen und
wird dazu noch gestraft. Die holsteinische Gesinde-
ordnung von 1740*) geht zwar nicht so weit, die Herr-
schaft zu strafen. Jedoch, wenn die Untersuchung er-
gibt, daß der Herr die ihm über seine Dienstboten zuste-
hende Macht „in Unrecht, Wüterey und unmässigen Eifer
verkehrete", dann ist die Herrschaft zur Zahlung des
vollen Lohnes und weiter des Schadensersatzes wegen
des unverschuldeten vorzeitigen Austrittes des Dienstbo-
ten verpflichtet. Mit Leistung des schuldigen Lohnes
wurde der Dienstbote in Würzburg nach der Gesinder
Ordnung von 1749*) abgefunden.
Als Anhang reihe sich hier ein kurzer Bericht über die
Entwicklung in Ostdeutschland an.
Von 1550 an ging man in Brandenburg^) gegen
das Vertragsbrüchige Gesinde von Gesetzes wegen vor, mit
Lohn Verlust für den einfachen Fall, mit Strafen für den
Vertragsbruch nach angenommenem Lohne. 1575 wurden
diese Bestimmtmgen wiederholt und weiter zwangsweise
Zuführung gestattet. Gründe zu vorzeitigem Dienstaus-
*) LO. I S. 616 ; oben S. 801. — •) Landesverordnungen Schaum-
burg-L. II S. 386; oben S. 779f. — ») St. A. Schleswig. Sammlung
GroßfQrstl Verordnungen; obenS. 772 f.—*) Landesverordnungen Würz-
burg II S. B39; oben S. 790 f. — *) Lenn ho ff S. 96 ff.
— 806 —
tritte erhielt das Gesinde erst im Allgeanieinen Landrecfat
zugebilli^. Die vom Landrecht in Verfolgtmg der Ver-
tragstheorie weggelassene Bestrafung des Gesindes — ge-
waltsame Zurückführung war vorgesehen — wurde 1810
in die Gesindeordnung wieder eingefügt ; 2 bis 10 Thaler
beträgt die Strafe.
Die Gesetzgeber in Kursachsen^) begannen 1446
mit Festsetzung von Lohnverlust wider die entwichenen
Dienstboten. Vornehmlich arbeitete man in Sachsen mit
Aufenthaltsverboten oder -Beschränkungen, so 1446, 1482,
1543, 1651. Im Jahre 1543 wurde die Ersatzpflicht des
Gesindes statuiert. Feste Strafen wider Vertragsbrüchige
Dienstboten ^und ihre Helfer stehen in der Gesindeordnung
von 1651. Etli<^he Wochen Gefängnis, auch ein Jahr
Festung bei Wasser und Brot droht den Dienstboten,
Geld- und Gefängnisstrafe denen, die ihnen Vorschub lei-
sten. Die Polizei fahndet fleißig nach dem ausgetretenen
Gesinde, „an allen Orten auch in anderen Landen**.
Trotz schlimmsten Verhaltens des Dienstherm darf das
Gesinde nicht eigenmächtig weglaufen, sondern muß erst
die Behörde hören.
Die grausamsten Rechte Ostdeutschlands sind die
des Ordenslandes und Schlesiens. *
Im Ordenslande wurden während des 15. Jhdts.
immer wieder Verbote des Vertragsbrudhes erlassen; das
Gesinde mußte eine Geldbuße zahlen und ein Jahr umsonst
dienen *). Die Landesordnung von 1494 ordnete dann an *),
daß das Vertragsbrüchige Gesinde verfolgt werden sollte.
Der Henker nagelt es mit einem' Ohre an die Staupsäule
und gibt ihm ein Messer in die Hand. Schneidet es sich
das Ohr ab, dann ist es frei.
Der schlesische Fürstentag beschloß 1553*), daß
die entgangenen Dienstboten verfolgt und zurücktrans-
^^)~Wuttke S. 7, 10 20, 83. - •) Frauenstädt S. 872. —
•) Ebenda; Steffen S. 16. *) Frauenstädt S. 877.
— 806 —
portiert werden sollen; bis zum Ablauf der vereinbane:
Zeit müssen sie ihre Arbeit bei deim' Dienstherrn in Eisr-
gefesselt tun. Den wahren Grund für das häufige Vo:
kommen erkannte der Fürsten tag 1581 ^), und auch eim
Amtskurrende von 1602*) drückt es aus: die großen Hvi-
ren sollen nur besser umgehen mit ihrem Gesinde, dai^:
läuft es schon nicht weg. Trotz aller Weisheit gingen dir
Gesindeordnungen des 17. Jhdts^) aber weiter auf der.
stets begangenen Wege und gelangten so dazu, wider dai
mehrfach Vertragsbrüchige Gesinde die Todesstrafe
zu erkennen. Auf das einfache Delikt steht Halseis^:
ferner Festung mit Schanzarbeit bei Wasser und Brot, fall-
die Dienstherrschaft den entlaufenen Dienstboten nicht
wieder aufnimmt. Der einfache Rückfall hat Staupen-
schläge und Landesverweisung nach sich. Von Amts wegen
werden Straßen und Wirtshäuser nach Vertragsbrüchigen
Dienstboten abgesucht. Nicht wieder zu erlangendes Ge
sinde wird aufgeboten, in contumaciam an den Pranger
geschlagen und auf ewig ausgewiesen*).
Anhang zu § 13: Koalitions ver b ct.
Gesindevereine mit den Zwecken unserer modernen
Gewerkschaften kannte die Vergangenheit nicht. Wohl
aber gab es embryonale Organisationen, Dienstbotenver-
») Ebenda S. 878. — *) Ebenda. - ») Ebenda S. 882. — *) Genau
wie das deutsche Recht verordnete die holländische Gesindeordnung
von 1719 gegen den Vertragsbruch hohe Geldstrafe, dem Ermessen
des Richters überlassene Freiheitsstrafe, zwangsweise Zurückftkhrung;
Behaegel, Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin du Comite
central du travail industriel 1905 S. 660). Nach dem zu L Ö w e n im
18. Jhdt geltenden Rechte stand Lohnverlust auf dem Vertragsbruch;
des MareZy Les bureaux de placement ä Bruxelles (Revue de l'üni-
versitz de Bruxelles 1905 S, 241 ff., bes. 256). Strafe des Vertrags-
bruchs nach französichem Recht s. Ferriere, Dictionnaire II
S. 642.
— 807 —
einigimgen von Fall zu Fall, die bisweilen auch wirtschaft-
liclie Änderungen im Kleinen des Einzelhaiishaltes oder
Lohnerhöhungen erstrebten, wenigstens nach Ansicht der
Gesetzgeber, die dagegen ankämpften. Oder es zeigten
sich Erscheinungen, die man „unabsichtliche Organisa-
tionen** nennen könnte; Lohnsteigerungen oder Gesinde-
mangel wurden der vereinigrten Macht des Gesindes zuge-
schrieben, das sich seiner Gewalt bewußt sei. So war
es beispielsweise 1767 die Auffassung in Hessöi, daß die
Dienstboten sich ihrer gemeinsamen Interessen bewußt
seien, und daß sie es in diesem Gefühl der Zusammen-
gehörigkeit unternehmen könnten, als Masse dein unter
einander uneinigen Dienstherrschaften eintgegenzutreten.
Wie schön polterte damals der biedere Amtsrat U c k e r -
mann in Germerode gegen solche ihm unerhörten An-
schauimgen ^).
Nur einige wenige Staaten kämpften auch gegen die-
ses Übel der Gesindekoalition, das ihnen nicht geringer
erschien als all die anderen Unarten xmd Untaten des
Gesindes. Ein württembergisches Generalreskript
vom 8. August 1555 ^) mJag als das älteste zuerst genannt
sein. Ohne daß eine Bestimmung in der Sache selber
getroffen würde, wird nur festgestellt, daß sich „andere
Gesellen, Knecht und Mägt, durch heimliche practick xmd
meuterei arglistiglich bereden, gleicher gestaJt hinzuzie-
hen, und vor jrem Zil in andere Dienst zubegeben, auff-
wegen und verfüm.**
Ob auch eine Vorschrift des hessischen Hof rech-
tes '), daß dem Hofgesinde das Meutern, Rottieren, Balgen
und Ausfordern untersagt ist, hier herangezogen werden
kann, mag dahin gestellt sein; vielleicht sollten nur die
Raufereien der Knechte untereinander verjx)ten werden,
') Oben S. 79. — *) Reyscher, Gesetze XII S. 288. — •) Bei-
spiel: Hofordnung 1570 Art. 12 (LO. III S. 177).
— 808 — '
während man an ein Revoltieren wider den Arbeitgeber
dabei gar nicht dachte.
Demnächst bringt die österreichische Gesindr-
Ordnung von 1658^) ein direktes Koalitionsveibot. Sr
erwähnt „einer Zusammenschwörung des Gesindes, ir-
sonderheit aber der Kutscher, welche einem und andem
in Dienste zu treten nicht gestatteten, bevor nicht der
welcher etwan Übeln Verhaltens wegen des Di^istes ent-
setzet worden, seinen Lohn empfangen hätte**. Es wirf
angeordnet, zu weiterer Vorkehrung dergleiciien 2^
sammenschwörungen „anzudeuten**. Die Gesindeordnuß?
von 1765*) befiehlt, „dass das gefährliche Zusammen
schwören der Dienstleute, ihre Dienste sammt \ind sam
mentlich auf einmal zu verlassen, auf das nachdrucksamstt
hindanngehalten, und zu dem Ende das hierinnfalls be-
tretende Gesind nach vorhero empfindlicher Züchtigung
auf einer Bühne zu jedermanns Kenntniss öffentlich ausge^
stellet, sodann von hier völlig abgeschaffet werden solle**.
Die ganzen Nöte, die ein Streik den Arbeitgebern zu
verursachen mag, sprechen aus einem* Rundschreiben der
pfälzischen Regierung an die Ämter und Städte, da-
tiert Heidelberg 7. Februar 1683 *). Als Dokument für ein
frühes Vorkommen sozialer Kämpfe zwischen landwirt-
schaftlichen Arbeitern und Arbeitgebern sei der entschei-
dende Passus im Wortlaut mitgeteilt:
„Nachdem Uns "underschiedlich vorkommen, was mas-
sen die dienstbotten und gesinde so wohl als Taglöhner in
Unssern Landen mm eine geraume Zeither in Ihrem resp.
Jahrs- und Taglohn mercklich gestiegen, auch sich darin
von niemanden mass noch ziel geben lassen wollen, son-
dern, da Ihnen soviel Sie Selbst ohnbilliger weiss fordern.
^) Sonnen fels, Grundsätze der Polizey-| Handlungs* und Finanz*
Wissenschaft. 8. Aufl, 1777 Nr. 180 Anm. 1. — ») Ebenda; ferner Kr. A.
München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. — •) Gen. L. A. Karlsruhe. Pfalz
Generalia 5046.
— 809 —
nicht alsbald accordiret werden will, gleichsam durch einen
Complot die jenige, so Ihrer benöthiget darzu zti zwingen
sich unterstehen in dem sie entweder gesamter hand solche
dienst oder arbeit im geringeren Jahrs- oder Taglohn nicht
annehmen, oder wan Sie im- Dienst seind, zu solcher Zeit
da man Ihrer am nöthigsten hat, darauss zu tretten trohen;
wordiu-ch dan den jenigen so Sich Ihrer brauchen müssen,
nicht geringe beschwehrde zu wachsien und sonderlich
bey dem landtman, der auss den güthern ziehende nutzen
mehrentheils auff das kostbare gesinde xmd Taglöhner ver-
wendet werden muss/*
Die Regierung schlägt den Ämtelm Einführung einer
Gesindeordnung vor, in der vor allem stehen müßten eine
Taxe und die Bestimmung, daß das Gesinde sich nicht
mehr auf ein halbes Jahr vermieten darf, daß vielmehr
die Dienstzeit ein Jahr beträgt, das von Neujahr ab läuft.
Die vielen von den Ämtern einlaufenden Gutachten ent-
halten meist ausführliche Taxvorschläge und Zustiml-
mungserklärungen zu dem Vorhaben deir Regierung. Über
den Erfolg war nichts zu ermitteln; es ist wahrscheinlich,
daß die Regierung ihr allgemein gebilligtes Vorhaben aus-
geführt hat.
Für das 17. Jhdt. sind noch die folgenden Verordnim-
gen zu nennen.
Schlesische Gesindeordnimgejn aus den fünfziger
Jahren*) drohten mit der Todesstrafe den Dienstboten,
die gegen die Lohntaxen mit Drohungen oder ZusamJmen-
rottungen revoltierten.
In T ö n n i n g erging am 8. August 1661 „des Stellers
Verordnung wegen der Arbeitsleute, so sich im Eyder-
städtischen gegen die Emdte einstellen, xmd von deren
^) Frauenstadt 8.888. Als einziges ostdeutsches Recht, das
diese Oberhaupt von den Gesetzgebern sehr vernachlässigte Materie
behandelt, sei es hier im Zusammenhange mit der westdeutschen
Entwicklung gebracht.
— 810 —
Meuterey und Schlägerey" ^). Da wird geklagt, ,,da5=
einige fremde Leute, so sich zu der Aerndte Arbeit ailk.
im Lande befinden, und denen man sonst einen billig?'
Verdienst gern gönnet, die Freyheit in Bedingung' d«
Tagelohns hindern, und andere zwingen wollen, dass sie
um nicht minder Preiss ihre Arbeit versprechen soller.
als etwa ihnen gelüstet, und daher neulich Schlägerey urc
Tumult am heil. Sonntag bey der Kirche entstanden,
daraus leicht lieh grösseres Unheil erfolgen könnte, won
nicht zeitig solcher Bosheit vorgekommen würde".
Bei Gelegenheit eines Verbotes, außer Landes zu
dienen, wird in einer detmolder Verordnung vom 2C.
Februar 1680*) mitgeteilt, daß dem gemeinsamen Au>
wandern die Arbeitemot im Lande zu verdanken ist. Di."
Arbeiter ziehen hinaus und versuchen, „zu gleichmässigei
Arbeit andere zu bereden und dadurch ihre Compagnit
dergestalt zu verstärken, dass oftermals die Hausleute
und Meiere, auch andere, welche zum Ackerbau und son-
sten anderer Arbeit Knechte und Gesinde halten müssen,
deren kaum bemächtiget seyn können, geschweige, dass
solches Gesindel, wann es nach verrichteter Arbeit wieder
heimkehret, gemeiniglich mit schlimmen Krankeiten be-
haftet und damit andere anzuzünden pflegen'*. Es ist
noch keine bewußte Organisation gegen die Arbeitgeber,
aber es ist der Weg dahin.
Nicht viel später, in anderen Territorien, waren sich
die Dienstboten schon klar darüber, daß sie vereinigt eine
Macht bedeuteten. Die hannoversche Gesindeord-
nung von 1732^), auch hierin für einige weitere Gesinde-
ordnungen vorbildlich, enthält in den Artikeln 14 imd 15
das Verbot einer Dienstbotenkoalition: „Solten Dienst-
boten einander zur Widersetzlichkeit verleiten, ja so gar
unter sich gegen die Herrschaft sich verbinden, sollen die-
*) Corp. Stat. Slesv. I S, 312. — ") Landesverordnung U-Dctmold
I S. 487. — •)Spangenberg, Verordnungen f. Hannover IV 2 S. 461.
— 811 -
selbe nach Befinden mit Gefängnis-Straffe zu Wasser uitd
Brod oder dem Karrensdhieben nach Grösse des Ver-
brechens, auf kurtze oder längere Zeit bestraffet werden.**
Krnstli<^he Strafe steht auch auf der Einführimg schlim-
mer Gewohnheiten, besonders darauf, daß sich das Ge-
sinde unter einander „vergleicht** imd dadurch veran-
lassen will, daß der Herrschaft die Dienste nicht wie bisher
geleistet werden. Fast unverändert übernahmen die
s c haumburg-lippische Gesindeordnung von 1738^)
und die hanauische von 1748*) die Verbote.
Die hessische Ordnung von 1736 ^), die in vielem
die hannoversche Ordnung sklavisch nachahmt, bringt
dagegen keine derartigen Sätze. Daß dagegen den hessi-
schen Gesetzgebern des Jahrhunderts die Furcht vor der
Organisation ebenso im Blute lag wie ihren .Kollegen in
andern Ländern *}, zeigt eine Äußerung, mit der, der Regie-
rungsrat Motz 1782 den Antrag einiger Schäfer auf Zu-
lassung von Schäferzünften ablehnte^): „Das Zimftge-
such ist denen Schäfern . . . um deswillen abgeschlagen
worden, weil man besorgen musste, dass denen Schäfern
dadurch Gelegenheit gegeben würde, denen Schaafhaltem
ihres Lohns halben und sohsten gleichsam gesetze vorzu-
schreiben. So billig das Gesuch an sich ist, so scheinet es
mir doch auch zu gefährlich zu seyn, ohne eine nähere
Prüfung für die snpplicanten favorabiliter anzutragen, weil
die Schäiere so voller räncke sind, dass sich der erfahrenste
und wachsamste oeconom für ihren vielen Betrügereyen
nicht genug stellen kann.** Die Regierung stellte sich
auf denselben Standpimkt und schlug den Schäfern ihr
Gesuch ab.
Nicht ganz so deutlich wie in der hannoverschen
*) Landesverordnungen Schaumburg-L. II S. 836. — *) St. A.
Marburg. IX A 1621. — •) LO. IV S. 410. — *) Vgl. auch die Be-
merkung oben S. 807. — *) St. A. Marburg. Cass. Reg.-Akten Schäfer-
zünfte betr. 1737, 1782 bis 1842 LXV 11. Bl. 27.
— 812 —
Ordnung und ihrem Gefolge ist das Koalitionsverbot e
der Gesindeordnung vom Anfang des 18. Jhdts. für Nai
sau-Usingen*). Die Verfühnmg und Anreizung^ d-:
Gesindes unter einander und durch andere, die stärkr
Quelle aller Unart, ist aufs schärfste zu inquirieren. Da
Gesinde soll unter Eideszwang eröffnen, von wem es \'er
führt und gegen die Herrschaft aufgereizt worden ist
Mehr an das Abspenstigmachen als an Dienstbotenverab
redungen haben die Gesetzgeber hierbei wohl gedacht.
Sodann gehören auch die beiden clevischen G.-
Sindeordnungen von 1753 und 1769*) hierher. Aus ihner
wird der Zusammenhang klar, der für die herrschaf.r
freundlichen Ciesetzgeber des 18. Jhdts. zwischen lieder-
lichen Zusammenkünften und den gemeinsamen Abreder.
gegen die Herrschaften bestand. Auch die hessischen
Gesindeordnungen verbieten ja das Besuchen „liederlicher
Gesellschaften**; in § 6 wurde darauf hingewiesen*). Was
in der zweiten clevischen Gesindeordnung von 1769 Er-
eignis wird, ist in Ansätzen vorhanden in der früheren von
1753. Da steht folgendes zu lesen*):
„Wie den Gesinde-Mäcklern Zusammsenkünffte des
Gesindes bey sich zuzulassen schon oben untersaget, also
soll auch sonst niemand, und insonderheit die Bier-Schen-
ken, Keller- Wirthe und andere, welche Schlaf-Stellen hal
ten, denen würcklich in Diensten stehenden Dienstbother
dergleichen Zusammenkünffte oder Versammlungen zum
Saufen, Spielen, Kuppeleyen imd anderen Ueppigkeiten
oder auch Verläumdungen wider ihre Herr-
schafften, undwie sie solche hintergehen und
ihnen übel begegnen wollen, bey Vermeidung un-
ausbleiblicher Straffe, keineswegs verstatten, noch eines
*) St. A Wi<'sbad n V Nassau-Usingen Generalia II a Verord-
nungen Bd. V S. 128. «) Scotti, Cleve S. 1452, 1894. — ») Oben
S. B87ff. - *) Tit. VIII § 1; vgl. auch Tit. II § 7.
— 813 —
annoch dienenden Gesindes Coffre oder Sachen bey sich
in Verwahrung nehmen und halten/*
1769 ist es dann offen ausgesprochen, was 1753 mit
eine Absicht war. In § 43, der im übrigen mit dem« eben
mitgeteilten übereinstim*mt, heißt es, daß den Wirten ver-
boten ist, „auch keine Verläumdung oder Abredung gegen
ihre Herrschaften zu gestatten".
Schließlich aus dem beginnenden neuen Jahrhundert
noch eine Erklärung der Regierung im Rezatkreise
vom 15. September 1819 ^). Hier handelt es sich um» den
Versuch, die hohen Gesinde- und sonstigen Löhne zu min-
dern, aber zunächst imter Umgehimg einer Taxsatzung. Es
sollen vornehmlich willkürliche Lohnsteigerimgen hinter-
trieben werden, „besonders solche, welche aus unstatt-
haften Verabredungen oder andern Missbräuchen hervor-
gehen".
Die Geschichte der Gesetzgebung wider die Koalition
der Dienstboten ist nicht allzu bedeutsam, wie mian sieht.
Für die Vergangenheit erklärt dies — ganz abgesehen
von der praktisch betätigrten Feindschaft des Polizeistaates
gegen die Vereine überhaupt, wodurch eine Sondergesetz-
gebung wider das Gesinde sich erübrigte ^) — zur Genüge
der mangelnde Bedarf einer ständigen Organisation. Ein
weiteres wesentliches Hindernis der Verbandsbildung für
Dienstboten ist aber (auch heute noch) die Hausangehörig-
keit. Es darf hier wohl darauf verwiesen werden, daß man
die geringe Verbreitung der Organisation bei den meist
in Kost und Logis befindlichen Bäckereiarbeitem, die
ja in diesem Kennzeichen der Hausangehörigkeit von den
Dienstboten nicht unterschieden sind, lediglich dem Kost-
und Logiszwang zuschreibt*).
») Döllinger, Ges. Sammlung XIII P. II S. 1844. — *) Vgl. auch
B i c r m c r im Wörterbuch der Volkswirtschaft 11 S. 178. — »jTröltsch-
Hirschfeld, Die deutschen sozialdemokratischen Gewerkschaften
S. 73, 104; J. Weingflrtner, Der Kost- und Logiszwang im
BAckereigewerbe, Marburger Dissertation 1910, S. 69 f.
— 814 —
S 14. Vertragsbruch der Herrschaft
Die Rechnung des landgräflich hessischen Schd:
heißen zu Trendelburg aus dem Jahre i486*) berichtet,
daß Martin der Koch einen Teil des Lohnes ausgrezahh er-
hielt „in abesCheide sines lones unde dinstes, also man er-
kante, daz her myme gn^edigen heren nutlic'h*) was*
In den Gesinderegistern von Loshausen ^) ferner kann man
bisweilen Stellen finden wie die folgende von 1734, wo es
von der Haushälterin heißt: „ist aber nach viermonath-
lichen Diensten, wegen Faulheit und Liederlichkeit abge
schafft" ; oder 1740 wird der Laquai folgendermaßen vor
genommen: „Ist alss ein Ertz Söffer, mit Zurückbehaltung
der guten Montirunge abgeschafft worden ohne abschied ".
Das sind Fälle, in denen es niemand der Diensthen-
schaft übelnehmen kann, wenn sie den ungetreuen Dienst-
boten aus dem Hause jagt, auch vor Ablauf der Zeit.
Diese Regelung ist so selbstverständlich, daß sie in man-
chen Gesindegesetzen überhaupt nicht vorkommt. Auch
die entsprechende und ergänzende Bestimmung, daß ein
Herr sein Gesinde nicht grundlos vor der Zeit wegschicken
darf, sucht man in recht vielen Gesetzen vergeblich. Wird
eine Anordnung über diesen Fall getroffen, dann enthält
sie gewöhnhch die Verpflichtung der Herrschaft zu einer
mehr oder weniger ausreichenden Ersatzleistung an den
Dienstboten. Nur in ganz wenigen, dem ältesten und dem
modernen Recht angehörigen Rechtsquellen ist von einer
Bestrafung der Herrschaft die Rede.
Ein bloßer Hinweis auf den Inhalt des vorigen Ab-
schnittes über den Vertragsbruch der Dienstboten genügt,
um die Ungerechtigkeit zu erweisen, die in der allzu un-
gleichen Behandlung der Dienstboten xmd der Herrschaf-
ten liegt. Die ältere Zeit, der der Gedanke der hausherr-
^) St A. Marburg. — *) Unnütz, schädlich, nicht zu brauchen. —
») St. A. Marburg. •
— 816 —
ichen Muntgewalt lebendiger war als den Verfassern der
Polizeigesetze, konnte die Begründimg des eigenartigen
Rechtsgebildes in der Macht des Herrn finden, die ein-
seitig über den Dienstboten verfügen durfte. Je mehr diese
[dee dem Bewußtsein der Zeit entschwand, um so mehr
mußten aber die einseitigen Bestimmungen zum Nachteile
der Dienenden an innerer Beredhtigtmg verlieren.
Daß les ferner an sidh wohl gerecht ist, wenn der Herr
das Gesinde bei Vorliegen eines erheblichen Grundes
kurzerhand entläßt, daß eine solche Regelung aber gleich-
wohl gefährlich ist, da dem Gutfinden des Dienstherm
so oft kein Maß gesetzt ist, braucht nicht hervorgehoben
zu werden. Und im Vergleiche mit der entsprechenden
Rechtsstellung des Dienstboten, der trotz noch so durch-
schlagender Gründe seinen Austritt nicht eigenmächtig
nehmten darf, ist das Recht der Herrschaft doch wieder
nichts anderes als ein weitgehendes Privileg — hier wie
fast überall im Gesinderechte.
Als auffallende Besonderheit einer ganzen Anzahl von
Gesindegesetzen, die den Vertragsbruch der Herrschaften
und der Dienstboten behandeln, erscheint die Anordnung
der beiden Fälle; es wird nämlich oft deir herrschaftliche
Vertragsbruch an erster Stelle vor demjenigen des Ge-
sindes behandelt. Welcher Grund hierfür maßgebend war,
ist nic'ht festzustellen. Die Gesindeordnungen sind, wie die
Gesetzgeber selber in den Gesetzeseinleitungen immer wie-
der aussprechen, nur oder doch vorwiegend dazu geschaf-
fen, die Unbotmäßigkeiten des Gesindes zu zügeln. Das
Nächstliegende wäre dann doch gewes^i, diesen erstrebten
Zweck an erster Stelle nicht nur kundzugeben, sondern
auch seiner Verwirklichung zuzuführen. Statt dessen
kommt manchmal vorher erst eine Bestimmung wider
den Übermut der Herrschaften, dessen Bekämipfung doch
durchaus nicht so sehr Absicht der Gesetzgeber war. Ver-
schleierung der wahren Aufgaben der Gesindegesetze kann
- 816 —
nicht Veranlassung dieser Gesetzestechnik gewesen sek:
denn die Offenheit, mit der in den Gesetzeseinleitungss
und in den sachlichen Bestimtmungen der Hauptzweck
zum Ausdrucke gebracht wird, brauchten die Gesetzgeber
doch auch in der Frage des Vertragsbruches nicht n
scheuen. Nur in seltenen Ausnahmefällen ereignet es sidi
daß die Gesetzgeber als Zweck der Gesindeordnungen er-
klären, Herrschaften und Gesinde gegeneinander c:
Schutz zu nehmen ^).
Wieder ist im Sachsenspiegel das älteste Rech:
gegeben. „Vertribet aber der herre sinen knecht, he:
sal ime sin vol Ion geben", heißt es II 32. Und wieder
haben sehr zahlreiche mittelalterliche Rechte diese Be
Stimmungen übernommen*).
Die Stadtrechte der Seestädte ergänzten freilich
diese Bestimmungen sc'hon in der oben gekennzeictineten
Weise. In Hamburg, Lübeck und Bremen') erhielt
die Dienstherrschaft das Vorrecht, ungeeignete Dienst
boten wegzuschicken: „So welk man sinen knecht vor-
dryft er rechter tyd, de schal em syn vuUe Ion gheven,
he en hebbe dat verbort mit boshede, de he emie bewyset
heeft**. Das spätere Recht Friedrichstadts von
1633*) schließt sich dem an. Die plönische Ordnung
von 1749 '^) gibt gleich ihren mittelalterlichen Vorläufern
beiden Teilen gleiches Recht: die Vertragsbrüchigen
Dienstboten verlieren einen halben Jahrslohn, „welches
auch reciproce von den Herrschaften zu verstehen, welche
einen gedungenen Dienstbothen nicht annehmen, oder
ihm zu rec'hter Zeit den Dienst nicht aufkündigen, und
^) So die braunschweigischen Ordnungen des 18. Jhdts. (Sickel
S. 98); weitere Beispiele im Text. — ') Übersicht bei Hertz S. 6i
— ») Lappenberg 1270 VIII 1, 1292 K 1, 1497 F 2, 1603 119.
art. 2, 3; Lappenberg S 321ff. (Billwärder) Art. 78; Hach 346;
Oeirichs 1803, 46, 83 (5.96, 114), 1428, 36, 39 (S. 338, 389), 148S.
80, 79 (S. 484). - *) Corp. Stat. Slesv. lil 1 S. 1. — *) Schradcr,
Handbuch III S. 195.
— 817 —
ohine erhebliche Ursache vor der giedungenen Zeit aus dem
Dienste wegjagen". Die Gesindeordnung von 1768 ^) vc r-
pflichtet die dem Vertrage imtreue Herrschiaft zur Zah-
lung eines halben Lohnes; das Vertragsbrüchige Gesindie
verscherzt, wie in § 13 ausgeführt wui^de, auch den rück-
ständigen Lohn.
Im ostfriesischen Landrechte liegt der Herr-
schaft gleichfalls Ersetzung des Lohnes für ein halbes
Jahr ob*). Oldenburg übernahm 1345 wiederum* das
bremische Recht des Vertragsbruches^).
Auch die im hannoverschen Lande im' Mittel-
alter entstandenen Stadtrechte, nämlich die von Stade,
Goslar lind Verden*), geben das Recht desi Sachsen-
spiegreis vdeder; das goslarer Recht mit dem' Zusätze zu
gtinsten der Herrschaft, daß kein Lohn gegeben zu wer-
den braucht, wenn der Dienstbote die Entlassung „mit
undat vorwarcht hedde, oder dat men sodan dxng'h an emfe
wiste oder vorneme de witlik weren, dar sin billikbn en gut
man iumme enbere".
Das hadelner Landrecht von 1583*) unterscheidet
in einer für das Gesinde günstigeren Weise. Wanui die
Herrschaft einen Dienstboten ohne Anlaß verjagt, muß
sie den ganzen Lohn geben; „da aber das Wegjagen
verwirket", braucht niu: soviel gegelben zu werden, als bis-
her erdient worden ist. Die 1599 niedergteschriebenen,
Statuten (Polizeiordnung und Stadtrecht) von Lauen-
burg*) führen dieselbe Unterscheidimg durch. Aber nur
ein halber Jahreslohn soll den unschuldigem Dienstboten
gegeben werden; Ungehorsam, Mutwillen und Faulheit
*) St, A. Schleswig. Sammlung Großf. Verordnungen. — ") Wicht
n 281. - ») Ölrichs S. 786ff., bes. 811, 817. — *) Pufendorf, obs.
iur. I app. S. 168 ff, bes. 217, 218; Göschen, Gosl. Stat. S. 101, 102;
Pufendorf a.a.O. S. 77«:, bes, 118. — ») Pufendorf, obs. iur. I
app. S. Iff, Teil 2, Tit 20; Spangenberg, Verordn. f. Hannover
IV 3 S. 59. - •) Pufendorf a. a. O. ÜI app. S. 284 ff., bes. 817.
Könnecke. en
/
— 818 —
wierden als erbebliche, vorzeitige Entlassun^r rechtferü-
g^ende Gründe angeführt. Das lüneburgisdhe Stadt-
recht i) legt den verjagtetot Dienstboten auf, sich an die
Obrigkeit ru wienden; diesie veranlaßt die Herrschaft zu:
Zahlung des vollen Lohnes; wenn feistgestellt worden ist,
daß zur Entlassung kein Gnmd vorgelegen hat. In der
Folizeiordnimg für das Land Lüneburg von 1618*..
wurde im Interesse des Gesindes darüber hinaus noch
festgesetzt, daß außer dem vollen Lohne in Geld auch
alles gegeben werden müsse, „was desfals miehr ver-
sprochen".
Die allgemeine Gesindeordntmg von 1732 ') erkannte
zu Recht, daß dem Dienstboten wenigstens der volle Lohn
„wegen der rückständigen Zeit" gegeben wurde *). Unter
Nr. 2 beschränkte sie den Dienstboten, der die von ihm
angegebenen Fertigkeiten in Wirklichkeit nicht besitzt,
auf den Anspruch' wegten des faktisch erdienten Lohns.
Zur Ergänzung früherer Bestimmiungen lautete ein Re
skript vom 29. Dezember 1741 *) dahin, „dass Herrem und
Frauen ihren, tixr Unzeit, und ohne dass ihnen der Dienst
zu gehöriger Zeit aufgekündigt worden, abgeschafften Be-
dienten, den versprochienen Lohn nicht länger zii bezahlen
schuldig sind, als bis solche bey andre Herrschaften wie-
derum Dienste eirlangen, und den vorhin genossenen Lohn
bekom!mien können". Bei Unredlichkeiten und anderen
erheblichen Veranlassungem kann nach der osna-
brücker Gesindeordnung von 1766^) jede Herrschaft
ihr Gesinde auch schon vor der Zeit wegsschicken.
Das braunsdh'weiger Echteding von 1532*) be-
stimmte: „Ode weldk deinstknecht edder dednstma^edth
obrem heren edder ohrer frowen imthodancke deyneth
^) Ebenda IV app. S, 624 ff., bes. 797. — ') Landesverordnungen
Lüneburg Cap. 4 Bd. 1 S. 1. - ') Spangenberg a. a. O. IV 2 S. 461.
— *) Nr. 22. — •) Spangenberg a. a. O. I S. 48. — *) Klöntrupp,
Handbuch 11 S. 76. — ^ Hanselmann, Urkundenbuch I S. 825.
— 819 —
vind ohne nicht wolde gehorsam syn jn themielicken dingen,
xind ohre here edder frowe dem knecfhte edder mlag^h
clarumtne orloiff geve, de sdhold© ohne nha antal der
tidth als se mith ohme gewesen heddei und nha anthale
■dess Lohnes als se ohne geloVeth hedde tho lone göven als
ohne tho der tidt geboedrde, w^en mten ohne orloiff gtöve.**
Die Polizeiordnimgen von 1573 und 1579^) blieben bei
diesen Grundsätzen.
Dasselbe ordneten die Statuten von Duderstadt
schon im 14. oder 15. Jhdt. *) an: „Hedde aVer eymiant
Gesinde, dat ohieme nicht evene en weref, dat miach hey
ungeverliken erloffen, wfelkte Teydt hey in döm jare wil,
und schal ömfe denne sin vordeynde Ion, na anthale und
vorlopinge des Jares geven, und darmede ave sin und
äff wesen.** Das Stadtre<^ht Gothas*) dag^en bekun-
det seine Abhängigkeit vom Sachsenspiegel wieder da-
durch, daß es dessen gerechteres Recht übernahm; der
Herr muß dem- verjagten Geisinde den vollen Lohn über-
lassen. Nach mühlhäuser Ordnung: des 17. Jhdts.*) soll
dem verjagten Gesinde zum« rückständigen Lohne gebüh-
rend verholfen werden; das erneuerte Heimbuch von
1736 ^) spricht dem Gesinde den ganzem Lohn auf die volle
Dienstzeit m.
Von thüringischen Landesrechten sind diel henne-
bergische Landesordnung von 1539^), die altelnbur-
ger von 1556'), die koburger von 1580®), die weiima-
rer von 1589^), die fürstlich' gothaisöhe tmd alten-
bürg i sehe von 1719^^) anzuführen, die der vertrags-
>) Ebenda S. 404fr., 468 ff. — ') Gengler, Stadtrechte S. 91 ff.,
bes. 93. — •) Ort 1 off, Rechtsquellen II S. 319 ff., bes. 832. — *) Stadt-
archiv Mühlhausen; den Heimbürgerordnungen angebunden. — *) Stadt.
Bibliothek Mühlhausen. — *) Job. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV
S. 164. — ^) Brandt, Der Bauer in Altenburg S. 76. — ") v, Weber,
Statutarrechte I S. 1128. — •) Schmidt a. a. O. S. 146. — *•) Univ.-
Bibl. Marburg. XVm f A 870.
62*
— 820 -
brüchigen Herrschaft Zahlung des vollen Lohnes auigt-
ben. Das Recht in Altenburg ging von diesem gerechten
Gnindsatae 1744 ^) dazu über, dem Diesostboten mir einen
Anspruch auf den der gedienten Zeit nach verdienten
Lohn zu geben. Die eisenacher Gesindeordnung von
1757*) ermahnt die Herrschaften, ihre Dienstboten nicht
ohne triftigen Grund wegzuschicken. Aus erheblichen Ur-
sachen und nach vorheriger (regelmäßiger?) Kündigung
darf jeder Herr sein Gesinde wegschicken, wie es die kur-
mainzische Dorfpolizeiordnung von 1768 für das er fur-
ter Land^) will.
Die Satzung des schaumburgischen Gerichtes
zu Vehlen*), daß die vertragsuntreue Dienstherrschaft
dem geschädigten Diener den vollen Lohn zahl^i muß.
wurde in der Polizeiordnung von 1615 *) beibehalten. Die
detmolder Gesindeordnung von 1752^) verbietet den
Herrsdhaften den Vertragsbruch, es sei denn, daß das
Gesinde „sich nicht comportiren" oder nicht das Vor-
gegebene leisten würde.
Ohne Ahndimg kommt die Vertragsbrüchige Herr-
schaft in der paderborner Polizeiordnung von 1655
davon '). Es findet sich in ihr nur eine Bestimmiung:, daß
der Dienstbote, der sich übel verhält, die zugesagten Ar-
beiten schlecht verrichtet, ohne Kündig^mg fortgeschickt
werden kann, Lohn bekommt er bis zum letzten Dienst-
Tag. Die münstersdhe Gesindeordnung von 1722®)
sagt dem ohne Anlaß entlassenen Gesinde eines halben
Jahres Lohn sowie Erstattung des Mietpfenniges zu.
Über die Erheblichkeit der zur g«erechten Kündigung
verwertbaren Gründe macht die» clever Gesindeordnung
*) Ebenda. XVIII f B 1119 g. - •) Kr. A. München. GR. Fasz.
402 Nr. 3. — ») Heine mann, Rechte f. Erfurt S. 366 flf., bes. 369. —
*) Grimm, Weistümer lU S. 316. — ») Rottmann S. 427 (Kap. 63].
— *) Landesverordnungen Detmold II S. 47. — ') Landesverordnung»
Paderborn I S. 6. — ') Sammlung Münster I S. 368.
— 821 —
von 1644^) keine näheren Vorsdhrif tem ; es hängt nach
ihr vom „Vergnügen'*, d. h. Befinden der Herrschaft ab,
ob sie den gemieteten Dienstboten behalten will, oder ob
sie ihn lieber gleich entläßt. Es heißt in §§ 10 imd 11:
,,Und so ferne Herren, Meister oder Frauen in den Dien-
sten oder öomportement vorgemelter ihreir Dienstbotten
kein Vergnügen hätten, soldhenfals sollen gemelte Hörren,
Meister oder Frauen bemächtiget seyn, denselben ihren
Dienst aufzukündigen, imd sofort gehen zu lassen, je-
doch die Zahlung ihres versprochenen Lohnes thun, nach
Proportion der Zeit, welche sie' würdclich giedienet haben,
womit vorgemelte Herren, Meister und Frauen sollen be-
stehen mögen, und gemielte Dieaistbotten, auss dem Hausse
weichen müss!en,.ohne dass ihre Herren, Meister oder Frauen
gehalten seyn sollen, ihnen einige weitere Reden zu geben
oder anzuzeigen ; Und bleiben gleichwoll solche licentiirte
Dienstbotten, im fall sie sich muthwillig stellen, oder einige
insolencfe mit Worten imd Wercken gegen ihre Herren,
Meister, Frauen oder derselben Haussgesinde pflegen,
oder gepfleget hätten, subject der Straffe hiervor gemtelt
... So ferne es auch geschehe, dass geanelte Herten,
Meister oder Frauen durch die imerträgliche Stoltzheit,
Halsstarrigkeit, Muthwill und Ungehorsamk^it der vorg^-
melten Dienstbotten neoessitiret imd gezwungen würden.
Jemand derselben . . . vor der Zeit die Miethe auf f zukün-
digen imd ausB dem Hatise gehfen zu lassen . . .", dann
darf der Übeltäter gleich' au!s dem Hause geschickt wer-
den, bekommt keinen Lohn und wird auch noch gestraft ;
Eigenheit dieser (und mancher andern) Gesindeordnung
ist, daß von den Strafen ein Drittel an den Denunzianten
fällt.
Ebenso offenbar tritt die schlechthinnige Bevorzu-
gung der Dienstherrschaften in der großen Gesindeord-
') Scott!, Cleve S. 360.
— 822 —
nung Cleves von 1753^) hervor: „Es ist dn Gesinde
verbunden, sein Jahr richtig und ordentlich auszudieiien.
und wenn dieses gesöhehien, wird eine Herrschafft von
selbst dahin bewogen werden, dergleichen zu thun. Da
aber idoch Umstände vorkonttnien können, dass eine Herr-
schafft gut findet, ein oder anderes ihres Gesindes vor
Ablauf f eines Jahres ausser Dienste zu setzen ; So kann
ihr zwar dieses nidht gewehret werden, es muss
aber jedoch so dann auch die Aufkündigiuig gewöhnlicher
massen ein Viertel Jahr vorher geschehen." Nur wenn der
Dienstbote liederlich ist, imd eine Wortstrafung nicht
mehi- hilft, dann kann der Dienstbote ohne Abschied weg-
geschickt werden. „Jedoch wird die Herrschaft, falls sonst
die solc'hergestalt wegzuschaffenden Bedienten nichts ge-
stohlen, von selbst ermessen, dass es billig:, denen-
selben ihr etwa rückständiges Lohn des lauf f enden Quar-
tals zu reichen, auch wenn solch Gesinde schon ein halb
Jahr gedienet, selbigen die Unter-Kleider, Huth und Sur-
tout-Rook zu lassen.** Die Herrschaft braucht also den
Dienst nicht auszuhalten; sie darf nach ihrem Ermessen
auch mitten im« Jahre den Dienstboten wegschicken, frei-
lich erst nach Quartalskündigung. Ein bescHiderer Fall,,
der berücksichtigt wird, ist Diebstahl und sonstige Un-
treue. Der Dienstbote kann gleich weggeschickt werden,
er ist der Behörde anzuzeigen, die ihn mit Gefängnis oder
ähnlichem strafen mxiß. Ganz anders spricht in rnerk-
würdigem Gegensatz die ländliche Gesindeordnung von
1769*). Wird ein Dienstbote liederlich, darf er gleich
fortgejagt werden ; Lohn bis zu dem Tage der Entlassung
kann er aber doch beanspruchen. Bei Diebstahl kann
sich die Herrschaft am Lohnrückstand befriedigen, muß
aber den Überschuß herausgeben. Will die Herrschaft,
so heißt es in § 39, einen treuen und ehrlichen Dienst-
') Ebenda S. 1452. — *) § 87, 89; ebenda S. 1894.
— 823 —
boten „aus Hass und Neben- Absidhten" einer Untreue
bezidhtigen, dann darf der Dienstbotö dies der Obrigkeit
a.nzeigen (und weggeben?).
Nur eine einzige Nadhricht über Vertragsbruch Ider
Herrschaft liegt aus Köln vor. Die Polizei- und Gesinde-
ordnung von 1645 *) setzt in Art. 9 fest, „dass Entlassungen
des Gesindes während des Dienstjahres nur bei triftigen
Ursachen den Brodherrschaften gestattet** sind.
Erst mit den beiden modernen Gesindeordnungen von
1801 und 1809 kam Jülidh zur Kodifizierung des lilerr-
scfaaftlichen Vertragsbruches und seiner Rechtsfolgen*).
Wieder ist es so wie schon im vorigen Abschnitte für den
Vertragsbruch des Gesindes festgestellt wurde ^): die Be-
urteilung, ob genügender Anlaß zu vorzeitiger berechtigter
£ntlassimg Seitens der Herrschiaft vorlag, wird nicht mehr
dem freien Ermessen der Polizei oder des Richters über-
lassen, sondern es werden jetzt ganz bestimmite, so ge-
nau wie nur möglich lunschriebene Tatbestände aufge-
stellt, die der entscheidenden Behörde sagen, in welchen
Fällen Entlassung vor Dienstablauf gestattet ist. Schlechte
Verrichtxmg der Arbeit, Widerspenstigkeit, Schädigung,
Veruntreuung, öfteres zu langes Ausbleiben, Verleumdun-
gen wider die Herrschaft, Schwangerschaft der Magd sind
solche Gründe berechtigter vorzeitiger Entfernimg des
Gesindes. Bedeutet schön die Festsietzimg klarer Grenzen
eine für das Gesinde günstige Neuerung gegenüber dem
früher gesetzlosen Zustande, so ist die Bevorzugung des
Gesindes in den beiden modernen Gesetzen damit noch
nicht erschöpft. Die Behandlung der beiden Fälle, des
Vertragsbruches der Herrschaft und deis Gesindes, ist
völlig gleichartig. Wenn die Herrschaft einen Dienst-
boten grundlos verjagt, dann ist sie durch Zwangsmit-
tel zur Wiederaufnahme anzuhalten. Weigert sie sich
») Scotti, Köln 1 1 S. 249. - *) Scotti, Jülich S. 880, 1252. -
•) Oben S. 802f:
— 824 —
dessen, dann muß sie dem) Dieinstboten den Lohn für die
noch ausstehende Zeit sowie einen halben Jahreslohn ar
Stelle des Kostgeldes: erstatten, es sdL denn, daß der Diensi-
bote einen neuen Dienst „wiröklich gleich"^) ge-
funden hätte ; in diesem Falle bedarf es keines Kostgeldes.
