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Full text of "Zeitschrift für schweizerisches Recht"

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Revue 

der 

Gerichtspraxis  im  Gebiete 

des 

BuiHlescivilreehts 

XVI.  Band 


Revue 

de  la 

Jurisprudence  en  matière 

de 

droit  civil  fédéral 

XVIe   Volume 


Basel 

R.  Reich,  vormals  C.  D  e  1 1  o  f  f  '  s  Buchhandlung 


1898. 


Revue 

der 

Gerichtspraxis  im  Gebiet 

des 

Bundescivilrechts 

XVI.  Band 


Revue 

de  la 

Jurisprudence  en  matière 

de 

droit  civil  fédéral 

XVIe   Volume 


Beilage  zur  Zeitschrift  für  Schweizerisches  Recht,  Neue  Folg«  Band  XVII. 


Basel 

R.  Reich,  vormals  0.  Detloff's  Buchhandlung 

1898. 


,../.n  8    1910 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


1.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  58  Abs.  2.  UnStatthaftigkeit  der  Be- 
rufung gegen   Vor-  oder  Zwischenentscheide. 

Art.  58  Abs.  2  0.  G.,  wonach  der  Beurteilung  des  Bundes- 
gerichts auch  diejenigen  Entscheidungen  unterliegen,  welche 
dem  Haupturteile  vorausgegangen  sind,  hat  keineswegs  die 
Bedeutung,  dass  gegen  solche  Vor*  oder  Zwischenentscheidungen 
selbständig  und  gesondert  die  Berufung  an  das  Bundesgericht 
ergriffen  werden  könnte,  sondern  besagt  nur,  dass  die  Be- 
rufung gegen  das  Haupturteil  auch  diese  Vor-  und  Zwischen- 
entscheidungen ergreife.  (Entsch.  v.  1.  Oktober  1897  i.  S. 
Konkursmasse  Dörig  c.  Dörig.) 


2.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893 ,  Art.  81.  Rechts-  und  Thatfrage.  Inwie- 
weit ist  die  Auslegung  von   Willenserklärungen  Rechts) 'rage  t 

Hierüber  ist  in  einer  Entscheidung  des  Bundeagerichts 
bemerkt:  Wie  das  Bundesgericht  mehrfach  ausgesprochen 
hat,  gehört  allerdings  zu  den  in  Art.  81  Abs  1  0.  Gr.  der 
Prüfung  des  Bundesgerichts  entzogenen  Feststellungen  that- 
sächlicher  Verhältnisse  nicht  nur  die  Feststellung  äusserer 
Vorgänge,  sondern  auch  diejenige  innerer,  psychischer,  ins- 
besondere diejenige  des  übereinstimmenden  Vertragswillens 
der  Parteien;  hiebei  ist  jedoch  sofort  zu  unterscheiden,  ob 
diese  Feststellung  das  Ergebnis  einer  Beweiswürdigung  ist 
—  in  welchem  Falle  das  Bundesgericht  gebunden  ist  (den 
Fall,  in  welchem  die  Beweiswürdigung  bundesgesetzliche  Be- 
stimmungen verletzt,  ausgenommen)  — ,  oder  aber  das  Re- 
sultat ein«  r  Auslegung  nach  juristischen  Interpretationsregeln: 
in  letzterem  Falle  hat  das  Bundesgericht  die  Anwendung  der 
Interpretationsregeln  durch  die  kantonalen  Gerichte  zur  Fest- 
stellung des  Partei  willens  frei  zu  prüfen,  eben  weil  es  sich 
hier  um  Anwendung  von  Rechtssätzen  handelt;  und  zwar 
steht    ihm    hiebei    nicht    nur   die  Prüfung    zu,    ob    überhaupt 


richtige  oder  unrichtige  Interpretationsregeln  angewandt  wor- 
den sind,  sondern  auch,  ob  zwar  das  kantonale  Gericht  von 
richtigen  Interpretationsregeln  ausgegangen  ist,  dieselben  in 
casu  aber  falsch  angewendet  hat;  denn  auch  im  letzteren 
Falle  liegt  dem  Entscheide  eine  falsche  rechtliche  Würdigung 
von  Thatsachen  zu  Grunde  (vgl.  hierüber:  Revue  des  Bundes- 
civilrechtB  Vili  Nr.  50  Anni.,  S.  90).  Gestützt  hierauf  ist 
das  Bundesgericht  im  konkreten  Falle  auf  die  bestrittene 
Auslegung  eines  anlässlich  einer  Erbteilung  von  den  ver- 
tretenen Erben  dem  Gemeinderate  ausgestellten  schriftlichen 
Garantieversprechens  eingetreten,  und  hat,  da  es  der  Erklä- 
rung einen  anderen  Sinn  beilegte  als  die  kantonale  Instanz, 
deren  Urteil  abgeändert.  (Entsch.  vom  15.  Oktober  1897  i.  S* 
Erben  Denzler  und  Erben   Weber  c.  Rinderknecht.) 


3.  Art.  18,  19,  24,  505  0.  fi.  Wenn  der  Hauptschuldner 
einen  Vertrag  genehmigt  hat,  so  dass  ihm  die  Einreden  des 
wesentlichen  Irrtums  und  des  Betrugs  nicht  mehr  zustehen,  so 
kann  auch  der  Bürge  diese  Einreden  aus  der  Person  des  Haupl- 
schuldners  (mit  Beziehung  auf  die  Hauptschuld)  nicht  mehr 
geltend  machen,  Anfechtung  einer  Bürgschaft  für  eine  Kaufpreis- 
schuld  wegen  wesentlichen  Irrtums  und  Betrugs  aus  der  Person 
des  Bürgen.      Voraussetzungen. 

G.  K.  hatte  dem  R.  E.  seinen  Anteil  an  dem  bisher 
.unter  der  Firma  G.  K.  &  Cie  gemeinsam  betriebenen  Aus- 
steuer- und  Dekorationsgeschäfte  in  B.  um  die  Summe  von 
Franken  40,000  durch  Kaufvertrag  vom  18.  Juli  1888  ver- 
kauft. In  dem  Vertrage  war  angegeben,  der  Kauf  stütze 
sich  im  Wesentlichen  auf  das  am  31.  Januar  1888  aufgenom- 
mene Inventar,  und  es  verpflichtete  sich  der  Verkäufer,  auf 
dem  Platze  B.  und  in  einem  Umkreise  von  drei  Stunden  kein 
gleiches  oder  ähnliches  Geschäft  zu  betreiben.  Für  einen 
Teil  des  Kaufpreises  verpflichteten  sich  die  Beklagten  A.  E. 
und  D.  R.  als  solidarische  Bürgen.  In  der  Folge  bestritt 
der  Käufer  seine  Verpflichtungen  aus  dem  Kaufvertrage.  Der 
Streit  wurde  indess  nach  Einleitung  eines  schiedsgerichtlichen 
Verfahrens  durch  einen  Vergleich  beendigt,  in  welchem  der 
Verkäufer  in  eine  Reduktion  seiner  Forderung  einwilligte. 
Auf  Bezahlung  ihrer  Bürgschaft  für  die  Kaufpreisschuld  be- 
langt, bestritten  die  Bürgen  ihre  Schuldpflicht,  indem  sie 
die  Einreden  des  wesentlichen  Irrtums  und  des  Betruges  er- 
hoben, und  zwar  sowohl  aus  der  Person  des  Hauptschuldners, 
als  aus   eigener  Person.     Das  Bundesgericht  hat  diese  Ein- 


reden  verworfen,  indem  es  ausführte:  Was  die  Anfechtung 
ex  persona  débitons  anbetrifft,  so  muss  mit  der  Vorinstanz 
Angenommen  werden,  dass  dieselbe  infolge  Genehmigung  des 
angefochtenen  Vertrages  durch  den  Hauptschuldner  verwirkt 
ist.  Der  Hauptschuldner  hat  durch  Vergleich,  durch  welchen 
sämtliche  Anstände  der  Kontrahenten  bezüglich  des  Kauf- 
vertrages erledigt  werden  sollten,  auf  die  Geltendmachung 
der  in  Rede  stehenden  Einreden  verzichtet.  Dieser  Verzicht 
ist  auch  gegenüber  den  Bürgen  verbindlich.  Denn  die  von 
diesen  geltend  gemachten  Mängel  des  Vertragsschlusses  be- 
wirkten nicht  absolute  Nichtigkeit  des  Vertrages;  sie  hinderten 
nur  die  Verbindlichkeit  desselben  für  den  durch  den  Irrtum 
oder  Betrug  beeinflussten  Teil,  erzeugten  also  für  diesen  eine 
Einrede,  welcher  sich  nach  Art.  505  0.  R.  allerdings  auch  die 
Bürgen  bedienen  konnten.  Allein  damit,  dass  der  Haupt- 
Schuldner  durch  Vergleich  den  Vertrag  genehmigte,  fiel  diese 
Einrede  dahin,  sie  stand  nunmehr  dem  Hauptschuldner  nicht 
mehr  zu,  und  konnte  deshalb  auch  von  den  Bürgen  nicht 
mehr  aufgegriffen  werden. 

Es  kann  sich  daher  nur  fragen,  ob  die  Bürgschaft  für 
die  Beklagten  deshalb  unverbindlich  sei,  weil  sie  selbst 
bei  Eingehung  derselben  in  einem  Irrtum  befangen,  oder 
durch  Betrug  dazu  verleitet  worden  seien.  Die  Berufung  auf 
den  Anfechtungsgrund  des  Irrtums  setzt  voraus,  dass  der 
Vertrag8abschluss  auf  einem  wesentlichen  Irrtum  beruhe, 
während  bei  der  Anfechtung  des  Vertrages  wegen  Betruges 
auch  ein  nicht  wesentlicher  Irrtum  in  Betracht  fällt.  Nun 
ist  der  Vorinstanz  beizutreten,  dass  von  einem  wesentlichen 
Irrtum  der  Beklagten  nicht  die  Rede  sein  kann.  Der  wesent- 
liche Irrtum  derselben  soll  darin  liegen,  dass  sie  sich  über 
den  Wert  des  Kaufgegenstandes,  für  dessen  Kaufpreis  sie 
sich  verbürgt,  geirrt  haben.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass 
unter  Umständen  ein  solcher  Irrtum  als  ein  wesentlicher, 
welcher  die  Unverbindlichkeit  der  Bürgschaft  zur  Folge  haben 
kann,  anzusehen  ist,  namentlich  dann,  wenn  er  vom  Gläubiger 
verschuldet  ist.  Denn  es  ist  klar,  dass  es  für  die  Eingehung 
der  Bürgschaft  von  entscheidender  Bedeutung  sein  kann,  ob 
der  verbürgten  Schuld  eine  Gegenleistung  des  Gläubigers 
und  zwar  eine  solche  von  gewissem  Umfange  gegenübersteht. 
Allein  in  casu  liegt  ein  solcher  Fall  nicht  vor.  Vorerst  steht 
nicht  einmal  fest,  dass  die  Bürgen  das  Inventar  gekannt  und 
auf  dasselbe  wesentliches  Gewicht  gelegt  haben.  Daraus, 
dass  im  Kaufvertrage  auf  dasselbe  Bezug  genommen,  und  in 
«der  Bürgschaftsurkunde  gesagt  ist,  dass  die  Bürgen  den  Kauf- 


vertrag  gelesen  haben,  folgt  das  Gegenteil  keineswegs.  In- 
dessen ist  auch  noch  folgendes  zu  sagen:  Es  steht  zwar  fest, 
dass  der  Vermögensbestand  des  vom  Hauptschuldner  durch 
den  Vertrag  vom  18.  Juli  1888  übernommenen  Geschäfts  im 
Inventar  um  wenigstens  Fr.  16,660.  80  zu  hoch  angeschlagen 
war,  das  Reinvermögen  per  31.  Januar  1888  also  um 
diese  Summe  niedriger  zu  berechnen  ist.  Allein  die  Vor- 
instanz stellt  andrerseits  fest,  dass  dieses  Inventar  nicht  die 
einzige  Grundlage  des  Kaufvertrages  vom  18.  Juli  1888  bildete, 
und  dass  bei  der  Festsetzung  des  Kaufpreises  auch  der  gute 
Kredit  des  Geschäfts  sowie  der  Umstand  bestimmend  ein- 
gewirkt haben,  dass  der  Verkäufer  sich  verpflichtet,  dem 
Käufer  in  B.  und  Umgebung  keine  Konkurrenz  zu  machen.  .  .  . 
Bei  der  Frage,  ob  die  Beklagten  durch  betrügerische 
Handlungen  des  Klägers  zur  Eingehung  der  Bürgschaft  ver- 
leitet worden  seien,  ist  zunächst  festzuhalten,  dass  die  Akten 
keinerlei  Anhaltspunkte  dafür  aufweisen,  und  auch  von  der 
Vorinstanz  nicht  angenommen  wird,  dass  die  Beklagten  vom 
Kläger  um  die  Uebemahme  der  Bürgschaft  angegangen  wor- 
den seien.  Es  ist  daher,  da  die  Stellung  der  Bürgen  Sache 
des  Käufers  war,  davon  auszugehen,  dass  die  Beklagten  durch 
diesen  zur  Bürgschaftsleistung  bewogen  worden  seien,  von 
diesem  also  auch  diejenigen  Aufklärungen  erhalten  haben, 
gestützt  auf  welche  sie  sich  zur  Uebernahme  der  Bürgschaft 
entschlossen.  Von  der  Annahme,  dass  der  Käufer  den  von 
ihm  gestellten  Bürgen  die  sie  interessierenden  Verhältnisse 
bezüglich  der  zu  verbürgenden  Schuld  werde  auseinanderge- 
setzt haben,  durfte  auch  der  Kläger  ausgehen.  Zur  Erteilung 
einer  Aufklärung  war  er  diesen  gegenüber  aus  eigenem  An- 
triebe somit  nur  verpflichtet,  wenn  er  Gründe  zu  der  An- 
nahme hatte,  dass  der  Käufer  ihnen  die  Sachlage  unrichtig 
dargestellt  habe,  und  Zweifel  hegen  musste,  ob  nicht  die 
Bürgen,  bei  Kenntnis  der  wirklichen  Sachlage,  die  Eingehung 
der  Bürgschaft  verweigern  würden.  Da  nun  nicht  behauptet 
wird,  dass  der  Kläger  den  Bürgen  direkt  irgend  welche  An- 
gaben über  die  Verhältnisse  rücksichtlich  des  vom  Haupt- 
schuldner zu  übernehmenden  Geschäfts  gemacht  habe,  kann 
somit  eine  betrügerische  Verleitung  derselben  zur  Bürgschaft 
dem  Kläger  nur  insofern  zur  Last  gelegt  werden,  als  ange- 
nommen werden  muss,  er  habe  Grund  zur  Vermutung  gehabt, 
dass  die  Bürgen  nach  der  vom  Hauptschuldner  eingeholten 
Erkundigung  sich  in  einem  Irrtum  über  die  Richtigkeit  des 
mehrerwähnten  Inventars  befinden,  und  dass  dieser  Irrtum 
für  den  Willen,   die  Bürgschaft   einzugehen,   von  bestimmen- 


dem  Einflus8  sei,  dass  sie  also  die  Bürgschaft  nicht  eingehen 
würden,  wenn  sie  von  der  Unrichtigkeit  desselben  Kenntnis 
hätten.  Für  diese  Annahme  fehlen  jedoch,  nach  den  Akten 
sowohl  als  nach  den  Feststellungen  der  Vorinstanz,  genügende 
Anhaltspunkte.  (Entsch.  v.  1.  Oktober  1897  i.  S.  Konkurs- 
masse Kohler  c.  Engel  und  Rüef.) 


4.  Bundesgeseiz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  60  Abs.  1.  Bundesgesetz  über  polizeiliche 
Massregeln  gegen  Viehseuchen  vom  8.  Februar  1872,  Art.  3,  36, 
37.  0.  R.  Art.  50,  62.  Zusammenrechnung  der  Ansprüche  findet 
für  die  Berechnung  der  Berufungssumme  in  allen  Füllen  der 
echten  oder  unechten  Streitgenossenschaft  in  gleicher  Weise  statt. 
Civürechtliche  Haftung  für  den  durch  die  Veröusserung  verseuchter 
Haustiere  gestifteten  Schaden. 

Art.  60  Abs.  1  0.  (j.  geht  nicht  von  einem  bestimmten 
Begriff  der  Streitgenossenschaft  aus,  sondern  kommt  in  jedem 
Falle  der  objektiven  und  subjektiven  Klagenhäufung  zur 
Anwendung,  d.  h.  in  jedem  Falle,  wo  vor  den  kantonalen 
Gerichten  nach  Massgabe  der  kantonalen  Gesetzgebung  eine 
Vereinigung  mehrerer  Rechtsansprüche  resp.  Klagen,  sei  es 
eines,  sei  es  mehrerer  Kläger  in  einem  Prozesse  stattgefunden 
hat,  mag  es  sich  um  eine  sog.  echte  oder  unechte  Streitge- 
nossenschaft handeln.  In  allen  Fällen  der  echten  und  un- 
echten Streitgenossenschaft  findet  zu  gleichem  Zwecke  und 
mit  gleicher  Wirkung,  wie  bei  der  objektiven  Klagen  häuf ung, 
eine  Zusammenrechnung  der  Ansprüche  statt,  sofern  nicht  die 
Einheit  des  StreitintereBses  die  Streitgenossen  verbindet.  Für 
die  Zusammenrechnung  der  Ansprüche,  und  damit  für  die 
Zulässigkeit  des  Rechtsmittels  der  Berufung  ist  daher  ent- 
scheidend, dass  die  Verbindung  der  Klagen  der  sämtlichen 
Kläger  in  einem  Prozess  von  den  Vorinstanzen  gestützt  auf 
die  kantonale  Prozessgesetzgebung  zugelassen  worden  ist. 

2.  Wer  ein  mit  der  Maul-  und  Klauenseuche  behaftetes 
Stück  Vieh  oder  ein  mit  einem  solchen  in  Berührung  ge- 
kommenes Tier  veräussert,  macht  sich  gemäss  Art.  3  und  36 
des  Bundesgesetzes  über  polizeiliche  Massregeln  gegen  Vieh- 
seuchen vom  8.  Februar  1872  einer  objektiv  unerlaubten, 
widerrechtlichen  Handlung  schuldig,  und  haftet  deshalb,  so- 
fern ihm  ein  Verschulden  zur  Last  fällt,  gemäss  Art.  50  resp. 
62  O.  R.  für  den  aus  seiner  widerrechtlichen  Handlung  ent- 
standenen Schaden.  Die  Bestimmung  des  Art.  37  des  Bundes- 
gesetzes vom  8.  Februar  1872,  welche  die  Haftung  des  Fehl- 


B 

baren  auf  schwere  Fälle  beschränkt,  ist,  soweit  sie  die  civil- 
rechtiichen  Folgen  der  Uebertretung  des  Viehseuchengesetzes 
beschlägt,  durch  das  Bundesgesetz  über  das  Obligationen- 
recht  ausser  Kraft  gesetzt  worden,  da  sie  mit  dessen  Be- 
stimmungen, Art  50  ff.,  in  Widerspruch  steht  und  weder 
in  diesem  besetze  vorbehalten  ist,  noch  innere  Gründe  für 
eine  besondere  Regelung  dieser  Haftung  und  daher  für  die 
Fortexistens;  des  cit.  Art  37  vorhanden  sind  (vgl.  auch  Amtl. 
Samml.  der  bundesger,  Entsch.  Bd  XXII  8.  556  E.5).  (Entsch. 
vom  8.  Oktober  1897  û  S.  Frey  und  Genossen  c.  Weil.) 


5,  Art.  50,  55  0.  R.  Inwiefern  liegt  darin,  dass  dem  Drucke 
übergebme  Rectt  tsschriftm  oder  Beilagen  zu  solchen,  welche  Ehren- 
kr  anhingen  enthalten  ì  durch  die  Tagespresse  reproduziert  werden, 
eine  rechtswidrige  Handlung? 

En  matière  de  divulgation  par  les  journaux  de  pièces 
de  procédure  imprimées  (et  de  leurs  annexes)  dont  la  re- 
production et  la  communication  au  public,  soit  à  un  certain 
nombre  de  personne»  dans  le  public  n'ont  pas  eu  lieu  d'une 
manière  illicite,  on  doit  appliquer  les  mêmes  principes  qu'en 
ce  qui  concerne  les  comptes-rendus  donnés  par  les  journaux 
de  débats  judiciaires  publics,  également  accessibles  en  fait 
à  un  nombre  limité  d'auditeurs  seulement,  lorsque  ces  comptes- 
rendus  renferment  des  injures  entendues  par  leurs  auteurs. 
La  responsabilité  civile  ou  pénale  de  ces  derniers  n'est  en- 
gagée qu'en  tant  qu  il  est  démontré  que  l'on  n'a  pas  à  faire 
à  un  compte-rendu  objectif,  mais  qu'il  s'est  agi  essentielle- 
ment de  divulguer  des  propos  injurieux  et  qu'ainsi  l'auteur 
du  compte-rendu  a  agi  avec  dol  ou  intention  malicieuse. 
(Entsch.  vom  18.  September  1897  i.  S.  Héridier  c.  Journal  de 
Genève,) 


6.  Art.  55  0-  IL  Auf  eine  Entschädigungssumme  aus  Art.  55 
0.  K.  iH  dann  nicht  zu  erkennen,  wenn  eine  rechtswidrige  Ehren- 
krtinkung  zwat  vorliegt,  dieselbe  aber  eine  ernstliche  Erschütterung 
des  Hufes  und  der  Stellung  des  Angegriffenen  weder  bezweckte 
noch  zur  Folge  hattt  ;  dies  zumal  dann,  wenn  dem  Angegriffenen 
durch  Bestrafung  des  Beleidigers  eine  Genugtuung  bereits  ge- 
worden i$L 

(Entsch.  vom  29.  Oktober  1897  i.  S.  Dénériaz  c.  Bioley.) 


7.  Art.  182  0.  R.  Konventionalstrafe.  Richterliches  Ermäs- 
sigungsrecht.     Voraussetzungen. 

Die  in  Art.  182  0.  R.  dem  Richter  eingeräumte  Befugnis, 
übermässige  Konventionalstrafen  herabzusetzen,  ist,  wie  das 
Bundesgericht  bereits  in  Sachen  Gehrig  c.  Scheidegger  (Amtl. 
Samml.  XXI  S.  64  ff.)  und  Senn  c.  Oppliger  (das.  S.  1229) 
ausgesprochen  hat,  nicht  in  der  Weise  aufzufassen,  dass  der 
Richter  schlechthin,  in  Würdigung  der  Umstände,  zu  bestim- 
men hätte,  in  welcher  Höhe  die  Strafe  als  angemessen  und 
daher  zulässig  erscheine;  es  ist  vielmehr  von  diesem  Er- 
mässigungsrecht, weil  es  eine  Ausnahme  von  der  dem  Obli- 
gationenrecht zu  Grunde  liegenden  Regel  der  Vertragsfreiheit 
und  des  an  der  Spitze  des  Art.  182  0.  R.  stehenden  Grund- 
satzes, dass  die  Parteien  die  Konventionalstrafe  in  beliebiger 
Höhe  bestimmen  können,  bildet,  nur  dann  Gebrauch  zu 
machen,  wenn  die  Konventionalstrafe  sich  mit  den  Anforde- 
rungen der  Gerechtigkeit  und  Billigkeit  in  offenbarem  Wider- 
spruch befindet. 

In  Anwendung  dieses  Grundsatzes  wurde  vom  Bundes- 
gericht (im  Gegensatze  zu  der  Vorinstanz)  die  Ermässi- 
gung einer  Konventionalstrafe  von  Fr.  5000  abgelehnt,  welche 
dem  technischen  Direktor  einer  Fabrik  für  den  Bruch  eines, 
auf  die  Dauer  seiner  Anstellung  beschränkten,  Konkurrenz- 
verbotes auferlegt  worden  war.  Es  wurde  ausgeführt,  dass 
die  Strafe  weder  den  Verpflichteten  in  einer  allen  Forde- 
rungen der  Billigkeit  widersprechenden  Weise  beschwere 
noch  in  einem  offenbaren  Missverhältnisse  zu  dem  Interesse 
des  Berechtigten  stehe,  und  dass  gegen  ihre  Ermässigung 
auch  der  Umstand  spreche,  dass  der  Verpflichtete  dolos  ge- 
handelt habe.  (Entsch.  w  25.  September  1897  i.  S.  Gygi  c. 
Hydraulische  Kalk-  und  Gypsfabrik  Bärschwyl.) 


8.  Art.  338,  346  0  R.  Der  Arbeitgeber  ist  aus  dem  Dienst- 
Verträge  nur  zu  der  vertraglichen  Gegenleistung,  nicht  aber  zu 
Annahme  der  Dienste  des  Dienstpflichtigen  verpflichtet.  Eigen- 
mächtiges, nicht  durch  äusserste  Dringlichkeit  entschuldigtes,  Nehmen 
eines  Urlaubs  seitens  eines  Angestellten,  insbesondere  eines  Werk- 
führers einer  Fabrik,  qualifiziert  sich  als  wichtiger  Grund  zu  vor- 
zeitiger Auflösung  des  Dienstvertrages. 

Am  1.  Januar  1889  kam  zwischem  dem  Kläger  L.  A., 
welcher  seit  1887  bei  der  Beklagten,  Papierfabrik  P.,  als 
Werkführer  angestellt  war,  ein  schriftlicher  Vertrag  zu  Stande, 


io 

wonach  dem  A.  die  Stelle  eines  Oberwerkfiihrers  in  der  Pa- 
pierfabrik übertragen  wurde.  Der  Vertrag  wurde  auf  fünf 
Jahre  abgeschlossen  und  sollte  ein  weiteres  Jahr  fortdauern, 
sofern  er  nicht  ein  halbes  Jahr  zuvor,  also  jeweilen  am 
30.  Juni  desselben  Jahres,  gekündigt  würde.  Im  übrigen  ist 
über  die  Auflösung  wörtlich  bestimmt  (Art.  5  des  Vertrages): 
„Ein  Austritt  vor  dem  31.  Dezember  1893  kann  seitens  des 
Herrn  A.  nur  im  Einverständnis  mit  der  Papierfabrik  P.  er- 
folgen, widrigenfalls  derselbe  den  Verlust  der  hinterlegten 
Kaution  (von  Fr.  4000)  nach  sich  zöge;  ebenso  kann  die 
Papierfabrik  P.  Herrn  A.  nicht  vor  diesem  Termin  verab- 
schieden, sofern  nicht  ein  Zuwiderhandeln  gegen  die  Inter- 
essen der  Gesellschaft  in  absichtlicher  oder  fahrlässiger 
Weise  oder  ein  Vernachlässigen  derselben  vorliegt  und  be- 
wiesen werden  kann.  Erfolgte  der  Abschied  ohne  das  er- 
wiesene Vorhandensein  dieser  Gründe,  so  hat  die  Papierfabrik 
Herrn  A .  eine  Entschädigung  von  Fr.  4000  zu  leisten." 

Im  Frühjahr  1893  stellte  die  Fabrik  als  technischen 
Leiter  einen  L.  K.  an,  und  mit  diesem  scheint  A.  nicht  gut 
ausgekommen  zu  sein;  er  kündigte  den  Vertrag  Ende  Juni 
1893  auf  den  31.  Dezember  1893.  Am  Ü.  August  1893  zeigte 
A.  dem  Direktor  K.  mündlich  und  am  8.  desselben  Monats 
der  Papierfabrik  selbst,  unter  gleichzeitiger  Mitteilung  an  den 
Präsidenten  des  Verwaltungsrates,  schriftlich  an,  dass  er  die 
Geschäfte  gesundheitshalber  für  vier  Wochen  verlassen  müsse, 
und  am  10.  August  eine  Ferienreise  antreten  werde;  zugleich 
legte  er  dem  Prokuristen  0.  ein  ärztliches  Zeugnis  von  Dr. 
R.  St.  vor,  d.  d.  5.  August  1893,  des  Inhaltes,  „A.  zeige  eine 
Anzahl  nervöser  Symptome,  dass  es  als  eine  dringende  Indi- 
kation erscheine,  ihn  für  mindestens  vier  Wochen  von  den 
Geschäften  des  gänzlichen  zu  entfernen,  damit  er  sich  einiger- 
massen  erholen  könne."  Ohne  die  Bewilligung  eines  Ur- 
laubes abzuwarten,  verreiste  A.  dann  wirklich  am  10.  August. 
Als  er,  gemäss  einem  Schreiben  an  die  Fabrik,  vom  31.  Au- 
gust, am  11.  September  1893  seine  Arbeit  in  der  Fabrik 
wieder  aufnehmen  wollte,  erfolgten  Anstände  mit  der  Direk- 
tion und  dem  Verwaltungsrat,  die  dazu  führten,  dass  die 
Fabrik  sich  verpflichtete,  ihm  sein  Salär  bis  Ende  1893  zu 
bezahlen,  unter  Verzicht  auf  seine  weitern  Dienste.  Infolge- 
dessen verliess  A.  am  2.  Oktober  1893  Fabrik  und  Wohnung. 
Er  glaubte  indessen  Anspruch  auf  mehr  als  auf  das  von  der 
Fabrik  anerkannte  Salär  bis  Ende  Dezember  1893  zu  be- 
sitzen, und  erhob,  da  die  Fabrik  weitere  Ansprüche  bestritt, 
gegen    sie   Klage,    in    welcher   er   insbesondere  Zahlung   der 


11 

Konventionalstrafe  von  Fr.  4000  wegen  ungerechtfertigter  Ent- 
lassung, Art.  5  des  Vertrages,  verlangte. 

Dieser  Klageanspruch  wurde  abgewiesen,  aus  folgenden 
Gründen:  Einmal  hat  die  Beklagte  im  Prozesse  schon  von 
vornherein  anerkannt,  dem  Kläger  das  Salär  bis  Ende  De- 
zember 1893,  mit  welchem  Zeitpunkte  der  Dienstvertrag  so- 
wieso infolge  Kündigung  des  Klägers  ein  Ende  nahm,  zu 
schulden,  und  diese  Anerkennung  im  Prozesse  steht  durchaus 
im  Einklänge  mit  ihrem  Verhalten  nach  der  Rückkehr  des 
Klägers  im  September  1893;  auch  damals  hat  sie  ihm  Zah- 
lung seines  Gehaltes  bis  zum  Ablaufe  der  Dienstzeit  an- 
geboten, unter  Verzicht  auf  seine  Dienste.  Auf  mehreres 
aber,  insbesondere  auf  weitere  Annahme  seiner  Dienste,  hatte 
der  Kläger  keinen  Anspruch,  da  es  in  der  Natur  des  Dienst- 
vertrages liegt,  da8S  der  Arbeitgeber  jederzeit  auf  die  wirk- 
liche Abnahme  der  Dienste  verzichten  kann,  indem  die  Leis- 
tung der  Dienste  die  Pflicht,  nicht  ein  Recht  des  Arbeit- 
nehmers darstellt,  sein  Recht  aus  dem  Dien  st  vertrage  aber 
einzig  in  dem  Anspruch  auf  die  vertragliche  Vergütung  be- 
steht (Art.  338  0.  R.  und  dazu  das  Urteil  des  Bundesgerichts 
in  Sachen  Schou  c.  Dynamit  Nobel,  A.  S.  Bd  XV,  S.  317 
Erw.  4).  Unter  diesen  Umständen  —  da  der  Kläger  die  volle 
Gegenleistung  aus  dem  Dienstvertrage  erhält  —  ist  aber  für 
die  Anwendung  des  Art.  5  des  Vertrages  kein  Raum,  indem 
von  einer  vorzeitigen  Entlassung  gar  nicht  gesprochen  werden 
kann.  Uebrigens  müsste  die  Forderung  auf  Konventional- 
strafe auch  dann,  wenn  von  einer  vorzeitigen  Entlassung  des 
Klägers  durch  die  Beklagte  gesprochen  werden  könnte,  abge- 
wiesen werden.  In  diesem  Falle  wäre  es  nach  dem  Vertrage  — 
in  Uebereinstimmung  mit  dem  Gesetze,  Art.  346  0.  R.  (vgl. 
Hafner,  Komm.  2.  Aufl.  zu  Art.  346  Anm.  4)  —  Sache  der 
Beklagten,  als  Arbeitgeberin,  gewesen,  das  Vorhandensein 
wichtiger  Gründe  zur  vorzeitigen  Entlassung,  und  zwar  aus- 
schliesslich der  im  Vertrage  genannten  Gründe,  zu  beweisen; 
und  nun  hat  sie  diesen  Beweis  nicht  nur  angetreten,  sondern 
auch  geleistet.  In  dieser  Hinsicht  hat  nämlich  die  Beklagte 
namentlich  den  eigenmächtigen  Urlaub  des  Klägers  vom 
10.  August  bis  10.  September  1893  als  wichtigen  Grund  zur 
Entlassung  geltend  gemacht;  und  nun  muss  ihrer  Auffassung 
in  diesem  Punkte  durchaus  beigetreten  werden.  Denn  wenn 
auch  der  Gesundheitszustand  des  Klägers  im  Sommer  1893 
wirklich  einen  Urlaub  erfordert  hätte  ■ —  was  nach  der  von 
der  Vorinstanz  acceptierten  Feststellung  der  ersten  Instanz 
aus    dem   Zeugnisse   des  Dr.  St.  keineswegs   mit   genügender 


12 

Klarheit  hervorgeht  —  so  wäre  es  doch  seine  Pflicht  als  An- 
gestellter gewesen,  die  Bewilligung  des  Urlaubes  von  dem 
zuständigen  Vorgesetzten  abzuwarten,  eine  Pflicht,  von  der  er 
höchstens  im  Falle  äusserster  Dringlichkeit  hätte  entbunden 
werden  können,  welcher  Fall  hier  gänzlich  ausgeschlossen 
ist.  Darin  nun,  dass  er  diese  Bewilligung  nicht  abwartete, 
sondern  sich  eigenmächtig  auf  Urlaub  begab,  liegt  ein  so 
schwerer  Verstoss  gegen  seine  Dienstpflichten,  dass  der  Be- 
klagten die  weitere  Annahme  seiner  Dienste  nicht  mehr  zu- 
gemutet werden  konnte;  und  dieser  Verstoss  enthielt  auch 
ganz  insbesondere  ein  Zuwiderhandeln  gegen  die  Interessen 
der  Beklagten  und  ein  Vernachlässigen  derselben;  der  Gang 
der  Geschäfte  musste  notwendigerweise  unter  der  plötzlichen 
längern  Abwesenheit  des  mit  der  wichtigen  Stelle  eines 
Oberwerkführers  betrauten  Klägers  leiden,  und  die  Disziplin 
in  der  Fabrik  der  Beklagten,  eine  der  Grundsäulen  eines 
jeden  Fabriketablissements,  wurde  durch  das  Vorgehen  des 
Klägers  notwendigerweise  erschüttert.  Sonach  könnte  von 
einem  Anspruch  auf  die  Konventionalstrafe  eventuell  auch 
deswegen  keine  Rede  sein,  weil  der  Beklagten  vertragliche 
Gründe  zur  vorzeitigen  Entlassung  des  Klägers  zur  Seite 
standen.  (Entsch.  vom  22.  Oktober  1897  i.  S.  Akesson  c. 
Papierfabrik  Perlen.) 


9.  Art.  350 ,  352  Abs.  1 ,  358  Abs.  2  0.  R.  Begriff  des 
Werkvertrags.  Haftung  des  Unternehmers  für  die  Olite  des  von 
ihm  geliefertm  Stoffes,  wenn  diestr  der  Art  nach  im  Werkver- 
träge bestimmt  ist.  Pflicht  des  Unternehmers,  den  {nicht  sach- 
verständigen) Bauherrn  auf  Mängel  des  gewählten  Stoffes  auf- 
merksam zu  machen. 

Durch  Vertrag  vom  15.  Juli  1895  übernahm  der  Be- 
klagte, Steinhauermeister  H.,  die  Steinhauerarbeit  für  einen 
Neubau,  den  der  Kläger  F.  auf  seinem  Grundstücke  in  Enge 
ausführen  Hess,  und  zwar  zum  Einheitspreise  von  Fr.  150 
per  ni3  fertiger  Arbeit  mit  Einschluss  der  Frankolieferung  zur 
Baustelle.  In  dem  Vertrag  ist  bestimmt:  „Es  ist  diese  Ar- 
beit, für  Vorder-  und  Seitenfront  vom  oben  erwähnten  Neubau 
von  dem  sog.  „Muralt'schen"  grauweissen  fabrizierten  Stein 
in  nur  sauberer,  solider  und  genau  planmässiger  Ausführung 
zu  liefern."  Im  Januar  1896  machten  sich  in  dem  vom  Be- 
klagten gelieferten  Kunststeinmaterial  Bisse  und  Sprünge  be- 
merkbar, die  sich  im  Laufe  der  Zeit  mehrten  und  einige 
Reparaturarbeiten  nötig  machten.    Das  Bundesgericht  hat  die 


13 

vom  Besteller  gestützt  auf  Art.  358  Abs.  2  0.  R.  erhobene 
Klage  grundsätzlich  gutgeheissen.  Aus  den  Gründen  ist  her- 
vorzuheben: 

1.  Auch  der  Vertrag  über  die  Herstellung  eines  körper- 
lichen Arbeitsprodukts,  welches  zur  Fertigstellung  eines  an- 
dern Werkes  gehört,  wie  z.  B.  die  Maurer-  und  Steinhauer- 
arbeiten zu  einem  bestimmten  Bau,  qualifiziert  sich  als  Werk- 
vertrag, wenn  nur  Inhalt  des  Vertrages  nicht  die  Arbeit  als 
solche,  sondern  das  Resultat  der  Arbeit,  die  durch  die  Arbeit 
hergestellte  Sache,  ist  (s.  Hafner,  Komment,  z.  Oblig.-Recht, 
2.  Aufl.,  Art.  350  Anm.  3),  und  dies  trifft  im  vorliegenden 
Falle  unbestreitbar  zu. 

2.  Da  der  Beklagte  die  Lieferung  der  Steine  übernommen 
hat,  haftet  er  nach  Art.  352  O.  R.  für  die  Güte  derselben,  so- 
weit nicht  vertraglich  etwas  abweichendes  bestimmt  worden 
ist.  Eine  Modifikation  dieser  gesetzlichen  Haftung  erblickt 
nun  der  Beklagte  darin,  dass  ihm  im  Vertrage  die  Art  des 
zu  liefernden  Stoffes  vorgeschrieben  worden  sei.  Nach  dem 
Vertrage  habe  er  Muralt'sche  Kunststeine  zu  liefern  gehabt, 
und  dieser  Verpflichtung  sei  er  nachgekommen,  für  die  Güte 
dieser  Kunststeine  habe  er  keine  Garantie  übernommen.  Hier- 
über ist  zu  bemerken:  Ist  im  Vertrage  der  zum  Werke  zu 
verwendende  Stoff  bezeichnet,  so  gehört  diese  Bezeichnung 
zur  Bestimmung  der  Natur  des  Werkes;  es  wird  damit  eine 
Eigenschaft  des  Werkes  angegeben,  deren  Bestimmung  Sache 
des  Bestellers  ist  und  wobei  der  Unternehmer  nur  insoweit 
mitzuwirken  hat,  als  ihm  nach  den  den  Werkvertrag  beherr- 
schenden Grundsätzen  der  bona  fides  die  Verpflichtung  ob- 
liegt, den  nicht  sachverständigen  Besteller  in  seiner  Wahl  zu 
leiten,  ihn  auf  das  mit  der  Wahl  eines  bestimmten  Stoffes 
alifällig  verbundene  Risiko  aufmerksam  zu  machen.  Die  Ver- 
wendung des  im  Vertrag  bezeichneten  Stoffes  gehört  dem- 
nach zur  Vertragserfüllung  des  Unternehmers,  und  dieser  kann 
für  Nachteile,  welche  sich  aus  der  Wahl  desselben  ergeben, 
nur  dann  verantwortlich  gemacht  werden,  wenn  er  es  unter- 
lassen hat,  den  Besteller  über  allfällige  bedenkliche  Konse- 
quenzen seiner  Wahl  aufzuklären,  während  der  letztere  im 
Vertrauen  auf  die  Gewissenhaftigkeit  und  Sachkenntnis,  die 
von  einem  Unternehmer  des  betreffenden  Faches  verlangt 
werden  muss,  sich  auf  eine  solche  Aufklärung  gegebenen 
Falls  verlassen  durfte.  Demnach  muss  bei  der  Frage,  in 
welchem  Masse  der  Beklagte  für  die  Mängel,  die  sioh  an  dem 
von  ihm  gelieferten  Steinmaterial  gezeigt  haben,  hafte,  zu- 
nächst geprüft  werden,   ob    es   sich    bei   diesen  Mängeln  um 


14 

Eigenschaften  handle,  die  mit  dem  gewählten  Kunststein 
untrennbar  verbunden  sind,  um  Mängel,  die  dieser  Art  von 
Baumaterial  überhaupt  anhaften,  oder  ob  die  Mängel  ledig- 
lich daher  rühren,  dass  der  Beklagte  die  vorgeschlagene  Sorte 
in  zu  geringer  Qualität  geliefert  habe,  ob  also  die  Mängel  auf 
einem  Fehler  in  der  Auswahl  der  Art  des  zu  verwendenden 
Materials,  der  Sorte,  oder  auf  einem  Fehler  in  der  Auswahl 
der  einzelnen  Stücke  dieser  letztern  beruhen.  Im  letzteren 
Falle  hattet  der  Beklagte,  da  er  die  Lieferung  des  Materials 
übernommen  hat,  für  die  Mängel.  Er  ist  gemäss  Art.  352 
0.  R.  für  Lieferung  des  vorgeschriebenen  Materials  in  guter 
Qualität  wie  ein  Verkäufer  verantwortlich,  und  hat  deshalb 
für  diejenigen  Mängel  einzustehen,  die  der  vorgeschriebenen 
Steinsorte  nicht  schon  an  und  für  sich  eigen  sind,  sondern 
ihre  Ursache  in  der  besonderen  Beschaffenheit  der  gelieferten 
Stücke,  in  mangelhafter  Fabrikation  derselben  haben.  Im 
erstem  Falle  dagegen  haftet  er  nur,  wenn  er  pflichtwidrig 
unterlassen  hat,  den  Kläger  auf  die  dem  gewählten  Kunst- 
stein überhaupt  immanenten  Mängel  aufmerksam  zu  machen. 
(Entsch.  vom  5.  November  1897  i.  S.  Hellmann  c.  FürsO 


10.  Art.  403  0  R.  Art.  207  B.-Ges.  betr.  Schuldbetreibung 
und  Konkurs.  Wv/csamkeit  der  vom  Anwalt?  eines  Konkur  siten 
nach  Ausbruch  des  Konkurses  eingelegten,  von  der  Konkursmasse 
genehmigten  Berufungsei klärung. 

in  der  Sache  des  Gr.  K.  gegen  A.  E.  und  D.  R.  hatte  der 
Anwalt  St.  namens  des  G.  K.  gegen  ein  am  5.  April  1897 
mitgeteiltes  Urteil  des  Bernischen  Appellations-  und  Kassa- 
tionshofes am  25./26.  April  die  Berufung  an  das  Bundesgericht 
erklärt.  Am  26.  April  teilte  das  Betreibungs-  und  Konkursamt 
Basel  dem  Bundesgerichte  mit,  dass  K.  am  17.  gl.  Mts.  in 
Basel  in  Konkurs  geraten  sei,  und  beantragte  unter  Berufung 
auf  Art.  207  des  Betreibungs-  und  Konkursgesetzes  Sistierung 
des  Prozesses  bis  zur  zweiten  Gläubigerversammlung,  welchem 
Begehren  entsprochen  wurde.  Am  16.  Juli  1897  beschloss 
die  zweite  Gläubigerversammlung  die  Fortsetzung  des  Pro- 
zesses, wovon  das  Betreibungs-  und  Konkursamt  dem  Bundes- 
gerichte sofort  Kenntnis  gab.  Bei  der  bundesgerichtlichen 
Verhandlung  beantragte  der  Anwalt  der  Berufungsbeklagten, 
es  sei  auf  die  Berufung  nicht  einzutreten,  weil  dieselbe  nicht 
in  der  gesetzlichen  Form  eingelegt  worden  sei.  Die  vom  An- 
walte St.  namens  des  K.  eingelegte  Berufungserklärung  sei 
nichtig,  weil  über  K.  damals  bereits  der  Konkurs  ausgebrochen 


15 

gewesen  sei  und  daher  St.  nicht  mehr  als  sein  Bevollmäch- 
tigter habe  betrachtet  werden  können.  Allerdings  sei  durch 
den  Konkursausbruch  der  Lauf  der  Berufungsfrist  unter- 
brochen worden;  sie  habe  aber  mit  dem  16.  Juli  wieder  zu 
laufen  angefangen,  und  seitens  des  Betreibungs-  und  Kon- 
kursamtes sei  vor  Ablauf  derselben  keine  den  gesetzlichen 
Erfordernissen  entsprechende  Berufungserklärung  eingelegt 
worden.  Das  Bundesgericht  erklärte  die  Berufung  als  rich- 
tig eingelegt,  indem  es  ausführte:  Es  ist  richtig,  dass  der 
Kläger  vor  Ablauf  der  Berufungsfrist,  und  bevor  die  Beru- 
fung durch  Fürsprech  St.  erklärt  worden  war,  in  Konkurs 
geraten  ist.  Damit  war  jedoch  diese  Berufungserklärung 
nicht  wirkungslos.  Denn  mangels  entgegenstehender  pro- 
zessualer Vorschriften  muss  auch  für  die  Vertretung  in  der 
Prozesstührung  Art.  403  0.  R.  Anwendung  finden,  wonach 
zwar  das  Mandat  durch  den  Konkurs  des  Auftraggebers  er- 
lischt, der  Beauftragte  jedoch,  so  oft  durch  das  Erlöschen 
des  Auftrages  eine  Gefahr  für  das  Geschäft  eintritt,  so  lange 
für  die  Fortführung  des  Geschäftes  zu  sorgen  verpflichtet  ist, 
bis  der  gesetzliche  Vertreter  des  Auftraggebers  in  der  Lage 
ist,  es  selbst  zu  thun.  Hienach  war  Fürsprech  St.  als  bis- 
heriger Anwalt  des  Klägers  in  dieser  Sache  unzweifelhaft 
bevollmächtigt,  namens  des  Klägers,  und  mit  rechtsverbind- 
licher Wirkung,  vorbehaltlich  ihrer  Ratifikation,  auch  für 
dessen  Konkursmasse  die  Berufung  zu  erklären.  Einer  er- 
neuten Berufungserklärung  durch  die  Vertretung  der  Konkurs- 
masse bedurfte  es  somit  nicht  mehr,  sondern  lediglich,  ge- 
mä«s  Art.  207  Schuldbetr.-  und  Konk.-Ges ,  der  zehn  Tage 
nach  der  zweiten  Gläubigerversammlung  abzugebenden  Er- 
klärung, dass  der  Prozess  fortgesetzt,  die  Berufung  also  ra- 
tifiziert werde.  (Entseh.  vom  U  Oktober  1897  i.  S.  Konkurs- 
masse Kohler  c.  Engel  &  Ruef.) 


ii.  Art.  392,  405  0.  R.  Wann  ist  der  Maklerlohn  ver- 
dimtt 

Wie  das  Bundesgericht  wiederholt  ausgesprochen  hat, 
gilt  der  Maklerlohn  (abgesehen  von  abweichender  Abrede  der 
Parteien)  als  verdient,  wenn  der  beabsichtigte  Endzweck  der 
Maklerthätigkeit,  nämlich  das  Zustandekommen  des  Kaufver- 
trages, durch  diese  Thätigkeit  herbeigeführt  worden  ist.  (S. 
Entscheidung  des  Bundesgerichts  in  Sachen  Blanchard  &  Oie 
gegen  Bony  &  Kons,  vom  2.  Dezember  1893,  Amtl.  Samnilg 
Bd  XIX  S.  883,  und  in  Sachen  Fritschi  c.  Blinde  vom  30.  De- 


16 


zember  1895,  Amtl.  Sammig  Bd  XXI  S.  1242  E.  4.)  VergL 
auch  Staub,  Komm.  z.  dtsch.  H.  G.  B.  4.  Aufl.  S.  134  §  8  ff. 
(Entsch.  vom  16.  Oktober  1897  i.  S.  Held  c.  Essig.) 


12.  Art.  lì,  491  0.  R.  Afübürgschaft  für  einen  und  den- 
selben  Teil  einer  Schuld  oder  Mehrheit  von  Alleinbürgschaftent 
Beweislast.    Form  der  Mitbürgschaft. 

U.  K.  hatte  vertragsgemäss  der  klägerischen  Gesellschaft 
bei  Uebernahme  der  Generalagentur  derselben  für  das  Gebiet 
des  Kantons  Zürich  für  seine  Geschäftsführung  solvente  Bürg- 
schaft   in   Höhe   von  Fr.  5000   zu  stellen.      Als  Bürgen    ver- 
pflichteten sich  fur  alle  Forderungen,  welche  der  Gesellschaft 
gegen  den  Agenten  erwachsen  würden,  bis  zu  diesem  Betrage 
(neben  andern   Personen)    der   Beklagte    U.  K.  sowie   K.  W.r 
und  zwar  durch  zwei  besondere,   zu  verschiedenen  Zeiten  aus- 
gestellte Bürgscheine,   in  welchen  auf  das  Vorhandensein  von 
Mitbürgen  kein  Bezug   genommen    ist.     Nachdem  der  Agent 
U.  K.  der   Klägerin    über  Fr.  7000    schuldig    geworden    war, 
bezahlte  der  Bürge  K.  W.  den  Betrag  von   Fr.  5000,   worauf 
er  belangt  worden  war.     Für  den  Rest  der  Schuld  klagte  die 
Gesellschaft  gegen  den  Bürgen  U.  K.,  welcher  die  Forderung 
bestritt,  weil  die  Schuld,   für  die  er  sich  verbürgt  habe,  durch 
die  Zahlung  des  K.  W.  getilgt  sei.    Die  kantonalen  Instanzen 
hiessen    diese  Einrede  gut,   indem    sie  ausführten,   es  ergebe 
sich  aus  den  Umständen,  dass  U.  K.  und  K.  W.  sich  als  Mit- 
bürgen für   diejenigen  Fr.  5000,  für  welche  der  Agent  U.  K. 
Bürgschaft  zu  stellen  verpflichtet  gewesen  sei,  verbürgt  haben. 
Die  Klägerin   machte,    bei  ihrer  Berufung  an  das  Bundesge- 
richt, u.  a.  geltend,  diese  Entscheidung  Verstösse  gegen  Art.  11 
und  491  0.  R.    Dieselbe    könne   sich   nur   darauf  stützen,  es 
sei    zwischen   den    Parteien   mündlich    die    Vereinbarung  ge- 
troffen worden,  der  Beklagte  hafte  nur  für  eine  bestimmt  be- 
grenzte Hauptschuld  und  zwar  gemeinsam  mit  andern  Bürgen» 
Eine  solche,  mit  dem  klar  verurkundeten  Inhalte  der  an  eine 
Solennitätsform   gebundenen    Bürgschaftsverpflichtung    unver- 
einbare Uebereinkunft  aber  hätte  rechtswirksam  nur  schrift- 
lich, niemals  aber  bloss  mündlich  getroffen  werden  können. 
Das    Bundesgericht   hat   die  Berufung    abgewiesen,  indem  es 
ausführte:     Die  streitige  Frage  lässt  sich  dahin  präzisieren: 
Hat   sich    der    Beklagte  für   dieselbe    Hauptschuld    verbürgt, 
für  welche  K.  W.  sich   verbürgt  hat  und  die  von  diesem  be- 
zahlt worden  ist,   liegt  m.  a.  W.  eine  Mitbürgschaft    für  eine 
und  dieselbe  Hauptschuld  vor,  oder  hat  sich  jeder  der  beiden 


17 

Bürgen,  der  Beklagte  und  K.  W.,  als  Alleinbürge  für  den 
Betrag  von  Fr.  5000  verbürgt?  — .  Mit  Recht  hat  die  erste 
Instanz  dem  Beklagten  den  Beweis  für  die  von  ihm  be- 
hauptete Bedeutung  des  Bürgscheines  auferlegt,  da  es  sich 
um  den  Beweis  einer  eigentlichen  Einrede,  eines  selbstän- 
digen Aufhebungsgrundes  der  von  ihm  eingegangenen  Obli- 
gation handelt.  Fragt  es  sich  nun,  ob  dieser  Beweis  ge- 
leistet sei,  so  ist  vorerst  zu  konstatieren,  dass  aus  den  Bürg- 
scheinen allein,  aus  dem  Wortlaute  derselben,  nichts  be- 
stimmtes gefolgert  werden  kann,  weder  zu  Gunsten  der  einen 
noch  zu  Gunsten  der  andern  Auffassung;  ganz  besonders  ist 
nicht  richtig,  dass  nur  die  Ansicht  der  Klägerin  grammati- 
kalisch und  logisch  möglich  sei.  Die  Bürgschaftsurkunde 
sagt  lediglich,  der  Beklagte  bürge  für  die  Schulden,  des 
Agenten  U.  K.  gegenüber  der  Klägerin,  und  zwar  nur  bis 
zum  Betrage  von  Fr.  5000;  ob  er  als  Allein-  oder  aber  als 
Mitbürge  hafte,  darüber  sagt  die  Urkunde  nichts,  und  nun 
darf  Art.  49t  0.  R.  nicht  etwa  in  dem  Sinne  ausgelegt  wer- 
den, dass  auch  die  Mitbürgschaft;  ausdrücklich  auf  ein  und 
derselben  Urkunde  schriftlich  erwähnt  sein  müsse,  um  (als 
Mitbürgschatt)  gültig  zu  sein.  Die  Vorinstanzen  haben  daher 
mit  vollem  Recht  bei  der  Auslegung  des  streitigen  Bürg- 
scheins nicht  nur  dessen  Wortlaut,  sondern  die  Gesamtheit 
der  Umstände  zu  Grunde  gelegt.  (Entsch.  vom  9.  Oktober 
1897  i.  S.  Lebensversicherungsbank  Teutonia  c.  Krebser.) 


13.  Art.  896  0.  B.  Lebensversicherungsvertrag.  Inwiefern 
zieht  der  Selbstmord  des  Versicherten  die  Verwirkung  des  An- 
spruchs auf  die   Versicherungssumme  nach  sieht    Beweislast. 

1.  Die  Haftung  des  Versicherers  beim  Lebensversiche- 
rungsvertrage kann  gültig  auch  für  den  Fall  einer  in  unzu- 
rechnungsfähigem Zustande  begangenen  Selbstentleibung  des 
Versicherten  ausgeschlossen  werden.  Wenn  dies  jedoch  in 
der  Police  nicht  ausdrücklich  ausgesprochen  ist,  so  ist  die 
Policeklausel,  dass  der  Anspruch  auf  die  Versicherungs- 
summe im  Falle  des  Selbstmordes  des  Versicherten  dahin - 
falle,  nur  auf  die  in  zurechnungsfähigem  Zustande  be- 
gangene Selbstentleibung  zu  beziehen.  Der  Anspruch  auf  die 
Versicherungssumme  bleibt  daher  bei  einem  in  unzurechnungs- 
fähigem Zustande  begangenen  Selbstmorde  bestehen  und  zwar 
mangels  einer  entgegenstehenden  ausdrücklichen  Bestimmung 
der  Police  nicht  nur  dann,  wenn  der  Versicherte,  als  er  seinen 


18 

Tod  herbeiführte,  sich  der  todbringenden  Folge  seines  Thuns 
gar  nicht  mehr  bewusst  war,  sondern  auch  dann,  wenn  er 
zwar  das  Bewusstsein  der  Kausalität  seiner  Handlung  hatte, 
allein  infolge  einer  geistigen  Erkrankung  der  Freiheit  des 
Willens  beraubt  war;  immerhin  musa,  um  die  Anwendbarkeit 
der  Verwirkungsklausel  der  Police  auszuschliessen,  die  gei- 
stige Erkrankung  derart  gewesen  sein,  dass  sie  die  Freiheit 
der  Willensbestimmung  völlig  ausschloss  und  die  entscheidende 
Ursache  des  Selbstmordes  war,  nicht  nur  die  Zurechnungs- 
fähigkeit verminderte  und  nebensächlich  neben  andern  Mo- 
tiven dazu  mitwirkte,  den  Entschluss  der  Selbsttötung  her- 
beizuführen. 

2.  Der  Grundsatz,  dass,  mangels  einer  entgegenstehen- 
den ausdrücklichen  Bestimmung  der  Police,  bei  in  unzurech- 
nungsfähigem Zustande  begangenem  Selbstmorde  die  Ver- 
sicherung bestehen  bleibt,  gilt  auch  dann,  wenn  die  Unan- 
fechtbarkeit der  Police  nach  Ablauf  einer  bestimmten  Anzahl 
von  Jahren  stipuliert  ist  und  der  Selbstmord  vor  Ablauf  dieser 
Frist  erfolgte. 

3.  Dagegen  trifft  die  Beweislast  dafür,  dass  die  (unbe- 
strittene oder  nachgewiesene)  Selbsttötung  in  unzurechnungs- 
fähigem Zustande  erfolgte  und  folglich  nicht  unter  die  Ver- 
wirkungsklausel der  Police  fallt,  denjenigen,  der  aus  dem 
Versicherungsvertrage  Rechte  für  sich  herleitet.  (Entsch.  vom 
8.  Oktober  1897  i.  8.  Versicherungsgesellschaft  La  Genevoise 
c.  Huguenin.) 


14.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  48,  Ziffer  4.  Bundesgesetz  über  das  Ver- 
fahren bei  dem  Bundesgerichte  in  bürgerlichen  Rechtsstreitigkeüen 
vom  22.  November  1850  7  Art.  41.  Zulässigkeü  der  (positiven)  Fest- 
stellungsklage.   Voraussetzungen  derselben. 

Die  beklagten  schweizerischen  Rheinsalinen  sind  Inhaber 
von  drei  Konzessionen,  d.  d.  20.  Juni  1844,  31.  August  1846 
und  24.  Juli  1863,  durch  welche  ihnen,  resp.  ihren  Rechts- 
vorfahren, vom  Kanton  Aargau  das  Recht  eingeräumt  worden 
ist,  auf  ihrem  Grundeigentum  das  von  ihnen  entdeckte  und 
noch  zu  entdeckende  Salz  auszubeuten,  und  zu  diesem  Behufe 
eine  Saline  zu  errichten.  Durch  Verträge  vom  19./20.  Christ- 
monat 1871  und  6./12.  Oktober  bezw.  24.  November  1886 
haben  sie,  bezw.  ihre  Rechtsvorgänger,  sich  gegenüber  dem 
Kanton  zu  erheblichen  Mehrleistungen  über  die  konzessions- 
mä88ige  Abgabe  hinaus  verpflichtet,  mit  der  Massgabe  indess, 


19 

dass  diese  Mehrleistungen  dahinfallen  sollen,  wenn  der  Kanton 
weitere  Eonzessionen  erteilt. 

Am  20.  Juni  1893  stellten  C.  V.  in  Z.  und  Z.  &  Cie  in 
A.  beim  aargauischen  Grossen  Rate  das  Gesuch,  derselbe 
wolle  ihnen,  ohne  besondere  Auflage,  die  übertragbare  Eon- 
zession erteilen,  das  von  C.  V.  entdeckte  Salzlager  in  seiner 
ganzen  Ausdehnung  im  Bezirke  Z.  lediglich  zur  technisoh- 
industriellen  Verwertung  auszubeuten.  Da  jedoch  die  Be- 
klagten für  den  .Fall  der  Erteilung  dieser  Eonzession  die 
Hinfälligkeit  der  dem  Eanton  Aargau  durch  die  Verträge 
vom  19./20.  Dezember  1871  und  6./12.  Oktober  1886  einge- 
räumten Vorteile  behaupteten,  fand  am  12.  März  1894  in 
Ölten  eine  Konferenz  des  aargauischen  Finanzdirektors  mit 
Vertretern  der  Beklagten  statt,  welche  indessen  zu  keiner 
Verständigung  führte;  mit  Zuschrift  vom  16.  März  1894  be- 
stätigte die  Direktion  der  Beklagten  der  aargauischen  Finanz* 
direktion  auf  ihren  Wunsch  noch  schriftlich,  dass  die  projek- 
tierte Eonzession  an  die  Herren  V.  und  Z.  als  eine  weitere 
Eonzession  im  Sinne  von  §  5  des  Vertrages  vom  Jahre  1886 
betrachtet  würde. 

Gemäss  einem  Beschluss  des  Grossen  Rates  vom  6.  Fe- 
bruar 1895  reichte  der  Regierungsrat  des  Kantons  Aargau 
am  26.  Juli  1895  dem  Bundesgerichte  Elage  ein  mit  dem 
Rechtsbegehren  : 

„Es  sei  gerichtlich  zu  erkennen,  dass  der  Eanton  Aargau 
berechtigt  sei,  unbeschadet  den  Mehrleistungen,  welche  die 
Verträge  vom  19./20.  Dezember  1871  und  6./12.  Oktober  1886 
mit  Nachtrag  vom  11.  März  1887  den  schweizerischen  Rhein- 
salinen auferlegen,  zur  Ausbeutung  des  Salzlagers  bei  Kob- 
lenz-Elingnau  einem  Dritten  eine  übertragbare  Eonzession  zu 
erteilen,  nach  weloher  dem  Konzessionär  unter  noch  näher 
zu  bestimmenden  Bedingungen: 

a)  die  Erlaubnis  erteilt  wird,  auf  einem  bestimmt  be- 
grenzten Grubenfeld  Salz  auszubeuten,  jedoch  nur  in  dem- 
jenigen Umfange,  welcher  zur  Herstellung  chemischer  Pro- 
dukte in  den  an  der  Gewinnungsstelle  zu  errichtenden  Fa- 
briken erforderlich  ist; 

b)  dagegen  die  Abgabe  von  Salz  zum  Genüsse,  zur 
Düngung  oder  zu  gewerblichen  und  industriellen  Zwecken, 
sowie  von  Soole,  Haierde  und  allen  mit  dem  Salinenbetrieb 
verbundenen  Nebenprodukten  untersagt  wird." 

Die  Beklagten  bestritten  die  Statthaftigkeit  dieser  Pest- 
stellungsklage. Ueber  deren  Zulässigkeit  ist  in  der  bundes- 
gerichtlichen Entscheidung  bemerkt: 


20 

Die  Voraussetzungen  des  Art.  48  Ziff.  4  O.-G.,  auf  wel- 
chen der  Kläger  die  Kompetenz  des  Bundesgerichtes  stützt,, 
sind  unbestritten  und  unbestreitbar  nach  allen  Richtungen 
vorhanden.  Die  Zuständigkeit  des  Sundesgerichtes  ist  also 
begründet.  Dass  zu  den  civilrechtlichen  Streitigkeiten  im 
Sinne  dieser  Gesetzesbestimmung  auch  Feststellungsklagen 
gehören,  und  zwar  sowohl  positive  als  negative,  ist  vom  Bun- 
desgericht schon  wiederholt  anerkannt  wurden  (s.  z.  B.  bun- 
desgerichtl.  Entsch.,  A  mtl.  Samml.  Bd  VI,  S.  324;  VII,  198; 
XIII,  348  Erw.  3;  XIV,  369  Erw.  4,  und  718). 

In  casu  handelt  es  sich  um  eine  positive  Feststellungs- 
klage, indem  das  Rechtsbegehren  des  Klägers  auf  gerichtliche 
Anerkennung,  Feststellung  seines  Rechtes  geht,  die  ihm  durch 
die  Verträge  mit  den  Beklagten  vom  Jahre  1871  und  1886 
zugesicherten,  über  die  konzessionsmässige  Abgabe  hinaus- 
gehenden Vermögensvorteile  von  den  Beklagten  auch  dann 
verlangen  zu  können,  wenn  er  den  Herren  V.  und  Z.  die  im 
Rechtsbegehren  bezeichnete  Konzession  erteile.  Die  Zulässig- 
keit  einer  solchen  Feststellungsklage  ist  nach  der  bundes- 
gerichtlichen Praxis  (s.  die  oben  angeführten  Entscheidungen) 
anzuerkennen,  sofern  der  Kläger  ein  rechtliches  Interesse  an 
der  alsbaldigen  Feststellung  des  Rechtsverhältnisses  darthun 
kann.  Mit  Unrecht  haben  die  Beklagten  die  Unstatthaftigkeit 
derselben  aus  Art.  41  der  eidgenössischen  C.-P.-O.  herleiten 
wollen.  Denn  dieser  Artikel  enthält,  wie  sich  schon  aus  der 
Ueberschrift  desselben  klar  ergiebt,  nur  das  Verbot  zu  Auf- 
forderung der  Klage,  und  in  casu  liegt  eine  solche  Aufforde- 
rung nicht  vor.  Nicht  zu  erörtern  ist  hier  die  Frage,  ob 
nicht  in  der  negativen  Feststellungsklage  eine  Umgehung  dea 
in  Art.  41  ausgesprochenen  Verbotes  zu  erblicken  sei,  inso- 
fern dieselbe  sich  nicht  auf  die  Behauptung  eines  in  der 
Person  des  Klägers  zu  schützenden  konkreten  Rechtes  grün- 
det, sondern  den  Rechtsschutz  durch  Abwehr  eines  vom  Be- 
klagten angemassten  Privatrechts  bezweckt,  und  daher  der 
Beklagte  allerdings  in  die  Lage  kommen  kann,  die  Existenz 
des  von  ihm  behaupteten,  vom  Kläger  aber  verneinten  sub- 
jektiven Rechtes  zu  beweisen,  sofern  —  was  bekanntlich 
streitig  ist,  in  casu  aber  unerörtert  bleiben  kann  —  nicht 
dem  Kläger  der  Beweis  des  Nichtbestehens  des  vom  Be- 
klagten angesprochenen  Rechtes  aufzulegen  ist.  Denn  hier 
liegt,  wie  bemerkt,  eine  positive  Festatellungsklage  vor,  und 
bei  dieser  handelt  es  sich  um  ein  subjektives  Recht,  welches 
vom  Kläger  gegenüber  den  Beklagten  beansprucht  wird;  mit 
der   positiven  Feststellungsklage   wird    also  Feststellung  des 


21 

subjektiven  Rechtes  des  Klägers  verlangt,  und  kann  daher 
gegen  deren  Zulässigkeit  Art.  41  cit.  jedenfalls  nicht  ange- 
rufen werden.  Es  kann  sich  also  nur  fragen,  ob  der  Kläger 
-ein  rechtliches  Interesse  an  der  alsbaldigen  Feststellung  des 
fraglichen  Rechtsverhältnisses  besitze.  Die  Beklagten  be- 
streiten, dass  diese  Voraussetzung  in  casu  vorhanden  sei,  in- 
dem sie  in  erster  Linie  geltend  machen,  sie  haben  das  ein- 
geklagte Recht  des  Klägers  bis  jetzt  weder  verletzt  noch 
bestritten.  Nun  ist  zwar  richtig,  dass  die  Beklagten  kein 
Recht  des  Klägers  verletzt  haben;  allein  die  Peststellungs- 
klage unterscheidet  sich  eben  von  der  Leistungsklage  gerade 
•dadurch,  dass  sie  nicht  Rechtsschutz  gegen  eine  vorausge- 
gangene Verletzung  bezweckt,  sondern  die  Sicherung  von 
Rechten  mittelst  Feststellung  des  Rechtsbestandes.  Die  Fest- 
stellungsklage setzt  daher  nur  eine  Bedrohung  oder  Gefähr- 
dung, und  nicht,  wie  die  Leistungsklage,  welche  sich  auf 
Befriedigung  eines  Rechtes  richtet,  eine  Verletzung  desselben 
voraus  (s.  z.  B.  Wach,  Feststellungsanspruch,  S.  52  ff;  Kohler, 
prozessrechtliche  Forschungen,  8.  63  f.).  Das  rechtliche  In- 
teresse des  Klägers  an  der  Feststellungsklage  ist  gegeben, 
sobald  zwischen  den  Parteien  ein  Rechtsverhältnis  besteht, 
für  welches  das  zu  erlassende  Urteil  von  Erheblichkeit  ist, 
und  das  trifft  in  casu  unzweifelhaft  zu.  Mit  Unrecht  be- 
haupten die  Beklagten,  es  handle  sich  hier  um  ein  zukünf- 
tiges Rechtsverhältnis.  Die  Klage  verlangt  die  Feststellung 
der  richtigen  Auslegung  der  von  den  Litiganten  in  den  Jahren 
187 1  und  1886  abgeschlossenen  Verträge,  resp.  einer  einzel- 
nen Bestimmung  derselben,  die  Feststellung,  dass  der  Kläger 
nach  diesen  Verträgen  berechtigt  sei,  die  projektierte  Kon- 
zession zu  erteilen,  ohne  die  ihm  vertraglich  zugesicherten  Ver- 
mögensvorteile zu  verlieren.  In  Frage  stehen  also  die  aus 
diesen  Verträgen  für  die  Parteien  resultierenden  Rechtsfolgen, 
und  damit  ist  ohne  weiteres  das  rechtliche  Interesse  des  Klägers 
an  der  Feststellung  gegeben.  Nun  ist  allerdings  weiter  er- 
forderlich, dass  der  Kläger  ein  rechtliches  Interesse  nicht 
bloss  an  der  Feststellung  überhaupt,  sondern  an  alsbaldiger 
Feststellung  habe.  Das  Interesse  muss  also  ein  aktuelles, 
präsentes  sein.  Dies  ist  aber  der  Fall,  wenn  einerseits 
zwischen  zwei  Parteien  eine  rechtliche  Meinungsdifferenz 
darüber  besteht,  ob  nach  dem  zwischen  ihnen  bestehenden 
Rechts-  bezw.  Vertragsverhältnisse  die  eine  Partei  befugt  sei, 
eine  Rechtshandlung  vorzunehmen,  ohne  sich  dadurch  dem 
Verluste  vertraglicher  Rechte  auszusetzen,  andererseits  diese 
Frage  von  gegenwärtiger  praktischer  Bedeutung  ist,  die  prak- 


22 

tische  Bedeutung  derselben  also  nicht  in  unbestimmter  Ferne 
liegt.  Die  Erteilung  der  projektierten  Konzession  und  deren 
Folge  zwischen  Kläger  und  Beklagten  sind  nun  in  der  That 
gegenwärtig  von  praktischer  Bedeutung.  V.  und  Z.  haben 
dieselbe  verlangt,  und  Regierungsrat  und  Grosser  Rat  des 
Kantons  Aargan  dieselbe  bereits  zum  Gegenstand  einer 
Schlu8snahme  gemacht;  sodann  haben  die  Beklagten  sowohl 
vor  Anhebung  dieses  Prozesses  bei  der  Konferenz  in  Ölten 
und  in  ihrer  Zuschrift  vom  16.  Mai  1894,  als  auch  in  diesem 
Prozesse  ihre  Auffassung  der  Verträge  in  dem  Sinne,  dass 
der  Kläger  mit  Erteilung  der  projektierten  Konzession  den 
Anspruch  auf  die  vertragliche  Mehrleistung  verliere,  mit  einer 
Bestimmtheit  und  Deutlichkeit  ausgesprochen,  dass  über  deren 
Ernstlichkeit  kein  Zweifel  bestehen  kann,  vielmehr  als  sicher 
anzunehmen  ist,  dass  die  Beklagten  nach  Erteilung  der  Kon- 
zession die  vertraglichen  Mehrleistungen  verweigern  würden. 
Dadurch  ist  aber  in  der  That  der  Rechtsstand  des  Kläger» 
in  einer  Weise  unsicher  gemacht  und  in  Frage  gestellt  wor- 
den, dass  für  denselben  zur  Zeit  ein  unbestreitbares  Bedürf- 
nis für  Feststellung  dieses  Rechtsstandes  besteht,  damit  er 
seine  Handlungsweise  ohne  Gefahr  wesentlicher  Verluste  be- 
stimmen kann.  (Entsch.  vom  2.  Juli  1897  i.  S.  Kanton  Aargau 
c.  Schweizerische  Rheinsalinen.) 


15.  Bundesgesetz  betr.  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn-  und 
Dampf  schifffahrt' Unternehmungen  bei  Tötungen  und  Verletzungen 
vom  1.  Juli  1875.  0.  R.  Art.  '888. 

Die  Haftpflicht  der  Dampfschifffahrtsunternehmungen  für 
Tötungen  und  Verletzungen,  die  sich  bei  ihrem  Betrieb  er- 
eignet haben,  ist  abschliessend  in  dem  darüber  erlassenen 
Spezialgesetz  geregelt,  und  daneben  können  die  allgemeinen 
Bestimmungen  über  Schadenersatzpflicht  wegen  unerlaubter 
Handlungen  keine  Anwendung  mehr  finden.  (Entsch.  vom 
29.September  1897  i.S.  Dampfschifffahrtsgesellschaft  des  Vier- 
waldstättersees  c.  Witwe  Traxel.) 


16.  Bundesgesetz  betr.  Schuldbetreibung  und  Konkurs,  Art  200, 
260,  269,  285,  286—2X8.  Inwieweit  ist  nach  Schluss  des  Kon- 
kursverfahrens  die  Erhebung  der  Anfechtungsklage  durch  die  Masse 
oder  durch  einzelne  Konkursgläubiger  an  deren  Stelle   statthaft t 

Im  Konkursverfahren  ist  zur  Erhebung  der  Anfechtungs- 
klage in  erster  Linie  die  Konkursverwaltung  berechtigt,  die 


einzelnen  Konkarsgläubiger  nur  insoweit,  als  die  Masse  deren 
Anhebung  ihnen  überlässt  (Art.  260  und  269  Abs.  3  des  Bun- 
desgesetzes über  Schuldbetreibung  und  Konkurs.  Siehe  auch 
den  Kommentar  von  Weber  und  Brüstlein  zu  diesem  Bundes- 
gesetz, Anmerkung  4  zu  Art.  285).  Da  nun  der  Anspruch 
auf  Anfechtung  der  in  Art.  286 — 288  des  Bundesgesetzes  be- 
zeichneten Rechtshandlungen  des  Gemeinschuldners,  wie  in 
Art.  200  ibid.  ausdrücklich  gesagt  ist,  zur  Konkursmasse  ge- 
hört, so  muss  derselbe,  wie  alle  andern  Konkursaktiven,  auch 
im  Konkursverfahren  seine  Erledigung  finden,  sei  es  durch 
die  Verfolgung  oder  durch  Aufgeben  desselben,  und  ist  dessen 
Geltendmachung  nach  Schluss  des  Konkursverfahrens  seitens 
der  Masse  oder  der  einzelnen  Konkursgläubiger  ausgeschlossen, 
soweit  nicht  Art.  269  des  Schuldbetreibungs-  und  Konkurs- 
gesetzes Platz  greift,  der  Anfechtungsanspruch  also  erst  nach 
Schluss  des  Konkursverfahrens  entdeckt  worden  ist.  (Entsch. 
vom  16.  Oktober  1897  i.  S.  Wyler  c.  Eidgenössische  Bank, 
Aktiengesellschaft,  und  Genossen.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


17.  Verkauf  einer  Erbanwartschaft.  Unsittliche 
Le  ist  ungi     Art.  17  0.  R. 

HU  Gallen.    Urteil  des  Xautonsgerichts  v.  9.  April  1896. 

In  ökonomischer  Bedrängnis,  von  verschiedenen  Gläubi- 
gern betrieben,  suchte  der  schon  1891  im  Eonkurs  gestandene 
A.  eine  Geldaufnahme  gegen  Abtretung  eines  Teils  seiner 
Erbanwartsohaft  an  seiner  75  Jahre  alten  Tante  X.  Am 
20.  März  1895  erhielt  er  von  B.  Fr.  3000  gegen  folgende 

„Cession.  Anmit  cediere  ich  den  mir  von  Seite  meiner 
„Tante  X.  eventuell  zufallenden'  Erbteil  bis  auf  den  Betrag  von 
„Fr.  6000  an  B.  und  erkläre  den  Gegenwert  mit  Fr.  3000  heute 
„bar  durch  den  Cessionar  erhalten  zu  haben.  Gegenwärtige  Ab- 
tretung meiner  bezüglichen  Anwartschaftsrechte  ist  die  erste. 

„St.  Gallen,  20.  März  1895.  (sig.)  A." 

Am  29.  September  1895  starb  die  Tante  X.,  worauf  B. 
dem  betreffenden  Bezirksamte,  das  die  amtliche  Teilung  be- 


24 

sorgte,  von  dieser  Cession  Kenntnis  gab  und  deren  Vormerk 
veranlasste. 

Aus  den  Teil  Verhandlungen  ergab  sich,  dass  auf  À.'s 
Erbteil  etwas  mehr  als  Fr.  10,000  entfielen.  Dieser  Erbteil 
ward  von  B.  für  Fr.  6000  und  von  Verlustscheinsgläubigem 
aus  A.'s  1891er  Konkurs  für  den  Rest  sequestriert.  Aber  A. 
bestritt  dem  B.  die  Verbindlichkeit  seiner  Cession  vom  20.  März 
1395  und  anerkannte  im  Vermittlungsvorstande  als  Schuld 
nur  Fr.  3000,  weil  er  nur  diese  Summe  erhalten  habe.  Da- 
rauf klagte  B.  auf  Anerkennung  der  Cession  in  dem  Sinn, 
dass  er  berechtigt  sei,  die  deponierten  Fr.  6000  zu  Händen 
z\i  nehmen.  Der  Beklagte  verlangte  Abweisung  der  Klage 
über  die  anerkannten  Fr.  3000  hinaus,  aus  mehreren  Gründen, 
von  denen  uns  hier  nur  der  angeht,  der  Vertrag  sei  ein  un- 
sittlicher gewesen. 

Das  Kantonsgericht  hat  die  Klage  begründet  erklärt,  in 
Bezug  auf  die  erwähnte  Einrede  mit  folgender  Motivierung: 
Der  Beklagte  (Cèdent)  will  in  der  Abtretung  vom  20.  März 
1805  eine  unsittliche  Leistung  (Art.  17  0.  R.)  in  dem  Sinne 
erblicken,  dass  der  Cessionar  (EJäger)  sich  durch  die  Abtre- 
tung übermässige  Vorteile  habe  verschaffen  wollen.  —  Mit 
Unrecht;  denn  der  Cessionar  (Kläger)  hat  bei  seiner  Barlei- 
stung von  Fr.  3000  am  20.  März  1895  das  Risiko  übernom- 
men, nicht  bloss  keinen  Vorteil  aus  dem  Rechtsgeschäfte  zu 
erhalten,  sondern  seine  eigene  Leistung  von  Fr.  3000  bar  un- 
wiederbringlich zu  verlieren,  und  es  mussten  (wie  oben  aus- 
geführt) mehrere  Faktoren  zusammenwirken  und  mehrere  zu- 
fällige Voraussetzungen  eintreten,  um  ihm  den  nunmehr  heute 
eingeklagten  Vorteil  verschaffen  zu  können,  während  der  aller 
Miltei  entblö8ste  Cèdent  (der  Beklagte),  der  sich  mit  dem- 
selben  Anerbieten  vergeblich  an  Dritte  gewandt  hatte,  die 
Fr.  3000  ohne  jede  Rückerstattungspflicht  bei  der  Cession  bar 
erhielt.  Schon  aus  diesem  Gesichtspunkte  kann  daher  mit 
Kecht  von  einem  Abkommen,  bei  welchem  sich  der  Kläger 
übermässige  Vorteile  hätte  schaffen  wollen,  nicht  die  Rede 
sein,  und  kann  darin  die  Vereinbarung  über  eine  unsittliche 
Leistung  nicht  erblickt  werden. 

Allein  selbst  wenn  der  Kläger  aus  der  mehrerwähnten 
Abtretung  übermässige  Vorteile  erzielt  hätte,  so  könnte  das 
Rechtsgeschäft  aus  dem  Gesichtspunkte  des  Ü.  R.  doch  nicht 
ungültig  erklärt  werden,  weil  dieses  auf  dem  Boden  unbe- 
schränkter Vertragsfreiheit  stehende  Gesetz  eine  Vertragsan- 
feclitung  wegen  Missverhältnisses  von  Leistung  und  Gegen- 
leistung (laesio  enormis)  nicht  kennt  und  dieses  Missverhältnis 


25 


darnach  auch  nicht  Voraussetzung  für  die  Annahme  einer  un- 
sittlichen Vertrags! eistung  im  Sinne  des  Gesetzes  sein  kann, 
-wodurch  der  Vertrag  ungültig  erklärt  würde  (A.  S.  der  Entsch. 
des  Bundesgeriohts,  XX  8.  1087). 

(Entsch.  des  Kanton sgerichte  des  K.  St.  Gallen  i.  J.  1896,  S.  24  ff.) 


18«  Mise  à  l'interdit  prononcée  par  un  syndicat  ouvrier 
contre  un  patron.    Art  50,  55  C.  0. 

Jtf  euch  Atel.  Jugement  du  Tribunal  cantonal  du  5  mars  1897  dans 
Ja  cause  Pellet  c.  Robert  et  Wyas. 

Il  existe  à  la  Chaux-de-Fonds,  sous  le  titre  d'„Union 
syndicale  des  ouvriers  faiseurs  de  ressorts,"  une  société  non 
inscrite  au  registre  du  commerce  et  qui  a  pour  but  de  lutter 
contre  l'abaissement  des  prix  de  la  main  d'oeuvre.  Le  prési- 
dent de  cette  société  est  actuellement  L.  Robert  et  le  secré- 
taire est  H.  Wyss.  Edouard  Pellet,  précédemment  ouvrier  fai- 
seur de  ressorts,  est  établi  actuellement  comme  patron  fabri- 
cant de  ressorts.  Il  était  autrefois  d'un  usage  général  que 
les  ouvriers  faiseurs  de  ressorts  prissent  pension  chez  leur 
patron.  Pellet  a  conservé  cette  coutume.  Au  mois  de  mars 
1896,  il  a  diminué  un  peu  le  salaire  de  ses  ouvriers  (deux  à 
quatre  et  deux  apprentis)  sur  les  parties  du  rognage,  de  l'a* 
doucissage  et  des  feux.  La  société  prétend  que  l'obligation 
pour  les  ouvriers  de  prendre  pension  chez  Pellet  est  devenue 
pour  ce  dernier  une  spéculation,  qu'il  paye  irrégulièrement 
ses  ouvriers  et* qu'il  leur  accorde  un  salaire  insuffisant.  Elle 
a  décidé  de  lui  retirer  ses  ouvriers  et  l'a  mis  à  l'interdit. 
Elle  a  fait  paraître  à  différentes  reprises  dans  les  journaux 
l'Impartial  et  la  Sentinelle,  qui  sont  tous  deux  très  répandus 
dans  la  région  horlogère,  des  annonces  avertissant  tous  les 
ouvriers  faiseurs  de  ressorts  qu'il  leur  est  interdit  d'accepter 
du  travail  provenant  de  cet  atelier  et  exprimant  la  conviction 
que  tous  les  collègues  feront  leur  devoir  et  qu'aucun  n'ac- 
ceptera du  travail  sortant  de  cet  atelier.  Dès  ce  moment, 
toutes  les  démarches  de  Pellet  dans  le  but  de  se  procurer 
des  ouvriers  pour  remplacer  ceux  qui  l'avaient  quitté  sont 
restées  à  peu  près  infructueuses.  Les  ouvriers  engagés  par 
lui  ont  refusé,  dès  qu'ils  ont  su  que  P.  était  mis  à  l'interdit, 
d'entrer  chez  lui.  Un  ouvrier  qui  avait  demandé  de  l'ouvrage 
à  Pellet,  a  été  de  la  part  d'un  membre  de  l'Union  syndicale 
l'objet  de  chi.  ânes  et  même  de  menaces.  Pellet  a  été  mis 
par  là  dans  l'impossibilité  de  livrer  les  marchandises  qui  lui 


26 

étaient  commandées  et  d'entrer  en  relations  avec  des  maisons 
qui  lui  transmettaient  des  commandes.  Il  a  formé  demande 
oontre  L.  Robert  et  H.  Wyss  en  leurs  qualités  de  président 
et  de  secrétaire  de  l'Union  syndicale,  demande  fondée  en 
droit  sur  les  art.  50  et  55  C.  0.  et  concluant  à  ce  que  R.  et  W. 
soient  condamnés  solidairement  à  lui  payer  la  somme  de  1500  fr. 

Le  Tribunal  cantonal  a  condamné  solidairement  L.  R. 
et  H.  W.  à  payer  à  Pellet  la  somme  de  250  fr. 

Motifs:  L'Union  syndicale  ne  jouit  pas  de  la  person- 
nalité civile.  Les  défendeurs  L.  R.  et  H.  W.  sont  recherchables 
personnellement  et  solidairement,  aux  termes  de  l'art.  717 
C.  0.,  en  raison  du  dommage  pouvant  avoir  été  causé  au  de- 
mandeur. La  légitimation  passive  des  défendeurs  est  ainsi 
acquise  au  procès. 

La  mise  à  l'interdit  prononcée  contre  Pellet  ne  paraît 
pas  constituer  en  elle-même  un  acte  illicite  pouvant  donner 
lieu  de  plein  droit  à  l'application  des  art.  50  ss.  C.  0.  En 
effet,  qu'il  s'agisse  d'individus  isolés  ou  d'un  groupe  de  per- 
sonnes, il  est  parfaitement  licite,  de  la  part  de  ces  personnes; 
de  refuser  de  travailler  pour  le  compte  d'un  patron  dont  elles 
estiment  avoir  à  se  plaindre,  et,  en  agissant  ainsi  spontané- 
ment et  de  leur  plein  gré,  elles  ne  portent  atteinte  à  aucun 
droit  positif  appartenant  à  celui  qui  est  l'objet  de  ce  refus, 
lors  même  qu'il  pourrait  en  résulter  pour  lui  un  préjudice  ou 
des  inconvénients.  Car  la  loi  ne  protège  pas  les  individus 
contre  tout  dommage  qui  peut  leur  être  causé  au  cours  de  la 
lutte  réciproque  de  leurs  intérêts,  mais  seulement  contre  le 
préjudice  qui  leur  est  causé  par  la  violation  d'un  principe 
général  du  droit,  ou  par  celle  d'un  droit  individuel  leur  ap- 
partenant. Or,  il  est  certain  que  Pellet  n'avait  aucun  droit 
quelconque  en  vertu  duquel  il  eût  pu  obliger  des  ouvriers 
faisant  ou  ne  faisant  pas  partie  de  l'Union  à  accepter  de 
l'ouvrage  dans  ses  ateliers.  Mais,  d'autre  part,  il  était  en  droit 
d'exercer  librement  son  industrie,  et,  en  vertu  de  ce  principe 
de  liberté,  il  n'était  nullement  tenu  de  souffrir  que  des  tiers 
vinssent  entraver  la  marche  de  ses  affaires  en  troublant  les 
conditions  normales  sur  lesquelles  elles  reposent  naturellement 
et  en  ayant  recours,  pour  l'empêcher  de  se  procurer  des  ou- 
vriers et  de  gagner  sa  vie,  à  la  pression,  à  la  contrainte  ou 
aux  menaces.  De  pareilles  mesures  coercitives  impliquent,  de 
la  part  de  ceux  qui  les  exercent,  une  atteinte  à  un  droit  dont 
l'existence  est  reconnue  en  faveur  de  tout  industriel,  savoir 
son  droit  d'exiger  le  respect  de  sa  personnalité  (Trib.  féd» 
Arrêt  du  30  mars  1896,  d.  1.  c.  Vögtlin  c.  Geissbühler). 


27 

Or,  les  défendeurs  sont  sortis  de  la  légalité  et  ont  agi 
sans  droit  et  à  rencontre  d'un  droit  positif  appartenant  à  P., 
lorsque,  dans  le  but  évident  de  nuire  à  celui-ci,  de  le  mettre 
dans  l'impossibilité  d'exercer  son  industrie  et  de  l'amener 
par  là  à  se  soumettre  aux  conditions  que  prétendait  lui  im- 
poser la  société  de  l'Union  à  regard  de  laquelle  il  n'avait 
cependant  aucune  obligation  légale  ou  contractuelle,  ils  ont 
employé  comme  moyen  de  contrainte: 

a)  la  publication  dans  les  journaux  d'un  avis  invitant 
les  ouvriers  qui  recevraient  des  offres  de  travail  de  P.  à 
prendre  des  renseignements  auprès  du  défendeur  R.,  cela 
évidemment  afin  de  pouvoir  exercer  une  pression  sur  eux  et 
arriver,  par  la  persuasion  ou  l'intimidation,  à  les  dissuader 
d'accepter  ces  offres; 

b)  l'insertion,  dans  la  Sentinelle,  d'un  communiqué  aver- 
tissant tous  les  ouvriers  faiseurs  de  ressorts  qu'il  leur  est 
interdit  d'accepter  du  travail  provenant  de  l'atelier  P.  et  an- 
nonçant que  J'Union  s'est  vue  dans  l'obligation  de  retirer  les 
ouvriers  que  P.  occupe,  et  qu'elle  a  la  conviction  que  tous 
les  collègues  feront  leur  devoir  et  qu'aucun  n'acceptera  du 
travail  sortant  de  cet  atelier  aussi  longtemps  que  P.  n'aura 
pas  donné  droit  aux  revendications  si  légitimes  des  ouvriers; 

c)  les  démarches  personnelles  de  membres  de  l'Union 
auprès  d'ouvriers  pour  chercher  à  les  empêcher  d'entrer 
chez  P. 

En  agissant  comme  ils  l'ont  fait,  les  défendeurs  ont  causé 
au  demandeur  un  préjudice  matériel  les  faisant  tomber  sous 
le  coup  de  l'art.  50  C.  0.  et  ont  porté  à  sa  situation  person- 
nelle l'atteinte  grave  permettant  l'application  de  l'art.  55  du 
dit  code.  Par  contre,  rien  dans  cette  cause  n'autoriserait  le 
juge  à  faire  bénéficier  les  défendeurs  des  dispositions  de 
l'art.  51   al.  2  du  même  code. 

S'agissant  de  déterminer  quelle  a  été  l'importance  du 
préjudice  pécuniaire  subi  et  d'apprécier  si  et  dans  quelle  me- 
sure il  y  a  lieu  d'user  de  la  faculté  appartenant  au  juge  d'ac- 
corder des  dommages-intérêts  à  teneur  de  l'art.  55,  le  tribu- 
nal admet  comme  établi  par  la  procédure  que  les  affaires  de 
P.  sont  peu  importantes,  ensorte  que  le  ralentissement  mo- 
mentané qu'elles  ont  subi  ensuite  des  agissements  de  l'Union 
n'a  pas  pu  lui  occasionner  une  perte  considérable.  L'adjudi- 
cation d'une  somme  de  250  fr.  paraît  équitable  pour  indem- 
niser P.  du  préjudice  subi  par  lui.  Quant  à  l'atteinte  grave 
portée  à  sa  situation  personnelle,  il  y  a  lieu,  prenant  en  con- 
sidération toutes  les  circonstances  de  la  cause,  de  la  consacrer 


28 

en  principe  en  mettant  à  la  charge  des  défendeurs  tous  les 
frai 8  et  dépens  du  procès,  malgré  l'exagération  relativement 
forte  du  chiffre  de  la  demande. 

(Jugements  du  Trib.  cant.  de  Neuchâtel,  IV  p.  414  88.) 


19,  Dommages -intérêts.  Responsabilité  du  patron.  Notion 
du  mot  maître  ou  patron  dans  le  sens  de  l'art  62  C.  0. 

Genève.  Jugement  du  Tribunal  de  V"  instance  du  16  juillet  1897 
<L  1.  c.  KiBter  c.  Schira  et  Isler,  Dufour  et  Saulnier. 

Schira  et  Isler  ont  loué  à  Kister  un  immeuble  dont  la 
jouissance  a  été  troublée  par  des  réparations  d'un  immeuble 
voisin.  Kister  a  actionné  Schira  et  Isler  en  concluant  à  la 
résiliation  du  bail  et  au  paiement  de  1000  fr.  à  titre  de 
dommages-intérêts.  Les  défendeurs  ont  appelé  en  cause  Du- 
four et  Saulnier,  entrepreneurs  et  auteurs  de  ces  troubles. 
Saulnier  conteste  la  recevabilité  de  l'action  dirigée  contre  lui, 
parce  qu'il  est  l'employé  du  propriétaire  de  la  maison  voisine 
et  qu'il  n'existe  aucun  lien  de  droit,  ni  de  fait,  entre  lui  et 
Schira  et  Isler.  Le  Tribunal  s'est  exprimé  comme  suit  sur 
ee  moyen  exceptionnel  : 

Ce  système  ne  saurait  être  admis, 

Attendu  que  les  employés  ou  ouvriers,  mentionnés  à 
l'art.  62  C.  0.  et  dont  le  maître  ou  patron  est  responsable, 
sont  ceux  dont  oe  dernier  loue  les  services  à  la  pièce,  à  la 
journée,  au  mois  ou  à  l'année,  pour  l'exercice  d'une  profession 
ou  d'un  négoce,  mais  qu'on  ne  saurait  comprendre,  sous  cette 
dénomination,  l'industriel  auquel  un  particulier  s'adresse  pour 
l'exécution  d'un  travail  déterminé;  qu'en  effet,  l'art.  62,  en 
obligeant  le  maître  à  prendre  toutes  les  précautions  néces- 
saires dans  l'exécution  du  travail,  suppose  une  relation  de 
supérieur  à  subalterne,  qui  n'existe  évidemment  pas  entre  le 
particulier  et  l'entrepreneur  qu'il  charge  de  démolir  ou  de 
construire  un  bâtiment.  (La  Semaine  judiciaire,  XIX  p.  716  «O 


20.  Dommages- in  ter  et  s  excédant  la  somme  représentée 
par  les  intérêts  moratoires.     Art  12Î  C.  0. 

Vand.    Jugement   du  Tribunal  cantonal  du  1(5  mars  1897  d.   1.  c. 
Morier  c.  Wolf. 

Le  9  septembre  1896,  le  cher  al  de  L.  Wolf  a  été  blessé 
par  une  faute  du  domestique  de  Ch.  Morier;  le  11  septembre, 


2* 

les  parties  convinrent  d'un  arrangement  aux  termes  duquel 
Morier  s'est  engagé  à  prendre  le  cheval  de  Wolf  pour  le 
prix  de  5uO  fr.,  à  payer  les  frais  d'écurie  et  de  vétérinaire, 
plus  20  fr.  à  Wolf  à  titre  de  faux  frais.  Ensuite  de  cet  ar- 
rangement, Morier  prit  la  bête  le  12  septembre  et  paya  les 
frais  d'écurie  et  ceux  du  vétérinaire,  et  dès  cette  date,  il  a 
en  en  sa  possession  le  cheval  de  Wolf  et  Ta  utilisé,  sans 
payer  la  valeur  convenue  de  520  fr.  Wolf  lui  a  ouvert  action 
le  28  septembre,  concluant  à  faire  prononcer  que  Morier  est 
son  débiteur,  avec  intérêt  au  5  %  dès  le  26  septembre,  de 
520  fr.  ainsi  que  d'une  indemnité  de  4  fr.  par  jour  dès  le 
15  septembre  jusqu'au  jour  où  jugement  sur  le  principal  inter- 
viendra et  sera  définitif.  Morier  a  déclaré  offrir  à  Wolf,  à 
son  choix:  pu  de  rendre  au  dit  Wolf  son  cheval  en  lui  payant 
la  dépréciation  subie  par  cet  animal  à  dire  d'experts,  ou  de 
garder  le  dit  cheval  moyennant  paiement  comptant  de  son 
prix  au  jour  de  l'accident,  à  dire  d'experts.  Il  lui  offre,  eu 
outre,  en  tout  état  de  cause,  le  paiement  d'une  somme  de 
20  fr.  pour  faux  frais.  Subsidiairement,  et  pour  le  cas  où  le 
tribunal  admettrait,  contre  attente,  l'existence  d'une  conven- 
tion de  vente  du  cheval  blessé,  il  conclut  à  oe  que  le  prix 
de  cette  vente  est  abaissé  au  chiffre  fixé  par  experts  comme 
valeur  de  l'animal  au  9  septembre.  Le  tribunal  de  1"  instance 
a  accordé  au  demandeur  ses  conclusions,  en  réduisant  la  se- 
conde à  une  indemnité  de  200  fr.  Le  Tribunal  cantonal  a 
écarté  le  recours  exercé  par  Morier  contre  ce  jugement. 

Motifs:  Considérant  qu'ensuite  des  faits  acquis  au 
procès,  Morier  a  acheté  le  cheval  de  Wolf,  et  en  doit  le  prix 
par  520  fr.,  y  compris  l'indemnité  pour  faux  frais,  avec  in- 
térêt au  5%. 

Que  Morier  est  du  reste  d'accord  avec  ce  point  de  vue, 
puisque  son  acte  de  recours  ne  vise  que  la  seconde  conclu- 
sion du  demandeur,  reconnaissant  ainsi  le  bien-fondé  de  la 
réclamation  principale  adverse. 

Qu'ainsi  la  seule  question  qui  se  pose  est  celle  de  sa- 
voir si  Wolf  est  en  droit  de  réclamer  une  idemnité  pour 
dommage  résultant  de  la  privation  de  son  cheval  et  des  frais 
de  remplacement  de  cet  animal. 

Considérant  que  Part.  121  C.  0.  dispose  que  dans  le  cas 
où  le  dommage  qu'éprouve  le  créancier  excède  la  somme  re- 
présentée par  les  intérêts  moratoires,  le  débiteur  est  tenu  de 
réparer  ce  dommage  s'il  est  prouvé  qu'il  y  a  eu  faute  de 
sa  part. 

Qu'aucune  stipulation  n'étant  intervenue  quant  à  la  date 


30 

du  paiement  du  prix  du  cheval,  oe  prix  était  exigible  dès  le 
12  septembre  1896,  date  à  laquelle  le  cheval  a  passé  entre 
les  mains  de  l'acheteur,  qui  a  été  mis  en  demeure  de  payer 
par  la  citation  du  26  septembre. 

Que  ce  dernier  ayant  succombé  dans  son  système  juri- 
dique, alors  que  les  débats  ont  démontré  qu'il  était  intervenu 
une  vente  ferme  concernant  le  cheval,  a  évidemment  commis 
une  faute  en  ne  s' acquittant  pas  de  son  obligation  de  payer 
le  prix  du  cheval,  ce  qui  a  empêché  Wolf  de  remplacer  im- 
médiatement cet  animal  et  Ta  forcé  à  louer  des  chevaux  de- 
puis le  15  septembre. 

Qu'appréciant  les  circonstances  de  la  cause,  l'expert  V. 
a  déclaré  qu'un  commerçant  comme  Wolf  qui  vient  à  être 
privé  temporairement  de  son  cheval,  subit  de  ce  chef  un  dom- 
mage de  3  fr.  par  jour. 

Qu'ainsi  Morier,  se  trouvant  en  faute  au  sens  de  l'art.  121 
C.  0.,  doit  à  Wolf  la  réparation  de  ce  dommage. 

Que  l'appréciation  de  ce  dommage  à  la  somme  globale 
de  200  fr.  admise  par  le  juge  de  première  instance  est  pleine- 
ment justifiée.  (Journal  des  tribunaux,  XLV  p.  233  ss.) 


21,  Eigentumsvorbehalt.  Constitutum  possessorium. 
Art.  202  0.  R. 

Thurgau.  Crteil  des  Obergerichts  v.  28.  August  1897  i.  S.  A.  Bäch- 
ler &  Cie  c.  Güttinger. 

Unterm  24.  November  1894  kaufte  Paul  Schmid,  Stacker, 
von  Monteur  Wepf  ein  Heimwesen  samt  Stickmaschine  um 
den  Preis  von  Fr.  9000.  Für  die  Summe  von  Fr.  800  behielt 
sich  der  Verkäufer  bis  zur  vollständigen  Abzahlung  das  Eigen- 
tumsrecht an  der  Stickmaschine  vor.  Im  Jahre  1896  zahlte 
Schmid  die  Fr.  800  ab,  zu  welchem  Zwecke  ihm  Güttinger 
Fr.  600  verabfolgte.  Laut  Vertrag  vom  28.  März/30.  April 
1896  verkaufte  Schmid  die  Stickmaschine  an  Güttinger  um 
Fr.  600;  gleichen  Tages  schloss  er  mit  ihm  einen  Mietvertrag, 
wonach  die  Stickmaschine  gegen  einen  jährlichen  Mietzins 
von  Fr.  40  dem  Schmid  wieder  zur  Benutzung  überlassen 
wurde.  In  der  Folgezeit  gieng  die  Stickmaschine  bei  einem 
Brande  zu  Grunde,  und  es  bezahlte  die  Feuerversicberungs* 
gesellschaft  „Helvetia"  für  dieselbe  eine  Entschädigung  von 
Fr.  530. 

A.  Bäohler  &  Gie  haben  an  Schmid  für  Weinlieferungen 
eine  Forderung  von  Fr.  340.  20  Cts.   Für  diese  hoben  sie  Be- 


31 

treibung  an  und  verlangten,  als  sie  eine  ungedeckte  Pfändung 
erhielten,  dass  die  Stickmaschine,  bezw.  die  an  deren  Stelle 
getretene  und  beim  Betreibungsamte  deponierte  Assekuranz- 
summe zu  ihren  Gunsten  gepfändet  werde.  Güttinger  wider- 
setzte sich  diesem  Begehren,  vindizierte  im  Wege  gericht- 
licher Klage  die  deponierten  Fr.  530  für  sich  und  wurde  erst- 
instanzlich mit  seiner  Klage  geschützt.  Das  Obergericht  be- 
stätigte dieses  Urteil. 

Motive:  Das  Obergericht  erblickt  in  dem  zwischen  Güt- 
tinger und  Schmid  abgeschlossenen  Kaufvertrage  ein  reelles 
Geschäft;  wenn  auch  der  Zweck  dieses  Geschäftes  auf  die 
Sicherung  der  von  Güttinger  dem  Schmid  verabfolgten  Summe 
von  Fr.  600  gerichtet  war,  so  schliesst  dies  nicht  aus,  dass 
der  Wille  beider  Parteien  eben  doch  dahin  gieng,  das  Eigen- 
tum an  der  Stickmaschine  auf  Güttinger  zu  übertragen.  War 
aber  dieser  Wille  vorhanden,  so  konnte  nach  Art.  202  0.  R. 
das  Eigentum  an  der  Stickmaschine  auf  Güttinger  übergehen, 
auch  wenn  dieselbe  im  Gewahrsam  des  Verkäufers  Schmid 
verblieb. 

Der  Kaufvertrag  wäre  sowohl  nach  Art.  202  0.  R.  als 
auch  nach  Art.  288  des  Betreibungsgesetzes  nur  dann  un- 
wirksam, bezw.  anfechtbar,  wenn  eine  Benachteiligung  der 
Gläubiger  Schmids  beabsichtigt  worden  wäre.  Dies  war  aber 
nicht  der  Fall;  denn,  hätte  weder  Güttinger  noch  ein  anderer 
dem  Schmid  die  Fr.  600  gegeben,  so  wäre  die  fragliche  Stick- 
maschine auch  jetzt  noch  mit  dem  Eigentumsvorbehalte  zu 
Gunsten  des  Wepf  behaftet  und  somit  dem  Zugriffe  der 
Gläubiger  Schmids  entzogen.  Dadurch,  dass  Güttinger  die 
Ablösung  des  Eigentumsvorbehalts  des  Wepf  ermöglichte  und 
er  selbst  in  dessen  Eigentumsrechte  eintrat,  sind  die  Gläu- 
biger Schmids  in  keiner  Weise  benachteiligt  worden,  weshalb 
die  VeräU8serung  der  Stickmaschine  an  Güttinger  als  zu  Recht 
bestehend  erklärt  werden  muss. 


22.  Pacht.  Kündigungsrecht.  Art. 310  oder  313  O.R.t 
Sol ot.hu m.  Urteil  des  Obergerichts  vom  13.  Juni  1896. 
Der  Verpächter  eines  Gutes  hatte  dem  Pächter  den 
Pachtvertrag  aufgekündet,  und  letzterer  klagte  nun  gegen 
ihn  Fr.  700  wegen  vertragswidriger  Auf  kündung  ein  und 
berief  sich  auf  Art.  810  0.  R.  Der  Verpächter  wandte  ein, 
er  sei  berechtigt  gewesen,  ohne  weiteres  den  Pachtvertrag 
aufzuheben,  weil  der  Pächter  auf  dem  Pachtgute  in  vorsätz- 


32 

lieh  rechtswidriger  Weise  mehrere  Bäume  teils  umgehauen, 
teils  mit  einer  Säge  eingeschnitten,  teils  durch  Axthiebe  be- 
schädigt habe,  und  dafür  auch  zu  einem  Monat  Gefängnis 
verurteilt  worden  sei.  Der  Beklagte  rief  den  Art.  313  0.  R. 
für  sich  an. 

Das  Obergericht  erklärte  den  Art.  310  hier  als  nicht  an- 
wendbar. Zwar,  sagt  es,  lege  man  dieser  Bestimmung  einen 
zu  engen  Sinn  bei,  wenn  man  (Schneider  und  Fick,  Comm» 
Note  2  zu  Art.  292,  Janggen,  Sachmiete,  S.  155  fF.,  Rössel, 
Manuel,  p.  382)  ihr  Anwendungsgebiet  auf  die  Fälle  be- 
schränkt, wo  der  wichtige,  dem  Kündigenden  die  Fortsetzung 
des  Pachtverhältnisses  unerträglich  machende  Grund  nicht 
auf  der  Schuld  desjenigen  Teils  beruht,  dem  gekündet  wird. 
Zur  Begründung  einer  solchen  Interpretation  giebt  der  Art.  310 
keine  Anhaltspunkte.  Vielmehr  ist  er  überall  da  anwendbar, 
wo  die  von  ihm  geforderten  Voraussetzungen  gegeben  sind 
und  zudem  einer  derjenigen  Gründe  nicht  vorliegt,  gestützt 
auf  welche  der  Verpächter,  bezw.  Pächter  nach  Art.  277  ff. 
(297),  312,  313  und  315  vom  Vertrage  zurücktreten  kann, 
gleichviel  ob  das  Vorliegen  des  Kündigungsgrundes  dem  Ver- 
schulden desjenigen,  dem  gekündet  wird,  zuzurechnen  ist  oder 
nicht.  Darnach  genügt  es  in  casu  nicht,  darauf  hinzuweisen, 
dass  der  hierortige  Vertragsauflösungsgrund  (Sachbeschädi- 
gung) auf  der  Arglist  und  Bösartigkeit  des  Pächters,  dem 
gekündet  wird,  beruht,  um  den  Art.  310  als  im  vorliegenden 
Fall  nicht  anwendbar  zu  erklären.  Wohl  aber  folgt  die  Nicht- 
anwendbarkeit  des  Art.  310  aus  der  Anwendbarkeit  des  Art.  313. 

Art.  313  giebt  dem  Verpächter  das  Rücktrittsrecht  vom 
Vertrage,  1.  wenn  der  Pächter  seine  aus  dem  Pachtvertrag 
erwachsenden  Pflichten  in  erheblicher  Weise  verletzt  und  2. 
wenn  er  innert  angemessener  Frist  auf  ergangene  Aufforde- 
rung hin  nicht  erfüllt.  In  casu  fehlen  diese  beiden  Requisite 
des  Art.  313,  denn  eine  strafbare  Beschädigung  des  Pacht- 
objektes gehört  nicht  zu  den  Verletzungen  der  in  Art.  303 
und  304  genannten  kontraktlichen  Pflichten  (wirklich  nicht? 
Die  Red.),  sondern  zu  den  Verletzungen  allgemein  mensch* 
licher  Pflichten,  die  der  Staat  sogar  unter  Strafe  stellt.  Die 
Verpächter  gestehen  auch  zu,  die  in  Art.  313  verlangte  Er- 
füllungsaufforderung nicht  an  den  Pächter  gerichtet  zu  haben. 
Dennoch  kommt  Art.  313  zur  Anwendung,  denn: 

1.  Das  Anwendungsgebiet  des  Art.  313,  dessen  Umfang 
sich  aus  seinem  Wortlaut  ergiebt,  ist  durch  Analogieschluss 
auszudehnen.  Nach  dem  Wortlaute  steht  dem  Verpächter 
das  Rücktrittsrecht  zu,  wenn  der  Pächter  die  Obstbäume  auf 


33 

dem  Pachtgut  aus  Nachlässigkeit  zu  Grunde  gehen  lässt, 
nicht  aber  auch  dann,  wenn  er  den  gleichen  Erfolg  durch 
dolo  malo  ausgeführtes  Absägen  derselben  bewirkt.  Beide 
Fälle  decken  sich,  nur  ist  in  letzterem  Falle  der  rechtsver- 
letzende Wille  des  Pächters  viel  stärker  als  im  ersteren.  Nach 
dem  Wortlaut  des  Art.  313  ist  demnach  im  leichteren  Falle 
das  Rücktrittsrecht  zu  gewähren,  im  schwereren  zu  versagen. 
Die  Widersinnigkeit  dieser  Folgerung  aus  dem  Wortlaut  des 
Art.  3! 3  deutet  mit  aller  Bestimmtheit  darauf  hin,  dass  der 
Wortlaut  sich  mit  dem  Sinne  des  Art.  313  nicht  deckt,  dass 
der  Gesetzgeber  mehr  wollte  als  er  sagte.  Das  Prinzip,  das 
dem  Art.  313  zu  Grunde  liegt,  giebt  dem  Verpächter  ein 
Rücktrittsrecht,  wenn  der  Pächter  durch  erhebliche  Verletzung 
seiner  Pflichten  schlechthin  die  Interessen  des  Verpächters 
schädigt.  Die  eine  Eonsequenz  aus  diesem  Prinzip,  dass 
nämlich  die  Verletzung  kontraktlicher  Verpflichtungen 
das  Rticktrittsrecht  des  Verpächters  zur  Folge  hat,  zieht  der 
Art.  313.  Es  ist  aber  kein  Grund  ersichtlich,  warum  der 
Gesetzgeber  die  andere  Konsequenz,  dass  die  nämliche  Folge 
sich  auch  an  die  Verletzung  nicht  kontraktlicher  Pflich- 
ten knüpft,  nicht  auch  hätte  anerkennen  wollen.  Demgemäss 
ist  anzunehmen,  das  Gesetz  räume  in  beiden  Fällen  dem  ge- 
schädigten  Verpächter  das  Rücktrittsrecht  ein. 

2.  Trotzdem  auch  das  zweite  Requisit  des  Art.  313,  d.  h. 
die  Erfüllungsaufforderung  durch  den  Verpächter,  in  casu 
fehlt,  ist  Art,  313  anzuwenden.  Dieses  Requisit  kann  nur 
da  erfüllt  werden,  wo  das  erste  fehlt,  ist  also  nur  die  Be- 
dingung, unter  der  die  Pflichtverletzung  des  Pächters  für  den 
Verpächter  zum  Rücktrittsgrunde  wird.  Ist  diese  Bedingung 
nicht  erfüllbar,  so  fällt  sie  dahin,  ohne  die  Rechtserheblich- 
keit der  Pflichtverletzung  im  Sinne  des  Art.  313  auszuschliessen. 
Die  Vorschrift  der  Erfüllungsaufforderung  will  vernünftiger- 
weise nur  da  gelten,  wo  sie  überhaupt  möglich  ist.  Eine 
Erfüllungsaufforderung  des  Art.  313  ist  überall  da  undenkbar, 
wo  eine  Fortsetzung  des  pflichtwidrigen  Verhaltens  nicht  er- 
wartet werden  kann.  Die  Aufforderung,  ein  Delikt  innert 
gewisser  Frist  nicht  mehr  zu  begehen,  ist  rein  widersinnig, 
weil  eine  Wiederholung  der  Strafthat  nicht  erwartet  werden 
kann. 

(Bericht  des  Obergeriehts  des  K.  Solothurn  über  die  Rechtspflege  im 
Jahre  1896,  S.  39  ff.) 

Anmerkung  der  Redaktion.  Die  falsche  Grundanschau- 
ung, als  ob,  was  allgemein  verboten  ist  (z.  B.  Sachbeschädigung), 
nicht   auch  Verstoss    gegen  Vertragspflichten   sein   könne,   hat  in 


84 

diesem  Falle  nur  die  üble  Folge  gehabt,  dass  der  Richter  das  richtige 
Resultat  auf  einem  grossen  und  nicht  gerade  geschmackvollen  Um- 
wege erreichen  musate.  Die  falsche  Anschauung  kann  aber  in  an- 
deren Fällen  leicht  zu  Fehlern  in  der  Rechtsprechung  führen,  z.  B. 
zur  Anwendung  des  Art.  67  statt  des  Art.  146,  oder  des  Art.  62 
statt  des  Art.  115. 


23.  Receptum  cauponum.  Haftpflicht  des  Wirts  nur  für 
Verschulden  bei  Wertsachen,  die  ihm  nicht  zur  Aufbewahrung 
übergeben  worden.  Art.  486  0.  R. 

Bern.  Urteil  des  Appellations-  und  Kansations-Hofes  vom  30.  Novem- 
ber 1896  i.  S.  Münz  c.  Wegainger. 

Beim  Brande  des  Hôtel  Viktoria  in  St.  Beatenberg  verlor 
der  mit  seiner  Frau  dort  in  Pension  befindliche  Ingenieur 
Münz  seine  Koffer  und  Effekten,  worunter  sich  auch  die 
Schmucksachen  der  Frau  in  hohem  Wertbetrage  befanden. 
Der  Wirt  wurde  aus  folgenden  Gründen  grundsätzlich  als 
haftbar  erklärt. 

Nach  Art.  486  0.  R.  kann  der  Wirt  nur  mit  der  Ein- 
rede gehört  werden,  dass  der  Schaden  auf  höhere  Gewalt 
oder  auf  die  Beschaffenheit  der  Sache  oder  auf  ein  Verschul- 
den des  Gastes  als  Ursache  zurückzuführen  sei,  und  zwar 
C68siert  auch  in  diesem  letztern  Falle  die  Befreiung  von  der 
Haftpflicht,  wenn  dem  Wirte  selbst  oder  seinen  Dienstleuten 
ein  Verschulden  zur  Last  fällt.  Die  Berufung  auf  blossen 
Zufall  genügt  nicht,  da  der  Wirt  bis  zur  Grenze  der  höhern 
Gewalt,  also  auch  für  Zufall,  haftet.  Dagegen  wäre  die  Be- 
rufung auf  eigenes  Verschulden  des  Klägers  an  und  für  sich 
und  abgesehen  von  der  Schlussbestimmung  des  Art.  486  wohl 
geeignet  gewesen,  eine  Befreiung  des  Beklagten  (Wirtes)  von 
seiner  Haftung  zu  bewirken.  Er  behauptet  nämlich,  und  es 
ist  dies  auch  plausibel,  dass,  falls  Kläger  die  Wertsachen 
auf  dem  Hotelbureau  deponiert  hätte,  solche  gerettet  worden 
wären,  so  gut  wie  die  von  ihm  wirklich  deponierte  Geldsumme 
von  Fr.  1500,  und  laut  Art.  486  Abs.  2  rauss  die  Unterlas- 
sung, dem  Wirte  Sachen  von  bedeutendem  Werte  zur  Auf- 
bewahrung zu  übergeben,  dem  Gaste  zum  Verschulden  an- 
gerechnet werden.  Allein  der  Kläger  macht  seinerseits  gel- 
tend, der  Brandausbruch  müsse  unmittelbar  auf  schuldhafte, 
zum  Teil  grob  fahrlässige  Handlungen  oder  Unterlassungen 
des  Beklagten  und  seiner  Angestellten  zurückgeführt  werden, 
und  falls  der  Beweis  hiefür  als  erbracht  anzusehen  sein  sollte, 


35 

so  würde  der  Beklagte  auf  Grund  von  Art.  486  i,  f.  sich  seiner 
Haftung  nicht  entschlagen  können. 

(Zeitschr.  des  Bern.  Jur.-Ver.,  XXXIV.  S.  426  ff.) 


24.  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb.  Reduktion  der 
Ersatzpflicht  im  Sinne  des  Art.  5  des  B.-G.  betr.  die  Haftpflicht 
aus  Fabrikbetrieb. 

Zürich.  Urteil  der  Appella  tionskaninier  des  Obergerichts  vom  17.  Au- 
gust 1897  i.  S.  Sieger  c.  Stumpp. 

Die  erste  Instanz  war  auf  Grundlage  einer  Expertise  dazu 
gelangt;  dem  verunglückten  Kläger  eine  gewisse  Quote  für 
vorübergehende  Erwerbsverminderung  und  eine  solche  für 
bleibende  Einbusse  der  Erwerbsfähigkeit  zuzusprechen.  So- 
dann hatte  sie  von  der  ganzen  sich  ergebenden  Summe  die 
üblichen  Prozente  für  Zufall  etc.  abgezogen. 

Der  Kläger  appellierte  und  behauptete,  die  Berechnungs- 
art  der  ersten  Instanz  sei  unzulässig,  die  Quote  für  Zufall 
u.  s.  w.  dürfe  nicht  von  der  ganzen  Summe,  sondern  nur  von 
der  für  bleibenden  Nachteil  zu  bezahlenden  Entschädigung 
abgerechnet  werden. 

Die  Appellationskammer  pflichtete  der  erstinstanzlichen 
fierechnungsart  bei. 

Gründe:  Die  Richtigkeit  der  Behauptung  'des  Klägers 
ergiebt  sich  weder  aus  dem  Wortlaut  der  in  Betracht  kom- 
menden Art.  5  litt,  a  und  Art.  6  des  B.-G.  betr.  die  Haft- 
pflicht aus  Fabrikbetrieb,  noch  aus  der  ratio  legis  und  der 
Gerichtspraxis.  Die  erwähnten  Gesetzesstellen  sprechen  von 
der  Ersatzpflicht  des  Betriebsunternehmers  im  Allgemeinen 
und  machen  keinen  Unterschied  zwischen  den  einzelnen  An- 
sprüchen eines  Verletzten,  wie  sie  speziell  aus  Art.  6  ersicht- 
lich sind. 

Der  Sinn  des  Gesetzes  geht  dahin,  dass  die  Ersatzpflicht 
des  Arbeitgebers  unter  gewissen  Voraussetzungen,  deren  eine  : 
der  Zufall,  in  concreto  Unbestrittenermassen  vorliegt,  redu- 
ziert werde,  in  der  Ersatzpflicht  ist  aber  offenbar  auch  die 
Entschädigung  für  vorübergehenden  Nachteil  inbegriffen.  Wäre 
die  Behauptung  des  Klägers  richtig,  so  könnte  in  einem  Falle, 
wo  überhaupt  eine  bleibende  Erwerbseinbusse  nicht,  wohl 
aber  eine  teilweise,  eingetreten  ist,  ein  Abzug,  trotzdem  die 
Bedingungen  des  Art.  ö  erfüllt  sind,  nicht  gemacht  werden, 
was  weder  dem  Wortlaut,  noch  dem  Sinn  des  Gesetzes  ent- 
sprechen würde.    Das  vi>m  Kläger  citierte  Urteil  de3  Bandes- 


36 

geriohts  (B.  E.  Bd  XVIII  S.  359)  vermag  die  Richtigkeit  seiner 
Behauptung  nicht  zu  beweisen,  die  daselbst  aufgestellte  ße- 
rechnung8art  entbehrt  jeder  Begründung,  sodann  sprach  sich 
das  nämliche  Gericht  auch  schon  im  gegenteiligen  Sinne  aus. 
(B.  E.  Bd  XVII  S.  541  Erw.  3,  auch  abgedruckt  in  Revue 
Bd  X  Nr.  8,  vergi,  im  weitern  die  auf  den  erwähnten  Ent- 
scheid sich  stützende  kantonale  Rechtsprechung  Handelsr. 
Entsoh.  Bd  XI  S.  90  Ziff.  6.) 

(Schweizer  Blätter  für  h.-r.  Entsch.,  XVI  S.  289  f.) 


25.  Markenschutz.  Dessen  Voraussetzungen  bei  Wort- 
marken.  Individuai  {Phantasie-)  Bezeichnung.  Unredliche  Kon- 
kurrenz. Bundesgesetz  betr.  den  Schutz  der  Fabrik-  und  Handels- 
marken  vom  26.  September  1890,  Art.  5.  —  Art.  50  ff.  0.  R. 

Aargau.    Urteil  des  Handelsgerichtes  vom  30.  März  1897. 

Die  klägerische  Gesellschaft  besitzt  das  vertragliche  Recht 
des  alleinigen  Verkaufes  der  vom  artistischen  Institut  Orell 
Füs8li  mittelst  des  sog.  Photochromverfahrens  hergestellten 
Bilder.  Sie  hat  den  Namen  „Photochrom"  als  Wortmarke 
eintragen  lassen.  Sie  klagt  nun  gegen  die  Beklagten  wegen 
Verletzung  ihres  Markenrechtes  und  wegen  unredlicher  Kon- 
kurrenz, weil  letztere  das  Wort  Photochrom  auf  Bildern, 
Reklamen  u.  s.  f.  angebracht  haben,  und  illoyaler  Weise  die 
Worte  Photochrombilder,  Photochromie,  Photochromverfahren 
verwenden.  Die  Beklagten  bestreiten  die  Schutzfähigkeit 
aller  dieser  Bezeichnungen,  die  in  den  Fachkreisen  längst 
bekannt  und  üblich  seien.  —  Das  Handelsgericht  hat  das 
Wort  Photochrom  als  schutzfähige  Individualbezeichnung  an- 
erkannt, dagegen  bezüglich  der  übrigen  Bezeichnungen  die 
Klage  abgewiesen. 

Gründe:  1.  Betreffend  das  Wort  Photochrom. 

Klägerin  hat  dieses  Wort  als  Fabrik-  und  Handelsmarke 
eintragen  lassen.  Als  Marke,  bezw.  als  originelle  Bezeich- 
nung überhaupt,  können  nicht  solche  Zeichen,  bezw.  Worte 
angesehen  werden,  die  bloss  die  Sache  selbst  oder  Eigen- 
schaften der  Sache  umschreiben,  vielmehr  soll  durch  das 
Zeichen  oder  Wort  die  Beziehung  der  Ware  zu  einer  be- 
stimmten Person  als  Produzent,  Eigentümer  oder  Verkäufer 
hervorgehoben  werden,  so  dass  dem  Publikum  durch  das 
Zeichen  erkenntlich  gemacht  ist,  dass  die  Ware  eben  von 
jener  Person  und  von  keiner  anderen  herrührt  (vgl.  A.  S.  d. 
b.-g.  Entsch.  XXI  S.  1055,  XXII  S.  92  f.).     Wollte   nun   in 


37 

concreto  auch  angenommen  werden,  dass  das  Wort  Photo- 
chrom seinem  Begriffe  nach  auf  Eigenschaften  der  farbigen 
Photolithographien  hindeute,  so  wäre  das  gewiss  nur  in  ent- 
ferntem Mass  der  Fall  und  würde  in  den  Hintergrund  treten 
vor  der  Thatsache,  dass  der  Ausdruck  einer  toten  Sprache 
entnommen  ist  und  folglich  den  grösseren  Kreisen  des  Publi- 
kums —  wie  die  Beklagten  übrigens  anerkennen  —  unver- 
ständlich sein  mus8.  Das  Wort  Photochrom  darf  unter  solchen 
Umständen  unbedenklich  als  eine  individuelle  Bezeichnung, 
ein  Phantasiename  bezeichnet  werden  (B.-Gr.  Entsch.  XXII 
S.  93). 

Der  Name  Photochrom  ist  auch  nicht  Gemeingut  gewor- 
den, er  hat  selbst  in  Fachkreisen  kaum  nennenswerte  An- 
wendung gefunden.  In  der  Schweiz  ist  das  Wort  bis  jetzt 
nur  von  der  Klägerin,  bezw.  deren  Rechtsvorgängern  ange- 
wendet worden.  Nach  bundesgerichtlicher  Praxis  (B. -G. 
Entsch.  XXII  S.  470)  ist  aber  für  die  Frage,  ob  ein  Zeichen 
oder  Wort  als  Herkunftsbezeichnung  bezw.  als  Individual- 
name  schütz  fähig  sei,  dessen  Ueblichkeit  in  einein  bestimmten, 
örtlich  begrenzten  Gebiete  nicht  ohne  Bedeutung.  In  den 
Fachkreisen  scheint  zudem  die  Auffassung  grossenteils  dahin 
zu  gehen,  das  Wort  Photochrom  sei  eine  neue,  von  Orell 
Füssli  erfundene  und  zum  ersten  Mal  auf  ihr  Verfahren  an- 
gewendete Bezeichnung.  Klägerin  hat  somit  einen  rechtlich 
begründeten  Anspruch  darauf,  in  dem  Alleingebrauch  dieser 
Phantasiebezeichnung  geschützt  zu  werden. 

Der  Einwand  der  Beklagten,  dass  eventuell  die  illoyale 
Konkurrenz  nur  nach  Massgabe  des  Markenschutzgesetzes 
untersagt  sei,  die  allgemeinen  Bestimmungen  (Art.  50  und 
55  0.  R.)  neben  dem  Spezialgesetz  nicht  mehr  zur  Geltung 
kommen  können,  ist  nicht  zutreffend.  Das  Markenschutzge- 
setz verleiht  dem  Markeninhaber  nur  gegen  eine  bestimmte 
Art  des  Missbrauchs  der  Marke  durch  Dritte  einen  Schutz, 
nämlich  nur  gegen  Verwendung  des  geschützten  Zeichens  auf 
der  Ware  selbst,  deren  Verpackung  oder  Einrahmung.  Mani- 
pulationen anderer  Art,  die  zu  einer  Täuschung  über  die  Her- 
kunft der  Ware  führen  können  und  eine  solche  bezwecken, 
sich  daher  auch  als  unlauterer  Wettbewerb  qualifizieren,  fallen 
nicht  unter  das  Markenschutzgesetz  (B.-G.  Entsch.  XI  S.  53). 
Soweit  nun  die  illoyale  Konkurrenz  ein  Recht  verletzt  bezw. 
bedroht,  dessen  Wahrung  durch  das  Markenschutzgesetz  nor- 
miert wird,  ist  natürlich  dieses  Spezialgesetz  massgebend  und 
kann  nur  aus  diesem  geklagt  werden;  soweit  aber  rechts- 
widrige, über  den  Ursprung  der  Ware  täuschende  Handlungen 


38 

anderer,  nicht  unter  jene  Spezialnormen  fallender  Art  begangen, 
bezw.  beabsichtigt  werden,  finden  die  allgemeinen  Grund- 
sätze über  illoyale  Konkurrenz  Anwendung.  In  concreto 
müsste  folglich  ein  unerlaubter  Gebrauch  des  Wortes  Photo- 
chrom nicht  nur  in  der  Anbringung  dieses  Namens  auf  ihren 
Bildern  bezw.  deren  Verpackung  oder  Einrahmung  erblickt 
werden,  sondern  auch  in  der  Verwendung  auf  Prospekten, 
Reklamen,  Briefköpfen  und  dgl.,  denn  auch  dieses  Gebahren 
wäre  geeignet,  das  Publikum  über  den  Ursprung  des  Fabri- 
kates irre  zu  führen. 

2.  Betreffend  die  Worte  Photochrombilder  und  Photo- 
chromverfahren. 

Diese  Worte  sind  nicht  im  Markenregister  eingetragen, 
gemessen  also  auf  keinen  Fall  markenrechtlichen  Schutz. 
Sie  erscheinen  aber  auch  nicht  mehr  als  eigentliche  Indivi- 
dualbezeichnung,  sondern  deuten  auf  gewisse  Eigenschaften 
der  Ware  bezw.  des  Verfahrens  hin  und  zwar  in  so  unver- 
kennbarer Weise,  dass  ihnen  überwiegend,  descriptiver  Cha- 
rakter zukommt.  Sie  wären  demnach  kaum  mehr  geeignet, 
die  Beziehung  der  Ware  zum  Produzenten,  Eigentümer  oder 
Verkäufer  wirksam  zum  Ausdruck  zu  bringen,  überhaupt  dein 
Fabrikat  ein  individuelles  Gepräge  zu  verleihen,  und  können 
mithin  auch  nicht  als  Individualnamen  der  Klägerin  betrachtet 
und  rechtlich  geschützt  werden. 

3.  Betreffend  das  Wort  Photochromie. 

Weil  nicht  hinterlegt,  ist  es  ebenfalls  nicht  des  Marken- 
schutzes teilhaftig.  Aus  der  Fachliteratur  sodann  geht  her- 
vor, dass  in  der  photographischen  und  lithographischen  Indu- 
strie die  Bezeichnung  Photochromie  seit  langer  Zeit  bekannt 
und  allgemein  üblich  ist.  Es  ist  also  Gemeingut  der  Fach- 
kreise geworden  und  kann  daher  nicht  mehr  als  individuelle 
Bezeichnung  in  Anspruch  genommen  werden.  Wenn  Klägerin 
geltend  macht,  dass  der  Name  in  der  Bedeutung,  wie  er  von 
ihr,  bezw.  von  Orell  Füssli  verwendet  werde,  vorher  noch 
nie  gebraucht  worden  sei,  weil  er  bei  ihr  zur  Bezeichnung 
des  eigenartigen,  ein  Geheimnis  von  Orell  Füssli  bildenden 
Verfahrens  diene,  so  ist  hiegegen  zu  bemerken,  dass  in  der 
Schweiz  ein  Verfahrensschutz  nicht  gewährt  wird,  es  also  für 
die  Natur  eines  Wortes  als  originelle  Bezeichnung  irrelevant 
ist,  welchem  Verfahren  das  betreffende  Erzeugnis  entspringe. 
Abgesehen  hievon  aber  ist  es  unzulässig,  dass  ein  in  Fach- 
kreisen längst  und  allgemein  üblicher  technischer  Ausdruck 
dem  allgemeinen  Gebrauch  entzogen  und  für  einen  einzelnen 
Gewerbetreibenden  monopolisiert  werde  dadurch,  dass  dieser 


den  Ausdruck  den  Produkten  einer  ihm  eigenen  Fabrikations- 
methode beilegt,  um  ihn  dann  als  individualisiert  erklären 
und  dessen  alleinigen  Gebrauch  für  sich  beanspruchen  zu 
können.  Somit  steht  der  Klägerin  kein  Recht  auf  den  allei- 
nigen Gebrauch  des  Wortes   Photochromie  zu. 

(Bericht  de«  Aarg.  Handelsberichts  für  die  Jahre  1895  und  1890  an 
den  Grossen  Rat  de»  K.  Aargau,  S.  54  AD 


26«  Reconnaissance  de  dette  dans  le  sens  de  l'art.  82 
Loi  P.  et  F  *) 

Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  10  novembre  1897 
cl.  1.  c.  Jeanraonod  c.  Chesnelong: 

Chesnelong  a  fait  commandement  à  Jeanmonod  d'avoir 
à  lui  payer  la  somme  de  fr,  339.  20.  Comme  titre  ou  cause 
de  l'obligation  il  indiquait:  „capital  et  frais  de  retour  à  une 
traite  tirée  le  24  juillet  1897,  impayée  le  20  septembre  1897 
(somme  reconnue  par  lettre  du  21  avril  1897)."  Jeanmonod 
ayant  formé  opposition  à  ce  commandement,  Chesnelong  en 
a  demandé  la  main-levée.  La  traite  mentionnée  au  commande- 
ment est  une  traite  non  acceptée,  tirée  par  Chesnelong  sur 
Jeanmonod,  et  protestée  à  son  échéance.  La  lettre  du  21  avril 
est  une  lettre  de  Jeanmonod  à  Chesnelong  ainsi  conçue:  „Je 
viens  de  vérifier  la  facture  ...  je  désire  la  disposition  des 
échéances  comme  suit:  fr.  330.  70,  fin  mars;  fr.  333,  20  juillet; 
fr.  333,  20  septembre;  fr.  333,  20  novembre."  Chesnelong  sou- 
tient que  ces  deux  pièces  réunies  constituaient,  de  la  part 
de  Jeanmonod,  la  reconnaissance  de  dette  prévue  par  l'art.  82 
L.  P.,  Jeanmonod  ayant,  par  sa  lettre,  accepté  d'avance  la 
traite  au  20  septembre  dont  le  recouvrement  est  poursuivi. 
Jeanmonod  n'a  pas  méconnu  avoir  autorisé  Chesnelong  à  tirer 
la  traite  en  paiement  des  marchandises,  soit  caisses  de  sar- 
dines, qui  lui  étaient  fournies,  mais  il  a  exposé  qu'aux  termes 
des  arrangements  intervenus,  où  il  ne  devait  prendre  livraison 
qu'au  fur  et  à  mesure  de  ses  besoins,  de  ces  caisses,  il  avait, 
lors  de  la  prise  de  livraison  de  quelques-unes  de  ces  caisses, 
constaté  le  mauvais  état  de  la  marchandise  et  qu'en  consé- 
quence il  avait  laissé  pour  compte  50  caisses.  —  Le  tribunal 
de  lr*  instance  a  estimé  que  la  lettre  du  21  avril,  mention- 
nant le  montant  de  la  lettre  de  change  à  tirer,  et  son  éché- 
ance, et  les  causes  de  la  dette  y  étant  clairement  exprimées, 


')  Vgl.  Revue,  XV  Nr.  52.  X11I  Nr.  99  und  die  Citate  daselbst. 


40 

constituait  une  reconnaissance  de  dette  permettant  de  de- 
mander la  main  levée.  La  Cour  de  justice  a  admis  l'appel 
formé  par  Jeanmonod  et  réformé  le  jugement. 

Motifs:  Considérant  que  si  la  lettre  invoquée  par  Ches- 
nelong contient  bien  Pautorisation  donnée  par  Jeanmonod  de 
tirer  sur  lui  la  traite  au  20  septembre,  on  n'en  saurait  cepen- 
dant déduire  que  Jeanmonod  soit  nécessairement  débiteur  du 
montant  de  cette  traite;  qu'il  ne  résulte  pas  de  ce  que  Jean- 
monod y  déclare  qu'il  a  vérifié  les  factures  de  Chesnelong, 
qu'il  ait  vérifié  également  la  qualité  de  la  marchandise  et 
renoncé  au  droit  qu'il  avait  de  laisser  pour  compte  cette 
marchandise  si,  lors  de  la  livraison,  celle-ci  se  trouvait  être 
de  mauvaise  qualité,  que  la  nature  même  de  la  marchandise 
ne  permettait  pas  de  procéder  à  cette  vérification  avant  la 
livraison; 

Considérant  qu'en  en  décidant  autrement  les  premiers 
juges  ont  faussement  interprété  l'art.  82  L.  P.,  car  la  recon- 
naissance de  dette,  dont  il  est  fait  mention  au  dit  article, 
doit  être  une  reconnaissance  formelle  de  devoir, 
ce  qui   n'est  pas  le  cas  des  titres  présentés  par  Chesnelong. 

(La  Semaine  judiciaire,  XIX  p.  752  ss.") 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


27.  Art.  57  B.-Ges  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechis- 
pßege  vom  22.  März  1893.  Art.  10,  523  0.  R.  Anwendbarkeit 
eidgenössischen  Rechtes  als  Voraussetzung  der  bundesgerichtlichen 
Kompetenz. 

Sowohl  der  Verpfründungsvertrag,  als  die  Schenkung  wird 
durch  das  kantonale  Recht  geregelt.  Gemäss  Art.  57  Org.- 
Ges.  ist  daher  die  Prüfung  der  Frage,  ob  der  Thatbestand 
des  einen  oder  andern  Rechtsgeschäfts  gegeben  sei  und  welche 
rechtlichen  Folgen  sich  daran  knüpfen,  dein  Bundesgerichte 
entzogen.  (Entsch.  v.  16.  Oktober  1897  i.  S.  Erben  Steiner  c. 
Eberhard.) 

28.  Art.  67  Abs.  2  B.-Ges.  betr.  die  Organisation  der  Bundes- 
rechtspflege vom  22.  März  1893.  Förmlichkeiten  der  Berufungs- 
erklärung. Dieselbe  muss  die  Abänderungen  des  angefochtenen 
Urteils,  welche  der  Berufungskläger  beantragt,  ausdrücklich , 
zum  Mindesten  durch  Vorweisung  auf  die  vor  den  kantonalen 
Instanzen  gestellten  Anträge,  angeben. 

Aux  termes  de  l'art.  67,  2e  alinéa,  de  la  loi  sur  l'organi- 
sation judiciaire  fédérale,  la  déclaration  de  recours  doit  indi- 
quer dans  quelle  mesure  le  jugement  est  attaqué,  et  men- 
tionner les  modifications  demandées.  Or,  dans  l'espèce,  la 
déclaration  en  question  mentionne  seulement  que  le  recours 
est  dirigé  contre  le  jugement  „dans  son  ensemble"  et  elle 
remplit  ainsi  la  première  des  conditions  requises  par  la  loi; 
en  revanche,  elle  n'indique  pas  d'une  manière  expresse  quelles 
modifications  la  recourante  entend  faire  apporter  au  jugement 
attaqué,  ce  qui  est  nécessaire  pour  que  le  recours  puisse  être 
admis  comme  recevable.  Il  ne  suffit  pas  qu'on  puisse  conclure 
avec  plus  ou  moins  de  vraisemblance,  du  contenu  de  la  dé- 
claration de  recours  et  de  l'état  de  la  cause,  quelles  sont  les 
modifications  au  jugement  que  la  partie  recourante  entend 
proposer,  mais  il  faut  que  les  conclusions  du  recours  soient 
formulées  expressément,  soit  par  leur  reproduction  littérale 
soit,   tout   au  moins,    par  voie   de   référence  aux  conclusions 

4 


42 

p  ri  s  es  devant  les  instances  cantonales.  C'est  dans  ce  sens 
que  Part.  67  al.  2  de  la  loi  sur  l'organisation  judiciaire  fédérale 
a  été  interprété  par  le  Tribunal  de  céans  dans  de  nombreux 
arrêts  et  il  y  a  lieu  de  maintenir  cette  interprétation,  dans 
l'intérêt  de  la  continuité  de  la  jurisprudence.  (Entsch.  v.  21. 
Januar  1898  i.  S.  Orcellet  c.  Borel-Hunziker.) 


29.  Art.  59  B.-Ges.  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893.  Art.  630,  631  Abs.  1,  656  Ziff.  6  0.  R. 
Streitwertsberechnung  bei  Anfechtung  von  Beschlüssen  der  General- 
versammlung einer  Aktiengesellschaft  durch  einzelne  Aktionäre 
wegen  Gesetz-  oder  Statutenwidrigkeit.  —  Recht  des  Einzel- 
aktionärs  zur  Anfechtung,  Voraussetzungen.  —  Die  Anlage  eines 
Reservefonds  ist  nicht  obligatorisch,  vielmehr  können  die  Statuten 
frei  darüber  bestimmen,  ob  und  zu  welchen  Zwecken  ein  Reserve- 
fonds anzulegen  ist.  —  Ist  in  den  Statuten  als  Zweck  des  Reserve- 
fonds  {ausschliesslich  oder  neben  einer  anderen  Zweckbestimmung) 
einfach  die  Deckung  allfälliger  Verluste  angegeben,  so  sind  darunter 
im  Zweifel  blos  bilanzmäßige,  nicht  aber  auch  sog.  Geschäftsver- 
luste zu  verstehen. 

I.  Für  die  Bemessung  des  Streitwertes  einer  von  ein- 
zelnen Aktionären  gegen  einen  Generalversammlungsbesohluss 
wegen  Gesetz-  oder  Statuten  Widrigkeit  erhobenen  Anfechtungs- 
klage muse  richtiger  Weise  das  Gesamtinteresse  der  Gesell- 
schaft, und  nicht  blos  das  Spezialinteresse  der  Kläger  mass- 
gebend sein.  Denn  das  Urteil  wirkt,  wenn  es  auf  Ungültig- 
keitserklärung lautet,  wie  allgemein  anerkannt  wird,  präjudi- 
ziell, d.  h.  es  hebt  in  diesem  Falle  den  angefochtenen  Beschluss 
in  toto,  gegenüber  der  Aktiengesellschaft  und  sämtlichen  Ak- 
tionären, auf.  Bei  solchen  Anfechtungsklagen  ist  also,  auch 
wenn  dieselben  nur  von  einzelnen  Aktionären  erhoben  werden, 
das  Gesamt  interesse  der  Gesellschaft  im  Spiel:  mit  der  Er- 
hebung der  Anfechtungsklage  verfolgt  der  einzelne  Aktionär 
in  Wirklichkeit  nicht  ein  ihm  allein  zustehendes  Privatrecht, 
sondern  wirft  sich  kraft  der  ihm  vom  Gesetz  erteilten  Indi- 
vidualbefugnis  zur  Vertretung  des  Gesamtinteresses  der  Ge- 
sellschaft und  der  Aktionäre  auf.  Es  zeigt  sich  dies  nament- 
lich, wenn  der  anfechtende  Kläger  vor  erster  Instanz  obge- 
siegt hat,  und  die  Gesellschaft  gegen  den  Entscheid  das 
Rechtsmittel  der  Berufung  ergreift.  In  diesem  Falle  vertritt 
dieselbe  recht  eigentlich  das  Interesse  der  Aktiengesellschaft 
selbst,  und  würde  es  angesichts  der  Wirkung,  welche  die  An- 
fechtungsklage des  einzelnen  Aktionärs  gegen  die  Gesamtheit 


43 

der  Aktionäre,  die  Aktiengesellschaft  selbst,  hat,  nicht  an- 
gehen, nur  auf  das  Interesse  des  Anfechtungsklägers  zu  sehen, 
und  nur  dieses  als  Wert  des  Streitgegenstandes  zu  betrachten, 
vielmehr  muss,  in  Fällen  vorliegender  Art,  notwendig  das 
Interesse  der  Gesellschaft  an  der  Aufrechterhaltung  des  an- 
gefochtenen Beschlusses  massgebend  sein,  da  eben  der  Streit- 
gegenstand eigentlich  in  der  Aufhebung  oder  Aufrechterhal- 
tung des  ttesellechaftsbeschlusses,  für  und  gegen  die  Gesell- 
schaft, nicht  bloss  für  und  gegen  den  Anfechtungskläger,  be- 
steht,1) 

2.  Wie  das  Bundesgericht  wiederholt  ausgesprochen  hat, 
ist  jeder  Aktionär  berechtigt,  die  genaue  Beobachtung  von 
Gesetz  und  Statut  bei  der  Verwaltung  der  Aktiengesellschaft 
zu  verlangen,  und  insbesondere  solche  Beschlüsse  der  General- 
versammlung anzufechten,  durch  welche  unter  Verletzung  von 
Gesetz  und  Statut  in  seine  Rechte  am  Gesellschaftsvermögen 
eingegriffen  wird.  Eine  Frist  zur  Anfechtung  von  Gesell- 
schaftsbeschlüssen  kennt  das  eidg.  0.  R.  nicht,  und  es  müssen 
daher  dieselben  so  lange  als  anfechtbar  anerkannt  werden, 
als  die  Aktionäre,  welche  denselben  nioht  beigestimmt  haben, 
sie  nicht  ausdrücklich  oder  stillschweigend  genehmigen.  Von 
einer  ausdrücklichen  Protestation  gegen  den  ßeschluss  an  der 
Generalversammlung  selbst  ist  naoh  dem  eidg.  0.  R.  die  Zu- 
lä88igkeit  der  Anfechtungsklage  nicht  abhängig,  ebensowenig 
davon,  dass  der  Aktionär  wenigstens  gegen  den  angefochtenen 
Beschluss  gestimmt  habe.  Es  genügt  vielmehr,  dass  er  dem 
Beschluss  nicht  zugestimmt  hat,  sei  es,  dass  er  sich  der  Ab- 
stimmung ganz  enthalten,  oder  einen  leeren  Stimmzettel  ein- 
gelegt, sei  es,  dass  er  der  Generalversammlung  überhaupt  nicht 
beigewohnt  hat. 

3.  Im  eidg.  0.  R.  ist  eine  gesetzliche  Pflicht  zur  An- 
legung eines  Reservefonds  nicht  ausgesprochen,  so  wenig  als 
in  dem  deutschen  Reichsgesetz  betr.  die  Kommanditgesell- 
schaften auf  Aktien  und  die  Aktiengesellschaften  vom  1 1.  Juni 
1870,  welches  Reichsgesetz  bekanntlich  für  die  Gestaltung 
des  schweizerischen  Aktienrechtes  vorbildlich  gewesen  ist, 
und  welches  in  Art.  217  die  Innehaltung  eines  Reservekapitals 
als  fakultativ  betrachtet.  Aus  den  Bestimmungen  des  0.  R., 
welche  sich  auf  die  „statutengemässe  Ausstattung  des  Reserve- 
fonds" (Art.  631  Abs.  1)  und  auf  die  Behandlung  des  Reserve- 
fonds bei  Aufstellung  der  Bilanz  (Art.  656  Ziff.  6)  beziehen, 
kann  ein  Mehreres  nicht  gefolgert  werden,   als  dass  das  Ge- 


*)  Vgl.  dagegen  Revue  Bd  XV  Nr.  29. 


44 

setz  von  der  Voraussetzung  ausgehe,  die  Aktiengesellschaften 
werden  regelmässig  einen  Reservefond  anlegen.  Eine  gesetz- 
liche Pflicht  zur  Anlegung  eines  solchen  Fonds  ist  nicht  aus- 
gesprochen, dazu  hätte  es  einer  ausdrücklichen  Gesetzesbe- 
stimmung bedurft,  wie  solche  auch  in  andern  Gesetzen,  die 
eine  solche  Pflicht  statuieren,  enthalten  ist,  und  zwar  hätte 
eine  solche  Gesetzesvorschrift,  um  überhaupt  einen  Sinn  zu 
haben,  selbstverständlich  mindestens  den  Minimalbetrag  der 
jährlichen  Einlage  vorschreiben  müssen.  Mnss  aber  davon 
ausgegangen  werden,  dass  die  Anlegung  eines  Reservefonds 
gesetzlich  nicht  vorgeschrieben  sei,  so  folgt  hieraus  einerseits, 
dass  es  Sache  der  Aktiengesellschaften  ist,  in  ihren  Statuten 
zu  bestimmen,  nicht  nur,  ob  sie  einen  Reservefond  gründen 
wollen  oder  nicht,  sondern  auch,  zu  welchem  Zweck  sie 
einen  solchen  Fond  gründen  wollen.  Die  Statuten  können, 
wie  es  z.  B.  nach  den  bei  den  Akten  befindlichen  Statuten 
der  Centralbahn  (§  44)  und  der  Gotthardbahn  (§  18)  geschehen 
ist,  demnach  den  allgemeinen  oder  einen  speziellen  Reserve- 
fond dafür  anlegen,  dass  nioht  bloss  bilanzmässige, .  sondern 
auch  sonstige  Verluste,  welche  im  Laufe  des  Jahres  einge- 
treten sind,  sog.  Geschäftsverluste,  aus  demselben  gedeckt 
werden  sollen,  und  sofern  und  soweit  dies  der  Fall  ist,  be- 
lastet der  Verlust  nicht  oder  nicht  ausschliesslich  die  Ein- 
nahme des  Jahres,  in  welchem  er  sich  ereignet  hat.  Es  ist 
daher  rechtsirrtümlich,  wenn  die  Vorinstanz  aus  Art.  630  0.  R. 
folgert,  dass  die  Tilgung  von  Verlusten  aus  dem  Reservefond 
vor  Aufstellung  der  Gewinnrechnung  schlechthin  unstatthaft 
sei;  vielmehr  kommt  es  auf  den  durch  die  Statuten  bestimm- 
ten Zweck  des  jeweilen  in  Frage  stehenden  Reservefonds  an, 
ob  Verluste  des  Rechnungsjahres  ausschliesslich  aus  den  Ein- 
nahmen desselben,  oder  auch  durch  Mittel,  welche  im  Laufe 
der  Jahre  allmälig  angesammelt  sind,  zu  decken  seien.  Wenn 
also  Art.  630  vorschreibt,  dass  Dividenden  und  Tantiemen  nur 
aus  dem  reinen  Gewinn,  welcher  sich  aus  der  Jahresbilanz 
ergiebt,  bezahlt  werden  dürfen,  so  ist  damit  nicht  schlecht- 
hin ausgesprochen,  das«  diese  Gewinnanteile  nur  von  dem- 
jenigen Betrage  berechnet  werden  dürfen,  der  nach  Abzug 
aller  Abschreibungen,  Ausgaben  und  Geschäftsverluste  des 
Rechnungsjahres  als  Einnahmeüberschuss  übrig  bleibt,  indem 
der  bilanzmässige  Uewinn,  den  Art.  630  im  Auge  hat,  nicht 
identisch  mit  jenem  Betrage  zu  sein  braucht,  sondern  von 
demselben  differieren  kann,  insofern  eben  zur  Deckung  solcher 
Geschäftsverluste  des  Rechnungsjahres  statut  en  mass  ig  ein  Re- 
servefond   besteht,    derselbe    bestimmungsgemäss   hiefür   ver- 


45 

wendet  wird,  und,  soweit  dies  geschieht,  eine  Inanspruch- 
nahme der  Jahreseinnahmen  also  nicht  stattfindet. 

4.  Der  Entscheid  über  die  vorliegende  Anfechtungsklage 
hängt  somit  davon  ab,  welchen  Zweck  die  Statuten  der  Be- 
klagten ihrem  Reservefond  gegeben  haben  ;  und  da  kann  aller- 
dings einem  begründeten  Zweifel  nicht  unterliegen,  dass  nach 
diesen  Statuten  der  Reservefond  (neben  der  Ergänzung  der 
Dividende)  nur  zur  Deckung  bilanzmässiger  Verluste,  also 
nur  zur  Ausgleichung  einer  Unterbilanz,  in  Angriff  genommen 
werden  kann.  Art.  35  der  Statuten  spricht  sich  über  den 
Zweck  des  Reservefonds  dahin  aus,  derselbe  sei  bestimmt  zur 
Verstärkung  der  Garantie  für  die  Gläubiger,  zur  Deckung 
allfälliger  Verluste  und  nötigenfalls  zur  Ergänzung  der  ordent- 
lichen Jahresdividende  von  4%.  Wo  nun  aber,  nach  den  kon- 
kreten Statuten,  als  Zweck  des  Reservefonds,  sei  es  allein, 
sei  es  neben  einer  andern  Zweckbestimmung,  einfach  die 
Deckung  allfälliger  Verluste  angegeben  ist,  muss  jedenfalls 
im  Zweifel  angenommen  werden,  dass  darunter  nur  ein  bilanz- 
mässiger, d.  h.  derjenige  Verlust  zu  verstehen  sei,  welcher 
sich  aus  der  Vergleichung  sämtlicher  Aktiven  und  Passiven 
ergiebt  und  einen  bilanzmässigen  Gewinn  ausschliesst,  sodass 
also  aus  der  Fassung  des  Art.  35,  welcher  einfach  von  De- 
ckung allfälliger  Verluste,  ohne  zwischen  Geschäfts-  und  bi- 
lanzmässigen Verlusten  zu  unterscheiden,  spricht,  nicht  ge- 
folgert werden  kann,  dass  der  Reservefond  zur  Deckung  aller 
Verluste  verwendet  werden  dürfe.  Von  dieser  Auffassung 
gehen  auch  regelmässig  die  Statuten  der  Aktiengesellschaften 
selbst  aus,  indem  da,  wo  der  Reservefond  auch  zur  Deckung 
von  sog.  Geschäftsverlusten,  welche  im  Laufe  des  Jahres  ein- 
treten, bestimmt  ist,  dies  in  der  Regel  ausdrücklich  gesagt 
ist.  In  casu  wird  die  Annahme,  dass  der  Reservefond  nur 
zur  Deckung  bilanzmässiger  Verluste  bestimmt  sei,  noch 
dadurch  verstärkt,  dass  derselbe  nach  der  ausdrücklichen 
Statutenbestimmung  zur  Verstärkung  der  Garantie  für  die 
Gläubiger  dienen  solle.  Diesem  Zweck  wird  er  aber  nicht 
gerecht,  wenn  er  neben  der  allfällig  nötigen  Ergänzung  der 
Minimaldividende  von  4%  noch  zur  Deckung  von  Geschäfts- 
verlusten und  damit  zur  Erhöhung  der  Tantiemen  benutzt  wird. 

Demnach  hat  das  Bundesgericht  einen  Beschluss  der 
Generalversammlung  der  Beklagten,  zufolge  dessen  zum  Zweoke 
der  Verteilung  höherer  Tantiemen  ein  Geschäftsverlust  des 
Jahres  1896  aus  dem  Reserveibnd  gedeckt  werden  sollte, 
aufgehoben.  (Entsch.  v.  17.  Dezember  1897  i.  S.  Spar-  und 
Leihkasse  Zofingen  c.  Graf  und  Genossen.) 


46 

30.  Art.  50,  52  0.  R.  Pâicht  des  Dienstherrn,  seine  Arbeiter 
vor  Berufsgefahren  zu  schützen.     Begriff  von  „  Versorger." 

1.  Der  Arbeitsherr  ist  verpflichtet,  die  erforderlichen, 
nach  den  Verhältnissen  zu  erwartenden  Anstalten  zu  treffen, 
um  seine  Arbeiter  gegen  Berufsgefahren  zu  sichern  (siehe 
bundesger.  Entsch.  Amtl.  Samml.  Bd  XVI  S.559  E.  3;  Bd  XX 
S.  487  E.  2;  Bd  XXII  S.  1224  E.  2).  Er  hat  hiefür  die  durch 
die  Verhältnisse  gebotene  Sorgfalt  aufzuwenden,  und  gegen- 
über dieser  gesetzlichen  Anforderung  geht  es  nicht  an,  sich 
auf  eine  abweichende  örtliche  Uebung  zu  berufen. 

2.  Versorger  einer  Person  oder  Familie  im  Sinne  des 
Art.  52  0.  R.  ist  nicht  nur  derjenige,  welcher  derselben  den 
gesamten  Unterhalt  gewährt,  Bondern  auch  derjenige,  welcher 
zu  ihrer  angemessenen  Subsistenz  bloss  beiträgt,  und  zwar  ist 
gleichgültig,  ob  der  Unterhalt  oder  Unterhaltsbeitrag  zufolge 
rechtlicher  Verpflichtung  oder  ohne  solche  gewährt  wird. 
(Entsch.  v.  5.  November  1897  i.S.  Scherer  c.  Bühlmann.) 


31.  Art.  77,  296,  338,  524  0.  R.  Rechtliche  Natur  eines  sog. 
Annoncenpachtvertrages.  Der  Herausgeber  einer  Zeitung  kann 
(ohne  Einwilligung  des  Gegenkontrahenten)  seine  Pflichten  aus 
einem  solchen  Vertrage  (speziell  die  Herausgabe  der  Zeitung)  nicht 
durch  einen  Dritten  (einen  neuen  Erwerber  der  Zeitung)  erfüllen 
lassen. 