Die neue Gerechtigkeit, mit der hier das Gesinde be-
handelt wird, erfährt eine kaum glaubliche, imerhörte
Ausdehnimg in der Gesindeordnimg von 1809. Die Ver-
tragsbrüchigen Dienstboten verlieren ihren Lohn ; sie wer-
den als Vagabimden aufgegriffen. Der Herrschaft wird
für den Fall ihres Vertragsbruches Zahhmg vierteljäh
rigen Lohnes und Kostgeldes aufgegeben. Weiter heißt
es : „Geschieht dieses von derselben Herrschaft mehrmals
bey verschiedenem Gesinde, so soll in der Rücksicht, dass
dadiu-ch der Ruf eines Dienstboten auf eine unschuldige
Art gefährdet werden könnte, das Gesinde durch das ein-
schlägige Bureau gewarnt werden." So weit war bis da-
hin noch kein Gesetzgeber gegangen, in dieser bewußten
Weise sich um das Wohl der Dienstboten zu sorgen.
Aus Nassau ist nur die mehrfach erwähnte usin-
ger Gesindeordnung aus dem Beginne des 18. Jhdts.')
anzuführen. Die Herrschaft soll ihre Leute nicht zwecklos
verjagen; sonst muß sie ihnen den ganzen Lohn geben.
Ein gleiches hatte 1681 in Gedern die Gesindeordnung
bestimmt^); bei üblem Verhalten darf das Gesinde vor
der Zeit abgeschafft werden. Die Polizeiordnung Sayn-
Wittgensteins von 1776*) erwähnt den herrschaft-
lichen Vertragsbruch niu- insoweit, als sie den Dienstherren
ausdrückliche Erlaubnis gibt, imbrauchbares Gesinde, bei
dem Ermahnungen nichts helfen, gleich wegzuschicken.
^) Im Gesetze gesperrt. — ') St A. Wiesbaden. V. Nassau-UsingeD
Generalia II a Verordnungen Bd. V S. 128. — *) Grftfl. Stolbergisdies
Archiv Gedern. Bd. XX „Allerhand Verordnungen und Befehl, so in
der Grafschaft Stolberg*Gedem ergangen**. — *) Univ-BibL Marboxjg.
- 825 -
Die hessischen Gesindeigesetze vor 1748 nennen
den herrschaftlichen Vertragsbruch nicht. Die zu Ein-
drang dieses Kapitels mitgeteilten Stellen aus hessischen
Redhnungen ^) lassen nur den Schluß zu, daß die Dienst-
herrschaft das Gewohnheitsrecht hatte oder sich das Recht
aximaßte, unfähige Dienstboten vor der Zeit abzuschaffen.
Von 1736*) an wird den Diensthlemen das Recht g'ege-
ben, Dienstboten, mit denen sie aus beliebigem' Grunde
nicht zufrieden sind, unter Erstattung eines Vierteljahrs-
lohnes sofort wegzuschicken; Dienstboten, die nicht ver-
stehen, was sie bei der Vermietung zu verstehen behaup-
teten, können jederzeit ohne weitere Entlohnung entlassen
werden. Nach der hanauer Ordnung von 1748*) muß
die Herrschaft, die einen Diener ohne Grund zur Un-
zeit verjagt, vollen Lohn für die rückständige Zeit zahlen,
dazu für die Zeit voraussichtlicher Arbeitslosigkeit auf
mindestens vier Wochen in der Stadt wöchentlich einen
halben Thaler, auf dem Land 15 Albus Unterhalts-
geld geben. Die Gesindeordnung von 1797*) ver-
pflichtet den Dienstheirm, seinem grundlos entlassenen
Dienstboten einen Vierteljahrslohn (aber mit Aus-
schluß des Kostgeldes) zu zahlen und die Alltags-
livree zu lassen; gab der Dienst böte Grund zum Fort-
jagen, dann soll er gar nichts bekomtnten. 1801 *) wurde
der bedeutungsvolle Zusatz gemadht, daß das grund-
los entlassene Gesinde „wegen eines außer der Wandel-
zeit mangelnden Dienstes** zu Erlangung weiterer Ent-
schädigtmg sich an die Obrigkeit wenden soll. Zur Er-
gänzung der ferner übernommjenen Bestimmungen über
die Gründe, die eine Herrschaft zur vorzeitigen Entlassung
unbrauchbaren Gesindes berechtigen, erging 1804 ein Be-
scheid in einem Einzelfalle^), daß der Dienstherr die
') Oben S. 814. — «) LO. IV S. 410. — ») St A. Marburg. IX
A 1621, — *) LO. VII S. 727. - ») LO* Vni S. 26. — •) LO. VIH S, 162;
St. A. Marburg. Cass. Reg- Akten. Pol.-Rcp. F 43 Nr. 7 a.
— 826 —
von ihm zum Anlasse der vorzeitigen Kündigung g^enom-
menen Vergehungen des Gesindes beweisen rnniß. Ak
Kuriosum aus der 1813 imter J6rome geplanten Gesinde-
Ordnung sei erwähnt, daJB dem Dienstherm gestattet seb
sollte, das Gesinde vorzeitig wegzuschicken, wenn er mii
ihm aus Gründen unzufrieden war, „qui ne peuvent faire
Tobjet d'une plainte juridique" i). 1816 brachte die Ge-
sindeordnimg*) eine Erweiterung des bisherigen hessi-
schen Rechtes ; mm kann der grundlos entlassene Dienst-
bote außer dem Lohne noch das Kostgield fordejm.
Unter bischöflichem Regime war in Fulda 1761
neben vielen Bestimmungen wider den Übermut des Ge-
sindes auch der herrschaftliche Vertragsbruch mit einem
Verbote bedacht worden ; Mittel zur zwangsweisen Durch-
fühnmg der Anordnimg fehlen freilich'). Auf das Recht
der sChaumburger Polizeiordnung von 1615 wurde
schon hingewiesen*).
Das älteste Stück aus Franken ist § 394 des alten
bamberger Rechtes ^). In imverwischter Ursprünglich-
keit tritt hier das aus der herrschaftlichöi Gewalt ge-
folgerte Recht des Dienstherm zu Tage, jederzeit sdae
Dienstboten, „w^ejmi sie in nicht fügen", zu entlassen :
„Sprechen aber kneht odir meid iren herren odir frawen
zu umb iren lidlon imd zihen für, muan hab in urlaup
gieben, dieselben ir hbnn oder frauwen welchen man zu
spricht, bekennen odir nit, der rede sol man gelaub^i on
notrecht, wann hierren und frawen daz reht haben knehten
odir meyden urlaup zu gieiben, wenn sie in nicht fügen,
und sein in je dann nicht mer schtddig zu Ionen denn als
vil sich für die zeit gebiut die sich vergangen hat on ge-
verde.** In Nürnberg erging 1628^) der Befehl, daß
der Vertragsbrüchige Dienstherr dem Gesinde einen Vier-
*) Oben S, 141. — ") Möller-Fuchs S. 118. — ») Oben S. 129ft
*) Oben S. 820. - ») Nach Zöpfl, Urk. — •) Kr. A. Nürnberg, Be-
stand A Akten Nr. 1628 S. 9.
— 827 —
^Ijahrslohn ersetzen und der Kost und des Unterhaltes
:ia.lber ihm bis aufs nächste Ziel „billigen Abtra^r" tun
Tiuß. Das Verbot der Vereinbarung' des fränkischen
ECreises von 1643^), ein Dienst böte dürfe nicht ohne
^\jilaß außer der Zeit fortgeschickt werden, scheint von
den Kreisgliedesrn nicht beachtet worden zu sein; es ließ
sich keiQ Landesgesetz nachweisen, das in der unmittelbar
folgenden Zeit überhaupt den Vertragsbruch der Herr-
schaft erwähnt.
Erst die Würzburger Gesindeordnung von 1749*)
redet wieder einmal davon; der Herr miuß den ganzen
Lohn für die ganze Zeit gebein. In unverblümter Offen-
heit gibt schließlich die ansbacher Gesindeordnung
von 1769*) dem absoluten Klassenbewußtsein der Gesetz-
geber Ausdruck. Nachdem sie unmittelbar zuvor auf den
Vertragsbruch des Gesindes Arreststrafen imd zwangs-
weise Zuführung angesetzt hat, bestimmt sie: „Und ob
gleich Ider Mieth-Contract zwischen den Dienst-Herrschaff-
ten und Gesind, an und vor sich gleich verbindlich, imd
dahero der Schluß dahin gemacht werden mögte, dass
die Dienst-Herrschafften eben so wenig die Dienstbothen
vor der Zeit imd imter dem Ziel weg- imd aus dem Dienst
zu schaffen befugt und berechtiget seyen; So haben Wir
gleichwohlen^ in Ansehung der so hoch gestiegenen Un-
gezogenheit, Trotz und Verwiegenhedt des mehresten Ge-
sindes, dasselbe in diesem Punöt denen Dienst-Herrschaif-
ten gleichzustellen vor bedencklich gehalten, und lassen
dahero denenselben, als eine Ausnahme von der Regel,
zum voraus, dass sie, in gewissen Fällen, ... wo des
Ehehalten Beybehaltung dem Hausshalten gefährlich, des-
sen Bezeigen incorrigible, und dessen Trotz, Widersetzlich-
keit und Ungestümto nicht länger zu dulten seyn wollte.
') Kr. A« Manchen. GR. Fasz. 402 Nr. 1. — ') Landesverordnungen
Würzburg II S. 689. — ») Kr. A. Nürnberg S. 28 ^ Nn 779 Repert. 288.
— 828 —
solchen auch, vor der Zeit und ohne vorhergängige Auf-
kündung, fort und aus dem Hausfe schiaffen dürffen.**
Von den südbayerisdhen Rechten handelt das
Stadtrecht Augsburgs zuerst über den herrschaftlichen
Vertragsbruch. Es bestimmt ^) : „Wer einen ehalten
idinget, der mak des niht vertriben e ze sine-in jare, . . . ez
enmuge danne eintwederz für geziehen sogtanen gebrest,
damit ez von dem* andern ledik mlige warden." Nach
dem regensburger Recht des 14. Jhdts*) hatte die
Herrschaft das Privileg, jederzeit das Gesinde ohne An-
lass wegzuschicken: „. . . wan ein herschaft gibt seinem
ehalten urlawb, wan sie wir*. Die Rechtsbücher aus der
Gefolgschaft des Schwabenspiegels sind gerechter. Rup-
recht^) behandelt den Vertragsbruch des Herrn vor dem
des Gesindes (Landrechtsbuch 135) ; der schuldige Dienst-
herr soll dem vertriebenen Knechte den Lohn „gar" geben.
Kaiser Ludwigs Landrecht*), das Stadtrecht von
München*) und das von Freising*) enthalten die
folgende eigenartige Rechtsbildung, mit der die Aushal-
tung des Dienstes in das Belieben des Dienstherm ge-
stellt wird: „Swer einen ehalten dingt, und gdt dem ur-
laup swenn daz ist in dem jar, wil dann der ehalt niht ur-
laup haben, und beclagt sein herschaft umb speis und
umb Ion, mag dann die herrschaft, ez sei frawe oder man,
bereden daz si den ehlalten geurlatibt hab um so-
getan schuld die si niht gern offent an gevaerd, dez sol die
herschaft geniezzen, und sol dem ehalten geben, waz er
verdient hat.** Die ronsberger Statuten von 1517')
*) Meyer, Art. 129. — •) v. Freyberg, bist. Schriften u. Ur-
kunden V S. 7fif., bes. &0. — ') Maurer, Stadt- und Landrechtsbuch
S. 156. — *) Roc kinger, mOnch. Sitz.-Ber. 1878 S. 39901, bes. 447.
— ») Auer S. 54, 55. — •) v. Frey berg, bist. Schriften u. Urk. V
S. 162 ff., bes. 184; vgl. fQr diese Rechte auch oben S. 798 f. (Vertrags^
brach des Gesindes). — ^) v. Weber, Statutarrechte IV S. 818.
— 829 —
verpflichten die Vertragsbrüchige Herrschaft zu voller
^^ohnzahhmg.
Nadh der Landesordnung Kurbayerns von 1553 ^)
Tiußte der Herr sein Gesinde entweder das ganze Jahr hin-
iurch behalten oder ihm den vollen Lohn geben. Die
3esin<leordnung von 1654 ^) gestattete der Herrschaft, das
Ciesinde aus erheblichen Gründen auch vor der Zeit abzu-
schaffen. 1656 ^) wurde gleiches bestimmt. Auch die große
Gesindeordnimg von 1781 *) erlaubt den Diensthierren, un-
ehrliche, ungehorsame, untreue, unfleißige Dienstboten
vor dem Jahresende abzuschaffen. Es kann sogar Scha-
densersatz gefordert werden; der Abschied und der Lohn
dürfen zurückbehalten werden.
Für Württemberg sind die Rechtsgebräuche von
B o t w a r aus dem Jahre 1552 *) die älteste Quelle. Da
wird festgesetzt, daß außer deim vollen Lohne bis ^ml
Tage des eigentlichen Vertragsendes dem Dienstboten
auch für die Kost ein Ersatz „nach erbar leutt erkhennen**
geleistet werden muß. Wenigstens den ganzen ausgelniach-
tei;i Lohn soll der Herr dem grundlos entlassenen Diener
nach dem württembergischen dritten Landrechte von
1610*) zahlen. Von verständiger Gerechtigkeit zeugt die
Regelimg in der Gerichts- und Polizeiordnung W i ß g o 1 -
dingens von 1612'). Da wird erst vom Vertragsbruche
des Gesindes gesprochien. Dann heißt es: „Entgegen
welche ein knecht oder magt vor demi zihl Urlauben ohne
redlich Ursachen, dem soll ganze versprochene belohnung
folgen und geben werden, und welcher einem' ehehalten
*) Kr. A. Amberg. Repert Landrecht Polizei Fasz. 1 Akt, 9. —
•) R. A. München. Generalia-Sammlung. Rep. S. 9 Nr. 5. — *) Kr. A.
München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. — *) Kr. A. München. GR. Fasz. 459
Nr. 209. — ») Reyscher, Statutarrechte S. 488. — •) Reyscher,
Gesetze V S. 1. — ^) Wintt erlin, Württembergische ländl. Rechts-
quellen I S. 798 ff., bes. 855.
— 830 —
sollich<en unbilliger weiss vorhelt und sich das kuntlicK
erfind, der soll auch 1 Pfd. verfallen haben." Die 1652
ämterweise geschlossene Vergleichung ^) und die darauf
beruhende allgemein - württetnbergische Gesindeordnung
desselben Jahres^) gestatten dem Dienstherm, übel sich
betragendes Gesinde vor der Zeit hinwegzuschicken „auff
Erkandtnus" (des Geric'hts).
Wie so oft in älteren Rechten wird auch in dem zwei-
ten Stadtrecht von V Illingen um 1400^) der Vertrags-
bruch des Herrn an erstem Platze behandelt, ehe von
dem unberechtigten Fortlaufen der Dienstboten die Rede
ist. Aber hier ist diese Art der Behandlimg deshalb weit
auffallender und bemerkenswerter als sonst, weil das in
dem Stadtrecht enthaltene Gesinderecht vomehmJich
durch Klagen der Dienstboten über schlechte Behandlimg
seitens der Herrschaften, insbesondere auch deren Ver-
tragsbruch, veranlaßt zu sein scheint. „Und wan vil clag
da hergewesen ist von dienenden luten, daz sie vim iren
herren imd frawen anders giehaltöi werden, denn liht
billich sig, es sie mit urlob ze geben in dem» jaur . . .",
erst danach werden die Sünden des Gesindes erwähnt und
zur Abstellung der beiderseitigen Vergehimgöi die Bestim-
mxmgen des Stadtrechtes als Maßreigeln angekündigt und
teilweise den Dienstboten zu Liebe gestaltet. Die Herr-
sc'haft, die den Vertrag zu frühe aufgesagt hat, soll dem
Dienstboten den ganzen Lohn geben; sie darf sich frei-
lich mit ihrem* Eide befreien, wenn sie Ursachen der vor-
zeitigen Entlassung zu behaupten viermag. Die öfter er-
wähnte überlinger Ratsverordnung der Jahre 1558 bis
1572*) gesteht der Herrschaft das Recht zu, einen bösen
Diener, der sich ungebührlich, schädlich und unnützlich
*) St A. Stuttgart. Druck. - ») Rc yscher, Gesetze XIII S. 114.
*) Oberrheinische Stadtrechte 11 2 S. 52 fr., bes. 70. — *) Oberrheinische
Sudtrechte II 2 S. 457.
— 831 —
^erhält, vor Ablauf des Jahres g'egen Bezahlung: des er-
lienten Lohnes aus dem Dienste ^u esatfernen. In erster
^inie das Wohl der Dienstboten hat dagieigen wieder das
idels heimer Stadtredit von 1527 imd 1596 ^) Jml Auge,
ÄT'enn die Herrschaft ihr Gesinde' zur Unzieit entläßt, „son-
ierlich wan man zu somlmierzeit die arbeit eingebracht und
^egen dem Winter abf erdigen wolte**, dann kann das Ge-
sinde den ganzen Lohn beanspruchten. Die Taxordhun^ für
üe Stadt Heidelberg vom 1. Januar 1579 *) redet bloß
t'om ungebührlich handelnden Gesinde, das mit deml fälli-
gen Lohne stets fortgeschickt wierden darf. Das: kur-
pf älzische Landrecht von 1610^) fügt dem von ihm!
aadigfeahmten Landrechte von 1582*) die Bestimanlung
über den hlerrschaftlichen Vertragsbruch ein, daß nämlich
der schuldigle Diensthelrr dem unschuldigen Geisinde den
vollen Lohin geben muß.
Für d^ spätere badisch'e Recht bieten die Gesinde-
ordnungen von 1731, 1755, 1782 (FreibUrg) und 1809 Ma-
terial. 1731 und 1755^) muß der Vertragsbrüchige Herr
einen Vierteljahrslohn zahlen, „dahmgegen das Gesind
ihrer Herrschaft zum Fortschicken keinen Anlaß gleben
solle**. Die Gesindeordnung von 1782*) gibt dielm' Dienst-
herrn das Recht, unverbesserliches Gesinde gleich mit
dem abverdienten Lohine wegzuschicken oder es anzu-
zeigen. Von herrschaftlichem Vertragsbrüche spricht dies?
moderne Gesietz im übrig^en nic^t. Um' so mfehr tut
das die Gesindeordnung von 1809'). Hier wird es Er-
eignis: Die Herrschaft, die den Dienstboten verstößt,
muß nich't nur den Schaden doppelt ersetzen, sondern
wird auch gestraft, und zwar mit Geld oder Arrest«).
') Ebenda I S. 648 ff., bes. 675. - ») Kn A. Würzburg. V 9561;
Gen. L. A. Karlsruhe. Kopiarbuch 508. -— *) Univ.-Bibl. Marburg. —
*) Ebenda. - ») Gen. L. A. Karlsruhe. Pfalz Generalia 5047. — •) Ebenda.
Baden Gen. 6891. — ») L. A. Karlsruhe. Prov. Niederrhein. Gesinde-
Polizei. Ut. B Nr. 1 IV 2. — ") § 86.
\
- 832 -
Zivilrechtlich wird in § 63 bestimmt, daß die Herrschah
die den Dienstboten nicht wieder aiifnehmen will, ihm
Lohn tmd Kostgeld zahlen muß, bis er eineai neues
Dienst gefunden hat. Eine Abschwächimg erfahren diest
Sätze durch die Festsetzung einer Menge von Kündigung
oder Entlassungsgründen, darunter Beleidigung, Verlei-
tung der Kinder zum Bösen, Untreue, Ausbleiben über
Nacht, Liederlichkeit, durch die ansteckende Krankheit
erworben wird, Gefängnisstrafe von mehr als 8 Tagen,
Schwangerschaft *).
Strafe sollte die Herrschaft, die dem Gesiade keinen
Lohn gab oder es grundlos verjagte, auch nach der
österreichischen Ordnimg von 1765*) erhalten.
1769*) dagegen findet nur noch der Rechtssatz Erwat
nung, daß die Herrschaft dann keinen Vertragsbruch be
geht, wenn sie einen unehrlichen, tmgehorsamen, unfleißi-
gen Dienstboten wegschickt. Die Obrigkeit soll die Hand
zu deren Verfolgtmg bieten und sie strafen, ^besonders
wenn Verdacht besteht, daß der Dienstbote sich übel
aufführt, um rechtzeitig entlassen zfu werden.
Im Ordens lande miußte der Dienstherr, der sich
eine grundlose Entlassimg des Gesindes zuschulden kom-
men ließ, diesem den vollen Lohn geben*). Für Bran-
denburg**) setzte erst das Landrecht die Gründe fest,
aus denen eine Herrschaft ihre Dienstboten vorz^tig ent-
lassen durfte®).
») §§ 54, 56. — ») Kr. A. München. GR. Fasz. 402 Nr. 1. - ») Kr.
A. München. GR. Fasz. 402 Nc 2. - *) Steffen S. 18. — •) Lenn-
hoff S. 94fiF. — •) Ober flämisches Recht siehe Behaegel,
Servantes et serviteurs d'autrefois (Bulletin du comit^ central du
travail industriel 1905 S. 661); des Marez, Les bureaux de place-
ment ä Bruzelles (Revue de TUniversit^ de Bruxelles 1906 S.241fi.,
bes. 256).
— 833 —
S 15. «Abspannen, Abdringen und Abwendigmachen.«'
Bei der steten Gesindenot müßte es ein Diensthlerr
fajst als Glücksfall betrachten, wenn er einmal einen Dienst-
iDOten im Hanse hatte. Es ist Pflicht der Geisetrgeber,
bestehende Verhältnisse, die dem Staatswohl nicht Zuwider
laufen, ru schützen. Wo es sich imi die Erhaltung des
Dienstbotenmateriales in den einzelnen Haushalten han-
delte, haben die Regienmgen mit erheblichemi Eifeir und
beträcfhtlichen Mühen ihre Obliegenheiten erfüllt. War
es doch ein Gut, das mit großen Anstrengungen erworben
ivurde, mit Anstrengungen, die von den Gesetzgebern ami
eigenen Leibe durchaus als solche empfunden wurdeti.
Das Kapitel vom Vertragsbruche des Geisindes zeigt, mit
welchen Mitteln die Dienstboten zur Aushaltung des Ver-
trages veranlaßt wurden; die Freiheitsstrafe spielt hier
eiiie große Rolle.
Aber es galt zugleich den Feind im eigenen Lager zu
bekämpfen. Die Gesindenot veranlaßte seit ewigen Zeiten
die Dienstherren, neidisch auf den Besitz des Nachbarn
zu schielen, der das Glück hatte, einen tüchtigen Dienst-
boten sein eigen zu nemnen. Bis zvlt tätigen Abwiegelung
des Dienstboten von dem bisherigen Herrn war es dann
nur ein Schritt.
Die Verräter, die so das Wohl der eigenen Standes-
klasse untergruben, mußten dein Gesetzgebern bei ihrem
Kampfe um die Erhaltung der Dienstverträge eine be-
sonders unsympathische, aber auch gefährliche Erschei-
nung sein. Wie so oft im Gesindeweisen läßt sich die Un-
redlichkeit hier recht verschwiegen ausüben. Beim Ver-
tragsbruche ist eine feste Handhabe gegeben ; der Dienst
wird nicht ausgehalten, sondern zur Unzeit abgebrochen.
Abspenstig machen läßt sich das Gesinde aber durch
Mittel, die jeder gesetzgeberischen Fixierung spotten. Ein
Wort, eine Miene können den erwünschten Erfolg hier
KSnnecke. *a
— 834 —
zur Genüge herbeiführen. Wer eis geiscbickt ausführt,
kann so dem Ric'hter entgiehem, währoid der ehrliche
Nachbar, der aber ein schlechterer Menschenkenner ist,
wegen ru offensichtlichen Abspetnstigmachens entdeckt
und bestraft wird. Die Gesetze lasisen sich daher gar nicht
auf Idie gtenauere Felstlegfung bestimmter TatbeJständie iein,
isondem verbieten meist in einer an das zehnte Gebot er-
innernden urwüchsigen SpraChweisci einfach das „Abspan-
nen, Abdringen xmd Abwendigmachien**. Die gewöhnlich
festgesetzte Strafe geht freilich niu* in seltenen Fällen über
eine Geldstrafe hinaus; für eine Freiheitsistrafe ist den
sozial höher stehenden Herrsdhaften gegenüber kein Platz.
Eine weitere unerwünschte Begleiterscheinung beim
Abspenstigmadhen war die Lohnsteigeirung. Venspiiechen
von etwas mehr Geld stellte von je das Hauptm&ttel dar,
mit dem die Abwerbung eines fremden Dienstboten ge-
schah. Noch schlimmer konnte der Übelstaad dtirch wo-
möglich gewerbsmäßige Mitwirkimg dritter Personen wer-
den. Vornehmlich die Mäkler standen oft im Verdachte,
daß sie mit ihrer alterfahrenen Kunst dem» dilettantischen
Streben einer einzelnen Herrschiaft im besonderen Falle
tätige Hilfe leisteten; winkte ihnen doch bei jeder neuen
Vermietung und Vermittltuig eine Gebühr.
Das Recht der Abdingung steht in engem Zusammen-
hange mit dem' Rechte des Vertragsschlusses. Wie in
§ 4 dargelegt wurde, bestand in einer ganzen Reihe von
Staaten das Verbot, einen Dienstvertrag vor einem be-
stimmten Zeitpunkte des Dienstjahres abzuschließen^).
Solange eine Kündigung nocW nicht Sitte imd Recht ge-
worden war, durfte eine Neumiettmg sogar erst nach'
Ablauf des Dienstjahres geschehen. Wenn späterhin einige
Rechtsquellen den Satz bringen, daß vor St. «Andreas oder
sonst einem Tage keiner dem» andern sein Gesinde weg-
') Oben S. 469 ff.
— 835 —
mieten darf, so soll damit iirnner noöh nicht g^esagt sein,
daß ein fremder Dienstherr nadh diesemi Zeitpunkte etwa
der bisherigen Herrsdhaft den Dienstboten heimlich oder
auf ähnliche, ein böseis Gewissen verratende Weise durch
Versprechien von besserem Lohne oder von sonstigen Vor-
zügen abwendig machen darf. Es entspricht dein Absichten
der bei weitem meisten Gesindegesetae, derartige Unter-
nehmungen zum Nachteile de<r bisherigen Dienstherr-
schaft überhaupt zu verbieten. Für jeden Zeitpunkt
des Jahres sollte das Abmieten img'ekündigten Gesindes
untersagt sein, mag die Zeit vor oder .nach detni bis-
weilen festgesetzten Jahrestage liegen. AUgelmein die Ab-
mietung ungfekündigten Gesindes wollten die Gesetz-
geber hindern. Hatte ein Dienstbote oder sein Herr zu
der bestimmten Zeit gekündigt, dann mochte der neue
Mieter einen Vertrag schließen, aber erst nach dem Be-
ginne der Kündigungszeit. Die Bestimmimgen, daß Ge-
sinde nicht vor einem bestimlnitein Zeitpunkte neu gemietet
werden durfte, hatten vielmehr zum Zwecke, den Ver-
tragsbruch zu vermeiden; Gesinde, das vor der gewöhn-
lichen oder festgesetzten Miet- und Ziehzeit frei ist, setzt
sich dem Verdachte aus, daß es seinen vorigen Vertrag
zu Unrecht gelöst hat. Nur ganz wenige Gesetze geistatten
ausdrücklich, daß von einer bestimmten Zeit an auch
ungekündigtes Gesinde von einem fremden Mieter um'
einen neuen Dienst angesprochen wird.
Das Vorgehen wider das Abspenstigmädietn ist offen-
sichtlich von polizeilichem Fürsorgegeist eingegeben. Das
ergibt sich schon daraus, daß die Reichspolizeli-
ordnungen des 16. Jhdts. *) an erster Stelle das Ab-
wendigfmachen durch die Herrschaften verbieten imd
durch Einführung von Zeugnissen den Mißstand heben
wollen.
Für den rein polizeilichen Charakter der Bestimnuin-
') Neue Sammlung II S. 882, 587, 10 S. 879.
- 836 -
gen spricht weiter, daß im Mittelalter diei Rechtsbü-
cher vom Abspannen schweigen, daß erst in^d^^ Städ-
ten sich das Bedürfnis geltend macht, Vorkehrungen
wider die von .ihrem Standesbewnßtsjein verlassenen
Dienstherrschaften zu treffen. So wurde in Lübeck
bestimmt*): „Nement mach deme anderen sine denst-
baden entmeden sunder der heren edder der vrowen
orlof/* Das spätere Recht Lübecks von 1586*) drohte
den abspannenden Herrschaften mit Strafe nach Gelegen-
heit des Falles. Ebenso wurde das Recht in Friedrich-
stadt 1633*) gehandhabt. Ein vollkommenes Muster-
beispiel der später gebräuchlichen Regelung bietet die
holsteinische Gesindeordnung von 1740*). 4, 6, 10
Thaler Strafe stehen den Herrschaften, die sich mit dem
Abspenstigmachen abgeben, bevor. Unterhändler, die
sich da2u hergeben, insbesondere solche weiblichen Ge-
schlechtes, erhalten Gefängnis bei Wasser tmd Brot; An-
gehörige, die Gesinde verleiten, sollen mit Geld- oder
Leibesstrafe bedacht werden. Der dem 16. Jhdt. ange-
hörige Entwurf einer ostf riesisdhen Gesindeord-
nung*) sah 5 Goldgulden herrschaftliche Strafe wider
das Abwendigmachen vor.
Die Polizeiordnung von Lauenburg normierte
1599^) wider Dienstherren, die anderen das Gesinde weg-
mieten, eine Strafe von zwei Gulden. Dazu soll der ver-
lockte Dienstbote, „wo er von seinem Herren oder Frauen
hierum keinen Willen erlanget**, auf ein Jahr ausgewiesen
werden'). Auch Ha de In wählte solche Lösung. In der
') H a c h S. 442. — ») Corp. Stat prov. Hols. — •) Corp. Stat.
Slesv. III 1 S. 1. — *) St A. Schleswig. Sammlung Gro6f. Verord-
nungen. — *) St. A. Aurich. Archiv der ostfriesischen Landschaft.
O. B. Polizeisachen zu Nr. 3. — •) Pufendorf, obs. iur. DI app.
S. 284 ff., bes. 817. — ^) Diese harte Strafe gegen die zunächst doch
nur als Objekt der strafbaren Handlung benutzten Dienstboten kommt
in dieser oder ähnlicher Form noch oft in der Gesetzgebungsgeschichte
vieler Gebiete vor. Dabei wird durchaus keine Rücksicht darauf ge-
— 837 —
Gesindeordnung von 1655*) wurde eine summa inevita-
bilis von 60 Mark als Strafe der neidisdiieü Dienstherren
festgesetzt; ein Drittel bekommt der Denunziant. Der
verführte Dienstbote verliert seinen Lohnanspruch und
darf, wieder bei 60 Mark Strafe', von niemandeto sonst
gemietet werden.
Das Stadtrecht Lüneburgs*) ging davon aus; daß
Mietung verboten ist, wenn das Gesinde ungekündigt in
seiner alten Stellung ist. Wer trotzdem ohne Wissen des
bisherigen Herrn das Gelsinde abspannt, muß zehn Mark
erlegen, von denen fünf an den Fürsten, fünf an den
geschädigten Dienstherm fallen. Der Dienstbote, der sich
zu Unrecht abspannen ließ, bekommt keinen Lohn und
darf ein Jahr in der Stadt nicht dienen ; welcher Dienstherr
dies Verbot niCht beachtet, erhält zehn Mark Strafe. Die
lüneburger Polizeiordnung von 1618*) unterläßt es,
ihrem Verbote des AbwendigHiachens durch Einfügung
einer Straf drohung eine etwas gesteigerte Aussicht auf
Befolgung zru geben. Drei Gulden Strafe standen nach
der Stadtordnung von Celle*) auf dem Abspannen ; .vier
Gulden waren es nach dem osteroder Recht*).
Das älteste Recht im Gebiete des späteren Hannovier
ist in einem göttinger Statut aus der Mitte des 14.
Jhdts.^) gegeben. Mietung außerhalb der „rechten" Zeit
ist die rechtliche Grundlage: „Weret ock dat jement
knechte eder magede den anderen entmiedede ut sinem
nommen, ob der Dienstbote dadurch, da& er sich hat verleiten lassen^
einen Vertragsbruch begangen hat, oder ob er sich lediglich zur
ordnungsmäßigen Kündigung hat bestimmen lassen. Ausschließlich
die Tatsache, dass er von der Herrschaft zur Begehung der Hand-
lung benutzt worden ist, begründet die Strafbarkeit des Dienstboten.
')Spangenberg, Verordn. f. Hannover IV 8 5. 266. — ') Pufen-
dorf a. a. O. IV app. S. 624 ff., bes. 796. — ■) Landesverordnungen
Lüneburg Cap. 4 Bd. 1 S. 1. — *) Pufendorf a. a, O. I app. S. 229ff.,
bes. 281. — ») Ebenda II app. S. 288 flF., bes. 264. — •) v. d. Ropp,
SUtuten S. 87.
- 838 —
äenste buten recliter tyd, wo dad darenboven dede, dt
^cbal jeme sinen scaden erlegfen, den he dar von jiympi
des dat denst is gewesen". Dies Statut ist das einzige
Beispiel für die Normierung eines Schadensersatzes für
den geschädigten Herrn; nirgends sonst ist eine indi\i
Iduelle Bemessung des Sdhadens zugelassen.
Mit dem einfacheren und schneidigeren Karapfesmit-
tel der Geldstrafe begnügt sich die große hannover-
sche Gesindeordnung von 1732^). Die Gesindeordnung
für die Stadt Wolfenbüttel vom Jahre 1748-) teilt
dem Dienstherrn für das Abwendigtniaohen 20 Thaler
Strafe, dem dabei benutzten Gesinde wieder ohne Rück-
sicht auf Vertragsbruch oder bloße Kündigung die außer-
ordentlich hohe Buße von einem Jahre Zuchthaus zu.
In Osnabrück wurde 1766') dem Gesinde, das sich
vor den fest bestimmcten Kündigungsterminen anderswohin
vermietet, eine Gefängnisstrafe von 24 Stunden angedroht.
Die alten Statuten der Stadt Mühlhausen von
1311 und 1351*) gehen von der Normierung der Zieh-
zeit aus. Vor dem Andreastage darf niemiand dem andern
sein Gesinde „abe mite" ; der Übertreter erhält eine Strafe
von zehti Schillingen, und die Miete gilt doch nicht. In
der Heimburgenordnimg von 1544 '^) steht nur ein allge-
meines Verbot, einen andern von seiner Arbeit abzuziehen ;
ein Pfimd ist die Strafe. Sdhon die bloßen Veartiagsver-
handlungen zwischen Herrn und Gesinde schützen die
f rankenhäuser Statuten von 1534*) gegen Eingriffe
anderer Mieter: „Wue auch ymants umb gesinde tei-
dingt zu miethen, sal den auch niemiants vorhindern, pena
drei sc'hillinge phenge und em tagk auf dem thore. So
sie aber ahne ende absc'heiden, »1 es nicht bescheddi-
*) Span gen berg a. a. O. IV 2 S. 461, - ») Archiv Wolfcn-
büttel Nr. 7097. — ») K löntrupp , Handbuch II S. 76. — *) Lambert,
Rechtsgesetzgebung S. 124, 125. — ') Stadtarchiv Mflhlhausen, —
*) Michelsen, Rechtsdenkmale S. 466 ff., bes. 481.
— 839 -
gen**^). Die 1594 geschjaffemen Stadtrechte Rudol-
Staats und Blankenburg^s*) ahnden die Abwiege-
Ixmgen von Gesinde mit einem Gulden, die freiwillige oder
unfreiwillige Mitwirkung der Dienstboten dabei mit delmi
Verbote, w^ter in der Stadt zu dienen. „Es sioUen au(^h' diet
AVeiber, welche solch Gewesch hin und wieder tragen, und
das Gesinde verhetzen, mit Gefängniss nach erkenntnissl
gestrafft werden."
Von thüringischen Landesrechten, die über Abwendig-
machien Vorschriften enthalten, ist das älteste die wei-
marische Landesordnung von 1482'): „Es soll niemand
dem andern sein gemüet imd gebröt Gesinde auf nehimien
noch vorenthalten, bey Vermeidung schwerear Strafe**»
'heißt es; da von VertragsbrucJh nicht weiter hier die Red€?
ist, muß man anneh!m>en, daß das Abspenstigtnachen durch
diese Straf drohung getroffen werden soll. In der k o b u r -
g e r Polizei- und Landesordnimg von 1580 *) wird mit fünf
Gulden gestraft, wer Dienstboten dingt, die noch nicht
verabsc'hiedet sind und ihre< Zeit ausgedient haben. Wäh-
rend die erfurter Polizeiordnung von 1583 '^) sich mit
dem radikalen Mittel bloßer Strafe begnügt, greift die von
Kurmainz aus für Erfurt erlassene Instruktion für die
„Zweyermanns-Camimer** von 1704®) tiefer ein und gibt
genaue polizeilidhie Anweisungen über die Bestrafung des
Abspannens und über die Zurüdkführung' deis ausgetrete-
nen Dienstboten in deti Dienst oder doch seine Veran-
lassung zur Übernahme eines neuen Dienstes, wenn der
frühere Dienst wirklidh schlecht war. Drei Thaleor Strafe
sollen die ablockenden Dienstherrschaften nach der er*
furter Dorfpolizeiordnung von 1786 ') erhalten. Nach dem
^) teidingen bt verhandeln; „ahne ende abscheiden" bedeutet
,,ohne Vereinbarung auseinander gehen". — ■) Walch, Beytrdge V
S. 21flF., bes. 62; 78ff. — •) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV
S. 137. — *) V. Weber, Statutarrechte I S. 1123. — •) Univ.-Bibl.
Marburg. — *) Kurf. mainz. Ordnungen f. Erfurt S. 142. — ^) Heine*
m ann, Rechte f. Erfurt S. 866ff., bes. 359.
— 840 —
Recht der alten burger Landesordmingr vt)ii 1556^
wurde das Abspannen mit 5 Gtilden gJöstraft ; der vterf ühite
Dienstbote mtißte dem früheren Herrn iinentgteltlidh wei-
terdiencm. Auch 1651 wurde es in Altenburg „streng ver-
boten"*), Gesinde abaiiloclken. Die gothlaische und
altenburgisChe Gesindeordnung von 1719') straft den
Abwiegler mit Geld, die „Kuppelwedber" mit Gefängnis,
In der altenburger Ordnung von 1744*) wird als Her-
sChaf tsistrafe Gefängnis (vierzehn Tage) wahlweise neben
die Geldstrafe von zehn Gulden gestellt. Die Mäkler kön-
nen bis auf vier Wochen ins Gefängnis kommien ; und die
Dienstboten, die sich ausmieten lassen, büßen mit fünf
Gulden oder fünf Tagen Gefängnis. Die jenaisCheGe-
sindeordnung von 1751*) gibt dem Herm zehn Thaler
Geldstrafe oder Gefängnis, dem Vermittle- der Ab-
spannimg fünf Thaler oder Gefängnis, dem abwendig ge-
machten Dienstboten vierzehn Tage Gefängnis; wahrend
dieser Zeit muß er einen Ersatzmann stellen oder sich
Lohnab:fug gefallen lassen. Unter die Lohnbestimmtungen
ist das Verbot des Abspannens in der eisenadher Ge-
Sindeordnung von 1757*) geraten. Der Lohn soll nkit
reguliert werden ; doch mögen es die Herrschaften auch
unterlassen, durch Versprechtmg höheren Lohnes sich ge-
genseitig das Gesinde abwendig zu miaChleD.
Die waldeCker Gesindeordnung von 1736*) straft
idas Abdingen des Gesindes mit fünf Thklem an der
Herrschaft ; der in bösem Glauben gegebene Mietpfennig
ist dem ZucUthause verfallen. An der Festsetztmg einer
Strafe läßt es die schäum burger Polizeiordnung ^^
1615^) mangeln. Ihr Verbot erstreckt sich auch schon
') Brandt, Der Bauer in Altenburg S. 75. — ') Ebenda S.BO.
— •) Univ.-Bibl. Marburg. XVin f A 870. - *) Ebenda. XVffl f B
1119 g. — •) Schmidt a. a, O. S. 188. — •) Kr* A. München. GR.
Fasz. 403 Nr. 8. — ^ Sammlung der Regierung Arolsen. — *) Rott-
mann S. 427 (Kap. 68).
— 841 —
auf das Abspenstigmadien, nachdem! der Dienstbote den
: Mietpfennig angenommen hat, miag der Dienst audh noch
' nicht angetreten sein. Die fehlende Strafe wurde erst
1738 *) ergänzt ; zehn Thaler und mfehr hat die bösie Herr-
: Schaft zu erwarten. „Und wäre der oder dieselbe darzu
(nämlich zum Vertragsbruche) von jemand wider die zehn
: Gebote Gottes angehalten und überredet**, dann soll diesler
Übeltäter eine gebührende Strafe erhalten — so bestimtnt
die detmolder Polizeiordnung von 1620*). Später in
der Gesindeordnung von 1752 ^) spezialisiert sich die Strafe
jum Karrensc'hieben.
In offenbarem Anklang an das Recht der Reichs-
polizeiordnungen des 16. Jhdts. wurde in der Stadtordnung
für Geseke von 1593*) willkürliche Strafe gedroht
für den Fall, „dass einer dem anderen seine Knecht
und Mägde uffsetzlicher weiss abdrünge**. Sechs Mark
bilden die Straf summe der paderborner Ordnung'
von 1655 *), fünf Thaler setzt die bentheimisChe Ord-
nung von 1690 •) an. In den Godingsartikeln des Dom-
kapitels von Münster nach der Fassung von 1665 und
1715 ') werden fünf Mark als Strafe bestimmt. Die mün-
stersche Gesindeordnung von 1722®) droht mit willkür-
licher fiskalischer Strafe; das Verbot, fremdes Gesinde
vor iden Mietterminen ^) zu din^en^ wurde bestätigt. Durch
Edikt von 1733*°) wurde dies Verbot ausdrücklich auf-
rechterhalten; nur für die Mietung des eigenen oder
dienstfreien Gesindes brauchen die Miettermine nicht be-
obachtet zu werden. Nach der ravensberger Gesinde-
ordnung von 1766 ") steht den abspannendem Dienstherr-
0 Landesverordnungen Schaumburg-L. II S. 886. — *) Landes-
verordnungen L.-Detmold 1 S. 8&8. — ') Ebenda II S. H. — ^) Habe!-
sehe Sammlung. — ') Landesverordnungen Paderborn I S. 6. —
•) Schloter, Provinzialrechte I S. 486. — ») Philippi, Landrechte
des Mflnsterlandes S. 181. — ") Sammlung Münster I S. 868. -- *) Oben
a 472. - ^^ Sammlung a. a. O. S. 869. — ") Ravensb. BUtter f. Ge-
schichts- etc. Kunde 1909 S. 62.
— 842 —
Schäften eine Strafe von 5 bb 20 Th. bevor. 2 bis 3 Th.
Strafe reichen nach der sayn-wittgrensteinischen
Polizeiordnung von 1776*) schon aus, um die „Verläum-
düng, Verkleinerung imd Verhetzung** wider die Dienst-
herrschaften sowie die „Versprechung besserer Tage*
durch leutegierige Neunxieter abzustellen.
Mit dem frühen 17. Jhdt. beginnt das olevische
Recht, wider das Abspenstigmachen vorzugehen. Die Ge-
sindeordnung von 1608*) droht auf Abspannen bei wäh-
renden oder auch erst angebot^ien Diensten fünf Gold-
gulden Strafe. Zehn Gulden, und zwar für Herrschaft
und Gesinde, das sich verleiten ließ, setzt die Gesindeord-
nung von 1696^) fest; den Gesindevermietem wird das
Abspannen m § 3 verboten. Die Scheidtmg, ob Herr-
schaften oder ob Mäkler die Abspannung vollführen, wird
auch in der Gesindeordnung von 1753*) durchgeführt,
und zwar auch in der Straf bemesstmg. Abspenstigmachen
„steht keiner ehrliebenden Herrschafft an, und soll nach
Befinden ernstlich geahndet werden**^). Das Maß dieser
„Ernstlichkeit** wird weiterhin^) näher bestimmt; „nach
Beschaffenheit der dazu gebrauchten arglistigen Wege
5, 10, 20 Th. imd mehr** soll die Strafe der Herrschaften
sein. Mäkler erhalten zwei Thaler Strafe oder zwei Tage
Gefängnis bei Wasser und Brot; im Wiederholungsfalle
wird ihnen die Konzession entzogen'). Die Gesindeord-
nung von 1769*) für die Dörfer läßt die Bestinintungen
über Mäkler ganz weg — auf dem Lande gab es deren
kaum — und straft die Herrschaften mit zwei Thalem
oder zwei Tagen Gefängnis, im Wiederholungsfall noch
härter •).