Das  Merkmal  des  Pachtvertrages  besteht  in  der  Verpflich- 
tung des  einen  Teils,  dem  andern  eine  unbewegliche  Sache 
oder  ein  nutzbares  Recht  zum  Bezug  der  Früchte  oder  Er- 
trägnisse gegen  eine  Vergütung  zu  überlassen,  welche  in  Geld 
oder  einer  Quote  der  Früchte  oder  Erträgnisse  bestehen  kann 
(vgl.  Art.  296  0.  R.).  Durch  den  mit  der  Firma  0.  F.  &  Cie 
abgeschlossenen  Vertrag  nun  übertrug  der  Beklagte  dieser 
Firma  die  alleinige  Entgegennahme  und  ausschliessliche  Be- 
sorgung aller  Inserate  und  Reklamen  des  Intelligenzblattes, 
wobei  jedoch  die  Besorgung  des  Druckes  ihm  verblieb.  Be- 
züglich der  Insertionseinnahmen,  deren  Inkasso  Sache  der 
Annoncenfirma  war,  wurde  vereinbart,  dass  diese  letztere  dem 
Beklagten  jeweilen  anfangs  eines  Semesters  zum  voraus  à  conto 
die  Summe  von  10,000  Franken,  und  ferner  am  Ende  eines 
Monats  1000  Franken  ausbezahle.  Als  Vergütung  für  die  Be- 
sorgung der  Annoncen  sollte  sie  die  ersten  6000  Franken, 
welche  über  20,000  Franken  vereinnahmt  werden,  sowie  einen 
Viertel  von  dem  Ueberschuss  über  eine  Einnahme  von  26,000 
Franken  hinaus    erhalten.     In  Art.  5   ist  noch  bestimmt,  der 


47 

Beklagte  verpflichte  sieb,  für  rechtzeitiges  und  pünktliches 
Erscheinen  der  Inserate  und  Reklamen,  sowie  des  Intelligenz- 
blattes selbst,  zu  sorgen.  Aus  diesem  Yertragsinhalt  erhellt, 
dass  es  sich  keineswegs  um  Leistungen  und  Gegenleistungen, 
welche  dem  Pachtvertrag  eigen  sind,  handelte.  Der  Vertrag 
ging  nicht  etwa  dahin,  dass  der  Beklagte  der  Firma  O.F.  &  Cie 
einen  Teil  seines  Blattes  zur  selbständigen  Ausnutzung  zu 
Annoncenzwecken  überlassen,  und  ihm  dieselbe  dafür  eine  Ver- 
gütung, bestehend  in  einer  bestimmten  Geldsumme,  oder  einer 
Quote  ihrer  Erträgnisse,  zu  entrichten  gehabt  hätte.  Der  Be- 
klagte wollte  die  Erträgnisse  aus  dem  Inseratenteil  seines 
Blattes  keineswegs  der  genannten  Firma  überlassen;  die  Aus- 
beutung dieses  Teils  deB  Blattes  sollte  nicht  auf  ihre  Rech- 
nung, sondern  auf  Rechnung  des  Beklagten  gehen,  wie  auch 
der  Beklagte  ohne  besondere  Gegenleistung  den  Druck  der 
Inserate  zu  besorgen  hatte.  Gegenstand  des  Vertrages  war 
also  nicht  sowohl  die  Ueberlassung  eines  Rechts  des  Beklagten 
an  die  Firma  zur  Ausbeutung  durch  diese  letztere,  sondern 
vielmehr  in  erster  Linie  die  Uebernahme  einer  Arbeitsleistung 
seitens  der  Firma,  nämlich  die  Entgegennahme  der  Inserate 
und  deren  Besorgung  für  den  Druck,  die  Propaganda  für  den 
betreffenden  Teil  des  Blattes  u.  s.  w.  gegen  einen  bestimmten 
Anteil  am  Gewinn.  Das  Vertragsverhältnis  weist  hienach  nicht 
sowohl  die  Merkmale  eines  Pachtvertrages,  als  vielmehr  solche 
des  Gesellschafts-  und  des  Dienstvertrages  auf,  ohne  jedoch 
unter  eine  bestimmte  Kategorie  der  benannten,  vom  eidg. 
Obligationenrecht  besonders  behandelten,  Verträge  zu  fallen. 
Bei  der  Frage,  ob  sich  die  Firma  0.  F.  &  Cie  die  Uebertragung 
des  Blattes  auf  den  Kläger  gefallen  lassen  müsste,  kommen 
daher  die  allgemeinen  Grundsätze  des  Obligationenrechts  über 
die  Wirkungen  der  Obligationen  zur  Anwendung,  und  hängt 
demnach  die  Befugnis  des  Beklagten,  die  weitere  Erfüllung 
seiner  vertraglichen  Leistungen  gegenüber  0.  F.  &  Cie  von  sich 
aus  dem  Kläger  zu  übertragen,  gemäss  Art.  77  0.  R.  davon 
ab,  ob  es  bei  der  Erfüllung  auf  seine  Persönlichkeit  ankomme 
oder  nicht.  Zu  den  Verpflichtungen,  welche  der  Beklagte  der 
Firma  0.  F.  &  Cie  gegenüber  durch  den  genannten  Vertrag 
einging,  gehörte  nun  vor  allem  die  Herausgabe  des  Blattes 
selbst,  und  hier  hatte  die  Firma  jedenfalls  ein  erhebliches  In- 
teresse an  der  persönlichen  Erfüllung  durch  den  Beklagten. 
Die  Prosperität  und  Verbreitung  eines  Blattes  hängt  bekannter- 
massen  ganz  wesentlich  von  den  persönlichen  Eigenschaften 
des  Verlegers,  dessen  Fähigkeit  und  Geschäftskenntnis  ab, 
und  es  ist  klar,  dass  mit  der  Beliebtheit  und  der  Verbreitung 


48 

des  Blattes  auch  dessen  Eignung  als  Publikationsorgan  in 
engem  Zusammenhang  steht;  je  grösser  die  Auflage  des  Blattes 
ist,  um  so  wirksamer  wird  sich  seine  Benutzung  für  Inserate 
erweisen,  und  es  kann  daher  einem  Annoncenexpeditions- 
geschäft, welches  an  dem  Ertrag  der  Inserate  anteilsberechtigt 
ist,  nicht  gleichgiltig  sein,  von  wem  das  Blatt  herausgegeben 
werde,  ganz  abgesehen  davon,  dass  ein  solches  Geschärt,  wenn 
es  mit  einem  Blatte  in  dauernde  Verbindung  tritt,  vor  allem 
auch  den  allgemeinen  Charakter  desselben  in  Betracht  zieht, 
welcher  ebenfalls  je  nach  der  Person  des  Herausgebers  ändern 
kann.  Kam  es  demnach  bei  Erfüllung  des  in  Rede  stehenden 
Vertrages  mit  0.  P.  &  Cie  auf  die  Persönlichkeit  des  Beklagten 
an,  so  konnte  sich  diese  Firma,  sobald  der  Beklagte  den  Verlag 
des  Blattes  veräusserte,  darauf  berufen,  dass  der  Vertrag  nicht 
mehr  erfüllt  werde,  und  auch  ihrerseits  von  demselben  zurück- 
treten. Um  dem  Kläger  seine  Rechte  aus  dem  Vertrag  mit 
0.  F.  &  Cie  zu  wahren,  bedurfte  der  Beklagte  daher  der  Ein- 
willigung dieser  Firma.  (Entsch.  vom  10.  Dezember  1897  i.  S. 
Ebersold  c.  Müller.) 

32.  Art.  231,  Abs.  1  0.  fi.  Kaufpreitforderungen  aus  Liegen- 
schaftskauf unterstehen  hinsichtlich  der  Erlöschungsgründe,  speziell  der 
Verjährung,  dem  eidgenössischen  und  nicht  dem  kantonalen  Rechte. 

Es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  Kaufpreisforderungen  aus 
Liegenschaftskäufen  den  Vorschriften  des  eidg.  0.  R.  über  Ver- 
jährung unterstehen.  Freilich  bestimmt  Art.  231,  Abs.  1  O.  R., 
dass  für  Kaufverträge  über  Liegenschaften  das  kantonale  Recht 
gelte.  Allein  daraus  folgt  wohl,  dass  (wie  zweifellos  und  in 
der  bundesgeriohtlichen  Praxis  konstant  anerkannt  ist)  Vor- 
aussetzungen und  Wirkungen  eines  Liegenschaftskaufes  in  jeder 
Hinsicht  dem  kantonalen  Rechte  unterworfen  sind,  nicht  aber, 
dass  auch  die  nach  dem  massgebenden  kantonalen  Rechte  giltig 
begründeten  Obligationen  aus  Liegen schaftskauf  hinsichtlich 
der  für  sie  geltenden  Erlöschungsgründe  der  Herrschaft  des 
eidg.  0.  R.  entzogen  seien.  In  letzterer  Beziehung  ist  viel- 
mehr das  kantonale  Recht  im  eidg.  0.  R.  nirgends  vorbehalten 
und  gilt  daher  nicht  kantonales,  sondern  eidgenössisches  Recht. 
(Entsch.  vom  24.  Dezember  1897  i.  S.  Hauser  c.  Hauser.) 


33.  Art.  84,  233  0.  R.  Erfüllungsort  und  Ablieferungsort. 
Uvbensenfiunyspflichl  des   Verkäufers  beim  Distanzgeschäft 

Der  Erfüllungsort  ist  (beim  Distanzkaufei  keineswegs  ohne 
weiteres    zugleich    Ablieferungsort.     Eine   gesetzliche  Ueber- 


49 

Sendungspflicht  des  Verkäufers  an  einen  andern  als  den  Erfül- 
lungsort besteht  zwar  nicht,  dagegen  ist  dieselbe  bei  Distanz- 
geschäften allgemein  durch  Uebung  begründet  (s.  Hafner,  Kom- 
mentar zum  Obligationenrecht,  Anm.  3  zu  Art.  233),  und  es 
wird  auch  im  Zweifel  anzunehmen  sein,  dass  die  Versendung 
an  den  Ort  der  Handelsniederlassung  des  Käufers  zu  geschehen 
habe  (s.  Staub,  Kommentar  z.  deutsch.  H.  G.B.,  §  9  zu  Art.  344). 
(Entsch.  v.  24.  Dezember  1897  i.S.  Lehmann  c.  Schulze  &  Cie.) 


34.  Ait.  246,  247,  248  0.  R.  Frist  zur  Mängelrüge  bei  einem 
in  Ratenlieferungen  zu  erfüllenden  Kaufe.  Kriterium  der  bei 
übungsgemässer  Untersuchung  nicht  erkennbaren  Mängel.  Wann 
Hegt  absichtliche  Täuschung  des  Käufers  durch  den  Verkäufer  vor? 

1.  Nach  Art.  246  0.  R.  hat  der  Käufer  die  Beschaffenheit 
der  empfangenen  Ware  zu  prüfen,  sobald  das  nach  dem  üb- 
lichen Geschäftsgang  thunlich  ist,  und  dein  Verkäufer  vom 
Vorhandensein  allfälliger  Gewährsmängel  sofort  Anzeige  zu 
machen,  beim  Distanzkauf  überdies  nach  Art.  248  eodem 
u.  a.  den  Thatbestand  unverzüglich  feststellen  zu  lassen.  Diese 
Pflichten  liegen  dem  Käufer  beim  Kauf  in  Raten  nach  kon- 
stanter Praxis  des  Bundesgerichts  bezüglich  jeder  einzelnen 
Lieferung  ob. 

2.  Unter  nicht  erkennbaren  Mängeln  versteht  das  Gesetz  ver- 
borgene Fehler,  d.  h.  solche^Fehler,  welche  sich  durch  keinerlei 
äussere  Zeichen  darthun,  und  die  in  keiner  Weise  entdeckt 
werden  können,  oder  deren  Entdeckung  Analysen,  Speziai- 
Studien,  oder  eine  bedeutend  eingehendere  und  langwierigere 
Untersuchung  verlangt,  als  eine  solche,  die  von  einem  erfah- 
renen und  sorgfältigen  Geschäftsmanne  gefordert  werden  darf. 

3.  Die  Thatsache  der  Lieferung  mangelhafter  Ware  im 
Bewusstsein  der  Mängel  reicht  zur  Annahme  eines  dolus  des 
Verkäufers  nicht  aus,  da  sie  das  Recht  und  die  Pflicht  des 
Käufers,  die  Ware  zu  prüfen,  noch  nicht  illusorisch  macht; 
zu  jener  Lieferung  und  jenem  Bewusstsein  müssen  vielmehr 
noch  Handlungen  des  Verkäufers  kommen,  wie  Ueberredungen 
des  Käufers,  Verbergungen  der  Mängel  u.  s.  w. 

In  Anwendung  dieser  Grundsätze  hat  das  Bundesgericht 
die  erst  in  der  zweiten  Hälfte  Novembers  1895,  nach  Empfang 
einer  dritten  Ratenlieferung  erfolgte  Mängelrüge,  hinsichtlich 
zweier  am  29.  Oktober  und  7.  November  gelieferter  (vom 
Käufer  bereits  verwendeter)  Partien  Holzklötze,  welche  teil- 
weise stock-  oder  rotfaul  waren,  und  zwar  in  der  Art,  dass 
die  Fäulnis  auch  die  äussern  Teile  des  Holzes  ergriffen  hatte, 


w 

für  verspätet  erklärt.  Es  führte  aus,  von  einem  verborgenen 
Mangel  könnte  nur  dann  die  Rede  sein,  wenn  es  sich  um 
einen  im  Innern  des  Holzes  befindlichen  Fehler,  der  nur 
beim  Zerschneiden  desselben,  oder  um  einen  Fehler,  der  nur 
auf  dem  Wege  der  chemischen  Analyse  hätte  entdeckt  werden 
können,  gehandelt  hätte.  (Entsch.  vom  12.  Nov.  1897  i.  S. 
Schindler  c.  Durrer.) 

35.  Art.  276  0.  H.  Haftung  des  Vermieters  eines  als  Material- 
ablagerungsplatz  vermieteten  Grundstücks  für  dessen  Tauglichkeit 
zu  diesem  Gebrauche. 

Die  Beklagten,  die  Eisenbahnbauunternehmer  C.  &  Cie, 
hatten  vom  Kläger  B.,  resp.  dessen  Rechtsvorgänger,  eine 
bei  St.  Adrian,  an  der  (damals  im  Bau  begriffenen)  Bahnlinie 
der  Gotthardbahn  Goldau-Zug  gelegene,  Landparzelle  gemietet, 
um  dieselbe  als  Materialablagerungsplatz  zu  benutzen.  Nicht 
lange  nachdem  mit  der  Benutzung  begonnen  und  bevor  die 
gernietete  Parzelle  ganz  in  Anspruch  genommen  worden  war, 
geriet  das  überschüttete  Terrain  in  Rutschung,  wahrscheinlich 
weil  der  Druck  des  Ablagerungsraaterials  eine  Stauung  de» 
unterirdisch  abfliessenden  Wassers  bewirkte,  wodurch  die  über 
der  undurchlässigen  Schicht  liegende  Erde  aufgeweicht  wurde 
und  ins  Gleiten  geriet.  Durch  diese  Rutschung  wurde  an  die 
vermietete  Parzelle  anstossendes  Land  des  Klägers  beschädigt* 
Dieser  belangte  die  Beklagten  afaf  Ersatz  dieses  Schadens. 
Das  Bundesgericht  hat  die  Klage  abgewiesen,  indem  es  im 
Wesentlichen  ausführte  : 

Ein  vertragswidriges  Verhalten  kann  den  Beklagten  nicht 
zur  Last  gelegt  werden.  Ein  solches  soll  nach  Ansicht  des 
Klägers,  welcher  die  Vorinstanz  beigetreten  ist,  in  einer  Ueber- 
lastung  des  klägerischen  Terrains  liegen.  Dazu  ist  zu  be- 
merken: Ueber  das  Quantum  von  Ablagerungsmaterial,  das 
die  Beklagten  auf  dem  ihnen  angewiesenen  Platze  deponieren 
durften,  enthielt  der  Vertrag  keine  besonderen  Vorschriften. 
Die  Beklagten  durften  sich  demnach  als  berechtigt  betrachten, 
soviel  Material  auf  der  genannten  Parzelle  abzulagern,  als 
innerhalb  der  Schranken  eines  sachgemässen  Gebrauchs  zu- 
lässig war,  und  zwar  durften  sie  hiebei  von  der  Voraussetzung 
ausgehen,  dass  das  Mietobjekt  zu  dem  bestimmungsgemässen 
Gebrauch  als  Ablagerungsplatz  vollkommen  tauglich  sei;  denn 
durch  die  Vermietung  als  Ablagerungsplatz  hatte  der  Kläger 
ihnen  gegenüber  gemäss  Art.  276  0.  R.  die  Verantwortlichkeit 
für  einen  zu  diesem  Zweck  geeigneten  Zustand  des  Mietobjekts 
übernommen.    Wenn  daher  die  Rutschungen   bei  einer  Bela- 


51 

stung  eintraten,  welche  den  bestimmungsgemässen  Gebrauch 
des  Ablagerungsplatzes  nicht  überschritt,  so  muss  die  Schuld 
hieran  nicht  sowohl  einer  vertragswidrigen  Benutzung  des 
Mietobjektes,  sondern  einer  zum  vertragsmäßigen  Gebrauch 
ungeeigneten  Beschaffenheit  dieses  letztern  beigemessen  werden, 
und  trifft  demnach  der  Schaden  den  Vermieter  und  nicht  den 
Mieter.  Nun  ist  in  keiner  Weise  dargethan,  dass  die  Beklagten 
die  ihnen  angewiesene  Parzelle  übermässig,  d.  h.  in  einem  sol- 
chen Masse  belastet  haben,  dass  von  vertragswidrigem  Ge- 
brauch des  Mietobjekts  gesprochen  werden  könnte;  die  ihnen 
zugewiesene  Parzelle  ist  vielmehr  nicht  einmal  im  vollen  Um- 
fange zur  Ablagerung  benutzt  worden;  laut  den  Zeugenaus- 
sagen sind  denn  auch  die  Rutschungen  schon  beim  Beginn 
der  Ablagerungen  eingetreten,  und  es  steht  ferner  nach  diesen 
Aussagen  fest,  dass  die  Beklagten  mit  den  Ablagerungen  nicht 
weiter  fortgefahren  haben,  als  der  Boden  ins  Rutschen  geriet. 
Wenn  der  Kläger  geltend  macht,  die  Beklagten  hätten  als 
Bauunternehmer  erkennen  sollen,  dass  das  fragliche  Terrain 
als  Ablagerungsplatz  nicht  geeignet  sei,  so  ist  hierauf  zu  er- 
widern, dass  gemäss  Art.  276  0.  R.  der  Kläger  selbst,  als 
Vermieter,  für  die  Eignung  des  Mietobjektes  zum  vertrags- 
mässigen  Gebrauch  einzustehen  hatte,  und  die  Beklagten  sich 
demnach  ihm  gegenüber  jedenfalls  keine  Vertragsverletzung 
zu  Schulden  kommen  Hessen,  wenn  sie  diese  Eignung  einfach 
als  vorhanden  voraussetzten.  (Entsch.  vom  28.  Januar  1898 
i.  S.  Catella  &  Cie  e.  Bava.) 


36.  Art.  64,  349  0.  R. 

1.  Das  Rechtsverhältnis  zwischen  öffentlichen  Beamten 
(insbesondere  Lehrern  öffentlicher  Schulen)  und  dem  Staate 
oder  der  Gemeinde  beruht  nicht  auf  einem  privatrechtlichen 
Dienstvertrage,  sondern  gehört  dem  öffentlichen  Rechte  an. 
Wenn  das  Beamtenverhältnis  allerdings  insofern  eine  privat- 
rechtliche Seite  hat,  als  dem  Beamten  ein  im  Civilprozesswege 
verfolgbarer  Anspruch  auf  Besoldung  zusteht,  so  beruht  doch 
diese  privatrechtliche  Wirkung  nicht  auf  einem  Rechtsgeschäfte 
des  Civilrecht8,  sondern  ist  ein  Ausfluss  des  öffentlichen  Rechtes. 
Die  Ansprüche,  welche  einem  kantonalen  oder  Gemeindebe- 
amten aus  seiner  Anstellung  zustehen,  werden  daher  nicht  von 
den  Bestimmungen  des  eidgenössischen  0.  R.  über  den  Dienst- 
vertrag beherrscht,  sondern  unterstehen  ausschliesslich  dem 
kantonalen  öffentlichen  Rechte. 

2.  Das  eidgenössische  0.  R.  statuiert  eine  ausserkontrakt- 


liehe  Haftung  des  Staates  für  die  civilrechtlichen  Folgen  von 
Handlungen,  welche  Staatsbeamte  in  öffentlich-rechtlicher 
Stellung  vorgenommen  haben,  nicht.  (Entsch.  vom  3.  Dezem- 
ber 1897  i.  S.  Schmid  c.  Kanton  Aargau.) 


37.  Art.  348,  392,  398  0.  fi.  Grundsätze  für  Feststellung 
des  Advokatenhonorars,  wenn  dasselbe  weder  durch  Tarif  noch 
durch  Vertrag  geregelt  ist. 

1.  In  Ermangelung  eines  Tarifes  oder  Vertrages  ist  das 
Honorar  eines  Advokaten  in  billiger  Weise  gemäss  den  Grund- 
sätzen des  0.  R.  (Art.  392  in  Verbindung  mit  Art.  348)  fest- 
zusetzen. 

2.  Der  Advokat  hat  dem  Klienten  gemäss  Art.  398  0.  IL 
Rechnung  zu  stellen,  insbesondere  die  Arbeiten,  für  welche 
er  eine  Honorarforderung  stellt,  in  der  Weise  klarzustellen 
und  nachzuweisen,  dass  eine  Beurteilung  der  Natur  und  Be- 
deutung derselben  möglich  ist.  Eine  Rechnung,  welche  ein- 
fach lautet:  „zahlreiche  Konsultationen,  Konferenzen,  Sohritte 
bei  Bankhäusern  u.  s.  f.  5000  Fr.,"  genügt  nicht,  um  im  Be- 
streitungsfalle die  gestellte  Honorarforderung  zu  rechtfertigen. 

3.  Wenn  es  auch  als  billig  erscheint,  die  Dienste  der 
Advokaten  in  wichtigeren  Sachen  in  ausgiebiger  Weise  zu 
honorieren,  so  rechtfertigt  doch  die  Wichtigkeit  einer  Sache 
nicht,  ein  Honorar  zu  gewähren,  das  mit  der  wirklich  geleisteten 
Arbeit  in  keinem  Verhältnisse  steht. 

Der  Advokat  hat  in  Ermangelung  eines  besondern  dahin 
zielenden  Vertrages  keinen  Anspruch  auf  einen  Anteil  an  dem 
durch  seine  Mitwirkung  erzielten  Gewinn,  sondern  nur  auf 
Vergütung  seiner  Arbeitsleistung.  Günstige  Vermögensver- 
hältnisse des  Klienten  berechtigen  den  Advokaten  nicht  zu 
aussergewöhnlichen  übertriebenen  Forderungen.  (Entsch.  vom 
30.  Dez.  1897  i.  S.  Wahli  c.  Zurlinden  und  vom  22.  Jan.  1898 
i.  S.  Binet  c.  Moriaud.) 

38.  Art.  426,  716  0.  fi.  Wenn  ein  Verein  zu  idealen  Zwecken 
nebenbei  ein  Gewerbe  nach  kaufmännischer  Art  betreibt,  z.  B.  in 
ausgedehntem  Mass  sich  mit  Verlagsgeschäften  abgiebt,  so  ist  er 
hinsichtlich  dieses  Geschäftsbetriebes  wie  ein  Gewerbetreibender  zu 
behandeln;  es  gelten  daher  hinsichtlich  der  Vollmacht  der  mit  der 
Führung  des  betreffenden  Geschäftsbetriebes  betrauten  Personen  die 
Vorschriften  des  0.  R.  über  die  Handlungsvollmacht. 

(Entsch.  vom  20.  November  1897  i.  S.  Mittelschweizerische 
geographisch-kommerzielle  Gesellschaft  c.  Binkert.) 


;->3 

39,  Art.  867  ff.,  50  0.  R.  Firmenrecht  und  üloyale  Konkurrenz. 
Kann  die  Führung  einer  nicht  gegen  die  speziellen  Regeln  des 
Firmenrechts  verstossenden  Firma  deshalb  verbot™  werden,  weil 
dieselbe  zum  Zwecke  illoyaler  Konkurrenz  gebildet  worden  isti 
Verbot  der  Aufnahme  eines   Vornamens  in  die  Firma. 

In  der,  Revue  Band  XV  Nr.  107  dargestellten,  Sache 
Naphtali  Levy  c.  G.  Naphtaly  hat  das  Bundesgericht  das  Urteil 
des  Handelsgerichts  des  Kantons  Zürich  in  der  Hauptsache 
bestätigt,  indem  es  der  Begründung  dieses  Urteils  in  grund- 
sätzlicher Beziehung  noch  beifügte: 

Es  besteht  eine  Bestimmung  des  Firmenrechts,  welche 
die  Berücksichtigung  des  Momentes,  dass  eine  Firma  zum 
Zwecke  unerlaubter  Konkurrenz  gewählt  worden  ist,  verbieten 
würde,  nirgends;  namentlich  kann  ein  solcher  Schhiss  nicht 
aus  Art.  868  0.  R.  gezogen  werden,  welcher  gegenteils  die 
deutliche  Unterscheidung  zweier  Firmen  —  und  zwar  selbst- 
verständlich für  den  Verkehr  —  verlangt.  Umgekehrt  würde 
eine  gegenteilige  Entscheidung  zu  sehr  bedenklichen  Konse- 
quenzen führen.  Art.  867  ff.  O.K.  beziehen  sich,  wie  aus  der 
Stellung  und  dem  Inhalte  derselben  hervorgeht,  nur  auf  die 
im  Handelsregister  eingetragenen  Firmen;  da  nun  zwar  jeder, 
der  sich  durch  Verträge  verpflichten  kann,  zur  Eintragung 
berechtigt,  aber  nur  gewisse  Kategorien  von  Personen  ein- 
tragungspflichtig sind,  entstehen  zweierlei  Arten  von  Firmen: 
eingetragene  und  nicht  eingetragene.  Wie  nun  das  Bundes- 
gericht, gestützt  auf  Art.  50  0.  R.,  ganz  allgemein  eine  Klage 
auf  Schadenersatz  und  Unterlassung  wegen  illoyaler  Konkur- 
renz gegen  alle  täuschenden  Manöver,  durch  welche  ein  Ge- 
werbetreibender seinem  Konkurrenten  die  Kunden  zu  ent- 
ziehen, sich  dessen  Absatzgebietes  zu  bemächtigen  sucht, 
zugelassen  hat,  soweit  solche  Vorkehren  nicht  schon  durch 
Spezialgesetze  verboten  sind,  z.  B.  gegen  den  Gebrauch  täu- 
schender Geschäftsbezeichnungen,  nicht  als  Marken  eingetra- 
gener Etiquetten,  gegen  unlautere  täuschende  Reklame,  —  so 
müssen  konsequenterweise  auch  die  Namen  sowie  die  Firmen 
nicht  eintragungspflichtiger  Geschäftsleute  nach  Massgabe  der 
durch  die  Praxis  aufgestellten  Grundsätze  über  concurrence 
déloyale  geschützt  werden  (vgl.  den  Entsch.  des  Bundesgerichts 
i.S.  Stahl  c.  Weiss-Boller,  Amtl.  Samml.  Bd  XVII,  S.  7 10  ff.). 
Die  Rechtsordnung  würde  nun  aber  gewiss  mit  sich  selbst  in 
Widerspruch  geraten,  wenn  sie  den  Namen  und  den  nicht 
eingetragenen  bezw.  nicht  eintragungspflichtigen  Firmen  einen 
weitern  Schutz  gewähren  wollte,  als  den  eingetragenen.  In 
der  That  ist  denn   auch  keine   Rede   davon,   dass   etwa  die 


54 

Art.  867  ff.  0.  R.,  insbesondere  Art.  868  und  876,  den  einge- 
tragenen Firmen  einen  geringeren   Schutz  angedeihen   lassen 
wollen,    als  den  nicht  eingetragenen,  bezw.  einen   geringeren 
als   denjenigen   Schutz,   der   ihnen   nach   allgemeinen  Rechts« 
gruTidaätzen,  insbesondere  denjenigen   über   concurrence  délo- 
yale, zukommen  würde,   sondern    die  Tendenz   jener  Bestim- 
mungen geht  gegenteils  dabin,  die  eingetragenen  Firmen  mit 
einem  besonderen  Schutz  zu  umgeben.     Es   ist  gewiss   nicht 
einzusehen,   warum   das  Postulat   des  Grundsatzes   von  Treu 
und  Glauben  im  Verkehr,  dass  Verwechslungen  zwischen  zwei 
Gewerbegenossen   vermieden  werden    sollen,   auf  die   Inhaber 
eingetragener  Firmen   keine   oder   nur   eine  beschränkte  An- 
wendung finden  sollte....  Der  Kläger  und  Widerbeklagte  hat 
eingewendet,   dass    eine  Untersagung   der  Führung    des  Vor- 
namens  niemals    stattfinden   dürfe,   indem   er  ein  natürliches 
und  gesetzliches,  ganz  unbeschränktes  Recht  auch   am  Vor- 
namen habe  und  denselben  daher  auch  in  der  Firma  benutzen 
dürfe.   Allein  seine  Auffassung  ist  unhaltbar.   Allerdings  bildet 
der  Familienname  sowohl   für  sich  wie  in  seiner  Vervollstän- 
digung durch  Vornamen    den  Gegenstand   eines  Privatrechts, 
das  sich  als  ein  besonderes  Persönlichkeitsrecht  von  dem  all- 
gemeinen Rechte  der  Persönlichkeit  abhebt  (Gierke,  deutsches 
Privatrecht,  Bd  I,  S.  720),  und  es  wäre  daher  schon  aus  diesem 
Grunde,  wie  auch  deshalb,  weil  Art.  868  0.  R.  und   das  dem 
Obligationenrecht  zu  Grunde   liegende    Prinzip    der   Firmen- 
wahrheit die  Aufnahme  des  Familiennamens  in  die  Firma  ver- 
langen,  eine  Untersagung   der  Führung    des   letztern   in    der 
Firma  unstatthaft.     Anders  verhält  es   sich  jedoch   mit  dem 
Vornamen:  dieser  ist  im  Firmenrecht  nur  als  ein  Zusatz  zum 
Familiennamen  anzusehen,    und  wenn   er  nun,   entgegen  dem 
Zwecke  des  Institutes  der  Namengebung,  anstatt  zur  Unter- 
scheidung der  einen  Persönlichkeit  von    der  andern  zur  Ver- 
wechslung zweier  Gewerbegenossen  benutzt  wird,  ist  die  Un- 
tersagung der  Führung  des  Vornamens  zulässig,  als  das  einzig 
wirksame  Mittel  zur  Unterdrückung  der  auf  diese  Weise  ge- 
übten illoyalen  Konkurrenz  (vgl.  Pouillet,  Traité  des  marques 
de  fabrique  et  de  la  concurrence  déloyale,   Nr.  503;  Köhler, 
Markenrecht,  S.  132  f.  ;  Schuler,  die  concurrence  déloyale,  S.  105, 
Note  24;  Valloton,  la  concurrence  déloyale,  §50,  p.  69;  Fuld, 
Komment,   zum   Reichsges.   betr.  Bekämpfung   des  unlautern 
Wettbewerbs,  S.  141).  (Entsch.  vom  6.  Nov.  1897  i.  S.  Naphtali 
Levy  c.  G.  Naphtaly.) 


55 

40.  Art.  SO  ff.}  867  ff.  0.  R.  Firmenrecht  und  illoyale  Konkur- 
renz. Geschäftsbezeichnungen  sind  nur  dann  rechtlich  geschützt, 
wenn  sie  individueller,  origineller  Natur  sind,  nicht  auch  dann, 
wenn  sie  lediglich  die  Art  des  Geschäftes  in  sprachüblicher  Weise 
bezeichnen. 

Die  Kläger,  Gebr.  S.  (eine  Kollektivgesellschaft),  führen 
als  Uebernehmer  des  ältesten  Basler  Platzdroschkengeschäfts, 
welches  ursprünglich  einer  Aktiengesellschaft  mit  der  Firma 
„Basler  Droschkenanstalt"  gehört  hatte,  die  (eingetragene) 
Firma  „Basler  Droschkenanstalt  Gebrüder  S.u  Die  Be- 
klagten, ebenfalls  eine,  das  Droschkengeschäfc  in  Basel  be- 
treibende Kollektivgesellschaft,  änderten  im  Jahre  189T  (an- 
scheinend um  unter  dem  Stichworte  „Bröschkenanstalt"  in 
das  Telephonverzeichnis  aufgenommen  zu  werden)  ihre  bis- 
herige Firma  „Gebrüder  K."  in  „Allgemeine  Droschken- 
anstalt  Gebrüder  K."  um.  Die  Kläger  verlangten  nun,  es 
sei  den  Beklagten  die  Bezeichnung  „Allgemeine  Droschken- 
anstalt" gerichtlich  zu  untersagen  und  das  Handelsregister 
anzuweisen,  dieses  Wort  aus  dem  Firmeneintrag  der  Beklagten 
zu  streichen.  Die  Klage  wurde  vom  Civilgerichte  des  Kantons 
Baselstadt  gutgeheissen,  vom  Appellationsgerichte  und  vom 
Bundesgerichte  dagegen  abgewiesen.  Aus  den  Gründen  des 
bundesgerichtlichen  Urteils  heben  wir  hervor:  Dass  Art.  50 ff. 
O.  R.  auch  neben  den  Vorschriften  der  Art.  865  ff.  über  Firmen- 
recht Anwendung  finden,  dass  also  die  Frage  zu  prüfen  ist, 
ob  nicht  durch  eine,  nach  den  letztgenannten  Bestimmungen 
zulässige  Firma  ein  unlauterer  Wettbewerb  verübt  wird,  ist 
vom  Bundesgeriohte,  in  Abweichung  von  seinem  Urteile  i.  S. 
Läpp  &  Cie  c.  Anglo-Swiss  Condensed  Milk  Co.,  in  dem  Ent- 
scheide Naphtali  Levy  c.  G.  Naphtaly,  vom  6.  November  1897, 
ausgeführt  worden.  Nach  den  Grundsätzen  über  concurrence 
déloyale  nun  gehört  zum  Begriffsmerkmal  dieser  Handlung 
eine  Widerrechtlichkeit,  ein  Eingriff  in  ein  Individualrecht 
des  Klägers,  wodurch  dieser  sich  seine  Stellung  und  Geltung 
als  Gewerbetreibender  errungen  hat.  Ein  solches  Recht  be- 
anspruchen denn  auch  in  casu  die  Kläger  an  dem  Worte 
„Droschkenanstalt,"  und  die  vor  allem  für  den  Ausgang  des 
Prozesses  za  entscheidende  Frage  ist  somit  die,  ob  ihnen  ein 
solches  Recht  zustehe.  Diese  Frage  ist,  in  analoger  Anwen- 
dung der  Grundsätze  über  Markenschutz,  davon  abhängig,  ob 
jene  Bezeichnung  als  eine  solche  individualisierender,  charak- 
teristischer, origineller  Natur,  oder  aber  lediglich  als  Bezeich- 
nung der  Art  des  Geschäftes  anzusehen  ist;  und  dies  wird 
sich  bei  einer  immerhin  nicht  allgemein  gebräuchlichen   und 


56 

überall  bekannten  Bezeichnung  nicht  nach  dem  abstrakten 
Sprachgefühl,  sondern  nach  den  örtlichen  Verhältnissen  und 
Gewohnheiten  beurteilen.  Es  wird  sodann  ausgeführt,  es  er- 
scheine als  festgestellt,  dass  in  Baselstadt  „Droschkenanstalt* 
eine  für  Droschkengesohäfte  allgemein  übliche  Bezeichnung 
sei,  und  im  weitern  bemerkt:  Dem  steht  der  Umstand  nicht 
entgegen,  dass  vielleicht  gerade  die  Kläger  dadurch,  dass  sie 
zuerst  jenen  Ausdruck  gebrauchten,  zu  dessen  Generalisierung 
beigetragen  haben;  sie  haben  dann  eben  eine  Bezeichnung 
gewählt,  welche  im  Publikum  als  Bezeichnung  nicht  ihres 
Geschäftes  allein  angesehen  werden  konnte.  Dazu  kommt  die 
allgemein  gebräuchliche  Verwendung  des  Wortes  „Anstalt" 
in  Verbindung  mit  andern  Worten  zur  Bezeichnung  des  Ge- 
schäftsbetriebes. Und  schliesslich  ist,  in  Anlehnung  an  die 
Grundsätze  des  Markenrechts,  zu  sagen,  dass  Bezeichnungen, 
die  an  sich,  ihrer  Natur  nach,  als  Geschäfts-  oder  Sachbezeich- 
nungen leicht  angesehen  werden  können,  nicht  leichthin  zum 
Monopolgut  eines  Gewerbetreibenden  erklärt  werden  dürfen; 
an  solchen  an  sich  generellen  Bezeichnungen  kann  nur  unter 
ganz  besonderen  Umständen  ein  Individualrecht  erworben 
werden  (vgl.  Urteil  des  Bundesgerichts  i.  S.  Christen-Kessel- 
bach c.  Danioth,  Amtl.  Samml.,  Bd  XVII,  S.  518,  und  Weiss, 
concurrence  déloyale,  S.  41  f.).  (Entsch.  vom  11.  Dez.  1897 
i.  8.  Basler  Droschkenanstalt  Gebr.  Settelen  c.  Allgemeine 
Droschkenanstalt  Gebr.  Keller.) 


II.  Art.  204,  243  /f.,  246,  890  0.  R.  Insoweit  das  kantonale 
Recht  keine  besondern  Bestimmungen  über  die  Gewährleistung  beim 
Viehhandel  enthält,  gelten  dafür  die  Grundsätze  des  0.  R.  — 
Rechtzeitigkeit  der  Untersuchung  und  Mängelrüge?  —  Beweislast 
für  das  Vorhandensein  d<r  Mängel  bei  der  Wandelungsklage, 
wenn  der  Käufer  die  Kaufsache  als  vertragsmässigen  Leistungs- 
gegenständ  in  Empfang  genommen  hat. 

Am  23.  Juni  1895  verkaufte  der  Beklagte  J.  R.,  in  Sch.(  Bern), 
dem  Kläger  J.  Z.,  Wirt  in  F.  (Aargau),  einen  Zuchtstier  um  den 
Preis  von  Fr.  1 600.  —  nebst  einem  Trinkgeld  von  5  Fr.  Der  Ver- 
käufer garantierte  dem  Käufer  schriftlich  u.  a.  „für  gute  Zucht- 
fähigkeit  des  verkauften  Stieres."  Feiner  ist  in  Art.  III  des 
Vertrages  festgesetzt,  dass  der  Verkäufer  dem  Käufer  für  den 
Stier  bei  dessen  Uebergabe  ein  gutes  Abstammungszeugnis 
verabreichen  müsse.  Die  Uebergabe  des  Stieres  an  den  Käufer 
fand  am  15.  Juli  gleichen  Jahres  statt,  unter  gleichzeitiger 
Bezahlung  des  Kaufpreises   nebst  Trinkgeld.     Mit  Brief  vom 


57 

14.  August  1895  teilte  der  Kläger  dem  Beklagten  mit,  er 
habe  den  Stier  am  9.  August  zu  einer  Kuh  zugelassen;  dabei 
habe  sich  aber  herausgestellt,  dass  eine  Züchtung  nicht  mög- 
lich gewesen  sei,  weil  der  Stier  die  Rute  nicht  genügend  habe 
ausschachten  können;  er  bat  zugleich  um  Rücknahme  des 
Stieres  gegen  Uebergabe  eines  andern,  zuchtfähigen.  Da  der 
Beklagte  hierauf  nicht  eingehen  wollte,  und  auch  spätere  am 
1.  September  und  6.  Oktober  1895  vorgenommene  Züchtungs- 
versuche erfolglos  blieben,  so  erhob  der  Kläger  die  Wande- 
lungsklage. Der  Beklagte  stellte  der  Klage  u.  a.  die  Einrede 
der  Verspätung  der  Mängelrüge  entgegen  und  machte  im 
weitern  geltend,  er  hafte  nur  dafür,  dass  der  Stier  die  zuge- 
sicherte Eigenschaft  im  Momente  der  Uebergabe  besessen 
habe,  und  das  sei  der  Fall  gewesen.  Der  App.-  und  Kass.-Hof 
des  Kantons  Bern  hat  nach  durchgeführtem  Beweisverfahren 
die  Klage  abgewiesen,  indem  er  annahm,  der  Kläger  habe 
die  Untersuchung  und  Mängelrüge  verspätet  vorgenommen 
und  habe  den  ihm  obliegenden  Beweis,  dass  der  Stier  im 
massgebenden  Zeitpunkte  der  Uebergabe  die  zugesicherte 
Eigenschaft  der  Zuchtfähigkeit  nicht  besessen  habe,  nicht  er- 
bracht. Das  Bundesgericht  hat  sich  zur  Beurteilung  der  Be- 
rufung des  Klägers  kompetent  erklärt,  in  der  Sache  selbst 
dagegen  das  kantonale  Urteil  bestätigt,  indem  es  immerhin 
die  Einrede  der  Verspätung  der  Mängelrüge,  im  Gegensatz  zu 
der  kantonalen  Instanz,  als  unbegründet  verwarf.  Aus  den 
Gründen  der  bundesgerichtlichen  Entscheidung  ist  hervor- 
zuheben: Das  Bundesgericht  hat  den  Art.  890  0.  R.  in  kon- 
stanter Praxis  (A.  S.  XXII  S.  867  Erw.  4;  XXIII  S.  178 
Erw.  3,  813  ff.  Erw.  2)  dahin  ausgelegt,  das  kantonale  Recht 
komme  in  der  Materie  des  Viehhandels  nur  zur  Anwendung, 
soweit  es  Spezialbestimmungen  hierüber  —  sei  es  bezüglich 
Gewährleistung  gesetzlicher  Mängel,  sei  es  betreffend  Ge- 
währleistung für  vertraglich  zugesicherte  Eigenschaften  — 
enthalte.  Eine  solche  Spezialbestiramung  weist  das  —  hier 
unzweifelhaft  als  örtliches  Recht  in  erster  Linie  zur  An- 
wendung kommende  —  bernische  Recht  lediglich  auf  in  §  2 
des  Gesetzes  vom  30.  Oktober  1881,  wonach  beim  Handel 
mit  Tieren  aus  dem  Pferde-  oder  Rindviehgeschlecht  Voraus- 
setzung der  Haftung  für  Mängel  der  Kaufsache  ein  schrift- 
liches Garantie  versprechen  ist.  Diese  Spezialbestimmung  steht 
hier  nicht  in  Frage,  und  daher  müssen  die  Bestimmungen 
dea  0.  R.  zur  Anwendung  kommen,  und  zwar  als  Bestandteile 
des  eidgenössischen,  nicht  des  kantonalen  Rechts,  da  eine 
gegenteilige  Auslegung  des  Art.  890  0.  R.  (welche  übrigens 


58 

von  der  Vorinstanz  in  casu  keineswegs  vorgenommen  worden 
ist)  der  dieser  Vorschrift  vom  Bundesgeriohte  gegebenen  Inter* 
pretation  widersprechen  würde.  Nach  Art.  246  0.  B.  hat  der 
Käufer  die  Beschaffenheit  der  empfangenen  Ware  zu  prüfen, 
„sobald  dieses  nach  dem  üblichen  Geschäftsgänge  thunlich 
ist."  Hieb  ei  sind  der  Natur  der  Sache  nach  auch  die  Umstände 
des  einzelnen  Falles  in  Berücksichtigung  zu  ziehen,  also  in 
casu  namentlich  der  Umstand,  dass  der  Zeitpunkt  der  Untere 
suchung,  die  hier  nichts  anderes  als  ein  Züchtungsversuch 
sein  konnte,  nicht  lediglich  im  Belieben  des  Klägers  lag,  viel- 
mehr dazu  noch  andere,  von  seinem  Willen  unabhängige  Vor- 
aussetzungen, wie  namentlich  das  Vorhandensein  geeigneter 
weiblicher  Tiere,  notwendig  waren.  Erwägt  man  nun,  dass 
es  im  eigenen  Interesse  des  Klägers  lag,  den  Stier  bald- 
möglichst zu  Zuchtzwecken  zu  verwenden,  und  dass  im  Wohn- 
kreise des  Klägers  die  Viehwirtschaft  nicht  den  Haupt- 
ernährungszweig der  Bevölkerung  bildet,  so  erscheint  es  als 
in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  dem  Kläger  vom  17.  Juli 
bis  9.  August  1895  die  Gelegenheit  zu  einem  Züchtungsver- 
suche gefehlt  hat  —  eine  Annahme,  die  durch  den  Umstand 
bedeutend  unterstützt  wird,  dass  vom  9.  August  bis  zum 
1.  September  1895"  wiederum  kein  Zuohtversuch  möglich  war. 
Sonach  kann  die  Untersuchung  nicht  als  verspätet  angesehen 
werden  ;  alsdann  ist  aber  auch  die  Anzeige  des  vorhandenen 
Mangels  mit  Brief  vom  14.  August  1895  rechtzeitig  erfolgt. 
Denn  es  kann,  wie  das  Bundesgericht  in  feststehender  Praxis 
ausgesprochen  hat  (vgl.  z.  B.  A.  S.  XVIII  S.  352  f.),  die  zu- 
lässige Rügefrist  (gleich  wie  die  Untersuchungsfrist)  nicht  ab- 
strakt bestimmt  werden,  sondern  es  sind  die  konkreten  Um- 
stände zu  berücksichtigen,  insbesondere  das  Kaufobjekt  wie 
auch  die  Art  des  Geschäftsbetriebes  des  Käufers.  Da  nun 
in  casu  einerseits  das  Kaufobjekt  nicht  zurWeiterveräusserung 
bestimmt,  also  nicht  Handelsware  ist,  andrerseits  der  Käufer 
nicht  dem  Handelsstande  angehört,  sondern  neben  seiner 
Wirtschaft  offenbar  die  Landwirtschaft  betreibt,  so  kann  die 
am  fünften  Tage  nach  der  Untersuchung  vorgenommene  An- 
zeige nicht  als  verspätet  angesehen  werden,  indem  einem 
Landwirt  nicht  dieselbe  Promptheit  in  Erledigung  seiner  Ge- 
schäftssachen zugemutet  werden  darf  wie  einem  Kaufmann. 
Den  Beweis  für  das  Vorhandensein  des  Mangels  der  zuge- 
sicherten Eigenschaft  hat  die  Vorinstanz  mit  Recht  dem 
Kläger  auferlegt;  denn  er  hat  den  streitigen  Stier  als  ver- 
trag8gemässen  Leistungsgegenstand  in  Empfang  genommen 
und   macht   nun    den  Wandelungsanspruch   als   selbständigen 


59 

Anspruch  geltend;  er  hat  daher  das  Vorhandensein  der  Grund- 
lage dieses  selbständigen  Anspruchs  zu  beweisen  (vgl.  A.  S. 
-XV  S.  800),  und  zwar  das  Vorhandensein  derselben  im  mass- 
gebenden Zeitpunkte.  Als  dieser  massgebende  Zeitpunkt  aber 
ist  mit  der  Vorinstanz  der  Moment  der  Uebergabe  des  Stieres 
an  den  Kläger  anzusehen.  Nach  Art.  204  0.  R.  wäre  freilich 
massgebend  der  Moment  des  Vertragsabschlusses  ;  allein  durch 
Art.  3  des  Garantiescheines  ist  zu  jenem  massgebenden  Zeit* 
punkte  der  Moment  der  Uebergabe  gemacht  worden.  Nun 
hat  die  Vorinstanz,  auf  die  Würdigung  der  aufgenommenen 
Beweise  gestützt,  den  dem  Kläger  obliegenden  Beweis  nicht 
als  geleistet  angenommen,  und  an  diese  Beweiswürdigung 
ist  das  Bundesgericht  gebunden,  sofern  sie  nicht  Verletzungen 
bundesrechtlicher  Bestimmungen  enthält  oder  mit  dem  Inhalte 
der  Akten  in  Widerspruch  steht.  Weder  das  eine  noch  das 
andere  ist  der  Fall.  Eine  Verletzung  einer  bundesrechtlichen 
Norm  läge  dann  vor,  wenn  das  0.  R.  eine  präsumtio  juris  des 
Inhaltes  aufstellen  würde,  dass  Mängel,  die  sich  eine  gewisse 
Zeit  nach  der  Uebergabe  zeigen,  schon  zur  Zeit  derselben 
vorhanden  gewesen  seien  ;  eine  solche  Bestimmung  findet  sich 
aber  im  0.  R.,  entgegen  z.  B.  dem  preussischen  Landrecht,  dem 
sächsischen  B.  G.  B.  und  der  österreichischen  Gesetzgebung, 
nicht.  Aber  auch  von  einer  Aktenwidrigkeit  kann  nicht  ge- 
sprochen werden.  (Entsch.  vom  11.  Dezember  1897  i.  S. 
Zimmermann  c.  Rebmann.) 


42.  Art.  896  0.  R.  Versicherungsvertrag.  Anzeigepflicht  des 
Versicherungsnehmers  bei  Eingehung  des  Versicherungsvertrages  und 
nach  eingetretener  Gefahr  bei  der  Unfallversicherung.  Unrichtige  An- 
gaben im  Versicherungsvertrage  machen  den  Vertrag  dann  für  den 
Versicherer  unverbindlich,  wenn  nie  objektiv,  nach  der  Auffassung 
des  Verkehrs,  für  den  Entschluss  des  Versicherers  erhebliche  Um- 
stände beireffen  und  dem  Versicherungsnehmer  bezw.  Versicherten 
zu  vorsätzlichem  oder  fahrlässigem  Verschulden  anzurechnen 
sind.  —  Bedeutung  der  Fragebogen  der  Versicherungsanstalten. 

G.  L.  in  Ölten  hatte  den  als  Handlanger  in  seinem  Dienste 
stehenden  A.  Seh.  bei  der  Beklagten  gegen  Unfälle,  welche  ihm 
im  Dienst  zustossen  sollten,  versichert;  die  Versicherung  war  auf 
den  Nachfolger  des  Versicherten  im  Dienste  des  G.  L.  übertrag- 
bar. Als  nun  A.  Seh.  aus  dem  Dienste  des  G.  L.  ausgetreten  und 
durch  den  gegenwärtigen  Kläger  M.  G.  ersetzt  worden  war, 
zeigte  G.  L.  dies  der  Beklagten  am  28.  Januar  1896  mit  der 
Bemerkung  an,  dass  nun  G.  durch  die  Police  versichert  wer- 


60 

den  solle;  gleichzeitig  bemerkte  er  mit  Bücksicht  auf  die 
Notiz  im  Anzeigeformular:  „wenn  der  neu  zu  Versichernde 
nicht  gesund  oder  mit  einem  körperlichen  Fehler  oder  Ge- 
brechen behaftet  ist,  so  ist  solches  genau  anzugeben,"  M.  GL 
sei  ebenfalls  gesund  und  ohne  körperliche  Fehler  oder  Ge- 
brechen. Am  31.  Januar  1896  erlitt  M.  G.,  als  er  auf  der 
Fraise  ein  Stück  Holz  schneiden  wollte,  eine  Verletzung  an 
der  linken  Hand,  infolge  welcher  die  Entfernung  aller  Finger 
nötig  wurde.  In  der  Schadenanzeige,  welche  von  K.  erstattet 
wurde,  wurde  die  Frage,  ob  der  Verletzte  vor  dem  Unfälle 
invalid,  irgendwie  verstümmelt,  körperlich  oder  geistig  ge- 
brechlich oder  mit  einer  schweren  Krankheit  (Bruch,  Ver- 
lust oder  Steifheit  von  Fingern  u.  s.  w.)  behaftet  gewesen  sei, 
mit  Nein  beantwortet.  Es  stellte  sioh  nun  aber  heraus,  dass 
AL  G.  bereits  im  Jahre  1887  ebenfalls  an  der  linken  Hand 
einen  Unfall  erlitten  hatte,  wodurch  ihm  ein  Teil  der  Nagel- 
phalaux  des  Daumens  weggerissen  worden  war.  Die  Be- 
klagte verweigerte  daher  die  Bezahlung  der  Versicherungs- 
siimme, indem  sie  sich  auf  §  25  ihrer  allgemeinen  Versiche- 
rungsbedingungen berief,  wonach  „falsche  Angaben  im  An- 
trag, in  der  Schadenanzeige  und  in  den  weitern  Mitteilungen 
über  den  Unfall  den  Versicherungsvertrag  ungültig  machen." 
Das  Bundesgericht  hat  die  Klage  abgewiesen,  indem  es  in 
grundsätzlicher  Beziehung  ausführte: 

1.  Wenn  sowohl  in  der  Uebertragungsanmeldung  als  in  der 
Schadenanzeige  vom  Versicherungsnehmer  gesagt  wurde,  der 
Kläger  sei  ohne  körperliche  Fehler  und  Gebrechen,  so  war  diese 
Angabe  zweifellos  objektiv  falsch.  Jedoch  ist  dieser  Umstand 
allein  noch  nicht  genügend,  um  die  Versicherung  für  den  Ver- 
sicherer unverbindlich  zu  machen;  vielmehr  muss  dazu  noch  das 
weitere  Moment  kommen,  dass  die  verschwiegenen  Thatsachen 
für  das  zwischen  den  Parteien  bestehende  Vertragsverhältnis 
erheblich  sind.  In  dieser  Hinsicht  ist  nun  zu  unterscheiden 
zwischen  der  Anzeige  bei  der  Antragstellung  zur  Versiche- 
rung bezw.  beim  Uebertragungsantrag  und  der  Schadenanzeige: 
von  Einfluss  auf  den  Abschluss  des  Vertrages  kann  von  vorn- 
herein nur  die  erstere  Anzeige  sein,  während  bei  der  Scha- 
denanzeige lediglich  von  Bedeutung  ist  die  rechtzeitige  und 
vollständig  richtige,  wahrheitsgemässe  Angabe  über  den  er- 
littenen Schaden.  Danach  fallen  die  unrichtigen  Angaben  in 
der  Schadenanzeige  in  casu  sofort  ausser  Betracht;  denn  die 
Verneinung  der  Thatsache,  dass  der  Kläger  früher  schon  eine 
Verletzung  erlitten  hatte,  enthielt  keine  Verletzung  der  An- 
zeigepflicht des  Versicherungsnehmers  nach  eingetretener  Ge- 


61 

fahr,  war  vielmehr  für  die  Interessen  des  Versicherers  nach 
diesem  Zeitpunkte  durchaus  unerheblich.  Was  dagegen  die 
unrichtigen  Angaben  bezw.  Verschweigungen  bei  der  Antrag- 
stellung oder  beim  Vertragsabschlüsse  betrifft,  so  sind  nach 
der  neueren  Theorie,  welcher  sich  das  Bundesgericht  in  seinem 
Entscheide  vom  4.  Juli  1896  (Amtl.  Sammig  Bd  XXII  S.  802 
ff.,  spez.  8.  807  Erw.  2)  angeschlossen  hat,  als  erbebliche  That- 
sachen  diejenigen  zu  bezeichnen,  die  nach  der  Anschauung 
des  Verkehrs  geeignet  sind,  auf  den  Entschluss  des  Versicherers, 
den  Vertrag  überhaupt  oder  zu  den  vereinbarten  Bedingungen 
einzugehen,  einen  Einfluss  auszuüben  (vgl.  Rölli,  Entwurf  zu 
einem  Bundesgesetze  über  den  Versicherungsvertrag,  Art.  6, 
und  Motive  dazu,  S.  34  ff.;  Ehrenberg,  Handbuch  des  Ver- 
sicherungsrechts, I,  S.  335  ff.).  Diese  nicht  unbestrittene  An- 
schauung steht  freilich  nicht  im  Einklang  mit  den  allge- 
meinen Prinzipien  des  Civilrechts,  wonach  die  Kontrahenten 
alles  vereinbaren  können,  was  möglich  und  nicht  widerrecht- 
lich oder  unsittlich  ist,  und  hieran  gebunden  sind,  so  dass 
als  erhebliche  Thatsachen  alle  diejenigen  zu  bezeichnen  wären, 
welche  in  dem  Antragsformular  und  dem  Fragebogen  Gegen- 
stand der  dem  Versicherungsnehmer  vom  Versicherer  vorge- 
legten Fragen  sind.  Dagegen  ergiebt  sich  jene  Auffassung 
aus  dem  Wesen  des  Versicherungsvertrages  im  allgemeinen 
und  aus  der  Natur  und  Bedeutung  der  Anzeigepflicht  des  Ver- 
sicherungsnehmers bezw.  Antragstellers  im  besondern.  Denn 
der  Versicherungsvertrag  beruht  in  ganz  besonderem  und  un- 
gewöhnlichem Masse  auf  der  gegenseitigen  Treue  der  Kon- 
trahenten; diesem  Erfordernis  der  Treue  würde  es  aber  nicht 
entsprechen,  dass  eine  Thatsache,  die  an  und  fur  sich  für 
den  Abschluss  des  Versicherungsvertrages  gänzlich  ohne  Be- 
deutung ist,  dadurch  zu  einer  erheblichen  gemacht  würde, 
dass  der  Versicherer  dem  Versicherungsnehmer  über  dieselbe 
eine  Frage  stellt;  diese  Fragen  können  vielmehr  höchstens 
als  Indizien  für  die  Erheblichkeit  in  dem  oben  entwickelten 
Sinne  in  Betracht  kommen.  Die  Anzeigepflicht  des  Ver- 
sicherungsnehmers hat  daher  auch  nur  den  Zweck,  dem  Ver- 
sicherer die  Kenntnis  derjenigen  Thatsachen  zu  verschaffen, 
welche  für  seine  Erschliessung,  ob  und  zu  welchen  Be- 
dingungen er  den  Versicherungsvertrag  eingehen  wolle,  von 
Bedeutung  sind,  und  eine  Verletzung  dieser  Anzeigepflicht 
liegt  nur  vor,  wenn  solche  Thatsachen  verschwiegen  bezw. 
die  darauf  bezüglichen  Fragen  unrichtig  beantwortet  werden. 
Die  Frage  nun,  ob  die  frühere  Verletzung  als  in  diesem  Sinne 
erheblich  zu  betrachten  sei,  ist  zu  bejahen.    Zwar  ist  hiebei, 


€2 

wie  bemerkt,  der  Umstand,  dass  die  Beklagte  in  ihrem  An- 
meldungs-  wie  im  Schadenanzeigeformular  eine  diesbezüg- 
liche Anfrage  stellt,  noch  nicht  von  entscheidendem  Einfluss 
(anders  Röllis  Entwurf  Art.  8,  Abs.  2);  massgebend  ist  viel- 
mehr der  oben  angeführte  Grundsatz.  Allein  nach  diesem 
ist  es  klar,  dass  bei  der  Versicherung  eines  Handlangers, 
dessen  Hauptarbeit  mit  den  Händen  zu  verrichten  ist  und 
dessen  kostbarstes  Gut  für  die  Verwendung  seiner  Arbeits- 
kraft diese  darstellen,  der  Umstand,  dass  eine  Hand  auch 
nur  teilweise  verstümmelt  ist,  auf  die  Entschliessung  des  Ver- 
sicherers, ob  und  zu  welchen  Bedingungen  er  den  Unfall  Ver- 
sicherungsvertrag abschlies8en  wolle,  von  ganz  bedeutendem 
Einfluss  sein  muss,  da  das  Risiko  auch  bei  nur  teilweiser 
Verstümmelung  sofort  ein  anderes,  schwereres  wird,  als  bei 
einer  gesunden  Hand. 

2.  Es  entsteht  weiterhin  die  Frage,  ob  die  objektive 
Unrichtigkeit  und  die  Erheblichkeit  der  unrichtigen  Angabe 
zur  Verwirkung  der  Rechte  des  Versicherungsnehmers  bezw. 
Versicherten  aus  dem  Versicherungsvertrag  genüge,  oder  ob 
hiezu  noch  etwas  weiteres,  nämlich  ein  Verschulden  des  Ver- 
sicherungsnehmers bezüglich  der  unrichtigen  Angaben,  erfor- 
derlieh sei.  Da  diese  Frage  aus  dem  Inhalte  der  Police  nicht 
beantwortet  werden  kann,  ist  sie  zu  lösen  an  Hand  der  von 
der  Wissenschaft  und  der  Rechtsprechung  entwickelten  Grund- 
sätze. Danach  herrscht  nun  hierüber  freilich  wiederum  keine 
Einigkeit,  indem  die  eine  Ansicht  dahin  geht,  es  genüge  an 
der  objektiven  Unrichtigkeit  (vgl.  Lewis,  Lehrbuch  des  Ver- 
sicherungsrechts S.  77  f.),  eine  zweite  dagegen  dolus  des  Ver- 
sicherungsnehmers verlangt,  während  eine  dritte  sich  mit  je- 
dem Verschulden  desselben  begnügt.  Diese  letztere  (vom 
R.  0.  H.  G.  in  Entsch.  Bd  IX,  S.  286,  Bd  XI,  S.  134,  und 
vom  R.  G.  in  Entsch.  Bd  X,  S.  159,  sowie  von  Ehrenberg  a. 
a.  0.  S.  340  ff.  vertretene)  Auffassung  erscheint  als  die  dem 
Wesen  des  Versicherungsvertrages  angemessenste,  indem  auch 
die  fahrlässige  Verletzung  der  dem  Versicherungsnehmer  ob- 
liegenden Anzeigepfliehr,  also  die  Verletzung  der  von  ihm 
zu  erfordernden  Sorgfalt  und  Aufmerksamkeit,  dem  dem  Ver- 
sicherungsvertrage in  so  hohem  Grade  immanenten  Grund- 
satze der  gegenseitigen  Treue  widerspricht.  Diese  zu  erfor- 
dernde Fahrlässigkeit  der  Verletzung  der  Anzeigepflicht  liegt 
nun  in  casu  vor.  Es  war  offenbar  Pflicht  des  Versicherungs- 
nehmers, sich  vor  Ausfüllung  des  ihm  eingehändigten  Ueber- 
tragung8formular8  genau  zu  informieren,  ob  er  die  Angaben, 
die  er  machte,  mit  gutem  Gewissen  erstatten   dürfe;   und  es 


63 

war  ihm  ohne  die  geringste  Schwierigkeit  möglich,  sich  die 
Kenntnis  des  körperlichen  Zustandes  des  zu  Versichernden 
zu  verschaffen,  um  so  mehr,  als  es  sich  nicht  um  eine  innere 
Krankheit  oder  um  ein  inneres  Gebrechen,  sondern  um  eine 
äU88erliche  Verstümmelung  handelte.  (Entsch.  vom  12.  No- 
vember 1898  i.  8.  M.  Gross  c.  Schweizerische  Unfallver- 
sicherungsgesellschaft in  Winterthur.) 


43.  Art.  896  0.  R.  Unfallver Sicherungsvertrag.  —  Die  in 
den  allgemeinen  V er  sicherungsbf  dingungen  für  die  ärztliche  Fest- 
stellung des  Unfalles  und  die  Erstattung  der  Unfallsanzeige  fest- 
gesetzten Fristen  beginnen  nicht  mit  dein  Tage  dir  Verletzung 
schlechthin,  sondern  erst  mit  dem  Momente  zu  laufen,  wo  die  Ver- 
letzung sich  als  Unfall  im  Sinne  des  Versicherungsvertrages  er- 
weist, welcher  zeitweise  oder  dauernde  Erwerbsunfähigkeit  nach 
sich  zieht  und  also  das  Fundament  eines  Anspruches  aus  dem 
Versicherungsvertrage  bilden  kann.  Wenn  daher  aus  einer  an 
sich  ganz  bedeutungslosen  Hautabschürfung  sich  Blutvergiftung  ent- 
wickelt, so  laufen  die  Fristen  erst  von  dem  Zeitpunkte  der  letzten 
Erscheinung  an.  (Entsch.  vom  18.  Dezember  1897  i.  S.  Ver- 
sicherungsgesellschaft Le  Soleil  e.  Uhler.) 


44.  Art.  16  Abs.  2  B.-Ges.  betr.  den  Bau  und  Betrieb  der 
Eisenbahnen  vom  23.  Dezember  1872.  Art.  50  ff.,  719,  896  0.  R. 
Kantonalgesetzliche  Bestimmungen,  durch  welche  das  Rückgriffs- 
recht öffentlicher  Brandversicherungsanstalten  gegen  die  Verur- 
sacher von  Brand  fällen  beschränkt  wird,  sind  nicht  bundesrechts- 
widrig. —  Dem  Versicherer  steht  ein  eigener  Schadenersatzan- 
spruch gegen  den  Urheber  des  Brandes  nicht  zu,  dagegen  entspricht 
die  Subrogation  des  zahlenden  Versicherers  in  die  Ansprüche  des 
Beschädigten  (bei  der  Sachversicherung)  allgemeinen  Grundsritzen 
des  Versicherungsrechtes.  —  Pflicht  der  Eisenbahnen^  Schädigungen 
fremden  Eigentums  durch  Funkenwurf  zu  verhüten.  Mitver- 
schulden des  geschädigten  Eigentümers? 

Durch  Funkenwurf  einer  Lokomotive  der  N.  0.  B.  war 
ein  dem  A.  W.  in  K.  gehöriges  Gebäude  in  Brand  gesetzt 
worden,  und  zwar  war  der  Brand  in  einem  Haufen  frischer 
Streue  entstanden,  welche  W.  einige  Tage  vorher  (wie  er 
dies  schon  seit  Jahrzehnten  zu  thun  gewohnt  war)  hinter  dem 
Hause  auf  der  der  Bahnlinie  zugekehrten  Seite  aufgeschichtet 
hatte.  Die  Brandassekuranzanstalt  des  Kantons  Zürich  hat 
dem  W.  den  Gebäudeschaden  mit  Fr.  8001  bezahlt  und  klagte 


64 

sodann  gegen  die  N.  0.  B.  auf  Ersatz  dieses  Betrages.  Nack- 
dem  die  N.  0.  B.  zugegeben  hatte,  dass  sie  insofern  ein 
Verschulden  treffe,  als  sie  einen  offenbar  feuergefahrlichen 
Zustand  in  der  Nähe  des  Bahnkörpers  geduldet  habe, 
wurde  sie  von  der  2.  kantonalen  Instanz  zur  Bezahlung  der 
reduzierten  Summe  von  Fr.  1000  verurteilt  im  wesentlichen 
mit  der  Begründung:  Die  Klägerin  als  staatliche  Anstalt  sei 
hinsichtlich  der  Geltendmachung  derartiger  Schadenersatz- 
ansprüche an  die  Schranken  der  §§  11  u.  12  des  kantonalen 
Brandversicherungsgesetzes  gebunden,  wonach  im  Falle  der 
fahrlässigen  Brandverursachung  die  Ersatzpflicht  des  Urhebers 
nach  dem  Grade  der  Fahrlässigkeit  zu  bestimmen  sei,  und 
dieselbe  nur  in  sehr  schweren  Fällen  auf  den  ganzen  Betrag 
des  Schadens  ansteige;  sie  könne  nicht  lediglich  die  Anwendung 
des  0.  R.  verlangen;  das  Verschulden  der  Beklagten  bezw. 
ihrer  Organe  sei  nun  aber  kein  schweres  und  es  treffe  den 
Geschädigten  W.  ein  nicht  unerhebliches  Mitverschulden,  indem 
auch  er  die  Gefahren,  die  mit  dem  Aufhäufen  von  leicht 
brennbaren  Stoffen  an  der  dem  Bahnkörper  zugekehrten 
Seite  der  Scheune  verbunden  seien,  sich  hätte  klar  machen 
sollen.  Die  Argumentation,  dass  er  hiebei  bloss  ein  ihm  als 
Eigentümer  zustehendes  Recht  ausgeübt  habe,  sei  nicht  stich- 
haltig, da  man  auch  in  Ausübung  seiner  Rechte  fahrlässig 
verfahren  könne.  Dieses  Mitverschulden  des  W.  müsse  bei 
Festsetzung  der  Ersatzpflicht  im  Sinne  der  Reduktion  in  Be- 
tracht kommen.  Die  gegen  dieses  Urteil  von  der  Klägerin 
ergriffene  Berufung  machte  wesentlich  geltend:  1.  Die  Klägerin 
habe  hinsichtlich  ihres  Rückgriffes  gegen  den  Verursacher  des 
Feuerschadens  nicht,  wie  die  kantonale  Instanz  dies  annehme, 
durch  kantonales  Gesetz  ausser  das  gemeine  Recht  gestellt 
werden  können;  sie  verlange  daher  Anwendung  des  gemeinen 
Rechtes.  2.  Die  Beklagte  könne  ihr  gegenüber  nicht  darauf 
abstellen,  dass  den  Geschädigten  W.  ein  Mitverschulden  treffe. 
3.  Es  liege  ein  solches  Mitverschulden  nicht  vor.  Hinsicht- 
lich der  beiden  ersten  Beschwerdepunkte  hat  sich  das  Bundes- 
gericht der  Auffassung  der  Vorinstanz  angeschlossen,  dagegen 
hat  es  das  Vorhandensein  eines  Mitverschuldens  des  W.  ver- 
neint (und  aus  diesem  Grunde  die  Ersatzsumme  auf  Fr.  2000 
erhöht).    Aus  den  Gründen  ist  hervorzuheben: 

1.  Gemäss  Art.  719  0.  R.  ordnet  das  kantonale  Recht  die 
Entstehung  und  die  Verhältnisse,  insbesondere  die  Rechtsfähig- 
keit, der  juristischen  Personen  des  öffentlichen  Rechts.  Eine 
solche  juristische  Person  des  öffentlichen  Rechts  ist  die  zürch. 
Brandaasekuranzanstalt, . . .  daraus  folgt  aber  gemäss  Art.  719 


65 

O.  B.,  class  der  Kanton,  welcher  die  Anstalt  gegründet  hat,  be- 
rechtigt ist,  deren  Rechtsverhältnisse  nach  seinem  Ermessen  zu 
ordnen  in  dem  Umfange,  als  ihm  die  Gesetzgebungsgewalt  über- 
haupt zusteht.  Nun  handelt  es  sich  allerdings  in  casu  nicht  um 
die  Rechtsverhältnisse  der  Anstalt  zu  ihren  Mitgliedern,  den 
Versicherten,  sondern  um  das  Verhältnis  derselben  zu  einer 
dritten  Person,  d.  h.  um  eine  Schadenersatzklage  wegen  uner- 
laubter Handlung,  und  solche  Schadenersatzklagen  werden,  wie 
das  Bundesgericht  schon  wiederholt  ausgesprochen  hat,  erschöp- 
fend durch  die  Art.  50  ff.  0.  R.  geregelt,  soweit  nicht  Art.  6  üb,, 
welcher  hier  jedoch  nicht  in  Betracht  kommt,  eine  Ausnahme 
statuiert.  Allein  hieraus  folgt  nicht  etwa,  das«  §  12  des 
zürch.  Brandassekuranzgesetzes,  soweit  er  mit  Art.  51  0.  R. 
in  Widerspruch  steht,  unhaltbar  wäre,  und  daher  der  kanto- 
nale Gesetzgeber  die  kantonale  Brandassekuranzanstalt  nicht 
ausser  das  durch  die  Art.  50  ff.  begründete  gemeine  Recht 
habe  stellen  können.  Verhindert  und  beschränkt  in  der  Auf- 
stellung abweichender  Grundsätze  ist  der  kantonale  Gesetz- 
geber vielmehr  nur  insoweit,  als  er  nicht  in  die  durch  das 
Obligationenrecht  begründeten  Rechte  Dritter  eingreifen,  be- 
ziehungsweise die  Dritten  nicht  nachteiliger  stellen  darf,  als 
es  seitens  des  Bundesrechts  geschieht.  Soweit  dies  nicht  der 
Fall  ist,  hat  der  kantonale  Gesetzgeber  vollständig  freie  Hand, 
die  Rechte  und  Pflichten  der  öffentlich-rechtlichen  Anstalten 
and  Korporationen  auch  gegenüber  Dritten  nach  seinem  Er- 
messen zu  regeln.  In  casu  liegt  nun  offensichtlich  ein  Ein- 
griff in  die  Rechte  Dritter  nicht  vor,  sondern  handelt  es  sich 
lediglich  um  eine  Beschränkung  der  Rechte  der  Anstalt  selbst. 
2.  Es  ist  klar,  dass  die  Klägerin  alle  Einreden,  welche 
der  Beklagten  gegenüber  einer  Klage  des  Brandbeschädigten 
zustehen  würden,  auch  gegen  sich  gelten  lassen  muss,  sofern 
der  Anspruch,  den  sie  gegen  die  Beklagte  geltend  macht,  ein 
vom  Brandbeschädigten  abgeleiteter  ist;  denn  sowohl  im  Falle 
der  Subrogation  als  der  freiwilligen  Abtretung  gehen  die 
Rechte  auf  den  Subrogierten  resp.  den  Cessionar  nur  so  über, 
wie  sie  dem  ursprünglichen  Berechtigten  zugestanden  haben. 
Nun  geht  die  Vorinstanz  davon  aus,  dass  der  Brandversiche- 
rungsanstalt kein  selbständiger  Schadenersatzanspruch  gegen 
den  dritten  Verursacher  des  Feuerschadens  zustehe,  sondern 
dass  auf  Grund  des  kantonalen  G-esetzes  betr.  die  Brandver- 
sicherungsanstalt mit  der  Zahlung  an  den  Brandbeschädigten 
eine  Subrogation  der  Rechte  desselben  auf  die  Anstalt  statt- 
finde. Die  erste  Frage  ist  keine  Frage  des  Versicherungs- 
rechts, sondern  beurteilt  sich  auf  Grundlage  der  Bestimmungen 


des    Obligationenrechts    über    die  Haftung    aus    unerlaubten 
Handlungen,  Art.  50  ff.  Danach  ist  aber  ein  selbständiger  An* 
Spruch  des  Versicherers  gegen  den  dritten  Urheber  des  Scha- 
dens   zu    verneinen.      Denn    die  Versicherungsanstalt    erfüllt 
durch  Bezahlung  der  Entschädigungssumme   nur   eine  eigene 
gesetzliche  Verpflichtung,  und  sodann  ist  klar,  dass  bei  Annahme 
eines  eigenen  Anspruchs  der  Versicherungsanstalt  der  dritte  Ur- 
heber des  Schadens  einerseits  zu  mehrfachem  Ersätze  desselben 
Schadens  angehalten  werden  und  andrerseits  ein  Mitverschulden 
des  Versicherten  gegenüber  der  Versicherungsanstalt  nicht  im 
Sinne  von  Art.  51  Abs.  2  0.  R.  geltend  machen  könnte,    was 
keineswegs  in   der  Absicht  des   Gesetzes   liegen   kann.     Den 
berechtigten  Interessen  des  Versicherers  wird  durch  den  Eintritt 
desselben  in  die  Rechte  des    entschädigten  Versicherten  voll* 
ständig  Rechnung  getragen.    In  casu  hat  nun  die  Vorinstanz 
das  kantonale  Gesetz  dahin  ausgelegt,  dass  eine  solche  Sub- 
rogation   stattfinde,    und    es    verstösst    diese  Auslegung    dea 
kantonalen    Gesetzes    überall    nicht    gegen    Grundsätze    des 
Bundesrechts,  sondern  ist  gemäss  Art.  896  0.  R.  für  das  Bundes- 
gericht   verbindlich.     Es   darf  auch   in  der  That  als  ein  bei 
der  Sachversicherung  in  Wissenschaft  und  Gerichtspraxis  all« 
gemein  anerkannter  Grundsatz    angesehen    werden,    dass  mit 
der  Zahlung   der  Entschädigungssumme   an   den  Versicherten 
eine  Subrogation  des  Versicherers  in  die  Rechte  dieses  letztern 
stattfindet,  und  es  war  daher  der  kantonale  Gesetzgeber  gemäss 
Art.  896  cit.  jedenfalls  befugt,   einen   solchen  üebergang  des 
Entschädigungsanspruchs   des  Versicherten   gegen  den  dritten 
Urheber  des   Brandes    auf  die    Brandversicherungsanstalt   zu 
statuieren.  (Vgl.  Rölli,  Entwurf  zu    einem  Bundesgesetz  über 
den  Versicherungsvertrag,  und  Hiestand,    der  Schadenersatz- 
anspruch   des  Versicherers   gegen    den    Urheber   der  Körper- 
verletzung und   Tötung   des  Versicherten,   S.  69  und   die  da- 
selbst angeführte  Litteratur.) 

3.  Es  ist  der  Vorinstanz  darin  beizutreten,  dass  der  Um- 
stand, dass  W.  lediglich  von  seinen  Eigentumsbefugnissen  Ge- 
brauch gemacht  hat,  für  die  Verneinung  eines  Mitverschuldens 
desselben  nicht  unbedingt  entscheidend  ist.  Allein  in  casu  ist 
doch  ein  Mit  verschulden  des  W.  nicht  anzunehmen.  Es  steht 
fest,  dass  W.  schon  seit  der  im  Jahre  1864  erfolgten  Eröffnung 
der  Bahn,  wie  schon  früher,  Streue  auf  dem  gleichen  Platz 
aufgeschichtet  hat,  ohne  dass  die  Beklagte  hiegegen  Ein* 
spräche  erhoben,  bezw.  den  W.  gewarnt  hätte.  Nun  liegt  aber 
die  Anwendung  der  nötigen  Vorsichtsmassregeln  zur  Verhütung 
der  Entzündung   des  Eigentums  Dritter  demjenigen   ob,    der 


67 

sich  des  Feuers  für  seine  Zwecke  bedient,  und  es  sind  spe~ 
ziell  die  Eisenbahnunternehmungen  gemäss  Art.  16  Abs.  2  des 
Bundesgesetzes  betr.  Bau  und  Betrieb  der  Eisenbahnen  gesetzlich 
verpflichtet,  alle  diejenigen  Vorkehrungen  auf  ihre  Kosten  zu 
treffen,  welche  zur  öffentlichen  Sicherheit  nötig  befunden 
werden,  wozu  unter  Umständen  auch  die  Expropriation  der 
durch  den  Eisenbahnbetrieb  gefährdeten  Objekte  gehört.  Wer 
in  der  Nähe  einer  Eisenbahnlinie  stehende  Gebäude  besitzt, 
darf  daher  darauf  rechnen,  dass  die  Eisenbahnunternehmung 
in  Erfüllung  ihrer  gesetzlichen  Pflicht  sein  Eigentum  vor 
Entzündung  durch  Funkenwurf  sichere  und  alle  diejenigen 
Massregeln  ergreife,  welche  zu  dieser  Sicherung  notwendig 
sind.  Hievon  ausgegangen,  kann  davon,  dass  den  Gebäude- 
eigentümer deshalb  ein  Verschulden  treffe,  weil  er  die  Feuer- 
gefahr nicht  vorausgesehen  habe,  nur  dann  gesprochen  wer* 
den,  wenn  einerseits  die  Gefahr  dem  Eigentümer  auch  bei 
nur  gewöhnlicher  Aufmerksamkeit  nicht  entgehen  konnte, 
und  andrerseits  demselben  auch  bekannt  war,  dass  die 
Eisenbahnunternehmung  keine  Massregeln  zur  Verhütung 
von  Entzündung  getroffen  habe,  ohne  dass  er  seinerseits  die 
Anordnung  solcher  Massregeln  bezw.  die  Expropriation  durch 
Auflegung  einer  dinglichen  Last  auf  sein  Eigentum  gegen 
entsprechende  Entschädigung  begehrt  hätte.  Diese  Voraus- 
setzung trifft  in  ca9U,  wo  unbestritten  der  Eigentümer  W. 
schon  seit  40  Jahren  in  gleicher  Weise  verfahren  ist,  offen- 
bar nicht  zu.  (Entsch.  vom  13.  November  1897  i.  S.  Brand- 
versicherungsanstalt des  Kantons  Zürich  c.  N.  0.  B.) 


45.  Art.  50  Ziff.  1  B.-Ges.  betr.  die  Organisation  der  Bundes- 
rechtspflege v.  22.  März  1893.  Art.  7,  39  Abs.  2  B.-Ges.  betr.  den 
Bau  ani  Betrieb  der  Eisenbahnen  vom  22.  Dezember  1872.  Be- 
schlüsse des  Bundesrates  betreffend  die  Genehmigung  von  Statuten 
der  Eisenbahngesellschaften  können  nicht  im  Wege  der  Civiiklage 
beim  Bundesgericht  als  gesetzwidrig  angefochten  werden. 

Der  Bundesrat  erteilte  durch  Beschluss  vom  12.  März  1896 
den  zufolge  des  Bundesgesetzes  betreffend  das  Stimmrecht  der 
Aktionäre  von  Eisenbahngesellschaften  revidierten  Statuten 
der  N.  0.  B.,  vorbehaltlich  der  bestehenden  und  künftigen  ge- 
setzlichen Vorschriften,  die  Genehmigung,  jedoch  mit  Aus- 
schluss einiger  Bestimmungen  derselben  und  unter  Anbringung 
von  Vorbehalten  zu  einer  Reihe  anderer. 

Hierauf  reichte  die  Nordostbahngesellschaft  beim  Bundes- 
gericht gegen  den  Bund  eine  Klageschrift  ein,  und  stellte  das 


68 

Rechtsbegehren,  das  Bundesgerioht  möge  feststellen,  dass  die 
Streichung  der  in  Ziff.  2  der  bundesrätlichen  Schlussnahme  vom 
12.  März  1896  erwähnten  statutarischen  Bestimmungen  rechtlich 
unzulässig  gewesen  sei,  und  dass  diese  Bestimmungen  dem 
Bundesrat  neuerdings  zur  Genehmigung  vorgelegt  werden 
können,  —  alles  unter  Kosten-  und  Entschädigungsfolge  für 
die  beklagte  Partei. 

Das  Bundesgericht  hat  sich  zur  Beurteilung  dieser  Klage 
inkompetent  erklärt,  indem  es  unter  anderem  ausführte:  Da 
das  Bundesgericht  als  Civiigericht  erster  und  letzter  Instanz 
angerufen  ist,  so  hängt  seine  Kompetenz  zur  Beurteilung  der 
Klage  gemäss  Art.  39  Abs.  2  des  Bundesgesetzes  betreffend 
Bau  und  Betrieb  der  Eisenbahnen  vom  23.  Dezember  1872 
und  Art.  50  Ziff.  1  Organis.-G  es.  davon  ab,  ob  die  Streitsache 
civilrechtl icher  Natur  ist,  oder  aber  dem  öffentlichen  Rechte 
angehört.  Nun  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  der 
Bundesrat,  wenn  er  gemäss  Art.  7  des  Eisenbahngesetzes  über 
die  Genehmigung  von  Statuten  der  Eisenbahngesellschaften 
entscheidet,  nicht  in  privatrechtlicher,  sondern  in  öffentlich- 
rechtlicher Stellung  handelt.  Die  Beziehungen,  welche  zwi- 
schen dem  Staate  und  den  Eisenbahngesellschaften  hinsicht- 
lich der  staatlichen  Statutengenehmigung  bestehen,  sind  keine 
privatrechtlichen,  sondern  öffentlich-rechtliche  ;  sie  entspringen 
nicht  einem  Rechtsverhältnisse,  welches  zwischen  dem  Staate 
und  den  Eisenbahngesellschaften  als  gleichgestellten  Rechts- 
subjekten bestände,  sondern  aus  einem  Verhältnisse,  welches 
zwischen  dem  Staate  als  herrschender  Gewalt,  als  Träger  der 
Eisenbahnhoheit  einerseits,  und  den  Eisenbahngesellschaften 
als  ihm  untergeordneten  Körperschaften  andrerseits,  begründet 
ist.  Indem  daher  die  staatliche  Verwaltungsbehörde  die  Sta- 
tuten prüft  und  über  deren  Genehmigung  entscheidet,  übt  sie 
ein  staatliches  Hoheitsrecht  aus,  dessen  Inhalt  und  Tragweite 
durch  das  öffentliche  Recht  bestimmt  und  von  der  Verwal- 
tungsbehörde, und  nicht  vom  Civilrichter  festzustellen  ist 
Die  Verwaltungsbehörde  und  nicht  der  Civilrichter  hat  dem- 
gemäss  darüber  zu  entscheiden,  inwieweit  die  Vorlage  von 
Statuten  zur  staatlichen  Genehmigung  gefordert  ist  und  welche 
Grundsätze  für  dieselbe  gelten,  ob  die  Behörde,  wie  die  Klä- 
gerin meint,  die  Statuten  nur  nach  eisenbahnrechtlichen  Ge- 
sichtspunkten zu  prüfen,  oder  aber  dieselben  überhaupt  auf 
ihre  Gesetzmässigkeit  hin  zu  untersuchen  hat,  oder  endlich 
befugt  ist,  dieselben  auch  vom  Standpunkt  des  öffentlichen 
Interesses  aus  einer  ü eberprüf ung  zu  unterwerfen;  einzig  der 
Verwaltungsbehörde  und   nicht  dem  Civilrichter  steht  es  da- 


6£> 

nach  zu,  zu  untersuchen  und  zu  entscheiden,  ob  statutarischen 
Bestimmungen  die  hoheitliche  Genehmigung  zu  erteilen,  oder 
wegen  Unvereinbarkeit  mit  dem  bestehenden  Rechte  oder  dem 
öffentlichen  Interesse  zu  versagen  ist.  Es  handelt  sich  hiebei 
eben  tiberall  nicht  um  einen  Privatrechtsstreit,  sondern  um 
öffentliches  Recht  und  öffentlich-rechtliche  Pflicht  der  Staats- 
behörde ;  einen  privatrechtlichen  Anspruch  der  Eisenbahn- 
gesellschaften  auf  hoheitliche  Genehmigung  ihrer  Statuten 
giebt  es  nicht  und  kann  es  nicht  geben,  wie  sich  überdies 
schon  daraus  deutlich  zeigt,  dass  die  civilprozessuale  Voll- 
streckung eines  solchen  auf  Vornahme  eines  staatshoheitlichen 
Aktes  gerichteten  Anspruches  rechtlich  unmöglich  wäre...  Das 
Bundesgericht  könnte  sich  mit  dem  Inhalte  der  Klage,  d.  h. 
mit  einer  Prüfung  der  Gesetzmässigkeit  der  durch  dieselbe 
angefochtenen  Schlussnahme  des  Bundesrates  nur  dann  be- 
schäftigen, wenn  das  Bundesrecht  gegen  derartige  Schluss- 
nahmen  des  Bundesrates  eine  verwaltungsrechtliche  Be- 
schwerde an  das  Bundesgericht  statuierte.  Dies  ist  indes 
bekanntlich  nicht  der  Fall  und  es  geht  nun  nicht  an,  die 
vom  Gesetzgeber  nicht  gewollte  Verwaltungsbeschwerde  gegen 
bundesrätliche  Schlussnahmen  in  der  Form  der  Civilklage  zu- 
zulassen. (Entscheid  vom  30.  Oktober  1897  i.  S,  Nordostbahn- 
gesellschaft  c.  Bund.) 


46.  Art.  6  B.-Ges.  betr.  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb  vom 
25.  Juni  1881.  Neben  dem  gesetzlichen  Entschädigungsmaximum 
darf  eine  besondere  Entschädigung  für  Erwerbsbeschränkung  wäh- 
rend der  Heilungsperiode  nicht  gesprochen  werden. 

Dafür,  dass  die  Beschränkung  der  Entschädigungspflicht 
des  Fabrikherrn  auf  das  Maximum  von  Fr.  6000.  — 7  bezw. 
den  sechsfachen  Jahresverdienst  des  Geschädigten  nur  auf 
den  Schadenersatz  für  die  bleibende  Invalidität  sich  beziehe 
und  dass  daneben  für  die  vorübergehende  Erwerbsunfähigkeit 
voller  Ersatz  zu  leisten  sei,  bietet  der  Text  des  Gesetzes 
durchaus  keine  Anhaltspunkte  ;  und  auch  in  der  Natur  der  Sache 
ist  eine  solche  Scheidung  nicht  begründet.  Wenn  für  die  Ersatz- 
pflicht des  Unternehmers  bestimmte  Maxima  aufgestellt  wur- 
den, so  wollte  damit  doch  offenbar  die  Haftung  desselben  in 
ihrer  Gesamtheit  begrenzt  werden,  ohne  Rücksicht  darauf,  wie 
sich  der  entstandene  Schaden  auf  die  Heilungsperiode  und 
die  Periode  bleibender  Verminderung  der  Erwerbsfahigkeit 
verteilt.  Eine  nicht  einzurechnende  besondere  Schadenskate- 
gorie bilden  einzig  die  Kosten  für  ärztliche  Behandlung  und 


70 


Verpflegung,  sowie  die  Beerdigungskosten,  die  nach  ausdrück- 
licher Vorschrift  des  Gesetzes  nicht  in  dem  festgesetzten  Maxi- 
mum inbegriffen  sind.  (Entsch.  vom  8.  Dezember  1897  i.  8. 
Pöllner  c.  ßrunner.) 


47.  Art.  1,  3,  4,  6,  7,  18,  19  B.-Qes.  betr.  den  Schutz  der 
gewerblichen  Musler  und  Modelle  vom  21.  Dezember  1888.  Die 
Hinterlegung  eines  gewerblichen  Musters  begründet  die  Vermutung 
für  dessen  Neuheit.  —  Begriff  der  Neuheit. 

1.  Die  Hinterlegung  und  Registrierung  des  Musters  er- 
zeugt für  den  Hinterleger  die  Vermutung,  dass  das  Muster 
schutzfähig,'  also  insbesondere  auch,  dass  dasselbe  neu  sei, 
weshalb  derjenige,  welcher  einredeweise  oder  auf  dem  Weg 
der  Nichtigkeitsklage  die  Neuheit  bestreitet,  den  Mangel  die- 
ses Erfordernisses  darzuthun  hat.  (S.  Entsch.  des  Bundesgerichts 
in  Sachen  Angstmann  c.  Fischer  Söhne  vom  19.  Juli  1897.)  *) 

2.  Das  Wesen  des  Musters  liegt  in  seiner  ästhetischen,  auf 
den  Formensinn  des  Anschauenden  gerichteten  Wirkung.  Der 
Rechtsschutz,  welcher  ihm  gegen  Nachahmung  gewährt  wird, 
ist  an  die  Bedingung  geknüpft,  dass  es  diese  Wirkung  auf 
individuelle  Weise  ausübe.  Das  Muster  muss  also  in  dem 
ästhetischen  Effekt,  den  es  hervorbringt,  eine  Eigenart  auf- 
weisen, es  muss  sich  von  bereits  Bekanntem  so  unterscheiden, 
dass  seine  Wirkung  eine  originelle,  eigentümliche  genannt 
werden  kann.  Darin  besteht  das  Requisit  der  Neuheit.  Da 
nun  die  Wirkung  durch  den  Gesarateindruck,  den  das  Muster 
ausübt,  bestimmt  wird,  kann  dasselbe  als  ein  originelles, 
neues,  erscheinen,  selbst  wenn  die  einzelnen  Elemente  aus- 
schliesslich in  bereits  Bekanntem  bestehen,  sofern  nur  die 
Verwendung  und  Zusammensetzung  dieser  Elemente  in  einer 
Art  geschieht,  dass  eine  besondere,  originelle  ästhetische  Wir- 
kung erzielt  wird,  und  es  kann  umgekehrt,  trotz  einzelnen 
Abweichungen  von  bereits  Bekanntem,  die  Originalität  fehlen, 
wenn  diese  Abweichungen  das  Auge  des  Anschauenden  nicht 
in  dem  Masse  auf  sich  ziehen,  dass  sie  den  Gesamteindruck 
zu  beeinflussen  und  die  Individualität  des  Musters  zu  be- 
stimmen vermögen.  Bringt  aber  das  Muster  eine  eigenartige 
ästhetische  Wirkung  hervor,  so  kommt  es  für  dessen  Schutz- 
fähigkeit nicht  weiter  darauf  an,  in  welchem  Grade  dasselbe 
das  Schönheitsgefühl  befriedige.  Entscheidend  ist  einzig,  ob 
die  ästhetische  Wirkung  eine  originelle,  eigenartige  sei.  Aus 

")  S.  Revue  Bd  XV  Nr.  101. 


71 

diesem  Grunde  bleibt  denn  auch  für  die  Frage  des  Muster- 
schutzes die  Herstellungsart  des  Musters  vollständig  gleich- 
gültig. (Entsch.  vom  17.  Dezember  1897  i.  S.  Gebr.  Fischer 
o.  Schlatter.) 

48.  Art  5,  7  B.-Ges.  betr.  Schuldbeireibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889.  Art.  154  0.  R.  Verjährung  der  Schadenersatz- 
klage gegen  Betreibungs-  und  Konkursbeamte  wegen  rechtswidriger 
Amtshandlungen.     Beginn  derselben.     Unlerbrechungsgründe. 

1.  Aux  termes  de  Part.  7  de  la  loi  sur  la  poursuite  pour 
dettes  et  la  faillite,  l'action  en  dommages-intérêts  se  pres- 
crit par  une  année  du  jour  où  la  partie  lésée  a  eu  connais- 
sance du  dommage.  La  prescription  commence  ainsi  à  courir 
du  jour  où  le  lésé  a  eu  connaissance  qu'un  dommage  lui  a 
été  causé  par  un  acte  de  poursuite  de  l'office.  Il  n'est  point 
nécessaire,  à  cet  effet,  que  le  lésé  ait  connu  exactement  le 
chiffre  de  ce  dommage  ou  retendue  de  la  faute  commise  par 
le  préposé,  il  suffit  qu'il  ait  eu  connaissance,  d'une  manière 
générale,  du  préjudice  né  pour  lui  du  fait  d'un  acte  de  pour- 
suite du  préposé.  (Comparez  en  particulier  le  texte  allemand 
de  l'art  7.) 

2.  La  loi  fédérale  ne  contenant  aucune  disposition  spé- 
ciale à  cet  égard,  l'interruption  de  la  prescription  des  actions 
en  dommages-intérêts  basées  sur  l'art.  5  ibidem  est  régie  par 
les  principes  généraux  du  C.  0.  (art.  154).  Aux  termes  de  cet 
article,  la  prescription  n'est  interrompue  que  lorsque  le  cré- 
ancier fait  valoir  ses  droits,  soit  par  voie  de  poursuites,  soit 
par  voie  d'action  ou  d'exception  devant  un  tribunal  ou  devant 
des  arbitres,  soit  par  voie  de  production  ou  d'intervention  dans 
une  faillite.  Il  est  évident  que  l'action  civile  en  dommages- 
intérêts  prévue  à  l'art.  5  de  la  loi  précitée  ne  peut  être 
intentée  devant  l'autorité  de  surveillance,  et  que  par  con- 
séquent des  plaintes  adressées  à  cette  autorité  sont  impuis- 
santes à  interrompre  la  prescription  de  cette  action.  (Entsch. 
vom  22.  Oktober  1897  i.  S.  Jaccard-Campiche  o.  Meylan.) 


49.  Art.  3  Abs.  2  B.-Ges.  betr.  den  Schutz  der  Fabrik-  und 
Handelsmarken  u.  s.  to.  vom  26.  September  1890.  Begriff  des 
Gemeingutes  oder  Freizeichens. 

Die  einzig  streitige  Frage:  ob  die  Wortmarke  „Saccharin" 
zulässig  sei,  ist  zu  beantworten  auf  Grund  des  Art.  3  Abs.  2 
des    eidgen.  Markenschutzgesetzes   vom    26.  September  1890, 


welches  die  Bestimmung  enthält,  dass  als  Gemeingut  anzu- 
sehende Zeichen  den  gesetzlichen  Schutz  nicht  gemessen.  Nach 
der  bundesgerichtlichen  Praxis  nun  sind  Gemeingut  oder  Frei- 
zeichen neben  den  im  Handelsverkehr  für  eine  bestimmte 
Branche  allgemein  verwendeten  figurativen  Zeichen  (vgl.  bun- 
de8ger.  Entsch.  Bd  XX  S.  103  f.)  solche  Zeichen,  welche  nicht 
das  Verhältnis  einer  Person  als  Produzenten,  Eigentümers  oder 
Verkäufers  zu  der  Ware,  sondern  die  Ware  selbst  oder  ihre 
Beschaffenheit  bezeichnen,  d.  h.  Sachbezeichnungen  oder  Be- 
zeichnungen der  Beschaffenheit  der  Ware.  (S.  bundesgerichtl. 
Entsch.  i.  S.  Compagnie  Parisienne  de  Couleurs  d'Aniline  c. 
Basler  chemische  Fabrik  Bindschedler,  Amtl.  Samml.  B.  XXII, 
S.  467,  und  i.  S.  Bonnet  &  Cie  e.  Grézier,  eod.  pag.  1108.) 
Fragt  es  sich  demnach,  ob  die  klägerische  Marke  als  Gemein- 
gut in  diesem  Sinne  zu  betrachten  sei,  so  fällt  in  Betracht: 
dass  in  der  wissenschaftlichen  Fachliteratur  das  Benzoesäure- 
8ulfinid  längst  allgemein  als  „Saccharin"  bezeichnet  wird,  ist 
von  der  Klägerin  zugegeben.  Wenn  nun  auch  zweifelhaft  sein 
mag,  ob  die  Thatsache  der  Bezeichnung  eines  Produktes  mit 
einem  gewissen  Namen  in  der  wissenschaftlichen  Welt,  also 
in  immerhin  engern  Kreisen,  dazu  ausreicht,  diesen  Namen 
auch  im  Handelsverkehr,  in  weitern  Kreisen  zum  Gemeingut 
zu  machen,  so  kommt  in  casu  jedenfalls  hinzu,  dass  nicht 
nur  in  jenem  engeren  Kreise  der  chemischen  Facbgenossen, 
sondern  ganz  allgemein  in  der  Litteratur  unter  „Saccharin" 
ein  bestimmtes  Produkt  mit  bestimmten  Eigenschaften  ver- 
standen wird,  ohne  dass  irgendwie  eine  Beziehung  zu  der 
Klägerin  dabei  gefunden  werden  könnte.  (Entsch.  vom  27.  No- 
vember 1897  i.  S.  Fahlberg,  List  &  Cie  c.  Aktiengesellschaft 
Chemische  Union.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


50.  Vindikation  gestohlener  Sachen.  Grenze  des  gut- 
gläubigen Erwerbs.  Pflicht  des  dritten  Erwerbers  auf  Heraus- 
gabe aus  Art.  50  0.  /?.  Î    Art.  206,  207  0.  R. 

St.  Gallen.   Entscheid  der  Kekarskoiumission  vom  22.  Juni  1897. 

Dem  A.  wurde  in  der  Nacht  vom  1.  auf  den  2.  Dezem- 
ber 1893  eine  Sammlung  englischer  1887er  Jubiläumsgold- 
münzen entwendet.  Darauf  veröffentlichte  am  2.  Dezember 
das  st.  gallische  Landjägerkoromando  den  Diebstahl  und  ver- 


73 

abfolgte  es  ein  bezügliches  Fahndungsblatt  an  sämtliche  Polizei- 
organe behufs  Nachforschung  nach  diesen  Münzen,  namentlich 
auch  bei  Bankgeschäften.  Der  Landjäger  X.  händigte  noch 
am  gleichen  Tage  ein  solches  Fahndungsblatt  anch  dem  Kassier 
der  Bank  B.  ein.  Am  7.  Dezember  1893  bot  ein  Gasthof- 
besitzer dem  Kassier  zwei  diesem  unbekannte  Goldstücke  zum 
Ankaufe  für  Fr.  176,  das  eine  sei  2,  das  andere  5  Pfd.  Steri, 
wert.  Der  Kassier  anerbot  Eintausch  zum  Kurswert;  der  Gast- 
hofbesitzer  gab  sie  nicht.  Hernach  kam  der  dem  Kassier 
persönlich  nicht  bekannte  angebliche  Eigentümer.  Der  Kassier 
löste  sie  diesem  für  Fr.  175.  35  ein  und  sandte  sie  zum  Kurs- 
wert an  eine  Bank  in  Basel,  wobei  er  nach  Deckung  seiner 
Portospesen  eine  Nettoprovision  von  kaum  50  Rappen  erzielte. 
Nach  Ermittlung  der  Diebe  und  ihrer  Abnehmer  ging  A.  die 
Bank  B.  wiederholt  brieflich  um  Herausgabe  oder  Ersatz 
seiner  beiden  Goldmünzen  an;  immer  ohne  Erfolg.  Seine  erst 
im  April  1897  beim  Bezirksgericht  anhängig  gemachte  Klage 
lautete  auf  unentgeltliche  Herausgabe  von  zwei  englischen 
1887er  Jubiläumsgoldmünzen  von  2  und  5  Pfd.  Steri.,  e  vent, 
auf  Zuerkennung  des  Rechtes,  solche  Münzen  auf  Rechnung 
der  Bank  B.  anzuschaffen. 

Das  Bezirksgericht  schützte  die  Klage,  indem  es  aus- 
führte, der  Kassier  der  Beklagten  habe  nach  der  bestimmten 
Aussage  des  Landjägers  X.  vom  Diebstahl  dieser  Goldmünzen 
durch  Zustellung  des  Fahndungsblattes  Kenntnis  erhalten, 
gleichwohl  aber  die  entwendeten  Goldstücke  von  einem  ihm 
Unbekannten  gekauft  und  sie  wieder  weiter  veräussert.  Da- 
durch habe  er  sich  einer  fahrlässigen  Handlung  schuldig  ge- 
macht, indem  er  —  obwohl  im  Besitze  des  Fahndungsblattes  — 
gleichwohl  die  leicht  erkennbaren  Jubiläumsgoldstücke  an- 
kaufte. Die  Beklagte  sei  haftbar  nach  Art.  50  0.  R.  für  diese 
fahrlässige  Handlung  ihres  Kassiers;  denn  für  die  daherige 
Schadenersatzpflicht  genüge  auch  eine  geringe  Fahrlässigkeit 
und  Unachtsamkeit,  wie  hier  eine  vorliege;  es  bedürfe  hiezu 
nicht  einer  strafbaren  Handlung,  noch  auch  eines  böswilligen 
Erwerbes.  Das  Klagerecht  sei  auch  nicht  erloschen,  da  der 
Kläger  die  Reklamation  gegenüber  der  Beklagten  alljährlich 
seit  der  Diebstahlsanzeige  gemacht  habe.  Die  Beklagte  habe 
daher  dem  Kläger  zwei  gleichartige  Jubiläumsmünzen  von 
1887  unbeschwert  zuzustellen,  oder  dem  Kläger  die  Berechti- 
gung zu  erteilen,  solche  auf  Kosten  der  Beklagten  anzuschaffen. 

Gegen  dieses  Urteil  legte  die  Bank  B.  die  Nichtigkeits- 
beschwerde ein,  weil  die  Art.  207,  50,69  0.  R.  verletzt  seien. 
Zur  Beurteilung  dieser  Vindikations-  bzw.  Schadenersatzklage 


74 

kämen  einzig  die  Art.  206  und  207  O.K.  in  Anwendung;  erst 
subsidiär,  d.  h.  für  noch  weitergehende  Ansprüche  (die  hier 
nicht  gestellt  seien)  auch  Art.  50  0.  R.  Der  Kläger  habe 
seine  Klage  aus  Art.  207  O.R.  (bösgläubiger  Erwerb)  abgeleitet. 
Da  der  Kläger  den  Beweis  hiefür  nicht  erbracht  habe,  und 
da  auch  das  Gericht  den  Kassier  als  nicht  bösgläubigen  Er- 
werber angesehen  habe,  so  hätte  die  Klage  ohne  weiteres 
abgewiesen  werden  sollen.  Eine  Schadenersatzklage  wegen 
gestohlener  Sachen  könne  überhaupt  nicht  aus  Art.  50  0.  R. 
abgeleitet  werden;  eventuell  wäre  sie  hier  nach  Art.  69  0.  R. 
verjährt,  denn  der  Kläger  habe  schon  am  9.  Februar  1894 
Kenntnis  davon  erhalten,  dass  die  Beklagte  zwei  seiner  Gold- 
stücke erworben.  Eine  Unterbrechung  der  Verjährung  habe 
durch  die  aussergerichtlichen  Mahnungen  des  Klägers  nicht 
eintreten  können  (Art.  154  0.  R.). 

Die  Rekurskommission  hat  die  Nichtigkeitsbeschwerde 
abgewiesen: 

In  Erwägung:  Das  Bezirksgericht  hat  in  rechtsirrtüm- 
licher Wçise  den  hier  anwendbaren  Art.  207  O.  R.  ausser 
Anwendung  gelassen,  und  statt  dessen  die  hier  nicht  anwend- 
baren Art.  50  und  69  0.  R.  in  Anwendung  gebracht,  den 
letzteren  überdies  in  materiell  unrichtiger  Auslegung.  Das 
Gericht  ist  auf  unrichtigem  Wege  doch  zu  einem  materiell 
richtigen  Sachentscheide  gelangt.  In  solchen  Fällen  wird  die 
Nichtigkeitsbeschwerde  abgewiesen.  (Entschdgen  1892  Nr.  30 
Seite  72,  73.) 

Da  der  Kassier  vom  Diebstahl  der  Goldmünzen  durch 
Zustellung  des  Fahndungsblattes  Kenntnis  erhalten,  aber 
gleichwohl  die  entwendeten  leicht  erkennbaren  streitigen  Gold- 
stücke von  einem  ihm  Unbekannten  ankaufte  und  sie  weiter 
veräusserte,  hat  er  dabei  nicht  als  gutgläubiger  Erwerber  im 
Sinne  der  Art.  205,  206  0.  R.,  sondern  als  bösgläubiger  Er- 
werber im  Sinne  des  Art.  207  O.  R.  gehandelt. 

Nach  Art.  205  0.  R.  wird  der  Richter  den  Erwerber 
nicht  als  gutgläubig  ansehen,  wenn  dieser  bei  gehöriger  Auf- 
merksamkeit sehen  oder  denken  musste,  dass  der  Yeräusserer 
nicht  Eigentümer  sei.  Vgl.  die  Ausfuhrungen  im  Kommentar 
von  Schneider  (neu  1896)  zu  Art.  205  Anm.  2—4,  u.  a.  S. 
d.  b.-g.  Entsch.,  XIV  Nr.  17,  Erw.  5  (Revue,  VI  Nr.  67),  wo- 
nach in  unserm  Falle  beim  Kassier  der  Beklagten  durch  den 
ihm  —  übrigens  auch  nach  dem  Urteil  des  Bezirksgerichtes  — 
zur  Last  fallenden  Mangel  an  gehöriger  Aufmerksamkeit,  die 
Annahme  gutgläubigen  Erwerbes  ausgeschlossen  ist.  Damit  ist 
ohne  weiteres   die  Annahme   des  bösgläubigen  Erwerbes  im 


75 

Sinne  des  Art.  207  0.  R.  gegeben.  —  Als  bösgläubiger  Er- 
werber gilt  jeder,  der  weiss  oder  wissen  muss,  bezw.  bei  An- 
wendung der  pâichtigen  Aufmerksamkeit  und  Sorgfalt  wissen 
kann,  dass  die  Sache  dem  nicht  gehört,  welcher  sie  ihm  über- 
trägt-Der  Kassier  hat  die  Goldmünzen  —  wenn  auch  nicht 
in  strafbarer  Arglist,  d.  h.  nicht  im  Yollbewusstsein,  dass  sie 
wirklich  entwendet  seien  —  so  doch  mit  einer,  zivilrechtlich 
der  Arglist  gleichstehenden  Fahrlässigkeit  erworben,  die  ihn 
als  böswilligen  Erwerber  erscheinen  lässt  und  unter  die  Be- 
stimmung des  Art.  207  0.  R.  stellt.  —  Mit  grober  Fahrlässig- 
keit, die  zivilrechtlich  hinsichtlich  der  Ersatzpflicht  der  Arg- 
list gleichgehalten  wird,  ist  der  Umstand  wohl  vereinbar,  dass 
der  Kassier  die  Münzen  nioht  unter  dem  Kurswert  eingelöst 
und  mit  nur  minimem  Gewinn  weiter  begeben  hat. 

Das  Bezirksgericht  ist  bei  Nichtannahme  von  bösgläubigem 
Erwerb  (Art.  207  0.  R.)  und  Annahme  von  schuldhafter  zu 
Schadenersatz  verpflichtender  Fahrlässigkeit  nach  Art.  50  0.  R. 
offenbar  von  der  rechtsirrtümlichen  Auffassung  ausgegangen, 
es  werde  beim  bösgläubigen  Erwerber  (Art.  207  0.  R.)  das 
Yollbewusstsein,  die  wirkliche  Ueberzeugung,  dass  die  Sache 
dem  Veräusserer  nicht  gehöre  —  also  eigentliche  Arglist  — 
vorausgesetzt,  und  es  könne  hiefür  die  blosse  Ausseracht- 
lassung  der  gemäss  den  Regeln  redlichen  Verkehrs  pfliohtigen 
Aufmerksamkeit  nicht  auch  genügen.  Das  Bezirksgericht  ist 
auf  diesem  Wege  dazu  gelangt,  zwischen  dem  gutgläubigen 
Erwerber  (Art.  205  0.  R.),  welchem  eine  Ersatzpflicht  für  das 
weiterbegebene  gestohlene  Gut  nicht  obliegt,  und  dem  bös- 
gläubigen Erwerber  (Art.  207  0.  R.),  welchem  eine  solche 
Ersatzpflicht  obliegt,  eine  Zwischenstufe  zu  schaffen,  nämlich 
einen  Erwerber,  der,  ohne  bösgläubig  zu  sein,  und  ungeachtet 
seines,  guten  Glaubens,  einzig  aus  dem  schuldhaften  Mangel 
von  Pflichtiger  Aufmerksamkeit  beim  Erwerbe  doch  ersatz- 
pflichtig wird.  Diese  Konstruktion  der  Ersatzpflicht  erscheint 
bei  richtiger  Auslegung  des  Begriffes  von  bösgläubigem  Er- 
werb nicht  notwendig  und  mit  der  Anlage  des  Gesetzes  bzw. 
der  Art.  50  und  folgender  einerseits  und  der  Art.  205—207 
O.  R.  andrerseits  auch  nicht  vereinbar. 

(Entech.  d.  St.  Galler  Kantonsgeriehtes  u.  8.  w.  im  J.  1897,  S.  84  ff.) 


76 

51.  Faustpfandrecht.  Die  Anzeige  von  der  Bestellung 
eines  nachgehenden  Pfandrechtes  muss  an  den  ersten  Pfand- 
gläubiger  von  dem  Besteller  des  Pfandes  (Schuldner)  erfolgen. 
Art.  217  0.  R. 

Zttrich.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichte«  vom 
24.  August  1897  in  S.  Weber  c.  Grossmann. 

E.  R.  hatte  zwei  Kaufschuldbriefe,  die  ihm  Weber  für 
Anfertigung  eines  Steuerinventars  übergeben,  bei  der  Leih- 
kasse der  Stadt  Zürich  verpfändet.  Weber  erhob  gegen  ihn 
Strafklage  wegen  Unterschlagung,  zog  sie  aber  wieder  zurück. 
E.  R.  seinerseits  verpfändete  die  Briefe  weiter  an  Grossmann 
für  ein  Darlehen  von  Fr.  1000.  —  und  Grossmann  zeigte  dies 
der  Leihkasse  an  mit  dem  Ersuchen,  auch  für  ihn  den  Pfand- 
besitz auszuüben.  Die  Leihkasse  lehnte  das  aber  ab  mit 
Hinweis  auf  die  zweifelhafte  Berechtigung  des  R.  zur  Pfand- 
bestellung. Später  löste  Weber  die  Titel  bei  der  Leihkasse 
aus,  diese  deponierte  sie  aber  bei  der  Bezirksgerichtskasse, 
um  sich  gegen  allfällige  Ansprüche  des  Grossmann  zu  sichern. 
So  klagte  nun  Weber  gegen  Grossmann  auf  unbeschwerte 
Verabfolgung  der  Titel.  Die  Klage  wurde  gutgeheissen.  Aus 
der  Motivierung  heben  wir  nur  folgenden  Grund  heraus: 

Die  Frage ,  ob  der  Beklagte  durch  die  Anzeige  an  die 
Leihkasse  ein  gültiges  Pfandrecht  an  den  Schuldbriefen  er- 
worben habe,  ist  zu  verneinen.  Zunächst  mangelt  es  im  vor- 
liegenden Falle  an  einer  gehörigen  Beobachtung  der  Formen 
des  Art.  217  0.  R.,  insofern  als  der  Verpfänder  R.  seinerseits 
die  Leihkasse  niemals  angewiesen  hat,  die  Pfänder  nach  ihrer 
Befriedigung  an  den  Beklagten  als  nachgehenden  Faustpfand- 
gläubiger herauszugeben.  Die  Leihkasse  hat  eine  solche  An- 
weisung allerdings  am  10.  April  1896  erhalten,  aber  dieselbe 
ging  nicht  von  R.,  sondern  von  dem  Beklagten  selbst  aus. 
Nun  schreibt  Art.  217  leg.  cit.  allerdings  nicht  ausdrücklich  vor, 
dass  der  Verpfänder  selbst  den  ersten  Pfandgläubiger  beauf- 
tragen müsse,  den  Pfandbesitz  auch  für  den  nachgehenden 
auszuüben.  Allein  es  versteht  sich  das  von  selbst,  wenn  be- 
rücksichtigt wird,  dass  es  sich  um  ein  Surrogat  der  eigent- 
lichen Besitzesübertragung  handelt,  welch  letztere  bei  der 
Bestellung  eines  Faustpfandes  natürlich  von  dem  Verpfänder 
des  Gegenstandes  vorgenommen  werden  muss.  Auch  darf  auf 
die  analoge  Vorschrift  des  Art.  201  0.  R.  verwiesen  werden, 
in  der  für  die  Eigentumsübertragung  ausdrücklich  bestimmt 
wird,  dass,  wenn  die  zu  veräussernde  Sache  sich  in  Händen 
eines  Dritten  befinde,  die  Besitzesübertragung  auch  dadurch 
erfolgen  könne,  dass  der  Dritte  von  dem  Veräusserer  beauf- 


77 

tragt   werde,   den  Gewahrsam   für   den  neuen  Erwerber  aus- 
zuüben. (Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entsch.,  XVI  S.  275  ff.) 


52,  Kauf  nach  Muster.  Weigerung  der  Annahme  der 
Ware  bei  Nichterkennbarkeü  der  Mängel  aus  dem  Muster.  Art. 
243,  246,  267  0.  R. 

Bern.  Urteil  des  App.-  und  Kass.-Hofes  vom  21.  Oktober  1896  i.  S. 
A.  Lecoq  &  Cie  c.  Kneubünler. 

Witwe  Kneubühler  kaufte  von  A.  Lecoq  &  Cie  3000  kg. 
Riesenspörgel  nach  einem  ihr  eingesandten  Muster.  Einen 
Monat  nach  Empfang  der  Ware  schrieb  sie  den  Verkäufern, 
laut  Untersuchung  der  schweizerischen  Samenkontrolstation 
in  Zürich  betrage  der  Gebrauchswert  der  Ware  19,6%;  nur 
21°/o  hätten  gekeimt,  sie  stelle  daher  die  Ware  zur  Ver- 
fügung. Kläger  stützten  sich  darauf,  dass  die  Ware  streng 
musterkonform  sei,  und  klagten  auf  Zahlung  des  Preises.  Aus 
der  Parteikorrespondenz  ergab  sich,  dass  der  Kaufvertrag  auf 
Grund  eines  Musters  abgeschlossen  worden,  und  aus  der  Ex- 
pertise, dass  die  Lieferung  musterkonform  war;  aber,  führt 
das  Urteil  nun  aus:  . 

Aber  bei  dem  Kaufe  nach  Muster  ist  das  letztere  nicht 
unbedingt,  sondern  nur  dann  für  alle  Eigenschaften  der  Ware 
massgebend,  wenn  dies  dem  Willen  der  Parteien  entspricht 
(Hafner,  Komm,  zum  O.R.  2.  Aufl.,  Art.  267,  Note  1;  Entsch. 
aes  B.-G.  XVII  Nr.  43  Erw.  5).  Es  kann  sehr  wohl  geschehen, 
dass  nach  dem  Willen  der  Parteien  das  Muster  nur  solche 
Eigenschaften  der  zu  liefernden  Ware  bestimmen  soll,  welche 
an  ihm  erkennbar  sind.  Zu  den  nicht  erkennbaren  Mängeln 
gehören  ausser  den  heimlichen  im  engeren  Sinne  auch  die, 
welche  wegen  der  Kleinheit  des  Musters  an  diesem  nicht 
entdeckt  werden  können,  und  laut  Expertise  ist  die  Keim- 
fähigkeit des  Rie8en8pörgel8  nicht  durch  blosse  Besichtigung, 
sondern  nur  durch  technische  Untersuchung,  die  8 — 10  Tage 
in  Anspruch  nimmt,  erkennbar,  und  war  das  von  den  Klägern 
eingesandte  Muster  zu  klein,  um  einer  technischen  Unter- 
suchung unterworfen  zu  werden.  Der  Grad  der  Keimfähigkeit 
des  Samens  war  somit  an  dem  Muster  nicht  erkennbar.  Die 
Kläger  konnten  also  auch  gar  nicht  annehmen,  dass  sich  die 
„Bestellung  nach  Muster"  auch  auf  die  Keimfähigkeit  der 
Ware  bezog. 

Somit  schlie8st  die  Thatsache  der  Musterkonformität  die 
Gewährleistungspflicht  der  Kläger  nicht  aus,  die  nach  Mass- 
gabe des  Art.  243   0.  R.   begründet  ist,  da  die  Mängel  der 


78 

Ware  ihren  Wert  und  ihre  Tauglichkeit  zu  dem  voraus- 
gesetzten Gebrauche  erheblich  mindern.  Von  einer  Verwirkung 
des  Preisminderungsanspruchs  der  Beklagten  durch  Veraäu- 
mung  der  Diligenzien,  die  der  Art.  24G  O.  R.  fordert,  kann 
auch  nicht  die  Rede  sein.  Der  Mangel  wird  nur  durch  tech- 
nische Untersuchung  erkennbar,  die  Beklagte  hat  sofort  nach 
Ankunft  der  Ware  ein  Muster  davon  der  Kontroistation  in 
Zürich  geschickt  und  deren  Befund  sofort  nach  Empfang  dem 
Kläger  übermittelt.  Danach  hat  Beklagte  der  ihr  nach  Gesetz 
obliegenden  Untersuchungs-  und  Rügepflicht  vollauf  genügt. 
Demgemäss  ist  der  Beklagten  ein  Abzug  von  */s  des 
Kaufpreises  gestattet  worden. 

(Zeitachr.  des  Berner  Jur.-Ver.,  XXX1I1  S.  385  ff.) 


53.  Vente  par  l'entremise  d'un  tiers.  Payement  en 
mains  de  ce  tiers.  Art.  39,  429  C.  0. 

Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  13  février  1897 
dans  la  cause  Dechevrens  &  Cie  c.  Lacroix. 

Dechevrens  &  Cie  ont  vendu  à  Lacroix  une  balle  de  riz 
par  l'intermédiaire  de  Jaquemot.  Facture  fut  remise  au  moment 
de  la  livraison.  Lacroix  paya  le  montant  de  la  facture,  soit 
fr.  34.50,  en  mains  de  Jaquemot  qui  acquitta  la  facture  en 
signant  „pour  MM.  Dechevrens  &  Cie"  et  ne  remit  pas  la 
somme  aux  vendeurs.  Ceux-ci  assignèrent  Lacroix  on  paye- 
ment du  prix;  le  tribunal  de  lr*  instance,  estimant  que  le 
payement  fait  à  Jaquemot  libérait  Lacroix  envers  D.  &  Cie, 
a  débouté  ceux-ci  de  leur  demande.  Là  Cour  a  réformé  ce 
jugement  et  adjugé  les  conclusions  des  appelants. 

Motifs:  Considérant  qu'il  est  constant  que  Jaquemot 
n'était  pas  employé  de  D.&Cie;  qu'il  a  agi  en  cette  affaire 
comme  courtier,  et  qu'il  n'était  autorisé,  ni  généralement  ni 
spécialement,  à  toucher  pour  le  compte  de  cette  maison  ; 

Que  la  facture  remise  à  Lacroix,  lors  de  la  livraison,  ne 
laissait  aucun  doute,  et  qu'il  n'y  en  a  jamais  existé  aucun 
sur  la  maison  venderesse; 

Considérant  que  si  l'art.  429  C.  0.  pose,  en  principe,  que 
les  voyageurs  de  commerce  sont  réputés  avoir  les  pouvoirs 
nécessaires  pour  toucher  le  prix  des  ventes  conclues  par  eux, 
il  n'en  est  pas  de  môme  des  courtiers  qui  ne  sont  pas  em- 
ployés d'une  maison,  et  qui,  dans  les  ventes  qu'ils  peuvent 
faire  sur  place,  pour  le  compte  de  tel  ou  tel  négociant,  jouent 
le  rôle  de  simples  intermédiaires. 


79 

Considérant  que  le  jugement  dont  est  appel,  bien  qu'il 
ne  vise  pas  expressément  l'art.  429  C.  0.,  s'inspire  du  principe 
qui  y  est  énoncé,  et  qu'en  l'appliquant  au  cas  dont  il  s'agit, 
il  en  fait  une  fausse  application. 

(La  Semaine  judiciaire,  XIX  p.  187  8.) 


54.  Betreibung  für  rückständige  Gebäudeassekuranzbeträge. 
Pfändung  oder  Pfandverwertung  t  Art.  41,  43  B.-Ges.  betr. 
Seh.  u.  K. 

Lasern.    Entsch.  der  Justizkoramission  vom  23.  Januar  1896. 

Die  Staatskasse  des  E.  Luzern  hob  gegen  J.  K.  Betreibung 
auf  Pfändung  an  für  eine  von  dessen  Gebäulichkeiten  zu 
leistende  Versicherungsprämie  im  Betrage  von  Fr.  390.  — . 
J.  K.  beschwerte  sich  hiegegen,  weil  nur  auf  Pfandverwertung, 
nicht  auf  Pfändung  oder  Eonkurs  betrieben  werden  könne. 
Der  Gerichtspräsident  wies  die  Beschwerde  ab,  weil  die 
Forderung  als  Annuität  anzusehen  sei  und  daher  dem  Gläu- 
biger freistehe,  diese  oder  jene  Betreibungsart  zu  wählen  (Art. 
41  B.-G.  betr.  Seh.  u.  K.).  Die  Justizkommission  hob  auf  Be- 
schwerde des  J.  E.  die  Betreibung  auf  Pfändung  als  un- 
zulässig auf. 

Gründe:  Die  betreibende  Partei  behauptet,  die  Forderung 
betreffe  keine  im  öffentlichen  Rechte  begründete  Leistung, 
sondern  basiere  auf  dem  zivilrechtlichen  Verhältnisse  zwischen 
der  Versicherungsanstalt  und  dem  Versicherten;  sie  sei  daher 
keine  Steuer,  und  wenn  sie  auch  gesetzlich  den  Vorteil  des 
Pfandrechtes  im  Liegenden  geniesse,  so  könne  sie  doch  nicht 
als  grundpfandversicherte  Forderung  angesehen  werden  ;  daher 
sei  die  Betreibung  auf  Pfandverwertung  unzulässig,  eventuell 
liege  immerhin  eine  Annuität  vor,  wofür  Art.  41  des  B.-Ges. 
beide  Betreibungswege  zur  Auswahl  gebe.  —  Die  Forderung 
ist  aber  nach  hierortiger  Anschauung  zweifelsohne  als  eine 
im  öffentlichen  Rechte  begründete  Leistung  an  eine  öffent- 
liche Easse  zu  taxieren,  indem  gemäss  Brandversicherungs- 
gesetz die  Versicherung  aller  im  Eanton  befindlichen  Gebäude 
obligatorisch  wurde  und  dio  Leitung  dieser  Anstalt  durch  die 
Organe  des  Staates  und  die  Dekretierung  der  Jahresbeiträge 
durch  den  Regierungsrat  erfolgt.  Diese  Beiträge  gemessen 
laut  Gesetz  Pfandrecht  auf  den  Versicherungsobjekten  und 
von  diesem  Gesichtspunkte  aus  ist  die  Frage,  ob  es  nach 
dem  Wortlaute  des  Art.  43  B.-Ges.  dem  Gläubiger  anheim- 
gestellt sei,  diese   oder  jene  Art  der  Betreibung  zu  wählen, 


80 

zu  verneinen,  vielmehr  ist  der  Gläubiger,  wenn  die  Forderung 
so  oder  so  pfandversichert  ist,  gehalten,   die  Betreibung  auf 
Verwertung  des  Pfandes  zu  führen. 
(Auszüge  aus  den  Verh.-Prot.  des  Obergerichte  des  K.  Luzern  für  1896,  S.  6  ff.) 


55.  Aberkennungsklage  des  Art.  83  B.-G.  betr.  Schuld- 
betreibung und  Konkurs.  Kompetenz  des  Gerichtes  des  Wohn- 
ortes  des  Betriebenen,  der  diese  Klage  erhebt,  auch  wenn  der 
Betreibende  (jetzt  Aberkennungsbeklagte)  Franzose  ist.  Art.  1  et  7 
Traité  franco-suisse  du  15  juin  1869. 

Ueber  diese  Frage  folgen  hier  zwei  verschieden  motivierte, 
auch  im  Resultate  abweichende  Urteile. 

a)  Base  Ist  a  dl.  Entscheid  des  Appellationsgerichtes  vom  1.  Novem- 
ber 1897  i.  S.  Levaillant  &  Bollag  c.  L.  &  E.  Bloch  fils. 

L.  &  E.  Bloch  fils  in  Paris  erhoben  gegen  Levaillant  &  Bollag 
in  Basel  vor  Basler  Betreibungsamt  Betreibung  für  eine  ver- 
fallene erste  Rate  im  Betrag  von  Fr.  200. —  von  einer  For- 
derung von  Fr.  6000. —  und  erhielten  gegen  den  von  den  Be- 
triebenen erhobenen  Rechtsvorschlag  Rechtsöffnung,  weil  sie 
für  ihre  Forderung  eine  den  Erfordernissen  des  Art.  82  des  B.-G. 
über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  entsprechende  Schuld- 
anerkennung vorlegten.  Dadurch  wurden  die  Betriebenen  zur 
Anstellung  der  Aberkennungsklage  veranlasst.  Die  Gläubiger 
(Beklagten)  und  das  Civilgericht  waren  der  Ansicht,  das»  diese 
Klage  in  Paris  erhoben  werden  müsse,  und  zwar  nach  der 
Ausführung  des  Civilgerichts  darum,  weil  es  eine  action  en 
nullité  sei,  die  nach  Art.  7  des  französisch-schweizerischen 
Gerichtsstandsvertrags  vor  das  Gericht  in  Paris  gehöre.  Das 
Appellationsgericht  hat  diese  Auffassung  verworfen,  indem  es 
ausführt  : 

Es  ist  rein  unerfindlich,  wie  die  Ansicht  vertreten  werden 
kann,  die  Aberkennungsklage  müsse  in  Paris  erhoben  werden. 
Diese  sog.  Klage  ist  ja  keine  Klage,  demande,  wie  sie  der 
französisch-schweizerische  Gerichtsstandsvertrag  im  Auge  hat, 
denn  der  Aberkennungskläger  erhebt  keinen  Anspruch  gegen 
den  Gegner  und  will  nichts  von  ihm  haben,  sondern  sie  ist 
ein  Stück  der  Verteidigung  des  von  dem  Kläger  auf  dem 
Wege  der  Betreibung  angegriffenen  Beklagten.  Sie  ist  jeden-, 
falls  nicht  die  in  Art.  7  jenes  Vertrages  genannte  action  en 
nullité,  die  nach  dem  Zusammenhange  und  der  Stellung  dieses 
Artikels  zwischen  Konkurs  (Art.  6)  und  Nachlassvertrag  (Art.  8) 
die  Anfechtungsklage  wegen  Benachteiligung  der  Gläubiger 
ist.     Heute  handelt  es  sich  um   einen  persönlichen  Anspruch 


81 

des  in  Frankreich  wohnhaften  angeblichen  Gläubigers  gegen 
den  hier  wohnhaften  angeblichen  Schuldner,  dieser  Anspruch 
ist  nach  Art.  1  des  genannten  Vertrages  hier  geltend  zu 
machen  und  ist  auch  durch  Betreibung  hier  anhängig  ge- 
macht worden.  Gegen  diese  Betreibung  ist  nun  Widerspruch 
erhoben  worden  und  der  Widerspruch  bezweckt  den  Anspruch 
auf  den  Prozessweg  und  zu  gerichtlicher  Entscheidung  zu 
bringen.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  diese  gerichtliche  Ent- 
scheidung durch  das  hiesige  Gericht  erfolgen  musa  und  nicht 
durch  das  französische,  weil  der  hiesige  Schuldner  durch  letz- 
teres seinem  natürlichen  Richter  entzogen  würde.  Der  Art.  83 
Abs.  2  des  B.-G.  über  Betreibung  und  Eonkurs  giebt  aus- 
drücklich das  Gericht  des  Betreibungsortes  als  Forum  für  die 
Aberkennungeklage  an.  Sollte  dies,  wie  heute  behauptet  wird, 
nur  für  schweizerische  Gläubiger  gelten,  nicht  aber  für  fran- 
zösische, so  wäre  der  Schweizer  schlechter  gestellt  als  der 
Franzose  und  stände  sogar  nach  der  hier  abgelehnten  An- 
sicht diese  Bestimmung  des  Art.  83  im  Widerspruch  mit 
Art.  59  der  Bundesverfassung.  Und  übrigens  hat  das  Bundes- 
gericht in  einem  noch  viel  signifikanteren  Falle,  wo  Zweifel 
allenfalls  denkbar  wäre,  in  dem  Falle  einer  Rückforderungs- 
klage auf  eine  wegen  Versäumung  eines  Rechtsvorschlages 
bezahlte  Summe,  diese  Klage  am  schweizerischen  Betreibungs- 
orte gegen  einen  betreibenden  französischen  Gläubiger  zuge- 
lassen (Cause  Giron,  a.  S.  d.  b.-g.  Entsch.,  XXI,  S.  723  ff.). 

b)  Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  27  février  1897 
d.  1.  e.  Calandri  er.  e.  Julliard. 

Galandrier,  propriétaire  à  Bonne  sur  Menoge  (Haute- 
Savoie),  est  porteur  d'an  commandement  de  payer  la  somme 
de  fr.  94.85,  auquel  le  débiteur  Julliard,  laitier  à  Genève,  a 
fait  opposition;  mainlevée  provisoire  de  cette  opposition  a 
été  donnée  par  jugement  du  Tribunal  de  lr*  instance.  Julliard 
a  alors,  en  application  des  dispositions  de  l'art.  83  de  la  loi 
sur  la  poursuite  pour  dettes,  formé  contre  Calandrier  une 
action  en  libération  de  dette  qu'il  a  portée  devant  le  tribunal 
de  Genève;  il  a  soutenu  que  Calandrier  était  son  créancier 
en  vertu  du  billet  de  change  qui  avait  été  la  cause  du  com- 
mandement, lui-même  était,  d'autre  part,  créancier  de  Calan- 
drier de  la  gomme  de  fr*  76. — ,  pour  fournitures  et  travaux,  et 
qu'il  avait  le  droit  d'exoiper  de  compensation  entre  les  deux 
créances.  —  Calandrier  a  méconnu  devoir  la  somme  réclamée 
par  Julliard;  il  a  contesté,  en  outre,  la  compétence  des  tri- 
bunaux  genevois   pour   statuer  sur   cette   demande  reconven- 


82 

tionnelle  et  cela  en  raison  de  sa  qualité  de  Français  et  de 
son  domicile  en  France. 

Le  tribunal  a  déclaré  qu'il  ne  pouvait  être  appelé  à  se 
prononcer  sur  l'action  en  libération  de  dette  qui  constituait, 
en  réalité,  une  demande  personnelle  et  mobilière  contre  un 
Français  domicilié  en  France;  que  les  dispositions  de  la  loi 
fédérale  sur  la  poursuite  pour  dettes  ne  peuvent  déroger  à, 
celles  du  Traité  franco-suisse  de  1869  sur  la  compétence  qui 
oblige  à  poursuivre  les  actions  mobilières  devant  le  juge  na- 
turel du  défendeur;  le  tribunal,  dans  son  dispositif,  ne  se  dé- 
clare pas  incompétent,  mais  déboute  Julliard  de  sa  demande. 

Appel  a  été  formé  par  Julliard.  La  Cour  a  prononcé  la 
compétence  du  juge  genevois,  sauf  à  ce  juge  à  renvoyer  à 
statuer  jusqu'à  ce  que  le  demandeur  ait  obtenu  du  juge  fran- 
çais une  décision  sur  la  prétention  base  de  Paction  en  libé- 
ration. 

Motifs:  Il  y  a  une  contradiction,  au  moins  apparente, 
entre  la  disposition  de  Part.  83  Loi  P.  et  F.,  qui  dit  que  le 
for  de  l'action  en  libération  de  dette  est  le  même  que  le  for 
de  la  poursuite,  et  les  dispositions  de  Part.  1"  du  Traité  franco- 
suisse  de  1869,  qui  réserve  au  Français  domicilié  en  Franoe 
la  compétence  du  juge  de  son  domicile. 

Admettre  le  système  du  premier  juge,  et  déclarer  la  juri- 
diction suisse  incompétente,  aurait  pour  conséquence  de  donner 
une  situation  privilégiée  au  créancier  français,  domicilié  en 
France,  poursuivant  un  débiteur  suisse  domicilié  en  Suisse, 
puisque  ce  dernier  serait  en  réalité  privé  de  la  faculté  d'in- 
tenter Paction  en  libération  de  dette,  prévue  par  la  loi  sur 
la  poursuite,  et  que  la  main-levée  provisoire  prononcée  en 
faveur  de  son  créancier  serait  fatalement  transformée  en  main- 
levée définitive  au  bout  de  dix  jours.  En  effet,  une  action  en 
libération  de  dette  ne  pourrait  que  fort  difficilement  être 
formée  devant  le  juge  français  du  domicile  du  débiteur,  dans 
le  délai  indiqué,  et  ce  juge  français,  ignorant  ce  que  c'est 
cette  action  en  libération  de  dette  prévue  par  la  loi  suisse, 
devra  probablement  refuser  de  s'en  nantir  sous  cette   forme. 

Il  convient  plutôt  d'admettre  que  la  procédure  spéciale 
prévue  par  la  loi  sur  la  poursuite,  sous  le  nom  d'action  en 
libération  de  dette,  doit,  dans  tous  les  cas,  et  même  lors- 
qu'elle est  dirigée  contre  un  Français  domicilié  en  France,  être 
formée  au  for  de  la  poursuite  devant  le  juge  suisse  qui  a 
connu  de  Paction  en  main-levée,  sauf  à  ce  juge,  s'il  est  in- 
compétent pour  connaître  du  fond  de  cette  demande,  à  sur- 
seoir  à   statuer  jusqu'à  ce  que  le    demandeur  ait   obtenu  du 


83 

juge  du  domicile  en  France,  une  décision  judiciaire  sur  le 
bien  fondé  de  l'action  sur  laquelle  il  se  base  pour  prétendre 
être  libéré  de  sa  dette.  Il  appartient  alors  au  juge  suisse  du 
for  de  la  poursuite  de  décider,  d'après  les  règles  de  la  pro- 
cédure ordinaire,  et  sur  le  ru  des  décisions  judiciaires  rendues 
en  France,  si,  et  dans  quelle  mesure  le  débiteur  doit  être 
considéré  comme  libéré  de  sa  dette,  et  de  déterminer  dans 
quel  délai  ce  dernier  doit  rapporter  la  preuve  de  sa  libération 
partielle  OU  totale.  (La  Semaine  judiciaire,  XIX  p.  230  ss.) 

Anmerkung.  Gegen  dieses  letztere  Urteil  dürfte  Folgendes 
einzuwenden  sein:  Art.  1  des  Staatsvertrages  hindert  nicht,  dass 
der  Beklagte  persönliche  Ansprüche  gegen  den  Kläger  compen- 
sando am  Orte  der  Klage  (also  nicht  am  Wohnorte  des  Klägers) 
vorbringen  kann  und  dass  über  diese  Ansprüche  rechtskräftig  ent- 
schieden wird.  Ist  die  Kompensationseinrede  gegen  Klagen  zu- 
lässig, so  mus8  sie  auch  gegen  Betreibungen  zulässig  sein.  Wenn 
der  Schuldner  (Betriebene)  dann  infolge  bewilligter  Rechtsöffnung 
die  Kompensation  in  der  Form  der  Aberkennungsklage  anbringen 
mu8s,  so  bleibt  doch  das,  was  er  verlangt,  materiell  immer  noch 
Kompensation.  Sein  Recht,  die  zur  Kompensation  gebrachte  Gegen- 
forderung an  seinem  (des  Schuldners)  Forum  zur  Entscheidung  zu 
bringen,  kann  nicht  durch  den  zufälligen  Umstand  geschmälert 
werden,  dass  der  Kläger,  statt  mit  der  ordentlichen  Klage,  gleich 
mit  der  Betreibung  vorgehen  kann. 


56.  Lettre  de  change  acceptée.  Poursuite;  exception  de 
crainte  inspirée  sans  droit  par  le  tireur  à  l'acceptant;  opposition 
irrecevable.  Art.  182,  185  L.  P.  et  F. 

Yand.  Jugement  da  Tribunal  cantonal  du  14  décembre  1897  dans 
la  cause  Fleury  c.  veuve  Urfer. 

G.  Fleury  est  porteur  d'une  lettre  de  change  tirée  par 
Ch.  Bochat  sur  veuve  Urfer  et  acceptée  par  cette  dernière. 
A  Péchéance,  veuve  U.  a  refusé  le  'paiement  par  le  motif 
qu'elle  avait  signé  l'effet  de  change  sous  l'empire  d'une  crainte 
que  lui  aurait  inspirée  sans  droit  le  tireur.  G.  F.  ayant  fait 
notifier  un  commandement  de  payer  à  veuve  U.,  celle-ci  a 
opposé  la  cause  susdite  et  invoqué  l'art.  182  L.  P.  Elle  expose 
que  son  consentement  a  été  vicié  par  les  manœuvres  de  Bochat, 
que  l'obligation  de  change  est  donc  radicalement  nulle  et 
l'exception  invoquée  affecte  la  lettre  de  chance  elle-même. 
Le  Président  du  tribunal  d'Aubonne  a  déclaré  1  opposition  de 
veuve   U.  recevable,   par  les   motifs   suivants:   Si   dame   U., 


84 

comme  elle  F  allègue,  n'a  signé  son  acceptation  sur  l'effet  de 
change  que  sous  l'empire  d'une  crainte  fondée  que  lui  aurait 
inspirée  sans  droit  le  sieur  R.,  elle  n'est  point  obligée;  l'ex- 
ception soulevée  affecte  la  lettre  de  change  elle-même. 

Le  Tribunal  cantonal  a  réformé  cette  décision  et  déclaré 
irrecevable  l'opposition  de  veuve  U. 

Motifs:  Considérant  que  6.  F.  est  fondé  à  invoquer  les 
dispositions  de  l'art.  185  L.  P.  pour  recourir  à  l'instance  supé* 
rieure  ; 

Considérant  que  veuve  U.  fonde  son  opposition  sur  les 
§§  1  et  2  de  l'art.  182  L.  P.  qui  disposent  que  le  juge  déclare 
l'opposition  recevable  lorsque  le  débiteur  allègue  la  fausseté 
du  titre,  et  que  son  dire  paraît  vraisemblable,  ou  lorsqu'il 
soulève  une  exception  admissible  en  matière  de  lettre  de  change 
et  qu'elle  paraît  fondée. 

Qu'en  l'espèce,  il  ne  saurait  être  question  de  l'application 
de  ce  §  1,  car  veuve  U.,  loin  d'alléguer  la  fausseté  du  titre, 
reconnaît  expressément  avoir  revêtu  de  son  acceptation  et 
signé  la  lettre  de  change  dont  F.  est  porteur. 

Considérant  que  les  exceptions  de  simulation  et  de  fraude 
ne  rentrent  pas  parmi  celles  qui  sont  spéciales  au  droit  de 
change. 

Que  dès  lors  le  débiteur  ne  peut  les  opposer  à  un  tiers 
que  si  elles  lui  compétent  directement  contre  ce  dernier. 

Que  veuve  U.  basant  son  opposition  sur  les  dispositions 
de  l'art.  24  C.  0.  concernant  le  dol,  il  y  a  là  uniquement  une 
question  de  droit  civil,  complètement  étrangère  au  porteur  du 
titre,  à  discuter  uniquement  entre  le  tireur  Ch.  R.  et  la  débi- 
trice veuve  U. 

(Journal  des  tribunaux,  XL VI  p.  134  §8.) 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


57.  ArU57  B.-Ges.  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege  vom  22.  März  1893.  Art.  10, 16  0.  R.  —  B.-Ges.  betr.  die 
civilrechüichen  Verhältnisse  der  Niedergelassenen  und  Aufenthalter 
vom  25.  Juni  1891.  —  Anwendbarkeit  des  eidgenössischen  Rechts 
als  Voraussetzung  der  bundesgerichtlichen  Kompetenz.  Die  Schen- 
kung uniersteht  nach  Form  und  Inhalt  dem  kantonalen  Rechte. 
Die  Einrede  der  Simulation  beurteilt  sich  nach  demjenigen  Rechte, 
welchem  das  erklärte  Rechtsgeschäft  untersteht.  Inwieweit  ist 
wegen  Verletzung  des  Bundesgesetzes  betr.  die  dvürechtUchen  Ver- 
hältnisse der  Niedergelassenen  und  Aufenthalter  die  Berufung 
an  das  Bundesgericht  statihaftt 

Die  erhobene  Vindikationsklage  gründet  sich  darauf,  dass 
der  Rechtstitel,  welchen  die  Beklagten  für  ihr  Eigentumsrecht 
geltend  machen,  nämlich  die  Schenkungen  an  A.  S.,  in  That 
und  Wahrheit  gar  nicht  bestehen,  indem  diese  Schenkungen 
simuliert  gewesen  seien  ;  eventuell  fechten  die  Kläger  den  be- 
zeichneten Rechtstitel  wegen  mangelnder  Form  und  wegen 
Verletzung  der  gesetzlichen  Beschränkung  der  Testierfreiheit 
an.  Die  Entscheidung  über  die  Vindikationsklage  fällt  somit 
zusammen  mit  der  Entscheidung  über  die  Perfektion  und 
Rechtsbeständigkeit  der  von  den  Beklagten  behaupteten  Schen- 
kungen. Hiefür  ist  aber,  da  die  Regelung  der  Schenkung  nach 
Form  und  Inhalt  dem  kantonalen  Rechte  vorbehalten  ist, 
ausschliesslich  kantonales,  und  nicht  eidgenössisches  Recht 
massgebend.  Dies  gilt  insbesondere  auch  hinsichtlich  der 
behaupteten  Simulation.  Denn  die  Frage,  ob  die  Parteien 
die  Rechtsfolgen  des  durch  ihre  übereinstimmenden  Willens- 
erklärungen deklarierten  Rechtsgeschäftes  wirklich  gewollt 
haben  oder  nicht,  ob  also  das  von  ihnen  deklarierte  Rechts- 
geschäft ernst  gemeint  oder  simuliert  sei,  beurteilt  sich  nach 
demjenigen  Recht,  dem  dieses,  d.  h.  das  erklärte  Rechtsge- 
schäft, untersteht.  Nachdem  daher  die  Vorinstanz,  gestützt 
auf  das  hiefür  massgebende  kantonale  Recht,  angenommen 
hat,   dass   der  Thatbestand  einer  Schenkung  vorliege,   so  ist 


86 

ihr  Entscheid  auch  bezüglich  der  Simulation,  als  einer  in  casu 
rein  kantonalrechtlichen  Frage,  der  Ueberprtifung  durch  das 
Bundesgericht  entzogen.  Was  sodann  die  Frage  anbelangt, 
welches  kantonale  Recht,  ob  das  nidwaldensche  oder  das 
luzernische,  in  casu  anwendbar  sei,  so  handelt  es  sich  hier 
allerdings  um  die  Anwendung  bundesrechtlicher  Normen, 
nämlich  um  die  Anwendung  des  Bundesgesetzes  betreffend 
die  civilrechtlichen  Verhältnisse  der  Niedergelassenen  und 
Aufenthalter,  allein  nach  Art.  38  dieses  Gesetzes  sind  die 
Streitigkeiten,  zu  denen  die  Anwendung  desselben  Anlass 
geben  kann,  nach  dem  für  staatsrechtliche  Entscheidungen 
vorgeschriebenen  Verfahren  zu  beurteilen;  in  seiner  Stellung 
als  Berufungsinstanz  gegenüber  kantonalen  Civilurteilen  wäre 
das  Bundesgericht  zur  Entscheidung  solcher  Streitigkeiten 
nur  insoweit  kompetent,  als  es  sich  dabei  um  Incidentpunkte 
in  einer  Streitigkeit,  die  einen  nach  eidg.  Recht  zu  beurteilen- 
den Anspruch  betrifft,  handeln  würde.  Dies  ist  jedoch  in 
casu,  wie  bereits  bemerkt,  nicht  der  Fall.  (Entsch.  v.  29.  April 
1898  i.  S.  Siegwart  c.  Siegwart.) 


58.  Art.  17  0.  R.  Ein  Vertrag,  welcher  bezweckt,  ein  (aus- 
ländisches) Patent  für  ein  wertloses,  geschäftlich  unvorteilhaftes 
Verfahren  zu  erwerben,  um  unter  dessen  Schutz  Waren  nach 
einem  anderen,  im  Auslande  bereits  patentierten,  geschäftlich  vor" 
teilhaften  Verfahren  fabrizieren  und  im  Auslande  verbreiten  zu 
können,  ist  nichtig.  Derselbe  verstösst,  wenn  auch  das  Recht 
des  Patentinhabers,  dessen  Verletzung  beabsichtigt  ist,  bloss  auf 
ausländischem  Rechtssatze  beruht  und  im  Inlande  nicht  geschützt 
wird,  doch  wegen  der  mit  Treu  und  Glauben  im  Widerspruch 
stehenden  Mittel  gegen  die  guten  Sitten. 

(Entsch.  vom  4.  März  1898  i.  S.  Hefti  c.  F.  Hoffmann- 
LaRoche  &  Cie.) 

59.  Art.  58  B.-Oes.  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893.  Art.  50,  51,  61  0.  R.  Die  Berufung 
gegen  das  Endurteil  ergreift  Teilurteile  über  den  Qrund  des  An- 
spruches auch  dann,  wenn  diese  im  Adhäsionsverfahren  ergangen 
sind.  Präjudizialität  des  Strafurteils  t  Rechiewidrigkeit  von  Unter- 
lassungen. —  Mitwirkendes  Verschulden  der  Eltern  durch  Ver- 
nachlässigung  der  Aufsichtspflicht  bei  Verletzung  eines  Kindes. 

1.  Wenn  in  einem  Strafurteile  die  Schadenersatzpflicht  des 
Verurteilten  bloss  prinzipiell  ausgesprochen,  die  Feststellung 


87 

der  Höhe  der  Entschädigung  dagegen  auf  den  Civilprozessweg 
verwiesen  wird,  so  qualifiziert  sich  das  Urteil  hinsichtlich  des 
Civilpunktes  als  blosses  Teilurteil  über  den  Grund  des  An- 
spruches, gegen  welches  selbständige  Berufung  an  das  Bun- 
desgericht nicht  statthaft  ist.  Dagegen  ergreift  die  Berufung 
gegen  das  hernach  im  Civilprozesse  ausgefällte  Endurteil  ge- 
mäss Art.  58  Abs.  2  des  Org.-Ges.  auch  das  im  Adhäsions- 
verfahren ergangene  Teilurteil,  so  dass  das  Bandesgericht 
auch  über  den  Grund  des  Anspruchs  frei  zu  entscheiden  hat. 
Die  Verurteilung  im  Strafpunkte  ist  für  den  Civilanspruoh 
nicht  präjudiziell. 

2.  Eine  Unterlassung  ist  nur  dann  widerrechtlich,  wenn 
«ie  gegen  ein  besonderes  Gebot  der  Rechtsordnung,  durch 
welches  jemand  zu  einem  Thun  verpflichtet  wird,  verstösst, 
oder  wenn  dieses  Thun  durch  vertragliche  Pflichten  geboten 
ist.  Nach  der  allgemeinen  Rechtsordnung  aber  ist  derjenige, 
der  einen  Zustand  herstellt,  der  in  erkennbarer  Weise  die 
Gefahr  einer  Schädigung  anderer  in  sich  trägt,  aus  dieser 
Herstellung  verpflichtet,  das  zur  Abwendung  dieser  Gefahr 
-erforderliche  zu  thun;  die  Unterlassung  der  die  Gefahr  ab- 
wendenden Vorkehrungen  erscheint  somit  als  gegen  diesen 
Rechtssatz  verstossend,  d.  h.  als  widerrechtlich  (vgl.  Amtl. 
Samml.  Bd  XXI  S.  625  und  Bahr,  Gegenentwurf  zum  Ent- 
wurf eines  bürgerl.  Gesetzbuches,  §  788,  S.  165). 

3,  Wenn  die  Verletzung  eines  (unzurechnungsfähigen) 
Kindes  zwar  durch  fahrlässiges,  schuldhaftes  Verhalten  eines 
Dritten  herbeigeführt  worden  ist,  dabei  aber  auch  schuldhafte 
Vernachlässigung  der  elterlichen  Aufsichtspflicht  mitgewirkt 
hat,  so  mindert  letzterer  Umstand  die  Ersatzpflioht  des 
Schädigers,  da  dessen  Schuld  nicht  die  alleinige  rechtlich  in 
Betracht  kommende  Ursache  des  Unfalls  ist,  neben  derselben 
vielmehr  als  weiterer  Causalfaktor  die  Schuld  der  aufsiohts- 
pflichtigen  Eltern  steht.  (Entsch.  v.  19.  März  1898  i.  8.  Hör- 
lâcher  c.  Horlacher.) 

60.  Art.  59  B.-Ges.  betr.  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893.  Art.  50,  67,  68  0.  R.  —  Streitwert  bei 
Klagen  auf  Abwendung  zukünftiger  Schädigungen  eines  Grund- 
stücks. Aus  Art.  50  0.  12.  kann  nur  auf  Ersatz  bereits  ent- 
standenen, nicht  auf  Abwendung  erst  drohenden  künftigen  Schadens 
geklagt  werden.  Begriff  des  „Werkes"  im  Sinne  der  Art.  67  und 
68  0.  R.     Bedeutung  und  Tragweite  der  letzteren  Bestimmung. 

1.  Bei  Klagen,  welche  auf  die  Abwendung  zukünftiger 
Beschädigungen   eines  Grundstückes   gerichtet   sind,    ist    als 


K' 


88 

Streitwert  im  Zweifel  der  Wert  des  angeblich  bedrohten 
Grundstückes  zu  betrachten. 

2.  Art.  50  0.  R.  verleiht  nur  ein  Elagreoht  auf  Ersatz 
eines  bereits  entstandenen,  nioht  auf  Abwehr  eines  erst 
drohenden;  künftig  möglichen  Schadens.  Darüber,  inwie- 
weit der  Grundeigentümer  Arbeiten  auf  dem  Nachbargrund- 
stücke dulden  muss  oder  sich  denselben  (schädlichen  Bauten 
u.  dgl.)  widersetzen  und  deren  Einstellung  oder  Beseitigung 
verlangen  kann,  entscheiden  die  Bestimmungen  des  kantonalen 
Sachenrechts  über  Eigentums-  und  Besitzesschutz.  Nur  Art. 
68  0.  B.  enthält  eine  hier  einschlagende  Bestimmung,  welche 
indes  nicht  auf  den  Schutz  des  Eigentums,  speziell  des  Grund- 
eigentums, sioh  beschränkt,  sondern  auch  den  Schutz  der 
Personen  im  Auge  hat. 

3.  Die  Klage  aus  Art.  68  0.  R.  setzt  voraus,  dass  der 
Kläger   (persönlich   oder   in    einer  Person,    deren  Rechte   zu 

K  wahren  er  gesetzlich  verpflichtet  ist)  oder  dass  sein  beweg- 

liches oder  unbewegliches  Eigentum  von  dem  Gebäude  oder 
Werke  eines  anderen  her  mit  Schaden  bedroht  sei  ;  dass  der 
Beklagte  Eigentümer  dieses  Gebäudes  oder  Werkes  sei;  dass 
der  Schaden  vom  Beklagten  durch  angemessene  Vorkehren 
abgewendet  werden  könne.  Dagegen  ist  (abweichend  von 
Art.  67  0.  R.)  nicht  erforderlich,  dass  der  drohende  Schaden 
die  Folge  mangelhafter  Unterhaltung  oder  fehlerhafter  An- 
lage oder  Herstellung  des  Gebäudes  oder  Werkes  sei;  es 
genügt,  dass  letztere  überhaupt  Schaden  drohen. 

4.  Als  Werk  im  Sinne  des  Art  67  und  68  0.  R.  er- 
scheinen nicht  nur  Anlagen,  welche  dauernd  mit  Grund  und 
Boden  verbunden  oder  in  demselben  erstellt  sind,  sondern  auch 
andere  körperliche  Anlagen,  welche  zufolge  mangelhafter  Be- 
schaffenheit in  irgend  welcher  Weise  mittelbar  oder  unmittel- 
bar Sachen  oder  Personen  beschädigen  können  (z.  B.  auch 
ein  einfacher  Steinhaufen). 

5.  Dagegen  findet  Art.  68  0.  R.  keine  Anwendung,  wenn 
ein  Schaden  nicht  von  einem  Gebäude  oder  Werke  her, 
sondern  durch  Handlungen  eines  Dritten  (in  casu  die  Be- 
seitigung des  Abraumes  eines  Steinbruchs  durch  Hinunter- 
werfen desselben  in  das  Bett  eines  öffentlichen  Flusses)  droht. 
Hier  sind  (civilrechtlich)  einzig  die  kantonalen  Vorschriften 
über  Eigentums-  und  Besitzessohutz  anwendbar.  (Entsch.  v. 
11.  Februar  1898  i.  S.  Commune  de  Corbières  c.  Bellora.) 


89 

61.  Art.  50,  62  0.  R.  Art.  1,  2,  4  B.Oes.  betr.  die  Haft- 
pflicht aus  Fabrikbetrieb  vom  25.  Juni  1881.  Art.  1,  3  B.-Qes. 
betr.  die  Ausdehnung  der  Haftpflicht  u.  s.  w.  vom  26.  Aprü  1887. 
Begriff  des  Betriebsunfalles.  Die  Haftpflichtgesetzgebung  normiert 
4ie  Verantwortlichkeit  des  Unternehmers  für  Betriebsunfälle  er- 
schöpfend.  Konkurrenz  des  Haftpflichtanspruchs  mit  einem  De- 
Uktsanspruch.  Verhältnis  zwischen  dem  haftpflichtigen  Unternehmer 
und  dem  ex  delicto  Verantwortlichen. 

Der  in  der  Ziegelfabrik  des  Beklagten  B.  in  E.  als  Ar- 
beiter angestellte  L.  R.  wurde,  während  er  in  einer  zu  Ma- 
terialgewinnung für  die  Fabrik  benutzten  Lehmgrube  arbeitete, 
von  einem  stürzenden  Baume  erschlagen,  welcher  auf  dem  an 
die  Lehmgrube  anstehenden  Grundstücke  des  Landwirts  D. 
gefällt  worden  war.  Der  von  D.  mit  dem  Fällen  des  Baumes 
betraute  Taglöbner  St.  war  dabei  in  sehr  ungeschickter  und 
unvorsichtiger  Weise  verfahren.  Die  Hinterlassen  en  des 
L.  R.  belangten  nun  den  Ziegelfabrikanten  B.  und  den  Land- 
wirt D.  solidarisch  auf  Bezahlung  eines  Schadenersatzes  von 
12,000  Fr.  Das  Bundesgericht  verurteilte  die  beiden  Be- 
klagten zu  gleichen  Teilen  und  solidarisch  zu  einer  Ent- 
schädigung von  Fr.  5400,  den  Ziegelfabrikanten  B.  gestützt 
auf  das  Gesetz  betr.  die  erweiterte  Haftpflicht,  den  Landwirt 
D.  (resp.  dessen  Erben)  gestützt  auf  Art.  50  und  62  0.  R. 
Hinsichtlich  der  Anwendbarkeit  der  Haftpfliohtgesetzgebung, 
des  Verhältnisses  des  Haftpflichtanspruches  zu  dem  Delikts- 
anspruche aus  Art  50  ff.  0.  R.,  der  Solidarität  und  des  Ver- 
hältnisses der  beiden  Beklagten  unter  einander  ist  in  den 
Entscheidungsgründen  bemerkt: 

1.  B.  hat  die  Anwendbarkeit  der  Haftpflichtgesetzgebung 
für  den  vorliegenden  Fall  aus  dem  Grunde  bestritten,  weil 
es  sich  nioht  um  einen  Betriebsunfall  handle.  Nun  ist  zwar 
richtig,  class  die  Haftpflicht  aus  Fabrik-  und  Gewerbebetrieb 
nicht  sohon  dadurch  begründet  wird,  dass  anlässlich  des  Be- 
triebs, bei  einer  zum  Betrieb  gehörenden  Beschäftigung,  den 
Arbeiter  eine  Verletzung  trifft,  sondern  es  muss  ein  ursäch- 
licher Zusammenhang  zwischen  Betrieb  und  Verletzung  vor- 
handen sein.  Ein  solcher  Zusammenhang  besteht  aber  im 
vorliegenden  Falle.  Die  Ausbeutung  der  Lehmgrube  war, 
mit  Rückeicht  auf  die  nächste  Umgebung  der  Grube  (das  Be- 
stehen des  hohen  Baums,  den  man  zu  fällen  begonnen  hatte) 
eine  gefährliche  Arbeit.  Es  bestand  eine  in  den  örtlichen 
Verhältnissen  dieses  Arbeitsplatzes  begründete  Gefahr,  also 
eine  Gefahr,  die  mit  dem  Betriebe  zusammenhing.  Indem 
sich    nun    diese  Betriebsgefahr    durch   das  Hereinfallen   des 


90 

Baumes  in  die  Grube  verwirklichte,  handelte  es  sich  somit  in 
der  That  um  einen  Betriebsunfall,  und  es  findet  danach  für 
die  Frage,  ob  und  in  welchem  umfange  B.  für  die  Folgen 
der  Tötung  des  B.  einzustehen  habe,  die  Haftpflichtgesetz- 
gebung Anwendung. . . .  Diese  normiert  aber  die  Haftung  des 
Unternehmers  für  Betriebsunfälle  in  erschöpfender  Weise, 
weshalb  gegenüber  B.  rücksichtlich  des  vorliegenden  Falles, 
auf  welchen  die  Haftpflichtgesetzgebung  Anwendung  findet, 
das  gemeine  Recht  des  Schadenersatzes  für  unerlaubte  Hand- 
lungen nicht  Platz  greift  (s.  bundesgerichtl.  Entsch.,  Amtl. 
Samml.  Bd  XIX  S.  188  E.  3,  und  Entsch.  in  Sachen  Viglia 
c.  Hitz  &  Cie,  v.  14.  Juli  1897). 

2.  Rücksichtlich  der  Haftung  dritter  Personen  dagegen, 
welche  an  dem  Betriebsunfall  ein  Verschulden  tragen,  stellt 
die  Spezialgesetzgebung  (abgesehen  von  dem  in  Art.  4  des 
Fabrikhaftpflichtgesetzes  vorgesehenen  Regressrechte  des  Be- 
triebsunternehmers) keine  besonderen  Bestimmungen  auf;  sie 
unterstehen  dem  gemeinen  Recht,  und  es  berechtigt  nichts 
zu  der  Annahme,  dass  durch  die  Existenz  eines  Haftpflicht- 
anspruchs  der  gemeinrechtliche  Schadenersatzanspruch  gegen 
diese  dritten  Personen  konsumiert  werde.  Vielmehr  bestehen 
beide  Ansprüche  konkurrierend  neben  einander  und  beeinflussen 
sich  nur  insoweit,  als  sie  das  zu  befriedigende  rechtliche 
Interesse  gemeinsam  haben,  was  zur  Folge  hat,  dass  der  eine 
Anspruch  in  dem  Umfange  als  zwecklos  d  ah  infällt,  als  mittels 
Durchführung  des  andern  die  Befriedigung  erlangt  ist  (vgl. 
Regelsberger,  Pand.  I  §  186).  Die  auf  Art.  50  ff.  0.  R.  ge- 
stützte Schadenersatzklage  gegen  die  Erben  D.  ist  also  dadurch 
nicht  ausgeschlossen,  dass  den  Klägern  wegen  des  gleichen 
Schadens  die  Haftpflichtklage  offen  stand  und  von  ihnen  er- 
hoben worden  ist. 

3.  Wenn  die  Beklagten  sich  schliesslich  dagegen  ver- 
wahrt haben,  dass  eine  Solidarhaft  unter  ihnen  angenommen 
werde,  so  ist  dazu  zu  bemerken,  dass  es  sich  hier  nicht  um 
einen  gegen  mehrere  Mitverpflichtete  gemeinsam  gerichteten 
Rechtsanspruch  handelt,  aus  welchem  jede  der  beiden  beklagten 
Parteien  zu  einer  Quote  verpflichtet  wäre,  sondern  um  eine 
Mehrheit  selbständiger,  von  einander  verschiedener  Rechts- 
ansprüche, von  welchen  jeder,  soweit  er  überhaupt  reicht,  auf 
volle  Befriedigung  des  klägerischen  Interesses  geht.  Es  haftet 
danach  jede  der  beklagten  Parteien  nach  Massgabe  des  gegen 
sie  durchgeführten  Rechtsanspruchs  in  solidum  für  den  Schaden 
der  Kläger.  Da  jedoch  die  einmalige  Befriedigung  des  kläge- 
rischen Interesses   alle   zum  Schutze   desselben   bestehenden 


91 

Rechtsansprüche  tilgt,  ist  immerhin,  nach  den  Grundsätzen 
über  ungerechtfertigte  Bereicherung,  ein  Rückgriffsrecht  unter 
den  mehreren  Verpflichteten  anzuerkennen,  und  somit  zu 
bestimmen,  in  welchem  Verhältnisse  dieselben  unter  einander 
an  die  Entschädigung  der  Kläger  beizutragen  haben.  In 
Würdigung  aller  Umstände  rechtfertigt  es  sich,  die  Anteile 
unter  den  beiden  beklagten  Parteien,  dem  Beklagten  B.  einer- 
seits und  den  Erben  D.  andrerseits,  gleichmässig  anzusetzen. 
(Ent8ch.  v.  25.  Februar  1898  i.  S.  Bucheli  u.  Erben  Degen  c. 
Riochetti.) 

62,  Art.  76  0.  R.  Verträge  über  die  Veräusserung  von  Erb- 
Schäften  oder  Erbschaftsanteilen  unterstehen,  auch  wenn  sie  bereits 
angefallene  Erbschaften  betreffen,  wegen  ihres  nahen  Zusammen- 
hangs mit  dem  Erbrechte,  dem  kantonalen  Rechte. 

Les  ventes  de  succession  ou  de  parts  de  succession,  sur- 
tout lorsqu'elles  ont  trait  à  une  succession  déjà  ouverte,  ne 
produisent  pas  à  la  vérité  des  effets  de  droit  successoral,  mais 
uniquement  de  droit  contractuel.  Mais  l'objet  de  ces  ventes 
est  une  hérédité  et  il  faut  dès  lors  que  le  droit  cantonal, 
auquel  la  législation  en  matière  de  droit  de  succession  est 
réservée,  puisse  également  régler  la  question  de  savoir  dans 
quelle  mesure  une  succession  peut  être  aliénée,  môme  avec 
effet  purement  contractuel,  et  quelles  sont  les  conditions  de 
validité  et  d'efficacité  de  l'aliénation.  De  fait  plusieurs  légis- 
lations cantonales  renferment  des  dispositions  particulières 
concernant  les  aliénations  d'hérédité,  dispositions  soumettant 
celles-ci  à  des  formes  spéciales  ou  prévoyant  que  la  vente  à 
un  tiers,  c'est-à-dire  à  une  autre  personne  qu'un  cohéritier, 
d'une  part  à  une  succession  non  partagée  est  nulle  ou  peut 
être  rendue  inefficace  par  les  cohéritiers  moyennant  rem- 
boursement à  l'acheteur  du  prix  payé  par  lui,  ou  enfin  réglant 
d'une  manière  spéciale  la  garantie  due  par  le  vendeur  et  la 
responsabilité  de  l'acquéreur  vis-à-vis  des  créanciers  de  la 
succession  (Voir  Huber,  Schweiz.  Privatrecht  II,  page  344  et 
suiv.).  Les  contrats  d'aliénation  de  succession  ont  ainsi 
avec  le  droit  de  succession  des  rapports  tels  que  Ton  doit 
leur  appliquer  aussi  la  réserve  du  droit  cantonal,  contenue 
dans  l'art.  76  C.  0.7  relative  à  la  formation  des  obligations 
qui  ont  leur  source  dans  le  droit  de  succession.  C'est  dès 
lors  au  droit  cantonal  qu'il  appartient  de  décider  si  les 
ventes  de  succession  sont  soumises,  quant  à  leur  validité, 
aux  principes  généraux  du  G.  0.  sur  l'erreur,  le  dol  et  la 
violence  ou  si  des  règles  spéciales  leur  sont  applicables;  c'est 


92 

au  droit  cantonal  à  établir  quelles  sont  les  circonstances  qui 
peuvent  vicier  ces  contrats  et  les  rendre  nuls.  En  tant  que 
les  législations  cantonales  ne  renferment  pas  de  dispositions 
particulières  sur  la  matière,  les  principes  généraux  au  G.  O. 
peuvent  sans  doute  être  appliqués;  mais  ils  ne  le  sont  pas 
dans  oe  cas  comme  règles  de  droit  fédéral,  de  par  la  volonté 
du  législateur  fédéral,  mais  comme  droit  cantonal  subsidiaire, 
de  par  la  volonté  du  législateur  cantonal,  qui  n'a  pas  établi 
de  règles  particulières  pour  les  contrats  en  question,  mais  les 
a  soumis  aux  principes  généraux  du  G.  O.  en  vertu  de  sa 
compétence  législative  propre.  Ce  n'est  plus  alors  le  droit 
fédéral  qui  est  appliqué,  mais  le  droit  cantonal.  (Entsch.  v. 
23.  April  1898  i.  S.  Ruegger  c.  Scheimbet.) 


63.  Art  192, 193,  198,  500,  507  O.  R.  Das  Gewähr  Leistung  s- 
versprechen  des  Cedenten  für  die  Güte  der  abgetretenen  Forderung 
ist  keine  Bürgschaft,  sondern  begründet  eine  selbständige  Ver- 
pflichtung  des  Cedenten.  Art.  500  O.  R.  findet  auf  dasselbe  keine 
Anwendung,  Die  Gewährleistungspflicht  des  Cedenten  richtet  sich 
auch  bei  Abtretung  grundversicherter  Forderungennach  dem  eidg.  0.  R. 

1.  Auf  das  Garantie  versprechen  des  Cedenten  für  die 
Güte  der  abgetretenen  Forderung  finden  die  Grundsätze  der 
Bürgschaft  keine  Anwendung.  Denn  trotzdem  der  wirtschaft- 
liche Zweck,  den  das  Garantieversprechen  des  Cedenten,  wie 
seine  Gewährleistungspflicht  überhaupt,  verfolgt,  mit  demjenigen 
der  Bürgschaft  grosse  Verwandtschaft  zeigt,  ist  die  rechtliche 
Natur  beider  Haftungen  gänzlich  verschieden:  bei  der  Bürg- 
schaft wird  lediglich  die  akzessorische  Haftung  für  eine  fremde 
Schuld  übernommen,  während  das  Garantieversprechen  des 
Cedenten,  wie  seine  Gewährleistungspflicht  überhaupt,  eine 
selbständige  Verpflichtung  des  Cedenten  begründet  (vgl. 
Schliemann,  die  Haftung  des  Cedenten  S.  16  f.;  Hafner,  Komm, 
z.  Oblig.-Recht,  2.  Aufl.  S.  294  f.;  Attenhofer,  in  Zeitschr.  für 
Schweiz.  Recht,  N.  F.  Bd  IX  S.  315  ff.).  Art.  500  0.  R.  findet 
daher  auf  das  Gewährleistungsversprechen  des  Cedenten  keine, 
auch  nicht  analoge  Anwendung,  da  diese  Vorschrift  ihren 
Grund  lediglich  im  Wesen  der  Bürgschaft  als  eines  streng 
akzessorischen  Rechtsgeschäftes  hat. 

2.  Die  Gewährleistungspflicht  des  Cedenten  fallt  nicht 
unter  den  Vorbehalt  des  Art.  198  0.  R.  Zwar  lautet  der 
Vorbehalt  des  Art.  198  ganz  allgemein  zu  Gunsten  des  kan- 
tonalen Rechts,  ähnlich  demjenigen  des  Art.  231  für  Liegen- 
schaftenkäufe, und  man  könnte  deshalb  versucht  sein,  betreffend 


93 

-die  Abtretung  grundversicherter  Forderungen  ganz  allgemein, 
also  auch  in  Bezug  auf  die  Frage  der  Gewährleistungspflicht  des 
Abtretenden,  das  kantonale  Recht  als  massgebend  zu  betrachten. 
Hiefür  spräche  auch  die  Stellung  des  genannten  Artikels  am 
Schlüsse  des  Titels  über  Abtretung  der  Forderungen.  Allein 
gleichwohl  kann  diese  Folgerung  nicht  gezogen  werden,  wenn 
auf  den  Grund  und  Zweck  dieses  Vorbehaltes  zurückgegangen 
wird.  Der  genannte  Vorbehalt  findet  nämlich  seine  rationelle 
Erklärung  einzig  in  dem  engen  Zusammenhang,  welcher 
zwischen  dem  Rechte  der  grundversicherten  Forderungen  und 
dem  durch  das  kantonale  Recht  geregelten  Immobiliarsachen- 
recht  besteht,  wie  insbesondere  aus  Art.  507  0.  R.  hervorgeht. 
Ein  solcher  enger  Zusammenhang  wäre  bezüglich  der  Frage 
der  Gewährleistungspflicht  des  Gedenten  einer  grundversicher- 
ten Forderung  nur  dann  vorhanden,  wenn  die  Gewährleistungs- 
pflicht unmittelbar  aus  der  Thatsache  der  Abtretung  folgen 
würde.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall;  vielmehr  ist  mit  der 
jetzt  unbestritten  herrschenden  Theorie  (vgl.  Windscheid,  Pand. 
7.  Aufl.  Bd  II  S.  253  Anm.  3,  und  Attenhofer,  a.a.  0.)  zu  sagen, 
da88  diese  Gewährleistungspflicht  des  Gedenten  aus  dem  der 
Cession  zu  Grunde  liegenden  Rechtsgeschäfte,  bezw.  aus  einem 
besondern  Garantieversprechen  folgt;  für  das  Schweiz.  Obli- 
gationenrecht ergiebt  sich  dies  augenscheinlich  daraus,  dass 
Art.  192  u.  193  zwischen  der  entgeltlichen  und  der  unentgelt- 
lichen Abtretung  bei  der  Frage  der  Gewährleistungspflicht 
des  Abtretenden  für  den  Bestand  der  Forderung  unterscheiden 
und  somit  auf  den  Grund  der  Abtretung  zurückgehen  (vgl. 
auch  Hafner,  Komm.  2.  Aufl.  Art.  184  Anm.  1).  Bezieht  sich 
demnach  der  Vorbehalt  des  Art.  198  0-  R.  schon  im  allge- 
meinen nicht  auf  die  Gewährleistungspflicht  des  Abtretenden, 
auch  nicht  auf  die  gesetzliche  für  den  Bestand  der  Forderung, 
so  ganz  besonders  nicht  auf  die  hier  in  Betracht  kommende 
Gewährleistung  für  die  Güte  der  Forderung  aus  einem  be- 
sonderen Garantieversprechen  ;  denn  diese  Haftbarkeit  ist  von 
der  Abtretung  weit  unabhängiger,  als  jene  gesetzliche  für  den 
Bestand  der  Forderung.  (Entsch.  v.  12.  Februar  1898  i.  S. 
Frey-Wahli  c.  Kratzer.) 


64.  Art.  192,  493  0.  R.  Voraussetzungen  für  Belangung  des 
Hochburgen.     Gewährsversprechen  des  Cedenten  und  Bürgschaft. 

1.  Wie  die  Konkurseröffnung  über  den  Hauptschuldner 
zur  Belangung  des  einfachen  Bürgen  (vgl.  Hafner,  Komment. 
ä.  Oblig.-Recht,  2.  Aufl.  Art.  493  Anm.  5;  Schneider  u.  Fick, 


94 

Komment,  z.  Oblig.-Becht,  grosse  Ausgabe,  Art.  493  Anm.  3)^ 
so  genügt  zur  Klagbarkeit  des  Anspruchs  gegen  den  Nach- 
bürgen (vgl.  Hafner  a.  a.  0.  Anm.  3  b)  die  Thatsaohe,  dass 
über  Hauptschuldner  und  Vorbürgen  der  Konkurs  eröffnet 
worden  ist.. 

2.  Das  Gewährleistungsversprechen  des  Cèdent  en  ist  nicht 
als  Bürgschaft,  sondern  als  selbständige  Verpflichtung  aufzu- 
fassen, wie  dies  das  Bundesgericht  in  seinem  Urteile  vom 
13.  Februar  1898  in  Sachen  Frei-Wahli  c.  Kratzer  des  nähern 
ausgeführt  hat.  Der  Satz  sodann,  der  (Nach-)Bürge  einer 
mit  Gewährleistung  cedierten  Forderung  könne  erst  dann  be- 
langt werden,  wenn  der  Cèdent  erfolglos  ausgeklagt  worden 
sei,  ist  in  dieser  Allgemeinheit  entschieden  unrichtig  ;  bezieht 
sich  doch  die  Gewährleistung  in  der  Regel  auf  die  ganze 
Forderung  mit  allen  ihren  Sicherheiten  ;  regelmässig  wird  dann, 
wenn  die  Bürgschaft  vor  der  Cession  eingegangen  wurde,  der 
Bürge  sogar  vor  dem  Cedenten  belangt  werden  müssen. 
(Ent8ch.  vom  5.  März  1898  i.  S.  Steiger  c.  Geschw.  Küchen- 
mann.) 

65.  Art.  346  OR. 

Art.  346  0.  R.  kommt  zur  Bestimmung  der  ökonomischen 
Folgen  der  vorzeitigen  einseitigen  Aufhebung  eines  Dienst- 
vertrages nur  dann  zur  Anwendung,  wenn  wichtige  Gründe 
zur  Auflösung  des  Dien  st  Vertrages  vorlagen,  und  der  Schluss- 
satz dieses  Artikels  speziell  regelt  nur  aen  Fall,  wo  wichtige 
Gründe  vorhanden  waren,  aber  keiner  Partei  ein  vertrags- 
widriges Verhalten  zur  Last  fällt  (vgl.  Hafner,  Komm.  z. 
Obl.-Recht,  2.  Aufl.  Art.  346  Anm.  7).  (Entsch.  v.  29.  Januar 
1898  i.  S.  Gebr.  Schonlau  c.  Borgas/ 


66.  Art  524,  531,  329  0.  R.  Begriff  der  Gesellschaft.  Ge- 
sellschaft oder  rnodificiertes  Darlehn  f 

Der  Begriff  des  Gesellschattsv ertrages  nach  eidg.  Obli- 
gationenrecht setzt  die  Vertragsmeinung  voraus,  dass  jeder 
Gesellschafter  nicht  nur  am  Gewinn,  sondern  auch  am  Verlust 
(wenn  auch  nicht  zu  gleichen  Teilen)  zu  partizipieren  habe. 
Eine  Verabredung,  dass  ein  Gesellschafter  nur  am  Gewinn, 
nicht  aber  am  Verlust  Anteil  haben  solle,  ist  nach  Art.  531 
0.  R.  nur  dann  zulässig,  wenn  der  betreffende  Gesellschafter 
zum  gemeinsamen  Zwecke  Arbeit  beizutragen  hat;  daraus 
ergiebt  sich,  dass  eine  Verabredung,  wonach  eine  Partei,  welche 
sich  an    einem  Unternehmen    mit   einer  Vermögenseinlage 


95 

beteiligt,  nur  am  Gewinn,  nicht  aber  am  Verlust  beteiligt 
sein  soll,  mit  der  Natur  des  G-esellschaftsverhältnisses  im 
Sinne  des  Gesetzes  unverträglich,  ein  derartiger  Vertrag  also 
nicht  als  Gesellschaftsvertrag  zu  betrachten  ist.  Wenn  eine 
Geldsumme  eingeschossen  wird,  die  unter  allen  Umständen 
ungeschmälert  zurückzuerstatten  ist,  und  dem  Einleger  ein 
Gewinnanteil  zugesichert  wird,  so  liegt  ein  modifizierter 
Darlehnsvertrag  vor,  bei  welchem  der  Gewinnanteil  den  Zins 
vertritt.  (Entsch.  v.  11.  Februar  1898  i.  S.  Böhler  und  Gen. 
c.  Stapfer.) 

67.  Art.  530  Abs.  3  0.  R.  Diese  Bestimmung  findet  auf 
Vereinbarungen  über  die  Bedingungen  des  Austritts  eines  Gesell- 
schafters und  dessen  Abfindung  keine  Anwendung. 

Art.  530  Abs.  3  0.  R.  bezieht  sich,  wie  aus  dem  Zu- 
sammenhang, insbesondere  mit  Abs.  1  und  2  desselben  Artikels, 
deutlich  erhellt,  auf  Vereinbarungen  zum  Zwecke  der  Be- 
gründung, bezw.  Fortsetzung  eines  Gesellschaftsverhältnisses; 
sie  stellt  für  dieselben  die  Präsumtion  auf,  dass  mit  Bezug 
auf  die  Chancen  des  Gelingens  oder  Missltngens  des  Unter- 
nehmens keine  bevorzugte  Stellung  unter  den  einzelnen  Ge- 
sellschaftern geschaffen  werden  wolle,  und  daher,  sofern  die 
Anteile  derselben  ungleich  bestimmt  worden  seien,  davon 
auszugehen  sei,  dass  das  gleiche  Verhältnis  für  Gewinn  wie 
für  Verlust  gelten  solle.  Dagegen  findet  Art.  530  Abs.  3 
O.  R.  keine  Anwendung  auf  Vereinbarungen,  durch  welche  die 
Bedingungen  des  Austritts  eines  Gesellschafters,  speziell  dessen 
Abfindung  normiert  werden.  Hier  handelt  es  sich  nicht,  wie 
bei  der  Begründung  der  Gesellschaft,  um  die  Erreichung  eines 
gemeinsamen  Zweckes  mit  gemeinsamen  Kräften  oder  Mitteln, 
und  es  lässt  sich  deshalb  bei  dieser  Vereinbarung  auch  nicht, 
wie  beim  Gesellschattsvertrag,  aus  der  Natur  des  Vertrages 
selbst  die  Vermutung  herleiten,  dass  eine  vereinbarte  Gewinn- 
beteiligung ohne  weiteres  auch  als  Beteiligung  an  einem 
eventuellen  Verluste  gemeint  sei.  Eine  Vereinbarung  des 
Inhaltes,  dass  der  ausscheidende  Gesellschafter  mit  Rück* 
nähme  seines  buchmässigen  Guthabens  und  dem  Recht  auf 
Anteil  eines  im  laufenden  Geschäftsjahre  sich  noch  ergeben- 
den Gewinns,  ohne  Beteiligung  an  einem  eventuellen  Verlust, 
abgefunden  sein  solle,  kann  angesichts  des  Verzichts,  den  der 
Austretende  leistet,  in  den  Verhältnissen  sehr  wohl  als  be- 
gründet erscheinen.  Die  Annahme,  dass  mit  der  Beteiligung 
des  Beklagten  an  einem  Gewinn  des  Jahres  1895  zugleich 
auch  dessen  Beteiligung  an  einem  Verlust  ausgesprochen  sei, 


96 


erscheint  demnach  nicht  als  selbstverständlich.  (Im  Weiteren 
wird  ausgeführt,  dass  in  concreto  eine  solche  Beteiligung  am 
Verlust  überhaupt  nicht  als  vereinbart  gelten  könne.)  (Entsoh. 
vorn  18.  März  1898  i.  S.  Durand,  Huguenin  &  Cie  o.  d'Ândiran.) 


68.  Art  545  Ziff.  1  ff.,  547,  572  ff.,  611  0.  R.  Klage  auf 
Auflösung  einer  Eommanditgeseüschaft  Unmöglichkeit  der  Er- 
reichung  des  Gesellschaftszweckest  Wichtige  Gründe  zu  vorzeitiger 
Auflösung  der  Gesellschaft  Der  ausschliesslich  oder  hauptsäch- 
lich schuldige  Gesellschafter  kann  letztere  nicht  verlangen. 

1.  Die  Klage  auf  Auflösung  einer  Kommanditgesellschaft 
muse,  wie  sie  jedem  Gesellschafter,  dem  Kommanditär  wie 
dem  Komplementär,  zusteht,  so  auch  gegen  jeden  Gesell- 
schafter gerichtet  sein,  der  nicht  selber  seine  Zustimmung 
zur  Auflösung  gegeben  hat.  Und  zwar  ist  keineswegs  not- 
wendig, dass  die  Zustimmung  vor  Anstellung  der  Klage  er- 
teilt sei  (vgl.  Renaud,  Kommanditgesellschaft  S.  457)  ;  denn 
da  der  Gesellschafter  die  Zustimmung  ohne  Zweifel  im  Prozesse 
durch  Anerkennung  der  Klage  erklären  kann,  ist  nicht  ein- 
zusehen, weshalb  er  sie  nicht  auch  aussergerichtlich  nach  An- 
hebung des  Prozesses  sollte  erteilen  können. 

2.  Der  Zweck  der  Gesellschaft  kann  dann  nicht  mehr 
erreicht  werden,  wenn  das  Handelsgewerbe,  zu  dessen  Be- 
treibung sie  geschlossen  wurde,  überhaupt  nicht  mehr  oder 
doch  nicht  mehr  mit  Vorteil,  mit  Nutzen  fiir  die  Gesellschafter 
betrieben  werden  kann.  In  diesem  Falle  trifft  Art.  545  Ziff.  1 
O.  R.  zu;  nicht  dagegen  schon  dann,  wenn  infolge  von  Zer- 
würfnissen zwischen  einzelnen  Gesellschaftern  ein  gedeihliches 
.Zusammenwirken  derselben  ausgeschlossen  ist.  Dagegen  kann 
wegen  eines  derartig  feindseligen  oder  unerträglichen  Verhält- 
nisses einzelner  Gesellschafter  nach  Art.  547  O.  R.  die  vor- 
zeitige Auflösung  einer  Gesellschaft  aus  wichtigen  Gründen 
von  einem  der  Gesellschafter  verlangt  werden.  Dabei  ist 
indessen  als  leitendes  Prinzip  festzuhalten,  dass  der  Teil,  der 
dieses  Verhältnis  allein  oder  doch  hauptsächlich  verschuldet 
hat,  daraus  keine  Rechte  für  sich  herleiten  kann,  nach  dem 
allgemeinen  Rechtsgrundsatz,  dass  einem  derartigen  Ansprüche 
die  Einrede  der  Arglist  entgegensteht  (vgl.  Urteil  des  Bundes- 
gerichts i.  S.  Dürr  c.  Billeter,  Amtl.  Samml.  Bd  XII  S.  199 
Erw.  5).  (Entsch.  vom  19.  März  1898  i.  S.  Senglet  o.  Mühle- 
thaler.) 


97 

89.  Art  576,  577,  578  0.  R.  Die  Ausschliessung  eines  Kol- 
lektivgesellsehafters  kann  nicht  durch  Beschluss  der  übrigen  Teil- 
haber,  sondern  nur  durch  richterlichen  Entscheid  ausgesprochen 
werden. 

Die  Ausschliessung  eines  Kollektivgesellachafters  kann 
grundsätzlich  nicht  durch  Mehrheitsbeschluss  der  Teilhaber, 
sondern  nur  durch  richterlichen  Entscheid  ausgesprochen  werden. 
Wenn  Art.  576  0.  R.  bestimmt,  es  dürfe,  unter  den  daselbst 
bezeichneten  Voraussetzungen,  auf  Ausschliessung  erkannt 
werden,  die  Ausschliessung  somit,  selbst  wenn  diese  Voraus- 
setzungen zutreffen,  dem  Richter  nicht  unbedingt  vorgeschrieben, 
sondern  nur  gestattet,  also  seinem  Ermessen  anheimgestellt 
wird,  so  ist  damit  ausgesprochen,  dass  bei  der  Frage  der 
Ausschliessung  eines  Gesellschafters  die  richterliche  Thätig- 
keit  nicht  auf  die  Entscheidung  über  die  Rechtmässigkeit 
einer  von  den  übrigen  Teilhabern  beschlossenen  Ausschliessung 
beschränkt,  sondern  dass  die  Verhängung  dieser  Massregel 
selbst  in  die  Hand  des  Richters  gelegt  sei.  Damit  stimmt 
überein,  dass  die  Gründe,  aus  welchen  das  Ausscheiden  eines 
Kollektivgesellschafters  durch  einfachen  Beschluss  der  übrigen 
Gesellschafter  herbeigeführt  werden  kann,  in  Art.  577  Abs.  1 
besonders  aufgeführt  sind,  während  in  Art.  578  wiederum  aus- 
drücklich die  Verfügung  des  Richters  für  den  Fall  vorgesehen 
ist,  dass  die  Auflösung  wegen  einer  andern,  vorwiegend  in 
der  Person  des  einen  Gesellschafters  liegenden  Ursache  ge- 
fordert wird.  Diese  Auffassung  des  Gesetzes  entspricht  denn 
auch  durchaus  der  Natur  der  Sache,  indem  ein  Gesellschafter, 
dessen  Ausschliessung  angestrebt  wird,  gegen  Gewaltthätigkeit 
seiner  Mitgesellschafter  nur  dann  wirksam  geschützt  ist,  wenn  die 
Ausschliessung  grundsätzlich  dem  Richterspruch  anheimge- 
stellt ist,  und  die  übrigen  Gesellschafter  inzwischen  zur 
Wahrung  ihrer  Interessen  auf  die  Erwirkung  allfälliger  vor- 
sorglicher Massnahmen  beschränkt  bleiben.  Auf  dem  gleichen 
Standpunkt  steht,  wie  beiläufig  bemerkt  werden  mag,  auch 
das  revidierte  deutsche  Handelsgesetzbuch,  welches  in  §  133 
diejenige  Auslegung  des  Art.  125  des  bisherigen  Gesetzes 
sanktioniert  hat,  nach  welcher  die  vorzeitige  Auflösung  der 
offenen  Handelsgesellschaft  nicht  sohon  durch  das  an  die  Ge- 
sellschafter gestellte  Verlangen  auf  Auflösung,  sondern  erst 
durch  den  Richterspruch  herbeigeführt  wird.  (Entsch.  vom 
18.  März  1898  i.  S.  Noppel  c.  Stähli  und  Schild.) 


98 

70.  Art.  890  0.  R.  Die  kantonalen  Gesetze  können  die  Ge- 
währsp flicht  für  Sachmängel  beim  Viehhandel  von  einem  schrift- 
lichen Gewährsversprechen  abhängig  machen. 

Art.  890  0.  B.  behält  bis  zum  Erlasse  eines  eidgenössischen 
Gesetzes  die  Vorschriften  der  kantonalen  Gesetzgebung  hin- 
sichtlich der  Gewährleistang  wegen  Mängel  beim  Viehhandel 
ganz  allgemein  vor.  Der  kantonalen  Gesetzgebung  ist  danach 
ohne  Einschränkung  anheimgegeben  zu  bestimmen ,  unter 
welchen  Voraussetzungen  eine  solche  Gewährleistung  Platz 
greife,  sie  kann  dieselbe  also  auch  vom  Vorhandensein  eines 
schriftlichen  Gewährleistungs Versprechens  abhängig  machen. 
Freilich  ist  nach  dem  eidg.  O.  B.  der  Mobiliarverkauf  formlos 
gültig  und  kann  die  kantonale  Gesetzgebung  auch  für  den 
Viehhandel  nicht  das  Gegenteil  bestimmen,  die  Gültigkeit 
des  Kaufes  nicht  von  Beobachtung  einer  bestimmten  Form, 
insbesondere  der  Schriftform,  abhängig  maohen.  Denn  in 
dieser  Hinsicht  ist  das  kantonale  Recht  im  eidg.  0.  R.  nirgends 
vorbehalten.  Allein  um  die  Aufstellung  einer  zur  Gültigkeit 
des  Vertrages  erforderlichen  Solennitätsform  handelt  es  sich 
nun  bei  Gesetzesbestimmungen,  welche  die  kaufrechtliche  Ge- 
währspflioht  des  Verkäufers  von  einem  schriftlichen  Gewährs- 
versprechen abhängig  machen,  nicht.  Auch  insoweit  derartige 
kantonale  Gesetzesvorschriften  bestehen,  ist  der  Kauf  an  sich 
formlos  gültig,  und  nur  eine  einzelne  bestimmte  Verpflichtung 
des  Verkäufers,  die  Gewähr  für  Sachmängel,  von  deren 
schriftlicher  Vereinbarung  abhängig.  Hinsichtlich  der  Rege- 
lung der  Gewähr  für  Sachmängel  nun  aber  ist  ja  in  Art.  890 
0.  R.  das  kantonale  Recht  vorbehalten.  Es  ist  denn  auch, 
nach  dem  Stande  der  kantonalen  Gesetzgebungen  zur  Zeit 
des  Erlasses  des  Obligationenrechts,  wohl  ohne  weiteres  klar, 
dass  der  eidgenössische  Gesetzgeber,  indem  er  den  Vorbehalt 
des  Art  890  0.  R.  aufstellte,  gerade  die  Frage  nicht  ent- 
scheiden, sondern  einstweilen  der  Lösung  durch  die  kantonalen 
Gesetze  vorbehalten  wollte,  ob  die  Gewähr  für  Sachmängel 
beim  Viehhandel  von  einem  schriftlichen  Gewährsverspreohen 
abhängig  zu  maohen  sei  oder  nicht.  (Entsoh.  vom  23.  April 
1898  i.  S.  Gebr.  Trachsel  c.  Bohny.) 


71.  Art.  2  B.Ges.  betr.  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn-  und 
Dampfschiffunternehmungen  bei  Tötungen  und  Verletzungen  vom 
1.  JuU  1875.  Einfiuss  der  besonderen  Verhältnisse  der  Strassen- 
bahnen  auf  ihre  Haftpflicht. 

Eisenbahnen,  die  zu  ihrem  an  sich  gefahrvollen  Betrieb  die 
öffentliche  Strasse  benutzen,   müssen   beim  Fahren  eine  ent- 


99 

sprechend  grössere  Vorsicht  aufwenden,  als  diejenigen,  deren 
Fahrbahn  auf  eigenem,  abgeschranktem  Gebiet  liegt.  Sie  müssen 
damit  rechnen,  dass  das  Geleise  von  jedermann,  der  die  öffent- 
liche Strasse  benutzen  darf,  betreten  werden  kann  und  dass 
somit  beständig  eine,  je  nach  den  Orts-  und  Zeitumständen  und 
den  Verkehrs  Verhältnissen  grössere  oder  geringere  Gefahr  einer 
Kollision  besteht.  Und  dabei  dürfen  sie  nicht  ausser  Acht  lassen, 
dass  nicht  allen  Personen,  die  das  Geleise  zu  betreten  befugt  sind, 
in  gleichem  Masse  das  Bewusstsein  der  Gefahr,  die  hiemit 
verbunden  sein  kann,  innewohnt,  dass  auch  Kinder  und  Leute 
mit  beschränkter  Einsicht  sich  auf  der  Strasse  aufhalten  und 
mit  der  Bahn  in  Berührung  kommen  können  und  dass  selbst 
der  mit  solchen  Verkehrsmitteln  und  ihren  Gefahren  Vertraute 
allmählich  durch  die  Gewöhnung  dagegen  abgestumpft  wird, 
oder  auch  nur  im  Augenblicke,  weil  seine  Gedanken  und 
seine  Aufmerksamkeit  sonst  in  Anspruch  genommen  sind, 
nicht  darauf  achtet,  ob  das  Geleise,  das  er  betritt,  frei  sei. 
Diese  erhöhte  Gefahr  nun  hat  gewiss  nicht  allein  für  das 
Publikum  eine  erhöhte  Diligenzpflicht  zur  Folge,  sondern  sie 
ist  in  der  Hauptsache  durch  vermehrte  Vorsicht  und  gegebenen 
Falls,  wenn  diese  nicht  beobachtet  wird  oder  zur  Verhütung 
von  Unfällen  nicht  hinreicht,  durch  die  Haftpflicht  der  Bahn 
auszugleichen.  Dem  entspricht  die  Anwendung  besonderer 
Warnungssignale  und  die  Aufstellung  spezieller  Dienstvor- 
schriften, wie  derjenigen  über  die  Maximalgeschwindigkeit 
und  der  anderen  in  §  22  der  Konzessionsbedingungen  für  die 
Birsigthalbahn  enthaltenen,  dass  bei  drohender  Gefahr  für  den 
Zug  oder  die  Passanten  auf  der  Strasse  (z.  B.  beim  Scheu- 
werden von  Pferden)  die  Fahrgeschwindigkeit  zu  ermässigen 
oder,  wenn  nötig,  der  Zug  anzuhalten  sei.  Ueberhaupt  folgt 
aus  der  Art  des  Betriebes,  dass  das  die  Lokomotive  be- 
dienende Personal  auf  alle  Vorkommnisse  auf  der  Strasse 
Obacht  geben  und  namentlich  darauf  achten  muss,  ob  das 
Geleise  nach  vorne  frei,  oder  ob  die  Gefahr  eines  Zusammen- 
stosses  vorhanden  sei.  Das  Personal  muss  stets  auf  der  Hut 
und  bereit  sein,  die  nötigen  Warnungssignale  zu  geben,  und 
je  nach  den  Umständen  auch  mit  andern  Mitteln  eine  Kol- 
lision zu  vermeiden.  In  Anwendung  dieser  Grundsätze  wurde 
in  einem  Falle,  wo  ein  elfjähriger  taubstummer,  sonst  aber 
gut  entwickelter  und  intelligenter  Knabe  das  Geleise  einer 
Strassenbahn  einige  Zeit  vor  Heranfahren  des  Zuges  betreten 
und  trotz  den  gegebenen  Warnungssignalen  nicht  verlassen 
hatte  und  daher  schwer  verletzt  worden  war,  die  Bahngesell- 
schaft trotz  des  angenommenen  eigenen  Verschuldens  des  Ver- 


100 

loteten,  wegen  wenn  auch  nicht  groben  Mitverschuldens  de» 
Bahnpersonals  zu  einer  (reduzierten)  Entschädigung  verurteilt. 
(Entscb.  vom  24.  März  1898  i.  S.  Stamm  c.  Birsigthalbahn- 
ge8ell  sohaft.) 

72.  Art.  Ï,  2,  4  B.Ges.  betr.  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb 
vom  25.  Juni  1881.  Art  79,  126,  168  0.  R.  Der  Unternehmer, 
der  für  einen  Betriebsunfall  hat  einstehen  müssen,  tritt  nicht  in 
die  Rechte  des  Beschädigten  gegen  Dritte  ein  ;  er  hat  kraft  eigenen 
Rechtes  einen  Regressanspruch  gegen  alle  diejenigen,  aber  nur 
gegen  diejenigen  Personen,  welche  den  Unfall  schuldhaft  herbei- 
geführt  haben. 

Der  Arbeiter  St.  wurde,  während  er  von  der  Besorgung 
eines  Transportes  für  seinen  Dienstherrn,  den  Unternehmer  F., 
mit  einem  leeren  Handwagen  zurückkehrte,  beim  Ueber- 
schreiten  der  Geleise  der  Société  des  Tramways  Lausannois 
von  einem  herabgefallenen  Telephondrahte  berührt  und  erlitt 
infolge  dessen  eine  schwere  körperliohe  Beschädigung.  Der 
Fall  des  Telephondrahtes  und  dessen  Gefährlichkeit  war  da- 
durch verursacht  worden,  dass  Arbeiter  der  Compagnie  de 
l'Industrie  électrique  à  Genève  bei  Ausführung  der  von  dieser 
Gesellschaft  übernommenen  Arbeiten  für  die  elektrische  Be- 
leuchtungsanlage der  Central8tation  der  Société  des  Tramways 
Lausannois  den  von  ihnen  nioht  beobachteten  Telephondraht 
in  Contact  mit  der  Starkstromleitung  des  elektrischen  Tram- 
ways gebracht  hatten.  St.  belangte  seinen  (der  Haftpflicht- 
gesetzgebung unterstellten)  Dienstherrn,  den  Unternehmer  F., 
gestützt  auf  die  Haftpflichtgesetze,  auf  Schadenersatz.  F. 
bestritt  die  Klage,  weil  der  Unfall  nicht  beim  Betriebe  seines 
Gewerbes  entstanden  sei,  und  rief  die  Société  des  Tramways 
ins  Recht,  welche  ihm  eventuell  für  die  Entschädigung,  die 
er  an  St.  zu  bezahlen  haben  sollte,  aufkommen  müsse.  Die 
Cour  civile  des  Kantons  Waadt  hat  sowohl  die  Klage  des 
St.  gegen  F.  als  die  Regressklage  des  F.  gegen  die  Société 
des  Tramways  gutgeheissen.  Die  Entscheidung  über  die  Klage 
des  St.  gegen  F.  ist  in  Rechtskraft  erwachsen,  dagegen  ergriff 
die  Société  des  Tramways  gegen  die  Entscheidung  über  die 
Regressklage  die  Berufung  an  das  Bundesgericht.  Das  Bundes- 
gericht hat  letztere  Klage  abgewiesen,  indem  es  im  Wesent- 
lichen ausführte  :  Die  Klage  stütze  sich  auf  Art.  4  des  Fabrik- 
haftpflichtgesetzes. Nun  räume  zwar  diese  Gesetzesbestimmung 
dem  haftpflichtigen  Unternehmer  einen  Rückgriff  nicht  nur 
gegen  diejenigen  Personen  ein,  für  deren  Verschulden  er  nach 
Art.  1  des  Fabrikhaftpflichtgesetzes  einzustehen  habe,  sondern 


101 

überhaupt  gegen  alle  Personen,  welche  einen  nach  Art.  2  des 
Fabrikhaftpflichtgesetzes  vom  Unternehmer  zu  vertretenden 
Betriebsunfall  schuldhaft  herbeigeführt  haben.  Dagegen  be- 
stimme Art.  4  cit.  keineswegs,  dass  der  Unternehmer  in  die 
Rechte  des  Beschädigten  gegen  die  diesem  kraft  des 
gemeinen  Rechtes  oder  kraft  Spezialgesetzes  haftenden  Per- 
sonen eintrete.  Eine  solche  Subrogation  ergebe  sioh  auch 
weder  aus  anderweitigen  Gesetzesbestimmungen  (Art.  126, 
79,  168  0.  R.),  noch  aus  allgemeinen  Rechtsgrundsätzen.  F. 
könne  sich  daher  zur  Begründung  seines  Anspruchs  gegen 
die  Société  des  Tramways  nicht  auf  das  Eisenbahnhaftpflicht- 
ge8etz  berufen,  welches  nur  dem  Verletzten  einen  Anspruch 
gegen  die  Eisenbahnunternehmung  gewähre,  sondern  es  stände 
ihm  ein  solcher  nur  dann,  kraft  eigenen  Reohtes,  zu,  wenn 
die  Société  des  Tramways  oder  ihre  Leute  ein  Verschulden 
träfe.  Das  sei  aber  nicht  der  Fall,  da  der  Unfall  vielmehr 
durch  die  Compagnie  de  l'Industrie  électrique  à  Genève  resp. 
ihre  Leute  ohne  Mitverschulden  der  Société  des  Tramways 
herbeigeführt  worden  sei.  (Entsch.  vom  27.  April  1898  i.  S. 
Société  des  Tramways  Lausannois  c.  Ferrari.) 


73.  Art  1  B.Ges.  betr.  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb  vom 
25.  Juni  1881.  Art.  2  B.-6es.  betr.  die  Ausdehnung  der  Haft- 
pflicht u.  s.  v).  vom  26.  April  1887.  Die  Haftpflicht  des  Unter- 
nehmers besteht  nur  gegenüber  Angestellten  und  Arbeitern;  zu  diesen 
gehören  Unterakkordanten  der  Regel  nach  nicht 

Haftpflichtberechtigt  sind  nach  Art.  1  des  Fabrikhaft- 
pflichtgesetzes  vom  21.  Brachmonat  1881  nur  die  Angestellten 
und  Arbeiter  des  Unternehmers;  und  durch  das  erweiterte 
Haftpflichtgesetz  vom  26.  April  1887  ist  der  Kreis  der  Be- 
rechtigten in  dieser  Richtung  nicht  erweitert  worden.  Vor- 
aussetzung der  Haftpflicht  ist  somit,  dass  der  Kläger  in  einem 
persönlichen  Abhängigkeitsverhältnisse  zu  dem  Beklagten  stand, 
dass  er  als  Angestellter  oder  Arbeiter  seine  persönlichen 
Dienste  dem  Betriebe  desselben  zu  widmen  hatte.  Nur  der- 
jenige, der  den  Weisungen  des  Unternehmers  oder  seiner 
Vertreter  gemäss  in  einem  Betriebe  sich  bethätigen  und  den 
Gefahren  desselben  sich  aussetzen  muss,  wurde  vom  Gesetz- 
geber als  eines  besonderen  Schutzes  bedürftig  erachtet,  und 
nur  ihm  gegenüber  steht  somit  der  Unternehmer  in  der  durch 
die  Haftpflichtgesetze  normierten,  erhöhten  Verantwortlichkeit, 
die  eben  in  jenen  besondern  Gefahren  des  auf  Rechnung  des 
Gesohäftsherrn   geführten   und  nach  seinen  Anordnungen  or- 


102 

ganisierten  Betriebes  für  die  denselben  besorgenden  Personen, 
sowie  in  dem  Gedanken  wurzelt,  dass  sich  die  zu  persönlichen 
Dienstleistungen  verpflichteten  Angestellten  und  Arbeiter  diesen 
Gefahren  unterziehen  müssen  (vgl. hiezu  Botschaft  des  Bun- 
desrates zum  Fabrikhaftpflichtgesetz,  B.  B.  von  1880,  Bd  IV 
S.  349  f.)»  In  einem  solchen  Verhältnisse  zu  dem  Unter- 
nehmer stehen  nun  aber  die  Unterakkordanten,  die  einen  Teil 
der  Arbeiten  auf  eigene  Rechnung  auszuführen  unternommen 
haben,  aller  Regel  nach  nicht.  Sie  sind  innerhalb  ihres  Be- 
triebskreises selbständig  und  brauchen  auch  nicht  ihre  eigene 
Person  einzusetzen,  sondern  können  sich  bei  der  Besorgung 
der  von  ihnen  übernommenen  Arbeiten  ihrerseits  fremder 
Kräfte  bedienen,  wobei  sie  zu  bestimmen  haben,  wie  die- 
selben ausgeführt  und  wie  insoweit  der  Betrieb  gestaltet 
werden  soll.  Die  Unterakkordanten  sind  somit,  für  gewöhn- 
lich wenigstens,  nicht  Angestellte  oder  Arbeiter  im  Sinne 
des  Gesetzes,  sondern  selbst  Unternehmer,  die  dem  Haupt- 
unternehmer gegenüber  nicht  haftpflichtberechtigt,  vielmehr 
unter  Umständen  ihrerseits  innerhalb  ihres  Betriebs  ihren 
Angestellten  und  Arbeitern  gegenüber  haftpflichtig  sind.  Aus 
Art.  2  des  erweiterten  Haftpflichtgesetzes  kann  etwas  Gegen- 
teiliges nicht  hergeleitet  werden.  Wenn  hier  festgesetzt  ist, 
dass  der  Hauptuntern ehraer  trotz  der  Vergebung  der  Arbeiten 
an  Unterakkordanten  nach  Haftpflichtrecht  verantwortlich  sei, 
so  bezieht  sich  diese  Bestimmung  offenbar  nur  auf  das  Ver- 
hältnis des  erstem  zu  den  die  Arbeiten  ausführenden  An- 
gestellten und  Arbeitern  der  letztern,  nicht  aber  auf  das  der 
beiden  Unternehmer  unter  sich.  (Entsch.  vom  2.  Februar  1898 
i.  S.  Durrer  c.  Röthlin.)      

74.  Art.  57  B.-  Ges.  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege  vom  22.  März  1893.  Art.  111  B.Ges.  betr.  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  vom  11.  April  1889.  Anwendbarkeit  des  eidge- 
nössischen Rechtes  als  Voraussetzung  der  bundesgerichtlichen 
Kompetenz.  Bundesrechtliche  Zulässigkeit  der  Anschlusspfändung 
ohne  vorherige  Betreibung  für  Muttergutsforderungen  des  aar- 
gauischen Rechts. 

Gemäss  Art.  111  des  Bundesges.  über  Schuldbetr.  und 
Konk.  bleibt  es  den  Kantonen  vorbehalten,  der  Ehefrau,  den 
Kindern,  Mündeln  und  Verbeiständeten  des  Schuldners  das 
Recht  einzuräumen,  für  Forderungen  aus  dem  ehelichen,  elter- 
lichen oder  vormundschaftlichen  Verhältnisse  innerhalb  be- 
stimmter Frist  auch  ohne  vorgängige  Betreibung  an  einer 
Pfändung  teilzunehmen.   Der  Gesetzgeber  des  Kantons  Aargau 


103 

hat  nun  von  der  ihm  eingeräumten  Befugnis  Gebrauch  ge- 
macht und  in  §  57  des  kantonalen  Einführungsgesetzes  zum 
Bundesgesetze  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  unter 
anderm  bestimmt,  dass  das  Recht  zur  Anschlusspfändung  ge- 
mäss Art.  111  des  genannten  Bundesgesetzes  auch  zustehe 
den  Kindern  gegenüber  ihren  Eltern  für  das  in  deren  Ver- 
waltung liegende  Vermögen  mit  Inbegriff  des  Muttergutes, 
bezüglich  dieses  letzteren  jedoch  nur  für  die  Hälfte.  Wenn 
nun  die  Vorinstanz,  gestützt  auf  diese  Bestimmung  des  kan- 
tonalen Einführungsgesetzes,  die  Kläger  für  berechtigt  erachtet 
hat,  für  den  geltend  gemachten  Betrag  ihres  Muttergutes  sich 
der  Pfändung  ohne  vorgängige  Betreibung  anzuschliessen,  so 
ist  das  Bundesgericht  zur  TIeberprüfang  dieser  Entscheidung 
nicht  kompetent,  da  dieselbe  in  Anwendung  des  kantonalen 
Hechtes  gefällt  wurde,  und  gemäss  Art.  111  des  Bundesges.  über 
Schuldbetr.  und  Konk.  auch  auf  Grund  des  kantonalen  Rechts 
zu  fällen  war.  Denn  nach  Art.  57  Organis.-Ges.  kann  die 
Berufung  nur  darauf  gestützt  werden,  dass  die  Entscheidung 
des  kantonalen  Gerichts  auf  einer  Verletzung  des  Bundes- 
rechts beruhe.  Eine  Anfechtung  der  genannten  Entscheidung 
wegen  Verletzung  des  Bundesrechts  wäre  aber  nur  insofern 
denkbar,  als  sich  behaupten  liesse,  die  Bestimmung  des 
kantonalen  Einführungsgesetzes,  auf  welche  die  Vorinstanz 
sich  stützt,  gehe  über  die  der  kantonalen  Gesetzgebung  in 
Art.  111  des  Betreib.-Gesetzes  eingeräumte  Befugnis  hinaus, 
und  die  Vorinstanz  habe  demnach,  in  Anwendung  der  be- 
treffenden kantonalrechtlichen  Bestimmung,  ein  Recht  zur 
Ansohlusspfändung  in  einem  Falle  gewährt,  für  welchen  der 
Vorbehalt  des  Art.  111  des  Betreib.-Gesetzes  nicht  zutreffe, 
Diese  Annahme  wäre  jedoch  durchaus  unrichtig.  Die  Kläger 
haben  gestützt  auf  §  57  Ziff.  b  des  kant.  Einführungsgesetzes 
die  Anschlu88p fändung  erklärt  für  die  Hälfte  ihres  Mutter- 
gutes; es  handelt  sich  also  um  eine  Forderung,  die  aus  dem 
ehelichen  Verhältnisse  des  Schuldners  herrührt,  und  es  besteht 
nach  dem  klaren  Wortlaut  des  Art.  111  des  Betreib. -Ges.  kein 
Zweifel,  dass  die  Kantone  berechtigt  sind,  der  Ehefrau  für 
eine  solche  Forderung  die  Teilnahme  an  einer  Pfändung  auch 
ohne  vorgängige  Betreibung  zu  gestatten.  Nun  setzt  sich 
aber  nach  aargauischem  Recht  das  eheliche  Güterrechtsver- 
hältnis beim  Tode  der  Ehefrau  zwischen  Vater  und  Kindern 
unverändert  fort,  indem  das  eingekehrte  Gut  nach  wie  vor, 
unter  dem  gleichen  Rechtstitel,  im  Eigentum  des  Vaters  ver- 
bleibt, und  die  Rechte,  welche  der  Ehefrau  bezüglich  desselben 
gegenüber  dem  Ehemann  zustehen,  nach  ihrem  Tode  auf  ihre 


104 

Kinder  übergehen.  Die  Ansprüche,  welche  die  Kinder  wegen 
des  Mattergutes  an  den  Vater  zu  stellen  haben,  beruhen  dem- 
nach auf  dem  gleichen  Rechtstitel  wie  diejenigen  der  Ehe- 
frau selber,  und  die  Kinder  sind  bezüglich  derselben,  und 
zwar  ohne  Unterschied,  ob  sie  volljährig  oder  minderjährig 
seien,  nicht  günstiger  gestellt  als  die  Ehefrau,  so  dass  kein 
Grund  ersichtlich  ist,  warum  die  Anschlusspfändung  für  solche 
Ansprüche  für  den  Fall  ausgeschlossen  sein  sollte,  dass  sie 
nach  dem  Tode  der  Ehefrau  von  den  majorennen  Kindern 
geltend  gemacht  werden.  Zu  einer  solchen  Annahme  zwingt 
weder  der  Wortlaut  noch  die  Absicht  des  Art.  111  des  Schuld - 
betreibungs-  und  Konkursgesetzes.  (Entsch.  vom  5.  Februar 
1898  i.  8.  Kessler  c.  Straub.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


75.  Haftbarkeit  des  Vertragsunfähigen  für  betrüge- 
rische  Täuschung  des  andern  Kontrahenten  über  seine  Vertrags* 
fOhigkeü.  Kollision  von  eidgenössischem  und  kantonalem  Rechte. 
Art.  33,  50  O.A. 

Lasern.  Urteil  des  Obergerichts  vom  21.  April  1896. 

Johann  Meier,  1890  vom  Gemeinderat  von  Dagmersellen 
unter  Vogtschaft  gestellt,  inserierte  1895  im  Luzerner  Tagblatt 
einen  Heiratsantrag,  und  wusste  der  Klägerin,  die  auf  das 
Inserat  hin  mit  ihm  Bekanntschaft  machte,  unter  der  Vorgabe, 
er  sei  ledig  und  erbe  von  seiner  jüngst  verstorbenen  Mutter 
bedeutend,  ein  Darlehen  von  300  Fr.  zu  entlooken.  Davon 
zahlte  er  80  Fr.  zurück,  das  übrige  erklärte  er  nicht  erstatten 
zu  können.  Die  Strafuntersuohung  führte  zu  einem  von  Meier 
angenommenen  Antrage  auf  Verurteilung  zu  acht  Tagen  Ge- 
fängnis wegen  Verheimlichung  der  Vogtschaft  und  zu  Ent- 
schädigung der  Betrogenen  und  Zahlung  der  Kosten.  Letztere 
zwei  Posten  bilden  den  Gegenstand  der  von  der  Klägerin 
auf  dem  Civilwege  erhobenen  Klage.  Der  Beklagte,  bezw.  dessen 
Vogt,  bestritt  die  Existenz  eines  Darlehens  und  die  Verbind- 
lichkeit des  von  Meier  ausgestellten  Schuldscheines,  und  berief 
sich  darauf,  dass  die  Bevogtigung  im  Kantonsblatt  publiziert 
worden  sei,  somit  eine  Verheimlichung  derselben  im  Gebiet 
des  Kantons  Luzern  rechtlich  nicht  habe  stattfinden  können. 
Die  erste  Instanz  hat  die  Haftbarkeit  des  Beklagten  für  den 


105 

Betrag  der  Schuldrestanz  von  Fr.  220  auf  Grund  des  Art.  33 
Abs.  3  0.  R.  ausgesprochen,  dagegen  die  Kosten  der  Strafunter- 
suchung, soweit  sie  Klägerin  verlangt,  nicht  zugesprochen, 
weil  letztere  ziemlich  unüberlegt  gehandelt  habe.  Eine  Kas- 
sationsklage des  Beklagten  hat  das  Obergericht  abgewiesen. 

Motive:  Wenn  der  Beklagte  in  der  Klaganstellung  einen 
direkten  Verstoss  gegen  §  64  des  Luzerner  Vormundschafts- 
gesetzes erblickt,  so  kann  dieser  Standpunkt  nicht  als  richtig 
anerkannt  werden.  Die  B.-Verf.  v.  1874  hat  in  Art.  64  dem 
Bunde  die  Gesetzgebung  über  die  persönliche  Handlungsfähig- 
keit und  über  alle  auf  den  Handel  und  Mobiliarverkehr  be- 
züglichen Rechtsverhältnisse  zugestanden  und  als  Folge  davon 
sind  die  B.-Gesetze  über  Handlungsfähigkeit  und  Obligationen- 
recht erlassen  worden.  Wenn  letzteres  Bestimmungen  enthält, 
die  zugleich  auch  das  Gebiet  des  Vormundschaftsrechtes  be- 
rühren, so  gilt  bei  Widerstreit  zwischen  kantonalem  und  eid- 
genössischem Bechte  das  letztere.  Der  §  64  des  Vormund- 
schaftsgesetzes sagt  allerdings,  dass  wenn  eine  volljährige 
bevogtete  Person  eine  andere,  der  ihre  Bevogtung  nicht  be- 
kannt ist,  zu  einem  Vertrag  mit  ihr  verleitet,  der  Bevogtete 
auch  nicht  aus  dem  Gesichtspunkte  des  Schadenersatzes  ver- 
pflichtet werde.  Dagegen  bestimmt  Art.  33  Abs.  3  0.  R.,  dass 
wenn  bei  erfolgtem  Vertragsabschluss  der  nicht  gebundene 
Teil  die  andere  Partei  zu  der  irrtümlichen  Annahme  seiner 
Vertragsfähigkeit  verleitet  habe,  er  ihr  für  den  verursachten 
Schaden  verantwortlich  sei.  Die  Voraussetzung  des  Art.  33 
Abs.  3  0.  B.  trifft  in  unserem  Falle  zu. 

Im  Uebrigen  ist,  von  kontraktlichem  Verschulden  abge- 
sehen, der  Beklagte  auch  haftbar  aus  Art.  50  0.  R.,  wonach 
auch  eine  bevogtete  Person  wegen  dolus  oder  culpa  ohne  Wei- 
teres haftbar  erscheint,  wegen  seines  Vorgehens  bei  Erwirkung 
des  Darlehens,  das  als  widerrechtliches  und  doloses  im  Sinne 
eines  Civilbetruges  sich  qualifiziert. 

(Verhandl.  des  Obergerichte  und  der  Justizkommiaaion  v.  J.  1896,  S.  25  ff.) 


76,  Schadenersatz.  Haftung  des  Geschäftsherrn.  Begriff 
von  y,Geschäftsherr.u  Art  62  0.  R. 

Bern.  Urteil  des  App.-  und  Käse. -Hofe  vom  14.  Februar  1896  i.  S. 
Burkhardt  c.  Neukomm. 

Das  Urteil  sagt:  Wenn  Art.  62  O.K.  von  der  Haftung 
des  Geschäftsherrn  für  den  durch  seine  Angestellten  oder 
Arbeiter  in  Ausübung  ihrer  geschäftlichen  Verrich- 
tungen verursachten  {Schaden  spricht,  so  setzt  er  dabei  einen 


106 

formlichen  Geschäftsbetrieb  voraus,  und  als  Geschäfts- 
herr in  diesem  Sinne  ist  einzig  der  Inhaber  eines  gewerbs- 
mässig geführten  Geschäftes  zu  betrachten,  der  sich  zum 
Betriebe  desselben  weiterer  Personen  als  Gehilfen  bedient. 
Es  ergiebt  sich  dies  schon  daraus,  dass  offenbar  der  Nach- 
druck auf  die  Ausdrücke  „Geschäft"  und  „geschäftliche  Ver- 
richtungen" und  den  in  Abs.  2  gebrauchten  Ausdruok  „Ge- 
werbe" zu  legen  ist,  wodurch  eben  die  in  Art.  62  0.  R.  nor- 
mierte Haftung  des  Prinzipals  (franz.  maître  ou  patron,  ital. 
padrone)  für  seine  Untergebenen  auf  ein  bestimmt  begrenztes 
Gebiet  eingeschränkt  werden  wollte  (vgl.  dagegen  Art.  115 
0.  R.,  der  in  kontraktlichen  Verhältnissen  den  Schuldner  fur 
das  Verschulden  seiner  Untergebenen  schlechthin  haften 
lässt).  Insbesondere  aber  spricht  für  die  hier  vertretene  An- 
sicht der  Umstand,  dass  laut  Art.  62  Abs.  2  0.  R.  auch  eine 
juristische  Person  als  Geschäftsherr  im  Sinne  von  Abs.  1  nur 
dann  haftet,  wenn  sie  ein  Gewerbe  betreibt.  Man  wollte  da- 
mit die  Haftung  einer  juristischen  Person  als  Greschäftsherro 
in  gleicher  Weise  umschreiben,  wie  die  einer  physischen  Per- 
son, und  so  wird  denn  auch  in  Art.  64  Abs.  2  0.  R.  erklärt, 
mit  Bezug  aaf  die  gewerblichen  Verrichtungen  öffent- 
licher Beamten  oder  Angestellten  können  die  Kantone  durch 
ihre  Gesetzgebung  den  Bestimmungen  des  betreffenden  Titels 
nicht  derogieren.  Es  muss  sich  also,  damit  eine  Person  als 
Geschäftsherr  auf  Grund  von  Art.  62  0.  R.  belangt  werden 
könne,  um  einen  Schaden  handeln,  den  ihr  Untergebener  bei 
Ausübung  von  Verrichtungen  verursacht  hat,  welche  im  Rah- 
men eines  gewerbsmässig  geführten  Geschäftsbetriebes  liegen 
(vgl.  Bieder,  in  der  Zeitschr.  f.  Schweiz.  R.,  XXVII  [N.  P.  V] 
S.  327  ff.,  bes.  S.  335  f.;  Schneider  und  Eick,  Kommentar,  zu 
Art.  62  ;  Rössel,  Manuel,  p.  106).  Dass  aber  in  casu  nicht  derartige 
Verrichtungen  in  Frage  stehen,  dass  Witwe  Gali,  welche  den 
Gabriel  Steiner  als  Taglöhner  za  den  durch  die  Ausübung 
ihrer  bürgerlichen  Holznutzungsberechtigung  bedingten  Ar- 
beiten verwendete,  nicht  als  G-eschäftsherr  im  angegebenen 
Sinne  angesehen  werden  kann,  liegt  auf  der  Hand,  und  ein 
Zuspruch  der  Klage  gegen  Witwe  Gali  erscheint  wegen  man- 
gelnder Passivlegitimation  ausgeschlossen. 

(Zeitschrift  d.  Bern.  Jur.-Ver.,  XXXIII  S.  31  f.) 


107 

77.   Ungerechtfertigte  Bereicherung.  Art  70  0.  R. 

St.  Gallen.  Entsch.  der  Rekurskoramission  vom  4.  Dezember  1896. 

A.  hatte  dem  Metzger  ß.  in  seinem  Metzgerladen  an  die 
Stelle  seiner  bisherigen  defekten  eine  neue  Korpusverkleidung 
geliefert  und  ihm  hierüber  Faktura  im  Betrage  von  Fr.  261 
erteilt.  B.  verweigerte  die  Zahlung,  da  er  diese  Arbeit  nicht 
bei  A.  bestellt  habe.  Nun  verklagte  ihn  A.  auf  Zahlung, 
eventuell  auf  Rückerstattung  der  Bereicherung  im  gleichen 
Betrage.  B.  beantragte  Abweisung,  weil  die  Arbeit  vom  Bild- 
hauer X.,  der  sie  dem  Beklagten  gegenüber  zur  Ausführung 
auf  seine  (des  X.)  Rechnung  als  Ersatz  für  seine  mangelhafte 
Arbeit  übernommen  habe,  auf  seine  (des  X.)  Rechnung  bei 
A.  bestellt  und  von  diesem  auch  für  Rechnung  des  X.  an  B. 
abgeliefert  worden  sei.  Das  Bezirksgericht  wies  die  Klage 
vollständig  ab,  da  Kläger  den  ihm  obliegenden  Beweis  nicht 
geleistet  habe;  „von  einer  ungerechtfertigten  Bereicherung 
könne  ebenfalls  nicht  gesprochen  werden."  Das  letztere  wurde 
auf  erhobene  Nichtigkeitsbeschwerde  von  der  Rekurskommis- 
sion kassiert  und  B.  zur  Rückgabe  der  Bereicherung  ver- 
pflichtet erklärt,  vorbehalten  Entscheid  des  Richters  über  Art 
und  Betrag  der  Rückerstattung. 

Motive:  1.  Die  Frage,  ob  beim  Beklagten  objektiv  eine 
Bereicherung  vorliege,  kann  nicht  aus  dem  Gesichtspunkte 
beurteilt  und  verneint  werden,  dass  er  mit  der  von  der  Klä- 
gerin gelieferten  Korpus- Verkleidung  nur  das  erhalten  habe, 
was  er  schon  kraft  seines  anfänglichen  Werkvertrages  mit  X. 
und  kraft  seiner  über  die  unentgeltliche  Ersatznachlieferung 
mit  X.  getroffenen  Nachtragsvereinbarung  von  X.  zu  bean- 
spruchen gehabt  und  wofür  er  seine  Gegenleistung  an  X. 
schon  von  Anfang  an  mit  diesem  verrechnet  hatte. 

Die  Bereicherung  liegt  objektiv  darin,  dass  B.  —  nachdem 
er  weder  die  ihm  von  X.  geschuldete  anfängliche  Werkver- 
tragsleistung, noch  auch  die  ihm  von  X.  zugesicherte  Werk- 
vertragsersatzleistung erhalten  hatte,  und  bei  der  Zahlungs- 
unfähigkeit des  X.  auch  nicht  mehr  zu  erhalten  hoffen  konnte  — 
die  ihm  aus  seinem  Vertragsverhältnisse  mit  X  erwachsende 
Vermögenseinbusse  durch  die  Lieferung  der  Klägerin  A.  ersetzt 
erhalten  hat. 

Die  aus  dem  Vermögen  eines  andern  erzielte  Abwehr 
einer  drohenden,  oder  Vergütung  einer  wirklich  eingetretenen 
Einbusse  am  eigenen  Vermögen  ist  objektiv  einer  Bereicherung 
gleichzuachten. 

Diese  Bereicherung  aus  dem  Vermögen  der  Klägerin  ist 
ungerechtfertigt,   weil  sie  dem  B.  von  der  Klägerin  A.  ohne 


108 

rechtmässigen,  bezw.  ohne  jeden,  oder  aus  einem  nicht  ver- 
wirklichten Grunde  zugewendet  worden  ist. 

Da  die  Klägerin  die  fakturierten  Gegenstände  und  Lei- 
stungen dem  £.  in  der  irrigen  Meinung  geliefert  hat,  dass 
sie  für  seine  Rechnung  durch  X.  und  dass  sie  durch  B.  selbst 
bei  A.  direkt  bestellt  worden  seien,  und  da  B.  die  Zahlungs- 
pflicht deswegen  ablehnen  kann,  weil  eine  solche  Bestellung 
seinerseits  weder  in  der  einten  noch  in  der  andern  Richtung 
hat  bewiesen  werden  können,  so  folgt  daraus  nicht,  dass  er 
nun  die  nicht  bestellten  Gegenstände,  die  er  zu  bezahlen  nicht 
pflichtig  ist  —  unentgeltlich  behalten  kann.  Er  hatte  das 
Recht,  deren  Annahme  zu  verweigern,  und  hätte  sie  nach  Auf- 
klärung des  bei  der  Klägerin  hinsichtlich  der  Bestellung  wal- 
tenden Irrtums  zurückgeben  sollen;  er  ist,  nachdem  er  sie 
behalten  hat,  aus  dem  Titel  der  ungerechtfertigten  Bereiche- 
rang ersatzpflichtig  für  den  Bereicherungsbetrag. 

(Entsch.  des  Kantonsgerichts  des  Kt.  St.  Gallen  i.  J.  18%,  S.  93  ff.) 


78.  Abtretung  einer  verbürgten  Forderung  mit  Vor- 
behalt selbständiger  Geltendmachung  der  Bürgschaft  Seitens  des 
Cedenten,  wiefern  zulässig  Î  Art.  190,  489  O.R. 

Thurgau.  Urteil  des  Obergerichts  vom  27.  November  1897  i.  S. 
Hanhart  c.  Hanhart. 

Heinrich  Hanhart  klagte  gegen  den  Bürgen  seines  im  Konkurse 
befindlichen  Schuldners  J.  H.,  Albert  Hanhart,  die  Schuldrestanz 
von  Fr.  8413.  29  ein.  Der  Beklagte  schützte  unter  anderem 
den  Mangel  der  Aktivlegitimation  vor,  weil  Kläger  sein  For- 
derungsrecht an  eine  Frau  Fischli  abgetreten  habe.  Der  Kläger 
wandte  ein,  er  habe  nur  sein  Forderungsrecht  an  den  Haupt- 
schuldner und  dessen  Konkursmasse  der  Frau  Fischli  abge- 
treten, nicht  aber  das  an  den  Bürgen,  das  er  sich  ausdrück- 
lich vorbehalten  habe  ;  das  habe  er  thun  können,  weil  Art.  190 
O.R.  dispositives  Recht  enthalte.  Beide  Instanzen  wiesen  die 
Klage  mangels  Aktivlegitimation  des  Klägers  ab.  Das  Ober- 
gericht begründete  das  Urteil  folgendermassen  : 

Das  Obergericht  ist  zwar  der  Ansicht,  dass  Art.  190  0.  R. 
nur  dispositives  Recht  enthalte,  und  daher  bei  Abtretung  einer 
verbürgten  Forderung  der  Vorbehalt  gemacht  werden  könne,  es 
werde  nur  die  Forderung  selbst,  nicht  aberdas  Recht  aus  der  Bürg- 
schaft abgetreten.  Allein  in  einem  solchen  Falle  würde  eben  die 
Bürgschaft  nach  der  Abtretung  überhaupt  nicht  mehr  selb- 
ständig fortbestehen,  sondern  sie  würde  untergehen,  denn  laut 
Ajt.  489  0.  R.    verpflichtet    sich   der   Bürge   gegenüber  dem 


109 

Gläubiger  des  Hauptschuldners,  für  die  Erfüllung  der  Schuld 
des  letztern  einzustehen.  Die  Bürgschaft  ist  ein  Accessorium 
der  Forderung,  nicht  eine  selbständige  Schuldverpflichtung;  es 
geht  nicht  an,  dass  das  Accessorium  von  der  Hauptsache,  su  der 
es  gehört,  getrennt  werde.  Die  Forderung  begründet  aber 
ein  Rechtsverhältnis  nur  zwischen  dem  Gläubiger  und  dem 
Sohuldner  und  giebt  speziell  ein  E  la  gre  cht  nur  dem  Gläu- 
biger, nicht  einem  Dritten.  Da  nun  die  Bürgschaft  nur  ein 
Mittel  zur  Sicherung  des  Forderungsrechtes  bildet,  so  können  die 
Rechte  aus  der  Bürgschaft  nur  von  dem  Inhaber  des  Forderungs- 
rechtes ausgeübt  werden.  Im  vorliegenden  Falle  ist  Kläger 
nicht  mehr  Gläubiger,  er  kann  daher,  selbst  wenn  er  sich  die 
Geltendmachung  der  Rechte  aus  der  Bürgschaft  bei  der  Ces- 
sion vorbehalten  hat,  den  Bürgen  nicht  mehr  belangen. 


79.  Mandat.  Provision,  zahlbar  auch  bei  Rücktritt  eines 
Kontrahenten.  Ob  auch,  wenn  der  Rücktritt  im  Vertrag  vorbe- 
halten istt 

Zurich.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichts  v.  16.  Mai 
1896  i.  S.  Jacker  e.  Brupbacher. 

Brupbacher  erteilte  dem  Jucker  Auftrag  zum  Verkauf  einer 
Liegenschaft  und  versprach  ihm  für  den  Fall,  dass  ein  Kauf 
zu  Stande  komme,  eine  Provision  von  1  o/0  der  Kaufsumme, 
zahlbar  auch  wenn  der  eine  Kontrahent  vom  Vertrage  zurück- 
treten sollte.  Jucker  brachte  einen  Kaufvertrag  zu  Stande, 
aber  in  diesem  Vertrage  war  noch  beiden  Parteien  der  Rück- 
tritt gegen  Reugeld  freigestellt,  und  der  Käufer  machte  in 
der  That  von  diesem  Rechte  Gebrauch.  Jucker  klagte  den- 
noch die  Provision  ein,  wurde  aber  damit  abgewiesen  und 
erhielt  bloss  500  Fr.  als  verblümt  vom  Beklagten  angebotenes 
Honorar  zugesprochen. 

Motive:  Es  war  nicht  die  Meinung  der  Parteien,  dass 
der  Provisionsanspruch  des  Klägers  schon  dann  zur  Existenz 
gelange,  wenn  durch  seine  Vermittlung  überhaupt  ein  gültiger 
Kaufvertrag  zu  Stande  gekommen  sei,  sondern  nur,  wenn  auf 
Grund  eines  solchen  Vertrages  die  Erfüllung  erzwungen  wer- 
ben könne,  worin  eben  erst  der  Erfolg  liegt,  für  dessen  Her- 
beiführung der  Kläger  sich  eine  so  bedeutende  Summe  hat 
versprechen  lassen.  Nun  war  aber  in  dem  Vertrage  beiden 
Parteien  der  Rücktritt  freigestellt,  und  der  Beklagte  wäre 
daher,  so  lange  der  Käufer  nicht  in  schlüssiger  Weise  erklärt 
hatte,  den  Kauf  halten  zu  wollen,  nicht  in  der  Lage  gewesen 


110 

Erfüllung  zu  fordern,  und  so  lange  war  mithin  der  Erfolg,  für 
den  dem  Kläger  ein  Honorar  versprochen  wurde,  nicht  erreicht 
Die  Bestimmung  des  Provisionsvertrags,  dass  Kläger  auch 
bei  Rücktritt  des  einen  Kontrahenten  vom  Vertrage  seine 
Provision  erhalten  solle,  hatte  offenbar  nur  den  Zweck,  den 
Kläger  auch  im  Falle  eines  vertragswidrigen  Verhaltens  der 
Vertragsparteien  für  seinen  Anspruch  sicher  zu  stellen  ;  keines« 
falls  aber  darf  sich  der  Kläger  auf  diese  Bestimmung  berufen, 
wenn  sich  die  Parteien  den  Rücktritt  vom  Vertrage  von  An- 
fang an  vorbehalten  haben. 

(Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entgeh.,  XV  S.  181  ff.) 


80,  Ehescheidungsklagen  deutscher  Reichsange- 
höriger vor  schweizerischen  Gerichten.  B.-Ges.  betr.  Civilstand 
und  Ehe  vom  24.  Dezember  1874,  Art  56  und  43. 

Zürich.  Urteil  der  Appellatioaskammer  des  Obergerichts  vom  14.  April 
1898  i.  S.  Eheleute  Teisler. 

Das  Bezirksgericht  Zürich  II.  Abt.  hat  am  4.  Februar  1898 
nach  Anhörung  der  Ehescheidungsklage  der  Frau  Emilie  Teis- 
ler geb.  Bronner  in  Karlsruhe  gegen  ihren  in  Zürich  wohn- 
haften Ehemann  Max  Teisler  von  Küstrin,  Kgr.  Preussen,  und 
der  Antwort  des  Beklagten  beschlossen,  die  Klage  von  der 
Hand  zu  weisen,  weil  der  Nachweis  nicht  erbracht  sei,  den 
Art.  56  des  Bundesgesetzes  über  Civilstand  und  Ehe  verlange, 
dass  nämlich  der  Heimatsstaat  der  Parteien  das  zu  erlassende 
Scheidungsurteil  anerkenne. 

Die  Klägerin  hatte  in  der  Verhandlung  folgende  Beschei- 
nigung des  k.  preussischen  Justizministeriums  vom  25.  August 
1897  vorgelegt: 

Der  Ehefrau  des  Preussischen  Staatsangehörigen,  Kauf- 
mann Max  Teisler  in  Zürich,  Emilie  geb.  Bronner ,  zur  Zeit  in 
Karlsruhe,  wird  auf  Antrag  zum  Zwecke  der  Erhebung  der 
Ehescheidungsklage  bei  dem  zuständigen  schweizerischen  Ge- 
richte hiedurch  bescheinigt,  dass  zwar  in  Preussen  keine  Be- 
hörde besteht,  welche  berechtigt  wäre,  über  die  Anerkennung 
einer  von  schweizerischen  Gerichten  ausgesprochenen  Ehetren- 
nung eine  die  Behörden  des  Preussischen  Staates  und  des 
Deutschen  Reiches  bindende  Erklärung  abzugeben,  dass  jedoch 
die  allgemeine  Frage, 

ob,  falls  ein  dem  diesseitigen  Staatsverbande  angehöriger 
Ehemann  seinen  Wohnsitz  im  Auslande  hat,  die  von  dem 
Gerichte  dieses  Wohnsitzes  erkannte  Scheidung  seiner  Ehe 
für   das  Inland    als   rechtswirksam    anzusehen    ist,    bereits 


Ili 

wiederholt  Gegenstand  der  richterlichen  Beurteilung  gewesen 
und  ausweislich  des  Justizministerialblattes  für  die  Preus- 
sische  Gesetzgebung  und  Rechtspflege  vom  30.  März  1877 
(Seite  55,  56  und  99)  von  den  meisten  damaligen  Appel- 
lationsgerichten der  Monarchie  bejaht  worden  ist;  ferner, 
dass  insbesondere  das  Kammergerichl  zu  Berlin,  dessen 
Bezirk  die  Heimatprovinz  des  Kaufmanns  Max  Teisler  um- 
fasst,  in  einem  neuerdings  dem  Freussischen  Justizminister 
über  die  gedachte  Rechtsfrage  erstatteten  gutachtlichen 
Berichte  sich  gleichfalls  jener  Rechtsauffassung  angeschlos- 
sen hat. 

Die  Klägerin  erhob  gegen  den  Entscheid  des  Bezirks- 
gerichtes Rekurs;  dieser  wurde  als  begründet  erklärt  und  die 
Vorinstanz  angewiesen,  die  Klage  an  Hand  zu  nehmen. 

Gründe:  1 .  Der  Art.  56 des Civilstandsgesetzes verbietet 
den  schweizerischen  Gerichten,  Scheidungsklagen  von  Aus- 
ländern an  Hand  zu  nehmen,  wenn  nicht  nachgewiesen  wird, 
dass  der  Staat,  dem  die  Ehegatten  angehören,  das  zu  erlas- 
sende Urteil  anerkennen  werde.  Das  Bundesgericht  hat  in 
einem  Fall  (Entsch.  Bd  XV  8.  122)  erklärt,  dass  zur  Bei- 
bringung dieses  Nachweises  nicht  schlechthin  die  Beibringung 
einer  Erklärung  der  betreffenden  Staatsregierung  erforderlich 
sei,  dass  es  vielmehr  genüge,  wenn  aus  der  Gesetzgebung  oder 
Gerichtspraxis  des  betreffenden  Staates  dargethan  werde,  dass 
die  von  den  schweizerischen  Gerichten  ausgesprochene  Schei- 
dung anerkannt  werde.  Es  ist  daher  zu  untersuchen,  ob  dieser 
Nachweis  in  der  einen  oder  andern  Weise  als  geleistet  be- 
trachtet werden  kann. 

2.  Nach  der  deutschen  Civilprozessordnung  findet  die  Voll- 
streckung von  Urteilen  ausländischer  Gerichte  nur  statt,  wenn 
ihre  Zulässigkeit  durch  ein  Vollstreokungsurteil  des  zustän- 
digen deutschen  Gerichtes  ausgesprochen  ist  (§  660).  In  §  661 
werden  die  Bedingungen  festgesetzt,  bei  deren  Vorhandensein 
das  Vollstreckungsurteil  nicht  zu  erlassen  ist.  Davon  kommen 
hier  hauptsächlich  zwei  in  Betracht:  wenn  nach  dem  Rechte 
des  über  die  Zulässigkeit  der  Zwangsvollstreckung  urteilen- 
den deutschen  Richters  die  Gerichte  desjenigen  Staates  nicht 
zuständig  waren,  welchem  das  ausländische  Gericht  angehört 
(Ziff.  3),  und  wenn  die  Gegenseitigkeit  nicht  verbürgt  ist 
(Ziff.  5). 

Ziffer  3  trifft  im  vorliegenden  Falle  offenbar  nicht  zu. 
Nach  §  568  Abs.  1  R.  C.  P.  0.  ist  für  Streitigkeiten,  welche 
die  Trennung  einer  Ehe  zum  Gegenstand  haben,  das  Land- 
gericht des  Wohnsitzes  des  Ehemannes  ausschliesslich  zuständig. 


112 

Die  Civilprozes8ordnung  macht  keinen  Vorbehalt  für  den  Fall, 
dass  der  Wohnsitz  im  Ausland  sich  befindet;  sie  anerkennt 
also,  dass  dann  die  Gerichte  des  betreffenden  auswärtigen 
Staates  allein  zuständig  sind.  Da  der  Rekursgegner  seinen 
Wohnsitz  in  Zürich  hat,  wäre  die  örtliche  Zuständigkeit  der 
zürcherischen  Gerichte  begründet. 

3.  Zu  dem  gleichen  Resultate  gelangt  man  bezüglich  der 
Ziffer  ô  des  §  661  C.  P.  0.  Allerdings  haben  Bundesgericht 
und  Bundesrat  bisher  konstant  die  Anschauung  vertreten,  dass 
Art.  43  Abs.  2  des  Cmlstandsgesetzes  für  Scheidungsklagen 
von  Schweizerbürgern,  die  ihren  Wohnsitz  im  Auslande  haben, 
einen  ausschliesslichen  Gerichtsstand  begründe  und  daher  Schei- 
dungsurteile auswärtiger  Gerichte  in  der  Schweiz  nicht  an- 
erkannt und  vollstreckt  werden  könnten.  Daraus  hat  man 
den  weitern  Schiuse  gezogen,  dass  §  661  Ziff.  ö  der  deutschen 
Civilprozessordnung  jedenfalls  hinsichtlich  der  Ehescheidungs- 
urteile zutreffe  und  daher  der  in  Art.  56  des  Civilstandsge- 
setzes  verlangte  Nachweis  nicht  als  erbracht  betrachtet  wer- 
den könne. 

Diese  Argumentation  kann  indessen  nicht  als  richtig  an- 
erkannt werden.  In  dem  Begriffe  der  Gegenseitigkeit  liegt,  daas, 
wie  Struckmann  und  Koch  (Komm,  der  C.  P.  0.  §  661  N.  10) 
richtig  sagen,  die  Voraussetzungen  der  Vollstreckung  der  bei- 
derseitigen Urteile  in  beiden  Staaten  gleich,  jedenfalls  im 
einen  nicht  strenger  seien,  als  im  andern.  Die  von  §  661 
Ziff.  5  verlangte  Gegenseitigkeit  kann  nicht  deshalb  als  nicht 
vorhanden  gelten,  weil  die  zürcherischen  Gerichte  sich  vor- 
behalten, die  Kompetenz  des  deutschen  Richters  nach  ihrem 
eigenen  Rechte  zu  prüfen,  da  ja  auch  §  661  Ziff.  3  C.  P.  O. 
dem  deutschen  Richter  gegenüber  zürcherischen  Urteilen  das- 
selbe Recht  vorbehält.  (Vgl.  in  dieser  Beziehung  auch  die 
Ausführungen  im  Kreisschreiben  des  Obergerichtes  an  die  Be- 
zirksgerichte vom  25.  Mai  1897,  Handelsr.  Entsch.  Bd  XVI 
S.  205.) 

4.  Die  Frage  ist  also  einzig  und  allein  die,  ob  im  übri- 
gen feststeht  und  auch  von  den  Gerichten  des  Heimatsstaates 
der  Eheleute  Teisler  angenommen  werden  wird,  dass  rechts- 
kräftige deutsche  Urteile,  bei  denen  die  Zuständigkeit  des 
entscheidenden  Richters  nach  zürcherischem  Prozessrecht  ge- 
geben ist,  im  Kanton  Zürich  vollstreckt  werden.  Das  trifft 
nun  gewiss  zu.  Allerdings  sind  Vollstreckungen  vorübergehend 
verweigert  worden,  aber  nicht  deshalb,  weil  in  die  Zuver- 
lässigkeit der  deutschen  Rechtsprechung  Zweifel  gesetzt  wur- 
den, sondern   nur   mit   Rücksicht  darauf,   dass  in  einem  spe- 


113 

ziellen  Fall  von  den  deutschen  Gerichten  hinsichtlich  eines 
zürcherischen  Urteils  kein  Gegenrecht  gehalten  worden  war. 
Seither  hat  sich  die  Praxis  aber  wieder  auf  den  Standpunkt 
gestellt,  die  Vollstreckung  zu  gewähren,  wenn  die  Rechtskraft 
des  Urteils  feststeht  und  die  Kompetenz  des  erkennenden  Rich- 
ters durch  die  zürcherische  Prozessordnung  nicht  ausgeschlossen 
ist.  Es  wird  daher  für  das  deutsche  Gericht,  das  über  die 
Vollstreckung  eines  in  Sachen  der  Eheleute  Teisler  ergehen- 
den Scheidungsurteils  zu  entscheiden  haben  wird,  keine  Ver- 
anlassung vorliegen,  an  dem  Zutreffen  der  Voraussetzung  des 
§  661  Ziff.  5  der  deutschen  Civilprozessordnung   zu  zweifeln. 


Uebereinstimmende  Entscheidung  vom  3.  Februar  1898 
in  Sachen  des  im  Grossh.  Baden  heimatberechtigten,  in  Zürich 
wohnhaften  Xaver  Merkt,  welcher  hier  gegen  seine  Ehefrau 
Marie  Merkt  geborne  Hanhart  auf  Ehescheidung  klagte.  — 
Derselbe  hatte  eine  Erklärung  des  grossh.  badischen  Mini- 
steriums der  Justiz,  des  Kultus  und  des  Unterrichts  vorgelegt, 
worin  bezeugt  war:  1.  dass  die  Vollstreckbarkeit  eines 
von  einem  schweizerischen  Gericht  erlassenen  Ehesoheidungs- 
urteils  im  Grossherzogtum  Baden  lediglich  von  den  im  §  661 
der  Reichscivilprozes8ordnung  enthaltenen  Voraussetzungen 
abhängig  sei;  2.  dass  nach  der  im  Grossherzogtum  Baden 
herrschenden  Gerichtspraxis  die  unter  Ziff.  5  des  cit.  §661 
der  Reichsoivilprozessordnung  erwähnte  Gegenseitigkeit  in 
Bezug  auf  Urteile  der  Gerichte  des  Kantons  Zürich  als  ver- 
bürgt angesehen  werde  und  3.  dass  nach  deutschem  Prozess- 
recht für  Ehescheidungsklagen  das  Gericht  des  Wohnsitzes 
des  Ehemannes  auch  in  dem  Falle  ausschliesslich  zuständig 
sei,  wenn  der  Wohnsitz  im  Ausland  liege. 

(Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entgeh.,  XVII  S.  124  ff.) 


81.  Vente  de  meubles  saisis;  opposition  par  le  bailleur 
au  bénéfice  du  droit  de  rétention.  Art.  126,  127,  153,  154,  283 
Loi  P.  et  F. 

Genève.  Arrêt  de  la  Cour  de  justice  civile  (Autorité  de  surveillance) 
du  25  février  1897  d.  I.  c.  Gonseth. 

L'Office  de  poursuite  a  procédé,  le  3  décembre  1896,  à 
la  saisie  du  mobilier  d'Albrecht,  pour  le  compte  de  Gonseth, 
créancier  d'Albrecht,  pour  une  somme  de  frs.  145.  65.  Le  mo- 
bilier saisi  a  été  évalué  par  l'Office  à  frs.  871.  D'autre  part,. 
Coste,  propriétaire,  porteur  d'un  commandement  notifié  à  Al- 


fc 


ÎU 

brecht  pour  loyer,  et  créancier  de  ce  dernier  des  loyers  échos 
\*  depuis  le  1"  septembre  1896,   à  raison  de  50  frs.  par  mois, 

b  a  fait  procéder,  le  3  novembre  1896,  à  l'inventaire  des  ineu- 

0  blés   garnissant    les  lieux  loués  et  estimés   comme  ci-dessus. 

t  Gonseth  ayant  requis,  le  7  janvier  1897,  la  vente  des  meubles 

r;  s  ai  si  s,  Coste  s'y  est  opposé  en  invoquant  son  droit  de  réten- 

C  tion  ;  l'Office  a  avisé  Gonseth,  le  2  février  1897,  qu'il  ne  pou- 

t  vait  procéder  à  la  vente  ensuite  de  cette  opposition.  Gonseth  a 

|  recouru  contre  cette  décision  devant  l'Autorité  de  surveillance; 

£  il  demande  que   celle-ci  ordonne  à  l'Office  de  donner  suite  à 

fc  sa  réquisition  de  vente,  et  invoque  deux  décisions  du  Conseil 

E.  fédéral  (recours  Gilli   du  13   mars  1894  et   recours  Sütterlin 

W  du  21  août  suivant),   aux  termes  desquels,  lorsqu'il  s'agit  de 

r  loyers  échus,  la  règle  des  art.  126  et  127  ne  trouve  pas  son 

|  application  à  l'égard  du  droit  de  rétention,  attendu  qu'en  pa- 

|  reil  cas  le  bailleur  doit,  lui  aussi,  être  considéré  comme  créan- 

cier poursuivant  parce  quìi  résulte  de  l'art.  283  Loi  P.  et  F. 
que  celui  qui,  étant  créancier  de  loyers  échus,  requiert  l'Office 
de  le  protéger  dans  son  droit  de  rétention,  est  tenu  de  réaliser 
son  droit,  et,  lorsqu'il  s'agit  de  loyers  non  échus,  l'Office  doit 
distraire  de  la  saisie  le  nombre  d'objets  qu'il  estime  suffisant 
pour  garantir  le  droit  de  rétention  et  faire  procéder  à  la  vente 
des  autres  à  tout  prix. 

La  Cour  a  écarté  le  recours. 

Motifs:  Dans  l'espèce,  la  valeur  du  mobilier  saisi  étant 
insuffisante  pour  couvrir  les  loyers  garantis  par  le  droit  de 
rétention,  la  dernière  solution  est  impratiquable. 
La  première  a  contre  elle  le  texte  de  la  loi. 
Il  est  vrai  qu'aux  termes  de  l'art.  283  l'Office  doit  assigner 
au  bailleur  un  délai  pour  requérir  la  poursuite  en  réalisation 
de  gage,  mais  cette  disposition  ne  peut  avoir  pour  effet  de 
transformer  ipso  facto  le  bailleur  en  un  créancier  qui  a  fait  à 
son  débiteur  un  commandement,  et  qui  a  requis  la  vente. 

Il  faut  qu'il  exerce  cette  poursuite  en  réalisation  de  gages; 
il  a  le  droit  de  l'exercer  lui-même  dans  les  délais  qui  lui  con- 
viennent, pourru  qu'il  observe  les  limites  prévues  par  la  loi; 
pour  admettre  le  contraire,  il  faudrait  admettre  que  la  pour- 
suite cesse  de  lui  appartenir  pour  appartenir  au  créancier  le 
plus  diligent;  aucun  texte  de  loi  ne  permet  de  croire  que 
telle  ait  été  l'intention  du  législateur. 

Or,  aux  termes  de  l'art.  154,  une  fois  le  commandement 
de  payer  notifié  par  le  créancier  gagiste  (art.  153),  ce  dernier 
peut  requérir  la  vente  du  gage  mobilier  un  mois  au  plus  tôt 
et  un  an  au  plus  tard  après  la  notification  de  ce  commandement. 


115 

S'il  convient  au  créancier  gagiste,  dans  l'espèce  au  pro- 
priétaire, d'attendre  un  an  pour  requérir  la  vente,  il  en  est 
libre  ;  la  vente  ne  peut  donc  pas  être  censée  faite  à  sa  requête. 

C'est  précisément  ce  qui  se  présente  dans  l'espèce.  Con- 
formément à  l'art.  283,  l'Office  a  imparti  à  Coste  un  délai  de 
dix  jours  pour  exercer  la  poursuite  en  réalisation  de  gage; 
Coste  avait  notifié  un  commandement  à  Albrecht  le  26  sep- 
tembre 1896;  il  n'a  donc  pas  eu  besoin  d'en  notifier  un 
second  et  il  peut,  si  cela  lui  convient,  attendre  jusqu'au  26  sep- 
tembre 1897  pour  requérir  à  la  vente  du  grage. 

(La  Semaine  judiciaire,  XIX  p.  560  ss.) 


82.  Wirkung  des  Nachlassvertrages  auf  Bürg- 
schaftsforderungen. Art.  300und  311  desB.-Ges.  betr.  Schuld- 
betr.  u.  Konkurs. 

Baselstadt.  Urteil  des  Appellationsgerichts  vom  11.  Oktober  1897 
i.  S.  Streif  c.  Aeberli. 

H.  Streiff  hatte  für  eine  Schuld  des  Heusser  dem  Gläu- 
biger desselben,  H.  Aeberli,  Bürgschaft  geleistet.  Er  geriet 
später  in  Zahlungsschwierigkeiten  und  erwirkte  am  12.  Juni 
1896  eine  Nachlassstundung,  der  am  8.  Oktober  die  Bestäti- 
gung des  Nachlassvertrages  durch  die  zuständige  Behörde 
folgte.  Am  2.  November  1896  sodann  geriet  der  Hauptschuldner 
Heusser  in  Konkurs,  und  in  diesem  kam  die  Forderung  des 
Aeberli  vollständig  zu  Verlust.  Aeberli  betrieb  nun  den  StreifF 
auf  Grund  des  Verlustscheines  und  der  Bürgschaftsurkunde 
und  erhielt  gegen  den  von  Streiff  erhobenen  Rechtsvorschlag 
die  provisorische  Rechtsöffnung.  Streiff  erhob  die  Aberkennungs- 
klage in  erster  Linie  für  die  ganze  Forderung,  eventuell  für 
den  Mehrbetrag  über  25%  derselben;  auf  diese  25°/o  war 
nämlich  der  Nachlassvertrag  abgeschlossen  worden,  und  Streifi 
behauptete,  Aeberli  sei  auch  daran  gebunden,  obschon  er  sich 
bei  der  Nachlassauskündung  nicht  angemeldet  hatte  und  seine 
Bürgschaftsforderung  daher  nicht  mitgezählt  worden  war. 
Aeberli  behauptete  dagegen,  er  habe  von  der  Auskündung 
gar  nichts  gewusst,  und  übrigens  sei  seine  Forderung  an  Streiff 
damals  noch  gar  nicht  existent  gewesen,  sondern  es  erst  durch 
den  nachfolgenden  Eonkurs  des  Heusser  geworden.  Das  Civil- 
gericht  wies  die  Aberkennungsklage  ab,  weil  Bürgschaften 
durch  den  Nachlassvertrag  nicht  berührt  würden,  die  Nach- 
lassauskündung nur  ein  Schulden-,  nicht  auch  ein  Bürgschafts- 
ruf sei;  der  bestätigte  Nachlassvertrag  finde  nur  auf  solche 
Bürgschaftsforderungen   Anwendung,    für    die    der   Nachlass- 


116 

Schuldner  schon  vor  der  Bestätigung  des  Nachlassvertrages 
hätte  belangt  werden  können.  Das  Appellationsgericht  hielt 
dagegen  die  Aberkennungsklage  für  den,  25  %  der  ganzen 
Forderung  übersteigenden  Betrag  für  begründet  und  reduzierte 
die  Bürgschaft  auf  25%  ihres  ursprünglichen  Betrags,  aus 
folgendem  Grunde: 

Es  ist  wohl  nicht  zu  bestreiten,  dass  Bürgschaftsforde- 
rungen, auch  noch  nicht  fällige,  im  Falle  des  Konkurses  des 
Bürgen  mit  andern  Forderungen  auf  gleicher  Linie  stehen,  dass 
die  Bürgschaftsberechtigten  als  Gläubiger  gelten  und  unter  den 
Gläubigern  schlechtweg  mit  inbegriffen  sind.  Es  ist  nicht  ein- 
zusehen, warum  es  bei  Nachlassvertrag  anders  zu  halten  wäre. 
Die  gleichen  Interessen,  die  im  Eonkurse  des  Schuldners  die 
Liquidation  seiner  Bürgschaften  fordern,  sind  auch  beim  Nach- 
lassvertrag wirksam.  Dass  in  dem  Abschnitt  des  Gesetzes 
über  den  letztern  die  Bürgschaftsgläubiger  nicht  ausdrücklich 
genannt  werden,  kann  nicht  den  Schluss  rechtfertigen,  dass 
Bürgschaften  durch  den  Nachlassvertrag  nioht  berührt  wer- 
den, sondern  findet  richtiger  seine  Erklärung  darin,  dass 
mit  dem  Ausdruck  Gläubiger  auch  die  Bürgschartsberechtigten 
umfa88t  sind.  Diese  letzteren  sind  somit  auch  von  der  Aus- 
kündung  des  Bürgen  (Art.  300  Schuldbetreibungs-  und  Kon- 
kursgesetz) betroffen  und  unterliegen  ebenfalls  der  Bestim- 
mung des  Art.  311  (Rechtsverbindlichkeit  des  bestätigten  Nach- 
lassvertrages für  sämtliche  Gläubiger). 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


83.  Art.  48  Ziff.  2  des  Bundesgesetzes  betr.  die  Organisation 
der  Bundesrechtspflege  vom  22.  März  1893.  Bundesgesetz  über 
Miktärpensionen  vorn  13.  November  187 r4,  Art.  1  und  Art  12.  — 
Ansprüche  ans  dem  Bundesgesetze  vom  13.  November  1874  sind 
nicht  privatrechtlicher,  sondein  öffenüichrechtlicher  Natur  und 
können  daher  nicht  durch  Civilklage  beim  Bundesgerichte  geltend 
gemacht  werden. 

Die  gestützt  auf  das  Bundesgesetz  vom  13.  November 
1874  gegen  den  ßundesfiskus  gerichtete  Klage  auf  Gewährung 
einer  Pension  oder  Entschädigung  wegen  einer  im  Militär- 
dienst erlittenen  Gesundheitsschädigung  macht  allerdings  eine 
Geldforderung  geltend  ;  allein  diese  Forderung  wird  nicht  aus 
privatreohtlichen  Beziehungen  der  Parteien  abgeleitet,  sondern 
aus  einem  Verhältnisse  des  öffentlichen  Rechtes.  Sie  stützt  sich 
nicht  etwa  auf  einen  privatrechtlichen  Thatbestand  (Rechts- 
geschäft oder  Delikt),  sondern  auf  einen  Thatbestand  des 
öffentlichen  Rechts.  Das  Bundesgesetz  über  Militärpensionen 
und  Entschädigungen  vom  13.  November  1874,  auf  welches 
der  klägerische  Anspruch  ausschliesslich  gestützt  wird,  ist 
kein  privatrechtliches,  sondern  ein  Verwaltungsgesetz.  Aller- 
dings gewährt  es  beim  Vorhandensein  der  gesetzlichen  Voraus- 
setzungen einen  festen  Anspruch  auf  Pension  oder  Entschä- 
digung; allein  dieser  Anspruch  ist  nichtsdestoweniger  kein 
privatrechtlioher,  sondern  ein  öffentlichrechtlicher.  Er  ist  ein 
Ausflu88  öffentlicher  Vorsorge  fur  die  durch  Erfüllung  der 
öffentliohrechtlichen,  militärischen  Dienstpflicht  gesundheitlich 
geschädigten  Wehrmänner  und  deren  Hinterlassene,  deren 
Lebensunterhalt  durch  die  Gesundheitsschädigung  und  deren 
Folgen  beeinträchtigt  wird.  Dass  dies  in  der  That  die  dem 
Gesetze  zu  Grunde  liegende  Auffassung  ist,  ergiebt  sich  un- 
zweideutig aus  den  Bestimmungen  des  III.  Abschnittes  des- 
selben über  Geltendmachung  und  Untersuchung  der  Entschä- 
digungsansprüche und  Entscheid  über  dieselben,  welcher  die 
Geltendmachung  des  Anspruchs  bei  der  Verwaltungsbehörde 
vorschreibt,  das  bei  dessen  Prüfung  zu  beobachtende  Verfahren 


118 

regelt  und  in  Art.  12  ausdrücklich  bestimmt,  dass  alle  Be- 
schlüsse betr.  die  Bewilligung,  Veränderung  oder  Zurück- 
ziehung einer  auf  den  Vorschriften  des  gegenwärtigen  Gesetzes 
beruhenden  Pension  oder  anderweitigen  Entschädigung  vom 
Bundesrate  gefasst  werden.  Diese  Bestimmungen  zeigen,  dass 
die  Anwendung  des  Bundesgesetzes  über  Militärpensionen  und 
Entschädigungen,  weil  es  sich  eben  nicht  um  privatrechtliche, 
sondern  um  öffentlichrechtliche  Ansprüche  handelt,  ausschliess- 
lich der  eidgenössischen  Verwaltungsbehörde  hat  vorbehalten 
und  der  Civilreohtsweg  dafür  hat  ausgeschlossen  werden  wollen. 
Daran  ist  selbstverständlich  durch  Art.  48  Ziff.  2  0.  Gh,  wel- 
cher sich  lediglich  auf  Civilrechtsstreitigkeiten  bezieht,  nichts 
geändert  worden.  Das  Bundesgerioht  ist  daher  zur  Beurteilung 
der  Klage  sachlich  nicht  kompetent.  (Entsch.  vom  30.  April 
1898  i.  S.  Brisacher  c.  Bund.) 


84.  Art.  211  Abs.  1,  222,  223,  885  0.  R.  Bundesgesetz  über 
Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  11.  Aprü  1889,  Art.  38,  42, 
151,  198,  232  Ziff.  4,  243  Abs.  2,  250.  —  Der  Kollokationspkm 
bezieht  sich  nicht  auf  Eigentumsansprachen.  —  Die  Vereinbarung) 
dass  das  Faustpfand  durch  privaten  Verkauf  verwertet  werden 
dürfe,  ist  gültig.  Wirksamkeit  derselben  nach  ausgebrochenem  Kon- 
kurse des  Verpfänders  oder  gegenüber  andern  Pfandgläubigem  ?  — 
Bedeutung  und  Tragweite  des  in  Art.  211  Abs.  1  0.  R.  enthaltenen 
Vorbehaltes  des  kantonalen  Rechtes. 

1.  Der  Kollokationsplan  bezieht  sich  nach  dem  Gesetze 
auf  Eigentumsansprachen  überhaupt  nicht,  sondern  umfasst 
ausschliesslich  Forderungs-  und  Pfandanspraohen,  weshalb  auch 
nur  solche  Ansprachen  Gegenstand  von  Kollokationsstreitig- 
keiten im  Sinne  von  Art.  250  Schuldbetr.  u.  Konk.-Gesetz  sein 
können. 

2.  Das  Obligation enreoht  schliesst  in  dem  Abschnitt  über 
das  Faustpfandrecht  eine  Vereinbarung,  dass  der  Gläubiger 
sich  ohne  Betreibungsverfahren  durch  privaten  Verkauf  des 
Pfandes  aus  demselben  befriedigen  könne,  nicht  ausdrücklich 
aus,  sondern  erklärt  in  Art.  222  lediglich  den  Verfallsvertrag 
als  ungültig,  und  in  Art.  223,  dass  die  Realisierung  des  Faust- 
pfandes nach  den  Gesetzen  des  Ortes  geschehe,  wo  die  Bache 
sioh  befinde.  Dieses  Gesetz  ist  nun  seit  1.  Januar  1892  das 
Bundesgesetz  betr.  Schuldbetreibung  und  Konkurs.  Die  Frage 
ist  daher  aus  diesem  Bundesgesetz  und  aus  allgemeinen  Reohts- 
grundsätzen  zu  lösen.  Aus  den  letzteren  kann  die  Unzulässig- 
keit derartiger  Vereinbarungen  nicht  hergeleitet  werden;  denn 


119 

etwas  Unsittliches  enthalten  dieselben  nicht  und  als  wider* 
rechtlich  können  sie  nur  angesehen  werden,  sofern  sie  durch 
das  positive  Reoht  ausdrücklich  ausgeschlossen  sind.  Aus  all- 
gemeinen Rechtsgrundsätzen  folgt  nur,  dass  der  Gläubiger  die 
Realisierung  des  Faustpfandrechtes  in  den  Formen  der  Zwangs- 
vollstreckung bewerkstelligen  muss,  sofern  ihm  nicht  duroh 
Abrede  mit  dem  Schuldner  das  Reoht  eingeräumt  ist,  den 
Verkauf  aussergerichtlich  vorzunehmen.  Eine  derartige  Ab- 
rede ist  nun  aber  auch  duroh  das  Bnndesgesetz  über  Schuld- 
betreibung und  Konkurs  nicht  ausgeschlossen.  Bei  Verpfändung 
kurshabender  Papiere  sind  sie  ein  Bedürfnis,  um  den  Gläu- 
biger wie  den  Schuldner  vor  Schaden  zu  bewahren,  indem 
sonst  häufig  die  Versteigerung  erst  erfolgen  könnte,  wenn  die 
Papiere  den  tiefsten  Kurs  erreicht  haben  ....  Vom  Bundes- 
gesetz über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  kommen  in  Be- 
tracht die  Art.  38,  41  und  151.  Keine  dieser  Bestimmungen 
enthält  die  Vorschrift,  dass  die  Realisierung  von  Faustpfändern 
nur  auf  dem  Wege  der  Betreibung  erfolgen  dürfe,  sondern 
sie  regeln  lediglich  einerseits  die  Voraussetzungen,  unter  wel- 
chen die  Betreibung  als  Art  der  Zwangsvollstreckung  zulässig 
ist,  und  andrerseits  die  Formen,  in  welchen  sie  durchgeführt 
wird,  ohne  irgendwie  den  Schluss  zu  rechtfertigen,  dass  die 
Betreibung  auf  Pfandverwertung  die  einzig  zulässige  Form 
für  die  Realisierung  von  Faustpfändern  sein  solle.  Ob  solohen 
Vereinbarungen  auch  rechtliche  Wirkung  gegenüber  vorgehen- 
den Pfandgläubigern  zukommt,  oder  ob  sie  noch  getroffen 
werden  können,  nachdem  nachgehende  vertragliche  Pfand- 
rechte bestellt  wurden,  oder  wo  die  Faustpfänder  zu  Gunsten 
Dritter  gepfändet  worden  sind,  steht  in  casu  nicht  in  Frage. 
Ebenso  kann  hier  unerörtert  bleiben,  ob  sie  nach  Ausbruch 
des  Konkurses  über  den  Schuldner,  bezw.  den  Verpf ander, 
noch  geltend  gemacht  werden  können,  oder  nicht  vielmehr 
sämtliche  Faustpfander  ohne  Rücksicht  auf  vereinbarten  Pri- 
vatverkauf zur  Konkursmasse  gezogen  resp.  abgegeben  werden 
müssen,  eine  Frage,  die  angesichts  der  Art.  198,  232  Ziff.  4 
(vergi,  auch  Art.  243  Abs.  2)  Bundesges.  betr.  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  indes  wohl  eher  im  letzteren  Sinne  zu  beant- 
worten wäre  (vergi,  auch  Hafner,  schweizer.  Oblig.-Recht, 
2.  Aufl.,  Art.  223  Anm.  2  Ziff.  IV). 

3.  Der  in  Art.  211  Abs.  1  0.  R.  enthaltene  Vorbehalt  des 
kantonalen  Rechts  bezieht  sich  nicht  nur  auf  die  zur  Zeit  des 
Inkrafttretens  des  0.  R.  bestehenden,  sondern  auch  auf  später 
erlassene  kantonale  Gesetze.  Die  im  deutsohen  Gesetzestext 
gewählte  Fassung:   „bleiben  in  Kraft/   ist  nicht  geeignet, 


120 

einen  begründeten  Zweifel  daran  aufkommen  zu  lassen,  dass 
das  Obligationenrecht  den  in  Art.  211  bezeichneten  Gegenstand 
überhaupt  der  kantonalen  Gesetzgebung,  nicht  bloss  der  bereits 
bei  Inkrafttreten  des  Bundesgesetzes  bestehenden,  überlassen 
wollte.  Denn  es  ist  schlechterdings  kein  Grund  dafür  aufzu- 
finden, warum  nur  die  bei  Inkrafttreten  des  Obligationenrechts 
bestehenden,  jenen  Gegenstand  betreffenden  kantonalen  Ge- 
setze, und  zwar  unverändert,  in  Kraft  bleiben  sollten,  und 
daher  eine  Mitverpfandung  von  Zubehörden  mit  Liegenschaften 
in  Zukunft  nur  in  denjenigen  Kantonen,  in  welchen  sie  be- 
reits vorher  zulässig  war,  und  in  dem  damals  gesetzlich  mög- 
lichen Umfange  sollte  stattfinden  können.  Dadurch  wäre  nur 
eine  Rechtsungleichheit  unter  den  Kantonen  geschaffen  worden. 
Anders  wäre  es  natürlich,  wenn  das  Obligationenreoht  nur 
die  vor  seinem  Inkrafttreten  erfolgten  Mitverpfandungen  von 
Zubehörden  hätte  anerkennen  wollen,  wie  z.  B.  nach  Art.  885 
die  vor  dem  1.  Januar  1883  ohne  Besitzübertragung  errich- 
teten Mobiliarpfandrechte.  Allein  dies  ist  eben  nicht  der 
Fall,  vielmehr  wollte  unstreitig  das  Obligationenrecht  die  Mit- 
verpfändung der  Zubehörden  mit  den  betreffenden  Liegen- 
schaften auch  nach  seinem  Inkrafttreten  noch  zulassen,  und 
da  hätte  es  der  Gesetzgeber  ausdrücklich  sagen  müssen,  wenn 
er  nur  die  vor  Inkrafttreten  des  Bundesgesetzes  bestehenden 
kantonalen  Gesetze  hätte  vorbehalten  wollen.  Dass  letzteres 
aber  nicht  die  Absicht  des  Gesetzgebers  war,  ergiebt  sich 
auch  aus  dem  französischen  Text  des  Art.  211  Abs.  1,  welcher 
ganz  allgemein  dahin  lautet,  es  werde  den  bezüglichen  Vor- 
schriften der  kantonalen  Gesetze  nicht  derogiert  („Il  n'est 
pas  dérogé  ....  aux  prescriptions  des  lois  cantonales. .  .  ,u). 
4.  Art.  211  O.B.  fordert  auch  nicht,  dass  die  Verpfändung 
des  Mobiliars  gleichzeitig  mit  derjenigen  der  Liegenschaften 
erfolgen  müsse.  Wenn  Art.  211  Abs.  1  die  kantonalen  Ge- 
setze vorbehält,  wonach  bewegliche  Sachen  als  Zubehörde 
eines  Inimobiliarpfandes  nach  den  für  dieses  geltenden  Formen 
mitverpfändet  werden  können,  so  bildet  den  Gegensatz  hiezu 
nicht  die  nioht  zeitlich  zusammenfallende  Verpfandung  von 
Liegenschaft  und  Zubehörde,  sondern  die  Verpfandung  der 
beweglichen  Zubehörden  ohne  Mitverpfandung  der  Hauptsache, 
d.  h.  der  Liegenschaft,  zu  welcher  jene  beweglichen  Sachen 
im  Verhältnis  der  Zubehörde  stehen.  Diese  letztere  Ver- 
pfändung —  ohne  Verpfändung  der  Hauptsache  —  kann  nur 
auf  dem  in  Art.  210  ff.  O.R.  vorgeschriebenen  Wege  der  Faust- 
pfandbestellung geschehen,  während  die  Verpfändung  der  Zu- 
behörde in  Verbindung  mit  der  Hauptsache  nach  Massgabe 


121 

-des  kantonalen  Rechts  erfolgt.  Dass  die  Mitverpfändung  im 
gleichen  Zeitpunkt  mit  der  Verpfändung  der  Hauptsache 
erfolgen  müsse,  bestimmt  Art.  211  0.  It.  nicht;  das  französische 
Recht  bedient  sich  allerdings  der  Wendung:  „en  même  temps;" 
allein  abgesehen  davon,  dass  diese  Fassung,  wie  der  deutsohe 
Ausdruck  gleichzeitig,  nicht  mit  Notwendigkeit  ein  wirklich 
zeitliches  Zusammenfallen  bedeutet,  steht  derselben  derjenige 
sowohl  des  deutschen  als  des  italienischen  Textes  entgegen, 
welche  beide  einfach  von  Mitverpfändung  bezw.  Einbeziehung 
in  die  Verpfändung  sprechen,  und  mit  Rücksicht  auf  ihre 
Uebereinstimmung  dem  in  seiner  Abweichung  alleinstehenden 
französischen  Text  vorgehen. 

5.  Art,  211  0.  R.  will  für  die  Verpfändung  der  Zubehörde 
in  Verbindung  mit  dem  Immobiliarpfand  keine  Formvorschrift 
aufstellen,  d.  h.  nicht  die  Form  der  Verpfändung  resp.  Mit- 
verpfändung der  Zubehörde  bestimmen,  sondern  lediglich  die 
kantonalen  Formvorschriften  für  diese  Mitverpfändung  vorbe- 
halten. Dass  aber  allerdings  die  Verpfändung  der  Zubehörde 
wesentlich  in  der  gleichen  Form  wie  die  der  Hauptsache 
erfolgen  muss,  ergiebt  sich  daraus,  dass  es  sich  um  Mitver- 
pfändung, um  die  Bestellung  eines  einheitlichen  Grundpfand- 
rechtes handelt,  das  Immobiliarpfandrecht  auch  die  Zubehörde 
•ergreifen,  seine  Wirkung  sich  auch  auf  diese  erstrecken  soll. 
Würde  fur  die  Verpfändung  der  Zubehörde  eine  besondere, 
von  derjenigen  für  die  Verpfändung  der  Hauptsache  verschie- 
dene Form  vorgeschrieben,  so  läge  eine  Mitverpfändung  der 
Zubehörde  mit  der  Hauptsache  nicht  mehr  vor,  sondern  viel- 
mehr eine  selbständige  Verpfändung  der  Zubehörde,  welche 
gültig  nur  in  der  in  Art.  210  0.  R.  bestimmten  Form  erfolgen 
könnte.  (Es  wird  sodann  ausgeführt,  dass  dies  für  das  urne- 
ri8che  Gesetz  vom  1.  Mai  1892,  um  dessen  Gültigkeit  es  sioh 
in  casu  handelte,  nicht  zutreffe.)  (Entsch.  vom  30.  Juni  1898 
i.  S.  Kesselbach  und  Genossen  c.  Ersparniskasse  Uri.) 


85.  Art.  224,  616  Ziff.  7,  649,  658,  676  OR.  Die  in  Art. 
658  O.R.  vorgeschriebene  Hinterlegung  von  Aktien  durch  die  Mit- 
glieder der  Verwaltung  einer  Aktiengesellschaft  hat  nicht  die  Sicher' 
Stellung  der  Gesellschaft  für  Ansprüche  aus  der  Geschäftsführung 
zum  Zwecke.  —  Voraussetzungen  des  Retentionsrechtes  nach  Art. 
224  O.R.  —  Erfordernis  des  Zusammenhangs  der  Forderung  und 
des  Gegenstandes  der  Retention. 

Der  Direktor  H.  der  Aktiengesellschaft  Fabriken  L.  hatte 
gemäss  den  Gesellschaftsstatuten  und  Art.  658  0.  R.  in  seiner 


122 

Stellung  als  Direktor  25  Stück  G  e  seil  seh  afta -Aktien  bei  der 
Bank  für  Graubünden  hinterlegt.     Diese  Aktien  wurden  von 
Â.  B.,  einem  Gläubiger  des  Direktors  H.,  gepfändet     Dieaer 
Pfändung  gegenüber   beanspruchte  die  Aktiengesellschaft  an 
den    fraglichen   Aktien   klageweise    ein  Retentionsrecht,    mit 
der  Behauptung,   es  stehe  ihr  an  den  Direktor  H.  eine  For-, 
derung   aus    seiner  Amtsführung   zu.      Vom    Bundesgerichte 
wurde  dieses  Retentionsrecht   anerkannt,   sofern   der  Aktien* 
gesell schaft  eine  fällige  Forderung  an  den  Direktor  aus  dessen 
Anstellungsverhältnisse  zustehe   (und   wurde   die   Sache    zur 
Verhandlung   und   Entscheidung   hierüber   an    die    kantonale 
Instanz  zurückgewiesen).     Aus  den  Entscheidungsgründen  ist 
hervorzuheben:  Die  Klägerin  stützt  ihren  Anspruch  auf  Art.  658 
O.R.,  indem  sie  ausführt,  die  daselbst  den  Mitgliedern  der  Ver- 
waltung einer  Aktiengesellschaft  vorgeschriebene  Hinterlegung 
von  Aktien  habe  vor  allem  den  Zweck,  die  Gesellschaft  für 
Ansprüche  an  die  Verwaltungsmitglieder  aus  der  Geschäfts- 
führung sicherzustellen.    Wäre  diese  Auffassung  der  Klägerin 
richtig,    so   könnte   keinem  Zweifel   unterliegen,   dass  ihr  ein 
auf  besonderer  Gesetzesbestimmung   beruhendes  Speziai- Re- 
tentionsrecht zustünde.     Es  ist  danach  der  Sinn  des  Art.  658 
0.  R.  zu  untersuchen.    Hierüber  ist  zu  sagen:  Gemäss  Art.  649 
0.  R.  kann   die  Verwaltung   der  Aktiengesellschaft  nur  von 
Aktionären   ausgeübt  werden,  und  nach  Art.  616  Ziff.  7  eod. 
haben   die  Statuten  die  Anzahl  der  Aktien,   welche  von  den 
Mitgliedern  der  Verwaltung  zu  hinterlegen  sind,  zu  bestimmen. 
Daraus  geht  hervor,   dass  der  nächste  und  erste  Zweck  der 
Notwendigkeit  der  Hinterlegung  der  Aktien  der  ist,  dass  sich 
die  Mitglieder  der  Verwaltung  über  ihre  Eigenschaft  als  Ak- 
tionäre  ausweisen.      Diesem   Zwecke   würde   indessen   schon 
genügt  durch  Hinterlegung  einer  einzigen  Aktie,  und  es  muas 
daher  da,   wo  (wie  hier)  die  Statuten  die  Hinterlegung  meh- 
rerer Aktien  verlangen,  und  zwar  abgestuft  je  nach  dem  Masse 
des  Einflusses,  den  ein  Mitglied  der  Verwaltung  auf  den  Gang 
des  Geschäfts   hat,    noch    ein  weiterer  Zweck  hinzukommen: 
und  das  ist  offenbar  der,  die  Verwaltungsmitglieder  am  Gang 
der  Geschäfte  zu  interessieren.    Diese  beiden  Zwecke  ergeben 
sich  klar  und  unzweideutig  aus  den  angeführten  Bestimmungen 
des  Obligationenrechts.    Fragt  es  sich  dagegen,  ob  der  Aktien- 
hinterlegung nach  Gesetz   noch   die  weitere  Bedeutung  einer 
Sicherstellung  der  Gesellschaft  zukomme,  so  fällt  vorerst  der 
Unterschied   im  Wortlaute   des  Art.  658  gegenüber  der  ana- 
logen Vorschrift  über  die  Pflicht  der  Vorstandsmitglieder  der 
Kommanditaktiengesellschaft   zur   Hinterlegung   von   Aktien, 


i2a 

Art.  676  Ziff.  4,  ins  Auge:  während  Art.  658  vorschreibt,  die 
Aktien  seien  für  die  Dauer  der  Verrichtungen  der  Mitglieder 
der  Verwaltung  zu  hinterlegen,  statuiert  Art.  676  Ziff.  4,  die 
Mitglieder  des  Vorstandes  der  Kommanditaktiengesellscbaft 
dürfen  die  hinterlegten  Aktien  nicht  veräussern,  so  lange  sie 
der  Gesellschaft  verantwortlich  bleiben.  Bei  letzterer  Be- 
stimmung kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  das 8  die  Aktien- 
hinterlegung die  Bedeutung  der  Sicherstellung  der  Gesell- 
Schaft  hat.  Da  die  Verantwortlichkeit  der  Vorstands-  und 
Verwaltungsmitglieder  sowohl  der  Aktiengesellschaft  als  der 
Eommanditaktiengesell8chaft  die  gleiche  ist,  so  ist  zu  prüfen, 
ob  der  hervorgehobene  Unterschied  ein  bewusster  und  ge- 
wollter ist,  und  nicht  etwa  auf  Versehen  beruht.  Wird  zur 
Lösung  dieser  Frage  die  Entstehungsgeschichte  der  betreffen- 
den Bestimmungen  des  Obligationenrechts  herangezogen,  so 
ergiebt  «ich:  Art.  676  Ziff.  4  wurde  dem  Art.  181  des  D.  H. 
G.  B.  über  die  Komroanditaktiengesellschaft  entnommen,  und 
zwar  erst  im  Sohlussentwurfe  des  eidgen.  Justizdepartements, 
während  sich  eine  dem  Art.  658  analoge  Bestimmung  weder 
im  D.  H.  G.  B.  nooh  in  den  Entwürfen  fand,  da  diese  nicht 
forderten,  dass  die  Verwaltungsmitglieder  Aktionäre  sein 
müssen;  das  Erfordernis  des  Besitzes  von  Aktien,  und  zwar 
von  unveräusserlichen,  für  die  Mitglieder  der  Verwaltung  der 
Aktiengesellschaft  wurde  erst  von  der  nationalrätlichen  Kom- 
mission am  7.  November  1880  vorgeschlagen  (als  Art.  668"*); 
der  Entwurf  des  Bundesrates  über  den  Titel  „Aktiengesell- 
schaft" vom  29.  Januar  1881  sah  von  diesem  Erfordernis  ab, 
die  Kommission  des  Ständerats  dagegen  stellte  (5.  Februar 
1881)  den  Antrag,  die  Verwaltung  habe  aus  Mitgliedern  der 
Aktiengesellschaft  zu  bestehen,  und  schlug  einen  Art.  664  vor, 
der  dem  jetzigen  Art.  658  im  wesentlichen  völlig  gleichlautet, 
und  in  dieser  Gestalt  blieb  die  Vorschrift  von  da  an.  Aus 
dieser  Entstehungsgeschichte  nun  kann  nicht  gefolgert  wer- 
den, dass  der  Aktienhinterlegung  die  Bedeutung  der  Sicher- 
stellung habe  gegeben  werden  wollen,  gegen  teils  spricht  die 
Entstehungsgeschichte  eher  für  ein  bewusstes  Abweichen  von 
den  analogen  Bestimmungen  über  die  Kommanditaktiengesell- 
schaft.  Zu  demselben  Resultate  gelangt  man  überdies  auch 
auf  Grund  folgender  Erwägungen:  Zunächst  hätte  dann,  wenn 
die  Aktien  zur  Sicherstellung  hinterlegt  werden  sollten,  wohl 
auch  ihre  Unveräusserlichkeit  vorgeschrieben  werden  müssen 
(vergi,  das  franz.  Gesetz  über  die  Aktiengesellschaften  vom 
24.  Juli  1867,  Art.  22;  Ital.  H.  G.  B.  Art.  123),  und  sodann 
müsste   die  Hinterlegung   nicht   nur   für  die  Dauer   der  Ver- 


124 

richtungen  der  Verwaltungsmitglieder,  sondern  bis  zu  ihrer 
Décharge  gefordert  sein;  endlich  hätte  der  Zweck  überhaupt 
deutlich  ausgesprochen  werden  sollen;  dies  umso  mehr,  als 
das  Gesetz  kaum  ein  grosses  Interesse  an  einer  derartigen 
Vorschrift  hat,  indem  es  den  Statuten  der  Aktiengesellschaften 
freisteht,  der  Hinterlegung  diesen  weitergehenden  Zweck  zu 
verleihen.  (Dieser  Ansicht  auch  Rössel,  manuel  du  droit  féd. 
des  obligations,  n.  870  pag.  750;  Haberstich  II,  S.  559;  Hafner, 
Komm.  Art.  616  Anm.  11,  Art.  658  Anm.  1,  Art.  676,  Anm  11; 
a.  A.  Schneider  u.  Fick,  Komm.  z.  0.  R.  Art.  658,  Anm.  2.) 
Hat  aber  die  Aktienhinterlegung  nicht  die  Bedeutung  der 
Sicherstellung  der  Gesellschaft,  so  kann  auch  keine  Rede 
davon  sein,  dass  dieser  ein  Spezial-Retentionsrecht  an  den 
hinterlegten  Aktien  fur  die  Schadenersatzansprüche  aus  der 
Verwaltung  zustehe,  und  kann  es  sich  daher  nur  noch  fragen, 
ob  das  beanspruchte  Retentionsrecht  nicht  nach  Art.  224  O.  R. 
zu  schützen  sei. 

Bei  der  Beantwortung  dieser  Frage  ist  nun  vorerst  das 
Requisit,  dass  die  fraglichen  Aktien  eine  retentionsfchige 
Sache  seien,  gegeben,  da  sie  als  Wertpapiere  anzusehen  sind 
(vergi.  Urteil  des  Bundesgerichts  in  Sachen  Banque  populaire 
suisse  e.  Crédit  gruyérien  &  cons.  (Amtl.  Samml.  Bd  XX, 
S.  928,  Ë.  10).  Ebenso  ist  erfüllt  das  Erfordernis  der  Ver- 
fügungsgewalt der  Klägerin  über  diese  Aktien,  und  zwar  der 
Verfügungsgewalt  mit  dem  Willen  des  Direktors  Hämmerli; 
denn  die  Bank  in  Graubünden,  bei  der  die  Aktien  deponiert 
sind,  übt  den  Gewahrsam  lediglich  als  Stellvertreter  der 
Klägerin  aus  und  letztere  kann  über  sie  verfügen.  Fraglicher 
erscheint,  ob  die  Forderung  der  Klägerin  und  der  Gegenstand 
der  Retention  in  einem  Zusammenhange  stehen.  Von  einer 
Anwendung  des  Art.  224  Abs.  2  0.  R.  kann  keine  Rede  sein, 
da  der  Direktor  einer  Aktiengesellschaft  nicht  als  Kaufmann 
anzusehen  ist,  sofern  er  nicht  etwa  sonst  schon  den  Beruf 
eines  Kaufmanns  betreibt  (vergi.  R.  G.  Entsch.  in  Civilsachen 
Bd  19  S.  123  f.).  Die  Frage  ist  danach  zu  entscheiden  auf 
Grund  des  Abs.  I  des  Art.  224  1.  c,  und  hier  ist  nicht  ge- 
sagt, was  unter  „Zusammenhang"  zu  verstehen  ist.  Einen 
Anhaltspunkt  zur  Entscheidung  darüber  giebt  indes  die  Gegen- 
überstellung des  ersten  und  zweiten  Absatzes:  daraus  ist 
jedenfalls  zu  entnehmen,  dass  der  „Zusammenhang"  des  Abs.  1 
enger,  näher  sein  muss,  als  derjenige  des  Abs.  2.  Ein  solch 
näherer  Zusammenhang  ist  nun  unzweifelhaft  und  unbestrit- 
tenermassen  vor  allem  dann  vorhanden,  wenn  die  Sache,  die 
der  Retinent  in  Gewahrsam  hat,  das  passive  Objekt  ist,   auf 


125 

welches  der  Retinent  Verwendungen  macht,  die  eine  Forde- 
rung gegenüber  dem  Eigentümer  der  Sache  begründen,  oder 
wenn  die  Sache  selbst  die  Urheberin  der  Forderung  ist,  in- 
dem sie  Schaden  verursacht  hat.  (Vergi.  Sträuli,  das  Reten- 
tionsrecht nach  dem  Bundesgesetz  über  das  Obligationenrecht, 
S.  60;  Hafner,  Komm.  2.  Aufl.,  Art.  224,  Anm,  8.)  Allein 
hiemit  sind  die  Fälle  des  Zusammenhangs  noch  nicht  er- 
schöpft. Vielmehr  ist  ein  Zusammenhang  auch  da  gegeben, 
wo  Forderung  und  Gegenstand  der  Betention  auf  einem  und 
demselben  Rechtsverhältnisse  in  der  Weise  beruhen,  dass  der 
Retentionsgegenstand  kraft  einer  aus  dem  gleichen  Verhält- 
nisse, aus  welchem  die  Forderung  hervorgeht,  entspringenden 
gesetzlichen  Verpflichtung  in  den  Gewahrsam  des  Gläubigers 
.gelangt  ist.  Dies  trifft  aber  hier  zu;  die  Pflicht  des  Direk- 
tors H.  zur  Deposition  der  Aktien,  bezw.  der  Gewahrsam  der 
Klägerin,  beruht  auf  dem  Dienstvertrag  der  letztern  mit 
ersterem  gemäss  Art.  658  0.  R.  und  §  23  der  Statuten;  auf 
denselben  Dienstvertrag  wird  aber  auch  die  Forderung  der 
Klägerin  gegen  H.  gestützt.  Dagegen  ist  aus  den  vorliegen- 
den Akten  nicht  ersichtlich,  ob  das  letzte  Requisit,  die  Fällig- 
keit der  Forderung  der  Klägerin,  in  casu  gegeben  ist.  (Im 
weitern  wird  ausgeführt,  dass  nach  der  prozessualen  Sachlage 
•die  Sache  zur  Verhandlung  und  Entscheidung  über  diesen 
Punkt  an  die  kantonalen  Gerichte  zurückgewiesen  werden 
müsse»)  (Entscb.  vom  30.  April  1898  i.  S.  J.  Bossard  c.  Fa- 
briken Landquart.) 

86.  Art.  10,231  Abs.  1  0.  R.  Inwiefern  für  Ansprüche  aus 
Liegenschaftskäufen  Realexekution  Platz  greife,  beurteilt  sich  nach 
kantonalem  Rechte.  Verträge  über  Begründung  einer  Grunddienst- 
barkeit unterstehen  (auch  wenn  sie  bloss  obligatorische  Wirkung 
haben)  dem  kantonalen  Rechte. 

1.  Für  Liegensohaftskäufe  gilt  nach  Art.  231  Abs.  1  0.  R. 
und  konstanter  bundesgerichtlicher  Praxis  das  eidg.  Obliga- 
tionenrecht überhaupt  nicht,  weder  in  seinen  speziell  auf  den 
Kaufvertrag  bezüglichen,  noch  in  seinen  allgemeinen  Bestim- 
mungen, sondern  gilt  durchaus  das  kantonale  Recht;  es  ist 
also  auch  (insoweit  als  hiefür  überhaupt  privatrechtliche  und 
nioht  lediglich  prozessrechtliche  Grundsätze  zur  Anwendung 
kommen)  nach  kantonalem  und  nicht  nach  eidgenössischem 
Privatrecht  zu  beurteilen,  inwiefern  für  derartige  Ansprüche 
schlechthin  Realexekution  verlangt  werden  könne,  oder  nicht 
vielmehr  statt  der  Realerfüllung  auf  ein  Geldäquivalent  er- 
kannt werden  könne  oder  müsse. 


126 

2.  Wie  das  Bundesgericht  schon  wiederholt,  insbesondere 
in  der  Entscheidung  Steiner-Höhn  c.  Kälin  vom  13.  März  1897 
( Am tl.  Samml.  Bd  XXIII S.  147  ff.)  ausgesprochen  hat,  gilt  für, 
auch  bloss  obligatorische,  auf  Begründung  einer  Dienstbarkeit 
gerichtete  Vereinbarungen,  selbst  wenn  dieselben  selbständig- 
und  nicht  als  Bestandteile  eines  Liegensohaftskaufes  einge- 
gangen worden  sind,  gemäss  Art.  10  0.  RÎ  kantonales  und  nicht 
eidgenössisches  Recht.  (Entsch.  vom  18.  Juni  1898  i.  S.  Meyer- 
Fröhlich  c.  Ballmers  Erben.) 


87.  Art  50  #.,  53, 61, 69  0.  R.  Fabrikhaftpflichtgesetz  Art.13. 
Zulässigkeii  des  Vorbehalts  der  Nachklage,  wenn  in  Körperver- 
letzungsfallen die  Folgen  noch  nicht  zu  übersehen  sind.  Verjährung 
der  DeUkLsklagen.    Aufsichtspflicht  des  Vaters. 

Der  lo-jährige  Progymnasialschüler  A.  S.,  welcher  nach 
dem  Zeugnisse  seiner  Lehrer  ein  harmloser,  nicht  streitlustiger 
Knabe,  aber  hochgradig  nervös  und  gelegentlich  epileptoformen 
Anfällen  unterworfen  ist,  geriet  am  28.  September  1897  auf  der 
Strasse  mit  andern  Knaben,  von  denen  einer  ihn  gehöhnt  hatte, 
in  Streit.  A.  S.  hielt  damals  in  der  rechten  Hand  ein  nicht 
versohliessbares  Küchenmesser  (sogen.  „Schnitzer"),  mit  wel- 
ohem  er  seinem  Brüderchen  Rosskastanien  hatte  schnitzen 
wollen.  Im  Laufe  des  Streites  versetzte  er  dem  ca.  13-jährigen 
F.  R.  einen  Stich  in  die  linke  Lendengegend  und  zwar,  wie 
festgestellt  ist,  indem  er  auf  denselben  einhieb,  ohne  daran 
zu  denken,  dass  er  ein  offenes  Messer  in  der  Hand  hatte. 
Die  Verletzung  bestand  in  einer  Perforation  des  Dünndarms, 
welche  eine  Peritonitis  zur  Folge  hatte.  Der  Verletzte  war 
während  sieben  Wochen  arbeitsunfähig,  ist  seither  zwar  geheilt, 
allein  es  sei  ihm  zu  empfehlen,  einen  leichtern  Beruf  zu  wählen, 
und  es  liegt  nach  dem  Expertengutachten  die  Möglichkeit 
eines  bleibenden  Nachteils  nahe,  da  sich  erfahrungsgemäß 
bei  Bauchfellentzündungen  häufig  abnorme  Verwachsungen  mit 
eventuellen  schlimmen  Folgen  (z.  B.  Darmschluss)  bilden  und 
zudem  die  Bildung  eines  Bauchbruches  nahe  liege. 

Der  Vater  des  Verletzten  belangte  als  Vormund  seines 
Sohnes,  des  A.  S.,  sowie  als  für  diesen  gemäss  Art.  61  O.R. 
verantwortlich  dessen  Vater  auf  eine  Entschädigung  von  5629 
Franken,  worunter  5000  Franken  für  bleibenden  Nachteil.  Das 
Bundesgericht  hat  für  bereits  eingetretene  Nachteile  (Heilungs- 
kosten, Schmerzengeld  etc.)  eine  Entschädigung  von  600  Fr. 
gutgehei88en.  Ueber  die  Entschädigungsforderung  für  bleibende 
Nachteile   hat   es   nicht  definitiv  erkannt,  dagegen  dem  Ver- 


127 

letzten  deren  spätere  Geltendmachung  vorbehalten.  Hinsicht- 
lich der  Zulässigkeit  eines  solchen  Vorbehalts  wird  in  den 
Entscheidungsgründen  bemerkt: 

Nach  dem  Expertengutachten  sind  die  Folgen  der  Ver- 
letzung zur  Zeit  noch  nicht  abgeklärt,  ist  insbesondere  noch 
ungewiss,  ob  sich  ein  dauernder  Nachteil  einstellen  wird. 
Danach  fragt  sich,  ob  dieser  Anspruch  heute  definitiv  abzu- 
weisen oder  aber  in  irgend  einer  Weise  dem  Kläger  vorzu- 
behalten ist,  letzteres  um  so  mehr,  als  nach  dem  Gutachten 
eine  nahe  Möglichkeit  später  eintretender  Verschlimmerungen 
vorliegt.  Hierüber  ist  zu  sagen:  Dem  Kläger  standen  zwei 
Wege  offen,  um  sich  die  Zusprechung  einer  Entschädigung 
für  bleibenden  Nachteil  zu  sichern.  Denn:  entweder  konnte 
er  mit  einer  Klage  für  Entschädigung  wegen  bleibenden  Nach- 
teils zuwarten,  bis  ein  soloher  eingetreten  war.  Eine  solche 
Klage  müsste  allerdings  innert  der  zehnjährigen  Frist  des 
Art.  69  Abs.  1  0.  R.  angestellt  werden  ;  diese  zehnjährige  Frist 
läuft  vom  Tage  der  Schädigung,  d.  h.  hier  vom  Tage  der 
unerlaubten  Handlung  (vergi,  den  französischen  Text:  „du  jour 
où  le  fait  dommageable  s'est  produit,"  und  den  italienischen  : 
„dal  giorno  del  danno,"  die  beide  präziser  gefasst  sind  als 
der  deutsche  Text)  an.  Würde  dann  der  bleibende  Nachteil 
innert  dieser  zehn  Jahre  eintreten,  so  begänne  für  den  An- 
spruch auf  Entschädigung  wegen  bleibenden  Nachteils  die 
einjährige  Frist  der  genannten  Gesetzesstelle  vom  Momente 
des  Eintrittes  dieses  bleibenden  Nachteils  zu  laufen,  da  als 
Schädigung  in  diesem  Zusammenhang  nicht  die  unerlaubte 
Handlung,  sondern  der  Nachteil  zu  verstehen  ist  (vergi,  wie- 
derum den  französischen  und  den  italienischen  Text  mit  dem 
deutschen).  Oder  er  hätte  jetzt  schon  Leistungsklage  auf 
Ersatz  der  Heilungskosten  und  Zahlung  von  Schmerzengeld 
und  daneben  Feststellungsklage  auf  Bestehen  des  Anspruches 
auf  Entschädigung  für  bleibenden  Nachteil  erheben  können, 
welch  letztere  wohl  gleichfalls  hätte  gutgeheissen  werden 
müssen,  ähnlich  einer  Klage  auf  Feststellung  der  grundsätz- 
lichen Schadenersatzpflicht.  (Vergi,  für  das  preussische  Recht: 
Entsch.  des  Reichsgerichts  in  Zivilsachen,  Bd  30  S.  270  ff,, 
ferner  Wach,  der  Feststellungsanspruch,  S.  61.)  Der  Kläger 
hat  nun  freilich  vorgezogen,  heute  schon  eine  Gesamtentschä- 
digung, darunter  inbegriffen  ein  Kapital  von  5000  Fr«  für 
bleibenden  Nachteil,  einzuklagen.  Allein  nichts  steht  entgegen, 
dass  heute  vom  Geriohte  nur  über  denjenigen  Schaden  ent- 
schieden werde,  der  im  Momente  der  Urteilsfällung  klar  vor- 
liegt, und   dass  gleichzeitig   dem   Kläger  vorbehalten  werde, 


128 

Entschädigung  für  einen  künftigen  bleibenden  Nachteil  nach 
dessen  Eintritt  einzuklagen,  mit  der  Wirkung,  dass  die  Ein- 
rede der  abgeurteilten  Sache  dieser  spätem  Klage  nicht  ent- 
gegengehalten werden  kann.  Ein  derartiger  Vorbehalt  bezw. 
eine  derartige  Einschränkung  der  derzeitigen  rechtskräftigen 
Entscheidung  entspricht  der  Natur  der  Verhältnisse  und  ist 
duroh  das  eidgenössische  Obligationenrecht  keineswegs  aus- 
geschlossen. Denn  nach  Art.  53  O.  B.  hat  der  Verletzte  bei 
Körperverletzung  Anspruch  auf  Entschädigung  für  die  Nach- 
teile gänzlicher  oder  teilweiser  Arbeitsunfähigkeit,  und  wenn 
nun  schon  im  Momente  der  Urteilsfällung  über  einen  der- 
artigen Anspruch,  weil  er  erhoben  ist,  auch  definitiv  ent- 
schieden werden  musate,  wäre  derselbe  entweder  abzuweisen, 
da  er  eben  in  diesem  Momente  schlechterdings  nicht  begründet 
erscheinen  würde,  oder  es  müsste  eine  rein  willkürliche,  nur 
aufMutmassungen  sich  stützende  Gutheissung  erfolgen.  Weder 
das  eine  noch  das  andere  entspräche  den  eigenartigen  Ver- 
hältnissen derartiger  Fälle.  Dagegen  erscheint  der  Vorbehalt 
einer  Nachklage  als  die  richtige  Lösung.  Derselbe  ist  im 
Grunde  identisch  mit  einer  Abweisung  des  Anspruchs  so,  wie 
er  eingeklagt  ist  —  mittelst  Leistungsklage  —  zur  Zeit,  oder 
mit  einem  Feststellungsurteil  über  den  Grund  des  Anspruchs 
unter  Vorbehalt  der  Liquidation  des  Betrages  in  einem  spätem 
Prozesse  ....  —  Gegen  die  Zulässigkeit  des  gedachten  Vor- 
behaltes spricht  auch  nicht  die  Vergleichung  des  eidgen.  Obli- 
gationenrechts mit  den  Haftpflichtgesetzen*  Die  in  casu  ge- 
machte Einschränkung  der  Rechtskraft  ist  nicht  genau  das- 
selbe Rechtsgebilde,  wie  der  Rektifikationsvorbehalt  dieser 
Gesetze:  bei  letzterem  kann  es  vorkommen,  dass  rechtskräftig 
über  den  ganzen  Anspruch  entschieden  und  nur  eine  Klage 
■auf  Berichtigung  bezw.  Abänderung  dieses  rechtskräftigen 
Urteils  vorbehalten  wird,  und  zwar  mit  der  Wirkung,  dass 
auch  die  Einrede  der  Verjährung  des  ursprünglichen  Schaden- 
ersatzanspruchs gegenüber  einer  solchen  Klage  nicht  erhoben 
werden  kann,  vielmehr  (wenigstens  nach  dem  Fabrikhaftpflicht- 
gesetz Art.  13)  eine  neue  Verjährung  für  diese  Klage  läuft. 
So  weit  nun  erstreckt  sich  der  heute  zugelassene  Vorbehalt 
nicht;  vielmehr  ist  die  Nachklage  verjährt  mit  dem  Ablauf 
der  zehnjährigen  Verjährungsfrist  des  Art.  69  Abs.  1  0.  R.  Das 
Gesetz  will  kategorisch,  dass  nach  zehn  Jahren  vom  Tage 
der  Beibringung  der  Verletzung  weg  ein  Anspruch  aus  der- 
selben überhaupt  nicht  mehr  geltend  gemacht  werden  kann. 
Auch  ist,  falls  —  wie  hier  —  der  Thäter  bekannt  ist,  vom 
Momente  der  Schädigung,  d.  h.  für  Fälle,  wie  der  vorliegende, 


m 

des  eingetretenen  bleibenden  Nachteils,  an,  binnen  einem  Jahre 
zu  klagen. 

Hinsichtlich  der  Haftung  des  Vaters  S.  wird  in  dem  bun- 
de8gerichtliohen  Urteil  bemerkt:  Dem  Vater  liege  nach  Art.  61 
0.  R.  der  Entlastungsbeweis  dafür  ob,  dass  er  das  übliche  und 
durch  die  Umstände  gebotene  Mass  von  Sorgfalt  in  der  Be- 
aufsichtigung seines  Knaben  aufgewendet  habe.  Diesen  Be- 
weis habe  er  nun  allerdings  durch  die  Beibringung  von 
Schulzeugnissen  dafür,  dass  sein  Sohn  ein  durchaus  nor- 
maler, nicht  jähzorniger  oder  bösartiger  Knabe  sei,  der  keine 
besondere  Ueberwachung  erheische,  angetreten.  Allein  der 
Entlastungsbeweis  sei  nicht  gelungen.  Denn:  „Das  Herum- 
laufen von  Kindern  auf  der  Strasse  mit  offenen  Messern  bringt 
eine  derartige  Gefahr  mit  sich,  dass  alle  Aufsichtspflichtigen 
es  möglichst  verhindern  und  verbieten  sollten;  nun  hat  der 
Beklagte,  Vater  S.,  nicht  einmal  behauptet,  je  ein  solches 
Verbot  oder  besondere  Vorkehren  zur  Verhinderung  des  Er- 
greifens  des  Messers  getroffen  zu  haben.  Und  doch  wäre  er 
hiezu  und  überhaupt  zu  einer  äusserst  weitgehenden  Aufsicht 
um  so  mehr  verpflichtet  gewesen,  als  ihm  die  nervöse,  zu  epi- 
leptischen Anfällen  neigende  Natur  seines  Knaben  bekannt 
war  und  er  voraussehen  musste,  dass  sein  Knabe,  wenn  er 
auch  nicht  jähzornig  ist,  in  gereizten  Momenten  leicht  seine 
volle  Herrschaft  über  sich  verlieren  könne.  Die  Haftung  des 
Beklagten  Vater  S.  ist  somit  anzuerkennen."  (Entsoh.  vom 
18.  Juni  1878  i.  S.  Ruchti  c.  Schulthess.) 


88.  Art.  113,  338,  350  0.  R.  Rechtsverhältnis  zwischen 
Bauherrn  und  Architekten.  —  Haftung  des  Architekten  für  den 
durch  mangelhafte  Beaufsichtigung  der  Bauunternehmer  entstandenen 
Schaden. 

1.  Der  Vertrag  zwischen  dem  Bauherrn  und  dem  Archi- 
tekten, welcher  die  Entwerfung  der  Baupläne  für  einen  Haus- 
bau, den  Ab8chlu8s  der  Verträge  mit  den  Bauunternehmern 
(als  Vertreter  des  Bauherrn),  die  Bauleitung  und  Beaufsichti- 
gung gegen  Entgelt  übernimmt,  ist  kein  Werkvertrag,  sondern 
ein  Dienstvertrag. 

2.  Der  Architekt  haftet  aus  demselben  an  sich  nicht  für 
einen  von  den  Unternehmern  begangenen  Fehler,  dagegen 
haftet  er  gemäss  Art.  113  0.  B.  für  jedes  eigene  Verschulden; 
er  ist  insbesondere  auch  für  pflichtgemässe  Beaufsichtigung 
der  Bauunternehmer  verantwortlich.  Wenn  nichts  anderes  aus- 
bedungen ist,   so  ist   der  Architekt  nicht   verpflichtet,   eine 


130 

ständige,  ununterbrochene  Aufsicht  über  die  Unternehmer,  wie 
sie  nur  bei  beständiger  Anwesenheit  auf  dem  Bauplatze  möglich 
ist,  auszuüben  oder  ausüben  zu  lassen.  Dagegen  ist  er  immer- 
hin verantwortlich,  wenn  er  nicht  darüber  wacht,  dass  die 
Arbeiten  in  richtiger  Reihenfolge  und  zu  geeigneter  Zeit 
ausgeführt  werden,  und  es  geschehen  lägst,  dass  für  Arbeiten, 
welche  längere  Zeit  in  Anspruch  nehmen  und  bei  denen  ihm 
daher  die  Art  und  Weise  der  Ausführung  bei  gehöriger  Auf- 
merksamkeit anlässlich  seiner  periodischen  Besuche  des  Baues 
nicht  entgehen  kann,  fortwährend  erkenntlich  ungeeignetes 
Material  verwendet  wird. 

3.  Der  Architekt  haftet  dem  Bauherrn  für  den  infolge 
seiner  mangelhaften  Beaufsichtigung  entstandenen  Schaden  in 
vollem  Umfange,  ohne  dass  eine  Teilung  der  Ersatzpflicht 
zwischen  ihm  und  dem  fehlbaren  Unternehmer  Platz  greift. 
Dagegen  ist  er  berechtigt,  vom  Bauherrn  gegen  Zahlung  der 
ihm  schuldigen  Entschädigung  die  Abtretung  seiner  Rechte 
gegen  den  fehlbaren  Unternehmer  zu  verlangen.  (Entsoh.  v. 
14.  Mai  1898  i.  S.  Delachaux  o.  Pittet.) 


89.  Art.  358  0.  R.  Der  Besteller  eines  Werkes,  welcher 
dasselbe  nach  Entdeckung  und  Anzeige  von  Mängeln  für  sich 
weiter  braucht,  verzichtet  dadurch  auf  dessen  Heimschlagung  on 
den  Unternehmer  wegen  der  betreffenden  Mängel,  nicht  dagegen 
auf  das  Recht,  einen  entsprechenden  Abzug  am  Werklohn  zu  ver- 
langen. 

So  lange  der  Betrieb  des  gelieferten  Werkes  zur  Prüfung 
seiner  vertragsmässigen  Beschaffenheit  erforderlich  ist,  kann 
in  diesem  Betrieb  selbstverständlich  eine  Genehmigung  nicht 
erblickt  werden.  Nachdem  aber  die  Mängel  zu  Tage  getreten 
sind,  muss  der  Besteller  sich  darüber  klar  sein,  ob  das  Werk 
für  ihn  überhaupt  brauchbar  sei  oder  nicht,  und  er  wegen 
der  Mängel  genötigt  sei,  dasselbe  dem  Unternehmer  zurück- 
zubieten, oder  ob  zu  seiner  Schadloshaltung  ein  entsprechender 
Lohnabzug  hinreiche.  Setzt  er  den  Gebrauch  trotz  der  kon- 
statierten Mängel  fort,  so  muss  grundsätzlich  darin  der  Ver- 
zicht erblickt  werden,  dasselbe  dem  Unternehmer  zurück- 
zuweisen; denn  der  Besteller  darf  nicht  selbst  über  dasselbe 
verfügen,  wenn  er  es  dem  Unternehmer  zur  Verfügung  stellen 
will.  Dagegen  liegt  kein  genügender  Grund  dafür  vor,  in 
dem  ferneren  Gebrauch  ohne  weiteres  auch  die  Erklärung  zu 
erblicken,  dass  der  Besteller  das  mangelhafte  Werk,  dessen 
Mängel    er   dem  Unternehmer   rechtzeitig   und  in   gehöriger 


131 

Form  angezeigt  hat,  als  vertragsgemäss  geliefert  anerkennen 
wolle.  Soweit  ihm  also,  auch  wenn  er  das  gelieferte  Werk 
behält,  ein  Anspruch  wegen  Mängel  desselben  gegen  den 
Unternehmer  zusteht,  verwirkt  er  denselben  durch  die  weitere 
Verfügung  über  dasselbe  nicht,  und  bleibt  danach  in  oasu 
dem  Beklagten,  trotz  des  konstatierten  Gebrauchs,  zwar  nicht 
der  Wandelungs-,  wohl  aber  der  Preisminderungsanspruch, 
bezw.  die  Forderung  auf  einen  entsprechenden  Abzug  am 
Werklohn  unbenommen.  (Entscb.  vom  16.  Juli  1898  i.  S. 
Dannenberg  und  Schaper  c.  Renz.) 


90.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art  58,  59.  0.  R.  Art.  678,  680 
Ziff.  7,  703,  716,  717,  865  Abs.  3,  894.  Begriff  des  Haupt- 
urieils.  Streitwertberechnung  bei  Anfechtungsklagen  gegen  Genossen- 
Schaftsbeschlüsse.  —•  Begriff  des  wirtschaftlichen  Vereines  Rechts- 
Verhältnisse  wirtschaftlicher  Vereine,  welche  bei  Inkrafttreten  des 
O.  R.  das  Recht  der  Persönlichkeit  besagen.  Einführung  der 
Schiedsgerichtsklausel  durch  Mehrheitsbeschluß  einer  Genossen- 
schaft,  wenn  Statutenrevision  durch  Mehrheilsbeschluss  zulässig  ist. 

1.  Die  angefochtene  Entscheidung  entscheidet  darüber, 
ob  die  Kläger  verpflichtet  seien,  sich  der  Schiedsgerichts- 
klausel der  (neuen)  Statuten  der  Genossenschaft  Sparkasse  Z. 
zu  unterwerfen,  oder  ob  ihnen  nicht  vielmehr  das  Recht  zu- 
stehe, deren  Aufhebung  zu  verlangen,  weil  dieselbe  in  Ver- 
letzung der  den  Klägern  als  Mitgliedern  der  Genossenschaft 
aus  dem  Genossenschaftsverhältnis  zustehenden  Rechte  auf- 
gestellt worden  sei.  Sie  entscheidet  also  über  subjektives 
Privatrecht,  über  das  von  den  Klägern  behauptete  genossen- 
schaftliche Sonderrecht,  sich  einer  ohne  ihre  Zustimmung 
durch  Mehrheitsbeschlus8  erfolgten  Aenderung  der  frühern 
Statuten  in  den  streitigen  Punkten  zu  widersetzen.  Dass  das 
Urteil,  nachdem  es  die  Schiedsgerichtsklausel  als  für  die 
Kläger  verbindlich  erklärt  hat,  auf  die  übrigen  Punkte  sach- 
lich nicht  eintritt,  sondern  deren  Erledigung  dem  statutarischen 
Schiedsgerichte  vorbehält,  ändert  an  dessen  Natur  als  Haupt- 
urteil nichts.  Denn  es  wird  durch  dasselbe  ja  nichts  desto- 
weniger  der  Rechtsstreit,  soweit  er  nicht  überhaupt  nach  der 
vorinstanzlichen  Entscheidung  durch  gültige  Satzung  den 
ordentlichen  Geriohten  entzogen  ist,  endgültig  erledigt. 