Auf ein beträchtliches Alter kann das kölner Recht
M Univ.-BibL Marburg. — ') Scotti, Oeve S. 216. — ») Ebenda
S. 690. - *) Ebenda S. 1462. - •) Tit. II § U. - •) Tit. IX § 6. -
') Tit. IX § 6; auch Tit U § 8. - •) Scotti a. a. O. S. 1894. -
•) §§ 10. 62.
— 843 —
des Abspenstigmachens zurückblicken. Schon in den Sta-
"tutensamtolungen von 1407 und 1460*) findet sich das
C];ebot: „Were sache, dat yemandt deane anderen syn
sremyedei gesynde hynder eme af fmyede, offuphielde,
ind der ^yider, dem dat geschege, des nyet untbeiren
^n weulde, als maengen dach, as hee yeme dat vorunt-
lieilte, also maenche marck soll hee zo boyssen gielden.**
Die beiden Polizeiordnungen von 1538 und 1595*) ent-
halten in besonderen Abschnitten vom Abdingen die Vor-
schriften des § 1 des in den Reichspolizedordnimgen ent-
haltenen Gesinderechtes*). 1595 wurden Straf Vorschrif-
ten hinzugefügt: „sonst sol der Ubert rettender Herr,
Knecht oder Magdt funff gülden ctirrant oder f unff West-
fälische marck zu Brüchten unnachlesslich geben.** Eben-
so ist auc^h die Regelung fast anderthalb Jahrhimdertet
später in der Polizeiordnimg von 1723 *). Wieder ist der Ab-
dingtmg ein besonderer Abschnitt gewidmet; die Strafe
ist zwei Mark für Herrn und Knecht. Gemeinsam für
Köln und Jülich erging am 10. imd 15. Dezemiber 1751
eine Verordnung wider den Vertragsbruch imd das Ab-
spenstigmachen ^) ; dies wird bei Brüchtenstrafe unter-
sagt.
Für die Rechtsentwicklung in Jülich* bedeutet diese
Vereinbarung (wie für Köln) den Abschluß. Die Anfänge
reichen in Jülich bis 1599 zurück, wo die bergische Ritter-
schaft sich auf dem Landtage zu den Beschwerden der
jülicher Ritter dahin äußert*), daß „nit allein die dienst-
botten, sunder auch die aufwickler imd imderhaendler,
auch diejenige, so dieselben mit wissen annemen**, im
') W.Stein, Akten I S. 248, 887; das gesperrt Gedruckte be-
deutet Zusätze von U60. — '») S co tti, Köln 1 1 S. 60, 166. — •) Oben
S. 86. — *) Scott! a. a. O. S. 628. — *) Scotti, Köln I 2 S. 771;
jOlich S. 444. St A. Dasseldorf. Akten des Bonner Hofrats. Kur-
köln Regierungssachen Nr. 47 Gesinde. -~ ') v. Below, Landtags-
akten U S. 98, 94.
— 844 —
Falle des Vertragsbruches bestraft werden sollen. Die
jülidher Verordnung von 1744*) geht von dem Verbot?
aus, daß Gesinde sic'h früher als ein Vierteljahr vor Ab
lauf seiner Dienstzeit bei einer neuen Herrschaft vermiete.
Bei 25 Goldgulden Strafe darf ein Dienstherr solches
Gesinde nicht „anmiethen oder in Dienst nehmen".
VonidennassauisChen Gebietsteilen hat Katzen-
ein bogen hier das älteste Recht. Die Polizeiordnung
von 1597') bringt das Abspannen von Dienstboten in
einen merkwürdigen Zusamlmfenhang mit dem Begehren
nac'h Lehngütem (d. s. Pachtgüter): „Insonderheit aber
wollen wir nicht gestatten, dass einer dem andern nach
einen dienstbotten, oder lehngütern trachte, Sondern so
jemand eines andern dienstbotten, oder die lehngüter.
so ein ander underhianden hat, zu dingen gemeint : Sol er
mit wisisenden Dingen handeln, und erstlich hören, ob
der dienstbott von seinem brothterren ledig, oder ob die
lehn jähr auss.** Unter den Rügfragen befindet sich dem-
gemäß eine solche nach Abspannungsversuchen. Die (hes-
sische) Landesordnung für die obere Grafschaft Katzen-
clnbogen aus dem 17. Jhdt. ^) handelt nur von der Ab-
spannung der Müllerknechte. Aus diesen Bestimmungen
ergibt sich klfiCr das oben über den Zweck der Abspan-
nungsverbote Gesagte, daß die heimliche Verreizung im
gekündigten Gesindes insbesondere mit Versprechung
mehreren Lohnes und nur dieses von den Gesetzgebern
bekämpft werden sollte. Die Landesordnung sagt : ^ Würde
aber ein Müller überwiesen, dass er dem andern mit
heimlicher Verreizung, oder VerheissUng mehrers Lohns,
seinen Knecht abgespannt, oder auch da gleich des Mül-
lerknechts Jahr aus wäre, und ihm frey stünde, sich in
eines anders Meisters Dienst zu begeben, der ander Meister
ihm heimlich oder öffentlich miehr denn obgesetzten Lohn
0 Scotti, Jülich S. 400. — •) Univ.-Bibl. Marburg. — ») Selchoirs
Magazin f. d. teutschen Rechte I S. 475 ff.
— 845 —
versprochen hätte: so soll der Müller, so dem andera
seinen Knecht abgespannt, oder ein mehreres zu Lohn
verheissen. Uns jedesmal mdt 20 fl. zu Straf verfallen
seyn, und dem Müllerkne<^ht, innerhalb den 2 folg^enden
Jahren in Unserm Land zu arbeiten, nicht gestattet
werden."
Die nassau - beilsteinisdh'e Gesindeordnimg
von 1618^) beschränkt sich auf ein bloßes Verbot, ohne
Strafen anzusetzen. Die imdatierte Rügordnung für die
Herrschaft Idstein^) kündigt demjenigen, welcher an-
dern das Gesinde abspenstig macht, herrschaftliche Strafe
an. Nach der dem 18. Jhdt. angehörigen usinger Ger
Sindeordnung ') darf keiner dem andern seine Dienstboten
vor Ider Zeit abspannen imd an sidbi locken, bei zehn Gul-
den oder Gefängnis.
1506 setzte in hessischem Lande das Vorgehen
gegen das Abspenstigmachen der Dienstboten ein. Das
herrenbreitunger Weistum*) erklärt, daß der Ab-
spanner das Unrecht habe. In ednem Vertrage, der am*
19. August 1536 zwischen Mitgliedern der Familie Dorn-
berg getätigt wurde*), versprachen sich die Parteien^
es solle „auch kein teil dem andern siene knechte ader
irer beider knechte und gesinde zu imgelegner ziet als in
der saydt, hau und snidde eym heren us dem' dienst
enweg nemen, von der handt füren ader vorschicken. Es
sail auch kein teil dem andern sien gesinde wieder sienen
willen abziehen, abmyeden, ader zuwieder imd entgeigen
annemen ader enthalten . . .**. 1540 schloß Philipp der
Großmütige mit den Pf ännem zuSoodenan der Werra
einen Vertragt). Ihnen verheißt der Landgraf, „nach-
dem uns die pfenner Itzt ein anteil der soder salzknecht
*; Corp. Const Nass. II S. 29. — ») St. A. Wiesbaden. V Nassau-
Usingen. Generalia IIa Verordnungen Bd. V S. 1. •— ') Ebenda S. 128.
— *) Oben S. 24f. — ») St. A. Marburg. Dörabergsches Archiv. —
^ U. F. Kopp, Beytrag zur Geschichte des Salzwerks in den Soden
S. 99.
— 846 —
unnd gesiende In Soden verwilliget In Unnsem Dhieost r:
nhemen", daß er die imi Dienste der Pfänner stehenden
Salzkneclite jenen nicht „entziehen, abmieden, abreitzeiL
ader annemen lassfen** wird.
Die hessische Taxordnnng von 1622 *) will die! übel
die durch das Abspenstigtnachen entstehen, mit Hilfe der
Taxbestimtaungen heilen; das Abspannen verschwindet,
wenn die Lohntaxen eingehalten werden, denn es gibt
weiter keine Anreizungstnöglichkeiten als die geldlichen
oder geldwerten Leistungen der Herrschaft. Die Gesetz-
g'eber des 18. Jhdts. verhalten sich der Frage gegeii-
über, ob wider das Abspannen vorgegangen werden soll
zunäclist ablehnend. Die Gesindeordnung von 1736 -) «it-
hält keine Bestimtniung der Art. Erst 1748*) wird die
hannoversche Ordnung auch hierin nachgemacht ; das Ab-
wendigmachlen wird mit Geldstrafe je nach Vermögen
bedroht. Nachdem 1767 ein bei Gelegenheit der
großen Untersuchung über die Gesindeverhältnisse ge-
machter Vorschlag, das Abspenstigmiachen zu verbie
ten, nicht die Billigung des Geheimen Rates gefunden
hatte *), kam es für ganz Hessen erst mit den beiden Ge-
sindeordnungen von 1797 und 1801*) zu einer gresetz-
lichen Festlegung. Bei ernstlicher oder nachdrücklicher
Strafe soll das Abspannen unterlassen werden. 1801 er-
fahren insbesondere auch die Außenstehenden, die sich
an der Unredlichkeit einer abspannenden Herrschaft be-
teiligen, also vornehmlich die Mäkler, besondere Strafe.
Gegen derartige Ruhestörer sollen die Behörden heftig
vorgehen.
Von den hessischen Nebenländem tritt Gelnhau-
sen zuerst auf. In dem Statut von 1560^) wird vor-
nehmlich das Abspenstigmachen behandelt. Der „ab-
') LO. I ,S. 616. — «) LO. I S. 410. — •) St A* Marburg. IX A
1621 (Hanauer GO.). — *) Oben S. 84. - ») LO. VII S. 727; YHI S ».
— •) Oben S. 121 f.
— 847 —
reytzer** muß einen Gulden erlegen, das vierführte Ge-
sinde erhält keinen Lohn und darf ein Jahr lan^ in der
Stadt nic'ht dienen. In einer erzbisohöflich-mainzischen
Polizeiordnung von 1579 für die später preiußisch-hessische
Stadt O r b 1) wurde angeordnet : „Wir wollen auch dass
keiner dem andern sein Dienstbothien, Knecht, Magdt,
Weinhauer, Bauern so Holtz zu© f huren zwischen dem
versprochenen Jar bey Stroff fier Gulden beredh abfuhr
nach mit Belohnung ersteig.** Die schaumlburger
Polizeiordnung von 1615 wurde bereits behandelt-). Das
fuldische Reskript von 1761^) zieht kräftig g^en die
„bösartigen Leute** los, die sich aus der Verreizung der
Dienstboten ein unerlaubtes Geschäft machen ; gebührende
Ahndimg haben sie zu gewärtigen. Auch die isenbur-
ger KirChendisziplinordmmg von 1697*) droht mit „ernst-
lichem Einsehen und Bestrafung**. Die isenburger Rüg-
ordnung von 1766^) sagt imter § 19: „Soll keiner dem
andern das Gesind abspannen**; Strafe wird nicht fest-
gesetzt.
In der nördlichsten Provinz von Hessen-Darm-
stadt erging 1680 die Polizeiordnung der Burg Fried-
h e r g *), in der dem Abreizer des Gesindes mit arbiträrer
Strafe gedroht wird, weiter die gederner Gesindeord-
nung von 1681 ^), die auch ein freilich mit Strafen oder
sonstigen Mitteln nicht gerüstetes Verbot d^ Abwendig-
machens brachte; solange das Gesinde noch nicht aufge-
sagt hat, darf niemand es mieten. Das älteste Stück
aus den später hessischen Ländern ist edne Worms er
Satzung von 1469®): „Das kein meister dem! andern sin
') St A. Marburg. Akten Orb Nr. 488. - «) Oben S. 840f. —
•) Oben S. 129ff. — *) Kersting, Sonderrechte Sp. SME, bes. 900.
— *) Sammlung Amtsgericht W&chtersbach. — *) Univ.*Bibl. Marburg.
— ') Grflf 1. Stolbergisches Archiv in Gedem. B XX ,,Allerhand Ver-
ordnungen ... so in der Grafschaft Stolberg-Gedem ergangen^ S. 61
— •) Baur, Hess. Urkunden IV S. 202.
— 848 —
gesiynne abegewinnen soll, es sy knecht oder megd*,
es Wer idann, das der selbe medster mit yme gerechet m
bezalt hiabe, uberf ure eincher das, der verlöre zu pene \
untz heller**. Eine hessische Taxordnung von 1626-
wendet sich außer gegen die Lohnssteigening nur nod
wider das Abspannen. Beides soll nach Gelegenheit de:
Pjersonen mit Geld oder Turm» gestraft wearden. ki
r he ingaui sehen Landrechte von 1643 -) findet sieb
die Verquickung des Abspannungsverbotes mit den Vor
Schriften über den Zeitpunkt einer neuen Mietung. „Is'
diess Brauch, dass nemlich keiner dem- andern seiK
Dienstboten gefährlich abspannen solle, sonderlich
aber ist diesfalls observiret und je und allewege von der
Obrigkeit anbefohlen und gehandhabt worden, dass keimr
dem andern seine Dienstboten ohne sein Vorwissen \-o:
Martini ansprechen und abdingen solle, jederzeit bei Straf
Frevels**. Der mainzerRezeß von 1654 ^) will das Ab-
wendigmachen mit der hohen Strafe von vierzig Gulden
belegt wissen.
Schon 1643 hatte der fränkische Kreis seine
Vereinbarung geschlossen*), die auch das Abspenstig-
machen untersagte. Die Kreismitglieder kannten jedoch
solche Bestimmlungen teilweise bereits seit langer Zeit.
In Nürnberg wurden im 14. Jhdt. recht eingehende
Vorschriften über die Angelegenheit getroffen. Ein altes
Gesetzbuch der Stadt *) sagt : „Es sol auch dhein burger
noch biu'gerin noch niemant anders dem« andern seinen
kneht oder mayd vor ireml Zil niht abdingen. Wer daz
uberfür Ider must gelben drew pfunt haller und der knecht
oder mayd sollen geben ein pfunt haller und solt darnach
^) Haus- und Staatsarchiv Darmstadt. HOpfnersche Sammloo;-
— *) Stadtarchiv Mainz. — •) Stadtarchiv Frankfurt Corp. leg. Francof.
m Nr. 66; oben S. 789f. — *) Kr. A. Mönchen. GR. Fasz, 408 Nr.l;
oben S. 789. - ») Siebenkees, Beyträge z. teutschen Rechte 0
S. 209 ff., bes. 228.
— 849 —
der selb kneht oder mayd der selben herrschait ir Zeyt
auz dienen. Und ez möht dannoch ir eins dez als ver-
liehen ubervam, sie wolten die Bnrger darumb straffen
darnach und sie zerat würden." Eine Kündigtings- oder
Ansagefrist war demnach zu dieser Zeit noch nicht Sitte:
„vor irem Zil** sollen die Dienstboten nicht abgedungen
werden.
In einem späteren Statut des 15. Jhdts. ^) dagegen
haben sich Fristen für die Aufsage in Nürnberg heraus-
gebildet : „Unnsere herren vom rate gebieten, das hinfür
kunfftiglichen kein ir burger oder bm-gerin oder anndere
Personen von iren wegen yemandt ir verdingt, versprochen
oder verpflicht eehalten weder hie noch in einer meil
wegs gerings umb dise stat weder durch sich selbs oder
ymandt annders von seint wegen nicht abdingen oder eini-
cherley Verpflichtung mit ine fümenien oder hanndlen
allezeyt sechs wochen vor und ee eins yeglichen ver-
pflichten eehalten versprochen zil und zeyt kompt oder
erscheint, damit dieselben eehalten irer allten herschafft
verpunden und verpflicht sein . . . Zudem so sollen sich
diesielben, zu dem sich soliche eehalten gedingt imd ver-
pflicht hetten, derselben eehalten zu stimd an enteussern.
Dann wer solichs aber überfüre und sich des mit seineml
rechten nit benemen mochte, der sol zu der vorgeschriben
puss, so lang er sich yezuzeyten solicher eehalten genntzlich
nit enteussert und irer pflicht ledig zeit, sonnder lennger
gehalten hette, von einem yeglichen tag gemeiner stat
on gnad zu puss geben ein pfund newer haller. Unnd
welicher eehalt vor und eex sechs wochen vor seinem
gedingten und verpflichtem zil mit yemands, außerhalb
derselben ersten ir herschafft, der sie noch verpunden
were, versprechnus gethan, oder zu inen verdingt oder
verpflicht hatte . . . der yglichs sol gemeiner stat zu puss
*) Baader, Nürnb. Polizeiordnungen S. 28.
Könnecke. 54
— 850 —
geben funff pf und newer haller und darzu ein jar drey meü
wegs von dieser stat sein und nit herru kernen, es sey dan:
solich puss und gelt aussgericht und bezalt."
Nach dem zuerst angeführten nürnberger Statut wai
der Dienstbote bis zum Dienstende der alt^i Heirrschaft
verpflichtet ; kein Fremder diurf te eingreifen. Die im zwei
ten Statut normierte Sechswochenfrist läßt siqh nur ak
Kündigungszeit oder als Frist für weitere Ansage^) auf-
fassen. Frühestens sechs Wochen vor dem Vertragsende
konnte die Kündigung erfolgen ; spätestens vierzehn Tage
vor dem Schlußtage mußte sie geschehen sein, wie eine
weitere (hier nicht wiedergegebene) Stelle besagt. Nach
dem so Kündigungsfristen aufgekommen waren, bestand
das unbedingte Recht der alten Herrschaft nur noch bis
zu dem Termin sechs Wochen vor dem' Vertragsende;
bis dahin war ein Kontrahier«! mit Außenstehenden dem
Dienstboten versagt. Der erste Tag der Kündigungsfrist
gab dem Dienstboten die Vertragsfreiheit, die er vorher
erst mit Abschluß der ganzen Dienstzeit esrlangte. Von
da an war eine Vereinbarung auch mit einem- neuen Mieter
ohne Wissen der alten Herrschaft gestattet, wenn anders
die gerade hierin sehr ausführlichen und genauen Statuten
II einen Sinn haben sollen. Der Vergleich der beiden
Statuten ergibt also einen vom späteren Polizeirecht ab-
weichenden Sinn. Während die Ordnungen des 17. Jhdts.
und weiterhin eine Vereinbarung der Dienstboten mit
einem fremden Mieter verhindern wollen, solange der
Dienstbote sich noch in ungekündigter Stellung befindet,
wird hier Eintritt des frühesten Kündigungstages als aus-
reichende Grundlage einer Neuvermietung erklärt. Der
Dienstbote mochte auch erst nach der Neuvermietung
kündigen, wenn er nur die äußerste Frist, vierzehn Tage
vor dem Sdhlußtage, einhielt.
*) Oben S. 740 f. (§ 12).
— 851 —
1579 *) wurde in Nürnberg das Abspannen mit 20 Th.
Strafe bedroht. Das Mandat von 1628 *) griff auf den alten
Gedanken zurück und gestattete edne Neumietung erst
A^on der sechsten Woche vor Ablauf des Dienstes an;
übertretende Herrschaften sollen fünf Goldgnlden Strafe
erhalten. Gleiches Verbot gilt auch für die Zubringer ; sie
müssen bei Übertretungen die genannte Strafe zahlen und
verlieren ihr Amt.
Von den sonstigen fränkischen Territorien hat Bam-
berg die ältesten Kampfunternehmtmgen wider das Ab-
spannen. Eine vom Vertragsbruche und dem» Abspenstig-
machen handelnde Verordnung von 1533^) setzte zehn
Gulden Strafe fest, wie es scheint, für jedes dieser beiden
Delikte. Die Polizeiordnung von 1652*) überließ die Be-
strafung des Abspannens dem Befinden der Behörde. Das
Ehhaf trecht der oberpfälzischen Vogtei Hohnbach von
1550*) normierte dagegen als feste Strafen Lohnverlust
und fünf Gulden Buße. Vom einfachen mit Strafdrohung
nicht ausgestatteten Verbote des Abspenstigmachens ging
Würzburg zur Bestrafung mit zehn Gulden über. Die
Daten sind: Taxordnung 1644*), Gesindeordnung 1749^).
In Einersheim begnügte man sich 1626®) mit zwei
Gulden. Das Recht Frankens brandenburgischen
Teiles beginnt mit Festsetzungen wider das Abspannen
1626 in einem Rezesse zwischen Fürsten und voigtländi-
scher Ritterschaft'). Unter Bezugnahme auf die Reichs-
polizeiordnungen wird mit gebührender Strafe gedroht.
Eine fürstliche Resolution auf ritterschaftliche Gravamina
aus dem Jahre 1657 *®) verweist auf eine Polizeiordnung,
') Kr. A. Nürnberg. Bestand A Akten Nr. 24 S. I. L. 665. —
•) Ebenda. -— •) Kr. A. Bamberg. Bamberger Verordnungen Rep. 141
Nr. 69. — *) Ebenda. — ») v. F i n k , geöffnete Archive, 1. Jahrg.,
S. 861 ff., bes. 868. — •) Kr. A. Würzburg. V 9561. — ') Landesver-
ordnungen Würzburg II S. 689. — •) v. Weber, Statutarrechte II
S. 1101 ff., bes. 1104. — •) Kr. A.Bamberg. Collectanea Rep. 187h
nr. 1. — ") Ebenda.
54^
— 852 —
die auch das Abspannen verbietet. Die revidierte Polizei-
ordnung von 1746^) fügte ihrer Vorgängerin, der Ord-
nung von 1672*) eine Strafbestimmiung wider das Ab-
spenstigmachen (zehn Gulden) hinzu. Nach der Gesinde-
ordnung von 1769 ^) werden beide Teile, Herr und Diener,
für die Abspannung gestraft. Geld- rnid Leibesstrafen
haben die Personen zu erwarten, die gewerbsmäßig durch
Verleumdungen Unfrieden zwischen döi Parteien säen;
damit insbesondere die Mäkler nicht durch den Miet-
pfennig sich zur Begehung von Abspannversuchen ver-
leiten lassen, soll die Hälfte des Mietgeldes von der Herr-
schaft selber dem Mäkler ausgehändigt werden. Die Ge-
sindeordnung für Regensburg von 1656*) sprach das
bloße Verbot des Abspenstigmachens aus. Mit besonde-
rer Ausführlichkeit ging die eichstätter Polireiord-
Inung von 1707*) wider die Abspänner vor: „Es soll
auch Niemand dem« Anderen seinen getreuen Dienstbotten
heimblich oder öffentlich durch einigerley Verheissung
oder anderweithige Bedingung, wie die immer erdacht,
bescheint, oder bemändtlet werden mögte, verlaithen oder
abspannen**, bei zehn Gulden Strafe. Die „Fürlegerinnen*'
werden „sich dises wohlgesagt seyn zu lassen ernstlich
erinnert**. Nach Dinkelsbühls Polizeiordnung ^) soll
das Abspannen empfindlich geahndet werden.
„Wer den andern e der zeit seinen chnecht oder sein
diern enpfröndet, der pezzer ez dem Richter mit XXX der
Stat XXX.** Dieser Satz, der Stadtordnung für T raun-
st e i n von 1375 ') angehörig, ist das älteste Beispiel, wie
in Südbayern gegen die Feinde des eigenen Standes vor-
gegangen wurde. Die „nicht eben alte** Zuchtordnimg für
Memmingen®) sei angefügt. Sie mahnt die Dienst-
») Corp Const Brand.-Culmb. II 1 S. 676 ff. — *) Ebenda S. 556 ff.
— «) Kr. A. Nürnberg. S. 23 ^ Nr. 779 Repert. 288. - *) v. Weber
a. a. O. V S. 86. — ») Habebche Sammlung. — •) v. Weber a. a. O.
n S. 1016. — ')Westenrieder, Glossarium Germ.-Lat. I S. XXIII ff.
•) Walch, Bey träge II S. 276 ff., bes. 828/830.
— 853 —
Herrschaften, doch des Christengebotes emgedenk zu
sein, damit nicht willkürliche Strafe einmal eingeführt
-werde.
Erst Maximilians Landrecht scheint 1616 für Alt-
bayern ein besonderes Recht des Abspannens gieschaf-
fen zu haben ^). Die schuldige Herrschaft, der verführte
Dienstbote und die mitwirkende Mittelsperson sollen gct-
straft werden. Die Gesindeordnung von 1652*) beklagt
in der Einleitimg, „das die imnderthianen einer dem ann-
dern vor oder baldt nach halber jarszeit die Ehehalten
abwerben, anreden und innen ein häfftl gelt geben lassen,
dahero vill zu khurz gescheche, das wan sie erst das
lestere viertl jar ire Ehehalten anreden lassen, selbe schon
annder verhaissen seyen, und also sie niemandt mer er-
fragen und bekhommcn khind". Wandte sich der Ge-
setzgeber hier noch besonders gegen die Konkurrenz der
sämtlichen Herrschaften, ohne die besondere Dienstherr-
schaft, der der Dienstbote abgespannt wurde, zu erwähnen,
so erfuhr in einer weiteren Bestimmiung des Gesetzes auch'
diese Herrschaft einen wirksamen Schutz ihres wohler-
worbenen Rechtes : „Sechstens soll niemand demi andern
seinen getreuen Dienstbotten hiaimblich oder öffentlich
verlaitten, widerspenig machen, oder gar ta practiciren,
durch ainicherley verhaissung und anderwertige Bedin-
gungen, wie die immer erdacht, bescheint oder bemän-
telt werden khunde, bei Vermeidung allerhandt Spott,
schandt und geltstraffen, die ein iedes ortts obrigkheit
befindeten Dingen nach unnachlessig gegen den VerbrC'
ehern vorzenemen wissen wirdet/* 1654 *) wurde die Strafe
auf Leib- und Geldbußen festgesetzt, ebenso 1656 *). Die
Gesindeordnung von 1660*) griff die 1652 angedeuteten
Gedanken wieder auf. Die frühzeitige Anredung der
') Platzer S. 110. — ') R. A. München. Generaliensammlung
Rep. S. 9 Nr. 6. — •) Ebenda. — *) Kr. A. München. GR. Fasz. 402
Nr.l. — •) Ebenda; oben 471 f. (§ 4).
- 854 -
Dienstboten um einen Dienst soll verboten sein. Erst
zwischen Martini und Andrea darf man einen fremden
Dienstboten in seinen Dienst dingen. Bei Leib- und
Lebens strafe wurde 1666 ^) das Abdingen verboten. Die
Gesindeordnungen des 18. Jhdts., von 1755*), 1761*),
1781 *) und 1700 *) strafen sämtlich das Abspenstigmachen,
ziemlich übereinstimmend aji Herrschaften, Dienstboten
und auch Mäklern (dies 1790); die Ordnung von 1801^)
wiederholt das frühere Recht.
Unter Hinweis auf die Reichspolizeigesetze verbieten
mehrere württembergisöhe Gesetze das Abspannen,
aber ohne besondere Strafdrohung. Es sind die erste
Polizeiordnung von 1549, die fünfte Landesordnung von
1552, die siebente Landesordnung von 1621'). Auf dem
Wege zu strengerem Vorgehen liegt das Generalausschrei-
ben vom 22. Dezember 1641®), wonach abspenstig ge-
machte Dienstboten von niemandem leichtlich aufgenom-
men werden sollen. Die vierte Taxordnung von 1642^)
droht mit Turm- oder Geldstrafe. Die Vereinbarung der
Ämter von 1652^°) und die Gesindeordnung dieses Jah-
res ^^) setzen 10 bis 12 Thaler Strafe fest. Die Schäfer-
ordnung aus dem Jahre zuvor ^*) hatte sich mit dem
bloßen Verbote begnügt. Die 1669 vereinbarte Taxord-
nung ^3) blieb bei dem Satze der Gesetze von 1652. Zu
Ramsberg wurde 1556 im- Vogtbuche ^*) eine Strafe
von einem Pfund bestimmt. Nach der Ehehaltenordnung
Biberachs aus dem Jahre 1651^*) sollte der schuldige
') v. Freyberg, Pragmatische Geschichte d. bayr. Gesetz-
gebung II S. 191. — •) Churbayerisches Intelligenzblatt 1776 Nr. 89. -
») Kr. A. München. GR. Fasz. 404 Nr. 7. — *) Kr. A. München. A. R.
Fasz. 469 Nr. 209. — *) Kr. A. München. M. A. Fasz. 1321 Nr. 1165. —
•) Ebenda. — ^Reyscher, Gesetze XII S. 149. 198, 717. — •) Ebenda
XIII S. 11. - •) Ebenda S. 17. — ") St. A. Stuttgart Druck. —
") R ey s c h er a. a. O. S. 114. ~ »•) Ebenda S. 108. — »») St A. Stuttgart
Handschrift. — ") Wintterlin, Württembergische ländt. Rechts-
quellen I S. 769 ff., bes. 767. — ") Kr. A. Neuburg, ad H. 6387. Augs-
burg Hochstift ad Generalia XI Nr. 2.
— 855 —
Dienstherr je nach Vermögen, der Dienstbote mit der
halben Strafsumme belegt werden.
Daß in Amorbach schon 1415 das Abspannen un-
tersagt war, ergibt ein Eintrag im Gerich'tsbuche ^) : „Hans-
beder clagt von kolman, daz ein knecht imd sin frauwe
her quemen und dingte in nit und sie gingen enweg und
kamen uff die steygen gein dem nuwendorff uffen, und
sie kamen her wieder in, und hans dingte sie beide.
Dar nach füre kolman zu imd hat sie yme abe gedingte»
beide und wil yn nit verroissen, er du ez yme zu leide.
Daz clagt er von colman und syme wybe. Daz ist ym
leider dan X pfund.** Nach adelsheimer Stadtrecht
von 1627 und 1596*) steht auf dem Abspenstigmachen
ein Gulden Strafe. Der Rat von Überlingen ging
1558') so weit, nicht den Dienstherrn, sondern das zur
Vertragslösung verleitete Gesinde, und nur es, zu
bestrafen; es durfte im Ort fürder nicht mehr dienen.
Im Gebiete des villinger Rechtes sollte nach der Jahr^
gerichtsordnung der villinger Dependenz Kümach von
1652 *) und nach der Polizeiordnung für Villingen selber
von 1668*) kein Herr des andern Dienstleute abwendig
machen bei einer Poen von zehn Pfund Heller. Zwei
Pfund Heller als Strafe des Herrn, ein Jahr Dienstverbot
für den abgespannten Dienstboten — das sind die in der
heidelberger Taxordnung von 1579 ^) normierten Fol-
gen des Abwendigmachens. Nur eine Geldstrafe von zwei
Gulden wollen die kurpfälzisdhen Polizeiordnungen
v^n 1658 und 1684^) von den Abspännem einziehen.
Im Kletgaue wurde 1606®) den Übeltätern mit Turm-
und zehnpfündiger Geldstrafe gedroht. „Unausbleiblich**
') Habeische Sammtun«;. — ') Oberrheinische StadtrechtelS. 648 ff.,
bes. 675. — •) Ebenda II 2 S. 457 ff., bes. 458; oben S.470f. — *) Ebenda
II 1 S. 108 ff., bes. 116. - •) Ebenda S. 208 ff., bes. 216. - •) Kr. A.
Worzburg. V 9661; Gen. L. A. Karlsruhe. Kopiarbuch 608. - ») Univ.-
Bibl. Marburg. — ■) Habeische Sammlung.
— 856 —
ist die Strafe nach der Gesindeordnung' der Herrschaft
Gutenburg von 1652*). Doppelte Strafe setzte dk
freiburger Gesindeordnung von 1782 *) fest. Der Ab-
spanner erhält zehn Thaler Geldstrafe oder vierzehn Tage
Turm; dazu miuß er den Schaden ersetzen. Das weg-
geführte Gesinde muß zurück in den Dienst, oder aber
es wird nach vorgängiger achttägiger Spinnhausstiafe auf
ein volles Jahr aus der Stadt vearwiesen. Für Judengesinde
wurde 1792 in Baden die Schlaf fung besonderen „De-
bauchir* '-Rechtes geplant^). Nur wenn keine Debauchk-
rung erwiesen ist, dürfen sich die Judenknechte anderwärts
vermieten. Ein Jude, der eine DebauChienmg begangcß
hatte, sollte zwei Thaler erlegen und solange, bis er den
Knecht wieder freigegeben, in den kleinen Bann getan
werden.
Schwere Cield-, ja Leibesstrafe und selbst Ausweisung:
waren die Mittel, mit denen die österreichischen
Ordnimgen von 1765 imd 1779*) vornehmlich die Helfer
beim Abspannen, die Mäkler, bestrafen wollten.
Die Mark Brandenburg*^) kämpfte seit 1550
gegen das Abwendigmachen. 1620 werden 30 Thaler
Strafe angedroht. Ein bäuerlicher Gesmdehalter erhielt
nach der Gesindeordnung von 1769 fürs Abspannen Ge-
fängnis, der Großgrundbesitzer mußte 20 Thaler Strafe
zahlen. Das Allgemeine Landrecht und die Gesindeord-
nung von 1810 beschränkten sich darauf, niu- g^en die
Gesindemäkler das Verbot des Ausmietens aufzustellen.
Das ungerechteste Recht bestand im Ordenslande*).
Der Dienstherr, der Gesinde abspenstig macht, ist straf-
frei; aber das Gesinde, das seinem Rufe folgt, bekonMn^
drei Mark Strafe und muß ein Jahr umsonst dienen.
*) Gen. L. A. Karlsruhe. Kopiarbuch Nr. 692 d. — *) Gen. LA.
Karlsruhe. Baden Gen. 6891. — «) Ebenda; oben S. 896 f. — *)Kr. A.
Mönchen. GR. Fasz. 402 Nr. 1 und Nr. 2. — •) Lenn hof f S. ÜfL -
•) Steffen S. 18.
— 867 —
Wohl das absonderlichste Schicksal erlebte das Recht
des Abspannens in Sdhlesien^). Die Strafen, die in
den Gesindeordnungetn des 17. Jhdts. ausgesprochen wur-
den, hatten keine Wirkung. So entschloß sich denn das
Oberamt Breslau 1654, das Abspenstigtniadhen von Gesindel
geradezu zu erlauben. Und zwar in folgender Weise.
Wer ohne Überschreitung* der Taxe andern Dienstherm
Gesinde wegholt, weil es ihm an Leaiten für seine Wirt-
schaft fehlt, der ist mit Strafe zu verschonen. Vom' gesetz-
geberischen Standpunkte aus war diese Maßnahme weise;
denn imter nichts leidet die Autorität der Gesetzesver-
fasser so wie unter notorisch nie befolgten Gesetzen. Aber
das Abspannen des Gesindes konnte nun ruhig weiter
getrieben werden — im Einklang mit dem Gesetz^ im
Widerspruche mit der frommen Regel.
$ 16. Das Gesindezeugnis.
Außer im Gesindewesen kommt es bei freien Vertrags-
verhältnissen nur noch recht selten vor, daß giesetzlich
die Vorlegung von irgend welchen privaten Zeugnissen
bei Abschluß eines neuen Vertrages verlangt wird. Das
Zeugnisw»esen ist wie keine andere Einrichtung im Ge-
sinderechte von ausschließlich polizeilichen Erwägungen
eingegeben; zur Coerciexung der Dienstboten ist es ge-
schaffen worden.
Die meisten sonstigen gesinderechtlichen Reglemen-
tierungen, die im Verlaufe der vorliegenden Darstellung
geschildert wurden, konnten mehr oder weniger weit in
eine Zeit zurückgeführt werden, deren hauptsächliches
Kennzeichen noch nicht das völlige; Überwuchern polizei-
licher AHmachtsgefühle war. Beim« Zeugniswesen ist es
anders. Den Reichspolizeiordnungen verdankt
das Gesindezeugnis wo nicht seine Entstehung, so doch
') Frauenst&dt S. 888.
I
l
— 858 —
seine erste wirksame Einführung in die Praxis. Was vor-
herging, war eine Anordnung der Gesindesordnung für die
Harzländer von 1445 (darüber imten) ; weitergteÜende Wir-
kungen hat diese aber nicht ausüben können. Erst se:
1530 die Zeugnisse von reichswegen als das vorzüglichste
Mittel wider die Unregelmäßigkeiten im Gesindewesesi
offenbart worden waren, folgrten die Landesre^rierungea
Aber gleich in der gründlichsten Weise «-griffen sie die
treffliche Handhabe wider all die wirklichen und ver-
meintlichen Mißstände im» Gesindewesen. Kaum sona
eine Einrichtung des Gesindewesens wurde mit gleicher
Einmütigkeit überall eingeführt und durchgeführt wie das
Abschiedszeugnis.
Es gibt drei Arten von Zeugnissen, welche die Gesetze
für das Gesinde vorschrieben. Einmal die Hearrschafts-
abschiede. Diese scheiden sich danach, ob sie (wie ur-
sprünglich) lediglich als Mittel wider den Vertragsbruch
gedacht sind, oder ob in ihnen auch Aufschluß über
Charakter und Fähigkeiten des Dienstboten und sein Ver-
halten im Dienst gegeben wird. Jene Zeugnisse wider den
Vertragsbruch enthalten weiter keine Angaben als die,
daß der Dienstbote sein Amt bis zum' Schlüsse dem
Vertrage gemäß ausgehälten hat. In den später Sitte
werdenden herrschaftlichen Bescheinigungen d agegen
werden die Mitteilungen über die Art der Vertragsbeendi-
gung überwogen durch Nachrichten über das Betragen
des Gesindes im Dienste. Erst allmählich bildete sich
diese noch heute gebräuchliche Art aus den ursprüng-
lichen „Abschieds**-Zeugnissen heraus. Eine, hiervon ver-
schiedene dritte Klasse von Scheinen, die ein Dienst-
bote bei der Vermietung vorlegen mußte, bilden die obrig-
keitlichen Urkunden über Abstammimg des Dienstboten,
sein Alter und andere Dinge.
Daß die Dienstboten all diese Papiere dem Mieter
vorlegen müssen, wird durch mannigfache Vorschriften
— 859 -
angeordnet. Wo man Schriftlichkeit der herrschaftlichen
Äußerung nicht verlangte, weil man sie nicht verlangen
konnte (so bei Schreibensimwissenden), ordnete man des
öfteren eine mündliche Erkundigung des neuen Herrn
bei der vorigen Dienstherrschaft an^). Im übrigen wurde
den Dienstboten aufs energischste anbefohlen, einen neuen
Vertrag nur unter Vorlegung von Abschiedszeugnissen
und obrigkeitlichen Herkunftsbescheinigungen einzuge-
hen. Die alte Dienstherrschaft mußte ein Zeugnis schrei-
ben, der neue Mieter hatte die Pflicht, sich stets nach
dem Zeugnis zu erkundigen, wohl auch es in Verwahrung
zu nehmen. All diese Obliegenheiten waren — wie gewöhn-
lich im Gesinderechte — mit Strafen erhärtet und mit
allerlei raffinierten Besonderheiten ausgestattet, die eine
Durchführung der Vorschriften ermöglichen sollten. Be-
sonders wichtig ist die häufig vorkommende, den Charak-
ter der Gesindegesetze kennzeichnende Bestimmung, daß
eine Herrschaft, die einem Diener der Wahrheit zuwider
ein günstiges Zeugnis ausstellt, dem späteren, durch das
falsche Zeugnis getäuschten Mieter den Schaden ersetzen
muß, den dieser durch den Dienstboten erleidet. Fast
regelmäßig fehlt die entsprechende Vorschrift, daß eben-
so der Dienstherr dem Dienstboten für den Schaden auf-
kommen muß, der infolge einer der Wahrheit widerspre-
chenden zu ungünstigen Bezeugung nicht einem Dienst-
herrn, sondern dem Dienstboten entstehen kann.
Die Angabe, daß den Zeugnissen die ihnen heute
beigelegte Eigenschaft einer Bescheinigung guten Ver-
haltens im Dienste ursprünglich abging, daß der erste
Zweck vielmehr der war, über die rechtmäßige Dienst-
beendigung Aufklärung zu bekommen, sei im folgenden
durch eine Darstellung der geschichthchen Entwicklung
des Zeugniswesens belegt. Was sonst im Zeugnisrechte
») Oben S. 469, 769.
— 860 —
sich an Eigenheiten herausgebildet hat, erfährt im Zu-
samtnenhang dieser Schilderung eine g^iüg^id übersicht-
liche Kennzeichnimg.
Die eben erwähnte früheste gesetzliche Normierung
der Pflicht, Gesindezeugnisse zu führen, wie sie in der
von niedersächsischen Territorien, darunter Hildes-
heim, Braunscfhweig und Lüneburg 1445 vea:ein-
barten Gesindeordnung ^) enthalten ist, hat folgenden
Wortlaut: „Item enschal nemant in dussen vorscreven
landen eynen, de de queme uth eynem' andern lande to
untyden, in steden edder dorppen to denste nemen, he
enhedde des witsdopp edder bewisinge, dat he van sinem
heren edder frauwen myt willen edder weten gescheden
sy." „witscopp" bedeutet Wissenschaft, aber auch Be-
zeugung, Zeugnis*), „bewisinge" ist Beweis'). Daß das
Zeugnis, die „witscopp**, schriftlich sei, ergeben die übrigen
bei Schiller-Lübben mitgeteilten Quellenstelten nicht ; aber
auch nicht das Gegenteil, daß „witscopp** eine schrift-
liche Bekundung nicht bedeuten solle. Im Gegensatze
zu „bewisinge** ist es sehr wahrscheinlich, daß „witscopp"
die schriftliche Bekundung, „bewisinge** die sonstigen
Möglichkeiten bedeutet, mit denen der neue Mieter über
den Dienstboten etwas erfahren kann. Im übrigen ent-
hält die Stelle ganz offensichtlich eine Anordnung von
Zeugnissen, die über die Dienstbeendigung, dagegen über-
haupt nicht über das Verhalten des Dienstboten im Dien-
ste sich äußern sollen.
Dem entspricht die Festsetzung in den Reichs-
polizeiordnungen. 1530 *) heißt es : „Nachdem sieb
auch viel begibt, dass einer dem andern seine Knechte
und Diensthalten auffsetzlicher Weiss thut abdingen, auch
Dienstbotten xmd Knecht zu Zeiten muthwilliglich aus
^) Zeitschrift d. Harzvereins f. Gesch. u« Altertumsk. 27 S. 4S7. —
•) Schiller-Lübben V S. 751, 752. — •) Ebenda I S. 324, 325. -
*) Neue Sammlung II S. 332 ff.
— 861 —
ihren Diensten tretten, wollen Wir, dass keiner ^ines an-
dern reysigen Knecht, und andere Dienstbotten annehmen
soll, er zeige dann zuvor einen Urkund an, dass er von
seinem Herrn und Edelmann, mit Willen und ehrlich
abgeschieden sey.** Den Zeugnissen ist die Aufgabe zu-
geteilt, Handhabe wider den Vertragsbruch des Gesindes
und wider das Abspenstigmachen zu sein. Folgerichtig
wurde das Recht weitergebildet; 1545 geschahen vergeb-
liche Versuche*), die dann 1548*) ausgeführt wurden.
Es wurde die Pflicht der Dienstherren festgestellt,
den Dienstboten Zeugnisse zu geben; weigert sich der
Herr, dann mag ihn der Knecht mit zwei Mannen be-
schicken und das Zeugnis fordern lassen; hilft das nicht,
dann stellt die Obrigkeit den Schein aus; auch 1577^)
blieb es so.
Die Hochflut der Polizeiordnungen fällt zwar erst
ins 17. Jhdt. Aber schon im 16. Jhdt. gingen viele Staaten
mit aller Entschiedenheit zu der neuen Einrichtung über.
Gleich im Jahre nach der ersten Polizeiordnung des Rei-
ches griff Weimar den Gedanken auf. In der Polizei-
ordnung von 1531*) heißt es, daß keiner eines andern
Dienstboten annehmen solle, dieser zeige denn zuvor, daß
er von seinem Herrn mit Willen und ehrlich abgeschieden
sei. Die Landesordnung von 1589*) stellte zur Wahl die
Bescheinigung, daß der Dienstbote seine Zeit ausgedient
habe. Die Herrschaft setzt sich einer Strafe von fünf
Gulden aus, wenn sie die Vorschrift nicht beachtet. 1538
ging Köln vor. Die Polizeiordnung dieses Jahres er-
klärt ebenso wie diejenige von 1595^) zur Mietung von
Gesinde Urkunde der vorigen Herrschaft über den regel-
mäßigen Abschied für nötig; der Zweck, Entdeckung
des Abdingens und des Vertragsbruches, wird ausdrück-
0 Oben S. 87 f. - «) Neue Sammlung II S. 587. — •) Ebenda III
S. 879. — *) Joh. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV S. 137. — ») Ebenda.
•) Scotti, Köln I 1 S. 60, 166.
— 862 —
lieh genannt. Auf Beschwerden des Ausschusses «1er ju
1 i c h e r Ritterschaft erklärten die Räte 1570 ^), die reisige
Knechte müßten beim' Austritte aus einem Dienste vot
dem Junker ,,pasportzen** nehtnen; das sei im Sinne der
Reichsgesetze. In Nürnberg wurde 1579 angeordnei -
daß die Kanzleiboten (Zubringer) keinem Knechte mehr
eine Stelle verschaffen dürfen, der nicht einen „ehrlichen
Abschied** von der vorigen Herrschaft vorweisen kann.
Auch die Polizeiordnung für H adeln aus dem Jahre
1597*) verlangt von den sich vermietenden Dienstboten,
daß sie Kundschaft darüber vorlegen, wie der vorige
Dienst gelöst worden ist. Nur bedingt ist die Satzung des
lüneburger Stadtrechtes*). Außer der gewöhnlichen
Mietzeit soll niemand Gesinde annehmen, ihm werde
denn Kundschaft von der früheren Herrschaft oder an
deren beglaubten Leuten beigebracht, daß der Dienst-
bote redlich abgeschieden sei.
Über die Weiterbildung des Rechtes im 17. Jhdt.
geben zwei weitere Verordnungen des lüneburger Lan-
des Auskunft. Die Polizeiordnung von 1618*) erkJän
Passe-Port über reguläres Ausscheiden für erforderlich.
Auf den ober- und niedersäc'hsischen Kreis-
tagsabschied von 1654 nimmt die Verordnimg vom
16. März 1655*) Bezug. Die Abschiede schrieben vor':,
daß niemand Gesinde ohne Vorzeigung eines „beglaubten
Abschieds ihres wol oder übel Verhaltens halber** an-
nehmen dürfe. An einer Stelle verlangt die lüneburger
Verordnung demgemäß auch Zeugnisse „eines Verhal-
tens und Abschieds**; anders lautet eine weitere Bestim-
mung, die nur von Kundschaft über gutwillige Entlas-
sung handelt.
*) v. Below, Landtagsakten II S. 179. — ') Kamann S. 88. -
•) Spangenberg, Verordn. f. Hannover IV 8 S. 127. — *) Pufen-
dorf, ob. iur. IV app. S. 624 ff, bes. 797. — ') Landesverordnungen
Lüneburg Cap. 4 Bd. 1 S. 1. - •) Ebenda S. 968. — ') Oben S. 886;
Wuttke S. 106.
— 863 —
In der erneuerten Morgensprache der Stadt Arns-
berg von 1608^) steht das Verbot, Dienstboten zu mier
ten, die keine Urkunde vorlegen können, daß sie von
ihrem vorigen Herrn mit dessen Willen und ehrlich ab-
geschieden sind. Die schaumburger Polizeiordnung
von 1615*) gibt in Kap. 63 den Herrschaften nur den
guten Rat, auf die Zeugnisse der Personen zu sehen, die
sie zu mieten vorhaben. Den Dienstboten aber wird aus-
drücklich ein Anspruch auf Erteilung des Zeugnisse zu-
gestanden; weigert sich die Herrschaft, eines zu schrei-
ben, dann tut es die Behörde naöh Befinden. Nach dem
hessischen Gegenstück zu dieser Polizeiordnung, der-
jenigen von 1622 ^), muß sich ein neumietender Dienstherr
vom Dienstboten ein Zeugnis über den rechten Abschied
aus dem vorigen Diepst vorlegen lassen; mietet jemand
unter Mißachtimg dieser Vorschrift einen Vertragsbrü-
chigen Dienstboten, dann steht ihm eine Strafe von fünf
Gulden bevor. Der mainzer Rezeß von 1654*) gibt
ein auszufüllendes Zeugnisformular: „dass Vorweiser die-
ses N. welcher bey mir N. Jahr oder Monat vor einen
N. gedienet, seinen ehrli(^hen Abschied bey mir genon>
men habe**. In der friedberger Polizeiordnung von
1680*) steht eine Straf drohung (fünf Gulden) wider die
Dienstherren, die Gesinde mieten ohne „gewisse Kund-
schafft, und beweissliche Anzeig**, daß es mit Willen der
früheren Herrschaft abgeschieden sei.
Der fränkische Kreis ordnete zweimal kurz hin-
tereinander die Einführung von Abscheidenszeugnissen
an, 1643^) und 1654'). Schon vor dieser Anregung der
höheren Instanz hatte das brandenburgisdhe Fran-
*) Seibertz, Urkundenbuch III S. BlOff., bes. 327. - *) Rott-
mann S. 427, 428. - •) LO. I S. 616. - *) Stadtarchiv Frankfurt.
Corp. leg. Francof. III Nr. 65. — ») Univ.-Bibl. Marburg. — «i Kr. A.
Münchep. GR. Fasz. 402 Nr. 1. — ') Mo ser, Frank. Kreisabschiede I
S. 800; Landesverordnungen Würzburg 1 S. 248 ff., bes. 244.
— 864 —
ken 1626 den Weg begangen. Der Rezeß mit den voir^
ländischen Rittern aus diesieta Jahre ^) wies auf &
Reichsgesetzgebung hin, die das Mieten ohne „"WegUsi
verbietet. Auch die Polizeiordnung von 1672*) enüik:
eine solche Anordnung. Der zu mietende Dienstbote mc:
eine Weglaßurlamdei besitzen, „dassf er von seinem Herr:
mit Willen imd ehrlich . . . abgeschieden". Auch <fc
Oberpfalz erhielt schon 1628 eine Anordnung übe
Einführung von Abschiedsbriefen *) ; Dienstboten, die ket
nen solchen vorweisen können, werden des Landes ve:
wiesen. Das altbayerische Landrecht von 1616 *) k
gnügte sich mit der Vorschrift, daß mian sich bei eine:
Gesindemietxmg zuvor bei der alten Herrschaft über die
Dienstbeendigung erlomdigen solle. Nach den w ü r 1 1 e it
bergisdhen Gesetzen aus der Mitte des Jahrhunderts,
der Taxordnxmg von 1642, der 1652 vereinbarten Gesinde
Ordnung und der daraufhin erlassenen Landesgesinde-
Ordnung desselben Jahres^) kommt es nur auf die Be-
scheinigimg des rechten Austrittes aus dem vorigen Dien-
ste an ; von Betragenszeugnissen ist nicht die Rede. Eben-
so ist die Regelung in der Polizeiordnung für K u r p f a 1 z
von 1684«).
Diese Art der Zeugnisse lediglich wider den Ver-
tragsbruch kommt auch im 18. Jhdt. noch nicht ab. B
sind immer noch mehrere Gesetze, die solche Beschei-
nigungen als allein nötig vorschreiben. In Cleve, das
1696 noch mit bloßer mündlicher Erkundigung sich be-
gnügt hatte'), ging man 1708 ») zu schriftlichen Entlas-
sungszeugnissen über, ohne die bei Strafe nicht gemie-
tet werden durfte. Dies blieb so nach einem Erlasse
*) Kr. A. Bamberg. Collectanea Rep. 187 h nr. 1. — ") Corp.
Const. Brand.-Culmb. II 1 S. 656 flF., bes. 594. — •) Platz er S 1^ -
*) Ebenda S. 109. — *) Reyscher, Gesetze XIII S. 17, 114; Dnict
im St A. Stuttgart. — «) Univ.-Bibl. Marburg. — ^) Scott i, Clcve
S. 690. — ») Ebenda S. 755.
— 865 —
vom 12. Februar 1731 ^). Die Polizeiordnungiein der Stadt
Düsseldorf von 1706 und 1728 *) verlangen ausdrück-
lich ^ur Vermeidung des Vertragsbruches, daß keine Ver-
mietung von Dienstboten erfolgen soll „ohne formblichen
Abscheidt oder Bewilligung derenjenigen, bey welchen sie
noch würcklich dienen, oder zuletzt gedienet haben**. Für
Jülich und Köln bestimmte die gemeinsame, später-
hin noch des öfteren eingeschärfte Verordnung vom
Dezember 1751 *), „dass kein Dienstbote ohne Beibringung
eines Entlassimgsscheines seines früheren Brodherm, bei
25 Gldgld. Strafe in Dienst genommen werden darf**.
Darüber, daß das sich neu vermietende Gesinde von der
vorigen Herrschaft entlassen ist, soll sich das Zeugnis
nach der ravens berger Gesindeordnxmg von 1766*)
aussprechen. Die Bestinuntmgen der eben erwähnten
brandenburgischen Polizeiordnung von I672 wur-
den 1746 *) genauer gefaßt : das Zeugnis muß die „sichere
und gewisse Nachricht** enthalten, „dass der Dienst-Bote
vion seinem Herrn mit Willen und ehrlic^h . . . abge»-
schieden**.
Wenn, wie in der zuletzt genannten Ordnung, wie audh
in manchen sonstigen derartigen Gesetzen von demi „ehr-
lichen** Abschiede die Rede ist, so bezieht sich das nicht
auf die Ehrlichkeit des Dienstboten im Dienste (daß er
nichts gestohlen hat), sondern der Sinn der Worte, wie
er sich aus dem Zusamimenhange und der Geschichte dieser
Bestimmimgen ergibt, ist der, daß über die „Ehrlichkeit**
des Abschiedes im Zeugnisse eins: Angabe enthalten sein
soll, darüber also, ob kein Vertragsbruch vorgekommen
ist. Aber wie schon in der Einleitung zu diesem Ab-
') Ebenda S. 1104. — •) St. A. Düsseldorf. Nr. 1009 der Samm-
lung jQlichscher usw. Verordnungen. — •) Ebenda, Akten des bonner
Hofrats, KurkOln Regierungssachen Nr. 47. — ♦) Ravensberger Bl&tter
f. Geschichts- etc. Kunde 1909 S. 62. ■— •) Corp. Const. Brand.-Culmb. II 1
S.667.
KSnnecke. 55
— 866 —
schnitte gesa^l: wurde, neben das ursprüngliche allein tu
Bekämpfung des Vertragsbruches geschaffene Abschied.-
Zeugnis trat bald das besonder© Verhaltens Zeugnis
vornehmlich das 18. Jhdt. nahmt sich der neuen Fem
an, um eine neue Handhabe gegen die sdhlechten Dienst
boten zu besitzen.
Nur zwei Nachrichten über das Vorkomtnien des Verbal
tenszeugnisses schön in der Frühzeit der Zeugniserf induEg
sind vorhanden. Nach einem angeblich zru Wien am
26. Oktober 1586 erlassenen Dekret ^) dürfen Dienstboten
niu* aufgenommen werden, wenn sie von der vorigen SteKi
ein Zeugnis ihres Verhaltens vorlegen können. Mit ge-
bührlicher Strafe sollen die Übertreter, Herren und Dienst-
boten, angesehen werden ; für einen Dienstherrn, der nicht
schreiben kann, besorgt eine Behörde die Ausstellung
des Scheüies gegen drei Kreuzer Schredbgeld. Es er-
scheint um so fraglicher, ob diesies Dekret von Golems
richtig wiedergegeben worden ist, als reine Verhaltens-
zeugnisse — von einer Ausnahme abgesehen (Altenburg
1651) — erst fürs 18. Jhdt. nachzuweisen sind. Die für
das 16. Jhdt. noc'h anzuführende verwandte Bestimmung
der katzenelnbogener Polizedordnung von 1597*)
schreibt nicht herrschaftliche, sondern öffentliche Be-
scheinigungen über „Leben, Handel und Wandel** der
ausländischen Dienstboten vor.
Was aus dem 17. Jhdt. zu nennen ist, besteht haupt-
sächlich in einigen Gesetzesstellen, die einen Übergang
bilden, die für die Zeugnisse sowohl Abschieds- als auch
Verhaltensbescheinigimgen anordnen. Vier dieser Quellen
gehören Süddeutschland, eine dem südlichsten Mittel-
deutschland an.
^) Colerus, Oeconomia, Buch I S. 9; von Maximilian IL, wie
Colerus angibt, stammt dieses überhaupt recht zweifelhafte Dekret
sicher nicht; Maximilian starb 1576. — *) Univ.-Bibl. Marburg.
— 867 —
In Nürnberg wurde 1628^) verboten, Dienstboten
zu mieten, die keinen Schein des Wohlverhaltens und der
Aushaltung ides Dienstes beibringöi könnten. Die Dienst-
herrschaften sind 2rur Aussstellung' eines Schein« ver-
pflichtet ; kann jemand nicht schreiben, dann mlag* er seine
Aussage über den Dienstboten auf dem Stadtpfänderamite
ablegen, das daraufhin für ein geringes das Zeugnis fertigt.
Ein Dienstherr darf kein unwahres tu, günstiges Zeug-
nis ausstellen. Tut er es doch, dann wird er mit fünf
Gulden gestraft und muß demi neuen Mieter imd andern
den Schaden ersetzen, den sie durch ihr Vertrauen auf
das falsche Zeugnis erlitten haben. Was mit der Herr-
schaft geschieht, die dem Dienstboten wider besseres
Wissen ein zu ungünstiges Zeugnis gibt, ist in der G^inde-
ordnimg nicht weiter zu lesen. Zu weiterer Sicherung
ergeht Sder fernere Befehl, daß die Zubringerinnen ^) bChon
gediente Dienstboten nicht vermieten dürfen, wenn sie
nicht zuvor bei der alten Herrschaft angefragt haben,
ob der Dienst in der Tat beendigt ist, und ob dem
Dienstboten ein Schein weg'en des Verhaltensi mitgege-
ben worden ist. Fremde Dienstboten, die .noch keine
Zeugnisse haben, sollen vor der Vermietung auf das Stadt-
pfänderamt kommen, dort „notdürfftig examinirt" wer-
den imd dann einen Schein ausgestellt erhalten. Ohne
solchen amtlichen Schein darf kein Dienstbote angenomi-
men werden bei fünf Gulden Strafe. Die Zubringerinnem
müssen demientsprechend unlegitimierte Dienstboten vor
der Vermietung zum Examen aufs Amt bringen.
Die bamberger Polizeiordnxmg von 1652*) will
prinzipiell das Weglaufen der Dienstboten durch Einfüh-
rung der Zeugnisse hindern ; doch sollen die Scheine auch
Auskunft über das Wohlverhalten im Dienste geben. Wei-
gert sich die Herrschaft der Zeugniserteilung, dann tut
») Kr. A. Nürnberg. Mandat Nr. 1628 S. 9. — «) Vgl. auch oben S.405.
— •) Kr. A. Bamberg. Bamberger Verordnungen Rep. 141 Nr. 59.
66'
- 868 -
es die Behörde. Niemand darf ednen entlaufenen Dienst-
boten mieten, dieser habe denn sein Zeugnis vorgezeigt
(und dem alten Herrn den Schiaden eirsetzt). Wenn der
neue Mieter wider jenes Verbot hjandeü. dann muß er
20 Th. Strafe geben. Auch di© Würzburger Ordnung
von 1654^) schreibt Zeugnisse der Entlassung^ und des
Verhaltens vor. Die Ritterordnimg' für die reichsunmittel-
bare Ritterschaft der sechs Orte in Franken*) be-
stimmt (allerdings nur für reisige Knechte), daß nie-
mand einen solchen in Dienst nehmen dürfe, dieser zeige
denn „seine gnugsame imd im verfälschte Passporten, dass
er seinem vorigen Herrn, ehrlich, treulich und wol aus-
gfedienet, wie auch mit dessen gutem« Wissen und Willen
ehrlich abgieschieden".
Eine öffentliche Prüfung der Abschiedsurkunde ver-
langet die hessische Landesordnimg für Katzenein bo-
gen^), wieder nur für eine Sonderklasse des Gesindes,
die Müllerknechte: „Und damit man weisse, was man
für Gesind annehme : so sollen hinf ühro die Müller keinen
gfewanderten Müllerknecht dingen, er habe denn zuvor
Unsern Centhgtafen oder Schultheissen seinen Abschieds-
brief, wo er gedienet, wie er sich daselbst verhalten, und
wie er abgeschieden, vorgezeigt."
Ein reines Verhaltenszeugnis scheint während de3
17. Jhdts. nur in Altenburg vorgeschrieben gewesen
zu sein. Nach der Gesindeordnung von 1651 war den
Dienstboten „ohne Entgelt auf ihr Verlangen ein Dienst-
schein auszustellen, der über ihr Verhalten im Dienste
Auskunft gab***).
Das Verhaltenszeugnis ist die Waffe der Gesinde-
*) Landesverordnungen Würzburg I S. 243. — *) Des Heil. R.
Reichs ohnmittel bahrer Freyer Ritterschafil der sechs Ort in Francken,
erneuerte . . . Ordnungen (Nürnberg 1710) S. 1 ff, bes. 86. — •) Magazin
f. d. Teutschen Rechte u. Gesch. I S. 475. — *) Brandt, Der Bauer
in Altenburg S. 80.
- 869 —
Gesetzgeber des 18. Jh'dts. Dean allmählichen Absterben
des Absdhiedszeugnissies gegenüber nimmt sich die !Menge
von Gesetzen über die nejue Art der Zeugnisse beträcht-
lich aus^). Nur wenige Gesetze brachten im 18. Jhdt.
vor der grundlegenden hannoverschen Gesindeordnun^
von 1732 Vorschriften über Verhaltenszeugnisse. In Ol-
denburg ist es, wie ein Erlaß vom 4. November 1712*)
feststellt, Sitte, daß Delinquenten, um sich der Strafe m
entziehen, auf die benachbarten freien Güter entweichen
und dort in Dienste treten. Das wird verboten; willkür-
liche Strafe droht denjenigen, die solche Leute aufneh-
men, ohne sich ein vom^ Beamten des letzten Aufent-
haltsortes ausgestelltes Attestat ihres Wohlverhaltens vor-
legen zvL lassen. In deir gothaischen und alten-
burgischen Gesindeordnung von 1719^) wird erstens
zur Steuerung von Vertragsbruch imd Abspenstigmachen
verboten, Dienstboten ohne Zeugnis der letzten Herr-
schaft zu mieten. Weiter soll sich ein Mieter auch nach
Geburt, Leben, Wandel erkimdigen, „welches am füg-
lichsten durch einen glaubwürdigen Schein von dem
Herrn oder Frauen, allwo eö zuletzt in Diensten gestan-
den, oder noch stehet, geschehen kann". Noch nicht
gedientes Gesinde muß statt dessen obrigkeitlichen Schein
beibringen. Wird das Zeugnis dem Dienstboten geweigert,
dann verhilft ihm die Behördei dazu. Auf Mieten ohne
Zeugnisse steht willkürliche Strafe. Ein von Bayreuth
ausgegangenes Reskript vom 19. Oktober 1731*) ver-
^) Ein Zeugnis in besonderem Sinne sei hier angemerkt. Die
Reichshandwerksordnung von 1781 (LO. IV 5.119; Druck im
Stadt Archiv Nordhausen) setzt fest: Wenn ein Handwerksgeselle,
der sein Handwerk redlich erlernt hat, einige Zeit sein Fortkommen
im Dienste bei Herrschaften sucht, dann soll ihm das zu weiterem
Handwerksbetriebe nicht hinderlich sein, wenn er nur einen beglaubten
Abschied der Herrschaft bringt; oben S. 245. — *) Corp. Const. Oldenb.U
S.62. - ») Univ.-Bibl. Marburg. XVIII f A 870. — *) Corp. Const
Brand.-Culmb. II 1 S. 990.
— 870 —
bietet Mietun^en von Gesinde ohne „Erlass-Scheine i.nd
Zeugnisse seines Wohlverhaltens und ausgestandenen
Dienst-Zeit". Die beiden kurpf älzis^bien Gesindeord-
nungen von 1731 und 1755 ^) verlangen ein Zeugnis der
Ortsobrigkeit über Vaterland, Eltern, Religion, letzten
Aufenthalt und bisheriges Wohlveirhalten. Die sdhon Ge-
dienten müssen dazu noch ein Herrschaftszeugnis über
Aushaltung Ües vorigen Diensteis tuid über Wohlverhalten
haben. Die Herrschaften dürfen ohne die obrigkeitlichen
Bescheinigungen nicht mieten, sonst werden sie „bey er-
folgender Untreu** (deis Dienstboten) willkürlich gestraft
und haben „sich keiner sonderlichen Ambts-Hülff pro
suo privat o zu getrösten**.
Die hannoversche Gesindeordnung von 1732 -)
hat rusamtnen mit ihrer der unmittelbar folgendeai Zeit
angehörenden Gefolgschaft ^) ein in den Hauptzügen iiber-
einstimmendes, im Einzelnen bisweilen abweichieiides
Zeugnisrecht. Es werden zwei Arten von Zeugnissen ver-
langt. Für Dienstboten, die noch nicht gedient nahen,
eine Beschieinigung „der Obrigkeit des Orts, und von
Greben imd Vorsteher wie auch von denen Predigern**,
die sich darüber äußern sollen, „wes Standes, Wesen
und Gebührt Er oder Sie sey, und dass Er oder Sie sich
in der Gemeinde fromm und christlich aufgeführt habe**
(so Hessen 1736); in Hannover genügt eine Zustim-
mungserklärung der Elteom. Das zweite Zeiivgnis ist die
Bescheinigung der letzten Herrschaft für schon Gediente
über Idas Wohlverhalten des Dienstboten im Dienste. Über-
einstimmend wird die Pflicht zimi Schadensersatze; imd
die Bestrafung der Herrschaften ausgesprochen, die dem
Dienstboten einen falschen, d. h. dem Dienstboten zu
günstigen Schein ausgestellt haben. Die hanauer Ord-
*) L. A. Karlsruhe. Pfalz Generalia 6047. — ") Span genberg
Verordn. f. Hannover IV 2 S. 461. — ») Hessen 1786, Waldeck 1736^
Schaumburg 1738, Hanau 1748.
— 871 —
nung scheint auf Schriftlichkeit des Zeugnisses kein Ge-
wicht zu legen. Umfrage von Mund zu Mund genügt der
hannoverschen und schaumburger Ordnung bei Schrei-
bens Unerfahrenem, insbesondere bei Bauern. In Hessen
wird Besonderes für den Fall bestimmit, daß der Dienst
casu fortuito, z. B. durch den Tod des Herrn, beendigt
wird; vom letzten Zeugtiisse wird Abstand ^genommen,
dafür müssen aber alle früheren Scheine einelni neuen
Mieter vorgelegt werden. Mit Ausnahme des hanauer
Gesetzes bestimmten die Ordnungen dann ferner, daß die
Herrschaften bei der Mietimg auf die Zeugnisse achten
müssen und gestraft werden, wenn sie Dienstboten ohne
solche mieten. Besonderheit in Hessen ist, daß in sol-
chen Fällen der nachlässigen Dienstherrschaft ein Rechts-
schutz gegen die imbezeugten Dienstboten, etwa v/egen
Untreue, versagt wird.
Die weiteren Gesindegesetzö des Jahrhimderts, deren
Verwandtschaft mit der hannoverschen Ordnung nicht
so offenbar ist, wie das bei den hier zusamtnien behandelten
der Fall ist, können freilich klein von dem bisher darge-
stellten allzu verschiedenes Recht enthalten. Die hol-
steinisc'he Ordnung von 1740 ^) gibt ungefähr gleiches
Recht mit den dargestellten Gesetzen. Bei willkürlicher
Ahndung darf niemand seinen Dienstboten beim* Ab-
schied fein VerhaJtenszeugnis weigern. Ebenso droht Strafe
demjenigen, de-r Gesinde ohne Zeugnisse mietet ; der Ver-
trag soll zudem nichtig sein. Bei Bauersleuten genügt
mündliche Erkimdigung. Die Gesindeordnung von 1768^)
führte vorgedruckte Zeiugnisformulare ein. In Braun-
schweig wurden 1747^) Zeugnisse eingeführt, ganz
*) St. A. Schleswig. Sammlung Grossf. Verordnungen. — *) Ebenda.
— *) Archiv Wolfenbüttel. Verordnungssammlung; dazu ist Nr. 7112
dieser Sammlung heranzuziehen, die eine Verordnung von 1748 über
die Durchführung der Zeugnisvorschriften auf dem Lande enthalt.
— 872 —
offenbar solche des Verhaltens im Dienste. Durchaus wie
moderne Polizeikimst sieht sich die Bestimmung' der wol-
fenbütteler Gesindeordnung" von 1748^) an, daß alle
Jahre eine amtliche Zeugnis Visitation stattfinden soK;
zehn Thaler Strafe bekommt der Dienstherr, der sich der
Zeugniserteilung widersetzt, sowie wer Dienstboten mietet,
die sich ohne Zeugnis anbieten. Dieselben Strafsununen
stehen in der jenaischen Gesindeordnung von 1751 ^
auf dieselben Straftaten. Gesinde, das sich ohne Zeug-
nisse vermietet, wird auf ein Vierteljahr ausgewiesen. In
Weimar wurde 1759*) das Gesindemieten ohne Zeug-
nisse mit fünf Thalem gestraft. Die Herrschaft m^uß das
vom Dienstboten bei der Vermietimg mitzubringende
Zeugnis verwahren, wie die fürstlich eisenachische
Gesindeordnung von 1757 *) bestimmt ; von der Herrschaft
ist der Schein der Behörde vorzulegen. Fünf und mehr
Thaler muß die Herrschaft erlegen, die ein imwahres
Zeugnis gibt; man geht nicht fehl, wenn man diese Be-
stimmung wie stets dahin auslegt, daß nur die Ausstel-
lung eines dem Dienstboten in imwahrea: Weise zu gun-
stigen Zeugnisses die Strafe der Herrschaft nach sich
zieht, nicht dagegen soll eine Herrschaft gestraft werden,
die durch Ausstellxmg" eines dem Dienstboten schadenden
unwahren Zeugnisses sich vergeht. Die altenburger
Gesindeordnung von 1744 *) hat das reine Verhaltenszesag-
nis. Es ist verboten, Gesinde ohne solchen Schein zu
mieten. Beim' Dienstende soll die H^rschaft dem Ge-
sinde das Zeugnis wahr ausstellen.
Die detmolder Gesindeordnimg von 1752^) ver-
pflichtete die Herrschaften, die Kxmdschaft umsonst zu
erteilen. Eine Hervorhebung" der Zeugnisvorschrift ge-
») Ebenda Nr. 7097. - •) Job. Schmidt, Gesetze f. Weimar IV
S. 189. — «) Ebenda, — *) Kr. A München. GR. Fasz. 402 Nr. 8. -
») Univ. - Bibl. Marburg. XVIII f B 1119«.. — •) Landesverordnungen
L.-Detmold II S. 47.
— 873 —
schah 1778^); niemand soll Gesinde mieten, das nicht
mit Attestaten des Wohlverhaltens und de^ Ausdienens
versehen ist.
In der Polizeiordnimg für Sayn-Wittgenstein
von 1776*) ist von einem Zwang! ^m" Vorzeigtmg von
Zeugxdssen nicht die Rede. Es heißt nur, daß die frühere
Herrschaft wahrheitsgemäße Auskimft über die Eigen-
schaften ihres Dienstboten geben muß, wenn ein späterer
Mieter sich danach erkundigt. Welche Herrschaft „so
niederträcfhtig seyn sollte, eine andere hienmter zu hin-
tergehen", die muß 2 bis 3 Thaler Strafe zahlen; natür-
lich tritt diese Strafe nur ein, wenn etwas ru Günstiges)
über den Dienstboten gesagt wird, während dieser gegen
Verleumdungen nicht geschützt ist.
Von den xmif angreichen Gesindeordnungen Cleves
aus den Jahren 1753 und 1769^) werden Verhaltensbe-
scheinigimgen vorgeschrieben; außerdem gibt es die ob-
rigkeitlichen Personalzeugnisse. Das Herrschaftszeugnis,
zu dem ein Formular vorgedruckt ist, soll ohne „Lei-
denschafften, Rachgier odelr auch imzeitiges Mitleiden**
ausgefüllt werden. Aussteller falscher Zeugnisse werden
als Falsarii angesehen und so bestraft; insbesondere darf
schlechtes Verhalten nicht verschwiegen werden, bei Ahn-
dung, Weigert sich die Herrschaft der Zeugniserteilung,
dann erhält sie Geldstrafen, die sich im Wiederholungsfall
erhöhen. Mietung und Vermietung ohne Zeugnis sind
verboten; Strafen beider Teile sollen die Durchführung
sichern. Als Spezialität bedarf noch die Vorschrift einer
Erwähnung, daß sich der neue Mieter mündlich bei der
vorigen Herrschaft erkundigen muß, wenn diese demi ab-
gehenden Dienstboten das Zeugnis nicht vor der fakti-
schen Erledigung des Dienstes aushändigen will*).
1767 geschah in Hessen die Feststellung, daß es
>) Ebenda S. 646. — •) Univ.-Bibl. Marburg. - •) Scotti, Cleve
S. 1462, 1894. - *) 1758 Tit. II § 14; 1769 § 9.
— 874 —
mit der Befolgung der Zetignisvorschriften schlimim aus-
sah ^). Aber trotz mancher Änderungsvorschläge blieb es
1797*) beim alten. Nur eine beträchtliche Neuerung
wixrde 1801 ') getroffen. Die Herrschaft soll bei der Mie-
tung die Attestate und Abschiede dem Dienstboten ab-
nehmen und darf sie ihm frühestens beim tatsächlichen
neuen Dienstantritte wieder ausliefern ; man wollte so eine
Sicherung gegen das Doppeltvermieten schaffen. 1804
mußten die Zeugnisvorschriften schon wieder eingeschärft
werden*). Etwas Neues wird in das hessische Zeugnis-
recht diurch die Verordnimg vom 29. Novemiber 1823^)
eingeführt. Sie bringt, wohl durch die zeitgemäße l'urcht
der Regierenden vor aller fremden Einwanderung be-
einflußt, „Maßregeln der Sicherheitspolizei wiegen der er-
werbs- oder heimathlosen und dergleichen verdächtigen
Personen**, und schreibt so vor, dass Dienstboten, Hirten,
Nachtwächter usw. von anderen Orten her nur dann in
Dienst genommen werden dürfen, wenn die aus demselben
Kreise stammenden ein „glaubwürdiges Attest ihres bis-
herigen Wohlverhaltens** beibringen, die aus fremden
Kreisen kommenden mit ebensolchem Zeugnis, von der
Polizeidirektion beglaubigt, versehen sind ; Ausländer müs-
sen Paß, Wanderbuch oder ein Zeugnis der Polizei haben.
Bei Geldstrafe müssen diese Papiere von der Brotherr-
schaft, ehe der Dienst angetreten wird, der Polizei oder
dem Ortsvorstand vorgezeigt werden.
Wenn auch in Mainz 1749 die Gesindezeugnisse
in einer lediglich wideir die Hausdiebstähle gerichteten
Verordnung ®) angeordnet werden, so sollen sie doch nicht
allein als Maßnahmen nur gegen die Gesindeimtreue auf-
gefaßt Werden, sondern wie auch in den Gesetzen anderer
Länder eines der Allheilmittel gegen die vielen und man-
») Oben S. 75. - •) LO. VII S. 727. - ») LO. VIII S. 26 - *) Ebenda
S. 154. — •) Kurh. Ges.-Sainnil. S. 57. — •) Kersting, Sonderrechte
Sp. 1067.
^ 875 -
nigfaltigen Mängel im Gesindewesen darstellen. Hat ein
Dienstbote nicht Zeugnis des Vaterlandes, der Eltern,
der Religion, des letzten Aufenthaltes und seines bisheri-
gen guten Aufführens, dann darf niemand ihn aufnehmen,
sondern er wird als verdächtiger Vagabund fortgewiesen.
Dienstherrsdhaf ten, die dieses Gebot nicht beachten, kön-
nen keinen Rechtsschutz gegenüber den Dienstboten bei
Untreuef allen erwarten und werden dazu „als Verächter
herrschaftlicher Gebote und Verbote" bestraft.
Das fränkische Recht ist hier nicht ergiebig. In
Nürnberg scheinen 1741^) Zeugnisse ntu- für das Ver-
halten der Dienstboten im Dienste eingeführt worden zu
sein. Die ansbadhische Gesindeordnimg von 1769*)
zeichnet sich dadurch aus, daß sie endlich in gerechter
Weise die beiden Fälle einander gleichstellt, ob die Herr-
schaft das Zeugliis fälschlicher Weise tu. gunsten oder
zu schaden des Dienstboten ausstellt. Während im bis-
herigen Recht eine Herrschaft sich nur dann strafbar
und ersatzpflichtig machte, wenn sie xmwahre Angaben
über vorgeblich beim Dienstboten vorhandene günstige
Eigenschaften machte, wodurch sich deir folgende Mieter
täuschjen ließ, so soll der Dienstherr jetzt auch exem-
plarisch bestraft Werden, wemn er „aus Passion oder Feind-
schaft" ein zu schlechtes Zeugnis schreibt.
In Altbayern wurden 1781 *) Zeugnisformulare ein-
geführt. Genau unterschieden sind da drei Formulare:
eines der „guten Kimdschiaft**, weiter der „mittelmäßigen**
und der „schlechten** Aufführung. Das letzte . Zeugnis
bekundet nur die Dienstdauer und schweigt über Eigen-
schaften. Die Bearbeitung der 1781er Gesindeordnung
für die Oberpfalz von 1801 *) „abstrahiert** wegen ver-
schiedener gegenwärtiger Anstände** von den 1781 ge-
») K a m a n n S. 88. — ') Kr. A. Nürnberg. S. 28 V Nr. 779 Rcpert.
233. — ») Kr. A München. AR. Fasz. 459 Nr. 209; M. A. Fasz. 1821
Nr. 1165. — *) Ebenda.
I
— 876
troffenen Zeugnis vorsohriften. Am 28. Dezember l^l
schienen die Hinderungen behoben zu sein. Es wurdea
von Amberg aus die 1781 über die Zeugnisse getroffene
Anordnungen eingeschärft ; auf dem Lande sollen die Pfar
rer die Zeugnisse nach Angaben der Dienstherren unen:
geltlich fertigen^). Für das ganze Land wurde 1805 a-
neut auf das Zeugniswesen hingewiesen und eine jährliche
Revision der Zeugnisse angeordnet*). Ein 1772 in Pf ah
Zweibrücfken erlassenes Reskript^) forderte allge-
meine Lebenswandelszeugnisse für Dienstboten und Tage-
löhner.
Argen polizeilichen Geist geben die beiden neueret
Gesindeordnungen Badens kund. Die von Österrei<±
aus erlassene Ordnung der Stadt Freiburg von 1782*.
fordert eine sehr genaue Darlegung der Eigenschaften
eines Dienstboten. Mietung ist nur noch mit Zeugnis ge-
stattet, bei fünf Gulden Strafe der Herrschaft, acht Ta-
gen Spinnhaiisstrafe des Gesindes. Beim Scheiden mxiß
die Herrschaft das Zeugnis, das bei ihrem Weigern übri-
gens von der Polizei ersetzt werden kann, acht Tage vor
Austritt dem Bezirkskommissar übersenden; von diesei:i
wird es beglaubigt. Wenn einem Dienstboten zum dritten
Mal dieselben Fehler bescheinigt werden, dann rückt der
Kommissar eine Wamimg für die mietende Herrschaft
in das Zeugnis. Nicht ganz diesem Reglementierungsgeist
ergeben ist die Gesindeordnung von 1809*). Sie ver-
langt zwei Papiere : einen Entlassungsschein und ein Ver-
haltenszeugnis. Wichtig sind lediglich die beiden statu-
ierten Haftungen. Die Herrschaft, die ohne Entlassungs-
schein mietet, haftet dem) früheren Dienstherm für den
durch etwaigen Vertragsbruch erlittenen Schaden. Wei-
*) Döllingers GesetzsammlungXIIIP.il S. 1832. — •) Ebenda
S. 1833. — •) Kr. A. Speier. Best. Zweibrücken III Rep. 24 Nr. 1845i
Blatt 55. — *) Gen. L. A. Karlsruhe. Baden Gen. 6391. — ») Landesarchiv
Karlsruhe. Prov. Niederrhein. Ges,-Polizei B Nr. 1. 1756—1809. (IV 2).
— 877 —
ter ist die Herrschaft andern für den Schaden verant-
wortlich, den diese durch falsche Zeugniserteilung erled-
den. Und zwar kann audh der .Dienstbote, dem edn zu
schlechtes Zeugnis gegeben ist, sich an die Herrschaft
halten, nicht besteht die Haftung wie nach früheren Rech-
ten nur gegenüber neuesn Mietern, die durch! zu günstige
Zeugniserteilung hinters Licht geführt sind.
Ganz in der eben geschilderten Art der bayerischen
Gesindeordnung von 1781 wird auch in der österreichi-
schen Ordnung von 1779^) ein vorgedrucktes Formu-
lar für die drei Sorten von Zeugnissen : gut, mittel, schlecht
gegeben. Die Pflicht zur Zeugniserteilung und zur Mie-
tung nur mit Zeugnissen wird in der herkömlmlichen Weise
durch Strafmittel verstärkt.
Zum Abschluß der Darstellung des Einzelzeugnis-
rechtes sei hier ein Bericht über das Recht Sachsen-
Weimars zu Beginn des 19. Jhdts. mitgeteilt*). Ähn-
lich wie 1628 in Nürnberg^), wird in Jena 1804, in Wei-
mar 1805*) ein Examen der Dienstboten vor der Polizei
angeordnet. Wenn diese aus den Pässen und den früheren
Zeugnissen des Dienstboten festgestellt, daß eine An-
stellung als Dienstbote zuzulassen sei, dann erhält der
Bewerber einen Mietsc^hein, dahin lautend, daß die
vom Dienstboten vorgewiesenen Attestate die „Dienst-
fähigkeit** ergeben haben, imd daß es dem Inhaber er-
laubt sei, einen Dienst zu suchen. Ohne solcheji Miet-
schein darf kein Dienstbote gemietet werden; zehn Tha-
ler Strafe kostet es eine zuwiderhandelnde Herrschaft.
Den Schein erhält die Herrschaft, während die sonstigen
Zeugnisse bei der Polizei bleiben, von wo sie sich später-
hin der Dienst böte gegen Rückgabe des Mietscheines
») Kr. A. Mönchen. GR. Fasz. 402 Nr. 2. - •) Hessisches und
badisches Recht des frühen 19. Jhdts. wurde im Zusammenhang des
verwandten früheren Rechts oben S. 874, 876 f. mitgeteilt. — •) Oben
S. 867. — *) Joh. Seh midt, Gesetze f. Weimar IX S. 406, XI S. 184.
- 878 -
wiedergeben lassen kann, wenn er von dem Orte we?
geht. Wechselt der Dienst, dann muß die alte Hct
sdiaft dem neuen Mieter den Mietschein aushändige:
Muß der Dienstbote aus erhteblichen Gründen vor der Z::
aus dem Dienste geschickt werden, oder hat er noc:
kein Zeugnis des Wohlverhaltens verdient, dann muß di?
Herrschaft den Mietschein mit den nötigen Mitteilunge:
an die Polizei schicken, „diel alsdann entscheiden ^ird
ob dem Gesinde die deponirten Attestate zurückgegeben
werden können oder nicht". Es gibt außerdem noch ti":
Gesindetabelle, in die sich das Gesinde beim Dienstaa-
tritt eintragen, beim Austritte löschen lassen nnuß.
Die Zeugnisse wurden früher auf einzelne Stücke Pc
pier geschrieben, jedes für sich ^). Niu* ein geringer Gc
dankensprung führt dazu, die einzelnen Zeugnisse künf
tig aneinander zu reihen. In einem Zeugnis buch
lein hat der neue Mieter und ebenso der Polizist be-
quemere Übersicht über die verschiedenen Dienste, dir
Häufigkeit des Dienstwec'hsels, das Betragen, die Endi
gungsgründe. Dadurch ist ferner die Möglichkeit, er.
ungünstiges Zeugnis zu vernichten, erschwert ; der Dienst
böte müßte schon das ganze Büchlein verschwinden las-
sen, da das Herausreißen einzelner Blätter zu leidht ent-
deckt werden würde. Wenn er sich dann ohne alle Zeug
nisse vermieten wollte, würde er Verdacht wachrufen
Der Gedanke, diu'ch Sammlimg der verschiedenen
Zeugnisse in einem Buche den Vertragsbruch zu er-
schweren, auf eine gute Führung der Dienstboten ic
Dienste hinzuwirken, entspric'ht diu-chaus der Erfindungs-
kunst der Polizeigesetzgeber. Immerhin setzt die Durch-
führung eine vorhergegangene Ausbildung des einfacheren
Zeugniswesens voraus. So stellt sich das Gesindebuch
als eine Schöpfung erst des 19. Jhdts. dar. Einige An-
*) Ein Beispiel aus dem 18. Jhdt. ist unten S. 881 f. mitgeteilt
— 879 —
Sätze kommen ja schon in früherer Zeit vor. Die oben ^)
behandelten Lohnbücher kann man als solche auffassen,
insbesondere gilt das von deim dort angeführten Würz-
burger Entwurf von 1723.
Im 19. Jhidt. drang* der Gedanke unter Einfluß des
französischen Rechtes zuerst in Düsseldorf durch. Die
Gesindeordnun^ von 1809 *) führte ein Büchlein ein, das
bei Annahme oder Veränderung eines Dienstö auf dem«
polizeilichen Gesindebureau zu besorgen war; dort wurde
das Nötige eingetragen. Die Herrschaft müßte das Zeug-
nis ins Büchlein geben; glaubte sie, dies wegen grober
Vergehen des Dienstboten verweigern zu müssen, dann
mußte sie das entweder auf dem Bureau anzeigen oder
das schlechte Zeugnis hinschicken imd die behaupteten
Schlechtigkeiten beweisen. Die Polizei trug dies in die
Gesindeliste, die sie führte, imd ins Büchlein ein. Der
Einfluß Frankreichs offenbart sich noch mehr in deini
Dekret vom 10. Juli 1810*), diurch das der Präfekt des
Rheindepartementes allgeanein die Einführung der in kai;
serlichem Dekrete vorgeschriebenen Kundschaftsbüchlein
für die in Arbeit steheinden und reisenden Handwerksge-
sellen, Knechte und andere Arbeiter verfügt. Demnächst
führte Bayern wohl zuerst 1817*), dann Nassau und
Nürnberg*) 1819, Frankfurt 1822 Gesindebücher
ein. Hessen folgte 1825^), dagegen Preußen lerst
1846 7).
Daß sich der deutsche Osten die Gelegenheit, das
Gesinde mit Hilfe der Zeugnisse zu regletnlentieren, ent-
gehen gelassen hätte, ist von vorne herein nicht anzuneh-
men. In der Tat haben denn auch Brandenburg imd
») S. eOlflf. — «) Scotti, Jülich S. 1252. - ») Ebenda S. 1361.
- *) Döllingers Gesetzsammlung XIII P. II S. 1333. — *) Kamann
S.89. — •) Oben S. 159. — ») Hue de Grais, Handbuch VII S.505;
dort auch die Belege if\r Nassau und Frankfuit.
— 880 —
Schlesien das Zeugiüswesen in einer der sonstigeo
Entwicklxing ähnlichen Art ausgebildet*
In Brandenburg^) konnte anfangs die Kundschaft
von der Herrschaft verweigert werden, wenn der Dienst-
bote vorzeitig wegging, wenn er zuviel Lohn forderte.
Dieser zweite Grund ist anderswo völlig luibekannt ; 1681
wurde er auch abgeschafft. Auf Mietung eines Dienst-
boten ohne Kundschaft standen 20 Th. Strafe, seit 1695
gar einhimdert Thaler, fürs Gesinde Festung. Die Besse-
rung der Lage des Gesindes, die das 18. Jhdt. brachte,
zeigte sich auch im Zeugnisrechte. Die Gesindeordnung
von 1769 sagt *) : In dem Abgangszeugnisse soll nur „von
groben Verbrechen, als Untreue, Diebstahl imd Trunken-
heit, nicht aber von kleinen Fehlem xmd Vergehungen,
Erwehnung geschehen, damit den Dienstboten dadurch
ihr anderweites UnterkommJen nicht schwer gemacht
werde**. Ganz früh schon waren die schlesischen
Fürstentage auf den Gedanken gekomtoen, gegen das
Fortlaufen des Gesindes üis Ausland durdh Zwang zur
Zeugnbvorlage bei der Mietung vorzugehen. 1553 er-
hielt der Kaiser ein Gesuch um' Erlassung* eines Ediktes,
„dass in den benachbarten, der Krone Böhmen einver-
leibten Ländern kein Dienstbote als Untertan aufgenom-
men werde, der nicht ein Abgangszeugnis vorlegen
könne"'). Ein Fürstentagsbeschluß von 1558*) verbot,
Gesinde ohne Attest über das' redliche Ausdienen bei
der früheren Herrschaft in neuen Dienst zu nehmen. 1565
wurden auch Strafen festgesetzt. Aber die Behörden
schritten nicht ein, vor allem nicht auf denn Lande. Spä-
ter, 1723, erging wieder ein Patent vor allem gegen das
Mieten von Gesinde' ohne Informationen über das frühere
Verhalten mit recht empfindlichen Geldstrafen*).
Die besondere Entwicklung des Gesinderechtes in
*) Lennhoff S. 47fr. — ') Hedemann S. 197. — •) Frauen-
städt S. 877. — *) Ebenda S. 879. — *) Ebenda S. 885.