2.  Für  die  Streitwertberechnung  bei  Anfechtungsklagen 
einzelner  Mitglieder  einer  Aktiengesellschaft,  Genossenschaft 
u.  s.  w.  gegen  Beschlüsse  der  Generalversammlung,  deren  Zu- 


132 

spruch  präjudiziell  -wirkt  und  die  angefochtene  Sohlussnahme 
in  toto  gegenüber  allen  Beteiligten  aufhebt,  ist  nickt  das 
Spezialinteresse  der  Kläger,  sondern  das  Gesammtinteresse  der 
beklagten  Gesellschaft  oder  Körperschaft  massgebend  (Revue 
Bd  XVI  No.  29). 

3.  Ein  Verein,  welcher  als  einzige  oder  Hauptthätigkeit 
den  Betrieb  eines  Handelsgewerbes  ausübt  (wie  ein  Spar- 
kassen verein,  welcher  einen  Zweig  des  Bankiergewerbes,  die 
Annahme  von  Depositen  und  deren  Anlage  betreibt),  ist  ein 
wirtschaftlicher  im  Sinne  des  Gesetzes  (Art.  678,  717  O.  R.), 
auch  dann,  wenn  der  Geschäftsgewinn  nicht  den  Mitgliedern, 
sondern  gemeinnützigen  Zwecken  zukommen  soll  und  über- 
haupt der  Gewerbebetrieb  in  erster  Linie  nicht  um  eines 
Geschäftsgewinnes,  sondern  um  des  damit  für  das  Gemein- 
wohl verbundenen  Nutzens  willen  geführt  wird.  Auch  in 
diesem  Falle  bewegt  sich  die  Thätigkeit  des  Vereins,  trotz 
des  zu  Grunde  liegenden  gemeinnützigen  Motivs,  durchaus 
und  ausschliesslich  auf  dem  Gebiete  des  wirtschaftlichen  Ver- 
kehrs, und  musB  daher  der  Verein  den  für  wirtschaftliche 
Vereine  geltenden  Rechtsnormen  unterstehen,  wie  dies  auch 
durch  das  Interesse  des  Publikums,  das  mit  solchen  Vereinen 
in  Beziehungen  tritt,  gefordert  wird.  Aus  Art.  680,  Ziff.  7 
und  703  0.  R.  ergiebt  sich  denn  übrigens,  dass  das  Gesetz 
als  wirtschaftliche  Vereine  bezw.  Genossenschaften  jedenfalls 
nicht  nur  solche  behandelt  wissen  will,  welche  die  Erzielung 
eines  verteilbaren  Reingewinnes  bezwecken. 

4.  Wirtschaftliche  Vereine,  welche  das  Recht  der  Persön- 
lichkeit bereits  nach  dem  frühern  kantonalen  Rechte  besassen, 
brauchten  dasselbe  nicht  erst  nach  dem  Inkrafttreten  des 
Obligationenrechts  durch  Eintragung  in  das  Handelsregister 
zu  erwerben,  wohl  aber  waren  sie  gemäss  Art.  865  Abs.  3 
und  Art.  894  0.  R.,  als  Inhaber  eines  eintragspflichtigen  Ge- 
schäftes verpflichtet,  sich  in  das  Handelsregister  eintragen 
zu  lassen. 

5.  Mu8S  einmal  das  Mitglied  einer  Genossenschaft  über- 
haupt sich,  gemäss  statutarischer  Bestimmung,  die  Abänderung 
des  Genossenschaftsstatuts  durch  Mehrheitsbeschluss  gefallen 
lassen,  hat  es  sich  derartigen  Mehrheitsbeschlüssen  zum  vorn- 
herein ganz  allgemein  unterworfen,  so  sind  von  dieser  regel- 
mässigen Verbindlichkeit  des  Mehrheitsbeschlusses  jedenfalls 
nur  solche  Aenderungen  der  korporativen  Verfassung  aus- 
geschlossen, welche  wesentliche  Punkte  betreffen,  die  Sonder- 
rechte der  Genossenschafter  in  ihrer  Substanz  und  Wesenheit 
berühren.     Dazu    gehört   nun   die   Aenderung,  welche   durch 


133 

Einführung  einer  Schiedsgerichtsklausel  herbeigeführt  wird, 
nicht.  Dieselbe  betrifft  lediglich  die  prozessuale  Behandlung 
der  Streitigkeiten  zwischen  Genossenschaft  und  Genossen- 
schaftern, d.  h.  die  Art  und  Weise,  wie  im  Streitfalle  das 
Becht  der  Genossenschafter  und  der  Genossenschaft  zur  recht- 
lichen Anerkennung  zu  bringen  ist,  ohne  den  materiellen  In» 
halt,  Bestand  und  Umfang  der  Herrschafts-  oder  Forderungs- 
rechte, welche  der  Genossenschaft  und  den  Genossenschaftern 
zustehen,  irgendwie  zu  berühren.  Es  kann  auch  nicht  gesagt 
werden,  dass  die  Aufstellung  einer  Schiedsgerichtsklausel  über 
den  Zweck  einer  Sparkassagenossenschaft  hinausgehe.  Denn 
die  Schiedsgerichtsklausel  betrifft  die  Ordnung  einer  Ânr 
gelegenheit  des  genossenschaftlichen  Gemeinlebens,  die  Rege- 
lung der  Anstände,  welche  zwischen  Genossenschaft  und  Ge- 
nossenschaftern aus  dem  Genossenschaftsverhältnis  entstehen 
können,  also  die  Regelung  des  letztern  Verhältnisses  in 
streitigen  Fällen,  und  bewegt  sich  daher  innerhalb  des  Geltungs- 
gebietes der  Verfügungsgewalt  der  Genossenschaft.  (Entsoh. 
y.  18.  Juli  1898  i.  S.  Fridlin-Galliker  und  Genossen  c.  Spar- 
kasse Zug.)  

91.  Art.  813  Abs.  2  0.  R.  Rechtsverhältnis  bei  Erteilung  einer 
Wechselunterschrift  aus  „6efäUigkeil.u  Voraussetzungen  der 
Wechselbereicherungsklage  gegen  den  Trassaten* 

Der  Beklagte  M.  hatte  auf  J.  Bl.,  welcher  ihm  für  ge- 
lieferte Arbeiten  Fr.  4000  schuldete,  zum  Zwecke  des  Einzugs 
dieser  Forderung  vier  Wechsel  an  eigene  Ordre  über  je 
Fr.  1000,  fällig  Mitte  Dezember  1896,  gezogen,  welche  von 
J.  Bl.  acceptiert  worden  waren.  M.  versah  die  Wechsel  mit 
seinem  Blankoindossament,  der  Kläger  mit  seinem  Vollindossa- 
ment an  die  Schweiz.  Volksbank.  Der  Acceptant  löste  die 
Wechsel  bei  Verfall  nicht  ein,  so  dass  der  Kläger  dieselben 
im  Regresswege  einlösen  musste.  Dieser  versäumte  den  Regress 
gegen  den  Beklagten,  erhob  dann  aber  im  ordentlichen  Verfahren 
Klage  gegen  den  Beklagten  auf  Bezahlung  von  vier  Mal 
Fr.  1009.55  nebst  Zins,  indem  er  geltend  machte:  Er  habe 
sein  Giro  auf  Ersuchen  des  Beklagten  aus  Gefälligkeit  gegeben, 
worauf  dann  die  Volksbank  die  Wechsel  angenommen  und 
der  Beklagte  von  ihr  direkt  die  Fr.  4000  ausbezahlt  erhalten 
habe.  Der  Beklagte  sei  ihm  daher  schadenersatzpflichtig,  da 
beim  Gefälligkeitsgiro  jejjer  Schaden  des  Gefälligkeits- 
indossanten wegbedungen  sei.  Zudem  seien  die  Voraussetzungen 
der  Wechselbereicherungsklage  gemäss  Art.  813  Abs.  2  O.  R. 
gegeben,   da  der  Beklagte   gegenüber  dem   Kläger,   welcher 

10 


134 

weder  ihm  noch  dem  Bl.  etwas  sohulde,  grundlos  bereichert 
sei.  Das  Bundesgerioht  hat  die  Klage  abgewiesen,  im  wesent- 
lichen aus  folgenden  Gründen: 

Das  nicht  in  Schenkungsabsicht  gegebene  Gefälligkeits- 
indossament wird  allerdings,  wie  das  Gef&lligkeitsaccept, 
regelmässig  nur  gegeben  unter  der  stillschweigend  oder  aus- 
drücklich vorausgesetzten  Verpflichtung  desjenigen,  für  den 
es  gewährt  wird,  für  die  Einlösung  des  Wechsels  besorgt  zu 
sein,  bezw,  den  dem  Gefälligkeitsindossanten  allfällig  aus  der 
gezwungenen  Einlösung  des  Wechsels  entstehenden  Schaden 
zu  ersetzen.  Allein  es  ist  klar,  dass  aus  dem  Gefälligkeits- 
indossament dem  Indossanten  ein  oivilrechtlicher  Anspruch 
nur  gegen  Denjenigen  erwächst,  für  den  er  das  Indossa- 
ment gegeben  hat,  und  die  entscheidende  Frage  ist  daher  die, 
ob  der  Kläger  sein  Indossament  aus  Gefälligkeit  für  den 
Beklagten  oder  für  B.  erteilt  habe.  Nun  hat  der  Beklagte  die 
klägerische  Darstellung,  wonach  der  Beklagte  den  Kläger 
ersucht  hätte,  sein  Giro  auf  den  Wechsel  zu  setzen,  aus- 
drücklich bestritten,  und  gegenteils  behauptet,  das  Giro  des 
Klägers  sei  eine  reine  Gefälligkeit  gegenüber  Bl.  gewesen. 
Dem  Kläger  lag  daher  der  Beweis  für  die  Richtigkeit  der 
Klagethatsachen  ob.  Beide  kantonalen  Instanzen  haben  jedoch 
übereinstimmend  angenommen,  derselbe  sei  nicht  geleistet, 
und  diese  Annahme  ist  fiir  das  Bundesgerioht  verbindlich,  da 
sie  offenbar  nicht  aktenwidrig  ist 

Da  feststeht,  dass  der  Beklagte  auf  J.  Bl.  eine  fällige 
Forderung  von  Fr.  4000  für  geleistete  Arbeiten  hatte,  und  die 
vier  Wechsel  behufs  Zahlung  ihrer  Forderung  von  Bl.  accep- 
tiert  worden  sind,  der  Beklagte  also  dem  Acceptanten  den 
vollen  Gegenwert  für  sein  Acoept  geleistet  hat,  könnte  von 
einer  Bereicherung  desselben  und  somit  von  einer  Wechsel- 
bereicherungsklage gemäss  Art.  813  Abs.  2  0.  R.  nnr  insofern 
die  Rede  sein,  als  ihm  neben  der  infolge  Diskontierung  der 
Wechsel  empfangenen  Valuta  noch  die  ursprüngliche  civile 
Forderung  auf  den  Acceptanten  Bl.  zustehen  würde.  Diese 
Frage  müsste  ohne  weiteres  verneint  werden,  falls  die  Wechsel, 
resp.  die  Accepte  von  Bl.  an  Zahlungsstatt  gegeben  worden 
wären,  indem  in  diesem  Falle  die  Schuld  mit  der  Weohsel- 
resp.  Acceptannahme  seitens  des  Beklagten  erloschen  sein 
würde.  Die  Vorinstanz  hat  jedoch  angenommen,  dass  die 
Wechsel  hier  offenbar  nicht  an  Zahlungsstatt,  sondern  zahlungs- 
halber von  Bl.  acceptiert  worden  seien,  und  von  dieser  An- 
nahme hat  auch  das  Bundesgericht  auszugehen,  da  die  Wechsel- 
resp.  Accepthingabe    an    Zahlungsstatt    nicht    zu    vermuten, 


135 

sondern  im  Zweifel  Geben  zahlungshalber  anzunehmen  ist 
{vergi.  Amtl.  Samml.  der  bundesger.  Entsch.  BdXIV,  S.  311, 
E.  6),  und  in  casu  keinerlei  Anhaltspunkte  vorliegen,  welche 
zur  Entkräftung  der  Vermutung  für  Hingabe  und  Annahme 
zahlungshalber  genügen  würden.  Was  nun  die  Frage  betrifft, 
ob  bei  Hingabe  von  Wechseln  oder  Aocepten  zahlungshalber 
die  zu  Grunde  liegende  Schuld  nur  bei  Einlösung  des  Wechsels 
durch  den  Bezogenen  resp.  Acceptantes  oder  schon  mit  der 
Weiterbegebung  des  Wechsels  gegen  Empfang  der  Valuta 
erlösche,  so  kann  dieselbe  für  die  Entscheidung  des  vor- 
liegenden Prozesses  dahingestellt  bleiben.  Denn  auch  bei  der 
Annahme,  dass  die  civile  Forderung  des  Beklagten  gegen  BL 
noch  nicht  erloschen  sei,  weil  der  Acceptant  und  Haupt- 
wechselschuldner weder  diese  noch  die  Wechselforderung  be- 
zahlt, also  keinerlei  Aufwendung  aus  seinem  Vermögen  zur 
Deckung  der  Wechsel  und  der  civilen  Schuld  gemacht  hat, 
kann  es  sich  richtiger  Ansicht  naoh  um  eine  Bereicherung 
des  Beklagten  um  die  empfangene  Valuta  (welche  mit  gegen- 
wärtiger Klage  vom  Kläger  herausverlangt  wird)  nicht  handeln, 
sondern  es  kann  dessen  Bereicherung  nur  in  der  civilen 
Forderung  liegen,  welche  er  neben  der  empfangenen  Valuta 
noch  hat.  Auf  Herausgabe  dieser  Bereicherung,  d.  h.  auf 
Ueberlassung  der  dem  Beklagten  gegenüber  BL  zustehenden 
Civilforderung  an  den  Kläger  ist  aber  die  Klage  nicht  ge- 
richtet. Bezüglich  der  Frage,  worin  die  Bereicherung  des 
Trassanten  liege,  und  worauf  daher  die  gegen  ihn  angestellte 
Bereioherungsklage  zu  richten  sei,  ist  nämlich  zu  bemerken: 
Nach  Art.  313  Abs.  1  u.  2  0.  R.  sind  die  weohselrecht- 
lichen  Verbindlichkeiten  aus  dem  Wechsel  durch  Verjährung 
oder  durch  Nichtbeachtung  von  wechselrechtliohen  Fristen  oder 
Förmlichkeiten  erloschen,  und  bleiben  Aooeptant  und  Aus- 
steller nur  noch  aus  der  Bereicherung  verpflichtet:  Dass  nun 
etwa  der  Anspruch  aus  der  Bereicherung  immer  (wie  aller- 
dings überwiegend  von  deutschen  Autoren  angenommen  wird) 
auf  Zahlung  einer  Geldsumme  gehe,  ergiebt  sich  aus  dem 
Gesetze  nicht,  und  lässt  sich  lediglich  damit,  dass  dieser  An- 
spruch ein  Residuum  des  Wechselanspruchs  sei,  nicht  be- 
gründen. Durch  das  Wechselrecht  wird  derselbe  allerdings 
insofern  normiert,  als  dieses  seine  Voraussetzungen  feststellt, 
die  Personen,  denen  und  gegen  die  der  Anspruch  zusteht,  und 
endlich  dessen  Inhalt  bezeichnet.  Allein  der  Umstand,  dass 
die  Personen,  gegen  welche  der  Anspruch  erhoben  werden 
kann,  nach  Art.  813  Abs.  3  nicht  notwendig  im  Wechsel- 
verband gestanden  haben  müssen,  zeigt  deutlich,  dass  derselbe 


136 

gegenüber  dem  untergegangenen  Anspruch  aus  dem  Wechsel- 
recht  auf  selbständiger  Grundlage  beruht.  Der  Inhalt  des- 
Anspruchs besteht  nun  einfach  in  der  Pflicht  zur  Herausgabe 
der  Bereicherung  an  den  geschädigten  Wechseleigentümer. 
Besteht  diese  Bereicherung  in  etwas  anderem  als  in  einer 
Geldsumme,  so  steht  nach  dem  Gesetze  nichts  entgegen,  als 
Ziel  der  Bereicherungsklage  die  Verurteilung  zur  Herausgabe 
desjenigen  Gegenstandes  zu  bezeichnen,  welchen  der  Beklagte 
zum  Schaden  des  Klägers  ohne  Grund  inne  hat.  In  Fällen 
wie  der  vorliegende  ist  aber  die  Bereicherung  des  Trassanten 
in  nichts  anderem  als  darin  zu  finden,  dass  die  Civilforderung 
an  den  Aooeptanten  bei  demselben  zurückgeblieben  ist.  Denn 
der  Vorteil,  den  der  Trassant  in  dem  Falle,  wo  die  Tratte 
nicht  bezahlt  wird  und  das  Regressrecht  untergegangen  ist, 
hat,  besteht  darin,  dass  er  zugleich  die  Deckung  und  die 
Begresssumme  erspart  (vergi.  Thöl,  Wechselrecht  4.  Auflage 
S.  387),  und  dass  der  Bereioherungsanspruch  nioht  auf  die 
Begresssumme  gerichtet  sein  kann,  folgt  mit  Notwendigkeit 
daraus,  dass  eben  der  Anspruch  auf  die  Begresssumme  infolge 
der  Verjährung  erloschen  ist,  und  es  nicht  die  Meinung  des 
Gesetzes  sein  kann,  denselben  unter  einem  andern  Namen 
wieder  herzustellen  (vergi.  Thöl,  a.  a.  Orte).  Bereichert 
ist  also  der  Trassant  um  den  Wert  der  ersparten  Deckung, 
bezw.  in  casu  um  den  Wert  der  zurückgebliebenen  Civil- 
forderung. Sofern  man  also  auch  annimmt,  dass  die  Civil- 
forderung nicht  bereits  durch  die  Weiterbegebung  des  Wechsels 
gegen  Empfang  der  Valuta  erloschen  sei,  kann  die  Verpflich- 
tung des  Beklagten  nach  Art.  813  Abs.  2  0.  B.  nur  in  der 
Abtretung  dieser  Civilforderung  bestehen.  Hierauf  ist  jedoch, 
wie  bereits  bemerkt,  nicht  geklagt  und  es  fehlte  dem  Kläger, 
dem  ja  gegenüber  dem  Schuldner  des  Beklagten  die  Forderung 
aus  dem  Acoept  zusteht,  auch  das  Interesse  dazu.  (Entsch. 
vom  10.  Juni  1898  i.  S.  Trüb  o.  Maillard.) 


92.  Bundesgesetz  betr.  die  Verbindlichkeit  zur  Abtretung  von 
Privatrechten  vom  1.  Mai  1850,  Art.  23.  Die  Bestimmung  des 
Art.  23,  Abs,  2  findet  auch  bei  blosser  Verzögerung  der  Expro- 
priation durch  den  Bauunternehmer  Anwendung.  —  Kompetenz, 
des  Bundesgerichts.  — 

Das  eidg.  Expropriationsgesetz  setzt  dem  Exproprianten 
keine  Frist,  innert  der  er  von  dem  ihm  zuerkannten  Expro- 
priationsrechte Gebrauch  machen  inüsste.  Es  geht  davon  aus, 
dass  sioh   das  Verfahren  nach  der  Planauflage  ohne  Unter- 


187 

T>ruch  abwickeln  werde,  schafft  aber  kein  Mittel,  um  den 
säumigen  Exproprianten  zur  ununterbrochenen  Durchführung 
der  Expropriation  anzuhalten;  ja  es  ist  der  Expropriant  über- 
haupt duroh  die  Planauflage  noch  gar  nicht  gebunden,  und 
es  steht  ihm  in  der  Regel  frei,  bis  zur  faktischen  Uebernahme 
bezw.  bis  zum  Urteil  über  die  Entschädigungsforderung  von 
-der  Expropriation  zurückzutreten.  Da  nun  der  Expropriât 
«einerseits  sohon  von  der  Planauflage  an  in  seiner  Verfügungs- 
befugnis beschränkt  ist,  so  erfordert  es  die  Billigkeit,  dass 
ihm  für  den  daraus  ihm  entstehenden  Schaden  durch  den 
Exproprianten  Ersatz  geleistet,  und  dass  dieser  auf  solche 
Weise  indirekt  gezwungen  werde,  durch  Ànhandnahme  der 
Ausführung  oder  Fallenlassen  des  Projekts  eine  klare  Situation 
zu  schaffen.  Dies  ist  im  eidg.  Expropriationsgesetz  positiv 
vorgeschrieben  in  Art.  23  Abs.  2,  wonach  der  Bauunternehmer 
fur  den  Schaden,  der  dem  Expropriaten  aus  der  in  Absatz  1 
aufgestellten  Einschränkung  des  freien  Verfügungsrechts  er- 
weislich hervorgegangen  ist,  Ersatz  zu  leisten  hat. 

Diese  Bestimmung  bezieht  sich  zweifellos  nicht  nur  auf 
-die  Fälle,  in  denen  der  Expropriant,  nachdem  er  die  Be- 
schränkung nach  Art.  23,  Abs.  1,  das  Interdikt,  eine  Zeit 
lang  hat  andauern  lassen,  von  der  Expropriation  gänzlich 
zurücktritt,  sondern  auch  auf  diejenigen,  in  denen  er  die 
Durchführung  der  Expropriation  hinauszögert  Denn  die  recht- 
liche Lage  des  Expropriaten  ist  in  beiden  Fällen  die  nämliche: 
er  ist  in  der  Zwischenzeit  in  der  freien  Verfügung  über  sein 
Eigentum  beschränkt.  Die  Beklagte  wendet  nun  aber  ein, 
dass  für  den  Fall  einer  blossen  Verzögerung  nicht  ein  selb- 
ständiger Anspruoh  direkt  vor  Bundesgerioht  erhoben  werden 
könne,  dass  derselbe  vielmehr  anlässlich  der  Geltendmachung 
der  eigentlichen  Expropriationsansprüche  in  dem  für  deren 
Liquidation  vorgesehenen,  besondern  Verfahren  geltend  zu 
machen  sei.  Das  ist  unriohtig.  Im  eigentlichen  Expropriations- 
verfahren ist  nur  der  Schaden  zu  liquidieren,  der  aus  der 
Abtretung  entsteht,  zu  einer  Abschätzung  des  Schadens,  der 
aus  der  Beschränkung  der  Verfügungsbefugnis  seit  der  Plan- 
auflage bis  zur  Anhandnahme  der  Expropriation  bezw.  bis 
zum  Fallenlassen  derselben  den  Eigentümern  von  Expropriations- 
objekten erwächst,  ist  die  Schätzungskommission  nicht  kom- 
petent, sondern  es  ist  ein  daheriger  Anspruch  direkt  vor  dem 
Bundesgericht  zu  erheben  (Art.  23,  Abs.  3  1.  c).  Dies  muss 
jedenfalls  dann  möglich  sein,  wenn  die  Schätzungskommission 
überhaupt  noch  nicht  angerufen  werden  kann,  wie  dies  hier 
wegen  der  Unsicherheit   über   die  definitive  Gestaltung  der 


138 


Expropriation   der  Fall  ist.     (Entsch.  vom  29.  Juli  1898  i.  S~ 
Gebrüder  Meyer  o.  Nordostbahngesellschaft.) 


93.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundes- 
rechtspfiege  vom  22.  März  1893,  Art.  56.  Bundesgesetz  betreffend 
Feststellung  und  Beurkundung  des  Civilstandes  und  die  Ehe  vom 

24.  Dez.  1874,  Art.  46  lit  b  und  c,  48,  40.  0.  R.  Art.  55.  — 
Das  Bundesgericht  ist  zur  Beurteilung  der  Nebenfolgen  der  Ehe- 
scheidung, speziell  der  Entschädigungspflicht  des  schuldigen  Teiles, 
nur  dann  kompetent,  wenn  die  Ehescheidung  selbst,  wenigstens 
hinsichtlich  des  Scheidungsgrnndes,  resp.  des  Verschuldens  der 
Ehescheidung,  bestritten  ist  —  Verhältnis  des  Art  55  0.  R.  zu 
Art  49  des  CivUstandsgesetzes  und  den  kantonalen  Bestimmungen 
über  die  Entschädigungspflicht  des  schuldigen  Ehegatten  bei  Ehe- 
scheidung. 

Durch  Urteil  des  Obergerichts  des  Kantons  Àargau  vom 
19.  Mai  1897  war  die  zwischen  den  Parteien  bestandene  Ehe 
gestützt  auf  Art.  46  lit.  b  und  c  des  Bundesgesetzes  über 
Civilstand  und  Ehe  getrennt  worden,  nachdem  der  Ehemann 
wegen  eines  gegen  seine  Ehefrau  begangenen  Vergiftungs- 
versuches zu  krimineller  Strafe  verurteilt  worden  war.  In 
dem  Urteile  wurde  der  Ehemann  als  der  (überwiegend)  schul- 
dige Teil  erklärt  und  grundsätzlich  zu  einer,  in  besonderem 
Verfahren  festzusetzenden  Entschädigung  an  die  Ehefrau  ver- 
urteilt. Diese  machte  nun  in  besonderem  Verfahren  (in  welchem 
gleichzeitig  über  die  Auseinandersetzung  der  ehelichen  Güter- 
verhältnisse verhandelt  wurde),  zwei  verschiedene  Entschä- 
digungsforderungen geltend,  1.  eine  solche  von  Fr.  5000  oder 
für  den  Fall,  dass  nicht  anerkannt  werden  sollte,  dass  zwischen 
den  Litiganten  Gütergemeinschaft  bestanden  habe,  von  Fr.  7500 
auf  Grund  von  Art.  55  0.  R.  2.  eine  solche  von  Fr.  1000O 
oder  für  den  Fall  der  Nichtanerkennung  der  Gütergemein- 
schaft von  Fr.  15000  „wegen  der  Scheidung."  Der  Beklagte 
trug  auf  Abweisung  der  Klage  an.  Durch  Entscheidung  vom 

25.  April  1898  hat  das  Obergerioht  des  Kantons  Aargau  (in- 
dem es  gleichzeitig  anerkannte,  dass  zwischen  den  Eheleuten 
Gütergemeinschaft  bestanden  habe)  den  Beklagten  zu  einer 
Gesamtentschädigung  von  Fr.  4000  verurteilt.  Auf  Berufung 
beider  Parteien. hin  hat  das  Bundesgericht  erkannt,  auf  die 
Berufungen  der  Parteien  werde  nicht  eingetreten,  sofern  damit 
das  Urteil  der  Vorinstanz  über  den  von  der  Klägerin  aus 
der  Ehescheidung  hergeleiteten  Entschädigungsanspruch  ange- 


m 

fochten  werde.  Im  übrigen  wurden  die  Berufungen  abgewiesen» 
Aus  den  Gründen  ist  folgendes  hervorzuheben: 

Das  Bundesgesetz  über  Ci  vils  ta  nd  und  Ehe  überläset  die 
Peststellung  der  Polgen  der  Ehescheidung  in  Betreff  der  per- 
sönlichen Verhältnisse  der  Ehegatten,  ihrer  Vermögensverhält- 
nisse, der  Erziehung  und  des  Unterrichts  der  Kinder  und  der 
dem  schuldigen  Teile  aufzuerlegenden  Entschädigung  —  ab- 
gesehen  von  der  Bestimmung  in  Art.  48  betr.  die  Wartefrist 
bei  gänzlicher  Scheidung  wegen  eines  bestimmten  Grundes  — 
dem  kantonalen  Rechte  (Art.  49).  Das  Bundesgericht,  dem 
als  Berufungsinstanz  nur  die  Ueberprüfung  der  riohtigen 
Anwendung  des  eidgenössischen  Rechts  übertragen  ist  (Art. 
56  0.  G.),  ist  daher  an  sich  nicht  kompetent,  über  die  nach 
kantonalem  Rechte  zu  beurteilenden  Nebenfolgen  der  Ehe- 
scheidung zu  befinden.  Nur  da,  wo  die  Präge  der  Scheidung 
selbst  an  das  Bundesgericht  gezogen  wird,  hat  sich  dieses 
für  kompetent  erachtet,  soweit  es  in  der  Hauptsache  zu  einer 
Abänderung  des  kantonalen  Urteils  gelangte,  auch  über  die 
Nebenfolgen  abzusprechen,  dies  namentlich  deshalb,  weil  in 
Art.  49  Abs.  2  ausdrücklich  vorgeschrieben  ist,  dass  das  Gericht 
über  die  Nebenfolgen  von  Amteswegen  oder  auf  Begehren 
der  Parteien  zu  gleicher  Zeit  wie  über  die  Scheidungsklage 
entscheide.  Stets  aber  muse,  wenn  das  Bundesgericht  auf 
diese  Prägen  soll  eintreten  können,  vor  ihm  noch  die  Haupt- 
frage, die  Präge  der  Scheidung,  streitig  sein.  Diese  Voraus- 
setzung ist  nun  dann  immer  vorhanden,  wenn  die  Scheidung 
entgegen  dem  Antrag  des  einen  Ehegatten  ausgesprochen  und 
dieser  dagegen  die  Berufung  erklärt  hat.  Sie  trifft  aber  auch 
dann  zu,  wenn  zwar  darüber,  dass  die  Ehe  getrennt  werden 
solle,  zwischen  den  Parteien  kein  Streit  mehr  herrscht,  wohl 
aber  noch  streitig  ist,  aus  welchem  Grunde  die  Scheidung 
ausgesprochen  werden  soll,  ob  aus  einem  der  bestimmten 
Gründe,  bezw.  aus  welchem,  oder  aus  einem  unbestimmten 
Grunde,  und,  soweit  dies  damit  zusammenhängt,  wen  das 
Verschulden,  bezw.  das  vorwiegende  Verschulden,  treffe.  So 
lange  bezüglich  der  Scheidungsgründe  ein  rechtskräftiges  Er- 
kenntnis nioht  vorliegt,  ist  ein  rechtskräftiges  Scheidungs- 
urteil überhaupt  nicht  vorhanden.  Das  Scheidungsurteil  ist 
stets  abhängig  von  den  Scheidungsgründen,  und  das  Bundes- 
gericht kann  selbst  da,  wo  beide  Parteien  das  die  Scheidung 
aussprechende  kantonale  Urteil  anerkennen,  aber  nicht  die 
vom  kantonalen  Gerichte  angenommenen  Scheidungsgründe, 
die  Trennung  der  Ehe  verweigern,  und  es  wird  dies  da  immer 
thun  müssen,  wo  es  findet,  dass  gesetzliche  Scheidungsgründe 


140 

nicht  vorliegen  ;  denn  die  Scheidung  gehört  zu  einem  wesent- 
lichen Teile  dem  öffentlichen  Rechte  an  und  ist  insoweit  von 
dem  Parteiwillen  unabhängig.  Im  vorliegenden  Falle  ist  nun 
aber  die  Frage  der  Scheidung  selbst  nicht  mehr  streitig,  auch 
nicht  mit  Bezug  auf  den  Scheidungsgrund  bezw.  die  Schuld 
an  der  Scheidung.  Denn  nicht  nur  ist  das  obergerichtliche 
Urteil  vom  19.  Mai  1897,  das  die  Scheidung  gestützt  auf 
Art.  46  lit.  b  und  c  des  Gesetzes  aussprach  und  den  Ehemann 
als  den  überwiegend  schuldigen  Teil  erklärte,  nicht  selbst- 
ständig innert  der  Berufungsfrist  angefochten  worden,  sondern 
es  bezieht  sich  auch  die  Berufung  gegen  das  Urteil  vom 
25.  April  1898  nach  der  schriftlichen  Erklärung  ausschliesslich 
auf  die  Frage  der  Entschädigung,  und  es  wird  darin  nirgends 
verlangt,  dass  die  Scheidungsfrage  selbst  als  solche  oder  mit 
Bezug  auf  die  Frage  des  Scheidungsgrundes  bezw.  des  Ver- 
schuldens anders  gelöst  werde.  Das  Bundesgericht  kann  daher 
auf  die  Berufung,  soweit  es  sich  um  die  Entsohädigungs- 
forderung  aus  §  147  des  aargauisch  bürgert.  Gesetzbuches 
handelt,  nicht  eintreten,  weil  eine  Frage  eidgenössischen 
Rechts,  von  der  die  Frage  der  Entschädigung  abbienge,  nicht 
m  ehi*  zum  Entscheide  steht. 

Dagegen  unterliegt  allerdings  das  Urteil,  das  die  kan- 
tonalen Instanzen  über  den  von  der  Klägerin  an  den  Beklagten 
Gestützt  auf  Art.  55  0.  R.  erhobenen  Anspruoh  gefällt  haben, 
er  Ueberprüfung  des  Bundesgerichts.  In  dieser  Richtung 
erhebt  sich  nun  aber  zunächst  die  Frage,  ob  auf  diesem  Ge- 
biete für  die  vom  schuldigen  dem  unschuldigen  Ehegatten  im 
Falle  der  Scheidung  zukommende  Entschädigung  nicht  aus- 
schliesslich kantonales  Recht  massgebend  sei,  oder  ob  daneben 
auch  das  gemeine  eidg.  Recht  angerufen  werden  könne.  Art. 
49  des  Bundesgesetzes  über  Civilstand  und  Ehe  hat  nun 
offenbar  den  Sinn,  dass  alle  aus  dem  ehelichen  Leben  her- 
rührenden Entschädigungsansprüche  nach  kantonalem  Rechte 
zu  beurteilen  seien.  Bezieht  er  sich  aber  auf  die  Gesamtheit 
dieser  Ansprüche,  so  kann  eidg.  Recht  daneben  nicht  mehr 
zur  Anwendung  kommen.  Art.  55  0.  R.  könnte  daher  nur  in 
Betracht  fallen,  wenn  Entschädigungsansprüche  geltend  gemacht 
würden,  deren  Gründe  ausserhalb  der  ehelichen  oder  Familien- 
Verhältnisse  liegen.  Die  Klägerin  hat  aber  derartige  Ansprüche 
nicht  geltend  gemacht,  folglich  kann  Art.  55  0.  R.  auoh  nicht 
zur  Anwendung  kommen,  und  die  hierauf  gestützte  Ent- 
schädigungsforderung mus8  abgewiesen  werden.  (Entsch.  vom 
8.  Juni  1898  i.  S.  Trefeger  c.  Trefzger.) 


141 

94.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn- 
and  Dampfschilffahrtunternehmungen  bei  Tötungen  und  Verletz- 
ungen vom  1.  Juli  1875,  Art.  2.  Bundesgesetz  betreffend  die  Aus- 
dehnung der  Haftpflicht  u.  s.  to.  vom  26.  April  1887  Art.  3,  4.  Wer 
gehört  zu  den  Hilfsarbeitern  des  Eisenbahnbetriebs?  Begriff  des 
Unfalls.     Erfrieren  als  Unfall. 

Dem  bei  der  Beklagten  als  Bahnwärter  and  Bahnarbeiter 
angestellten  Kläger  erfroren,  nach  der  thatsächlichen  Fest- 
stellung der  Vorinstanz,  am  12.  Januar  1895,  Nachmittags, 
während  er,  bei  herrschender  heftiger  Kälte  in  Wiederauf- 
nahme einer  am  Vormittag  begonnenen  Arbeit,  damit  beschäftigt 
war,  die  Schienenränder  von  ihrer  Eiskruste  zu  befreien,  die 
Fusse.  Er  musste  seine  Arbeit  unterbrechen,  in  der  Folge 
in  das  Spital  verbracht  werden  und  sich  dort  einer  Ampu- 
tation des  ersten  Gliedes  der  grossen  und  der  zweiten  Zehe 
des  rechten.  Fusses  unterwerfen.  Die  Haftpflichtklage  des 
Verletzten  wurde  vom  Bundesgerichte,  in  Bestätigung  der 
Entscheidung  des  Appellations-  undCassationshofes  des  Kantons 
Bern,  prinzipiell  gutgeheissen  im  wesentlichen  aus  folgenden 
Gründen  : 

1.  Die  Arbeit,  mit  welcher  der  Kläger  am  12.  Januar  1895 
beschäftigt  gewesen  sei,  qualifiziere  sich  als  eine  mit  dem 
Betriebe  der  Eisenbahn  der  Beklagten  im  Zusammenhange 
stehende  Hilfsarbeit  im  8inne  des  Art.  4  des  erweiterten 
Haftpflichtgesetzes.  Denn  dazu  sei  nicht  erforderlich,  dass 
die  betreffende  Arbeit  den  besonderen  Gefahren  des  Eisen- 
bahnbetriebs ausgesetzt  sei,  sondern  es  gentige,  dass  sie  im 
allgemeinen,  in  einem  wenn  auch  mittelbaren,  Zusammenhange 
mit  dem  Eisenbahnbetrieb  stehe.  Dies  treffe  aber  hier  un- 
zweifelhaft zu,  da  die  Beseitigung  der  Eiskruste  der  Schienen 
im  Interesse  der  Betriebssicherheit  nötig  gewesen  sei. 

2.  Es  handle  sich  um  einen,  in  kausalem,  Zusammenhang 
mit  der  vom  Kläger  verrichteten  Arbeit  eingetretenen  Unfall. 
Das  Erfrieren  der  Zehen  des  Verletzten  sei  nicht  die  Folge 
einer  Krankheit,  d.h.  der  allmäligen  und  langsamen  Ent- 
wicklung eines  im  Innern  des  menschlichen  Organismus 
steckenden  Krankheitskeimes,  sondern  die  Wirkung  einer 
äusseren  Ursache,  der  aussergewöhnlich  niederen  Temperatur, 
bei  welcher  der  Kläger  habe  arbeiten  müssen  und  welche  in 
verhältnismässig  kurzer  Zeit  ihre  schädigende  Wirkung  hervor- 
gebracht habe.  Dass  die  schädigende  Einwirkung  der  Kälte 
keine  absolut  plötzliche,  augenblickliche  gewesen  sei,  stehe 
der  Annahme  eines  Unfalls  nicht  entgegen,  denn  immerhin  sei 
diese   Einwirkung    in   verhältnismässig    kurzer   Zeit   und   in 


142 

einem  genau  bestimmten  Zeitpunkte  (im  Augenblick,  wo  der 
Kläger  seine  Arbeit  habe  aufgeben  müssen)  eingetreten«  Es 
sei  denn  auch  in  Doktrin  und  Praxis  des  Unfallversicherungs- 
rechts  überwiegend  anerkannt,  dass  Erfrieren  als  Betriebs- 
unfall zu  betrachten  sei,  wenn  die  Bedingungen  des  Betriebs 
die  gewöhnliche  Gefahr  erheblich  erhöht  haben,  und  die  Ein- 
wirkung der  Kälte  eine  rasche  und  heftige  gewesen  sei, 
mögen  auch  die  Wirkungen  nicht  absolut  augenblicklich  und 
plötzlich  zu  Tage  getreten  sein  (Handbuch  der  Unfallver- 
sicherung II.  Aufl.  Seite  30;  Kaufmann,  Handbuch  der  Unfall- 
verletzungen 2.  Aufl.  S.  16  fg.  27,29).  (Entsoh.  vom  18.  Mai  1898 
i.  8.  der  Compagnie  du  chemin  de  fer  régional  Saignelégier- 
Ohaux-de-Fonds  o.  Cattin.) 

95.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn- 
und  Dampfschiffahrt-  Unternehmungen  bei  Tötungen  und  Ver- 
letzungen vom  1.  Juli  1875,  Art.  2.  Haftpflicht  der  Strassenbahnen. 
Höhere  Gewalt  t 

Am  7.  August  1897  wurde  der  mit  einem  Einspänner- 
fuhrwerke auf  der  Staatsstrasse  von  Kronbühl  nach  St.  Gallen 
fahrende  S.  B.  von  einem  ihm  entgegenfahrenden  Zuge  der 
elektrischen  Strassenbahn  getötet,  weil  sein,  durch  den  ent- 
gegenfahrenden Zug  scheu  gewordenes  Pferd,  unmittelbar  vor 
dem  Zuge  auf  das  Bahngeleise  gesprungen  war.  Seine  Erben 
und  Hinterla88enen  belangten  die  politische  Gemeinde  St  Gallen 
als  Inhaberin  der  Strassenbahnkonzession  auf  Entschädigung, 
indem  sie  sich  einerseits  auf  das  eidg.  Eisen bahnhaftpflicht- 
gesetz,  andrerseits  auf  Art.  12  der  vom  Grossen  Rate  des 
Kantons  St.  Gallen  mit  Beschluss  vom  23.  November  1894 
dem  Initiativkomite  für  die  elektrische  Strassenbahn  für  die  Be- 
nützung der  Staatsstrasse  erteilten  Konzession  beriefen  (welche 
bezweckt,  den  Konzessionären  eine  über  das  eidgenössische 
Haftpflichtgesetz  hinausgehende  Haftpflicht  aufzuerlegen). 

Das  Bundesgericht  hiess  die  Klage,  indem  es  auf  eine 
Prüfung  der  Giltigkeit  des  Art.  12  der  grossrätiichen  Kon- 
zession, weil  unnötig,  nicht  eintrat,  gestützt  auf  das  eidg. 
Eisenbahnhaftpflichtgesetz  gut.  In  den  Entscheidungsgründen 
wird  bemerkt,  das  Haftpflichtgesetz  sei  unzweifelhaft  auch 
auf  Strassenbahnen  anwendbar  und  die  Einrede  des  Selbst- 
verschuldens sei  nach  dem  festgestellten  Thatbestand  unbe- 
gründet. Hinsichtlich  der  von  den  Beklagten  erhobenen  Einrede 
der  höheren  Gewalt  sodann  wird  ausgeführt: 

Ueber  den  Begriff  der  höhern  Gewalt  besteht  in  Theorie 
und  Praxis  bekanntlich  keine  Einigkeit,  und   enthalten   auch 


143 

weder  das  Eisenbahnhaftpflichtgesetz  noch  die  andern,  diesen 
Begriff  verwertenden,  Bundesgesetze  eine  Definition  derselben 
(vergi,  bandesger.  Entsch.  vom  10.  Oktober  1884  i.  S.  Roth  c. 
N.  0.  B.,  Amtl.  Samml.  Bd  X  S.  527  E.  6).  Nun  ist  zu  sagen, 
dass  das  Scheuwerden  eines  Pferdes,  das  lediglich  durch  den 
Bahnbetrieb  selber,  durch  das  mit  ihm  verbundene  Geräusch, 
durch  den  dem  Pferde  ungewohnten  Anblick  und  dergl.,  und 
nioht  durch  ein  drittes,  vom  Bahnbetrieb  unabhängiges  Er- 
eignis (wie  z.  B.  Anbellen  eines  Hundes)  verursacht  wird, 
nicht  als  von  aussen  kommender  Zufall,  sondern  als  eine  dem 
Bahnbetriebe  und  speziell  dem  Strassenbahnbetriebe  imma- 
nente Gefahr  erscheint;  derartige,  im  Wesen  des  Bahnbetriebes 
selber  liegende,  mit  ihm  untrennbar  verbundene  und  deshalb 
auch  stets  zu  gewärtigende  und  voraussehbare  Ereignisse 
aber  können  niemals  als  höhere  Gewalt  im  Sinne  der  Hatt- 
pflichtgesetze  angesehen  werden,  da  die  Haftpflicht  nach  diesen 
Gesetzen  mit  auf  dem  Rechtsgedanken  beruht,  dass  derjenige, 
welcher  ein  gefährliches  Gewerbe  für  sich  betreibt,  das  damit 
verbundene  Risiko  tragen  und  daher  für  die  ökonomischen 
Folgen  eintreten  muss,  wenn  durch  die  gefahrliche  Art  seines 
Betriebes,  obschon  ohne  sein  Verschulden,  Leben,  Gesundheit 
oder  Vermögen  anderer  geschädigt  werden  (vergi,  bundesger. 
Entsch.  vom  20.  Juni  1890  i.  S.  Meuli  c.  Graubünden,  A.  S. 
Bd  XVI  S.  412).  Um  einen  derartigen  Unfall  aber  handelt 
es  sich  in  casu  nach  den  Feststellungen  der  Vorinstanz. 
(Entsch.  vom  19.  Juli  1898  i.  S.  Politische  Gemeinde  St.  Gallen 
c.  Witwe  Brühlmann  und  Genossen.) 


96.  Bundesgesetz  beir.  die  Haftpflicht  uus  Fabrikhetrieb  vom 
25.  Juni  1881,  Art.  2,  5.  Haftpflicht  d<$  Fabrikherrn ,  wenn  der 
Unfall  durch  Zusammenwirken  eines  zufälligen  Ereignisses  mit 
schuldhaftem   Verhalten  des   Verletzten  verursacht  ist 

Der  Mechaniker  J.  F.  in  Neuhausen,  welcher  im  Fabrik- 
etablissement der  Beklagten  angestellt  war,  erlitt  am  10.  Ok- 
tober 1896  eine  erhebliche  Verletzung  an  der  linken  Hand 
dadurch,  dass  er  mit  derselben,  als  er  an  einer  im  Gang  be- 
findlichen Fraisma8chine  einen  Façonstahl  probieren  wollte, 
ausglitschte  und  in  die  Fraise  geriet.  Der  von  ihm  an- 
gestellten Haftpflichtklage  stellte  die  Beklagte  die  Einrede 
des  Selbstverschuldens  entgegen.  Das  Bundesgericht  hat  die 
Klage  (in  Bestätigung  der  Entscheidung  des  Obergerichtes 
des  Kt.  Schaffhausen)  zu  dem  reduzierten  Betrage  von  Fr.  120O 
gutgeheisBen.    In   den   Urteilsgründen   wird    ausgeführt:    Ein 


144 

Selbst  verschulden  des  Verletzten  liege  darin,  dass  dieser  die 
fragliche  Verrichtung  vorgenommen  habe,  ohne  die  Maschine 
abzustellen,  während  dies  sich  leicht  und  ohne  nennenswerten 
Zeitverlust  hätte  bewerkstelligen  lassen.  Sodann  wird  be- 
merkt :  Dagegen  haben  die  beiden  Vorinstanzen  angenommen, 
<lass  der  Unfall  doch  nur  teilweise  als  selbstverschuldet  zu 
betrachten  sei,  weil  neben  dem  Selbstverschulden  auch  noch 
eine  andere  Ursache  zum  unglücklichen  Erfolge  mitgewirkt 
iiabe,  eine  Ursache,  für  welche  die  Beklagte  einzustehen 
habe.  Es  kann  sich  dies  nach  dem  äussern  Verlauf  der 
Dinge  nur  auf  das  zufällige  Moment  beziehen,  dass  der  Kläger 
bei  der  fraglichen  Arbeit  mit  der  Hand  ausglitschte,  was  erst 
die  Verletzung  herbeiführte.  Nach  allgemeinen  Rechtsgrund- 
sätzen ist  die  Annahme,  dass  ein  Verschulden  und  ein  Zu- 
fall als  Ursachen  eines  bestimmten  Ereignisses  konkurrieren, 
nicht  ausgeschlossen.  Denn  als  Ursache  im  Rechtssinne  wird 
im  allgemeinen  nicht  nur  ein  einzelnes  Glied  der  auf  ein 
schädigendes  Ereignis  hinführenden,  natürlichen  Kausalreihe, 
sondern  jedes  Moment  betrachtet,  das  in  Abweichung  vom 
gewöhnlichen  Verlauf  der  Dinge  den  Erfolg  mitbedingt  hat. 
Immerhin  lässt  sich  nicht  ein  für  alle  Rechtsmaterien  in 
gleicher  Weise  geltender  Begriff  der  Ursache  aufstellen.  Viel- 
mehr ist  jeweilen,  besonders  wo  es  sich  um  die  Auslegung 
von  Spezialgesetzen  handelt,  auf  die  positive  Normierung  des 
Kausalitätsverhältnisses  bezw.  auf  die  gesetzgeberische  Ab- 
sicht zurückzugehen  and  somit  auch  im  vorliegenden  Falle 
zu  fragen,  ob  nach  den  positiven  Bestimmungen  oder  nach 
Sinn  und  Geist  des  Gesetzes  ein  Zufall  neben  einem  Selbst- 
verschulden des  Verletzten  oder  Getöteten  als  Ursache  eines 
Unfalls  in  dem  Sinne  in  Betracht  fallen  könne,  dass  die  Haft- 
pflicht in  solchem  Falle  nicht  gänzlich  dahinfiele,  sondern  teil- 
weise bestehen  bliebe.  Diesbezüglich  ist  zu  bemerken:  Der 
Wortlaut  des  Art.  2  des  Haftpfliohtgesetzes  scheint  der  An- 
nahme günstig  zu  sein,  dass  beim  Vorhandensein  eines  Selbst- 
verschuldens dieses  insofern  als  einzig  relevante  Ursache  habe 
hingestellt  werden  wollen,  als  in  einem  solchen  Falle  die 
Haftpflicht  schlechthin  ausgeschlossen  sein  solle.  Diese  An- 
nahme wird  aber  sofort  erschüttert  durch  die  Bestimmung  in 
Art.  5  litt.  b.  Denn  hienach  ist  soviel  zweifellos,  dass  neben 
-dem  Selbst  verschulden  auch  ein  Verschulden  des  Arbeitgebers 
oder  seiner  Repräsentanten  etc.  die  Ursaohe  eines  Unfalls 
sein  kann,  und  dass  dies  insofern  von  rechtlicher  Bedeutung 
ist,  als  in  diesem  Falle  nicht  Befreiung  von  der  Haftpflicht, 
sondern  bloss  Reduktion  des  Anspruches  eintritt.  Das  Gesetz 


145 

sieht  also  selbst  einen  Fall  vor,  in  dein  das  für  den  Unfall 
kausale  Verschulden  des  Geschädigten  doch  nicht  die  Haft* 
pflicht  aufhebt  deshalb,  weil  dasselbe  nioht  als  die  ausschliess- 
liche Ursache  des  Unfalls  betrachtet  wird.  Und  wenn  nun 
auch  Art.  5  litt,  b  sich  wohl  nach  seinem  Wortlaute  nur  auf 
die  Konkurrenz  von  Selbstverschulden  und  Verschulden  des 
Arbeitgebers  bezw.  seiner  Repräsentanten  etc.  bezieht,  so  steht 
doch,  sofern  wenigstens  die  schuldhafte  Herbeiführung  der 
Möglichkeit  eines  Unfalles  durch  den  Geschädigten  als  ur- 
sächlich für  denselben  betrachtet  wird,  der  Annahme  nichts 
zwingendes  entgegen,  dass  nach  der  gesetzgeberischen  Ord- 
nung der  Materie  auch  eine  Konkurrenz  von  Selbstverschulden 
mit  einem  Zufall  möglich,  und  dass  beim  Vorliegen  eines 
solchen  Thatbestandes  auch  ähnliche  rechtliche  Folgerungen 
daran  zu  knüpfen  seien,  wie  beim  Vorhandensein  der  Vor- 
aussetzungen von  Art.  5  litt.  b.  Im  Gegenteil  entspricht  es 
dem  Grundgedanken  und  dem  Zwecke  des  Gesetzes,  wenn 
erklärt  wird,  dass  der  Geschädigte,  wenn  er  auch  durch  ein 
schuldhaftes  Verhalten  zu  dem  schädigenden  Ereignis  bei- 
getragen hat,  doch  dann  seinen  Anspruch  nicht  vollständig 
verliert,  wenn  auch  noch  ein  zufälliger  Umstand  hinzugetreten 
ist,  ohne  den  der  Unfall  sich  ebenfalls  nicht  ereignet  hätte. 
Das  Gesetz  will  dem  Arbeiter  einen  Ersatz  für  Schädigungen 
gewähren,  die  die  Ausübung  gewisser  Berufe  notwendigerweise 
wegen  der  Art  des  Betriebes  mit  sich  bringt;  es  will  ihn 
hauptsächlich  auch  gegen  die  vielen  Zufälligkeiten  schützen, 
die  in  einem  solchen  Betriebe  sich  ereignen  und  irgend  einen 
schadenbringenden  Erfolg  bewirken  können.  Es  würde  nun 
dieser  Tendenz  nicht  entsprechen,  wenn  jedesmal  die  Haftung 
gänzlich  ausgeschlossen  sein  sollte,  wenn  der  Geschädigte  in 
schuldhafter  Weise  zu  dem  Erfolge  beigetragen  hat,  auch 
dann,  wenn  noch  andere  zufällige  Momente  hinzutreten  mussten, 
um  diesen  herbeizuführen,  Momente,  für  die  sonst,  ohne  das 
Verschulden  des  Geschädigten,  der  Arbeitgeber  zweifellos  ein- 
treten musate.  Sondern  es  rechtfertigt  sich  auoh  in  einem 
solchen  Falle  die  Teilung  der  Verantwortlichkeit  zwischen 
dem  Arbeiter,  der  für  sein  Verschulden  einzustehen  hat,  und 
zwischen  dem  Arbeitgeber,  der  die  Zufälligkeiten  des  Be- 
triebes auoh  in  diesem  Falle  vertreten  soll.  Nur  ist  zu  be- 
achten, dass  eine  solche  Teilung  nur  da  eintreten  kann,  wo 
wirklich  eine  Ursaohenkonkurrenz  vorliegt,  nicht  aber  auch 
in  solchen  Fällen,  in  denen  der  Zufall  nicht  als  selbständige 
Ursache  betrachtet  werden  kann,  wo  vielmehr  als  solche  nur 
die  Schuld  des  Geschädigten  erscheint.    Und  dies  wird  dann 


146 

zutreffen,  wenn  das  Verschulden  des  Geschädigten  ein  der- 
artiges ist,  das8  gesagt  werden  muss,  er  habe  damit  auch 
das  Risiko  für  einen  hinzutretenden  Zufall  auf  sich  genommen; 
also  da,  wo  die  Möglichkeit,  dass  ein  solcher  gefährdender 
Zufall  eintreten  möchte,  vorausgesehen  werden  konnte.  Im 
vorliegenden  Falle  nun  steht  fest,  dass  sich  der  Unfall  nicht 
ereignet  hätte,  wenn  nicht  der  Kläger  bei  der  fraglichen 
Manipulation  mit  der  Hand  ausgeglitscht  wäre.  Diese  Zu- 
fäliigkeit  ist  nicht  auf  Rechnung  des  klägerischen  Verschuldens 
zu  setzen,  sondern  als  selbständige  Ursache  des  Unfalls  zu 
betrachten,  da  der  Kläger  eine  derartige  Zufälligkeit,  als  er, 
freilich  unvorsichtigerweise,  die  Maschine,  ohne  sie  abzustellen, 
benutzte,  nicht  vorhersehen  konnte.  Soweit  daher  der  Unfall 
auf  diesen  Zufall  zurückzuführen  ist,  kann  nicht  ein  Ver- 
schulden des  Klägers  als  seine  Ursache  betrachtet  werden, 
und  insoweit  tritt  dann  auch  nicht  die  an  das  Selbstver- 
schulden geknüpfte  Folge  der  Befreiung  von  der  Haftpflicht 
ein  (vergi.  Soldan,  Responsabilité  des  fabricants,  S.  32,  und 
ferner  das  Urteil  des  Bundesgerichts  i.  S.  Hitz  &  Cie  e.  Viglia, 
A  mtl.  Samml.  Bd  XXIH  8.  1176).  (Entsoh.  v.  15.  Juni  1898 
i.  8.  Flury  c.  Schweiz.  Industriegesellschaft  in  Neuhausen.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


97.  Vindikation  einer  gestohlenen  Sache.  Beweislast 
für  den  bösen  Glauben  des  Beklagten  bei  Erwerb  der  Sache, 
Art.  207  0.  R. 

Zürich.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichts  vom  13.  April 
1897  i.  S.  Schweiz.  Creditaastalt  c.  Bosshard. 

Im  September  1894  wurden  der  Frau  Dr.  B.  in  Zug  u.  a. 
eine  Anzahl  Zürcher  Staatsobligationen  gestohlen.  Letztere 
wurden  am  6.  und  8.  gl.  Mts.  behufs  Amortisation  durch  die 
Kantonsgerichtskanzlei  Zug  im  Schweiz.  Handelsamtsblatt 
aufgerufen.  Am  22.  März  1895  erwarb  nun  die  Schweiz. 
Kreditanstalt  in  Zürich  eine  dieser  Obligationen  von  der 
Banca  popolare  in  Lugano  und  verkaufte  sie  gleiohen  Tages 
an  eine  Frau  Blumer  in  Seh. 

Die  be8tohlene  Frau  Dr.  B.  verlangte  von  der  Schweiz. 
Kreditanstalt  alternativ  die  Herausgabe  einer  gleichartigen 
Obligation  oder  Zahlung  des  Nominalbetrages  derselben. 


147 

Die  erste  Instanz  hiess  die  Klage  gut,  die  zweite  be- 
stätigte den  Entscheid. 

In  den  zweitinstanzlichen  Motiven  wird  zunächst  fest- 
gestellt, da8S  Art.  206  0.  R.  nicht  zur  Anwendung  komme, 
da  die  Beklagte  die  Obligation  an  Frau  Bl.  veräussert  habe, 
die  als  gutgläubige  Erwerberin  nur  gegen  Vergütung  des  dafür 
bezahlten  Preises  zu  deren  Herausgabe  hätte  angehalten 
werden  können.  Die  Klage  könne  daher  nicht  mit  Erfolg  als 
eigentliche  Vindikation  —  gerichtet  auf  Herausgabe  der  vin- 
dicierten  Sache  in  natura  —  gegen  die  Beklagte  gerichtet 
werden. 

Dagegen,  fahren  die  Motive  fort,  muss  die  Passivlegiti- 
mation der  Beklagten  als  früheren  Erwerberin  der  Obligation, 
die  sich  derselben  entäussert  hat,  als  begründet  angenommen 
werden,  und  ist  dieselbe  daher  gemäss  0.  R.  Art.  207  zum 
Ersätze  ihres  Wertes  an  die  Klägerin  zu  verpflichten,  sofern 
dieser  der  Nachweis  des  bösgläubigen  Erwerbes  gelingt.  — 
Die  Beklagte  hat  nämlioh  durch  ihren  Vertreter  vor  erster 
Instanz  ausdrücklich  vortragen  lassen,  sie  habe  die  fragliche 
Obligation  am  22.  März  1895  von  der  Banca  popolare  in 
Lugano  infolge  eines  ihr  erteilten  Verkaufsauftrages  durch 
Eintritt  als  Selbstkontrahent  erworben,  und  habe  dieselbe 
noch  am  gleichen  Tag  an  Frau  Blumer  in  Seh.  weiter  ver- 
äussert. Aus  dieser  Darstellung  geht  nun  aber  keineswegs 
mit  genügender  Deutlichkeit  hervor,  dass  die  Beklagte,  wie 
dies  heute  geschehen,  bestreiten  wollte,  dass  sie  die  Obligation 
jemals  für  sich  erworben  und  besessen  habe,  bezw.  dass  sie 
behaupten  wollte,  sie  habe  dieselbe  gleichzeitig  (uno  aotu) 
mit  dem  Ankauf  von  der  Banca  popolare  resp.  als  deren 
Mandatarin  an  Frau  Blumer  weiter  verkauft  und  sei  daher 
gar  nie  Besitzerin  derselben  in  eigenem  Namen  gewesen. 
Auch  aus  den  eingelegten  Akten  (spez.  der  Verkaufs-  und 
Ankaufsanzeige  vom  22.  März  1895)  ergiebt  sich  dies  keines« 
wegs  mit  Sicherheit;  vielleicht  spricht  auch  der  Umstand, 
dass  der  Käuferin  für  1  Tag  (10  Cts.)  mehr  Zins  belastet, 
als  der  Verkäuferin  gutgeschrieben  wurde,  gegen  diese  Auf- 
fassung. —  Bei  dieser  Sachlage  und  da  eine  Bestreitung  der 
Passivlegitimation  aus  diesem  Grunde  erstinstanzlich  nie 
erfolgt  ist,  kann  die  heute  von  der  Beklagten  erhobene  Ein- 
rede der  mangelnden  Passivlegitimation  nicht  mehr  gehört 
werden. 

In  der  Hauptsache  hängt  somit  die  Entscheidung  des 
Prozesses  davon  ab,  ob  anzunehmen  sei,  die  Beklagte  habe 
die  Obligation  in  gutem  Glauben  erworben,  oder  ob  dieselbe 


148 

als  bösgläubige  Erwerberin  im  Sinne  des  Art.  207  0.  IL  an- 
gesehen werden  müsse. 

Der  Beweis  für  letzteres  liegt  nach  allgemeinen  Rechts- 
grundsätzen der  Klägerin  ob  (vergi.  Hafner,  Komm.  z.  0.  R. 
2.  Aufl.  z.  Art.  206  Nr.  8).  Hiefür  ist  aber  nicht  erforderlich, 
dass  der  Beweis  dafür  geleistet  werde,  dass  die  Beklagte  tod 
der  den  rechtmässigen  Erwerb  ausschliessenden  Thatsacbe 
(i.  c.  der  Entwendung)  positives  Wissen  gehabt  habe,  sondern 
es  genügt,  wenn  dargethan  werden  kann,  dass  die  Beklagte 
beim  Erwerbe  die  nach  den  Umständen  und  der  Verkebrs- 
sitte  von  ihr  zu  verlangende  Sorgfalt  und  Aufmerksamkeit 
ausser  Acht  gelassen  und  hierdurch  den  Irrtum  über  die 
Redlichkeit  ihres  Erwerbs  verschuldet  habe.  Gewöhnlich  wird 
dieser  Rechtssatz  so  ausgedrückt,  der  gute  Glaube  werde 
auch  durch  grobe  Fahrlässigkeit  ausgeschlossen,  wobei  jedoch 
auf  die  sonst  übliche  gemeinrechtliche  Abgrenzung  von  grober 
und  leichter  Fahrlässigkeit  wohl  kaum  das  Hauptgewicht  zu 
legen  ist  (vergi.  Goldschmidt,  Zeitschrift  f.  Handelsrecht  Bd  IX 
S.  32,  Bürgerl.  Ges.-B.  §  932,  Guggenheim,  Art.  205  0.  R. 
S.  43,  Hafner,  Komm.  z.  0.  R.  205  Nr.  2  und  Bundesgerichtl. 
Entsch.  Bd  14  Nr.  17  Erw.  5). 

In  dem  cit.  Entscheide  des  Bundesgerichts  ist  als  analoge 
Bestimmung,  ausser  Art.  790  —  auch  Art.  211  Abs.  2  0.  R. 
angeführt  (dessen  Fassung  sich  auch  in  Art.  294  Abs.  2 
wieder  findet),  und  es  enthielt  der  Art.  205  in  den  frühern 
Entwürfen  die  ausdrückliche  Bestimmung,  dass  auch  beim 
Mangel  der  „gehörigen  Aufmerksamkeit"  die  Berufung  auf 
den  guten  Glauben  ausgeschlossen  sein  solle  (vergi.  Guggen- 
heim a.  a.  0.). 

Die  Klägerin  erblickt  nun  ein  den  guten  Glauben  der 
Beklagten  aussohliessendes  Verschulden  derselben  darin,  dass 
sie  die  im  Schweiz.  Handelsamtsblatt  vom  6.  und  8.  September 
1894  erschienene  Publikation  der  Kantonegerichtskanzlei  Zug, 
worin  die  entwendeten  Obligationen  behufs  Amortisation  auf- 
gerufen waren,  nicht  beachtet  habe.  Die  Beklagte  hat  hie- 
gegen  zunächst  mit  Unrecht  eingewendet,  dass  die  fragliche 
Publikation,  weil  von  einer  zur  Einleitung  des  Amortisations- 
verfahrens in  concreto  (gemäss  0.  R.  Art.  850)  nicht  zustän- 
digen Behörde  veranlasst  und  an  ungewöhnlicher  Stelle  (auf 
der  2.  Seite  statt  im  Eingang)  des  Handelsamtsblatts  enthalten, 
von  ihr  nicht  habe  beachtet  werden  müssen  ;  denn  es  genügte 
durchaus,  dass  die  Publikation  überhaupt  im  amtlichen  Teil 
des  Handelsamtsblattes  erschien,  um  diejenigen  Personen,  von 
denen   das  Halten   und  Lesen  dieses  Publikationsorgans  ver- 


149 

langt  und  erwartet  werden  darf,  zu  deren  Kenntnisnahme  zu 
veranlassen.  —  Dass  die  Beklagte,  als  handeltreibende  Aktien- 
gesellschaft, die  sich  speziell  auch  mit  dem  gewerbsmässigen 
An-  und  Verkauf  von  Wertpapieren  befasst,  zu  diesen  Per- 
sonen gerechnet  werden  darf,  ist  auch  ohne  eine  hierauf 
bezügliche  positive  Gesetzesvorschrift  von  ihr  gewiss  mit  Un- 
recht bestritten  worden.  —  Sie  hat  denn  auch  heute  selber 
anerkannt,  dass  auch  bei  ihr  ein  besonderes  Register  über 
die  im  Handelsamtsblatt  aufgerufenen  Werttitel  geführt  werde, 
wie  dies  nach  vom  Gericht  eingeholten  Erkundigungen  bei 
den  meisten  Banken,  die  in  grösserem  Umfange  Handel  mit 
Wertpapieren  treiben,  der  Fall  ist.  —  Existierte  aber  ein 
solches  Verzeichnis,  so  ist  es  als  eine  Nachlässigkeit  zu  be- 
trachten, wenn  dasselbe  entweder  nicht  vollständig  geführt 
(was  übrigens  nicht  ausdrücklich  behauptet  worden  ist)  oder 
dessen  Nachschlagen  beim  Ankauf  der  Obligation  unter- 
lassen wurde.  —  Es  ist  dies  auch  in  wiederholten  Entschei- 
dungen des  deutschen  Reichsgerichts  (vergi.  Bd  VI  S.  18  und 
88  und  Bd  XXVIII  S.  113)  ausgesprochen  und  anerkannt 
worden.  Gewiss  ist  es  gerechtfertigt,  in  dieser  Beziehung  an 
Bankinstitute  von  der  Art  der  Beklagten  einen  strengern 
Massstab  anzulegen,  als  z.  B.  an  gewöhnliche  Private  oder 
kleinere  Banken,  die  bloss  gelegentlich  Käufer  von  Wert- 
papieren sind. 

Wenn  endlich  die  Beklagte  für  ihren  guten  Glauben  sich 
namentlich  noch  darauf  berufen  zu  können  glaubt,  dass  sie 
ja  selber  die  Obligation  von  einer  Bank,  die  mit  solchen 
Papieren  handelt  (Art  206  0.  R.),  erworben  habe,  so  vermag 
ihr  auch  dies  nicht  zur  Entschuldigung  des  Mangels  der  ge- 
botenen Vorsicht  zu  gereichen;  denn  einmal  begründet  diese 
Thatsache  an  sich  —  nach  der  Fassung  des  Gesetzes  — 
noch  nicht  unbedingt  und  ohne  weiteres  die  Annahme  des 
guten  Glaubens  bezw.  schliesst  sie  die  gegenteilige  Annahme 
keineswegs  aus;  sodann  aber  hat  die  Beklagte  nicht  etwa 
behaupten  können,  dass  ihr  bekannt  gewesen  sei,  dass  die 
erforderliche  Kontrolle  beim  Ankauf  von  Wertpapieren  speziell 
auch  bei  ihrer  Rechtsvorfahrin  (der  Banca  popolare  in  Lugano) 
gehandhabt  werde  ;  vielmehr  musste  sie  wohl  mit  der  Mög- 
lichkeit rechnen,  dass  dies  nicht  oder  nicht  in  genügender 
Weise  geschehen  sei,  und  wenn  sie  trotzdem  auch  ihrerseits 
die  erforderliche  und  ihr  zugegebenermassen  ermöglichte 
Kontrolle  unterliess,  so  that  sie  dies  eben  auf  ihre  eigene 
Gefahr,  indem  sie  sich  offenbar  dabei  beruhigte,  dass  ihr  ja 
—  für  alle  Eventualitäten,   der  Regress   auf  die  Verkäuferin 

11 


150 

offen  bleibe.  In  diesem  Verhalten  mass  aber  gerade  das 
erblickt  werden,  was  das  Bundesgericht  in  dem  oben  ange- 
führten Entscheide  als  „leichtfertige  Unbekümmertheit  um 
fremdes  Recht"  bezeichnet  hat,  und  was  deshalb  gewiss  nicht 
als  eine  den  guten  Glauben  begründende  Thatsache  ange- 
nommen werden  kann. 

Naob  dem  Ausgeführten  muss  das  klägerische  Rechts- 
begehren in  der  alternativen  Fassung  auf  Rückerstattung  der 
Obligation  in  natura  oder  Ersatz  ihres  Wertes  als  begründet 
erklärt  werden.  (Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entech.,  XVI  S.  148  ff/. 


98«  Bail  à  loyer.  Droit  de  rétention  du  propriétaire.  Meubles 
déplacés  clandestinement.   Art.  294  C.  0. 

Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  7  mars  1896  d.  1.  c. 
Salomon  c.  Ulmer. 

La  veuve  Ulmer,  domiciliée  à  G  ex,  est  propriétaire  d'un 
immeuble  sis  à  Genève  ;  elle  avait  pour  locataire  un  sieur 
Téoule,  ébéniste.  Le  15  avril  1895,  Téoule  qui  était  en  retard 
de  paiement  de  son  loyer,  écrivait  au  régisseur  de  dame  Ulmer 
de  vouloir  bien  prendre  patience,  ajoutant  que  la  valeur  de 
son  mobilier  et  celle  d'un  meuble  d'art  en  construction  garan- 
tissaient amplement  la  dette.  Le  15  mai,  Téoule  n'ayant 
rien  payé,  veuve  U.  lui  fit  notifier  un  commandement  pour  la 
somme  de  75  fr.  Les  24  et  30  mai,  la  dame  Téoule,  se  qua- 
lifiant de  veuve,  a  vendu  à  Salomon,  marchand  de  meubles, 
la  totalité  du  mobilier  garnissant  son  appartement  pour  la 
somme  de  790  fr.  payée  partie  comptant  et  le  solde  le  3  juin. 
Le  6  juin,  la  veuve  TL,  agissant  en  vertu  de  l'art  284  de  la 
loi  fédérale  sur  la  poursuite  pour  dettes,  a  requis  l'Office  de 
procéder  à  l'inventaire  de  ce  mobilier  et  à  sa  réintégration 
dans  l'appartement  de  Téoule.  L'Office  a  inventorié  un  cer- 
tain nombre  de  meubles  retrouvés  en  mains  de  Salomon  et 
évalués  à  150  fr.,  et  les  a  fait  transporter  au  local  des  ventes 
juridiques,  l'appartement  Téoule  ayant  été  évacué  et  fermé 
par  son  locataire.  Salomon  a  introduit  une  action  contre  la 
veuve  U.  pour  faire  prononcer  qu'il  est  seul  propriétaire  des 
objets  inventoriés  et  qu'ils  lui  seront  restitués.  Les  deux  in- 
stances l'ont  débouté  de  sa  demande.  Les  premiers  juges  ont 
admis  qu'il  était  établi  par  l'instruction  de  la  cause  que  les 
objets  inventoriés  ont  été  soustraits  clandestinement  au  droit 
de  rétention  de  la  veuve  U.  et  que  oette  clandestinité  résul- 
tait notamment  de  ce  qu'ils  ont  été  sortis  du  domicile  de 
Téoule  sans  l'assentiment  et  hors  de  la  vue  de  la  propriétaire  ; 


151 

que,  d'autre  part,  Salomon,  n'ayant  fait  aucune  démarche  pour 
s'assurer  si  le  mobilier  qu'il  acquérait  n'était  pas  soumis  au 
droit  de  rétention  de  la  veuve  U.,  ne  peut  arguer  de  sa  bonne 
foi.  La  Cour  s'est  prononcée  sur  ces  deux  questions  comme  suit: 

Considérant  ainsi  que  l'a  décidé  le  Tribunal  fédéral  dans 
la  cause  Hayoz  c.  Pontetet,  du  19  juillet  1895,  qu'il  y  a  dé- 
placement clandestin,  lorsque  des  objets  soumis  au  droit  de 
rétention  du  bailleur  sont  enlevés,  à  l'insu  de  celui-ci,  dans 
des  circonstances  qu'il  n'a  pas  connues  ni  dû  connaître  et 
alors  que  le  locataire  savait  ou  devait  savoir  que  oe  déplace- 
ment était  de  nature  à  provoquer  l'opposition  du  bailleur; 

Que  tel  est  bien  le  cas  en  l'espèce,  puisque  Téoule  était 
en  retard  de  trois  mois  de  loyer  et  qu'un  commandement  lui 
avait  été  signifié. 

Considérant,  avec  le  Tribunal  fédéral  (ut  supra),  que  la 
bonne  foi  doit  être  réputée  inexistante,  quand  l'acte  d'acqui- 
sition repose  sur  une  négligence  grave  et  inexcusable  consis- 
tant, soit  dans  un  manque  d'attention  extraordinaire,  soit  dans 
une  insouciance  coupable  du  droit  d'autrui. 

Or,  Salomon  savait  —  nul  n'étant  censé  ignorer  la  loi  — 
qu'aux  termes  de  l'art.  294  C.  0.  le  mobilier  Téoule  était 
soumis  au  droit  de  rétention  du  propriétaire,  et  qu'en  ache- 
tant tout  ce  mobilier,  il  aidait  le  locataire  à  commettre  un 
véritable  détournement  au  préjudice  du  propriétaire,  et  que 
la  prudence  la  plus  élémentaire  exigeait  qu'il  obtint  le  con- 
sentement du  propriétaire,  tout  au  moins  pour  l'enlèvement 
des  meubles.  (La  Semaine  judiciaire  18»«  année,  p.  303  sa.) 


99.  Dienstvertrag.  G eschäftsliqui dation  kein  wichtiger  Grund 
/ür  vorzeitige  Entlassung.  Art.  346  0.  R. 

Zürich.  Urteil  des  Handelsgerichts  vom  23.  Dezember  1897  i.  S.  Hauser 
c.  J.  H.  Pestalozzi  &  Cie. 

£.  Hauser,  seit  1877  als  Lehrling,  dann  als  Commis,  seit 
1890  als  Prokurist  im  Hause  J.  H.  Pestalozzi  &  Cie  thätig, 
8chloss  1897  mit  diesem  Hause  einen  neuen  Anstellungsver- 
trag, gültig  bis  1901.  Bald  darauf  kündigten  ihm  die  Ge- 
schäftsinhaber das  Dienstverhältnis  auf  31.  Oktober  1897,  weil 
sie  sich  entschlossen  hätten,  das  Geschäft  zu  liquidieren,  und 
zwar  infolge  eines  seit  Jahren  andauernden  Rückgangs  des 
Geschäfts  in  Verbindung  mit  familiären  Gründen.  Hauser 
nahm  diese  Kündigung  nicht  an  und  verlangte  schliesslich 
10,000  Fr.  Schadenersatz.     Es   handelte   sich   darum,   ob   die 


152 

von  den  Geschäftsinhabern  beschlossene  Liquidation  ein  wich- 
tiger Grund  für  vorzeitige  Entlassung  sei.  Das  Handelsgericht 
verneinte  dies  und  sprach  dem  Kläger  Fr.  3600  zu. 

Motive:  Die  Auflösung  des  Geschäfts,  für  welches  der 
Dienstvertrag  abgeschlossen  wurde,  wird  unter  gewissen  Um- 
ständen als  „wichtiger  Grund"  zur  Aufhebung  des  Vertrages 
anerkannt  werden  müssen,  und  zwar  regelmässig  dann,  wenn 
sie  durch  Zufall  oder  höhere  Gewalt  bedingt  ist  (s.  Hahn, 
Komm,  zum  D.  H.  G.  B.  Art.  64,  §  3),  wie  z.  B.  Tod  des  Trin- 
zipals,  wenigstens  bei  Unmöglichkeit  einer  Weiterfuhrung  des 
Geschäftes  durch  Rechtsnachfolger,  oder  etwa  einer  Monopoli- 
sierung des  betreffenden  Geschäftsbetriebes,  Schaffung  unüber- 
windlicher Zollverhältnisse  u.  dergl.  Im  übrigen  muss  aber 
festgehalten  werden,  dass  der  Bücktritt  nach  Art.  346  O.  R. 
nur  in  guten  Treuen  geschehen  darf  und  daher  in  der  Regel 
kein  Teil  einen  Auflösungsgrund  aus  seinen  eigenen  Hand- 
lungen wird  herleiten  können  (Hafner,  Komm.  z.  O.R.  Art.  346 
N.  3,  Bundesger.  Entsch.  Bd  XXTTT  S.  656  und  Staub,  Komm, 
z.  D.  H.  G.  B.  zu  Art.  62  Nr.  2),  und  zwar  auch  abgesehen 
von  einem  Verschulden,  das  selbstverständlich  fur  den,  welchem 
es  zur  Last  fällt,  nicht  zur  Quelle  von  Rechten  werden  kann. 
So  ist  beispielsweise  vom  Bundesgericht  die  Geschäftsaufgabe 
als  Entlassungsgrund  in  einem  Falle  negiert  worden,  wo  das 
Geschäft  einem  Nachfolger  übertragen  werden  konnte  (Bun- 
desger. Entsch.  Bd  XV  N.  92).  Vorliegend  war  nun  aber  ein 
absoluter  Zwang  zur  Aufhebung  des  Geschäftes  überhaupt 
nicht  gegeben,  sondern  es  beruht  dieselbe  auf  einer  mehr  oder 
weniger  freien  EntSchliessung  des  Dienstherrn.  Ueberhaupt 
würde  es  den  grössten  Bedenken  unterliegen,  eintretende  Ge- 
schäftsdefizite als  einen  Grund  zur  vorzeitigen  Entlassung  von 
Angestellten  anzuerkennen,  da  dies  alles  zu  den  mit  dem 
Geschäftsbetriebe  verbundenen  Risiken  gehört;  im  vorliegenden 
Falle  aber  kann  hievon  vollends  nicht  die  Rede  sein,  weil 
Defizite  schon  seit  Jahren  vorhanden  waren  und  daher  beim 
Abschluss  des  streitigen  Anstellungsverhältnisses  hätten  mit 
in  Betracht  gezogen  werden  sollen.  Hiezu  kommt,  dass  das 
Geschäft  überhaupt  nur  zum  Teil,  —  wie  nach  der  Dar- 
stellung der  Beklagten  angenommen  werden  muss,  allerdings 
in  der  Hauptsache  —  liquidiert  wird,  so  dass  nicht  einmal 
die  Möglichkeit,  den  Kläger  weiterhin  zu  beschäftigen,  als 
ausgeschlossen  erscheint. 

(Schweizer  Bl.  f.  h.-r.  Entsch.,  XVII  S.  63  ff.) 


153 

100.  Differenzgeschäft.  Die  Einrede  des  Spiels  nach  Art. 
■512  0.  R.  ist  der  actio  pro  socio  gegenüber  unzulässig. 

Baselstadt.  Urteil  des  Civilgerichts  vom  30.  August,  and  des  Appel- 
la tionsgerichts  vom  10.  Oktober  1898  i.  S.  Bodenehr  c.  Tobler. 

Kläger  Bodenehr  kaufte  Ende  1892  und  Anfangs  1893 
bei  der  Firma  Thomas  Barr  &  Cie  in  Newyork  nach  den 
Usancen  der  dortigen  Baumwollbörse  1100  Ballen  Baumwolle 
auf  Termin,  wofür  er  in  Harre  den  nötigen  Margenbetrag 
hinterlegte.  Vor  Eintritt  der  Termine  geriet  die  amerikanische 
Firma  in  Eonkurs  und  es  wurden  ihre  sämtlichen  Forderungen 
sofort  liquidiert.  Es  ergab  sich  für  den  Kläger  ein  Verlust 
von  Fr.  19,500. — .  An  diesen  Ankäufen  hatte  sich  der  Be- 
sagte Tobler  mit  300  Ballen  beteiligt  und  Kläger  berechnet 
dessen  Anteil  am  Verlust  zu  3/n  auf  Fr.  5320. — ,  welche  er,  zu- 
züglich Zinsen,  im  ganzen  Fr.  6088. — ,  einklagt.  —  Beklagter 
erhebt  dagegen  die  Einrede  des  Spiels  (Art.  5 12  0.  R.):  Kläger 
iiabe  des  Beklagten  finanzielle  Lage  (Fr.  200.  —  monatlichen 
Verdienst  bei  sonstiger  Vermögenslosigkeit)  gekannt,  habe  daher 
annehmen  müssen,  das 8  er  nie  im  Falle  sein  werde,  ein  Geschäft 
über  300  Ballen  Baumwolle  abzuschliessen.  Das  Geschäft  sei 
von  Anfang  an  als  reines  Differenzgeschäft  unter  den  Parteien 
betrachtet  worden.  Auch  die  Vermögenslage  des  Klägers  sei 
nicht  derart,  dass  effektive  Lieferung  habe  beabsichtigt  werden 
können,  wofür  er  sich  auf  die  Bücher  des  Klägers  beruft. 
Die  Höbe  der  klägerischen  Forderung  bestreitet  Beklagter 
nicht.  —  Replikando  bestreitet  Kläger,  die  behauptete  Ver- 
mögenslosigkeit des  Beklagten  gekannt  zu  haben;  dieser  sei 
Hauptmann,  aus  einer  gutsituierten  Familie,  und  seine  Frau 
Inhaberin  eines  gutgehenden  Modengeschäfts.  Rechtlich  hafte 
Beklagter  aus  Gesellschaftsvertrag.  Die  Einrede  des  Spiels 
sei  der  actio  pro  socio  gegenüber  unzulässig,  wie  auch  das 
Bundesgericht  analog  durch  Entscheid  vom  11.  Oktober  1884 
in  Sachen  Hasler  bezüglich  der  Einrede  des  Lotteriespiels 
entschieden  habe. 

Das  Civilgericht  verurteilte  den  Beklagten  zu  der  einge- 
klagten Summe,  indem  es  sich  in  seinen  Motiven  darauf  be- 
schränkt, nachzuweisen,  dass  in  vorliegendem  Falle  das  Kri- 
terium eines  klaglosen  reinen  Differenzgeschäfts,  nämlich  dass 
„die  Parteien  ausdrücklich  oder  stillschweigend  durch  über- 
einstimmenden Vertragswillen  Recht  und  Pflicht  wirklicher 
Lieferung  und  Abnahme  haben  ausschliessen  wollen,"  nicht  vor- 
liege. Die  Korrespondenz  zwischen  den  Parteien  schon  lässt 
nicht  den  Schi u s 8  zu,  dass  ein  reines  Differenzgeschäft  von 
vornherein  unter  den  Parteien  Vertragswille  war.    Ueber  die 


154 

Frage,  ob  die  Vermögensverhältnisse  des  Beklagten  die  An- 
nahme reeller  Lieferungsabsicht  zulassen,  fährt  das  Civilgericht 
aus:  In  wiederholter  Anwendung  hat  das  Bundesgericht  ent- 
schieden, das8  nicht  das  Unvermögen,  den  ganzen  Kaufpreis 
zu  deoken,  ein  Indiz  für  den  Charakter  eines  reinen  Differenz- 
geschäftes des  betreffenden  Kaufes  sei.  Vielmehr  genüge  es, 
da  der  Käufer  die  Waren  in  der  Zwischenzeit  wieder  ver- 
kaufen könne,  wenn  er  imstande  sei,  „die  Gefahren  von 
ihm  ungünstigen  Preisänderungen"  zu  tragen.  In  dieser  Hin- 
sicht darf  man  mit  dem  Kläger  ein  Fünftel  des  Kaufpreises 
als  Maximum  der  möglichen  Preisschwankung  annehmen,  und 
so  bliebe  nur  die  Summe  von  13,000  Fr.,  welche  zu  decken 
das  Vermögen  der  Käufer  kräftig  genug  sein  muss.  Dass  das 
beim  Kläger  der  Fall  war,  beweist  die  Thatsache,  dass  er 
in  Havre  ein  genügend  grosses  Depot  hinterlegt  hatte.  Ein 
weiterer  Beweis  aus  seinen  Büchern  braucht  daher  nicht  er- 
hoben zu  werden.  Für  den  Beklagten  ist  es  durch  die  oben 
festgestellten  Umstände  erwiesen.  Selbst  wenn  man  von  dem 
Salair  von  Fr.  200. —  monatlich  ausgeht,  so  kommen  doch 
die  Einnahmen  der  Frau  dazu,  und  ist  die  gesellschaftliche 
Stellung  des  Beklagten  als  Offizier  und  Sohn  einer  gut- 
situierten Familie  hinzuzurechnen,  so  dass  es  ihm  möglich 
war,  nötigenfalls  Mittel  im  Betrage  von  13,000  Fr.  flüssig 
zu  machen.  Dass  nur  das  bare  Geld  und  direkt  in  Geld 
umsetzbare  Wertpapiere  oder  sonstiges  Eigentum  den  Ver- 
mögensbestand ausmachen,  ist  weder  volkswirtschaftlich  rich- 
tig, noch  auch  vom  Bundesgericht  etwa  ausgesprochen  worden. 

Das  Fundament  der  beklagtischen  Einrede,  dass  es  sich 
um  ein  reines  Spielgeschäft  handle,  bleibt  somit  unerwiesen. 

Das  Klagfundament,  dass  der  Beklagte  mit  dem  Kläger 
einen  Gesellschaftsvertrag  eingegangen  habe,  wurde  nicht 
bestritten,  auch  die  Höhe  der  klägerischen  Forderung  nicht, 
sodass  das  Klagbegehren  in  vollem  Umfange  zuzusprechen 
ist  unter  voller  Kostenfolge  für  den  Beklagten. 

Das  Âppellation8gericht  bestätigte  das  erstinstanzliche 
Urteil  mit  folgender  Motivierung: 

Was  die  Natur  des  zwischen  den  Parteien  und  Thomas 
Barr  &  Gie  abgeschlossenen  Geschäfts  anbetrifft,  so  ist  mit 
der  ersten  Instanz  anzunehmen,  dass  dasselbe  kein  klagloses 
Differenzgeschäft  sei  ;  den  von  ihr  dafür  angeführten  Gründen, 
abgesehen  von  dein  der  militärischen  Stellung  des  Klägers, 
ist  durchaus  beizutreten. 

Aber  für  den  heutigen  Prozess  ist  dieser  Umstand  nicht 
massgebend.  Es  handelt  sioh  zwischen  den  Parteien  nicht  um 


155- 

ein  Lieferungsgesohäft,  sondern  um  einen  Gesellschaftsvertrag 
zum  Zweck  von  Lieferungsgeschäften.  Wenn  Art.  512  eine 
Forderung  nicht  entstehen  lässt  aus  Darlehen  und  Vorschüssen, 
welche  wissentlich  zum  Behufe  des  Spielens  oder  der  Wette 
gemacht  werden,  so  darf  dieser  Satz,  selbst  wenn  man  ihn 
auch  auf  klaglose  Differenzgeschäfte  anwenden  wollte,  doch 
nicht  eine  so  weite  Ausdehnung  erhalten,  dass  dem  Darlehen 
auch  andere  Verträge,  speziell  der  Gesellschaftsvertrag,  gleich- 
gestellt werden.  Man  könnte  vorkommenden  Falles  fragen, 
ob  ein  Gesellschafter  nicht  die  Pflicht  hätte,  im  Interesse  der 
Gesellschaft  die  Spieleinrede  gegenüber  dem  Kontrahenten  der 
Gesellschaft  geltend  zu  machen;  in  unserm  Falle  war  dies 
schon  dadurch  ausgeschlossen,  dass  das  Depot  in  Havre  dem 
Verkäufer  haftete  ;  übrigens  hat  der  Beklagte  ein  solches  An- 
sinnen an  den  Kläger  niemals  gestellt.  Es  ist  wohl  kein 
Zweifel,  dass  wenn  die  Spekulation  der  Gesellschafter  Gewinn 
gebracht  hätte,  der  Beklagte  seinen  Anteil  gegenüber  dem 
Kläger  beansprucht  hätte,  und  sich  mit  Recht  nicht  mit  der 
Spieleinrede  hätte  abfertigen  lassen. 


101«  Rechtsöffnung  für  eine,  unter  Geltendmachung  der 
Compensation  mit  einer  Gegenforderung  anerkannte  Forderung. 
Art.  82  B.-Ges.  über  Seh.  u.  K. 

St.  Gallen«  Entscheid  der  Rekursinstanz  (Kantonsgerichtspräeident) 
vom  4./13.  April  1896. 

Gegen  eine  Betreibung  für  Fr.  94.  —  Kostgeldforderung 
lautete  der  Reohtsvorschlag:  „Fr.  57. —  Gegenrechnung,  nur 
Fr.  37.  —  schuldig.4*  Auch  im  Reohtsöffnungs verfahren  wandte 
der  Betriebene  gegen  die  Entstehung  und  den  Rechtsbestand 
der  Eostgeldforderung  nur  ein,  dass  er  fur  Fr.  57. —  eine 
vom  Gläubiger  ausdrücklich  bestrittene  Gegenforderung  geltend 
mache,  für  die  er  aber  keine  Schuldanerkennung  seitens  des 
Gegners  besitze.  Die  Vorinstanz  verweigerte  die  provisorisohe 
Rechtsöffnung,  weil  die  Forderung  weder  auf  einer  durch 
öffentliche  Urkunde  festgestellten,  noch  durch  Unterschrift 
bekräftigten  Schuldanerkennung  im  Sinne  von  Art.  82  B.-Ges. 
über  Seh.  u.  E.  beruhe  und  es  nicht  im  Sinne  dieses  Artikels 
liege,  aus  einer  blos  unter  Geltendmachung  einer  Gegenforde- 
rung abgegebenen  Anerkennung  im  Rechtsvorschlag  die  Rechts- 
öffnung zu  bewilligen,  indem  dadurch  der  Schuldner  verhindert 
würde,  Compensation  eintreten  zu  lassen. 

Die  Rekursinstanz  gewährte  die  provisorische  Rechts- 
öffnung, in  Erwägung:   Der  Wortlaut  des  Rechtsvorschlags 


156 

enthält  eine  genügende  Grundlage  zur  Bewilligung  der  provi- 
sorischen Rechtsöffnung  bezw.  eine  duroh  öffentliche  Urkunde 
(Rechtsvorschlag,  protokolliert  vom  Betreibungsbeamten  über 
die  an  diesen  ergangene  sachbezügliche  Erklärung  des  Be- 
triebenen) festgestellte  Sohuldanerkennung,  welche  dem  Rechts- 
öffnungsrichter gar  keinen  Zweifel  darüber  aufkommen  lässt, 
dass  der  Betriebene  dem  Gläubiger  wirklich  Fr.  94. —  schuldig 
geworden  sei.  Das  genügt  für  die  provisorische  Rechtsöffnung, 
sofern  der  Betriebene  nicht  Einwendungen,  welche  die  Schuld- 
anerkennung entkräften,  sofort  glaubhaft  macht,  Art.  82  Abs.  2 
B.-G.  Zur  Entkräftung  der  Sohuldanerkennung  soll  der 
Schuldner  alles  vorbringen  können,  was  geeignet  ist,  den 
Glauben  des  Richters  an  die  Entstehung  oder  den  Fortbestand 
der  Forderung  zu  erschüttern.  Also  auch  die  Einrede  der 
Kompensation,  sofern  sie  sofort  glaubhaft  gemacht  wird.  Das 
ist  nun  eben  hier  nicht  der  Fall.  Für  seine  Gegenforderung 
von  Fr.  57. —  kann  sich  der  Betriebene  nicht  auf  eine  Aner- 
kennung des  Gläubigers  berufen,  da  sie  dieser  bestreitet,  und 
es  sieht  sich  der  Betriebene  auf  Beweisanträge  verwiesen, 
die  nur  im  ordentlichen  Gerichtsverfahren  gestellt  und  abge- 
nommen werden  können.  Mit  der  provisorischen  Rechtsöffnung 
wird  nun  der  Betriebene  keineswegs  um  sein  Kompensation- 
reoht  gebracht,  wie  die  Vorinstanz  rechtsirrtümlicherweise  an- 
nimmt, sondern  lediglich  auf  das  Aberkennungsverfahren  ver- 
wiesen, in  welchem  er  als  Kläger  die  Aberkennung  der  Fr.  94. — , 
bezw.  der  daran  streitigen  Fr.  57.  —  erwirken  kann,  wenn  es 
ihm  gelingt,  die  Rechtmässigkeit  des  Gegenforderungspostens 
von  Fr.  57. —  zu  beweisen.  Mit  der  provisorischeu  Rechts- 
-öffnung  wird  hier  nur  die  Parteirolle  gewechselt:  Kläger  im 
Aberkennungsverfahren,  anstatt  Beklagter  im  ordentlichen 
Prozessverfahren  nach  Art.  79  B.-G.  Die  Beweislast  für  die 
zur  Kompensation  verstellten  Gegenforderungen  trifft  den 
Gegenforderer  sowieso,  im  ordentlichen  Prozess verfahren  als 
Beklagten,  wie  im  Aberkennungsverfahren  als  Klägor. 

(Entsch.  des  Kantonsgerichts  des  K.  St.  Gallen  i.  J.  1896,  S.  103  f.) 


102.  Frist  für  Rückforderung  der  infolge  Unterlas- 
sung des  Rechtsvorschlags  bezahlten  Nichtschuld.  Vetjäh- 
rungs-  oder  Verwirkungsfrist  ?  Art.  86  B.-Ges.  betreffend  Seh.  und  K. 

H  er ii.    Urteil  des   Appell.-   und   Kass.-Hofs  vom   15.  Mai  1896  i.  i>. 
Tsehaggelar  c.  Altwegg. 

Marianne  Tschaggelar  hatte  sich  für  ihren  Ehemann 
Gottlieb  bei  dessen  Gläubiger  Altwegg  verbürgt  und  bezahlte 


157 

infolge  Zahlungsbefehls  vom  23.  April  1893  in  mehreren  Raten 
diese  Schuld.  Arn  23.  Februar  1894  lud  Tschaggelar  den 
Altwegg  durch  den  Friedensrichter  zu  einem  Sühneversuch 
über  sein  Rückforderungsbegehren  vor,  reichte  aber  erst  am 
11.  März  1895  Klage  ein.  Der  Beklagte  erhob  die  Einrede 
der  Verwirkung,  und  das  Gericht  erklärte  diese  Einrede  für 
begründet. 

Motive:  Wenn  Art.  86  desB.-Ges.  über  Seh.  und  K.  wirklich 
eine  gesetzliche  Klagebefristung  enthält,  so  ist  das  Rückforde- 
rungsreoht  der  Frau  Tsch.  erloschen,  da  in  diesem  Falle  inner- 
halb der  festgesetzten  Frist  <Jie  Klage  selbst  hätte  erhoben  wer- 
den sollen  und  der  Fristenlauf  nicht,  wie  wenn  es  sich  um  eine 
Verjährung  handelte  (Art.  154,  Ziff.  2  0.  R.),  durch  die  Ladung 
zum  amtlichen  Sühneversuch  unterbrochen  wurde.  Nach  dem 
Wortlaute  des  Art.  86  muss  angenommen  werden,  dass  man 
es  hier  in  der  That  nicht  mit  einer  Verjährung,  sondern  mit 
einer  gesetzlichen  Klagebefristung  zu  thun  hat,  denn  von  Ver- 
jährung ist  darin  nicht  die  Rede,  es  heisst  einfach,  derjenige, 
der  ....  eine  Nichtschuld  bezahlt  habe,  könne  innerhalb 
eines  Jahres  nach  der  Zahlung  auf  dem  ordentlichen  Prozess- 
wege den  bezahlten  Betrag  zurückfordern,  was  so  viel  sagen 
will  als,  er  könne  innerhalb  dieser  Frist  auf  dem  ordentlichen 
Prozesswege,  im  Gegensatz  zum  beschleunigten  oder  sum- 
marischen Verfahren  (Art.  25  B.-Ges.),  Klage  auf  Rück- 
erstattung erheben.  Ein  Klagerecht  aber,  das  nur  innerhalb 
bestimmter  Frist  gegeben  ist,  unterliegt  nicht  nur  den  all- 
gemeinen Grundsätzen  über  die  Verjährung,  sondern  ist  schon 
bei  seiner  Entstehung  zeitlich  beschränkt,  d.  h.  befristet,  und 
erlischt,  wenn  die  Frist  nicht  eingehalten  wird.  (Zudem, 
wird  bemerkt,  bewirkt  nach  bernischem  Prozessrecht  nicht 
schon  die  Zustellung  der  Ladung  zum  amtlichen  Sühneversuch, 
sondern  erst  die  Erhebung  der  Klage,  und  zwar  die  Ein- 
reichung der  Klage  bei  dem  Gerichtspräsidenten,  die  Rechts- 
hängigkeit des  Streites.) 

(Zeitschr.  des  Bern.  Jur.-Ver.,  XXXIII  S.  134  ff.) 


I.  Alphabetisches  Sachregister. 


Aberkennungsklage,  forum  bei  Betreibung  durch  einen  Franzosen, 
Nr.  65. 

Ablieferungsort,  bei  Kauf,  Nr.  33. 

Abtretung,  grundversicherter  Forderungen,  wiefern  nach  eidg.  Recht 
zu  beurteilen,  Nr.  63;  einer  verbürgten  Forderung  ohne  die 
Bürgschaft,  Nr.  78. 

Advokatenhonorar,  Grundsätze  für  dessen  Feststellung,  Nr.  37. 

Aktiengesellschaft,  Anfechtung  von  GeneralversammlungsbeBchlüssen, 
Streitwert,  Reservefonds,  Nr.  29. 

Aktienhinterlegung,  Zweck,  Nr.  8ö. 

Amtshandlungen,  rechtswidrige,  der  Betreibungsbeamten,  Verjährung, 
Nr.  48. 

Anerkennung,  im  Sinne  des  Art.  82  B.-G.  über  Schuldb.  u.  Konk., 
Nr.  26. 

Anfechtung,  von  Generalversammlnngsbeschlüssen  einer  Aktien- 
gesellschaft, Nr.  29. 

Anfechtungsklage,  nach  Schiuse  des  Konkursverfahrens,  Nr.  16; 
gegen  Genossenschaftsbeschlüsse,  Nr.  90. 

Angaben,  unrichtige,  des  Versicherungsnehmers,  Nr.  42. 

Annoncenpachtvertrag,  rechtliche  Natur,  Nr.  31. 

Anschlusspfändung,  für  Muttergutsforderungen,  Nr.  74. 

Anwalt,  eines  Konkursiten,  wiefern  zur  Berufung  berechtigt?  Nr.  10. 

Anwendbarkeit,  eidgenössischen  Rechts,  als  Voraussetzung  bundes- 
gerichtlicher Kompetenz,  Nr.  27,  57,  74;  betr.  Erlöschung  der 
Kaufpreisforderung  bei  Liegenschaftskauf,  Nr.  32  ;  bei  Vieh- 
handel, Nr.  41  ;  bei  Gewährleistungsversprechen  des  Cedenten 
grundversicherter  Forderungen,  Nr.  63  ;  betr.  Haftbarkeit  eines 
Vertragsunfähigen  für  Betrug,  Nr.  75. 
kantonalen  Rechts,  bei  Verpfründung  und  Schenkung,  Nr.  27; 
auf  Anstellung  von  Beamten,  Nr.  36;  betr.  Rechtsfähigkeit 
der  juristischen  Personen  des  öffentlichen  Rechts,  Nr.  44; 
betr.  Schenkungen,  Nr.  57;  auf  Erbschaftsveräusserungsver- 
träge,  Nr.  62  ;  betr.  Erfordernis  der  Schriftlichkeit  bei  Gewähr- 


159 

Schaftsversprechen  im  Vieh han del,  Nr.  70;  betr.  Anschluss- 
pfändnng  für  Muttergut,  Nr.  74  ;  betr.  kantonale  Gesetze,  die 
erst  nach  Inkrafttreten  des  0.  R.  erlassen  worden,  Nr.  84  ; 
für  Ansprüche  ans  Liegenschaftskänfen,  Nr.  86  ;  für  Verträge 
über  Grunddienstbarkeiten,  Nr.  86. 

Anzeigepflicht,  bei  Mängeln,  Rechtzeitigkeit?  Nr.  41  ;  des  Ver- 
sicherten bei  Unfallversicherung,   Nr.  42,  43. 

Arbeitgeber,  Schutz  der  Arbeiter  vor  Berufsgefahren,  Nr.  30. 

Architekt,  Werk-  oder  Dienstvertrag?    Haftpflicht,  Nr.  88. 

Aufsichtspflicht  des  Vaters,  Nr.  87. 

Auslegung  von  Willensänsserungen,  ob  Rechtsfrage  ?  Nr.  2. 

Beamte,  civilrechtliche  Stellung,  Nr.  36. 

Bereicherung,  ungerechtfertigte,  Nr.  77. 

Berulung,  an  das  Bundesgericht,  unstatthaft  gegen  Vor-  und  Zwischen- 
entscheide, Nr.  1;  gegen  Teilurteile,  Nr.  59;  wieweit  wegen 
Verletzung  des  B.-G.  über  die  civilrechtlichen  Verhältnisse  der 
Niedergelassenen  statthaft?  Nr.  57;  Rechts-  und  Thatfrage, 
Nr.  2;  Förmlichkeiten,  Nr.  28;  Streitwertberechnung,  Nr.  29, 
90  ;  vom  Anwalt  eines  Konkursiten  nach  der  Eonkurserklärung 
eingelegt,  Nr.  10. 

Berufungssumme,  bundesgerichtliche,  Zusammenrechnung  der  An- 
sprüche, Nr.  4. 

Besteller  eines  Werkes,  Rechte  und  Pflichten  bei  Mängeln,  Nr.  89. 

Betriebsunfall,  Begriff,  Nr.  61. 

Betrug,  des  Hauptschuldners  oder  des  Bürgen?  Nr.  3;  eines  Ver- 
tragsunfähigen, Nr.  75. 

Beweislast,  bei  Bürgschaft,  Nr.  12;  für  Zurechnungs-  oder  Unzu- 
rechnungsfähigkeit bei  Selbstmord  im  Lebensversicherungs- 
vertrag, Nr.  13;  betr.  Mängel  bei  Wandelungsklage,  Nr.  41  ; 
für  bösen  Glauben  des  Erwerbers  einer  gestohlenen  Sache, 
Nr.  97  ;  bei  Klage  wegen  Eltern  aus  Delikten  der  Kinder,  Nr.  87 . 

Boycottierung,  Nr.  18. 

Brandassekuranzbeträge,  Betreibung  dafür,  Nr.  54. 

Brandversicherungsanstalt,  kantonale,  Rückgriffsrecht  gegen  Brand- 
verursacher,  Nr.  44. 

Bürge,  Einrede  des  Irrtnms  oder  Betmgs  aus  der  Person  des  Haupt- 
schuldners oder  seiner  eigenen,  Nr.  3. 

Bürgschaft,  Mehrheit  solcher  oder  Mitbtirgschaf t ?  Nr.  12;  Unter- 
schied von  Gewährleistungsversprechen  desCedenten,  Nr.  63,  64. 

Bürgschaftsforderung,  selbständiger  Fortbestand  nach  Abtretung 
der  Hauptforderung,  Nr.  78;  bei  Nachlassvertrag,  Nr.  82. 

Bundesrat,  Genehmigung  von  Statuten  der  Eisenbahngesellschaften, 
Nr.  45. 


160 

-Concurrence  déloyale,  durch  Verwendung  von  Warenbezeichnungen  ? 
Nr.  25  ;   durch  Verwendung  täuschender  Firmen,  Nr.  39,  40. 
-Constitutum  possessorium,  Nr.  21. 
Courtier,  nicht  zu  Einkassierungen  ermächtigt,  Nr.  53. 

Darlehn  (modificiertes)  oder  Gesellschaft?  Nr.  66. 

Deliktsklagen,  Verjährung,  Nr.  87. 

Dienstbarkeit,  s.  Grunddienstbarkeit. 

Dienstherr,  Pflicht  zu  Schutz  des  Arbeiters,  Nr.  30. 

Dienst  vertrag,  Kündigung,  Nr.  8;  vorzeitige  Auflösung,  Nr.  65; 
wichtiger  Grund  für  Aufhebung,  Nr.  99;  des  Architekten,  Nr.  88: 
von  Beamten  öffentlich-rechtlicher  Natur,  Nr.  36. 

Differenzgeschäft,  Nr.  100. 

Distanzgeschäft,  Erfüllungsort,  Nr.  33. 

Dolus,  des   Verkäufers,  Nr.  34. 

Ehescheidung,  Nebenfolgen,  Kompetenz  des  Bundesgerichts,  Nr.  93. 

Ehescheidungsklagen,  deutscher  Reichsangehöriger  vor  schweize- 
rischen Gerichten,  Nr.  80. 

Ehrenkränkung,  durch  Abdruck  von  Rechtsschriften  in  der  Presse, 
Nr.  5;  ohne  üble  Folgen  für  den  Beleidigten,  Nr.  6. 

Eidgenössisches  Recht,  s.  Anwendbarkeit. 

Eigentumsansprachen,  gehören  nicht  in  den  Kollokationsplan,  Nr.  84. 

Eigentumsvorbehalt,  Nr.  21. 

Einrede,  des  Zwangs  gegen  einen  Wechsel,  Nr.  56. 

Eisenbahn,  Haftpflicht  für  Schaden  aus  Funkenwurf,  Nr.  44;  für 
Unfall,  Nr.  94. 

Eisenbahnbetrieb,  Hilfsarbeiter,  Nr.  94. 

Eisenbahngesellschaft,  Statuten,  Genehmigung  des  Bundesrats,  Nr.  45. 

Eltern,  Vernachlässigung  der  Aufsichtspflicht,  Nr.  59,  87. 

Erbanwartschaft,  Verkauf  ob  unsittlicher  Vertrag?  Nr.  17. 

Erbschaftsveräu88erung,   nach  kantonalem  Recht  beurteilt,   Nr.  62. 

Erfrieren,  Unfall,  Nr.  94. 

Erfüllungsort,  bei  Distanzkauf,  Nr.  33. 

Erkennbare  Mängel,  Kriterium,  Nr.  34. 

Erwerb,  gutgläubiger,  Grenze,  Nr.  50,  97. 

Erwerbsbeschränkung,  bei  Fabrikunfall,  Nr.  46. 

Expropriation,  Verzögerung,  Schadenersatz,  Nr«  92. 

Fabrikhaftpflicht,  gesetzliches  Entschädigungsmaximum,  Nr.  46;  s. 

auch  Haftpflicht. 
Fabrikmarken,  Nr.  49. 

Faustpfand,  Vereinbarung  privaten  Verkaufs  statthaft,  Nr.  84. 
Faustpfandrecht,    Anzeigepflicht  nachgehenden  Pfandrechts  an  den 

ersten  Gläubiger,  durch  wen?  Nr.  51;  Verwertung  im  Betrei- 

bungswege,  Nr.  81. 


161 

Feststellungsklage,  positive,  Voraussetzungen,  Nr.  14. 

Firmenrecht  und  illoyale  Konkurrenz,  Nr.  39,  40. 

Form,  der  Mitbürgschaft,  Nr.  12;  der  Verpfändung  von  Zubehörden, 

Nr.  84. 
Förmlichkeiten,  der  Berufungserklärung  an  das  Bundesgericht,  Nr.  28. 
Fragebogen  der  Versicherungsanstalten,  Bedeutung,  Nr.  42. 
Freizeichen,  im  Markenschutzrecht,  Nr.  49. 
Frist,  für  Mängelrüge,  Nr.  34  ;  für  Anzeige  bei  Unfallversicherung, 

Nr.  43;  für  Pfandverwertung,  Nr.  81  ;  für  Rückforderung  einer 

bezahlten  Nichtschuld,  Nr.  102. 
Funkenwurf  Brandursache,  Haftpflicht  der  Eisenbahn,  Nr.  44. 

Oebäudeassekuranz,  s.  Brandassekuranz. 
Gemeingut,  im  Markenschutzrecht,  Nr.  49. 
Genehmigung,  eines  bestellten  Werkes,  Nr.  89. 
Genossenschaftsbeschlüsse,  Anfechtung,  Nr.  90. 
Genugthuung,  civilrechtliche,  für  Ehrenkränkung,  Nr.  5,  6. 
Gerichtsstand,  vor  Schweiz.  Gericht  bei  Aberkenn ungsklagen  gegen- 

einen  betreibenden  Franzosen,  Nr.  55. 
Geschäftsherr,  Begriff,  Nr.  19;  haftbarer,  Nr.  76. 
Geschäftsbezeichnungen  in  Firmen,  wiefern  wegen  illoyaler  Konkur- 
renz zu  verbieten,  Nr.  40. 
Gesellschaft,  Begriff,  Nr.  66;  behufs  Betrieb  von  Differenzgeschäften, 

Nr.  100;  Austritt  eines  Gesellschafters,  Bedingungen,  Nr.  67; 

Auflösung  kann  der  schuldige  Socius  nicht  verlangen,  Nr.  68  ; 

Ausschliessung  eines   Gesellschafters  nur   durch  richterlichen 

Entscheid  möglich,  Nr.  69. 
Gesetzwidrigkeit,  von  Bundesratsbeschlüssen?  Nr.  45. 
Gestohlene  Sachen,  Vindikation,  Nr.  50,  97. 
Gewährleistung,  bei  Viehhandel,  Beweislast  bez.  des  Mangels,  Nr.  41. 
G ewährleistungs versprechen,  des  Cedenten,  keine  Bürgschaft,  Nr.  63, 

64  ;  schriftliches  bei  Viehhandel,  kantonale  Vorschrift,  Nr.  70. 
Gewalt,  höhere,  Begriff,  Nr.  95. 

Gewerbetreibender  Verein  zu  idealen  Zwecken,  Nr.  38. 
Grunddienstbarkeiten,Verträge  darüber  unter  kantonalem  Recht,  Nr.86. 
Gutgläubiger  Erwerb,  Grenze,  Nr.  50,  97. 

Haftpflicht,  bei  Veräusserung  verseuchter  Haustiere,  Nr.  4  ;  des 
Arbeitgebers  bei  Verschulden  Dritter,  Nr.  72  ;  des  Geschäfts- 
herrn, Nr.  76;  des  Vaters  für  Delikt  des  Kindes,  Nr.  87;  des 
Architekten,  Nr.  88;  des  Unternehmers  des  Baues,  Nr.  88;  des 
Vertragsunfähigen  für  Dolus,  Nr.  75;  des  Werk  Unternehmer» 
für  die  Güte  des  Stoffs,  Nr.  9  ;  des  Wirts  für  recepta,  Nr.  23. 
der  Eisenbahnen,  bloss  durch  Spezialgesetz  geregelt,  Nr.  1 5  ; 


162 

bei  Funkenwurf,  Nr.  44;  bei  Erfrieren,  Nr.  94;  der  Strassen- 
bahnen,  Nr.  71,  95. 

aus  Fabrikbetrieb,  Konkurrenz  mit  Delikt,  Nr.  61  ;  nur  gegen 
Angestellte  nnd  Arbeiter,  nicht  gegen  Unterakkordanten,  Nr.  73  : 
Reduktion  der  Ersatzpflicht,  Nr.  24;  Maximum  Nr.  46;   Kon- 
kurrenz von  Zufall  und  Schuld  des  Verletzten,  Nr.  96. 
s.  auch  Schadenersatz. 

Handlungsvollmacht,  auch  für  Gewerbebetrieb  von  Vereinen  zu  idealen 
Zwecken,  Nr.  38. 

Haupturteil,  Begriff,  Nr.  90. 

Hilfsarbeiter  beim  Eisenbahnbetrieb,  Begriff,  Nr.  94. 

Hinterlegung,  von  Aktien,  Zweck,  Nr.  *85. 

Honorar,  von  Advokaten,  Feststellung  desselben,  Nr.  37. 

Individualbezeichnung,  bei  Wortmarken,  Nr.  25. 
Inserate,  Pacht,  Nr.  31. 
Interpretation,  s.  Auslegung. 

Irrtum,  des  Hauptschuldners  oder  des  Burgen?  Nr.  3. 
Juristische  Personen  dee  öffentlichen  Rechts,  unter  kantonalem  Rechte, 
Nr.  44. 

Kantonales  Recht,  s.  Anwendbarkeit. 

Kauf,  von  Liegenschaften,  Kaufpreisforderung  betr.  die  Erlöschungs- 
gründe unter  eidg.  Rechte,  Nr.  32;  Distanzgeschäft,  Ueber- 
sendungspflicht  des  Verkäufers,  Nr.  33;  Ratenlieferung,  Frist 
zur  Mängelrüge,  Nr.  34;  absichtliche  Täuschung  des  Verkäufers, 
Nr.  34  ;  nach  Muster,  Nichterkennbarkeit  der  Mängel,  Nr.  52. 

Klage,  auf  Abwendung  drohenden  Schadens,  Nr.  60. 

Kollokationsplan,  Inhalt,  Nr.  84. 

Kommanditgesellschaft,  Auflösung,  wichtige  Gründe,  Nr.  68. 

Kompensation,  für  Rechtsöffnung  angerufen,  Nr.  101. 

Kompetenz,  bundesgerichtliche,  Voraussetzungen,  Nr.  27,  83;  fur 
Beurteilung  der  Nebenfolgen  einer  Ehescheidung,  Nr.  93  ;  des 
schweizerischen  Richters  fur  Aberkennungsklagen  gegen  einen 
betreibenden  Franzosen,  Nr.  55. 

Konkurrenz,  des  Haftpflichtanspruchs  mit  Deliktsanspruch,  Nr.  61. 

Konkursverfahren,   Anfechtungsklage  nach  dessen  Schluss,  Nr.  16. 

Kon kursver waltung,  zur  Anfechtungsklage  berechtigt,  Nr.  16. 

Konventionalstrafe,  richterliche  Ermässigung,  Nr.  7. 

Kündigungsrecht  bei  Pacht,  Nr.  22. 

I^ebensversicherungs vertrag,  wiefern  gültig  bei  Selbstmord,  Nr.  13. 
Liegenschaf tskauf,    Erlöschen   der   Kaufpreisforderung  nach   eidg. 

Rechte,   Nr.  32;   Realexecution  für  Ansprüche   daraus  unter 

kantonalem  Recht,  Nr.  86. 


163 

Liquidation  des  Geschäfts,  kein  Grand  für  vorzeitige  Aufhebung 
des  Dienstvertrags,  Nr.  99. 

Maître,  s.  Geschäftsherr. 

Maklerlohn,  wann  verdient?  Nr.  11,  79. 

Mandat,  s.  Maklerlohn. 

Mangel,  erkennbarer,  Kriterium,  Nr.  34;  Nichterkennbarkeit  an 
Mustern,  Nr.  52  ;  eines  bestellten  Werks,  Rechtsfolgen,  Nr.  89. 

Mangelrüge,  Frist  bei  Ratenlieferungen,  Nr.  34;  Rechtzeitigkeit? 
Nr.  41. 

Markenschutz,  Wortmarken,  Nr.  25  ;  Freizeichen,  Nr.  49. 

Maximum,  der  Entschädigung  bei  Fabrikunfall,  Nr.  46. 

Mehrheitsbeschluss,  einer  Genossenschaft,  Nr.  90. 

Miete,  Haftpflicht  des  Vermieters  für  Tauglichkeit  des  Mietobjekts 
zu  dem  beabsichtigten  Gebrauche,  Nr.  35;  Retentionsrecht  des 
Vermieters,  Nr.  81,  98. 

Militärpensionen,  öffentlich-rechtliche  Natur,  Nr.  83. 

Mise  à  l'interdit,  s.  Boycott. 

Jlitbürgschaft,  oder  Mehrheit  von  Alleinbürgschaften?  Nr.  12. 

Muster,  gewerbliches,  Neuheit,  Nr.  47  ;  Kauf  nach  M.  Nichterkenn- 
barkeit der  Mängel,  Nr.  52. 

Mnttergutsforderung,  nach  kantonalem  Rechte  zur  Anschlusspfän- 
dung berechtigt,  Nr.  74. 

'S  achbürge,  Voraussetzung  von  dessen  Belangbarkeit,  Nr.  64. 
Nachklage,  Vorbehalt  in  Haftpflichtfällen,  Nr.  87. 
Nachlassvertrag,  Wirkung  auf  Bürgschaftsforderungen,  Nr.  82. 
Neuheit,  eines  gewerblichen  Musters,  Nr.  47. 
Nichtschuld,  Frist  für  Rückforderung,  Nr.  102. 

Ort,  der  Ablieferung,  der  Erfüllung,  bei  Kauf,  Nr.  33. 

Pachtvertrag,  Kündigungsrecht,    Nr.  22;  betr.  Zeitungsannoncen, 

Nr.  31. 
Patron,  s.  Geschäftsherr. 

Pfandrecht,  nachgehendes,  Anzeige  an  den  ersten  Gläubiger,  Nr.  51. 
Pfand  Verwertung,  Nr.  81  ;    vereinbarte   private    zulässig,   Nr.  84; 

Pfandverwertung  oder  Pfändung  für  Brandassekuranzbeträge? 

Nr.  54. 
Phantasiebezeichnung,  bei  Wortmarken,  Nr.  25. 
Provision,  wann  zahlbar?  Nr.  79. 

Ratenlieferungskauf,  Frist  zur  Mängelrüge,  Nr.  34. 
Realexekution  für  Ansprüche  aus  Liegenschaftskauf,  Nr.  86. 
Receptum  cauponum,  Nr.  23. 


164 

Recht,  s.  Anwendbarkeit. 

Rechtsöffhung,  bei  Kompensation,  Nr.  101. 

Rechtsschriften,  Ehrenkränkung  durch  deren  Publikation  in  der 
Presse,  Nr.  5. 

Rechts-  und  Thatfrage,  bei  Berufung  an  das  Bundesgericht,  Nr.  2. 

Rechtsvorschlag,  Unterlassung,  Nr.  102. 

Reduktion  der  Ersatzpflicht,  bei  Fabrikunfall,  Nr.  24. 

Regress,  des  haftpflichtigen  Unternehmers  gegen  schädigende  Dritte, 
Nr.  72  ;  des  Versicherers  gegen  den  Schadenverursacher,  Nr.  44. 

Reisende,  Einkassierungsberechtigung,  Nr.  53. 

Reservefonds,  bei  Aktiengesellschaften,  Verwendung,  Nr.  29. 

Retentionsrecht,  Voraussetzungen,  Nr.  45  ;  des  Vermieters,  kon- 
kurrierend mit  Pfändung  seitens  Dritter,  Nr.  81,  98. 

Rückgriffsrecht,  s.  Re  gres  8. 

Schaden,  drohender,  wiefern  Klage  statthaft,  Nr.  60. 

Schadenersatz,  bei  Publikation  von  Rechtsschriften  in  der  Tages- 
presse, Nr.  5  ;  ausgeschlossen  bei  Ehrenkränkung  ohne  üble 
Folgen,  Nr.  6;  des  Geschäftsherrn,  Nr.  19;  Verhältnis  zu  Ver- 
zugszinsen, Nr.  20. 

Schadenersatzklage,  gegen  Betreibungs-  und  Konkursbeamte,  Ver- 
jährung, Nr.  48. 

Schadenersatzpflicht,  des  Exproprianten  wegen  Verzögerung  der  Ex- 
propriation, Nr.  92;   im  Strafurteil  ausgesprochen,  nicht  prä- 
judicierlich,  Nr.  59. 
s.  auch  Haftpflicht. 

Schenkungen,  unter  kantonalem  Rechte  stehend,  Nr.  57. 

Schiedsgerichtsklausel,  in  Genossen  Schaftsstatuten,  Nr.  90. 

Schriftlichkeit,  des  Gewährschaftsversprechens  bei  Viehhandel,  nach 
kantonalem  Recht  zu  beurteilen,  Nr.  70. 

Schuldanerkennung,  im  Sinne  des  Art.  82  B.-G.  über  Schuldb.  und 
Konk.,  Nr.  26. 

Selbstmord,  Wirkung  auf  den  Lebens  Versicherungsvertrag,  Nr.  13. 

Servituten,  s.  Grunddienstbarkeiten. 

Simulation,  bei  Schenkungen,  nach  kantonalem  Recht  beurteilt, 
Nr.  57. 

Solidarität,  der  Haftpflicht,  von  Unternehmer  und  Schädiger,  Nr.  61. 

Spezialgesetz,  über  Haftpflicht,  schliesst  das  0.  R.  aus,  Nr.  15. 

Statuten,  der  Eisenbahngesellschaften,  Genehmigung  durch  den 
Bundesrat,  Nr.  45. 

Strafurteil,  Präjudicialität,  Nr.  59. 

Strassenbahnen,  Haftpflicht,  Nr.  71,  95. 

StreitgenoBsenschaft,  Zusammenrechnung  der  Ansprüche  bei  Berufung, 
Nr.  4. 


165 

Streitwert,  bei  Berufung  an  das  Bundesgericht,  Zusammenrechnung, 
Nr.  4;  Berechnung  bei  Anfechtungsklagen  gegen  Genossen- 
schaftsbeschlüsse, Nr.  90;  bei  Generalversammlungsbeschlüssen, 
Nr.  29;  bei  Klagen  auf  Abwendung  zukünftigen  Schadens, 
Nr.  60. 

Subrogation,  des  Versicherers  in  die  Rechte  des  Versicherten  gegen 
den  Schadenverursacher,  Nr.  44;  des  haftpflichtigen  Unter- 
nehmers in  die  Rechte  des  Beschädigten  gegen  Dritte  nicht 
statthaft,  Nr.  72. 

Teilnrteile,  Berufung  dagegen  an  das  Bnndesgericht,  Nr.  59. 
That-  und  Rechtsfrage,  bei  Berufung  an  das  Bundesgericht,  Nr.  2. 
Tort  moral,  Nr.  5,  6. 

Unfall,  Begriff,  Nr.  94. 

Unfallversicherung,  Anzeigepflicht,  Nr.  42,  43. 

Unsittlicher  Vertrag,  Kauf  einer  Erbanwartschaft  ?  Nr.  1 7  ;  in  Patent- 
erwerbung, Nr.  58. 

Unterakkordanten,  nach  Fabrikhaftpflichtgesetz  nicht  anspruchsbe- 
rechtigt gegen  den  Fabrikanten,  Nr.  73. 

Unterlassungen,  Rechtswidrigkeit,  Nr.  59. 

Unternehmer  eines  Baues,  Haftpflicht  neben  dem  Architekten,  Nr.  88. 

Vater,  Aufsichtspflicht,  Nr.  87. 

Veränsserung  von  Erbschaften,  unter  kantonalem  Rechte  stehend, 
Nr.  62. 

Verein,  zu  idealen  Zwecken,  zugleich  gewerbetreibend,  Nr.  38;  wirt- 
schaftlicher, Rechtsverhältnisse,  Nr.  90. 

Verjährung,  der  Kaufpreisforderung  aus  Liegen schaftskauf,  unter 
eidg.  Rechte  stehend,  Nr.  32;  von  Schadenersatzklagen  gegen 
Itetreibungs-  und  Konkursbeamte,  Nr.  48;  der  Deliktsklagen, 
Nr.  87. 

Verjähmngs-  oder  VerwirknngsfristV  Nr.  102. 

Verkauf,  privater,  von  Faustpfand  durch  Vereinbarung  statthaft, 
Nr.  84. 

Versicherungsvertrag,  Anzeigepfliclit  des  Versicherten,  Nr.  42;  un 
richtige  Angaben,  Nr.  42. 

Versorger,  im  Sinne  von  Art.  52  0.  R.,  Nr.  30. 

Vertragsunfähiger,  Haftpflicht  fur  Betrug,  Nr.  75. 

Verzicht,  des  Hanptschuldners,  wiefern  für  den  Bürgen  verbindlich, 
Nr.  3. 

Verzugszinsen,  Verhältnis  zu  Schadenersatz,  Nr.  20. 

Viehhandel,  bez.  des  Währschaftsversprechens  unter  kantonalem 
Rechte,  Nr.  70. 

12 


166 

Viehwährschaft,  s.  Gewährleistung. 

Vindikation,  gestohlener  Sachen,  gutgläubiger  Erwerb,  Nr.  50,  97. 

Vorbehalt   kantonalen  Rechts,    Tragweite,   Nr.  84;    der  Nachklage 

in  HaftpÜichtfällen,  Nr.  87. 
Vorentscheide,  Unzulässigkeit  der  Berufung  an   das  Bundesgericlit, 

Nr.  1. 
Vorname,  Verbot   der  Aufnahme   in    die  Firma   behufs  unredlicher 

Konkurrenz,  Nr.  39. 

Wandelungskhige,  Beweislast  bez.  des  Mangels,  Nr.  41. 

Wechsel,  Einrede  der  Furchterregung,  Nr.  56. 

Wechselbereicherungsklage,  Voraussetzungen,  Nr.  91. 

Wechselunterschrift  „aus  Gefälligkeit/  Nr.  91. 

Werk,  Begriff  in  Art.  67  f.  0.  R.,  Nr.  60. 

Werkvertrag,   Begriff,  Nr.  9;  oder  Dienstvertrag,  des  Architekten? 

Nr.  88. 
Wirt,  Haftpflicht  für  recepta,  Nr.  23. 
Wortmarken,  Nr.  25. 

Zahlung,  an  einen  Courtier,  ungültig,  Nr.  53. 

Zubehörden,  Verpfändung,  Nr.  84. 

Zusammenrechnung  der  Ansprüche  für  die  Berechnung  der  Berufungs- 

sninme,   Nr.  4. 
Zwischenurteil,  Unzulässigkeit  der  Berufung  an  das  Bundesgericht, 

Nr.  1. 


IL  Gesetzesregister. 


Art. 


I.  Bundesgesetz  über  das  Obligationenrecht 

10 

Nr.  27.    57.  86. 

Art. 

52 

Nr 

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44. 

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39.  40. 

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15. 

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41.  70. 

894 

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90. 

896 

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13.  42 
44. 

43. 


IL  Bundesgesetz  betreffend  Feststellung  und  Beurkundung  des 
Civilstandes  und  die  Ehe,  vom  24.  Dezember  1874. 
Art.  43  Nr.  80.        j       Alt.  56    Nr.  80. 

„     46,48,49    „    93. 


168 

III.  Bundesgesetz  betreffend   die  civUrechtlichen    Verhältnisse 
der  Niedergelassenen  und  Aufenthalter,  vom  25.  Juni  1891. 

Nr.  57. 

IV.  Bundesgesetz  über  die  Verbindlichkeit  zu  Abtretung  von 
Privatrechten,  vom   1.  Mai  1850. 

Art.  23     Nr.  92. 

V.  Bundesgesetz    betreffend    den  Schutz    der    Fabrik-   und 
Handelsmarken,  vom  26.  September  1890. 
Art.  3     Nr.  49.  |         Art.  5     Nr.  25. 

VI.  Bundesgesetz  betreffend  die  gewerblichen  Muster   md  Mo- 
delle, vom  21.  Dezember  1888. 

Art.  1,  3,  4,  6,  7,  18,  19     Nr.  47. 

VIL  Bundesgesetz  über  Bau   und   Betrieb   der   Eisenhahnen, 
vom  23.  Dezember   1872. 


Art.  7      Nr.  45. 
*     16      ,    44. 


Art.  39     Nr.  45. 


VIII.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn- 
and  Dampfschiff  Unternehmungen  bei  Tötungen  und  Ver- 
letzungen, vom   1.  Juli  1875. 

Nr.  15.       Art.  2   Nr.  71.  94.  95. 

IX.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb, 
vom  25.  Juni   1881. 

Art.  1      Nr.  61.  72.  I  Art.  4    ^r.  61.    72.  73. 

73.  !  ,     5        „    24.^96. 

„2       ,61.  72.  '  „6        „46. 

73.  96.  |  „     13      „    87. 

X.  Bundesgesetz  betreffend  die  Ausdehnung  der  Haftpflicht 
und  die  Ergänzung  des  Bundesgesetzes  vom  25.  Juni  1881, 
vom  26.  April  1887. 

Art.  1      Nr.  61.  I  Art.  3     Nr.  61.  94. 

*     2       „    73.  I  „     4       ,    94. 

XL  Bundesgesetz  über  Militärpensionen  und  Entschädigungen. 
vom  13.  November  1874. 
Art.  1.   12     Nr.  83. 

XII.  Bundesgesetz   betreffend  polizeiliche   MassnaJimen  gegen 
Viehseuchen,  vom  8.  Februar  1872. 
Art.  3.  36.  37     Nr.  4. 


169 

XIII.  Bundesgesetz   betreffend  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege, vom  22.  März  1893. 

Art.  48  Nr.  14.  83.  )        Art.  59  Nr.  29.  60.  90. 

„     50  „    45.                                  „  60  „   4. 

„     56  ,    93.  ,           „  67  28.. 

„     57  „     27.    57.   74.                   „  81  2. 

„58  „     1.   59.   90.  ! 

XIV.  Bundesgesetz  über  das  Verfahren  bei  dem  Bundesgerichte 
in  bürgerlichen  Rechtsstreitigkeiten,  vom  2*2.  November  1850. 

Art.  41     Nr.  14. 

XV.  fywdesgesetz  betreffend   Schuldbetreibung    und  Konkurs, 
vom   11.  April  1889. 


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5,  7 

Nr. 

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56.     \ 

XVI.  Staatsvertrag  zwischen  der  Schweiz  und  Frankreich,  vom 
15.  Juni  18Ò9. 
Art.  1.   7     Nr.  55. 


III.  Register  nach  Kantonen  geordnet. 


Zürich.  Nr.  24  (Haftpfl.  aus  Fabrikbetrieb).  —  Nr.  51  (Alt.  217 
0.  B.).  -  Nr.  79  (Mandat).  —  Nr.  80  (B.-G.  betr.  Civilstand 
und  Ehe  Art.  43,  56).  —  Nr.  97  (Art.  206  f.  0.  R.).  —  Nr.  99 
(Art.  346  0.  R.). 

Born.  Nr.  23  (Art.  486  0.  R.Ì.  —  Nr.  52  (Art.  243,  246,  267 
0.  R.Ì.  —  Nr.  76  (Art.  62  0.  R.).  —  Nr.  102  (Art.  86  B.G. 
betr.  Seh.  u.  K.). 

Lnzern.  Nr.  54  (Art.  41,  43  B.-G.  betr.  Seh.  n.  K.).  —  Nr.  75 
(Art.  33,  50  0.  R.). 


170 

Solothurn.     Nr.  22  (Art.  310,  813  0.  R.). 

Baselstadt.  Nr.  55  (Art.  83  B.-G.  betr.  Seh.  n.  K.).  —  Nr.  82 
(Art.  300,  311  B.-G.  betr.  Seh.  u.  K.).  —  Nr.  100  (Art.  512 
0.  R.). 

St.  Gallen.  Nr.  17  (Art  17  0.  R.).  —  Nr.  50  (Art.  50,  206, 
207  0.  R.).  —  Nr.  77  (Art.  70  0.  R.).  -  Nr.  101  (Art.  82 
B.-G.  betr.  Seh.  n.  K.). 

Aargan.    Nr.  25  (Markenschntzgesetzi. 

Thurgau.  Nr.  21  (Art.  202  0.  R.).  —  Nr.  78  (Art.  190,  489 
0.  R.). 

Vaud.    Nr.  20  (Art.  121  C.  0.).  ~   Nr.  56  (Art.  182,   185  L.  P. 

et  F.). 

Neuchâtel.     Nr.  18  (Art.  50  C.  0.). 

Genève.  Nr.  19  (Art.  62  C.  0.).  —  Nr.  26  (Art  82  L.  P.  et 
F.).  —  Nr.  53  (Art,  39,  429  C.  0.).  —  Nr.  55  b  (Art.  83 
L.  P.  et  F.).  —  Nr.  81  (Art  126  s.,  153  s.,  283  L.  P.  et  F.». 
Nr.  98  (Art.  294  C.  0.). 


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Revue 

der 

Gerichtspraxis  im  Gebiete 

des 

Bundescivilrechts 

XVII.  Band 


Revue 

de  la 

Jurisprudence  en  matière 

de 

droit  civil  fédéral 

XVIIe   Volume 


Basel 

R.  Reich,  vormals  C.  Detloff's  Buchhandlung 

1899. 


Revue 

der 

Gerichtspraxis  im  Gebiete 

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Bundescivilrechts 

XVII.  Band 


Revue 

de  la 

Jurisprudence  en  matière 

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droit  civil  fédéral 

XVII«   Volume 


Beilage  zur  Zeitschrift   für  Schweizerisches  Recht,   Neue  Folge  Band  XVIII 


Basel 

R.  Reich,  vornial«  (,\  I)  etlo  f  F  s  Buchhandlung 

1899. 


MAR  8  *  1910 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


1 .  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  58.  Begriff  des  Haupturteils;  passive 
Sireitgenossenschaft, 

Solange  bei  einer  passiven  Streitgen  osse  nsohaft  von  der 
letzten  kantonalen  Instanz  wohl  hinsichtlich  einzelner,  nicht 
aber  hinsichtlich  aller  Streitgenossen  über  den  eingeklagten 
Anspruch  definitiv  und  endgültig  entschieden  worden  ist,  kann 
•die  Sache  überhaupt  nicht  an  das  Bundesgericht  gezogen 
werden,  sondern  ist  die  Berufung  an  dasselbe  gänzlich,  nicht 
nur  für  den  von  den  kantonalen  Instanzen  noch  nicht  definitiv 
beurteilten  Teil  des  Prozesses,  sondern  für  die  ganze  Streit- 
sache, ausgeschlossen.  Denn  die  Berufung  an  das  Bundes- 
gericht ist  eben  nur  einmal,  gegen  das  den  Prozess  vor 
den  kantonalen  Instanzen  definitiv  beendigende  Haupturteil 
statthaft,  ergreift  dann  aber  selbstverständlich  auch  die  dem- 
selben vorangegangenen  Teilurteile  und  Zwischenentschei- 
dungen. (Vergi.  Entsoh.  i.  S.  Swift  e.  Degrange  &  Cie.  Amtl.  Slg 
XVII  S.  114,  und  die  dort  angeführten  Entscheidungen;  ferner 
Entsch.  i.  S.  Vincent  c.  Marcelin  vom  5.  Juli  1895,  i.  S.  Jaque- 
mot  u.  Genossen  c.  de  Cottet  u.  Genossen.)  (Entsoh.  vom 
19.  November  1898  i.  S.  Schweizerisoher  Typographenbund  c. 
Wull8ohleger  u.  Genossen.) 

2.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  67,  Abs.  1  u.  4. 

In  Fällen  des  schriftlichen  Verfahrens  müssen  Berufungs- 
erklärung und  Berufungsschrift  binnen  der  Berufungsfrist  bei 
der  zuständigen  Stelle  (dem  Gerichte,  welches  das  angefochtene 
Urteil  erlassen  hat)  eingereicht  werden.  Wird  zwar  wohl  die 
Berufungserklärung  rechtzeitig  und  am  richtigen  Orte  einge- 
reicht, die  Berufungsschrift  dagegen  zwar  rechtzeitig,  aber 
nicht  bei  der  richtigen  Stelle,  sondern  direkt  bei  dem  Bundes- 
gerichte, so  ist  die  Berufung  hinfällig.  (Entsch.  vom  14.  Ok- 
tober 1898  i.  S.  Strohmaier  o.  Ryf.) 


3.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  58,  65,  89,  90.  Beginn  der  Berufungs- 
und Kassationsfrist.  —  Voraussetzungen  der  Kassationsbeschwerde. 
—  Tragweite  des  Satzes,  dass  die  Kassationsbeschwerde  gegen 
das  Haupturteü  auch  die  demselben  vorangegangenen  Entschei- 
dungen ergreift. 

1.  Für  den  Beginn  der  ßerufungs-  und  Kassationsfrist  ist 
nach  dein  klaren  Wortlaute  der  Art.  65  u.  90  0.  G.  der  Tag  der 
wirklich  erfolgten  Urteilsmitteilung,  nicht  der  Tag  der  Postauf- 
gabe der  Urteilsausfertigung  massgebend. 

2.  Die  Kassationsbeschwerde  kann  nicht  nur  darauf  gestützt 
werden,  es  sei  auf  das  streitige  Rechtsverhältnis  im  ganzen  zu 
Unrecht  kantonales  statt  eidg.  Recht  angewendet  worden,  son- 
dern auch  darauf,  es  sei  dies  hinsichtlich  eines  einzelnen  für  die 
Saohent8cheidung  massgebenden  Präjudizialpunktes  geschehen 
(etwa  hinsichtlioh  der  Frage  der  Handlungsfähigkeit  bei  einem 
im  übrigen  kantonalrechtlichen  Rechtsgeschäfte).  Es  macht  auch 
für  die  Zulässigkeit  der  Kassationsbeschwerde  keinen  Unter- 
schied, ob  die  eidg.  Rechtsnorm,  an  deren  Stelle  bei  der  Sachent- 
scheidung kantonales  Recht  angewendet  worden  sein  soll,  mate- 
riellrechtlicher oder  aber  prozessrechtlicher  Natur  ist.  (Es  wird 
z.  B.  die  Ka88ation8besohwerde  unbedenklich  darauf  begründet 
werden  können,  dass  zu  Unrecht,  statt  des  §  11  des  Eisenbahn- 
haftpflichtgesetzes, eine  kantonalreohtliche  Beweisregel  ange- 
wendet worden  sei.)  Ebenso  ist  anzuerkennen,  dass  die  Kas- 
sationsbeschwerde gegen  das  Haupturteil  (in  gleicher  Weise 
wie  die  Berufung)  die  demselben  vorangegangenen  Entschei- 
dungen ergreift.  Dies  ist  zwar  für  die  Kassationsbeschwerde 
nicht,  wie  in  Art.  58  Abs.  2  0.  6.  für  die  Berufung,  im  Ge- 
setze ausdrücklich  ausgesprochen.  Es  folgt  aber  doch  wohl 
aus  der  Natur  der  Sache.  Denn  es  ist  nicht  einzusehen,  warum 
die  Kassationsbeschwerde  z.  B.  nicht  darauf  sollte  begründet 
werden  können,  dass  in  einer  dem  Endurteile  vorangegange- 
nen besonderen  Entscheidung  eine  peremtorische  Einrede 
(etwa  diejenige  der  Verjährung)  zu  Unrecht  nach  kantonalem 
Rechte  beurteilt  und  deshalb  verworfen  worden  sei,  während 
die  Kassationsbeschwerde  doch  zweifellos  statthaft  ist,  wenn 
über  die  Einrede  nicht  abgesondert,  sondern  erst  im  Endurteil 
erkannt  wurde.  Allein  dieser  Grundsatz,  dass  die  Kassations- 
beschwerde auch  die  dem  Haupturteil  vorangegangenen  Ent- 
scheide ergreife,  kann  doch  nur  insoweit  gelten,  als  diese  Ent- 
scheide den  Hauptstreit  selbst,  d.  h.  den  Streit  über  den  Be- 
stand des  eingeklagten  materiellen  Anspruches  betreffen,  also 
sachlich  einen  Bestandteil  des  Haupturteils,  des  Urteils  über 


-diesen  materiellen  Anspruch,  bilden,  nicht  auch  insoweit,  als 
sie  sich  nicht  auf  den  Hauptstreit  selbst,  sondern  auf  von 
demselben  verschiedene  prozessuale  Vorfragen  darüber  beziehen, 
bei  welchem  Gerichte  der  Hauptstreit  anhängig  gemacht  wer- 
den könne  oder  müsse,  ob  die  Partei  verhalten  werden  könne, 
den  Hauptstreit  durch  Klageerhebung  anhängig  zu  machen 
u.  dergl.  Denn  derartige  Vorentsoheide  betreffen  nioht  die  Ver- 
handlung und  Entscheidung  des  materiellen  Streitverhältnisses, 
sondern  die  Begründung  des  Prozessrechtsverhältnisses  über 
dasselbe  und  gehören  daher  in  keiner  Weise  zum  Haupturteil, 
gegen  welches  einzig  das  Rechtsmittel  der  Kassation  (wie 
der  Berufung)  gegeben  ist.  Gegen  derartige  Entscheidungen 
ist,  soweit  überhaupt  eine  Beschwerde  an  eidgenössische  Be- 
hörden gegen  sie  gegeben  ist,  nioht  die  Kassation  (oder  Be- 
rufung) gegen  das  Haupturteil,  sondern  der  staatsrechtliche 
Rekurs  gegen  den  fraglichen  Vorentscheid  das  zutreffende 
Rechtsmittel.  (Entsch.  vom  17.  September  1898  i.  S.  Ray  c. 
Joller.) 

4.  Art.  16  0.  R.  Simulation.     Mentalreservaüon. 

Um  ein  Rechtsgeschäft  als  simuliert  zu  bezeichnen,  ge- 
nügt es  nicht,  dass  einer  der  beiden  Kontrahenten  dasselbe 
nicht  ernst  genommen  habe,  sondern  es  muss  beidseitig  so 
verstanden  gewesen  sein,  dass  dasselbe  nur  zum  Scheine  er- 
klärt sein  solle.  Gieng  der  Vertragswille  eines  der  Kontra- 
henten dahin,  dass  das  Erklärte  gelte,  bestand  also  ein  Ein- 
verständnis darüber,  dass  es  sich  um  die  Herbeiführung  eines 
Scheingeschäftes  handeln  solle,  nicht,  so  greift  die  Einrede 
der  Simulation  nicht  Platz;  das  erklärte  Geschäft  besteht 
vielmehr  alsdann  naoh  Massgabe  der  als  übereinstimmender 
Willensausdruck  abgegebenen  Erklärungen  zu  Recht,  sofern 
es  nicht  etwa  aus  andern  Gründen  der  Anfechtung  unterliegt. 
(Entsch.  vom  17.  September  1898  i.  S.  Bernhard  c.  Masse 
Hagmann.) 

5.  Art.  Î53  Ziff.  6  0.  R.  Nach  welchem  örtlichen  Rechte 
beurteilt  eich  die   Verjährungl 

Die  Frage,  nach  welohem  örtlichen  Rechte  die  Verjährung 
zu  beurteilen  sei,  ist  zwar  in  Dootrin  und  Praxis  eine  ausser- 
ordentlich bestrittene.  Allein  das  Bundesgerioht  hat  sioh  be- 
reits in  seiner  Entscheidung  in  Sachen  Brunner  c.  Brunner 
vom  13.  November  1886  (Amtl.  Slg  Bd  XII  S.  682  1.  6) ,  in 
Ui'bereinstimmung  mit    der    in    der   deutschen    Doktrin   und 


Praxis  herrschenden  Ansicht,  grundsätzlich  dahin  ausgesprochen „ 
dass  die  Verjährung  nach  demjenigen  örtlichen  Rechte  zu  be- 
urteilen sei,  welchem  die  Obligation  nach  ihrem  Wesen  und 
ihrer  Wirkung  untersteht,  und  an  dieser  (neuerdings  wieder 
von  Müller,  die  Klageverjährung  im  internationalen  Privat- 
rechte, insbesondere  S.  24  u.  ff.  vertretenen  und  näher  begrün- 
deten) Ansicht  ist  festzuhalten.  Wenn  der  Kläger  meint» 
aus  Art.  153  Ziff.  6  0.  R.,  nach  welchem  die  Verjährung  nicht 
beginnt  oder  stillesteht,  so  lange  ein  Anspruch  vor  einem 
schweizerischen  Gerichte  nicht  geltend  gemacht  werden  kann, 
ergebe  sich,  dass  die  Verjährung  nach  den  Gesetzen  des 
Wohnsitzes  des  Schuldners  zur  Zeit  der  Klage  zu  beurteilen 
sei,  so  ist  dies  nicht  recht  verständlich.  Im  Gegenteil  dürfte 
gerade  aus  dieser  Norm  des  schweizerischen  Gesetzes  eher 
Folgen,  dass  dieses  nicht  auf  die  Verjährung  von  Ansprüchen 
aus  Obligationen  angewendet  sein  wolle,  die  nach  Wesen  und 
Wirkung  einem  fremden  Gesetze  unterstehen.  Denn  so  viel 
ist  doch  jedenfalls  klar,  dass  Art.  153  Ziff.  6  0.  R.,  insbesondere 
hinsichtlich  des  Beginnes  der  Verjährung,  nicht  angewendet 
werden  kann,  wenn  es  sich  um  zwischen  Ausländern  im  Aus- 
lande begründete  und  dort  zu  erfüllende  Obligationen  handelt 
und  lediglich  nachträglich  eine  Partei  ihren  Wohnsitz  in  die 
Schweiz  verlegt.  (Entsch.  vom  16.  September  1898  i.  S.  Schmid 
c.  Salef8ky.) 

6.  Art.  183,  184  Abs.  2,  406  //*.,  409,  412  0.  R.  Cession 
oder  Anweisung?  Annahme  der  Anweisung  gegenüber  dem  An- 
Weisungsempfänger.  Unwiderruflichkeit  derselben.  Was  bedeutet 
die  Vorschrift,  doss  die  Anweisung  auf  eine  bestimmte  Geldsumme 
lauten  müsset 

1.  Wenn  zwischen  einem  Verkaufskommissionär,  dem  Kom- 
mittenten und  einem  Gläubiger  des  letzteren  vereinbart  wird, 
der  Kommissionär  solle  den  Betrag,  der  dem  Kommittenten 
aus  dem  Verkaufe  des  Kommissionsgutes  zugute  kommen 
werde,  nicht  an  den  Kommittenten,  sondern  an  den  Gläubiger 
bezahlen,  so  liegt  nicht  eine  (zur  Wirksamkeit  gegenüber 
Dritten  der  schriftlichen  Beurkundung  bedürftige)  Cession 
der  Forderung  aus  dem  Kommissionsgeschäft  an  den  Gläubi- 
ger, sondern  vielmehr  eine  Anweisung  vor.  Der  Kommittent 
beauftragt  einerseits  den  Kommissionär,  dem  Gläubiger  eine 
bestimmte  Geldsumme  zu  bezahlen,  andererseits  den  letzteren, 
die  Zahlung  auf  eigene  Rechnung  zu  erheben.  Da  der  an- 
gewiesene Kommissionär  die  Annahme  der  Anweisung  gegen- 
über dem  Anwei8ungsenipfânger,  dem  Gläubiger  erklärt  hat^ 


so  ist  die  Anweisung  gegenüber  dem  Angewiesenen  unwider- 
ruflich, wie  sie  es  auch,  da  sie  zu  Tilgung  einer  Schuld  des 
Anweisenden  an  den  Anweisungsempfänger  erteilt  ist,  dem 
letzteren  gegenüber  ist. 

2.  Art.  406  0.  R.  fordert  allerdings,  dass  der  Zahlungs- 
auftrag auf  eine  „bestimmte  Geldsumme"  laute.  Allein  die 
Geldsumme,  auf  welche  die  Anweisung  lautet,  kann  bestimmt 
sein,  ohne  dass  sie  in  Ziffern  angegeben  ist;  unzweifelhaft 
kann  die  Anweisung  nicht  nur  auf  eine  abstrakte  Summe, 
sondern  auch,  wie  hier,  auf  eine  bestimmte  Forderung  des 
Anweisenden  an  den  Angewiesenen  lauten  (s.  Hafner ,  Kom- 
ment, zu  Art.  406  Anm.  3);  in  diesem  Falle  ist  aber  die  Geld- 
summe, welche  den  Gegenstand  der  Anweisung  bildet,  hin- 
länglich bestimmt  durch  den  Hinweis  auf  jene  Forderung, 
sofern  es  nur  dieser  letztern  nicht  an  der  erforderlichen  Be- 
stimmtheit mangelt.  In  casu  bezog  sich  nun  die  Anweisung 
auf  den  Saldo,  weloher  für  den  Kommittenten  aus  dem  Ver- 
kauf einer  bestimmten  Anzahl  Käse  resultierte,  den  der  Be- 
klagte für  denselben  kommissionsweise  übernommen  hatte, 
also  auf  eine  Forderung,  deren  Umfang  zum  vornherein  ge- 
nau umschrieben  und  fixiert  war;  dass  die  Parteien  den  Be- 
trag der  Forderung  zur  Zeit,  als  die  Anweisung  ausgestellt 
wurde,  noch  nicht  ziffermässig  kannten,  ändert  an  deren  Be- 
stimmtheit nichts.  (Entsch.  vom  1.  Oktober  1898  i.  S.  Schärer 
c.  Sommer.) 


7.  Art.  183  (f.,  637  Abu.  3  0.  fi.  Ari.  285  //'.  B.-Ges.  über 
Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  11.  April  1889.  Natur  des 
Cession  sgeschäfls.  Uebertragung  von  Namenaktien  durch  Cession. 
Rechtsverhältnis  bei  Ver ausser ungen}  welche  wegen  Verkürzung 
der  Gläubiger  anfechtbar  sind. 

1.  Die  Uebertragung  von  Namenaktien  durch  Indossa- 
ment ist  durch  Art.  637  Abs.  3  0.  R.  nur  gestattet,  nioht  ge- 
boten, diejenige  durch  Cession  also  nioht  ausgeschlossen. 

2.  Die  Abtretung,  ähnlich  wie  die  Tradition,  ist  ein 
formell  selbständiges  Rechtsgeschäft,  durch  welches  das  ab- 
getretene Recht  auf  den  Erwerber  übertragen  wird,  auch 
wenn  das  zu  Grunde  liegende  Rechtsgeschäft  an  einem  civil- 
reohtliohen  Mangel  leidet,  ein  Rechtsgrund  der  Cession  also 
nicht  vorhanden  ist,  sofern  nur  der  Uebereignungsakt,  der 
Cession8vertrag,  sich  in  Ordnung  befindet. 

3.  Die  Anfechtbarkeit  eines  Veräusserungsgeschäftes 
des   Schuldners    nach    den  Vorschriften   der   Art.  285  ff.  des 


Bandesgesetzes  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  hindert  den 
Rechtsübergang  nioht  ;  so  lange  daher  die  anfechtbare  Rechts- 
handlung nicht  rückgängig  gemacht  ist,  sind  die  durch  die- 
selbe aus  dem  Vermögen  des  Schuldners  veräusserten  Ver- 
mögensgegenstände nicht  im  Eigentum  des  veräussernden 
Schuldners,  sondern  des  dritten  Erwerbers  und  unterliegen 
daher  auch  nicht  der  Pfändung  für  Schulden  des  erstem. 
Erst  mit  der  Rückgewähr,  welche  bei  Forderungen  gemäss 
Art.  185  0.  R.  mit  dem  richterlichen  Urteil  eintritt,  ist  deren 
Pfändung  statthaft.  (Entsch.  vom  8.  Oktober  1898  i.  S.  Heng- 
geler  c.  Bossard.) 


8.  Art  357  0.  R.  Garantiefrist  und  Rügefrist  beim  Werk- 
verträge. 

Die  vertragliche  Pestsetzung  einer  Garantiefrist  in  einem 
Werkvertrage  bewirkt  nicht  an  sich  schon  ohne  weiteres 
eine  Erstreckung  der  gesetzlichen  Rügefrist  des  Art.  357  O.  R. 
in  dem  Sinne,  dass  die  Mängelrüge  rechtzeitig  erhoben  sei, 
wenn  schon  sie  nicht  „sobald  es  nach  dem  übliohen  Geschäfts- 
gange thunlich  ist,"  jedoch  noch  innert  der  Garantiefrist  er- 
hoben werde.  Für  diese  Auffassung  bietet  das  Gesetz  keinen 
Anhaltspunkt,  und  sie  widerspräche  auch  dem  Zwecke  der 
Mängelrüge.  Denn  der  Zweck  der  kurzen  Rügefrist  besteht 
darin,  den  Thatbestand  unverzüglich  festzustellen  und  so  den 
Lieferanten  (Verkäufer  resp.  Unternehmer)  gegen  chikanöse 
Zumutungen  eines  Kontrahenten  zu  schützen,  und  das  zwi- 
schen den  Parteien  bestehende  Rechtsverhältnis  in  der  mög- 
lichst kürzesten  Zeit  zu  ordnen  und  klarzustellen  ;  das  Er- 
fordernis der  sofortigen  Mängelanzeige  hat  daher  auch  dann 
seinen  guten  Grund,  wenn  der  Verkäufer  resp.  Unternehmer 
für  einen  längeren  Zeitraum  Garantie  geleistet  hat,  da  auch 
in  diesem  Falle  durch  das  Unterlassen  sofortiger  Mängelrüge 
Unsicherheiten  im  Beweise  und  damit  im  ganzen  Rechts- 
verhältnisse unvermeidlich  wären  (vergi,  in  diesem  Sinne 
Art.  319  und  347  deutsches  Handelsgesetzbuch.  Entsch.  des 
Reichsoberhandelsgerichts,  Bd  9  S.  12  ff.).  Allerdings  kann 
durch  die  Parteien  auch  die  gesetzliche  Rügefrist  vertraglich 
erstreckt  werden  ;  allein  diese  Willensmeinung  der  Parteien 
inuss  klar  und  unzweideutig  aus  ihren  Erklärungen  hervor- 
gehen un<J  liegt,  wie  gezeigt,  in  der  Ueber nähme  einer  Garantie 
an  sich  nioht.  (Entsch.  v.  24.  September  1898  i.  S.  Gloor  c. 
Tschann.) 


9.  Art.  116,  830  ff.  0.  B.  Rechtliche  Natur  des  Checkoer- 
trages.  Wer  trägt  die  Gefahr  bei  Zahlungen  auf  gefälschte  Checks  t 
Pflicht  des  Checkkunden  zu  sorgfältiger  Verwahrung  des  Check- 
bûches. 

1.  Als  Mandat  kann  der  Checkvertrag  kaum  betrachtet 
werden  ;  denn  ein  Mandat  erteilt  der  Checkkunde  durch  diesen 
Vertrag  dem  Bankier  noch  nicht,  sondern  je  weilen  erst  durch 
die  einzelnen,  auf  Grund  des  Checkvertrages  stattfindenden 
Zahlungsaufträge.  Der  Checkvertrag  erscheint  vielmehr  als 
ein  eigenartiger  Vertrag  des  modernen  Rechts,  als  ein  con- 
tractas sui  generis. 

2.  Sofern  im  Checkvertrage  nichts  anderes  vereinbart 
ist,  trifft  der  Schaden  aus  der  Einlösung  eines  gefälschten 
Checks  an  sich  nicht  den  Checkkunden,  sondern  den  einlösenden 
Banquier.  Die  Zahlung  geschieht  prinzipiell  auf  Gefahr  des 
letztern. 