— 881 —
den Ländern des Zwangsdienstes erforderte noch,
eine eigene Art von Abgangszeugnissen. Wenn in der
Oberlausitz eine Herrschaft ihrem Untertanenkinde
vergönnen wollte, daß es iimliegendes Land besuche, „et-
was zu besehen oder zu belernen**, dann mußte sie einen
,,Gunstzetter* ausstellen. Wer Gesinde ohne Gunstbrief
mietete, es aufnahin' xmd auf Begehren der rec'hten Herr-
schaft nicht herausgab, der mußte eine Geldbuße geben ^).
Ähnliches wurde in Pommern 1670 geschaffen^). Der
Herr des Zwangsgesindes erteilte die Erlaubnis zum Abzüge
in fremde Dienste oder ins Handwerk imimer nur für
eine bestimmte Frist. Der abziehende Dienstpflichtige
mußte sich eidlich oder durch „genügsame Kaution" ver-
pflichten, nach Ablauf dieses „Urlaubes" wieder zurück-
zukehren, keinen Falles sich irgendwo „häusslich setzen
zu wollen". Über all dieses stellt die Obrigkeit dem Un-
tertanen einen Schein aus, ohne den die Vermietung an
dritte Personen gänzlich verboten ist. Aus dem Westen
sei die Bestimmung der dlever Gesindeordnung von
1753^) erwähnt, daß ein Zeugnis von der Gerichtsobrig-
keit beigebracht werden muß „sonderlich in dem' Falle,
wenn die Kinder der Unterthanen derselben zuforderst
ru dienen schuldig sind".
Zum Schlüsse sei noch aus dem« 18. Jhdt. ein Zeugnis
dem Wortlaut nach mitgeteilt. Es kritisiert schon vor-
nelunlich das Betragen des Dieners, spricht aber auch
über <iie Gründe der Dienstauflösimg. Man kann in ihm
also den Typus eines Zeugnisses aus jener Zeit .sehen, da
der ursprüngliche Zweck der Abgangszeugnisse gerade
dem Bewußtsein verloren gegangen war. Das den oft
genannten loshäuser Registern *) entnomlniene Zeugnis
lautet : „Vorzeiger dieses Johannes Haussen, von Buchenaw
»)KnotheS.282, 283. - «) Hedemann S. 186. - ») Scotti,
Cleve S. 1452. — *) St A. Marburg.
Konnecko. gg
- 882 —
. . . bürtigr, ist medio July des vorigen 1734ten Jahrs, alss
Jäger bey mir in Dienste gekomimen und hat biss hier-
hinn Ein völliges Jahr in Solchem Dienst gestanden, In
währender Zeit aber sich treu und f leissig auff der Jagdt,
und dass er in solcher prof ession und darbey im Schiessen
wohlerfahren und gesChicket, bezeiget. Nachdemb ich
Ihn aber länger in Diensten nicht behalten können, son-
dern Ihme seine Dimission geben müssen, so habe obi-
ges hiedurch mit Eigenhändiger Unterschrifft und vor-
gedrüdktem meinem Pettschaft Attestiren wollen. So ge-
sehen Losshausen den 16. Julij 1735.**^)
Anhang.
$ 17. 1. Das besondere Recht der Mfillerknechte und
Hirten in Hessen.
Daß sidh dem Gesinde keine universellen, für sämt-
liche Haushalte eines Landes in gleichem Maße gültige
Verhaltensvorsdhrif ten geben lassen, wurde oben *) als eins
der bedeutsamsten Kennzeichien des Gesindeverhältnisses
genannt. Diese Regel erfährt diwch einige Ausnahmen
ihre volle, ausdrückliche Bestätigung. Einmal: Für den
Einzelhaushalt ist es durchaus leichter möglich, dem« Ge-
sinde Einzelvorschriften zu machen, nicht bloß in jedem
besonderen Falle, sondern gerade von vornherein für die
vorausgesehenen Möglichkeiten insgesamt ; Beweis dafür :
die Hofordmuigen, die Gesindeordnungen der Klöster.
*) Vom gegenwärtigen Zt^ugnisrecht (nach BGB, Gewerbeord-
nung und preussischer Gesindeordnung) handelt neuestens Robert
Moll mann, Das Dienstzeugnis, Berlin (Vahlen) 1911. Wo es zum
gegenwartigen Recht Darstellungen dieser Erscheinung bisher nur
für das Gesindewesen gibt (in den Werken Kählers, SQsskinds usw.),
ist der die verschiedene Rechtsgebiete unter einheitlichem Gesichts-
punkte zusammenfassende Bericht Mollmanns ausserordentlich lehrreich.
- «) S. 247 (§ 1), 500 (§ 6).
— 883 —
Ferner läßt sidi dem Gesinde mit beschränktem Arbeits-
gebiet auch über deai Kreis des Sonderbetriebes hinaus,
für mehrere oder alle derartige Dienstboten in einem-
Lande, Recht und Pflicht eingehender statuieren, als es
bei den gewöhnlichen Gesindeleuten der Fall ist. Zu dieser
zweiten Art gehören die Müllerknechte und die fast stets
zum Gesinde gezählten Hirten ^ einerlei ob sie von Privaten
oder von einem öffentlichen Verbände angestellt sind.
Es würde aus dem Rahmen dieser Arbeit heraus-
fallen, wenn hier eine eingehende Darlegung der Ent-
wicklung für das Hirten- und Müller-Gesinderecht ge-
geben würde, insbesondere für das außerhessische
Deutschland. Es handelt sich um bedeutsamfe Sonder-
klassen der Dienenden, deren jede beanspruchen könnte,
mit annähernd gleicher Ausführlichkeit behandelt zu wer-
den, wie hier mit dem' Gesinde im allgemeinen verfah-
ren wurde. Für die verfolgten Zwecke genügt die Festle-
gung der leitenden Gesidhtspimkte unter Bezugnahme auf
die nächstliegende, die hessische Rechtsentwicklung;
mehr ins Einzelne gehende Darstellung mag späteren For-
schungen vorbehalten sein*).
Die Quellen des hessischen Mühlknechts-Rechtes sind
vornehmlich die großen Mühlenordnungen für die herr-
schaftlichen Mühlen vom 1. Januar 1615*), 11. Sep-
tember 1677 für Marburg 3), 15. Dezember 1722 für
Cassel*). Satzungen des Gesinderechts für die privaten
Mühlen waren in solcher Häufigkeit nicht festzustellen;
die einzige maßgebende Rechtsquelle ist hier die am* 22.
Februar 1753 erlassene Mühlordmmg *), die unter Aus-
bau des bisherigen, für die herrschaftlichen Mühlen gel-
tenden Gesinderechts Vorschriften für herrschaftliche und
private Mühlen bringt.
^) Vgl. im allgemeinen Joh. Gottlob Klingner, Sammlungen zum
Dorf- und Baurenrechte II S. 199 flF., IV S. 861 ff. — •) LO. I S. MO. —
•) LO. III S. 90. - *) Ebenda S. 897. — ») LO. V S. 61.
66*
— 884 —
Grundlegend für das gesamte spätere Recht ist die
Ordnung von 1615, die sieben Jähret vor der ersten Kodifi-
kation des allgemeinen Gesinderechts entstand. Die fer-
neren Mühlenordnungen bringen in ihrem Gesinderecht
keine wesentlichen Abweichimgen von ihr. Deshalb
braucht hier nur eine ausführliche Inhaltsangabe der Ord-
nung gegeben zu werden, sowedt sie die Rechtsverhält-
nisse zwischen dem Mühlmieister imd seinen Knechten
und Jungen ins Klare bringt.
Die Ordnimg zerfällt in zehn Abschnitte, von denen
zwei kurze für das Rec'ht der Mühlknechte, nicht in Be-
tracht kommen, nämlich der erste über den Oberaufseher
imd der neunte („Keine Frudht aus der Stadt zu führen*').
Im zweiten Abschnitt („Von Molter imd .Mahlen")
sind Lohnbestimmungen für die Knechte enthalten, die
durch Abgaben von drei Hellern bis vier Albus für die
gemahlenen Früchte bezahlt werden.
Nichts Wichtiges für das Gesinderecht gibt der dritte
Abschnitt, der Verhaltungsmaßregeln für Mühlenschrei-
ber, Mühlenwäger und Mühlendien«: bringt. Den Müh-
lenschreibem wird die besondere Aiif sieht über die Hal-
tung der Ordnung anbefohlen. Die Mühlendiener gehören
nidht zum Gesinde; es sind Unter bea mite, die mit der
technischen Arbeit nichts zu tun haben.
Die wichtigste Stellung hat der Mühlenmeister, dem
im vierten Abschnitt sein Recht gesetzt wird. Der Mühl-
meister soll auf das Schließwerk achten, die Behandlung
der Mühlsteine beaufsichtigen; er muß nachts in der
Mühle bleiben imd darf in dieser Zeit keinen Knecht
und keinen Fremden hereinlassen. Der Mühlenmeister
verteilt die Frucht xmter die Mühlenknechte und hat dar-
über zu wachen, daß in der Reihenfolge, wie die Frucht
eingebracht wurde, die Mahltmg erfolgt, daß kein Mahl-
gast vorgezogen wird. Ferner mag der Meister darauf
sehen, daß er jiur tüchtige Knechte annimimt, die schlech-
— 875 -
nigfaltigen Mängel im Gesindewesen darstellen. Hat ein
Dienstbote nicht Zeugnis des Vaterlandes, der Eltern,
der Religion, des letzten Aufenthaltes und seines bisheri-
gen guten Aufführens, dann darf niemand ihn aufnehnnen,
sondern er wird als verdächtiger Vagabund fortgewiesen.
Dienstherrschaften, die dieses Gebot nicht beachten, kön-
nen keinen Rechtsschutz gegenüber den Dienstboten bei
Untreuefällen erwarten und werden dazu „als Verächter
herrschaftlicher Gebote und Verbote" bestraft.
Das fränkische Recht ist hier nicht ergiebig. In
Nürnberg scheinen 1741 ^) Zeugnisse nur für das Ver-
halten der Dienstboten im Dienste eingeführt worden zu
sein. Die ansbadhische Gesindeordnimg von 1769*)
zeichnet sich dadtu'ch aus, daJ3 sie endlich in gerechter
Weise die beiden Fälle einander gleichstellt, ob die Herr-
schaft das Zeugnis fälschlicher Wedse m gimsten oder
zu schaden des Dienstboten ausstellt. Während im bis-
herigen Recht eine Herrschaft sich nur dann strafbar
und ersatzpflichtig machte, wenn sie imwahre Angaben
über vorgeblich beim Dienstboten vorhandene günstige
Eigenschaften machte, wodurch sich der folgende Mieter
täuschen ließ, so soll der Dienstherr jetzt auch exem-
plarisch bestraft werden, wenn er „aus Passion oder Feind-
schaft" ein zu schlechtes Zeugnis schreibt.
InAltbayern wurden 1781 ^) Zeugnisformulare ein-
geführt. Genau imterschieden sind da drei Formulare:
eines der „guten Kundschaft", weiter der „mittelmäßigen"
und der „schlechten" Aufführung. Das letzte Zeugnis
bekundet nur die Dienstdauer und schweigt über Eigen-
schaften. Die Bearbeitung der 1781er Gesindeordnung
für die Oberpfalz von 1801*) „abstrahiert" wegen ver-
schiedener gegenwärtiger Anstände" von den 1781 ge-
*) K a m a n n S. 88. — «) Kr. A. Nürnberg. S. 23 V Nr. 779 Repert.
233. — •) Kr. A München. AR. Fasz. 459 Nr. 209; M. A. Fasz. 1821
Nr. 1165. — *) Ebenda,
— 876 —
troffenen Zeugtiisvorschriften. Am 28. Dezember 1801
schienen die Hinderungen behoben 211 sein. Es wurden
von Amberg aus die 1781 über die Zeugnisse getroffenen
Anordnungen eingeschärft ; auf dem Lande sollen die Pfar-
rer die Zeugnisse nach Angaben der Dienstherren unent-
geltlich fertigen^). Für das ganze Land wurde 1805 er-
neut auf das Zeugniswesen hingewiesen und eine jährliche
Revision der Zeugnisse angeordnet*). Ein 1772 in Pf alz-
Zweibrücken erlassenes Reskript*) forderte allge-
meine Lebenswandelszeugnisse für Dienstboten und Tage-
löhner.
Argen polizeilichen Geist geben die beiden neueren
Gesindeordnungen Badens kund. Die von Österreich
aus erlassene Ordnung der Stadt Freiburg von 1782*)
fordert eine sehr genaue Darlegtuig der Eigenschaften
eines Dienstboten. Mietung ist nur noch mit Zeugnis ge-
stattet, bei fünf Gulden Strafe der Herrschaft, acht Ta-
gen Spinnhausstrafe des Gesindes. Beim Scheiden muß
die Herrschaft das Zeugnis, das bei ihrem Weigern übri-
gens von der Polizei ersetzt werden kann, acht Tage vor
Austritt dem Bezirkskommissar übersenden; von diesem
wird es beglaubigt. Wenn einem Dienstboten nun dritten
Mal dieselben Fehler bescheinigt werden, dann rückt der
Kommissar eine Wamimg für die mietende Herrschaft
in das Zeugnis. Nicht ganz diesem Reglementierungsgeist
ergeben ist die Gesindeordnung von 1809*). Sie ver-
langt zwei Papiere : einen Entlassungsschein und ein Ver-
haltenszeugnis. Wichtig sind lediglich die beiden statu-
ierten Haftungen. Die Herrschaft, die ohne Entlassungs-
schein mietet, haftet dem) früheren Dienstherm für den
durch etwaigen Vertragsbruch erlittenen Schaden. Wei-
*) Döllingers Gesetzsammlung XIII P. II S. 1332. — •) Ebenda
S. 1383. — •) Kr. A. Speier. Best. ZweibrOcken III Rep. 24 Nr. 18451
Blatt 55. — *) Gen, L. A. Karlsruhe. Baden Gen. 6391. — *) Landesarchiv
Karlsruhe. Prov. Niederrhein. Ges.-Polizei B Nr. 1. 1755-1809. (IV 2),
— 877 —
ter ist die Herrschaft andern für den Schaden verant-
wortlich, den diese durch falsche Zeiigniserteilung erled-
den. Und zwar kann auch der .Dienstbote, dem edn zu
schlechtes Zeugnis gegeben ist, sich an die Herrschaft
halten, nicht besteht die Haftung wie nach früheren Rech-
ten nur gegenüber neuesn Mietern, die dxirch zu günstige
Zeugniserteilung hinters Licht geführt sind.
Ganz in der eben geschilderten Art der bayerischen
Gesindeordnung von 1781 wird auch in der österreichi-
schen Ordnung von 1779^) ein vorgedrucktes Formu-
lar für die drei Sorten von Zeugnissen : gut, mittel, schlecht
gegeben. Die Pflicht zur Zeugniserteilung und zur Mie-
tung nur mit Zeugnissen wird in der herkömimlichen Weise
durch Strafmittel verstärkt.
Zum Abschluß der Darstellxmg des Einzelzeugnis-
rechtes sei hier ein Bericht über das Recht Sachsen-
Weimars zu Beginn des 19. Jhdts. mitgeteilt*). Ähn-
lich wie 1628 in Nürnberg*), wird in Jena 1804, in Wei-
mar 1805*) ein Examen der Dienstboten vor der Polizei
angeordnet. Wenn. diese aus den Pässen und den früheren
Zeugnissen des Dienstboten festgestellt, daß eine An-
stellung als Dienstbote zuzulassen sei, dann erhält der
Bewerber einen Mietsc^hein, dahin lautend, daß die
vom Dienstboten vorgewiesenen Attestate die „Dienst-
fähigkeit** ergeben haben, imd daß es dem Inhaber er-
laubt sei, einen Dienst zu suchen. Ohne solchen Miet-
schein darf kein Dienstbote gemietet werden; zehn Tha-
ler Strafe kostet es eine zuwiderhandelnde Herrschaft.
Den Schein erhält die Herrschaft, während die sonstigen
Zeugnisse bei der Polizei bleiben, von wo sie sich später-
hin der Dienstbote gegen Rückgabe des Mietscheines
*) Kr. A. Mönchen. GR. Fasz. 402 Nr. 2. - *) Hessisches und
badisches Recht des frOhen 19. Jhdts. wurde im Zusammenhang des
verwandten früheren Rechts oben S. 874, 876 f. mitgeteilt. — •) Oben
S. 867. — *) Joh. Seh midt, Gesetze f. Weimar IX S. 406, XI S. 184.
- 878 -
wiedergeben lassen kann, wenn er von dem Orte weg
geht. Wechselt der Dienst, dann muß die alte Herr-
scliaft dem neuen Mieter den Mietschein aushändigen.
Muß der Dienstbote aus erheblichen Gründen vor der Zeit
aus dem Dienste geschickt werden, oder hat er noch
kein Zeugnis des Wohlverhaltens verdient, dann muß die
Herrschaft den Mietschein mit den nötigen Mitteilungen
an die Polizei schicken, „die; alsdann entscheiden wird,
ob dem Gesinde die deponirten Attestate zurückgegeben
werden können oder nicht". Es gibt außerdem noch eine
Gesindetabelle, in die sich das Gesinde beim Dienstan-
tritt eintragen, beim Austritte löschen lassen muß.
Die 2^eugnisse wurden früher auf einzelne Stücke Pa-
pier geschrieben, jedes für sich^). Nur ein geringer Ge-
dankensprung führt dazu, die einzelnen Zeugnisse künf-
tig aneinander zu reihen. In einem Zeugnis b ü ch-
lein hat der neue Mieter und ebenso der Polizist be-
quemere Übersicht über die verschiedenen Dienste, die
Häufigkeit des Dienstwechsels, das Betragen, die Endi-
gungsgründe. Dadurch ist ferner die Möglichkeit, ein
ungünstiges Zeugnis zu vernichten, erschwert ; der Dienst-
bote müßte schon das gianze Büchlein verschwinden las-
sen, da das Herausreißen einzelner Blätter zu leicht ent-
deckt werden würde. Wenn er sich dann ohne alle Zeug-
nisse vermieten wollte, würde er Verdacht wachrufen.
Der Gedanke, diu'ch Sammlimg der verschiexienen
Zeugnisse in einem Buche den Vertragsbruch zu er-
schweren, auf eine gute Führung der Dienstboten im
Dienste hinzuwirken, entspricht durchaus der Erfindungs-
kunst der Polizeigesetzgebear. Imtnierhin setzt die Durch-
führung eine vorhergegangene Ausbildung des einfacheren
Zeugniswesens voraus. So stellt sich das Gesindebuch
als eine Schöpfung erst des 19. Jhdts. dar. Einige An-
^) Ein Beispiel aus dem 18. Jhdt. ist unten S. 881 f. mitgeteilt.
— 879 —
salze kominen ja schon in früherer Zeit vor. Die oben ^)
behandelten Lohnbücher kann man als solche auffassen,
insbesondere gilt das von dem dort angefühSrteai Würz-
burger Entwtirf von 1723.
Im 19. Jhidt. dranjg* der Gedanke unter Einfluß des
französischen Rechtes zuerst in Düsseldorf durch. Die
Gesindeordntm^ von 1809 ^) führte ein Büchlein ein, das
bei Annahme oder Veränderung eines Dienstes auf dem^
polizeilichen G^indebureau zu besorgen war; dort wurde
das Nötige eingetragen. Die Herrschaft mtißte das Zeug-
nis ins Büchlein geben; glaubte sie, dies wegen grober
Vergehen des Dienstboten verweigern zu müssen, dann
mußte sie das entweder auf dem Bureau anzeigen oder
das schlechte Zeugnis hinschicken und die behaupteten
Schlechtigkeiten beweisen. Die Polizei trug dies in die
Gesindeliste, die sie führte, imd ins Büchlein ein. Der
Einfluß Frankreichs offenbart sich noch mehr in demi
Dekret vom 10. Juli 1810^), durch das der Präfekt des
Rheindepartementes allgemein die Einführung der in kai;
serlichem Dekrete vorgeschriebenen Kimdschaftsbüchlein
für die in Arbeit stehenden imd redsenden Handwerksge-
sellen, Knechte und andere Arbeiter verfügt. Demnächst
führte Bayern wohl zuerst 1817*), dann Nassau und
Nürnberg®) 1819, Frankfurt 1822 Gesindebücher
ein. Hessen folgte 1825®), dagegen Preußen lerst
1846 7).
Daß sich der deutsche Osten die Gele^renheit, das
Gesinde mit Hilfe der Zeugnisse zu reglemtentieren, ent-
gehen gelassen hätte, ist von vorne herein nicht anzuneh-
men. In der Tat haben denn auch Brandenburg und
») S. eOlflf. — «) Scotti, Jülich S. 1252. - ») Ebenda S. 1361.
- *) Döllingers Gesetzsammlung XIII F. II S. 1888. — ») Kamann
a 89. — •) Oben S. 159. — ») Hue de Grais, Handbuch VII S. 505;
dort auch die Belege fnr Nassau und Frankfuit.
— 890 —
betra^ren" und ohne Betteln bestehen mögen. Daß der
Lohn wohl regelmäßig kärglich war, zeigen ednige weitere
Bestimmtingen des genannten Gesetzes: „Nadhdem auch
die Kühe-, Schwein- imd Ziegenhirten jhre Jimgen, wenn
sie nadher Hauss treiben, täglich den Leuthen vor die
Thür schicken, unnd Betteln lassen, sie selbsten auch
denjenigen, welche Vieh halten über den jhnen gesetzten
Lohn, mit abforderung heiligen Abendt, Brätgen, tmnd
was 'der Exactionen mehr seind, fast Beschwerlich seynd:
So sol dasselbe allerdings hiermit abgeschafft, und den
Hirten tmd jhren Jimgen solches Bettelens und forderps.
oder heischens, sich allerdings zu enthalten, gebotten und
aufferlegt werden." Weiter wird den Hirten untersagt,
sich einen „Weh nen heller" zu nehmen von andern
Tieren als den erstmals zur Herde getriebenen. Das Ver-
bot, besondere Geschenke zu nehmen, steht auch in §13
der Hirtenordnung von 1828. Daß in der Zusammen-
setzung des Lohnes zu allen Zeiten die Naturalien eine
Rolle spielten, ergibt eine Stelle in Emerichs f ranken-
berge r Recht über die Eichelmast von 1483 *) ; jeder der
beiden Schweinehirten erhielt drei Pfund Geldes sowie
Schuhe und Kost. Und die Hirtenordnung von 1828 -)
verbietet den Hirten zwar, mehr als zwei eigene Schafe
in der Herde zu halten^), gestattet aber den Schafeigen-
tümem, den Schäfern statt Lohnes einen Anteil an der
ganzen Herde zu geben.
Den Hirtenlohn zahlen regelmäßig die schaf-
haltenden Gemeindeglieder. Nur in einer f uldi-
schen Polizeiverfügung für die Gemeinde Schieid vom-
20. Juni 1791 *) wird der Fall erwähnt, daß die Gemeinde
als solche den Lohn gibt; dann darf das Geld der ge-
meinen Kasse entnomanen werden, ohne daß aber dem
*) Schmincke, Monimenta S. 702; oben S. 47. — *) § 15. -
•) Näheres hierüber unten S. 894 f. — *) Sammlung der cass. Regierung
Bd. 9.
- 891 -
Hirten, wie es scheint, sein Anspruch auf die besondere
Pf irchabgabe der Schafhalter („Hirtenschutt") genommen
werden soll.
Soweit idie Zahlungspf Höht der Schaf eigen-
t ü m e r gesetzlich normiert ist, werden diesfe bisweilen aus-
<irücklich an ihre Obliegenheit gemahnt. Der Sachsen-
spiegel^) befiehlt: „Swo man aber deme hirten Ion ge-
lobet von der htive, daz Ion muz niemian enthelden (vor-
enthalten), durch daz, daz daz dorf nicht hirtelos en blibe**.
Ja, der Schwabenspiegel geht so weit, den Eigentümern
der schäfereipflichtigen Hufen Entrichtimg des Hirten-
lohnes aufzugeben, auc'h wenn jene Eigentümer Schafe
überhaupt nicht besitzen. Auch späterhin ist die Idee des
Gemeinwohles, daß das Dorf nicht hirtenlos sei, wohl
das bestimmende Moment für besonders scharfe Lohn-
vorschriften. So wenn es in der isenburger Rügord-
nung von 1766 heißt: „Wer denen Schulmeistern, Hir-
then und Schüzen^) ihren Lohn hinterhält, soll zur Rüg
gebracht und in die Frevel erkant werden.**
Schwierigkeiten in der Entlohnung der gemeinsamen
Hirten mußten entstehen, wenn einzelne Gemleindeglieder
ihr Vieh nicht dem Hirten zutrieben, sondern privatim)
hüten ließen und daher zu dem Hirtenlohn nicht
beitragen wollten. Da vornehmlich die reichen Vieh-
besitzer sich einen eigenen Hirten halten können, so würde
der Hirte auf diese Weise nur auf den Lohn angewiesen
sein, den die weniger begüterten Gemeindeangehörigen
ihm zahlen mußten. Man betrachtete daher das Recht,
einen Sonderhirten zu halten, als ein seltenes, ntu* bevor-
zugten Gemeindeangehörigen, insbesondere denn Guts-
herrn zustehendes Privileg und versuchte im übrigen,
durch strenge Vorschriften zu bewirken, daß dem Hirten
kein Vieh entzogen wurde.
Daher bestimmen schon die Spiegel^): „Niemian
') II 54; Schwabenspiegel 213. — *) Bedeutet Flurschützen, Feld-
hüter. — •) Ssp, II 54; Schwsp. 213.
\
— 892 -
en muz euch sunderlichen hirten habn, dar her deme ge-
meinen hirten sin Ion miete geminnere, her en habe dn
huve oder mere, die sin eigen oder len sin; der mas
wol sunderliche schapheherte habn." Nach dem Schwd-
benspiegel dürfen auch Herren, denen eigene Wiesen ge-
hören, sowie Gotteshäuser sich besondere Hirten halteo.
Ein Weistum rum' born heimer Berge (bei Frankfun;
von 1303*) verbietet die Haltimg" eigener Hirten durch.
Privatleute. Nach einem altenhaslauer Weistum von
1354 *) durften sich die Pfarrer, nach einem solchen vcki
1469 ^) „gesessene" Ritter, die „baulich in dem Gerichte''
sitzen, sowie gesessene Pfarrer besondere Hirten bestel-
len. Nur dem fulder Abt gesteht ein Weistum- der f u 1 d er
Mark von 1434*) das Vorrecht zu*). Weiter schreiben
die Spiegel und spätere Gesetze*) vor, daß alles Viek
das nicht aus jenen angeführten Gründen befreit ist, un-
bedingt dem Hirten vorgetrieben werden muß. Nur „suw,
die verkilen zit** nehmen die Spiegel aus. Der Schwaben-
spiegel setzt sogar eine Strafe fest: „Swer sin vihe iribet
ajiderswar danne fiiu: den rechten hirten, der sol dem
hirten sinen vollen Ion geben und dem rihter sechs Pfen-
ninge.** Auch die schaumburger Polizeiordnung und die
Grebenordnung drohen harte Strafe an; jene gestattet
sogar Pfändung des frei laufenden, nicht dem Hirten zuge-
triebenen Viehes, ja Beschlagnahme zu gunsten der Ge-
meinde nach mehrfacher Wiederholung der Tat. Die
») Grimm, Weistümer III 8.481 ff., bes. 484, 482. — ») Ebenda
S. 410 ff., bes. 413. — ») Ebenda 3.415 ff., bes. 417, 418. — *) Ebenda
V S. 822 ff., bes. 824; Über hessen-darmstadtisches Recht s. ebenda III
S. 486, 489, 449, 456, 457. — ») Vgl. auch Hütteroth, Die Reinhards-
walddörfer Holzhausen, Knickhagen, Wilhelmshausen in der Vergangen-
heit und Gegenwart (Cassel 1911) S. 125 f. — *) Ssp. II 54, Schwsp.
218; femer schaumburger Polizeiordnung 1615, Kap. 88, 89 (Rottmann
S. 851, 852), hess. Ausschreiben 18. September 1786 (LO. IV S. 413 ff.,
bes. 415); Grebenordnung 1739 (ebenda S. 608 ff., bes. 688); isenb. Ver-
ordnung 14. Mai 1760 (Sammlung Langenselbold).
— 893 —
hessische Hirtenordnung' von 1828^) dagegen verzichtet
im Grundsat25e auf die Verfolgung des genossenschaft-
lichen Gedankens. Wer sedn Vieh nicht vor den Hirten
treiben will, der darf es unter Beobachtung bestimmter
Vorsichtsmaßregeln auf eigenean» Grund und Boden hüten,
allerdings nicht auf gemeinen Rasen, fremden Grund-
stücken und in Waldungen. Die Ausnahme, die die Ein-
führung der Stallfütterung forderte, läßt auöh die
Hirtenordnung ru: Wo die Stallfütterung eingeführt ist,
braucht Hirtenlohn nur für die Zuchtzeit, während der
die gemeinsame Heorde benutzt wird, zu. bezahlen; die
Abgaben für das Zuchtvieh muß natürlich jeder entrich-
ten. Wegen der Stallfütterung war in Fulda schon am
20. Juni 1791 eine Polizeiverfügiuig ergangen^). Auch
hier waren derartige Viehhalter von dem „HirtensChutt *)
befreit, jedoch' waren auch sie in der privaten Hütung
des Viehs sehr eingeschränkt*).
Für das Verhältnis des Hirten im Dienst
sind wichtig die Vorschriften über die Haftung des
Hirten für verschuldeten Schaden. Den Grundsatz :
„Swaz der hirte binnen siner hüte verluset, daz sol her
gelden", arbeitet der Sachsenspiegel (II 48, 54)^)
des näheren aus. Geraubtes Vieh braucht der Hirte nicht
zu ersetzen, wenn er das Gerüfte erhiebt. Von der Haf-
tung für den Sc'hiaden, den ein Vieh der Herde dem
andern antat, sowie von der Verantwortung für verwahr-
lostes Vieh kann sich der Hirte durch Eid unter Umstän-
den befreien*). Das f rankenberger Recht Eme-
richs^) läßt den Hirten für verwahrlostes Vieh sowie für
*) §§ 2, 9. — •) Sammlung der cass. Regierung Bd. 9. — •) Pfirch-
gebühr; Scherz, Glossar Sp. 1457. — *) Dass auch Bergleute ihr
Vieh gegen Zahlung des Hirtenlohnes vor den gemeinen Hirten
treiben durften, wurde in Hessen am 16. Mai 1679 angeordnet (LO
III S. 116). — ») Schwabenspiegel 218. — •) Näheres oben S. 11, 18
— ') Oben S. 20 f.
— 894 —
den tfaiwisc'hilling^ des wegen Fredlaufens gepfändetCE
Viehes haften.
Durch mannigfache Vorschriften werden dem Hirtefi
Strafen für den Fall der kleinen mit denn Berufe zu-
sammenhängenden Unredlichkeiten angedroht
Beim Schafzählen, beim Wollenverkauf imd beim Hütea
im Walde können Schäferdelikte vorkommen.
Die Rentkamniierordnungen von 1568 und 1682 't
rügen es, daß die Schäfer vor dem Sdhafzählen einen
Teil der Schafe wegschicken, damit diese beinn Abzah-
len nicht mitgerechnet werden xmd auf diese Weise we-
niger Triftgeld oder Trif thämmiel gegeben tu, werden brau-
chen. Die Schäfer, die derartigen Verhaltens verdächtig
scheinen, sollen unvermutet noch ein zweites Mal resi-
diert werden ; die bei der ersten Abzählimg unterschlage-
nen Tiere sind zur Strafe verfallen. Wohl denselben
Zweck, wie ihn die Rentkammjerordnimgen hier verfol-
gen, hat auch eine Bestimmung der Holzordnung von
1659 ^), daß die Schweinehirten angeben sollen, ob fremde,
bisher noch nicht in der Herde gewesene Schweine sich
unter der Herde befinden. Das Halten eigener Tiere
in der Herde ^) wird den Hirten wegen der Gefahr beson-
derer ungerechter Bevorzugung ihres Eigentums vor den
fremden Tieren untersagt, das gleichwohl d&m Verbote
zuwider gezogene eigene Vieh für verfallen erklärt in
der sChaumburger Polizeiordnimg von 1615*). Die
im gleichen Jahre ergangene schamn)biu:ger Amts- und
Hausordnung *) ordnet weniger durchgreifend nur an, daß
die Schäfer ihre eigenen Schafe gesondert von der Herde
scheren müssen. In der hessischen Hirtenordnung von
1828^) wird das Mittreiben von zwei eigenen Tieren den
») LO. 1 S. 388 ff., bes. S40; III S. 184 ff,, bes. 186. — *) LO. 11
S. 576 ff., bes. 588. — •) Vgl. auch J. H. G. v. Justi, Oeconomische
Schriften II S. 179ff. — *) Rot tm ann S.351 (Kap. 88). — •) Kersting,
Sonderrechte Sp. 1259 ff., bes. 1261. — •) § 15; oben S. 890.
— 895 —
Hirten bei Erlaubnis des Herrn der Herde gestattet. Auch
darf den Hirten statt Lohnes ein Anteil an der gesamten
Herde gegebeai werden, aber nie so, daß einzelne, be-
stimmte Schafe ausschließliches Eigentum der Schäfer sind.
Mehrfach wurde der Betrug, den die Hirten durch
Verkauf nasser oder sonst schwer gemachter Wolle
treiben, mit Strafe bedroht. Ausschreiben und Gesetze vom
29. April 1630, 25. April 1646, 4. Mai 1658, 10. Juni
1721 ^) verbieten bei Konfiskation, die Wolle naß oder
schmutzig oder mit zu schweren Binden verschnürt zu
verkaxifen. Nadh der Ordnilng von 1721 sollen die Schäfer
axich nicht aus den Vliesen vor dem Verkauf die gute
"Wolle für sich ausreißen imd dadurch die Ware entwerten ;
sondern sie sollen sich dann die ganzen Vliese nehmen
(doch wohl gegen Bezahlung).
Wo Idie Hirten, besonders zur Mast, in Wälder treiben,
geraten sie oft in den Verdacht, daß sie Einverständnis
mit Wilderern halten oder selber wildem. Daher er-
geht mehrfach das Gebot, daß vornehmlich an Orten mit
Waldhute nur treue, ehrliche, fromme Hirten angestellt
werden sollen, die einen Eid zu leisten haben, daß sie
nicht wildem wollen*). Daß die Hirten jimges Wild tot-
schlagen, wurde noch besonders verboten im Wildbah-
nenedikt vom 25. Februar 1679 und in der Jagdordnung
vom 26. November 1722*). Um die Hirten vor Holz-
freveln zu bewahren, verbot ihnen die schaimiburger
Polizeiordnung von 1615*) Äxte oder sonstige zum Holz-
hauen geeignete Gegenstände beim Austreiben mit in
die Wälder zu nehmen ; ein Thaler Strafe imd Einziehung
des verbotenen Handwerkszeuges waren die Folgen der
Übertretung.
') LO. II S. 63, 126 668; III S. 860 ff., bes. 862. - «) Holzordnung
1669, Forstordnung 1682. Ausschreiben 17. Juni 1796 (LO. II S. 676 ff.,
bes. 589; III S. 2i6ff., bes. 284; VII S. 676). - •) LO. III S. 107 ff.,
bes. 109; S. 892ff., bes. 896. — *) Rottmann S. 229 (Kap.
— 896 —
Die Tätigkeitspflichten der Hirten, die sich
— wie mehrfach hervorgehoben — im einzelnen leichter
übersehen und kodifizieren lassen als die des gewöhn-
lichen Gesindes, werden in einer Fülle von Einzelbestim-
mungen geregelt.
Über die Art der H ütung schreibt die isenbur-
g e r Polizeiordnung von 1690 ^) vor, daß die Hirten fleißig
sein müssen; sonst werden sie gestraft. Schon mehr ins
Einzelne gehend ordnet die hessische Hirtenordniing von
1828 (§ 17) an, daß die Hirten die Tiere „wachsam
und mit Sorgfalt** hüten, Herde imd Himde in strenger
Aufsicht halten, beim Heimtreiben einem jeden Eigen-
tümer sein Vieh zukomimen lassen, für Rettung von er-
kranktem oder verunglücktem' Vieh gebührend sorgen
sollen. Zu abgelegenen Höfen braucht der Hüte das
Vieh jedoch nicht hinzuführen*). Wo es zur Verhütung
von Schaden nötig ist, muß das Vieh auf der Weide
angebunden werden ^). Das Austreiben mit krankem Vieh
ist verboten*). Schon die Berührung mit kranken Tieren
bringt nach mehreren alten Ordnungen^) die Pflicht für
den Hirten mit sich, sich ordentlich zu reinigen, che er
wieder mit gesundem' Vieh zusammenkommt ; krankes und
gesundes Vieh zu trennen ; die Krankheit anzuzeigen. Das
Pechschmieren zur Heilung des Schafgrindes oder zur
Eigentumsbezeichnung der Schafe, wodiu-ch die Wolle
verdorben wird, soll bei Strafe unterbleiben ^). Selbst die
Art, wie sich die Schäfer zu hause und bed ihrer Arbeit
nebenher beschäftigen, interessiert einen guten Landes-
vater. Ein Ausschreiben vom 5. Januar 1770 ^) fordert Be-
richte ein, ob sich denn die Schäfer auch mit dem! so
*) Kersting, Sonderrechte Sp. 888fr., bes. 891. - ') § 16. —
•) § 8. - *) § 7. - ») 28. Oktober 1716, 24. Januar 1724, 16. Oktober 1731,
Grebenordnung 1739 (LO. III S. 784 ff., bes. 785; S. 922 ff., bes. 923;
IV S. 64 ff., bes. 66; S. 608 ff., bes. 622). — «) Wollenkaufsordnung
10. Juni 1721 (LO. III S. 860 ff., bes. 862). - ') LO. VI S. 562.
- 897 —
heilsamen Stricken oder Flachsbereiten abgeben. Die
Schäferhunde, deren die Schäfer für jedem Pfirch
höchstens zwei — davon ednen zur Schwednehatz geeig-
neten — haben dürfen, müssen mit Schleifprügeln ver-
sehen sein, damit sie nicht das Wild jagen; ist junges
Wild da, dann sind die Hunde an Stricke zu nehmen*).
Für den Wollenverkauf bestanden außer den be-
reits erwähnten Bestimmluigen über betrügerische Ge-
wichtserhöhung*) noch einige Vorschriften, nach denen
sich !die Hirten zu richten hatten. Damit die Wolle nicht
wieder schmutzig wird, muß sie spätestens zwei bis drei
Tage nach der Wäsche geschoren werden ; wohl gewaschen
und getrocknet soll sie den Schafen abgenommen wer-
den*). Nur solche Wolle dürfen die Schäfer verkauf en, die
vorher durch den beeideten Wollenwieger in der nächsten
hessisc'hen Stadt gewogen worden ist *). Ins Auskmd dür-
fen die Schäfer nach mehreren Gesetzen überhaupt nicht
Wolle direkt verkaufen*). Neben ihrer Haupt tätigkeit
sollen die Schäfer sogar dafür sorgen, daß die Kultur
der von ihnen be weideten Länder atifrecht erhalten
und gebessert wird. Nach der Grebenordnung von 1739 *)
haben die Gemeindehirten darauf ac'htzugeben, daß die
jungen Baumpflänzlinge stets an- und zugebunden er-
halten bleiben. Noch weitere Anfordenmgen stellt die
Hirtenordnung von 1828 (§ 18) an die Hirten. Sie sollen
für guten Zustand der Viehweiden sorgen, Maulwurfs-
') Holzordnung 1659, Wildbahnenedikt 25. Februar 1679, Forst-
ordnung 1682, Ausschreiben 17. Juni 1796 (LO. II S. 576 if., bes. 589;
III S. 107 ff., bes. 108; S. 216 ff"., bes. 284; VII S. 675). - Nach dem
Schwabenspiegel Art. 340 gilt für Tötung oder Diebstahl eines
Hirtenhundes die Bestimmung, dass der Tater dem Eigentümer ein
anderes Exemplar verschaffen und drei Schillinge ^dar zu geben"
muss. — *) Oben S. 895. — •) Wollenkaufordnung 1721, Grebenord-
nung 1789 (LO. III S. 860ff-., bes. 862; IV S. 608 ff"., bes. 629). —
*) Grebenordnung 1739 a. a. O. — *) Wollenkaufordnungen 14. Juni
1629 und 1721 (LO. II S. 81 ff*., bes. 32; III S. 860 ff:, bes. 861. — •) LO.
IV S. 608 ff-., bes. 621, 622.
Könneckc. 57
— 898 —
und Ameisenhaufen beseätigeii, Gebüsch und Unkraut aus-
rotten, zur Unterhaltung der Wässerungs- und Abzugs-
gräben mitwirken, auf leere Stellen Gras- imd Futter-
kräutersamen stretien.
Der Hütungsort wird vomehmlicfh im« Interesse
der Forstwirtschaft, der privaten Grundbesitzer sowie der
Gesundheit des Viehes eng begrenzt. An gehegten Or-
ten im Walde dürfen die Sühäfer nicht hüten, oder müssen
dies dodh schonend betreiben^). In Privatgärten zu trei-
ben, womöglich unter Zertrümimerung der Zäune und
Hecken, wird oft und mit schweren Strafdrohungen un-
tersagt *). Das „Strickhüten**, d. h. Hüten zwischen frucht-
tragenden Ländern'), femer das Hüten auf Rainen*),
auf abgeerntetem und Stoppelland ^), auf den mit den
Kleearten Esparsette und St. Foin bestellten Ländereien*),
Hüten Imter den Häusern^) ist verboten oder doch sehr
eingeschränkt. Die Hirten haben sorgfältige Rücksicht
auf dem Vieh schädliche Weidestellen zu nehmen^), ins-
besondere nasse und faule Wiesen zu meiden*). Schweine
^) Verordnungen und Ausschreiben 1. September 1629, 25. Februar
1679, 1. Dezember 1682, 15. Dezemcer 1749 (LO. 11 S. 34 ff., bes. 40 ;
in S. 107 ff., bes. 109; S. 216 ff., bes. 228; IV S. 877); fuldische Ver-
ordnungen 29. Juli 1670 und 17. Mftrz 1674 (Sammlung der cass. Re-
gierung II S. 245, 885). — *) Hersfelder SUdtordnungen 1568, 1665
(Demme, Nachr. u. Urk. II S. 288 fi., bes. 292; 11 S. 205 ff., bes. 208);
hess. Verordnungen 12. Mai 1629, 9. Oktober 1647, 21. April 1654,
16. August 1688, 24. April 1702, 6. November 1789 (Grebenordnung)
(LO. II S. 80; 185; 219; m S. 829; 481; IV S. 608ff:, bes. 616, 688).
— ') Hersfelder Stadtordnung 1665 (Demme a. a. O.); schaum-
burger Polizeiordnung 1615 (Rottmann S. 850), Huteedikte 8. Mflrz
1712, 16. April 1779 (LO. III S. 687; VI S. 966). - *) Hersfelder
Sudtordnung 1665; Huteedikt 1712. — *) Schaumburger Polizei-
ordnung 1615 (Rottmann S. 850), casseler Hutereglement 18. Dezember
1786, Grebenordnung 1789 (LO. IV S. 425; 608 ff., bes. 638). — •) Ver-
ordnung 4. Juni 1778 (LO. VI S. 692). — ') Isenburger Rflgordnung
1766 (Sammlung WAchtersbach). -* ') Hirtenordnung 1828 § 5. —
*) Ebenda § 4; fuldische Hirtenordnung 26. MArz 1778 (Sammlung
der cass. Regierung Bd. 8).
— 899 —
und Gänse sollen nie auf Wiesen und giehegte Weiden ge-
trieben werden ^). Die Masthtiten werden den Hirten von
den Forstbeamten angewiesen*); die Schaf eigen tümer
oder die Gemeindebehörden bestimmen die Reihenfolge
der Weideplätze*). Da die Hirten giewöhnlich nur die
nächstliegenden Pfirche benutzen und die femer gele-
genen vernachlässigen, wurde in dem casseler Hutereg-
reglement von 1736*) angeordnet, daß wöchentlich min-
destens zweimal in die weiter abliegenden Pfirche ge-
trieben werden muß. Allgemeine Verbote, die Hutegren-
zen zu übers<^hreiten und an verbotenen Stellen zu hüten,
ergingen — teilweise zur Einschärfung früherer Gebote
— am 1. Juli 1735*), 30. Dezember 1826«) und in der
Hirtenordnung von 1828'). Die beiden erstgenannten Ge-
setze normieren genau die Bußen; nadh der Feldrüger
Ordnung von 1826 kann bei Rückfall auf zeitweise Ent-
ziehung der Fähigkeit zmn Hirtenberuf erkannt werden.
Schließlich sei zur Frage des Hütungsortes noch eine
Bestimmiung der sdhaumburgischen Amts- und
Hausordnung von 1615®) erwähnt. Sie verbietet den
Schäfern im Interesse der „Geilheit** (Fruchtbarkeit) des
Landes, vor Simonis und Judätag (28. Oktober) mdt den
Schafen anabge'legene Orte zu wandern. Bbher zogen
die Schäfer schon Michaelis ab, um recht viel Geld durch
Verkauf des Schaflagers, d. h. des Dunges, zu erwerben.
Neben den Vorschriften über den Hütungsort treten
besonders solche über Jahres- und Tageszeit der
Hütimg hervor. Die Wiesen bedurften wegen des mehr-
fachen Graswuchses besonderen Schutzes. Daher wurde
*) Hirtenordnung 1828 § 4. - •) Forstordnung 1682 (LO. III S. 216 ff.,
bes. 288). -- •) Hirtenordnung 1828 § 8. - *) LO. IV S. 426. - ») LO. VI
S, 1199 ff., bes. 1208. — •) FeldrOgeordnung (MoUer-Fuchs S. 560 ff., bes.
564 ff.); vgl auch Gesetz 26. August 1841 (ebenda S. 1176); auch
Weistum Aber das Ried zwischen Vilbel und Haarheim von 1509
(Grimm, Weistümer III S. 478 ff., bes. 476; Art. 9, 11). — ») § 17. —
*) Kerstin g, Sonderrechte Sp. 1269 ff., bes. 1260, 1261.
57»
— 900 -
mehrfach der früheste und späteste Tag festgelegt, zwi-
schen denen das Beweiden durch Schafherden erlaubt
war. , Die hersfelder Stadtordnungen von 1568 und
1665, sowie Taxordnung vom 14. August 1643 ^) verboten
die Zeit zwischen Petri und Martini. Im Lande Hessen
gestattete das Hute- und Gartenedikt vom 24. April 1702*),
vom 1. November bis zum 1. März jeden Jahres die Wiesen
abzuweiden. Durch Edikt vom 20. April 1735^) wurde
die Frist wegen des Hutemangels bis zimi 1. Mai ver-
längert. Ein Ausschreiben vom 11. März 1745*) erstreckte
die Frist vom 1. November bis zum 11. April; bestehendes
abweichendes Recht oder andere Gewohnheit sollten gel-
ten. Diese Ausnahmen wurden aber durch Verordnung
vom 8. März 1798*) aufgehoben. In Fulda galt der
1. April als Endtermin der Wiesen weide *). Die gewöhn-
liche Weide war in Fulda nach Verordnung vom 26. März
1778') nicht eher erlaubt, als der Wiesenschlamm ab-
getrocknet ist, die Nebel von den Feldern gewichen und
alle Weiden abgetrocknet sind; im Spätherbst muß das
Feldhüten zeitig eingestellt werden. Bei Sonnen- imd
Mondfinsternissen befiehlt ein fuldischer Erlaß vom 30.
April 1733®), das Vieh im Stalle zu lassen»; am fol-
genden Morgen soll der Hirt nicht eher ausziehen,
ehe die „muthmassliche gifftige Nebel" verzogen sind.
Während Regenwetters ist keine Weide erlaubt^). Die
hessische Jagdordnung vom 26. November 1722*®) ver-
bot die Behütung der Wälder in Brunst- und Kalbzeiten.
Das Hüten an Sonntagen und Feiertagen wurde verboten
oder doch nur sehr beschränkt, höchstens außerhalb der
Stunden des Gottesdienstes zugelassen**). Die Tages-
») Demme, Nachr. u. Urk. I S. 288 ft., bes. 292; 11 S. 206ff^ bes.
208; S. 182 ff., bes. 188. — ») LO. III S. 481. - ») LO. IV S. 284. —
*) Ebenda S. 877. - ») LO. VII S. 764. — •) Verordnung 5. März 1767
(Sammlung der cass. Regierung Bd. 6). — *) Ebenda Bd. 7. — ') Ebenda
Bd. 4 S. 288. — *) Verordnung 26. März 1778 (Sammlung der cass.
Regierung Bd. 7). — »•) LO. III S. 892 ff., bes. 894. — ") Oben S. 519.
— 901 —
zeit des Hirtendienstes läßt die Hirtenordnung von 1828
(§ 8) durch die Viehhalter oder Gemeindebehörden be-
stimmen. Nur insoweit enthält die Hirtenordnung eine ge-
nauere Anordnung, als sie das Na^hthüten streng
untersagt. Eine Menge früherer Gesetze waren für dies
Verbot vorbildlich. Durch das Nachthüten konnte auf
unbekanntem Grund und Boden Schaden angerichtet wer-
den; auch das Vieh könnte bei der Dunkelheit gefährdet
werden. Daher ergingen mit Strafen verschärfte Verbote
des Nachthütens am 8. März 1712, 6. November 1739
(Grebenordnung), 16. April 1779, 30. Dezember 1826*),
in I se n b u r g am 14. Mai 1760 und 1766 (Rügordnung) ^),
in Fulda am 26. März 1778^).
Einige nebensächliche Bestimmungen über Berechti-
gungen und Verpflichtungen der Hirten seien sodann
noch hier rusammenges teilt. Die Hirten waren von Jagd-
diensten frei, soweit sie nicht Inhaber dienstbarer Güter
waren; jedoch sollten sie sich bei der Wolfsjagd tätig
hervortun*). Da einer von den beiden Schäferhunden,
die den Hirten gestattet waren, zur Schweinehatz geeignet
sein mußte *), so ist anzunehmen, daß man regelmäßig auf
eine freiwillige und unentgeltliöhe Beteiligung der Hirten
an Saujagden rechnete. Im Gebiete der Rohrbach bei
Hersfeld waren die Hirten durch Vertrag zwischen dem
Landesfürsten, denen von Riedesel und dem Stift Hers-
feld aus dem Jahre 1481 ®) von der Leistung des landes-
herrlichen Fastnachtshuhnes befreit. Falls die Hir-
ten keine zur Arbeit geeigneten Angehörigen hatten,
brauchten sie in Hessen an Wegebaudiensten nicht
») LO. III S. 687; IV S. 608fr., bes. 687, 688; VI S. 966; Möller-
Fuchs S. 550 ff., bes. 555; auch S. 1175 (Ges. 26. August 1841). —
') Sammlungen Langenselbold, Wflchtersbach. — *) Sammlung der
cass. Regierung Bd. 7. — *) Jagddienstordnung 27. November 1665,
Grebenordnung 1789 (LO. II S. 627 ff., bes. 629; IV S. 608 ff., bes. 628).
— •) Oben S. 897. — •) Grimm, WeistQmer III S. 880.
t
- 902 —
teilzunehmeai *). Diese Freiheit bestand jedoch dann nick
wenn die Schäfer gleich andern in der Gemeinde sagt
sessen waren und an den Gemeindenutzun^en teil hatten.
oder wenn die Schäferei nicht ihr einziger Erwerb war.
Auch vom Kriegsdienst waren die Schäfer reitweise
frei, so nach dem Ausschreiben vom« 22. Juni 1702',.
Die Reichszunftordnung von 1731 ^) sicherte den Schäfers-
söhnen ferner Zunftfähigkeit zu, was die hessische
Regierung 1768 in einem Einzelfall ausdrücklich bestä-
tigte *). Weiter gehörte es zur Standesehre, daß die Schäfer
Anspruch auf ein ehrliches Begräbnis haben; dies
wurde am 30. April 1753 verordnet*). Von der Möglich-
keit für die Schäfer, Beisitzer oder Einwohner zu
werden, handelt § 14 der Hirtenordnimg von 1828'*).
Über die Dienstbeendigung spricht gleichfalls
eine Bestimmimg dieser Hirtenordnung'). Danach kann
jeder Hirte, der seinen Herren Anlaß zu Besc'hwerden gibt,
„ohne Beweis der Untüdhtigkeit, der Untreue oder einer
anderen Pflichtwidrigkeit** sofort entlassen werden gegen
Bezahlung seines Lohnes imd seiner sonstigen Ansprüche
für ein Vierteljahr. Entgegenstehende Abreden gelten
nicht. Dies typische Beispiel von absoluten Klassesirech:
findet eine Ergänzung in der Bestimnmng, daß Hirten,
denen wegen wiederholter Hutefrevel die Fähigkit zum
Hirtenberufe gerichtlich abgesprochen worden ist ®), nicht
über die gewöhnliche Wechselzeit im bisherig«! Dienste
behalten werden sollen*).
») Wegebaureglement 4. Januar 1746 (LO. IV S. 911 ff., bes. 91i
— «) LO. III S. 487 ff., bes. 488. - •) LO. IV S. 119 ff., bes. 122. -
*) LO. VI S. 608, 604. - ») LO. V S. 74 ff., bes. 76. - •) Oben S. 782 f.
— ') § IL — •) Oben S. 899. — •) Verschiedene Fragen des Hirten-
rechts gelangten in Hessen nicht zur gesetzlichen Regelung, so vor
allem die wichtige Einrichtung der SchAferzflnfte. Hier kam es
in Hessen Ober Anregungen und Versuche nicht hinaus, wfthrend
anderswo, vornehmlich in Württemberg, dann auch in Nassau, Solms,
— 903 —
§ 18. 2. Das Sonderrecht des hessischen Hofigesindes.
Die Hof Ordnungen setzen für den größten Haushalt
des Landes autonomes Recht. Sie stellen die Grundlagie
des Vertra^ies dar^den das Hofgesinde mit seinem Arbeit-
geber schließt. Das Vorhandensein solcher Haushalts-
gesetze ist eine weitere Ausnahime von der Theorie, daß
die Gesindearbeit sich nicht durch ein Gesetz spezialisiert
regeln läßt. Für das ganze Land ist das allerdings unmög-
licli. Aber für die Bedürfnisse eines einzigen, wenn auch
noch so großen Haushaltes, lassen sich Vorausbesitim-
mtmgen sehr wohl treffen. Vorzüglich ist dabei zu be-
achten, daß bei der weitgehenden Arbeitsteilimg am fürst-
lichen Hofe eine ziemlich genaue Festlegung der Dienst-
pflichten durchaus möglich ist, ohne daß die Bestinn-
mungen auf dem Papier bleiben. Die Pflicht, überall, wo
Not ist, zuzugreifen, wie sie für den Dienstboten des
normalen kleinen Hauses besteht, wird hier zu einemk
großen Teil überflüssig, wo auf jede Handbewegimg des
hohen Herrn ein anderer dienstbarer Geist erscheinen
muß.
Wieder genügt für die hier verfolgten Zwecke eine Be-
schränkung auf die Darstellung der hessischen Ge-
schichte. Es ist der schon im vorigen Abschnitt genannte
Grund; das Recht des Hofgesindes ist ein großes Kapitel
für sich, das hier nur anhangsweise heranzuziehen ist,
soweit es zur Erläuterung der Sätze des allgemeinen Ge^
sinderechts nötig ist. Die Daten der im folgenden berück-
sichtigten Hofordnungen sind 1513^), 1522, 26. August
1527. 3 Juni 1543, 26. Dezember 1570, 2. Januar 1682,
Hessen-Darmstadty Sachsen, sich ein teilweise reichhaltiges ZunfUeben
und Zunftrecht ausbildete; vgl. auch die Mitteilungen hierüber oben
S. 421, auch 811. Der Verfasser behalt es sich vor, auf diese Frage
ausführlicher zurückzukommen.
0 Kern, Deutsche Hofordnungen des 16. und 17, Jhdts, 11 1907
S84.
— 904 ~
10. Januar 1710, 1727, 1752, 11. Mai 1762 1). Dazu komniea
eine undatierte Hof Ordnung von Landgraf Moritz*) und
eine Hanauer aus der Zeit zwischen 1661 und 1563').
Ungedrucktes Material wurde nur gelegentlich herange-
zogen *).
Ehe das in den Hofordnungen geschaffexie Gesinde-
recht dargestellt wird, bedarf es einer Feststellung dö
verschiedenen Berufe, denen hier das Recht gesetzt wird.
Die Überschriften über desn einzelnen Kapiteln der Hof-
ordnung von 1522 *) geben ein Bild davon : „Graven und
heren, Hoff-Rethe, Eddelleythe, Einspenige Eddelleute,
Einspenige knecht, Schützen, Rüstmeister, Cantzlei,
Trumpter, Sennger, Reitend bot^i, Jeger, Fuesbotten,
Wechter, Hernküche, Ritterküche, Backhauss, Keller.
Lieöht Camer, pförtner, Renthoff, Smittetn, Schneiderey,
Buchsenmeister, Abspeysser.** Eine Unterscheidung des
Standes findet nur insofern statt, als die Redhienfolge der
Berufe danach eingerichtet ist. Im übrigen müssen es
sich die Grafen und Herren gefallen lassen, daß für ihre
Aufführung bei Hofe dieiselben Regeln gelten wie für die
Köche, Bäcker und Pförtner.
Der Ausdruck „Hofgesinde" ^), der sich in den Ord-
*) LO. m S. 168, 169, 175, 177, 167, 626, 996; V S, 88, VI S. 46.
— •) LO. III S. 181. — ») Kern a. a. O. II S. 94. - *) Der in Aussicht
stehenden Publikation der Histor. Kommission für Hessen und Waldeck
(Z, des Ver. f. hess. G. u. L. 1908 S. 807) gegenüber würde Voilstflndig-
keit doch kaum erreicht werden können. Als tüchtige neuere Arbeit
über ausserhessisches Hofgesinde wesen sei angeftlhrt Gerhard Sc h a p-
per, Die Hofordnung von 1470 und die Verwaltimg am Berliner Hofe
zur Zeit Kurfürst Albrechts (Veröff. d. Ver. f. Gesch. d. Mark Branden-
burg), Leipzig 1913. ~ ') Hier nach der Handschrift zitiert (St. A.
Marburg. Hofordnungen aus der Zeit L. Wilhelms d.M. und L. Philipps).
Einen getreuen Überblick über den Umfang des landgrftflichen Hof-
haltes und der angestellten Personen ergibt der ^.ökonomische Staat*
Landgraf Wilhelm IV. Bl. 126 ff. (St. A. Marburg); dort sind auch die
gezahlten Löhne genau verzeichnet. — *) Siehe auch oben S. 240.
Nicht nur das Gesinde am fürstlichen Hofe ftkhrt die Bezeichnung
— 905 —
nungen findet, hat dementsprechend auch eine andere»
weitere Bedeoitung", als das Wort zu erkennen gibt. Nicht
Mdrd darunter nur das niedere Gesindepersonal begriffen.
Dem widerspricht der (ständige) Passus in der Über*
scTirift: „Ordnunge, was diejenigen, so an Unsorm Hofe
^eyn, oder künfftig angenommen werden, es seyen Grafen,
Herren vom Adell, KneCht und sonst in gemein all Unser
Hoffgesinde, wes Standes oder Wesens die seyndt, sich
verhalten sollen." Daß alle am Hofe Beschäftigten zum
„Hofgesinde** gehören, Ritter, Grafen und Knechte, zeigt
aucli der in allen Hof Ordnungen bis 1682 sich findende
Ausdruck ,, Jeder, der Unser Hoffgesind ist, sie seyen
Juncker oder Knecht** (in den Bestimmlungen über das
Verhalten bei Feuersgefahr). 1710 wird diese despektier-
liche Zusammenstellung dahin gemildert, daß es nun heißt :
„ein jeder der Unser Diener und Hof-Gesind ist**. Völlig
verloren ist der Sprachgebrauch in der Hofordnung von
1727, wo das Wort Gesinde vermieden und nur gesagt
wird: „ein Jeder, sowol von Adel als andere, der Unser
Diener ist, und nach Hoff gehöret**. Diese vorsichtige
Fassung, die denen von Adel nicht zu nahe tritt, hat dann
auch die Hofordnung von 1762.
Nicht das Recht des Hofgesindes in diesem weiteren
Sinne soll hier dargestellt werden. Die vorliegende Arbeit
will pur den Dienstvertrag mit sozial tiefer Stehenden be-
handeln. Es genügt also, wenn das Recht des Gesindes
im engern Sinne, das zur niederen Arbeit gemietet wird,
berücksichtigt wird.
Die Hofordnung von 1570 ist die erste, die eine
gewisse Systematisierung durchführt; sie wird daher zu
Grunde gelegt, wobei wesentliche Änderungen der spä-
^Hofgesinde*'. Auch das Dienstpersonal der grossen edelmannischen
Höfe und Bauernhöfe wird so genannt; Grimm, WOiterbuch IV 2
S. 1680. Ebenso das Klostergesinde in der Klosterordnung Blaubeurens
1668; Reyscher, Statutarrechte S. 829.
— 906 —
teren Zeit und Abweichtmgen von d^i vier vorher^^ehenden
sehr unvollständigen Hofordnungen vermerkt werden.
Jene von 1543 kann füglicb übergangen wesrdeD ; sie wen-
det sich gegen Gotteslästerung, ,,Vollsaufen" und ahn-
lidie Laster, ohne etwas Neues dem Recht hinzuzufügen.
Art. 1 der Hofordnung von 1670 enthält den Wortlaut
des vom nicht adeligen Gesinde zu leistenden Eides der
Treue, des Gehorsams und all der andern guten Eigen-
schaften. Vielleicht die wichtigste Regel der ganzen Ver-
ordnung steht in Art. 2 : „Zum andern soll keiner an Hoff
genonmien werden, der sich nicht verpflichtet, ziun wenig-
sten zwey Jahr in unsetrm Dienst, sofern Wir ihn so
lang darin behalten wollen, zu bleiben, imd wo einer zu
Ausgang <lerselben zweien Jahren Urlaub nehmen wolte,
dass er Uns solches ein viertel Jahr zuvor anzeigen
solle, darmit Wir Uns mit einem andern Diener an seine
Statt versehen mögen."
Art. 3 beschränkt die Zahl der Pferdeknechte und
Jungen, die ein am Hofe befindlicher Hofmtann mitbringen
darf. Zu vier Pferden gehören zwei Knechte und ein
Junge; zwei Pferde erhalten einen Knecht, und zu-
sammen mit zwei Pferden eines andern Mannes einen
Jungen. Der Junge wird einmal jährlidh von Hofes wegen
in sQhlechtes (schlichtes) Tuch gekleidet. Außer dem
Jungen und den genannten Knechten darf kein Gesinde
(„Jungen, Bernheuter und dergleichen Ungesinde") zu
Hofe gebracht werden.
Weiter folgen in Art. 4 die gewöhnlichen Vorschriften
über Frömmigkeit, Kirchgang und andere Betätigung
eines ehrsamen Knechtes. Art. 5 schärft die Haltung
des Burgfriedens ein. Über die Einhaltung der zum Auf-
warten befohlenen Stunde bestimmt Art. 6, während Art. 7
besonders Wohlverhalten bei Anwesenheit Fremder vor-
schreibt. Art. 8 spricht das bedeutsame Verbot aus, das
bei Tische Gesprochene weiterzureden. Reissige Knechte
— 907 -
und Jungen der Junker sollen, wie es in Art. 9 heißt,
nicht in die herrschaftlichen Gemächer dringen, sondern
Abends in der Hofstube ihre Herrn erwarten. Auflehnung
wider den Marschall oder sonstige Autoritätspersonen wird
mit dem» Turm, unter Umständen sogar an Leib und Leben
gestraft ; wenn nämlich der Marschall mit Stäben unter das
gemeine Gesinde schlagen muß, dann darf sich dem
niemand widersetzen, auch nicht einer von Adel sich
für sein Gesinde verwenden, widrigenfalls nach Befindung
Leibesstrafe zu verhängen ist (Art. 11). Ähnlich ist das
Verbot des Meuterns, Rottierens in Art. 12, worauf „un-
gnädige" Strafe steht. Streit soll vor dem Marschall aus-
getragen werden, eventuell vor einem KoUegiiuni (Art. 13).
Art. 14 regelt das Verhalten der Hofleute bei Feuersnot.
In Art. 15 wird verboten, den gelieferten Kleiderstoff
gegen alten umzutauschen*). Aus Art. 16 geht hervor,
daß der Hof für gewisse Pferde aufkam. Und der ent-
sprechende Art. 1 der Hofordnung von 1522 sagt, dass
auch die Futterung auf Hofkosten erfolgte. Doch wird
nach dem Recht von 1570 für Pferde, die auf Reisen in
eigenen Angelegenheiten der Besitzer Schaden erlitten,
kein Ersatz geleistet. Weitere Bestimtoungen über das
Verreisen in eigenen Sachen bringen Art. 17 und 18.
Es ist nur nach Urlaubserteilimg und gegen Lohnkür-
zung gestattet; der Verreisende muß ferner alle seine
Knechte und Pferde mitnehmen; nur Kranke werden in
der Zwischenzeit vom Hofe verköstigt*). Die Einhaltung
der festgesetzten Abendstunde (Art. 19), die Aufführung
beim gemeinsamen Essen (Art. 20 ff.) werden eingehend
geregelt ; beim Essen darf nicht geflucht, geschimpft wer-
den, auch bäurisches Lachen und dergleichen „Unfletig-
keit" sind streng zu meiden. Jeder soll bei seinem Tische
') In den sp&teren ilofordnungen weggelassen. — *) Diese letzten
Bestimmungen Ober das Mitnehmen der Diener und Pferde fehlen in
den Hofordnungen seit derjenigen des Landgrafen Moritz.
— 908 —
bleiben, nicht an einen andern rücken; wem Kost am
Hofe überhaupt nicht zukommt, der soll wegbleiben, „bey
Vermeidung hönlichs Abweissens". Kranke bekondnen
Kostgeld, wenn sie nicht zu Hofe kommen können. Ist
eine Speise verdorben, dann soll das schön leise deac
Marschall gemeldet werden. Wer etwas zerbricht oder
irgendwie sonst beschädigt, erhält Turmstrafe. Art. 2&
verbietet das Austragen von Speisen für Fremde. Auf
das unbefugte Herumtreiben in Küche imd Keller setzt
Art. 29 Turmstrafe. Dreimal im Jahre ist die Hofordnung
zu verlesen.
Über einen wichtigen allgemeinen Rechtssatz ^), der
in einem besonderen Falle ausdrücklich für das Hofge-
sinde ausgesprochen wurde, geben nicht die Hofordnun-
gen, sondern das Testament Wilhelms II. von 1506 Aus-
kunft*). Der Landgraf ordnet an, daß das Recht des
Dreißigsten dem Hofgesinde zukommen soll: „Man soll
auch unser Hoffgesinde vier wochesn nach unser hinfart
bey einander behalten und dem futter und mal geben
und was wir ihnen schuldig bliben wehren, gütlich ent-
richten und darnach erlewben (verabschieden)*'. Die alte
religiöse Vorstellung von der dreißigtägigen Stille hat
hier wieder einmal ihr Recht gefordert, sogar in dem
menschenreichen Getriebe des fürstlichen Hofes.
Eine früh abgeschaffte Sitte, daß Bürgerskinder sich
auf Verlangen des Landesherrn mit Angehörigen der land-
gräflichen Dienerschaft, Knechten und Mägden, verhei-
raten mußten, sei hier schließlich noch erwähnt. Rom-
me P) nennt dies das „schmachvollste Überbleibsel der
alten Leibeigenschaft**. Wilhelm I., der Ältere, befreite
Cassel 1489 von diesem Zwange *), nachdem er ein „billi-
*) Vgl. oben S. 758. — •)Homeycr, Dreissigster S. 218; U. F.
Kopp, BruchstQcke zur ErUuterung der deutschen Geschichte (Cassel
1799) S. 169, 170; Rommel III S. 184. — ») III S. 94. — *) Kuchen-
becker, Analecta Hassiaca IX S. 287 if.; Rommel III S. 94f,
Anm. S. 58.
— 909 —
ges Geldgeschenk** erhalten hatte. Noch von einigen wei-
teren nordhessischen Städten, Immenhausen, Wolfhagen
und Zierenberg, nahm Wilhelm- 1489 und 1490 die Last *).
0 Rommel a. a. O.; Ledderhose, Kleine Schriften V S. 346,
248, 250; ein Aufsatz im „Hessenland" 1909 S. 4 ff. sei der Vollständig-
keit halber angeführt, obgleich er seinen wissenschaftlichen Qualitäten
nach nicht einmal diese blosse Erwähnung verdiente.
— 910 —
Wichtigere Nachträge aus Quellen,
die erst während des Drucks benutzt werden konntea
Zu S. 189. Über weiteres altenburger Gesinderecht, insbes.
eine große Gesindeordnung von 165 1, handelt Otto H. Brandt, Der
Bauer und die bäuerhchen Lasten im Herzogtum Sachsen- AJtenburf
vom 17. bis zum 19. Jhdt. (Geschichtliche Untersuchungen, hrg
Lamprecht, III 4, Gotha 1906) S. 73 ff.
Zu S. 192. Rechtsquellen der Stadt G e s e k e mit mehreren
gesinderechtlichen Bestimmungen sind in der handschriftlich erhal-
tenen, zur Habeischen Sammlung gehörenden Chronik Gesekes des
Mathias von Engers (1697) wiedergegeben; es handelt sich vornehm-
lich um Willküren von 1578, 1579, 1580, 1581, 1584, 1587, 1593,
1667, 1688, 1693.
Zu S. 122, 133, 200, 202 ff. ,,Philips Grav zu Nassow unod
Sarbrucken, Reinhards Herr zu Hanau, Johann unnd Gottfried
Grav zu Ziegenhain unnd zu N i e d d, . . . Bernhardt unnd Johann
Grave zu S o 1 m s, . . . Gottfriedt unnd Eberhartt Herrn zu Epstein
. . . Dietherich von Ysenburg, Herrn zu Büdingen, . . , die
burggrave, bawmeister unnd burgman zu der Burgk Friedberg"
vereinbarten 1424 eine große Lohnordnung mit mehreren gesinde-
rechtlichen Bestimmungen; abgedruckt bei Friedrich Gaul, Die per-
sönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bauernstandes im
Fürstentum Solms-Braunfels in tausendjähriger Entwicklung vom 9.
bis 19. Jhdt. (Jena 1904) S. 126 ff. ^
Zu S. 239 ff. Vom Begriff des Gesindes im rechtstheoretischen
Sinne handelt Walther Habrucker in seinem Aufsatz Über des
Grund der Möglichkeit von Rechtsbegriffen a priori innerhalb der
formalen Jurisprudenz (Philosophische Wochenschrift I 1907, S. 21 ff.,
49 ff., bes. 29, 63).
Zu S. 331. Über die Vorgeschichte des Zwangsdienstes in Alten-
burg, vornehmlich nach der Gesindeordnung von 165 1, berichtet
Brandt a. a. O., bes. S. 81 ff.
Zu S. 332. Zwangsdienst in Solms-Braunfels von 1667
bis 1809: Gaul a. a. O. S. 48.
Zu S. 398. Über Kirchenbußen in Hessen aus dem 17. Jhdc.
wegen Sabbathsdienstes von Christenmägden enthält Bachmann,
Geschichte der Kirchenzucht in Kurhessen (Marburger theologische
Dissertation 19 10) S. 55, 68, 78 mehrere Berichte.
S. 732, 2./3. Zeile von unten lies Hirtenordnung statt Kirchen-
Ordnung.
Alphabetische Register.
1. Sachregister.
Abendmahl 272, 806 f.
Abgaben, öffentliche 904, 205,
270-874, 315-818, 761,
s. a. Haftung; Steuern
Abschied s. Zeugnis
Abspenstigmachen, Abwendig-
machen 25, 86 f., 44, 68 f., 84,
99, 119,(120), 121 f., 180 f., 188,
178, 179, 186, 187, 197, 198, 901,
202, 908, 905, 209, 210, 211, 218,
216, 228, 288, 828, 351, 896, 404 f.,
405 f., 407, 410, 411, 454, 466, 469,
487, 608, 611, 781, 787, 788, 883
bis 857, 860 f., 861 f., 869
Alimentenklagen der Magd gegen
den Dienstherm 5^ Anm.
s. a. Dienstherr, Umgang mit
Magd
Allgemeines Landrecht, preußi-
sches 97, 152, 286, 821, 510, 667,
680 f., 708, 805, 882, 856
Altersfürsorge 68 f., 106, (112), 698,
781—738
s. a. BOrgerrecht, Prflmien
Alterskassen 785—787
Ammen 899, 401, 402, 588
Amtliche Gesindevermittlung
410-418
s. a. Makler
Amtsgeheinmis der Gemeinds-
manner 818 f.
Andingen 417
s. a. Mie^eld
Annahmepfucht der Herrschaftl82,
156, 4SH^ 475-478, 816
Annoncieren s. Zeitungen
Ansage 739—749, 849 f
Antritt des Dienstes s. Dienst-
antritt
Antrittspflicht s. Dienstantritt
Antrittszeit s. Ziehzeit
Anzeige von Taten des (Gesindes
999—894, 572, 578, 577, 579,
583, 585
Arbeitslose 837—864
s. a. Armen Wesen ; Bettelkinder;
MOssigg&nger
Arbeitsnachweis s. Makler
Arbeitspflicht ; Arbeit des Gesindes
61, 186, 198 f., 281, 282, 246 f.,
288, 600-586, 884, 885, 886, 887,
896—901, 908
Arbeitspflichten,einzelne 511—515,
884—887, 896—901, 908
Arbeitspflichten, deren Feststel-
lung; durch Vertrag 504—507
Arbeitspflichten, öffentlich-recht-
liche 514 f.
Arbeitspflichten, Unmöglichkeit
ihrer Festlegung im einzelnen
247, 500, 882 f., 888
Arbeitszeit 76, 247, 500, 515—518,
887 900 f.
Armen wesen 94, 174,215, 837—364,
871, 875, 876, 705 f., 718, 724,
788 f.
s. a. Bettelkinder; MOssigganger
arrha s. Mietgeld
Aufenthaltsverbot 875, 878
s. a. Ausweisung; Dienstverbot
Aufseher für Gesinde s. (^esinde-
aufseher
Auftrag, Haftung des Dienstherm
259-261
Aufwarter 142, 145
Auseinandersetzune beim Tod s.
Tod des Gesindes; Tod des
Herrn
— 912 —
Ausländisches, auswärtiges Ge-
sinde 88, 112, 117, 187 f., 200,
806 f., 843, 875—879, 408, 439
Anm., 485, 788, 792, 866, 874
s. a. Judengesinde, ausländisches;
Eid
Auswärts, ausser Landes dienen ;
Auswanderung 20, 47, 55, 74,
76 f., 81, 82, 83, 86 f., 167, 176,
178, 182, 184, 190 f., 192, 193,
198, 200, 201, 205, 219, 227, 382,
362, 864—875, 889, 890, 405, 410,
449, 614, 615, 795, 810, 869, 880
Ausweisungsstrafe 61, 182 Anm.
143 f., 158 f., 216, 341 f., 345, 349,
350, 851, 852, 858, 354, 355, 357,
858, 359, 860, 362, 367, 368, 370,
371, 878, 374, 408, 450, 451, 452,
458, 455, 456, 485, 557, 664, 567,
571, 572, 579, 614, 615, 774 f.,
776, 777 f., 780, 781, 782, 788,
784, 786, 789, 790 f., 792, 794,
797, 798, 799, 805, 806, 856, 864,
872.
Badmägde 126
Beamte, Aufsicht aufs Gesinde-
wesen 69 f., 71, 78, 74-82, 84,
85 f., 126, 128 f., 130, 137, 138,
189, 140 f., 144, 184, 269, 389,
348, 349, 391, 626, 628, 638, 800,
858, 863, 866, 867, 868, 869. 870,
872| 873, 874, 876, 877 f., 879, 880
Beamtengefölle 58 f.
Bedienter 242, 248
Beeidigung s. Eid
Beendigung des Dienstes s. Heirat ;
Kloster; Krankcnftlrsorge; Kün-
digung; Tod; Vertragsbruch;
Vormundschaft
Beerbung des Gesindes 176
s. a. Tod des Gesindes
Befreiungskriege 117, 882
Begleitung als Voraussetzung der
Herrenhaftung 263 f.
Begriff des Gesindes 119 f., 205,
Sb-328 (bes. 248-267), 910
Behandlung des Gesindes durch
die Herrschaft 61, 78, 108, 107,
154, 168, 167 f., 527, 671-685,
793 f., 804, 806, 830
Beichtpfennig 272
Beisassen 821, 782 f., 902
s. a. Einwohner
Beleidigung 193, 882
insbesondere
Beleidigung des Gesindes durd
die Herrschaft 61 £, 66, IM,
676 f., 685, 808
Bergwerke; Bergrecht 389£,5ä
8^ Anm.
Berufsdelikte 587 f.
s. a. Ehrlichkeit, Pfticht zur
Beschädigung von HcrrengBi
durchs Gesinde 276, 280 f.
Beschafiung des Gesindes 323-413
s. SU Auswärts dienen; Bettel
kinder; Mäkler; Müßiggänger:
Zeitungen; Zwangsdienst
Betrug s. Ehrlichkeit, Pflicht zur
Bette&inder, Anhaltung zon
Dienen 86, 36 f., 39 f., 60 f., © t
75, 84 f., 86, 92 f., 99, lOl-lf
111, 156, 210, 215, 227, 214,
887-364, 883, 406, 689
Bettelwesen, femer 266, 890
Beutlertaxe 610
s. a. Preistaxen
Bevölkerungswesen 57, 227, aet
375 f.. 385 f., 564
s. a. Auswärts dienen; GcsI^d^
mangel; Kindervennchrung:
Statistik
Beweis des Lohnanspruchs s. tid,
Lohn c
Beweisführung im GesindcprozeD
Beweissicherung durch Mictgdü
Bibel 32 f., 165—167, 588. öSOt.
657, 694, 698
Bier 610 „ .^
s. a. Biertaxen; Brauer; Haus-
trunk
Bierkauf 418, 428
s. a. Mietgeld
Biertaxen 610
s. a. Preistaxen
BüUgung des Herrn als V^^'
Setzung seiner Haftung S^
Bischöftiches Gesinde 177, 314
Böttchertaxe 610
s. a. Preistaxen
— 913 —
Borgen des Gesindes auf der
Herrschaft Namen s. Schuld-
begründung; Vertretung
Bote 86
Brauer, Brauknechte 178
Brötling 241
Brottaxen 610
Bürgerrecht 261, 820
Bürgerrecht des Gesindes 90, 194,
215, 881, 781-788
Bürgschaftsleistung des Gesindes
Bu6e fOrs Gesinde, Anteil des
Herrn daran 6 f., 12, 185, 270.
Carolina 667, 660, 661, 664, 666,
&66, 567^ 668, 671, 672, 678
Charakterisierung, juristische, der
Gesindedelikte 668, 668—667
Charitative Anschauung von der
Krankenförsorge 718, 780 f.
Christenlehre 199, 204
s. a, Katechismus; Kinderlehre
Code civil 186, 189, 282, 299, 806
Anm., 480 Anm., 601, 608, 606,
606 Anm., 769
Codex Maximilianeus 220, 827
custodia, Haftimg 268 Anm.
I>elikte des Gesindes, mildere
und strengere Auffassung 680
bis 654, 667 f., 687
Diebstahl des Gesindes s. Ehrlich*
keit, Pflicht zur
Diebstahl von Gesindegut 280
Diener 242
Dienst in Bedeutung von Dienst-
bote 241 f.
Dienstantritt: Antrittspflicht 44,
61, 112, 180 f., 182, 176, 179, 190,
192, 198, 194, 202, 212, 214, 288,
428, 444-475, 474 f., 782
Dienstbeendigung s. Heirat; Klo-
ster; Krankheit; KQndigung;
Tod ; Vertragsbruch ; Vormund-
schaft
Dieostbote, Wort 241
Dienstbuch s. Gesindebuch
Dienstdauer 22—27, d6 f., 182, 186,
140, 141, 160 f., 168 f., 228, 827 f.,
478-497, 428-488, 444, 742,
809, 875, 906
KSnnecke.
s. a* Jahresdauer; Ziehzeit
Dienstherr, Umgang mit Magd
288 f., 682 f., m
s. a. Alimentenklagen
Dienstlein 242
Dienstverbot 122, 168 f., 468, 461,
462, 468, 464, 471, 720, 747, 772,
776, 776, 777 f., 779, 784, 785,
788, 790, 791, 798, 795, 796, 797,
798, 887, 889, 847, 865
s. a. Aufenthaltsverbot; Aus-
weisung
Dienstverlassen, begrOndetes 800
—806, 816
s. a. Vertragsbruch des Gesindes
Dienstwechsel , häufiger 164 f.,
160 f., 168, 168 f., 484 f., 490, 787
s. a. Dienstdauer
Dimissorialien 807
Dingungstage 186, 196, 198, 46^
-478, 884, 841, 848, 849 f., 854
Domestique 242
Doppelkapellen 807
Doppeltvermieten 61, 112, 182,
198, 288, 407, 457-469, 474 f.,
874
Dreißigster 7, (186), 758 f., 908
Drescheriohn 68 f.
Chehalt 242
Ehrliches Begräbnis der Schäfer
902
EhrUchkeit, Pflicht zur 61, 66-68,
96, 97, 100,112, 118 f, 188, 187,
140, 141, 148, 156, 157, 175, 181,
184 f., 186, 188 Anm., 191, 192,
197, 204, 212, 226, 281, 292, 828,
407, 411, 626, 527, 547—587, 604,
666, 770, 798, 822 f.. 888, 829,
882, 871, 874, 880, 885, 898 f.
Eid ausländischen Gesindes 878
Anm., 489 Anm.
Eid des Gesindes beim Antritt des
Dienstes 20, 228, 281, 282, 238,
878 Anm., 486—440, 508, 528
Anm., 887, 889, 906
Elid des Gesindes beim Austritt
288, 489^ 750
Eid des Gesindes beim Lohnan-
spruch 8, 186, 761
Eid des Geisindes Ober seine Ver-
leiter 818
58
— 914 —
Eid des Herrn fbrs Gesinde 262 f.,
Eid des Herrn bei unredlicher
Veräußerung von Herreneut
277 f.
Eid des Hirten bei Verlust von
Vieh 11, 893
Eid der M&kler 405, 406, 407, 409,
410
Eid im Prozeß Ober Vertragsbruch
798, 808
Eigenschaften des Gesindes s. Ver-
halten, allgemeines
Eingebrachtes Gut im Konkurs 761
Einheimisches Gesinde s. Inlän-
disches Gesinde
Einkaufsbetrug s. Ehrlichkeit,
Pflicht zur
Eintrittstag, fester 497^500
Einwohner 821, 902
s. a. Beisassen
Eltern, Dienen der Kinder bei 210,
888—885
Entlassung, begründete 427, 510,
605, 706, 814, 878, 902
s. a. Vertragsbruch der Herr-
schaft
Entlassung, Pflicht zur 492
Erkundigung bei der alten Herr-
schaft vor Neumietung 469, 769,
782, 859, 860, 864, 869, 871, 878
Erziehung des Gesindes durch die
Herrschaft 199, 890—298 296 f.,
680, 685, 690
s. a. Schulwesen
Evangelisches Gesinde s. Kon-
fessionelle Dienstverbote
Fabriken; Industrie 76, 81, 98, 110,
880, 545, 714 f.
Fadengeld 425
Familien des Gesinderechts 285 f.
Familienfeiern, Teilnahme des Ge-
sindes daran 291 f., 548, 655 f.
Familienrechtliche Auffassung des
Gesindeverhältnisses 166 f., 180,
249—254, 289 L 808—311, 822
Fastnachtshuhn 816, 901
Feldfrevel 280, 233, 260, 262, 265,
268 f., 801, 318, 898 f., 902
Feiertage, abgeschaffte 524 f.
s. a. Sonntag
Feuer, Aufsicht des Gesindes dar-
auf; Haftung des Herrn 178,
179, 181, 194, 199, 216, 894—898,
907
Feuerversicherung 874 Anm.
Findelkinder 18 f., 858
Flachs s. Naturallohn
Fleischessen, verbotenes 861
Fleischtaxen 610
Flußzoll 204, 205, 278, 316, 817 f.
Förster 248, 545, 652 Anm.
Form des Vertrags, s. Mietgeld;
Schriftlichkeit
Formlosigkeit des Vertrags 414,
416— d7
Forstwesen ; Forstfrevel 177, 260f.,
878, 440, 541 Anm., 895, 808, 900
s. a* Förster; Jäger; Jagddienst
Französische Zeit (um 1800), 117.
134—149, 219, 228, 236, 322, 878,
888, 412 f., 419 f., 879
s.a.Frankreich; Königreich West-
falen; Großherzogtum Frankfurt
(unten 2)
Frau, Recht zur Gesindemiete 443
Frauen, zahlenmäßiges Ueber-
wiegen gegenQber dem männ-
lichen Gesinde 824
Freiheitskriefi;e S.Befreiungskriege
Freiheitsstrafe, Vollzug durch Herr-
schaft 580, 671 f.
Frieden im Ort, vom Gesinde auf-
recht zu erhalten 310 f.
s. a. Hausfrieden
Fronarbeit 282, 834 f., 614 f.
Fruchtpreise 49, 58, 56, 78, 624,
648, 650
Fflrlegerinnen 409, 852
s. a. Mäkler
Forsorge ftr die letzten Stunden
des Gesindes 894, 757 Anm.
s. a. Tod des Gesindes
Fürstender 406
s. a. Mäkler.
Oänsehirten 853, 888
Gäste, Haftung des Hausherrn
für 258 f.
gamtz Ion 588 f Anm., 589, 591
Gartendiebe 192, 560
Gastwirte 14, 142, 284 f., 816 Anm.,
812 f.
— 915 —
Gefolgschaft 240 f.
Geistliche Gerichte 19, 800 Anm«,
805 Anm^ 887 f.
Geistliches Gesinde s. Bischöfliches
Gesinde; Pfarrer; Pfairgesinde
Geldentwertung als Anlaß der
Taxordnungen 608, 619 f., 628,
640
Geldstrafe des Gesindes an die
Herrschaft 529, 672
Geldwesen s. MOnzwesen
Gemeinschaft kraft herrschaft-
licher Gewalt 260—254, 286, 819
Gemeinwohl, maßgebend bei der
Hirtenentlohnune 891—898
Gerichtshoheit s. Zwangsdienst
Gerichtsstand 182, 904—306, 412
Geschflftsbet&tigung, selbständige
des Gesindes 286—289
Geschenke ans Gesinde 95, 98,
121, 481 Anm., 612 Anm«, 648,
668—656. 886, 888, 890
Gesellschaftsverhflltnis zwischen
Herrschaft und Gesinde (Christ.
Wolff) 59, 65, 90
Gesinde, Begriff 119 f., 205, 289
—828 (bes. 248—257), 910
Gesinde, Wort 240—244
Gesinde als Vertrauenspersonen
der Herrschaft 818 f.
Gesindeaufseher 55, 411 f , 702
s. a. Gesindebüro; Mäkler
Gesindebuch 141, 158. 159,485,878f
s. a. Lohnbuch; Zeugnis
Gesindebüro 187, 140 f , 144, 147,
150—152, 410-418, 419, 824
s. a. Gesindeaufseher; Mäkler
Gesindemangel 227, 228, 828 f., 845
s. a. BevOlkerungswesen ; Stati-
Gesindemarkt 828—418
Gesindeordnungen, Zeit der 58
bis 117
Gesindeschulen 688—692
s. a. Schulwesen
Gesindesteuer s. Steuer
Gesindevereine s. Koalations-
verbot
Gesindel 281, 259
Getreidepreise s. Fruchtpreise
Gevatterbrief 656
Giftmord 548 f.
Gleichstellung, rechtliche, von
Herrschaft und Gesinde 205,
228, 257, 807-819
Gnade, Dienen auf 8, 606 f.
Gottesdienst, 167, 215, 282, 288,
200 f., 618-626, 581, 608, 688
Anm., 708, 900, 906
s. a. Abendmahl; Kirche;
Pfarrer; Sonntag
Gottespfennig s. lluetgeld
Greben 115
Großgrundbesitz als Grundlage
des strengeren Gesinderechts
28—81 (81)
Grundsteuer 818 Anm.
Grundstacksverkauf, Trinkgeld
ftlrs Gesinde 655
Gunstzettel 881.
Hftnseki 589, 642
Haftung des Herrn ftür Abgaben
des Gesindes 270—274
s. a. Abgaben; Steuer; TQrken-
steuer
Haftung des Herrn für Feuer-
schaden s. Feuer
Haftung des Herrn für Strafen
des Gesindes 4 f., 12, 175, 187,
214, 240, 257—269, 292 Anm.
Haftung des Herrn auf Lohn be-
schränkt 267. 282
Haftung des Hirten s. Hirten,
Haftung
Haftung der Müller und MCkller-
knechte 886
Haftungsgeschäft durch Mietgeld
414 f 444
Hagelfeiertag 281
Halftergeld ^
Handelsdiener 242, 286f., 895f., 574
Handwerk; Handwerker 86, 40,
41, 47, 69, 72, 80, 111, 128, 176,
188, 186, 209, 229, 288, 244 f.,
287 Anm., 288, 814 f., 820 f., 887,
889, 841, 844, 847, 850, 854, 856,
857, 858, 446, 518, 518 Anm.,
580, 544, 546, 574, 588, 586, 607 f.,
618, 617, 620, m, 647, 661, 670,
686, 707, mf., 711, 714—717,
722, 724, 766, 818, 869 Anm.,
879, 881
s. a. Reichshandwerksordnung
58»
— 916 —
Hausdi'ebstahl s. Ehrlichkeit,
Pflicht zur
HausfriedeD 269, 308—310, 812
Hausgemeinschaft 240 f.. 246, 248
—m, 669 Anm., 818
Hausieren 118, 848, 864 f.
Hauskinder 268
Haustrunk 816 f.
Hausvater 289 f.