3.  Dagegen  ist  der  Checkkunde,  welchem  der  Banquier 
ein  Checkbuch  übergeben  hat,  nach  den  Grundsätzen  von 
Treu  und  Glauben,  auch  ohne  besondere  ausdrückliche  Ab- 
rede, verpflichtet,  die  nach  den  Umständen  erforderliche  Sorg- 
falt aufzuwenden,  um  zu  verhüten,  dass  das  Checkbuch  in 
die  Hände  Unberufener  gelange,  welche  es  zum  Schaden  des 
Banquiers  verwenden  könnten,  und  er  haftet  für  den  aus 
Verletzung  dieser  stillschweigend  übernommenen  Vertrags- 
pflicht dem  Banquier  entstandenen  Schaden  nach  Massgabe 
des  Art.  116  O.K. 

Worin  die  Aufbewahrungspflicht  des  Checkkunden  be- 
stehe, und  wie  weit  sie  gehe,  wird  sich  nicht  allgemein,  in 
abstrakter  Weise  bestimmen  lassen.  Jedenfalls  muss  gesagt 
werden,  dass  in  casu  der  Chef  der  beklagten  Firma,  als  er 
für  mehrere  Tage  ins  Ausland  verreiste,  das  Checkbuch  ent- 
weder hätte  ein8chlie8sen,  oder  dem  Prokuristen  übergeben 
sollen,  und  es  içt  der  Vorinstanz  beizutreten,  wenn  sie  eine 
Fahrlässigkeit  und  Verletzung  der  der  Klägerin  nach  dem 
Checkvertrage  sohuldigen  Diligenz  in  der  Verwahrung  des 
Buches  darin  erblickt,  dass  der  Chef  der  beklagten  Firma 
diese  notwendigen  Vorsichtsmassregeln  unterliess,  und  das 
Heft,  zwar  nicht  offen,  aber  in  einer  unverschlossenen  Schub- 
lade, an  einer  dem  Bureauangestellten  Pf.  bekannten  und  ihm 
leicht  zugänglichen  Stelle  liegen  Hess.  T.  musste  voraus- 
sehen, dass  der  Angestellte  Pf.  während  seiner  Abwesenheit  zeit- 
weise allein  auf  dem  Bureau  sein  werde,  und  wenn  er  auch 
positiven  Anhalt  für  einen  Verdacht,  dass  Pf.  eine  Fälschung 
begehen  würde,  nicht  hatte,  so  muss  ihm  seine  Sorglosigkeit 


10 

immerhin  zum  Verschulden  angerechnet  werden  ;  denn  die 
Erfahrung  lehrt  eben,  dass  derartige  Vergehen  schon  oft  be- 
gangen worden  sind,  und  der  Umstand,  dass  Pf.  im  Besitze 
günstiger  Dienstzeugnisse  war,  bildete  für  T.  keine  genügende 
Rechtfertigung,  in  diesen  Angestellten  ein  unbedingtes  Ver- 
trauen zu  setzen,  der  doch  erst  seit  fünf  Monaten  in  seinem 
Dienste  stand,  und  kurz  vorher  aus  dem  Auslände  hergereist 
war,  von  dessen  Vorleben  er,  ausser  jenen  Zeugnissen,  keiner- 
lei Kenntnisse  besass.  (Entsoh.  vom  23.  September  1898  i.  S. 
Zürcher  Kantonalbank  c.  Tennenbaura  &  Cie.) 


10.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn- 
und  Dampfschifffahrtsunternehmungen  vom  1.  Juni  1875,  Art.  2. 
Bundesgesetz  betreffend  die  Ausdehnung  der  Haftpflicht  ti.  s.  to. 
vom  26.  April  1887.  Unfall  oder  Krankheit  Î  Wann  erscheint  der 
Austritt  eines  Leistenbruchs  ah  Krankheit  t 

Ainsi  que  le  Tribunal  fédéral  Ta  déjà  jugé,  la  sortie 
d'une  hernie  peut  être  considérée  comme  un  accident  lors- 
qu'elle est  due  à  un  événement  déterminé,  dont  l'époque 
peut  être  précisée,  et  qu'elle  s'est  produite  subitement,  par 
exemple  sous  l'influence  d'un  effort  extraordinaire  du  lésé. 
Par  contre,  lorsqu'elle  se  développe  petit  à  petit  sous  Fin- 
fluence  de  l'activité  professionnelle  normale  du  lésé,  elle  ne 
saurait  constituer  un  accident  proprement  dit,  mais  doit  être 
considérée  comme  une  maladie.  (Voir  arrêts  Ree.  off.  XV1I1, 
page  237,  consid.  2;  XIX,  page  177,  consid.  3.)  Si  la  sortie 
de  la  hernie  est  due  aux  efforts  faits  un  jour  déterminé  par 
le  lésé  au  cours  de  son  travail,  elle  doit  néanmoins  être  con- 
S|~  sidérée  comme  une  maladie,  si  les  efforts,  cause  de  la  sortie, 

|v  n'avaient  rien   d'extraordinaire,  mais  étaient  tels  que  pouvait 

$  même  exiger  normalement    l'activité   professionnelle   du   lésé. 

(Entsch.  vom  5.  Oktober   1898  i.  S.  Janin  c.  Compagnie  des 
chemins  de  fer  à  voie  étroite.) 


h 

R  11.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb 

f  vom  25.  Juni  1881,  Art  6  litt.  a.    Als  Beerdigungskosten  im  Skme 

Ü|  dieser  Gesetzesbestimmung  erscheinen  nur  die  Kosten  der  Beerdi- 

h*  gung   im   engeren  Sinne,    nicht   auch  Auslagen   für    Totenkran* 

g-  und  Grabstein.     (Entsoh.  vom  6.  Oktober  1898  i.  S.  Morandi  e. 
Société  Terribilini  frères.) 


11 

12.  Bundesgesetz  betr.  die  Erfindungspatente  vom  29.  Juni 
1888,  Art.  ly  2,  10  Ziff. 4.  Eine  blosse  neue  Anwendung  eines 
bekannten  Instrumentes  oder  Apparates  ist  nicht  patentierbar.  — 
Notwendiger  Inhalt  der  Patentschrift.  —  Neuheit  der  Erfindung t 

1.  Un  simple  procédé,  un  emploi  nouveau  d'un  instrument 
ou  appareil  connu,  qui  n'a  pas  pour  condition  une  modification 
matérielle  de  cet  instrument  ou  appareil,  n'est  pas  susceptible 
d'être  breveté  en  Suisse  parce  qu'il  ne  peut  pas  être  repré- 
senté par  un  modèle  (art.  l,r  loi  du  29  juin  1888). 

2.  Les  particularités  nouvelles  de  l'objet  breveté  doivent, 
sous  peine  de  nullité  du  brevet,  résulter  de  l'exposé  d'inven- 
tion (description  et  dessin)  déposé  avec  la  demande,  et  cela 
d'une  manière  suffisante  pour  que  l'invention  puisse  être  exé- 
cutée par  un  homme    du  métier  (art.  10  chiffre  4  de  la  loi). 

3.  Il  n'est  pas  nécessaire  pour  qu'elle  doive  être  consi- 
dérée comme  connue  au  sens  de  l'art.  2  de  la  loi  du  29  juin  1888, 
qu'une  invention  ait  été  exploitée  dans  un  but  industriel;  il 
suffit  qu'elle  ait  reçu  une  publicité  en  Suisse  par  l'importa- 
tion de  l'objet  breveté,  par  une  conférence  publique  ou  de 
toute  autre  manière  (voir  message  du  Conseil  Fédéral,  Feuille 
Fédérale  loo.  cit.).  Quant  à  savoir  ce  qu'il  faut  entendre  par 
publicité,  le  Tribunal  Fédéral  a  déjà  jugé  qu'il  ne  sulfit  pas 
que  l'invention  ait  été  portée  à  la  connaissance  de  quelques 
personnes,  mais  qu'il  est  nécessaire  que,  par  suite  de  l'exécu- 
tion ou  de  la  description  qui  en  a  déjà  eu  lieu  publiquement, 
elle  puisse  être  exécutée  ou  utilisée  par  un  homme  du  métier 
(Voir  arrêt  en  la  cause  Schelling  &  Stäubli,  Ree.  off.  XX 
page  682  oonsid.  5).  Or,  les  conditions  dans  lesquelles  le  de- 
mandeur prétend  avoir  fait  usage  d'ampoules  de  verre  pareilles 
à  celles  des  défendeurs  ne  .sont  pas  telles  que  l'on  puisse 
a  priori  décider  qu'elles  n'ont  pas  créé  une  publicité  à  ces 
appareils.1)  Il  suffit  d'observer  ici,  pour  justifier  ce  point  de 
vue,  qu'un  cabinet  de  physique  universitaire  est  un  établisse- 
ment publique  et  que  les  communications,  les  démonstrations, 
les  mises  en  œuvre  d'appareils  qui  s'y  font  n'ont  pas,  dans  la 
règle,  un  caractère  confidentiel.  (Entsch.  vom  4.  Juni  1898- 
i.  S.  Raoul  Pictet  c.  Société  chimique  des  usines  du  Rhône.) 

l)  Le  demandeur  prétend  que  la  manipulation  de  ces  ampoules  a  été 
^bien  antérieurement  à  la  prise  du  brevet  des  défendeurs)  d'un  emploi  jour« 
nalier  dans  le  cabinet  de  physique  de  l'Université  de  Genève  et  a  servi  de 
base  à  l'étude  de  la  fabrication  de  la  glace. 


12 

13.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art  59.  Bundesgesetz  über  Schuld- 
betreibung und  Konkurs  vom  29.  April  1889,  Art.  88  f.,  131,  285 
/.,  328.  —  Streitwertberechnung.  —  Die  Frage,  unter  welchen 
Voraussetzungen  und  in  welcher  Weise  ein  Gläubiger  Rechte 
seines  Schuldners  gegen  Dritte  geltend  machen  kann,  ist  eine  Frage 
des  Schuldexekutionsrechtes  und  richtet  sich  daher  nach  Bundes- 
recht.  Nach  diesem  setzt  diese  Befugnis  des  Gläubigers  eine  Ein- 
weisung desselben  in  Rechte  des  Schuldners  auf  Grund  der 
Zwangsvollstreckung  voraus,  und  besteht  daher  jedenfalls  nicht 
vor  der  Pfändung  des  betreffenden  Anspruchs.  —  Anfechtungs- 
klage gegen  ein  den  Schuldner  enterbendes  Testamenti 

Der  im  Jahre  1890  in  Konkurs  gefallene  B.  W.  war  von 
seinem  Vater  8.  W.  zu  Gunsten  seiner  beiden  Söhne,  der 
gegenwärtigen  Beklagten,  enterbt  worden  ;  er  focht  das  Tes- 
tament nicht  an.  Dagegen  erwirkte  nach  dem  Tode  des 
Testators  der  Kläger,  welcher  im  Konkurse  des  B.  W.  mit 
Fr.  1272.85  zu  Verlust  gekommen  war,  am  25.  Februar  1897 
für  seine  Verlustforderung  einen  Arrest  auf  den  Erbteil  de» 
B.  W.  am  Nachlasse  seines  Vaters  und  Hess  am  11.  März  1897 
dem  B.  W.  einen  Zahlungsbefehl  für  diese  Forderung  zustellen. 
Nachdem  für  einen  Teil  der  Forderung  Rechtsvorschlag 
erhoben  worden  war,  erhob  der  Kläger  gegen  die  Beklagten, 
die  Söhne  des  B.  W.,  Klage  mit  dem  Antrage,  das  Testament 
des  J.  W.  sei  aufzuheben,  soweit  dem  Sohne  B.  W.  ein  Dritt- 
teil des  Gesamtnachlasses  entzogen  werde;  die  Beklagten 
haben  demgemäss  anzuerkennen,  dass  B.  W.  einen  Drittteil 
des  6e8amtnachlasses  des  J.  W.  geerbt  habe.  Das  Obergericht 
des  Kantons  Aargau  hat  durch  Entscheidung  vom  20.  Januar 
1898  die  Klage  gutgeheissen  mit  der  Begründung: 

Der  Pflichtteilsanspruch,  welcher  den  Gegenstand  der 
vorliegenden  Frage  bilde,  sei  kein  höchst  persönlicher,  sondern 
«in  vermögensrechtlicher  Anspruch,  mit  der  Eigenschaft  der 
Vererblichkeit  und  Veräusserliohkeit.  Derselbe  müsse  daher 
auch  als  Gegenstand  der  Zwangsvollstreckung  angesehen 
werden.  Da  nun  weder  das  Erbrecht  des  Kantons  Aargau, 
noch  das  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs 
eine  gegenteilige  Bestimmung  enthalte,  wonach  dieser  Ver- 
mögensbestandteil des  Pfliohtteilsberechtigten  von  der  Zwangs- 
vollstreckung ausgeschlossen  wäre,  so  müssen  die  Gläubiger 
dieses  letztern  als  befugt  angesehen  werden,  zur  Befriedigung 
ihrer  Forderungen  gegen  denselben  auf  seinen  Pflichtteils- 
Anspruch  zu  greifen,  und  zur  Erreichung  dieses  Zweckes  müsse 
den  genannten  Gläubigern  auch  das  Hecht  zustehen,  die  Auf- 


Vò 

hebung  des  Testamentes,  ohne  welche  die  Durchführung  der 
Zwangsvollstreckung  nicht  möglich  wäre,  zu  verlangen. 

Dagegen  hat  das  Bundesgericht  die  Klage  abgewiesen. 
In  den  Entscheidungsgründen  wird  zunächst  hinsichtlich  des 
Streitwertes  bemerkt: 

Für  die  Bestimmung  desselben  sei  nicht  der  Betrag  der 
klägerischen  Forderung  an  B.  W.  massgebend;  denn  nicht 
diese  Forderung  bilde  den  Gegenstand  der  Klage,  sondern 
die  Anfechtung  des  vom  Vater  des  B.  W.  errichteten  Testa- 
ments; entscheidend  für  den  Streitwert  sei  demnach  der  Wert 
des  Erbrechts,  um  welches  bei  dieser  Anfechtung  gestritten 
werde,  und  dieses  übersteige  Fr.  2000. 

Sodann  wird  ausgeführt:  Es  muss  sich  in  erster  Linie 
fragen,  ob  der  Kläger  zur  Anhebung  der  vorliegenden  Klage 
legitimiert  sei.  Es  handelt  sich  um  die  Geltendmachung  eine* 
in  der  Person  eines  Dritten,  des  B.  W.,  entstandenen  Anspruchs, 
und  der  Kläger  hat  nicht  behauptet,  dass  dieser  Anspruch 
auf  Grund  eines  mit  B.  W.  abgeschlossenen  Rechtsgeschäftes 
oder  von  Todeswegen  auf  ihn  übergegangen  sei.  Die  Legiti- 
mation zur  Klage  stützt  der  Kläger  vielmehr  einzig  auf  seine 
Gläubigerqualität,  d.  h.  auf  die  Thatsache,  dass  ihm  vorn 
Konkurs  des  B.  W.  her  eine  Verlustforderung  auf  diesen  zu- 
stehe  Nun    gehört    die    Frage,    welche    Mittel    dem 

Gläubiger  behufs  Realisierung  seiner  Rechtsansprüche  zustehen,, 
unter  welchen  Voraussetzungen  und  in  welcher  Weise  er  zu 
dem  Zwecke  auf  das  Vermögen  des  Schuldners  greifen  und 
Rechte  desselben  gegenüber  Dritten  geltend  machen  kann, 
dem  Rechte  der  Schuldexekution  an.  Die  Berechtigung  des- 
Klägers, kraft  seiner  Eigenschaft  als  Gläubiger  des  pflichtteils- 
berechtigten B.  W.,  dessen  Pflichtteilsanspruch  gegenüber  den 
Beklagten  geltend  zu  maohen,  beurteilt  sich  demnach  nach 
den  für  die  Zwangsvollstreckung  massgebenden  Rechtsnormen,, 
also  nach  dem  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und 
Konkurs.  An  der  Anwendbarkeit  dieses  Bundesgesetzes  ändert 
der  Umstand  nichts,  dass  der  Konkurs,  ans  welchem  die  Ver- 
lustforderung des  Klägers  herrührt,  noch  vor  dem  Inkrafttreten 
desselben  durchgeführt  wurde;  denn  nach  Art.  328  des  citierten- 
Bundesgesetzes  regeln  sich  die  Rechte,  welche  sich  an  die 
aus  jenem  Konkurs  herrührende  Verlustforderung  knüpfen, 
nach  diesem  Gesetz. 

Es  ist  ohne  weiteres  klar,  dass  nach  dein  genannten 
Bundesgesetze  die  Legitimation  des  Gläubigers,  einen  Anspruch 
seines  Schuldners  gegenüber  dem  Drittschuldner  geltend  zu 
machen,   aus  der  blossen  Thatsache,   dass  ihm  ein  Anspruch 


14 

auf  jenen  zusteht,  unmöglich  hergeleitet  werden  kann.  Die 
Legitimation  zu  einer  solchen  Klage  setzt  vielmehr  eine  Ein- 
weisung des  Gläubigers  in  die  Rechte  des  Schuldners,  auf 
Grund  der  gegen  diesen  gerichteten  Zwangsvollstreckung 
voraus.  Ob  nun  eine  derartige,  die  Legitimation  des  Gläubigers 
zur  Klage  gegen  den  Drittschuldner  begründende  Einweisung 
schon  durch  die  Pfändung  des  Anspruchs  auf  diesen,  oder  erst 
dadurch  stattfinde,  dass  der  Gläubiger  diesen  Anspruch  im 
Verwertungsverfahren  ersteigert,  bezw.  sich  unter  den  in 
Art.  131  des  Bundesgesetzes  genannten  Voraussetzungen  an 
Zahlungsstatt  anweisen  lässt,  bleibt  sich  für  die  Entscheidung 
des  vorliegenden  Falles  gleich;  denn  hier  ist  es  überhaupt 
nicht  einmal  zu  einer  Pfändung  des  Pflichtteilsrechts  des 
B.W.  gekommen,  indem  der  Kläger  zwar  am  11.  März  1897 
gegen  diesen  die  Betreibung  angehoben,  dieselbe  aber  nicht 
fortgesetzt  hat.  Durch  die  Anlegung  des  Zahlungsbefehls 
werden  aber  noch  keinerlei  Rechte  des  betreibenden  Gläu- 
bigers an  dem  Vermögen  de9  Betriebenen  begründet.  Es 
könnte  von  einer  Berechtigung  des  Erstem,  Rechtsansprüche 
des  Schuldners  gegenüber  Drittschuldnern  geltend  zu  machen, 
jedenfalls  erst  von  dem  Momente  an  die  Rede  sein,  wo  diesa 
Ansprüche  von  der  Zwangsvollstreckung  ergriffen  werden, 
d.  h.  frühestens  vom  Momente  der  Pfändung  an.  .  .  . 

Wenn  endlich  der  Kläger  zur  Begründung  seiner  Legiti- 
mation zur  vorliegenden  Klage  von  der  schädigenden  Absicht 
gesprochen  hat,  welche  der  Testamentserrichtung  und  der 
Unterlassung  der  Testamentsanfechtung  zu  Grunde  liege,  so 
ist  hiezu  zu  bemerken,  dass  der  Testator,  der  dem  Kläger 
nichts  schuldig  war,  keinerlei  rechtliche  Verpflichtungen  hatte, 
bei  der  Disposition  über  sein  Vermögen  Interessen  des  Klägers 
wahrzunehmen,  und  dem  letztern  daher  unmöglich  aus  dem 
Grunde  ein  Klagerecht  auf  Aufhebung  des  Testaments  zu- 
stehen kann,  weil  der  Testator  dasselbe  in  der  Absicht 
errichtet  habe,  um  seinen  Na  chi  as  s  dem  Zugriff  des  Kläger* 
zu  entziehen.  Von  Verletzung  von  Gläubigerrechten  des  Klägers 
kann  daher  mit  Bezug  auf  die  Testamentserrichtung  gar  nicht 
gesprochen  werden  ;  eine  Anfechtungsklage  wegen  Verletzung 
solcher  Reohte  ist  selbstverständlich  nur  gegenüber  Rechts- 
handlungen des  Schuldners  möglich,  und  hätte  daher  in  casu 
nur  gegen  einen  Verzicht  des  B.  W.  auf  seinen  Pflichtteil 
also  nur  gegen  die  Unterlassung  der  Testamentsanfechtung, 
bezw.  gegen  die  Ueberlassung  des  Nachlasses  an  die  Testaments- 
erben seitens  desselben  gerichtet  werden  können.  In  diesem 
Sinne  ist  jedoch  die  Klage  von  der  Vorinstanz  nicht  aufgefasst 


15 

worden,  und  kann  dieselbe  nach  ihrer  Begründung  auch  nicht 
aufgefa8st  werden,  indem  sich  der  Kläger  darauf  stützt,  dass 
er  als  Gläubiger  des  B.  W.  berechtigt  sei,  in  dessen  Rechts- 
ansprüche einzutreten,  and  somit  gerade  davon  ausgeht,  dass 
der  fragliche  Pflichtteilsanspruch  demselben  noch  zustehe,  ein 
Verzicht  auf  denselben  also  nicht  stattgefunden  habe.  (Entsch. 
vom  13.  Mai  1898  i.  S.  Wohler  c.  Meier.) 


14.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
29.  AprÜ  1889,  Art.  17,  106,  107,  109,  138  Ziff.  3,  140.  Befug- 
nis des  Civügerichtes,  zu  entscheiden,  ob  zufolge  des  Betreibungsver- 
fahrens eine  Rechtsverwirkung  wirklich  eingetreten  sei  oder  ob  das 
von  den  Betreibungsbehörden  angeordnete  Provokation sver fahr en 
der  gesetzlichen  Grundlage  ermangle.  —  Unter  welchen  Voraus- 
setzungen sind  Dienstbarkeiten  in  das  Lastenverzeichnis  aufzunehmen 
und  ist  hinsichtlich  derselben  das  Verfahren  der  Art.  140  Abs.  2, 
106,  107  einzuleitend  Wirkungen  der  Unterlassung  rechtzeitiger 
Klageerhebung. 

1.  Die  Civilgerichte  sind  befugt  zu  überprüfen,  ob  die 
gesetzliche  Basis  für  einen  im  Betreibungsverfahren  ausge- 
sprochenen Rechtsverlust  vorhanden  gewesen  sei,  denn  hiebei 
handelt  es  sich  um  eine  materiellrechtliche  Wirkung  des 
Betreibungsverfahrens,  um  den  Verlust  eines  Privatrechts  als 
Präklu8ivwirkung.  Den  Givilgerichten  steht  demnach  die 
Prüfung  darüber  zu,  ob  ein  Fall,  in  welchem  das  Schuld- 
betreibung8-  und  Konkursgesetz  (Art.  106  bis  109  resp.  140 
Abs.  2)  eine  Aufforderung  zur  Klage  durch  Fristansetzung 
mit  den  im  Gesetze  angedrohten  Rechtsfolgen  zulässt,  vor- 
liege oder  ob  das  bezeichnete  Verfahren  auf  einen,  nach  dem 
Gesetze  demselben  entzogenen,  Thatbestand  angewendet 
worden  sei,  indem  eben  der  Mangel  der  gesetzlichen  Zulässig- 
keit  dem  ausgesprochenen  Rechtsverlust  die  gesetzliche  Grund- 
lage und  damit  auch  die  rechtliche  Wirkung  entzieht.  Da- 
gegen wird  allerdings  die  Regelung  des  Verfahrens  den 
ßetreibungsbehörden  zugestanden  werden  müssen  und  der  ein- 
getretene Rechtsverlust  vor  den  Gerichten  nicht  aus  dem 
Grunde  angefochten  werden  können,  weil  das  gesetzliche  Ver- 
fahren nicht  eingehalten  worden  sei,  sofern  wenigstens  nur 
die  gesetzlichen  Fristen  gewahrt  sind. 

2.  Nach  Art.  140  Abs.  1  des  Schuldbetreibungs-  u.  Konkurs- 
gesetzes müssen  alle  dinglichen  Lasten,  welche  aus  den  öffent- 
lichen Büchern  ersichtlich  sind,  in  das  Lasten  Verzeichnis  auf- 


IG 

genommen  werden,  also  auoh  diejenigen  Dienstbarkeiten  u.  s.w., 
welche  kraft  Gesetzes  auf  die  Erwerber  übergehen.  Es  findet 
also  auch  hinsichtlich  solcher  Dienstbarkeiten,  soweit  sie  ein- 
getragen sind,  das  Bereinigungs-  bezw.  Provokationsverfahren 
nach  Art.  140  Abs.  2,  106  und  107  des  Gesetzes  statt.  Hin- 
sichtlich der  nicht  eingetragenen  Semtuten  dagegen, 
welche  nicht  zu  einer  aus  dem  Steigerungserlös  nach  Art.  138 
Ziff.  4  zu  befriedigenden  Geldforderung  Veranlassung  geben, 
stellt  das  Bundesgesetz  weder  eine  Verpflichtung  des  Be- 
treibungsbeamten, dieselben  von  Amteswegen  zu  ermitteln  und 
in  das  Lastenverzeichnis  aufzunehmen,  noch  eine  Anmeldungs- 
pflicht des  Berechtigten  auf.  Dasselbe  schliesst  aber  die  Auf- 
nahme solcher  nicht  eingetragenen  Dienstbarkeiten  in  da* 
Lastenverzeichnis  auoh  nicht  aus,  sondern  überlässt  es  nur 
den  Kantonen,  eine  Verpflichtung  zur  Anmeldung  aufzu- 
stellen. Werden  solche  nicht  eingetragene  Dienstbarkeiten, 
auch  ohne  Bestehen  einer  kantonalgesetzlichen  Anmeldungs- 
pflicht, von  dem  angeblich  Berechtigten  selbst  zur  Aufnahme 
in  das  Lastenverzeichnis  angemeldet,  so  hat  der  Betreibungs- 
beamte der  Anmeldung  Folge  zu  geben,  und  es  greift  dann 
auch  in  Betreff  solcher,  freiwillig  angemeldeter  Lasten,  das 
in  Art  140  Abs.  2,  bezw.  106  und  107  des  Bundesgesetzes 
vorgeschriebene  Verfahren  Platz.  Wenn  alsdann  die  Dienst- 
barkeit  von  einem  hiezu  legitimierten  Gläubiger  bestritten 
wird  und  der  Ansprecher  binnen  der  ihm  gesetzten  Klagefrist 
nicht  klagt,  so  ist  die  Dienstbarkeit  in  den  Steigerungs- 
bedingungen als  erloschen  zu  bezeichnen  und  dem  Erwerber 
nicht  zu  überbinden,  so  dass  sie  auf  denselben  nicht  übergeht 
Die  Wirkung  der  Klageversäumnis  ist,  wenn  die  Betreibung 
durchgeführt  wird,  die  gleiche,  wie  wenn  der  Ansprecher  die 
Klage  erhoben  hätte,  aber  mit  derselben  unterlegen  wäre. 
(Entsch.  vom  3.  Juni  1898  i.  S.  Spinnerei  Aegeri  c,  Iten.) 


1 5.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art  56,  89.  Bundesgesetz  beireffend 
Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  11.  April  1889y  Art  315. 
Die  Kassationsbeschwerde  ist  nur  gegen  Haupturteile  statthaft. 
Gegen  Entscheidungen  der  Nachlassbehörden  über  Begehren  eines 
Gläubigers  um  Aufhebung  eines  Nachlassvertrages  für  seine  Forde- 
rung ist  weder  Berufung  noch  Kassationsbeschwerde  an  das 
Bundesgericht  statthaft.     Rechtliche  Natur  solcher  Entscheidungen* 

1.  Wie  das  Bundesgericht  stets  festgehalten  hat,  ist  die 
Kassationsbeschwerde   gemäss  Art.  89  Org.  Ges.  (ebenso  wie 


17 

die  Berufung)  nur  gegen  letztinstanzliche  kantonale  Haupt- 
urteile statthaft;  es  ist  dies  im  französischen  und  italieni- 
schen Gesetzestexte  ausdrücklich  ausgesprochen  und  folgt 
übrigens  aus  dem  Zusammenhange  und  Zweck  des  Gesetzes. 

Sie  ist  daher  nicht  statthaft  gegen  zweitinstanzliche  kan- 
tonale Entscheidungen,  welche  lediglich  aus  prozessualischen 
Gründen  das  gegen  die  erstinstanzliche  Entscheidung  ergrif- 
fene Rechtsmittel  für  unzulässig  erklären. 

2.  Begehren  eines  Gläubigers,  den  Nachlass  mit  Bezug 
auf  seine  Forderung  wegen  Nichterfüllung  der  Bedingungen 
des  Nachlassvertrages  aufzuheben,  sind  nach  Art.  315  Schuld- 
betr.  und  Konk.-Ges.  von  der  Nachlassbehörde  zu  beurteilen  'r 
sie  sind  also  nicht  den  Gerichten,  sondern  einer  besondern 
Behörde  zugewiesen,  deren  Funktionen  allerdings  durch  die 
kantonale  Gesetzgebung  gerichtlichen  Behörden  übertragen 
werden  können,  aber  keineswegs  übertragen  werden  müs- 
sen, vielmehr  ebensowohl  administrativen  Stellen  oder  einer 
für  sie  besonders  gebildeten  Behörde  überwiesen  werden 
können.  Daraus  ist  aber  zu  folgern,  dass  Streitigkeiten  über 
solche  Begehren,  ebenso  wie  Anstände  betreffend  die  Ertei- 
lung oder  Verweigerung  der  Genehmigung  des  Naohlassver- 
trages  (vgl.  hierüber  Entscheidg.  Amt).  Samml.  Bd  XVIH, 
S.  218  E.2;  Bd  XXIII,  S.  613,  E.  2),  vom  Gesetze  nicht  als 
eigentliche  Civilrechtsstreitigkeiten,  sondern  als  Anstände  im 
Gebiete  der  freiwilligen  Gerichtsbarkeit  betrachtet  werden. 
Das  Begehren  ist  denn  auch  nicht  etwa  dahin  zu  richten,  es 
sei  (deklarativ)  auszusprechen,  der  Gläubiger  sei  an  den  Nach- 
lassvertrag wegen  Nichterfüllung  der  Bedingungen  desselben 
nicht  mehr  gebunden,  sondern  dahin,  es  sei  (konstitutiv)  die 
Aufhebung  des  Nachlassvertrages  für  seine  Forderung  zu 
verfügen,  Demgemäss  muss  folgerichtig  das  Begehren  bei 
der  Behörde,  welche  den  Naohlassvertrag  durch  Erteilung 
ihrer  Genehmigung  zur  Perfektion  gebracht  hat,  nämlich  der 
Nachlassbehörde,  gestellt  werden.  So  lange  diese  Behörde 
die  Aufhebung  des  Nachlassvertrages  nicht  verfügt  hat,  bleibt 
derselbe  für  den  Gläubiger  verbindlich,  auch  wenn  dieser  im 
Prozesse  nachweisen  sollte,  dass  die  gesetzlichen  Bedingungen, 
unter  welchen  er  die  Aufhebung  des  Nachlasses  für  seine 
Forderung  zu  verlangen  berechtigt  ist,  gegeben  sind.  Handelt 
es  sich  aber  demgemäss  bei  derartigen  Entscheidungen  der 
Nachlassbehörde  überhaupt  nicht  um  gerichtliche  Urteile  in 
einem  Civilrechtsstreite,  sondern  um  Akte  der  freiwilligen 
Gerichtsbarkeit,  so  ist  gegen  dieselben  gemäss  Art.  56  Org. 
Ges.  weder  die  Berufung  noch  die  Kassationsbeschwerde   an. 


18 


<Us  Bundesgericht  statthaft,  da  diese  beiden  Rechtsmittel  nur 
gegen  gerichtliche  Haupturteile  in  Civilrechtsstreitigkeiten 
gegeben  sind.  (Entsch.  vom  22.  Oktober  1898  i.S.  Baum  &  Mos- 
bacher c.  Stauber.) 


16.  Bundesgesetz  betreff  end  den  Schutz  der  Fabrik-  und 
Handelsmarken  u.  s.  w.  vom  26.  September  1890,  Art.  1,  6y  11,  32 
Abs.  2. 

1.  Die  Fabrik-  und  Handelsmarken  können  nicht  für  sich 
allein,  sondern  nur  mit  dem  Geschäfte  übertragen  werden, 
dessen  Erzeugnissen  sie  zur  Unterscheidung  dienen.  Ist  indes 
•eine  Marke  für  eine  Mehrheit  von  Waren  eingetragen  und 
benützt  worden,  so  kann  sie  bei  einer  Teilung  des  Geschäfts 
unter  mehrere  Nachfolger,  bei  weloher  jeder  einen  be- 
stimmten, gewisse  Erzeugnisse  umfassenden,  Geschäftszweig 
übernimmt,  jedem  derselben  für  seinen  Geschäftszweig  über- 
tragen werden,  während  dagegen  zweifelhaft  ist,  ob  auch  eine 
Teilung  des  Markenrechts  nach  geographischen  Gebieten 
(nach  dem  Verkehr  mit  den  verschiedenen  Ländern)  zulässig 
ist.  Wenn  freilich  die  geographische  Teilung  zugleich  eine 
«achliche  involviert,  weil  die  für  die  verschiedenen  Länder 
bestimmten  Waren  sachlich  verschiedenartig  sind  (wie  dies 
bei  der  Uhrenindustrie  tur  den  orientalischen  und  überseeischen 
Verkehr  im  Gegensatze  zum  europäischen  der  Fall  zu  sein 
scheint),  so  ist  eine  solche  Teilung,  welche  dann  eben  keine 
bloss  lokale  mehr  ist,  jedenfalls  statthaft. 

2.  Die  Klage  auf  Untersagung  des  Gebrauchs  einer 
Marke  setzt  kein  Verschulden  des  Beklagten  voraus;  sie  ist 
begründet,  wenn  die  beklagtische  Marke  objektiv,  nach  den 
Vorschriften  des  Art.  6  des  Markenschutzgesetzes,  wegen 
täuschender  Aehnliohkeit  mit  dem  klägerischen  älterberech- 
tigten Zeichen  unzulässig  ist.  Das  Verschulden  ist  nur  für 
die  Straf-  und  Schadenersatzfolgen  der  Markenrechtsverletzung 
von  Bedeutung. 

3.  Bei  Prüfung  der  täuschenden  Aehnliohkeit  zweier 
Warenzeichen  ist  nicht  vom  Standpunkte  eines  gewiegten 
Geschäftsmannes,  sondern  vom  Durchschnittsstandpunkte  des 
kaufenden  Publikumsauszugehen.  Es  kommt  auch  nicht  darauf 
an,  ob  eine  Verwechslung  der  beiden  Zeichen  als  unvermeidlich, 
sondern  darauf,  ob  sie  als  im  ordentlichen  Laufe  der  Dinge 
möglich  erscheint. 

4.  Hinterlegung  und  Gebrauch  einer  Marke  geben  ein 
Recht  auf  dieselbe  nur  für  die  Warengattungen,  für  welche 


19 

sie  stattgefunden  haben.  Das  Recht  auf  den  Gebrauch  einer 
Marke  für  eine  bestimmte  Warengattung  hängt  demnach  von 
der  Priorität  im  Eintrag  und  Gebrauch  der  Marke  für  diese 
Wareogattung  ab.  Wer  eine  Marke  für  „Corsets,  Strümpfe, 
Tasohentioher,  Spiegel  etc."  hinterlegt  und  gebraucht  hat, 
kann  sich  somit  der  Verwendung  dieser  oder  einer  ähnliohen 
Marke  für  eine  gaia  andere  Warengattung  wie  Uhren  nicht 
widersetzen  und  darf  das  Zeiohen  für  Uhren  nicht  verwenden, 
wenn  ein  Anderer  dasselbe  für  diesen  Artikel  vor  ihm  in 
(Gebrauch  genommen  hat. 

5.  Die  Anordnung  der  in  Art,  32  Abs.  2  des  Marken- 
schutzgesetzes vorgesehenen  Massnahmen  ist  nicht  von  einem 
Verschulden  des  Beklagten  abhängig.  (Entach.  vom  3.  Juni  1898 
i.  S.  Etablissements  Orosti  Back  c.  Sandoz  &  Breitmeyer  und 
Genossen.) 


17.  Bundesgesetz  betreffend  den  Schutz  der  Fabrik-  und 
Handelsmarken  u.  s.  w.  vom  26.  September  1890,  Art.  6  Abs.  1 
und  3,  Art.  32.  Das  Verbietungsrecht  des  Markenberechtigten  er- 
streckt sich  (auch  wenn  dieser  die  Marke  nur  für  eine  bestimmte 
Warensorte  gebraucht,  und  dies  bei  der  Hinterlegung  erklärt 
hat)  auf  sämtliche  Waren  der  gleichen  Gattung.  Tragweite  des 
Art.  32  cit. 

Die  Tabak-  und  Cigarrenfabrikanten  E.  &  Cie  in  M. 
hatten  für  ihre  Cigarren  u.  a.  eine  Marke  „Telephone"  ein- 
tragen lassen  und  gebrauchten  dieselbe  für  Cigarren  deut- 
scher Façon  (sog.  Eopfoigarren).  Später  begannen  die 
Fabrikanten  H.  &  Cie  in  R.  die  gleiche  Marke  für  Cigarren 
französischer  Façon  (bouts)  zu  gebrauchen  und  liessen  sie 
tur  „Cigarren  französischer  Form"  für  sich  eintragen.  Gegen- 
über der  Markenrechtsklage  der  Firma  E.  &  Cie  machten 
H.  &  Cie  geltend,  die  Kläger  hätten  die  Marke  ausdrücklich 
nur  für  Cigarren  deutscher  Façon  angemeldet;  sie,  die  Be- 
klagten, seien  daher  nach  Art.  6  Abs.  3  des  Markenschutz- 
gesetzes berechtigt,  dieselbe  für  Cigarren  französischer  Façon 
zu  gebrauchen.  —  Das  Bundesgericht  hat  diese  Einwendung 
verworfen,  im  wesentlichen  aus  folgenden  Gründen: 

Der  laut  Art.  6  Abs.  1  cit.  des  Markenschutzgesetzes  den 
eingetragenen  Marken  gegen  Nachahmungen  gewährte  Schutz 
versagt  allerdings  solchen  Marken  gegenüber,  welche  für  Er- 
zeugnisse oder  Waren  bestimmt  sind,  die  ihrer  Natur  nach 
von  den  mit  jener  versehenen  gänzlich  abweichen  (Art.  6 
Abs.  3   des   cit.  Gesetzes).     Wenn  nun   aber    die  Beklagten 


•20 

behaupten,  dass  zwischen  den  Cigarren  deutscher  Façon,  für 
welche  die  Kläger  ihre  Telephonmarke  verwenden,  und  den 
Cigarren  französischer  Form,  welche  die  Beklagten  mit  dieser 
Marke  in  den  Handel  bringen,  eine  derartige  Verschieden- 
heit bestehe,  dass  es  sich  im  Sinne  des  Marken  Schutzgesetzes 
um  eine  andere  Ware,  bezw.  um  eine  Ware  gänzlich  ab- 
weichender Natur  handle,  so  kann  diesem  Standpunkt  nicht 
beigetreten  werden.  Das  gemeinsame  der  beiden  Fabrikate 
ist  gegenüber  den  Verschiedenheiten,  die  sie  im  Verhältnis 
zu  einander  aufweisen,  so  überwiegend,  dass  der  Typus  einer 
und  derselben  Ware  durchaus  gewahrt  bleibt.  Die  von  den 
Beklagten  hervorgehobenen  Verschiedenheiten  stellen  sich 
lediglich  als  Nuancen,  wie  sie  ja  bei  vielen  Verkehrsartikeln 
vorzukommen  pflegen,  dar,  ohne  dass  sie  den  Charakter  der 
Ware  wesentlich  zu  ändern  vermöchten.  Denn  trotz  der  an- 
gegebenen Verschiedenheiten  dienen  beide  Fabrikate  dem 
gleichen  Gebrauchszwecke  durch  ihre  im  wesentlichen  gleiche 
Beschaffenheit  und  Fabrikation,  und  sie  werden  deshalb  im 
Verkehr  mit  dem  gleichen  Kollektivnamen  benannt.  Es  sind 
beides  Cigarren,  also  Artikel  einer  gemeinsamen  Warengat- 
tung, und  sie  bilden  auch  Gegenstand  eines  und  desselben 
Fabrikations-  und  Handelszweiges. 

In  der  gleichen  Sache  wurde  im  Weiteren  ausgesprochen, 
nach  Art.  32  des  Markenschutzgesetzes  könne  die  Vernich- 
tung nachgeahmter  Marken  nicht  nur  im  Strafprozesse,  son- 
dern auch  im  Civilprozesse  verfügt  werden,  dagegen  beziehe 
sich  allerdings  Art.  32  cit.  nur  auf  diejenigen  Gegenstände, 
welche  zu  einer  eigentlichen  Markenrechtsverletzung  geführt 
haben,  und  fallen  daher  nur  die  Marken,  d.  h.  die  auf  der 
Umhüllung  der  Ware  angebrachten  Zeichen,  darunter,  und 
nicht  auch  Plakate  der  Beklagten,  auf  welchen  das  kläge- 
rische Warenzeichen  nachgebildet  sei.  Denn  als  Marken- 
rechtsverletzung im  Sinne  des  Bundesgesetzes  gelte,  wie  das 
Bundesgericht  in  ständiger  Praxis  festgehalten  habe,  nur  die 
rechtswidrige  Anfertigung  oder  Benutzung  von  Zeichen,  die 
zum  Anbringen  auf  der  Ware  selbst  oder  ihrer  Verpackung 
verwendet  werden,  während  Manipulationen  anderer  Art,  die 
zu  einer  Täuschung  über  den  Ursprung  der  feilgebotenen 
Ware  führen  können,  wie  Aeusserungen  in  Prospekten, 
Reklamen  und  Plakaten,  auch  wenn  sie  rechtswidrig  seien, 
keine  Verletzung  des  Rechts  des  Markeninhabers  auf  den 
ausschliesslichen  Gebrauch  der  Marke  als  solcher  enthalten. 
(Entscb.  v.  15.  Oktober  1898  i.  S.  Hediger  &  Cie  c.  Eichen- 
berger  &  Cie.) 


18.  Bundesgesetz  betreffend  die  civilrechtlichen  Verhältnisse 
der  Niedergelassenen  und  Aufenthalter  vom  25.  Juni  1891.  Art. 
22,  27.  Bedeutung  und  Tragweite  des  Art.  27.  Anwendbarkeit 
desselben  auf  Schenkungen,  die  vor  seinem  Inkrafttreten  nach  dem 
für  sie  geltenden  kantonalen  Rechte  definitiv  und  unanfechtbar 
geworden  waren  t 

Xaver  S.  von  Horw,  Kanton  Luzern,  wohnhaft  in  Her- 
giswyl  (Nidwaiden),  hatte  im  Jahre  1890  seinem  Bruder 
A.  S.  und  dessen  Kindern  bedeutende  sofort  durch  Uebergabe 
der  geschenkten  Gülttitel  vollzogene  Schenkungen  gemacht.1 
Er  starb  am  6.  Dezember  1892  an  seinem  Wohnort  in  Hergis- 
wyl  und  wurde  von  seinen  Geschwistern  und  Geschwister- 
kindern beerbt.  Seine  übrigen  Erben  fochten  nun  durch  Klage 
gegen  A.  S.  die  Schenkungen  an,  indem  sie  u.  a.  geltend 
machten,  dieselben  seien  nach  dem  massgebenden  nidwald- 
ni8chen  Rechte  wegen  Pflichtteilverletzung  anfechtbar.  Die 
nidwaldnischen  Gerichte  wiesen  die  Klage  ab,  indem  sie  die 
erwähnte  Frage  nach  luzern ischem  Rechte  beurteilten. 
Hiegegen  ergriffen  die  Kläger  den  staatsrechtlichen  Rekurs 
an  das  Bundesgericht,  indem  sie  ausführten,  nach  Art.  22  und 
27  des  Bundesgesetzes  betr.  die  civilrechtlichen  Verhältnisse 
der  Niedergelassenen  und  Aufenthalter  vom  25.  Juni  1891  sei 
die  erwähnte  Frage  nach  nidwaldnischem  Rechte  zu  beurteilen. 
Das  Bundesgericht  hat  die  Beschwerde  abgewiesen,  im  wesent- 
lichen aus  folgenden  Gründen: 

Unbestritten  ist,  dass  sich  die  Erbfolge  des  X.  S.,  da 
er  nach  dem  1.  Juli  1892  (dem  Zeitpunkte  des  Inkrafttretens 
des  Bundesgesetzes  betreffend  die  civilrechtlichen  Verhältnisse 
der  Niedergelassenen  und  Aufenthalter)  gestorben  ist,  in  An- 
wendung dieses  Gesetzes,  Art.  22,  nach  Nidwaldner  Recht 
richtet.  Nach  dem  nämlichen  Recht  bestimmt  sich  demnach 
auch  gemäss  Art.  27  des  Bundesgesetzes  das  Pflichtteilsrecht 
bei  Schenkungen.  Obschon  nun  das  Bundesgesetz  hiebei  aus- 
drücklich nur  das  in  örtlicher  Beziehung  anwendbare  Recht 
bestimmt  hat,  so  lässt  sich  doch  aus  dem  unzweifelhaften 
Zwecke  des  Gesetzes,  welcher  dahin  geht,  die  einheitliche 
rechtliche  Behandlung  des  Nachlasses  zu  sichern,  der  Schluss 
ziehen,  dass  auch  in  zeitlicher  Hinsicht  die  Einheit  des  an- 
zuwendenden Rechts  gewahrt  werden  soll. 

Aber  hiemit  ist  die  vorliegende  Frage  noch  nicht  ent- 
schieden. Es  folgt  aus  dem  eben  gesagten  nicht,  dass  alle 
Schenkungen,  welche  der  Erblasser  S.  in  irgend  einem  Zeit- 
punkte und  unter  der  Herrschaft  irgend  eines  Gesetzes  vor- 
genommen hat,   nun  ohne  weiteres  der  Pflichtteilsanfechtung 


22 

Dach  der  Gesetzgebung  von  Nidwaiden  unterliegen.  Vielmehr 
fragt  sich,  welche  rechtliche  Bedeutung  diesen  Schenkungen 
nach  der  Gesetzgebung,  unter  welcher  sie  errichtet  und  voll- 
zogen wurden,  zukommt,  und  in  welchem  rechtlichen  Ver- 
hältnisse sie  zu  den  Rechten  der  Pflichtteilserben  des  Sohenkers 
standen. 

In  dieser  Beziehung  gingen  die  beim  Inkrafttreten  des 
Bundesgesetzes  bestehenden  kantonalen  Gesetzgebungen  aus- 
einander. Nach  der  Mehrzahl  derselben  waren  Schenkungen 
unter  Lebenden  den  gleichen  Pflichtteilsvorschriften  unterstellt, 
wie  Verfügungen  von  Todeswegen.  Solche  Schenkungen  ver- 
mochten definitive  Wirkungen  nur  zwischen  dem  Schenker 
und  dem  Beschenkten  zu  begründen;  gegenüber  den  Erben 
blieb  dagegen  eine  derartige  Schenkung  noch  in  der  Schwebe, 
und  hing  ihre  schliessliche  Wirkung  von  der  Gestaltung  der 
Verhältnisse  im  Zeitpunkte  des  Todes  des  Schenkers  ab. 
Würde  die  materielle  Dispositionsbefugnis  des  X.  S.  sich  nach 
einer  dieser  Gesetzgebungen  richten,  so  würden  sich  gewichtige 
Gründe  für  die  Anwendbarkeit  des  neuen  Rechts  auf  die  vor- 
liegenden Schenkungen  anführen  lassen,  obschon  diese  Frage 
anderwärts  durch  die  Gesetzgebung  und  Rechtsprechung  im 
gegenteiligen  Sinne  entschieden  worden  ist  (vergi.  Einfuhrungs- 
gesetz zum  ital.  Civilgesetzbuch  von  1863,  Art.  27,  und  die 
Darstellung  der  Entwicklung  der  Controverse  in  der  franzö- 
sischen Gerichtspraxis  und  Wissenschaft  bei  Gabba,  Teoria 
della  retroattività  delle  leggi,  2  ed.  Ili  p.  464  485,  ferner 
Aubry  &  Rau  I  §  30,  Baudry,  Précis  I  Nr.  63).  Nach  andern 
kantonalen  Gesetzgebungen  hinwieder  ist  die  Anfechtung  von 
Schenkungen  unter  Lebenden  wegen  Verletzung  von  Pflicht- 
teilsrechten ganz  ausgeschlossen  oder  beschränkt.  .  .  . 

Schenkungen  unter  Lebenden  nun,  welche  von  einem 
Schenkgeber  vorgenommen  wurden,  der  hinsichtlich  seiner 
materiellen  Dispositionsbefugnis  unter  einer  dieser  letzteren 
Gesetzgebungen  stand,  vermögen  für  den  Beschenkten  Rechte 
zu  begründen,  welche  von  den  Pflichtteilsreohten  der  Erben 
vollständig  unabhängig  sind.  Mit  dem  Vollzüge  der  Schenkung 
oder  nach  einer  gewissen  Frist  tritt  der  Gegenstand  derselben 
definitiv  und  mit  verbindlicher  Wirkung  für  die  Erben  aus 
dem  Vermögen  des  Schenkgebers  und  aus  dem  Bereich  der 
erbrechtlichen  Beziehungen  desselben  heraus.  Auf  derartige 
Schenkungen  findet,  sofern  sie  vor  dem  Inkrafttreten  des 
Bundesgesetzes  betreffend  die  civilrechtlichen  Verhältnisse  der 
Niedergelassenen  und  Aufenthalter  vorgenommen  oder  unan- 
fechtbar geworden  sind,  Art.  27  desselben  keine  Anwendung. 


>3 

Sie  bedürfen  einer  neuen  Normierung  durch  eine  neue  Gesetz- 
gebung nicht  mehr;  es  sind  definitiv  abgeschlossene  Rechts- 
verhältnisse ;  in  der  Anwendung  des  Art.  27  1.  c.  auf  sie  würde 
eine  Rückwirkung  des  Gesetzes  liegen,  welche  sich  in  Er- 
mangelung einer  ausdrücklichen  Gesetzesbestimmung  nur 
rechtfertigen  liesse,  wenn  andere  zwingende  aus  dem  Inhalt 
oder  Zwecke  des  Gesetzes  entnommene  Gründe  dafür  sprechen 
würden.  Derartige  Gründe  sind  jedoch  nicht  vorhanden.  Der 
Zweck  der  einschlägigen  Vorschriften  wird  durch  die  Beur- 
teilung dieser  Schenkungen  nach  dem  Rechte  ihres  Zustande- 
kommens nicht  beeinträchtigt;  der  Nachlass  wird  nicht 
mehreren  Gesetzgebungen  unterstellt,  sondern  es  kann  nur 
das  vom  Erblasser  definitiv  Verschenkte  nicht  mehr  zurück- 
gefordert werden  und  die  P  flieh  tteilsbestimmungen  des  die 
Erbschaft  beherrschenden  Rechtes  finden  darauf  keine  An- 
wendung  

Was  nun  die  in  Frage  stehenden  Schenkungen  anbelangt,, 
so  gehören  dieselben  unter  die  definitiven,  der  Anfechtung 
wegen  Pflichtteilsverletzung  nicht  unterliegenden  (wie  an 
Hand  der  Bestimmungen  des  luzernischen  Civilgesetzbuches 
(§  565,  566)  näher  ausgeführt  wird). 

Es  darf  daher  Art.  27  des  Bundesgesetzes  betreffend  die 
civilrechtlichen  Verhältnisse  der  Niedergelassenen  und  Auf- 
enthalter auf  diese  Schenkungen  nicht  zur  Anwendung  gebracht 
werden.  (Entsoh.  vom  28.  April  1898  i.  S.  Erben  Siegwart  c. 
Alois  Siegwart,  j 


19.  Bundesgesetz  betreffend  den  Transport  auf  Eisenbahnen 
und  Dampfschiffen  vom  29.  März  1893,  Art.  3,  14.  62,  63,  Trans- 
portreglement der  schweizerischen  Eisenbahn  und  Dampfschiff- 
Unternehmungen  vom  1  1.  Dezember  1893  und  III.  Nachtrag  zu 
demselben  vom  12.  Dezember  1896,  §  28  Abs.  1  und  2,  §33  Abs.  3. 
Begriff  des  Reisegepäcks.     Befugnisse  der  Stationsvorsteher. 

J.  R.  hatte  auf  der  Nordostbahnstation  B.  eine  Kiste  mit 
Marktwaren,  die  er  auf  dem  Martinimarkt  in  Schaffhausen 
feilhalten  wollte,  am  Nachmittag  vor  dem  ersten  Markttage 
zur  Beförderung  als  Reisegepäck  aufgegeben.  Während  die 
Kiste  bei  regelmässiger  Beförderung  noch  am  gleichen  Abend 
um  11  Uhr  nach  Schaffhausen  hätte  gelangen  sollen,  langte 
sie  in  Folge  eines  Versehens  erst  am  folgenden  Tage  Nach- 
mittags 3  Uhr  dort  an,  immerhin  noch  innert  der  Lieferfrist 
für  Eilgut. 


24 

J.  R.  belangte  nun  die  Nordostbahn  auf  Schadenersatz 
wegen  Versäumung  der  Lieferfrist,  indem  er  sich  auf  die  ge- 
setzlichen und  reglementarischen  Bestimmungen  über  Beför- 
derung des  Reisegepäcks  berief  und  überdem  darauf  abstellte, 
•der  Stationsvorstand  in  B.  habe  ihm  erklärt,  er  lasse  seine 
Marktware  am  besten  als  Passagiergut  befördern,  da  er  bei 
dieser  Beförderungsweise  sicher  schon  am  gleichen  Tage 
Abends  11  Uhr  wieder  im  Besitze  seiner  Ware  sei. 

Das  Bundesgericht  hat  die  Klage  abgewiesen,  im  wesent- 
lichen aus  folgenden  Gründen: 

1.  Das  Eisenbahntransportgesetz  bestimmt  den  Begriff 
des  Reisegepäcks  nicht  selbst,  sondern  behält  in  Art.  63 
dessen  Peststellung  dem  Transportregl emente  vor.  Nach  §  28 
des  Transportreglements  nun  erscheinen  als  Reisegepäck, 
welches  die  Eisenbahn  gemäss  Art.  62  Abs.  1  des  Eisenbahn- 
transportgesetzes zur  Beförderung  mit  dem  nämlichen  Zuge 
annehmen  muss,  nur  die  in  Abs.  1  des  §  28  des  Reglements 
bezeichneten  Gegenstände  (d.  h.  dasjenige,  was  der  Reisende 
zu  seinem  und  seiner  Angehörigen  Reisebedürfnisse  in  Koffern, 
Reisesäcken,  Hutschachteln,  kleinen  Kisten  u.  s.  w.  mit  sich 
führt,  ferner  Musterkoffern)  mit  Ausnahme  der  in  Abs.  3  ibid. 
erwähnten  (Geld,  Wertpapiere,  Kleinodien  u.  s.  w.),  und  zwar 
nur  sofern  sie  nicht  mehr  als  100  Kilogramm  Gewicht  haben. 
Andere  als  die  in  Abs.  1  des  §  28  cit.  erwähnten  Gegenstände 
kann  die  Eisenbahn  zwar  gemäss  §  28  Abs.  2  zur  Abferti- 
gung wie  Reisegepäck  annehmen,  sofern  das  Gewicht  eines 
einzelnen  Stückes  100  Kilo  nicht  übersteigt,  sie  sind  aber 
auch,  wenn  sie  zugelassen  werden,  nicht  als  Reisegepäck  im 
Sinne  des  Abs.  I  von  §  28  des  Transportreglements,  bezw.  des 
Art.  62  des  Eisenbahntransportgesetzes  zu  betrachten.  Für 
solche  nicht  zum  eigentlichen  Reisegepäck  gehörige,  wenn 
auch  zur  Abfertigung  wie  solches  zugelassene  Gegenstände 
gilt  gemäss  §  33  Abs.  3  des  Transportreglements  (in  der 
Fassung  des  III.  Nachtrages  vom  12.  Dezember  1896)  nicht 
die  Lieferfrist  für  eigentliches  Reisegepäck,  welches  sofort 
nach  Ankunft  des  Zuges,  zu  welchem  es  autgegeben  wurde, 
herausverlangt  werden  kann,  sondern  die  Lieferfrist  für 
Eilgut,  und  es  sind  für  die  Bemessung  der  zu  leistenden 
Entschädigung  im  Falle  der  Ueberschreitung  dieser  Liefer- 
frist die  für  den  Gütertransport  bestehenden  Bestimmungen 
massgebend.  Diese  Bestimmung  des  Transportreglements  ist 
gültig,  denn  sie  steht  mit  dem  Transportgesetze  nicht  im 
Widerspruche,  sondern  betrifft  Verhältnisse,  deren  Regelung 
vom  Gesetze,  wie  sich  aus  den  Art.  3,  63  und  14  desselben 


25 

ergiebt,  dem  Transportreglemente  vorbehalten  worden  ist. 
Das  Transportreglement  konnte  den  Eisenbahnen  die  (im  In- 
teresse des  Publikums  liegende)  Befugnis  vorbehalten,  auch 
nicht  zum  eigentlichen  Reisegepäcke  gehörige  Gegenstände 
wie  solches  zu  befördern,  dann  aber  für  dieses  nicht  eigent- 
liche Reisegepäck  eine  besondere  Lieferfrist  festsetzen.  Eine 
diese  Befugnis  ausschliessende  Bestimmung  ist  im  Eisenbahn- 
transportgesetze nirgends  enthalten,  namentlich  enthält  dasselbe 
nicht  etwa  die  Vorschrift,  dass  jedes  als  Gepäck  angenom- 
mene und  wie  Reisegepäck  transportierte  Gut,  auch  wenn  es 
nicht  zum  eigentlichen  Reisegepäck  gehört,  bezüglich  der 
Haftung  der  Eisenbahnen  für  Verspätung  dem  Reisegepäcke 
gleichgestellt  werden  müsse. 

2.  Mögen  die  Eisenbahnstationen  als  Zweigniederlassung 
der  Eisenbahnunternehmung  angesehen  werden  oder  nicht, 
so  steht  doch  fest  und  ist  allgemein  anerkannt,  dass  die  Sta- 
tionen Frachtverträge  u.  s.  w.  nur  nach  Massgabe  der  be- 
stehenden Gesetze  und  Verordnungen  abzuschliessen  befugt 
sind,  und  ihnen  die  Berechtigung  mangelt,  von  diesen  ab- 
weichende Vereinbarungen  zu  treffen.  Ebensowenig  gehört 
es  zu  den  dienstlichen  Obliegenheiten  der  Stationen,  resp. 
ihrer  Vorsteher,  dem  Publikum  Auskunft  über  die  beste  und 
richtigste  Transportart  von  Gütern,  über  Abgang  der  Züge, 
Lieferfristen  u.  s.  w.  zu  geben,  sondern  hiefür  sind  die  Trans- 
portreglemente, Fahrpläne  u.  s.  w.  da,  welche  die  Eisenbahnen 
allerdings  dem  Publikum  zugänglich  zu  machen,  bezw.  be- 
kannt zu  machen  haben.  Wenn  sich  daher  Jemand  an  einen 
Stationsvorstand  mit  dem  Gesuch  um  Auskunft  in  der  ge- 
nannten Richtung  wendet,  und  dieser  sich  hierauf  einlässt, 
so  muss  der  Fragesteller  wissen,  dass  der  Stationsvorstand 
lediglich  als  Privatmann  handelt,  der  durch  eine  möglicher- 
weise unrichtige  Auskunftserteilung  die  Eisenbahn  nicht  ver- 
pflichtet. (Entsch.  vom  1.  Oktober  1898  i.  S.  Reinhart  c.  Nord- 
ostbahn.) 


26 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


20.  Contrai  de  transaction  régi  par  le  Code  fédéral  des 
Obligations.  Erreur  essentielle.  Art.  19,  881  C.  0. 

Tand.    Jugement   de   la  Cour  civile  du   24  mai  1898  d.  1.  e.  Sognili 
e.  Guillod. 

A.  Sugnin,  agent  de  polioe,  fut  victime  de  voies  de  fait 
exercées  sur  sa  personne  par  £.  Guillod  ;  son  visage  était  tumé- 
fié au  point  qu'on  ne  voyait  pas  son  œil  droit.  Le  docteur 
Jomini  déclara  que  Sugnin  s'en  tirerait  avec  une  incapacité 
de  travail  de  8  à  10  jours,  et  qu'il  n'en  resterait  pas  de  suites 
permanentes.  Sugnin,  qui  avait  porté  une  plainte  pénale,  dé- 
clara alors  être  disposé  à  se  concilier  et  à  retirer  sa  plainte, 
moyennant  le  paiement  de  fr.  120.  Guillod  accepta  ces  con- 
ditions et  les  parties  convinrent  d'une  transaction,  suivant  la- 
quelle Guillod  payait  à  Sugnin  la  somme  de  75  fr.  Peu  de 
jours  après,  le  docteur  Jomini,  après  un  nouvel  examen  de 
Sugnin,  déclara,  pour  la  première  fois,  que  l'œil  droit  parais- 
sait gravement  atteint  et  Sugnin  fut  transféré  à  l'asile  des 
aveugles,  à  Lausanne;  le  résultat  définitif  était  que  la  vision 
de  l'œil  droit  était  le  cent  cinquantième  de  la  normale  et  celle 
de  l'œil  gauche  à  la  suite  d'affections  anciennes  du  dixième 
à  peine  de  la  normale.  Sugnin  est  donc  dans  l'incapacité  de 
se  livrer  à  un  travail  quelque  peu  exact.  Sugnin  ouvrit  alors 
l'action  actuelle  contre  Guillod  en  paiement  de  dommages-in- 
térêts correspondant  à  la  réduction  de  la  capacité  de  travail 
qu'il  possédait  au  paravant.  Guillod  opposa  le  fait  que  la 
transaction  passée  par  lui  avec  Sugnin  a  force  de  chose  jugée 
et  que  dès  lors  il  se  trouve  hors  de  cause  par  suite  de  la 
transaction.  La  Cour  civile  écarta  ce  moyen  exceptionnel  de 
Guillod  et  le  condamna  à  payer  à  Sugnin  la  somme  de  2500  fr. 

Motifs:  Considérant  que,  bien  que  le  Code  fédéral  des 
Obligations  ne  mentionne  pas  la  transaction  au  nombre  des 
contrats  spéciaux,  il  ne  la  réserve  nulle  part  au  droit  can- 
tonal, d'où  il  résulte  que  ce  contrat  doit  être  régi  par  les 
principes  généraux  du  droit  fédéral  en  matière  d'obligations, 
lesquels  sont  seuls  applicables  dans  ce  domaine,  aux  termes 
de  l'art.  881  CO.,  à  l'exclusion  de  toutes  dispositions  cantonales 
contraires. 

Que  la  circonstance  que  la  loi  vaudoise  de  coordination 
du  Code  civil  avec  le  Code  fédéral  des  Obligations  maintient* 
en  ce  qui  conoerne  les  preuves,  le  chapitre  de  la  transaction 


27 

tel  qu'il  est  contenu  dans  le  Code  civil,  ne  saurait  rien  changer 
à  ce  qui  précède. 

Considérant  qu'il  n'y  a  contrat  à  teneur  de  l'article  l#r  C.  0.r 
que  si  les  parties  ont  manifesté  d'une  manière  concordante  leur 
volonté  réciproque,  cette  manifestation  de  volonté  pouvant  être 
expresse  ou  tacite. 

Considérant  que  l'intention  des  parties  de  transiger  reposait 
sur  les  faits  connus  lors  de  la  première  consultation  du  doc- 
teur Jomini  qui  ne  prévoyait  pas  de  suites  permanentes; 

Que  cette  transaction  a  bien  l'autorité  de  la  chose  jugée, 
mais  qu'elle  se  renferme  strictement  dans  son  objet. 

Qu'ainsi,  la  transaction  ne  peut  pas  être  opposée  comme 
fin  de  non  recevoir  à  la  contestation  nouvelle  élevée  par  l'une 
des  parties  qui  a  transigé,  si  cette  contestation  nouvelle  et 
la  transaction  ne  portent  pas  exactement  sur  le  môme  objet. 

Que  la  contestation  actuelle  repose  sur  d'autres  faits,  soit 
sur  ceux  résultant  de  la  seconde  déclaration  du  docteur  Jomini. 

Qu'ainsi  Guillod  ne  saurait  en  aucune  façon  opposer  ht 
transaction,  l'objet  de  sa  réclamation  n'étant  point  le  même 
que  celui  de  la  transaction. 

Considérant,  au  surplus,  que  Sugnin  pourrait  à  bon  droit 
invoquer  les  dispositions  de  l'article  19  (X  0.,  qui  prévoient 
la  nullité  du  contrat  lorsque  la  partie  qui  s'est  obligée  se 
trouvait  dans  une  erreur  essentielle. 

Qu'en  effet,  au  moment  de  l'arrangement  invoqué,  Sugnin 
ae  plaçait  sur  le  terrain  de  la  première  déclaration  du  docteur 
Jomini,  portant  qu'il  n'éprouverait  qu'une  incapacité  de  tra- 
vail de  8  à  10  jours,  sans  que  les  voies  de  fait  dont  il  avait 
été  victime  laissassent  de  suites  permanentes. 

Qu'ainsi  Sugnin  entendait  faire  un  contrat  autre  que  celui 
auquel  il  a  déclaré  consentir,  et  avait  en  vue  une  autre 
chose  que  l'autre  partie,  car  il  paraît  bien  certain  que  si  le 
demandeur  eût  su,  lors  de  la  première  consultation,  que  la 
lésion  qu'il  avait  éprouvée  entraînerait  la  perte  de  son  œil 
droit,  il  n'eût  jamais  consenti  à  se  déclarer  satisfait  au  moyen 
du  paiement  de  la  somme  de  75  fr.  par  l'auteur  du  dommage. 

Que  cela  étant,  la  transaction  invoquée  doit  être  envisagée 
comme  nulle  au  regard  de  la  conclusion  prise  par  Sugnin  dans, 
le  procès  actuel.  (Journal  de*  Tribunaux,  XLVI  p.  535  s*.) 


28 

21.  Femme  mariée  exerçant  une  profession.  Com- 
munauté de  biens.  Action  dirigée  contre  la  femme.  Art.  35  C.  0. 
Art.  38,  47,  67,  69  et  90  L.  P.  et  F. 

a)  Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  H  mai  1898  d.  1.  c. 
Reymermier  c.  époux  Pfister. 

Le  19  novembre  1897,  Reymermier  a  fait  commandement 
it  la  dame  Pfister,  tailleuse,  de  lui  payer  la  somme  de  80  fr. 
Ce  commandement  n'a  pas  été  frappé  d'opposition  et  l'Office 
a  saisi,  au  préjudice  de  la  dame  Pfister  et  à  son  domicile, 
un  bureau  estimé  100  fr.  Le  sieur  Pfister,  mari  commun  en 
biens  de  la  débitrice,  a  revendiqué  le  meuble  saisi,  au  nom 
de  la  communauté  dont  il  est  le  chef.  Reymermier  a  intenté 
action  pour  contester  cette  revendication;  il  soutient  que  la 
•dame  Pf.  ayant,  arec  l'autorisation  de  son  mari,  une  industrie 
indépendante,  a  pris  valablement  un  engagement  obligeant  la 
communauté.  Les  maris  Pf.  soutiennent  que,  précisément,  si 
o'est  la  communauté  qui  est  engagée,  c'est  contre  le  chef  de 
«ette  communauté,  c'est-à-dire  le  mari,  que  la  poursuite  doit 
-être  faite  ;  que,  dans  l'espèce,  tous  les  actes  de  poursuite  ayant 
^té  dirigés  contre  la  femme  seule,  le  mari  a  le  droit  de  s'op- 
poser à  ce  qu'une  saisie  soit  exécutée  sur  les  biens  de  la 
communauté.  Le  Tribunal  de  1"  instance  a  débouté  le  sieur  Pf. 
<le  sa  revendication,  considérant  que,  Pf.  ne  méconnaissant  pas 
avoir  donné  à  sa  femme  l'autorisation  d'exercer  une  industrie  in- 
dépendante, la  dette  est  bien  relative  à  l'exercice  de  cette  indu- 
strie; donc,  aux  termes  de  l'art.  35  C.  0.,  la  communauté  est  en- 
gagée et  les  biens  de  celle-ci  sont  saisissables.  La  Cour  de 
justice  civile  a  réformé  ce  jugement  et  déclaré  mal  fondée  la 
revendication  du  mari  Pf. 

Motifs:  Aux  termes  de  l'art.  1421  du  Code  civil,  le  mari 
est  seul  administrateur  des  biens  de  la  communauté  ;  il  peut 
les  aliéner  sans  le  concours  de  sa  femme  ;  il  s'ensuit  que  toute 
action  pour  une  dette  de  la  communauté  doit  être  dirigée 
contre  le  mari.  Il  s'ensuit  également  que  tous  les  actes  de 
poursuite  tendant  à  l'exécution  forcée  sur  les  biens  de  la  com- 
munauté doivent  être  faits  contre  lui. 

Il  se  peut  que  des  actes  faits  par  la  femme  dans  le  cas 
prévu  par  l'article  35  C.  0.  engagent  valablement  la  com- 
munauté, mais  cela  ne  dispense  pas  le  créancier,  s'il  veut 
agir  contre  la  communauté,  de  diriger  son  action  et  sa  pour- 
suite contre  le  mari  qui  seul  en  est  l'organe  légal.  En  décider 
autrement,  ce  serait  réduire  à  néant  les  droits  et  le  contrôle 
•du  mari  sur  la  communauté  et  ouvrir  la  porte  à  tous  les  abus, 
notamment  en  cas  de  collusion  entre  la  femme  et  des  créan- 


29 

eiere,  vrais  ou  supposés.  Lorsque,  par  un  acte  de  la  femme, 
la  communauté  est  valablement  obligée,  le  mari  devient  dé- 
biteur; il  peut  Tètre  conjointement  avec  sa  femme,  mais  il 
Test  et,  si  la  poursuite  est  faite  en  vue  de  saisir  les  biens 
de  la  communauté,  elle  doit  être  dirigée  contre  lui  qui  seul 
représente  légalement  cette  communauté.  C'est  pourquoi  Pfister 
peut  soutenir,  avec  raison,  qu'en  saisissant  un  bien  de  la  com- 
munauté au  moyen  d'une  poursuite  qui  n'est  pas  dirigée  contre 
lui,  le  créancier  a  méconnu  les  prescriptions  des  art.  38,  47, 
67,  69  et  90  de  la  loi  sur  la  poursuite.  Et  le  jugement  a 
consacré  cette  violation  de  la  loi. 

Les  droits  du  créancier  existent  peut-être  contre  la  com- 
munauté, mais  aucune  poursuite  n'ayant  été  dirigée  jusqu'ici 
contre  celle-ci,  soit  contre  son  représentant  légal,  la  saisie 
d'un  bien  de  la  communauté  n'a  pu  être  faite  valablement, 
et,  en  l'état,  la  revendication  du  mari  apparaît  comme  fondée. 

(La  Semaine  judiciaire,  XX  p.  458  88.) 


b)  Neuch&tel.  Jugement  du  Tribunal  cantonal  du  9  mars  1898  d.  1.  c. 
Dietrich  c.  dame  Bähler. 

J.  F.  Dietrich  a  actionné  dame  Bähler,  négociante  aux 
Verrières,  à  prendre  livraison  de  la  marchandise  qu'elle  a  com- 
mandée au  demandeur  et  en  payer  le  prix  de  fr.  661.  15.  Dame 
Bähler  a  demandé  de  renvoyer  le  demandeur  à  faire  valoir 
ses  droits  contre  le  chef  de  la  communauté  Bähler-Fraissard,  le 
mari  J.F.Bähler.  Elle  fait  valoir:  les  époux  Bähler  sont  mariés 
sous  le  régime  de  la  communauté  légale;  le  mari  est  seul 
administrateur  des  biens  de  la  communauté  ;  J.  F.  Bähler  est 
actuellement  domicilié  au  Locle,  il  est  solvable  ;  dame  B.  n'est 
pas  marchande  publique,  elle  n'est  pas  inscrite  au  registre 
du  commerce  ;  elle  a  refusé  de  prendre  livraison  des  marchan- 
dises pour  cause  de  liquidation  d'un  magasin  qui  avait  été 
dirigé  par  son  père,  puis  par  son  frère,  à  Verrières.  Le  Tri- 
bunal cantonal  a  écarté  les  moyens  exceptionnels  de  dame  B. 
comme  mal  fondés  et  l'a  condamnée  au  paiement  de  la  somme 
demandée. 

Motifs:  Attendu  que,  dans  le  système  de  la  communauté 
légale  neuchâteloise,  le  mari  administre  seul  tous  les  biens 
qui  composent  la  communauté  (art.  1161  C.  c),  mais  que  ce 
principe  souffre  exception  dans  le  cas  où  la  femme  exerce  in- 
dépendamment avec  l'autorisation  expresse  et  tacite  de  son 
mari  une  profession  ou  une  industrie;  qu'alors  la  femme  s'ob- 
lige sur  tous  ses  biens  pour  les   affaires   qui  rentrent  dans 


1 


m 

l'exercice  régulier  de  cette  profession  ou  de  cette  industrie 
et,  qu'en  droit  neuohâtelois,  elle  oblige  en  outre  la  com- 
munauté (art.  34  et  35  C.  0.  et  160  C.  o.  N.). 

Qu'aux  termes  de  l'art.  47,  3ms  al.,  de  la  loi  féd.  sur  la  F. 
et  la  F.,  lorsqu'il  s'agit  d'une  dette  contractée  par  une  mar- 
chande publique  dans  l'exercice  de  sa  profession,  la  poursuite 
doit  être  dirigée  contre  la  débitrice  elle-même  au  lieu  où  elle 
«exerce  sa  profession. 

Qu'en  droit  neuohâtelois,  la  femme  commune  en  biens  ne 
peut  ester  en  justice  sans  l'autorisation  de  son  mari,  mais  que 
ce  principe  aussi  souffre  des  exceptions,  notamment  dans  le 
cas  des  art.  34  et  35  C.  0.  et  160  C.  o.  N. 

Attendu  que  dame  Bähler  exploite  aux  Verrières  un  ma- 
gasin de  toileries  et  nouveautés  ;  que  son  mari  est  contrôleur 
au  bureau  des  douanes  du  Locle  et  qu'il  doit  tout  son  temps 
à  ses  fonctions  ;  que  la  défenderesse  exerce  donc  bien  elle-même, 
et  avec  l'autorisation  tout  au  moins  tacite  de  son  mari,  une 
industrie  séparée  ;  qu'elle  est  donc  marchande  publique  et  qu'il 
est  indifférent  pour  qu'elle  revête  cette  qualité  qu'elle  soit 
inscrite  ou  non  au  registre  du  commerce. 

Que  le  demandeur  fonde  son  action  sur  un  contrat  qu'il 
a  conclu  avec  dame  Bähler  et  dont  la  conclusion  rentrait 
dans  l'exercice  de  la  profession  de  celle-ci. 

Qu'ainsi,  il  a  correctement  procédé  en  assignant  direc- 
tement dame  Bähler  et  en  portant  la  contestation  devant  le 
tribunal  civil  du  Val-de-Travers. 

(Jugements  du  ïrib.  cant.  de  Neuchâtel,  IV  p.  650  «O 


22.  Bail  à  ferme.  Action  en  dommages-intérêts  du 
bailleur  basée  sur  les  articles  50  ss.  C.  0. 

4»enève.  Jugement  de  la  Cour  de  jaHtice  civile  du  19  novembre  18H8 
d.  1.  e.  Con».  Richard  c.  Degrange. 

Les  consorts  Richard,  propriétaires,  ont  formé  contre  De- 
grange  une  demande  en  paiement  de  1500  frs.  de  dommages- 
intérêts,  à  l'appui  de  laquelle  ils  ont  articulé  les  faits  que  leur 
auteur,  J.  C.  Richard,  avait  affermé  à  Degrange  une  pièce  de 
terre;  que  Degrange  a  enlevé  une  quantité  considérable  de 
terre  sur  la  propriété  affermée,  pour  la  transporter  au  dehors; 
que  mis  en  demeure  de  rapporter  la  terre  déplacée,  Degrange 
uà  pas  obtempéré  à  cette  mise  en  demeure.  Les  consorts 
Richard  ont,  en  outre,  donné  congé  à  Degrange  pour  le  1er  oc- 
tobre 1898.  Degrange  a  soutenu  que  la  demande  était  irrece- 


31 

vable  avant  l'expiration  du  bail.  Le  Tribunal  de  1èr0  instance 
a  admis  ce  moyen  exceptionnel  et  déclaré  la  demande  irrece- 
vable, par  le  motif  que  si  le  bailleur  ne  fait  pas  usage  de  la 
faculté  que  lui  donne  l'art.  313  C.  0.  de  demander  la  résili- 
ation du  bail  dans  le  cas  où  le  fermier  contreviendrait  à  ses 
obligations,  il  ne  peut  agir  qu'à  l'expiration  du  bail,  en  vertu 
de  l'art.  317,  si  le  fermier  ne  restitue  pas  la  chose  en  bon 
état.  La  Cour  de  justice  civile  a  réformé  ce  jugement 

Motif  s:  Considérant  qu'en  dehors  des  droits  spéciaux 
qui  sont  conférés  au  bailleur  par  l'art.  313  C.  0.,  celui-ci  peut 
toujours,  lorsque  le  preneur  lui  cause  un  dommage  par  un  acte 
illicite,  demander  la  réparation  de  ce  dommage,  en  vertu  des 
art.  50  ss.  C.  0.; 

Considérant  que  les  faits  imputés  à  Degrange  par  les 
appelants  sont  indépendants  des  rapports  de  droit  résultant 
du  contrat  de  bail,  mais  constituent,  à  supposer  qu'ils  soient 
établis,  un  acte  illicite; 

Que  c'est  à  tort  que  les  premiers  juges  ont  déclaré  la 
demande  irrecevable,  et  qu'il  y  a  lieu,  en  réformant  leur  juge- 
ment, de  renvoyer  la  cause  devant  eux,  pour  être  instruite  au 
fond.  (La  Semaine  judiciaire,  XX  p.  781  *0 


23.  Eigentumsvorbehalt  bei   Verkauf.     Statthaftigkeit. 
Verhältnis  zu  Art.  264  0.  R. 

a)  Zürich.  Urteil  der  AppellationHkamnier  des  Obergeriehts  vom 
24.  März  1898  i.  S.  Borner  &  Cie  c  Konkuremasne  Hagmann. 

Mit  Vertrag  vom  6.  November  1894  verkauften  Borner&Cie 
dem  Baumeister  David  Hagmann  ein  in  Pieterlen,  Kt.  Bern 
stehendes,  mit  dem  Grund  und  Boden  körperlich  in  einer  ge- 
wissen Verbindung  befindliches  Halblokomobil  für  Fr.  3500.  — 
mit  Inbegriff  der  Montage  nebst  Transmissionen,  letzterer  zu 
75  Fr.  per  100  kg.  Im  Vertrag  wurde  bestimmt,  dass  die  sämt- 
lichen Kaufobjekte  bis  zur  gänzlichen  Abzahlung  des  Kaufpreises 
samt  Zins  Eigentum  des  Lieferanten  bleiben  sollen.  Später  ge- 
riet der  Käufer  Hagmann  in  Konkurs,  und  in  diesem  machten 
Borner  &  Cie  gestützt  auf  die  erwähnte  Vertragsbestimmung  ein 
Eigentumsrecht  geltend,  das  aber  von  den  Konkursgläubigern 
bestritten  wurde.  Die  Eigentumsansprache  von  Borner  &  Cie 
wurde  aber  vom  Einzelrichter  im  beschleunigten  Verfahren 
abgewiesen,  davon  ausgehend,  dass  sie  sich  lediglich  die  in 
Art.  264  0.  R.  statuierten  Rechte  vorbehalten  haben  und  von 


32 

einem  wirklichen  Eigentumsvorbehalt  keine  Rede  sein  könne. 
Auf  den  Rekurs  von  Borner  &  Cie  hat  die  zweite  Instanz 
deren  Eigentumsanspruch  am  Halblokomobil  geschützt. 

Gründe:  In  derVertragsbestiminung,  worauf  Borner  ACie 
sich  stützen,  ist  zwar  auf  Art.  264  0.  R.  Bezug  genommen, 
wonach  der  Verkäufer  für  den  Fall,  als  der  Verkaufgegen- 
stand vor  geleisteter  Zahlung  des  Preises  in  den  Gewahrsam 
des  Käufers  übergeht,  wegen  Verzuges  des  letzteren  nur  dann 
vom  Vertrage  zurücktreten  und  die  Sache  zurückfordern  kann, 
wenn  er  dieses  Recht  beim  Kaufabschluß  ausdrücklich  vor- 
behalten hat.  Art.  264  0.  R.  gewährt  lediglich  einen  obliga- 
torischen Anspruch  gegenüber  dem  Käufer  auf  Rückgabe  des 
Kaufgegenstandes,  und  nach  Art.  212  Seh.-  u.  K.-Gr.  wäre  das- 
selbe mit  dem  Konkursausbruch  über  den  Käufer  Hagmann 
gefallen.  Allein  thatsächlich  handelt  es  sich  hier  um  einen 
auch  unter  der  Herrschaft  des  Schweiz.  Obligationenrechts 
zulässigen  Eigentumsvorbehalt.  Für  die  Interpretation  der  in 
Frage  kommenden  Vertragsklausel  ist  nämlich  nicht  der  Hin- 
weis auf  den  dort  angerufenen  Art.  264  0.  R.,  sondern  viel- 
mehr ihr  ganzer  Inhalt  massgebend,  und  dieser  zeigt  mit 
aller  Deutlichkeit,  dass  sich  die  Klägerin  an  den  sämtlichen 
Kaufobjekten  das  Eigentum  bis  zur  gänzlichen  Abzahlung 
von  Kapital  und  Zins  vorbehalten  hat.*) 

(Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entsch.,  XVII  S.  220  f.) 


b)  Bern.  Urteil  des  App.-  und  Kassationshofes  vom  17.  »September 
1897  i.  S.  Weil  c.  Konkursmasse  Bahner. 

Im  Konkurse  des  Baimer  vindizierte  Weil  zwei  Kühe, 
die  er  dem  Baimer  unter  Eigentumsvorbehalt  bis  zur  Zah- 
lung des  Kaufpreises  von  Fr.  1070  verkauft  hatte.  Die  Kon- 
kursmasse bestritt  die  Herausgabepflicht)  weil  es  sich  um 
eine  verkappte  Pfandbestellung  handle.  Eventuell  verlangte 
sie  Rückgabe  der  schon  auf  Rechnung  bezahlten  Fr.  377. 
Der  Gerichtspräsident  wies  die  Klage  ab,  aber  der  App.- 
und  Kass.-Hof  sprach  dem  Kläger  die  Vindikation  zu  und 
wies  auch  die  eventuelle  Widerklage  auf  Zahlung  der 
Fr.  377  ab. 

Auch  das  Urteil  des  App.-  und  Kass.-Hofes  begnügt  sich 
damit,     die    Berechtigung    eines    Eigentamsvorbehaltes    als 

l)  Mit  dieser  Berufuni;  auf  den  Inhalt  des  Vertrages  ist  aber  doch  die 
Fruire  nicht  erörtert,  ob  im  Sinne  des  ().  K.  eine  wlehe  Vereinbarung  über- 
haupt zulässig  sei. 


83 

selbstverständlich  anzunehmen,   ohne   zu   untersuchen,  ob   er 
mit  dem  0.  R.,  speziell  dessen  Art.  202,  harmoniere.  Es  sagt: 

„Der  Eigentumsvorbehalt  ist  nicht  in  Art.  264  O.K.  ge- 
regelt, der  nur  vom  Vorbehalt  des  Rücktrittes  des  Verkäufers 
vom  Vertrage  bei  Verzug  des  Käufers  redet,  sondern  stellt 
sich  lediglich  als  eine  vom  Gesetz  nicht  verpönte  und  infolge 
dessen  gesetzlich  zulässige  Parteivereinbarung  dar  (b.-g. 
Entsch.,  XIV  Nr.  19  S.  116,  XX  Nr.  93  8. 540).u 

Weiter  sagt  das  Urteil  bezüglich  der  schon  bezahlten 
Fr.  377:  „Der  Verkäufer  soll  durch  den  Eigentumsvorbehalt 
für  seine  ungedeckte  Kaufpreisforderung  nebst  Zins  sicher  ge- 
stellt werden.1)  Soweit  also  der  dermalige  Wert  des  Kauf- 
gegenstandes den  soeben  umschriebenen  Anspruoh  des  Ver- 
käufers dem  Betrage  nach  übersteigt,  hat  der  letztere  aller- 
dings dem  Käufer  bezw.  seiner  Konkursmasse  das  daherige 
Betreffnis  zurückzuerstatten,  da  er  sich  sonst  ungerechtfertigt 
bereichern  würde.  Daraus  folgt  aber  andrerseits,  dass  der 
Verkäufer  allfallig  bereits  erhaltene  Abschlagszahlungen  dann 
nicht  zurückzuerstatten  braucht,  wenn  der  Kaufgegenstand 
seit  Annahme  desselben  durch  den  Käufer  einen  deren  Be- 
trag mindestens  erreichenden  Minderwert  erlitten  hat,  denn 
in  diesem  Falle  erhält  der  Verkäufer,  auch  wenn  ihm  die  ge- 
leisteten Abzahlungen  verbleiben,  keine  weitergehende  als 
die  ihm  gebührende  Deckung  für  den  ausstehenden  Kaufpreis 
nebst  Zins  (Seuffert,  Archiv,  XXV  Nr.  242  und  243,  Schw.  ßl.  f. 
h.-r.  Entsch.,  VI  S.  311  f.,  Revue  der  Gerichtspraxis,  IX  S.  21, 
Rössel,  Manuel,  p.  340,  3).  Vorliegend  ist  durch  Expertise 
festgestellt,  dass  die  beiden  Kühe  zusammen  gegenüber  dem 
Kaufpreis  von  Fr.  1070  einen  Minderwert  von  mehr  als  Fr.  377 
aufweisen,  und  für  den  Kläger  besteht  mithin  bezüglich  dieser 
Summe  eine  Rückerstattungspflicht  nicht. 

Unzutreffend  ist  im  Hinblick  auf  Art.  204  0.  R.  die  Be- 
hauptung des  Beklagten,  wenn  der  Kläger  Eigentümer  der 
Kühe  geblieben,  hätte  er  auch  den  Zufall  einer  Wertvermin- 
derung an  sich  selbst  zu  tragen,  denn  es  liegt  ein  unbedingter 
Kaufvertrag  vor,  mit  dessen  Abschluss  Nutzen  und  Gefahr 
der  Sache  auf  den  Käufer  überging." 

(Zeitschr.d.Bern.  Jur.-Ver.,  XXXIV  S.  210  ff.) 

')  Sollte  dies  nicht  dafür  sprechen,  dass  der  Eigentumsvorbehalt  als  ver- 
kappte Pfandbestellung  za  behandeln  sei?  Die  Redaktion. 


..-- ^yc-^r^ 


34 

24.  Kauf  nach  Typenmuster,  Mmterkonformität. 
Mängelrüge  nach  teilweisem   Verbrauch  der  Ware. 

Aargan.    Urteil  des  Handelsgerichts  v.  J.  1897/8. 

Infolge  eines  Lieferungsvertrages  fakturierte  der  Kläger 
dem  Beklagten  unter  anderm  15  Ballen  Hanf,  Spundito  II  à 
85,5  Fr.  jfrach  Empfang  der  Sendung  reklamierte  der  Be- 
klagte, dass  Spundito  II  nicht  musterkonform  sei,  und  stellte 
die  Ware  zur  Verfügung.  Der  Kläger  weigerte  sich,  die 
Ware  zurückzunehmen,  weil  er  nur  nach  Typenmuster  ver- 
kauft habe.  Der  Beklagte  dagegen  behauptete,  das  Rechts- 
geschäft sei  ein  „Kauf  nach  Muster",  und  die  Ware  sei  nicht 
musterkonform.  Das  Handelsgericht  hat  den  Beklagten  zur 
Bezahlung  verurteilt. 

Gründe:  Bei  der  Aktenlage  muss  angenommen  werden, 
dass  der  Kauf  nach  Typenmuster  abgeschlossen  wurde.  Nun 
werden  im  Handelsverkehr  unter  Typenmustern  allgemein 
Muster  verstanden,  welche  nur  die  Durchschnittsqualität  der 
zu  liefernden  Ware  zur  Anschauung  bringen  sollen,  ohne  dass 
also  der  Käufer  verlangen  könnte,  dass  die  Ware  in  allen 
Teilen  genau  dem  Muster  entspreche.  Den  Verkäufer  trifft 
lediglich  die  Pflicht,  mittleres  Handelsgut  von  der  Waren- 
gattung, welche  durch  das  Muster  repräsentiert  wird,  zu 
liefern,  d.  h.  es  können  einzelne  Teile  eventuell  unter  der 
vom  Muster  repräsentierten  Durchschnittsqualität  stehen,  so- 
fern nur  nicht  die  Ware  als  Ganzes  durchschnittlich  schlechter 
ausfällt  al 8  das  Muster. 

(Bezüglich  der  Mängelrüge  wurde  gesagt  :)  Der  Beklagte 
hat  sieben  Ballen  Spundito  II  bereits  verbraucht.  Wollte  er 
aber  die  Ware  beanstanden  und  sich  das  Rügerecht  wahren, 
so  musste  er  die  Ware  unversehrt  lassen.  Darin,  dass  er 
einen  Teil  davon  verbrauchte,  d.  h.  über  die  Ware  verfügte, 
muss  der  Verzicht  auf  die  Mängelrüge  und  die  nachträgliche 
Genehmigung  der  Sendung  erblickt  werden.  Er  hat  aber  da- 
durch auch  die  thatsächliche  Möglichkeit,  die  Ware  auf  ihre 
Musterkonformität  zu  prüfen,  ausgeschlossen.  Denn  da  die- 
selbe nicht  mehr  vollständig  vorhanden  ist,  lässt  sich  natur- 
gemäss  auch  nicht  mehr  feststellen,  ob  sie  ihrer  durchschnitt- 
lichen Qualität  nach  dem  Typenmaster  entsprochen  hätte. 

(Bericht  de»  Aarg.  Handelsgerichts  für  1897/8  an  den  Gr.  Rat 
des  K.  Aargau,  S.  14  ff.) 


35 

25.  Engagement  personnel  de  payer  pour  un  tiers. 
Prétendu  cautionnement.  Novation.  Art.  142,  489,  491  C.  0. 

Genève.    Jugement  de  la  Cour  de  justice'civile  <fu*25  juin  1898  d.  1.  c. 
demoiselle  Bernardet  c.  Scherer. 

Scherer,  négociant  à  Zurich,  avait  vendu  et  livré  des  mar- 
chandises à  veuve  Bernardet  pour  la  somme  de  fr.  330.  85. 
Lorsqu'il  en  réclama  le  paiement,  la  demoiselle  Bernardet,  fille 
de  la  débitrice,  lui  répondit,  que  sa  mère  ne  pouvait  payer  parce 
qu'elle  n'avait  plus  rien  ;  sur  l'observation  de  Sch.,  qu'elle  devait 
prendre  à  sa  charge  le  passif  de  sa  mère  puisqu'elle  avait  repris 
son  actif,  elle  s'engagea  à  payer  la  somme  totale  de  fr,  330. 85, 
à  raison  de  10  fr.  par  mois.  Comme  elle  ne  payait  rien, 
Scherer  l'a  assignée  en  paiement  de  fr.  330.  85.  Elle  a  fait 
valoir  qu'elle  était  poursuivie  en  qualité  de  caution  et  que 
son  cautionnement,  pour  être  valable,  aurait  dû  être  fait  en 
la  forme  écrite  (art.  491  C.  0.),  et  elle  a  conclu  au  déboutement 
de  Scherer.  Celui-ci  a  fait  remarquer  qu'il  n'avait  invoqué 
aucun  cautionnement  de  la  part  de  la  défenderesse,  mais  un 
engagement  personnel  de  payer  sa  créance.  Les  deux  instances 
ont  adjugé  à  Scherer  ses  conclusions,  la  Cour  par  les  motifs 
suivants  : 

Aux  termes  de  l'art.  489  C.  0.,  le  cautionnement  est  un 
contrat  par  lequel  une  personne  s'engage  envers  le  créancier 
à  satisfaire  à  une  obligation  si  le  débiteur  n'y  satisfait  pas 
lui-même. 

Il  est  établi  qu'au  moment  où  demoiselle  Bernardet  a  pris 
l'engagement  de  payer  à  Scherer  ce  qui  était  dû  par  sa  mère, 
elle  n'ignorait  pas  que  celle-ci  était  hors  d'état  de  satisfaire 
elle-même  à  son  obligation. 

L'éventualité  du  paiement  de  la  créance  par  la  veuve  B. 
ne  pouvait  donc  pas  être  envisagée  par  les  parties  contrac- 
tantes et,  par  conséquent,  l'intention  de  demoiselle  Bernardet 
a  dû  être  nécessairement  de  s'engager  à  payer,  non  à  titre  de 
caution,  mais  à  titre  de  débiteur  principal. 

Cette  manière  de  voir  est  confirmée  par  la  circonstance 
qu'au  moment  même  ou  la  demoiselle  B.  s'obligeait  à  payer 
la  somme  réclamée,  il  était  convenu  entre  elle  et  Sch.  que  le 
paiement  serait  fait  à  raison  de  10  fr.  par  mois. 

Ce  caractère  d'obligation  à  terme  que  revêt  l'obligation 
contractée  par  la  défenderesse,  caractère  que  ne  présentait  pas 
l'obligation  de  la  veuve  B.,  montre  qu'il  ne  s'agit  pas  dans 
l'espèce  d'un  simple  cautionnement. 

Enfin,  la  défenderesse  s'est  engagée  à  payer  sur  l'obser- 


36 


vation  qui  lui  était  faite  que  puisqu'elle  avait  pris  l'actif  de 
sa  mère,  elle  devait  prendre  le  passif  à  sa  charge. 

Cette  circonstance  montre  que  le  contrat  intervenu  n'a 
pas  le  caractère  d'un  cautionnement,  mais  plutôt  celui  d'une 
novation  par  la  substitution  d'un  nouveau  débiteur  à  l'ancien 
(art.  142,  2°.  C.  0.).  (La  Semaine  judiciaire,  XX  p.  621  ss.) 


26.  Pflichten  des  Aktionärs  gegenüber  der  Aktiengesell- 
schaft aus  semer  Eigenschaft  als  Aktionär.  Art.  633  O.  Ä. 

Baselstadt.  Urteil  des  Civilgerichts  vom  9.  September,  des  Apj*l- 
Iationsgerichtg  vom  10.  Oktober  1898  i.  S.  Gesellschaft  schweizerischer  Metzger- 
meister  für  Haut-  und  Talgverwertung  c.  Brüder  Leuenberger. 

Die  in  das  Handelsregister  von  Zürich  eingetragene 
Aktiengesellschaft  schweizerischer  Metzgermeister  für  Haut- 
und  Talgverwertung,  mit  einem  Aktienkapital  von  300,000  Fr., 
eventuell  200,000  Fr.,  hat  in  ihren  Statuten  die  Bestimmung, 
dass  die  Aktionäre  in  der  Regel  zur  Lieferung  von  Talg, 
Fellen  und  Häuten  gemäss  einem  von  der  Generalversammlung 
festzustellenden  Réglemente  und  ihrer  besonderen  Verpflich- 
tungssoheine verpflichtet  seien.  Dieses  Reglement  bestimmt  u.  a., 
dass  Zuwiderhandlungen  gegen  die  in  den  Verpflichtungsscheinen 
eingegangenen  Lieferungsverpflichtungen  mit  einer  vom  Ver- 
waltungsratsausschusse  auszusprechenden  Strafe  von  minde- 
stens Fr.  100  belegt  werden.  Die  Brüder  Leuenberger,  die 
in  Ölten  als  Kollektivgesellschaft  eine  Metzgerei  betrieben, 
verpflichteten  sich  durch  Unterzeichnung  eines  gedruckten 
Formulars  unter  Hinweis  auf  die  Statuten  und  Anerkennung 
derselben  zur  Abnahme  einer  Aktie  und  zur  Lieferung  aller 
ihrer  Häute,  Felle  und  Talge  an  die  Gesellschaft.  Nachher 
siedelten  sie  nach  Basel  über  und  sistierten  von  da  an  ihre 
Lieferungen,  weil  in  Basel  die  Häute  und  Felle  im  Schlacht- 
haus gewogen  und  direkt  an  die  Abnehmer  abgegeben  wür- 
den, der  Bezug  und  die  Versendung  zn  teuer  käme.  Die 
Gesellschaft  erwiderte  ein  Jahr  nach  dem  Empfang  dieser 
Anzeige,  die  Verpflichtung  bestehe  solange  als  der  Aktionär 
ein  Metzgereigeschäft  betreibe,  und  büsste  die  Leuenberger 
pro  1895  mit  400  Fr.  Schliesslich  klagte  die  Gesellschaft  aui 
fernere  Lieferung  und  Bezahlung  der  Bussen.  Die  Beklagten 
beriefen  sich  auf  Art.  633  0.  R.,  der  verbiete,  dem  Aktionär 
mehr  als  den  statutengemäss  festgesetzten  Betrag  aufzuer- 
legen.    Sie   träten    aus   der    Gesellschaft  aus   und  seien  be- 


37 

reit,  ihre  Aktie  der  Klägerin  oder  einem  Aktionär  zu  ver- 
schenken; mit  Hinfall  der  Aktie  erlösche  auch  die  Lieferungs- 
pflicht,  die  nur  auf  der  Eigenschaft  als  Aktionär  beruhe.  Die 
Pflicht  könne  auch  nicht  für  alle  Zeiten  und  ohne  Rücksicht 
auf  einen  Domizilwechsel  verbindlich  sein;  sie  (die  Beklagten) 
hätten  sie  als  für  ihre  Oltener  Verhältnisse  passend  einge- 
gangen. 

Das  Civilgericht  wies  die  Klage  ab,  im  wesentlichen  mit 
der  Motivierung,  dass  bei  der  ganzen  Sachlage  eine  abstrakte 
Lieferungspflicht  eines  Subskribenten  für  die  ganze  Dauer 
seiner  Bethätigung  als  Metzger  von  keiner  Partei  gewollt 
und  gemeint  sein  konnte.  Die  klägerische  Association  ent- 
spreche den  Interessen  der  Metzger  nur  unter  ganz  bestimmten 
lokalen  Voraussetzungen;  ob  diese  vorlägen,  ob  sie  nicht, 
wie  in  Basel,  anderweitige  Verwertung  als  günstiger,  Lieferung 
an  Klägerin  als  unbequem  erscheinen  Hessen,  diese  mass- 
gebende Frage  habe  sich  jeder,  der  den  Beitritt  erwog,  vor- 
legen und  aus  seinen  eben  damals  bestehenden  Verhältnissen 
heraus  beantworten  müssen.  Die  örtliche  Begrenzung  der 
Verpflichtung  sei  durch  die  Verhältnisse  von  selbst  als  Gegen- 
stand des  Parteiwillens  gegeben,  und  mit  dem  Wegzug  von 
Ölten  sei  die  Verpflichtung,  wenn  sie  überhaupt  je  und  noch 
zu  Recht  bestand,  erloschen. 

Das  Appellationsgericht  bestätigte  das  erstinstanzliche 
Urteil  mit  folgender  Motivierung: 

Das  erstinstanzliche  Urteil  nimmt  an,  es  könne  nicht  der 
Wille  der  Parteien  gewesen  sein,  dass  bei  einer  so  wesent- 
lichen Veränderung  der  Verhältnisse,  wie  sie  bei  den  Beklag- 
ten vorliegen,  ihre  Verpflichtung  fortdauern  solle,  und  weist 
aus  diesem  Grunde  die  Klage  ab.  Wenn  es  sich  auf  eine 
Erörterung  der  weiteren  vorliegenden  Rechtsfragen  nicht  ein- 
läset, so  war  das  Civilgericht  dazu  vollständig  berechtigt. 

Das  Appellationsgericht  tritt  der  Auflassung  der  ersten 
Instanz  bei,  dass  die  Verpflichtung  der  Beklagten  nicht  eine 
unter  allen  Umständen  und  an  jedem  Orte  fortdauernde  habe 
sein  können,  und  dass  die  Verlegung  ihres  Geschäftes  von 
Ölten  nach  Basel  und  die  hier  bestehenden  verschiedenen  Ein- 
richtungen es  rechtfertigen,  dass  sie  ihre  Verpflichtung  als  er- 
loschen ansahen.  Sie  durften  das  um  so  mehr,  als  sie  auf 
ihre  Erklärung  an  die  Kläger,  dass  sie  nicht  mehr  liefern 
können  und  ob  denn  ihre  Verpflichtung  eine  ewige  sein  solle, 
ein  Jahr  lang  keine  Antwort  erhielten,  und  daher  mit  Recht 
annehmen  konnten,  Kläger  seien  mit  ihrer  Auffassung  ein- 
verstanden. 


38 

Aber  auoh  wenn  man  dieser  Ansicht  nicht  folgen  wollte, 
ist  die  Klage  abzuweisen.  Nicht  zwar  deshalb,  weil  die  Be- 
klagten in  Ölten  eine  Kollektivgesellschaft  gebildet  haben, 
und  in  Basel  nicht,  und  deshalb  die  Verpflichtung  mit  dem 
Verpflichteten  erloschen  sei;  denn  die  Kollektivgesellschaft 
ist  keine  von  den  Gesellschaftern  getrennte  juristische  Person. 
Sondern  die  Abweisung  ist  begründet  durch  Art.  633  0.  R. 
Diese  Frage  ist  eine  Rechtsfrage,  und  kann  vom  Appella- 
tionsgericht  entschieden  werden,  ohne  dass  es  sie  an  das 
Civilgericht  zurückweisen  müsste;  aus  eben  diesem  Grunde 
kommt  es  auch  nicht  darauf  an,  dass  sie  nicht  schon  in  der 
Klagbeantwortung,  sondern  erst  in  der  Duplik  erörtert  worden 
ist.  Nach  Art.  633  cit.  ist  der  Aktionär  nicht  schuldig,  zu 
den  Zwecken  der  Gesellschaft  und  zur  Erfüllung  ihrer  Ver- 
bindlichkeiten mehr  beizutragen  als  den  für  die  Aktien  sta- 
tutenmä8sig  festgesetzten  Betrag.  Es  fragt  sioh  daher,  ob 
die  Lieferungspflicht  der  Beklagten  eine  solche  ist,  die  ihnen 
als  Aktionären  obliegt,  oder  ob  sie  auf  einem  vom  Gesell- 
schaftsvertrag verschiedenen  Vertrage  beruht.  Das  erstere  ist 
nun  nach  den  Bestimmungen  der  Gesellschaftsstatuten  ohne 
Zweifel  der  Fall;  diese  setzen  sowohl  die  aktienrechtlichen 
Pflichten  als  die  Lieferungspflicht  der  Aktionäre  fest.  Nach 
Art.  12  verpflichtet  der  Besitz  von  Aktien  regelmässig  zur 
Lieferung  von  Talg,  Häuten  und  Fellen.  Der  Preis  für  diese 
wird  nicht  fest  bestimmt,  sondern  es  werden  nach  §8  50% 
des  Reinertrags  auf  die  Lieferanten  als  Lieferungsvergütung 
verteilt.  Das  Lieferungsreglement  wird  nach  §  18  durch  die 
Aktionärversammlung,  d.  h.  die  Mehrheit  der  anwesenden  Ak- 
tionäre, festgestellt.  Aktionären  mit  1 — 2  Aktien  und  Lie- 
ferungspflicht soll  nach  §  6  auf  ihren  Wunsch  vom  Verwal- 
tung8rat  gestattet  werden,  50  °/o  des  Aktienbetrages  in  regle- 
mentsmässigen  Lieferungen  einzubezahlen.  Nach  §  8  des 
Lieferungsreglements  werden  Zuwiderhandlungen  gegen  die 
eingegangenen  Lieferungsverpflichtungen  mit  einer  vom  Ver- 
waltung8au88chuss  auszusprechenden  Busse  von  mindestens 
100  Franken  belegt,  und  haftet  dafür  bei  Aktionären  in  erster 
Linie  der  Betrag  des  einbezahlten  Aktienkapitals.  Alle  diese 
Bestimmungen  sind  unvereinbar  mit  der  Vorschrift  des  Ar- 
tikels 633.  Dass  die  deutsche  Praxis  mit  Bezug  auf  den  ent- 
sprechenden Art.  219  des  deutschen  Handelsgesetzbuches  teil- 
weise im  Interesse  einer  verbreiteten  Industrie  zu  einem 
andern  Resultate  gelangt  ist,  kann  für  unsere  Verhältnisse 
nicht  in  Betracht  kommen.  Das  Dispositiv  des  erstinstanzlichen 
Urteils  ist  daher  auch  aus  diesem  Grunde^zu^bestätigen. 


39 

27.  Weibergutsvindikation  im  Konkurs.  Begriff  der 
ehemännlichen  „  Verwaltung"  im  Sinne  des  Art.  219  des  B.-Ges. 
betr.  Seh.  u.  K. 

Zürich,  Urteil  der  Appellationakammer  des  Obergericht«  vom  10.  No- 
vember 1898  i.  S.  Wipf. 

Der  Rechtsstreit  der  Parteien  dreht  sich  um  die  Frage, 
ob  bei  der  Kollozierung  des  Weibergutes  im  konkursrecht- 
lichen Verfahren  auf  dem  gesetzlich  privilegierten  Teile  der 
Frauengutsforderung  auch  der  Wert  der,  der  Ehefrau  ge- 
hörigen, Liegenschaften  anzurechnen  sei,  m.  a.  W.  ob  auch 
die  laut  Grundbuch  im  Eigentum  einer  Ehefrau  verbliebenen 
Liegenschaften  als  Vermögensstücke  zu  betrachten  seien,  die 
sie  im  Falle  des  Eonkurses  des  Ehemannes  „zurücknimmt" 
(vergi.  Betreibungs-  u.  Konkursgesetz  Art.  219,  IV.  Kl.  Abs.  3). 

Die  Berufungsinstanz   sprach  sich  folgendermassen   aus: 

1.  „Zugebrachtes  Frauengut"  sind  auch  die  einer  Ehe- 
frau gehörigen  Immobilien,  soweit  sie  nicht  als  Sondergut 
im  Sinne  von  §  597  des  privatrechtlichen  Gesetzbuches  der 
Verwaltung  des  Ehemannes  entzogen  sind  (vergi,  hiezu  Kom- 
mentar von  Weber  und  Brüstlein  und  die  Abhandlung  von 
Heusler  in  der  Zeitschrift  für  schweizerisches  Recht,  N.  F.  I, 
S.  45  u.  46).  Sind  aber  Liegenschaften,  die  eine  Ehefrau  ein- 
bringt und  während  der  Ehe  als  Eigentum  behält,  „kraft  ge- 
setzlich anerkannten  Güterrechtes,"  d.  h.  nach  dem  Privat- 
rechte  des  Kantons  Zürich,  der  Verwaltung  des  Ehemannes 
unterworfen?  Die  Frage  ist  mit  Heusler  zu  bejahen;  doch 
unterschied  dieser  in  seiner  genannten  Abhandlung  zwischen 
„Verwaltung"  und  „Verfügung,"  und  der  von  ihm  verfasste 
Entwurf  für  die  Normierung  des  Frauengutsprivilegiums 
(jetziger  Abs.  1  des  Art.  219  Kl.  IV)  brauchte  bezeichnender- 
weise die  Worte  „Verwaltung  und  Verfügung  des  Mannes." 
Wäre  der  Heusler'sche  Entwurf  ganz  nach  seinem  Wortlaute 
Gesetz  geworden,  so  müsste  wohl  der  Rechtsstandpunkt,  den 
die  Rekur rentin  einnimmt,  als  richtig  bezeichnet  werden.  Aber 
die  Worte  „und  Verfügung"  sind  bei  der  definitiven  Gestal- 
tung des  Gesetzes  weggelassen  worden,  und  man  wird  nicht 
sagen  können,  dass  man  damit  nur  eine  Tautologie  habe  be- 
seitigen wollen,  dass  in  der  Verwaltung  die  Verfügung  schon 
inbegriffen  sei,  dass  also  bei  mangelndem  Verfügungsrecht  von 
einer  Verwaltung  überhaupt  nicht  gesprochen  werden  könne, 

2.  Nach  dem  Kommentar  von  Weber  und  Brüstlein  zu 
der  Klasse  IV  des  Art.  219  des  Betreibungs-  und  Konkurs- 
gesetzes könnte  man  allerdings  zu  der  Annahme  gelangen, 
dass  in  einzelnen  Kantonen,  wie  St.  Gallen,  Appenzell  A.-Rh. 


40 

und  Uri,  eine  Anrechnung  des  Wertes  der  Liegenschaften 
der  Ehefrau  auf  ihrem  Privilegium  nicht  stattfinde,  sondern 
nur  eine  Anrechnung  der  zurückerhaltenen  beweglichen  Ver- 
mögensstücke.  Aber  die  zu  entscheidende  Streitfrage  beurteilt 
sich  offenbar  nicht  nach  den  verschiedenen  Kantonalgesetz- 
gebungen, ist  vielmehr  eidgenössischen  Rechtes:  das  schwei- 
zerische Bundesgericht  kann  als  oberste  Instanz  angerufen 
werden,  um  eine  für  die  ganze  Schweiz  massgebende  Ent- 
scheidung darüber  zu  erlangen,  wie  der  Begriff  der  ehemänn- 
lichen „Verwaltung"  im  Sinne  des  Art.  219  zu  umschreiben  sei. 
(Schweizer  Blätter  für  h.-r.  Entsch.,  XVII  S.  321  f.) 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


28.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art  56.  Gegen  Entscheidungen,  welche 
in  einem  kantonalen  Expropriationsverfahren  gefällt  worden  sindr 
ist  die  Berufung  an  das  Bundesgericht  unstatthaft,  auch  dannr 
wenn  richtigerweise  nicht  das  kantonale,  sondern  das  eidge- 
nössische Expropriationsverfahren  hätte  eingeleitet  werden  sollen* 

Im  vorliegenden  Falle  handelt  es  sich  um  eine  Expro- 
priationsstreitigkeit, die  im  kantonalen  Expropriationsverfahren 
auf  Grund  des  kantonalen  Rechts  entschieden  worden  ist,  und 
es  ist  klar,  dass  die  kantonalen  Gerichte  ihrem  in  diesem  Ver- 
fahren erlassenen  Entscheide  einzig  das  kantonale  Recht  und 
nicht  etwa  die  materiellrechtlichen  Bestimmungen  des  eidgen. 
Expropriationsgesetzes  zu  Grunde  zu  legen  hatten.  Demnach 
trifft  also  die  in  Art.  56  Organis.-Ges.  aufgestellte  Voraus- 
setzung für  die  Zulä8sigkeit  des  eingelegten  Rechtsmittels 
nicht  zu.  Eine  andere  Frage  ist,  ob  mit  Recht  statt  des  eid- 
genössischen, das  kantonale  Expropriations  verfahren  einge- 
schlagen worden  sei.  Allein  diese  Frage  kann  unmöglich  auf 
dem  Wege  der  Berufung  gegenüber  der  im  kantonalen  Ex- 
propriationsverfahren erlassenen  Sachentscheidung  ausgetragen 
werden.  Um  eine  Entscheidung  auf  Grund  des  eidgen.  Ex- 
propriationsgesetzes herbeizuführen,  hätten  die  Expropriâtes 
die  Einsetzung  einer  eidgen.  Schätzungskommission  verlangen, 
und  nötigenfalls  gegenüber  dem  Eingreifen  der  kantonalen 
Behörden  den  staatsrechtlichen  Rekurs  erheben  müssen.  Die 
Berufung  gegen  das  im  kantonalen  Expropriationsprozess  er- 
gangene Urteil  bildet  kein  Mittel  hiezu,  da  die  Berufung 
lediglich  eine  Ueberprüfung  der  materiellen  Erledigung  der 
Streitsache  und  nicht  etwa  auch  eine  Ueberprüfung  der  Kom- 
petenz des  urteilenden  kantonalen  Gerichts  bezweckt.  (Entsch. 
vom  23.  Dezember  1898  i. S.Blatter  u.  Konsorten  c.  Obwalden.) 


29.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art  222. 

Wenn  eine  Partei  zu  Bezahlung  der  Parteikosten  des 
Gegners  verurteilt  worden  ist,  so  ist  (in  Ermanglung  einer 
besondern  vertraglichen  Vereinbarung)  in  der  Regel  die  Fest- 
stellung des  Kostenbetrags  im  Urteil  auch  für  das  Verhältnis 

4 


42 

-der  obsiegenden  Partei  zu  ihrem  An  walte  massgebend. 
Immerhin  kann  unter  Umständen  der  Anwalt  der  obsiegen- 
-den  Partei  (auch  abgesehen  von  einer  besondern  vertraglichen 
Vereinbarung)  dieser  einen  höhern  Kostenbetrag  in  Rechnung 
bringen,  als  ihr  gegenüber  der  Gegenpartei  zugesprochen  wor- 
den ist.  Nämlich  dann,  wenn  entweder  der  Anwalt  Handlungen 
vorgenommen  hat,  welche  zwar  im  Interesse  seines  Klienten 
lagen,  aber  immerhin  nicht  unbedingt  nötig  waren  und  daher 
^von  der  Gegenpartei  nicht  entschädigt  werden  mussten,  oder 
wenn  seiner  Partei  vom  Richter  aus  Rücksicht  auf  die  Um- 
stände des  Falles  nicht  derjenige  volle  Kostenersatz  zuge- 
standen worden  ist,  auf  welchen  der  Anwalt  seinem  Klienten 
gegenüber  Anspruch  hat.  (Entsch.  vom  4.  November  1898  i.  S. 
Moriaud  c.  Götschel.) 

30.  0.  R.  Art.  17.  Unsittlicher  Vertrag;  Verkauf  eines  Bor- 
-dellgeschäfts. 

Am  25.  Oktober  1893  verkaufte  der  Kläger  F.  G.  M.  der 
Beklagten  J.  M.  die  Besitzung  „Rosengarten"  in  B.  und  am 
gleichen  Tage  schlössen  die  Parteien  einen  zweiten  Kaufver- 
trag ab,  durch  welchen  F.  G.  M.  der  J.  M.  sein  „Geschäft  laut 
aufgenommener  Schätzung"  zum  Preise  von  Fr.  19,000  ver- 
kaufte. Auf  Bezahlung  einer  Kaufpreisrate  aus  letzterem  Ver- 
trage belangt,  bestritt  die  J.  M.  ihre  Schuldpflicht,  indem  sie 
geltend  machte,  das  verkaufte  Geschäft  sei  ein  Bordellgeschäft, 
-der  Vertrag  sei  daher  ein  unsittlicher  und  als  solcher  nichtig. 
Diese  Einrede  wurde  vom  Bundesgericht  für  begründet  erklärt, 
indem  grundsätzlich  ausgeführt  wurde:  Die  Vorinstanz  fuhrt 
aus,  für  den  Fall,  als  wirklich  das  Bordellgeschäft  als  solches 
verkauft  worden  sei  (was  sie  dann  im  weitern  als  erwiesen 
annimmt),  erscheine  der  Kaufvertrag  schon  in  objektiver  Hin- 
sicht, mit  Bezug  auf  den  Inhalt  der  Leistung,  als  unsittlich; 
und  dieser  Auffassung  ist  beizutreten.  Zwar  kann  in  einem 
solchen  Falle  nicht  von  einem  eigentlichen  „Verkaufe  der 
Kundschaft"  gesprochen  werden,  der  „Verkauf  des  Geschäftes 
mit  Kundschaft,"  der  im  kaufmännischen  Verkehre  häufig  vor- 
kommt, bedeutet  vielmehr  juristisch  nur,  dass  der  Verkäufer 
dem  Käufer  ermöglicht,  das  Geschäft  auf  die  bisherige  Weise 
fortzuführen,  und  insbesondere  sich  verpflichtet,  kein  Kon- 
kurrenzgeschäft  zu  errichten  (vergi.  Vallotton,  concurrence 
•déloyale,  §  117).  Allein  bei  einem  derartigen  Kaufe  bildet  der 
Kaufpreis  zu  einem  Teile  ein  Aequivalent  für  die  aus  der 
genannten  Verpflichtung  des  Verkäufers  zu  erwartenden  Vor- 
teile; die  vom  Verkäufer  zu  bewirkende  Leistung  ist  alsdann 


■    ^*??* 


43 

nicht  nur  der  Verkauf  der  Räumlichkeiten,  des  Geschäftsmo- 
biliars u.  8.  w.,  sondern  auch  das  Unterlassen  jeder  Störung 
des  Geschäftsbetriebes,  und  es  kann  daher,  wenn  das  Ge- 
schäft als  solches  den  Moralgesetzen  zuwiderläuft,  nicht  mehr 
nur  von  einem  unsittlichen  Beweggrunde  gesprochen  werden, 
sondern  es  liegt  ein  unsittlicher  Verpfliohtungsgrund  vor,  die 
Leistung  selber  ist  unsittlicher  Natur.  Dass  nun  das  Bordell- 
gewerbe als  solches  nach  den  moralischen  Volksanschauungen 
der  Gegenwart  als  unsittliches  zu  bezeichnen  ist,  braucht  nicht 
näher  erörtert  zu  werden  ;  es  bleibt  dies  auch  dann,  wenn  es 
aus  höheren  Gründen  sittenpolizeilicher  Natur  vom  Staate  ge- 
duldet sein  sollte;  um  so  zweifelloser  muss  es  als  unsittlich 
-da  angesehen  werden,  wo  es,  wie  im  Kanton  Bern,  als  ge- 
werbsmässige Kuppelei  mit  Strafe  bedroht  ist.  Damit  ist  die 
Frage  nicht  entschieden,  inwiefern  jedes  mit  dem  Bordell- 
betriebe irgendwie  im  Zusammenhange  stehende  Rechtsgeschäft 
im  Sinne  des  schweizer.  0.  R.  als  unsittlich  nicht  geschützt 
werden  darf  (vergi,  hierüber:  Kass.-Hof  Paris  15.  Februar  1873, 
Arch.  für  bürgerl.  Recht  S.  359,  u.  Badisches  0.  L.  G.  27.  März 
1888,  daselbst;  vergi,  überhaupt  Kohler  in  diesem  Archiv  V 
S.  149  ff.  ;  vergi,  ferner  Urteil  der  Appellationskammer 
des  Obergerichts  Zürich  in  Blätter  für  handelsrecht- 
liche Entsch.  VUE  S.  286,  u.  Entsch.  d.  R.  G.  in  Civil- 
sachen  Bd  38  S.  199  ff.,  und  Semaine  judiciaire  1886  p.  409  s.). 
Danach  ist  einzig  noch  zu  untersuchen,  ob  der  Vertragswille 
der  Parteien  in  der  That,  wie  die  Vorinstanz  annimmt,  auf 
den  Verkauf  des  Bordellgeschäftes  als  solchen  ging,  was  an 
Hand  der  Vertragsbestimmungen  untersucht  und  bejaht  wird. 
(Entsch.  vom  10.  Dezember  1898  i.  S.  Müller  c.  Mettauer.) 


3t.  0.  R.  Art.  56,  59.  Begriff  der  Notwehr  im  Sinne  des  0.  R. 

Das  Obligationenrecht  giebt  eine  Definition  der  Notwehr 
nicht,  so  dass  sich  fragt,  was  in  seinem  Sinne  darunter  zu 
verstehen  sei:  der  Notwehrbegriff  des  jeweiligen  kantonalen 
Strafrechts,  derjenige  des  Bundesstrafrechts  (Art.  29),  oder 
ein  allgemein  in  der  Wissenschaft  anerkannter  Begriff.  Für 
erstere  Lösung  spräche  der  Umstand,  dass  die  Notwehr  vor- 
zugsweise ein  Begriff  des  Strafrechts  ist  und  nun  das  Straf- 
recht im  allgemeinen  noch  den  Kantonen  überlassen  ist,  so- 
wie die  Erwägung,  dass  für  den  kantonalen  Richter  die  An- 
wendung zweier  verschiedener  Begriffe  von  Notwehr  für  den 
Straf-  und  den  Cirilanspruch  aus  einem  und  demselben  That- 
bestand    mit    praktischen    Schwierigkeiten     verbunden     sein 


44 

dürfte  ;  für  die  zweite  Alternative  der  Grundsatz,  dass  Lücken 
in  Bundesgesetzen  nicht  aus  dem  kantonalen,  sondern  aus 
dem  eidgenössischen  Rechte  za  ergänzen  sind  (so  Stooss  in 
den  Verhandlungen  des  Schweiz.  Juristenvereins  pro  1886, 
S.  89  f.).  Indessen  ist  kaum  anzunehmen,  dass  der  Gesetz- 
geber bei  £rlas8  der  Bestimmung  über  Notwehr  im  Obliga- 
tionenrecht an  die  betreffende  Bestimmung  im  Bundesstraf- 
recht gedacht  habe.  Als  die  richtigste  Lösung  erscheint  wohl 
die  dritte,  welche  auch  am  ehesten  aus  dem  in  Art.  09  O.  R. 
ausgesprochenen  Grundsatze  der  Nichtgebundenheit  des  Civil- 
richters  an  die  Freisprechung  durch  das  Strafgericht  gefolgert 
werden  kann,  obschon  es  nahe  gelegen  hätte,  zu  sagen,  der 
Givilrichter  sei  nicht  an  die  strafrechtliche  Definition  der  Not- 
wehr gebunden.  Nach  diesem,  hienach  zur  Anwendung  kom- 
menden allgemein-wissenschaftlichen  Begriffe  der  Notwehr  ist 
dieselbe  zu  definieren  als  Abwehr,  welche  erforderlich  ist, 
um  einen  gegenwärtigen  rechtswidrigen  Angriff  von  sich  oder 
einem  andern  abzuwenden.  (Entach.  vom  3.  Februar  181*9 
i.  S.  Brunner  c.  Bühlmann  und  Genossen.) 


32.  0.  H.  Art.  61.  Verantwortlichkeit  des  Inhabers  eines  Er- 
ziehungsinstituts für  Beaufsichtigung  seiner  Zöglinge  sowohl  gegen- 
über Dritten  als  gegenüber  den  Zöglingen  selbst,  bezw.  deren 
Eltern.    Delikts-  und  Vertragsklage. 

Der  Beklagte  ist  Inhaber  einer,  auf  die  Aufnahme  von 
15  bis  20  Knaben  berechneten  Erziehungsanstalt  in  R„  deren 
Zöglinge  teils  den  Unterricht  in  der  Anstalt  selbst  empfangen, 
teils  die  öffentlichen  Schulen  der  ca.  l/*  Stunde  entfernten 
Stadt  Solothurn  besuchen.  Als  der  ca.  13  Jahre  alte  Joseph  V.r 
Sohn  des  Klägers,  welcher  (zum  Pensionspreise  von  Fr.  800, 
worin  Wäsche,  Schreibmaterialien,  Musikunterricht  und  Arz- 
neien inbegriffen  sein  sollten)  als  Zögling  in  der  Anstalt 
untergebracht  war,  am  22.  April  1896  abends  6  Uhr  mit  zwei 
ungefähr  gleichaltrigen  Kameraden  aus  der  Turnstunde  in  der 
Kantonsschule  zu  S.  unbegleitet  zurückkehrte,  wurde  er  beim 
Spielen  mit  einer  Steinschleuder,  die  er  selbst  seinem  ebenfalls 
in  der  Anstalt  untergebrachten  älteren  Bruder  heimlich  wegge- 
nommen und  mitgebracht  hatte,  von  seinem  Kameraden  P.  S. 
(aus  Ungeschick)  so  unglücklich  in  das  linke  Auge  getroffen, 
dass  dieses  herausgenommen  und  durch  ein  künstliches  ersetzt 
werden  musste.  Der  Kläger  klagte  wegen  des  hiedurch  seinem 
Sohne  entstandenen  Schadens  gegen  den  Beklagten  auf  Schaden- 
ersatz von  Fr.  50,000,    indem  er   sich  einerseits   auf  Art.  til 


45 

O.  R.,  andrerseits  darauf  berief,  der  Beklagte  habe  ihm  durch 
seinen  beim  Vertragsabschlüsse  vorgelegten  Prospekt  zuge- 
sichert, da8s  die  Zöglinge  sowohl  in  der  Klasse  als  ausser- 
halb des  Unterrichts  beaufsichtigt  werden  ;  er  habe  aber  dieses 
Versprechen  nicht  erfüllt,  da  er  seinen  Sohn  und  die  übrigen 
Zöglinge  den  ca.  lj\  Stunde  weiten  Schulweg  unbegleitet 
habe  machen  lassen.  —  Die  Klage  wurde  abgewiesen,  indem 
im  wesentlichen  ausgeführt  wurde:  Die  Klage  erscheine  einer- 
seits, insoweit  sie  sich  darauf  stütze,  dass  der  Beklagte  die 
ihm  rechtlich  obliegende  häusliche  Aufsicht  über  den  Schä- 
diger P.S.  nicht  mit  der  durch  die  Umstände  gebotenen 
Sorgfalt  ausgeübt  und  dadurch  den  Unfall  verschuldet  habe, 
als  Deliktsklage;  andererseits,  insoweit  sie  darauf  begründet 
werde,  der  Beklagte  habe  die  vertraglich  übernommene,  über 
das  übliche  Mass  hinausgehende  Beaufsichtigung  des  ver- 
letzten Jos.  V.  nicht  prästiert,  als  Vertragsklage.  Dem  Be- 
klagten sei  nun  aber  zunächst  der  Beweis  gelungen,  dass  er 
-die  übliche  und  durch  die  Umstände  gebotene  Sorgfalt  in  der 
Beaufsichtigung  des  Schädigers  P.  S.  beobachtet  habe.  Es 
sei  bewiesen,  dass  er  seinen  Zöglingen  den  Besitz  von  Stein- 
schleudern untersagt  und  dieses  Verbot  auch  durch  von  Zeit 
zu  Zeit  in  den  Zimmern  der  Zöglinge  vorgenommene  Nach- 
forschungen und  Konfiskationen  gehandhabt  habe.  Besondere 
Urnstände,  welche  eine  spezielle  Aufsicht  über  P.  S.  hinsicht- 
lich des  Besitzes  einer  Steinschleuder  gefordert  hätten,  haben 
nicht  vorgelegen,  der  Beklagte  habe  überhaupt  keine  beson- 
dere Veranlassung  gehabt,  sich  zur  Zeit  des  Unfalls  vor  den 
Ausgängen  seiner  Zöglinge  jeweilen  zu  versichern,  dass  sie 
keine  Steinschleudern  mit  sich  führen.  Es  sei  auch  bewiesen, 
dass  der  Beklagte  seine  Zöglinge  angewiesen  habe,  jeweilen 
nach  dem  Unterrichte  sofort  nach  Hause  zurückzukehren, 
und  dass  er  die  Beobachtung  dieses  Gebotes  kontrolliert  habe. 
Zöglinge  des  hier  in  Frage  stehenden  Alters  auf  dem  Schul- 
wege zu  begleiten  oder  begleiten  zu  lassen,  sei  weder  üblich 
noch  durch  die  Umstände  geboten.  Den  meisten  Eltern  wäre 
es  ja  auch  gar  nicht  möglich,  ihre  Kinder  im  Alter  des  P.  S. 
von  und  zu  der  Schule  zu  begleiten  oder  begleiten  zu  lassen; 
einem  Erziehungsinstitute  aber  könne,  sofern  nichts  anderes 
ausgemacht  sei  oder  nach  den  Verhältnissen  sich  als  ausge- 
macht ergebe,  keine  grössere  Diligenz  zugemutet  werden,  als 
sorgsamen  Eltern. 

Auch  die  besondere  vom  Beklagten  vertraglich  übernom- 
mene Pflicht  zur  Beaufsichtigung  des  verletzten  Jos.  V.  sei 
nicht  verletzt. 


46 

Die  Frage,  ob  der  Aufsichtspflicht  genügt  worden  sei,, 
sei  mit  Rücksicht  aut  Treu  und  Glauben  und  die  Umstände- 
und  konkreten  Verhältnisse  zu  beurteilen.  Nach  den  Ver- 
hältnissen der  beklagtischen  Erziehungsanstalt  aber  (ange- 
sichts des  Umstandes,  dass  bekanntermassen  eine  grössere 
Anzahl  von  Zöglingen  derselben  verschiedene  Kurse  der 
öffentlichen  Schulen  zu  verschiedenen  Stunden  besucht  haben, 
des  bescheidenen  Pensionspreises  u.  s.  f.),  habe  der  Kläger 
nicht  erwarten  dürfen,  dass  die  Zusage  des  Prospektes,  die 
Zöglinge  werden  in  der  Klasse  und  ausserhalb  der  Unterrichts- 
stunden beaufsichtigt,  die  Meinung  habe,  dass  die  Zöglinge 
auch  auf  dem  Wege  zu  und  von  der  öffentlichen  Schule  be- 
gleitet werden:  Im  Gegenteil  habe  ihm  nicht  entgehen  können, 
und  sei  ihm  auch  gewiss  nicht  entgangen,  dass  dies  nicht 
geschehe,  ohne  dass  er  deshalb  jemals  reklamiert  hätte. 
(Entsch.  vom  9.  Dezember  1898  i.  S.  Vittonatti  c.  Misteli.) 


33.  0.  R.  Art.  52,  65.  Voraussetzungen  der  Anwendbarkeit 
des  Art  65  0.  R.  Begriff  des  „  Versorger s.u 

1.  Art.  65  0.  R.  beschlägt  nur  den  Schaden,  den  ein 
Tier  aus  eigenem  Antriebe  verursacht  hat.  Ist  das  Tier 
durch  eine  Person  zur  Anrichtung  des  Schadens  angetrieben, 
bezw.  der  Schaden  durch  die  Art  und  Weise,  wie  das  Tier 
von  einer  Person  benutzt  worden  ist,  verursacht  worden,  so 
haftet  diese  Person,  sofern  ihr  ein  Verschulden  zur  Last  fällt, 
gemäss  Art.  50  ff.  als  Thäter,  und  eventuell,  nach  Massgabe 
von  Art.  62  0.  R.  deren  Geschäftsherr.  In  oasu  gehen  nun 
die  Parteien  darin  einig,  dass  die  Pferde  des  Beklagten  nicht 
etwa  durchgegangen  sind,  oder  durch  Ausschlagen  den  P. 
verletzt  haben,  sondern  mit  der  vom  Kutscher  gewollten 
Schnelligkeit  gelaufen  sind.  Art.  65  0.  R.  kommt  daher  nicht 
zur  Anwendung. 

2.  Wenn  man  auch  nicht  einfach  jeder  faktisch  vom  Ge- 
töteten unterhaltenen  Person  einen  Ersatzanspruch  gewähren 
wollte,  so  mu88  doch  angesichts  des  allgemeinen  Wortlautes 
des  Art.  52  0.  R.  und  der  Entstehungsgeschichte  desselben 
die  Ersatzberechtigung  derjenigen  Personen  anerkannt  wer- 
den, deren  Unterhalt  durch  die  bestehende  Sitte  geboten  und 
vom  Getöteten  thatsächlich  übernommen  war.  Allgemeine 
Sitte  ist  aber  unzweifelhaft,  dass  der  Stiefvater  die  mit  ihm 
in  gleicher  Haushaltung  lebenden  Kinder  aus  einer  frühern 
Ehe  seiner  Frau,  soweit  sie  bedürftig  sind,  aus  seinen  Mitteln 
unterhält.    (Entsch.  vom  17.  Dezember  1898  i.  S.  Pur  c.  Lang.) 


47 

34.  Ö.  ß.  Art.  183.  Das  Recht  aus  einein  in  einem  Dienst- 
vertrage  vereinbarten  Koukurrenzverbote  geht  in  der  Regel  mit 
denn  Geschäfte,  in  dessen  Interesse  es  aufgestellt  wurde,  auf  einen 
neuen  Erwerber  über;  dies  ist  insbesondere  dann  unzweifelhaft 
der  Fall,  wenn  bei  der  Veräusserung  des  Geschäftes  ausdrücklich 
vereinbart  worden  ist,  dass  die  Rechte  aus  den  für  das  Geschäft 
abgeschlossenen  Dienstverlrägen  mit  Angestellten,  Reisenden  u.  s.  w» 
auf  den  Erwerber  übergehen. 

(Entsch.  vom  5.  November  1898  i.  S.  Soc.  anon.  des  EtabL 
Jules  Perrenoud  et  Cie  c.  L.  Perrenoud.) 


35.  0.  R.  Art  338,  449,  457.  Begriff  des  Frachtvertrags 
Schleppschiffahrtsvertrag.     Frachtvertrag  oder  Dienstvertrag  Ì 

Der  Führer  der,  der  beklagten  Gesellschaft  gehörigen,. 
Dampfschwalbe  l'Abeille  hatte,  mit  Bewilligung  der  Direktion- 
seiner Gesellschaft,  bei  einer  dienstlichen  Fahrt  die  dem. 
Kläger  gehörige  Segelschaluppe  Ondine  im  Hafen  von  Ouchjr 
ins  Schlepptau  genommen,  um  sie  nach  Genf  zu  schleppen. 
Die  Schaluppe  blieb  mit  einem  Matrosen  des  Klägers  be- 
mannt, der  für  die  irötige  Steuerung  derselben  sorgen  sollte^ 
Für  das  Schleppen  war  ein  Entgelt  zu  entrichten,  das  indes 
erst  nach  der  Ankunft  in  Genf  festgesetzt  werden  sollte.  Auf 
der  Fahrt  fasste  die  Schaluppe,  aus  Gründen,  die  nicht  mit 
vollkommener  Sicherheit  haben  festgestellt  werden  können,, 
bei  bewegtem  See,  Wasser  und  begann  zu  sinken.  Der  Führer 
der  Abeille  suchte  daher  das  Ufer  zu  erreichen  ;  da  sich  aber 
die  Gefahr  zu  ergeben  schien,  dass  bei  weiterem  Sinken  die 
Schaluppe  auch  die  Dampfschwalbe  mit  sich  reissen  könnte,. 
so  Hess  er  unterwegs,  nachdem  der  klägerische  Matrose  die 
Schaluppe  verlassen  hatte,  etwa  700  Meter  vom  Ufer  ent- 
fernt, die  Schlepptaue  durchschneiden,  worauf  die  Schaluppe 
sofort  auf  den  Grund  ging.  Dieselbe  konnte  nicht  mehr  ge- 
hoben werden.  Der  Kläger  verlangte  nun  von  der  beklagten 
Gesellschaft  Ersatz  des  Wertes  der  Schaluppe  und  der  mit 
derselben  versunkenen  Gegenstände,  indem  er  in  erster  Linie 
darauf  abstellte,  die  Beklagte  hafte  ihm  als  Frachtführer. 
Das  Bundesgericht  hat  in  dieser  Richtung  ausgeführt:  Als 
Frachtvertrag  könne  der  zwischen  den  Parteien  abgeschlossene 
Vertrag  kaum  betrachtet  werden,  denn  dem  F  rächt  vert  rage 
sei  die  Uebergabe  des  Frachtgutes  in  Gewahrsam  und  Obhut 
des  Frachtführers  wesentlich,  während  im  vorliegenden  Falle 
Gewahrsam  und  Obhut  der  Schaluppe  wohl  bei  dem  Eigen- 
tümer,   dessen   Matrose    für    deren    Steuerung   u.  s.  w.    hätte 


48 

sorgen  sollen,  zurückgeblieben  sei  und  die  Beklagte  nur  die 
Fortbewegung  durch  Schleppen  zu  bewirken  übernommen 
habe.  Dieser  Vertrag  sei  eher  als  Dienst  vertrag  denn  als 
Frachtvertrag  za  betrachten.  —  Da  es  als  erwiesen  annahm, 
dass  bei  Ausführung  des  Vertrages  von  beiden  Parteien  bezw. 
deren  Leuten  Versehen  begangen  worden  seien,  die  zusammen- 
wirkend den  Verlust  der  Ondine  herbeigeführt  haben,  hat  das 
Bundesgericht  den  entstandenen  Schaden  zwischen  den  Parteien 
hälftig  geteilt.  (Entsch.  vom  21.  Oktober  1898  i.  S.  Vaotier 
c.  Compagnie  générale  de  Navigation  sur  le  Lac  Léman.) 


36.  0.  R.  Art.  341,  346.  „Wichtiger  Grund*  zu  vorzeitiger 
Aufhebung  eines  Dienstoertragest  Verhältnis  des  Art.  346  zu 
Art.  341  0.  R.  ♦ 

Der  Kläger  war  von  der  Beklagten  auf  1.  Mai  1898  als 
Steuermann  ihrer  Dampfjacht  angestellt  worden.  Bei  einer 
vor  dem  für  Antritt  seines  Dienstes  bestimmten  Termin  vor- 
genommenen Probefahrt  erlitt  er  einen  Anfall  von  delirium 
tremens,  infolgedessen  er  der  Polizei  übergeben  und  nachher 
in  eine  Irrenanstalt  verbracht  werden  musate,  aus  welcher  er 
indes  bald  wieder  entlassen  wurde.  Von  der  Beklagten  so- 
fort seines  Dienstes  entlassen,  belangte  der  Kläger  diese  wegen 
vorzeitiger  Aufhebung  des  Dienstvertrages  auf  Schadenersatz. 
Aus  den  Gründen  der  die  Klage  abweisenden  Entscheidung 
<les  Bundesgerichts  ist  hervorzuheben: 

Es  kann  kein  begründeter  Zweifel  darüber  obwalten, 
dass  die  Beklagte  gemäss  Art.  346  0.  R.  zur  sofortigen  Ent- 
lassung des  Klägers  als  Steuermann  ihrer  Dampfjacht  be- 
rechtigt war.  Denn  es  liegt  auf  der  Hand,  dass,  sofern  nicht 
die  (erst  auf  Grund  der  Erfahrung  einer  längern  Zeit  mög- 
liche) Garantie  gegeben  war,  dass  derartige  Anfälle  sich 
nicht  wiederholen,  die  Beklagte  ihr  Fahrzeug  dein  Kläger 
nicht  mehr  anvertrauen  konnte. 

Der  vom  Kläger  angerufene  Art.  341  0.  R.  kommt  hier 
nicht  in  Betracht.  Denn  es  handelt  sich  nicht  darum,  ob 
der  Kläger  infolge  des  Anfalles  längere  oder  kürzere  Zeit  an 
der  Ausübung  der  übernommenen  Dienste  gehindert  gewesen 
sei;  entscheidend  ist  vielmehr,  dass  der  Vorfall  derart  war, 
•dass  die  Beklagte  seine  Dienste  vorsichtigerweise  überhaupt 
nicht  mehr  annehmen  durfte,  und  damit  die  Voraussetzungen 
persönlicher  Art,  unter  welchen  der  Vertrag  abgeschlossen 
worden  war,  sich  als  hinfällig  erwiesen. 

Unerheblich  ist,  dass  das  Dienstverhältnis  bei  dem  Vor- 
fall,   welcher  den    Entlassungsgrund    bildete,    noch  nicht  be- 


49 

gönnen  hatte.  Der  Dienstherr  ist  eben  immer  zur  Aufhebung 
berechtigt,  wenn  seit  dem  Abschlüsse  des  Vertrages  sich 
Dinge  ereignen,  die  geeignet  sind,  die  persönlichen  oder  sach- 
lichen Voraussetzungen  des  Vertragsabschlusses  als  hinfällig 
-erscheinen  zu  lassen.  (Entsch.  vom  24.  Dezember  1898  i.  S. 
iSch warzer  c.  Drucker.) 

37.  0.  R.  Art.  392  ff.  Auftrag  bezw.  VoUmactit  beurteilen 
sich  auch  bei  Liegenschafl&käufen  ausschliesslich  nach  eidgenös- 
sischem Rechte. 

(Entsch.  vom  3.  Dezember  1898  i.  S.  Erben  Grenier  c. 
Dumont.) 

38.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundes- 
rtchtspflege  vom  22.  März  1893,  Art.  81.  0.  R.  Art.  512,  Abs.  2. 
Einrede  des  Spiels  inwieweit  Thatfragel 

Das  Bundesgericht  hat  stets  angenommen,  dass  die  Wil- 
lensmeinung der  Parteien,  Recht  und  Pflicht  wirklicher  Ab- 
nahme und  Lieferung  der  gekauften  Waren  auszuschliessen, 
aus  den  Umständen  des  einzelnen  Falles  beim  Vertragsab- 
schlüsse gefolgert  werden  könne,  und  als  solche  Umstände 
namentlich  bezeichnet:  die  ökonomische  Stellung  des  einen 
Teils  oder  beider  Teile,  die  Kenntnis  des  einen  Teils  von 
dieser  finanziellen  Situation  des  andern  Teils,  und  das  Ver- 
hältnis dieser  ökonomischen  Stellung  zu  der  Höhe  der  ein- 
gegangenen Verpflichtungen.  Dabei  ist  die  Frage,  wie  es 
sich  mit  dieser  finanziellen  Situation,  der  Kenntnis  des  andern 
Teils  davon  und  dem  Verhältnisse  derselben  zu  den  einge- 
gangenen Verpflichtungen  handle,  Thatfrage,  und  ist  das 
Bundesgericht  an  die  hierauf  bezüglichen  Feststellungen  der 
kantonalen  Instanzen  gebunden,  sofern  sie  nicht  aktenwidrig 
sind.  Dagegen  ist  die  Frage,  welche  Bedeutung  diesen  Um- 
ständen im  einzelnen  Falle  beizumessen  sei,  —  eine  Frage, 
die  nur  auf  dem  Wege  der  logischen  Schlussfolgerung  zu 
lösen  ist,  wobei  als  Obersatz  der  Begriff  des  Differenzgeschäftes, 
als  Untersatz  die  einzelnen  konkreten  Umstände  figurieren,  — 
Rechtsfrage  und  daher  vom  Bundesgerichte  selbständig  zu 
prüfen,  denn  gerade  in  dieser  Schlussfolgerung  liegt  die  An- 
wendung des  Rechtsbegriffs  des  sog.  reinen  Differenzgeschäftes 
auf  den  einzelnen  Fall  (vergi,  hiezu  :  Danz,  Auslegung  der 
Rechtsgeschäfte,  S.  109).  (Entsch.  vom  10.  Dezember  1898 
i.  S.  Tobler  c.  Bodenehr.) 


~**3J 


50 

39.  0.  fi.  Art.  552  ff.,  590  //.,  557.  ReclitUche  Natur  der 
Kollektiv'  und  Kommanditgesellschaft.  —  Bedeutung  des  Art  557 
0.  fi.  —  Forderungen  der  Gesellschaft  an  einzelne  Gesellschafter 
als  Dritte  und  gesellschaftliche  Ansprüche  der  Gesellschafter  unter 
einander.  Verschiedenheit  dtr  Behandlung  hei  Konkurs  der  (Korn- 
mandit-)  Gesellschaft. 

1.  Wenn  auch  das  Vermögen  der  Ko  in  mandit-  (wie 
der  Kollektiv-)  Gesellschaft  vom  Privatvermögen  der  Gesell- 
schafter ausgeschiedenes  Sondergut  ist,  so  ist  doch  die  Kom- 
mandit-  (wie  die  Kollektiv-)  Gesellschaft  keine  juristische 
Person,  sondern  eine  vertragliche  Vereinigung  bestimmter 
Personen. 

2.  Die  zwischen  den  Gesellschaftern  als  solchen  beste- 
henden  Beziehungen  begründen  nicht  Rechte  und  Pflichten 
der  Kommanditgesellschaft  gegenüber  den  einzelnen 
Gesellschaftern,  sondern  solche  der  letzteren  unter  ein- 
ander. Wenn  die  unbeschränkt  haftenden  Teilhaber  einer 
Kommanditgesellschaft  sich  gegenseitig  (stillschweigend)  Be- 
züge aus  der  Gesellschaftskasse  gestattet  haben,  welche  über 
das  in  Art.  557  0.  fi.  bezeichnete  Mass  hinausgehen,  so  stellt 
der  Passivsaldo  des  über  die  Bezüge  der  einzelnen  Gesell- 
schafter geführten  Kontokorrents  keine  Forderung  der  Ge- 
sellschaft an  die  Gesellschafter  dar,  sondern  es  handelt  sich 
dabei  um  die  gesellschaftlichen  Beziehungen  der  einzelnen 
Gesellschafter  unter  einander.  Während  der  Dauer  der  Ge- 
sellschaft kann  unter  Umständen  ein  Gesellschafter,  der  solche 
Bezüge  gemacht  hat,  von  den  Mitgesellschaftern  mit  der 
actio  pro  socio  zur  Ergänzung  seiner  Einlage  angehalten 
werden,  und  bei  Auflösung  der  Gesellschaft  sind  die  Bezüge 
bei  der  Auseinandersetzung  zwischen  den  Gesellschaftern  zu 
berücksichtigen.  Dagegen  kann  im  Konkurse  der  Gesell- 
schaft der  Passivsaldo  einer  derartigen  Rechnung  der  ein- 
zelnen Gesellschafter  nicht  als  Forderung  der  Gesellschaft 
an  diese  (gleich  den  Forderungen  der  Gesellschaft  an  Dritte) 
versteigert  werden.  Eine  sach bezügliche  Abtretung  ist  viel- 
mehr ungültig,  da  eben  der  Passivsaldo  nicht  eine  Forderung 
der  Gesellschaft  darstellt,  sondern  nur  einen  Faktor  für  die 
Auseinandersetzung  zwischen  den  Gesellschaftern  bildet. 
Art.  557  0.  R.f  welcher  nur  auf  das  Rechtsverhältnis  der  Ge- 
sellschafter unter  einander  Bezug  hat,  ist  nicht  zwingender 
Natur.  Da  für  die  Schulden  der  Kommanditgesellschaft  die 
Komplementare  solidarisch  haften,  so  können  sie  sich  gegen- 
seitig beliebige  Bezüge  aus  dem  Gesellschaftsvermögen  be- 
willigen, sofern  diese   nicht  etwa   auf  fraudulöse  Benachteili- 


51 


gung    der   Gesellschaftsgläubiger   abzwecken.     (Entsch.  vom 
21.  Oktober  1898  in  S.  Cavin- Grandjean  c.  Kurz-Manz.) 


40.  0.  K.  Art.  627,  Abs.  3,  678  ff.  Durch  eine,  auf  die 
Genossenschaftsfirma  und  die  Erweiterung  des  genossenschaft- 
lichen Geschäftsbetriebes  bezügliche  Statutenrevision  wird  die  Iden- 
tität der  Genossenschaft  nicht  berührt.  Sonderrecht  des  Genossen- 
schafters auf  Aufrechthaltung  des  Genossenschaftszweckes. 
Dasselbe  berechtigt  den  Genossenschafter  zu  Anfechtung  von  Ge- 
nossenschaftsbeschlüssen, welche  ihm  zuwiderlaufen,  nicht  aber 
dazu,  seinen  Beitritt  zu  der  Genossenschaft  rückgängig  zu  machen. 

Die  Beklagte  hatte  Anteile  der  Genossenschaft  „Kurhaus 
L."  mit  Sitz  in  A.  a./A.,  welche  zum  Zwecke  des  Ankaufes,  Aus- 
baues und  Betriebes  des  Kurhauses  L.  in  A.  gegründet  worden 
war,  im  Betrage  von  Fr.  10,000  gezeichnet.  Am  25.  November 
1897  nahm  die  Generalversammlung  der  Genossenschaft  eine* 
Statutenrevision  vor,  zufolge  welcher  die  Firma  in  „Kuran- 
stalten A.  a./A."  umgeändert  und  als  Zweck  der  Genossen- 
schaft angegeben  wurde:  „Der  Ankauf  und  Betrieb  von 
Liegenschaften,  die  sich  zu  Kurzwecken  eignen."  Sie  kaufte 
gleichzeitig,  ausser  dem  von  Anfang  an  in  Aussicht  genom- 
menen Kurhause  L.,  noch  eine  andere  in  A.  a./A.  gelegene 
Kuranstalt  an.  Die  Beklagte  verweigerte  nun  die  Einzah- 
lung ihrer  Genossenschaftsanteile.  Sie  wurde  indes  vom 
Bundesgeriohte  zu  derselben  verurteilt.  Aus  den  Gründen 
dieser  Entscheidung  ist  hervorzuheben: 

Die  Klage  musate  allerdings  abgewiesen  werden,  wenn 
die  als  Klägerin  auftretende  Genossenschaft  nicht  mehr  iden- 
tisch wäre  mit  derjenigen,  für  welche  die  Anteilscheine  ge» 
zeichnet  worden  waren.  Allein  dies  ist  nicht  der  Fall.  Von 
einer  Umwandlung  der  bisherigen  Genossenschaft  in  eine 
neue  könnte  nur  di«  Rede  sein,  wenn  die  bisherige  auf- 
gelöst und  ein  neuer  Personenverband  an  deren  Stelle  kon- 
stituiert worden  wäre.  Dahin  gingen  aber  die  Beschlüsse 
der  Generalversammlung  vom  25.  November  1897  Unbestrit- 
tenermassen nicht.  Dieselben  berührten  nicht  die  Existenz, 
sondern  lediglich  den  Zweck  der  bestehenden  Genossenschaft. 
Durch  die  Abänderungen,  die  in  dieser  letztern  Richtung  gegen- 
über den  ursprünglichen  Statuten  getroffen  wurden,  wurde  nicht 
die  bisherige  Genossenschaft  aufgelöst  und  eine  neue  ins  Leben 
gerufen,  sondern  die  Genossenschaft  blieb  ihrem  Bestände  nach 
dieselbe.  Es  steht  also  ausser  Zweifel,  dass  die  Beklagte- 
Mitglied  der   Klägerin   geworden   ist.    Damit   ist   aber  ohne 


52 

weiteres  ihre  Pflicht  zur  Einzahlung  des  von  ihr  übernommenen 
Anteils  am  Genossenschaftskapital  gegeben.  Denn  nachdem 
die  Beklagte  einmal  in  rechtsgültiger  Weise  Mitglied  der 
Genossenschaft  geworden  ist,  kann  sie  ihren  Beitritt  nicht 
nachträglich  aus  dem  Grunde  wieder  rückgängig  machen, 
dass  infolge  einer  Aenderung  des  Zweckes  der  Genossenschaft 
die  Voraussetzung,  unter  welcher  sie  beigetreten  war,  dahin- 
gefallen  sei.  Allerdings  schliesst  der  Beitritt  zu  einer  Ge- 
nossenschaft nicht  in  sich,  dass  der  Beitretende  mit  Bezug 
auf  seine  Rechte  und  Pflichten  als  Genossenschafter  unbe- 
dingt dem  Mehrheitswillen  der  übrigen  Mitglieder  unter- 
worfen wird.  Gewisse  Rechte  der  einzelnen  Genossenschafter 
können  denselben  durch  Gesellschaftsbeschliisse  nicht  ent- 
zogen werden  und  zu  diesen,  den  sogen.  Sonderrechten  der 
Korporationsmitglieder,  gehört  unstreitig  auch  der  Ansprach 
des  einzelnen  Genossenschafters  darauf,  dass  der  Gesellschafts- 
zweck nicht  gegen  seinen  Willen  umgewandelt  werde.  Wenn 
dieses  Sonderrecht  im  ei  dg.  Obligationenrecht  bezüglich  der 
Genossenschaft  auch  nicht  ausdrücklich,  wie  bei  der  Aktien- 
gesellschaft (Art.  627,  Abs.  3)  hervorgehoben  ist,  so  folgt  dar- 
aus nicht  etwa,  dass  der  Gesetzgeber  es  hier  nicht  habe  an- 
erkennen wollen.  Denn  bei  der  rechtlichen  Natur  der  Ge- 
nossenschaft ist  offenbar  das  Bedürfnis  eines  Schutzes  des 
einzelnen  Mitgliedes  gegen  einseitige  Bestimmung  des  wirt- 
schaftlichen Charakters  des  Unternehmens  durch  Mehrheits- 
beschlüsse in  noch  höherem  Grade  vorhanden,  als  bei  der 
Aktiengesellschaft.  Allein  die  Folge  der  Verletzung  eines 
Sonderrechts  durch  die  Generalversammlung  kann  unmöglich 
darin  bestehen,  dass  die  in  ihren  Rechten  beeinträchtigten 
Mitglieder  nun  befugt  wären,  unter  Zurückziehung  ihrer  Ein- 
lagen aus  der  Genossenschaft  auszutreten.  Es  steht  ihnen 
vielmehr  nur  das  Recht  zu,  solche  Beschlüsse  anzufechten 
und  zu  verlangen,  dass  dieselben  als  ungültig  erklärt  werden, 
wie  denn  auch  ihre  rechtmässigen  Interessen  nicht  weiter 
gehen  als  darauf,  dass  die  begangene  Verletzung  ihrer  Sonder- 
rechte wieder  aufgehoben  werde.  Wenn  also  die  Beklagte 
den  gezeichneten  Beitrag  bereits  eingezahlt  hätte,  könnte 
demnach  keine  Rede  davon  sein,  dass  sie  denselben  etwa 
deswegen  wieder  zurückzufordern  berechtigt  wäre,  weil  durch 
den  Generalversammlung8beschlus8  vom  25.  November  1897 
eine  für  sie  unverbindliche  Umwandlung  dieses  Genossenschafts- 
zweckes vorgenommen  wurde,  sondern  sie  wäre,  wenn  sie 
sich  diesem  Beschluss  nicht  fügen  wollte,  darauf  angewiesen 
gewesen,  auf  dem  Wege  der  gerichtlichen  Anfechtung  dessen 


53 

Ungültigerklärung  zu  erwirken.  Dass  sie  nun  die  Einzahlung 
noch  nicht  geleistet  hat,  ist  aber  offenbar  für  die  Frage, 
welche  Rechte  ihr  rücksichtlich  der  beanstandeten  Statuten- 
änderung gegenüber  der  Genossenschaft  zustehen,  ohne  alle 
Bedeutung,  (fintsoh.  vom  26.  November  1898  i.  S.  Blatter  c. 
Kuranstalten  Affo  Iter  n.) 

41.  0.  B.  Art.  674,  675.  Verantwortlichkeit  der  Mitglieder 
der  Verwaltung  der  Aktiengesellschaft  gegenüber  einzelnen  Aktio- 
nären (und  Gläubigem).  —  Beweislast  dafür,  dass  der  klagende 
Aktionär  einem  Entlastungsbeschlusse  der  Generalversammlung  zu- 
gestimmt habe.  —  Begriff  der  absichtlichen  Pflichtverletzung. 

1.  L'article  674  C.  0.  pose  la  règle  que  les  membres  de 
l'administration  sont  responsables  envers  chacun  des  action- 
naires. Les  administrateurs  qui  opposent  à  l'action  en  respon- 
sabilité de  ces  derniers  la  décharge  qu'ils  ont  reçue  de  l'as- 
semblée générale  font  valoir  une  exception  au  droit  de  l'ac- 
tionnaire résultant  de  l'art.  674.  Mais  la  décision  de  l'assem- 
blée générale  n'étant  opposable  à  l'actionnaire  que  dans  certains 
cas  expressément  prévus  par  l'art.  675,  il  s'ensuit  que  les  ad- 
ministrateurs, auxquels  il  incombe  d'établir  le  bien  fondé  de 
leur  exception,  doivent  dans  ce  but  faire  la  preuve  que  l'ac- 
tionnaire se  trouve  dans  l'un  des  cas  prévus.  C'était  dono 
aux  défendeurs,  s'ils  entendaient  se  prévaloir  du  fait  que  les 
demandeurs  auraient  adhéré  à  la  décision  de  l'assemblée 
générale  du  4  juin  1896,  à  en  rapporter  la  preuve. 

2.  L'art.  674  G.  0.  n'est  pas  une  application  spéciale  de 
l'actio  doli  réglée  d'une  manière  générale  par  les  art.  50  et 
auiv.,  mais  il  accorde  aux  actionnaires  et  créanciers  indivi- 
duellement un  droit  d'action  contre  les  membres  de  l'admini- 
stration et  les  contrôleurs  de  la  société  par  actions  pour  ob- 
tenir la  réparation  du  dommage  que  ceux-ci  leur  ont  causé 
en  violant,  dans  certaines  circonstances,  les  obligations  con- 
tractuelles qui  leur  incombaient  vis-à-vis  de  la  société.  Il 
rompt  le  principe  d'après  lequel  les  contrats  ne  produisent 
des  droits  et  des  obligations  qu'entre  parties,  en  donnant 
une  action  pour  cause  de  violation  d'obligations  contractuelles 
non  seulement  à  la  partie  contractante,  la  société  par  ac- 
tions, mais  aussi  à  des  tiers,  les  actionnaires  et  créanciers. 
Mais  cette  action  est  limitée  au  cas  où  le  dommage  est  le 
résultat  d'une  violation  volontaire  (absichtliche  Verletzung) 
des  obligations  imposées  aux  membres  de  l'administration  ou 
contrôleurs  par  leurs  fonctions  respectives.  Elle  ne  naît  pas 
de  tout  manquement  conscient  aux   prescriptions   légales   ou 


S4 

réglementaires  concernant  l'administration  ou  le  contrôle  de 
la  société,  de  toute  infraction  consciente  aux  dispositions 
légales  ou  statutaires  réglant,  par  exemple,  les  attributions 
des  organes  de  la  société;  il  faut,  de  plus,  pour  caractériser 
la  violation  volontaire,  au  sens  de  Tart.  674  C.  0.,  des  obli- 
gations incombant  à  un  administrateur  ou  contrôleur,  que  ce- 
lui-ci ait  eu  conscience  du  dommage  qui  pouvait  résulter  de 
«es  actes  ou  de  son  abstention;  il  faut  qu'il  ait  prévu  la  aur- 
venance  d'un  dommage  comme  une  conséquence  de  sa  con- 
duite et  qu'il  ait  ainsi  eu  la  volonté,  l'intention  que  ce  dom- 
mage se  produise,  ne  fût-ce  qu'éventuellement.  Il  n'est  pas 
nécessaire  que  le  dommage  ait  été  le  but  de  la  conduite  de 
la  personne  intéressée,  auquel  cas  il  y  aurait  évidemment 
dol,  mais  il  faut  qu'elle  Tait  prévu  et  par  conséquent  voulu 
comme  résultat  de  sa  conduite. 

A  n  m.  Im  konkreten  Falle  wurde  als  festgestellt  angenommen, 
dass  die  beklagten  Mitglieder  der  Verwaltung,  trotzdem  ihnen  be- 
kannt geworden  sei,  der  Direktor  der  Bank  mache  mit  den  Mitteln 
der  Gesellschaft  auf  eigene  Rechnung  Börsenspekulationen  in  hohen 
Summen  und  verschleiere  diese  (verbotenen)  Geschäfte  durch  Buch- 
iialtungsmanipulationen,  nicht  sofort  eingeschritten  seien,  sondern 
(wohl  im  Vertrauen  auf  das  finanzielle  Geschick  und  die  vermeint- 
lich günstige  finanzielle  Lage  des  Direktors  und  um  kein  Aufsehen 
zu  erregen)  während  längerer  Zeit  Stillschweigen  beobachtet  haben. 
Durch  dieses  Verhalten  der  Beklagten  wurde  der  ThatbeStand  der 
absichtlichen  Pflichtverletzung  im  Sinne  des  Art.  674  0.  R.  als 
hergestellt  erachtet. 

(Entsch.  vom  25.  November  1898  i.  S.  Borei  u.  Richard 
c.  Renaud  u.  Genossen.) 

42.  0.  R.  Art.  190,  727,  811.  Pfandklausel  im  Wechsel.  — 
Cession  und  Indossament.  —  Einrede  aus  der  Pfandklausel  gegen- 
über dem  Indossatar  1 

Die  Beklagte,  Frau  A.,  hatte  dem  Geschäftsagenten  W. 
am  8.  März  1895  gegen  ein  Darlehen  von  18,000  Fr.  Gülten 
im  Betrage  von  über  13,000  Fr.  faustpfändlich  verschrieben. 
Ueberdem  stellte  sie  Eigenwechsel  an  die  Ordre  des  W.  aus. 
Diese  Wechsel  tragen  den  gedruckten  Vermerk:  „Wert  bar 
erhalten  unter  Hinweisung  auf  Faustpfandverschreibung  von  . ." 
Während  in  früheren  Wechseln  die  auf  diesen  gedruckten 
Vermerk  folgende  Zeile  mit  dem  Datum  des  8.  März  1895 
ausgefüllt  war,  ist  sie  in  dem  streitigen  Wechsel  über 
4000  Fr.  vom  8.  Dezember  1896  leer  geblieben.  W.  indos- 
sierte diesen  Wechsel   in    bianco    an    die   klägerische  Volks- 


55 

baiik  in  H.  ;  die  ihm  übergebenen  Faustpfander  hat  er,  wie 
sich  nachträglich  in  seinem  Konkurse  herausstellte,  und  zwar 
schon  vor  Ausstellung  des  Weohsels  vom  8.  Dezember  1896, 
rechtswidrigerweise  an  Dritte  verkauft  oder  verpfändet.  Als 
die  Klägerin  die  Beklagte  nach  Verfall  auf  Bezahlung  der 
Wechselsumme  samt  Folgen  belangte,  bestritt  die  Beklagte  die 
Forderung,  indem  sie  vorbrachte:  sie  habe  nur  gegen  Heraus- 
gabe der  dem  W.  verpfändeten  Wertpapiere  bis  zum  Betrage 
der  Klageforderung  zu  zahlen.  Das  Bundesgericht  hat  die  Klage 
gutgeheissen.  In  der  Begründung  wird  wesentlich  ausgeführt: 

Die  —  in  der  Theorie  und  Praxis  streitige  —  Frage, 
ob  eine  sogenannte  Pfandklausel  einem  Wechsel  überhaupt 
rechtsgültig  beigefügt  werden  könne,  möge  dahingestellt 
bleiben,  da  es  sioh  bei  dem  fraglichen  Vermerk  auf  dem 
streitigen  Wechsel,  der  als  selbständiger  Wechsel  aus  sich 
selbst  zu  interpretieren  sei,  gar  nicht  um  eine  wirkliche  Pfand- 
klausel handle.  Für  diese  Auffassung  spreche,  dass  lediglich 
ein  gedruckter  Vermerk  vorliege,  während  die  daneben  und 
darunter  befindliche  Linie,  die  offenbar  zum  Zwecke  der 
Pfandverschreibung  hingesetzt  sei,  unausgefüllt  geblieben  sei, 
und  nicht  einmal,  wie  bei  den  früheren  Wechseln,  das  Datum 

der  VerSchreibung  trage dass  ferner  W.  erwiesenermassen 

Wechselformulare  mit  dem  in  Frage  stehenden  gedruckten 
Vermerk  auch  in  Fällen  habe  unterzeichnen  lassen,  wo  von 
einer  Verpfändung  keine  Rede  gewesen  sei,  endlich  der  Um- 
stand, dass  W.  im  Zeitpunkte  der  Ausstellung  des  streitigen 
Wechsels  die  Pfander  nicht  mehr  besessen  habe,  was  wohl  den 
Schluss  zulasse,  er  habe  absichtlich  von  einem  Hinweis  auf 
die  Verpfändung  Umgang  nehmen  wollen. 

Wollte  man  übrigens  auch  in  dem  fraglichen  Vermerke 
eine  wirkliche  Pfandklausel  erblicken  und  dieselbe  überdies 
als  zulässig  und  rechtswirksam  erklären,  so  könnte  doch  die 
von  der  Beklagten  erhobene  Einrede  der  Klägerin  gemäss 
Art.  811  0.  R.  nicht  entgegengehalten  werden.  Das  in  der 
Pfandklausel  erwähnte  Pfandrecht  sei  nicht  für  die  aus  dem 
Wechsel  hervorgehende,  wechselrechtliche  Verpflichtung,  son- 
dern für  die  daneben  bestehende  Darlehensschuld  begründet 
worden.  Die  Darlehensschuld  habe  durch  Pfand  und  Wechsel 
gesichert  werden  sollen,  nicht  seien  die  Pfänder  zur  Sicherung 
der  Wechselforderung  gegeben  worden.  Dies  erhelle  nament- 
lich auch  aus  dem  Umstände,  dass  die  Pfandklausel  der  Va- 
lutaklausel eingefügt  sei  und  damit  auf  das  der  Wechselaus- 
stellung zu  Grunde  liegende  Rechtsgeschäft  verweise.  Eine 
Veränderung  dieses  für  das  Darlehen  bestellten  Pfandrechts 


56 

habe  durch  die  Ausstellung  der  Wechsel  nicht  stattgefunden, 
da  diese  weder  eine  Novation  der  ursprünglichen  Forderung, 
noch  einen  Uebergang  des  Pfandrechtes  auf  die  Wechselfor- 
derung bewirkt  habe.  Die  Einrede  aus  der  Pfandklausel  sei 
also  nicht  eine  „aus  dem  Wechselrecht  selbst  hervorgehende u 
Einrede.  Die  neben  der  Ausstellung  und  der  Begebung  des 
Wechsels  eingegangene  Verpfandung  für  das  dein  Wechsel  zu 
Grunde  liegende  Schuldverhältnis  habe  mit  den  den  Wechsel 
und  dessen  Zirkulation  normierenden  Rechtssätzen  nichts  zu 
thun;  diese,  für  das  der  Wechselausstellung  zu  Grunde  lie- 
gende Rechtsverhältnis  geschehene  Pfandverschreibung  sei 
dem  Wechselrecht  durchaus  fremd.  Könne  es  sich  danach 
nur  um  eine  nicht  aus  dem  Wechselrechte,  sondern  aus  dem 
gemeinen  bürgerlichen  Rechte  herzuleitende  Einrede  han- 
deln, so  wäre  dieselbe  nach  Art.  811  0.  R.  nur  zulässig, 
wenn  sie  der  Beklagten  unmittelbar  gegen  die  Klä- 
gerin zustände.  Dies  sei  aber  nicht  der  Fall,  da  das 
Pfandrecht  nicht  auf  die  Klägerin  übergegangen  sei.  Denn 
diese  erscheine  nicht  etwa  als  Cessionarin,  sondern  als  Li- 
dossatarin  des  W.  Während  allerdings  auf  den  Cessionar  die 
der  Forderung  zustehenden  Nebenrechte  übergehen  (Art.  190 
0.  R.),  dafür  dem  Cessionar  vom  debitor  cessus  aber  auch 
alle  gegen  den  Cedenten  zustehenden  Einreden  entgegenge- 
halten werden  können  (Art.  189  eodem),  der  Cessionar  somit 
lediglich  und  in  allen  Punkten  als  Rechtsnachfolger  des  Ce- 
denten erscheine,  verhalte  es  sich  mit  dem  Indossamente  nach 
schweizerischem  Rechte  anders:  der  Indossatar  sei  nicht 
Rechtsnachfolger  des  Iudossanten  mit  der  Wirkung,  dass  alle 
diesem  zustehenden  Rechte  durch  das  Indossament  auch  auf 
ihn  übergehen  würden,  sondern  er  erwerbe  mittelst  des  In- 
dossamentes ein  selbständiges,  aus  dem  Wechsel  hervor- 
gehendes Recht.  .  .  .  Das  Pfandrecht  wäre  daher,  da  das  In- 
dossament als  solches  die  Uebertragung  nicht  bewirke,  auf  die 
Klägerin  nur  übergegangen  durch  besonderes  Rechtsgeschäft, 
mit  dazu  kommender  Besitzübergabe;  ein  solches  Rechtsge- 
schäft liege  aber  nicht  vor.  Der  Klägerin  könne  daher  auch  nicht 
die  dem  Pfandgläubiger  entgegenstehende,  aus  der  actio  pig- 
noraticia  directs,  entspringende  Kompensationseinrede  entgegen- 
gehalten werden,  da  diese  Einrede  dem  Wechselschuldner 
nicht  gegen  den  Indossatar  als  solchen  zustehe.  (Entsch. 
vom  29.  Oktober  1898  i.  8.  Volksbank  in  Hochdorf  c.  Arnet.) 


43.  O.R.  Art.  803.  Wenn  nach  Unterzeichnung  eines  (ausgefüll- 
ten) billet  à  ordre  durch  einen  Bürgen  der  Name  des  ursprünglichen 


57 

Remittenten  (weil  dieser  das  Billet,  da  er  das  darauf  begehrte* 
Darlehen  nicht  gewähren  will,  zurückweist)  ohne  Einwilligung  de» 
Bürgen  durchgestrichen  und  an  dessen  Stelle  ein  anderer  Remit- 
tent eingesetzt  wird,  so  ist  diese  Abänderung  des  Wechsels  für 
den  Bürgen  gemäss  dem  in  Art.  803  0.  R.  ausgesprochenen  Grund- 
sätze unverbindlich.  Der  Bürge  haftet  also  dem  nachträglich  ein- 
gesetzten Remittenten  und  dessen  Nachmännern  nicht. 

(Entsch.  vom  17.  Dezember  1898  i.  S.  Banque  de  l'Etat 
de  Fribourg  o.  Leu.) 

44.  0.  R.  Art.  867,  868,  873,  876  Abs.  1.  Der  Grundsatz 
der  Ausschliesslichkeit  der  Firma  gilt  nach  schweizerischem  Rechte 
nicht  nur  für  die  am  gleichen  Orte  bestehenden  Firmen,  sondern 
ohne  örtliche  Beschränkung.  —  Verhältnis  des  Art.  876,  Abs.  1 
zu  Art.  868  0.  R.  —  Deutliche  Unterscheidbarkeit  bei  Sachfirmen. 

Am  21.  Mai  1889  bildete  sich  unter  der  Firma  „Schwei- 
zerische Hypothekenbank11  (Banque  hypothécaire  suisse)  eine 
Aktiengesellschaft  mit  Sitz  in  Solothurn,  welche  die  „Pflege 
des  Hypothekengeschäfts  in  der  Schweiz  in  allen  seinen 
Formen"  zum  Zwecke  hatte  und  am  29.  gleichen  Monats  ins 
Handelsregister  eingetragen  wurde.  Im  Mai  1897  gründeten 
mit  Sitz  und  Gerichtsstand  in  der  Stadt  Bern  sieben  Personen 
eine  Genossenschaft  unter  der  Firma  „Schweizerische  Hypo- 
thekenbank in  Bern"  („Crédit  foncier  suisse  à  Berne"),  wel- 
che am  6.  gleichen  Monats  ins  Handelsregister  der  Stadt 
Bern  eingetragen  wurde.  Nach  §  2  der  Statuten  bezweckt 
diese  Genossenschaft  „die  Durchführung  von  Hypothekar-  und 
Bankgeschäften  aller  Art,  insbesondere  die  Förderung  des 
Hypothekarkredites. "  Die  von  der  Schweizerischen  Hypo- 
thekenbank in  Solothurn  gegen  diese  Genossenschaft  erhobene 
Klage:  es  sei  der  Beklagten  zu  untersagen,  in  ihre  Firma 
die  Bezeichnung  „Schweizerische  Hypothekenbank"  aufzu- 
nehmen, ist  vom  Bundesgericht  für  begründet  erklärt  worden, 
im  wesentlichen  aus  folgenden  Gründen: 

Eine  allgemeine  auf  alle  neuen  Firmen  bezügliche  Be- 
stimmung, wonach  eine  neue  Firma  sich  nur  von  einer  an 
demselben  Orte  oder  in  derselben  Gemeinde  bereits  beste- 
henden, eingetragenen  Firma  unterscheiden  müsse  (wie  das 
deutsche  Handelsgesetzbuch  sie  in  Art.  20,  Abs.  1  aufstellt), 
enthält  das  schweizerische  Obligationenrecht  nicht,  sondern 
einerseits  unmittelbar  hinter  der  Vorschrift  über  die  Be- 
schaffenheit der  Firma  des  einzelnen  Geschäftsinhabers  (Einzel- 
kaufmanns) und  vor  den  Vorschriften  über  die  Beschaffen- 
heit der  Gesell8chaft8firnia  in  Art.  868  die  Bestimmung,  dass. 


58 

-eine  im  Handelsregister  eingetragene  Firma  an  demselben 
Orte  selbst  dann  nicht  von  einem  Änderen  als  Firma  benutzt 
werden  dürfe,  wenn  dieser  denselben  bürgerlichen  Namen 
hat,  mit  welchem  die  ältere  Firma  bezeichnet  wird  —  und 
anderseits  in  Art.  876,  Abs.  1,  am  Schluss  des  Kapitels 
über  die  Geschäftsfirmen,  den  Grundsatz,  dass  die  Firma 
eines  einzelnen  Geschäftsinhabers  oder  einer  Gesellschaft, 
welche  vorschriftsgemäss  in  das  Handelsregister  eingetragen 
und  im  Handelsamtsblatt  veröffentlicht  ist,  dem  Berechtigten 
zu  ausschliesslichem  Gebrauche  zusteht.  Nach  Stellung  und 
Inhalt  des  Art.  868  0.  R.  kann  einem  begründeten  Zweifel 
nicht  unterliegen,  dass  derselbe  sich  direkt  nur  auf  die 
Einzel  firma  bezieht,  während  dagegen  Art.  876,  Abs.  1  aus- 
drücklich sowohl  für  die  Einzelfirma  als  die  Gesellschafts- 
firma massgebend  ist.  Nun  ist  es  aber  dieser  letztere  Ar- 
tikel, welcher  im  schweizerischen  Obligationenrecht  den 
Grundsatz  der  Ausschliesslichkeit  der  Firma  aufstellt,  und 
da  derselbe  diesen  Grundsatz  nicht  nur  zu  Gunsten  der  am 
gleichen  Orte  bestehenden  Firmen  ausspricht,  so  kann  es  für 
die  Anwendung  des  Art.  876,  Abs.  1  nicht  als  erforderlich 
betrachtet  werden,  dass  die  Firmen  am  gleichen  Orte  be- 
stehen. Daneben  enthält  Art.  868  lediglioh  eine  Spezialvor- 
schrift für  die  Einzelfirmen,  welche  sich  einfach  daraus  er- 
klärt, resp.  deshalb  notwendig  war,  weil  in  Art.  867  dem 
einzelnen  Geschäftsinhaber  der  Gebrauch  seines  Familien- 
namens mit  oder  ohne  Vornamen  gestattet,  bezw.  nach  dem 
im  Obligationenrecht  adoptierten  Grundsatz  der  Firmenwahr- 
heit vorgeschrieben  ist.  Ohne  die  Vorschrift  des  Art.  868 
wäre  es  möglich,  dass  bei  gleichen  bürgerlichen  Familien- 
und  Vornamen  zweier  oder  mehrerer  Geschäftsinhaber  sogar 
am  gleichen  Orte  zwei  oder  mehrere  ganz  gleichlautende  Ge- 
schäftsfirmen hätten  entstehen  und  eingetragen  werden  können, 
was  natürlich  zu  Verwechslungen  geführt  hätte,  und  um  dies 
zu  verhindern,  schreibt  Art.  868  unbedingt  vor,  dass  der  neue 
Geschäftsinhaber  am  gleichen  Orte  seinem  Namen  in  der 
Firma  einen  Zusatz  beifügen  müsse,  durch  welchen  dieselbe 
deutlich  von  der  altern  Firma  unterschieden  wird.  Diese  Vor- 
schrift trifft  gewiss,  wie  das  Bundesgericht  schon  in  seinem 
Urteile  in  Sachen  Hediger  &  Söhne  c.  Hediger  &  Comp. 
(Amtl.  Samml.,  Bd  XVII,  S.  647)  ausgesprochen  hat,  auch  fur 
diejenigen  Gesellsohaftsfirmen  zu,  welche  Personenfirmen 
«ind,  bezw.  sein  müssen;  allein  angesichts  der  allgemeinen 
Vorschrift  des  Art.  876,  Abs.  1  muss  weiter  gegangen,  und 
insbesondere    der  Gesellschaftsfirma   gegenüber    allen    neuen 


59 

Firmen  Schutz  gewährt  werden,  welche  geeignet  sind,  Ver- 
wechslungen herbeizuführen,  auch  wenn  sie  nioht  am  gleichen 
Orte  bestehen.  Vollends  kann  hierüber  bezüglich  der  Sach- 
firmen ein  begründeter  Zweifel  nicht  obwalten,  indem  bezüg- 
lich dieser  Firmen  überall  keine  gesetzliche  Bestimmung  be- 
steht, welche  den  Schutz  derselben  nur  gegenüber  den  am 
gleichen  Orte  entstehenden  neuen  Firmen  gewähren  würde. 
-Gegenteils  schreibt  Art.  873  0.  R.  allgemein  und  ohne  ört- 
liche Beschränkung  vor,  dass  sich  die  neuen  Firmen  von 
Aktiengesellschaften  und  Genossenschaften  von  jeder  bereits 
eingetragenen  Firma  deutlich  unterscheiden  müssen,  und  es 
liegen  auch  keine  innern  Gründe  vor,  diese  Vorschrift  nur 
auf  die  am  gleichen  Orte  bereits  eingetragenen  Sachfirmen 
zu  beschränken.  Im  Gegenteil  muss  aus  der  bezeichneten, 
offenbar  absichtlichen  Abweichung  des  schweizerischen  Ge- 
setzes von  seinem  deutschen  Vorbilde  geschlossen  werden, 
dass  dasselbe  die  in  diesem  aufgestellte  örtliche  Schranke 
•des  Grundsatzes  der  Ausschliesslichkeit  rücksichtlioh  dieser 
Firmen  nicht  habe  aufnehmen  wollen,  wie  übrigens  auch 
kaum  zu  leugnen  ist,  dass  für  Gesellschafts-  und  besonders 
für  Sachfirmen  wegen  deren  häufig  sehr  ausgedehnten  Ver- 
kehrs mit  Zweigniederlassungen  u.  s.  f.  die  Gefahr  der  Ver- 
wechslung mit  gleichlautenden,  an  anderen  Orten  bestehenden 
Finnen  wesentlich  grösser  ist,  als  bei  Einzelfirmen. 

Hievon  ausgehend  kann  also  die  Klage  nicht  deshalb 
abgewiesen  werden,  weil  die  Firmen  der  beiden  Parteien  nicht 
am  gleichen  Orte  bestehen,  bezw.  eingetragen  sind,  sondern 
es  muss  untersucht  werden,  ob  dieselben  sich  deutlich  von 
«inander  unterscheiden,  und  dies  ist  nun  nicht  der  Fall.  Wenn 
auch  allerdings  die  Bemerkung  der  Beklagten,  dass  die  Klä- 
gerin auf  die  Worte  „Schweizerisch"  und  „Hypothekenbank" 
kein  Monopol  besitze,  richtig  ist,  und  jedes  dieser  zwei 
Worte  für  sich  allein  ungeeignet  wäre  als  Saohfirma  zu 
dienen,  so  bilden  sie  doch  unzweifelhaft  zusammen,  in  Ver- 
bindung mit  einander,  weder  eine  allgemeine,  noch  eine  not- 
wendige Bezeichnung,  sei  es  der  Banken  überhaupt  oder 
einer  speziellen  Art  derselben,  insbesondere  der  Hypotheken- 
banken, sondern  besitzen  einen  eigentümlichen,  unterschei- 
denden Charakter,  so  dass  demnach  die  Firma  der  Klägerin 
als  Sachfirma  ebenso  gut  zulässig  ist,  wie  z.  B.  die  Bezeich- 
nungen „Eidgen.  Bank,"  „Schweizer.  Kreditanstalt,"  „Bank  in 
.Zürich,"  „Bank  in  Luzern"  u.  s.  f.'  Im  fernem  ist  festzu- 
halten, dass  es  sich  beidseitig  um  deutsche  Firmen  handelt, 
und  daher  für  die  Frage,   ob   sie   sich  deutlich  von  einander 


60 

unterscheiden,  nichts  darauf  ankommt,  wie  es  sich  in  dieser 
Hinsicht  mit  den  französischen  Uebersetzungen  verhalte  ;  denn 
nicht  diese  Uebersetzungen  stehen  hier  im  Streit,  sondern 
einzig  die  deutschen  Firmen,  und  es  ist  auch  nicht  etwa  ge- 
setzlich vorgeschrieben,  nooh  allgemein  üblich,  die  Firmen 
in  beiden  Sprachen  neben  einander  zu  gebrauchen.  Non 
unterscheiden  sich  die  Firmen  der  Parteien  lediglich  dadurch, 
dass  die  Beklagte  den  Worten  „Schweizerische  Hypotheken- 
bank" beigefügt  hat:  „in  Bern,"  und  sodann  durch  die  Ver- 
schiedenheit des  Ortes,  wo  sie  eingetragen  sind  und  existieren. 
Allein  diese  Verschiedenheiten  sind  zu  unbedeutend,  als  dass 
dadurch,  zumal  bei  der  Gleichheit  des  Geschäftszweiges,  Ver- 
wechslungen aasgeschlossen  würden.  (Entsch.  vom  29.  De- 
zember 1898  i.  S.  Schweizerische  Hypothekenbank  in  Solo- 
thurn  c.  Schweizerische  Hypothekenbank  in  Bern.) 


45.  0.  R.  Art.  896.  Versicherungsvertrag  ;  Verhältnis  des 
eidgenössischen  zum  kantonalen  Rechte.  Auslegung  von  Versiche- 
rungsbedingungen, welche  (bei  der  Hagehersicherung)  für  die  Ab- 
Schätzung  des  Schadens  ein  Schatzungsverfahren  (unter  Ausschluss 
des  Rechtsweges)  vorschreiben.  Unterscheidung  zwischen  den 
schädlichen  und  nützlichen  Polgen  des  Hagelschlages.  Zulässig 
keil  des  Abzuges  der  ersparten  Erntekosten  vom  Ertragsschaden. 

Nach  den  Statuten  der  schweizerischen  Hagelversiche- 
rungsgesellschaft (insbesondere  §§41,  42,  43,  46,  49,  51)  ist 
für  die  Abschätzung  des  Schadens  zunächst  ein  Vergleichs- 
verfahren vorgesehen,  dessen  Ergebnis  als  genehmigt  gilt, 
wenn  nicht  binnen  bestimmter  Frist  von  der  Gesellschaft 
dessen  Revision  angeordnet  oder  vom  Versicherten  die  „formelle 
Taxe"  durch  zwei  neue  Sachverständige  beantragt  wird.  Der 
Rechtsweg  ist  für  die  Abschätzung  des  Schadens  ausgeschlos- 
sen, dagegen  ausdrücklich  vorbehalten  für  die  Frage,  ob 
überhaupt  oder  in  wie  weit  eine  Entschädigungsverpflichtung 
der  Gesellschaft  bestehe.  Bei  Abschätzung  des  den  Klägern 
durch  Hagelschlag  verursachten  Schadens  brachten  die  Schätzer 
im  Vergleichsverfahren  10  °/o  für  ersparte  Erntekosten  an 
dem  (abgesehen  von  diesem  Abzüge  für  die  meisten  der 
Kläger  auf  100  °/o  taxierten)  Schaden  in  Abzug.  Die  Kläger 
trugen  nicht  auf  9 formelle  Taxe"  an,  wurden  aber  gegen 
diesen  Abzug,  dessen  Berechtigung  sie  grundsätzlich  bestritten, 
während  sie  im  übrigen  die  Schätzung  nicht  bemängelten, 
bei  den  Gesellschaftsorganen  vorstellig  und  machten,  als  sie 
von  diesen  abgewiesen  worden  waren,  ihre  Ansprüche  gericht- 


61 

lieh  anhängig.  Im  Prozesse  machte  die  Gesellschaft  wesent- 
lich geltend,  da  die  Kläger  nicht  rechtzeitig  die  formelle 
Taxe  verlangt  haben,  so  sei  das  Ergebnis  des  Vergleichsver- 
fahrens für  sie  verbindlich.  Eventuell  wäre  auf  dem  Wege 
des  statutarischen  Taxationsverfahrens  eine  neue  Entscheidung 
über  die  Höhe  des  Schadens  zu  treffen  ;  bei  dieser  könnte 
«ber  nur  der  effektive  Schaden  in  Betracht  kommen,  und 
dieser  sei  eben  identisch  mit  dem  Bruttowerte  der  Trauben, 
nicht  mit  demjenigen  des  Weines,  da  letzterer  erst  durch 
Aufwendung  der  Erntekosten  gewonnen  werden  müsste. 

Das  Bundesgericht  hat  dahin  entschieden,  über  den  strei- 
tigen Abzug  sei  nicht  in  dem  statutarisch  für  Abschätzung 
des  Schadens  vorgesehenen  Verfahren,  sondern  im  Rechts- 
wege von  den  Gerichten  zu  entscheiden.  Der  Abzug  für  er- 
sparte Erntekosten  sei  jedoch  grundsätzlich  statthaft,  und  es 
müsse  daher  über  den  Betrag  der  den  Versicherten  durch 
Ersparung  der  Erntekosten  entstandenen  Vorteile  Beweis  er- 
hoben werden.  Aus  den  Gründen  dieser  Entscheidung  ist 
hervorzuheben  : 

1.  Nach  Art.  896  0.  R.  bleiben  allerdings  bis  zum  Er- 
lass  eines  eidgenössischen  Gesetzes  über  den  Versicherungs- 
vertrag die  bestehenden  besondern  Bestimmungen  des  kan- 
tonalen Rechts  über  den  Versicherungsvertrag  in  Kraft  und 
nun  enthält  das  zürcherische  privatrechtliche  Gesetzbuch  nicht 
bloss  allgemeine  Bestimmungen  über  den  Versicherungsver- 
trag, sondern  auch  solche,  welche  speziell  die  Hagelversiche- 
rung betreffen.  Nach  Art.  896  0.  R.  sind  jedoch  nur  die  ge- 
schriebenen Sonderrechtsregeln  des  kantonalen  Rechts  über 
den  Versicherungsvertrag  vorbehalten,  nicht  auch  die  allge- 
meinen Regeln  des  kantonalen  Privatreohts,  welche  nicht 
speziell  für  den  Versicherungsvertrag  gesetzt  sind,  so  dass 
bezüglich  der  Auslegung  von  Versicherungsverträgen,  soweit 
das  kantonale  Recht  nicht  einschlagende  ausdrückliche  Be- 
stimmungen enthält,  die  allgemeinen  Bestimmungen  des  eid- 
genössischen Obligationenrechts,  bezw.  die  allgemeinen,  dem- 
selben innewohnenden  Rechtsgrundsätze  Platz  greifen.  Letz- 
teres ist  aber  unzweifelhaft  der  Fall  hinsichtlich  der  hier  zu 
entscheidenden  Fragen,  ob  nach  den  Versicherungsbedin- 
gungen der  Abzug  der  Erntekosten  statthaft  oder  ausge- 
schlossen sei,  und  eventuell  durch  wen,  und  in  welchem  Ver- 
fahren der  Abzug,  bezw.  der  Ertrag  der  ersparten  Ernte- 
kosten, nach  den  Versicherungsbedingungen  festzustellen  sei, 
ob  durch  die  in  Art.  41  und  44  der  Versicherungsbedingungen 
-erwähnten  Vertreter  der   Gesellschaft   (Experten),  bezw.  die 


62 

von  beiden  Parteien  zu  ernennenden  Taxatoren  oder  im  Streit- 
fall durch  die  Gerichte.  Bei  der  Entscheidung  dieser  Fragen 
hat  denn  auch  die  Vorinstanz  die  Bestimmungen  des  zürch. 
Priv.  Ges.  B.  über  den  Versicherungsvertrag  mit  keinem  Worte 
berührt  und  hiedurch  zu  erkennen  gegeben,  dass  sie  denselben 
für  die  Entscheidung  der  genannten  Fragen  keine  Bedeutung 
beimass. 

2.  Von  selbst  versteht  sich,  dass,  soweit  die  Parteien  nicht 
vertraglich  die  Erledigung  von  Streitigkeiten  in  gültiger  Weise 
den  ordentlichen  Gerichten  entzogen  haben,  diese  letztern  zu 
deren  Entscheidung  kompetent  sind.  Nun  haben  nach  dem 
klaren  Wortlaute  der  Versicherungsbedingungen  die  Taxa- 
toren nur  über  die  Grösse  der  verhagelten  Fläche,  den  Er- 
trag der  versicherten  Bodenerzeugnisse  ohne  den  Eintritt  des 
Hagelschadens  und  über  den  durch  den  Hagelschaden  ver- 
loren gegangenen  Teil  dieses  Ertrages  zu  entscheiden  and 
kann  folgerichtig  von  den  Versicherten  auch  nur  hinsichtlich 
dieser  Fragen  die  sogen,  formelle  Taxe  verlangt  werden.  Be- 
züglich aller  Punkte,  welche  den  Taxatoren  nach  den  er- 
wähnten Versicherungsbedingungen  entzogen  sind,  ist  weder 
der  Rechtsweg  ausgeschlossen,  noch  die  Anrufung  der  „for- 
mellen Taxe"  seitens  der  Versicherten  vorgeschrieben,  oder 
auch  nur  zulässig.  Handelt  es  sich  also  darum,  festzu- 
stellen, ob  die  Frage  der  Zulässigkeit  eines  Abzuges  wegen 
ersparter  Erntekosten  eine  Frage  der  Schadensabschätzung 
sei,  mit  der  sich  die  Taxatoren  nach  §  49  der  Versicherungs- 
bedingungen zu  befassen  haben,  so  ist  zu  bemerken,  dass  ja 
allerdings  der  Begriff  des  Schadens  so  aufgefasst  werden 
kann,  dass  die  Frage,  ob  aus  einer  Thatsache  ein  Schaden 
entstanden  sei,  nach  dem  Gesamtergebnis  beantwortet  wird, 
die  Feststellung  des  Schadens  somit  neben  den  schädigenden 
Folgen  dieser  Thatsache  zugleich  auch  die  Berücksichtigung 
der  damit  verbundenen  nützlichen  Folgen  in  sich  schliesst. 
Allein  anderseits  ist  es  weder  faktisch  unmöglich,  noch  recht- 
lich von  vornherein  ausgeschlossen,  Vorteil  und  Nachteil  aus- 
einander zu  halten,  also  unter  dem  Schaden  zunächst  ledig- 
lich die  nachteiligen  Folgen  der  schädigenden  Thatsache  zu 
verstehen,  und  die  Aufrechnung  von  Vorteil  und  Nachteil, 
welche  aus  ihr  entstanden  sind,  als  eine  Sache  für  sich  zu 
betrachten;  gegenteils  erscheint  diese  Unterscheidung  recht- 
lich nicht  nur  zulässig,  sondern  auch  erheblich,  insofern  als 
zu  untersuchen  ist,  ob  der  behauptete  Vorteil  mit  der  schä- 
digenden Thatsache  wirklich  im  Kausalzusammenhangim Rechts- 
sinne stehe,   und   als   die  Aufrechnung   von  Vor-   und  Nach- 


63 

teilen  unter  Umständen  als  unstatthaft  erscheinen  kann  (vergi- 
li o  ti  ve  z.  deutsch,  bürg.  Ges.  B.  Bd  II,  S.  18  und  783).  Ii> 
welchem  Sinne  nun  die  Schadensfeststellung  gemeint  sei, 
welche  §  49  der  Versicherungsbedingungen  den  Taxatoren» 
zuweist,  ist  eine  von  den  allgemeinen  Rechtsgrundsätzen  über 
die  Interpretation  von  Willenserklärungen  beherrschte  Frage 
der  Vertragsauslegung  ;  es  handelt  sich  dabei  also  um  eine^ 
Rechtsfrage,  bezüglich  deren  das  Bundesgericht  an  die  Ent- 
scheidung des  kantonalen  Gerichts  nicht  gebunden  ist.  Nun- 
ergiebt  sich  ganz  klar  aus  den  §§  45,  46,  49  der  Versiche- 
rungsbedingungen und  §  7  der  besondern  Bestimmungen  für 
die  Versicherung  von  Wein  und  Obst,  dass  die  Vertragsbe- 
dingungen der  Beklagten  in  der  That  zwischen  den  nützlichen 
und  schädlichen  Folgen  des  Hagelschlages  unterscheiden» 
Nach  den  erstem  Bestimmungen  (insbesondere  §§  46  und  49} 
haben  nämlich  sowohl  die  von  der  Versicherungsgesellschaft 
für  das  Vergleichsverfahren  bezeichneten  Schätzer,  als  die 
Taxatoren  bei  der  formellen  Taxe,  sich  lediglich  damit  zu  be- 
fassen, welcher  Teil  des  mutmasslichen  Ertrages  durch  den« 
Hagelschaden  verloren  gegangen  sei.  Ihnen  ist  also  aus- 
schliesslich die  Feststellung  der  schädigenden  Folgen  des* 
Hagelschlages  anheimgegeben,  während  die  Versicherungsbç- 
dingungen  ihnen  mit  keinem  Worte  auch  die  Feststellung 
der  ersparten  Erntekosten  überbinden  und  gestatten.  Damit 
stimmen  auch  die  von  der  Beklagten  den  Experten  zugestellte 
und  gedruckte  Instruktion  und  die  Sciiatzungstabellen.  In 
dieser  Instruktion  ist  keine  Rede  von  einem  Abzug  der  Ernte- 
kosten, bezw.  einem  Auftrag  und  einer  Anleitung  an  die  Ex- 
perten, diese  Kosten  zu  ermitteln,  und  auch  die  Schatzungs- 
tabellen enthalten  eine  Rubrik  für  solche  Kosten  nicht.  .  .  .. 
In  Betracht  kommt  ferner,  dass  nach  §  7  der  besondern  Be- 
stimmungen die  Grundlage  für  die  Feststellung  des  Schadens, 
bezw.  die  Beantwortung  der  in  §  49,  Ziff.  2  und  3  aufge- 
stellten, hierauf  gerichteten  Fragen,  die  Vergleichung  des 
vom  Hagelschlag  betroffenen  Grundstücks  mit  einem  andern,, 
davon  nicht  betroffenen  gleicher  Kultur  und  gleicher  Ver- 
hältnisse bildet,  und  die  Differenz  zwischen  dem  Ertrag  beider 
den  Massstab  für  den  Verlust  bildet,  welcher  durch  den 
Hagelschlag  entstanden  ist.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass 
diese  Vergleichung  nur  die  Grundlage  bilden  kann  für  die 
Ermittelung  der  schädigenden  Folgen  des  Hagelschlages,. 
nicht  auch  für  die  Ermittelung  der  Vorteile,  soweit  diese  in 
der  Ersparung  von  Erntekosten  bestehen  sollen.  .  .  .  Die  Ver- 
sicherungsbedingungen lassen  daher  nur   die  Wahl  zwischen 


64 

zwei  Annahmen  :  Entweder  ist  als  versicherter  Schaden  im 
♦Sinne  des  konkreten  Versicherungsvertrages  nur  der  durch 
den  Hagelsohlag  verloren  gegangene  Ertrag,  ohne  Abzug 
der  ersparten  Erntekosten,  zu  betrachten  —  oder  die  Fest* 
Stellung  dieser  Kosten  hat,  sofern  die  Parteien  sich  nicht 
gütlich  über  dieselben  einigen,  durch  die  Gerichte  zu  er- 
folgen. Eine  andere  Annahme  ist  schlechterdings  ausge- 
schlossen; insbesondere  geht  es  nicht  an,  diese  Feststellung 
den  Taxatoren  anheimzugeben. 

3.  Dagegen  ist  allerdings  anzuerkennen,  dass  der  Abzug 
der  Erntekosten  an  dem  ermittelten  Ertragsschaden  grund- 
sätzlich zulässig  ist.  ...  In  Ermangelung  einer  entgegen- 
stehenden besondern  Bestimmung  der  Versicherungsbedin- 
gungen und  eines  allgemeinen  Geschäftsgebrauches,  dass  auch 
bei  Totalschaden  ein  Abzug  für  ersparte  Erntekosten  nicht 
gemacht  werde,  muss  das,  auch  in  §  13  der  konkreten  Ver- 
sicherungsbedingungen aufgestellte  allgemeine  Prinzip  des 
Versicherungsrechts  entscheiden,  dass  die  Versicherung  nie- 
mals zu  einem  Gewinn  führen  dürfe,  Beklagte  also  verlangen 
kann,  dass  wenigstens  aus  der  von  ihr  gewährten  Versiche- 
rung dem  Versicherten  ein  Gewinn  nicht  erwachse  (vergi. 
Ehrenberg,  Versicherungsrecht,  Bd  I,  S.  450).  Mit  un- 
recht haben  die  Kläger  in  dieser  Hinsicht  darauf  abgestellt, 
dass  der  Hagel  in  der  Regel  nicht  nur  an  den  Früchten, 
sondern  auch  an  den  Rebstöcken  Schaden  verursacht,  der  den 
Versicherten  nicht  vergütet  werde.  Denn  nach  dein  klaren 
Wortlaut  des  §  1  der  besondern  Bestimmungen  für  die  Ver- 
sicherung von  Wein  und  Obst  übernimmt  die  Gesellschaft 
keine  Garantie  für  den  Schaden,  welchen  der  Hagel  an  den 
Rebstöcken  anrichtet;  sondern  sie  versichert  nur  die  Früchte 
in  Bezug  auf  ihre  Quantität.  Die  Versicherung  gilt  also  nur 
für  die  angesetzten  Früchte,  nicht  für  die  Reben,  und  es 
geht  daher  nicht  an,  der  Ersparung  der  Erntekosten  für 
Trauben  den  Charakter  eines  Vorteils  deswegen  abzusprechen, 
weil  auch  die  Rebstöcke  durch  den  Hagelschlag  geschädigt 
worden  seien.  (Entsch.  vom  12.  November  1898  i  8.  G  ugola 
und  Genossen  c.  Schweizerische  Hagel  Versicherungsgesellschaft.) 


46.  0.  R.  Art.  896.  Auslegtmg  von  Versicherungsbedingungen, 
welche  den  Ausschluss  von  der  Unfallversicherung  wegm  „(?r- 
brechen"  festsetzen.  —  Was  ist  unter  einem  von  der  Unfallver- 
sicherung abschliessenden  Gebrechen  zu  verstehent 

Il  y  a  lieu  de  partir  du  point  de  vue  qu'à  teneur  de 
Part.  3,  al.  3  des  conditions  générales  de  la  police,  notamment 


«5 

de  la  clause  excluant  de  l'assurance  „les  salariés  atteints  de 
surdité,  ceux  âgés  de  plus  de  70  ans,  ou  atteints  d'une  in- 
firmité affaiblissant  la  vue  ou  causant  une  gêne  dans  la  fonc- 
tion normale  d'un  bras  ou  d'une  jambe,"  Ton  ne  doit  consi- 
dérer comme  excluant  la  responsabilité  de  la  Compagnie  que 
des  infirmités  dont  les  effets  se  manifestent  d'une  manière 
sensible  et  gênante  dans  la  vie  de  tous  les  jours,  dans  les 
rapports  de  l'infirme  avec  les  autres  hommes,  ou  dans  l'accom- 
plissement de  son  travail,  et  non  point  une  infirmité  pure- 
ment scientifique  ou  théorique,  qui  n'est  point  accompagnée 
des  inconvénients  susmentionnés.  Une  semblable  interpré- 
tation est  seule  compatible  avec  la  bonne  foi,  qui  doit  pré- 
sider notamment  aux  contrats  d'assurance,  ce  que  le  Tribunal 
fédéral  a  reconnu  en  termes  exprès  dans  son  arrêt  du  22  juillet 
1895  dans  la  cause  Compagnie  d'assurance  „Le  Soleil-Sécu- 
rité générale"  c.  Cosandey  et  consorts  (Ree.  off.  XXI,  page  862). 
Admettre  toute  infirmité,  au  sens  scientifique  du  terme,  comme 
une  cause  de  déchéance  à  teneur  du  contrat,  équivaudrait  à 
frustrer  la  presque  universalité  des  souscripteurs  de  polices 
des  bienfaits  de  l'assurance,  puisqu'il  n'existe  peut-être  aucun 
individu,  chez  lequel  on  ne  puisse  constater,  à  un  degré  quel- 
conque, un  principe  morbide  ou  une  imperfection  organique, 
<jni  empêche  de  le  considérer  comme  en  possession  de  la 
plénitude  de  la  santé,  dans  le  sens  idéal  et  absolu. 

Gestützt  auf  diese  Ausführungen  hat  das  Bundesgericht 
(bei  einem  gegen  Unfall  versicherten  Maurerarbeiter)  eine 
Schwächung  der  Sehkraft  des  einen  Auges,  welche,  Holange 
das  andere  Auge  intakt  blieb,  ohne  jede  praktische  Wirkung 
war  und  daher  jedermann,  auch  dem  Versicherten  selbst  un- 
bekannt blieb  und  nur  durch  besondere  augenärztliche  Unter- 
suchung hätte  entdeckt  werden  können,  nicht  als  ein  von 
der  Versicherung  ausschliessendes  Gebrechen  anerkannt. 
(Entsch.  vom  11.  November  1898  i.  S.  La  Préservatrice  c. 
Chamorel.) 

47.  Bundesgesetz  betreffend  Bau  und  Betrieb  der  Eisenbahnen 
vom  23.  Dezember  1872,  Art.  33.  Bundesgesetz  betreffend  Orga- 
nisation der  Bundesrechtspflege  vom  22.  März  1893,  Art  50.  Kom- 
petenz des  Bundesgerichtes  zu  Beurteilung  von  Streitigkeiten  aus 
Art.  33  Abs.  4  des  Eisenbahngesetzes.  Zur  Auslegung  des  Art.  33 
Abs.  4  cit.  Was  ist  unter  einer  besondern  Leistung  einer  Bahn- 
verwaltung zu  verstehen,  die  ihr  bUligerioeise  nicht  allein  zugemutet 
werden  kannt  Wer  kommt  als  beitragspflichtiger  Dritter  in  Be- 
tracht? Grundsätze  für  Bemessung  der  Beitragspflicht. 


66 

Die  N.  0.  B.  ist  auf  ein  Gesuch  der  Südostbahngesell- 
schaft, welchem  sich  auch  die  beteiligten  Kantonsregierungen 
angeschlossen  hatten,  vom  Bundesrate  gestützt  auf  Art  3£ 
des  Eisenbahngesetzes  angehalten  worden  (in  Verbindung  mit 
den  V.  S.  B.),  zwei  neue  Züge  von  und  nach  Zürich  zum  An- 
schluss  an  Züge  der  Südostbahn  auszuführen.  Sie  belangte 
nunmehr  die  Südostbahn  vor  Bundesgericht,  unter  Berufung 
auf  Art.  33  Abs.  4  des  Eisenbahngesetzes,  auf  Ersatz  des  ihr 
durch  die  Führung  dieser  Züge  entstehenden  Ausfalles.  Das 
Bundesgericht  hat  die  Klage  (tinter  Beschränkung  der  Ent- 
scheidung auf  die  bereits  abgelaufene  Zeit)  für  die  Hälfte  den 
durch  Expertise  für  diese  festgestellten  Ausfalles  (von  im 
Ganzen  annähernd  5000  Pr.)  als  begründet  erklärt.  In  der 
Begründung   dieses  Urteils  wird  im  wesentlichen  ausgeführt: 

1.  Die  Kompetenz  des  Bundesgerichts  zur  Beurteilung 
der  vorliegenden  Klage  ergiebt  sich  aus  Art.  33  Abs.  4  des 
Bundesgesetzes  über  den  Bau  und  Betrieb  der  Eisenbahnen 
vom  23.  Dezember  1872;  dass  die  in  dieser  Gesetzesbestim- 
mung genannten  Streitigkeiten  in  Art.  50  des  Organisations- 
gesetzes betreffend  die  Bundesrechtspflege  nicht  aufgeführt 
sind,  ist  ohne  Bedeutung,  da  die  daselbst  enthaltene  Aufzäh- 
lung nur  eine  beispielsweise  sein  soll,  und  es  sich  im  gegen- 
wärtigen Falle  unzweifelhaft  um  eine  Streitigkeit  der  in 
Alinea  1  dieses  Artikels  aligemein  bezeichneten  Art,  nämlich 
um  eine  durch  besondere  bundesgesetzliche  Vorschrift  der 
ausschliesslichen  Beurteilung  durch  das  Bundesgerioht  unter- 
stellte Streitigkeit  handelt. 

2.  In  erster  Linie  setzt  eine  Klage  der  vorliegenden  Art 
voraus,  dass  die  Entschädigung  verlangt  werde  für  eine  „be- 
sondere Leistung"  der  klagenden  Bahnverwaltung.  Dies  trifft 
im  konkreten  Fall  zu.  Unter  besondern  Leistungen  im  Sinne 
des  Gesetzes  sind,  wie  das  Bundesgericht  in  seinem  Urteile 
in  Sachen  N.  0.  B.  und  S.  C.  B.  gegen  Bund  vom  27.  Fe- 
bruar 1891  (Amtl.  Sammig  Bd  XVII  Nr.  33)  ausgesprochen 
hat,  offenbar  solche  Leistungen  zu  verstehen,  welche  nicht 
allen  Eisenbahngesellschaften  kraft  Gesetzes  gleichmässig  ob- 
liegen, und  zu  welchen  auch  die  einzelne  belastete  Gesell- 
schaft nicht  besonders,  kraft  ihrer  Konzession  oder  eines  son- 
stigen Rechtstitels  schon  ohnehin,  abgesehen  von  der  auf 
Grund  des  Art.  33  getroffenen  bundesrätlichen  Anordnung, 
verpflichtet  ist.  Nun  ist  die  Nordostbahn  unbestrittenermassen 
nicht  auf  Grund  ihrer  Konzession  oder  eines  sonstigen  Recbts- 
titels  zur  Führung  der  beiden  Züge  angehalten  worden,  son- 
dern   ausschliesslich    nur    auf  Grund    des   Art.  33  E.  G.     Es 


67 

kann   also   nicht   zweifelhaft  sein,  dass  es  sich  hier  um  eine 
besondere  Leistung  im  Sinne  von  Art.  33  £.  G.  handelt. 

3.  Fragt  es  sich  weiter,  ob  der  Nordostbahn  diese  besondere 
Leistung  billigerweise  nicht  allein  zuzumuten  sei,  so  muss 
hiebei  in  erster  Linie  in  Betracht  kommen,  ob  die  Vorteile 
dieser  besondern  Leistung,  zu  welcher  die  Nordostbahn  ver* 
pflichtet  worden  ist,  wesentlich  ihr  selbst,  oder  Dritten  zu  gute 
gekommen  seien.  Hierauf  wird  ausdrücklich  auch  in  der  Bot- 
schaft zum  Eisenbahngesetz  abgestellt,  wo  betont  ist,  man 
dürfe  unmöglich,  um  gerecht  zu  sein,  dem  einen  Teil  die 
Lasten  überbinden  und  dem  andern  Teile  alle  Vorteile  zu- 
kommen lassen,  sondern  es  habe  in  diesen  Fällen  eine  billige 
Ausgleichung  stattzufinden.  Da  nun,  wie  sich  aus  der  Ex- 
pertise ergiebt,  der  Nordoslbahn  aus  der  Führung  der  beiden 
Züge  Nachteile,  der  Südostbahn  dagegen  Vorteile  erwachsen 
sind,  behauptet  die  Nordostbahn  gewiss  mit  Recht,  dass  es 
unbillig  wäre,  ihr  die  Tragung  jener  Nachteile  allein  zuzu- 
muten. Sie  ist  daher  nach  Art.  33  Abs.  4  E.  G.  berechtigt, 
einen  angemessenen  Beitrag  von  Dritten  zu  verlangen.  Dar- 
über, wer  diese  Dritten  seien,  spricht  sich  das  Gesetz  des 
nähern  nicht  aus.  Indessen  kann  nach  der  Natur  der  Sache, 
wie  auch  nach  der  in  dem  citierten  bundesgerichtlichen  Ent- 
scheide v.  27.  Februar  1891  (Amtl.  Sammig  Bd  XVII,  Nr.  33> 
dargelegten  Entstehungsgeschichte  des  Art.  33  E.  G.  einem 
begründeten  Zweifel  nicht  unterliegen,  dass  es  sich  dabei 
hauptsächlich  um  die  Beiziehung  anderer  Bahngesell- 
schaften zu  den  Kosten  handelt,  welche  der  mit  der  neuen 
Einrichtung  belasteten  Bahn  billigerweise  nicht  allein  zuge- 
mutet werden  können.  Dem  Art.  33  E.  G.  liegt  unverkenn- 
bar der  Gedanke  zu  Grunde,  es  liege  den  für  eine  bestimmte 
Gegend  konzedierten  Eisenbahngesellschaften  ob,  den  Ver- 
kehrsinteressen dieser  Gegend  gerecht  zu  werden,  soweit  ea 
ihnen  ohne  unverhältnismässige,  ihre  Kraft  übersteigende 
Opfer  möglich  ist;  wenn  der  Verkehr  der  betreffenden  Gegend, 
resp.  dessen  Beziehungen  zu  andern  Verkehrszonen  es  er- 
fordern, habe  daher  die  für  diese  Gegend  konzedierte  Bahn 
innerhalb  der  angegebenen  Grenzen  neue  Verbindungen  her- 
zustellen, und  es  haben  diejenigen  Bahnen,  welche  ihrer  Lage 
nach  an  dem  Verkehr  dieser  Gegend  interessiert  sind,  an  die 
Opfer  beizutragen,  weil  ihnen  eben  gemeinsam  die  Pflicht 
obliege,  die  Verkehrsinteressen  der  Gegend  zu  befriedigen. 
Die  Beklagte  macht  geltend,  dass  auch  die  Kantone,  welche 
im  Interesse  ihrer  Bevölkerung,  oder  eines  Teils  derselben,, 
im  Verein   mit   ihr  beim  Bundesrat  das   Begehren   auf  Ein- 


68 

richtung  der  beiden  Züge  gestellt  haben,  zu  den  Dritten,  von 
denen  Art.  33  AI.  4  E.  G.  spricht,  gehören.     Darüber  ist  za 
bemerken:   Art.  33  Abs.  2  E.  Gr.   verpflichtet   die  Eisenbahn- 
verwaltungen,   die  für   den   durchgehenden  Verkehr  und   zur 
Herstellung    ineinandergreifender  Fahrtenpläne   nötigen   Per- 
sonenzüge einzuführen.   Ans  dieser  Pflicht  folgt,  dass  in  erster 
Linie   ihnen   die   hieraus  entstehenden  Lasten   auffallen,   und 
Ausnahmen   nur   anzunehmen  sind,   soweit  das  Gesetz  solche 
erweislich  statuiert.    Aus  der  Entstehungsgeschichte  des  Eisen- 
bahngesetzes geht  hervor,  dass  der  Gesetzgeber  bei  der  Ord- 
nung dieser  Verhältnisse  allerdings,  neben  der  Mitbelastung  an- 
derer Bahngesellschaften,  auch  die  Heranziehung  von  Staats- 
anstalten, wie  die  Post,  im  Auge  gehabt  hat.   Für  eine  wei- 
tere Ausdehnung  lässt  jedoch  die  durch  das  Gesetz  aufgestellte 
Verpflichtung  der  Eisenbahnverwaltungen  zur  Einlegung  solcher 
vom   Verkehr  geforderter  Züge   keinen  Raum;   denn   die  Zu- 
mutung,  dass   die  Eisenbahnen   die  allgemeinen  Verkehrsbe- 
dürfnisse befriedigen,   ist   nicht   unbillig.     Vollends  kann  da, 
wo  den  beteiligten  Eisenbahnverwaltungen  aus  der  betreffen- 
den Einrichtung  so  viele  Vorteile  erwachsen,  dass  damit  die 
Nachteile    völlig    ausgeglichen    werden    können,    dem    Staate 
billigerweise  ein  Beitrag,  der  ja  eine  Bereicherung  der  Bahn- 
gesellschaften bedeuten  würde,  nicht  zugemutet  werden.  Dieser 
Fall  liegt  aber,   wie  die  Expertise  ergeben  hat,   gerade  hier 
vor,  und  es  kann  daher  von  einer  Beiziehung  der  genannten 
Kantone  als  beitragspflichtige  Dritte  nicht  die  Rede  sein. 

Die  Beklagte  ist  es  somit  allein,  welche  den  Schaden, 
der  der  Klägerin  durch  die  beiden  Züge  erwachsen  ist,  mit- 
zutragen hat,  soweit  derselbe  der  Klägerin  billigerweise  nicht 
allein  zugemutet  werden  darf  Die  Frage  nun,  was  anter 
solchen  Umständen  einer  Bahngesellschaft  billigerweise  nicht 
allein  zugemutet  werden  dürfe,  ist  offenbar  gleichbedeutend 
mit  der  andern,  was  billigerweise  von  dem,  resp.  den  ins 
Recht  gerufenen  Dritten  verlangt  werden  könne,  da  auf  beider 
Seiten  mit  dem  Masse  der  Billigkeit,  gemessen  werden  mnss. 
In  dieser  Beziehung  muss  zunächst  die  Erwägung,  dass  zu 
den  Dritten  nur  diejenigen  Bahngesellschaften  gehören,  welche 
bei  der  Vermittlung  der  betreffenden  Verkehrsinteressen  be- 
teiligt sind,  und  dass  hiebei  wiederum  nur  diejenigen  Teile 
ihres  Bahnnetzes  in  Betracht  fallen,  welchen  speziell  diese 
Vermittlung  zukommt,  dazu  führen,  bei  der  Repartition  de? 
Schadens  billige  Rücksicht  auf  die  Grösse  der  Interessen  zu 
nehmen,  welche  die  Bevölkerung  der  beteiligten  Gegenden 
an   den   neuen  Zügen   hat;    denn   innerhalb   des  betreffenden 


Rayons  haben  die  Bahngesellschaften  die  gemeinsame  Pflicht, 
diesen  Interessen  gerecht  zu  werden.  Ferner  verlangt  die 
Billigkeit,  dass  die  Beitragspflicht  nach  Verhältnis  der  Grösse 
der  Vor-  und  Nachteile  der  betreffenden  Bahnen  bemessen 
werde.  Die  Quote  des  Beitrages  wird,  wenn  die  beitrags- 
pflichtige Bahn  aus  der  betreffenden  Verkehrseinrichtung  nur 
Vorteile  zieht,  relativ  grösser  sein  müssen,  als  wenn  sie  solche 
Vorteile  nicht  hätte,  und  grösser,  wenn  das  Verhältnis  der 
Vorteile  zu  den  Nachteilen  derart  ist,  dass  die  erstem  die 
letztern  erheblich  übersteigen,  als  wenn  das  Verhältnis  ein 
weniger  günstiges  sein  würde.  Endlich  mag  auch  billige 
Rücksicht  auf  die  finanziellen  Kräfte  der  betreffenden  Bahn« 
gesellschaften  zu  nehmen  sein;  denn  da  es  sich  um  Leistun- 
gen zur  Förderung  öffentlicher  Interessen  handelt,  erscheint 
es  angezeigt,  es  damit  ähnlich  zu  halten,  wie  mit  der  Bei- 
tragspflicht an  die  öffentlichen  Lasten  überhaupt. 

(Entsch.  vom  16.  November  1898  i.  8.  Nordostbahn  c. 
Südostbahn.) 

48.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundes- 
rechtspflege vom  22.  März  1893,  Art.  81.  Bundesgesetz  betreffend 
die  Haftpflicht  der  Eisenbahn-  und  Dampfschiffahrtunternehmungen 
bei  Tötungen  und  Verletzungen,  Art.  2, 11.  Verhältnis  des  Art  11 
des  Eisenbahnhaftpflichtgesetzes  zu  Art.  81  des  Organisationsge- 
setzes. Begriff  der  Aktenwidrigkeit.  Aussteigen  aus  einem  fahren- 
den Tramwagen  als  Selbstver schulden. 

1.  Die  in  Art.  81  Organis.  Ges.  der  Ueberprüfungsbefugnis 
des  Bundesgerichts  gesetzte  Schranke  bindet  dasselbe  auch 
in  Eisenbahnhaftpflichtsachen,  trotz  der  Bestimmung  in  Art.  11 
des  Bundesgesetzes  vom  1.  Juli  1875,  dass  bei  Streitigkeiten 
über  die  daraus  entstehenden  Schadenersatzansprüche  das 
Gericht  über  die  Höhe  des  Schadenersatzes  und  die  Wahr- 
heit der  tbatsäohlichen  Behauptungen  nach  freier  Würdigung 
des  gesamten  Inhalts  der  Verhandlungen  zu  entscheiden  habe, 
ohne  an  die  Beweisgrundsätze  der  einschlagenden  Prozess- 
gesetze gebunden  zu  sein.  Denn  diese  Anordnung  wendet 
sich  an  diejenigen  Gerichtsbehörden,  denen  nach  den  ein- 
schlägigen gerichtsorganisatorischen  Bestimmungen  die  Fest- 
stellung des  Thatbe8tandes  obliegt,  d.  h.  zunächst  an  die  kan- 
tonalen Gerichte,  und  es  werden  dadurch  in  erster  Linie  die 
entgegenstehenden  kantonalreohtlichen  Beweisregeln  als  un- 
anwendbar erklärt,  während  die  für  das  Bundesgericht  auf- 
gestellten speziellen  Vorschriften  des  Organisationsgesetzes, 
wodurch  ihm  in  der  Regel  eine  Ueberprüfung  des  durch  die 


70 

kantonalen    Gerichte   festgestellten    Thatbestandes   untersagt 
ist,  dadurch  nicht  berührt  werden. 

2.  Aktenwidrigkeit  liegt  nicht  schon  dann  vor,  wenn  die 
durch  das  Prozessmaterial  gelieferten  thatsächlichen  Elemente 
auch  eine  andere,  als  die  vom  Vorderrichter  daraus  gezogene 
fSchlussf olger  ung  zulassen,  wenn  man  je  nach  der  Würdigung, 
die  man  diesen  Elementen  zu  teil  werden  lässt,  unter  Um- 
ständen auch  zu  einem  andern  Ergebnis  gelangen  kann.  Die 
Würdigung  des  thatsächlichen  Prozessmaterials  nach  seinem 
Beweiswert  und  seiner  Beweiskraft  ist  gerade  die  den  kan- 
tonalen Gerichten  ausschliesslich  überlassene  Thätigkeit,  und 
das  Bundesgericht  ist  an  deren  Feststellungen  auch  dann  ge- 
bunden, wenn  es  sich  um  solche  thatsächliche  Schlussfolge- 
rungen handelt,  zu  denen  es  selbst  vielleicht  bei  eigener  Wür- 
digung des  Prozessstoffes  nicht  gelangt  wäre.  Von  Akten- 
widrigkeit kann  vielmehr  erst  dann  gesprochen  werden,  wenn 
der  kantonale  Richter  das  vorhandene  Prozessmaterial  gar 
nicht  oder  nicht  ausreichend  berücksichtigt  hat,  sei  es,  dass 
er  die  thatsächlichen  Annahmen  auf  Material  stützt,  das  nicht 
Prpzes8material  ist,  oder  dass  der  Richter  wirkliches  Beweis- 
material  übergangen  und  nicht  in  Betracht  gezogen  hat,  und 
deshalb  im  einen  oder  andern  Falle  zu  einer  tatsächlicher. 
Annahme  gelangt  ist,  zu  der  er  unter  Berücksichtigung  des 
Aktenmaterials  nicht  hätte  gelangen  sollen. 

3.  Wenn  auch  vielleicht  nicht  für  jedermann  das  Ab- 
steigen von  einem  fahrenden  Tramwagen  den  Vorwurf  eige- 
nen Verschuldens  begründet,  und  wenn  auch  wohl  mit  Rück- 
sicht hierauf,  wie  die  erste  Instanz  berichtet,  durch  Anschläge 
in  den  Tram  wagen  das  Absteigen  von  fahrenden  Wagen  nicht 
verboten,  sondern  nur  davor  gewarnt  ist,  so  muss  doch  ge- 
sagt werden,  dass  eine  54-jährige  Frau,  wenn  sie  von  einem 
fahrenden  Tramwagen  absteigt,  eine  Unvorsichtigkeit  begeht, 
und  dass  die  daraus  sich  ergebenden  Folgen  von  ihr  selbst 
zu  tragen  sind.  Abgesehen  davon,  dass  die  Bekleidung  der 
freien  Bewegung  einigermassen  hinderlich  ist,  ist  jedenfalls 
bei  Frauen  vom  Alter  der  Klägerin  nicht  mehr  die  Gewandt- 
heit und  Rüstigkeit  vorhanden,  die  unter  Umständen  bei  Jün- 
gern Personen  ein  derartiges  Unterfangen  als  gefahrlos  er- 
scheinen lassen  mögen.  (Entsch.  vom  28.  Dezember  1898 
i.  S.  Kuhn- Jäger    c.   Zürcher   Strassenbahnaktiengesellschaft. 


49.  Bundesgeselz  betreffend  die  Haftpflicht,  aus  Fabrikbetritb 
vom  25.  Juni  1881y  Art.  2.   Bundesgesetz  betreffend  die  Ausdeh- 


71 

nnng  der  Haftpflicht  u.  s.  f.  vom  26.  April  1887,  Art.  3,  4.  Begriff 
des  Betriebsunfalls.  Höhere  Gewalt? 

Der  als  Fahrknecht  bei  dem  Beklagten,  Bierbrauer  Z., 
angestellte  W.  K.  hatte,  da  eines  der  ihm  anvertrauten  Pferde 
wegen  Platzmangels  im  eigenen  Stalle  der  Brauerei  in  einem 
fremden  Stalle  hatte  untergebracht  werden  müssen,  dasselbe 
jeweilen  morgens  dort  abzuholen  und  abends  dorthin  zurück- 
zubringen und  zu  futtern.  Als  er  am  Abend  des  24.  No- 
vember 1897  von  letzterer  Beschäftigung  zurückkehrte,  um 
in  dem  Stalle  der  Bierbrauerei  die  übrigen  seiner  Obhut  an- 
vertrauten Pferde  zu  besorgen,  wurde  er  auf  der  öffentlichen 
Strasse  von  einem  Fuhrwerke,  dessen  Pferde  aus  unbekannter 
Ursache  scheu  geworden  waren,  überfahren  und  getötet.  Die 
von  seinen  Hinterlassenen  gestützt  auf  das  erweiterte  Haft- 
pflichtgesetz gegen  seinen  Dienstherrn  erhobene  Schaden- 
ersatzklage wurde  vom  Bundesgerichte  gutgeheissen,  im  wesent- 
lichen mit  der  Begründung: 

1.  Der  Gedanke,  das  Kriterium  des  Betriebsunfalles  liege 
darin,  dass  die  besondere  Gefährlichkeit  des  Betriebes  den 
Unfall  verursacht  haben  müsse,  ist  vom  Gesetzgeber  im  Fabrik- 
haftpflichtgesetze selbst  nicht  durchgeführt  und  im  erweiter* 
ten  Haftpfiichtgesetze  jedenfalls  nur  in  beschränktem  Umfange 
festgehalten  worden.  Zunächst  verlangt  das  Fabrikhaftpflicht- 
gesetz selbst  nicht,  dass  der  Betrieb  die  unmittelbar  wirkende 
Ursache  des  Unfalls  sei,  dass  sich  dieser  aus  dem  Betriebe 
heraus  entwickelt  haben  müsse,  und  es  erscheint  die  Haft- 
pflicht auch  nach  diesem  Gesetze  nicht  schlechthin  als  aus- 
geschlossen, wenn  eine  äussere,  dem  Betriebe  an  sich  fremde 
Ursache  hinzutreten  musste,  um  den  Erfolg  herbeizuführen. 
Es  ergiebt  sich  dies  ohne  anderes  daraus,  dass  höhere  Gewalt 
und  Verbrechen  und  Vergehen  dritter  Personen  als  Haft- 
befreiungsgründe  aufgeführt  sind.  Seitdem  ferner  die 
Haftpflicht  gesetzlich  auf  bloss  mittelbar  mit  dem  Betrieb  des 
Unternehmens  im  Zusammenhang  stehende  Dienst  Verrichtungen 
und  auf  blosse  Hilfsarbeiten  (Art.  3  und  4  des  erweiterten  Haft- 
pflichtgesetzes vom  26.  April  1887)  ausgedehnt  worden  ist,  kann 
dieselbe  überhaupt  nicht  mehr  davon  abhängig  gemacht  werden, 
dass  die  Gefahr  als  solche,  aus  der  der  Unfall  entstand,  eine 
außergewöhnliche,  nur  eine  in  dem  betreffenden  Gewerbe- 
betriebe sich  bietende  sei,  sondern  es  genügt  unter  allen  Um- 
ständen, um  den  Arbeiter  des  besondern  Schutzes  der  Haft- 
pflichtgesetze teilhaftig  werden  zu  lassen,  wenn  er  infolge 
seiner  Dienstverrichtungen  einer  an  sich  gewöhnlichen,  nicht 
ausserordentlichen  Unfallsgefahr  in  höherem  Masse  ausgesetzt 


1 


72 

ist,  als  wenn  er  nicht  im  Dienste  des  betreffenden  Unter- 
nehmens stünde,  und  wenn  sich  dann  während  der  Arbeit 
diese  Gefahr  verwirklicht.  Dieser  Fall  liegt  hier  vor.  K.  war 
für  einen  Teil  seiner  Dienstverrichtungen  auf  die  öffentliche 
Strasse  angewiesen.  Er  war  deshalb  infolge  seiner  Anstellung* 
im  Geschäfte  der  Beklagten  den  gewöhnlichen  Gefahren  der 
Strasse,  wozu  namentlich  auch  die  Gefahr  einer  Kollision  mit 
Fuhrwerken  gehört,  in  höherem  Masse  ausgesetzt,  als  die 
meisten  andern  Leute,  die  die  Strasse  benutzen.  Der  Unfall, 
der  ihn  auf  seinem  Dienstgange  betroffen  hat,  ist  deshalb  als 
Betriebsanfall  anzusehen,  auch  wenn  man  die  bloss  zeitliche 
und  örtliche  Goincidenz  nioht  genügen  lassen,  sondern  noch 
eine  nähere  Beziehung  des  Betriebs  zu  der  Gefahr,  aus  der 
der  Unfall  entstand,  verlangen  will. 

2.  Mit  der  Einrede  der  höhern  Gewalt  vermag  der  An- 
spruch der  Kläger  auf  Ersatz  des  ihnen  duroh  den  Unfall  er- 
wachsenen Schadens  nicht  beseitigt  zu  werden.  Wenn  das 
Ereignis  auch  für  die  Beklagten  als  schlechthin  unabwendbar 
sich  darstellt,  so  lag  es  doch,  wie  die  Vorinstanzen  richtig 
ausführen,  innerhalb  menschlicher  Berechnung  und  Voraus- 
sicht. Die  Gefahr,  der  K.  erlegen  ist,  war  seiner  Beschäfti- 
gung im  Dienste  der  Beklagten  gleichsam  inhärent,  und  es 
können  sich  deshalb  letztere  nicht  mit  der  Einrede  der  höhern 
Gewalt  von  der  Haftung  befreien  (vergi,  den  Entscheid  des 
Bandesgerichts  in  Sachen  Meuli  c.  Graubünden,  A.S.  Bd  XVII 
S.  412  f.).  (Entsch.  vom  2.  Februar  1899  i.  S.  Gebrüder  Zeller 
c.  Krieger.) 

50.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege  vom  22.  März  1893,  Art.  58.  Bundesgesetz  betreffend  Schuld- 
betreibung und  Konkurs  vom  11.  April  1889,  Art.  85.  Natur  der 
gemäss  Art.  85  cit.  erlassenen  gerichtlichen  Entscheidungen  über 
Einstellung  oder  Aufhebung  der  Betreibung,  ob  Haupturteilet 

Durch  Art.  85  cit.  des  Schuldbetreibungs-  und  Konkurs- 
gesetzes wird  dem  Gerichte  (und  zwar  offenbar  dein  Gerichte 
des  Betreibungsortes)  die  Aufgabe  gestellt,  auf  Grund  sum- 
marischer, auf  bestimmte  Beweismittel  (Urkunden)  beschränk- 
ter Prüfung,  nicht  über  den  Bestand  des  geltend  gemachten 
Anspruchs,  sondern  über  Aufhebung  oder  Einstellung  der  Be- 
treibung, also  über  eine  rein  prozessrechtliche  Frage  zu  ent- 
scheiden. Eine  Entscheidung,  durch  welche  auf  Grund  desArt.85 
cit.  die  Aufhebung  der  Betreibung  angeordnet  ist,  steht  also 
einer  spätem  Geltendmachung  des  betreffenden  Anspruchs  im 
ordentlichen    Verfahren    nicht    entgegen;    es   kann    auf   eine 


Ï3 

solche  Entscheidung,  welcher  materiell  nicht  die  Natur  eine« 
Urteils,  sondern  eines  blossen  Beschlusses  zukommt,  die  Ein- 
rede der  abgeurteilten  Sache  nicht  gestützt  werden.  Sie  er- 
scheint demgemäss  nicht  als  Haupturteil  und  es  kann  gegen 
sie  die  Berufung  an  das  Bundesgericht  nicht  ergriffen  werden. 
(Entsch.  vom  25.  Januar  1899  i.  S.  Müller  c.  Ebersold.) 


51.  Bundesgesetz  betreffend  Schuldbetreibung  und  Konkurs 
vom  11.  April  1889,  Art.  219,  Klasse  IV.  Soweit  (wie  dies  nach 
zürcherischem  Rechte  der  Fall  ist)  die  Liegenschaften  der  Ehe- 
frau in  die  Verwaltung  des  Ehemannes  übergehen,  gehören  sie 
zu  dem  zugebrachten  Frauengute  auch  dann,  wenn  dem  Ehemanne 
ein  Verfügungsrecht  über  dieselben,  speziell  das  Recht,  sie  zu 
veräussern,  nicht  zusteht.  Im  Konkurse  des  Ehemannes,  in  wel- 
chem die  Ehefrau  sie  als  Eigentümerin  zurücknimmt,  ist  ihr  Wert 
einerseits  bei  Feststellung  der  Frauengutsansprache  mitzuberechnen, 
andererseits  auf  den  privilegierten  Teil  des  letztern  anzurechnen. 

(Entsch.  vom  24.  Dezember  1898  i.  S.  Wipf  c.  Masse 
Wipf.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 

52.  Verjährung  von  Deliktsansprüchen.  Möglichkeit 
der  Belangung  vor  schweizerischen  Gerichten.  Art.  69,  153  Ziffer  6 
0.  R. 

Zürich.  Urteil  des  Bezirksgerichts  W.  und  der  App. -Kammer  des  Ober- 
gerichts vom  1.  März  1898  in  S.  Wegmann  c.  Büchi. 

Am  15.  Dezember  1876  entdeckte  Frau  Wegmann  in 
Neftenbach,  dass  in  der  ihr  gehörigen  Bergtrotte  von  bös- 
williger Hand  durch  Herausnahme  der  Thürzapfen  an  den 
Fässern  sämtlicher  Wein  ausgelassen  worden  war.  Auf  ihre 
Veranlassung  wurde  Straf  Untersuchung  wegen  böswilliger 
Eigentumsschädigung  eingeleitet,  zuerst  gegen  Küfer  St., 
nachher  im  März  1878  gegen  Jakob  Büchi  (den  heutigen 
Beklagten),  aber  beide  Untersuchungen  wurden  Mangels 
genügender  Indicien  sistiert.  Auf  neue  Verdachtsgründe  hin 
wurde  im  November  1883  die  Untersuchung  gegen  Büchi 
wieder  eingeleitet.  Derselbe  wurde  verhaftet,  dann  gegen 
Kaution  auf  freien  Fuss  gesetzt  (Dezember  1883)  und  ver- 
schwand darauf,  ohne  dass  man  erfuhr,  wo  er  sich  befinde. 
1897  starb  sein  Bruder  Albert  Büchi  und  wurde  von  seinen 
Geschwistern  beerbt.    Frau  Wegmann  erwirkte  einen  Arrest 


74 

auf  die  Erbquote  des  Jakob  Büchi  und  betrieb  dann  den- 
selben,  resp.  den  ihm  bestellten  Vormund,  Heinrich  Buchi, 
der  aber  Recht  vorschlug.  Die  darauf  von  Frau  W.  erhobene 
Klage  wurde  vom  Bezirksgericht  W.  abgewiesen. 

Gründe:  Der  Klage  wird  die  Einrede  der  Verjährung 
entgegengestellt.  Sowohl  nach  dem  alten  Priv.  Ges.-B.  §  1064, 
als  nach  Art.  69  0.  R.  in  Verbindung  mit  §  52  litt,  o  und 
§  181  litt,  b  des  Straf-G.-B.  wäre  die  Verjährung  in  10  Jahren 
vollendet  gewesen;  da  sie  indess  nach  den  Bestimmungen 
des  zürcherischen  Rechtes  im  Zeitpunkt  des  Inkrafttretens 
des  eidgen.  0.  R.  (1.  Januar  1883)  noch  nicht  eingetreten  war, 
so  richtet  sie  sich  von  da  an  nach  den  Vorschriften  des 
letztgenannten  Gesetzes,  insbesondere  auch  mit  Rücksicht 
auf  die  Frage,  ob  sie  seither  geruht  habe,  oder  unterbrochen 
worden  sei.  Die  Klägerin  macht  geltend,  die  Verjährung  sei 
stillgestanden  gemäss  Art.  153  Ziff.  6  0.  R.,  wonach  dieselbe 
ruht,  so  lange  ein  Anspruch  vor  einem  schweizerischen  Ge- 
richte nicht  geltend  gemacht  werden  kann.  Der  Beklagte 
wendet  aber  ein,  es  komme  gar  nicht  darauf  an,  ob  ein  Öi- 
8tierungsgrund  an  und  für  sich  vorliege  oder  nicht,  denn  die 
Verjährung  trete  jedenfalls  in  10  Jahren  ein,  weil  nach  Art.  69 
Abs.  2  die  Verjährungsfrist  für  das  betreffende  Vergehen 
massgebend  sei,  die  nach  §  52  litt,  c  des  Str.-G.-B.  10  Jahre 
betrage,  und  das  Strafrecht  das  Ruhen  der  Verjährung  nicht 
kenne. 

Nun  ist  richtig,  dass  dem  zürcherischen  Strafrecht  eine 
Hemmung  der  Verjährung  im  Sinne  des  Art.  156  Ziff.  6  0.  R. 
unbekannt  ist,  und  da  auch  eine  Unterbrechung  der  straf- 
rechtlichen Verjährung  nicht  stattgefunden  hat,  so  ist  die 
Strafklage  in  der  That  als  verjährt  zu  betrachten  und  damit 
auch  die  Ci  vil  klage,  soweit  nicht  etwa  nach  Massgabe  des 
ersten  Absatzes  des  Art.  69  die  civilrechtliche  Verjährung 
noch  nicht  vollendet  ist.  Denn  die  strafrechtliche  Verjährung 
(Abs.  2  des  Art.  69)  kommt  nur  zur  Anwendung,  wenn  die 
civilrechtliche  Verjährung  (Abs.  1  des  Art.  69)  eine  kürzere 
ist.  Nach  Art.  69  Abs.  1  0.  R.  verjährt  die  Civilklage  aus 
unerlaubter  Handlung  in  einem  Jahre  vom  Tage  an,  wo  der 
Geschädigte  Kenntnis  von  der  Schädigung  und  der  Person 
des  Thäters  erlangt  hat.  Nun  erlangte  die  Klägerin  erst 
durch  die  dritte  Strafuntersuchung,  die  im  Juli  1884  abge- 
schlossen wurde,  Kenntnis  von  der  Person  des  Thäters,  da- 
mals erst  fing  also  die  einjährige  Frist  zu  laufen  an,  und  so- 
fern die  Verjährung  durch  die  Flucht  des  Thäters  und  dessen 
unbekannte  Abwesenheit  gehemmt  war,  wäre  also  selbst  die 


rfo 


einjährige  Verjährung  noch  nicht  vollendet.  Nun  bestimmt 
aber  der  zweite  Satz  von  Art.  69  1.  1,  dass  jedenfalls  die 
Verjährung  in  10  Jahren  vom  Tage  der  Schädigung  eintrete. 
Es  fragt  sich  nun,  ob  diese  Bestimmung  auch  die  Hemmung 
der  Verjährung  im  Sinne  des  Art.  153  habe  ausschliessen 
wollen,  oder  ob  diese  Gesetzesstelle  lediglich  dahin  auszu- 
legen sei,  dass  die  Ci  vil  klage  nach  10  Jahren  auch  dann  ver- 
jähre, wenn  der  Geschädigte  von  der  Schädigung  und  der 
Person  des  Thäters  keine  Kenntnis  gehabt  habe,  vorbehalt- 
lich aber  der  Frage,  ob  die  Verjährung  unterbrochen  worden 
sei,  oder  geruht  habe. 

Der  innere  Zusammenhang  des  ersten  und  zweiten  Satzes 
des  Art.  69  1.  1  spricht  eher  für  die  letztere  Auffassung,  über- 
haupt will  der  Art.  69  wohl  nur  die  Verjährungsfristen  an 
und  für  sich  festsetzen,  im  übrigen  aber  speziell  auch  hin- 
sichtlich der  Unterbrechung  und  Hemmung  der  Verjährung 
die  allgemeinen  Vorschriften  des  Art,  146  ff.  angewendet  wis- 
sen. Es  ist  also  eher  anzunehmen,  dass  auch  nach  dem 
zweiten  Satz  des  Art.  69  1.  1  die  Verjährung  durch  Ablauf 
von  10  Jahren  nicht  vollendet  ist,  wenn  ein  Hemmungsgrund 
im  Sinne  des  Art.  156  0.  R.  vorhanden  war.  Demnach  ist 
zu  untersuchen,  ob  ein  Hemmungsgrund,  speziell  derjenige 
des  Art.  153  Ziff.  6  zutreffe. 

Unter  der  Möglichkeit  der  Belangung  vor  einem  schweize- 
rischen Gericht  im  Sinne  des  Art.  153  Ziff.  6  0.  K.  ist  aber, 
wie  der  Beklagte  mit  Recht  hervorhebt,  wohl  nur  die  recht- 
liche Möglichkeit  der  Geltendmachung  verstanden,  und  es 
kann  nicht  darauf  abgestellt  werden,  ob  die  Belangung  einen 
praktischen  Erfolg  hätte,  d.  h.  darauf,  ob  exequierbares  Ver- 
mögen vorhanden  sei  oder  nicht. 

Inwiefern  ein  Anspruch  vor  einem  schweizerischen  Gericht 
geltend  gemacht  werden  kann,  entscheiden  die  kantonalen 
Prozessgesetze  (vergi.  Hafners  Kommentar,  Art.  153,  Note  4). 

Nach  dem  Gesetz  betr.  die  Rechtspflege  standen  der . 
Klägerin  verschiedene  Wege  offen,  um  ihren  Anspruch  gel- 
tend zu  machen.  So  konnte  sie  den  Beklagten  gemäss  §  209 
Rpfl.-Ges.  beim  Gericht  des  letzten  Wohnsitzes  (Neftenbach) 
belangen,  da  ja  ein  anderer  Wohnsitz  nicht  bekannt  war. 
Ebenso  konnte  sie  den  Beklagten  gestützt  auf  §  216  cit., 
wonach  Klagen  aus  unerlaubten  Handlungen  und  Vergehen 
auch  selbständig  da  angebracht  werden  können,  wo  diese  be- 
gangen worden  sind,  bei  den  hiesigen  Gerichten  verklagen. 
Die  Replik  der  Hemmung  erscheint  somit  unbegründet  und  es 
muse  daher  die  Klage  wegen  Verjährung  abgewiesen  werden. 


76 

Die  Appellationskammer  des  Obergerichtes  bat  diesen 
Entscheid  bestätigt,  im  wesentlichen  aus  den  erstinstanz- 
lichen Gründen,  mit  Zusätzen,  die  hier  weggelassen  werden 
können.  (Schweizer  Blätter  für  h.-r.  Entech.,  XVII  S.  290  ff.) 

53.  Verjährung  eines  durch  Strafurteil  festgesetzten  Civil" 
anspruches.  Auslegung  von  Art  69  0.  R. 

Zürich.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichts  vom  15.  Ok- 
tober 1898  i.  S.  Erben  Signer. 

Der  Beklagte  wurde  ira  Jahre  1880  vom  Obergericht  des 
Kantons  Appenzell  a./Rh.  des  Totschlags  schuldig  erklärt,  zu 
zwei  Jahren  Zuchthaus  verurteilt  und  zugleich  verpflichtet, 
die  Hinterla8senen  des  Getöteten  mit  2500  Fr.  zu  entschädigen. 
Nach  Verbüs8ung  der  Strafe  lebte  der  Beklagte  bis  zur  heu- 
tigen Stunde  stets  im  Kanton  Zürich.  Seit  dem  Erlass  des 
Urteils  war  die  Civilforderung  dem  Beklagten  gegenüber  bis 
zum  Frühjahr  1898  in  keiner  Form  geltend  gemacht  worden. 

Die  Kläger  stützen  ihre  Forderung  auf  Art.  44  des  ap- 
penzellischen  Strafgesetzbuches,  wonach  bei  einer  rechtskräftig 
erkannten  Strafe  eine  Verjährung  nicht  eintrete,  sowie  auf 
Art.  69  Abs.  2  0.  R. 

Der  Beklagte  hielt  der  Klage  die  Einrede  der  Verjäh- 
rung entgegen. 

Die  erste  und  zweite  Instanz  erklärten  die  Einrede  als 
begründet;  die  letztere  aus  folgenden 

Gründen:  1.  Es  kann  sich  in  erster  Linie  fragen,  ob 
hinsichtlich  der  Verjährung  der  klägerischen  Forderung,  nach- 
dem dieselbe  s.  Zt.  durch  rechtskräftiges  Urteil  des  zustän- 
digen Richters  festgestellt  worden  ist,  noch  überhaupt  etwas 
auf  den  ursprünglichen  Entstehungsgrund  des  Anspruchs  an- 
komme. Die  Frage  müsste  selbstverständlich  verneint  wer- 
den, wenn  in  dem  eine  Forderung  schützenden  gerichtlichen 
Urteile  eine  Novation  derselben  zu  erblicken  wäre.  Das  ist 
indessen  keineswegs  der  Fall,  vielmehr  kann  dem  Urteil  nur 
eine  deklaratorische  Bedeutung  beigemessen  werden,  so  dass 
es  8 ich  nach  wie  vor  um  den  nämlichen,  nunmehr  allerdings 
rechtskräftig  konstatierten  Anspruch  handelt.  Wenn  nun 
Alt.  157  0.  R.  vorschreibt,  dass  mit  jeder  Verfügung  oder 
Entscheidung  des  Richters  „die  Verjährung  von  neuem  be- 
ginne," so  kann  das  nicht  anders  verstanden  werden,  als  da- 
hin, dass  dem  Anspruch  mit  der  gerichtlichen  Feststellung 
desselben  wieder  die  gleiche  Verjährung  wie  die  ursprüng- 
liche, seiner  Natur  entsprechend,  laufe.  (Vergi,  in  dieser  Be- 
ziehung die  Ausführungen  des  Bundesgerichts  im  Entscheide 
i.  S.  Erzinger,  Bd  XX,  S.  1020  Erwägung  2.) 


2.  Der  Auffassung  des  Vorrichters,  dass  Art.  69  AI.  2 
0.  R.  die  Geltendmachung  des  aus  einer  strafbaren  Handlung 
hergeleiteten  Civilanspruchs  nur  für  so  lange  sichern  wolle, 
als  die  Möglichkeit  der  Strafverfolgung  bestehe,  bezw.  das 
Recht  zur  letztern  nicht  konsumiert  sei,  kann  zweitinstanzlich 
nicht  beigetreten  werden.  Nach  dem  klaren  Wortlaut  der 
Bestimmung  soll  in  den  Fällen,  in  denen  der  Strafanspruch 
des  Staats  in  einer  längern  Zeit  als  der  in  Art.  69  AI.  1  0.  ß. 
vorgesehenen  verjährt,  die  gleiche  längere  Verjährungsdauer 
auch  für  den  aus  der  betreffenden  Handlung  resultierenden 
Schadenersatzanspruch  gelten,  ohne  dass  dabei  irgendwie  Ge- 
wicht darauf  gelegt  wird,  ob  die  Strafverfolgung  bereits  statt- 
gefunden hat  oder  nicht.  Für  eine  Behandlung  der  Sache 
im  letztern  Sinne  hätten  auch  keine  inneren  Gründe  vorge- 
legen, da  ein  Abhängigkeitsverhältnis  zwischen  dem  Civil- 
anspruch  und  dem  Recht  zur  Strafverfolgung  nicht  besteht. 
Allerdings  liess  sich  der  Gesetzgeber  bei  der  Vorschrift  wohl 
von  dem  Gedanken  leiten,  dass  es  richtig  sei,  eine  gewisse 
Uebereinstimmung  zwischen  der  civilrechtlichen  und  der  straf- 
rechtlichen Verjährung  zu  schaffen.  Diese  Erwägung  konnte 
aber  naturgemäss  nicht  dazu  führen,  das  Bestehen  des  Straf- 
anspruchs irgendwie  zur  Voraussetzung  für  die  Fortexistenz 
des  Civilanspruchs  zu  machen,  sondern  es  konnte  sich  nur 
darum  handeln,  die  Verjährungsdauer  für  die  Schadenersatz- 
forderung nicht  kürzer  als  da,  wo  strafbare  Handlungen  in 
Frage  kommen,  angemessen  zu  erstrecken. 

.  3.  Dass  Art.  69  AI.  2  0.  R.  nicht  nur  da  Anwendung 
finden  will,  wo  das  kantonale  Strafrecht  eine  „längere"  Ver- 
jährung vorschreibt,  sondern  auch  in  den  Fällen,  in  denen 
die  Strafthat  überhaupt  nicht  verjährt,  darf  ohne  weiteres 
angenommen  werden.  Es  wäre  daher  an  sich  nach  dem  Ge- 
sagten davon  auszugehen,  dass  der  klägerische  Schadener- 
satzanspruch nach  den  Bestimmungen  des  schweizerischen 
Obligationenrechts  keiner  Verjährung  unterworfen  gewesen 
sei,  da  §  4  des  appenzellischen  Strafgesetzbuches  für  alle  Ver- 
brechen —  zu  denen  auch  der  Totschlag  gehöre  —  die  Un- 
verjährbarkeit ausspricht.  Allein  nun  darf  nicht  ausser  Acht 
gelassen  werden,  dass  Art.  6i)  AI.  1  0.  R.  zwei  Verjährungs- 
fristen statuiert.  Einmal  soll  der  Schadenersatzanspruch  durch 
die  gewöhnliche  zehnjährige  Verjährung  beseitigt  werden, 
deren  Beginn  einfach  mit  der  Schädigung  zusammenfällt;  so- 
dann aber  geht  der  Anspruch  auch  innerhalb  dieser  Verjäh- 
rungszeit unter,  wenn  der  Geschädigte  ihn  nicht  binnen  eines 
Jahres  von  dem  Tage,   an  welchem  ihm  die  Schädigung  und 


78 

die  Person  des  Thäters  bekannt  geworden  sind,  geltend  macht. 
Es  kann  nun  nicht  als  Meinung  des  Gesetzes  angesehen  wer- 
den, da8s  auch  diese  letztere  einjährige  Verjährung  durch  die 
Bestimmung  des  Art.  69  AI.  2  berührt  werde.  Aus  dein  Wort- 
laut desselben  ergiebt  sich  das  nicht,  da  der  ganze  zweite 
Absatz  des  Art.  69  grammatikalisch  sehr  wohl  nur  auf  den 
Schiusa  des  ersten  Absatzes  („jedenfalls  aber  mit  dem  Ablauf 
von  10  Jahren  etc.a)  bezogen  werden  kann,  und  da  man  ea 
bei  der  für  die  Ansprüche  aus  strafbaren  Handlungen  aufge- 
stellten Vorschrift  mit  einer  Ausnahmebestimmung  zu  thun 
hat,  wird  man  das  Gesetz  hier  nach  allgemeinen  Grundsätzen 
enge  interpretieren  müssen.  Dazu  kommt,  dass  der  Beginn 
der  strafrechtlichen  Verjährung  (an  die  „Verwirkung"  des 
Strafantrages  ist  hier  offenbar  nicht  zu  denken)  zwar  der 
nämliche  ist,  wie  bei  der  zehnjährigen  Verjährung  des  Art.  69 
AI.  1,  keineswegs  aber  mit  demjenigen  der  einjährigen  Ver- 
jährung zusammentrifft.  Man  konnte  also,  wenn  es  sich  ledig- 
lich darum  handelte,  die  Zeitdauer  der  Verjährung  zu  er- 
strecken (eine  „längere"  Frist  zu  bestimmen),  nur  die  im 
Strafrecht  vorgesehene  Zeit  und  die  zehnjährige  Periode  des 
Art.  69  AI.  1  einander  gegenüberstellen.  Uebrigens  ist  auch 
zu  beachten,  dass,  wenn  man  die  beiden  Verjährungsbestiui- 
mungen  dieses  ersten  Absatzes  von  Art.  69  zusammennehmen 
wollte,  die  strafrechtliche  Verjährung  —  man  denke  z.  B.  an 
die  fünfjährige  des  §  52  litt,  d  des  zürcherischen  Strafgesetz- 
buches —  zugleich  kürzer  und  länger  sein  könnte  als  die 
der  Regel  nach  für  Forderungen  aus  Art.  50  ff.  0.  R.  vorge- 
sehene, kürzer  mit  Bezug  auf  die  zehnjährige,  länger  hin- 
sichtlich der  einjährigen  Verjährung.  In  solchen  Fällen  wäre 
dann  gar  nicht  zu  entscheiden,  ob  die  Frist  des  Strafrechts 
gelten  oder  an  den  allgemeinen  Grundsätzen  des  Art.  69  AI.  1 
festgehalten  werden  solle.  Höchstens  könnte  man  annehmen, 
dass  dann  neben  der  zehnjährigen  Verjährung  die  einjährige 
mit  der  Modifikation  zur  Anwendung  komme,  dass  sie  vor 
Ablauf  der  strafrechtlichen  Verjährung  nicht  zu  Ende  gehe. 
Allein  für  eine  solche  Kombination  der  drei  Verjährungen 
bietet  das  Gesetz  doch  keine  Anhaltspunkte,  vielmehr  ist  die 
natürliche  Auslegung  die,  dass  einfach  die  zehn  Jahre  des 
Art.  69  AI.  1  durch  die  längere  Frist  des  Strafrechts  ersetzt 
werden  sollen.  Für  diese  Interpretation,  —  die  auch  in  der 
Doktrin  (vergi.  Martin  in  der  Zeitschrift  für  Schweiz.  Recht 
N.  F.  Vili  S.  43)  verfochten  wird  —  lässt  sich  schliesslich 
auch  die  Entstehungsgeschichte  der  Bestimmung  heranziehen. 
In  der  früheren  Fassung  statuierte  der  erste  Absatz  des  Ar- 


T9 

likel8  nämlich  nur  eine,  mit  der  Begründung  des  Anspruchs 
beginnende  Verjährung  von  zwei  Jahren,  und  es  war  hier 
natürlich  ganz  klar,  dass  sich  der  Vorbehalt  des  zweiten  Ab- 
satzes einzig  und  allein  auf  die  dem  Schadenersatzanspruch 
von  Anfang  an  —  ohne  Rücksicht  auf  das  Bekanntsein  der 
Schädigung  und  des  Thäters  —  laufende  Verjährung  bezog. 
Es  liegt  nun  nichts  dafür  vor,  dass  der  Sinn  dieses  zweiten 
Absatzes  später  ein  anderer  geworden  ist,  wenn  auch  im 
ersten  Teil  der  Bestimmung  neben  der  Umänderung  der  zwei- 
jährigen Fri  st  in  eine  zehnjährige  noch  die  Festsetzung  einer 
zweiten,  sich  von  der  ersten  in  den  Voraussetzungen  ganz 
unterscheidenden  Verjährung  erfolgte;  man  wird  daher  an- 
nehmen können,  dass  sich  die  Modifikation  nach  wie  vor  nur 
auf  die  erste  Art  der  Verjährung  (die  vom  Moment  der 
Schädigung  an  laufende)  bezieht,  mit  dem  alleinigen  Unter- 
schiede, dass  das  Strafrecht  nunmehr  nur  in  Betracht  kommt, 
wenn  die  von  ihm  vorgesehene  Verjährung  der  Strafthat  10 
(statt  2)  Jahre  übersteigt. 

4.  Trifft  das  Gesagte  zu,  so  ist  das  erstinstanzliche,  die 
Klage  abweisende  Urteil  zu  bestätigen.  Denn  da  die  Kläger 
bereits  im  Jahre  1880  von  der  Schädigung  und  der  Person 
des  Thäters  Kenntnis  hatten,  ist  die  Verjährung  ihrer  Schaden- 
ersatzansprüche mit  dem  1.  Januar  1884  eingetreten  (vergi.  Art. 
883  AI.  2  0.  B.).       (Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entech.,  XVII  S.  306  ff.) 


54.  Cautionnement.  Diminution  des  sûretés  garantissant 
la  dette.  Faute  du  créancier  ou  de  ta  caution  t  Art.  508  C.  0. 

Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  19  novembre  1898 
d.  1.  c.  Compagnie  industrielle  c.  Permezel. 

Permezel  est  propriétaire  d'un  immeuble  loué  à  la  Com- 
pagnie industrielle  et  sous- loué  par  celle  ci  à  Feldmann.  Par 
un  acte  sous  seing  privé  passé  entre  ces  trois  parties  il  a  été 
convenu  que  la  location  était  transmise  à  Feldmann  et  que 
la  Compagnie  industrielle  so  portait  fort  et  garante  solidaire 
de  Feldmann  tant  pour  le  paiement  du  loyer  que  pour  la 
pleine  et  entière  exécution  des  clauses  contenues  dans  le  bail. 
Le  3  février  1898,  Permezel  a  assigné  Feldmann  et  la  Com- 
pagnie industrielle  pour  s'entendre  condamner  solidairement 
à  lui  payer  885  fr.  pour  un  semestre  de  loyer,  du  1er  janvier 
au  1er  juillet  1898.  La  Compagnie  industrielle  a  opposé  qu'étant 
liée  comme  caution  solidaire  elle  pourait  se  prévaloir  de 
l'art.  508  C.  0.,  en  vertu  duquel  le  créancier  ne  peut,  sans 
engager  sa  responsabilité  à  l'égard  de  la  caution,  diminuer, 
au  préjudice  de  celle-ci,  les  sûretés  qui  garantissaient  la  dette, 


80 

car  il  avait  négligé  d'exercer  son  droit  de  rétention  sur  les 
meubles  qui  garnissaient  les  locaux  et  les  avait  laissé  en- 
lever par  Feldmann.  A  l'appui  de  ce  moyen  de  défense,  la 
Compagnie  industrielle  a  offert  de  prouver  que  Feldmann  avait 
garni  les  locaux  de  meubles  suffisants  pour  garantir  le  paie- 
ment de  son  loyer  et  que,  par  suite  de  la  négligence  de  Per- 
mezel,  celui-ci  avait  pu  sortir  ces  meubles  des  locaux. 

Le  Tribunal  de  lre  instance  a  condamné  la  Compagnie  in- 
dustrielle au  paiement  de  la  somme  réclamée;  quant  au  moyen 
de  défense  proposé  par  la  Compagnie,  il  se  prononce  ainsi: 
la  preuve  qu'elle  offre  n'est  pas  pertinente,  car  la  disposition 
de  l'art.  508  prévoit  le  cas  où  le  créancier,  par  un  acte  vo- 
lontaire, diminuerait  les  sûretés  qui  garantissaient  la  dette, 
mais  elle  est  inapplicable  au  cas  où  cette  diminution  de  sûretés 
n'est  pas  le  fait  du  créancier.  La  Cour  a  confirmé  ce  juge- 
ment tout  en  modifiant  ce  motif.  Elle  dit: 

La  Compagnie  industrielle  s'est  portée  fort  et  garante 
solidaire  de  Feldmann  pour  la  pleine  et  entière  exécution  des 
clauses  du  bail; 

Parmi  ces  clauses  figure  l'obligation  du  locataire  de  garnir 
les  emplacements  loués  en  quantité  suffisante  d'objets  mobi- 
liers pour  garantir  les  loyers  courus  et  à  courir. 

11  lui  incombait  donc  la  charge  de  veiller  à  ce  que  Feld- 
mann se  conformât  à  cette  obligation. 

Dès  lors,  quoiqu'il  soit  inexact  de  dire,  comme  les  pre- 
miers juges,  que  la  disposition  de  l'art.  508  n'est  applicable 
que  lorsque  le  créancier  a,  par  un  acte  de  volonté,  diminué 
les  sûretés  qui  garantissaient  la  dette,  et  non  lorsqu'il  les  a 
laissé  diminuer  par  une  simple  négligence,  toutefois,  dans 
les  circonstances  de  la  cause,  l'appelante  (Comp,  ind.)  ne  peut 
pas  se  prévaloir  de  cette  négligence,  puisqu'il  lui  incombait, 
en  première  ligne,  de  veiller  à  ce  que  Feldmann  garnisse 
les  emplacements  loués  de  meubles  suffisants  pour  garantir 
le   paiement  des  loyers.  (La  Semaine  judiciaire,  XXI  p.  12  sa.) 

55.  Verzinsung  der  durch  Verluste  verminderten 
Kommanditsumme.  Tragweite  des  bezüglichen  Verbotes  in 
Art.  605  0.  Ä. 

Battelstadt.    Urteil  des  Appellationsgeriehts  vom  20.  Februar  1899 
in  S.  Merian  c.  Beutel  &  Cie. 

Ein  Kommanditär  klagte  gegen  die  Gesellschaft  auf  Zah- 
lung der  Zinsen  aus  seinem  Kommanditkapital.  Die  Beklagte 
verweigerte  die  Bezahlung,  weil  dadurch  die  Kommandit- 
summe  vermindert   würde,   gestützt   auf  Art.  605  O.  R.     Das 


81 

Civilgericht  spraoh  dem  Kläger  die  verlangten  Zinsen  zu, 
weil  „dieses  Verbot  des  Art.  605  nicht  so  zu  verstehen  sei, 
dass  dem  Kommanditär  bei  der  erwähnten  schlechten  Finanz- 
lage der  Gesellschaft  überhaupt  nicht  gestattet  wäre,  Zinsen 
zu  beziehen;  der  auf  das  Verbot  folgende  Absatz  3  von 
Art.  605,  wonach  der  Kommanditär  für  die  Verbindlichkeiten 
der  Gesellschaft  haftet,  wenn  und  soweit  er  dem  Verbote 
entgegen  Zahlungen  von  ihr  empfangen  hat,  weise  vielmehr 
darauf  hin,  dass  auf  die  Gefahr  der  Haftung  hin  die  Zinsen 
bezogen  werden  dürfen,  dass  also  im  Grunde  gar  kein  striktes 
Verbot  gegen  den  Zinsbezug  vorliege." 

Das  Appellationsgericht  erwog  zunächst  die  Frage,  ob 
die  Klage  richtigerweise  gegen  die  Gesellschaft  angestellt 
worden  sei,  oder  ob  sie  nicht  vielmehr  gegen  den  Komple- 
mentär hätte  erhoben  werden  sollen.  Es  liess  die  Frage  un- 
beantwortet, da  in  casu,  wo  nur  ein  Komplementär  und  nur 
ein  Kommanditär  vorhanden,  das  Resultat  das  gleiche  ge- 
wesen wäre,  lieber  das  Prinzip  des  Art.  605  aber  war  es 
entgegengesetzter  Ansicht  und  wies  die  Klage  auf  die  Zins- 
zahlung ab. 

Motive:  Aus  dem  Umstände,  dass  der  Art.  605  0.  R. 
unter  der  Rubrik  „Verhältnis  der  Kommanditgesellschaft  zu 
Dritten"  steht,  scheint  allerdings  auf  den  ersten  Blick  ge- 
schlossen werden  zu  müssen,  dass  dieser  Artikel  sich  nicht 
auf  das  interne  Verhältnis  der  Gesellschafter  unter  sich 
beziehe,  sondern  nur  die  Gläubiger  der  Gesellschaft  betreffe, 
der  Komplementär  daher  sich  nicht  auf  diese  Bestimmung 
berufen  könne,  sondern  die  Kommanditsumme  verzinsen 
müsse,  auch  wenn  dieselbe  geschmälert  sei.  Dies  könnte  da- 
durch noch  seine  Bestätigung  finden,  dass  für  das  innere  Ver- 
hältnis unter  den  Kommanditgesellschaften!  der  Art.  594  auf 
die  Art.  556—558  verweist,  dort  aber  (in  Art.  557,  Abs.  2) 
vorgeschrieben  ist,  dass  ein  Kollektivgesellschafter  im  Falle 
der  durch  Verluste  eingetretenen  Verminderung  seines  Ein- 
lagekapitals bis  zu  dessen  Wiederergänzung  keinen  Anspruch 
auf  Auszahlung  seines  Gewinnanteils  habe,  dagegen  von  den 
Zinsen  nicht  gesprochen  wird. 

Das  Appellationsgericht  kann  aber  dieser  Auffassung 
des  Art.  605  trotzdem  nicht  beipflichten.  Schon  die  absolute 
Fassung  dieses  Artikels,  das  absolute  Verbot  an  den  Kom- 
manditär, Zinsen  zu  beziehen,  spricht  dagegen,  dass  der  Kom- 
plementär von  ihm  dazu  genötigt  werden  könnte.  Ja  man 
mu88  sogar  sagen,  gerade  der  Umstand,  dass  der  Gesellschaft 
dieses  Verbot  gegenüber  Dritten,  nach  aussen,  unbedingt  auf- 


82 

erlegt  ist,  schliesse  mit  Notwendigkeit  auch  dessen  unbe- 
schränkte Geltung  unter  den  Gesellschaftern  selbst  in  sich, 
weil  es  sonst,  wenn  die  Gesellschafter  es  unter  sich  nicht  be- 
obachten, auch  für  die  Dritten  illusorisch  werden  könnte. 
Denn  offenbar  würde  der  vom  Gesetz  beabsichtigte  Zweck 
eines  Schutzes  der  Gläubiger  nur  sehr  unvollkommen  er- 
reicht, wenn  man  den  Artikel  bloss  in  obiger  Beschränkung 
anwendbar  erklären  würde,  indem  die  Haftbarkeit  des  Kom- 
manditär8  für  die  Verbindlichkeiten  der  Gesellschaft  im  Falle 
widerrechtlich  bezogener  Zinsen  unter  Umständen,  z.  B.  bei 
Insolvenz  des  Kommanditärs,  den  Gläubigern  nichts  nützt 
und  die  Gläubiger  erst  dann  gesichert  sind  und  erst  dann 
des  Art.  605  sich  getrösten  können,  wenn  sie  darauf  ver- 
trauen dürfen,  dass  auch  der  Komplementär  daran  gebunden 
ist  und  sich  gegenüber  Zumutungen  des  Kommanditärs  dar- 
auf berufen  kann,  dass  er  keine  Zinsen  auszahlen  dürfe. 
Hauptsächlich  aber  wäre  es  ein  auffallender  Widerspruch, 
dass  der  Komplementär  von  dem  Kommanditär  sollte  ge- 
zwungen werden  können,  eine  Handlung  vorzunehmen,  die 
gegenüber  den  Gesellschaftsgläubigern  ein  Unrecht  ist.  Der 
Komplementär  hat  das  erste  Recht  und  die  erste  Pflicht, 
darüber  zu  wachen  und  dafür  zu  sorgen,  dass  die  Gesell- 
schaft den  Gläubigern  gegenüber  korrekt  handle,  und  er 
käme  mit  seinem  Gewissen  und  seiner  kaufmännischen  Red- 
lichkeit in  einen  seltsamen  Konflikt,  wenn  er  an  den  Kom- 
manditär Zinsen  zahlen  müsste,  wo  er  weiss,  dass  er  damit 
die  Gläubiger  beeinträchtigt. 

56.  Ehescheidung.  Gänzliche  Scheidung  auf  Begehren 
des  schuldhaften  Ehegatten  gegen  den  Willen  des  beleidigten  Ehe- 
gatten, wiefern  statthaft  ?  Art.  46,  47  B.-Oes.  betr.  Civilstand  und 
Ehe  vom  24.  Dezember  1874. 

St.  Gallen.    Urteil  des  Kantousgerichts  vom  21. /22.  März  1898. 

Die  im  Kanton  St.  Gallen  heimatberechtigten,  in  Neapel 
wohnhaften  Eheleute  X.  haben  vor  dem  zuständigen  italie- 
nischen Civilgerichte  jedes  gegen  das  andere  die  in  Art.  148 
des  C.  c.  ital.  vorgesehene  Klage  auf  separazione  personale 
(lebenslängliche  Trennung  von  Tisch  und  Bett  unter  Fortbe- 
stand des  Ehebandes)  anhängig  gemacht.  Während  der  Pro- 
zess  vor  dem  italienischen  Gerichte  noch  anhängig  war,  klagte 
der  Ehemann  in  St.  Gallen  auf  gänzliche  Scheidung,  wogegen 
die  Ehefrau  die  Rechtshängigkeit  der  Sache  vor  fremdem 
Gerichte  geltend  machte.  Mit  dieser  Einwendung  zurückge- 
wiesen, erklärte  sie,  dass  sie  sich  der  gänzlichen  Scheidung 


83 

widersetze,  aber  mit  einer  lebenslänglichen  Trennung  von  Tisch 
und  Bett  einverstanden  sei,  alles  das  ausschliesslich  aus  religiösen 
Gründen.  Sie  motivierte  das  so  :  der  Ehemann  hat  mich  durch 
^den  von  ihm  verübten  Ehebruch  dergestalt  entehrt,  que  vivre 
auprès  de  cet  homme  serait  impossible  pour  moi.  Si  je  ne 
consens  pas  au  divorce,  ce  sont  uniquement  mes  sentiments 
religieux  qui  me  le  défendent.  Das  Kantonsgericht  hat  dem 
Antrag  des  Klägers  entsprechend  die  definitive  Scheidung 
ausgesprochen.  Aus  der  Begründung  teilen  wir  das  Wesent- 
liche mit: 

Durch  die  bestimmten  Erklärungen  der  Beklagten  er- 
scheint jegliche  Aussicht  auf  Versöhnung  und  auf  nachherige 
Wiederaufnahme  des  ehelichen  Zusammenlebens  von  vorne- 
herein als  ausgeschlossen.  —  Die  Gewissheit  einer  Nicht- 
wiederaufnahme  seitens  der  Beklagten  nach  Ablauf  einer 
eventuellen  Trennung  auf  2  Jahre,  oder  nach  einfacher  Ab- 
weisung der  Scheidungsklage  des  Mannes  ergiebt  sich  aber 
auch  aus  der  Thatsache,  dass  die  Beklagte,  gleichzeitig  neben 
dem  Prozessverfahren  vor  ihrem  heimatlichen  ßiohter  über 
Scheidung,  vor  ihrem  Wohnsitzrichter  in  Italien  als  Klägerin 
auf  lebenslängliche  separazione  personale  Klage  angehoben 
hat  und  diese  Klage  nötigenfalls  durch  alle  Instanzen  durch- 
zuführen entschlossen  scheint,  so  dass,  wenn  sie  dabei  ge- 
schützt wird,  an  eine  Wiederaufnahme  der  ehelichen  Gemein- 
schaft gar  nicht  zu  denken  ist. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  der  Mann  mit  seiner 
Klage  aus  Art.  47  nicht  dennooh  abgewiesen  werden  müsse, 
da  er  als  der  schuldhafte  Teil  anerkannt  werden  muss. 

Das  B.-Gericht  hat  zu  wiederholten  Malen  (amtl.  Samml.  IT, 
-S.  274,  Erw.  3;  III,  S.  380,  Erw.  3;  S.  397,  Erw.  4;  IX,  S.  549, 
£rw.  2,  3)  die  Rechtsauffassung  als  unrichtig  erklärt,  „als  ob 
der  Art.  47  auch  denjenigen  Ehegatten,  welcher  die  Zerrüt- 
tung des  ehelichen  Verhältnisses  ganz  oder  doch  hauptsäch- 
lich verschuldet  hat,  zur  Scheidungsklage  berechtige."  Aber 
in  allen  diesen  Fällen  hat  der  schuldlose,  beleidigte  Gatte, 
-dem  seinerseits  ein  Anspruch  auf  gänzliche  Scheidung  nicht 
hätte  aberkannt  werden  können,  die  Zustimmung  zu  der  vom 
schuldhaften  Gatten  nachgesuchten  Soheidung  nur  in  dem 
Sinne  verweigert,  entweder  um  das  eheliche  Zusammenleben 
fortzusetzen,  oder  um  —  in  den  in  Art.  63  B.-Ges.  vorge- 
sehenen Fällen  —  eine  vor  dem  Inkrafttreten  dieses  Gesetzes 
gerichtlich  erkannte  dauernde  oder  zeitliche  Scheidung  von 
Tisch  und  Bett  fortbestehen  zu  lassen.  Von  diesen  beiden 
Voraussetzungen  liegt  hier  keine  vor. 


84 

Die  Beklagte,  ihrerseits  zur  Klage  auf  Scheidung  zweifei* 
los  berechtigt,  erklärt  sich  mit  der  vom  Kläger  nachgesuchten 
Scheidung  nicht  einverstanden,  aber  nicht  um  das  eheliche 
Zusammenleben  wieder  aufzunehmen  und  fortzusetzen,  son- 
dern einzig  aus  religiösen  Rüoksichten,  im  Sinne  und  behufs 
einer  lebenslänglichen  Trennung  von  Tisch  und  Bett  unter 
Fortbestand  des  Ehebandes. 

Die  Gewissheit,  dass  bei  Abweisung  der  Scheidungsklage 
die  eheliche  Gemeinschaft  unter  diesen  Gatten  jedenfalls  nicht 
wieder  aufgenommen,  sondern  auf  Lebenszeit  gelöst  bleiben,, 
dass  dadurch  ein  Zustand  geschaffen  wird,  der  mit  dem  Fort- 
bestande, mit  dem  Wesen  der  Ehe  unvereinbar  ist,  muss  da- 
zu führen,  den  Kläger  bei  seiner  Klage  auf  Scheidung  zu 
schützen,  wiewohl  er  am  ehelichen  Zerwürfnis,  an  der  daraus 
für  die  Beklagte  entstandenen  Unmöglichkeit,  die  eheliche 
Gemeinschaft  wieder  herzustellen,  die  Hauptschuld  trägt. 

Der  Art.  44  B.-Ges.  über  Civilstand  und  Ehe  lässt  dar- 
auf schlie8sen,  dass  es  nach  gerichtlicher  Abweisung  einer 
vom  schuldhaft  erklärten  Ehemanne  angestrengten  Klage  auf 
Scheidung  nicht  in  das  einseitige  Belieben  der  Ehefrau,  wel- 
che die  Scheidung  bekämpft  hat,  gelegt  sein  könne,  die 
Wiederaufnahme  des  ehelichen  Zusammenlebens  zu  ver« 
weigern. 

Da  die  durch  Ehebruch  des  Mannes  beleidigte  Ehefrau, 
die  von  ihrem  gesetzlichen  Anspruch  auf  Scheidung  wirklich 
Gebrauch  machen  will,  erst  nach  Anhebung  der  Klage  und 
nur  kraft  richterlicher  Bewilligung  das  Recht  erwirbt,  ge- 
sondert vom  Manne  zu  leben,  so  kann  dieses  Recht  derjenigen 
nicht  zukommen,  die  sich  durch  Ehebruch  seitens  des  Mannes 
beleidigt  glaubt,  aber,  anstatt  auf  Scheidung  zu  klagen,  es 
vorzieht,  ohne  richterliche  Bewilligung  vom  Manne  eigen- 
mächtig fortzugehen  und  ihm  die  eheliche  Folge  zu  verwei- 
gern ;  noch  auch  kann  dieses  Recht,  dem  Manne  die  eheliche 
Folge  und  Gemeinschaft  zu  verweigern,  derjenigen  zukommen, 
die  (wie  die  Beklagte)  gegenüber  dem  Scheidungsbegehren 
des  schuldhaften  Ehemannes  am  Fortbestande  des  Ehebandes 
festhalten  wollte  und  dabei  gerichtlich  geschützt  würde. 

Daran  vermögen  auch  die  spezifisch  katholischen  Gesichts- 
punkte und  Bedenken  nichts  zu  ändern,  von  denen  sich  die 
Beklagte  gegenüber  dem  Scheidungsbegehren  des  Klägers  hat 
leiten  lassen. 

(Entsoh.  des  Kantonagericht»  St.  Gallen  i.  J.  1898,  S.  29  ff.) 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichtes. 


57.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisafion  der  Bundesrechts- 
pflege  vom  22.  März  1893,  Art.  58  Abs.  1.  Bundesgesetz  betreffend 
Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  11.  April  1889,  Art.  265.  Ent- 
scheidungen darüber,  ob  ein  in  Konkurs  gefallener  Schuldner  seit- 
her zu  neuem  Vermögen  gekommen  sei,  sind  auch  dann,  wenn  sie 
im  ordentlichen  Prozesse  ausgefällt  wurden,  keine  Haupturteile 
und  unterliegen  daher  der  Berufung  an  das  Bundesgericht  nicht. 

(Entsch.  vom  29.  April  1&99  i.  8.  Hintze  c.  Gebr.  Reich- 
stein.) 

58.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art.  62.  Bundesgesetz  betr.  die  Er- 
findungspatente vom  29.  Juni  1888,  Art.  30  Abs.  2.  Voraussetz- 
ungen der  Berufung  an  das  Bundesgericht  in  Patentstreitigkeiten 
und  Verfahren  bei  solchen. 

Nach  Art.  30  Abs.  2  des  Patentgesetzes  und  Art.  62  des 
Organisationsgesetzes  findet  in  civilrechtlichen  Streitigkeiten 
betreffend  die  Erfindungspatente  die  Berufung  an  das  Bundes- 
gericht ohne  Rücksicht  auf  den  Streitwert  statt,  und  diese 
Vorschrift  findet  ganz  allgemein,  also  auch  dann  Anwendung, 
wenn  eine  (bezifferte)  Entschädigungsforderung  gestellt  wird, 
nicht  nur  bei  Nichtigkeitsklagen  und  sonstigen  Klagen,  bei 
denen  der  Streitwert  nicht  ziffer massig  festgestellt  werden 
kann.  Auch  ist  in  solchen  Fällen  das  mündliche  Verfahren, 
als  das  regelmässige,  auch  bei  einem  Streitwerte  von  unter 
2000  Franken  anzuordnen.  (Entsch.  vom  28.  Januar  1899 
i.  8.  Baumann  c.  E.  Oederlin  &  Cie.) 


59.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art.  81.  0.  R.  Art.  24,  346.  Inwie- 
fern ist  die  Frage  des  Kausalzusammenhangs  Thatfragei  Kausa- 
lität des  dolus;  Beweislast.  —  Bedeutung  falscher  Angaben,  welche 
ein  Arbeiter   bei  Abschluss  eines  Dienstvertrages  über  seine  bis- 

7 


86 

herigen  Lohnverhältnisse  macht.  —  Wichtige  Gründe  für  vor- 
zeitige Aufhebung  eines  Dienslvertrages. 

Die  beklagte  Firma  hat  den  Kläger  durch  Vertrag  vom 
22.  August  1897  als  Sertisseur  in  ihrer  Uhrenfabrik  für  die 
Dauer  von  sechs  Jahren  vom  11.  September  1897  an  gegen 
einen  Taglohn  von  Fr.  8,  bezw.  gegen  einen  nachher  zu  ver- 
einbarenden, jedoch  nicht  unter  Fr.  8  betragenden  Stücklohn 
angestellt.  Sie  entliess  ihn  jedoch  bereits  auf  l.  November 
1897.  Der  auf  Bezahlung  einer  Entschädigung  von  Fr.  6000 
samt  Zins  gerichteten  Klage  desselben  stellte  die  Beklagte 
in  erster  Linie  die  Einrede  des  Betrugs  entgegen,  indem  sie 
behauptete,  der  Kläger  habe  ihr  beim  Vertragsabschlüsse 
wissentlich  falsche  Angaben  einerseits  über  seine  beruflichen 
Fähigkeiten,  andererseits  über  den  von  ihm  bisher  bezogenen 
Lohn  (den  er  auf  Fr.  8  per  Tag  angegeben  habe,  während 
er  thatsächlich  höchstens  Fr.  6.50  im  Tag  verdient  habe) 
gemacht;  sie  sei  durch  diese  falschen  Angaben  zum  Vertrags- 
abschlüsse bestimmt  worden  und  der  Vertrag  sei  daher  für 
sie  unverbindlich.  Eventuell  machte  die  Beklagte  geltend, 
sie  sei  zu  vorzeitiger  Entlassung  des  Klägers  aus  wichtigen 
Gründen  gemäss  Art.  346  0.  R.  berechtigt  gewesen.  Das 
Obergericht  des  Kantons  Solothurn  hat  die  Klage  abgewiesen, 
da  es  die  Einrede  des  Betrugs  für  begründet  erachtete.  Hin- 
sichtlich seiner  beruflichen  Fähigkeiten  zwar  habe  der  Kläger 
keine  falschen  Angaben  gemacht,  da  er  die  bei  dem  Vertrags- 
abschlüsse zugesicherten  technischen  Fähigkeiten  wirklich  be- 
sitze; wohl  aber  hinsichtlich  seiner  frühern  Lohnverhältnisse, 
und  diese  falschen  Angaben  seien  für  den  Vertragsabschluss 
kausal  gewesen.  Die  Beklagte  habe,  indem  sie  sich  zur  Ge- 
währung eines  Taglohnes  von  wenigstens  Fr.  8  und  einem 
Engagement  auf  sechs  Jahre  entschloss,  einen  ganz  vorzüg- 
lichen Sertisseur  engagieren  wollen.  Hätte  der  Kläger  bei 
Eingehung  des  Vertrages  wahrheitsgetreu  gesagt,  er  habe  bis 
dahin  bloss  Fr.  6.  50  im  Maximum  verdient,  so  sei  wohl  an- 
zunehmen, dass  er  von  der  Beklagten  gar  nicht  angestellt 
worden  wäre.  Denn  gerade  in  den  Spezialbranchen  der  Uhr- 
macherei  könne  aus  der  Höhe  des  Lohnes  auf  die  Qualität 
des  Arbeiters  geschlossen  werden. 

Das  Bundesgericht  hat  auf  Gutheissung  der  Klage  in 
dem  (mit  Bücksicht  auf  das  nicht  vorwurfsfreie  Verhalten 
des  Klägers  reduzierten)  Betrage  von  Fr.  1000  erkannt.  Aus 
den  Gründen  seiner  Entscheidung  ist  hervorzuheben: 

Wenn  der  Vertreter  der  Beklagten  sich  in  seinem  heu- 
tigen Vortrag   in    erster   Linie   auf   den   Standpunkt   gestellt 


87 

hat,  dass  das  Bundesgericht  an  die  Entscheidung  der  Vor- 
instanz, dass  die  falsche  Angabe  des  Klägers  über  seine 
frühern  Lohn  Verhältnisse  für  den  Vertragsschi  uss  kausal  ge- 
wesen sei,  als  eine  thatsächliche  Feststellung,  gemäss  Art.  81 
Organisations-Gesetzes  gebunden  sei,  so  kann  ihm  hierin  nicht 
beigetreten  werden.  Es  ist  zwar  richtig,  dass  die  Frage,  ob 
zwei  Thatsachen  zu  einander  in  einem  ursächlichen  Zusam- 
menhang stehen,  an  sich  nicht  rechtlicher,  sondern  rein  that- 
sächlicher  Natur  ist,  und  sofern  es  sich  bei  der  Entscheidung 
darüber,  ob  in  concreto  ein  Kausalzusammenhang  anzunehmen 
sei  oder  nicht,  lediglich  darum  handelt,  die  Kausalität  einer 
bestimmten  Thatsache  mit  Bezug  auf  eine  andere  festzustellen, 
ist  daher  das  Bundesgericht  an  das  Erkenntnis  des  kantonalen 
Gerichts  gebunden.  Vielfach  ist  jedoch  die  Frage,  ob  eine 
bestimmte  Thatsache  einer  andern  als  deren  Wirkung  zuge- 
schrieben werden  dürfe,  von  Erwägungen  rechtlicher  Natur 
beeinäusst,  so  insbesondere  soweit  sich  die  thatsächlichen 
Schlüsse  bloss  auf  Vermutungen  gründen  lassen  und  es  sich 
daher  fragen  muss,  welche  Partei  die  Beweislast  trägt.  In 
dieser  Beziehung,  hinsichtlich  der  Rechtsanwendung,  ist  aber 
der  kantonalrichterliche  Entscheid  der  Ueberprüfung  des 
Bundesgerichts  unterstellt,  auch  wenn  es  sich  bloss  um  Prä- 
judizialfragen handelt,  sofern  dieselben  nur  dem  eidgenössi- 
schen Rechte  angehören.  Nun  ist  das  Bundesgericht  stets 
davon  ausgegangen,  dass  dem  Betrogenen  ein  besonderer 
JBeweis  dafür,  dass  er  durch  die  betrügerische  Vorspiegelung 
zum  Geschäftsabschlüsse  verleitet  worden  sei,  d.  h.  nicht  auch 
ohne  dieselbe  den  Vertrag  abgeschlossen  hätte,  dann  nicht 
aufgebürdet  werden  könne,  wenn  die  Täuschung  sich  auf  eine 
für  den  Geschäftsabschluss  nach  allgemeiner  Verkehrsanschau- 
ung erhebliche  Thatsache  bezieht.  (Bundesgerichtl.  Entsch. 
Bd  XII  S.  637  E.  3;  Bd  XV  S.  834  E.  5.)  Daraus  folgt, 
dass  im  gegenteiligen  Falle,  wenn  die  vorgetäuschte  That- 
sache nach  allgemeiner  Verkehrsanschauung  für  den  Ge- 
schäftsabschluss nicht  als  erheblich  zu  betrachten  ist,  der- 
jenige den  Kausalzusammenhang  nachzuweisen  hat,  der  den- 
selben behauptet,  also  der  Anfechtungskläger. 

Hievon  ausgegangen  lag  in  casu  der  Beklagten  der  Be- 
weis dafür  ob,  dass  sie  durch  die  Erklärung  des  Klägers, 
dass  er  bisher  Fr.  8  im  Tag  verdient  habe,  zur  Anstellung 
desselben  bewogen  worden  sei.  Denn  was  der  Arbeiter  bisher 
verdient  habe,  interessiert  den  Dienstherrn,  der  denselben 
anzustellen  beabsichtigt,  in  der  Regel  offenbar  nur  insoweit, 
als  daraus  auf  dessen  Tüchtigkeit  zu  der  betreffenden  Arbeits- 


88 

Stellung  geschlossen  werden  kann.  Nun  hat  dei*  Kläger  der 
Beklagten  über  seine  Befähigung  zu  der  Arbeit,  für  welche 
er  bei  ihr  angestellt  werden  sollte,  direkte  Auskunft  gegeben,, 
indem  er  versicherte,  dass  er  allen  Anforderungen  eines  Ser- 
tisseurs vollkommen  entspreche,  insbesondere  auch  die  Plaggen 
auf  der  Sertiermaschine  selbst  anfertigen  könne,  und  die  Vor- 
instanz stellt  für  das  Bundesgericht  verbindlich  fest,  dass  der 
Kläger  diesen  Anforderungen  wirklich  entspreche  und  die  an- 
gegebene Fähigkeit  besitze.  Soweit  also  die  Erheblichkeit 
der  Angaben  des  Klägers  über  seine  bisherigen  Lohnverhält- 
nisse darin  besteht,  dass  diese  Angaben  die  Zusicherungen 
über  seine  Fähigkeit  als  Sertisseur  bestärkten,  fallen  dieselben 
hier  ausser  Betracht,  da  die  Beklagte  hinsichtlich  dieser 
Fähigkeit  des  Klägers  gar  nioht  in  Irrtum  versetzt  «worden 
ist,  sondern  der  wirkliche  Sachverhalt  den  Annahmen  der 
Beklagten  durchaus  entsprach.  Um  den  Dienstvertrag  wegen 
der  unrichtigen  Angaben  über  den  bisherigen  Lohn  gemäss 
Art.  24  0.  B.  anfechten  zu  können,  müsste  demnach  die 
Beklagte  nachweisen,  dass  sie  bei  Abschluss  des  Dienstver- 
trages auf  die  Höhe  des  vom  Kläger  bezogenen  Lohnes  noch 
aus  einem  andern  Grunde  Gewicht  gelegt  habe,  als  wegen- 
seiner  Bedeutung  für  die  Beurteilung  der  Tüchtigkeit  des 
Klägers  als  Sertisseur.  Ein  solcher  Nachweis  ist  aber  nicht 
erbracht.  Darüber,  was  unter  den  Parteien  beim  Vertrags- 
Schlüsse  in  dieser  Richtung  verhandelt  worden  sei,  hat  die 
Beklagte  nichts  näheres  vorgebracht,  als  die  Behauptung,  dass 
der  Kläger  ihr  die  mehrerwähnten  Angaben  gemacht,  und 
die  Beklagte  auf  dieselben  hin,  indem  sie  ihnen  Glauben 
schenkte,  den  schriftlichen  Vertrag  abgeschlossen  habe. 

Zweifelhafter  ist  allerdings  die  Frage,  ob  nicht  die  That- 
sacbe,  dass  der  Kläger  der  Beklagten  mit  Bezug  auf  seinen« 
bisherigen  Lohn  die  Unwahrheit  gesagt  hat,  der  Beklagten 
einen  wichtigen  Grund  zur  vorzeitigen  Auflösung  des  Dienst* 
Vertrages  gegeben  habe.  Dies  lässt  sich  nicht  allgemein  ent- 
scheiden, da  es  dabei  wesentlich  auf  die  Verhältnisse  des 
einzelnen  Falles  ankommt.  Insbesondere  werden,  je  nachdem 
durch  den  Dienstvertrag  mehr  oder  weniger  ein  gegenseitiges 
Vertrauensverhältnis  begründet  werden  sollte,  unrichtige  An- 
gaben der  Art  strenger  oder  milder  beurteilt  werden  müssen. 
Nun  ist  in  casu  einerseits  nicht  dargethan,  dass  der  Kläger 
durch  die  Stellung,  die  er  im  Geschäft  der  Beklagten  einzu- 
nehmen hatte,  in  ein  besonderes  Vertrauensverhältnis  zur 
Beklagten  getreten  wäre,  und  anderseits  darf  auch  das  sub- 
jektive Verschulden  des  Klägers  nicht  zu  hoch  angeschlagen. 


rsrr^' 


89 

-werden  mit  Rücksicht  darauf,  dass  derselbe  kaum  annehmen 
konnte,  dass  die  Beklagte  auf  die  Angaben  über  seine  Lohn» 
Verhältnisse  ein  erhebliches  Gewicht  legen,  sondern  dieselben 
mit  derjenigen  Vorsicht  und  Zurückhaltung  aufnehmen  werde, 
•welche  Berühmungen  derart  im  Geschäftsleben  entgegengesetzt 
zu  werden  pflegen,  und  sich  jedenfalls  selbst  erkundigen 
werde,  sofern  es  ihr  wirklich  auf  diesen  Punkt  wesentlich 
ankommen  sollte.  Aus  diesen  Gründen  würde  es  zu  weit 
.gehen,  in  den  unrichtigen  Angaben  des  Klägers  einen  wich- 
tigen Grund  zur  vorzeitigen  Vertragsauflösung  zu  erblicken. 
'(Entsch.  vom  21.  April  1899  i.  S.  Leutwyler  c.  Roth  Mayer 
&  Cie.)  

60.  0.  R.  Art.  67.  Begriff  des  Werkes.  Ein  dem  Publikum 
geöffnetes  Gfisschen,  das  dem  Verkehre  mehrerer  Häuser  dient, 
ist  ein  Werk  y  für  dessen  (infolge  des  Aufwerfens  von  Gräben 
t*.  s.  w.)  mangelhaften  Unterhalt  der  Eigentümer  einzustehen  hat. 

Il  n'est  pas  douteux  qu'un  passage  ouvert  au  public, 
destiné  à  desservir  deux  maisons  et  leurs  dépendances  soit 
un  ouvrage  au  sens  de  l'art.  67  C.  0.  Il  n'est  pas  douteux  non 
plus  que  l'entretien  régulier  d'un  tel  passage  exige  qu'il  soit 
•maintenu  dans  un  état  tel  que  la  circulation  y  soit  possible 
sans  danger.  C'est  dès  lors  un  défaut  d'entretien  que  d'y 
accumuler  des  matériaux,  d'y  creuser  des  fouilles  sans  prendre 
en  même  temps  les  précautions  nécessaires  pour  prévenir  les 
dangers  qui  en  résultent.  Il  est  indifférent  que  l'omission 
-de  ces  précautions  soit  j>u  non  imputable  à  faute  au  proprié- 
taire. Dans  l'un  comme  dans  l'autre  cas  il  y  a  défaut  d'entre- 
tien, et  le  propriétaire  est  responsable  en  vertu  de  l'art.  67 
du  dommage  qui  en  est  la  conséquence.  (Entsch.  vom  17.  März 
.1899  i.  8.  Blanc  c.  Mercier  et  Baud.) 


61.  0.  R.  Art.  127,  231.  Das  Versprechen  der  Leistung  eines 
Dritten  ist  auch  dann  nach  eidgenössischem  Rechte  zu  beut  teilen, 
wenn  die  versprochene  Leistung  des  Dritten  ein  Liegenschafts- 
kauf ist. 

Une  stipulation,  portant  promesse  du  fait  d'un  tiers, 
même  si  ce  fait  consiste  dans  l'achat  d'un  immeuble,  est  sou- 
mise par  sa  nature  au  droit  fédéral,  aussi  bien  que,  p.  ex., 
le  mandat  donné  pour  vendre  ou  acquérir  un  immeuble.  En 
effet,  l'objet  direct  du  contrat  ne  consiste  pas  dans  la  con- 
clusion entre  parties  d'un  achat  ou  d'une  promesse  d'achat 
«d'immeuble,  mais  dans  l'engagement  que  prend  Tune  d'elles 


90 


d'obtenir  d'an  tiers  qu'il  achète  un  immeuble.  U  s'agit  ainsi 
d'une  convention  à  part  complètement  différente  d'un  contrat 
de  vente  ou  de  promesse  de  vente,  et  régie  par  les  règles 
générales  du  C.  0.  (Entsch.  vom  25.  Februar  1899  i.  S.  Cie 
du  gaz  de  St-Imier  c.  Commune  municipale  de  St-Imier.) 


62.  0.  R.  Art.  130, 183  ff.,  189  Abs.  1,  542  Abs.  2.  Zu- 
lässigkeil  der  Abtretung  eines  allfälligen  Gewinnanteils  an  einer 
Gesellschaft*  —  Abtretung  zukünftiger  Forderungen.  —  Inwieweit 
ist  für  die  Verrechnung  mit  grundversicherten  Forderungen  kan- 
tonales, inwieweit  eidgenössisches  Recht  massgebend?  —  Der 
Schuldner  der  abgetretenen  Forderung  kann  dem  Cessionar  die 
Einrede  der  Verrechnung  aus  einer  ihm  an  den  Cedenten  zu- 
stehenden Gegenforderung  auch  dann  entgegenhalten,  wenn  die 
letztere  zur  Zeit  der  Anzeige  der  Abtretung  noch  nicht  fällig  war, 
aber  vor  (oder  gleichzeitig  mit)  der  abgetretenen  Forderung  fällig 
wird,  nicht  aber  auch  dann,  wenn  die  Gegenforderung  später 
fällig  wird  als  die  abgetretene  Forderung. 

1.  Dass  die  Cession  eines  allfälligen  Gewinnanteiles  an 
einer  Gesellschaft  gültig  ist,  geht  aus  Art.  542  Abs.  2  0.  R. 
unmittelbar  hervor;  die  einzige  dort  aufgestellte  Beschränkung 
ist  die,  dass  der  Cessionar  durch  die  Cession  nicht  zum  Ge- 
sellschafter wird. 

2.  Nach  der  in  der  heutigen  Doktrin  und  Praxis  unbe- 
stritten herrschenden  Anschauung  ist  auch  die  Cession  von 
zukünftigen  Forderungen  insbesondre  dann  zulässig,  wenn 
ein  Rechtsverhältnis,  aus  dem  eine  bestimmte  Forderung  ent- 
stehen kann,  besteht  (vergi.  Attenhofer  in  Zeitschrift  für 
»chweiz.  Recht,  N.  F.,  IX  S.  223  ff.). 

3.  Wenn  es  sich  um  die  Kompensation  mit  einer  grund- 
versicherten Forderung  handelt,  bestimmt,  nach  den  vom 
Bundesgericht  in  seinem  Entscheide  vom  1.  Juni  1895  in 
Sachen  Beck  c.  Heuer  &  Cie,  Amtliche  Sammlung,  Bd  XXI 
S.  544  £.  2,  ausgesprochenen  Grundsätzen,  gemäss  Art.  130 
0.  R.  das  kantonale  Recht,  inwieweit  die  Verrechnung  über- 
haupt zulässig  ist;  dagegen  wird,  wenn  diese  Zul&ssigkeit 
einmal  anerkannt  ist,  die  Frage,  ob  in  einem  gegebenen  Falle 
eine  nicht  grund versi  cherté  Forderung  durch  Verrechnung  mit 
einer  grundversicherten  erlösche,  vom  eidgenössischen  Recht 
beherrscht. 

4.  Es  fragt  sich,  ob  in  dem  Falle,  wo  Forderung  und 
Gegenforderung  erst  nach  Mitteilung  der  Abtretung  an  den 
Schuldner  fällig  werden,  die  Fälligkeit  der  abgetretenen  For- 


91 

derung  jedoch  vor  derjenigen  der  Gegenforderung  eintritt, 
der  Schuldner  dem  Cessionar  die  Einrede  der  Kompensation 
wirksam  entgegenhalten  könne.  Die  Beantwortung  dieser 
Frage  kann  nicht  unmittelbar  aus  Art.  189  Abs.  1  0.  R.  ge- 
schöpft werden,  da  die  hier  gebrauchten  Ausdrücke  „Einreden, 
welche  .  .  .  entgegengestanden"  und  „vorhanden 
waren,"  nicht  ohne  weiteres  klar  sind;  die  Frage  ist  daher 
aus  dem  Wesen  der  Cession  und  der  Kompensation  und  ge- 
mäss den  praktischen  Grundsätzen,  die  diese  Institute  be- 
herrschen, sowie  an  Hand  der  Wissenschaft  zu  lösen.  Nun 
folgt  zunächst  aus  dem  Wesen  der  Cession  als  einer  Sonder- 
nachfolge in  ein  Vermögensrecht  des  Abtretenden,  dass  dieses 
Vermögensrecht  nur  abgetreten  werden  kann  mit  allen  ihm  an- 
haftenden Mängeln,  dass  der  Cessionar  daher  auch  nur  mit  diesen 
Mängeln  Gläubiger  wird;  und  zwar  ist  für  die  Entstehung  dieser 
Mängel  massgebend  der  Zeitpunkt  der  Anzeige  an  den  Schuld- 
ner, da  erst  von  diesem  Momente  an  die  Cession  dem  Schuld- 
ner gegenüber  wirksam  wird.  Es  sind  daher  dem  Schuldner 
gegen  den  Cessionar  jedenfalls  alle  Einreden  zu  gestatten, 
die  bis  zu  diesem  Momente  entstanden  waren  (vergi.  Wind- 
scheid Pand.  7.  Aufl.  II  S.  240  f.).  Allein  die  praktischen 
Bedürfnisse  des  Lebens  und  die  Rücksichtnahme  auf  den 
Schuldner  nötigen,  weiter  zu  gehen.  Es  ist  nämlich  weiter- 
hin al 8  Rechtsgrundsatz  anzuerkennen,  dass  die  Lage  des 
Schuldners  durch  die  Cession,  diesen  einseitigen  Akt  des 
Gläubigers,  nicht  verschlechtert  werden  darf;  eine  solche  Ver- 
schlechterung fände  nun  aber  nicht  nur  dann  statt,  wenn  schon 
vor  der  Abtretung,  bezw.  deren  Mitteilung  entstandene  Ein- 
reden gegen  den  Cedenten  dem  Cessionar  nicht  entgegen- 
gehalten werden  dürften,  sondern  auch  dann,  wenn  der  Schuld- 
ner die  Aussicht  hatte,  dereinst,  bei  der  Fälligkeit  der  For- 
derung, eine  Einrede  erheben  zu  können,  insbesondere  also 
dann,  wenn  er  selber  zu  jener  Zeit  eine  Gegenforderung  hat, 
die  im  Momente  der  Fälligkeit  der  Hauptforderung  fällig  und 
daher  kompensationsfähig  ist.  In  solohen  Fällen  ist  ihm  daher 
die  Einrede  der  Kompensation  auch  gegen  den  Cessionar  zu 
gestatten.  Der  Wortlaut  des  Art.  189  Abs.  1  0.  R.  steht 
dieser  Auslegung  keineswegs  entgegen.  Allerdings  ist  richtig, 
dass  die  Einrede  der  Kompensation  in  einem  solchen  Falle 
dem  Schuldner  zur  Zeit  der  Anzeige  von  der  Abtretung  noch 
nicht  zusteht;  allein  die  Gegenforderung  hat  er  schon,  und 
damit  die  Möglichkeit  der  dereinstigen  Geltendmachung 
jener  Einrede.  Das  Gesetz  kann  aber  unter  „entgegenstehen" 
und  „Vorhandensein"    sehr  wohl   auch  diese  Möglichkeit  ver- 


92 

stehen.  (Vergi,  in  diesem  Sinne:  Dem  bürg,  Geschichte  und 
Theorie  der  Kompensation;  Hafner,  Kommentar  zum  0.  K. 
2.  Aufl.  Art.  189  Anni.  2;  Schneider  und  Fick,  Komm. 
Art.  189  Anm.  1;  vergi,  auch  §  406  des  deutschen  B.  G.  B. 
gegenüber  §  303  des  I.  Entw.)  Dagegen  verhält  es  sich  an- 
ders da,  wo  die  Gegenforderung  des  Schuldners  erst  nach  der 
(abgetretenen)  Hauptforderung  fällig  wird:  hier  konnte  er 
niemals  erwarten,  die  Einrede  der  Kompensation  gegenüber 
dem  ursprünglichen  Gläubiger  erheben  zu  können:  er  kann 
sie  daher  auch  dem  Cessio nar  nicht  entgegenstellen.  (Entsch. 
vom  22.  April  1899  i.  S.  Geismar  c.  Moos  u.  Piccard.) 


63.  0.  R.  Art.  70  ff.,  183  /f.,  215,  224.  Rechtliche  Natur 
von  Sparkassabüchlein  mit  der  Legitimationsklausel.  —  Abtretung 
und  Verpfändung  der  durch  solche  Büchlein  verbrieften  Forderun- 
gen. —  Was  gehört  zu  der  durch  Art.  215  0.  R.  vorgeschriebe- 
neu  schriftlichen  Beurkundung  der  Verpfändung f  —  Retentions- 
recht an  Sparkassabüchlein? 

Der  damalige  Pfarrer  E.  trat  am  5.  Juli  1894  mit  der 
beklagten  Kreditanstalt  St.  Gallen  in  Geschäftsverbindung 
durch  Erhebung  eines  Darlehens  von  Er.  7000  gegen  Hinter- 
legung von  Wertpapieren,  welchem  bald  weitere  gleiche  Ge- 
schäfte folgten.  Am  23.  August  1894  stellte  er,  auf  ge- 
drucktem Formular  der  Beklagten,  für  ein  empfangenes  Dar- 
lehen ein  Schuldanerkenntnis  von  Fr.  12,000  aus  mit  der  Be- 
merkung, er  hinterlege  ihr  als  Sicherheit  für  diese,  sowie 
allfällig  übrige  Verbindlichkeiten  in  Faustpfandrechten  diverse 
Papiere  laut  Verzeichnis.  Am  24.  August  1894  übergab  E: 
der  Beklagten  als  Hinterlage  21  Werttitel  im  Nominalbetrage 
von  Fr.  38,818. 65  und  sodann  am  9.  Oktober  ein  auf  den 
Namen  der  Klägerin  ausgestelltes  Depositenbüchlein  Nr.  4997 
der  Handwerkerbank  Basel,  welches  ein  Guthaben  der  Klä- 
gerin von  Fr.  3210.  85,  und  ein  Guthabenbüchlein  Nr.  7523 
der  Hypothekenbank  in  Basel,  ebenfalls  auf  den  Namen  der 
Klägerin  lautend,  welches  ein  Guthaben  von  Fr.  6817  auswies. 
Beide  Büchlein  enthalten  die  Bestimmung,  dass  bei  ganzen 
oder  teilweisen  Rückzahlungen  die  Verwaltung  berechtigt  sei, 
den  Vorweiser  als  von  dem  rechtmässigen  Eigentümer  zum 
Rückzug  des  Guthabens  bevollmächtigt  zu  betrachten,  und 
sich  somit  der  Verantwortlichkeit  für  allfälligen  Missbrauch 
des  Büchleins  entschlage.  Sie  waren  dem  E.,  der  übrigens, 
nach  der  Behauptung  der  Klägerin,  deren  baldige  Rückgabe 
versprochen   habe,    von   der  Klägerin   zu   dem  Zwecke  über- 


93 

4; eben  worden,  dass  er  sich  durch  dieselben  Geld  beschaffen 
•könne.  Am  2.  November  1894  gab  die  Beklagte  der  Hypo- 
thekenbank Basel  und  am  3.  Dezember  gleichen  Jahres  der 
Handwerkerbank  in  Basel  von  der  Verpfändung  der  beiden 
Büchlein  Kenntnis.  Ende  Mai  1897  wurde  über  Pfarrer  E. 
-der  Konkurs  eröffnet.  In  demselben  meldete  die  Beklagte 
eine  Forderung  von  Fr.  21,625  an,  und  machte  dafür  u.  a. 
auch  ein  Faustpfandrecht  an  den  beiden  Büchlein  geltend. 
Dieselben  wurden  von  der  Konkursverwaltung  durch  Inkasso 
vom  1.  und  3.  Dezember  1897  liquidiert  und  ergaben  einen 
Vorerlös  von  Fr.  695.  75,  welcher  der  Klägerin  in  bar  be- 
händigt wurde.  Die  Klägerin  hatte  im  Konkurse  E.  das 
Eigentum  an  den  beiden  Büchlein  resp.  an  dem  einkassierten 
Betrag  angesprochen,  und  das  Pfandrecht  der  Beklagten  be- 
stritten, war  aber  vom  Konkursgericht  wegen  Inkompetenz 
abgewiesen  worden,  weil  der  Gerichtsstand  da  begründet  sei, 
wo  das  Pfandrecht  konstituiert  worden.  Die  Klägerin  erhob 
hierauf  in  St.  Gallen  gegen  die  Kreditanstalt  St.  Gallen  Klage 
mit  dem  Rechtsbegehren:  Es  sei  gerichtlich  zu  erkennen,  die 
Klägerin  sei  Eigentümerin  der  beiden  auf  ihren  Namen  lau- 
tenden Guthabenbüchlein  Nr.  7523  der  Hypothekenbank  in 
Basel  und  Nr.  4997  der  Handwerkerbank  in  Basel,  die  Be- 
klagte sei  daher  pflichtig,  die  genannten  Guthabenbüchlein 
-oder  deren  Wert  unbeschwert  an  die  Klägerin  herauszugeben. 
Die  Klage  ist  vom  Bundesgericht  gutgeheissen  worden.  Aus 
den  Gründen  seiner  Entscheidung  ist  hervorzuheben  : 

Die  Klage  stellt  sich  als  condictio  sine  causa,  Klage  aus 
ungerechtfertigter  Bereicherung,  dar.  Denn  die  Klägerin  ver- 
langt von  der  Beklagten  Bückerstattung  der  von  dieser  bei 
der  Handwerkerbank  und  der  Hypothekenbank  Basel  erhobe- 
nen Beträge,  weil  die  Beklagte  zu  diesem  Bezüge  nicht  be- 
rechtigt gewesen  sei,  und  ihr  kein  Rechtsgrund,  wonach  sie 
die  bezogenen  Beträge  behalten  dürfe,  zur  Seite  stehe,  die 
Beklagte  also  durch  Rückhaltung  jener  Beträge  ohne  Grund 
bereichert  wäre,  und  zwar  auf  Kosten  der  Klägerin,  da  die- 
selben ihr  gehören...  Wie  nun  das  Bundesgericht  in  seinen 
Entscheidungen  in  Sachen  Appenzeller  c.  Brandt  und  Hof- 
mann c.  Wüthrich  (Amtl.  Sammlung  der  bundesgerichtlichen 
Entsch.  Bd  XXIII  S.  786  E.  2  und  S.  1650  E.  3)  ausgeführt 
»hat,  verkörpern  Urkunden  von  der  Art  der  in  Rede  stehenden 
"Sparhefte  das  Forderungsrecht  nicht  derart,  dass  es  in  seinem 
Inhalt,  seiner  Ausübung  und  Uebertragung  an  dieselben  ge- 
bunden wäre,  sondern  sie  sind,  wie  einfache  Schuldscheine, 
bloss  Beweisurkunden,  auf  welche  die  besondern  Bestimmun- 


94 

gen  über  Inhaberpapiere  und  indossable  Papiere  (welche  das- 
Obligationenrecht  einzig  als  eigentliche  Wertpapiere  anerkennt) 
keine  Anwendung  finden,  insbesondere  nicht  die  sachenrecht- 
lichen Bestimmungen  über  Abtretung  (Uebertragung)  und  Ver- 
pfandung der  beweglichen  Sachen  und  Inhaberpapiere.  Viel- 
mehr kommen  für  die  Uebertragung  und  Verpfändung  der  in 
solchen  Heften  oder  Büchern  verurkundeten  Forderungsrechte 
einfach  die  Bestimmungen  über  Abtretung  und  Verpfändung 
gewöhnlicher  Schuldscheinforderungen  zur  Anwendung  und 
ist  daher  zu  untersuchen,  ob  denselben  in  casu  Genüge  ge- 
leistet sei. 

Was  nun  zunächst  die  von  der  Beklagten  behauptete 
Cession  der  beiden  Sparkassaguthaben  an  £.  anbetrifft,  so 
ist  der  Beweis  dafür,  dass  eine  solche  Cession  erfolgt  sei, 
nicht  erbracht  worden.  Denn  es  liegt  nichts  weiteres  vor, 
als  dass  die  Klägerin  dem  E.  die  beiden  Hefte  mit  der  Er- 
klärung und  zu  dem  Zwecke  übergeben  hat,  damit  er  sich 
durch  dieselben  Geld  verschaffe.  Die  Uebergabe  erfolgte  also 
allerdings  zum  Zwecke  der  Geldbeschaffung  durch  E.  Die 
Klägerin  hat  aber  ausdrücklich  bestritten,  dass  sie  demselben 
das  Recht  eingeräumt  habe,  die  beiden  Guthaben  bei  der 
Handwerkerbank  und  der  Hypothekenbank  einzuziehen,  wozu 
er  selbstverständlich  im  Falle  einer  wirklichen  Abtretung 
ohne  weiteres  berechtigt  gewesen  wäre.  Es  ist  auch  die  An- 
nahme unbedenklich,  dass  E.,  wenn  ihm  die  beiden  Guthaben 
wirklich  cediert  worden  wären,  nicht  unterlassen  hätte,  die- 
selben zu  realisieren,  statt  sich  durch  deren  Verpfändung 
teureres  Geld  zu  verschaffen,  so  dass  auch  das  Verhauten  E.'s 
für  die  Richtigkeit  der  Behauptung  der  Klägerin  spricht,  dass 
eine  Abtretung  nicht  stattgefunden  habe.  Damit  steht  in 
Uebereinstimmung,  dass  auch  die  Konkursmasse  E.  die  beiden 
Guthaben  nicht  für  sich,  als  Aktivum  E.'s,  in  Anspruch  ge- 
nommen, sondern  den  Ueberschuss  über  die  Pfandforderung 
der  Beklagten  hinaus,  der  Klägerin  zugestellt  hat.  Es  kann 
auch  nicht  etwa  gesagt  werden,  dass  der  Zweck,  zu  dem  die 
beiden  Büchlein  dem  E.  übergeben  worden  sind,  nämlich  die 
Geldbeschaffung,  nur  durch  Abtretung  habe  erreicht  werden 
können,  und  daher  die  Klägerin  wegen  dieses  Zweckes  die 
Abtretung  habe  wollen  müssen.  War  der  Zweck  der  Ueber- 
gabe der  beiden  Büchlein,  dem  E.  die  Beschaffung  von  Geld 
durch  Verpfändung  derselben,  bezw.  der  darin  verurkundeten 
Forderungen  zu  ermöglichen,  so  konnte  dieser  Zweck  ohne 
Zweifel  dadurch  erreicht  werden,  dass  die  Klägerin  den  E. 
bevollmächtigte,   die  Forderungen   in    ihrem   Namen,   als   ihr 


^r*  -  '  ■  * 


9fr 

Stellvertreter,  zu  verpfänden.  Gewiss  können  gewöhnliche 
Sohuldforderungen  nicht  wie  Wertpapiere,  speziell  Inhaber- 
papiere, und  bewegliche  Sachen  zum  Zwecke  der  Verpfän- 
dung verliehen,  sondern  nur  vom  Gläubiger  selbst  verpfändet 
werden,  und  ist  eine  andere  Person,  als  der  Gläubiger,  nicht 
in  der  Lage,  ein  Pfandrecht  an  solchen  Forderungen  zu  be- 
stellen. Allein  der  Gläubiger  braucht  die  Verpfändung  nicht 
persönlich  vorzunehmen,  sondern  er  kann  eine  andere  Person 
ermächtigen,  dieselbe  als  sein  Stellvertreter  zu  bewerkstelli- 
gen. Im  Gegensatz  zu  der  Annahme  der  Vorinstanz  muss 
in  der  Uebergabe  der  beiden  Sparkassabüchlein  zu  dem  von 
der  Klägerin  (wie  sie  anerkennt)  dem  E.  gegenüber  erklärten 
Zweck  eine  solche  Ermächtigung  gefunden  werden,  indem 
nur  bei  dieser  Auslegung  der  Erklärung  der  Klägerin  ein 
vernünftiger  Sinn  zukommt.  Es  fragt  sich  daher,  ob  E.  von 
der  ihm  erteilten  Vollmacht  Gebrauch  gemacht,  und  die  in 
den  beiden  Büchlein  verurkundeten  Forderungen  wirklich  der 
Beklagten  rechtsgültig  verpfändet  habe. 