Heiligengeistpfennig 444
s. a. Mietgeld
Heimarbeit 862
Heirat des Gesindes 9, 12, 97, 99,
108, 109, 112, 119, 186, 166, 184,
294, 807, 846, 847, 868, 874, 896,
788, 750—766, 767, 802 f., 886
Herabminderung des Wortsinns
von «Gesinde* usw. 248
Herrschaftliche Gewalt 261—266,
267, 289—807, 607, 678, 698 f.,
742, 814 f., 826
Hindinffe rinnen 408 f.
s. a. Makler
Hirtenrecht 10 f., 18, 20 f., 40, 67,
112 f., 116, 117, 119, 188. 184,
169, 247 Anm., 248, 262, 268,
877 f., 421 f., 428, 424, 487, 440,
488 f., 600, 611, 619, 874, 882 f.,
888-902
insbesondere
Hirten, Anstellung 888 f.
Hirten, besondere 10, 18, 281, 669
Anm., 891—898
Hirten, eigene Tiere 890, 894 f.
Hirten,erforder]iche Eigenschaften
888 f.
Hirten, Haftung 11, 18, 20 f., 898 f.
Hirtenhunde 837, 901
Hirtenlohn 10. 18, 889—898, 902
Hirtenschutt 891, 898
Hochzeit s. Familienfeiern ; Heirat
Hofgesinde, Wort ; Begrifr240,904 f.
HofhOrises Gesinde 192, 198
8. a. Leibeigenschaft, unfreies
Gesinde
Hofrecht 67, 122, 126, 129, 222,
240, 247 Anm., 806 f., 886, 487,
480, 602, 617, 661, 617 f., 697,
741 f., 807 f., 882, 906—909
Hfltungsort 898 f.
Hütungszeit 899—901
Hundstagsfeier 196, 640 f
Immenknechte 660
Industrie, moderne, Ansatz zum
Dienstzwang 886 Anm.
s. a. Fabriken; Leinweberei
Industrieschulen s. Gesindeschulen
Ingesinde 240 f, 269
Inlandisches Gesinde 81, 112,
875—879
Inserieren s. Zeitungen
Insten 247
Inventarfrist 186, 769.
J&ger 248 f., 608, 666, 882
Jagddienste der Hirten 901
ahresdauer des Dienstes 22 — 27,
78, 182, 141, 160, 428—433,
478—497, 809
s. a. Dienstdauer; Ziehzeit
Jahreszeit der Viehhatung 899 f.
Johanniterorden 828, 488
Juden 279, 286, 288 f., 814 f., 474,
646, 660
Juden, Verbot der Haltung christ-
licher Mägde 18, 214, 3^—402,
791, 802 Anm. 910
s a Schutzceld
Judengesinde 208 f , 206, 212, 218,
227, 249 Anm., 262, 270, 274 f.,
288 f., 294, 806, 892-408, 866
Judengesinde, ausländisches 394 f.,
408
s. a. Ausländisches Gesinde
Judengesinde in Christendienst
402 f.
Judenordnungen 67, 126, 199, 224
ms albergariae 814. ^
Kälberweilen 498
Kaffeetrinken, dem Gesinde ver-
boten 80, 110, 668 f.
Kassen 108
s. a. Altersfflrsorge ; Kranken-
fflrsorge; Prämien
Katechismuslehre 290 f., 687 f., 708
Katholisches Gesinde s. Konfessio-
nelle Dienstverbote
Kesselgeld 688
Kinderlehre 290 f., 890 f., 687 f.
Kindervermehrung 227, 386 f.
Kindsmord 584 Anm.
Kipper und Wipper 48
— 917 —
Kirche 107, 168, 290
s. a. Abendmahl; Gottesdienst;
kirchenrechtliche Vorschriften;
Kirchenstand; Kirchenstuhl;
kirchliche Forderungen; Pfarrer
Kirchenrechtliche Vorschriften
über Gesinderecht 886—408
Kirchenstand des Gesindes 806 f.
Kirchenstuhl 807
Kirchliche Forderungen im Kon-
kurs 761
Kirmessen 77, 95
Kleidung des Gesindes 84 f., 86 f.,
47, 55, 122, 126, 182, 185, 214,
217, 286 Anm., 876, 548~-547,
600, 612 Anm., 617 f., 624, 685 f.,
649, 654 Anm., 784, 906, 907
s. a. Naturallohn
Kleines Kaiserrecht 14—16, 248,
275 f., 284, 591, 606, 604, 674
Kleingrundbesitz alsGrundlage mil-
deren Gesinderechts 28—81, (81)
Kloster, Eintritt ins 750, 756 f.
Klostergesinde s. Königsbrflck
(unten 2)
Knecht, Wort 242, 442
Knecht, Umgang mit Angehörigen
der Herrenfamilie 587
Knechtrecht 654 f.
Koalitionsverbot 68 f., 222 f.,
80^-818
Kolbelbraten 428 Anm.
Kommandanten in hessischen
Stddten 70
Konfessionelle Dienstverbote 181,
191, 197, 206, 218, 888-408
Konfiskation s. Vermögensein-
ziehung
Konkursvorrecht s. Lohn
Konsistorium 68, 138, 151, 169, 272,
806 f., 889 f., 399, 498 Anm., 688
Kontraktbruch s. Vertragsbruch
Kopfsteuer 272 f , 818 Anm.
s. a. Steuer
Korntazen 610
Kost 14, 40, 61, 82, 154, 181, 188,
198 f., 281, 261, 814, 509, 581,
574, 600, 608, 606, 612 Anm.,
645, 666—669, 687, 695, 808, 804,
818, 827, 907 f.
s. a. Kaffeetrinken; Kostgeld;
Teetrinken
Kostgeld 156, 477, 574, 605, 665 f.,
824, 825 f , 882, 908
Krankenftlrsorge 120, 181, 148,
148 f., 152, 159, 210, 214, 828,
371, 664, 693—781, 750, 757,
802 f., 810, 832, 907, 908
insbesondere
private FQrsorgepflicht 698—705
öffentliche Anstalten 705—781
Krankenwärter 142
Kreditieren an Gesinde s. Borgen ;
Vertretung
Kreise des Reichs 84, 89, 42 f.,
Anm., 171 f , 180, 206—208, 209,
284 f, 855, 359, 416, 431, 487,
487, 488 f, 506, 539, 680, 688,
640, 748, 753 f, 789, 790, 827,
848, 862, 863
s. a. fränkischen, niedersäch-
sischen, obersflchsischen, schwä-
bischen Kreis (unten 2); Nach-
barstaaten
Krieg, Gesinde muß dem Herrn
folgen 815
Krieg, dreißigjähriger 43, 46, 56,
57, 127, 12^ 620, 628, 640, 686
Krieg, siebenjähriger 68 f., 71, 76,
85, 640, 641 f
Kriminalpolitik 547—554
s. a. Delikte des Gesindes, mil-
dere und strensere Auffassung
Kriminalrecht s. £lhrlichkeit,
Pflicht zur
Kündigung 68, 95, 109, 112, 119,
141, 144, 187, 192, 196, 212, 221,
228, 256, 896, 408, 445, 469, 479,
482, 485, 486, 489, 490, 492, 498,
4%, 680, 788—760, 759, 769, 774,
781, 787, 798, 802, 816, 818, 820,
821, 822, 826, 832, 884 f., 887,
888, 849 f., 906.
Kündigung, Formlosigkeit 749 f.
Kündigung, Fristen 740—749
Kündigung, Vorzugsstellung der
Herrschaft gegenüber dem Ge-
sinde 68, 141, 144, 182, 211, 741,
742, 748, 744, 747, 748
Kultur des Hutelandes, Beaufsich-
tigung durch die Hirten 897 f.
Ladendiener 152, 242
Ladung 294 Anm.
— 918 —
LaduDff des Gesindes 214, 8M
Lederi>reise 642
Ledigsitzen s. Maßiggänger
Legate fflrs Landkrankenhaus in
Cassel 710
Lehrer 22, 107, 119, 165—167,
249 Anm., 652 Anm..688, 692,891
s. a. Erziehung; Schulwesen
Leibeigenschaft 29 f., 81, 90, 108,
120, 185, 145, 146, 198, 828, 888
s.a. hof höriges, unfreiesGesinde ;
Zwangsdienst
Leihkauf 428
s. a. Mietgeld
Leinsften s. Naturallohn
Leinweberei 108
Leitkauf 428
Lex Salica 8
Udlohn; Uedlohn 241 Anm., 589
Anm., 591
s. a. Lohn
Literatur der Reformationszeit 82 f.
Literatur, landwirtschaftliche um
1700 58
Literatur, philosophische u. staats-
wissenschaftlicne um 1700 58 f.
s. a. Wolff, Christian (unten 8)
Literatur, philosophische, Enae
18. Jhdts. 89-91
s. a. Dom: Kant (unten 8)
Livree 95 f., 118, 482, 545, 581,
775, 788, 786 f., 814, 822
' s. a. Naturallohn
Lohn 176, 178, 179, 180, 183, 185,
214, 217, 228, 224, 280, 257 Anm.,
265, 876, 881 f., 421--428, 489,
441, 448, 476, 477, 478, 479, 481,
487, 489, 494, 495, 496, 502, 509,
520, 582, 559, 582, 588, 588 -^ 656,
664, 687, 698, 695, 696, 697, 698,
699, 700, 701, 708, 751. 752, 757 f.,
771 f., 778, 774, 775, 776, 777, 778,
779, 780, 781, 782, 788, 784, 785 f.,
787, 788, 789, 790, 791, 792, 798,
794, 795, 796, 797. 798, 799, 801,
802, 808, 804, 8()5, 806 Anm.,
807, 811, 814, 816, 817, 818. 819,
820, 821, 822, 824, 825, 826, 827,
828, 829, 880, 881, 882, 884, 840,
844 f., 847, 848, 880, 884, 887,
889—898, 907
und zwar
Lohn, Abzug 17, 186, 687
s. a. Lohn, RQckbehaltung
Lohn, Beft*iedigun£ vor anderen
Gläubigem 7, 186, 208
s. a. Lohn im Konkurs
Lohn, Beweis der Forderung 192.
594—698, 601
Lohn, Beweis durch Eüd 8, 186,
694-598, 601
Lohn, Festsetzung durch den Herrn
589 Anm., 606—608, 742
Lohn, Höhe 21, 55, 127, 195, 207^
217, 606, 608, 611 f., 618, 641
—648
Lohn der Kinder bei den Eltern
888—885
Lohn im Konkurs 89, 182, 199,
204, 218, 214, 598 Anm., 698,
760—766
s. a. Lohn, Befriedigung vor
andern Gl&ubigern
Lohn, Kreditierung seitens des
Gesindes bei der Herrschaft
600f., 602
Lohn der Mäkler s. Maklerlohn
Lohn, Pftndung 206, 594 Anm.
Lohn, Privilegien 58fe— 599
Lohn, RQckbehaltung und Auf-
rechnung 600, 60a— 606, 784
Lohn, Taxen 20, 86 f., 89, 40, 41,
48 f. (Hessen 1622). 45, 46, 47,
48, 49, 50, 51, 52, 58, 54, 56, 62,
68, 65, 71 f., 78, 74, 75—77, 78 f.,
80 f., «2 f., 84—86, 92, 94, 100,
109 f., 118 f., 121, 128 f., 181, 156,
172, 175, 176, 178, 180, 182, 188 f.,
186, 187, 188, 190, 191, 192, 193,
194, 195, 196, 198, 200, 201, 204,
205, 206, 207, 208, 210, 211, 212,
217, 218, 220, 221, 222, 224, 225,
226, 228, 288, 234, 285, 258, 328,
881, 840, 864, 868, 870, 878, 874,
488, 484, 485, 608, 609—656, 661,
788, 774, 809, 818, 840, 846, 857,
910
Lohn, Taxen, drei Arten (absolute,
regionale, historische) 618, 681
Lohn, Taxen, Abschaffung 688
—685, 640 f , 648, 645, 6^, 648,
649 f., 650 Anm.
s. a. Mietgeld, Taxen
— 919 -
Lohn, Verjährung 186, 148, 606
Anm.
Lohn, Vorschußleistung 599, 600
Lohn, Vorzugspfandrecht 205, 588,
508 f., 760
Lohn, Zahltag 503 Anm., 602
Lohn, Zahlung, zu frühe 599
Lohn, Zahlungspflicht 61, 176, 588
—606, 662
Lohn, Zahlungspflicht, erst nach
Dienstleistung 591, 600
Lohn, Zahlungspflicht, vor Aus-
tritt 17, 28 f., 590—502
Lohn, Zahlungspflicht, beschleu-
nigte 592 f.
Lohn, Zahlunespflicht, doppelte
bei Verzug 588 f.
Lohn, Zahlungspflicht durch Strafe
gesichert 588^590, 599
Lohn, zuviel gezahlter 7 f., 9, 751,
757
Lohn s. a. Lohnbuch; Mindestlohn;
Molter; Naturallohn
Lohnbuch 601--603, 879
s. a. Gesindebuch ; Zeugnis
Ludwig, Kaiser, Rechtsbuch 216,
277, 280, 554 f., 589, 660, 798 f.,
828
Luneville, Frieden von 121
Luxus; Luzusordnungen 57, 108,
122, 126, 177
s. a. Kleidung.
Makler 141, 147, 160, 161 f., 849,
889, 408, 404-413, 812 f., 884,
886, 889, 840, 842, 848, 846, 847,
851, 852, 853, 854, 856, 862, 867
s. a. Gesindebüro; Maklerlohn
Maklerlohn 405, 407, 409
Magdeschickerin 406
s. a. Makler
Magd, Wort 242 f.
Magd des hl. Kreuzes in Franken-
berg 21
Magd U. L. Frauen in Franken-
berg 21
Mahlgaste 884. 886, 887
Mainzoll s. FlufizoU
Malsteine, Verrückung 265
manasle s. menasle
Mazimallohn s. Lohn, Taxen
Mehrere Jahre, Mietung auf 482, 481
menasle 179, 181, 596—508, 612
Merkantüismus 20, 77, 101, 375 f.
Mieter (Wohnungs-) 259
Mietgeld 22, 61, 68, 118, 130 f.,
1^, 175, 178, 179, 192, 194, 198,
407, 410, 414-436, 444-475, 481 ,
787, 840, 841, 852, 858, 880
Mietgeld, erforderlich zum Ver-
tragsschluß 417—420
Mietgeld nicht erforderlich zum
Vertragsschluß 415—417, 418
Mietgeld vom Gesinde bezahlt
421—423
Mietgeld, Höhe 427, 596, 621, 623,
Anl. zu 624, 626
Mietgeld jahrl. gegeben 428-483,
Mietgeld naturaliter 436
Mietgeld, Taxen 40f, 43, 46, 62,
77, 424, 433—486, 621, 623, Anl.
zu 624, 626, 641, 646, 648
s. a. Lohn, Taxen
Mietgeld, Teil des Lohns 426—428
Mietgeld, unabhängig vom Lohn
421-426
Mietschein 877 f.
s. a. Zeugnis
Militärdienst 68, 75, 81 f , 84, 101,
108, 110, 112 f., 141, 199, 341,
370—383, 525, 536 f., 750, 757,
795, 902
Minderjährige, Vermietung 176,
441—443 782
Mindestlohn 48, 62, 644 f., 647,
649, 649 Anm.
s. a. Lohn, Taxen
Mönche, Dienerhaltung 887
Molter 884, 887
Mondfinsternis, Viehtreiben ver-
boten 900
Mühlendiener 884, 887
Mühlenmeister 884 f., 886 f., 887
Mühlenschreiber 884, 887
Mühlentreiber (Fuhrknecht) 887
Mühlenwager 884, 887
Müllerknechte: Mühlenrecht im
übrigen 19, 20, 42, 124, 184, 203,
231, 283, 247 Anm., 282, 886,
430 f., 500, 517 f., 510 Anm., 522,
629, 844 f., 868, 882-888
Müllerjungen 885, 886
Münzkreise 42 f. Anm.
— 920
MOnzwesen 41^48, 45, 71| 76,
620, 622
s. a. Lohn, Taxen
MQßi'ggflnger, deren Anhaltung
zum Dienen 52. 55, 56 f., 60 f., 68
—70, 78 f., 75, 79, 84 f., 94 f., 99,
101-108, 110, 111, 118, 118,
156, 176, 182, 184, 185, 188, 189,
191, 192, 201, 210, 211, 216, 217,
220, 887—364, 869 f,, 372, 377,
408, 495, 498 f.
MQ&iggftnger-Bestimmungen, Un-
terschied vom Zwangsdienst
360 f.
Mundraub s. Ehrlichkeit, PjQicht zur
Munt 239-323 (bes. 257—823)
s. a. Haftung; herrschaftliche
Gewalt; Vertretung.
Nachbarstaaten, Vereinbarungen
Ober Gesindewesen 88 f., 48, 49,
54, 81, 92, 118, 183, 194, 195 f.,
206—208, 222, 228, 226, 227, 854,
855, 369, 874, 486, 487, 591, 614,
860, 889
s. a. Kreise
Nachtarbeit in Mühlen 884
NachthQten 901
NaturaUohn 21, 48, 56, 68 f., 78—75,
81—83, 110, 111, 114, 117, 119,
120 f., 127—129, 180, 182, 198,
218, 842, 343, 863, 425, 520, 616,
618, 619, 621 f., 628 f., 625, 626,
634, 635—640, 643, 650—658,
654 Anm., 890
s. a. Kleidung; Kost
Naturrecht 89, 100
Nebenländer, hessische 117 — 184
Neujahrsgeld 652 f.
s« a. Geschenke
Neumietung erst bestimmte Zeit
nach Ablauf des alten Dienstes
896—897, 478 f., 884
Neumietung erst bestimmte Zeit
vor Ablauf des alten Dienstes
469—473, 884 f., 844, 849—851
Neumietung, jährliche 428—488
Neumietung ohne Wissen der vori-
gen Herrschaft 218, 469, 769
s. a. Erkundigung
Notstände, landwirtschaftl, Sonn-
tagsarbeit 528 f.
öifentlichrechtliche Gleichstellung
von Herrschaft und Gesinde s.
Gleichstellung, rechtliche
ökonomischer Staat Landgraf Wil-
helms IV. 904 Anm.
Ohrenabschneiden 805
Opfer^eld 22, 652 Anm.
Orf^anisation des Gesindes s. Koa-
litionsverbot
PachtgOter 844
Pädagogik 106-108, 220
s. a. Erziehung; Lehrer; Schul-
wesen
Pariser Jahre 829
Paßwesen 187 Anm., 877
„Patriarchalisches" im Gesinde-
verhältnis 255 f., 321
Personengemeinschaften (Familie
usw.) 249—255
Pf&idung des Gesindes 281, 594
Anm.
Pfandrecht des Gesindes gegen-
über der Herrschaft s. Lohn,
Vorzugspfandrecht
Pfarrer; Pfarrgesinde 14, 19, 89,
109, 165, 168, 169, 199, 265, 272 f,
284, 301, 312, 318, 815 f., 887 f.,
391, 398, 425 Anm., 584, 687,
692, 786, 876, 892
s. a. bischofliches Gesinde; Got-
tesdienst ; Kirche ; Verlesung
Pferdeknechte des Hofgesindes 906
Pflichten des Gesindes 500—587
Pflichten der Herrschaft 588—788
Physiokratie 84 f , 92 f.
s. a. Smith, Adam (unten 3)
Pob'zeidiener 96
Polizeiliches Gesinderecht gegen-
über dem privat- und straf-
rechtlichen 88 f , 175
Polizeiordnungen, Zeit der 27 — 57
Populationistik s. BevOlkenings-
ivesen
Post 112, 802 Anm., 583
Prämien für altgediente Dienst-
boten 68 f., 108, 148, 737 f.,
s. a. Altersfürsorge
Preistaxen 41, 43, 69, 70, 71 f., 76,
80, 83, 131, 209, 699^611, 618,
621, 641, 645, 888
s. a. Lohn, Taxen
— 921
Privat- und strafrechtliches Ge-
sinderecht gegenüber dem ver-
waltungsrechuich • polizeilichen
33 f., 175
Probe, Dienen auf 446
Profitknecht 288 f., 894 f.
Prozeß 115, 150, 159, 288, 898
— 306.
tfeuartierkommissare, hessische 96
Quatembergeld 658
s. a. Geschenke.
Rauch, sich auf eigenen Rauch
n&hren 856
Rauchen 267, 292, 298, 668, 664f.
RechtsbOcher, Zeit der 8—18
s. a. klein. Kaiserrecht; Sachsen-
spiegel; Schwabenspiegel
Register des Gesindes 140, 148,
146, 147, 159, 161, 878, 879
Reichsdeputationshauptschluß
(1808) 121
Reichsgesetzgebung Ober Gesinde
34—89, 52, 118, 196, 211, 285,
245, 818 Anm., 887, 840, 845,
544, 616, 617, 618, 640, 661, 672,
678, 789, 792, 885, 848, 851, 854,
857 f., 860 f., 862, 864, 869 Anm.
Reichshandwerksordnungt (1781)
245, 321, 640, 869 Anm.
Reurecht 428, 486 Anm., 444—449
Revolution, französische 89, 98,
104 f., 184, 221, 688
Revolution 1848 168
Rezeption 27 f.
Rheinbund 132
s. a. französische Zeit; König-
reich Westfalen (unten 2)
Rheinzoll s. Flußzoll
Rockenreis 498 f., 528
Römisches Recht 27 f., 258 Anm.,
607
Roggen als Wertmaß 612 Anm.
Rockfall 565
s. a. Ehrlichkeit, Pflicht zur
Rogerecht 13, 292 Anm.
Ruprechts von Freising Stadt- u.
Landrecht 216, 267, 270, 278,
555, 588 f. Anm., 606 f., 678, 695,
798, 828.
Sabbathordnungen s. Sonntag
Sachen des Gesindes, mit ins
Herrenhaus zu bringen 407, 410,
554 Anm., 770, 813
Sachsenspiegel 4—11, 12, 13, 14,
173, 177, 216, 235, 243, 267, 270,
277, 280, 283, 303, 480 Anm.,
595, 597 f, 606, 751, 757, 758,
771, 776, 816, 817, 819, 891 f.,
893
Salzknechte 317, 480 Anm., 845 f.,
Sattel, Sitzen zu ledigem 868 Anm.
Schabbesgojim s. Juden, Verbot
der Haltung christlicher M&gde
Schaden in der Herde, Haftung
des Hirten 11, 898 f.
Schädigung dritter Personen durch
das Gesinde 276, 281—284
s. a. Vertretung
Schäfer 83, 113, 115, 117, 234, 380,
421 f., 423, 445, 460, 482, 483 f.,
651, 797, 811, 854
s. a. Hirtenrecht; ehrliches Be-
erflbnis; Zunftfllhigkeit
Schfiferhochzeit 541 Anm.
Schäferhunde 897
Schäfertag in Markgröningen
422 Anm.
SchäferzOnfte 421, (422 Anm.), 445,
811. 902 f. Anm.
Schafe, Anteil der Schäfer 651
Schafzählen, Betrug dabei 894
Schandpfahl 98, 157, 531, 569, 581,
582, 586, 775, 779, 781, 805
Scheidhirten s. Hirten, besondere
Scherztage 500
Schlafkam mem, getrennte für
Knechte und Mägde 181, 232,
584—586
s. a. Sittlichkeit; Wohnung
Schleiergeld 654 Anm.
Schlenderzeit 498 f.
Schlenklzeit 498 f.
SchlOssel, Verbot der Anfertigung
fOrs Gesinde 554 Anm., 570, 586,
(603)
Schneidertaxe 610
SchrifUichkeit der Kündigung 749
Anm.
SchrifUichkeit des Vertrags 95,
141, 419, 420
Schuhpreise 642
- 922 -
S
SchuldbegrQndung durchs Gesinde
für die Herrschaft 87 f., 128 f., 187,
188, 276, 884--286, 666, 579f., 684
s. a. Vertretung
Schulwesen 107, 166—167, 266,
891, 680, 671, 68&--608
s. a. Erziehung; Lehrer; Kinder-
lehre
Schultheiß 248 f.
Schutzgeld der Juden 274 f.
Schwabenspiegel 12-14, 20 f., 248,
267, 270, 292 Anm., 808. 812,
868, 669, 674, 828, 891 f., 897
Anm.
Schwangerschaft der Mägde 126,
141, 146, 167, 160 f., 293 f., 608,
638 Anm., 700, 828, 882
s. a. Sittlichkeit
Schweinehirten 21, 868, 421, 890,
894
s. a. Hirtenrecht
Seuchenbestimmungen ftkr Hirten
440
Sittlichkeit des Gesindes 14, 181,
192,-194, 218, 282, 288 f., 264,
268, 582—587, 766
s.a. Schlafkammern; Schwanger*
Schaft; Volksbräuche
Sitz des Gesindes in der Kirche
807
Soldaten, Umgang mit Mflgden
686 f.
8. a. Militärdienst
Sonderhirten s. Hirten, besondere
Sonnenfmstemis, Viehtreiben ver-
boten 900
Sonntag; Sonntagsarbeit 67, 78,
79, 122, 126, lÄ, 174, 177, 199,
204, 281, 282, 288, 290, 600,
518—526, 900
Sozialdemokratie 167, 818
Spielen 181, 186, 627, 681, 608,
886
Spinnstuben 188, 269, 628, 688 f.
Spitale,Unterbringung alterDienst-
boten 788-785
Spitalforderungen im Konkurs 761
Spitalgesinde 214, 287, 602, 604,
668, 676
Sprichworte 277 Anm., 601, 652,
688
Stadtknecht 18, 21
Stadtrecht, Anteil des Gesindes
daran 318
Stadtrechte, hessische 18 — 22
Stadtrechte sonstige, s. die «l*
zelnen Städte (unten 2)
Städtisches Gesinde 244 f.
Stallftltterung 898
Standesunterschied, seine Beto-
nung 267, 819-321
Statist des Gesindewesens i&k
162, 828 f., 346
Stellvertretung s. Vertretung
Steuern des Gesindes (Subjekt-
Steuern) 86, 87, 189 196, 204,
214, 270—274, 815—318, 3b8
Anm.
Steuern des Gesindes (Objekt-
steuern) 818 Anm.
Steuern des Gesindes, gleiche Er-
mäßigung wie die der Herr-
schaft 816—818
Steuern der Müßiggänger 61, 74 f^
102 f., 110, 111, 118, 185, 841 f^
846, 846, 847, 848, 849, 360, 851
368, 866, 869, 362
Steuern s.a,Abgaben; Grundsteuer;
Haftung; Kopfsteuer; Schutz-
geld; Tflrkensteuer
Strafgewalt, herrschaftliche 529 f..
654 f., 671 f.
s. a. 2üchtigungsrecht
Straf- und privatrechtUches Ge-
sinderecht geeenQber dem ver-
waltungsrechuich - polizeilichen
88 f., 176
Strafrechtliche Gleichstellung von
Herrschaft und Gesinde 81 1—313
Strafrecht s. Ehrlichkeit, Pflicht zur
Straßenraub am Pfarrffesinde IS,
812
Straßenreinigung 266
Stricken der Schäfer 897
StrickhOten 898.
Tabak s. Rauchen
Tag des Dienstantritts s. 21iehzeit
Tag der Lohnzahlung s. Lohn,
Wahltag
Tagelohn ; Tagelöhner 18. 20, 86 1;
S, 89, 40, 41, 46, 47, 4S, 52, 63,
66, 71, 72, 78-80, 98, 1», 110,
128, 181, 177, 183, 189, IM» 207.
— 923 -
218, 229, 288, 247, 248, 258, 327,
831 f., 888, 840, 841, 843, 844,
346, 860, 851, 857, 365 f., 870,
371, 372, 378, 878, 886, 438, 495,
515, 524, 580, 545, 546, 559, 603,
611, 618, 618, 626, 686, 644, 647,
661, 664, 697, 707, 716 f., 765,
796, 808 f., 810, 876
Fageszeit der Viehbütung 900 f.
ranzen 220, 291, 375, m, 527 f.,
537—542, 603
Tarife s. Lohn, Taxen
Taufe s. Familienfeiern
Taxe s. Lohn, Taxen; Mietgeld,
Taxen; Preistaxen
Teetrinken, dem Gesinde verboten
663 f.
Teilnahme Dritter an Gesinde-
delikten s. Ehrlichkeit, Pflicht zur
Testament, altes 32 f
s. a. Bibel
Thamesbeutelbetrug 568
Theresianische peinliche Halsge-
richtsordnung 578
Tierschaden 5, 12, 179, 265, 882
Tod des Gesindes 8 f., 12, 894,
757 f.
Tod der Herrschaft 7 f , 12, 598
Anm., 595, 750, 758 f., 871, 908
s. a. Dreißigster
Todesstrafe 67, 97, 157, 557, 558,
560, 561, 564, 567, 568, 570, 571,
572, 578, 674, 576, 577, 578, 579,
581, 584 Anm., 586, 680, 806,
809, 854
Töppestag 500
Tötung des Gesindes durch die
Herrschaft s. Zflchtigungsrecht
Trauungssteuer 710 Anm.
Triftgeld; Trifthftmmel 894
Trinkgeld s. Geschenke
Türkensteucr 87, 195, 272, 818 Anm.
s. a. Steuern.
Tchtwerk 517
Unbegleidetes Judengesinde 394
Unfreies Gesinde 14, 15, 248, 819
Anm., 867, 449, 596, 606, 672
Anm., 781
UnterstQtzungswohnshz 785
Untreue s. Ehrlichkeit, Pflicht zur
Universität Marburg 151 Anm.,
305 Anm., 413, 761.
Teräu^erungvon Herrengut durch
das Gesinde 876—879, 559
s. a. Vertretung
Verantwortung s. Haftung
Verbannung s. Ausweisung
Verbot der Gesindehaltung 887 f.,
720
Verbot, dem Gesinde Sachen ab-
zukaufen 284, 878 f., 554 Anm.,
560
Verfügung des Gesindes Ober For-
derung des Herrn 878, 555
s. a. Vertretung
Verhalten, allgemeines, des Ge-
sindes 95, 140, 155, 156 f., 221,
222, 232, 258, 436 f., 586—547,
681, 906—908
Verheiratetes Judengesinde ver-
boten 395
s. a. Heirat: Jud^gesinde
Verheiratete MOllerknechte ver-
boten 886
s. a. Heirat; MOllerknechte
Verheiratung des Hofgesindes mit
BOrgertöchtern 908 f.
Verjährung der Lohnforderung
186, 148, 606 Anm.
Verlesung, öffentliche, der Ge-
sindeordnungen 66, 68, 70, 107,
429, 568, 569, 571, 576, 577,
692 f , 908
Verlust von Herrengut durchs Ge-
sinde 276, 880 f.
s. a. Vertretung
Vermietung auf ewig 480 Anm.
Vermietung auf unbestimmte Zeit
480 Anm., 516
Vermittlung s. Mäkler
Vermögens- und Erbschaftsein-
ziehung 82 f., 365, 368, 869, 870,
371, 372, 878, 374
Veröffentlichung von Gesinde-
delikten 157, 799
s. a. Schandpfahl; Zeitungen
Verpflichtung des Hausherrn durch
seine Angehörigen 276, 285
s. a. Vertretung
Verschulden, Haftung des Herrn
258 Anm.
924
Versicherung gegen Feuer 274
Anm.
Verspielen von Herrengut durchs
Gesinde 5 f., 12, 277 f.
s. a. Vertretung
Verspottung Andersgläubiger
durchs Gesinde 291
Vertragsbruch des Gesindes 10,
12 f., 18, 22 f., 24 f., 86 f., 44, 63,
98, 109, 118, 119, 121, 129—131,
182, 142, 145, 168 f., 165, 168 f.,
171, 175, 176, 178, 179, 182, 185,
186, 187, 188, 190, 191, 193, 194,
196, 197, 201, 205, 209, 211, 212,
213, 214, 215, 216, 217, 221, 226,
228, 229, 280. 233, 284, 235, 257
Anm., 328, 351, 374, 375, 402,
405, 406, 408, 409, 432, 439, 441,
479, 492, 518, 561, 661, 683, 738 f.,
747, 766—806, 814-^16, 817, 828,
824, 827, 828, 880, 833, 834, 887
Anm., 838, 839, 841, 843, 844,
851, 860 f., 861 f., 863, 865, 866,
867, 868, 869, 870, 873, 878, 880
Vertragsbruch der Herrschaft 10,
12f., 18, 22 f., 24f., 113, 119, 180f.,
132, 156, 175, 179, 185, 187, 190,
214, 215, 280, 234, 257 Anm.,
665 f., 682, 766 f., 772, 793, 800,
814-882
Vertra^natur des Gesindever-
h<nisses s. Vertragstheorie
Vertragsschluß 187, 198, 201, 202,
209, 405, 414—448
s. a. Mietgeld; SchrifUichkeit
Vertragstheorie (59), 68, 90, 93,
100, 821 f., 805
Vertretung des Gesindes vor Ge-
richt durch den Herrn 240, 802
—804
Vertretung des Herrn durchs
Gesinde 5 f., 12, 16 f., 123 f., 186,
143, 179, 185, 187, 188, 194, 234,
257, 275—289, 815
s. a. Verbot, dem Gesinde Sachen
abzukaufen
Vertretung des Herrn vor Gericht
3Q( Anm.
Verwaltungsrechtlich-polizeiiiches
Gesinderecht gegenüber dem
privat- und strafrechtlichen 38 f.,
175
Verwandtschaft der Gesindege-
setze untereinander 236 f.
Viehhaltung s. Naturallohn
Viehpreise 53, 642
Vögte 248 f.
Volksbräuche 232, 529, 537— U2
Volkszählungen 324
s. a. Statistik
Vormiete 210, 212, 217, 385-^337
s. a. Zwangsdienst
Vormundschaft , Uebemahme
durch den Knecht 9, 12, 750, TSl
Vorrecht der bisherigen Dienst-
herrschaft auf die weiteres
Dienste des Gesindes 190, 446
Anm., 465—469, 479 Anm.
Vorzeitige Dienstbeendigung T3B,
760—766
s. a. Heirat; Kloster; Konkurs;
Krankheit; Militärdienst; Tod;
Vertragsbruch.
Waffenanwendung bei derZacb-
tigung s. ZQchtigungsrecht
Wa&eljahre 829
Waisenkinder s. Armenwesen;
BeUeUdnder
Wanderungen s. Auswärts dieoco
Warentazen s. Preistaxen
Wegebaudienst der Hirten 901 f.
Wehnenheller 890
Weihnachtsgeld 652 f.
s. a. Geschenke
Wein s. Haustrunk
Weinkauf 22, 416, 418, 419, 4S.
424, 427, 445, 446
s. a. Mietgeld
WeistOmer, hessische 22 — ^27
Werbungen s. Militärdienst
Werkvertrag 421, 796
Wichfastengeld 653
Wiedertäuferisches Gesinde ver-
boten 392
Wildem der Schäfer 895
Wildschutzbestimmungen für Hir-
ten 440, 895
Wirte s. Gastwirte
Wirtsgesinde 14, 142, 145 f., 152
Wissen des Herrn um Taten des
Gesindes, Haftung 261—263
Wohlfahrtseinrichtungen 887 Anm.
Wohnsitz des Gesindes 186
— 926 —
/ohnnng des Gesindes 868 Anm.,
666y 609 f.
s. a. Schlaf kammem
Wollhandel 895, 897
S/^CIstungen 344.
lahl des Gesindes beschr&nkt
386, 892—894
IsLun, auf eigenen Z. gehen 868
:ehntrecht 282, 514, 514 Anm.,
592 f., 686, 687
^eit, bestimmte, als Kennzeichen
des Gesindeverhftltnisses 25 —
27, 428 f., 768 f.
^eit, Iflns^ere, als Kennzeichen des
Gesindeverhältnisses 247, 254
Zeitungen 72, 157, 349, 408 f., 409,
586, 787
Zeuge, Gesinde als 186, 288, 298 f..
d09
Zeugen beim Vertragsschluia 424,
Zeugen, M&kler als 405
Zeugnis 86 f., 88, 44, 61, 66, 75,
95, 109, 112, 115, 118, 137, 140 f.,
144, 146, 147, 150—152, 156, I60f.,
168 f., 171, 174, 180, 183, 187 f.,
194, 195, 196, 198, 204, 211, 212,
221, 285, 264, 878, 407, 408, 412,
496, 581, 599, 602, 701, 734, 769,
780, 786, 789, 798, 829, 885, 857
und zwar
Zeugnis wider Vertragsbruch 858,
860, 861, 862, 868, 864, 865, 866,
867, 868, 869, 870, 878, 876, 880,
881 f.
Zeugnis Ober Verhalten 858, 862,
864, 865, 866, 867, 868, 869, 870,
871, 872, 878, 874, 875, 876, 877 f.,
880, 881 f.
Zeugnis, behördliches s. a. Be-
amte
Zeugnis, unwahres 859, 867, 870,
872, 873, 875, 877
Zeugnis über Freiheit von Zwangs-
diensten 881
Zeugnisbuch s. Gesindebuch
Ziehzeit 73-75, 88, 99, 112 f., 115,
117, 132, 148, 184, 197, 198, 208,
223, 227, 228, 327 f., 444, 478—
497, 784, 885, 888, 862, 889, 902
Zimmervermieter 142
Zinsen des Lohns im Konkurs 762
Zubringerin 405, 867
s. a. Mäkler
Zuchthaus in MOnchen 219, 580 f.
Zflchtigungsrecht 15 f., 31, 84, 62,
65, 77, 98, 121, 214, 671-681,
802
ZOnfte 609
s. a. Schftferzflnfte
Zufall, Haftung fOr 258 Anm.
Zunftf^higkeit der Schäfer 902
Zustimmung des Herrn zur Ver-
tragslösung 896
Zwangsbeiträge zu Krankenkassen
709 f., 710, 716 f., 718—721, 728
-731
Zwangsdienst 29-81, 89—91, 98,
100, 102 f., 120, 185, 177, 189,
190, 193, 198, 201 f., 211, 220,
306 Anm., 824-887, 860—864,
370, 375, 582, 646, 681, 755, 881,
910.
2. Geographisches Register.
Aachen 195, 198 Anm., 617
Abterode (Hessen) 74
AbtsgemOnd 282, 515
Adelebsen 178
Adelberg (WOrtt.) 285
Adelmannsfelden (Wflrtt) 282,260,
488 f., 585 f., 589 Anm.
Adelsheim (WOrtt.) 228 f., 378, 488,
589, 797, 881, 855
Adelsheim (Benningsens fingiertes
Gut) 326 Anm.
Allendorf a. d. Werra 41, 65, 74,
721
Alsfeld 87
Altenburg (Sachsen-) 186 f., 189,
297, 831, 847 f., 869 f., 411, 417,
427, 485, 456, 463, 468, 472, 496,
499, 518, 542, 560, 562, 578 f.
— 926 —
597, 614, 629, 689, 645 f., 651,
654 Anm., 699, 744, 747, 748,
754, 769, 779, 801, 819 f., 840,
866, 868, 869, 872, 910
Altenglan (Pfalz) 882, 292, 296
Altenhaslau (Hessen) 892
AltenmOnster (Kloster in Mainz)
804, 278, 817 f.
Alzey (Hessen-D.) 707
Ambere 207, 820, 498 f., 876
s. a. Oberptalz
Amerika 167, 619
Amöneburg 80, 364 f., 614 f.
Amorbach 885, 437, 441, 509, 539 f.,
680, 675, 696, 751, 855
Ansbach 207, 212, 286, 424 f., 428,
468, 506 f., 508, 584, 600, 605,
648, 666, 688, 701 f., 747, 827, 875
s. a. Brandenburg, frflnkisch
Apenrade 171
Arnsberg 194, 297, 868
Aschaffenburg 91, 98, 122, 147-
149, 809, 822, 680, 649 f., 691, 786
Augsburg 85 f., 88 f., 815, 277, 299 f.,
800 Anm., 802, 808, 812, 857,
377, 487, 588. 656 f., 708, 793, 828
Aurach (Württ.) 285.
Baden 208, 888—889 (bes. 226—
228), 286, 831 f., 358 f., 885 f., 895 f.,
412, 418 Anm., 420, 428, 481, 458,
474, 478, 486, 509, 561, 586, 602 C,
605, 631, 686, 649, 680, 684 f.,
702, 729 Anm., 746, 758 f., 797—
799, 802 f., 881 f., 856, 876 f.
Badenweiler 885 f.
Bamberg 207, 208, 809 f., 380, 856,
874, 884 f., 408, 409, 415, 458 f.,
468 f., 489, 548, 555 f., 619, 680,
687 f., 654 Anm., 704 f., 708 Anm.,
722 —728 [Krankenfarsorge], 780,
781, 744, 753, 791, 802, 803, 826,
851, 867 f.
Bayern 806-888 (bes. 216—220),
291, 802 Anm., 804, 824, 327—
880, 835, 855-858, 878-375,
388 f., 890 f., 402, 408 f., 416, 420,
427 f., 481, 485, 445, 448, 450-
452, 458 f., 466 f., 473, 487-490,
497 Anm., 49811, 506, 508, 513,
515 Anm., 525, 584 f., 538, 588 f.,
599, 600, 607, 611, 612 Anm.,
615, 616, 680, 638—685, 637 £,
648, 652, 654 Anm., 662, 671,
692 f., 695 Anm., 702, 728f., 734u
786 f., 741, 743, 747, 748, 75i
755, 770, 794 f.. 802, 818, 82S,
853 f., 864, 875 f., 879
s. a. die Einzelterritorien
Bayreuth 856, 420, 489 f., 869£
s. a. Brandenburg, fränkisdi
Beilstein (Nassau) 200, 630, 785, 845
Beislingen (Baden) 228
Belgien s. Flandern
Bentheim l^f., 418, 788, 841
Bergen (Hessen) 117, 483
Berka (Thür.) 190
Berlin 96, 610, 681, 719
Bersenbrück (Hannover) 177
Biberach 889, 360, 487, 588, 6S1,
688, 732, 754, 795 f., 854 f.
Biburg (Bayern) 327 f., 488
Bielefeld 192, 279, 297, 416, 461
467
Billwärder 173, 518, 529, 598f., 607.
672
Bingen 279
Birstein 132 f., 262
s. a. Isenbure
Bischhausen (Hessen) 74
Blankenburg (ThQr.) 190, 287, 296,
350, 777, 889
Blaubeuren 889, 502
Bockenheim 395, 714—717
Böhmen 268, 770, 880
Bönnigheim (Württ.) 880, 558
Bonndorf (Baden) 888, 681
Bordesholm 178, 292, 476, 772
Bornheim (bei Frankfurt a. M.) 892
Botwar (WOrtt.) 880, 438, 598, 58S,
760, 795, 829
Bovenden(Hannov., frOherHessen)
74, 76
Brandenburg (Preußen) 89, 3i6f.,
328 Anm., 363, 442, 474, 610,
516, 667, 680 f., 685, 708 f., 749
Anm., 804 f., 882, 856, 879 f.
s. a. Preußen
Brandenburg (frdnkisch) 907, 209,
811—818, 286, 329f., 8^6, 398.
409 f., 420, 424 f., 428, 451 f., 459,
468, 489 f., 506 f., 508, 588, 6e0f^
572, 584, 599, 600, 605, 680, 638.
648, 654 Anm., 666, 679, W,
— 927 ~
701 f., 744, 745, 747, 791 f., 802,
827 f., 861 f., 863 f., 865, 869 f., 875
Braunfeb s. Solms
Braunschweig 176, 181-183, 258 f.,
271, 296, m{., 814 f., 360, 870,
462 f., 466, 494, 514, 521, 595 f.,
610, 629, 661, 659 f., 664, 781 f.,
775 f., 816 Anm., 818f., 860, 871 f.
s. a. Braunschweig -Lüneburg;
Hannover
Braunschweig -Lüneburg 59—64,
176, 287 f., 289, 290, 850 f., 464,
521 f., 682 f., 639, 818
s. a. Braunschweig; Hannover;
Kaienberg; Lüneburg
Breidenbacher Grund 269
Breisgau s. Freiburg
Bremen 172 f., 174, 175, 284, 311,
320, 442. 447, 457, 595 f.. 674 f.,
772, 778, 816, 817
Breslau 405 f., 857
Brigachtal (Baden) 224
Brilon 313
Brotterode 74, 81
Bruchsal 225, 814, 440
Buchen (Baden) 225, 630
Büdingen 910
s. a. Isenburg
Bühlertann (Württ.) 281, 818 f., 523
Bühlerzell (Württ.) 281, 523
Bürgel (Thür.) 189
Burghausen (Bayern) 218, 219, 408,
4^
Buttelstedt (Thür.) 189
Buttstedt (Thür.) 189, 275, 514
Cappelen (Hannover) 177
Cassel 19, 41, 42, 43, 45, 46, 48,
52, 53, 59, 71, 72, 74, 126, 137,
139, 147, 149, 154, 158, 160, 161,
162, 266, 300 f., 305, 321 Anm.,
387 f., 389 f., 408 f., 418, 484, 574,
607, 609, 620, 623, 628, 642, 688,
710-712 [Charit^], 717—721
[Krankenkasse], 737, 749, 762,
763, 888, 888, 889 Anm., 899, 908f.
•Celle 179, 266, 445, 456, 514 f.,
521 f., 595 f., 597, 732, 837
Cleve 194 f., 249 Anm., 285 f., 293,
302, 834, 844 f., 365 f., 406—408,
416 f., 419, 426 f., 482, 455, 461,
491 f., 609 f., 511 f., 589, 582 f..