Diese  Frage  muss  verneint  werden.  Für  die  Beantwor- 
tung derselben  ist  Art.  215  0.  B.  massgebend,  und  nun  ist 
allerdings  zwei  Erfordernissen,  welche  diese  Gesetzesbestim- 
mung aufstellt,  Genüge  geleistet,  nämlich  der  Benachrichti- 
gung des  Schuldners  und  der  Uebergabe  der  Sohuldurkunde 
an  den  Pfandgläubiger,  dagegen  ist  das  dritte  Erfordernis,, 
die  schriftliche  Beurkundung  der  Verpfandung,  nicht  erfüllt. 
Die  Beklagte  beruft  sich  für  ihre  gegenteilige  Behauptung 
auf  die  Pt'andklausel  des  Obligos  vom  23.  August  1894,  in- 
dem sie  in  derselben  eine  generelle  Verpfandung  erblickt,, 
welche  sich  auf  alle  diejenigen  Papiere  erstrecke,  welche  ihr 
damals  oder  später  von  E.  übergeben  und  von  ihr  auf  das 
Hinterlagenverzeichnis  aufgetragen  worden  seien.  Für  diese 
Interpretation  stellt  sie  namentlich  ab  auf  ihren  Verkehr  mit 
E.,  wie  derselbe  sich  nach  der  Ausstellung  des  Obligo  that- 
sächlich  gestaltet  bat.  Allein  diese  Beweisführung  geht  fehl, 
indem  sie  einfach  darauf  hinausläuft,  dass  die  Pfandklausel 
in  dem  Obligo  vom  23.  August  1894  deshalb  auf  die  Ver- 
pfändung der  beiden  Guthaben  bezogen  werden  müsse,  weil 
die  Parteien  versäumt  haben,  deren  Verpfändung  besonders 
schriftlich  zu  bekunden.  Nach  ihrem  klaren  Wortlaut  be- 
zieht sich  nämlich  die  erwähnte  Pfandklausel  nur  auf  die 
damals  der  Beklagten  übergebenen  „diversen  Papiere,"  welche 
allerdings  nicht  bloss  für  das  damals  von  E.  erhobene  Dar* 
lehen,  sondern  auch  für  dessen  übrige  —  ohne  Zweifel  auch 
später  entstehenden  —  Verbindlichkeiten  als  Sicherheit  haften 


96 

sollten,  und  nun  steht  fest,  dass  die  Ueb ergäbe  und  Ver- 
pfandung der  beiden  Büchlein,  erst  viel  später,  im  Oktober 
und  November  1894  erfolgt  ist,  E.  die  Büchlein  am  24.  Au- 
gust noch  gar  nicht  besessen,  und  damals  keine  Partei  an 
deren  Verpfändung  gedacht  hat.  Wollte  man  übrigens  die 
Pfandverscnreibung  vom  23.  August  1894  nicht  bloss  auf  die 
damals  der  Beklagten  übergebenen  Papiere  beschränken,  son- 
dern auch  auf  solche  Papiere  beziehen,  welche  später  mit 
dem  Willen  E.'s  in  den  Gewahrsam  der  Beklagten  gelangen 
würden,  so  wäre  es  gleichwohl  unmöglich,  darin  auch  eine 
rechtsgültige  Verpfändung  der  beiden  Guthaben  der  Klägerin 
auf  die  Hypothekenbank  und  Handwerkerbank  in  Basel  zu 
erblicken,  indem  die,  diese  Guthaben  verurkundenden  Büch- 
lein keine  Wertpapiere,  sondern  lediglich  Legitimationspapiere 
sind,  welche,  abgesehen  von  der  Legitimationsklausel,  die 
rechtliche  Natur  gewöhnlicher  Schuldscheine  haben,  die  Ver- 
pfändung solcher  Forderungen,  welche  nicht  in  Urkunden  ver- 
körpert sind,  aber  unbedingt  die  Errichtung  einer  Verpfän- 
dungsurkunde voraussetzt,  in  welcher  die  verpfändete  Forde- 
rung deutlich  bezeichnet  ist,  zumal  die  Benachrichtigung  des 
Drittschuldners  nach  Obligationenrecht  nioht  vom  Verpfänder 
ausgehen  muss,  sondern  auch  vom  Pfandgläubiger  geschehen 
kann.  Dass  die  Abschrift  des  Hinterlegungsverzeichnisses, 
welches  die  Beklagte  dem  E.  zugestellt  hat,  die  Verpfän- 
dungsurkunde nicht  zu  ersetzen  vermag,  liegt  auf  der  Hand, 
da  dasselbe  der  Unterschrift  E.'s  entbehrt. 

Die  blosse  Möglichkeit  der  Einkassierung  der  beiden 
Guthaben  auf  Seite  der  Beklagten  ist  für  den  Entscheid  des 
vorliegenden  Prozesses  ganz  ohne  Einfluss.  Daraus,  dass  sich 
die  Schuldner  der  Guthaben  das  Recht  vorbehielten,  an  den 
Vorweiser  des  Büchleins  zu  leisten,  können  nur  sie  Rechte 
gegen  den  Gläubiger  herleiten,  dagegen  kann  ein  Dritter, 
welcher  die  Forderung  eingezogen  hat,  sich  darauf  gegenüber 
dem  wahren  Gläubiger  nicht  berufen.  Sein  Bezugsrecht  kann 
sich  vielmehr  nur  daraus  ergeben,  dass  ihm  an  der  betreffen- 
den Forderung  ein  solches  Recht  eingeräumt  worden  ist, 
welches  ihn  zum  Bezüge  rechtlich  befugt  erscheinen  lässt, 
also  entweder  ein  Gläubigerrecht,  oder  ein  Pfandrecht  mit 
der  Befugnis  zur  Einkassierung  der  Forderung,  oder  ein 
Mandat,  eine  Anweisung,  wonach  der  Dritte,  sei  es  im  In- 
teresse des  Gläubigers,  sei  es  im  eigenen  Interesse  zum  Ein- 
zug bevollmächtigt  wurde.  Von  alledem  ist  in  casu  keine 
Rede;  vielmehr  hat  die  Beklagte  die  Forderungen  lediglich 
als  vermeintlicher  Pfandgläubiger  eingezogen,  während 


*  yV)L  " 


97 

ihr   in  Tbat  und  Wahrheit  ein  solches  Pfandrecht  nicht  zu- 
stand. 

Das  von  der  Beklagten  eventuell  geltend  gemachte  Re- 
tentionsrecht ist  von  der  Vorinstanz  mit  Recht  verworfen 
worden.  Denn  Art.  224  0.  R.  kennt  nur  ein  Retentionsrecht 
an  beweglichen  Sachen  und  Wertpapieren,  und  zu  den  letz- 
tern gehören  nun  eben  die  beiden  Sparkassabüchlein  nicht. 
Allerdings  sind  dieselben  bewegliche  Sachen,  aber  sie  haben, 
da  sie  blosse  Beweisurkunden  sind,  keinen  Vermögenswert, 
weshalb  sie  nicht  Gegenstand  des  Retentionsrechts  im  Sinne 
des  Art.  224  0,  R.  sein  können.  (Vergi,  ßundesger.  Entsch. 
Bd  XI  S.  384  E.  6  und  Bd  XX  S.  376  E.  8.)  (Entsch.  vom 
28.  April  1899  i.  S.  Kreditanstalt  St.  Gallen  c.  Eckert.) 


64.  0.  R.  Art.  140,  489  ff.  ünstatthaftigkeit  einer  einseitigen 
Kündigung  der  Bürgschaft  durch  den  Bürgen.  Liegt  in  dem 
Stillschweigen  des  Gläubigers  auf  eine  solche  Kündigung  eine  An- 
nahme derselben,  bezw.  die  Entlassung  des  Bürgen  t 

Der  Beklagte  W.  hatte  sich  gemeinsam  mit  einem  Mit- 
bürgen F.  gegenüber  dem  Kläger  für  eine  Hypothekarschuld 
des  G.  verbürgt.  Nachdem  der  Hauptschuldner  G.  in  finan- 
zielle Schwierigkeiten  geraten  war,  Hess  W.  dem  Kläger  am 
30.  Januar  1896  ein  „Amtsbot"  zustellen,  wodurch  er  die 
Bürgschaft  gemäss  0.  R.  auf  sechs  Wochen  a  dato  kündigte. 
Der  Kläger  Hess  daraufhin  durch  Amtsbot  vom  31.  Januar 
1896  den  Hauptschuldner  G.  auffordern,  binnen  sechs  Wochen 
einen  annehmbaren  Ersatzbürgen  zu  stellen,  da  W.  „die  Bürg- 
schaft auf  diesen  Termin  gemäss  0.  R.  gekündigt  habe."  G. 
gab  dieser  Aufforderung  keine  Folge  und  es  wurde  am  20.  Juni 
1898  der  Konkurs  über  ihn  eröffnet.  Als  darauf  der  Gläu- 
biger den  Bürgen  W.  aus  der  Bürgschaft  belangte,  wendete 
dieser  ein,  er  sei  aus  derselben  entlassen  worden.  Diese  Ein- 
wendung ist  von  allen  Jnstanzen  zurückgewiesen  worden,  vom 
Bundesgericht  im  wesentlichen  aus  folgenden  Gründen: 

Dem  schweizerischen  Obligationenrecht  ist,  in  Ueberein- 
8timmung  mit  dem  gemeinen  Recht  (vergi,  auch  deutsche» 
B.  G.  B.  §  776  f.),  eine  einseitige  Kündigung  der  Bürgschaft 
durch  den  Bürgen  unbekannt,  wie  dies  denn  auch  ihrem 
Wesen  als  Vertrag  entspricht.  Dagegen  kann  sie  allerdings, 
unter  Wahrung  der  Rechte  allfälliger  Mitbürgen,  durch  Ueber- 
einkunft  zwischen  dem  Bürgen  und  dem  Gläubiger  aufgehoben 
werden,  und  gerade  eine  solche  Aufhebung  behauptet  der 
Beklagte;   diese  Cebereinkunft  will   er  folgern  zunächst  aus 


98 

-der  Thatsache  des  Stillschweigens  des  Klägers  auf  die  An- 
zeige der  Kündigung  der  Bürgschaft,  und  sodann  aus  dem 
Inhalte  des  Rechtsbotes  an  den  Hauptschuldner  GL  Allein 
jenes  Stillschweigen  kann  an  sich  durchaus  nicht  als  Zustim- 
mung zu  der  Kündigung,  als  Annahme  derselben,  angesehen 
werden;  dies  schon  deshalb  nicht,  weil  die  Kündigung,  wie 
gesagt,  gesetzlich  unzulässig  war  und  daher  keine  rechtliche 
Wirkung  haben  konnte,  und  ein  Stillschweigen  auf  derartige 
rechtlich  völlig  irrelevante  Anzeigen  nicht  als  Zustimmung 
zu  denselben  angesehen  werden  kann,  da  eine  Rechtspflicht, 
sie  zu  beantworten,  nicht  besteht  (vergi.  Regelsberger,  Pand.  I 

5.  505).  Dazu  kommt,  dass  es  sich  bei  der  Entlassung  des 
Beklagten  aus  der  Bürgschaft  für  den  Kläger  nicht  um  den 
Erwerb  eines  Rechtes  handelte,  sondern  um  die  Aufgabe  eines 
schon  bestehenden;  hiezu  wäre  aber  ein  Verzicht  notwendig 
gewesen,  und  ein  solcher  darf  nach  bekanntem  Rechtsgrund- 
satze nicht  vermutet  werden.  Gegen  die  Annahme  eines  Ver- 
zichtes spricht  nun  entscheidend  der  Umstand,  dass  der  Bürg- 
schein nach  wie  vor  in  Händen  des  Klägers  blieb,  ohne  dass 
dem  Beklagten  W.  eine  schriftliche  Erklärung,  er  sei  ent- 
lassen, zugestellt  wurde.  Zwar  konnte  der  Bürgschein  als 
solcher  dein  Beklagten  W.  nicht  wohl  zurückgegeben  werden, 
da  auf  demselben  auch  F.  als  Bürge  gezeichnet  hatte  und 
dieser  jedenfalls  noch  weiter  haftete;  allein  die  Parteien  hätten 
sicherlich,  wenn  der  Beklagte  W.  wirklich  entlassen  worden 
wäre,  zur  Sicherung  der  Rechtsbeziehungen  darüber  eine  Ur- 
kunde ausgestellt.  Ueberdies  wäre  eine  Entlassung  des  Be- 
klagten W.  ohne  Mitteilung  an  den  Mitbürgen  F.  wohl  kaum 
erfolgt,  so  dass  der  Umstand,  dass  diesem  keine  Mitteilung 
gemacht  wurde,  wiederum  gegen  die  Annahme  der  Entlassung 
spricht.     Was  sodann  das  Rechtsbot  an  den  Hauptschuldner 

6.  betrifft,  so  kann  dahingestellt  bleiben,  ob  es  aus  der 
rechtsirrtümlichen  Auffassung  des  Klägers,  die  Kündigung  sei 
gültig,  geflossen  sei;  jedenfalls  stellt  diese  Anzeige  an  den 
Hauptschuldner  nicht  eine  Willenserklärung  an  den  Beklagten 
W.  dar  und  war  danach  die  Entlassung  des  letztern  zudem 
an  eine  Bedingung  geknüpft,  die  nicht  eingetreten  ist,  so  dass 
deshalb  W.  daraus  für  sich  nichts  herleiten  kann.  (Entsch. 
vom  4.  Februar  1899  i.  S.  Wirth  c.  Bischofberger.) 


65.  0.  R.  Art.  531,  590  ff. 

Es  besteht  kein  gesetzliches  Hindernis,  dass  mehrere  Per- 
sonen sich  in  der  Weise  zu  einer  Kommanditgesellschaft  ver- 


99 

binden,  class  die  Ko  mm  and  i  täre  nur  Dritten  gegenüber  für 
den  Verlust  einstehen  und  also  im  Gesellschaftskonkurse  nicht 
als  Gesellschaftsgläubiger  mit  ihrer  Einlage  konkurrieren,  da- 
gegen das  Verhältnis  nach  innen  anders,  z.  B.  so  gestaltet 
wird,  dass  der  Komplementär  den  Komraanditären  für  den 
Verlust  aufzukommen  hat.  (Entsch.  vom  11.  März  1899  LS. 
Borner  c.  LaRoche.) 

66.  0.  R.  Art.  524,  678  ff.,  717.  Rechtsverhältnis  der  Mit- 
glieder einer  nicht  eingetragenen  und  daher  des  Rechtes  der  Per- 
sönlichkeit entbehrenden  Genossenschaft  unter  einander. 

Si  la  conséquence  du  défaut  d'inscription  de  la  société 
des  cochers  au  registre  du  commerce  doit  être  de  lui  enlever 
l'existence  légale  comme  association,  celle-ci  n'en  conserve 
pas  moins,  en  ce  qui  concerne  les  rapports  des  associés  entre 
eux,  une  existence  légale  comme  société,  dans  le  sens  général 
du  terme,  c'est-à-dire  comme  contrat,  comme  lien  de  droit 
(C.  0.  524).  Cette  société  sera  régie  avant  tout  par  les  clauses 
du  contrat,  et,  dans  le  silence  de  celui-ci,  par  les  principes 
généraux  du  G.  0.  en  matière  de  sociétés.  L'on  doit  aussi  pré- 
sumer, ensuite  de  la  volonté  nettement  exprimée  par  les  con- 
tractants de  former  une  association,  qu'ils  ont  entendu  sou- 
mettre leurs  rapports  réciproques  aux  règles  spéciales  con- 
cernant les  associations  (C.  0.  Titre  27),  et  Ton  pourra  dès  lors 
appliquer  ces  règles,  à  titre  de  droit  conventionnel,  à  l'inter- 
prétation du  contrat.  (Entsch.  vom  9.  Dezember  1898  i.  S. 
Genoud  et  Cons.  c.  Giroud  et  Cons.) 


67.  0.  R.  Art.  612  ff.7  633.  Clausula  rebus  sic  stantibus? 
Nach  schweizerischem  Rechte  können  den  Aktionären  als  solchen 
(durch  die  Statuten)  andere  Verpflichtungen  als  die  Pflicht  zur 
Einzahlung  eines  festbestimmlen  Beitrages  an  das  Grundkapital 
der  Gesellschaft  (wie  Verpflichtungen  zu  Warenlieferungen  u.  dergl.) 
gültig  nicht  auferlegt  werden. 

Die  im  Jahre  1889  gegründete  Aktiengesellschaft  „Gesell- 
schaft schweizerischer  Metzger  m  eister  für  Haut-  und  Talgver- 
wertung" verfolgt  den  Zweck  des  fabrikmässigen  Betriebes 
einer  Talgschmelzerei,  sowie  des  Handels  in  Häuten  und 
Fellen.  Nach  §  12  der  ursprünglichen  Statuten  derselben 
von  1889  verpflichtet  der  Besitz  von  Aktien  regelmässig  zur 
Lieferung  von  Talg,  Häuten  und  Fellen,  „gemäss  den  Be- 
stimmungen des  von  der  Generalversammlung  festzustellenden 


100 

Reglements  und  der  besondern  Verpflichtungsscheine."  (Durch 
eine  Statutenrevision  vom  Jahre  1893  wurde  dies  dahin  ab- 
geändert, da88  Aktien  „nur  an  solche  und  im  Verhältnis  ihrer 
Lieferungszusicherung  ausgegeben  werden  sollen,  welche  zu- 
gleich Lieferanten  seien.")  Die  Aktien  sind  nach  §  5  der 
Statuten  persönlich  und  dürfen,  den  Fall  des  Erbgangs  aus- 
genommen, nur  mit  Einwilligung  des  Verwaltungsrates  an 
Dritte  übertragen  werden.  Von  dem  Reingewinn  ist,  nach- 
dem das  Aktienkapital  eine  Dividende  von  5  °/o  erhalten  hat, 
ein  Teil  an  die  Lieferanten  von  Häuten,  Fellen  und  Talg  im 
prozentualen  Verhältnis  ihrer  Lieferungen  als  Lieferungsver- 
gütung zu  verteilen.  Aktionären  mit  1 — 2  Aktien  und  Liefe- 
rungsverpflichtung soll  auf  ihren  Wunsch  vom  Verwaltungs- 
rate gestattet  werden,  50  °/o  des  Aktienbetrages  in  règlement- 
massigen  Lieferungen  einzubezahlen.  Nach  §  5  eines  von  der 
Generalversammlung  aufgestellten  Lieferungsreglements  stellt 
der  Au88chus8  des  Verwaltungsrates  jeweüen  die  Preise  für 
Häute,  Felle  und  Talg  nach  Massgabe  der  allgemeinen  Markt- 
verhältnisse fest,  und  nach  §  8  desselben  Reglements  sind 
Zuwiderhandlungen  gegen  die  Lieferungsverpflichtungen  vom 
Verwaltung8rat8ausschus8e  je  weilen  mit  einer  Konventional- 
strafe von  mindestens  Fr.  100  zu  belegen.  Auf  Grund  der 
Statuten  von  1889  waren  die  Beklagten,  welche  damals  in 
0.  unter  der  Firma  Gebr.  L.  als  Kollektivgesellschaft  eine 
Metzgerei  betrieben,  unter  Uebernahme  einer  Aktie  und  mit 
der  unterschriftlichen  Erklärung,  „der  Gesellschaft  nach  Mass- 
gabe von  Statuten  und  jeweiligen  Reglementen  zu  liefern: 
ihre  Häute  und  Felle  und  das  Fett  (Talg),u  der  Gesellschaft 
beigetreten.  Nachdem  die  Beklagten  jedoch  im  Jahre  1894 
nach  B.  übergesiedelt  waren,  wo  sie  als  einfache  Gesellschaft 
das  Metzgereigewerbe  fortführten,  verweigerten  sie  weitere 
Lieferungen.  Die  Gesellschaft  klagte  daher  gegen  sie  dahin, 
sie  seien  gehalten,  sämtliche  Häute  und  Felle  und  den  Talg 
der  in  ihrem  gemeinsamen  Geschäfte  geschlachteten  Tiere  an 
die  Klägerin  nach  Massgabe  des  Lieferungsreglementes  ab- 
zuliefern, und  sie  seien  hiefür  solidarisch  haftbar  zu  erklären 
und  seien  jeder  für  das  Ganze  zu  verurteilen,  der  Klägerin 
eine  Konventionalstrafe  (von  Fr.  1692)  zu  bezahlen.  Die  Be- 
klagten trugen  auf  Abweisung  der  Klage  an,  indem  sie  we- 
sentlich geltend  machten:  Die  Lieferungspflicht  Verstösse 
gegen  den  Art.  633  0.  R.  und  bestehe  daher  nicht  zu  Recht. 
Jedenfalls  könnte  die  Verpflichtung  nur  mit  der  stillschwei- 
genden Klausel  rebus  sie  stantibus  verstanden  werden,  und 
da   nun  die  Verhältnisse   in  B.  durchaus   andere  seien  als  in 


101 

0.  (da  in  B.  der  Handel  mit  den  Fellen  u.  s.  w.  direkt  von 
der  Schlachthausverwaltung  besorgt  werde),  so  könne  die  Ver- 
pflichtung nicht  mehr  zu  Recht  bestehen. 

Die  Klage  wurde  in  allen  Instanzen  abgewiesen.  In  der 
bundesgerichtlichen  Entscheidung  wird  zunächst  der  Einwand 
der  Beklagten,  dass  ihre  Lief  e  rangs  Verpflichtung,  wenn  sie  je 
zu  Recht  bestanden  habe,  jedenfalls  mit  ihrer  Uebersiedelung 
von  0.  nach  B.  dahingefallen  sei,  als  unbegründet  zurück- 
gewiesen; der  Verpflichtungsschein  der  Beklagten  sowie  die 
Statuten  der  Klägerin,  auf  welche  in  diesem  Schein  verwiesen 
werde,  enthalten  keine  derartige  Beschränkung,  trotzdem  es, 
wenn  wirklich  der  Vertragswille  dahin  gegangen  wäre,  dass 
die  Lieferungspfiicht  mit  der  Uebersiedelung  des  Lieferanten 
nach  einem  andern  Ort  erlöschen  solle,  ausserordentlich  nahe 
gelegen  hätte,  dies  auszusprechen.  Da  dies  nicht  geschehen 
sei,  könne  eine  solche  Bestimmung  nicht  in  die  Statuten 
hinein  interpretiert  werden.  Eine  derartige  Ausdehnung  der 
stillschweigenden  Klausel  rebus  sie  stantibus  widerspräche 
der  Rechts-  und  Verkehrssicherheit  und  werde  übrigens  in 
der  neuern  Doktrin  mit  Recht  zurückgewiesen.  Eine  Befrei- 
ung der  Beklagten  könnte  nur  dann  zugelassen  werden,  wenn 
ihnen  die  Erfüllung  der  Verpflichtung  durch  veränderte  Ver- 
hältnisse gänzlich  verunmöglicht,  nicht  aber  schon  dann,  wenn 
sie  ihnen  nur  erschwert  würde. 

Im  weitern  wird  dagegen  ausgeführt:  Die  Pflicht  der 
Aktionäre  der  klägerischen  Gesellschaft  zur  Lieferung  von 
Häuten,  Talg  u.  s.  w.  an  die  Gesellschaft  qualifiziere  sich 
nach  dem  Inhalte  der  Statuten  als  eine  aus  dem  Gesellschafts- 
verhältnisse entspringende  Verpflichtung,  als  Gesellschafts- 
beitrag, nicht  etwa  als  eine  Verpflichtung  aus  einem  zwi- 
schen der  Gesellschaft  und  den  einzelnen  Aktionären  ohne 
Rücksicht  auf  deren  Aktionäreigenschaft  abgeschlossenen 
Nebenvertrage.  Dies  ergebe  sich  insbesondere  daraus,  dass 
50  %  des  Aktienkapitals  in  reglementsgemässen  Lieferungen 
einbezahlt  werden  können,  was  zeige,  dass  die  Lieferungs- 
pflicht der  Aktieneinzahlung  gleichstehe;  dass  ferner  die 
Lieferungsvergütung  sich  nach  dem  jedesmaligen  jährlichen 
Reingewinne  richte,  dass  die  Statuten  ausdrücklich  bestimmen, 
der  Besitz  von  Aktien  verpflichte  regelmässig  zur  Lieferung 
von  Talg  u.  8.  w.,  und  endlich  die  Uebertragung  von  Aktien 
unter  Lebenden  an  die  Zustimmung  des  Verwaltungsrates  ge- 
bunden sei.  Somit  müsse  sich  fragen,  ob  diese  Lieferungs- 
verpflichtung als  aktienrechtliche,  aus  der  Stellung  als  Ak- 
tionär entspringende,  mit  der  in  Art.  612  ff.  0.  R.  der  Aktien- 


102 

gesellschaft  gegebenen  Rechtsnatur  vereinbar   sei.     Hierüber 
wird  bemerkt: 

Nach  Art.  612  0.  R.  gehört  zum  Wesen  der  Aktiengesell- 
schaft ein  zum  voraus  bestimmtes  Kapital,  die  Zerlegung 
desselben  in  Teilsummen  (Aktien)  und  der  Ausschluss  der 
persönlichen  Haftung  der  Gesellschafter  (Aktionäre)  für  die 
Verbindlichkeiten  der  Gesellschaft.  In  Art.  633  wird  dann 
die  Beitragspflicht  des  Aktionärs  näher  dahin  umschrieben, 
er  sei  nicht  schuldig,  zu  den  Zwecken  der  Gesellschaft  und 
zur  Erfüllung  ihrer  Verbindlichkeiten  mehr  beizutragen  als 
den  für  die  Aktie  statutengemäss  festgesetzten  Betrag.  In 
dieser  letztern  Bestimmung  liegt  offenbar  zweierlei:  eine 
Regelung  des  Verhältnisses  des  Aktionärs  gegenüber  den 
Gläubigern,  bezw.  den  Schulden  der  Gesellschaft,  und  eine 
Feststellung  der  Verpflichtungen  des  Aktionärs  gegenüber  der 
Gesellschaft  zur  Erreichung  des  Gesellschaftszweckes  (vergi, 
den  Munzingerschen  Entwurf,  Art.  134  und  135,  wo  diese 
beiden  Seiten  getrennt  waren).  Für  beides,  wird  gesagt,  hat 
der  Aktionär  nur  den  für  die  Aktie  statutenmässig  festge- 
setzten Betrag  zu  leisten.  In  casu  unterscheiden  nun  die 
Statuten  der  Klägerin  diese  beiden  Verpflichtungen  der  Ak- 
tionäre in  §§11  und  12  in  der  Weise,  das  s  der  Aktionär 
gegenüber  den  Gesellschaftspassiven  lediglich  für  den  Betrag 
seiner  Aktie  haftet,  dagegen  gegenüber  der  Gesellschaft  zu 
mehr  als  zur  Einzahlung  seiner  Aktie  (oder  seiner  Aktien) 
verpflichtet  wird,  nämlich  zur  Lieferung  der  für  den  Gesell- 
schaftszweck  benötigten  Rohstoffe.  Dass  eine  andere  Fest- 
setzung der  Haft  des  Aktionärs  für  die  Gesellschaftsschulden 
dem  Wesen  der  Aktiengesellschaft  widerstreiten  würde,  ist 
ohne  weiteres  klar.  Nicht  so  zweifellos  ist  dagegen,  ob  auch 
die  statutenmässig  bei  der  Konstituierung  der  Aktiengesell- 
schaft festgesetzte  Verpflichtung  der  Aktionäre  zu  weiterem, 
als  zur  Einzahlung  ihrer  Aktien,  insbesondere  zu  gewissen 
periodisch  wiederkehrenden,  nicht  in  Geld  bestehenden  Lei- 
stungen dem  Art.  633  0.  R.  gegenüber  rechtsungültig  sei. 
Diese  Bestimmung  des  Gesetzes  bezweckt  doch  gewiss  zu- 
nächst und  in  erster  Linie  nur  den  Schutz  des  Aktionärs 
einmal  gegen  die  weitere  Inanspruchnahme  durch  die  Gläu- 
biger und  sodann  gegen  die  Möglichkeit  einer  späteren,  nach 
der  Konstituierung  beschlossenen  Verpflichtung  zu  weiteren 
Beiträgen,  wie  z.  B.  im  Falle  der  Erhöhung  des  Aktienkapi- 
tals gegen  die  Verpflichtung  zur  Abnahme  weiterer  (neuer) 
Aktien;  dagegen  erscheint  durch  diese  Bestimmung  an  sich 
nicht  ohne  weiteres  ausgeschlossen,  dass  schon  bei  der  Kon- 


103 

stituierung  die  Verpflichtung  der  Aktionäre  weiter  gefasst 
werden  könne.  Auch  kann  wohl  nicht  gesagt  werden,  eine 
derartige  weitere  Verpflichtung  Verstösse  gegen  das  Wesen 
der  Aktiengesellschaft  als  solcher;  hat  doch  das  neue  deutsche 
Handelsgesetzbuch  in  §  212  (bekanntlich  gerade  mit  Rück- 
sicht auf  die  Prozesse  der  Rübenzuckeraktiengesellschaften) 
eine  derartige  Verpflichtung  ausdrücklich  anerkannt  und  näher 
geregelt,  ohne  dass  deshalb  solche  Gesellschaften  nun  nicht 
jnehr  als  Aktiengesellschaften  zu  bezeichnen  wären  (vergi, 
für  die  Rechtsgültigkeit  der  Rübenlieferungspflicht  der  Ak- 
tionäre nach  dem  frühern  deutschen  Recht  Lippmann,  a.a.O. 
S.  192  ff.).  Dagegen  mangelt  allerdings  nach  dem  schwei- 
zerischen Obligationenrecht  die  gesetzliche  Grundlage  für  eine 
derart  gestaltete  Aktiengesellschaft  und  damit  für  eine  der- 
artige weitergehende  Lieferungspflicht  der  Aktionäre.  Die 
Bestimmungen  des  Obligationenrechts  über  die  Aktiengesell- 
schaften gehen  ganz  offenbar,  wie  aus  ihren  Einzelheiten  er- 
hellt, davon  aus,  dass  der  Aktionär  nur  seinen  Aktienbetrag 
einzuwerfen  hat;  nur  die  Folgen  der  Unterlassung  dieser 
Pflicht  sind  geregelt  (Art.  634  und  635)  und  nur  die  Haft 
der  Zeichner  für  die  Einzahlung  überhaupt  ist  berücksichtigt; 
-dagegen  sieht  das  Gesetz  nirgends  weitere  Verpflichtungen 
der  Aktionäre  vor,  während  doch  darüber,  speziell  betreffend 
die  dafür  allfällig  zu  entrichtende  Gegenleistung  und  für 
deren  Nichterfüllung  Vorschriften  gegeben  sein  müssten  (vergi. 
•§§  212  und  216  des  neuen  deutschen  Handelsgesetzbuches). 
Hieraus  muss  der  Ausschluss  derartig  gestalteter  Gesellschaften 
um  so  eher  geschlossen  werden,  als  der  Munzingersche 
Entwurf  eines  schweizerischen  Handelsrechts  in  Art.  113  aus- 
drücklich für  gewisse  Aktiengesellschaften,  namentlich  für 
solche  mit  landwirtschaftlichem  Charakter,  speziell  für  Aktien- 
käsereien, die  Befreiung  von  einzelnen  Bestimmungen  über 
die  Aktiengesellschaften  vorsah.  Aus  dieser  Vorschrift,  in 
Verbindung  mit  der  ganzen  geschichtlichen  Entwicklung  des 
Aktiengesellschaftswesens  geht  hervor,  dass  das  schweizerische 
Gesetz  unter  einer  Aktiengesellschaft  nur  eine  solche  Gesell- 
schaft verstanden  wissen  will,  bei  welcher  der  einzelne  Ge- 
sellschafter nur  für  einen  fest  bestimmten  Geldbetrag  haftet, 
und  die  Eingehung  weiterer  Verpflichtungen  der  Aktionäre 
gegenüber  der  Gesellschaft  ausgeschlossen  wissen  will.  (Entsch. 
vom  27.  Januar  1899  i.  S.  Gesellschaft  schweizerischer  Metz- 
germei8ter  für  Haut-  und  Talgverwertung  c.  Gebr.  Leuen- 
berger.) 


104 

68.  0.  R.  Art  619  Abs.  1,  654  (f.,  671  Abs.  2,  673.  Ver- 
antwortlichkeU  der  Verwaltung  einer  Aktiengesellschaft  und  Grün- 
derverantwortUchkeit.  —  Gründervorteil. 

1.  Indem  Art.  673  0.  R.  die  Mitglieder  der  Verwaltung* 
einer  Aktiengesellschaft  dieser  gegenüber  verantwortlich  er- 
klärt für  den  Schaden,  den  sie  infolge  Verletzung  oder  Ver- 
nachlässigung der  ihnen  obliegenden  Pflichten  erleidet,  ver- 
steht das  Gesetz  unter  diesen  Pflichten  die  speziellen  aus- 
der  Stellung  als  Verwaltungsmitglted  erwachsenden  Pflichten r 
aUo  die  Pflichten  der  Vertretung,  der  Geschäftsführung  und 
der  Aufsicht,  wie  sie  in  den  Art.  654  ff.  0.  R.  geregelt  sind. 
Eine  Verletzung  dieser  Pflichten  kann  nun  in  der  Annahme 
eines  Gründervorteils  und  der  Verschleierung  dieser  Annahmer 
also  in  der  Verletzung  des  Art.  619  Abs.  1  0.  R.,  auf  keinen 
Fall  erblickt  werden;  vielmehr  ist  hiefür  lediglich  der  Scha- 
denersatzanspruch des  Art.  671  Ziff.  2  eod.  gegeben. 

2.  Damit  von  einem  Gründervorteil  im  Sinne  der  Art.  61ï> 
Abs.  1  und  671  Abs.  2  die  Rede  sein  könne,  ist  vor  allein 
erforderlich,  dass  dieser  Vorteil  festgesetzt  werde  auf  Kosten 
der  Gesellschaft,  dass  dem  Gründer  Rechte  gegen  die  Gesell- 
schaft eingeräumt  werden.  Diese  Einräumung  kann  begriffs- 
gemäss  nur  stattfinden  durch  die  bei  der  Gründung  Mitbetei- 
ligten, weshalb  das  Gesetz  von  einer  „Mitwirkung"  spricht. 
Diese  Mitbeteiligten  müssen  also  im  Einverständnis  handeln, 
und  es  ist  undenkbar,  dass  ein  einzelner  Gründer  allein  ohne 
Mitwirkung  der  Mitgründer  sich  einen  Vorteil  auf  Kosten 
der  Gesellschaft  verschaffen  könne.  (Entsch.  vom  24.  Februar 
1899  i.  S.  Walliser  Industriegesellschaft  c.  Trost.) 


69.  0.  R.  Art.  669,  898.  Fusion  von  Aktiengesellschaften. 
Dieselbe  kann  sowohl  in  der  Weise  geschehen,  dass  eine  Gesell- 
schaft in  ihrer  Rechtspersönlichkeit  erhalten  bleibt  und  das  Ver- 
mögen der  andern  sich  auflösenden  erwirbt  und  deren  Mitglieder 
in  sich  aufnimmt,  als  auch  in  der  Art,  dass  beide  Gesellschaften 
sich  auflösen  und  zu  einer  neuen  Gesellschaft  vereinigen. 

1.  Art.  898  0.  R.  hat  nur  die  innere  Organisation  der 
Aktiengesellschaften  und  Genossenschaften,  und  nicht  die  vor 
dem  1.  Januar  1883  begründeten  Beziehungen  zu  Dritten  im 
Auge. 

2.  Die  Fusion  mehrerer  Aktiengesellschaften  kann  auf 
zweierlei  Weise  stattfinden:  entweder  so,  dass  alle  Gesell- 
schaften sich  auflösen  und  zu  einer  neuen  Gesellschaft  ver- 
einigen,  oder  so,  dass  die   eine  Gesellschaft  die  andern  mit 


105 

dem  gesamten  Vermögen  und  den  Mitgliedern  in  sich  auf- 
nimmt. Nun  sind  bei  jeder  Fusion  zwei  Elemente,  entspre- 
chend der  Natur  der  Aktiengesellschaften,  zu  unterscheiden: 
das  wirtschaftliche  und  das  rechtliche.  Im  erstem  Falle  findet 
ein  Untergang  aller  sich  vereinigenden  Gesellschaften  statt 
und  tritt  ein  neues  Rechtssubjekt  an  deren  Stelle;  hier  ist 
die  Vereinigung  nicht  bloss  eine  wirtschaftliche,  sondern  auch 
eine  juristische.  Anders  verhält  es  sich  dagegen  im  zweiten 
FaUe:  hier  geht  die  aufzunehmende  Gesellschaft  unter,  sie 
verliert  ihre  Vermögensgrundlage  und  damit  ihre  rechtliche 
Existenz;  sie  überträgt  ihr  Vermögen  an  die  aufnehmende 
-Gesellschaft  auf  dem  Wege  der  Universalsuccession.  Die 
aufnehmende  Gesellschaft  dagegen  verändert  lediglich  ihre 
wirtschaftliche  Struktur,  in  der  Regel  unter  Aenderung  ihrer 
Firma;  allein  ein  Untergang  ihrer  juristischen  Persönlichkeit 
findet  nicht  statt;  die  Aufnahme  einer  oder  mehrerer  anderer 
Gesellschaften  berührt  ihre  juristische  Existenz  in  keiner  Weise, 
sie  bleibt  nach  wie  vor  als  Rechtssubjekt  bestehen.  Der  Ver- 
treter der  Beklagten  hat  nun  freilich  den  Standpunkt  einge- 
nommen, und  die  kantonalen  Instanzen  haben  diese  Auffas- 
sung geteilt,  dass  bei  der  Fusion  zweier  oder  mehrerer  Ak- 
tiengesellschaften nach  den  Bestimmungen  des  schweizerischen 
Obligationenrechts  immer  ein  Untergang  sämtlicher  Gesell- 
schaften stattfinde  und  dass  daher  diejenige  Gesellschaft,  die 
die  Rolle  des  weiter  bestehenden  und  aufnehmenden  Vereins 
spiele,  sowohl  wirtschaftlich  als  rechtlich  ein  neues  Gebilde 
sei.  Wenn  der  Vertreter  der  Beklagten  fur  diesen  Stand- 
punkt geltend  gemacht  hat,  dass  die  Fusion  von  Aktiengesell- 
schaften unter  dem  Abschnitt  „Auflösung"  behandelt  sei,  und 
dass  Art.  669  Ziff.  2  0.  R.,  im  Gegensatze  zu  dem  im  übrigen 
gleichlautenden  Art.  247  Ziff.  2  D.  H.  G.  B.,  sage,  die  Ver- 
waltung werde  von  der  „neuen"  —  nicht  von  der  „an- 
dern" —  Gesellschaft  geführt,  so  ist  dem  entgegenzuhalten: 
.Zunächst  kann  der  erstere  Umstand  für  die  Auffassung  des 
Klägers  nicht  schlüssig  sein,  weil  eine  Gesellschaft  notwen- 
digerweise bei  jeder  Fusion  sich  auflösen  muss,  und  sich  die 
Aufnahme  der  Bestimmungen  über  Fusion  unter  das  Kapital 
der  Auflösung  aus  diesem  Grunde  ungezwungen  erklärt,  dies 
um  so  mehr,  als  Art.  669  0.  R.  die  Fusion  von  Aktiengesell- 
schaften (wie  auch  Art.  247  D.  H.  G.  B.)  nicht  in  erschöpfen- 
der Weise  behandelt,  sondern  nur  eine  Anzahl  von  Bestim- 
mungen zum  Schutze  der  Gläubiger  trifft.  Und  jener  Ab- 
weichung vom  Wortlaute  des  Vorbildes,  des  deutschen  Han- 
delsgesetzbuches,  kann   wohl   kaum    eine   entscheidende   Be- 


106 

deutung  beigemessen  werden  angesichts  des  Unistandes,  das» 
in  den  Materialien  zum  Gesetze  von  dieser  Abweichung  nir- 
gends die  Rede  ist,  und  dass  Ziff.  4  und  5  des  Art.  669  immer 
nur  von  einer  aufgelösten  Gesellschaft  sprechen.  Wenn  der 
fraglichen  Redaktionsänderung  eine  sachliche  Bedeutung  über* 
haupt  zukommt,  so  kann  dieselbe  jedenfalls  nur  darin  gefun- 
den werden,  dass  dadurch  die  unter  der  Herrschaft  des  deut- 
schen Handelsgesetzbuches  in  der  Doktrin  vertretene  Ansicht, 
die  Fusion  durch  Auflösung  beider  Gesellschaften  sei  über- 
haupt unstatthaft,  hat  abgelehnt  werden  wollen.  Hieraus  er- 
hellt, dass  auch  das  schweizerische  Obligationenrecht  gleich 
wie  das  deutsche  Handelsgesetzbuch  die  Fusion  zweier  Ak- 
tiengesellschaften in  der  Weise  der  Aufnahme  der  einen  in 
die  andere  als  das  Normale  ansieht  (vergi,  auch  Hafnerr 
Komment.,  1.  Aufl.,  Art.  669,  Ziff.  4),  wie  dieser  Fall  denn 
wohl  auch  im  Leben  der  Normalfall  sein  wird.  Bei  der  Fu- 
sion der  letztern  Art  geht  nun,  wie  bereits  bemerkt,  die  auf- 
nehmende Gesellschaft  als  Rechtssubjekt  nicht  unter.  Aller- 
dings verändert  sich  die  wirtschaftliche  Struktur  des  aufneh- 
menden Vereins:  das  Grundkapital  wird  vergrössert,  die  Mit- 
gliederzahl vermehrt  sich,  Statuten  und  Firma  werden  in  der 
Regel  geändert;  allein  die  aufnehmende  Gesellschaft  bleibt 
nach  wie  vor  juristisch  das  alte  Gebilde.  (Entsch.  v.  25.  Mars 
1899  i.  S.  Dreyfus  und  Genossen  c.  Schweizerischen  Bank- 
verein.)   

70.  0.  R.  Art  873,  876.  Deutliche  Unterscheidbarkeit  bei 
Sachfirmen:  Grundsätze. 

Bei  der  Frage,  ob  sich  zwei  Firmen  von  Aktiengesell- 
schaften deutlich  unterscheiden,  ist  von  nachfolgenden  Grund- 
sätzen, die  sich  insbesondere  in  der  bundesgerichtlichen  Praxis 
entwickelt  haben,  auszugehen.  Zweck  der  Firma  soll  sein 
die  Unterscheidung  eines  Gewerbetreibenden  als  solchen  im 
Verkehr,  seine  Individualisierung  den  Gewerbegenossen  und 
sonstigen  Gewerbetreibenden  gegenüber.  Zunächst  sind  nun 
allerdings  zwei  streitige  Firmen  als  Ganzes  ins  Auge  zufassen, 
und  ist  die  Frage  der  deutlichen  Unterscheidbarkeit  nach 
diesem  Massstabe  zu  beurteilen.  Dabei  ist  jedoch  su  berück- 
sichtigen, dass  die  Aktiengesellschaften  (wie  auch  die  Ge- 
nossenschaften), überhaupt  die  sog.  Sachfirmen,  im  Gegensatz 
zu  den  Personenfirmen,  in  der  Wahl  ihrer  Firma  (mit  den 
in  Art.  873  0.  R.  gegebenen  Einschränkungen)  durchaus  frei 
sind,  und  daher  im  Verkehre  erfahrungsgemäss  bei  solchen 
Firmen   nicht   so  genau   auf  einzelne  unterscheidende  Merk- 


107 

male  geachtet  wird,  wie  bei  Personenfirmen,  daher  auch  bei 
Wahl  einer  altern,  ähnlich  lautenden  Firma  die  Vermutung 
des  bösen  Glaubens  nahe  liegt;  es  ist  deshalb  bei  der  Be- 
urteilung der  Frage,  ob  sich  eine  neue  Firma  von  einer  alten 
deutlich  unterscheide,  ein  strengerer  Massstab  anzulegen,  wenn 
es  sich  um  Sachfirmen  handelt,  als  wenn  Personenfirmen  im 
Streite  liegen  (s.  Urteil  des  Bundesgerichts  vom  16.  März 
1895  i.  8.  Konsumverein  Zürich-Oberstrass  c.  Konsumverein 
Zürich,  A  mtl.  Samml.  BJ  XXI  S.  230). 

Auch  können  gewisse  Bestandteile  einer  Firma  derart 
charakteristisch  sein,  dass  sie  allein  oder  doch  vorzugsweise 
in  Auge  und  Ohr  des  Publikums  fallen  und  im  Gedächtnis 
haften  bleiben,  so  dass  allein  sie  als  das  wesentliche  erscheinen, 
und  nur  mit  Rücksicht  auf  sie  die  Frage  der  deutlichen  Unter- 
scheidung zu  entscheiden  ist. 

In  Anwendung  dieser  Grundsätze  hat  das  Bundesgericht 
auf  Klage  der  Aktiengesellschaft  „Artistisches  Institut  Orell 
Füssli"  in  Zürich  der  Aktiengesellschaft  „Bibliograph,  art. 
Institut  Zürich  A.  G."  den  Gebrauch  der  Bezeichnung  „Art. 
Institut0  in  ihrer  Firma  untersagt,  indem  es  u.  a.  ausführte: 
Die  Bezeichnung  „Art.  Institut"  sei  (in  der  Anwendung  auf 
ein  Unternehmen  für  Herstellung  von  Werken  der  verviel- 
fältigenden Künste)  eine  durchaus  eigenartige,  welche  als 
wesentlicher  charakteristischer  Bestandteil  der  klägerischen 
Firma  erscheine,  insbesondere  für  den  Verkehr  mit  dem  Aus- 
lande, in  welchem  die  Personennamen  Orell  Füssli  nach  der 
Feststellung  der  kantonalen  Instanz  in  ihrer  Bezeichnungskraft 
hinter  der  sachlichen  Bezeichnung  „Art.  Institut"  vollständig 
zurücktreten.  Der  Umstand,  dass  ein  bestimmter  Bestandteil 
einer  Firma  auch  nur  für  einzelne  Abnehmerkreise  als  das 
allein  Charakteristische  und  Wesentliche  erscheine,  genüge 
aber,  um  die  Aufnahme  einer  gleich  oder  ähnlich  lautenden 
Bezeichnung  in  eine  andere  Firma  zu  verbieten,  jedenfalls 
dann,  wenn  es  sich  um  Konkurrenzgeschäfte  handle,  die  am 
gleichen  Platze  in  derselben  Gesellschaftsform  niedergelassen 
seien.  (Entsch.  vom  10.  Februar  1899  i.  S.  Aktiengesellschaft 
Bibliograph.  Art.  Institut  Zürich  in  Zürich  c.  Aktiengesell- 
schaft Art.  Institut  Orell  Füssli  in  Zürich.) 


71.  0.  R.  Art  18  ff.,  76  ff.,  896.  Wirkung  der  Anfechtung 
eines  (Lebens-)  Versicherungsvertrages  durch  den  Versicherer  wegen 
wesentlichen  Irrtums.  Umfang  des  Bereicherungsanspruchs  des 
Versicherten. 


108 

Der  am  3.  November  1819  geborene  Landwirt  H.  in  U. 
hatte  sich  im  Jahre  1885  bei  der  beklagten  Versicherungs- 
gesellschaft gegen  eine  jährliche  Prämie  von  Fr.  564  auf  sein 
Ableben  hin  für  Fr.  10,000  versichert.  In  seinem  Versiche- 
rungsantrage hatte  H.  als  seinen  Geburtstag  richtig  den 
3.  November  1819  angegeben.  Der  Versicherungsagent  L., 
welcher  den  Antrag  der  Beklagten  zu  übermitteln  hatte, 
fälschte  jedoch  dieses  Datum,  indem  er  die  Jahreszahl  1819 
in  1830  umänderte,  und  die  beklagte  Gesellschaft  genehmigte 
den  Versicherungsantrag  auf  Grund  dieser  falschen  Alters- 
angabe. Als  nach  Jahren  durch  einen  Zufall  die  Fälschung 
des  L.  aufgedeckt  wurde,  entstand  zwischen  den  Parteien 
Streit.  Landwirt  H.  behauptete  in  erster  Linie,  die  Beklagte 
habe  den  Versicherungsvertrag  als  verbindlich  anzuerkennen; 
eventuell  verlangte  er  Rückerstattung  der  sämtlichen  von  ihm 
bezahlten  Prämien  samt  Zins  und  Zinseszins.  Die  Gesell- 
schaft wollte  den  Versicherungsvertrag  nur  bei  Reduktion  der 
Versicherungssumme  auf  Fr.  5407  fortsetzen,  andernfalls  ver- 
langte sie  Aufhebung  des  Vertrags  wegen  wesentlichen  Irr- 
tums, wobei  sie  sich  bereit  erklärte,  dem  Kläger  das  auf  seine 
Versicherung  entfallende  D  e  ckungs  kapital  herauszugeben. 

Im  Laufe  des  Prozesses  liess  der  Kläger  seinen  auf  Auf- 
rechterhaltung des  Versicherungsvertrages  gerichteten  Haupt- 
antrag fallen  und  hielt  nur  seinen  eventuellen  Antrag  fest. 
Dieser  wurde  vom  Bundesgericht  grundsätzlich  gutgeheissen, 
im  wesentlichen  aus  folgenden  Gründen: 

Der  Kläger  fordert  von  der  Beklagten  dasjenige  zurück, 
was  dieser  durch  die  Leistungen  zugekommen  ist,  welche  er 
ihr  gegenüber  im  Vertrauen  auf  die  Rechtsbeständigkeit  des 
wegen  Irrtums  der  Beklagten  für  sie  unverbindlichen  Ver- 
sicherungsvertrages gemacht  hat.  Es  handelt  sich  also  um 
die  Pflicht  zur  Rückerstattung  von  Zuwendungen,  welche  eine 
Partei  aus  einem  nicht  verwirklichten  Grunde  erhalten  hat. 
Die  Beklagte  bestreitet  nun  aber,  dass  eine  Bereicherung  in 
dem  Umfange,  wie  die  Klage  behauptet,  überhaupt  eingetreten 
sei,  indem  sie  geltend  macht,  die  Annullierung  des  Versiche- 
rungsvertrages könne  nicht  zur  Folge  haben,  dass  dieser  Ver- 
trag ab  initio  aufgelöst  werde;  denn  derselbe  sei  für  die  Be- 
klagte trotz  ihrem  Irrtum,  wenn  auch  nicht  für  den  gesamten 
Betrag  von  Fr.  10,000,  so  doch  für  die  dem  wirklichen  Alter 
des  Versicherten  entsprechende  Versicherungssumme,  im  Be- 
trage von  Fr.  5407,  verbindlich  gewesen.  Sie  habe  somit  bis 
zu  diesem  Betrage  vom  Tage  des  Vertragsschlusses  an  das 
Risiko  getragen  und  insoweit  dem  Kläger  für   dessen    ver- 


109 

trag8mäs8ige  Leistung  eine  Gegenleistung  gewährt,  deren 
nachträgliche  Zurückziehung  unmöglich  sei.  Dieser  Argumen- 
tation ist  in  erster  Linie  entgegenzuhalten,  dass  nach  eid- 
genössischem Obligationenrecht  der  von  der  Beklagten  gel- 
tend gemachte  Mangel  beim  Vertragsschlnss  das  Zustande- 
kommen eines  für  den  Anfechtungsberechtigten  verbindlichen 
Vertrages  überhaupt  hindert,  so  dass  also,  wenn  die  Anfech- 
tung begründet  ist  und  auf  derselben  beharrt  wird,  der  Ver- 
trag als  von  Anfang  an  ungültig  zu  betrachten  ist  (von  Tuhr, 
Mängel  des  Vertragsschlusses,  Zeitschrift  für  Schweiz.  Recht, 
N.  F.  Bd  17  S.  42/45).  Demnach  könnte  die  Behauptung  der 
Beklagten,  dass  sie  auf  Grund  des  mit  dem  Kläger  abge- 
schlossenen Versicherungsvertrages  ein  Risiko  getragen  und 
somit  für  die  bezogenen  Prämien  eine  Gegenleistung  gemacht 
habe,  nur  dann  richtig  sein,  wenn  es  sich  bei  der  Anrufung 
des  bezeichneten  Mangels  beim  Vertragsschlusse  nicht  sowohl 
um  die  Ungültigerklärung  des  Vertrages  in  seiner  Gesamt- 
heit, sondern  nur  rücksichtlich  einzelner  Bestimmungen  des- 
selben handelte.  Allein  dies  ist  nicht  der  Fall.  Die  Behaup- 
tung der  Beklagten,  dass  der  Versicherungsvertrag  für  eine 
reduzierte,  dem  wirklichen  Alter  des  Versicherten  entspre- 
chende Versicherungssumme  in  Kraft  geblieben  sei,  würde 
dazu  führen,  dass  der  Kläger  an  einen  Vertrag  wesentlich 
anderen  Inhaltes  gebunden  wäre,  als  denjenigen,  zu  welchem 
er  seine  Zustimmung  erteilt  hatte.  Für  eine  derartige  Wir- 
kung der  Anfechtbarkeit  eines  Rechtsgeschäftes  wegen  Mängel 
beim  Vertragsschluss  bietet  das  Gesetz  keinen  Anhalt.  Der 
Beklagten  blieb  daher  nur  die  Wahl,  entweder  ihre  Anfech« 
tung  gegen  das  Rechtsgeschäft  als  Ganzes  za  richten,  und 
damit  die  Ungültigkeit  desselben  in  seinem  ganzen  Inhalte 
herbeizuführen,  oder  dann  auf  die  Anfechtung  überhaupt  zu 
verzichten. 

Besteht,  nach  dem  Gesagten,  die  Wirkung  der  Anfech- 
tung darin,  dass  der  Versicherungsvertrag  als  von  Anfang  an 
ungültig  betrachtet  werden  muss,  so  erweist  sich  auch  die 
Behauptung  der  Beklagten,  dass  sie  für  die  Prämienzahlungen 
des  Klägers  eine  Gegenleistung  gemacht  habe,  als  unhaltbar. 
Denn  das  Risiko,  welches  den  Gegenstand  des  Versicherungs- 
vertrages bildete,  berührte  sie  in  diesem  Falle  überhaupt 
nicht,  weil  sie  eben  dasselbe  durch  den  für  sie  unverbind- 
lichen Vertrag  nicht  übernommen  hatte;  und  wenn  es  in  einem 
Zeitpunkt  zur  Auszahlung  der  Versicherungssumme  gekommen 
wäre,  zu  welchem  der  Irrtum  der  Beklagten  noch  fortgedauert 
hätte,  so  wäre  sie  wegen  dieser  Leistung  in  gleicher  Weise 


110 

zur  Rückforderung  wegen  Mangels  eines  rechtmässigen  Grun- 
des befugt  gewesen,  wie  der  Kläger  wegen  seiner  Prämien- 
zahlungen. Hieraus  folgt,  dass  die  Beklagte  den  gesamten 
Betrag  der  vom  Kläger  empfangenen  Prämien  als  Bereiche- 
rung herauszugeben  hat,  und  zwar  mit  Zins  und  Zinseszins 
bis  zum  Zeitpunkt  der  Klageanhebung;  denn  bei  der  Natur 
ihres  Geschäftes  ist  ohne  weiteres  davon  auszugehen,  dass 
die  eingegangenen  Prämien  zinsbar  angelegt  worden  seien,, 
und  die  Beklagte  hat  auch  nicht  behauptet,  dass  dies  nicht 
der  Fall  gewesen  sei.  (Entsch.  vom  25.  März  1899  i.  S.  Hänggi 
c.  Urbaine.)  

72.  0.  R.  Art.  896.  Versicherungsagenten  (auch  General- 
agenten! sind  in  der  Regel,  und  sofern  ihnen  diese  Vollmacht 
nicht  ausdrücklich  erteilt  ist,  nicht  befugt,  die  Voraussetzungen, 
unter  welchen  die  Ausdehnung  der  (Unfall-  und  Haftpflicht-) Ver- 
sicherung auf  andere  Gewerbearten  als  die  im  Versicherungsver- 
träge genannten  zu  bewirken  ist,  von  sich  aus  festzusetzen  oder 
über  diese  Voraussetzungen  verbindliche  Erklärungen  abzugeben. 
Wenn  daher  ein  Versicherter  im  Vertrauen  auf  Erklärungen  eines 
Generalagenten  es  dabei  bewenden  lässt,  von  seinem  Vorhaben, 
einen  neuen  Gewerbebetrieb  zu  beginnen^  einfach  dem  Lokalagenten 
Anzeige  zu  machen,  ohne  sich  zu  vergewissern,  ob  die  Versiche- 
rungsgesellschaft der  Ausdehnung  der  Versicherung  auf  diesen 
Betrieb  beistimmt,  so  handelt  er  auf  seine  Gefahr: 

(Entsch.  vom  11.  März  1899  û  S.  Le  Soleil  e.  Egloff.) 


73.  0.  R.  Art.  896.  Unfallversicherung.  Die  Beweislast  dafür, 
dass  der  Tod  des  Versicherlen  durch  Unfall  {nicht  durch  Selbst- 
mord) herbeigeführt  wurde,  trifft  denjenigen,  der  aus  der  Ver- 
Sicherung  Rechte  für  sich  herleitet.  Eine  Rechtsvermutung  gegen 
den  Selbstmord  besteht  nichtt  dagegen  genügt  für  die  Annahme 
eines  unfreiwilligen  gewaltsamen  Todes  ein  blosser  Wahrschein- 
lichkeitsbeweis. 

(Entsch.  vom  30.  März  1899  i.  8.  Erben  Voneschc.  Schweizer. 
Unfallversicherungsaktiengesellschaft  in  Winterthur.) 


74.  Bundesgesetz  betr.  Feststellung  und  Beurkundung  de* 
Civilstandes  und  die  Ehe  vom  24.  Dezember  1874,  Art.  28  Ziff.  3, 
26.   Fähigkeit  zur  Eingehung  einer  Ehe.    Begriff  des  Blödsinns. 

Partant  du  principe  que  le  mariage  ne  peut  être  valable- 
ment conclu  sans  le  consentement  libre  des  époux,  le  Tribu- 


Ili 

nal  fédéral  a  jugé  qu'il  doit  en  tout  cas  être  interdit  pour 
cause  d'imbécillité  au  sens  de  l'art.  28,  chiffre  3  de  la  loi 
fédérale  sur  l'état  civil,  aux  personnes  atteintes  d'une  faib- 
lesse d'esprit  telle  qu'il  leur  est  impossible  de  comprendre 
la  nature  et  la  portée  du  mariage  et  d'avoir  une  volonté  libre 
(Voir  arrêt  du  3  mai  1879,  Ree.  off.  V,  page  260,  consid.  3; 
voir  aussi  Ree.  off.  I,  page  97,  consid.  1  et  2).  Les  personnes 
qui  se  trouvent  dans  ce  cas  ne  sont  toutefois  pas  les  seules 
auxquelles  puisse  s'appliquer  l'interdiction  édictée  par  l'art.  28, 
chiffre  3,  leg.  cit.,  car  sans  cela  on  ne  comprendrait  pas  l'utilité 
de  cette  disposition,  qui  ne  ferait  que  confirmer  le  principe, 
déjà  énoncé  à  fart.  26,  que  le  mariage  n'est  pas  valable  sans 
le  consentement  libre  des  époux.  Mais  il  est  évident,  d'autre 
part,  que  le  législateur  n'a  pas  entendu  interdire  le  mariage 
à  toute  personne  qui,  à  raison  d'un  développement  incomplet, 
ou  d'un  affaiblissement  des  facultés  mentales,  peut  être  con- 
sidérée en  une  mesure  quelconque  comme  faible  d'esprit. 
L'imbécillité  (Blödsinn),  au  sens  de  l'art.  28,  chiffre  3  de  la 
loi  sur  l'état  civil,  doit  s'entendre  d'une  faiblesse  d'esprit 
accentuée  excluant  la  possibilité  de  remplir  d'une  manière 
suffisante  les  devoirs  moraux  et  les  obligations  juridiques  qui 
naissent  du  mariage.  Il  se  justifie  également  de  tenir  compte 
des  conséquences  possibles  de  la  faiblesse  d'esprit  au  point 
de  vue  de  l'état  mental  des  enfants  qui  pourraient  naître  du 
mariage.  En  revanche,  on  ne  saurait  considérer  comme  carac- 
téristique de  Timbécillité,  au  sens  de  la  disposition  légale 
précitée,  le  fait  de  n'être  pas  capable  d'administrer  soi-même 
sa  fortune.  Une  personne  peut  parfaitement  être  placée  sous 
tutelle  pour  cause  d'incapacité  de  gérer  elle-même  ses  intérêts 
matériels,  et  cependant  ne  pas  appartenir  à  la  catégorie  des 
imbéciles.  (Entsch.  vom  30.  März  1899  i.  S.  Blancpain  c.  Au- 
torité tutélaire  de  Courtelary.) 


75.  Bundesgesetz  betr.  die  Organisation  der  Bundesrechls- 
pflege  vom  22.  Mär»  1893,  Art  58.  Bundesgesetz  betr.  Feststellung 
und  Beurkundung  des  Civilstandes  und  die  Ehe  com  24.  Dezember 
1874,  Art.  35.  —  1.  Eine  Entscheidung,  durch  welche  ein  Ehe- 
einspruch wegen  verspäteter  Klagerhebung  zurückgewiesen  wird, 
ist  ein  Haupturteil,  so  dass  gegen  dieselbe  die  Berufung  an  de» 
Bundesgericht  statthaft  ist.  2.  Wenn  das  kantonale  Recht  vor- 
schreibt,  dass  der  eigentlichen  Klagerhebung  ein  Sühneversuch 
voranzugehen  tobe,  so  ist  die  in  Art.  35  des  B.-Ges.  betr.  Civil- 
stand  und  Ehe  für  die  Erhebung  der  Eheeinspruchsklage  vor- 


112 


geschriebene  zehntägige  Frist  gewahrt,  sofern  binnen  derselben 
das  Begehren  um  Abhaltung  des  Sühneversuches  gestellt  worden  ist. 
(Entsch.  vom   8.  Februar  1899  i   S.  Faucherre  c.  Faucherre.) 


76.  Btmdesgesetz  betr.  dte  Haftpflicht  der  Eisenbahn-  und 
Dampfschiffahrtunternehmungen  bei  Tötungen  und  Verletzungen 
vom  1.  Juli  1875,  Art.  4.  Wenn  der  Verunglückte  sich  mit  wissent- 
licher Ueberschreitung  polizeilicher  Vorschriften  mit  der  Trans- 
porianstalt  in  Berührung  gebracht  hat,  so  ist  der  Schadenersatz- 
anspruch desselben  ausgeschlossen,  auch  wenn  der  Unfall  un- 
mittelbar durch  ein  Verschulden  von  Bahnangeslellten  verursacht 
sein  sollte. 

(Entsch.  vom  8.  März  1899  i.  S.  Erben  Lacroix  c.  Jura- 
Simplon-Bakn.) 

77.  Bundesgesetz  betr.  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb  vom 
25.  Juni  1881,  Art.  12.  Verjährung  der  Schadenersatzansprüche 
aus  demselben;  Beginn  und  Unterbrechnngsgründe. 

Nach  Art.  12  F.  H.  G.  verjähren  die  Schadenersatzan- 
sprüche aus  demselben  nach  einem  Jahre  von  dem  Tage  der 
^Tötung  oder)  Verletzung.  Es  wird  also  hier  ausdrücklich 
aieser  Tag,  und  nicht  etwa  der  Moment,  wo  sich  die  Folgen 
der  Verletzung  zeigen,  zum  Anfangspunkte  der  Verjährungs- 
frist genommen,  was  denn  auch  der  Tendenz  des  Fabrikhaft- 
pflichtgesetzes, dass  die  aus  ihm  entspringenden  Ansprüche 
möglichst  rasch  zu  erledigen  seien  und  der  Unternehmer  nicht 
lange  im  Ungewissen  sein  müsse,  ob  noch  Haftpflichtforde- 
rungen gegen  ihn  gestellt  werden  könnten,  entspricht.  Die 
Gründe  der  Unterbrechung  dieser  Verjährung  sind  nach  kon- 
stanter bundesgerichtlicher  Praxis  die  im  0.  R.  Art.  154  auf- 
gestellten. (Entsch.  vom  4.  Februar  1899  i.  S.  Wagenmann 
c.  Aktiengesellschaft  der  Maschinenfabrik  von  Theodor  Bell 
&  Cie.)  

78.  Bundesgesetz  betr.  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb  vom 
25.  Juni  1881,  Art  ö  litt.  a.  Bundesgesetz  betr.  die  Ausdehnung 
der  Haftpflicht  u.  s.  w.  vom  26.  April  1887,  Art  2  Abs.  1.  Wenn 
ein  der  Haftpflichtgesetzgebung  untersteliter  Gewerbetreibender 
Arbeiten  als  Unterakkordant  übernommen  hat,  so  haftet  er  seinen 
Arbeitern  als  Betriebsunternehmer  für  die  ihnen  bei  deren  Aus- 
führung zugestossenen  Betriebsunfälle;  seine  Haftpflicht  wird  da- 
durch nicht  ausgeschlossen,  dass  neben  ihm   auch  der  Haupt- 


na 


Unternehmer  gemäss  Art  .2  Abs.  1  cit.  verantwortlich  ist.  Wenn  in 
einem  solchen  Falle  den  Unierakkordanten  keine  Schuld  an  dam  Un- 
fälle trifft,  so  erscheint  dieser  ihm  gegenüber  als  ein  zufälliger T 
auch  wenn  den  Hauptunternehmer  ein  Verschulden  treffen  sollte. 
(Entsch.  vom  1.  März  1899  i.  S.  Mann  c.  Béguin.) 


79.  Bundesgesetz  betr.  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art.  287  Ziffer  3,  288,  290.  Wesen  des  Konto- 
korrentverhältnisses.  Einzahlungen  in  einen  Kontokorrent  während 
laufender  Rechnungsperiode  qualifizieren  sich  nicht  als  Zahlung 
im  Rechtssinne  und  können  daher  nicht  ab  Zahlung  einer  nicht 
verfallenen  Schuld  angesehen  werden.  Begriff  der  Benachteiligungs- 
absicht im  Sinne  des  Art.  288  leg.  cit.,  Erkennbarkeit  dieser  Ab- 
sicht für  den  Gläubiger.  —  Voraussetzungen  der  Anfechtungsklage 
gegen  den  Bürgen,  wenn  der  zahlungsunfähige  Hauptschuldner 
zu  dessen  Entlastung  Leistungen  an  den  Gläubiger  gemacht  hat, 
welche  diesem  gegenüber  nicht  anfechtbar  sind. 

Dem  8ch.,  Säger  in  L.,  war  von  der  Aargauischen  Bank 
gegen  Bürgschaft  verschiedener  naher  Verwandter  ein  Kredit 
in  laufender  Rechnung  von  Fr.  30,000  eröffnet  worden.  Am 
18.  Oktober  1897  fiel  Seh.,  nachdem  er  im  Juni  gl.  J.  sein 
Geschäft  an  eine  Aktiengesellschaft  verkauft  hatte,  in  Kon- 
kurs. Während  der  Kontokorrent  mit  der  Aargauischen  Bank 
am  30.  Juni  1897  mit  einem  Saldo  zu  Lasten  des  Seh.  von 
Fr.  30,724  abgeschlossen  hatte,  betrug  dieser  Saldo  im  Zeit- 
punkt des  Konkursausbruchs  nur  noch  Fr.  4789.  Seh.  hatte 
inzwischen  in  zwei  Malen  erhebliche  Einzahlungen  gemacht, 
am  5.  Juli  Fr.  20,000  und  am  3.  August  Fr.  15,000,  wogegen 
hinwiederum  die  Bank  im  Juli  und  sodann  noch  am  13.  Au- 
gust verschiedene  Zahlungen,  im  Gesamtbetrage  von  Fr.  8894. 15 
für  ihn  leistete.  Die  Konkursmasse  des  Seh.  klagte  nun 
gegen  die  Aargauische  Bank  und  die  Kreditbürgen  des  Seh. 
dahin  : 

1.  Es  haben  die  Beklagten  anzuerkennen,  dass  die  Zah- 
lungen des  Gemeinschuldners  an  die  Aargauische  Bank,  d.  d. 
5.  Juli  1897  im  Nettobetrage  von  Fr.  11,105.  85  und  d.  cL 
3.  August  1897  im  Betrage  von  Fr.  15,000  anfechtbar  seien. 

2.  Die  Beklagten  seien  zu  verurteilen,  unter  solidarischer 
Haftbarkeit  diese  Beträge  mit  Zins  zu  5  °/o  vom  5.  Juli  bezw. 
3.  August  1897,  eventuell  vom  Tage  der  Klage  hinweg  in  die 
Konkursmasse  des  Seh.  einzubezahlen. 

3.  Eventuell  seien  diese  Beträge  von  der  Aargauischen 
Bank,    eventualissime  von   den   beklagten  Bürgen    unter  soli- 


IH 

darischer  Haftbarkeit  zu  bezahlen,  alles  unter  Kosten-  und 
Eutsehädigung8folge. 

Sie  stützte  diese  Klage  auf  Art.  287  Ziff.  3  und  288  des 
Bundesgesetzes  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs,  indem 
sie  behauptete:  Als  Seh.  der  Aargauischen  Bank  die  in  Rede 
stehenden  Zahlungen  gemacht  habe,  sei  er  gewaltig  über- 
schuldet gewesen.  Da  seine  Schuld  bei  der  Aargauischen 
Bank  im  Momente  jener  Zahlungen  nicht  fällig  gewesen  sei, 
liege  somit  der  in  Art.  287  Ziff.  3  des  Schuldbetreibungs-  und 
Konkursgesetzes  vorgesehene  Fall  vor.  Ueberdies  treffe  der 
Anfechtungsgrund  des  Art.  288  des  gleichen  Gesetzes  zu. 
Nach  der  Veräusserung  seines  Geschäftes  habe  Seh.  seine 
Vermögenslage  genau  gekannt.  Die  Zahlungen  an  Gläubiger, 
denen  seine  Verwandten  als  Bürgen  hafteten,  seien  in  der 
Absicht  erfolgt,  diese  Gläubiger  bezw.  die  Bürgen  auf  Kosten 
der  übrigen  Gläubiger  zu  begünstigen,  und  diese  rechtswidrige 
Absicht  sei  dein  andern  Teile  erkennbar  gewesen  ;  die  Zahlungen 
seien  sogar  auf  das  Drängen  der  Bürgen  hin  gemacht  worden. 

Das  Obergericht  des  Kantons  Aargau  hat  die  Klage 
gegenüber  der  Aargauischen  Bank  abgewiesen,  gegenüber  den 
Bürgen  dagegen  gutgeheissen.  Das  Bundesgericht  dagegen 
hat  die  Klage  auch  gegenüber  den  Bürgen  abgewiesen.  Hin- 
sichtlich der  Klage  gegen  die  Aargauische  Bank  wird  in  den 
Gründen  des  bundesgerichtlichen  Urteils  ausgeführt: 

Es  ist  nicht  bestritten,  dass  der  Gemeinschuldner  zur 
Zeit,  als  er  die  beiden  Einzahlungen  von  Fr.  20,000  und  von 
Fr.  15,000  machte,  überschuldet  war,  und  da  diese  Zahlungen 
innerhalb  der  letzten  sechs  Monate  vor  der  Konkurseröffnung 
erfolgt  sind,  findet  der  von  der  Klägerin  in  erster  Linie  an- 
gerufene Art.  287  des  Schuldbetreibungs-  und  Konkursgesetzes 
in  der  That  Anwendung,  sofern  in  denselben  eine  der  daselbst 
näher  bezeichneten  Rechtshandlungen  zu  erblicken  ist.  Dabei 
kann  es  sich  einzig  fragen,  ob  die  in  Ziffer  3  genannte  Rechts- 
handlung, nämlich  die  Zahlung  einer  nicht  verfallenen  Schuld, 
hier  vorliege.  Dies  ist  jedoch  zu  verneinen.  Wie  nicht  be- 
stritten ist,  hatte  die  Aargauische  Bank  dem  Soh.  den  Kredit 
von  Fr.  30,000  in  Form  eines  Kontokorrentvertrages,  in  lau- 
fender Rechnung,  eröffnet,  und  es  hat  sich  auch  thatsächlich 
der  beidseitige  Geld  verkehr  in  dieser  Form  abgewickelt.  Nun 
besteht  aber  das  Wesen  des  Kontokorrentverhältnisses  darin, 
dass  erst  der  durch  periodischen  Rechnungsabsohluss  zu  er- 
mittelnde Saldo  die  Forderung  des  einen  oder  des  anderen 
Teils  bildet,  die  gegenseitigen  Leistungen  also,  so  lange  die 
Rechnung  läuft,   zunächst  weder  eine  Schuld  noch  eine  For- 


115 

derung,  sondern  blosse  Rechnungsposten,  d.  h.  blosse  arith- 
metische Faktoren  für  das  Schlussergebnis  begründen  (siehe 
Ooldschmidt,  System  §  111;  Grünhut,  in  Zeitschrift  für 
Privat-  und  öffentliches  Recht,  Bd  III,  S.  505  und  Levi,  Konto- 
korrentvertrag S.  104).  Die  Einlieferung  eines  Geldbetrages 
während  der  Rechnungsperiode  tilgt  demnach  ebensowenig 
eine  Schuld,  bedeutet  ebensowenig  Zahlung  im  Rechtssinne, 
als  die  Empfangnahme  dem  anderen  Teil  eine  Forderung 
schafft.  Sind  daher  die  beiden  Einzahlungen  von  Fr.  20,000 
und  Fr.  15,000  als  in  laufende  Rechnung  geleistet  zu  be- 
trachten, so  kann  davon,  dass  sie  unter  die  in  Ziffer  3  von 
Art.  287  Schuld betreibungs-  und  Konkursgesetzes  genannten 
Rechtshandlungen  fallen,  nicht  die  Rede  sein,  indem  sie  sich 
«ben  überhaupt  nicht  als  Zahlung  einer  Schuld  darstellen. 
Dass  aber  jene  Einzahlungen  wirklich  in  den  Kontokorrent 
gemacht  worden  sind,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Das  Konto- 
korrentverhältnis war  zu  der  Zeit,  als  dieselben  erfolgten, 
von  keiner  Seite  gekündet;  nachdem  am  30.  Juni  1897  eine 
Abrechnung  stattgefunden  hatte,  wurde  das  Verhältnis  durch 
Uebertragung  des  Saldos  auf  neue  Rechnung  fortgesetzt,  und 
eine  weitere  Abrechnung  hatte  nicht  stattgefunden.  Und  da 
ferner  bei  den  beiden  Zahlungen  nichts  anderes  bedungen 
war,  muss  davon  ausgegangen  werden,  dass  dieselben  nach 
der  Meinung  der  Parteien  gleich  wie  die  übrigen,  während 
der  Dauer  des  Kontokorrentverhältnisses  von  Seh.  an  die 
Aargauische  Bank  geleisteten  Zahlungen  in  den  Kontokor- 
rentnexus aufgenommen,  und  demnach  lediglich  als  Faktoren 
für  die  dereinstige  Saldoberechnung  behandelt  werden  sollten. 
Aus  dem  Umstände,  dass  Seh.  am  28.  Juni  die  Einzahlung 
von  Fr.  20,000  als  eine  grössere  Zahlung  der  Bank  angekün- 
digt hatte,  kann  ebensowenig  auf  eine  abweichende  Verein- 
barung geschlossen  werden,  wie  daraus,  dass  er  am  30.  Juli 
1897,  bevor  er  die  Fr.  15,000  einbezahlte,  die  vollständige 
Abzahlung  des  Kredites  in  Aussicht  stellte.  Entscheidend 
ist,  dass  auch  bei  dieser  letzten  Zahlung  die  Rechnung  that- 
4sächlich  noch  nicht  abgeschlossen  war,  sondern  weiter  lief, 
so  dass  auch  diese  Zahlung,  wie  die  früheren,  da  sie  nicht 
ausdrücklich  zu  einem  besondern  Zwecke,  insbesondere 
nicht  zum  Zwecke  der  Tilgung  und  Ausscheidung  bestimmter 
Kontokorrentposten  gemacht  wurde,  die  Erfüllung  der  durch 
das  Kontokorrent  Verhältnis  begründeten  gegenseitigen  Obli- 
gationen in  suspenso  liess.  Wenn  th a t sächlich  die  Einzahlungen 
«Seh.  zwar  dessen  Guthaben  aus  dem  Kontokorrent  vermehrten,  so 
bewirkten  sie  doch,  so  lange  die  Rechnung  nicht  abgeschlossen 


116 

war,  in  keiner  Weise  eine  Schuldentilgung,  wie  sie  denn  auch 
jederzeit  durch  Bezüge  paralysiert  werden  konnten,  soweit 
Seh.  infolge  derselben  gegenüber  dem  Betrage  des  gewährten 
Kredites  im  Vorschusse  war. 

Es  kann  sich  daher  nur  fragen,  ob  die  genannten  Zah- 
lungen aus  dem  allgemeinen  Gesichtspunkt  des  Art.  288  dea 
Schuldbetreibung8-  und  Konkurs-Gesetzes,  d.  h.  deshalb  der 
Anfechtung  unterliegen,  weil  der  Gemeinschuldner  sie  in  der, 
dem  andern  Teile  erkennbaren  Absicht  vorgenommen  habe, 
seine  Gläubiger  zu  benachteiligen,  oder  einzelne  Gläubiger 
zum  Nachteil  anderer  zu  begünstigen.  Die  Absicht  der  Be- 
nachteiligung bezw.  der  Begünstigung  Einzelner  zum  Nachteil 
Anderer  ist  gemäss  der  konstanten  Praxis  des  Bundesgerichts 
(vergi.  Amt).  Samml.,  Bd  XXI,  S.  1277  E.  6)  schon  dann  an- 
zunehmen, wenn  die  Begünstigung  bezw.  Schädigung  vom 
Schuldner  überhaupt  als  die  natürliche  Folge  seiner  Rechts- 
handlung vorausgesehen  werden  konnte,  so  dass  es  zur  An- 
wendung von  Art.  288  cit.  eines  besondern  Nachweises,  dass 
dieser  Erfolg  gerade  den  Zweck  des  Rechtsgeschäftes  gebildet 
habe,  nicht  bedarf.  Nach  den  aktenmässigen  thatsächlichen 
Feststellungen  der  Yorinstanz  besteht  nun  kein  Zweifel,  dass 
der  Gemeinschuldner  vollständig  darüber  im  klaren  war,  dass 
die  angefochtenen  Rechtshandlungen  eine  Begünstigung  ein- 
zelner seiner  Gläubiger  enthalten  und  zum  Nachteil  der  übrigen 
ausschlagen  werden.  Dass  jedoch  der  Aarg.  Bank  bei  der 
Entgegennahme  der  beiden  Einzahlungen  vom  Juli  und  August 
1897  diese  Absicht  ihres  Kunden  bekannt  gewesen  sei,  ist 
unerwiesen,  und  es  lässt  sich  auch  nicht  sagen,  dass  die  Bank 
bei  der  in  dieser  Richtung  von  ihr  zu  erwartenden  Aufmerk- 
samkeit dieselbe  hätte  erkennen  können.  Eine  besondere 
Veranlassung,  sich  im  eigenen  Interesse  über  die  finanziellen 
Verhältnisse  Seh.  stets  genau  auf  dem  Laufenden  zu  erhalten, 
hatte  sie  nicht,  da  sie  für  den  ihm  gewährten  Kredit  durch 
die  Bürgschaft,  wie  nicht  bestritten  ist,  hinlänglich  gedeckt 
war  ;  und  im  Interesse  allfällig  gefährdeter  dritter  Gläubiger 
brauchte  sie,  solange  dasjenige,  was  ihr  über  seine  Verhältnisse 
wirklich  bekannt  war,  keinen  begründeten  Anlass  zu  Verdacht 
gab,  besondere  Erkundigungen  nicht  einzuziehen. 

Hinsichtlich  der  Klage  gegen  die  Bürgen  wird  in  dem 
bundesgerichtlichen  Entscheide  bemerkt: 

Gegenüber  den  Bürgen  hat  die  Vorinstanz  die  Klage  gut- 
geheis8en,  indem  sie  sich  auf  den  Standpunkt  stellte,  dass 
dieselben  als  bösgläubige  Dritte  im  Sinne  des  Art.  290  Schuld - 
betreibungs-  und  Konkurs- Gesetzes  zu  behandeln  seien,  und 


117 

deshalb  mit  der  Anfechtungsklage  belangt  werden  können, 
obschon  aie  das  anfechtbare  Rechtsgeschäft  mit  dem  Schuldner 
nicht  selbst  abgeschlossen  haben.  Dieser  Auffassung  kann 
nicht  beigetreten  werden.  Wenn  Art.  290  cit.  bestimmt,  die 
Anfechtungsklage  könne  gegen  diejenigen  Personen  angestellt 
werden,  die  mit  dem  Schuldner  die  anfechtbaren  Rechtsgeschäfte 
abgeschlossen  haben,  oder  von  ihm  in  anfechtbarer  Weise 
befriedigt  worden  sind,  gegen  ihre  Erben  und  gegen  bösgläubige 
Dritte,  so  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  unter  diesen  Dritten 
einfach  die  Singularsuccessoren  des  Anfechtungsgegners  ge- 
meint sind,  die  gleich  den  Universalsuccessoren  desselben  von 
der  Klage  erreicht  werden,  sofern  ihr  Rechtserwerb  in  bösem 
Glauben  erfolgt  war.  Nun  ist  zwar  richtig,  dass  die  beklagten 
Bürgen  infolge  der  Einzahlungen,  welche  der  Gemeinschuldner 
in  seinen  Kontokorrent  bei  der  Aarg.  Bank  gemacht  hat,  einen 
Vorteil  erlangt  haben,  indem  ihre  Verpflichtungen  als  Bürgen  in 
dem  Masse,  als  diese  Einzahlungen  reichten  und  nicht  wieder 
durch  Bezüge  wettgemacht  wurden,  gegenstandslos  geworden 
sind.  Allein  diesen  Vorteil  haben  sie  nicht  durch  Succession 
in  die  Rechte  der  Aarg.  Bank,  d.  h.  desjenigen  Rechtssubjektes, 
mit  welchem  das  angefochtene  Rechtsgeschäft  abgeschlossen 
worden  ist,  erlangt,  sondern  derselbe  war  lediglich  die  Folge 
der  accessorischen  Natur  jener  Verpflichtung.  Der  von  der 
Vorinstanz  für  die  Passivlegitimation  der  beklagten  Bürgen 
angeführte  Grund  trifft  demnach  nicht  zu.  Damit  ist  freilich 
die  Möglichkeit  der  Anstellung  einer  Anfechtungsklage  ihnen 
gegenüber  nicht  von  vornherein  ausgeschlossen.  Wenn  fest- 
gestellt wäre,  dass  die  Leistung  der  Einzahlungen  an  die  Aarg. 
Bank  auf  einer  Verabredung  zwischen  den  Bürgen  und  dem 
Gemeinschuldner  beruhte,  dass  dieser  den  Kontokorrent  nach 
Kräften  solle  auszugleichen  suchen,  um  die  Bürgschaft  gegen- 
standslos zu  machen  oder  wenigstens  zu  erleichtern,  der 
Gemeinschuldner  also  sich  den  Bürgen  gegenüber  zu  jenen 
Einzahlungen  und  zur  Unterlassung  weiterer  Bezüge  verpflichtet 
hätte,  so  würden  offenbar  diese  Bürgen  die  Rechtmässigkeit 
jener  Einzahlungen  nach  Massgabe  der  Grundsätze  über  die 
paulliani8che  Klage  zu  vertreten  haben,  indem  sie  sich  als- 
dann als  Erfüllung  einer  zwischen  dem  Gemeinschuldner  und 
ihnen  selbst  abgeschlossenen  Rechtshandlung  darstellen  würden. 
Dieser  Thatbestand  liegt  jedoch  nach  den  Akten  in  den  für 
das  Bundesgericht  verbindlichen  thatsächlichen  Feststellungen 
der  Vorinstanz  nicht  erweislich  vor.  (Entsch.  vom  3.  März  1899 
i.  S.  Masse  Schneider  c.  Aargauische  Bank  und  Schneider  und 
Genossen.) 


118 

B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


80.  Off  er  le.  Gebundenheit  des  Offerenten.  Schadenersatz- 
pflicht. M  5  und  116  0.  R. 

Luxer n.  Urteil  des  Obergerichts  vom  12.  Februar  1897. 

Kläger  belangen  den  Beklagten  auf  Sehadenersatz,  weil 
letzterer  eine  Partie  Käse,  die  er  den  Klägern  durch  Brief 
vom  18.  Juni  1896  offeriert  hatte,  vor  dem  ordnungsmässig 
erfolgten  Eintreffen  der  klägerischen  Annahmeerklärung  an 
einen  Dritten  weiter  verkauft  hatte.  Es  wurde  im  Prozesse 
festgestellt,  dass  die  Zusage  der  Kläger  dem  Beklagten  inner- 
halb der  durch  Art.  5  0.  R.  vorgesehenen  Zeit  zugekommen 
sei.  Damit  war  grundsätzlich  die  Schadenersatzpflicht  des 
Beklagten  statuiert.  Ueber  die  Höhe  der  Ersatzpflicht  sprach 
sich  das  Urteil  dahin  aus: 

Ist  ordentlicherweise  der  ersatzpflichtige  Schuldner  nach 
Art.  116,  Abs.  1,  0.  R.,  nur  gehalten,  denjenigen  Schaden  zu 
ersetzen,  der  bei  Eingehung  des  Vertrages  als  unmittelbare 
Folge  der  Nichterfüllung  oder  der  nicht  gehörigen  Erfüllung 
des  Vertrages  vorhergesehen  werden  konnte,  so  bleibt  doch 
dem  richterlichen  Ermessen  vorbehalten,  ob  bei  schwerem 
Verschulden  in  einem  weiteren  Umfange  Schadenersatz  zu 
leisten  sei.  Nach  Massgabe  der  schon  von  der  ersten  Instanz 
angeführten  Thatsachen,  wonach  der  Beklagte  in  unverant- 
wortlicher Weise  von  seiner  Offerte  abgegangen  ist  und  inner- 
halb der  Zeit,  während  der  er  noch  gegenüber  den  Klägern 
gebunden  war,  einen  anderweitigen  Kaufvertrag  abgeschlossen 
hat,  gelangt  der  hierortige  Richter  dazu,  den  Beklagten  für 
den  mittelbaren  Nachteil,  das  Spekulationsinteresse  der  Kläger, 
haftbar  zu   erklären. 

(Verhantll.  d.  Obergericbts  u.  d.  Justizkommission  v.  J.  1897,  S.  5 f.) 


81.  Vindikation.  Erfordernisse  des  sogen.  Eigentums- 
Vorbehalts  bei  Kauf  im  Falle  des  Art.  264  0.  R. 

Zürich.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichtes  vom 
25.  März  1899. 

Die  Firma  R.  erstellte  den  Brüdern  J.  &  H.  G.  anfangs 
1898  eine  elektrische  Beleuchtungsanlage.  Das  Gebäude, 
worin  diese  Anlage  errichtet  war,  ging  im  Sommer  1898  in 
das  alleinige  Eigentum  des  H.  G.  über,  und  dieser  geriet  im 
September  in  Konkurs.  Die  Beleuchtungsanlage  wurde,  da 
sie  noch  nicht  bezahlt  war,  von  der  Firma  R.  vindiziert,  und 


119 

die  Konkursverwaltung  bestritt  diesen  Anspruch.  Die  Appel- 
lationskammer wies  die  Vindikation  ab.  Nachdem  die  Motive 
zuerst  die  Frage,  ob  es  sich  um  Kauf-  oder  Werkvertrag 
handle,  dahin  entschieden  haben,  dass  Kauf  vorliege,  fahren 
sie  fort: 

Die  Vindikantin  stützt  ihren  Anspruch  wesentlich  auf 
den  im  Bestellungsvertrage  enthaltenen  Passus  „Zahlung  bei 
Inbetriebsetzung"  und  auf  den  in  ihrer  Faktur  vom  11.  Mai 
1898  enthaltenen  Vormerk:  „zahlbar  netto  per  comptant." 
Damit  soll  dokumentiert  sein,  dass  der  Eigentumsübergang 
an  die  Gebrüder  G.  von  der  Zahlung  des  Preises  abhängig 
gemacht  worden  sei.  Allein  dieser  Auffassung  kann  nicht 
beigepflichtet  werden  ;  diese  Bestimmungen  enthalten  eine 
Zahlungsbedingung,  die  keineswegs  den  Sinn  haben  kann, 
dass,  wenn  dieselbe  nicht  erfüllt  werde,  das  Eigentum  nicht 
an  den  Erwerber  übergehe.  Mit  der  Fertigstellung  der  An- 
lage war  auch  der  Kaufpreis  fällig,  es  war  der  Verkäufer 
berechtigt,  sofort  gütlich,  oder  rechtlich  auf  Zahlung  zu 
dringen.  Die  im  kaufmännischen  Verkehr  häufig  vorkommende 
Bestimmung  „netto  per  comptant"  bildet  lediglich  den  Gegen- 
satz zu  dem  ebenso  häufigen  Fall  der  Gewährung  von  Ziel. 
Hätte  die  Firma  R.  wirklich  die  Absicht  gehabt,  sich  das 
Eigentum  an  den  gelieferten  Objekten  vorzubehalten,  so  wäre 
alle  Veranlassung  vorgelegen,  dies  im  Bestellungsvertrage 
klar  zu  sagen;  bei  solchen  von  den  Usanzen  des  Verkehrs 
abweichenden  Bestimmungen  muss  eine  präzise,  klare  Fassung 
gefordert  werden.  —  Art.  264  0.  R.  bestimmt,  dass  der 
Eigentumsvorbehalt  ausdrücklich  vereinbart  werden  müsse, 
es  genügt  die  blosse  Verabredung  des  Barkaufs  zu  einer  er- 
folgreichen Vindikation  nicht.  Das  gemeine  Recht  allerdings 
ist  in  diesem  Punkte  vom  Schweiz.  Obligationenrecht  ver- 
schieden. (Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entseh.,  XVIil  S.  103  f.) 


82.  Contrat  de  louage  de  services.  Les  justes  motifs 
de  résiliation  doivent  être  recherchés  dans  l'exécution  même  du 
contrat.    Art  346  C.  0. 

Cieuève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  18  février  1899 
d.  1.  c.  Compagnon  c.  Imprimerie  centrale. 

Emmel,  agissant  pour  le  compte  de  l'administration  de 
l'Imprimerie  centrale,  a  donné  à  Compagnon  la  représentation 
exclusive,  à  Genève,  comme  courtier  d'annonces  du  journal 
Le  Genevois,  moyennant  une  remise  de  15°/o  sur  le  prix  des 
annonces.  Compagnon  a  accepté    ces  conditions  et  le  contrat 


120 

est  devenu  définitif.  Douze  jours  après,  le  30  mars  1897, 
Eramel  a  écrit  à  Compagnon,  qu'à  la  suite  de  renseignements 
qu'il  a  reçus,  le  Conseil  d'administration  le  prie  de  ne  pas 
s'occuper  du  courtage  d'annonces  pour  le  journal.  Ensuite 
de  cette  rupture  du  contrat,  Compagnon  a  formé  contre  l'Im- 
primerie centrale  une  demande  de  1500  fr.  de  dommages- 
intérêts.  L'intimée  a  répondu  que  l'usage,  en  ce  qui  concerne 
les  courtiers  d'annonces,  est  que  le  maître  peut  se  passer  des 
services  du  courtier  du  jour  au  lendemain,  et  que  Compagnon 
a  une  réputation  déplorable  sur  la  place  de  Genève,  qui  l'au- 
rait exposée  à  perdre  la  plus  grande  partie  de  sa  clientèle. 

Le  Tribunal  de  première  instance  a  débouté  Compagnon 
de  sa  demande,  en  se  fondant  sur  ce  que  l'art.  346  C.  O. 
autorise  la  résiliation  du  contrat  de  louage  de  services  avant 
le  terme  fixé  lorsqu'il  y  a  de  justes  motifs,  et  que  la  circon- 
stance que  Compagnon  aurait  été  condamné,  à  réitérées  fois, 
pour  délits  contre  la  propriété,  circonstance  qu'il  aurait  laissé 
ignorer  au  représentant  de  l'intimée,  constitue  un  juste  motif 
de  résiliation. 

La  Cour  a  réformé  ce  jugement  et  adjugé  à  Compagnon 
100  fr.  de  dommages -intérêts. 

Motifs:  Considérant  que  l'intimée  ne  justifie  nullement 
du  prétendu  usage  qu'elle  invoque  et  d'après  lequel,  en  matière 
de  courtage  d'annonces,  le  maître  et  l'employé  pouvaient 
mettre  fin  au  contrat  réciproquement,  sans  aucun  avertisse- 
ment préalable; 

que  le  contrat  conclu  est  un  contrat  de  louage  de  ser- 
vices soumis  comme  tel  aux  dispositions  des  art.  338  ss.  C.  0. 

Attendu  que  l'interprétation  donnée  par  les  premiers 
juges  de  Part.  346  C.  0.  et  l'application  qu'ils  en  ont  faite 
ne  doivent  pas  être  admises  par  la  Cour; 

que  les  justes  motifs  de  résiliation  du  contrat  dont  parle 
l'art.  346  doivent  être  rechercbés,  non  dans  des  circonstances 
qui  sont  sans  rapport  avec  le  contrat  dont  il  s'agit,  mais  dans 
l'exécution  même  de  ce  contrat,  telle  que  la  désobéissance 
constante  de  l'employé,  la  maladresse,  son  incapacité,  ou  la 
grossièreté  et  la  brutalité  du  maître; 

qu'il  appartient  au  maître  avant  de  louer  les  services 
d'un  employé,  de  se  renseigner  sur  ses  antécédents,  et  qu'il 
est  inadmissible  qu'un  maître  qui  a  engagé  les  services  d'un 
employé  puisse  le  renvoyer  immédiatement  parce  qu'il  aurait 
appris  que  chez  son  maître  précédent  il  se  serait  montré 
incapable  ou  désobéissant,  alors  que  lui-même  n'a  rien  à  lui 
reprocher; 


121 

qu'il  a  été  jugé  dans  ce  sens  par  le  Tribunal  fédéral 
(arrêt  Deschaux  c.  Brunner  et  Perrot,  du  25  avril  1896)  .  .  . 

que,  dans  l'espèce,  il  appartenait  à  l'intimée  d'établir  que 
Compagnon  était  incapable  de  rendre  les  services  qu'elle 
attendait  de  lui  et  que  la  connaissance  de  son  passé  écartait 
réellement  la  clientèle; 

que,  non  seulement  elle  ne  fait  pas  cette  preuve,  mais 
qu'au  contraire  Compagnon  justifie  qu'avant  de  conclure  le 
contrat  il  avait  déjà  fonctionné,  en  qualité  de  courtier  d'an- 
nonces, pour  le  compte  de  l'intimée,  pendant  trois  mois,  à  la 
satisfaction  de  cette  dernière. 

(Pour  fixer  le  montant  de  l'indemnité  la  Cour  a  pris  en 
considération  que  l'intimée  pouvait  résilier  le  contrat  dont  la 
durée  n'était  pas  déterminée,  pour  le  30  juin,  soit  au  bout  de 
trois  mois,  et  qu'en  prenant  pour  base  le  compte  que  Com- 
pagnon fournit  lui-même  des  opérations  qu'il  a  faites  pour 
l'intimée  pendant  les  mois  de  décembre  1896,  janvier  et 
février  1897,  il  y  a  lieu  d'allouer  à  Compagnon   100  fr.) 

(La  Semaine  judiciaire,  XXI  p.  272  sa.) 


83.  Ehescheidung.  Mariage  civil  et  religieux.  Art.  40  B.- 
Oes.  über  Civilstand  und  Ehe  vom  24.  Dezember  1874. 

Bern«    Urteil  des   App.-  und  KftBsationßhofes  vom  3.  Dezember  1897 
i.  S.  Eheleute  Simonin. 

Das  Amtsgericht  F.  hatte  in  einem  Ehescheidungsurteil 
gesagt: 

Considérant  que  le  Tribunal  étant  composé  exclusivement  de 
juges  catholiques  qui,  d'après  leurs  convictions  religieuses  et  les 
principes  de  l'Eglise  catholique  qui  en  sont  la  base,  reconnaissent 
l'indissolubilité  du  mariage  religieux,  prononce,  aux  torts  du  dé- 
fendeur, la  dissolution  par  le  divorce  du  mariage  civil  contracté 
entre  parties  le  15  avril  1875. 

Die  obere  Instanz  bestätigte  das  Scheidungsurteil  mit 
folgender  Erklärung: 

Toutefois,  il  convient  de  remarquer  que  les  considérants 
du  jugement  de  première  instance  qui  font  des  réserves  for- 
melles au  point  de  vue  du  soi-disant  mariage  religieux  des 
époux  S.  sont  absolument  déplacés.  Le  mariage  civil,  en  effet, 
est  le  seul  légal;  ce  que  le  Tribunal  de  première  instance 
qualifie  de  mariage  religieux  n'est  qu'une  cérémonie  qui  doit 
toujours  être  précédée  du  mariage  civil  (art.  40  L.  féd.  24  déc. 
1874),   de  sorte  qu'il    n'appartenait  pas  à  une  autorité  judi- 


122 


ciaire,  chargée  d'appliquer  la  loi,  de  formuler  des  réserves 
en  ce  qui  concerne  une  formalité  n'ayant  par  elle-même  au- 
cun effet  juridique  aux  yeux  de  cette  même  loi. 

(Zeitschx.  d.  Bern.  Jur.-Ver.,  XXXIV  S.  427.) 


84.  Betreibung  auf  einen  Verlustschein  aus  früherem 
Konkurse  des  Schuldners.  Geltung  des  Art.  265,  Abs.  2, 
B.-Ges.  über  Seh.  u.  K.  im  internationalen  Verkehr.  Begriff  des 
)yneuen  Vermögens." 

Bat»  eis  ladt,  Urteile  des  Civilgerichts  vom  24.  Februar  und  des 
AppellntionsgerichtB  vom  5.  April  1899  i.  S.  Keichsteiu  c.  Hintze. 

E.  Hintze  war  im  Jahre  1889  in  Hannover  in  Konkurs 
geraten.  Jetzt  betreibt  er  in  Basel  ein  Fahrrad-  und  Näh- 
maschine figeschäft,  hält  ein  grosses  Warenlager  und  preist  in 
auffälligen  Eeklameannoncen  sein  Geschäft  als  das  vielseitigste 
und  reichhaltigste  an.  Die  Gebr.  Reichstein,  die  in  dem  Kon- 
kurse des  Hintze  mit  Mk.  4597.81  zu  Verlust  gekommen 
waren,  betreiben  ihn  nun  in  Basel  für  diese  Summe.  Hintze 
wendet  mit  Berufung  auf  Art.  265,  Abs.  2,  B.-Ges.  über 
Seh.  u.  K.  ein:  er  könne  nicht  betrieben  werden,  da  er  seit 
jenem  Konkurs  noch  nicht  zu  neuem  Vermögen  gelangt  sei; 
das  Warenlager  gehöre  nicht  ihm,  sondern  einer  Gesellschaft 
Hintze  &  Cie,  bestehe  übrigens  grösstenteils  aus  Kommissions- 
gut; sein  eigenes  Vermögen  könnte  höchstens  im  Anspruch 
auf  Gewinn  u.  dergl.  bestehen,  solcher  sei  aber  bis  jetzt  nicht 
erzielt  worden.  Die  Kläger  replicierten  in  erster  Linie,  die 
Vorschrift  des  Art.  265,  Abs.  2,  leg.  cit.,  cessiere  in  casu 
gänzlich,  da  sie  sich  nicht  auf  die  im  Auslande  eröffneten 
Konkurse  und  die  in  solchen  festgestellten  Forderungen 
beziehe. 

Das  Civilgericht  hat  die  Klage  nach  den  beiden  in  Be- 
tracht kommenden   Fragen  gutgeheissen. 

Gründe:  1.  Die  Frage,  ob  ein  Konkursit  nur  dann  von  den 
Konknrsgläubigern  wieder  in  Anspruch  genommen  werden  kann, 
wenn  er  wieder  zu  neuem  Vermögen  gekommen  ist,  ist  eine  solche 
nach  Inhalt  und  Umfang  des  Beschlagsrechtes  der  Konkursgräubiger. 
Bestimmend  für  den  Umfang  des  Beschlagßrechtes  der  Konkurs- 
gläubiger  und  speziell  für  die  Frage,  ob  dasselbe  nur  das  gegen- 
wärtige oder  auch  das  zukünftige  Vermögen  ergreife,  und  mit 
welchen  Beschränkungen  das  letztere  ergriffen  werde,  ist  das  Ge- 
setz des  Konkursgerichtes  massgebend  (Kohler:  Lehrbuch  des  Kon- 
kursrechtes, S.  647;  v.Bar:  intern.  Privatrecht,  Bd  II,  S.  591). 
Die  Bestimmung  unseres  Konkursrechtes,  welche  einen  Zugriff  der 


123 

Konknrsgläubiger  gegen  den  Falliten  nach  Schluss  des  Konkurses 
nur  beschränkt  zulässt,  kann  nicht  als  eine  Bestimmung  öffentlicher 
Ordnung  bezeichnet  werden,  welche  notwendigerweise  auf  alle 
Einwohner  der  Schweiz  anzuwenden  wäre.  Diese  Vorschrift  ist 
nur  im  Zusammenhang  mit  den  anderen  Bestimmungen  unseres 
Rechtes  über  die  Art  des  Zugriffs  der  Konkursgläubiger  zu  ver- 
stehen. Während  auf  der  einen  Seite  dem  Konkursgläubiger,  der 
zu  Verlust  gekommen  ist,  das  Recht  gewährt  wird,  während  sechs 
Monaten  nach  Zustellung  des  Verlustscheines  ohne  neuen  Zahlungs- 
befehl zur  sofortigen  Exekution  zu  schreiten,  und  das  Zugriffsrecht 
des  Konknrsgläubigers  nicht  verjährt,  ist  auf  der  andern  Seite  das 
Zngriffsrecht  auf  den  Fall  neuen  Vermögens  eingeschränkt.  Es 
könnte  nun  offenbar  auf  Grund  eines  Verlustes  im  auswärtigen 
Konkursverfahren  keine  unverjährbare  Forderung  gegen  den  hier 
wohnenden  Falliten  geltend  gemacht  werden,  da  sich  die  Festsetzung 
der  Unverjährbarkeit  nicht  auf  Verlnstforderungen  aus  ausländischen 
Konkursen  bezieht;  damit  würde  man  aber  in  unzulässiger  Weise 
dazu  gelangen,  nur  die  dem  Konkursgläubiger  ungünstige  Bestim- 
mung auf  ihn  anzuwenden,  während  die  zum  Ausgleich  hiefür  die- 
nende günstige  Vorschrift  nicht  anwendbar  wäre.  Es  handelt  sich 
hier  nicht  um  eine  Bestimmung  des  Verfahrens,  für  das  das  Terri- 
torialrecht ohne  weiteres  anzuwenden  wäre,  sondern  um  den  mate- 
riellen Inhalt  des  Zugriffsrechts  eines  Gläubigers  und  die  Wirkung 
der  Konkursverteilung  auf  dieses  Zugriffsrecht,  und  dafür  kann 
nur  das  Recht  des  Konkursgerichts  anwendbar  sein. 

Das  Recht  des  Konkursgerichtes  kennt  jedoch  keine  Beschrän- 
kung des  Zugriffs  der  Konkursgläubiger  (Deutsche  Konkursord- 
ordnung  §  152). 

2.  Wollte  man  übrigens  auch  Art.  265,  Abs.  2  des  eidg.  Be- 
treibungs-  und  Konkursgesetzes  zur  Anwendung  bringen,  so  müsste 
dem  Gläubiger  dennoch  das  Exekutionsrecht  gewährt  werden. 
Wenn  das  Gesetz  nämlich  verlangt,  dass  der  Schuldner  zu  neuem 
Vermögen  gekommen  sein  müsse,  so  ist  darunter  nicht,  wie  der 
Beklagte  annimmt,  ein  Reinvermögen,  d.  h.  der  Ueberschuss  der 
Aktiven  über  die  Passiven  verstanden.  Das  Gesetz  will  das  Zu- 
griffsrecht des  Gläubigers  vielmehr  schon  dann  gewähren,  wenn 
die  für  Dritte  erkennbare  äussere  Vermögenslage  des  Schuldners 
Anlass  zu  neuer  Exekution  bietet.  Es  wäre  ganz  unmöglich,  zu 
konstatieren,  ob  wirklich  ein  Aktivüberschuss  vorhanden  sei;  es 
bedürfte  für  diese  Feststellung  ja  geradezu  eines  vorgängigen 
Liquidationsverfahrens.  Das  Vermögen  im  Sinne  des  Art.  265, 
Abs.  2  des  cit.  Gesetzes  ist  daher  als  Aktivvermögen  aufzufassen, 
ohne  Rücksicht  auf  allfällig  vorhandene  Passiven.  Die  gleiche 
Erwägung  führt  auch    dazu,    im   vorliegenden   Falle    anzunehmen, 


124 

der  Beklagte  sei  zu  neuem  Vermögen  gekommen,  obschon  Aie  Ver- 
mögensstücke Eigentum  der  vom  Beklagten  und  seiner  Koraman- 
ditärin  gebildeten  Kommanditgesellschaft  sind.  Es  kann  sich  auch 
hier  nicht  darum  handeln,  zu  eruieren,  ob  für  den  Beklagten  aus 
dem  Betrieb  der  Gesellschaftsgeschäfte  ein  Aktivüberschuss  resul- 
tiere, sondern  die  vorhandenen  Aktiven  der  Gesellschaft,  an  denen 
der  Beklagte  anteilsberechtigt  ist,  sind  als  Vermögen  im  Sinne 
des  Art.  265  cit.  anzusehen.  Dass  die  Gesellschaft  Hintze  &  Cie 
solche  Aktiven  besitzt,  ist  gerichtsbekannt.  Sie  führt  ein  bedeu- 
tendes Warenlager.  Dass  dasselbe  Kommissionsgut  sei,  ist  unrichtig, 
denn  sie  hat  auch  schon  erhebliche  Bestellungen  auf  eigene  Rech- 
nung effektuieren  lassen,  wie  sich  aus  einer  früheren  Verhandlnng 
vor  Dreiergericht  ergeben  hat  Es  wäre  übrigens  Sache  des  Be- 
klagten gewesen,  die  der  normalen  Geschäftslage  widerstreitende 
Thatsache,  dass  er  nur  Kommissionsgnt  besitze,  zu  beweisen,  was 
er. nicht  gethan  hat. 

Das  Appellationsgericht  hat  sich  der  Motivierung  sub  2 
angeschlossen  und  darum  das  Urteil  bestätigt,  über  die  erste 
Frage  aber  hat   es  folgende  abweichende  Ansicht  geäussert: 

Die  erste  Instanz  nimmt  an,  dass  der  Beklagte  sich  nicht 
auf  die  Wohlthat  des  Art.  265,  Abs.  2,  Bundesgesetzes  über 
Schuldbetreibung  und  Konkurs  berufen  könne  gegenüber  der 
Klage  auf  Grund  eines  Verlustscheines  aus  einem  im  Aus- 
lande über  ihn  ausgebrochenen  und  durchgeführten  Konkurse, 
falls  das  Gesetz  des  Konkursortes  diese  Wohlthat  nicht  kennt. 
Sie  stützt  sich  dafür  auf  die  in  der  Doktrin  vorherrschende 
Ansicht,  die  hinwiederum  darauf  zu  beruhen  scheint,  dass 
angenommen  wird,  es  handle  sich  hierbei  um  eine  Frage 
über  Bestand  und  Umfang  der  Forderung.  Dieser  Anschau- 
ung kann  das  Appellationsgericht  nicht  beitreten.  Um  eine 
solche  Frage  handelt  es  sich  nicht,  sondern  ausschliesslich 
darum,  ob  der  Schuldner  gegenüber  der  Exekution  (Be- 
treibung) die  Wohlthat  einer  Stundung  bis  zum  Erwerbe 
neuen  Vermögens  anrufen  könne,  und  dies  berührt  das  Wesen 
der  Forderung  nicht,  diese  Wohlthat  ist  kein  der  Forderung 
inhärierendes  Element,  keine  Beschränkung  des  Forderungs- 
rechts in  privatrechtlicher  Hinsicht,  sondern  eine  Beschränkung 
des  Exekutionsrechts  aus  öffentlich-rechtlichem  Motive  einer 
Schonung  des  Schuldners  ;  es  liegt  eine  reine  Executionsfrage 
vor,  für  die  somit  auch  das  Recht  des  Exekutionsortes  mass- 
gebend ist. 


■v:v- 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts, 


85.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundes- 
rechtspßege  vom  22.  März  1893,  Art  63  Ziffer  4;  65.  Die  Be- 
rufung kann  auch  vor  der  schriftlichen  Mitteilung  des  angefoch- 
tenen Urteils,  nachdem  dasselbe  bloss  mündlich  eröffnet  worden 
ist,  rechtswirksam  eingelegt  werden. 

(Entßch.  vom  8.  Mai  1899  i.  8.  Glanzmann    o.  Vielle.) 


86.  0.  R.  Art  17.  Ungültigkeit  einer  zeitlich  nicht  beschrankten 
Verpflichtung,  für  ein  Geschäft  Waren  zu  liefern  und  zu  be- 
ziehen. 

Zur  Gültigkeit  einer  in  einem  Vorvertrage  übernommenen 
Verpflichtung,  für  ein  Geschäft  Waren  zu  liefern  und  abzu- 
nehmen, ist  eine  zeitliche  Beschränkung  notwendig,  da  andern- 
falls die  wirtschaftliche  Bewegungsfreiheit  der  Kontrahenten 
in  einem  solchen  Masse  gehemmt  ist,  dass  das  Geschäft  als 
ein  im  Sinne  des  Art.  17  0.  R.  ungültiges  bezeichnet  werden 
inuss.  (Entsch.  v.  16.  Juni  1899  i.  S.  Mühle  c.  Balsiger.) 


87.  0.  R.  Art.  5,  6,  7,  896.  Vertragsschluss  unter  Abwesen- 
den beim   Versicherungsvertrag.    Beweislast 

1.  Wer  aus  einem  (unter  Abwesenden  verhandelten)  Ver- 
trage Rechte  herleiten  will,  hat  nachzuweisen,  dass  ein  gül- 
tiger vorbehaltloser  Vertrags  an  trag  gestellt  und  binnen  der 
gesetzlichen  Annahmefrist  angenommen  worden  ist.  Dagegen 
braucht  er  nicht  zu  beweisen,  dass  der  Antrag  nicht  recht- 
zeitig widerrufen  worden  sei,  vielmehr  hat  derjenige,  welcher 
einen  solchen  rechtzeitigen  Widerruf  behauptet,  denselben 
nachzuweisen. 

2.  Beim  Vertragsschlusse  unter  Abwesenden  wird  der 
(vorbehaltlos  gestellte)  Antrag  nicht  erst  durch  seine  An- 
nahme, sondern  schon  durch  sein  Eintreffen  beim  Adressaten 
unwiderruflich   (sofern   nicht   der  *  Widerruf  spätestens  gleich- 

10 


126 

zeitig  mit  ihm  eingetroffen  ist).  Als  eingetroffen  gilt  der 
Antrag  (wie  dessen  Widerruf)  nicht  erst  dann,  wenn  der 
Adressat  davon  thatsächlich  Kenntnis  genommen  hat,  sondern 
schon  dann,  wenn  er  (z.  B.  durch  Ablieferung  des  betreffen- 
den Briefes  in  seiner  Wohnung  oder  seinem  Geschäftslokale 
oder  durch  Niederlage  desselben  in  seinem  Postfache  oder 
Briefeinwurfe)  in  die  Möglichkeit  versetzt  worden  ist,  diese 
Kenntnis  zu  erlangen. 

3.  Beim  Versicherungsvertrage  wird  der  Versicherungs- 
nehmer nicht  schon  durch  das  Eintreffen  seines  Antrages  bei 
dem  (zum  Vertragsabschlüsse  nicht  bevollmächtigten)  Agen- 
ten, sondern  erst  durch  Eintreffen  desselben  bei  dem  Ver- 
sicherer selbst  gebunden. 

4.  Der  Versicherungsagent,  der  seiner  Gesellschaft  einen 
Versicherungsantrag  übersendet  hat,  ist  verpflichtet,  einen  bei 
ihm  eintreffenden  Widerruf  dieses  Antrags  der  Gesellschaft 
unverzüglich  brieflich  mitzuteilen;  dagegen  ist  er  nicht  ver- 
pflichtet, dies  telegraphisch  zu  thun,  selbst  dann  nicht,  wenn 
der  Widerruf  bei  ihm  telegraphisch  eingegangen  ist.  (Entach. 
vom  10.  Juni  1899  i.  S.  Assurance  mutuelle  suisse  contre  les 
accidents  c.  Gebr.  Reichenbach.) 


88.  0.  /?.  Art.  10,  104,  Ml,  882  Abs.  3.  Anwendung  der 
Hechtsvermutung  des  Art  104  in  zeitlicher  Beziehung.  Art  104 
derogiert  dem  Grundsätze  des  Art.  141 ,  wonach  für  den  schen- 
kungsweisen Nachlasse  insbesondere  für  dessen  Form,  das  kanto- 
nale Hecht  massgebend  ist,  nicht. 

1.  Axt.  104  0.  K.,  wonach  die  Rückgabe  des  Schuld- 
scheins an  den  Schuldner  die  Vermutung,  dass  die  Schuld 
getilgt  sei,  begründet,  gilt  auch  für  unter  der  Herrschaft  des 
kantonalen  Rechts  begründete  Forderungen,  sofern  nur  die  be- 
hauptete Rückgabe  des  Schuldscheins  unter  der  Herrschaft  des 
0.  R.  stattgefunden  hat.  Denn  die  gedachte  Rechtsvermutung 
ist  eine  rechtliche  Wirkung  der  letzteren  Thatsache,  beurteilt 
sich  also  nach  den  im  Obligationenrechte  ausgesprochenen 
Grundsätzen  über  zeitliche  Rechtsanwendung  nach  dem  zur 
Zeit  ihres  Eintrittes  geltenden  Rechte. 

2.  Art.  104  0.  R.  derogiert  unzweifelhaft  dem  Grundsatze 
des  Art.  141  0.  R.,  wonach  der  schenkungsweise  gewährte 
Nachlass  durch  das  kantonale  Recht  bestimmt  wird,  nicht; 
es  folgt  aus  der  Rechtsvermutung  des  Art.  104  0.  R.  speziell 
nicht  etwa,  dass  zum  sehe nkungs weisen  Nachlasse  die  Rück- 
gabe des  Schuldscheins    an   den   Schuldner   genüge,    sondern 


127 

die  Form  des  schenkungs  weisen  Nachlasses  regelt  sich  gemäss 
Art.  10  0.  R.,  ungeachtet  des  Art.  104  0.  R.,  nach  kantonalem 
Rechte.  Wenn  daher  feststeht,  dass  der  Rückgabe  des  Schuld- 
scheins jedenfalls  ein  anderer  Tilgungsgrund  der  Forderung 
als  derjenige  des  schenkungs  weisen  Nachlasses  nicht 
zu  Grunde  liegt,  so  beurteilt  sich  die  weitere  Frage,  ob  ein 
gültiger  schenkungsweiser  Nachlass  vorliege,  nach  kanto- 
nalem Rechte.  (Entsch.  vom  14.  Juli  1899  i.  S.  Schlosser  c. 
Läng.)  

89.  0.  R.  Art.  122,  124,  370.  Rücktritt  des  Unternehmers 
vom  Werkvertrage  wegen  Verzugs  des  Bestellers  in  Bezahlung  des 
Werklohnes.  Wirkungen  desselben,  wenn  es  sich  um  ein  auf  Grund 
und  Boden  des  Bestellers  (teilweise)  ausgeführtes   Werk  handelt. 

Da  das  eidgenössische  Obligationenrecht  in  dem  Abschnitt 
über  den  Werkvertrag  den  Rücktritt  des  Unternehmers  wegen 
Verzugs  des  Bestellers  nicht  besonders  regelt,  so  bleiben 
hiefür  die  in  Art.  122  ff.  enthaltenen  allgemeinen  Normen 
massgebend.  Darnach  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass,  wo 
es  sich  nicht  um  eine  aur'  beiden  Seiten  teilbare  Obligation 
handelt,  der  Vertrag  durch  den  Rücktritt  von  Anfang  an  auf- 
gehoben wird,  der  vom  Vertrag  Zurücktretende  demnach  für 
das  von  ihm  bereits  Geleistete  nicht  mit  der  Vertragsklage 
Vergütung  fordern  kann,  sondern  auf  die  in  Art.  124  0.  R. 
gewährte  condictio  sine  causa,  unter  Umständen  verbunden 
mit  einer  Schadenersatzklage,  beschränkt  ist.  Nun  ist  in 
casu  die  Rückerstattung  des  vom  Kläger  bereits  Geleisteten 
in  natura  nicht  möglich,  da  es  sich  um  ein  auf  dem  Grund 
und  Boden  des  Bestellers  errichtetes  Werk  handelt.  Es  ist 
klar,  dass  das  Gesetz  den  Unternehmer,  der  mit  Recht  wegen 
Verzugs  des  Bestellers  in  Bezahlung  des  Werklohnes  vom 
Vertrage  zurückgetreten  ist,  in  diesem  Falle  nicht  schlechter 
gestellt  wissen  will,  als  wenn  die  Rückerstattung  in  natura 
möglich  ist;  allein  das  Gesetz  spricht  sich  darüber,  worin  der 
Ersatz  für  den  undurchführbaren  Rückerstattungsanspruch  be- 
stehen soll,  nicht  ausdrücklich  aus.  Die  Frage  muss  daher 
nach  allgemeinen  Rechtsregeln,  und  unter  Berücksichtigung 
der  Rechtsstellung,  welche  das  Obligationenrecht  dem  Unter- 
nehmer in  anderen  Fällen,  wo  die  Vollendung  des  Werkes 
verunmöglicht  wird,  einräumt,  gelöst  werden.  Ihre  Lösung 
ergiebt  sich  unmittelbar  aus  Art.  124  selbst,  wenn  den  Be- 
steller ein  Verschulden  trifft.  Denn  beim  Nachweis  eines 
Verschuldens  des  Bestellers  giebt  Art.  124  0.  R.  dem  Unter- 
nehmer das  Recht,  für  die  Vermögenseinbusse,  die  er  infolge 


128 

der  Aufhebung  des  Vertrages  erleidet,  Ersatz  zu  verlangen; 
der  Unternehmer  kann  also,  soweit  ihm  der  Wert  des  von 
seiner  Seite  Geleisteten  durch  Rückgabe  in  natura  nicht  ver- 
gütet wird,  vom  Besteller  dafür  Schadenersatz  verlangen,  dass 
er  diese  Vergütung  nicht  auf  dem  Weg  der  Vertragsklage, 
welche  durch  Aufhebung  des  Vertrages  dahingefallen  ist,  be- 
anspruchen kann.  Im  vorliegenden  Falle  besteht  nun  kein 
Zweifel,  dass  den  Besteller  ein  Verschulden  trifft,  da  nichts 
dafür  vorliegt,  dass  sein  Verzug  auf  einer,  von  ihm  nicht  zu 
vertretenden  Ursache  beruhe.  Der  Beklagte  ist  demnach  dem 
Kläger  schadenersatzpflichtig  für  die  Folgen  des  Rücktrittes, 
und  hat  daher  denselben  auch  für  das  Interesse  an  der  unter- 
gegangenen Forderung  auf  Vergütung  der  geleisteten  Arbeit 
gemäss  dem  Vertrage  schadlos  zu  halten.  Hieraus  ergiebt 
sich  aber  ohne  weiteres,  dass  die  Höhe  der  Forderung,  die 
dem  Kläger  an  Stelle  der  Rückerstattung  des  Geleisteten  in 
natura  zusteht,  nach  dem  im  Vertrage  bestimmten  Lohne  be- 
messen werden  muss.  Denn  das  Interesse,  das  ihm  der  Be- 
klagte zu  vergüten  hat,  reicht  gerade  so  weit,  als  der  An- 
spruch, den  derselbe  mit  der  Vertragsklage  hätte  geltend 
machen  können. 

Das  gleiche  Resultat  würde  sich  übrigens  auch  dann  er- 
geben, wenn  die  in  Art.  124  0.  R.  bezeichnete  Schadenersatz- 
klage nicht  Platz  greifen  würde.  In  diesem  Falle  musate 
Art.  370  0.  R.  analoge  Anwendung  finden,  wonach  der  Unter- 
nehmer, wenn  die  Vollendung  des  Werkes  durch  einen  beim 
Besteller  eingetretenen  Zufall  unmöglich  wird,  Anspruch  auf 
Vergütung  der  geleisteten  Arbeit,  und  der  im  Lohne  nicht 
inbegriffenen  Auslagen  hat.  Denn  es  ist  kein  hinreichender 
Grund  ersichtlich,  warum  der  Gesetzgeber  dem  Unternehmer 
nicht  die  gleichen  Rechte  auch  dann  hätte  einräumen  wollen, 
wenn  die  Vollendung  des  Werkes  dadurch  verunmöglicht 
wird,  dass  der  Unternehmer  wegen  Verzuges  des  Bestellers 
zum  Rücktritt  vom  Vertrag  genötigt  ist,  und  den  Wert  der 
bereits  geleisteten  Arbeit  nicht  zurückfordern  kann,  weil  die 
Rückgabe  in  natura  sich  als  unmöglich  erweist.  Dass  aber 
nach  Art.  370  0.  R.  die  dem  Unternehmer  zustehende  For- 
derung auf  Vergütung  der  geleisteten  Arbeit  nach  Massgabe 
des  vereinbarten  Lohnes  bemessen  werden  muss,  ergiebt  sich 
schon  daraus,  dass  hier  der  Vertrag  lediglich  bezüglich  des 
noch  nicht  Geleisteten,  also  ex  nunc  und  nicht  ex  tuno,  auf- 
gehoben wird.  (Vergi.  Hafner,  Komment  zu  Art.  370,  Anm.3.) 
(Entsch.  vom  20.  Mai  1899  i.  S.  Rutishauser  c.  Kläusli.) 


129 

90.  0.  R.  Art  163,  167,  407.  Besteht  zwischen  dem  Aus- 
steller einer  (zahlungshalber  gegebenen)  Anweisung  und  dem  An- 
gewiesenen, welcher  die  Anweisung  gegenüber  dem  Assignatar  an- 
genommen hat,  ein  SolidarschuldverhäUnis  gegenüber  letzter  emt 

Die  Allgemeine  Kreditbank  in  Basel  hatte  die  Bernische 
Bodenkreditanstalt  angewiesen,  eine  ihr  obliegende  Schuld 
<an  die  Bank  in  Zofingen  zu  bezahlen,  und  die  Bernische 
Bodenkredi  tan  stai  t  hatte  diese  Anweisung  gegenüber  der  Bank 
in  Zofingen  angenommen.  In  der  Folge  bezahlte  die  Ber- 
nische Bodenkreditanstalt,  nachdem  der  Konkurs  über  die 
Allgemeine  Kreditbank  ausgebrochen  war,  80  °/o  der  Forde- 
rung an  die  Bank  in  Zofingen.  Letztere  verlangte  nichts- 
destoweniger im  Konkurse  der  Allgemeinen  Kreditbank  für 
den  vollen  Betrag  ihrer  ursprünglichen  Forderung  (von 
Fr.  153,281.  10)  kolloziert  zu  werden,  indem  sie  sich  u.  a. 
auf  Art.  167  0.  R.  berief,  während  die  Massakuratel  sie  nur 
mit  20  %  zuliess,  für  8  J  %  dagegen  die  Bernische  Boden- 
kreditanstalt, resp.  einen  Cessionar  derselben,  kollozierte. 
Das  Bundesgericht  hat  die  Berufung  der  Bank  in  Zofingen 
auf  Art.  167  0.  R.  als  unzutreffend  zurückgewiesen,  indem 
es  ausführte: 

Allerdings  enthält  der  von  der  Klägerin  angerufene 
Art.  167  0.  R.  eine  Vorschrift  konkursrechtlicher  Natur,  in- 
-dem  derselbe  vorschreibt,  dass  der  Gläubiger  im  Konkurse 
jedes  Solidarschuldners  die  ganze  Forderung  geltend  machen 
kann,  und  die  auf  ihn  entfallenden  Beträge  in  jedem  einzelnen 
Konkurse  so  lange  nach  der  ganzen  Forderung  zu  berechnen 
sind,  als  sich  dabei  nicht  ein  seine  ganze  Forderung  über- 
steigender Betrag  ergiebt,  und  es  muss  sich  daher  fragen, 
ob  die  Voraussetzungen  dieser  bundesgesetzlichen  Bestimmung 
in  casu  zutreffen,  d.  h.  ob  die  Allgemeine  Kreditbank  in  Basel 
und  die  Bernische  Bodenkreditanstalt  mit  Bezug  auf  die  von 
der  Klägerin  angemeldete  Forderung  als  Solidarschuldner  zu 
betrachten  seien.  Dies  ist  jedoch  zu  verneinen.  Die  Forde- 
rung der  Klägerin  an  die  Bernische  Bodenkreditanstalt  gründet 
sich  auf  die  von  der  Allgemeinen  Kreditbank  erteilte,  und 
von  der  Bernischen  Bodenkreditanstalt  angenommene  Anwei- 
sung, der  Klägerin  die  Summe,  welche  die  Allgemeine  Kredit- 
bank dieser  schuldete,  zu  bezahlen.  Es  sollte  also  allerdings 
mit  der  Anweisung  an  die  Bernische  Bodenkreditanstalt  eine 
Schuld  der  Allgemeinen  Kreiitbank  an  die  Klägerin  getilgt 
werden;  allein  das  zu  diesem  Zwecke  gewählte  Rechtsgeschäft, 
die  Anweisung,  begründete  kein  gemeinsames  Schuldverhältnis 
zwischen    der    Allgemeinen    Kreditbank    und    der  Bernischen 


130 

Bodenkreditanstalt  im  Sinne  der  Solidarobligation.  Infolg© 
der  Anweisung  standen  der  Klägerin  nicht  zwei  Schuldner 
für  eine  und  dieselbe  Forderung  gegenüber;  denn  durch  die 
Annahme  der  Anweisung  trat  die  Bodenkreditanstalt  nicht 
etwa  neben  der  Allgemeinen  Kreditbank  als  Schuldnerin  für 
die  bisherige  Forderung  ein,  sondern  sie  begründete  damit 
ein  neues  Schuldverbältnis  für  sich,  und  wenn  die  Klägerin 
nicht  nebeneinander  die  Erfüllung  der  einen  und  der  andern 
Obligation  verlangen  konnte,  sondern  die  von  der  Bodenkredit- 
anstalt, d.  h.  der  Angewiesenen,  geleistete  Zahlung  die  Til- 
gung der  Obligation  der  Allgemeinen  Kreditbank  bewirken 
mu88te,  so  ergab  sich  diese  Wirkung  nicht  sowohl  daraus, 
dass  der  Klägerin  für  einen  und  denselben  Anspruch  zwei 
Mit  verpflichtete  gegenüber  gestanden  wären,  sondern  lediglieh 
aus  der  Identität  des  wirtschaftlichen  Interesses,  dem  beide 
Obligationen  dienten,  indem  die  Schuldverpflichtung  der 
Bodenkreditanstalt  eben  zu  dem  Zwecke  eingegangen  worden 
war,  dieses  Interesse  durch  Erfüllung  einer  andern  Obligation, 
als  der  ursprünglichen,  zwischen  der  Klägerin  und  der  Allge- 
meinen Kreditbank  begründeten,  zu  befriedigen.  Demnach 
könnte  denn  auch  keine  ßede  davon  sein,  dass  der  Klägerin 
zwischen  den  beiden  Schuldnern  etwa  ein  Wahlrecht  zuge- 
standen wäre,  wie  es  der  Gläubiger  gegenüber  Solidarschuld- 
nern nach  Art.  163  0.  R.  besitzt;  sondern  sie  war,  gemäss 
Art.  407  daselbst,  zunächst  auf  die  Geltendmachung  der  An- 
weisung beschränkt,  und  konnte  die  Forderung  gegen  die 
Allgemeine  Kreditbank  erst  wieder  aufgreifen,  wenn  und  so- 
weit sie  von  der  Bodenkreditanstalt,  als  der  Angewiesenen, 
vergeblich  Zahlung  gefordert  hatte.  (Entsch.  vom  12.  Mai 
1899  i.  S.  Bank  iti  Zofingen  c.  Masse  der  Allgemeinen  Kredit- 
bank in  Basel.) 

91.  0.  R.  Art.  202,  206,  482.  Zulässiykeit  der  Eigentums- 
klage  gegen  den  blossen  Detentor.  —  Constitutum  possessoriumt 
Wenn  die  verkaufte  Sache  nach  Abschluss  d?s  Kaufes  bis  zu 
vollständiger  Zahlung  des  Kaufpreises  in  Händen  des  Verkäufers 
zurückbleiben  soll,  so  liegt  ein  gültiges  constitutum  possessorium 
nicht  vor. 

Die  Beklagten,  Basler  Wechsel- Komptoir  Gl.  &  Cie, 
haben  am  26.  September  1898  drei  der  Klägerin  gestohlene 
Inhaberobligationen  der  Zürcher  Kantonalbank  zu  je  Fr.  1000 
um  Fr.  2833.80  dem  Diebe  im  guten  Glauben,  dass  derselbe 
zur  Veräusserung  berechtigt  gewesen  sei,  abgekauft.  Am 
30.  gleichen  Monats   haben    sie    die  Titel    dem    Handelsmann 


131 

N.  6.  um  Fr.  2899.20  weiter  verkauft.  G.  bezahlte  gleiche» 
Tages  an  den  Kaufpreis  den  Betrag  von  Fr.  2803.35  und 
Hess  die  Titel  in  den  Händen  der  Beklagten,  mit  der  Er- 
klärung, er  werde  dieselben  in  14  Tagen  abholen  und  den 
Rest  des  Kaufpreises  bezahlen.  Die  Beklagten  stellten  ihm 
eine  Quittung  für  den  bezahlten  Betrag  aus,  und  vermerkten 
am  Fusse  derselben:  „Les  titres  restent  déposés  chez  nous. 
61.  &  Cie."  Sie  legten  die  Titel  in  ein  als  „Depot  von  N.  G.a 
überschriebenes  Couvert. 

Die  von  der  Klägerin  gegen  die  Beklagten  erhobene 
Klage  auf  unbeschwerte  Herausgabe  der  Obligationen  ist 
vom  Bundesgerichte  gutgeheissen  worden.  Aus  den  Gründen 
seines  Urteils  ist  hervorzuheben: 

Die  Ansicht,  dass  nach  eidgen.  Obligationenrecht  die  Vin- 
dikation gestohlener  oder  verlorener  Sachen  nur  gegen  den 
juristischen  Besitzer,  und  nicht  auch  gegen  den  blossen  De- 
tentor angestrengt  werden  könne,  ist  nicht  richtig.  Nach 
gemeinem  Recht  kann  der  Eigentümer  seine  ihm  abhanden 
gekommene  Sache  bekanntlich  von  jedem  herausfordern,  der 
sie  inné  hat  und  zur  Restitution  fähig  ist  (s.  Dernburg, 
Pandekten  I,  §  225),  also  nicht  bloss  vom  juristischen  Be- 
sitzer, sondern  auch  vom  Detentor  in  fremdem  Namen,  wie 
z.  B.  vom  Depositar,  Kommodatar,  Mieter  u.  s.  w.  Nun  aner- 
kennt allerdings  das  eidgen.  Obligationenrecht  dasVindikations- 
recht  des  Eigentümers  bezüglich  beweglicher  Sachen  nicht  in 
dem  ausgedehnten  Umfange  wie  das  gemeine  Recht;  allein 
die  Beschränkung,  welche  es  gegenüber  diesem  letztern  sta- 
tuiert, betrifft  lediglich  den  Schutz  des  gutgläubigen  Erwerbers, 
bezw.  den  Grundsatz:  Hand  muss  Hand  wahren.  Mit  der 
Durchführung  dieses  Grundsatzes  hat  aber  die  Frage,  ob  die 
Eigen tum8k läge  nur  gegen  den  juristischen  Besitzer  der  vin- 
dizierten Sache,  oder  auch  gegen  den  blossen  Detentor  der- 
selben angestrengt  werden  könne,  nichts  zu  thun.  Aus  der 
grundsätzlichen  Stellung,  welche  das  eidgen.  Obligationenrecht 
im  allgemeinen  mit  Bezug  auf  die  Vindikation  beweglicher 
Sachen  einnimmt,  kann  demnach  nichts  zu  Gunsten  der  von 
den  Beklagten  vertretenen  Ansicht  hergeleitet  werden.  Eben- 
sowenig aus  dem  Wortlaut  des  Gesetzes.  Dasselbe  steht 
dieser  Ansicht  vielmehr  ausdrücklich  entgegen.  Art.  206  O.R. 
besagt,  gestohlene  oder  verlorene  Sachen  können  binnen  fünf 
Jahren  vom  Tage  des  Abhandenkommens  an  gerechnet  „jedem 
Inhaber"  abverlangt  werden.  „Jeder  Inhaber"  (oder  wie  die 
welschen  Texte  sagen:  „tout  détenteur,"  „qualsiasi  detentore") 
ist  aber  nicht  bloss  derjenige,  welcher  den  juristischen  Besitz 


132 

an  der  Sache  ausübt,  den  animus  sibi  possidendi  besitzt, 
sondern  im  Gegensatz  dazn  jeder,  der  die  Sache  thatsächlioh 
inne  hat,  ohne  Rüoksicht  auf  die  juristische  Qualifikation  des 
Innehabens.  Nach  Art.  206  0.  R.  kann  somit  kein  begrün- 
deter Zweifel  obwalten,  dass  die  Eigentumsklage  auch  gegen 
den  blossen  Detentor,  der  die  vindizierte  Sache  für  einen 
Dritten  in  Gewahrsam  hat,  angestrengt  werden  kann.  Dieser 
Standpunkt  des  Obligationenrechts  kommt  übrigens  noch  in 
einem  speziellen  Anwendungsfalle  zum  Ausdruck,  indem 
Art.  482  den  Depositar  einerseits  der  Verpflichtung  zur  Rück- 
gabe an  den  Hinterleger  enthebt  und  andrerseits  zur  Benach- 
richtigung desselben  verpflichtet,  wenn  gegen  ihn  (d.  h.  den 
Depositar)  die  Eigentumsklage  anhängig  gemacht  worden  ist, 
also  gerade  den  Fall  ins  Auge  fasst,  wo  die  Vindikation 
gegen  den  blossen  Detentor  und  nicht  gegen  denjenigen  ge- 
richtet wird,  in  dessen  Namen  er  die  Sache  in  Händen  hat. 
Ob  der  Detentor  zur  Wahrung  der  Rechte  seines  Autors 
auf  die  Streitverkündung  an  denselben  beschränkt  sei,  oder 
ob  er  auch  von  sich  aus  die  Einreden,  welche  diesem  zu- 
stehen würden,  dem  Vindikanten  gegenüber  erheben  könne, 
kann  dahingestellt  bleiben,  denn  die  Behauptung  der  Beklagten, 
sie  hätten  die  vindizierten  Titel  einem  dritten  Käufer,  dem 
N.  G.,  tradiert,  und  übten  lediglich  als  Depositare  für  diesen 
<len  Gewahrsam  an  denselben  aus,  erscheint  jedenfalls  als 
unbegründet.  Eine  körperliche  Debergabe  hat  unbestrittener- 
massen  nicht  stattgefunden,  sondern  der  Besitzerwerb  G.'s 
könnte  sich  nur  auf  ein  constitutum  possessorium  gründen; 
zum  Nachweis  eines  solchen  hätten  die  Beklagten  darzuthun, 
dass  der  beidseitige  übereinstimmende  Vertragswille  der  Par- 
teien auf  Besitzübertragung  an  den  Erwerber  gerichtet  ge- 
wesen, und  die  körperliche  Uebergabe  an  diesen  auf  Grund 
eines  besonderen  Rechtsverhältnisses  unterblieben  sei,  dem- 
zufolge die  Titel  noch  im  Gewahrsam  der  Veräusserer  bleiben 
sollten.  Allein  dieser  Nachweis  ist  nicht  erbracht.  Die  Be- 
klagten behaupten,  aus  dem  dem  G.  ausgestellten  Bordereau, 
in  welchem  gesagt  sei,  die  Titel  seien  ihm  cediert  und  folgen 
mit,  ergebe  sich,  dass  sie  demselben  die  Uebergabe  angeboten 
hätten,  und  die  Uebergabe  sei  sodann  dadurch  wirklich  zu 
stände  gekommen,  dass  sie  die  Titel  fortan  als  Depositare 
G.'s  aufbewahrt  hätten.  Als  Depositare  wären  die  Beklagten 
jedoch  verpflichtet  gewesen,  demselben  die  Titel  auf  jeder- 
zeitige Aufforderung  hin  herauszugeben,  ohne  sich  darauf  be- 
rufen zu  können,  dass  der  Kaufpreis  noch  nicht  völlig  bezahlt 
war.    Die  Annahme  eines  zwischen   den  Parteien  abgeschlos- 


133 

seilen  Hinterlegungsvertrages  würde  danach  voraussetzen,  dass 
die  Beklagten  dem  G.  den  noch  nicht  bezahlten  Kaufrest  von 
Fr.  95. —  kreditiert  hätten.  Dies  ist  nicht  zu  vermuten,  viel- 
mehr mangels  Beweises  für  das  Gegenteil  anzunehmen,  dass 
nach  der  beidseitigen  Parteimeinung  die  Titel  dem  G.  nur 
gegen  Bezahlung  des  Kaufrestes  sollten  herausgegeben  werden. 
(Entsoh.  vom  8.  Juli  1899  i.  S.  Kuhn  c.  Basler  Wechselkomptoir 
Gloor  &  Cie.) 

92.  0.  R.  Art  338,  346.  Der  Arbeitnehmer  ist  zu  Annahme 
der  Diensie  des  Dienstpflichtigen  nicht  verpflichtet,  sondern  nur 
zu  Gewährung  der  versprochenen  Gegenleistung. 

D'après  la  jurisprudence  constante  du  Tribunal  fédéral, 
confirmée  encore  dans  l'arrêt  Akesson  c.  Papeterie  de  Perlen 
(Ree.  off.  XXIII,  page  1730,  consid.  3),  le  maître  peut  renoncer 
en  tout  temps  aux  services  de  son  employé,  qui  ne  peut  les 
lui  imposer;  le  seul  droit  de  l'employé  consiste  à  exiger  la 
rémunération  prévue  par  le  contrat,  sauf  au  maître  à  prouver 
que  le  dommage  réellement  subi  par  l'employé  dont  il  a  re- 
fusé d'accepter  les  services  alors  que  le  contrat  était  en  vi- 
gueur, est  inférieur  à  la  rémunération  stipulée  parle  dit  contrat. 
(Entsch.  v.  29.  April  1899  i.  S.  Reuche  o.  Dupont  et  Cie.) 


93.  0.  R.  Art.  346.  Wichtige  Gründe  zu  vorzeitiger  Auf- 
hebung eines  Dienstvertrages.  Ein  Lokomotivführer  kann  wegen 
Betrunkenheit  im  Dienste  sofort  entlassen  werden. 

l.Dass  der  gemäss  Art.  346  ü.  R.  vom  Vertrag  Zurück- 
tretende zur  Rechtfertigung  seines  Rücktritts  auf  diejenigen 
Gründe  beschränkt  sei,  auf  welche  er  sich  bei  der  dem  andern 
Teil  erstatteten  Mitteilung  vom  Rücktritte  berufen  hat,  kann 
nicht  als  Meinung  des  Bundesgesetzes  über  das  Obligationen- 
recht angesehen  werden,  da  dieses,  wenn  es  eine  solche  Be- 
schränkung gewollt  hätte,  dieselbe  ausdrücklich  hätte  aus- 
sprechen müssen.  Es  könnte  «ich  daher  nur  fragen,  ob  nicht 
in  der  Hervorhebung  jenes  einzelnen  Grundes  ein  stillschwei- 
gender Verzicht  darauf  zu  erblicken  sei,  neben  demselben  noch 
weitere  Gründe  geltend  zu  machen.  Ein  solcher  Verzicht  ist 
jedoch  nicht  zu  vermuten. 

2.  Erfahrungsgemäss  kann  bei  der  grossen  Gefährlichkeit 
des  Eisenbahnbetriebs  schon  ein  leichtes  Versehen  des  Loko- 
motivführers hinreichen,  um  eine  schwere  Katastrophe  herbei- 
zuführen, und  es  bedarf  somit  keiner  weiteren  Erörterung 
darüber,  dass  die  Führung  der  Züge  nur  solchen  Personen  an- 


134 

vertraut  werden  darf,  die  im  vollen  Besitze  der  geistigen  Kräfte 
sind.  Ein  Lokomotivführer,  der  seinen  Zug  in  betrunkenem 
Zustande  führt,  legt  demnach  eine  solche  Missachtung  der 
auf  ihm  lastenden  schweren  Verantwortlichkeit  an  den  Tag, 
welche  mit  seiner  Dienststellung  absolut  unvereinbar  ist,  und 
die  Bahnverwaltung  mit  Rücksicht  auf  ihre  eigene  Verant- 
wortlichkeit für  die  Sicherheit  des  Betriebs  nicht  nur  be- 
rechtigt, sondern  sogar  verpflichtet,  ihn  dieser  Stellung  un- 
verzüglich zu  entheben.  (Entsch.  v.  9.  Juni  1899  i.  S  Simmen 
c.  Vereinigte  Schweizerbahnen.) 


94.  0.  «.  Art.  338  ff.,  50  ff.  Wenn  ein  vertragliches  Verbot 
nicht  vereinbart  worden  ist,  so  ist  der  ehemalige  Angestellte  eines 
Handelshauses  nach  seinem  Austritte  berechtigt,  die  von  ihm  wäh- 
rend seiner  Anstellung  in  erlaubter  Weise  erworbenen  Kenntnisse 
betreffend  die  Kundschaft,  die  Fabrikationsmethode  u.  8.  w.  zu  seinem 
eigenen   Vorteile  auszunutzen. 

La  doctrine  et  la  jurisprudence  sont  unanimes  à  admettre 
qu'un  employé  qui  quitte  une  maison  de  commerce  peut  mettre 
à  profit,  dans  son  intérêt  personnel,  toutes  les  connaissances 
qu'il  y  a  acquises,  y  compris  celle  de  la  clientèle  et  des  pro- 
cédés de  vente  et  de  fabrication.  En  France,  ce  principe  subit 
une  restriction  en  ce  qui  concerne  les  secrets  de  commerce  et 
de  fabrication,  dont  l'utilisation  ou  la  communication  à  des 
tiers  de  la  part  d'anciens  employés  est  considérée  comme  un 
délit  et  punie  comme  telle.  Cette  manière  de  voir  a  été  aban- 
donnée dans  la  récente  loi  allemande  sur  la  concurrence  dé- 
loyale. D'après  l'art.  9  de  cette  loi,  la  divulgation  de  secrets 
de  commerce  par  les  employés  et  apprentis  n'est  considérée 
comme  illicite  que  pendant  la  durée  du  louage  de  services. 
Après  la  cessation  du  contrat,  l'utilisation  et  la  divulgation 
ne  sont  illicites  que  si  remployé  a  contracté  rengagement  de 
s'en  abstenir.  Une  obligation  légale  n'existe  pas  à  cet  égard. 
Il  doit  en  être  de  même  en  Suisse,  vu  l'absence  de  toute 
disposition  spéciale  analogue  à  celle  du  droit  français.  L'em- 
ployé qui  quitte  son  patron  reprend  donc  sa  liberté  et  peut, 
sauf  engagement  contraire,  utiliser  à  son  profit  ou  communi- 
quer à  des  tiers  les  secrets  de  commerce  ou  de  fabrication 
que  son  service  lui  a  fait  connaître.  Ce  principe  n'est  cepen- 
dant applicable  qu'à  la  condition  que  la  connaissance  du  se- 
cret ait  été  acquise  d'une  manière  licite.  Ainsi  que  le  Tri- 
bunal fédéral  l'a  reconnu  dans  Parrêt  Orell-Füssli  c.  Müller 
&  Trueb   (Ree.  off.  XXIII,   page   205),    un    commerçant   ou 


135 

industriel  a  incontestablement  un  droit  personnel  sur  les  se- 
crets relatifs  à  l'organisation  intérieure  de  son  commerce  ou 
de  son  industrie,  à  sa  clientèle  ou  à  certains  procédés  de 
rente  ou  de  fabrication.  Celui  qui,  contre  sa  volonté,  par  des 
moyens  déloyaux,  s'empare  d'un  tel  secret  pour  l'utiliser  à 
son  profit,  commet  un  acte  contraire  au  droit.  (Ëntsch.  v. 
30.  Juni  1899  in  S.  Champion  &  Cie  c.  Moneda.) 


95.  0.  R.  Art.  400.  Haftung  des  Mandanten  für  den  dem 
Mandatar  durch  Ausführung  des  Auftrags  entstandenen  Schaden. 

Nach  Art.  400  0.  R.  haftet  der  Mandant  dem  Mandatar 
auch  für  den  durch  die  Ausführung  des  Auftrags  (ex  causa 
und  nicht  nur  occasione  mandati)  entstandenen  Schaden  nicht 
unbedingt,  sondern  nur  dann,  wenn  er  nicht  beweist,  dass  ihn 
keinerlei  Verschulden  trifft.  (Entsch.  v.  27.  Mai  1899  in  S. 
Schaub-Müller  c.  Meier-Gaugler.) 


96.  0.  R.  Art.  409.  Wirkung  einer  an  Vorbehalte  geknüpften 
Annahme  der  Anweisung  durch  den  Angewiesenen. 

Aus  Art.  409  0.  R.  folgt  keineswegs,  dass  der  Ange- 
wiesene dem  Anweisungsempfänger  nur  dann  zur  Zahlung  ver- 
pflichtet werde,  wenn  er  die  Annahme  ohne  jeden  Vorbehalt 
erklärt  hat;  sondern  dieser  Artikel  will,  wie  aus  dem  Nach- 
satz hervorgeht,  lediglich  sagen,  dass  der  Angewiesene  an 
seine  Annahme  in  der  Weise  gebunden  ist,  dass  er  dem  Em- 
pfanger gegenüber  keine  Einreden  aus  seinem  Verhältnis  zum 
Anweisenden,  die  nicht  zugleich  aus  dem  Inhalte  der  An- 
weisung hervorgehen,  entgegenstellen  kann.  Dies  schliesst 
aber  nicht  aus,  dass  der  Angewiesene,  welcher  die  Annahme 
an  Vorbehalte  knüpft,  dadurch  gemäss  dem  Inhalte  seiner 
Annahmeerklärung  dem  Anweisungsempfänger  gegenüber  ge- 
bunden werde.  (Entsch.  vom  1.  Juli  1899  i.  S.  Reiser  c. 
W.  Schöffer  &  Cie.)  

97.  0.  R.  Art.  10,  12,  128,  518. 

1.  Zur  Gültigkeit  des  Leibrentenvertrags  ist  nur  die 
Unterschrift  der  vertragschliessenden  Parteien,  nicht  aber  die- 
jenige eines  durch  den  Vertrag  begünstigten  Dritten  erforder- 
lich. —  Sofern  in  der  Zuwendung  an  den  Dritten  eine 
Schenkung  liegt,  so  entscheidet  das  kantonale  Recht  darüber, 
ob  und  welche  bestimmte  Form  zu  deren  Gültigkeit  erforder- 
lich ist. 


13G 

2.  Der  Dritte,  welcher  einen  ihm  durch  einen  zu  seinen 
Gunsten  abgeschlossenen  Vertrag  zugedachten  Vorteil  nicht 
annehmen  will,  ist  nicht  berechtigt,  deshalb  den  Vertrag  an- 
zufechten, hiezu  sind  nur  die  vertragschiiessenden  Parteien 
legitimiert. 

3.  Wenn  in  einem  Leibrenten  vertrage  der  Rentengläubiger 
stipuliert,  dass  nach  seinem  Tode  die  Rente  an  einen  Dritten 
bis  zu  dessen  Ableben  zu  entrichten  sei,  so  erwirbt  der  Dritte 
dadurch  noch  kein  (auch  nur  bedingtes)  Recht.  Die  ver- 
tragschiiessenden Parteien  können  bis  zum  Tode  des  Renten- 
gläubigers den  Vertrag  in  beliebiger  Weise  abändern,  und 
der  Dritte  hat  erst  nach  dem  Tode  des  Rentengläubigers  sich 
über  Annahme  oder  Ablehnung  des  ihm  zugedachten  Vorteils 
zu  erklären.  (Entsch.  v.  5.  Mai  1899  i.  S.  Eheleute  Lecoultre 
und  Eheleute  Frey  e.  Héridier.) 


98.  0.  jR.  Art.  582,  583,  666,  Abs.  2,  676.  Die  unbeschränkt 
haftenden  Teilhaber  der  Aktienkommanditgesellschaft  haften  nur 
den  Gesellschaftsgläubigern,  nicht  aber  der  Gesellschaft  gegenüber 
auf  Bezahlung  der  Gesellschaftsschulden.  Der  Liquidator  einer 
solchen  Gesellschaft  vertritt  die  Gesellschaft  und  nicht  die  Gläu- 
biger und  ist  daher  nicht  berechtigt,  die  Complementare  auf  Be- 
zahlung eines  Schuldenüberschusses  zu  belangen. 

Les  associés  gérants  (d'une  société  en  commandite  par 
actions)  sont  sans  doute  responsables  du  déficit  de  la  société 
en  commandite,  mais  vis-à-vis  des  créanciers  sociaux  seulement 
(art.  676,  chiffre  2  C.  0.).  En  revanche,  la  société  en  liquidation, 
soit  le  liquidateur,  n'a  pas  qualité  pour  exercer  contre  eux 
l'action  en  responsabilité,  ni  pour  réclamer  d'eux  pour  le 
compte  de  la  société  ou  pour  le  compte  de  tiers  créanciers 
le  paiement  du  déficit  de  la  liquidation.  Cela  résulte  tout 
d'abord  des  termes  mêmes  de  l'art.  676,  al.  2  C.  0.  et,  en  outre, 
du  contenu  du  mandat  des  liquidateurs,  tel  qu'il  est  défini 
par  l'art.  582  C.  0.,  applicable  aussi  en  matière  de  liquidation 
de  sociétés  en  commandite  par  actions  (art.  676,  al.  1er  et  666, 
al.  2  C.  0.).  Ce  mandat  comprend,  il  est  vrai,  l'exécution  des 
engagements,  c'est-à-dire  le  paiement  des  dettes  de  la  société. 
Mais  cette  exécution  ne  peut  avoir  lieu  que  dans  les  limites 
d'une  liquidation,  c'est-à-dire  au  moyen  et  jusqu'à  concurrence 
de  l'actif  social.  Or  la  responsabilité  personnelle  des  associés 
gérants  vis-à-vis  des  créanciers  sociaux  n'est  pas  un  élément 
de  l'actif  social;  ce  n'est  pas  une  créance  de  la  société;  le 
liquidateur   ne   peut  donc  pas  faire  exécuter  cette  obligation 


137 

au  nom  de  la  société.  Si  l'actif  social  ne  suffit  pas  à  couvrir 
le  passif,  c'est  affaire  aux  créanciers  impayés  de  faire  valoir 
leurs  droits  contre  les  associés  gérants.  Ce  rôle  ne  saurait 
appartenir  au  liquidateur,  qui  représente  la  société  et  non 
les  créanciers  de  celle-ci.  (Voir  Schneider  &  Pick,  Comment. 
duC.  0.  ad  art.  582,  note  6,  et  583,  note  7;  Rössel,  Droit  des 
oblig.,  page  671;  Revue  de  jurisprudence  suisse,  vol.  IV, 
n°  135;  arrêts  du  Tribunal  fédéral,  vol.  XVII,  page  322  et 
suiv.,  chiffre  4  et  6.)  (Entsch.  v.  19.  Mai  1899  i.  S.  Niemeyer 
c.  Brentano  &  Cie  in  Liquidation.) 


99.  Bundesgesetz  betreffend  die  Verbindlichkeit  zu  Abtretung 
von  Privatrechten  vom  1.  Mai  1850,  Art.  12,  14.  Bundesgesetz 
über  das  Verfahren  bei  dem  Bundesgerichte  in  bürgerlichen  Rechts- 
Streitigkeiten  vom  22.  November  1850,  Art.  63,  69.  Gegen  Ver- 
säumnisse der  Frist  des  Art.  12  des  Exproptiationsgesetzes  giebt 
es  keine   Wiedereinsetzung. 

Nach  Art.  12  des  eidgenössischen  Expropriationsgesetzes 
vom  1.  Mai  1850  müssen  die  Forderungsanmeldungen  wegen 
Expropriation  innerhalb  30  Tagen  von  der  öffentlichen  Be- 
kanntmachung des  Expropriationsplanes  an  gerechnet,  ge- 
schehen, widrigenfalls  die  in  Art.  14  daselbst  näher  bezeich- 
neten Säumnisfolgen,  sofortiger  Uebergang  der  abzutretenden 
Rechte  an  den  Unternehmer,  und  Verlust  des  Rekursrechts 
gegen  den  Entscheid  der  Schätzungskoramission  für  den  Ex- 
propriaten  mit  Bezug  auf  das  Mass  der  Entschädigung,  ein- 
treten. Die  hier  festgesetzte  Frist  ist  keine  Prozessfrist, 
sondern  eine  Frist  in  einem  Aufgebotsverfahren,  auf  welches 
die  prozessualen  Restitutionsgründe  nicht  ohne  weiteres  an- 
gewendet werden  können.  Die  Art.  63  f.  und  69  f.  der  eid- 
genössischen Civilproze8S-Ordnung  finden  deshalb  hier 
keine  Anwendung,  vielmehr  sind  die  Folgen  der  Versäumung 
der  Anmeldungsfrist  ausschliesslich  nach  dem  Inhalt  des 
Spezialgesetzes,  welches  das  Aufgebotsverfahren  regelt,  d.  h. 
des  Bundesgesetzes  über  die  Verbindlichkeit  zur  Abtretung 
von  Privatrechten,  zu  bestimmen.  Nun  setzt  Art.  14  des  Ex- 
propriationsgesetzes nicht  nur  die  Folgen  der  Fristversäumung 
fest,  sondern  bestimmt  auch  darüber,  unter  welchen  Voraus- 
setzungen dieselben  ausnahmsweise  nicht  eintreten  sollen,  und 
da  dabei  die  Restitution  gegen  den  Ablauf  der  Frist  nicht 
vorgesehen  ist,  muss  angenommen  werden,  dass  der  Gesetz- 
geber dieses  Rechtsmittel  nicht  habe  gewähren  wollen.  (Entsch. 
vom  29.  Juni  1899  i.  S.  Witwe  Hartmann  c.  Schweiz.  Central- 
bahn.)  