585, 600, 602, 604 f., 629, 632,
647, 649, 651, 654 Anm., 661 f.,
666, 700, 744, 746, 765, 769, 770,
782 f., 801, 812 f., 820—828, 842,
864 f., 873, 881.
Darmstadt s. Hessen-Darmstadt
Deckendorf (Württ.) 234 f.
Deedesdorf (Oldenburg) 683 f., 754
Detmold s. Lippe-Detmold
Deutschordensgebiet (Baden) 285,
438, 503 f.
Deutschordensgebiet (Hessen) 245,
335, 380, 389, 398 f., 654 f., 786 f.
Anm.
Deutschordensgebiet(Ostpreußen)
249 Anm., 363 f., 442 f., 474, 510,
532, 612 Anm., 614, 681, 708,
739, 805, 832, 856
Deutschordensgebiet (Württem-
berg) 669 Anm.
Dewangen (Württ) 233
Dinkelsbühl 213, 357, 451, 477 f..
561, 698 f., 743, 794, 852
Dischingen (Württ.) 231
Dithmarschen 172, 656 f., 559 f.,
771 Anm.
Dortmund 194, 320, 441, 537, 782
Drenth 178, 263
Dresden 418 Anm., 719
Duderstadt 178, 316 Anm., 455 f.,
468, 494, 637, 776, 819
Düsseldorf 196, 294, 419, 434 f.,
442, 461 f., 492 f , 497 Anm., 610,
616, 585, 647, 654 Anm., 663.,
680, 684, 701, 748, 783, 865, 879
Durlach 224 f., 226, 227, 359, 376 f,
411 f., 413 Anm., 649, 702.
Ebersberg (Württ.) 280
Eberswalde 610
Edenkoben (Pfalz) 222
Eichsfeld s. Erfurt; Mainz
Eichstätt 214, 291, 294, 367, 409,
488, 709, 747. 753, 764—766, 792,
852
Eiderstadt 171, 448, 476, 559 f.
Eikel a. d. Lenne 192
Einbeck 178, 297, 468
Einersheim (Franken) 218, 769,
792, 851
— 928 —
Eisenach 118, 188, 282, 818 Anm.,
349, 369, 877, 404, 495, 679, 645,
679, 687, 699, 748 f., 755, 778,
830, 840, 872
Eisenberg (Thür.) 189, 297
Elberfeld HO
Elbersdorf (Hessen) 108
Elchingen (Wflrtt.) 881, 859, 528
Elsaß 374
Emsig (Fnesland) 178, 696
England 318 Anm.
Eppingen (Baden) 225
Epstein 910
Erfurt 118, 186 f., 209, 645, 661,
679, 685, 777, 820, 839
Eschwege 18 f., 41, 74, 75, 164,
642 7l9 f.
Essingen (WOrtt.) 888, 488, 489
Anm., 522, 523 Anm.
Eßlingen 284 f.
Fechenheim 717
Fehmarn 772
Felsberg (Hessen) 801
Flandern 258 Anm., 286 Anm.,
860 Anm., 419 Anm., 475 Anm.,
478 Anm., 500 Anm., 546 Anm.,
587 Anm., 685 Anm., 704 Anm.,
746 Anm., 806 Anm., 832 Anm.
Flensburg 171 f., 298, 878, 496 f.,
610 772
Fränkischer Kreis 807, 208, 209,
855, 487. 488 f., 630, 789, 790,
827, 848, 868
Franken, 6 Ort in 818, 486 f., 868
Franken im Qbrigen s. die Einzel-
territorien
Frankenberg (Hessen) 80—88, 890,
898f.
Frankenhausen 185 f., 859, 279
Anm., 809, 849 f., 416, 495, 518 f.,
559, 776, 801. 888f.
Frankfurt a. M. (89), 151 Anm.,
806, 274f., 279, 854, 888, 898,
401, 418, 546 Anm., 610, 630,
719, 790, 879, 898
Frankfurt, Großherzogtum 117,
148, 147-149, 158, 15^ 209, 228,
714 787
Frankreich 585,587 Anm.,605f.,612
Anm., 685 Anm., 806 Anm., 879
s. a. französische Zeit (oben li;
Großherzo^um Frazikftirt; Kö-
nigreich Westfalen
Frauenhausen (Baden) 228
Freiburg im Breisgau 85, 283, 229,
288, 315, 359, 42^, 478, 486, 5(.<,
509, 544, 578, 605, 649, 721, 73S,
785, 747, 797, 799, 881 f., 855, 87t;
Freien, die sieben, in Westfalen
194, 462
Freising 816, 277, 280, 282, odö.
798 f., 803, 828
s. a. Ruprecht (oben 1)
Freyberg (Sachsen) 595
Friedberg (Hessen-D.) 808, 304 u
812 f., 313, 315 f., 317, 354, 373,
629, 662. 789, 847, 868, 910
Friedberg (Bayern) 818, 358 Annu
630
FriedrichsUdt 171, 810, 448, 476.
696 Anm., 751, 778, 816, 836
Friesland 178 f., 262 f., 268 f., 267.
294 Anm., 295, 869, 466, 588, 696
Fritzlar 49, 162, 167
Frohnhausen (Hessen) 787 Ann.
Fulda 118, 186-138, 147, 148:;
266, 279, 285, 289, 806, 365, 891 U
898, 894, 400, 413 Anm., 417.
454, 485, 511 f., 519, 588 Anm.,
585, 541, 545 f., 585 f., 638, 639.
643, 655 f., 664f., 678, 712f., 7631;
788, 801 f., 826, 847, 890 f., 8Ä
893, 898 Anm., 900, 901
s. a. Hessen(-Cassel) 1816.
Oarding 171, 358
Gedem 808, 854f., 873, 460 f., 472,
477, 490f., 629, 688f:, 744, 824,
847
Gelnhausen 117, 181 f., 147,401,
618, 673, 788, 846f.
Gera 189
Germerode (Hessen) 74, 78, 79
Geseke 781, 841, 910
Gilsa 109
Gleißweiler (Pfalz) 828
Göppingen 285 I
Götangen 178, 266, 895, 870f.,417L
444, 447 f., 470, 614, 774f., 837£
Goslar 177, 859, 268, 867, 870, S81 f^
808 f., 811, 815, 594, 595fn 651
Anm., 660 Anm., 756 f., 773 f, 817
— 929 —
Oo&felden (Hessen) 898 f.
Gotha 118, 186 f., 189, 267, 296,
310, 812, 848, 495, 542. 562, 748,
764, 776, 819f., 840, 869
Gravenstein (Baden) 227
Grebenstein (Hessen) 41
GreufieniThflr.) 190, 309, 416, 777,
801
Großauheim (Hessen) 158
Großkrotzenburg (Hessen) 158
Gudensberg (Hessen) 78, 84, 482
643
Gutenburg (Baden) 228, 486, 681,
638, 748, 758 f, 798, 856.
[aarheim (Hessen) 899 Anm.
Hadeln 175, 268, 267, 852, 871,
418, 448, 468, 496, 497 Anm.,
559, 570 Anm.» 619, 629, 639 f.,
696 Anm., 743 f., 774, 817, 886 f.,
862
Hahnbach (Oberpfalz) 218, 459,
792 851
Halberstadt 87, 94, 138 f., 183, 818
Anm., 580, 665, 755
Hamburg 172 f., 175, 284, 311, 447,
470, 496, 548 Anm., 595 f., 610,
674, 719, 757, 816
Hanau 64, 84, 98, 117, 121—126,
147, 149, 151 f., 157 f., 159. 168,
206, 265, 284, 285, 298, 805, 393
Anm., 395, 400 f., 418 f., 458.
456, 460, 468, 511, 519, 567, 648,
698, 714 f., 717, 737 f., 787, 811,
825, 846, 870 f., 904, 910
insbesondere
Gesindeordnung von 1748 64, 84.
184—126, 206, 458, (456), 460,
468, 511, 567. 643, 698, 787, 811,
"• 825, 846, 870 f.
Hannover 174-181, 191, 236, 244,
245, 802 Anm , 812, 815, 324,
362, 870 f., 893f 895, 484, 456,
464, 468, 496, 509 f., 511, 521 f..
543 Anm., 561, 567—571 1 Straf-
recht 18. Jhdts.], 575, 577, 599 f.,
640 f., 644, 650, 719, 732, 735,
745 f., 778-775 [Vertragsbruch],
810 £, 817 f., 887 f., 869, 870 f.
insbesondere
Gesindeordnung von 1732 59—64,
125, 152, 181, 191, 286, 268, 845,
Konnecke.
352, 484, 456, 464, 468, 496, 511,
569, 575, 599 f., 640 f., 650, 782,
746, 775, 810 f., 818, 888, 869,
870 f.
s. a. Braunschweig -Lüneburg;
Kaienberg; Lüneburg; die Ein-
zelterritorien
Hardt 222, 283 f.
s. a. Maikammer
Harz 177, 350, 462, 466, 614, 687,
775 f., 858, 860
Haßloch (Pfalz) 222, 598
Hebenshausen (Hessen) 422
Heidelberg 222, 225, 816 Anm.,
440, 618, 707, 741, 798, 808, 881,
855
Heimbressen (Hessen) 110
Heitersheim (Baden) 228, 488
Heimarshausen (Hessen) 74, 643
Helmstedt 188
Henneber^ 190, 448, 778, 819 f.
Heppenheim 205, 592
Herlikofen (Württ.) 233
Hermanrode (Hessen) 421
Herrenbrcitungen 24 — 27, 74 f.,
81, 674, 845
Hersfcld 40, 45, 57, 71, 74 f., 298,
519, 898 Anm*, 900, 901
Hessen(-Cassel) 3—169, 286, 241,
244, 247, 248 f., 262, 265, 266,
269, 272, 274 f., 275, 282, 285,
286, 288 f., 298, 298, 800 f., 805 f.,
806 f., 317, 821 f., 384, 888—848,
864 f., 878, 879—888, 886, 887,
389 f., 893, 394 f., 897 f., 398—401,
412, 419, 421 f, 424, 428, 432
Anm., 488 f , 437, 440, 442, 443,
458 f., 456, 460, 469 Anm., 474,
476 f., 480—485, 499 f., 507 f.,
511 f., 517 f., 518 f., 524, 588 f.,
541, 544—546, 568—567, 570,
578—577, 580—582, 591 f., 600.
603, 605 f., 612 Anm., 617 f., 620
—628 [Taxwesen 17. Jhdts.], 686,
638 f, 641—644 [Taxwesen 18*
Jhdts.], 651, 654 Anm., 655, 661
Anm., 664, 665 f., 679 f., 682,
685—687 [Schulwesen], 687 f.,
697 Anm., 698 f., 710—721 [Kran-
kenförsorge], 782 f., 737 f., 741 f..
746, 755 r, 760—764 [Lohn im
Konkurs], 769, 785-788 [Ver-
59
— 930 —
tragsbruch], 800,801 f., 804, 807 f.,
811, 812, 8U, 825 f., 845 f., 863,
870 f., 878 f., 877 Anm., 879, 882
-888 [Müllerknechte], 88^-902
[Hirten], 908-909[Hofrecht],910
Hessen femer insbesondere:
Stadtrechte 18—22
WeistOmer 32-27
Landesgesetzgebung 3 — 169
Nebenländer 1 17 - 184
Gesindeordnung von 1786 59—66,
94, 97, 99, 100, 102, 110, 112,
121, 126, 191, 288, 341 f., 434,
463 f., 460, 476 f., 482, 607, 511,
663—667, 576, 600, 641, 746, 786 f.,
811, 825, 846, 870
Gesindeordnung von 1748 s. Hanau
Gesindekriminalordnung von 1762
66—68, 97, 100, 115, 678-677,
680 f.
Verordnung von 1785 87 f., 97,
286, 580
Gesindeordnung von 1797 67, 89
—100, 102, 106, 116, 154-157,
342, 428, 468 f., 460, 476 f., 482 f.,
507, 611 f., 576 f., 680-682, 686.
665 f.. 680, 746, 766 f., 787, 826,
846, 874
Gesindeordnung von 1801 66, 104
—116, 245, 288, 342, 468 f., 460,
476 f., 483, 507, 611, 676, 582,
586 f., 666, 746, 765 f.. 769, 787,
826, 846, 874, 889
Gesindeordnung von 1816 84 f.,
182 Anm., 152-157, 158, 342,
453 f., 460, 476 f., 607 f., 611 f.,
586 f., 666 f., 788, 826
s. a. die einzelnen Orte; Nieder-
hessen; Oberhessen; König-
reich Westfalen; Grofeherzog-
tum Frankfurt; die Nebenländer
Hessen(-Darmstadt) 86 f., 182, 202
—206. 207, 268, 364 f., 364, 372 f,
389, 401, 410, 439, 564, 630, 632,
788 f., 844, 847 f., 892 Anm., 903
Anm.
Heuchlingen (Württ.) 438, 523
s. a. Rechberij
Hiidesheim 177, 183, 300 Anm.,
447, 776 f., 860
Hillesheim (Rheinland) 814
Himbergen (Hannover) 176
Himmlingen (Wflrtt) 232, 310 ü
Hofgeismar 160 f., 163 f., 483
Hofheim (Franken) 213, 314
Hohenalfingen (WQrtt) 281
Hohenstatt (WürtL) 232, 260, 261.
292, 332, 360, 375, 384, 438, 51i,
623, 635 f., 558 Anm., 664
Hohenzollem 428, 444
Holland 110, 191, 318 Anm., 366 f^
368, 369, 686 Anm., 704 Anm.,
746 Anm., 806 Anm.
s. a. Flandern
Holstein 171 f., 247, 868, 871, 457,
476, 497, 644, 683, "^If., 771.
772 f., 801, 804, 871
Homberg (Hessen) 41, 161 f., 167
Horb (Württ.) 229, 594
Husum 171, 448, 476, 559 f.
Huttenscher Grund (Hessen) 15S.
Idstein 201 f., 333, 785, 845
Iggingen (Württ.) 283, 515
lim 190, 494 f.
Immenhausen (Hessen) 909
Isenburg 118, 132—184, 157 f^ 249
Anm., 262, 279, 282, 377 f., Jtöö.
519, 641, 677, 643 f., 788, 847,
888 Anm., 889 Anm., 891, 8»
Anm., 896, 898 Anm., 901, 910.
Jena 188, 275, 849, 375, 376 Anm..
463, 468, 495, 579, 645, 654 Anrr...
746, 777 f., 801, 840, 872, 877 f.
Jülich 195-197, 272, 291, 344, 378,
383, 406, 411 Anm., 419, 426,
442, 449, 468, 472, 493, 509 f.,
540 f., 616 f., 617, 647, 680, 684,
700 f., 721 f., 747, 754, 757 f^
758 f., 783 f., 785, 801, 802 f..
828 f., 843 f , 862, 866.
Kaienberg 179—181, 291, 351 f..
622, 683, 650, 707 f.
Kaltensundheim 22—27, 480, 592,
674
Kannstadt 234 f.
Karlsruhe 225, 649
Kassel s. Cassel
Katzenelnbogen 200 f, 203, 260,
264, 291, 297, 354, 872, 378, 439£,
460, 471, 620, 629, 682, 741, 785,
844 f., 866, 868
— 931
Kaufbeuem 215
Kaufungen s. Oberkaufungen
Kehdingen 175, 871, 629
Kempten 215, 782
Kiel 868
Killingen (WOrtt) 428
Kletgau 828, 858, 384, 452, 748,
754, 798, 855
Koburg 190, 207, 880 f., 467, 629,
778 f, 819 f., 889
Köln 85, 195 f, 197 f, 271, 279,
289, 291, 294, 296, 804, 883 f,
343 f., 865, 891, 394, 895, 402,
432, 484, 487, 461, 491, 520, 524,
539 f., 599, 610, 616 f., 617, 632,
647, 652, 655, 729 f., 744, 746 f.,
755, 769, 784 f., 801, 828, 842 f.,
861 f., 865
KönigsbrQck (Baden) 223 f., 429,
437, 485, 502, 508 f, 581 f, 603 f.,
797
Koesfeld 198, 867, 782
Kostheim (Main) 204, 205, 278, 317 f.
Kreuznach 200, 265, 279
Krotzingen 224, 305 Anm.
Kümach (Baden) 224, 810, 855
Kurhessen s. Hessen(-Cassel)
Kurmainz s. Mainz
Kurpfalz 207, 208, 222 f., 227, 358,
S'ft, 392, 486, 567 f., 572, 619,
661, 697 Anm., 706 f., 798, 808 f.,
831, 855, 864
Kursachsen 248, 326 f., 862, 870
Anm., 411, 412, 414, 586 f., 614,
668, 708, 737 Anm., 739, 765,
805, 903 Anm.
Kusel 222.
I^andau 881, 222, 490, 680, 746
Landshut 214, 217, 218, 357, 451,
468, 487, 502, 543 Anm., 615,
676, 709 f.
Langenlonsheim 200, 265, 279, 320
Anm.
Lauenburg 176, 181, 279, 464, 542,
559, 569 f., 604, 629, 675 f., 817 f.,
836
Lauterburg (Württ.) 282, 514
Leipzig 405 f., 418
Leonberg (Württ.) 234
Leutenberg (Thür.) 190, 674
Lichtenberg s. Altenglan
Undau 84 f., 544
Lingen 193
Lippe-Detmold 188 f., 846 f., 868 f.,
466, 493 f., 497 Anm., 517, 521,
542, 577 f, 629, 639, 646, 651,
662, 663 f., 664, 746, 755, 780,
810, 820, 841, 872 f.
Lippstadt 198, 528 Anm., 685 Anm.
Loen 193
Löwen (Belgien) 806 Anm.
Lorch (Württ) 235
Loshausen 245, 248, 402 f., 425 f.,
429 f., 432 Anm., 436, 443, 481,
593 Anm., 608, 624 f., 626—628,
686 f., 698 f , 757, 814, 881 f.
Lübeck 178 f , 175, 284, 811, 444,
447, 476, 554, 594 Anm., 595 f.,
610, 671, 674, 695, 696 Anm.,
751, 757, 771 f., 816, 886
Lüneburg 179 f., 290, 298, 295, 810,
812, 350, 464. 471, 495 f., 514
Anm., 541 f., 638, 639, 650, 742,
774, 818, 837, 860^ 862
s. a. Braunschweig -Lüneburg;
Hannover
Lützelwig (Hessen) 87, 88
Luneville 121.
Mähren 308, 804, 770
Magdala (Thür.) 190
Magdeburg 188, 548 Anm., 718, 719
Maikammer (Pfalz) 222
s. a. Hardt
Mainz 20 Anm., 118, 208 f., 806,
207, 226, 272 f, 274, 279, 288,
294, 305, 817 f., 318 Anm., 854,
364, 387, 892, 401( 519, 520, 572f.,
630, 770, 777, 789 f., 820, 839,
847, 848, 868, 874f.
Marburg 19 f., 40, 45, 54 f., 71, 74,
76, 126, 151, 164, 272, 413, 592,
610, 616, 652 Anm., 654 f., 761,
786, 888
s. a, Universität (oben 1)
Markgröningen (Württ.) 422 Anm.
Marsch 175, 371
Mecklenburg 578
Meerholz 182 f.
Meissen 546 Anm., 658 Anm.
Melstmgen 161 f
Memmingen 815, 291 f., 312, 487,
599 Anm., 678, 732, 852 f.
59»
— 932 —
Mengsberg (Hessen) 756
Mergentheim 121, 885, 673
Miltenberg 886, 817, 594 Anm.,
630, 706
Minden 193
Mockstadt (Hessen-D.) 808, 816
Möllenbeck (Hessen) 697 f.
Moringen 178, 871, 288, 441 Anm.,
775, 801, 803
Moselland 658 f.
Moselweis 800, 658 Anm.
Mahlhausen (Thflr.) 185 f., 267, 804,
850, 378 f., 448 f., 470, 495, 512 f.,
558 f., 562, 689, 664 Anm., 751 f.,
776 f., 819, 888
München 215, 816, 218, 219, 805
Anm., 816 Anm., 394, 404, 408, 420,
428, 481, 450, 471, 488, 530, 554,
589, 589 Anm., 591, 610, 660,
678, 719, 793 f., 828
Monden (Hannover) 598 Anm., 659
Monster 193, 261, 388 f., 345, 367,
889, 402, 417, 418, 445, 449, 455,
462, 472, 477, 498, 497 Anm.,
781, 820, 841
MOnzenberg 121.
Nassau 92, 800—808, 279, 286, 287,
289, 291, 382 f., 836, 358 f., 872,
878, 885, 401, 434, 454, 460, 472,
490, 497 Anm., 520, 562, 591,
614, 630, 635 Anm., 682, 741,
746, 785, 801, 812, 824, 844 f.,
879, 902 f. Anm., 910
Neckarsteinach 885, 438
Neisse 598
Nentershausen (Hessen) 109
Neresheim (WOrtt) 281
Neuburg (Pfalz) 880f., 409, 586, 619
Neuenstein (Hessen) 72, 74 f., 80,
87, 642
Neuffen 285
Neukirchen (Hessen) 72, 85 f., 110,
642 f.
Neumark (ThOr.) 189 f., 296
NeumOnster 178, 292, 772
Neunheim (WOrtt.) 831, 265
Neustadt (Pfalz) 881, 222, 490, 680,
745
Neuwied 199 520, 540
Niederaula (Hessen) 483
Niederhessen 48, 46, 50, 54, 484,
628 Anm., 711
Niedermeiser (Hessen) 168
Niedersftchsischer Kreis 170 f., 180,
862
Niedersachsen s. die Einzelterri-
torien
Nienburg 176
Nördlingen 218
Nordhausen 185, 277, 311 f., 350,
513, 556, 559, 776
Nordstrand 171, 696 Anm.
Norwegen 245, 289
Nürnberg 84, 207, 208, 810 f., Ui,
249 Anm., 855, 388 f., 405, 408
Anm., 423 Anm., 424, 428, 431,
451, 467 f., 470, 471, 489, 556.
557, 610, 618 f., 633 f., 636, 688,
648, 658 f. Anm., 659 Anm«, 67a,
679, 708, 784, 735, 740 f., 770,
792, 826 f., 848—851, 862, 867,
875, 877, 879
Nürtingen 285.
Oberbeerbach (Hessen -D.) 805,
425 Anm.
Oberhessen 45, 50, 484, 499, 626
Anm.
Oberkaufungen 50, 307
Oberkochen (WOrtt.) 881 f., 539
Anm.
Oberlausitz 326 f., 668, 881
Oberpfalz 218, 880, 856 f., 459, 690,
692, 798, 851, 864, 875 f.
Oberrodenbach (Hessen) 158
Obersdchsischer Kreis 171, 180, 862
Oberschneidheim (WQrtt.) 890,
265 f.
Oberweimar (Hessen) 787 Anm.
Oberzell 815, 794
Ochsenhausen (WOrtt.) 889, 794
Odenheim (Baden) 885, 314
Oesterreich 885, 329 f., 420, 428,
435, 452, 473, 487, 505 f., 508,
536, 584, 600, 601 Anm., 612
Anm., 648, 702, 748, 770, T99f.
802, 808, 832, 856, 866, 876, 877
s. a. Tirol
Oettingen 818, 393
Offenbach 644
Oldenbuig 119, 174, 307, 311. 3S0,
352 f., 442, 447, 496, 522, 595 f.,
— 933 ~
674 f., 683 f., 699, 786 f., 754, 758,
773, 817, 869
Onolzbach s. Ansbach
Oppenheim S05, 788 f.
Orb a08, 618, 847
Ordensland s. Deutschordensgebiet
Osnabrück 176 f., 352, 418, 435,
464 f., 473, 497 Anm., 509 f., 629,
644, 660 f., 664, 746, 756, 775,
818, 838
Ostdeutschland 28—81, 39, 45, 59,
64, 65, 170, 241, 324, 325—827
[Zwangsdienst] , 335, 360—364
[Zwangsdienst], 510, 577, 586 f.,
662, 666 f., 680 f., 702 f., 804—806,
879—881
s. a. Brandenburg; Deutsch-
ordensgebiet ; Karsachsen ;Ober-
lausitz; Pommern; Preußen;
Schlesien
Osterburken (Baden) 440
Osterode 177 f.. 776, 887
Ostfriesland 173 f., 259 f., 263, 415,
418, 448, 466, 496, 617, 629, 672 f.,
678 f., 683, 696 f., 742, 752 f., 778,
817, 836
Ottershausen (Hessen) 480 f.
Paderborn 191, 273, 345, 866 f.,
394, 402, 462, 498, 589; 629, 820,
841
Parkstein (Bayern) 220
Passau 214, 800, 808 f., 588 f, 678
Peina (Peine) 177, 436 f., 803
St. Peter bei Freiburg i. Br. 223, 671
Pfalz s. Kurpfalz; Neuburg; Ober-
pfalz; Speier; Zweibrflcken
Pflaumloch (Württ.) 528 Anm.
Plön 172, 448, 746, 778, 816 f.
Pommern 826 f , 862 f., 582, 685, 881
Praunheim (Hessen) 158
Preußen 67, 87, 91, 94 f., 96, 97,
286, 818 Anm., 821 f., 328 Anm.,
402 Anm., 442 f., 454 Anm., 650
Anm., 652 Anm., 659 Anm., 667,
768, 879
s. a. Allgemeines Landrecht
(oben 1); Brandenburg
Ramholz (Hessen) 158
Ramsberg (WOrtt.) 288, 488, 489,
452, 460, 522 f., 750, 795, 854
Raschenberg (Bayern) 216, 598
Rastatt 226
Rastenberg (ThOr.) 189, 820 Anm.
Ravensberg 192 f., 345, 866, 419,
484, 473, 498, 497 Anm., 517,
582, 629, 646 f., 651, 745, 781,
841 f., 866
Rechberg (WQrtt.) 883, 488, 489
Anm., 522 f., 795
Reckenberg 657
Recklinghausen 198, 491
Regensburg 214, 864, 808, 402, 409,
610, 640 Anm., 743, 769, 798,
828, 852
Reichensachsen (Hessen) 74
Reitenbuch s. Rothenbuch
Remda 190, 279, 820 Anm., 512
Anm.
Rezatkreis 813
Rheingau 202, 420. 468, 471, 848
Rheinland 194-200
s. a. die Einzelterritorien
Rhein- und Wildgrafschaft 229, 264
Rhön 499 f.
Ried (zwischen Vilbel und Haar-
heim) 899 Anm.
Rinteln 102 f., 119, 126, 151 f., 714
Rodenberg (Hessen) 102 f.
Rodenhausen (Hessen) 480 f.
Rodheim (Hessen) 400
Rötteln 226, 359, 681 f.
Rohrbach (bei Hersfeld) 901
Romsthal (Hessen) 158
Ronsburg (Bayern) 215, 794, 828 f.
Rotenburg (Hessen) 54, 74, 75,
76 f., 161t., 642
Rothenbuch (Bayern) 215, 794
Rothenburg ob der Tauber 218,
873, 584, 613 f.
Rudolstadt 190, 287, 296, 850, 674,
785, 777, 889
Rüden 192, 298, 587, 595, 598
Rußland 241.
^Saarbrücken 910
Sachsen s. Altenburg; Eisenach;
Gotha; Koburg; Kursacbsen;
niedersächsischen Kreis; ober-
s&chsischen Kreis; Weimar
Salfeld 190, 674
Salzburg 598, 600 f.
Salzkotten (Westfalen) 192, 560
— 934 -
Sayn 800, 279, 286, 877, 894, 418,
428,454,461, 468 f., 491,497 Anm.,
682, 605, 646, 654 Anm., 747, 781 ,
824 f., 842, 873
Schaumburg (Hessen) 100—103,
117, 118—121, 184, 249 Anm.,
260f., 264, 279, 285, 291, 297, 306,
817, 885, 843, 346, 381, 418, 454,
584, 541, 681, 639, 651, 697, 698,
714, 754, 764, 779, 788, 826, 840 f.,
847, 863, 870 f., 892, 894, 898 Anm.,
899
Schaumburg-Lippe 184 f., 275, 346,
369, 393, 477, 520, 531, 563, 592,
629, 631, 651, 699, 746, 755, 779 f.,
804, 811, 820, 841
s. a. Schaumbure (Hessen)
Schenklengsfeld (Hessen) 74
Schlechtbach (Wflrtt.) 233, 265
Schieid (Fulda) 890 f.
Schleiz 190, 297
Schlesien 826 f., 474 f., 610, 065
Anm., 668, 770, 805 f., 809, 857, 880
Schleswig 171 f., 247, 293 f«, 353,
457, mr., 476, 497, 522, 629,
668, 679, 746, 748, 751 f., 771
Schluchteren (Hannover) 176
Schmalkalden 71, 74 f., 81
Schwaben s. Württemberg
Schwäbisch Hall 280, 796
Schwäbischer Kreis 234f., 359, 416,
481, 506, 539, 630, 638, 743, 758 f.,
789, 795 f, 797
Schwalm 583
Schwarzburg 777
Schwebda (Hessen) 106
Schweden 175
Schweiz 318 Anm., 589, 649 Anm.,
654
Selzen (Baden) 440 f.
Siegen 201, 287, 504, 558, 785
Sinsheim (Baden) 225, 805 Anm.
Soest 194, 303 Anm., 610
Solms 208, 281, 902 f. Anm., 910
Sonderburg 172, 293, 497, 772
Sooden a. d. Werra 817, 480 Anm.,
845 f.
s. a. Allendorf
Speier 87, 221, 226, 309, 313 f.,
512 Anm.
Spraitbach (Württ.) 283, 438, '439
Anm., 523
Stade 175, 176, 284, 311, 415, 595 ü
674, 757, 773, 817
Stapelholm 171
Staufifen 357, 384
Steinbach (Hessen) 74 f.
Strasburg 446
Stuttgart 229 f., 234 f., 296, 4371,
557.
T., Hofmark zu 216
Tecklenburg 193
Teichel (Thflr.) 190, 384, 290 f
Thannhausen (Württ.) 231
Thierhaupten (Bayern) 215, 531
556, 794
Thüringen s. die Einzelterritorien
Tiengen (Baden) 228
Tirol 613, 631 Anm.,
Tönning 171 f., 353, 809 f.
Tondern 172
Traunstein 216, 278, 295 f., 470,
598, 852
Trendelburg 814
Treysa 41, 42, 507
Trier 85, 198 f., 265, 279, 285, 296 f,
314, 344, 887, 891, 392 f., 402,
502, 518, 520, 618, 660 f., 667
Trochtelfingen (Württ.) 230, 268
St Trudbert zu Krotzingen 223,
805 Anm.
Türkheim (Württ) 235.
Vdenheim (Baden) 225, 438
Ueberlingen 224, 808, 309, 415 f.,
438, 445, 470 f, 589, 594, 618,
681 f., 706, 797, 803, 830 f., 855
Uihingen s. Uwingen.
Ulm &4f
Ursberg (Bayern) 215, 599, 676,
743, 794
Usingen (Württ.) s. Uwingen
Usingen (Nassau) 201, 382 f, a53f.,
377, 385, 434, 454, 472, 490, 497
Anm., 516, 562, 647 f., 754, 785,
812, 824, 845
Uwingen (Uihingen , Usingen;
Württ.) 223, 384.
Tehlen (Schaumburg) 185, 593,
780 820
Verden 175, 176, 284,311,820, 415,
442, 595 f , 597 f., 674 f., 773, 817
935 —
Vilbel 899 Anm.
Villingen 284, 358, 420, 432 f., 485 f.,
453, 681, 770, 797 f., 830, 856
Voigtland 329, 489 f., 688, 745,
791, 864
s. a. Brandenburg, fränkisch.
Wabern (Hessen) 165
Wächtersbach (Hessen) 132 f.
Waiblingen (Württ.) 234 f.
Waldeck 190 f., 345, 867 f., 378,
379, 889, 467, 477, 494, 571 f..
613, 629, 646, 687, 738, 746, 755,
780 f., 840, 870 f.
W^alldOm 225, 259, 287, 313, 438, 680
Wallerstein 218, 393
W^altershausen 190, 297 f.
Wanfried (Hessen) 68, 74, 75, 77
Anm., 80, 642
^Veiden (Bayern) 220
Weilburg 92, 363 f.,
Weüer (Wflrtt) 438, 523
s. a. Rechberg
Weimar 113, 186, 187 f., 279, 284 f.,
286, 320 Anm., 348 f., 869, 466,
463, 470, 521, 560, 579 f., 614,
629, 639, 645, 664 Anm., 735,
737, 770, 779, 801, 819 f., 889,
861, 872, 877 f.
Weinheim 225, 317, 503 f.
Weitnau (Baden) 223. 331
WelJstein (Württ.) 232, 515
Wesel 194, 441, 782
Westdeutschland gegenüber dem
Osten 28—81, 93
Westergo 295
Westerwold 178, 281, 302, 466,
475 f., 695, 757 Anm.
Westfalen 110, 191—194, 324, 388 f.,
366, 390, 455, 462, 491, 493, 589,
595, 614, 660, 747, 781 f.
s. a. die Einzelterritorien
Westfalen, Königreich 117, 184-
147, 156, 273 f., 412 f., 714,808, 826
Wetterau 365
Wied s. Neuwied
Wien 866
Wiesensteig (Württ.) 286
Winzelhausen (Württ.) 230, 438
Wissgoldingen (Württ) 288 f., 279,
523, 688, 795, 829 f.
Wittgenstein s. Sayn
Witzenhausen 74, 162, 422
Witzenmühle a. d. Aller 637
Wolfenbüttel 183, 482, 486, 462 f.,
494, 577 f , 602, 644 f., 649, 678,
732, 746, 775, 888, 872
Wolf hagen 41, 160, 167 f., 909
Worms 36, 87 f., 205, 207, 800
Anm., 306 Anm., 316, 317, 644,
847 f
Württemberg (223, Uwingen) 229
—235 (bes. 234 f.), 269, 299 Anm.,
382, 359 f. 416, 420, 421, 423,
431 f., 439 Anm., 446^ 469 f,
486 f., 614, 616, 622 f., 538 , 686 f.,
688 f., 661, 692, 618, 630 f., 688,
682, 729 Anm., 748, 744, 768 f.,
795—797, 807, 829 f., 864 f , 864,
902 Anm.
s. a. schwäbischen Kreis; die
einzelnen Orte
Würzburg 207, 206 f., 213, 226, 814,
866 f, 374, 404, 420, 461, 469,
686 f., 683, 601 C, 630, 634 f., 684,
701, 734, 744, 747 f., 790 f., 804,
827, 861, 868.
Zeitz 189, 680, 671 f.
Ziegenhain(Hessen) 71, 74, 801, 686,
Zierenberg (Hessen) 909
Zipplingen (Württ.) 281, 669 Anm.
Zittau 467
Zuzenhausen (Baden) 225, 332
Zweibrücken 221, 793, 876
Z Westen (Hessen) 898.
3. Personenregister;
Adalbert, Bischof von Fulda (1795)
713
von Adelmann, Grafen s. Adel-
mannsfelden; Hohenstatt(oben 2)
Alberus, Erasmus 82, 621 Anm., 694
Albrecht I., Kaiser 305
Anna, Gräfin von Ostfriesland
(1545) 173.
— 936 -
Bauer, hess. Amtmann in Herren-
breitungen (1767) 76Anm.
von Baumbach, Vizepräsident der
hessischen Regierung (1796 ff.)
96, 106, 110, 111
von Baumbach, hessischer Land-
rat in Nentershausen (1797) 109
Beccaria 584f.Anm.
Becker, hessischer Commissarius
inWanfried (1763 ff.) 68 f., 70,
74 f., 77Anm., 80, 84, 642
Bemer, hessischer Regierungsrat
(1767) 82 f., 85
Bernhard, Graf zu Soims (1424) 910
von Blankenheim, Arnold (1358)
198, 814
Bode, hessischer Amtsrat in Neuen-
stein (1776) 87
Bodmann, Franz Joseph 202, 204
Böttiger, Karl August, Freund
Seumes 886
von Boineburg 27, 397 Anm., 478 f.,
590
Brand, Bürgermeister von Bocken-
heim (1855) 716
BuUing, oldenburgischer Amts-
verwalter in Deedesdorf (1794)
688 f., 754
Butzer, Martin 897 f.
Campe, Pädaeog 691
Carmer, preußischer Minister 650
Anm.
Christoph, Graf von Oldenburg
(1566) 785
Colerus 505, 552 f., 657 f., 694
Cornitius, hessischer Hofrat und
Generalehirurgus (1772) 710
Czihak, Arzt in Bockenheim (1824)
714.
von l>alberg, Großherzog von
Frankfurt 147
von Dalwigk, hessischer Landrat
in Lützelwig (1785 ff.) 87, 88, 680
von Dalwigk, hessischer Landrat
in Gilsa (1797) 109
Daniel, Erzbischof von Mainz
(1579) 618
Diedrich von Isenburg (1424) 910
Diedrich von Weverlinge in Braun-
schweig (1387) 271
von Dörnberg 55, 280 f.. 62U.
626—628, 675, 845
Dorn, Lorenz, 89, 678, 691
Dury, Baumeister und Professor
in Cassel (1772) 710.
Eberhard, Herr von Epstein (1424!
910
Eberhard der Aeltere, Graf voc
Württemberg 280, 437
Edzard, Graf von Ostfrieslasd
(1515) 173
Eigenbrodt, hessischer advocatiis
fisci in Rinteln (1798) 102 f.
Eigenbrodt, hessischer Major 483»
605 f.
Elisabeth, Gräfin von Schaumburg
(1640) 335
Emerich, Johann Jost 20. ^0, 893
von Engers, Matthias, Chronia
von Geseke 910
von Erffa, thOr. Adel 316 Anm.
Ernst August, Kurfürst von Han-
nover (1679-1698) 561
Ernst Ludwig, Landgraf von
Hessen-Darmstadt (1788) 269
von Esch wege, hessischer Landrat
(1797) 109.
Ferdinand IIL, Kaiser 218
Ferdinand Maria von Bayern
(1651—1679) 687
Franz Ludwig, Fürstbischof von
Bamberg (1790) 722
Friedrich, Herzog von Lüneburg
(1640) 542
Friedrich IL, Landgraf von Hessen
88, 710
Friedrich Ulrich, Herzog von
Braunschweig-Lflneburg (1622)
689
Friedrich Wilhelm III. von Preußen
178 f.
Fulda, Polizeidirektor in Cassel
(1795) 93 f., 99, 115
Fyde, Johann, Pfarrer in Fried-
berg (1394) 315.
G«org L, Landgraf von Hessen
Darmstadt 208
Gierke 59, 250 f.,
Glafey, Jurist des 18. Jhdts. 676f.
— 937 —
Glaser, Peter 38, 6&8 Anm.
Ooeddaeus, Bürgermeister von
Cassel (1772) 710
Goethe 320 Anm., 364 Anm., 689
Anm.
Gottfried, Herr zu Epstein (1424)
910
Gottfried» Graf zu Ziegenhain und
Nidda (1424) 910
Gregor der Große 397
Grimmelshausen 528 Anm.
von Habel, Georg David, Deutsch-
ordenskomthur (1651) 385
Hai wachs, Regierungsrat in Als-
feld a'776) 87
Hampe, Buchdrucker in Cassel
403f
Hardenberg, Dr. Albrecht, Pre-
diger in Oldenburg (1566) 736
Hardenberg, preußischer Staats-
kanzler 318 Anm.
Hebbel 525
Hein, hessischer Regierungsrat
(1796) 96, 97, 98
Heister, hessischer Regierungsrat
(1797) 111
Henkel, Schultheiß in Schmalkai-
den (1767) 81
Hermann, Landgraf von Hessen-
Rothenburg (1656) 54
von Hettersdorf, Domkapitular in
Blankenau (1811) 148, 714, 737
Holland, hessischer Amtsschult-
heiß in Neukirchen (1767) 85 f.
Hommel, Karl Ferdinand 584 f.
Anm., 678
Hflpeden, hessischer Amtmann in
Rotenburg (1767) 76 f.
J^rome 184, 147, 150, 412 f., 419,
826
Johann, Graf zu Solms (1424) 910
Johann, Graf zu Ziegenhain und
Nidda (1424) 910
Johann Anton, Bischof von Eich-
stAtt (1707) 294
Josef n. von Oesterreich 229.
Kaib, Arzt in Fulda (1795) 712 f.
Kant 89—91
von Kettelhold, in Rudolstadt 735
von Kendell, hessischer Landrat
in Schwebda (1797) 106 f , 109,
117, 305
Kopp, Oberappellationsrat in Cas-
sel (1772) 710
Krünitz 89, 109, 668 f., 678, 689
Kunckel, hessischer Vizekanzler
(1797) 111, 112.
I«edderhose, hessischer Regier-
ungsrat (1797) 111
Lennep, Oberschultheiß v. Cassel
(1772) 710
Lie, Jonas 245
Lindau, hessischer Landrat in
Elbersdorf (1797) 108, 733
Ludwig, Kaiser s. Ludwig, Kaiser,
Rechtsbuch (oben 1)
Ludwig der Brandenburger 613
Ludwig IIL, Landgraf von Hes-
sen 40
von Lüder s. Loshausen (oben 1)
Luther 82, 338.
Haley, Registrator in Hanau
(1787) 124
Marcus, Arzt in Bamberg (1790)
704 f., 722 f.
Maria Theresia von Oesterreich
229
Martin, Pfarrer in Niedermeiser
(1857) 168
Maximilian IL, Kaiser 866 Anm.
Menagius, Philipp 32 Anm.
Meysenbug, hessischer Landrat
(1797) 104
Moser, Justus 733
Moiitor, Beamter in Aschaffenburg
(1805) 91, 650, 691, 736
Moritz, Landgraf von Hessen
339, 904
Motz, hessischer Regierungsrat
(1782) 811
von Mfinchhausen, Forstmeister
zu Rinteln (1717) 119.
N ifen, Gottfried von 672 Anm.
Otto, Pfalzj;raf (1429) 805 Anm.
Otto der Gestrenge von Braun-
schweig-LOneburg 179.
- 938 -
Pappenheim, Albert Rabe von
(1&2) 628
Philipp, Graf zu Nassau (1424) 910
Philipp der Großmadge 817, 688
Anm., 845 f.
Philipp Ludwig I., Graf von
Hanau 122
Prott, Kanzler Oldenburgs 174.
von Radenhausen, Rudolf Wil*
heim (1651) 885
Reinhard, Herr zu Hanau (1424)
910
von Riedesel 901
Riehl, Wilhelm Heinrich 788
Ringwaldt, Bartholomäus 38, 781
Anm.
Rochow, Padagog 18. Jhdts. 691
Rottmann, Advokat in Oldenburg
(1717) 118 f.
Rudolf von Habsburg, Kaiser 84,
672, 673
Ruprecht von Freising s. Ruprecht
von Freisings Stadt- und Land-
recht (oben 1)
Ruprecht von der Pfalz, Kaiser
880.
Salzmann, Pädagog 691
Scheffer, hessischer Minister des
Innern (1857) 165
Schellenberger, Geistlicher Rat in
Bamberg (1790) 725, 728
Schenk zu Schweinsberg (1784)
787 Anm.
Schmerfeld, hessischer Geheimer
Regierungsrat (1796), dann Mi-
nister 67, 97, 112, 152
von Schönborn, Graf (1716) 122—
184, 285
Schrader, Verfasser der Vater-
ländischen Rechte Schleswig-
Holsteins 690
Schreber, Herausgeber einer
staatswissenschaftlichen • Auf-
satzsammlung (1762) 688 f.
Schupp, Balthasar 82
Sebiz, Melchior 669 f.
Seume 886 f.
Seyl, Borgermeister von AUendocf
a. d. Werra (1840) 731
von Sickenberg, Franz Freälerr
(1667) 708
Sim6on, Justizminister im Kfltiig'
reich Westfalen 134 f.
Smith, Adam 98
s. a. Physiokratie (oben 1)
Sonnenfels 285 f.
Stahl 168
Suleffel, Peter, Pfarrer in Sdzeo
(1501—1512) 440 f.
von Sulz, Graf 228
von Swartzperg, Heinrich, Diener
Phüipps des Gro&mfltigen 588
Anm.
Cckermann, hessischer Kammer-
rat in Germerode (1767) 78—90,
83, 738, 807.
von Tenninffen, Hans (1561) 382
Vilmar, A. F. C. 159 f.
Vilmar, hessischer Amtsschulthei6
in Brokerode (1767) 81.
Wetzeil, hessischer Regierungsrat
(1816) 152
Weygand, Bischof von Bambtfg
(ll^) 209
Wilhelm L, der Aeltere, Landgrat
von Hessen 908 f.
Wilhelm IL, Landgraf von Hessen
89, 888, 887, 908
Wilhelm IV., Landgraf von Hessen
904 Anm.
Wilhelm, Landgraf von Thfiringen
(1468) 816 Anm.
Wille, Kriegsrat in Cassel (1772)
710
Wolff, Christian 59, 62, eS, 65,
677 f
Wolfifradt, Minister des Innern im
Königreich Westfalen 134, 185,
188, 143—146
Wülcknitz. Vizepräsident der Re<
Wperung m Cassel a767) 88 f., 86 £
ust, Regierungsaccessist in Gas*
sei (1796) 98, 105, 690.
Druck der v. MQnchow'tchen Hof- und Univ.-Druckerei Otto Kiadt
Giessen.
YC 85713