138 

100.  Bundesgesetz  betreffend  Feststellung  und  Beurkundung 
dfs  Civilstandes  und  die  Ehe  vom  24.  Dezember  1874,  Art  45  ff. 
Bedeutung  der  Schuldfrage  im  Ehescheidungsverfahren. 

Der  Satz,  dass  die  Frage  des  Verschuldens  beim  Ehe- 
scheidungsurteile nicht  nur  eine  motivierende,  sondern  eine 
den  Charakter  und  den  Sinn  des  Urteils  mitbestimmende  Be- 
deutung habe,  ist,  wenn  auch  nicht  eine  ausdrücklich  im 
Bundesgesetze  betreffend  Civilstand  und  Ehe  ausgesprochene, 
so  doch  eine  daraus  sich  ergebende  Rechtsnorm.  In  der  That 
haben  die  Parteien  im  Ehescheidungsprozesse  ein  wesentliches 
Interesse  nicht  nur  an  dem  die  Scheidung  als  solche  betref- 
fenden Dispositiv,  sondern  auch  an  der  Lösung  der  Verschul- 
dungsfrage, und  es  kann,  so  lange  über  den  letzteren  Punkt 
noch  Streit  waltet,  von  einem  definitiven  Scheidungsurteile 
nicht  die  Rede  sein.  Dies  ergiebt  sich  sowohl  daraus,  dass 
von  der  Beantwortung  der  Schuldfrage  im  Scheidungsurteile 
wichtige  die  Parteien  beschlagende  Rechtsfolgen  abhängig 
sein  können,  so  bezüglich  des  Eheverbotes  des  Art.  48,  des 
Zuspruches  der  Kinder  und  der  Prozesskosten,  als  andrerseits 
daraus,  dass  unter  Umständen  die  persönliche  Ehre,  das 
äussere  Ansehen  und  mit  diesem  die  künftige  Lebensstellung 
der  Ehegatten  in  hervorragender  Weise  hiebei  in  Frage  steht, 
so  besonders,  wenn  es  sich  um  die  Anwendbarkeit  der  be- 
stimmten Scheidungsgründe  des  Art.  46  handelt.  (Vergi.  Ur- 
teil des  Bundesgerichts  i.  S.  Eheleute  Fretzer,  A.  S.  Bd  XXIV, 
S.  303  ff.)   (Entsch.  vom  14.  Juni  1899  i.  S.  Eheleute  Haldi.) 


101.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn 
und  Dampfschiff  Unternehmungen  bei  Tötungen  und  Verletzungen 
vom  1.  Juli  1875,  Art.  2.  Begriff  des  Betriebsunfalls.  Verletzung 
durch  Scheuwerden  von  Zugtieren  infolge  Herannahem  eines  Eisen- 
bahnzuges. 

Das  Gesetz  beschränkt  die  strengere  Haftbarkeit  der 
Tra nsportan stalten,  wenn  es  sie  in  Art.  2  davon  abhängig 
macht,  dass  die  Tötung  oder  Verletzung  „beim  Betriebe"  der 
Unternehmung  sich  ereignet  habe,  nicht  auf  die  Fälle,  in 
denen  eine  körperliche  Kollision  des  Verletzten  oder  Getöteten 
mit  den  Betriebsanlagen  oder  den  übrigen  Betriebsmitteln 
der  Bahn  stattgefunden  hat.  Der  Ausdruck  „beim  Betriebe" 
umfasst  vielmehr  alle  Fälle,  in  denen  sich  eine  dem  Bahn- 
betriebe eigentümliche,  besondere  Gefahr  für  das  Leben  oder 
die  körperliche  Integrität  eines  Menschen  verwirklicht  hat, 
ohne  Unterschied,  ob  die  Gefahr  unmittelbar  oder  nur  mittel- 


139 

bar,  durch  ein  Zwischenglied,  den  menschlichen  Körper  be- 
drohte. Der  Betrieb  kann  auch  über  das  Gebiet  hinaus,  auf 
dem  sich  die  äusseren  Vorgänge  desselben  abspielen,  Kräfte 
in  Bewegung  setzen  und  Wirkungen  ausüben,  die  geeignet 
sind,  Körperverletzungen  oder  Tötungen  herbeizuführen,  und 
soweit  derartige  Einwirkungen  dem  Eisenbahnbetrieb  eigen 
sind,  hat  für  ihre  körperachädigenden  Folgen  der  Betriebs- 
unternehmer nach  Haftpflichtrecht  einzustehen.  Danach  kann 
denn  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  eine  Verletzung,  die 
dadurch  herbeigeführt  wurde,  dass  Zugtiere  ob  einem  heran- 
fahrenden Zuge  scheu  werden,  als  beim  Betriebe  der  Bahn 
erfolgt  zu  betrachten  ist  und  dass  für  den  daraus  entstan- 
denen Schaden  die  Bahn  Unternehmung,  auch  ohne  dass  es 
des  Nachweises  eines  Verschuldens  bedarf,  aufzukommen  hat. 
Der  Eisenbahnbetrieb  birgt  die  Gefahr  in  sich,  dass  Zugtiere, 
die  sich  in  der  Nähe  eines  heranfahrenden  Zuges  befinden, 
scheu  werden,  sei  es,  dass  sie  durch  den  ungewohnten  An- 
blick oder  durch  die  rasche  Bewegung  oder  durch  das  rol- 
lende Geräusch  erschreckt  werden.  Diese  Gefahr  ist  ferner 
eine  dem  Bahnbetriebe  eigentümliche.  Denn  wenn  sie  auch 
nicht  ausschliesslich  dem  Eisenbahnbetrieb  anhaftet,  so  ist 
sie  doch  mit  keinem  andern  Gewerbe-,  speziell  Transport- 
gewerbebetrieb in  gleicher  Weise  und  in  gleichem  Masse 
verbunden.  Es  ist  deshalb  auch  der  Einwurf  hinfällig,  dass 
andere  Ursachen  das  Scheuwerden  von  Zugtieren  ebenfalls 
bewirken  können  und  dass  sich  so  der  Unfall  eigentlich  als 
eine  Folge  des  Fuhrwerkbetriebes  darstelle.  (Vergi,  hiezu 
Eger,  Kommentar  zum  deutschen  Reichshaftpflichtgesetz, 
4.  Aufl.,  S.  7,  und  die  dort  angeführten  Urteile.)  (Entsch.  v. 
24.  Mai  1899  i.  S.  Schweizerische  Seethalbahngesellschaft  c. 
G-eisseler.)  

102.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb 
vom  25.  Juni  1881,  Art.  1  //.,  5,  6,  Abs.  3.  0.  R.  Art.  552. 

1.  Die  Haftung  des  Inhabers  eines  der  Haftpflichtgesetz- 
gebung unterstellten  Gewerbes  für  Betriebsunfälle  seiner  An- 
gestellten oder  Arbeiter  beurteilt  sich  ausschliesslich  nach 
den  Bestimmungen  der  Spezialgesetze;  das  gemeine  Recht 
betreffend  die  Schadenersatzpflicht  aus  unerlaubter  Handlung 
kommt  daneben  nicht  zur  Anwendung.  Wenn  der  Unfall 
durch  ein  strafrechtlich  verfolgbares  Verschulden  des  Betriebs- 
unternehmers herbeigeführt  worden  ist,  so  hat  dies  lediglich 
zur  Folge,  dass  das  für  gewöhnliche  Fälle  aufgestellte  Ent- 
schädigungsmaximum    wegfällt;    ein    selbständiger    Anspruch 


140 

auf  Zubilligung  einer  über  den  eigentlichen  Schaden  hinaus- 
gehenden Summe  wird  dadurch  nicht  begründet. 

2.  Ist  Betriebsunternehmer  eine  Kollektivgesellschaft,  so 
gelten,  da  die  Kollektivgesellschaft  kein  von  den  einzelnen 
Teilhabern  losgelöstes  Rechtssubjekt  ist,  als  Handlungen  und 
Unterlassungen  des  Betriebsunternehmers  die  Handlungen  und 
Unterlassungen  der  einzelnen  Gesellschafter.  (Entsch.  vom 
8.  Juni  1899  i.  S.  Schmid  c.  Schlatter  und  Hauser  in  Liq.) 


103.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb 
vom  25.  Juni  1881,  Art  1  ff.  Bundesgesetz  betreffend  die  Aus- 
dehnung der  Haltpflicht  u.  s.  w.  vom  26.  Aprit  1887.  0.  R.  Art  50  ff. 
Die  Haftpflicht  besteht  nur  gegenüber  Angestellten  und  Arbeitern, 
nicht  gegenüber  Personen,  welche  als  selbständige  Unternehmer 
eine  Arbeit  in  einem  gewerblichen  Etablissement  ausführen.  Haf- 
tung aus  Art  50  ff.  0.  ß.,  wenn  einem  offenbar  Unkundigen  eine 
gefährliche  Arbeit  zur  Ausführung  ohne  Aufsicht  übertragen  wird. 

Dem  im  Dorf  e  K.  als  selbständigen  Schmiedmeister 
niedergelassenen  J.  W.  war  vom  Beklagten  die  Montierung 
eines  gusseisernen  Kessels  in  seiner  Kunstseidenfabrik  in  Spr. 
übertragen  worden.  J.  W.  führte  die  Arbeit  mit  einem  Ge- 
sellen und  einem  oder  zwei  Lehrlingen  aus.  Als  er  den 
Kessel  einer  Festigkeitsprobe  unterwerfen  wollte  und  zu 
diesem  Zwecke  aus  dem  Kompressor  der  Fabrik,  mit  dem 
der  Kessel  in  Verbindung  stand,  in  letzteren  gespannte  Luft 
einströmen  Hess,  sprang  der  Kessel,  und  J.  W.,  der  sich  in 
der  Nähe  befand,  wurde  getötet.  Der  Kessel  hätte  seiner 
Zweckbestimmung  gemäss  bloss  auf  einen  Druck  von  drei 
Atmosphären  erprobt  zu  werden  brauchen;  der  Kompressor 
der  Fabrik  dagegen,  mit  dem  er  in  Verbindung  gesetzt  wurde, 
erzeugt  in  normalem  Betrieb  einen  Druck  von  vierzig  At- 
mosphären. Die  Witwe  des  J.  W.  klagte  gegen  den  Be- 
klagten eine  Entschädigung  von  Fr.  6089.  90  ein,  indem  sie 
sieb  in  erster  Linie  auf  die  Haftpflichtgesetze,  in  zweiter 
Linie  auf  Art.  50  ff.  0.  R.  berief.  —  Das  Bundesgericht  hat 
die  Klage,  soweit  sie  auf  die  Haftpflichtgesetze  begründet 
wurde,  abgewiesen,  dagegen  den  Anspruch  aus  Art.  50  ff.  0.  R. 
in  dem  (mit  Bücksicht  auf  das  Mitverschulden  des  Getöteten 
reduzierten)  Betrage  von  Fr.  3000  gutgeheissen.  In  ersterer 
Hinsicht  wird  in  der  bundesgerichtlichen  Entscheidung  grund- 
sätzlich ausgeführt: 

Die  Haftpflicht  der  Inhaber  industrieller  und  gewerb- 
licher Geschäfte  ist  eingeführt  zu  Gunsten  des  darin  verwen- 


141 

deten  Personals  derjenigen,  welche  ihre  persönliche  Arbeits- 
kraft, gewöhnlich  ihr  einzig  verwertbares  Gut,  in  den  Dienst 
des  Unternehmers  stellen,  der  darüber  nach  seinen  Bedürf- 
nissen und  Interessen  verfügt.  So  bezeichnet  denn  auch  das 
Haftpflichtgesetz  vom  25.  Brachinonat  1881,  das  in  dieser 
Beziehung  durch  dasjenige  vom  26.  April  1887  nicht  erweitert 
worden  ist,  die  „Arbeiter"  und  „ Angestellten u  als  die 
der  besondern  Vorteile  der  Spezialgesetzgebung  teilhaftigen 
Personen,  womit  der  Ereis  der  Haftpflichtberechtigten  nicht 
nur  gegenüber  Dritten  beim  Betriebe  nicht  beteiligten  Per- 
sonen, sondern  auch  gegenüber  denjenigen  abgegrenzt  wurde, 
die  in  selbständiger  Stellung,  gemäss  eigener  EntSchliessung 
und  Entscheidung,  oder  gar  als  Vorsteher  eines  eigenen  in- 
dustriellen und  gewerblichen  Betriebes,  ihre,  bezw.  ihrer  Leute 
produktive  Kraft  einsetzen.  Dafür  nun,  ob  jemand  zum  Ge- 
schäftsherrn in  dem  die  Voraussetzung  der  Anwendbarkeit 
der  Haftpflichtgesetze  bildenden  Arbeiter-  oder  Angestellten- 
verhältnis gestanden  sei  oder  nicht,  kann  nicht  ein  allgemein 
gültiges  Kriterium  aufgestellt  werden,  sondern  es  muss  die 
Frage  unter  Berücksichtigung  aller  Umstände  des  Falles  be- 
antwortet werden,  wobei  zu  beachten  ist,  dass  derjenige, 
welcher  Rechte  aus  den  Haftpflichtgesetzen  herleitet,  die 
thatsächlichen  Elemente  zu  behaupten  und  zu  beweisen  hat, 
aus  denen  sich  das  Vorhandensein  der  Voraussetzung  ihrer 
Anwendbarkeit  ergiebt.  Im  vorliegenden  Falle  nun  ist  nicht 
dargethan,  dass  sich  W.  der  beklagten  Firma  gegenüber  bei 
der  Besorgung  der  Arbeit,  bei  der  er  verunglückte,  in  der 
Stellung  eines  „Arbeiters"  oder  eines  „Angestellten"  befunden 
habe.  (Dies  wird  im  einzelnen  ausgeführt,  wobei  namentlich 
hervorgehoben  wird:  Dafür  dass  W.  bei  der  Montierung  des 
Kessels  nioht  als  Angestellter  oder  Arbeiter  des  Beklagten, 
sondern  als  selbständiger  Unternehmer  gehandelt  habe,  spreche, 
dass  soweit  ersichtlich  W.  hinsichtlich  der  Reihenfolge,  der  Art 
und  Weise  der  einzelnen  Verrichtungen  u.  s.  w.  nicht  an  Be- 
fehle und  Instruktionen  des  Beklagten  gebunden  gewesen  sei, 
überhaupt  keine  solche  erhalten  habe,  dass  er  die  Arbeit 
nicht  allein  verrichtet,  sondern  seine  Gesellen  und  Lehrlinge 
beigezogen  habe,  dass  er  sich  nicht  an  die  Fabrikordnung 
speziell  hinsichtlich  der  üblichen  Arbeitszeit  gehalten  habe, 
dass  er  überhaupt  im  übrigen  seinen  Erwerb  als  selbständiger 
Meister  gefunden  und  auch  grössere  Arbeiten,  wie  die  Ein- 
richtung der  Wasserversorgung  für  eine  Ortschaft  unternommen 
habe.  Dem  gegenüber  könnte  der  Umstand,  dass  die  Ent- 
schädigung für  die  Montierungsarbeiten  (wie   für  andere  von 

11 


142 

W.  für  den  Beklagten  ausgeführte  Arbeiten)  nach  Taglöhnen 
bemessen  worden  sei,  selbst  wenn  er  erwiesen  wäre,  nicht 
entscheidend  ins  Gewicht  fallen.) 

In  Bezug  auf  die  Haftung  des  Beklagten  aus  Art.  50  ff. 
0.  R.  wird  bemerkt:  W.  konnte  die  technischen  und  physika- 
lischen Kenntnisse,  die  zur  sachgemässen  und  sichern  Durch- 
führung der  Festigkeitsprobe  erforderlich  waren,  nach  dem 
Gang  und  Stand  seiner  beruflichen  Ausbildung  nicht  besitzen. 
Wenn  nun  auch  in  der  Regel  derjenige,  der  eine  Arbeit  über- 
nimmt, die  Gefahren  der  Ausführung  zu  tragen  hat  und  die 
Verantwortlichkeit  nicht  durch  die  Behauptung  auf  den  Ver- 
geber  der  Arbeit  abwälzen  kann,  es  haben  ihm  die  nötigen 
Fähigkeiten  oder  Kenntnisse  gefehlt,  so  muss  doch  im  vor- 
liegenden Falle  gesagt  werden,  dass  die  Beklagte  dem  W. 
die  Festigkeitsprobe  nicht  hätte  übertragen  oder  aber  dass 
sie  ihn  dann  genauer  hätte  instruieren  und  durch  ihre  sach- 
verständigen Organe  hätte  überwachen  lassen  sollen.  Sie 
konnte  voraussehen,  dass  W.  sich  zu  der  Probe  der  Luft  be- 
dienen werde,  die  in  dem  mit  dem  neuen  Kessel  durch  eine 
Leitung  in  Verbindung  stehenden  Kompressor  der  Fabrik 
gespannt  wurde.  Sie  wusste,  dass  der  Kessel  nur  auf  höchstens 
den  zehnten  Teil  des  Druckes  berechnet  war,  der  regelmässig 
in  dem  Kompressor  erzeugt  wurde.  Andrerseits  kannte  sie  den 
W.  und  war  nach  den  vielen  Geschäftsbeziehungen,  in  denen 
sie  mit  ihm  gestanden  war,  in  der  Lage,  die  Grenzen  seines 
Wissens  und  Könnens  zu  beurteilen.  Sie  mnsste  danach 
Zweifel  darüber  tragen,  ob  er  die  Möglichkeit  des  Entstehens 
einer  zu  hohen  Spannung  und  deren  Gefahren  richtig  zu 
würdigen  verstand,  und  sie  hätte  unter  solchen  Umständen 
entweder  ihm  die  Probe  nicht  übertragen  oder  dann  dooh 
den  W.  instruieren  und  kontrollieren  sollen.  Keinenfalls  durfte 
aie  ihm  ohne  weiteres  und  ohne  sich  zu  vergewissern,  ob  die 
gebotenen  Vorsichtsmassregeln  getroffen  seien,  den  hohen 
Druck  des  Kompressors  zur  Verfügung  stellen.  Ihr  Verhalten 
zeugt  von  einer  gewissen  Leichtfertigkeit,  die  sie  nach 
Art.  50  0.  R.  für  den  daraus  entstandenen  Schaden  verant- 
wortlich erscheinen  lässt,  trotzdem  W.  kraft  eigenen  Ent- 
schlusses die  Arbeit  übernommen  hatte.  (Entsch.  vom  12.  Juli 
1899  i.  S.  de  Coral  c.  Wwe  Widmer.) 


104.  0.  R.  Art.  122,  264.  Bundesgesetz  betreffend  Schuld- 
betreibung und  Konkurs  vom  29.  April  1889,  Art.  211,  212. 
Bedeutung  und  Tragweite  des  Art.  212.  Anwendung  desselben 
auf  Tauschverträge. 


r 


143 

1.  Art.  212  des  Bandesgesetzes  über  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  findet  nicht  bloss  auf  eigentliche  Kaufverträge, 
sondern  auch  auf  Tauschverträge  Anwendung;  denn  beim 
Tausch  ist  jeder  Kontrahent  bezüglich  der  von  ihm  verspro- 
chenen Leistung  gleich  einem  Verkäufer,  bezüglioh  der  ihm 
zugesicherten  Leistung  gleich  einem  Käufer  zu  beurteilen, 
und  es  wäre  nicht  einzusehen,  warum  der  Umstand,  dass 
beim  Kaufe  Geld  um  Sache,  bei  dem  Tausche  dagegen  Sache 
um  Saohe  gegeben  wird,  eine  verschiedene  Behandlung  im 
Konkurse  begründen,  insbesondere  die  Anwendung  des  Art.  212 
auf  den  Tauschvertrag  ausschliessen  sollte. 

2.  Art.  212  des  Bundesgesetzes  betreffend  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  will  nioht  ein  Vindikationsreoht,  das  nach  den 
Grundsätzen  des  einschlägigen  eidgenössischen  oder  kantonalen 
Privatrechts  besteht,  ausschliessen,  sondern  setzt  lediglich 
fest,  dass  wenn  ein  solches  nicht  besteht,  es  auch  nicht  für 
den  Fall  einer  duroh  die  Konkurseröffnung  herbeigeführten 
Nichterfüllung  des  Kaufvertrages  anerkannt  werde.  Art.  212 
befasst  sich  also  überhaupt  nicht  mit  der  Vindikation  bezw. 
dem  Eigentumsvorbehalt  an  der  übergebenen  Sache  und  deren 
Wirkungi  sondern  behandelt  ausschliesslich  das  Rücktritts- 
recht des  Käufers  nach  übergebener  Kaufeaohe  vom  Vertrage, 
indem  er  dasselbe  unbedingt,  und  abweichend  von  Art.  264 
0.  R.,  auch  für  den  Fall  ausschliesst,  als  sich  der  Verkäufer 
dasselbe  ausdrücklich  vorbehalten  hat.  Demnach  ist  klar, 
dass  Art.  212  gerade  und  lediglich  die  Fälle  im  Auge  hat, 
wo  ein  Kauf-  oder  Tauschvertrag  vom  Verkäufer,  bezw.  dem 
nicht  in  Konkurs  geratenen  Kontrahenten  eines  Tauschver- 
trages ganz  oder  teilweise  erfüllt  ist,  während  der  Gernein- 
schuldner seine  aus  dem  Vertrag  fliessenden  Verpflichtungen 
zur  Zeit  der  Konkurseröffnung  noch  nioht  erfüllt  hat.  In 
solchen  Fällen  hat  der  Konkursverwalter  nach  Art.  211  Abs.  2 
B.-G.  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  das  Recht,  in  den 
Vertrag  einzutreten,  und  die  Verpflichtung  des  Gemeinschuld- 
ners zu  erfüllen.  Macht  er  aber  von  diesem  Rechte  keinen 
Gebrauch,  so  kann  nach  Art.  212  der  Verkäufer,  bezw.  beim 
Tausohvertrage  der  andere  Teil,  nicht  vom  Vertrage  zurück- 
treten, auoh  wenn  ihm  dieses  Recht  sonst,  nach  den  Grund- 
sätzen des  Priratreohts,  z.  B.  Art.  122  f.  u.  264  0.  R.  zustände. 
Das  Obligationsverhältnis  besteht  vielmehr  trotz  der  Konkurs- 
eröffnung fort.  Der  Konkurs  befreit  weder  den  Gemein- 
schuldner noch  den  andern  Teil  von  seiner  Verpflichtung; 
sondern  es  ändert  sich  lediglich  die  Art  der  Erfüllung,  indem 
der  Verkäufer  seine  Kaufpreisforderung  nicht  als  Masseschuld, 


144 

sondern  nur  als  Konkursforderung  geltend  machen  kann  und 
beim  Tauschrertrag  der  Anspruch  des  andern  Teils  sich  ge- 
mäss Art.  211  Abs.  1  in  eine  Geldforderung,  d.  h.  Entschädi- 
gung8forderung  wegen  Nichterfüllung  von  entsprechendem 
Werte  umwandelt,  welche  ebenfalls  nur  als  Konkursfor- 
derun g  geltend  gemacht  werden  kann. 

3.  Art.  212  des  Bundesgesetzes  über  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  bezieht  eich  nicht  bloss  auf  den  Fall,  wo  der 
Verkäufer  vertragsgemäss  zur  Vorleistung  verpflichtet  war, 
sondern  begreift  alle  Fälle,  wo  eine  solche  Vorleistung  statt- 
gefunden hat,  also  auch  denjenigen,  wo  der  Verkäufer  dem 
Käufer  ohne  vertragliche  Verpflichtung  kreditiert  hat.  (Entsch. 
vom  9.  Juni  1899  i.  S.  Allg.  Aktienbaugesellschaft  Zürich 
c.  Masse  Egloff.)  

105.  Bundesgesetz  betreffend  Schuldbetreibung  und  Konkurs 
vom  29.  Aprü  1889,  Art.  287,  288.  Für  die  sechsmonaüiche 
Frist  des  Art.  287  fällt  auch  diejenige  Zeit  in  Berechnung,  welche 
zwischen  einem  vom  Schuldner  erwirkten  Rechtsvorschlage  und 
dessen  gerichtlicher  Beseitigung  verstrichen  ist. 

Aux  termes  de  l'article  287  L.  P.,  la  présomption  de 
nullité  que  cette  disposition  établit  en  faveur  du  créancier  à 
l'égard  de  certains  actes  du  débiteur,  ne  s'applique  qu'à 
ceux  des  aotes  énumérés  au  dit  article,  qui  ont  été  faits  par 
un  débiteur  insolvable  „dans  les  six  mois  avant  la  saisie 
ou  l'ouverture  de  la  faillite."  L'ouverture  de  la  faillite 
est  le  prononcé  du  juge  prévu  aux  articles  171,  189  et 
190  à  192  L.  P.,  et  la  saisie  est  l'opération  faite  par  l'office 
des  poursuites  conformément  aux  artioles  89  et  suiv.,  112, 
114,  ilo  et  158  de  la  même  loi,  étant  entendu  que  cette 
opération  doit  aboutir  à  un  acte  de  défaut  de  biens,  provi- 
soire ou  définitif,  puisque  le  créancier  doit  être  porteur  d'un 
tel  acte  pour  être  autorisé,  en  conformité  de  l'article  285 
chiffre  1,  à  intenter  l'action  révocatoire.  Le  terminus  a  quo 
du  délai,  soit  point  de  départ  à  partir  duquel  celui-ci  doit 
se  compter  en  remontant  en  arrière,  est  donc  parfaitement 
déterminé,  ainsi  que  la  durée  du  délai  lui-même  (6  mois), 
et  il  s'agit  uniquement  de  savoir  si  dans  certains  cas  ce  délai 
peut  être  étendu,  en  ce  sens  qu'on  ne  compterait  pas  le  temps 
pendant  lequel  le  créancier,  qui  devient  plus  tard  demandeur 
à  l'action  révocatoire,  a  été  empêché  de  poursuivre  utilement 
le  débiteur.  Or  il  est  incontestable  que  c'est  là  un  point 
qui  dépend  avant  tout  de  la  volonté  du  législateur,  et  que 
si  celui-ci  n'a  pas  expressément  autorisé  une  pareille  déduction,. 


145 

la  présomption  est  qu'il  n'a  pas  voulu  l'autoriser;  cette  manière 
de  voir  s'impose  d'autant  plus  que,  dans  le  cas  ou  le  Légis- 
lateur a  estimé  qu'il  était  équitable  de  prolonger  les  délais 
légaux  à  raison  de  l'opposition  du  débiteur,  il  n'a  pas  manqué 
-de  le  dire  d'une  manière  expresse.  C'est  le  cas  entre  autres 
en  ce  qui  touche  le  délai  de  réquisition  de  saisie  (L.  P.  art.  88), 
le  délai  de  réquisition  de  vente  d'un  gage  (ibidem  art.  154), 
le  délai  de  réquisition  de  la  déclaration  de  faillite  dans  la 
poursuite  ordinaire  (ibidem  art.  166),  le  délai  de  réquisition 
de  la  faillite  dann  la  poursuite  pour  effets  de  change  (ibidem 
art.  188).  (Voir  aussi,  dans  le  même  sens,  l'arrêt  de  la 
Chambre  des  poursuites  et  faillites,  du  26  avril  1899,  en  la 
cause  Maag  c.  Wölffing.) 

A  ces  arguments  de  texte  viennent  s'en  ajouter  d'autres 
tirés  de  la  nature  particulière  de  l'action  révocatoire  prévue  à 
l'article  287,  action  instituée  par  des  considérations  d'équité 
et  non  de  droit  strict.  Par  ce  motif  le  législateur  a  dû  fixer 
arbitrairement  le  point  de  départ  de  la  période  suspecte,  ainsi 
que  sa  durée,  et  il  ne  pouvait  tenir  compte  de  toutes  les 
circonstances  diverses  qui,  dans  un  cas  particulier,  peuvent 
militer  en  faveur  d'une  durée  plus  longue  ou  plus  courte  du 
dit  délai;  il  a  dû  se  borner  à  admettre  une  moyenne  équi- 
table, 8'impo8ant  à  tons  les  intéressés  et  à  tous  les  cas  par 
la  raison  même  qu'elle  était  consacrée  par  la  loi. 

En  outre  d'autres  considérations  s'opposent  à  ce  que  le 
délai  de  6  mois  fixé  à  l'article  287  soit  prolongé  dans  le  cas 
où  le  créancier  a  été  empêché  par  l'opposition  du  débiteur 
de  formuler  plus  tôt  la  réquisition  de  saisie. 

La  dite  disposition  consacre  en  effet  une  dérogation  au 
droit  commun.  Tandis  que  d'après  les  principes  généraux, 
respectés  aussi  par  l'article  288,  la  preuve  du  caractère  frau- 
duleux de  l'acte  attaqué  incombe  au  demandeur  à  l'action 
révocatoire,  l'article  287  crée  au  préjudice  du  défendeur  une 
présomption  de  nullité  en  ce  qui  concerne  certains  actes  passés 
en  sa  faveur  par  un  débiteur  insolvable,  dans  les  6  mois  qui 
ont  précédé  la  saisie  ou  la  faillite.  Le  fardeau  de  la  preuve 
est  ainsi  renversé,  et  c'est  au  défendeur  qu'il  incombe  d'établir, 
pour  faire  valider  l'acte,  qu'au  moment  de  celui-ci  il  a  ignoré 
la  situation  du  débiteur.  Or  cette  dérogation  aux  règles  gé- 
nérales concernant  le  fardeau  de  la  preuve  ne  doit  pas  être 
étendue,  et  le  délai  de  suspicion  ne  doit  pas  être  prolongé 
au-delà  du  terme  expressément  fixé  par  la  loi,  quelles  que 
soient  les  circonstances  fortuites  qui  peuvent  avoir  retardé  le 
moment  de  la  saisie.  (Entsch.  vom  15.  Juli  1899  i.  S.  Fantoli 
et  Cie  c.  Comte  frères.) 


146 

106.  Bundesgesetz  betreffend  den  Schutz  der  Fabrik-  und 
Handelsmarken  u.  *.  tc.  vom  26.  September  1890,  Art.  6. 

Bei  einem  aus  verbalen  und  figurativen  Teilen  zusammen- 
gesetzten Warenzeichen  kann  allerdings  der  verbale  Teil,, 
auch  wenn  er  für  das  dem  Äuge  sich  darbietende  Gesamt- 
bild des  Zeichens  nicht  entscheidend  ist,  als  das  Wesent- 
liche erscheinen,  sofern  nämlich  dargethan  ist,  dass  die 
Käufer  hauptsächlich  auf  das  Wort  Gewicht  legen.  Die» 
ist  aber  schlechthin  ausgeschlossen,  wenn  der  verbale  Teil 
einer  Marke  (wie  die  Bezeichnung:  chocolat  des  ménages) 
Gemeingut  ist.  In  diesem  Falle  kann  als  das  Wesentliche 
und  Charakteristische  des  Zeichens  nur  dessen  Gesamtbild, 
wie  es  sich  dem  Auge  darbietet,  betrachtet  werden,  und 
erscheint  ein  dem  figurativen  Gesamteindruck  nach  ähn- 
liches, jüngeres  Zeichen  auch  dann  als  unzulässig,  wenn  in 
demselben  die  im  Gemeingut  befindlichen  verbalen  Bestandteile 
des  älteren  Zeichens  durch  andere  Worte  ersetzt  sind.  (Entsch. 
vom  10.  Juni  1899  i.  S.  Russ-Suchard  &  Cie  c.  Chevrette.) 


107.  Bundesgesetz  betreffend  den  Schutz  der  Fabrik-  und 
Handelsmarken  u.  s.  w.  vom  26.  September  1890,  Art  24  ff. 
0.  ß.  Art  50.  Rechtliche  Natur  der  Schadenersatzklage  des  Marken- 
inhabers. 

Die  in  den  Art.  24  ff.  des  Markenschutzgesetzes  dem 
Markeninhaber  u  s.  w.  gegebene  Civilklage  ist  dort,  mit 
Ausnahme  der  Bestimmungen  über  Legitimation,  Verjährung 
und  Gerichtsstand,  nicht  näher  geregelt.  Sie  ist  nichts  anderes, 
als  eine  Klage  aus  unerlaubter  Handlung,  und  es  kommen 
daher  für  sie,  soweit  das  Markenschutzgesetz  nicht  besondere 
Bestimmungen  trifft  (von  denen  hier  keine  in  Frage  steht),, 
die  allgemeinen  Grundsätze  des  Obligationenrechts  über 
Schadenersatz  aus  unerlaubten  Handlungen,  insbesondere  also 
Art.  51  0.  R.,  zur  Anwendung',  wonach  der  ßichter  Art  und 
Grösse  des  Schadenersatzes  nach  freiem  Ermessen  in  Würdi- 
gung der  Umstände,  insbesondere  der  Grösse  der  Verschul- 
dung bemi8st.  (Entsch.  vom  4.  Mai  1899  i.  S.  Lever  Brothera 
Lim.  c.  Schuler.; 


147 

B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


108.  Dommages-intérêts.  Action  intentée  contre  le  père  de 
V  en  foni  auteur  du  dommage.  Art  61  C.  0. 

Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  22  octobre  1898 
d.  1.  c.  Bichet  c.  Détruche. 

Lina  Bichet,  qui  jouait  dans  la  rue  des  Eaux- Vives,  Ih 
2  octobre  1897  vers  raidi,  a  été  renversée  violemment  par  le 
jeune  F.  Détruche  monté  sur  un  bicyclette  et  a  eu  la  jambe 
droite  cassée.  Le  père  Bichet  a  actionné  le  père  Détruche 
tant  en  sa  qualité  de  tuteur  de  son  fils  mineur  que  comme 
civilement  responsable  des  actes  de  ce  dernier  selon  l'art.  61 
C.  0.  Le  Tribunal  de  1**  instance  a  trouvé  que  le  père  D.  était 
responsable  du  dommage  causé  par  son  fils  mineur,  aux  termes 
de  l'art.  61  C.  0.,  parce  qu'il  n'aurait  pas  dû  autoriser  celui-ci 
à  circuler  à  bicyclette  sans  s'être  assuré  qu'il  était  suffisam- 
ment expérimenté  et  prudent.  La  Cour  a  réformé  ce  jugement 
et  mis  hors  de  cause  le  père  D.  en  tant  que  responsable  per- 
sonnellement. 

Motifs.  Détruche  père  ne  saurait  être  rendu  person- 
nellement responsable  . . .  que  s'il  était  constant  qu'il  n'a  pas 
exercé  sur  son  fils  mineur  la  surveillance  qui  lui  incombe 
légalement  (art. 61  CO.). 

Or,  il  n'a  jamais  été  établi  que  Détruche  fils  fût  un  garçon 
généralement  imprudent  ou  maladroit.  Il  est  âgé  d'environ 
dix-sept  ans. 

On  ne  saurait,  dans  ces  conditions,  considérer  Détruche 
père  comme  personnellement  responsable  des  conséquences  de 
l'accident;  la  faute  de  Détruche  fils  n'a  été,  en  effet,  qu'une 
faute  légère  et  momentanée,  la  conséquence  d'un  moment  d'in- 
attention que  son  père  n'a  pu  prévenir,  et  on  ne  saurait  faire 
grief  au  père  D.  d'avoir  autorisé  son  fils,  déjà  grand,  à  cir- 
culer seul  à  bicyclette,  pour  ses  affaires  ou  son  agrément. 

En  ce  taisant,  le  père  D.  n'a  pas  manqué  au  devoir  de 
surveillance  qui  lui  incombe;  il  est  d'usage  constant,  en  effet, 
de  laisser  circuler  seuls  en  bicyclette  des  jeunes  gens  de  cet 
âge,  et  ce  seul  fait  ne  suffit  pas  pour  rendre  un  père  respon- 
sable des  accidents  survenus  si,  d'ailleurs,  l'imprudence  com- 
mise a  été  légère  et  si  elle  n'est  pas  la  conséquence  d'une 
maladresse  ou  d'une  imprudence  habituelles  de  la  part  du 
mineur.  (La  Semaine  judiciaire,  XX  p.  791  sa.) 

Anmerkung  der  Redaktion.  Die  zweite  Instanz  scheint  uns 
eine   für   die  Velozipedisten  zu  nachsichtige  Anschauung   zu   ver- 


148 

treten.  Halbwüchsige  Bürscblein  gefährden  mit  ihrem  leichtfertigen 
Fahren  in  der  That  den  Verkehr  auf  belebten  Strassen  ungemein, 
und  dein  Vater  läge  die  erste  Pflicht  der  Verhinderung  ob;  statt 
dessen  schafft  er  selber  dem  Herrn  Sohn  ein  Zweirad  an  und  lässt 
ihn  damit  Unfug  treiben.  Der  Spruch  der  ersten  Instanz  hat  das 
Richtigere  getroffen. 


109.  Verjährung  der  Forderung  oder  des  Klagrechts  f 
Art.  72,  159,  160  0.  R. 

Zürich.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichts  vom  17.  Sep- 
tember 1898  i.  S.  Bezirkssparkasse  Hin  weil  c.  Peter. 

Wenn  der  Betriebene  eine  verjährte  Forderung  anerkennt, 
also  der  Betreibung  durch  den  Gläubiger  nicht  opponiert, 
obgleich  er  das  thun  könnte,  so  kann  nicht  die  so  anerkannte 
Forderung  von  andern  Gläubigern  bestritten  und  ihre  Ent- 
fernung aus  dem  Kollokationsplan  verlangt  werden.  Die  Ent- 
scheidung der  Frage,  ob  eine  solche  Bestreitung  möglich  sei 
oder  nicht,  hängt  von  der  Art  der  rechtlichen  Wirkungen  ab, 
die  das  Gesetz  an  die  eingetretene  Verjährung  knüpft.  In  der 
gemeinrechtlichen  Theorie  stehen  sich  zwei  Ansichten  gegen- 
über, diejenige,  nach  welcher  die  Folge  der  Verjährung  der 
Untergang  der  Forderung  selbst  ist,  und  diejenige,  nach 
welcher  die  Forderung  trotz  eingetretener  Verjährung  be- 
stehen bleibt,  aber  nicht  mehr  die  Kraft  hat,  die  Rechts- 
mittel behufs  ihrer  Geltendmachung  zu  erzeugen.  (Vergi, 
einerseits  Windscheid,  Pandekten  Bd  I  §  112,  andrerseits 
Dernburg,  Pandekten  Bd  I  §  150.)  Ist  die  zweite  Anschau- 
ung die  richtige,  dann  bleibt  die  Forderung  bestehen  ;  der 
Schuldner,  der  sie  bezahlt,  tilgt  eine  Schuld;  er  macht  dem 
Gläubiger  nicht  eine  Schenkung  (Windseheid  a.  a.  0.  Bd  II 
§  289,  Kohler,  Konkursrecht  S.228);  er  hat  auch  nicht  die 
condictio  indebiti.  Dann  kann  aber  sicherlich  auch  ein  dritter 
Gläubiger  die  Rechtsbeständigkeit  einer  anerkannten,  wenn 
auch  an  sich  verjährten  Forderung  nicht  anfechten.  Das 
Obligationenreoht  steht  nun  auf  dem  Standpunkte  dieser 
zweiten  Rechtsanschauung  und  hat  ihn  konsequent  durch- 
geführt: Auf  die  Verjährung  kann  nach  ihrer  Vollendung 
Verzicht  geleistet  werden  (Art.  159),  der  Richter  kann  sie 
nicht  von  Amtes  wegen  berücksichtigen  (Art.  160),  für  eine 
bezahlte  verjährte  Schuld  ist  die  Rückforderung  ausgeschlossen 
(Art.  72).  Demnach  hat  der  betriebene  Schuldner  J.  J.  Peter, 
indem  er  der  Betreibung  seiner  Schwester  auch  für  verjährte 
Forderungen    nicht    opponierte,    eine    naturalis  obligatio    an- 


149 


erkannt  und  einem  Gebote  der  Moral  gemäss  gehandelt.  Ein 
anderer  Gläubiger  kann  diese  Forderungen  nicht  mit  Erfolg 
anfechten.  (Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entech.,  XVIII  S.  46.) 


110.  Verjährung.  Unterbrechung  durch  Klaganstellung 
vor  einem  inkompetenten  Richter  in  einem  Einspruchsverfahren. 
Art  158  0.  R.  und  Art.  107  des  Bundesgesetzes  über  Schuldbe- 
treibung und  Konkurs. 

Lasero.  Urteil  des  ObergerichtB  vom  13.  April  1897. 

Klägerin  hatte  Anerkennung  ihres  Eigentumsanspruches 
auf  verschiedene  Objekte,  welche  bei  ihrem  Ehemann  auf 
Betreibung  des  Beklagten  hin  hätten  gepfändet  werden  sollen, 
verlangt,  und  zwar  vor  dem  Bezirksgerichte  Serapach,  das 
sich  aber,  unter  Zustimmung  des  Obergerichts  infolge  Rekurses, 
als  inkompetent  erklärte.  Als  dann  Klägerin  ihre  Klage  bei 
dem  Bezirksgerichte  Rothenburg  einlegte,  beantragte  der  Be- 
klagte Abweisung  wegen  Verjährung,  die  durch  Erhebung 
der  Klage  vor  einem  inkompetenten  Gerichte  nicht  unter- 
brochen worden  sei.  Das  Obergericht  wies  diese  Einrede  zurück. 

Motive:  Für  das  gemeine  Recht  ist  die  Frage,  ob  die 
Klagestellung  bei  einem  unzuständigen  Richter  die  Verjährung 
zu  unterbrechen  vermöge,  eine  streitige,  wobei  immerhin  die 
herrschende  Meinung  dahin  geht,  dass  einer  derartigen  Klage- 
erhebung eine  unterbrechende  Wirkung  nicht  zugeschrieben 
werden  könne  (Schneider  &  Fick,  Komment,  zum  0.  R.  gr.  A. 
Note  1  zu  Art.  158).  Für  das  Gebiet  des  0.  R.  gewährt 
Art.  158  eine  neue  Frist  von  60  Tagen  zur  Geltendmachung 
eines  Anspruches,  falls  eine  Klage  oder  eine  Einrede  wegen 
Inkompetenz  des  angesprochenen  Richters  zurückgewiesen 
worden  und  unterdessen  die  Verjährungsfrist  abgelaufen  ist. 
Eine  gleiche  Bestimmung  kennt  das  Bundesgesetz  über  Schuld- 
betreibung und  Konkurs  nicht,  soweit  die  Klagewirkung,  wie 
sie  hier  in  Frage  steht,  in  Betracht  kommt,  und  es  darf  als 
ein  Mangel  des  Gesetzes  bezeichnet  werden,  dass  sein  Text 
über  die  Behandlung  der  vorwürfigen  Frage  keine  bestimmte 
Auskunft  giebt.  Allein  nachdem  der  eidgenössische  Gesetz- 
geber für  das  Gebiet  des  Obligationenrechts  allgemein  jene 
Nachfristgewährung  ausgesprochen  hat  und  hier  auch  An- 
sprüche in  Frage  stehen,  die  der  Regelung  durch  Bundesrecht 
unterliegen,  kann  kein  Hindernis  bestehen,  die  durch  die 
Bundesgesetzgebung  für  das  Gebiet  der  materiellen  Verjährung 
der  Klage  eingeführte  Nachfrist  grundsätzlich  analog  auf  das 
Gebiet    der    in    einem    Spezialgesetz    vorfindlichen    formellen 


150 

Verwirkung  der  Klage  za  übertragen,  wobei  bezüglich  der 
Anwendbarkeit  eidgenössischer  Bestimmungen  darauf  ver- 
wiesen werden  darf,  dass  Art.  106  u.  107  des  Bundesgesetzes 
über  Schuldbetreibung  und  Eonkurs  sich  auch  über  die  Wir- 
kungen der  Versäumnis  aussprechen.  Freilich  kann  diese 
Uebertragung  nicht  ohne  Restriktion  stattfinden  in  dem  Sinne, 
dass  nun  ohne  Weiteres  jene  60tägige  Frist  auch  hier  Platz 
griffe.  Vielmehr  muss  sich  die  Institution  der  Naohfristge- 
währung  dem  Rahmen  des  hier  zur  Anwendung  gelangenden 
Spezialgesetzes  anbequemen,  so  dass,  wenn  das  Bundesgesetz 
über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  in  Art.  107  eine  Klage- 
frist von  zehn  Tagen  aufstellt,  auch  die  Nachfrist  eine  solche 
von  zehn  Tagen  ist;  es  würde  gewiss  der  ratio  legis  nicht 
entsprechen,  wollte  man  bei  einer  ersten  und  Hauptfrist  von 
nur  zehn  Tagen  für  den  hier  vorliegenden  Fall  der  jBelangung 
des  Qegners  vor  einem  inkompetenten  Richter  eine  Nachfrist 
von  sechsmal  so  langer  Dauer  geben.  Die  Klägerin  hat  aber 
diese  Nachfrist  von  zehn  Tagen  eingehalten. 

(Verhandl.  des  Oberger.  u.  der  Justizkomm.  v.  J.  1897,  S.  31  ff.) 


111.  Cession  d'une  créance.  Droit  du  cessionnaire  de 
continuer  les  poursuites,  Art.  190  C.  0. 

Tand.  Jugement  du  Tribunal  cantonal  du  6  Décembre  1898  d.  1.  c. 
Laurent  c.  Jaccoud  et  Laurent. 

La  Banque  cantonale  Vaudoise,  créancière  de  la  société 
Jaccoud  &  Laurent  pour  une  somme  de  frs.  6201.  50,  a  fait 
notifier  à  la  débitrice,  le  28  septembre  1898,  une  commina- 
tion  de  faillite,  puis,  le  21  octobre,  elle  a  cédé  à  Eugène 
Laurent,  caution  de  l'associé  Jules  Laurent,  tous  ses  droits, 
ayant  reçu  de  lui  le  solde  de  sa  créance.  La  cession  a  été 
notifiée  le  25  octobre  à  Jaccoud  &  Laurent.  Le  27  octobre 
Eugène  Laurent  a  requis  la  faillite  de  la  société  qui  s'est 
opposée  à  cette  réquisition  par  le  motif  que  le  cessionnaire 
n  était  subrogé  qu'à  la  créance  et  non  aux  poursuites  exercées 
par  la  Banque,  et  devait  ainsi  en  commencer  de  nouvelles. 
Les  deux  instances  ont  repoussé  cette  opposition  et  prononcé 
la  faillite.  Le  Tribunal  oantonal  a  motivé: 

Considérant  que  la  cession  d'une  créance  comprend,  sauf 
convention  contraire,  les  privilèges  et  autres  droite»  accessoires, 
à  l'exception  seulement  de  ceux  qui  sont  attachés  exclusivement 
à  la  personne  du  cédant  (art.  190  C.  0.). 

Que  les  droits  résultant  pour  le  cédant  d'actes  de  pour- 
suite par  lui  effectués  sont  des  accessoires  de  sa  créance. 


151 

Qu'aucune  disposition  légale  ne  limite  à  la  personne  du 
créancier  qui  les  a  effectués  le  bénéfice  en  résultant. 

Que  dès  lors  Eugène  Laurent,  subrogé  aux  droits  de  la 
Banque  cantonale,  a  été  mis  par  la  cession  en  lieu  et  place 
de  la  cédante  aussi  bien  en  ce  qui  concerne  la  poursuite 
commencée  que  relativement  au  capital  du  compte  de  crédit, 
aux    intérêts  et   autres  accessoires. 

(Journal  des  Tribunaux,  Droit  cantonal,  XL  VII  p.  88  8.) 


112.  Wechselbürgschaft.  Unterschrift  auf  der  Rückseite 
des  Wechsels  ohne  einen  die  Bürgschaft  andeutenden  Zusatz  ist 
nicht  Wechselbürgschaft     Art.  808  f.,  827  Ziff.  11  0.  R. 

Bern,  Urteil  des  Appellations-  und  Kassationsfaofes  vom  29.  April 
1898  i.  S.  Droz  &  Cie  c.  Marti. 

Droz  &  Cie  fordern  von  Marti  Fr.  1510.  17  als  die  Hälfte 
einer  von  ihnen  als  Bürgen  für  H.  Amstutz  aus  einem  Eigen- 
wechsel an  die  Kantonalbank  bezahlten  Summe  von  Fr.  3000 
plus  Zins  und  Kosten.  Beklagter  bestreitet  das  Vorhanden- 
sein irgend  eines  Zusammenhangs  zwischen  der  für  ihn  aus 
der  Beisetzung  seiner  Unterschrift  auf  der  Rückseite  des 
(nicht  indossierten)  Wechsels  entstandenen  Verbindlichkeit 
mit  der  Wechselbürgschaft  der  Kläger.  Der  Wechsel  trägt 
auf  der  Vorderseite  unter  der  Unterschrift  des  Ausstellers 
H.  Amstutz  die  Worte:  „pour  aval  p.  Droz  et  Oie  Läuchli," 
und  auf  der  Bückseite  die  Worte  „Jakob  Marti."  Ueber 
diesen  Namen  ist  geschrieben,  aber  wieder  durchgestrichen 
worden:  „ Payez  à  l'ordre  de  la  Banque  cantonale  de  Berne, 
valeur  en  compte.  St-Imier,  le  4  Février  1897."  Marti  be- 
hauptet, seine  Unterschrift  bloss  als  Bürgschaft  für  einen 
eventuellen  ersten  Indossanten  gegeben  zu  haben.  Der  Appel- 
lations- und  Kassationshof  hat  die  Klage  abgewiesen,  im 
wesentlichen  aus  folgenden  Gründen: 

11  s'agit  de  savoir  si  c'est  en  qualité  de  donneur  d'aval 
du  souscripteur  A.  que  le  défendeur  a  apposé  sa  signature 
sur  le  billet.  A  cet  égard,  il  y  a  lieu  de  rappeler  qu'en  règle 
générale  le  donneur  d'aval  du  tireur  d'une  lettre  de  change 
ou  du  souscripteur  d'un  billet  de  change,  doit  joindre  sa 
signature  à  celle  de  ce  dernier  (art.  808  C.  0.)  et  dès  lors 
signer  comme  lui  et  près  de  son  nom  sur  le  recto  de  l'effet; 
exceptionnellement,  il  peut  apposer  son  nom  à  une  place 
quelconque  de  l'effet,  pourvu  qu'il  l'accompagne  d'une  mention 
indiquant,  pour  qui  il  donne  son  aval  (cfr.  Deutsche  Wechsel- 
ordnung art.  81,  dont  l'art.  808  C.  0.  est  la  reproduction  tex- 


152 

tuelle;  voir  v.  Wächter,  Encycl.  d.  Wechselrechts,  p.  107,  et 
Wechselrecht,  p.  440).  Mais  lorsque,  comme  au  cas  particu- 
lier, la  signature  d'une  personne  figure  au  verso  de  l'effet 
sans  autre  indication,  la  difficulté  est  de  savoir  si  cette  per- 
sonne a  voulu  donner  son  aval  pour  le  souscripteur  dont  la 
signature  figure  au  recto.  Pour  apprécier  son  intention,  on 
ne  peut  tenir  compte  que  des  énonciations  de  l'effet  de  change 
et  non  des  circonstances  qui  n'y  sont  pas  exprimées,  car  l'effet 
de  change  est  un  écrit  à  formes  solennelles.  ...  La  signature 
de  Marti  figurant  au  dos  de  l'effet,  on  ne  saurait  admettre 
qu'il  ressort  du  texte  même  du  billet  que  le  défendeur  a 
entendu  donner  son  aval  pour  le  souscripteur  A.  On  ne  sau- 
rait l'admettre,  d'après  la  jurisprudence  et  la  doctrine  alle- 
mandes, que  s'il  résultait  indubitablement  du  billet  que  M. 
a  voulu  s'engager  comme  le  souscripteur;  il  en  serait  ainsi 
dans  le  cas  où  l'état  matériel  de  l'effet  ne  permettrait  pas  à 
l'avaliseurde  signer  au  recto  (Reichsoberhandelsgericht,  Entsch. 
XII  p.  25,  XIX  p.  89,  v.  Wächter,  Encycl.  d.  Wechselrechts 
p.  107  u.  a).  —  En  France,  où  d'après  l'art.  142  C.  d.  coram., 
l'aval  peut  être  donné  par  acte  séparé,  on  est  en  général 
moins  rigoureux,  .  .  .  mais  le  Code  des  obligations  se  rattache 
étroitement,  en  ce  qui  concerne  le  droit  de  change,  à  la 
législation  allemande  et  non  à  la  législation  française.  On 
doit  donc  adhérer  ici  aux  principes  reproduits  ci-haut  de  la 
doctrine  et  de  la  jurisprudence  allemandes.  Or,  l'état  matériel 
du  billet  ne  nécessitait  nullement  l'apposition  au  verso  de  la 
signature  de  Marti  s'il  avait  voulu  signer  comme  donneur 
d'aval  du  souscripteur.  On  ne  saurait  donc  admettre  que  la 
signature  du  défendeur  au  dos  de  l'effet  sans  autre  mention, 
indique  d'une  manière  suffisante  sa  volonté  de  donner  un 
aval  pour  le  souscripteur  A. 

Il  ne  saurait  être  question  de  considérer  la  présente 
action  comme  basée  sur  un  cautionnement  de  droit  civil. 
Indépendamment  du  fait  que  la  demande  n'en  parle  pas,  il  y  a 
lieu  de  remarquer  qu'une  simple  signature  sans  autre  mention 
ne  suffit  pas  pour  constituer  un  cautionnement  oivil  (art.  491 
CO.).      (Aaszug  au»  der  Zeitachr.  d.  Bern.  Jur.-Vereins,  XXXV  S.  243  ff.) 


113.  Pfändungsanschluss  von  geschiedenen  Ehefrauen, 
ohne  vorgängige  Betreibung  unzulässig.  Art  111  des  Bundes- 
gesetzes über  Schuldbetreibung  und  Konkurs. 

Basel -Lau dach* lt.  Entsch.  der  Aufsichtsbehörde  (Obergericht) 
vom  5.  November  1898  i.  S.  Fritschin  c.  Betreibungsamt  Arlesheiin. 


153 

Der  Marie  Fritschin,  geschiedene  Jeissy,  verweigerte  das 
Betreibangsamt  Ariesheim  den  Anschluss  an  eine  Pfändung 
gegen  ihren  gewesenen  Ehemann,  die  bei  diesem  zu  Gunsten 
der  Geschwister  Fritschin  vorgenommen  worden  war.  Sie 
beschwerte  sich  hiegegen,  weil  die  Forderung,  die  sie  gegen 
ihren  geschiedenen  Ehemann  geltend  mache  und  für  die  sie 
die  Anschlusspfändung  verlange,  noch  aus  der  Zeit  des  Be- 
stehens der  Ehe  herrühre,  daher  sie  sich  ohne  vorausgegangene 
Betreibung  der  Pfändung  anschliessen  könne.  Die  Beschwerde 
wurde  abgewiesen. 

Gründe:  Nach  Art.  111  des  Betreibungsgesetzes  können 
die  Kantone  der  Ehefrau  des  Schuldners  das  Recht  einräumen, 
fur  Forderungen  aus  dem  ehelichen  Verhältnisse  während  der 
dreissigtägigen  Frist  auch  ohne  vorgängige  Betreibung  an 
einer  Pfändung  teilzunehmen.  Der  Kanton  Basellandschaft 
hat  in  seinem  Einführungsgesetz  zum  Bundesgesetz  von  der 
Befugnis,  der  Ehefrau  das  Recht  der  Anschlusspfändung  ein- 
zuräumen, Gebrauch  gemacht.  Das  Recht  zur  Anschluss- 
pfändung kommt  aber  nach  der  Intention  des  Betreibungs- 
gesetzes und  des  kantonalen  Einführungsgesetzes  einer  Ehe- 
frau nur  so  lange  zu,  als  sie  durch  das  Band  der  Ehe  mit 
ihrem  Ehemann  verbunden  ist,  und  als  güterrechtliche  Be- 
ziehungen zwischen  ihr  und  dem  Ehemann  bestehen.  Wo 
wie  im  vorliegenden  Falle  die  Ehe  schon  seit  Jahren  aufge- 
löst ist  und  alle  güterrechtlichen  Beziehungen  zwischen  den 
Geschiedenen  erloschen  sind,  kann  sich  die  Beschwerdeführerin 
ohne  vorausgegangene  Betreibung  einer  Pfändung  nioht  an- 
schliessen, sondern  sie  muss,  wenn  sie  noch  Ansprüche  an 
ihren  geschiedenen  Ehemann  hat,  selbst  wenn  diese  Ansprüche 
von  der  Ehe  her  datieren,  diese  durch  Anhebung  der  Betrei- 
bung zu  realisieren  suchen. 

(Amteber,  des  Obergerichts  vom  Jahre  1898,  S.  92  f.) 


114.  Condamnation  civile  renfermée  dans  un 
jugement  pénal  d'un  tribunal  français.  Demande  en 
exequatur  en  Suisse.  Manque  de  caractère  d'un  jugement  rendu 
„en  matière  civüeu  dans  le  sens  de  l'article  15  du  traité  franco- 
suisse  du  15  juin  1869. 

Neueh&tel.  Jugement  da  Tribunal  cantonal  du  11  novembre  1898 
d.  1.  c.  Japy  frères  &  Cie  c.  Sandoz. 

Le  5  mai  1893,  le  tribunal  de  première  instance  dé 
Belfort,  siégeant  en  matière  de  police  correctionnelle,  a  con- 
damné par   défaut,   et  sur  intervention  de  partie  civile  Japy 


154 

frères  &  Cie,  A.  Sandoz  à  deux  ans  de  prison  et,  sur  l'action 
civile,  à  fr8.  250,000. —  de  dommages-intérêts,  pour  révélation 
à  des  étrangers  ou  à  des  français  résidant  en  pays  étranger 
de  secrets  de  la  fabrique  où  il  était  employé.  Japy  frères  &  Cie 
ont  requis  devant  le  tribunal  de  Neuchâtel,  domicile  de  Sandoz, 
l'exequatur  de  ce  jugement  en  tant  qu'il  prononce  la  condam- 
nation civile.  Sandoz  a  opposé  :  le  jugement  n'est  pas  un 
jugement  en  matière  civile  et  commerciale  dans  le  sens  de 
l'art.  15  du  traité  franco-suisse  du  15  juin  1869,  c'est  un 
jugement  pénal  statuant  accessoirement  sur  des  conclusions 
civiles. 

Le  tribunal  a  refusé  l'exécution. 

Motifs  :  Attendu  que  si  ce  jugement  revêt  à  plusieurs 
égards  le  caractère  d'un  jugement  de  droit  civil  et  privé,  en 
particulier  par  la  nature  civile  de  la  réclamation  et  par  la 
qualité  privée  du  demandeur,  il  n'en  est  pas  moins  vrai  qu'il 
a  été  rendu  par  un  tribunal  pénal  dont  la  compétence  civile 
n'a  pu  exister  qu'à  cause  et  comme  une  conséquence  de  sa 
compétence  pénale; 

Qu'il  est  incontestable  en  effet  que,  aux  termes  des  pre- 
miers articles  du  traité  de  1869,  le  tribunal  civil  de  Belfort 
n'aurait  pu  rendre  contre  Sandoz,  citoyen  suisse,  domicilié 
en  Suisse,  un  jugement  civil  semblable  à  celui  rendu  par 
le  tribunal  correctionnel; 

Qu'il  faut  reconnaître  que,  dans  le  cas  particulier,  l'action 
civile  n'a  été  qu'une  annexe  de  l'action  pénale  dont  elle  tenait 
son  existence,  et  que  le  fait  seul  que  la  sentence  émane  d'une 
juridiction  répressive  imprime  au  prononcé  tout  entier  un  carac- 
tère pénal  indélébile. 

Attendu  que  ce  caractère  pénal  résulte  aussi  du  fait  qu'en 
France,  comme  dans  le  canton  de  Neuchâtel,  la  libération  du 
prévenu  sur  l'action  publique  rend  le  tribunal  pénal  incom- 
pétent pour  statuer  sur  l'action  civile; 

Que  ce  qui  vient  d'être  dit  indique  suffisamment  déjà  que 
le  jugement  de  Belfort  n'a  pas  été  rendu  „en  matière  civile 
et  commerciale,"  mais  qu'il  s'agit  d'une  sentence  pénale  con- 
tenant une  sentence  civile  accessoire. 

Attendu  que  rien  dans  le  traité  de  1869  ne  permet  de 
supposer  que  les  hautes  parties  contractantes,  en  statuant 
l'exécution  réciproque  des  jugements  rendus  en  matière  civile, 
aient  entendu  englober  dans  cette  disposition  les  prononcés 
pécuniaires  accessoires  d'une  condamnation  pénale  ; 

Qu'il  y  a  lieu  de  présumer,  au  contraire,  que  l'assimi- 
lation   n'a  pas   été  voulue  à  cause   des   différences  profondes 


155 

qui  existent   entre   ces  deux   genres  de  condamnations  pécu- 
niaires ; 

Attendu  que  ces  différences  résident  non  seulement  dans 
la  procédure  en  usage  en  matière  de  partie  civile,  procédure 
essentiellement  rapide  et  exclusive  d'une  administration  mé- 
thodique des  preuves,  mais  aussi  dans  le  fait  que  la  partie 
poursuivie  pénalement  n'est  souvent  pas  en  mesure  de  se  dé- 
fendre contre  les  conclusions  civiles  du  plaignant  et  qu'ainsi 
les  parties  ne  se  trouvent  pas  placées  sur  un  pied  d'égalité 
absolue  ; 

Que  cette  dernière  considération  est  particulièrement  im- 
portante, en  l'espèce,  Sandoz  ayant  dû  faire  défaut  devant  le 
tribunal  de  Belfort  par  suite  du  mandat  d'arrêt  lancé  contre 
lui  et  qui  l'exposait  à  une  incarcération  immédiate. 

Attendu  que,  de  tout  ce  qui  précède,  il  résulte  que  le 
jugement  du  tribunal  de  Belfort  „siégeant  en  matière  de  police 
correctionnelle"  n'est  pas  un  jugement  rendu  „en  matière 
civile"  dans  le  sens  de  l'art.  15  du  traité. 

Attendu,  au  surplus,  que  si  Sandoz  a  été  cité  à  la  re- 
quòte  du  procureur  de  la  république  près  le  tribunal  de  pre- 
mière instance  de  Belfort,  à  comparaître  devant  le  dit  tribunal 
comme  prévenu  des  délits  prévus  et  punis  par  les  art.  418 
et  417  du  Code  pénal  français,  il  est  certain  qu'il  n'a  pas 
été  cité  pour  avoir  à  se  défendre  contre  les  conclusions  civiles 
prises  contre  lui,  conclusions  dont  il  ne  lui  a  pas  été  donné 
connaissance; 

Qu'on  voit  par  les  procès- verbaux  des  audiences  du  tri- 
bunal de  Belfort  que  c'est  au  cours  de  l'audience  du  28  avril, 
après  l'audition  des  témoins  et  sans  notification  préalable, 
que  Japy  frères  &  Cie  sont  intervenus  et  ont  été  reçus  en 
qualité  de  partie  civile  et  qu'ils  ont  conclu  contre  Sandoz 
à  fra.  450,000. —  de  dommages-intérêts,  somme  réduite  à 
frs.  250,000.—  par  le  jugement  du  5  mai; 

Qu'il   y  a  lieu   d'admettre,  dans   ces    circonstances,    que 
/   Sandoz  n'a  pas  été  régulièrement   cité,   ni  défaillant,    et  que, 
pour  ce  motif  encore,  l'exequatur  doit  être  refusé  aux  termes 
de  l'art.  17,  chiffre  2,  de  la  convention  de  1869. 

(Jugements  du  Trib.  cant.  de  Neuchâtel,  V  p.  142  sa.) 


I.  Alphabetisches  Sachregister. 


Absichtliche  Pflichtverletzung  (der  Verwaltungsräte  einer  Aktien- 
gesellschaft), Begriff,  Nr.  41. 

Abtretung,  oder  Anweisung?  Nr.  6;  von  Namenaktien,  Nr.  7;  eines 
Gewinnanteils  an  einer  Gesellschaft,  Nr.  62  ;  zukünftiger  For- 
derungen, Nr.  62  ;  von  Sparkassaforderungen,  Nr.  63  ;  von 
Privatrechten  (Expropriation),  Fristversäumnis,  Nr.  99  ;  Recht 
des  Cessionars  auf  Fortsetzung  der  Betreibung,  Nr.  111. 

Abwesende,  Vertragsschluss  unter  A.,  Annahme  und  Widerruf, Nr.  87. 

Agenten,  einer  Versicherungsgesellschaft,  Umfang  ihrer  Vollmacht, 
Nr.  72,  87. 

Aktenwidrigkeit,  Begriff  in  Art.  81  B.-G.  über  Org.  d.  B.-R. -Pflege, 
Nr.  48. 

Aktiengesellschaft,  Verantwortlichkeit  der  Verwaltungsräte,  Nr.  41  ; 
der  Verwalter  und  Gründer,  Nr.  68  ;  Fusion,  Nr.  69. 

Aktienkommanditgesellschaft,  Haftung  der  Komplementare,  Stellung 
des  Liquidators,  Nr.  98. 

Aktionäre,  Pflichten  gegen  die  Gesellschaft,  Nr.  26  ;  Pflichten  wie- 
weit statutengemä88  bestimmbar,  Nr.  67. 

Anfechtbarkeit,  von  Veräusserungen  in  fraudem  creditorum,  Nr.  7. 

Anfechtung,  eines  Lebensversicherungsvertrages  wegen  Irrtums, 
Nr.  71. 

Anfechtungsklage,  des  Gläubigers  gegen  ein  den  Schuldner  ent- 
erbendes Testament,  Nr.  13;  betr.  Contocorrenteinzahlungen, 
Nr.  79;  Frist  des  Art.  287  B.-G.  über  Seh.  u.  K.,  Nr.  105. 

Antrag,  Gebundenheit,  Nr.  80;  bei  Vertrag  inter  absentes,  Nr.  87. 

Anwaltkosten,  s.  Parteikosten. 

Anweisung,  Annahme,  Unwiderruflichkeit,  Nr.  6  ;  Solidarverhältnis 
des  Anweisenden  und  des  Angewiesenen  gegenüber  dem  As- 
signatar?  Nr.  90;  unter  Vorbehalt  angenommen,  Wirkung, 
Nr.  96. 


157 

Anwendbarkeit,  eidgenössischen  Hechts,  auf  Vergleich,  Nr.  20  ;  auf 
Vollmacht  (Auftrag)  zu  Liegenschaftskauf,  Nr.  37  ;  bei  Ver- 
sicherungsvertrag, Nr.  45  ;  auf  Versprechen  des  Kaufs  einer 
Liegenschaft  durch  einen  Dritten,  Nr.  61  ;  fur  Verrechnung 
mit  grundversicherten  Forderungen,  Nr.  62. 
des   Bundesge8.   über   die    civilrechtl.  Verh.    der   Niedergel.    auf 

Schenkungen,  Nr.  18. 
kantonalen  Rechts,  im  kantonalen  Expropriations  verfahren,  Nr.  28  ; 
bei  Versicherungsvertrag,  Nr.  45  ;  auf  schenkungsweisen  Nach- 
lass,  Nr.  88  ;  auf  Leibrentenverträge  zu  Gunsten  Dritter,  Nr.  97. 
örtlichen  Rechts,  der  Verjährung,  Nr.  5. 

Aufforderung'  zur  Klage,  nach  Betreibungsgesetz,  Nr.  14. 

Auftrag,  Schadenersatzpflicht  des  Mandanten  gegenüber  dem  Man- 
datar, Nr.  95. 

Auskunftserteilungen  von  Stationsvorständen,  rechtlicher  Wert,  Nr.  19. 

Auslegung,  der  Versicherungsbedingungen,  Nr.  45. 

Beerdigungskosten,  Umfang  im  Sinn  der  Haftpflichtgesetze,  Nr.  11. 

Bereicherungsanspruch,  des  Versicherten,  bei  Aufhebung  des  Ver- 
sicherungsvertrages, Nr.  71. 

Berufung  an  das  Bundesgericht,  Voraussetzungen,  Streitwertberech- 
nung, Nr.  13;  bei  Patentstreit,  Nr.  58;  gegen  Entscheide  von 
Nachlassbehörden,  Nr.  15;  gegen  Entscheide  über  Expropria- 
tion nach  kantonalem  Rechte  statt  eidgenössischen  Expropria- 
tionsverfahrens, Nr.  28  ;  schon  vor  der  schriftlichen  Mitteilung 
des  angefochtenen  Urteils  zulässig,  Nr.  85.    s.  auch  Haupturteil. 

Berufungserklärung,  Nr.  1. 

Berufungsfrist,  Nr.  1  ;  Beginn,  Nr.  2. 

Beruf nng88chrift,  Nr.  1. 

Betreibung,  auf  Verlustschein  im  internationalen  Verkehr,  Nr.  84  ; 
Fortsetzung  durch  den  Oessionar,  Nr.  111. 

Betriebsunfall,  Begriff,  Nr.  49,  101. 

Betrügerische  Angaben,  Nr.  59. 

Beurkundung  der  Verpfändung,  Nr.  63. 

Beweislast,  bei  Klage  gegen  Verwaltungsräte  einer  Aktiengesell- 
schaft, Nr.  41  ;  des  Widerrufs  bei  Vertrag  inter  absentes, 
Nr.  87  ;  für  dolus,  Nr.  59  ;  bei  Selbstmord,  Nr.  73. 

billet  à  ordre,  spätere  Veränderung  des  Remittenten,  Nr.  43. 

Blödsinn,  Begriff  (für  Eheschluss),  Nr.  74. 

Bürge,  auf  einem  Wechsel,  befreit  durch  spätere  Veränderung  des 
Remittenten,  Nr.  43;  Haftbarkeit  mit  der  actio  Paulliana  bei 
Unanfechtbarkeit,  der  Leistung  gegenüber  dem  Empfänger,  Nr.  79. 

Bürgschaft,  oder  Schuldübernahme?  Nr.  25  ;  Verminderung  der  Sicher- 
heit durch  den  Gläubiger,  Nr.  54  ;  einseitige  Kündigung,  Nr.  64. 

12 


158 

Cession,  s.  Abtretung. 
Check  vertrag,  rechtliche  Natur,  Nr.  9. 

Civilurteil,  Begriff  im  Gerichtsstandsvertrage  mit  Frankreich,  Nr.  1 14. 
Clausula  rebus  sie  stantibus,  Nr.  67. 
Compensation,  s.  Verrechnung. 

Constitutum  possessorium,  gültig  bei  Verbleiben  der  verkauften  Sache 
in  der  Hand  des  Verkäufers  bis  zu  voller  Bezahlung,  Nr.  91. 

Dienstbarkeiten,  Aufnahme  in  das  Lastenverzeichnis,  Nr.  14. 

Dienstvertrag,  Pflicht  des  Dienstherrn  zu  Bezahlung  des  Salärs, 
nicht  zu  Annahme  der  Dienste,  Nr.  92;  Verwendung  der  im 
Dienst  erworbenen  Kenntnisse  durch  den  Angestellten  nach 
Entlassung  zu  eigenem  Vorteile,  Nr.  94  ;  wichtiger  Grund  zu 
Auflösung,  Nr.  36,  59,  82,  93. 

dolus,  Causalität,  Nr.  59. 

Dritte,  im  Sinn  von  Art.  33  B.-G.  über  Bau  und  Betrieb  der  Eisen- 
bahnen, Nr.  47  ;  Versprechen  der  Leistung  eines  Dritten,  unter 
eidg.  Recht  stehend,  Nr.  61. 
s.  auch  Vertrag  zu  Gunsten  Dritter. 

Eheeinspruch,  rechtzeitiger,  Nr.  75. 

Ehefrau,  geschiedene,  Pfiindungsanschluss,  Nr.  113. 

Ehescheidung,    auf  Begehren  des  schuldhaften   Ehegatten,    Nr.  56  ; 

bloss  der  civilen  Ehe?  Nr.  83  ;  Schuldfrage,  Nr.  100. 
Eheschluss,    Fähigkeit,    Nr.  74  ;    Unterscheidung    von    civilem    und 

kirchlichem  ?  Nr.  83. 
Eheschulden,  bei  Handelsfrauen,  Nr.  21. 
Eigentumsklage,  gegen  den  blossen  detentor,  Nr.  91. 
Eigentumsvorbehalt,  Erfordernisse,  Nr.  81  ;  Zulässigkeit  bei  Verkauf, 

Nr.  23. 
Einrede,  aus  der  Pfandklausel  eines  Wechsels  gegen  den  Indossatar, 

Nr.  42. 
Erfindungspatente,  Neuheit  der  Erfindung,  Nr.  12;  Verfahren,  Be- 
rufung an  das  Bundesgericht,  Nr.  58. 
Erntekosten,   Abzug    vom    Ertragsschaden    bei    Hagelversicherung, 

Nr.  45. 
Erzieher,  s.  Haftpflicht. 
Expropriations  verfahren,    kantonales    oder  eidgenössisches  ?  Nr.  28. 

s.  auch  Abtretung  von  Privatrechten. 

Fabrikmarken,  s.  Markenrecht,  Marke. 
Fähigkeit,  zur  Eheschliessung,  Nr.  74. 
Fälligkeit,  der  zu  verrechnenden  Forderung,  Nr.  62. 
Firma,    Ausschliesslichkeit    ohne    örtliche    Beschränkung,    Nr.  44  ; 
Unterscheidbarkeit,  Nr.  70. 


159 

Frachtvertrag,  Begriff,  Nr.  35. 

Frauengut,  s.  Weibergut. 

Frist,  für  Berufung  an  das  Bundesgericht,  Nr.  3  ;  für  Garantie  und 

Rüge    bei   Werkvertrag,    Nr.  8  ;    für    Anfechtungsklage,    wie 

berechnet^  Nr.  105. 
Fristversänmnis,  bei  Expropriation,  Nr.  99. 
Fusion,  von  Aktiengesellschaften,  Modalitäten,  Nr.  69. 

©arantiefrist,  bei  Werkvertrag,  Nr.  8. 

Gebrechen,  von  der  Unfallversicherung  abschliessendes,  Begriff, 
Nr.  4o. 

Gefahr,  der  Checkfälschung,  von  wem  zu  tragen?  Nr.  9. 

Genossenschaft,  Statutenrevision,  wiefern  die  Identität  der  G.  be- 
rührend, Nr.  40;  Anfechtnng  von  Genossenschaftsbeschlüssen, 
Nr.  40  ;  nicht  eingetragene,  Rechtsverhältnis  der  Mitglieder 
unter  einander,  Nr.  66. 

Gerichtsstands  vertrag  mit  Frankreich,  Begriff  des  Civilurteils,  Nr.  114. 

Gesellschaft,  Forderungen  an  einzelne  Gesellschafter,  Nr.  39. 

Gewalt,  höhere,  Begriff,  Nr.  49. 

Gründer,  einer  Aktiengesellschaft,  Vorteil,  Verantwortlichkeit,  Nr.  68. 

Gütergemeinschaft,  eheliche,  Einflnss  auf  Haftung  für  Schulden  der 
Handelsfrau,  Nr.  21. 

Haftpflicht,  der  Eisenbahnen,  Nr.  10,  48,  76,  101. 

ans  Fabrikbetrieb,  Begriff  des  Betriebsunfalls,  Nr.  49  ;    Verjäh- 
rung, Nr.  77;  des  Unterakkordanteu,  Nr.  78;   bloss  durch  die 
Spezialgesetze  normiert,  Nr.  102  ;  nur  gegenüber  Angestellten 
und  Arbeitern,  nicht  Dritten,  Nr.  103;  der  Kollektivgesellschaft, 
Nr.  102  ;    Beerdigungskosten,    Nr.  1 1 . 
des  Vaters   für  Beaufsichtigung   des  Kindes,    Nr.  108  ;    des  Er- 
•    ziehers  für  Beaufsichtigung  der  Zöglinge,  Nr.  32. 
des  Ehemannes  für  Schulden  der  Handelsfrau,  Nr.  21. 
für  Schaden  von  Tieren,  Nr.  33. 

der    Komplementare    einer    Aktienkommanditgesellschaft,    gegen 
wen  ?  Nr.  98. 
s.  auch  Schadenersatz. 
Hagelversicherung,  Schatzuugsverfahren,  Nr.  45. 
Handelsfrau,  Nr.  21. 
Handelsmarke,  s.  Markenrecht,  Marke. 

Haupturteil,  Voraussetzung  für  Berufung  an  das  Bundesgericht, 
Nr.  1,  3,  57;  für  Kassationsbeschwerde,  Nr.  15;  ob  Urteil 
über  Einstellung  oder  Aufhebung  einer  Betreibung  ein  solches  V 
Nr.  50;  über  Verspätung  eine»  Eheeinspruchs?  Nr.  75. 

Indossament,  eines  Wechsels  mit  Pfandklausel,  Nr.  42. 
Irrtum,  wesentlicher,  Nr.  20;  bei  Lebensversicherung,  Nr.  71. 


160 

Kassation,  Frist  für  Kassationsbeschwerde  an  das  6. -Gericht,  Nr.  3; 
Voraussetzungen,  Nr.  3,  15. 

Kauf,  Rücktritt  wegen  Konkurses  des  Käufers,  Nr.  104  ;  von  Liegen- 
schaften, Vollmacht  dazu  nach  eidg.  R.  beurteilt,  Nr.  37  ;  nach 
Typenmuster,  Nr.  24. 

Kausalzusammenhang,  That-  oder  Rechtsfrage?  Nr.  59. 

Kollektivgesellschaft,  rechtliche  Natur,  Nr.  39  ;  Haftpflicht  aus  Fa- 
brikbetrieb, Nr.  102. 

Kommanditgesellschaft,  rechtliche  Natur,  Nr.  39;  Modalitäten,  Nr.  65. 

Kommanditsumme,  Verzinsung,  Nr.  55. 

Kompetenz  des  Bundesgerichts  für  Streit  aus  Art.  33  B.-G.  über 
Bau  und  Betrieb  der  Eisenbahnen,  Nr.  47  ;  nach  franz.- Schweiz. 
Gerichtsstandsvertrag,  Nr.  114. 

Konkurrenzverbot,  mit  dem  Geschäfte  auf  dessen  neuen  Erwerber 
übergehend,  Nr.  34. 

Konkurs,  Weibergutsprivileg,  Nr.  27  ;  der  Kommanditgesellschaft, 
Forderungen  der  Gesellschaft  an  einzelne  Gesellschafter,  Nr.  39. 

Kontokorrentverhältnis,  während  laufender  Rechnungsperiode,  Nr.  79. 

Krankheit  oder  Unfall?  Nr.  10. 

Kündigung  der  Bürgschaft,  Nr.  64. 

tasten Verzeichnis,  im  Konkurse,  Nr.  14. 
Legitimationsklausel,  bei  Sparkassabüchlein,  Nr.  62. 
Leibrentenvertrag,   Bedingungen    der   Gültigkeit,    Wirksamkeit    zu 

Gunsten  eines  Dritten,  Nr.  97. 
Leistenbruch,  Unfall  oder  Krankheit?  Nr.  10. 
Leistung,  besondere,  einer  Eisenbahn  im  Sinn  von  Art.  33  des  B.-G. 

über  Bau  und  Betrieb  der  Eisenbahnen,  Nr.  47. 
Lieferfrist,  bei  Reisegepäck,  Nr.  19. 
Liegenschaften,   der  Frau,   Behandlung   im  Konkurse   des  Mannes, 

Nr.  27. 
Liegenschaftskauf,   Auftrag   dazu   nach   eidg.  R.  beurteilt,    Nr.  37; 

Versprechen  der  Leistung  eines  Dritten,  ebenfalls  unter  eidg. 

R.,  Nr.  61. 
Liquidator,  einer  Aktienkommanditgesellschaft,  rechtliche  Stellung, 

Nr.  98. 

Mandat,  s.  Auftrag. 

Mangelrüge,  Frist,  Nr.  8  ;  verspätet,  Nr.  24. 

Marke,  Uebertragung,  Nr.  16  ;  Verwechslung  von  M.,  Nr.  16  ;  Ver- 
nichtung, Nr.  1 7  ;  Wort-  und  Figurmarken,  das  Wesentliche? 
Nr.  106;  Schadenersatzklage,  rechtliche  Natur,  Nr.  107. 

Markenrecht,  Teilung,  Nr.  16;  Umfang,  Nr.  17. 

Mentalreservation,  Nr.  4. 

Musterkonformität,  bei  Typenmuster,  Nr.  24. 


161 

Ifachlassvertrag,  Entscheidungen  darüber,  rechtliche  Natur,  Nr.  lö. 

Namenaktien,  Cession,  Nr.  7. 

neues  Vermögen,  s.  Vermögen. 

Neuheit^  der  Erfindung,  Nr.  12. 

Notwehr,  Begriff,  Nr.  31. 

Novation,  bei  Schuldübernahme,  Nr.  25. 

Offerte,  s.  Antrag. 

Pacht,  Klage  des  Verpächters  aus  Art  50  0.  R.,  Nr.  22. 

Parteikosten,  Verurteilung  auch  für  die  Kosten  des  eigenen  An- 
walts massgebend,  wieweit?  Nr.  29. 

Patent,  s.  Erfindungspatente. 

Pfandklausel  auf  einem  Wechsel,  Einrede  gegen  den  Indossatar, 
Nr.  42. 

Pfändung  von  Pflichtteilsansprucb,  Nr.  13. 

Pfändungsanschluss  der  geschiedenen  Ehefrau,  Nr.  113. 

Pflichtteilsanspruch,  Pfändbarkeit?  Nr.  13. 

Provokationsverfahren,  s.  Aufforderung. 

Pro zes8k osten,  s.  Parteikosten. 

Recht,  eidgenössisches,  kantonales,  örtliches,  s.  Anwendbarkeit. 

Rechts-  oder  Thatfrage?  Nr.  59. 

Rechtsvermutung  des  Art.  104  0.  R.,  Nr.  88. 

Reisegepäck,  Begriff,  Lieferfrist,  Nr.  19. 

Rekurs,  staatsrechtlicher,  gegen  kantonales  Expropriations  verfahren 

statt  eidgenössischen,  Nr.  28. 
Retentionsrecht,  an  Sparkassabüchlein,  Nr.  63. 
Rügefrist,  bei  Werkvertrag,  Nr.  8. 

Sachfirmen,  deutliche  Unterscheidbarkeit,  Nr.  44,  70. 

Schadenersatz,  bei  Eisenbahnunfall,  s.  Haftpflicht  ;  bei  Nichthaitang 
eines  Angebots,  Nr.  80;  des  Pächters  auf  Grund  von  Art.  50 
0.  R.,  Nr.  22;  aus  Unfall,  Verjährung,  Nr.  77  ;  des  Mandanten 
an  den  Mandatar,  Nr.  95.  s.  auch  Haftpflicht. 

Schenkung,  wiefern  unter  B.-G.  über  die  civilr.  Verh.  d.  Niedergel. 
stehend,  Nr.  18;  in  Form  Leibrentenvertrags  zu  Gunsten  eines 
Dritten,  Nr.  97  ;  schenkungsweiser  Nachlass  unter  kant.  R., 
Nr.  88. 

Schleppschiffahrtsvertrag,  Fracht-  oder  Dienstvertrag?  Nr.  35. 

Schriftliche  Beurkundung  der  Verpfändung,  Erfordernisse,  Nr.  63. 

Schuldfrage,  Bedeutung  im  Ehescheidungsurteile,  Nr.  100. 

Schuldübernahme  oder  Bürgschaft  ?  Nr.  25. 

Schweigen  des  Gläubigers  zur  Kündigung  der  Bürgschaft,  Nr.  64. 

Selbstmord,  Rechtsvermutung  dagegen  (bei  Unfallversicherung)  exi- 
stiert nicht,  Nr.  73. 


162 

Selbstverschulden,  bei  Eisenbahnunfall,  Nr.  48,  76. 

Servituten,  s.  Dienstbarkeiten. 

Sicherheitsverminderung  bei  Bürgschaft,  Nr.  54. 

Simulation,  Nr.  4. 

Solidar Verhältnis    des   Anweisenden    und    des  Angewiesenen    gegen 

den  As8ignatar?  Nr.  90. 
Sparkassabüchlein,  rechtliche  Natur,  Nr.  63. 
Spiel,  Einrede,  wieweit  Thatfrage?  Nr.  38. 
Stationsvorstand,  Ausknnfterteilmig,  rechtlicher  Wert,  Nr.  19. 
Statutenrevision,  bei  Genossenschaften,  Nr.  40. 
Stiefvater,  wiefern  Versorger  seiner  Stiefkinder,  Nr.  33. 
Strafurteil,  Civilanspruch  daraus,  Verjährung,  Nr.  53. 
Streitgenossenschaft,  passive,  Nr.  1.  , 

Streitwertberechnung,  bei  Berufung  an  das  B. -Gericht,  Nr.  13. 
Sühnversuchbegehren,  gleichwertig  mit  Klagerhebung,  Nr.  75. 

Tausch  vertrag,    unter    Art.  212  B.-G.    über    Seh.    u.  K.    fallend? 

Nr.  104. 
Thatbestand,  Feststellung  in  kantonalen  Urteilen,  Nr.  48. 
Thatfrage  oder  Rechtsfrage,  Nr.  59  ;  bei  Spieleinrede,  Nr.  38. 
Tiere,  Haftpflicht  für  Schaden,  Nr.  33. 
Typenmuster,  Kauf  nach  T.,  Nr.  24. 

Uebergang  der  Forderungen,  Nr.  34. 

Uebertragnng,  s.  Abtretung. 

Unfall  oder  Krankheit?  Nr.  10. 

Unfallversicherung,  ausschliessendes  Gebrechen,  Nr.  46;  Beweislast 

für  Zufall,  Nr.  73. 
Unsittlicher  Vertrag,  Nr.  30,  86. 
Unterakkordanten,  Haftpflicht  für  Unfall,  Nr.  78. 

Verantwortlichkeit,  der  Verwaltung  und  der  Gründer  einer  Aktien- 
gesellschaft, Nr.  68. 

Vergleich,  unter  eidg.  R.  stehend,  Nr.  20. 

Verjährung,  der  Forderung  oder  des  Klagrechts?  Nr.  109;  ört- 
liches Recht  dafür,  Nr.  5  ;  von  Delikt*  an  sprach  en,  Nr.  52,  53  ; 
von  Unfallentschädigungsansprüchen,  Nr.  77;  Unterbrechung, 
Nr.  110;  Klagemöglichkeit  vor  schweizerischen  Gerichten, 
Nr.  52. 

Verlustschein  aus  Konkurs,  Betreibung  darauf,  Nr.  84. 

Vermögen,  neues,  Begriff  im  Sinne  von  Art.  265  B.-G.  über  Seh. 
u.  K„  Nr.  84. 

Verpfandung  von  Sparkassaforderungen,  Beurkundung,  Nr.  63. 


163 

Verrechnung,  Fälligkeit  der  Forderung,  Nr.  62  ;  mit  grund versicher- 
ten Forderungen,  Nr.  62. 

Versäumnis  von  Fristen  im  Expropriationsverfahren,  Nr.  99. 

Versicherung  gegen  Unfall,  Beweislast  für  Zufall,  Nr.  73. 

Versicherungsagenten,  Umfang  ihrer  Vollmacht,  Nr.  72. 

Versicherungsvertrag,  Verhältnis  von  eidg.  und  kant.  R.,  Auslegung 
der  Bedingungen,  Nr.  45;  gegen  Unfall,  Nr.  46;  Anfechtung 
wegen  Irrtums,  Bereicherungsanspruch  des  Versicherten,  Nr.  71  ; 
in  ter  absentes  wann  abgeschlossen  ?  Nr.  87. 

Versorger/  Begriff,  Nr.  33. 

Vertrag  zu  Gunsten  Dritter,  von  letzteren  nicht  anfechtbar,  Nr.  97; 
wann  für  sie  wirksam?  Nr.  97. 

Verwaltung,  ehemännliche,  Begriff,  Nr.  27. 

Verwaltungsräte,  Verantwortlichkeit,  Nr  41. 

Verzinsung,  der  Kommanditsumme,  Nr.  55. 

Verzug,  des  Bestellers  eines  Werkes  in  Zahlung  des  Werklohnes, 
Wirkungen,  Nr.  89. 

Vindikation,  gegen  den  blossen  Detentor,  Nr.  91  ;  auf  Grund  Eigen- 
tumsvorbehaltes, Nr.  81  ;  von  Weihergnt  im  Konkurse,  Nr.  27. 

Vollmacht,  der  Versicherungsagenten,  Nr.  72. 

Vorbehalt,  bei  Anweisung,  Wirkung,  Nr.  96. 

Wahrscheinlichkeitsbeweis,  bei  Selbstmord,  Nr.  73. 

Wechsel,  mit  Pfandklausel,  Nr.  42. 

Wechselbürgschaft,    Requisite,   Nr.  1 1 2  ;    aufgehoben    durch  spätere 

Veränderung  des  Remittenten,  Nr.  43. 
Weibergut,  Pfändungsanschlnss,  Nr.  113;  Vindikation  im  Konkurse, 

Nr.  27,  51. 
Werk,  im  Sinne  des  Art.  67  0.  R.,  Nr.  60. 
Werkvertrag,  Garantie-  und  Riigefrist,  Nr.  8  ;  Rücktritt  des  Ueber- 

nehmers  des  Werkes,  Gründe,  Nr.  89. 
Widerrechtliche  Verpflichtung,  Nr.  86. 
Widerruf,  bei  Vertrag  inter  absentes,  wann  gültig?  Nr.  87. 

Zahlung  im  Rechtssinne,  nicht  Einzahlung  in  einen  laufenden  Konto- 
korrent, Nr.  79. 
Zinsen,  der  Kommanditsumme,  Nr.  55. 
Zwangsvollstreckung,  auf  Pflichtteilsanspruch,  Nr.  13. 


iti 


IL  Gesetzesregister. 


I.  Bundesgesetz  iïbei'  dus 


Art. 


5 
6,  7 

10 

12 

16 

17 

18 

19 

24 

35 

50 

52 

56,  59 

61 

65 

67 

69 

70 

72 

76 
104 
116 
122 
124 
127 
128 
130 
140 
141 
142 
153 
158 

159,  160 
163,  167 
183 
184 
189 


Nr.  80.  87. 
„  87. 
n   88.  97. 
•   97. 
„     4. 
„   30.86. 
,   71. 
,   20. 
„   59. 
,   21. 

„   22.94.103.107. 
«   33. 

31. 

32.  108. 

33. 

60. 

52.  53. 

63. 

109. 

71. 

88. 

9.80. 

89.  104. 

89. 

61. 

97. 


64. 

88. 

25. 

5.52. 

110. 

109. 

90. 

6.  7.  34.  62.  63. 

6. 

62. 


Obligationenrecht. 

Art.  190    Nr. 

„  202,  206  „ 

n  215,  224  „ 

•  231 
,  264 

•  313 

•  338 
,  341 
.  346 

,  357 

.  370 

.  392 

,  400 

„  406 

.  407 

,  409 

•  412 
,  -449,457, 
.  482 
„  489 

•  491 
«  508 
.  512 

•  518 
.  524 
»  531 

■  542 
.  552 
»  557 
,  682, 583 
,  590 
»  605 

■  612 

n  619 

»  627 

»  633 


42. 

91. 
63. 
61. 

81.  104. 
22. 

35.  92.  94. 
36. 

36.  59.  82.  92. 
93. 

8. 

89. 

37. 

95. 

6. 

90. 

6.96. 

6. 

35. 

91. 

25.  64. 
25. 
54. 
38. 
97. 
66. 
65. 
62. 

39.  102. 

39. 

98. 

39.  65. 

55. 

67. 

68. 

40. 

26.  67. 


165 


Art. 

637 

Nr.  7. 

» 

654 

„  68. 

i» 

666 

„  98. 

D 

669 

„  69. 

y> 

671, 

673 

,  68. 

» 

674, 

675 

,  41. 

u 

676 

,  98. 

» 

678 

„  40.  66. 

T> 

717 

»  66. 

» 

727 

,  42. 

n 

803 

„  43. 

Art. 

808 

Nr.  112. 

V 

811 

„  42. 

7) 

830 

■  9. 

V 

867, 

868  „  44. 

1) 

873, 

876  „  44.  70. 

7) 

881 

,  SO. 

n 

882 

,  88. 

V 

896 

„  45.46.71-73 
87. 

V 

898 

„  69. 

IL  Bundesgesetz  betreffend  Feststellung  und  Beurkundung  des 
Civästandes  und  die  Ehe,  vom  24.  Dezember  1874. 


Art.  26,  28  Ziffer  3   Nr.  74. 
.     35  „     75. 

■     40  „    83. 


Art.  45  ff. 
„     46,  47 


Nr.  100. 
.    56. 


III.  Bundesgesetz  betreffend  die   civilrechtlichen    Verhältnisse 
der  Niedergelassenen  und  Aufenthalter,  vom  25.  Juni  1891. 

Art.  22,  27     Nr.  18. 

IV.  Bundesgesetz  über  die  Verbindlichkeit  zu  Abtretung   von 
Privatrechten,  vom  1.  Mai  1850. 

Art,  12,   14     Nr.  99. 

V.  Bundesgesetz    betreffend    den    Schutz    der  Fabrik-   und 

Handelsmarken,  vom  26.  September  1890. 

Art.  1,6,  11,  32  Nr.  16.            I          Art.  24  Nr.  107. 

,    6                    „    17.106.   I            „    32  „    17. 

VI.  Bundesgesetz  betreffend  die  Erfindungspatente,  vom  29.  Jnni 
1888,  revidiert  den  13.  März  1893. 

Art.  1,  2,  10     Nr.  12.    |  Art.  30     Nr.  58. 

VII.  Bundesgesetz   über  Bau   und   Betrieb   der  Eisenbahnen, 
vom  23.  Dezember  1872. 

Art.  33     Nr.  47. 
Vili.  Bundesgesetz  betreffend  den  Transport  auf  Eisenbahnen, 
vom  29.  März  1893. 

Art.  3,  14,  62,  63     Nr.  19. 
IX.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahnen 
und  Dampf schiffunternehmungen  bei  Tötungen  und  Ver- 
letzungen, vom  1.  Juli  1875. 


Art.  2  Nr.  10.  48.  101. 
4  77 


I 


Art.  11    Nr.  48. 


166 


X.  Transportreglement  für  die  schweizerischen  Eisenbahnen, 
vom  11.  Dezember  1893. 

§  28,  33,  III.  Nachtrag  Nr.  19. 
XL  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb, 


vom  25.  Juni  1881. 

Art.  Iff.  Nr.  102.  103. 
,2    „49. 
„  5    „   78.102. 

Art.  6 

.  12 

Nr.  11.  102 

,  77- 

XII.  Bundesgesetz  betreffend  die  Ausdehnung  der  Haftpflicht 
u.  s.  w.,  vom  26.  April  1887. 
Nr.  10.   103.     Art.  2  Nr.  78.    Art.  3,  4  Nr.  49. 

XIII  Bundesgesetz   betreffend   die    Organisation    der  Bundes- 
rechtspflege, vom  22.  März  1893. 


Art.  50  Nr.  47. 

Art.  65 

Nr.  3.  85. 

,  56  ,  15.28. 

,  67 

.  2. 

„  58  „  1.3.50.57.75 

.   81 

„  38.  48.  59 

,  59  .  13. 

»   89 

,  3.  15. 

»  62  „  58. 

.   90 

,  8. 

»  63  ,  85. 

,  222 

»  29. 

XIV.  Bundesgesetz  über  das  Verfahren  bei  dem  Bundesgerichte 
in  bürgerlichen  Rechtsstreitigkeiten,  vom  22.  November  1850. 
Art.  63,  69     Nr.  99. 

XV.  Bundesgesetz    betreffend  Schuldbetreibung  und  Konkurs 
vom  11.  April  1889. 

Art.  138,  140  Nr.  14. 


rt.17 

Nr.  14. 

■  38,  47, 

„  67,69,70 

*  21. 

»  85 

.  50. 

„  88,  89 

„  13. 

,  106 

■  14. 

,  107 

,  14.110 

,   109 

.  14- 

.  m 

„  113. 

„  131, 132 

,  13. 

211,  212 

» 

104. 

219 

* 

27.  51. 

265 

» 

57.  84. 

285 

n 

7.  13. 

287,  288 

» 

79.  105 

290 

ìì 

79. 

315 

n 

15, 

328 

n 

13. 

XVI.  Staatsvertrag  zwischen  der  Schweiz  und  Frankreich  be- 
treffend Gerichtsstand,  vom  15.  Juni  1869, 
Art.  15     Nr.  114. 


167 


III.  Register  nach  Kantonen  geordnet. 


Zürich.  Nr.  23a  (Art.  264  0.  R.).  —  Nr.  27  (Art.  219  B.-G. 
betr.  Seh.  u.  K.).  —  Nr.  52  (Art.  69,  153  0.  R.).  —  Nr-  5^ 
(Art.  69  0.  R.).  —  Nr.  81  (Art.  264  0.  R.).  —  Nr.  109 
(Art.  72,   159,160  0.  R.). 

Bern.  Nr.  23b  (Art.  264  0.  R.).  —  Nr.  83  (Art.  40  B.-G.  betr. 
Civilst.  u.  Ehe).  —  Nr.  112  (Art.  808,  827  0.  R.). 

Luzern.  Nr.  80  (Art.  5,  116  CR.).  —  Nr.  110  (Art.  158  O.R., 
Art.  107  B.-G.  betr.  Seh.  n.  K.). 

Basel-Stadt  Nr.  26  (Art.  633  0.  R.).  -  Nr.  55  (Art.  605  O.R.). 
Nr.  84  (Art.  265  B.-G.  betr.  Seh.  u.  K.). 

Basel-Landschaft     Nr.  113    (Art.  Ili  B.-G.  betr.  Seh.  u.  K.). 

St  Gallen.     Nr.  56  (B.-G.  betr.  Civilst.  u.  Ehe  Art.  46,  47). 

Aargau.     Nr.  24  (Kauf  nach  Typenmnster). 

Vaud.    Nr.  20  (Art.  19,  881  C.  0.).  —  Nr.  111  (Art.  190  C.  0.). 

Neuchfitel.  Nr.  21b  (Art.  35  C.  0.).  -  Nr.  114  (Art.  15  Traité 
tran  co-  suis  se  de  1869). 

Genève.  Nr.  21a(Art.  35  CO.).  —  Nr.  25  (Art.  142,  489, 
491  C.  0.).  —  Nr.  54  (Art.  508  C.  0.).  —  Nr.  82  (Art.  346 
C.  0.).   —  Nr.  108  (Art.  61   C.  0.). 


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Bévue 

der 

Gerichtspraxis  im  Gebiete 

des 

Bund  esci  vil  rechts 

XVIII.  Band 


Revue 

de  la 

Jurisprudence  en  matière 

de 

droit  civil  fédéral 

XVIII«   Volume 


Beilage  zur  Zeitschrift  für  Schweizerisches  Recht,  Neue  Folge  Band  XIX. 


Basel 

R.  Reich,  vormals  C.  Detloffs  Buchhandlung 

1900. 


MAR  R 


!Q1(! 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


1 .  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  95.  Bundesgesetz  über  das  Verfahren 
bei  dem  Bundesgerichte  in  bürgerlichen  Rechtsstreitigkeiten  vom 
22.  November  1850,  Ari.  192  ff. 

Wenn  das  Bundesgericht  als  Berufungsinstanz  in  der 
Sache  selbst  entschieden  hat,  so  ist  ein  Revisionsbegehren 
nur  noch  gegen  das  bundesgerichtliche  Urteil,  nicht 
mehr  gegen  die  demselben  vorhergegangene  kantonale  Ent- 
scheidung zulässig,  und  es  sind  für  das  Revisionsbegehren  in 
.allen  Beziehungen  (sowohl  hinsichtlich  der  Revisions  grün  de 
als  auch  hinsichtlich  der  Form  und  Fristen  des  Rechts- 
mittels) ausschliesslich  die  Bestimmungen  der  eidgenössischen 
Oivilprozessordnung  und  nicht  diejenigen  des  kantonalen  Civil  - 
Prozessrechts  massgebend.  Wenn  behauptet  wird,  es  sei  auf 
die  dem  bundesgerichtlichen  Urteile  zu  Grunde  liegende  kan- 
tonale Entscheidung  verbrecherisch  eingewirkt  worden, 
so  kann  dies,  nach  Massgabe  der  Vorschriften  der  eidge- 
nössischen Civilprozessordnung,  als  Revisionsgrund  gegen  das 
bundesgerichtliche  Urteil  geltend  gemacht  werden,  da  in  einer 
derartigen  Einwirkung  auf  die  kantonale  Entscheidung  mit- 
telbar auch  eine  solche  auf  diejenige  des  Bundesgerichtes  liegt, 
da  diese  ja  auf  den  thatsächlichen  Feststellungen  des  kantonalen 
Urteils  beruht.  (Entsch.  v.  15.  Juli  1899  i.  S.  Schweitzer  c. 
Härtsch.)  

2.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art.  57,  74  Abs.  3,  81.  0.  R.  Art. 
110 — 1129  426,  715.  Voraussetzungen,  unter  welchen  das  Bundes- 
-gericht  die  thatsächlichen  Feststellungen  kantonaler  Entscheidungen 
auf  ihre  Aktenwidrigkeit  hin  zu  prüfen  hat.  —  Verantwortlich- 
Jceitsklage  gegen  Mitglieder  der  Direktion  einer  Genossenschaft; 
Beweislast.    Umfang  der  Handlungsvollmacht. 

1.  Die  Mitglieder  der  Direktion  einer  Genossenschaft 
«tehen  zu  dieser  in  einem  Vertragsverhältnisse,  das  als  Man- 


dat  oder  als  Dienstvertrag  aufgefasst  werden  kann,  richtiger 
aber  wohl  in  die  letztere  Kategorie  gehört.  Eine  gegen  sie 
von  der  Gesellschaft  wegen  mangelhafter  Pflichterfüllung  ge- 
richtete Schadenersatzklage  ist  daher  eine  solche  aus  Vertrag, 
und  das  hat  bezüglich  der  Beweislaat  gemäss  Art.  110 — 112, 
715  0.  R.  zur  Folge,  dass  nicht  die  klagende  Genossenschaft 
das  Verschulden  des  beklagten  Vorstandsmitgliedes,  sondern 
dieses  sein  Ni  cht  verschul  den  bezw.  die  Erfüllung  seiner  Pflichten 
oder  die  Unmöglichkeit  der  Erfüllung  zu  beweisen  hat;  die 
Klägerin  hat  ihrer  Beweispflicht  genügt  mit  dem  Nachweise,, 
dass  ihr  ein  Schaden  entstanden  sei  und  zwischen  demselben 
und  den  Pflichten  des  belangten  Vorstandsmitgliedes  ein 
Kausalzusammenhang  bestehe,  d.  h.  dass  nach  der  Art  des 
dargethanen  Ereignisses,  durch  welches  der  Schaden  bewirkt 
worden  ist,  die  Annahme  an  sich  begründet  sei,  er  habe  durch 
Erfüllung  der  Obliegenheiten  der  Gesellschaftsorgane  verhütet 
werden  können,  die  Verhütung  sei  also  in  den  Kreis  ihrer 
Obliegenheiten  gefallen. 

2.  Für  den  Umfang  der  Handlungsvollmacht  ist  diejenige 
Willensmeinung  des  Prinzipals  massgebend,  die  aus  seinem 
äussern  Verhalten  zu  erkennen  ist,  d.  h.  es  kommt  darauf 
an,  wie  die  Bevollmächtigung  in  die  Erscheinung  tritt. 

3.  Kantonalen  Urteilen  in  Bezug  auf  den  Entscheid  von 
Thatfragen  nachzugehen,  ist  für  das  Bundesgericht  nur  inso- 
weit Veranlassung  vorhanden,  als  von  einer  Partei  ausdrück- 
lich Aktenwidrigkeit  geltend  gemacht  und  unter  Bezeichnung 
der  Aktenstücke  oder  Aktenstellen,  aus  denen  sie  hervorgehen 
soll,  begründet  worden  ist.  Allerdings  ist  die  Begründung  der 
Berufungsanträge  für  den  Erfolg  des  Rechtsmittels  insoweit 
nicht  erforderlich,  als  es  sich  um  die  Frage  handelt,  ob  eine 
Norm  des  eidgen.  Rechts  nicht  oder  nicht  richtig  angewendet 
worden  sei;  vielmehr  wird  der  Rechtsstreit  durch  die  einfache 
Ergreifung  der  Berufung  innerhalb  des  Rahmens  der  gestellten 
Abänderungsanträge  zur  freien  rechtlichen  Nachprüfung  des 
Bundesgerichts  gebracht,  derart,  dass  dasselbe  jede  in  dem 
kantonalen  Urteil  wirklich  vorliegende  Verletzung  des  eidg. 
Rechts,  auch  wenn  sie  vom  Berufungskläger  nicht  einmal 
geltend  gemacht  worden  ist,  berücksichtigen  muss.  Dies  er- 
giebt  sich  aus  Art.  57,  Art.  74  Abs.  3  und  Art.  81  Org.-Ges. 
Dagegen  folgt  aus  der  Bestimmung  des  Art.  81  eod.,  wonach 
das  Bundesgericht  an  die  thatsächlichen  Feststellungen  des 
vorinstanzlichen  Urteils  gebunden  sein  soll,  sofern  nicht  Akten- 
widrigkeit oder  Verletzung  eidgenössischer  Beweisvorschriften 
vorliegen,    dass  die  Thatfrage   beim  Bundesgericht  nur  dann 


^u  verhandeln  und  zu  entscheiden  ist,  wenn  diese  Voraus- 
setzungen erfüllt  sind.  Es  kann  unmöglich  die  Meinung  des 
Gesetzes  sein,  dass  das  Bundesgericht  jede  thatsächliche  Fest- 
stellung von  Amtswegen,  also  ohne  dass  eine  Partei  dieselbe 
anficht,  auf  ihre  Akten  Widrigkeit  nachzuprüfen  habe.  Nur 
bei  dieser  Auslegung  des  Org.-Gesetzes  wird  auch  die  Rechts- 
stellung des  Berufungsbeklagten  gehörig  gewahrt,  der  ein 
rechtliches  Interesse  daran  hat,  über  die  behauptete  Akten- 
widrigkeit thatsächlicher  Feststellungen  gehört  zu  werden. 
(Entsch.  v.  15.  Juli  1899  i.  S.  Schweizerische  Handelsgesell- 
schaft c.  Stauffer.)  

3.  0.  R.  Art.  17,  75,  181.  Der  Ehemaklervertrag  ist,  wenn 
nicht  überhaupt,  so  doch  jedenfalls  dann  ein  unsittliches  Rechts- 
geschäft, wenn  dadurch  der  Eheabschluss  zum  Gegenstände  der 
4}eldspekulation  gemacht  wird. 

Der  im  römischen  und  gemeinen  Recht  anerkannte  Grund- 
satz, dass  Verträge,  die  gegen  die  Sittlichkeit  Verstössen, 
ungültig  sind  (vergi.  Windscheid  Pand.II,  §314  undRegels- 
b erger,  Pand.  §  147),  gilt  auch  für  das  schweizerische  Obli- 
gationenrecht. Er  gelangt  in  verschiedenen  Bestimmungen 
des  Bundesgesetzes  zum  Ausdruck,  so  z.  ß.  in  Art.  17,  wel- 
cher rücksichtlich  des  Gegenstandes  der  Verträge  bestimmt, 
dass  dieser  nicht  in  einer  unsittlichen  Leistung  bestehen 
könne,  in  Art.  75,  welcher  voraussetzt,  dass  das  auf  Herbei- 
führung eines  unsittlichen  Erfolges  gerichtete  Rechtsgeschäft 
keine  Verbindlichkeit  erzeuge,  und  in  Art:  181,  wo  einer 
Konventionalstrafe,  durch  die  ein  unsittliches  Versprechen 
-bekräftigt  werden  sollte,  die  Klagbarkeit  versagt  ist.  Als 
gegen  die  Sittlichkeit  Verstössen d  muss  ein  Geschäft  nicht 
bloss  dann  angesehen  werden,  wenn  es  zu  einer  unsittlichen 
Handlung  verpflichtet,  sondern  auch  dann,  wenn  der  Abschluss 
desselben  eine  verwerfliche,  den  guten  Sitten  widerstreitende 
Gesinnung  zum  Ausdruck  bringt.  Ob  nun  grundsätzlich  jeder 
Ehemaklervertrag,  weil  mit  dem  Wesen  und  der  Würde  der 
Ehe  im  Widerspruch  stehend,  als  ein  unsittliches  Rechts- 
geschäft zu  bezeichnen  sei,  kann  bei  der  Entscheidung  des 
Tor  liegenden  Falles  dahingestellt  bleiben.  In  der  gemein- 
rechtlichen Rechtsprechung,  wie  auch  in  derjenigen  der 
schweizerischen  Gerichte,  ist  der  Grundsatz,  dass  Ehemakler- 
verträge schlechthin  klaglos  sein  sollen,  nicht  durchgedrungen, 
wohl  aber  in  der  französischen  und  euglisohen  Jurisprudenz-, 
auch  ist  er  in  der  Doktrin  nachdrücklich  vertreten  worden 
{vergi.  Kohl  er,  im  Archiv  für  bürgerl.  Recht,  Bd  5,  S.   168, 


Bd  12,  S.  317  ff.;  Seuffert,  Archiv,Bd  13,  Nr.  14;  14,  Nr.  124; 
33,  Nr.  125;  48,  Nr.  23  und  Revue  der  Gerichtspraxis  im  Ge- 
biete des  ßundescivilrechts,  Bd  2,  Nr.  87;  4,  Nr.  119;  7,  Nr.  41), 
und  hat  nunmehr  bekanntlich  im  deutschen  bürgerlichen  Ge- 
setzbuch §  656  die  gesetzliche  Sanktion  erlangt.  Wenn  man 
aber  auch  davon  ausgehen  will,  dass  in  dem  Versprechen 
eines  Lohnes  für  Dienste,  die  Einer  dem  Andern  zum  Zwecke 
der  Herbeiführung  einer  Ehe  leistet,  für  sioh  allein  noch  keine 
unsittliche  Handlung  liege,  und  annimmt,  dass  sich  das  Ver- 
sprechen einer  Vergütung  für  solche  Mithilfe  unter  Umständen 
mit  einer  anständigen  Auffassung  der  Ehe  vereinbaren  lasse,, 
so  kann  doch  darüber  ein  Zweifel  nicht  bestehen,  dass  der 
Ehemaklervertrag  dann  als  ein  unsittliches  Geschäft  erscheint, 
wenn  dadurch  der  Eheabschluss  zum  Gegenstand  d.er  Geld- 
spekulation gemacht  wird;  und  h ietur  bietet  gerade  der  vor- 
liegende Fall  ein  eklatantes  Beispiel.  Der  Kläger  und  sei» 
Mitbeteiligter  begnügten  sich  nicht  etwa  mit  einer  Vergütung, 
die  dem  Umfang  ihrer  Bemühungen  angemessen  gewesen 
wäre;  ihr  Lohn  war  von  vorneherein  von  der  Erzielung  eines 
Heiratsgutes  in  einem  bestimmten  Betrage  abhängig  gemacht, 
und  zwar  in  der  Weise,  dass  ihnen  zufallen  sollte,  was  der 
Beklagte  über  20,000  Fr.  hinaus  erheiraten  würde.  Die  Par- 
teien betrachteten  somit  die  projektierte  Heirat  des  Beklagten 
mit  der  M.  Z.  als  ein  reines  Geldgeschäft,  bei  welchem  beide 
Teile,  die  Vermittler  einerseits  und  der  Beklagte  andrerseits- 
sich  zum  Voraus  ihren  Gewinnanteil  ausbedangen.  In  gleicher 
Weise  wurde  die  Angelegenheit  auch  gegenüber  dem  Bruder 
der  M.  Z.  behandelt,  dessen  Parteinahme  der  Beklagte  gleich- 
falls dadurch  zu  gewinnen  hatte,  dass  er  ihm  einen  Teil  dea 
Frauengutes  preisgab.  Eine  derartige  Behandlung  einer  Ehe- 
vermittlung verrät  eine  empörende  Missachtuhg  des  idealen 
Wesens  der  Ehe,  als  eines  im  eminentesten  Sinne  auf  sitt- 
licher Grundlage  beruhenden  Lebensverhältnisses;  sie  bedeutet 
eine  Unsittlichkeit  und  kann  daher  vor  dem  Recht  nicht  be- 
stehen. (Ent8ch.  v.  10.  November  1899  i.  8.  Schüpbach  c.  Bur- 
ger-Zingg.)  

4.  0.  R.  Art.  18,  19  Ziffer  1,  21,  24,  489  ff.  Wesentlicher 
Irrtum  oder  Irrtum  im  Motive  (beim  Bürgschaftsvertrage)?  Ein- 
rede des  Betrugs,  Voraussetzungen. 

Witwe  E.  P.  hatte  dem  R.  W.  laut  Darlehensvertrag  vom 
25.  April  1892  ein  Darlehen  von  Fr.  10,000  verzinslich  zu 
5%  gewährt,  wobei  bestimmt  war,  dass  Witwe  E.  P.  „da& 
Kapital  vorläufig  auf  die  Dauer  von  fünf  Jahren  im  Geschäfte 


des  R.  W.  lasse."  Als  Bürgen  verpflichteten  sich  (durch  Mit- 
unterzeichnung des  Darlehns Vertrages)  der  Bruder  JE.  W.,  der 
Vater  Oh.  W.  und  der  Schwiegervater  E.  L.  des  Hauptschuld- 
ners.  Am  Tage  der  Unterzeichnung  des  Darlehnsvertrages 
stellte  der  Hauptschuldner  der  Gläubigerin  überdem  eine 
Erklärung  aus,  wodurch  er  ihr  bestätigte,  dass  er  ihr  ausser 
dem  Zins  von  5%  für  ihre  „Kapitaleinlage"  von  Fr.  10,000 
noch  von  seinem  Geschäfts  Umsätze  (Fakturenbetrag)  V8% 
vergüte  und  zwar  so  lange  als  ihr  Kapital  in  seinein  Ge- 
schäfte sei.  Der  Hauptschuldner  fiel  im  Jahre  1894  in  Kon- 
kurs und  in  demselben  geriet  die  Forderung  zum  grössten 
Teile  in  Verlust. 

Als  daraufhin  der  Bürge  Ch.  W.  aus  seiner  Bürgschaft 
belangt  wurde,  bestritt  er  die  Forderung,  indem  er  geltend 
machte,  der  Bürgscbaf tsvertrag  sei  für  ihn  wegen  wesentlichen 
Irrtums  und  Betrugs  unverbindlich.  Diese  Einwendungen 
wurden  von  allen  Instanzen  verworfen.  Aus  den  Entscheidungs- 
gründen des  Bundesgerichts  ist  hervorzuheben: 

In  erster  Linie  hat  der  Beklagte  der  Klage  die  Einrede 
des  wesentlichen  Irrtums  entgegengehalten,  und  zwar  will  er, 
wie  es  scheint,  einen  Irrtum  im  iSinne  des  Art.  19  Abs.  1 
0.  R.,  einen  Irrtum  in  negotio  behaupten.  Er  behauptet,  der 
Hauptvertrag,  dem  er  als  Bürge  akzessorisch  beigetreten  sei, 
sei  ein  anderer  Vertrag  gewesen,  als  derjenige,  für  den  er 
sich  habe  verbürgen  wollen.  Nun  wird  zuzugeben  sein,  dass 
der  Bürge,  welcher  sich  für  eine  konkrete,  dem  Schuldgrunde 
nach  bestimmte  Schuld  verbürgt,  sich  auf  wesentlichen  Irr- 
tum berufen  kann,  wenn  sich  nachträglich  herausstellt,  dass 
die  causa  der  verbürgten  Schuld  eine  ganz  andere  ist,  als 
der  Bürge  nach  den  ihm  gemachten  Angaben  glaubte;  z.  B. 
wird,  wenigstens  regelmässig,  der  Bürge,  welcher  nach  dem 
Inhalte  des  Bürgscheins  glaubte,  sich  für  eine  Kaufpreisschuld 
zu  verbürgen,  seine  Verpflichtung  wegen  wesentlichen  Irrtums 
bestreiten  können,  wenn  sich  ergiebt,  dass  die  Schuld  gar 
nicht  aus  Kauf,  sondern  aus  Darlehen  herrührt  u.  dergl.  Denn 
in  derartigen  Fällen  ist  allerdings,  weil  der  Hauptvertrag  ein 
anderer  ist,  als  derjenige,  dem  der  Bürge  bei  Eingehung  der 
Bürgschaft  beitreten  will,  auch  der  akzessorische  Bürgschafts- 
vertrag ein  anderer,  als  derjenige,  den  der  Bürge  abschliessen 
wollte  (vergi.  Urteil  des  Appellations-  und  Kassationshofs  des 
Kantons  Bern  vom  11.  Dezember  1886,  Zeitschr.  des  bernisch. 
Juristenvereins,  Bd  XXIII,  S.  241  ff.).  Ein  Fall  dieser  Art 
liegt  nun  aber  in  concreto  nicht  vor.  Der  Beklagte  behauptet 
zwar,  er  habe  sich  für  eine  reine  Darlehensschuld  verbürgen 


wollen,  während  sich  nun  aus  dem  ihm  bei  Eingehung  der 
Bürgschaft  unbekannten  Nebenvertrag  zwischen  Gläubigerin 
und  Hauptsohuldner  ergebe,  dass  das  Schuldverhältnis  zwischen 
Gläubigerin  und  Hauptschuldner  gar  nicht  ein  Darlehens-,  son- 
dern vielmehr  ein  Kommanditgesellschaftsverhältnis  gewesen 
sei.  Allein  dies  ist  nicht  richtig.  Davon,  dass  wegen  des  Neben- 
vertrages zwischen  der  Klägerin  und  dem  Hauptschuldner  ein 
Gesellschafts-  und  nicht  ein  Darlehensverhältnis  bestanden 
habe,  kann  gar  keine  Rede  sein.  Die  Klägerin  wurde  am 
Geschäfte  des  Hauptsohuldners  in  keiner  Weise  gesellschaft- 
lich beteiligt;  sie  war  weder  am  Verluste,  noch  auch  nur  (wie 
die  Vorinstanz  unrichtig  annimmt)  am  Gewinne  beteiligt. 
Denn  die  vom  Hauptschuldner  versprochene  Abgabe  von  '/*  /o 
des  Geschäftsumsatzes  stellt,  da  sie  vom  Umsätze  schlechthin, 
ohne  Rücksicht  darauf,  ob  das  Geschäft  mit  Gewinn  oder 
Verlust  arbeitet,  geschuldet  wird,  keine  Gewinnbeteiligung 
dar;  sie  ist  vielmehr  einfach  eine  für  das  dem  Hauptschuldner 
gegebene  Darlehen  neben  dem  festen  Zins  versprochene  ver- 
änderliche, nach  dem  Geschäftsumsatze  sich  richtende  Mehr- 
leistung. Das  Nebenabkommen  zwischen  Klägerin  und  Haupt- 
schuldner ist  also  in  keiner  Weise  geeignet,  zu  beweisen,  dass 
zwischen  Hauptschuldner  und  Gläubigerin  nicht  ein  Darlehens-, 
sondern  ein  Gesellschafts  vertrag  bestanden  habe. 

Die  Behauptung  des  Beklagten,  dass  er  sich  für  einen 
andern  Vertrag  verbürgt  habe,  als  er  sich  habe  verbürgen 
wollen,  ist  also  unbegründet,  und  ein  wesentlicher  Irrtum 
im  Sinne  des  Art.  19  Ziff.  1  0.  R.  liegt  nicht  vor.  Der  Sach- 
verhalt ist  vielmehr  in  That  und  Wahrheit  folgender:  Der 
Bürge  hat  sich  für  ein  verzinsliches  Darlehen  verbürgen  wol- 
len und  auch  thatsächlich,  innerhalb  der  von  ihm  gewollten 
Schranken,  verbürgt.  Willen  und  Erklärung  decken  sich  also 
vollständig.  Dagegen  macht  nun  der  Bürge  geltend,  die  Haupt- 
schuld sei  infolge  des  zwischen  Gläubigerin  und  Hauptschuldner 
getroffenen  Nebenabkommens  grösser,  für  den  Hauptschuldner 
lästiger  gewesen,  als  er  bei  Eingehung  der  Bürgschaft  an- 
genommen habe,  mit  andern  Worten,  er  macht  geltend,  ne- 
ben dem  verbürgten  Teile  der  Hauptschuld  habe  noch  ein 
weiterer  ihm  unbekannter  unverbürgter  Teil  derselben,  noch 
eine  weitere  ihm  unbekannte  Verpflichtung  des  Hauptschuld- 
ners bestanden,  und  da  er,  wenn  er  von  dieser  weitern  Ver- 
pflichtung Kenntnis  gehabt  hätte,  die  Bürgschaft  überhaupt 
nicht  eingegangen  wäre,  sei  diese  für  ihn  unverbindlich.  Der 
Irrtum,  auf  welchen  der  Bürge  sich  bei  dieser  Einrede  beruft, 
sein  Nichtwissen  um  die  unverbürgte  vom  Hauptsohuldner  mit 


Bezug  auf  das  verbürgte  Darlehen  durch  den  Nebenvertrag 
übernommene  weitere  Verpflichtung,  ist  kein  wesentlicher, 
sondern  ein  blosser  Irrtum  im  Beweggrunde  ;  er  bezieht  sich 
nicht  auf  den  Inhalt  oder  Umfang  der  Rechte  und  Pflichten 
aus  dem  Bürgschaftsvertrage,  sondern  auf  einen  ausserhalb 
dieses  Vertrages  liegenden  Umstand,  das  Bestehen  einer, 
durch  den  Bürgschaftsvertrag  nicht  betroffenen,  wenn  auch 
auf  das  gleiche  Geschäft  wie  dieser,  bezüglichen  vermögens- 
rechtlichen Verpflichtung  des  Hauptschuldners.  Gemäss  Art.  21 
und  24  0.  K.  macht  derselbe  also  den  Bürgschaftsvertrag  nur 
dann  für  den  Bürgen  unverbindlich,  wenn  er  durch  betrüge- 
rische, vom  Gläubiger  zu  vertretende  Handlungen  ist  herbei- 
geführt worden. 

Dies  wird  denn  auch  in  der  That  in  zweiter  Linie  vom 
Beklagten  geltend  gemacht.  Hierüber  ist  zu  bemerken:  Nach 
den  Entscheidungsgründen  des  obergerichtlichen  Urteils  ist 
wohl  (was  das  erstinstanzliche  Urteil  nicht  als  erwiesen  be- 
trachtet hatte)  als  feststehend  anzunehmen,  dass  der  belangte 
Bürge  von  dem  Nebenabkommen  zwischen  Hauptschuldner 
und  Gläubigerin  nicht  nur  von  letzterer,  sondern  auch  vom 
Hauptschuldner  nicht  war  unterrichtet  worden,  sondern  von 
demselben  überhaupt  keine  Kenntnis  hatte.  Rechtlich  nun 
aber  ist  festzuhalten,  dass  dem  Gläubiger  im  allgemeinen 
•eine  rechtliche  Pflicht,  den  Bürgen  beim  Vertragsschlusse  über 
die  ihm  bekannten  finanziellen  Verhältnisse  des  Hauptschuld- 
ners, und  zwar  über  dessen  Schulden  an  ihn  sowohl,  wie  an 
andere  Gläubiger,  zu  unterrichten,  durchaus  nicht  obliegt. 
Es  ist  vielmehr  Sache  des  Bürgen,  sich  hierüber  selbst  zu 
erkundigen,  wie  ja  auch  regelmässig  die  Eingehung  einer 
Bürgschaft  auf  einem  Vertrauensverhältnisse  zwischen  dem 
Bürgen  und  dem  Hauptschuldner  beruht.  Darin  also,  dass  der 
Gläubiger  dem  Bürgen  bei  Âbschluss  der  Bürgschaft  nicht 
von  sich  aus  mitteilt,  dass  der  Schuldner  neben  der  Schuld, 
für  welche  die  Bürgschaft  verlangt  wird,  noch  andere  Schul- 
den ihm  gegenüber  besitzt  oder  eingehen  wird,  liegt  eine 
rechtswidrige  Handlung  an  sich  durchaus  nicht.  Nur  dann 
liegt  eine  unerlaubte  Handlung,  ein  Betrug  des  Gläubigers 
allerdings  vor,  wenn  dieser  in  täuschender  Absicht  dahin 
wirkt,  oder  dazu  mitwirkt,  den  Bürgen  durch  Verheimlichung 
oder  Entstellung  erheblicher  Umstände  zur  Eingehung  der 
Bürgschaft,  die  er  ohne  diese  Täuschung  nicht  eingehen  würde, 
zu  verleiten.  Wenn  nun,  wie  im  vorliegenden  Falle,  vom 
Hauptschuldner  neben  der  in  der  Bürgschaftsurkunde  erwähnten 
und  verbürgten  Verpflichtung  gleichzeitig  und  mit  Rücksicht 


10 

auf  das  gleiche  Geschäft,  durch  eine  dem  Bürgen  nicht  mit- 
geteilte Nebenabrede,  noch  weitere  unverbürgte  Verpflich- 
tungen übernommen  werden,  so  liegt  der  Thatbestand  eines 
vom  Gläubiger  begangenen  Betruges  dann  vor,  wenn  dieser 
im  Bewusstsein,  dass  der  Bürge  bei  Kenntnis  des  wahren 
Sachverhalts  und  des  danach  dem  vom  Hauptschuldner  ab- 
geschlossenen Geschäfte  zukommenden  Charakters,  eine  Bürg- 
schaft überhaupt  nicht  eingehen  würde,  in  täuschender  Absicht, 
d.  h.  in  der  Absicht  gehandelt  hat,  in  dem  Bürgen  die  Mei- 
nung hervorzurufen,  die  diesem  einzig  vorgelegte  Urkunde 
fixiere  die  Verpflichtung  des  Hauptschuldners  in  ihrem  ganzen 
Umfange,  gebe  den  vollständigen  Sachverhalt  wieder.  In 
diesem  Falle  liegt  allerdings  ein  durch  Unterdrückung  wahrer 
Thatsachen  begangener  Betrug  vor.  Der  Beklagte  behauptet 
nun  auch  wirklich,  dieser  Thatbestand  sei  im  vorliegenden 
Falle  gegeben.  Allein  dies  trifft  nun  aber,  nach  den  that- 
sächlichen  Feststellungen  der  Vorinstanzen,  nicht  zu.  Denn 
diese  stellen  ausdrücklich  fest,  dass  die  Gläubigerin  bei  Ein- 
gehung des  Nebenvertrages  und  dessen  Nichtmitteilung  an 
die  Bürgen  eine  arglistige  täuschende  Absicht  nicht  gehegt 
habe,  dass  ihr  eine  absichtliche  Verheimlichung  nicht  zur  Last 
falle,  sie  sich  vielmehr  darauf  werde  verlassen  haben,  der 
Hauptschuldner,  welcher  den  Verkehr  mit  den  Bürgen  und 
die  Redaktion  der  Vertragsurkunde  besorgt  habe,  werde  den 
Bürgen  das  Erforderliche  mitteilen,  oder  es  sei  eine  Mittei- 
lung des  Separatabkommens  an  die  Bürgen  nicht  nötig,  weil 
dieses  für  sie  ohne  Bedeutung  sei.  (Entsch.  v.  1.  Juli  1899  in 
S.  Chr.  Wirz  c.  Witwe  E.  Panchaud.) 


5.  0.  R.  Art.  50  ff.  Darin,  dass  ein  Verein  seinen  Mitgliedern 
Kreditinformationen  erteM,  deren  säumige  Schuldner  seinerseits  zur 
Zahlung  mahnt  und  sie,  wenn  sie  der  Mahnung  nicht  Folge  leisten, 
den  sämtlichen  Vereinsmitgliedern  in  einer  zu  diesem  Zwecke  auf- 
gestellten Liste  als  säumige  Zahler  bekannt  giebt,  liegt  an  sichy 
sofern  die  betreffenden  Mitteilungen  der  Wahrheit  entsprechen 
und  in  unmissver ständlicher,  vollständiger  Weise  erfolgen,  nichU 
Rechtswidriges. 

Der  „Schweizerische  Verband  Kreditreform,"  eine  Genos- 
senschaft im  Sinne  des  27.  Titels  des  0.  R.,  bezweckt  nach  §  1 
seiner  Statuten:  „c)  Die  Mitglieder  der  Sektionen  durch  ver- 
trauliche Mitteilungen  und  Informationen  vor  geschäftlichen 
Verlusten  zu  schützen,  d)  Durch  den  Druck  der  Vereinigung, 
mittelst    des    Mahn  Verfahrens   zweifelhafte   Ausstände   einzu- 


II 

bringen,  e)  Durch  die  Herausgabe  von  Listen,  die  durch  das 
Mahnverfahren  ermittelten  saumseligen  oder  böswilligen,  so- 
wie die  rechtlich  fruchtlos  betriebenen  Schuldner  (mit  unge- 
deckten Pfandscheinen)  den  Mitgliedern  zur  Kenntnis  zu 
bringen."  Nach  §  8  der  Geschäftsordnung  des  Verbandes- 
werden Schuldner,  welche  eine  zweimalige  Mahnung  des 
Bureaus  unbeachtet  lassen  oder  die  Schuld  nicht  mit  Be- 
gründung bestreiten,  in  die  Liste  der  säumigen  Zahler  (Abt.  A) 
aufgenommen.  Nach  §  13  ibid.  können  auf  Antrag  eines  Mit- 
gliedes Schuldner,  über  deren  erfolglose  Betreibung  der  Aus- 
weis durch  Vorlage  der  ungedeckten  Pfand ungsurkunde  ge- 
leistet wird,  auf  die  Liste  der  zahlungsunfähigen  Schuldner 
(Abt.  B)  genommen  werden.  Die  Listen  sind  nur  zum  per- 
sönlichen Gebrauche  der  Vereinsmitglieder  bestimmt  und  dürfen^ 
Nichtmitgliedern  nicht  mitgeteilt  werden.  Der  Kläger  schul- 
dete nun  dem  Beklagten  St.  seit  1895  eine  Summe  von 
Fr.  163.30;  er  wurde  im  Jahre  1896  auf  Begehren  des  St. 
von  W.-Pf.  als  Sektionsgeschäftstührer  des  Verbandes  „Kredit- 
reform" zweimal  vergeblich  an  die  Zahlung  dieser  Schuld 
gemahnt,  worauf  er  in  der  auf  Ende  Dezember  1896  heraus- 
gegebenen sogen,  roten  Liste  sub  A  unter  den  „säumigen 
Zahlern  "  aufgeführt  wurde.  Im  Juni  1897  erhob  dann  der 
Gläubiger  St.  Betreibung  auf  Bezahlung  seiner  Forderung  und 
erhielt  im  Verlaufe  Bezahlung.  Der  Kläger  belangte  nun  die 
Beklagten  (St.  u.  W.-Pf.)  wegen  Kreditschädigung  und  ernst- 
licher Verletzung  seiner  persönlichen  Verhältnisse  solidarisch 
auf  eine  Entschädigung  von  Fr.  10,000. — .  Die  Klage  wurde 
vom  Bundesgerichte  im  reduzierten  Betrage  von  Fr.  200. —  gut- 
geheis8en.  In  den  Gründen  des  Urteils  wird  prinzipiell  ausge- 
führt: Es  musa  sich  fragen,  ob-  eine  Widerrech tlichkeit  zu 
finden  sei  in  dem  vom  Verbände  „Kreditreform"  verfolgten. 
Zwecke,  oder  in  den  zu  diesem  Zwecke  angewandten  Mitteln, 
oder  in  beiden  zusammen.  Was  den  Zweck  betrifft,  ist  zu 
bemerken:  der  nächst  liegende  besteht  im  Schutz  vor  ge- 
schäftlichen Verlusten,  im  Eintreiben  von  Forderungen,  und 
im  Bekanntmachen  säumiger  und  zahlungsunfähiger  Schuldner; 
dadurch  soll  eine  Reform  des  Kreditwesens  im  allgemeinen 
hervorgerufen  werden.  Dieser  letztere,  höhere,  allgemeine 
Zweck  verstö8st  jedenfalls  in  keiner  Weise  gegen  die  Rechts- 
ordnung, ist  gegenteils  vom  wirtschaftlichen  Standpunkte  aus 
zu  begrüssen.  Allein  auch  jene  näher  liegenden  Zwecke  sind 
rechtlich  durchaus  erlaubt:  Dass  die  Bewahrung  vor  geschäft- 
lichen Verlusten  gesetzlich  erlaubt  ist,  ist  klar;  das  Eintreiben 
von  Forderungen   ist  an   sich  nur  die  Ausübung  eines  Gläu- 


12 

bigerrechte8  ;  und  die  gegenseitige  Warnung  vor  säumigen 
oder  zahlungsunfähigen  Schuldnern  ist,  sofern  sie  im  Rahmen 
der  privaten  Mitteilung  unter  den  Verbandsmitgliedern  bleibt, 
durchaus  nicht  widerrechtlich,  vorausgesetzt,  dass  die  betref- 
fenden Mitteilungen  der  Wahrheit  entsprechen.  Zu  den  Mitteln 
nun,  die  der  Verband  zur  Erreichung  dieser  Zwecke  anwendet, 
ist  zu  sagen:  Die  Information  auf  dem  Wege  der  Gegen- 
seitigkeit  ist  offenbar  ebenso  erlaubt  wie  diejenige  durch 
Vermittlung  spezieller  Informationsbureaux.  Das  Mahnver- 
fahren sodann  ist  dann  nicht  unberechtigt,  wenn  Forderung 
und  Verzug  bestehen;  denn  es  stellt  sich  an  sich  lediglich 
dar  als  ein  Selbsthilfeverfahren  zum  Zwecke  des  Eintriebes 
der  Forderungen.  Der  Kläger  hat  freilich  geltend  gemacht  — 
und  die  Vorinstanz  ist  ihm  hierin  beigetreten  —  es  liege  in 
diesem  Verfahren  die  Anmassung  einer  Judikatur  über  die 
Gemahnten,  die  sich  die  Betreffenden  nicht  gefallen  lassen 
mü88ten,  und  die  um  so  unberechtigter  sei,  als  der  Staat  ja 
dem  Gläubiger  das  gesetzliche  Rechtstriebsverfahren  mit  den 
dazu  gehörigen  Einrichtungen  zur  Verfügung  stelle,  um  seinen 
Schuldner  zur  Zahlung  zu  zwingen.  Allein  diese  Auffassung 
geht  fehl.  Allerdings  sind  gewisse  Arten  der  Selbsthilfe,  wie 
z.  B.  die  Selbstpfändung,  durch  das  Bestehen  eines  gesetzlichen 
Betreibungsverfahrens  ausgeschlossen  und  nur  unter  den  vom 
Gesetze  selbst  gestatteten  Ausnahmen  (vergi,  z.  B.  §§  401  und 
402  des  zürch.  P.G.B.,  Selbstpfändungsrecht  der  Gast-  und 
Schenkwirte)  zulässig;  aber  in  diesen  Fällen  liegt  ein  direkter 
Eingriff  in  die  Rechtssphäre,  in  die  Verfügungsgewalt  des 
Schuldners  über  zu  seinem  Eigentum  gehörende  Gegenstände, 
vor,  die  bei  den  bestehenden  staatlichen  Einrichtungen  nur 
bei  ausdrücklicher  Gestattung  durch  das  Gesetz  als  erlaubt 
angesehen  werden  kann.  Einen  derartigen  Eingriff  enthält 
nun  das  in  Frage  stehende  Mahnverfahren  nicht;  es  enthält 
eine  Mahnung  durch  eine  Kollektivität,  die  wirksamer  er* 
scheint,  als  die  Mahnung  durch  den  Einzelnen,  aber  ebenso- 
wenig unerlaubt  ist  wie  diese.  Unerlaubt  wird  sie  auch  nicht 
durch  die  in  ihr  enthaltene  Drohung,  da  dasjenige,  was  an- 
gedroht wird,  nicht  widerrechtlich  ist,  sofern  es  der  Wahrheit 
entspricht,  und  der  durch  die  Drohung  zu  erreichende  Zweck 
lediglich  in  der  Befriedigung  des  Gläubigerrechts,  also  in 
etwas  durchaus  erlaubtem,  besteht.  Wenn  die  Vorinstanz 
hiegegen  ausführt,  die  Aufnahme  der  Namen  säumiger  Schuldner 
auf  die  „rote  Liste"  sei  deshalb  unerlaubt,  weil  diese  Liste 
in  einer  sehr  grossen  Auflage  erscheine  und  eine  enorme  Ver- 
breitung habe,  so  dass  die  Mitteilung  der  Namen  nicht  mehr 


îa 

als  konfidentiell  erscheinen  könne,  sondern  als  eigentliche 
Publikation  aufgefasst  werden  müsse,  so  ist  dem  entgegen- 
zuhalten: Erstens  kann  die  Zahl  der  Verbandsmitglieder,  an 
welche  die  Mitteilung  gelangt,  keinen  Einfluss  ausüben  auf 
die  Frage,  ob  die  Mitteilung  erlaubt  oder  unerlaubt  sei;  die 
Mitteilung  ist  immer  konfidentiell,  so  lange  sie  auf  die  Ver- 
bandsmitglieder, seien  es  nun  deren  10  oder  1000,  beschränkt 
bleibt,  und  die  Zahl  kann  nur  von  Relevanz  sein  für  die 
Wirksamkeit  der  Mahnung.  Zweitens  tritt  eine  ernstliche 
Verletzung  der  persönlichen  Verhältnisse  dadurch  nicht  ein,, 
dass  der  säumige  Schuldner  auch  in  ihm  unbekannten  Kreisen 
als  solcher  gekennzeichnet  wird;  für  solche  ist  sein  Name 
eben  gänzlich  irrelevant  und  wird  erst  von  Bedeutung,  wenn 
sie  mit  ihm  in  Geschäftsverkehr  treten  wollen. 

Erscheinen  sonach  im  allgemeinen  weder  der  Zweck  des 
Verbandes  „Kreditreforra"  noch  die  zu  dessen  Erreichung  an- 
gewandten Mittel  als  widerrechtlich,  so  muss  doch  das  be- 
merkt werden,  dass  die  Mitteilung  der  Namen  der  Schuldner 
in  der  Weise  erfolgen  sollte,  dass  einmal  die  Möglichkeit 
einer  Verwechslung  zwischen  den  beiden  Kategorien  „säumige" 
und  „zahlungsunfähige"  Schuldner  bei  Beobachtung  der  von 
den  Interessenten  zu  verlangenden  Sorgfalt  ausgeschlossen 
erscheint,  und  sodann  auch  die  Motive,  die  zur  Aufnahme 
eines  Namens  geführt  haben,  daraus  ersichtlich  sind.  An 
beidem  hat  der  Schuldner  ein  berechtigtes  Interesse.  Dieses 
Interesse  erscheint  nun  in  casu  nicht  genügend  gewahrt. 
Allerdings  darf  wohl  gesagt  werden,  dass  die  „rote  Liste" 
für  die  Verbandsmitglieder  genügende  Unterscheidbarkeit  bietet. 
Allein  aus  den  Akten  geht  hervor,  dass  diese  Liste  im  Volks- 
mund als  „Lumpenliste"  bezeichnet  wird,  und  da  nun,  namentlich 
bei  der  grossen  Mitgliederzahl  des  Verbandes,  Missbräuche 
mit  der  Liste,  Verwendung  derselben  durch  Unberufene  u.  dergl. 
kaum  zu  verhindern  sind,  ist  es  Aufgabe  des  Verbandes,  die 
Mitteilungen  in  der  Art  zu  machen,  dass  die  Möglichkeit 
einer  Unterscheidung  allgemein  vorhanden  ist.  Sodann  hat 
der  Schuldner  insbesondere  ein  Recht  darauf,  dass  die  Motive, 
die  ihn  zur  Zahlungsweigerung  geführt  haben,  bekannt  ge- 
geben werden,  bezw.  überhaupt  eine  nähere  Darstellung  der 
Umstände,  unter  denen  die  Aufnatune  in  die  Liste  erfolgt  ist, 
aufgenommen  werde.  Die  Ausserachtlassung  dieser  Rück- 
sichtnahme auf  den  Schuldner  qualifiziert  sich  als  widerrecht- 
lich. (Entsch.  vom  29.  September  1899  i.  S.  Vogelsanger  c. 
Weber- Pfeiffer  u.  Stierlin.) 


14 

6.  0.  R.  Ari.  50  ff.  Ist  die  Verhängung  der  Sperre  (des 
Boykot)  über  ein  gewerbliches  Etablissement  (durch  eine  Gewerk- 
schaft) und  deren   Veröffentlichung  an  sich  rechtswidrig  t 

La  mise  à  l'index  ou  mise  à  l'interdit,  tend  à  empêcher 
île  patron  de  recruter  le  personnel  dont  il  a  besoin  en  détour- 
nant les  ouvriers  de  se  laisser  embaucher  par  lui. 

Une  telle  mesure  est  évidemment  de  nature  à  apporter 
une  perturbation  plus  ou  moins  grande  dans  le  fonctionnement 
de  l'établissement  qui  en  est  l'objet,  et  à  causer,  par  conséquent, 
un  préjudice  au  patron.  Il  est  non  moins  évident  que  ce 
résultat  est  voulu  par  les  auteurs  de  la  mise  à  l'index,  puis- 
que c'est  précisément  là-dessus  qu'ils  comptent  pour  amener 
le  patron  à  accepter  leurs  conditions  ou  à  supprimer  les 
motif 8  de  plainte  invoqués  contre  lui. 

De  ce  que  la  mise  à  l'index  est  de  nature  à  entraîner 
un  préjudice  pour  celui  qui  en  est  l'objet  et  que  ce  préjudice 
est  voulu,  il  ne  suit  cependant  pas  encore  qu'elle  soit  illicite. 
Toute  contrainte  morale  exercée  par  la  menace  d'un  préjudice 
ou  par  l'application  d'une  mesure  préjudiciable  n'est  pas  illi- 
cite. On  doit  au  contraire  admettre,  d'une  manière  générale, 
que  la  contrainte  morale  est  parfaitement  permise  lorsqu'elle 
s'exerce  par  des  moyens  conformes  au  droit  et  en  vue  d'un 
but  licite.  (Voir  arrêt  du  Tribunal  fédéral  du  29  septembre 
1899  dans  la  cause  Vogelsanger  c.  Weber-Pfeiffer  et  Stierlin.) 

Or  la  mise  à  l'index,  abstraction  faite  des  moyens  d'exé- 
cution, qui  peuvent  varier  dans  chaque  cas,  est  un  moyen 
parfaitement  licite  d'exercer  une  contrainte  morale  en  vue 
d'obtenir  des  conditions  de  travail  meilleures.  Tout  individu 
a,  en  effet,  un  droit  incontestable  à  louer  ou  à  ne  pas  louer 
ses  servioes  à  tel  ou  tel  patron  ou  à  déclarer  qu'il  ne  con- 
sentira à  s'engager  que  sous  certaines  conditions.  C'est  là 
une  conséquence  évidente  du  principe  de  la  liberté  indivi- 
duelle, conséquence  qui  implique  à  elle  seule  la  légalité  de  la 
mise  à  l'index  d'un  ou  de  plusieurs  patrons  de  la  part  d'un 
ou  de  plusieurs  ouvriers  isolés. 

Licite  comme  mesure  individuelle,  la  mise  à  l'index  ne 
saurait  devenir  illicite  lorsqu'elle  est  adoptée  par  une  collec- 
tivité organisée.  Le  fait  de  l'union  des  ouvriers  ne  modifie 
pas  la  nature  de  l'acte;  il  n'a  d'influence  que  sur  sa  portée 
économique  et  ne  touche  en  rien  à  son  caractère  juridique. 
C'est  ce  que  la  jurisprudence  française  a  reconnu  à  maintes 
reprises.  (Voir  arrêt  de  la  Cour  d'appel  de  Paris,  du  13  jan- 
vier 1887:  Dalloz,  1887,  II,  page  151;  id.  de  la  Cour  de  Gre- 
noble, du  28  octobre  1890:  Dalloz,  1891,  II,  page  241.)   Seule 


15 

une  disposition  du  droit  positif,  comme  il  en  a  longtemps 
existé,  pourrait  déclarer  que  ce  qui  est  permis  à  un  individu 
ne  l'est  pas  à  une  association.  Dans  l'espèce,  il  n'a  pas  même 
été  allégué  que  la  législation  genevoise  renferme  des  dispo- 
sitions contraires  au  droit  de  coalition  des  ouvriers  et  le  droit 
fédéral  ne  connaît  en  cette  matière  aucune  restriction  au  prin- 
cipe général  de  la  liberté  d'association. 

La  mise  à  l'index  étant  ainsi  un  acte  licite,  ne  saurait 
être  considérée  comme  de  nature  à  porter  atteinte  à  un  droit 
du  patron  qu'elle  vise,  bien  que  l'atteinte  aux  intérêts  de 
celui-ci  soit  voulue  et  évidente.  Tout  industriel  a  sans  doute 
un  droit  individuel  à  faire  valoir  sa  personnalité  dans  le  com- 
merce et  à  en  exiger  le  respect.  C'est  une  conséquence  du 
principe  de  la  liberté  de  commerce  et  d'industrie.  Mais  ce 
principe  peut  aussi  être  invoqué  par  les  consommateurs  et 
ouvriers,  et  le  droit  de  ces  derniers  limite  nécessairement 
celui  du  patron  et  vice-versa.  Le  droit  de  l'industriel  de 
faire  valoir  sa  personnalité  et  d'en  exiger  le  respect  ne  l'au- 
torise donc  à  réagir  que  contre  les  atteintes  qui  excèdent  les 
limites  du  droit  concurrent.  Tant  que  les  ouvriers  n'excèdent 
pas  leur  droit,  et  ils  ne  le  font  pas  en  refusant  de  travailler 
pour  un  patron  et  en  rendant  par  leur  coalition  ce  refus  plus 
efficace,  le  droit  du  patron  n'est  nullement  atteint. 

Quant  aux  moyens  employés  pour  l'exécution  de  la  mise 
à  l'index,  le  demandeur  s'est  borné  à  alléguer  dans  ses  écri- 
tures que  les  membres  du  syndicat  auraient  cherché  par  l'in- 
timidation et  les  menaces,  à  empêcher  les  ouvriers  d'entrer 
à  son  service;  mais  ce  fait  a  été  contesté  et  le  demandeur 
n'en  a  pas  fourni  la  preuve.  .  .  . 

Le  fait,  en  particulier,  que  la  mise  à  l'index  a  été  rendue 
publique  par  la  voie  de  la  presse,  ne  saurait  lui  donner  un 
caractère  illicite.  On  peut  dire  de  la  publication  ce  qui  a 
été  dit  plus  haut  de  la  coalition.  Un  acte  licite  en  lui-même 
ne  change  pas  de  nature  par  le  fait  qu'il  est  rendu  public. 
Le  droit  de  la  chambre  syndicale  de  publier  dans  les  jour- 
naux la  mesure  adoptée  par  elle  ne  saurait  d'ailleurs  être 
contesté.  Lorsqu'une  association  nombreuse,  dont  les  mem- 
bres sont  disséminés  dans  tout  le  pays,  croit  devoir,  pour  la 
sauvegarde  de  ses  intérêts,  adopter  une  mesure  de  combat, 
elle  a  incontestablement  le  droit  de  la  porter  à  la  connaissance 
de  ses  membres  par  la  voie  de  la  presse.  Elle  a  de  même 
le  droit  d'invoquer,  par  cette  voie,  l'appui  des  travailleurs  non 
syndiqués,  en  les  invitant  à  se  solidariser  avec  le  syndicat 
et  à  ne  pas  se  laisser  embaucher  par  le  patron  mis  à  l'index. 


16 

Chaque  citoyen  est  libre  de  faire  appel  au  public  pour  l'in- 
téresser à  sa  cause,  lors  même-que  son  appel  serait  de  nature- 
à  nuire  à  d'autres  citoyens  ou  classes  de  citoyens. 

Les  deux  instances  cantonales  ont  considéré  comme  im- 
portante, au  point  de  vue  du  caractère  illicite  qu'elles  ont  at- 
tribué à  la  mise  à  l'index,  la  circonstance  que  cette  mesure 
n'était  pas  justifiée  en  fait. 

Cette  manière  de  voir  ne  saurait  être  admise.  La  mise 
à  l'index  étant  l'exercice  d'un  droit,  elle  n'a  pas  besoin  d'être 
justifiée.  Le  droit  porte  en  lui-même  sa  justification  et  celui 
qui  veut  en  user  peut  le  faire  avec  ou  sans  raison,  peu  importe. 
Toutefois  la  conscience  juridique  moderne  tend  à  modérer 
l'application  du  principe  qui  suo  jure  utitur  neminem  laedit 
en  ce  sens  que  le  droit,  étant  la  première  condition  de  l'ordre 
social,  ne  saurait  être  employé  dans  la  seule  intention  de 
nuire  à  autrui,  c'est-à-dire  pour  accomplir  un  acte  antisocial. 
(Voir  Regelsberger,  Pandekten,  page  230;  Windsoheid,  Pan- 
dekten, I  page  387;  Dernburg,  Pandekten,  I  page  92;  Gierke, 
Deutsch.  Privatrecht,  I  page  320.)  Pour  que  cette  restriction 
du  droit  puisse  être  appliquée,  il  faut  toutefois  qu'il  soit 
établi  d'une  manière  certaine  que  le  seul  mobile  de  Pacte 
incriminé  est  la  malveillance  et  l'intention  de  nuire.  Or  tel 
n'est  pas  le  cas  dans  l'espèce 

....  Le  but  de  la  mise  à  l'index  était  en  lui-même 
licite.  Il  est  parfaitement  loisible  à  un  groupe  d'ouvriers, 
conformément  aux  principes  rappelés  plus  haut,  de  déclarer 
qu'ils  ne  consentiront  à  travailler  pour  un  patron  qu'à  la 
condition  qu'il  embauche  ou  n'embauche  pas  tel  ou  tel  de 
leurs  compagnons.  C'est  au  patron  à  choisir,  au  mieux  de 
ses  intérêts  et  de  sa  conscience,  entre  la  résistance  et  l'accep- 
tation des  conditions  qui  lui  sont  posées 

Im  Weiteren  wird  ausgeführt,  dass  dagegen  darin  eine 
unerlaubte,  zum  Schadenersatze  verpflichtende  Handlung  liege, 
dass  die  Beklagten  zur  Rechtfertigung  der  beschlossenen 
Sperre  in  einem  Zeitungsartikel,  für  welchen  sie  verantwort- 
lich seien,  eine  Reihe  falscher,  dem  geschäftlichen  Rufe  des 
Klägers  nachteiliger  Behauptungen  aufgestellt  haben.  (Entsch. 
vom  14.  Oktober  1899  i.  S.  Boujon  et  Cons.  c.  Stucker-Book.) 


7.  0.  R.  Art.  60.  CivürechÜiche  Haftbarkeit  für  im  Raufhandel 
zugefügte  Körperverletzungen.  Begriff  des  Gehilfen  im  Sinne  des 
Art.  60  cit. 

Massgebend  in  Betreff  der  civilrechtlichen  Haftung  für 
die   in   einem  Raufhandel   zugefügten  Körperverletzungen   ist 


17 

Art.  60  0.  R.,  wonach  mehrere,  die  einen  Schaden  gemeinsam 
verschuldet  haben,  solidarisch  für  den  Ersatz  haften,  ohne 
Unterschied,  ob  sie  als  Anstifter,  Urheber  oder  Gehilfen  thätig 
gewesen  sind.  Danach  ist  Cur  die  Haftbarerklärung  in  dem 
Falle,  wo  ein  Verschulden  mehrerer  vorliegt,  notwendig  die 
Teilnahme  an  der  schädigenden  Handlung,  ein  Verschulden 
des  Belangten,  und  ein  Kausalzusammenhang  zwischen  der 
schuldhaften  Thätigkeit  des  Belangten  und  dem  eingetretenen 
Schaden.  Letzteres  Erfordernis  folgt  sowohl  aus  aligemeinen 
Grundsätzen  wie  auch  aus  dem  Wortlaute  des  Art.  60,  wo- 
nach eben  der  Schaden  „gemeinsam  verschuldet,"  d.  h.  durch 
eine  gemeinsame  schuldhafte  Handlung  verursacht  sein  musa. 

Dagegen  ist  in  Anwendung  des  Art.  60  0.  R.  nicht  von 
einem  bestimmten  strafrechtlichen  Begriff  der  Gehilfenschaft 
auszugehen  (z.  B.  demjenigen  des  §  29  des  Str.  G.  B.  f.  d.  Kt. 
Baselstadt),  sondern  von  dein  allgemein-juristischen  Begriffe, 
wonach  insbesondere  auch  fahrlässige  Gehilfenschaft  denkbar 
und  möglich  ist.  In  diesem  Sinne  erscheint  auch  derjenige 
als  Gehilfe  zu  der  im  Raufhandel  beigebrachten  Körperver- 
letzung oder  Tötung  (die  übrigens  selber  auch  fahrlässig  bei- 
gebracht werden  kann),  der  durch  seine  Teilnahme  am  Rauf- 
handel den  Thäter  unterstützt;  auch  er  hat  alsdann  unmittel- 
bar eine  Bedingung  zu  dem  eingetretenen  Erfolg  gesetzt,  so 
da8s  er  den  Erfolg  mitverursacht  hat.  Und  zur  Schuld  zu- 
zurechnen ist  ihm  dieser  Erfolg  dann,  wenn  er  voraussehen 
mii88te,  da8S  durch  seine  Thätigkeit,  durch  seine  Teilnahme 
am  Raufhandel,  dieser  Erfolg  eintreten  konnte. 

In  Anwendung  dieser  Grundsätze  wurden  für  die  in  einem 
Raufhandel  einem  der  Angegriffenen  zugefügte  schwere  Körper- 
verletzung, deren  unmittelbare  Urheber  nicht  hatten  entdeckt 
werden  können,  alle  diejenigen  als  Gehilfen  solidarisch  ver- 
antwortlich erklärt,  welche  sioh  an  der  Rauferei  auf  Seiten 
der  Angreifer  beteiligt  hatten,  auch  soweit  ihnen  eine  un- 
mittelbar gegen  den  Verletzten  geriohtete  Thätigkeit  nicht 
nachgewiesen  werden  konnte.  (Entscb.  vom  4.  November  1899 
i.  S.  Häfliger  c.  Iten  u.  Genossen.) 


8.  0.  R.  Art.  143.  In  der  Prolongation  eines  Wechsels  liegt 
in  der  Regel  keine  Novation. 

Die  Prolongation  eines  Wechsels  stellt  sioh  in  der  Regel 
lediglich  als  eine  Verlängerung  der  Zahlungsfrist  dar,  und 
ist  die  Novation  des  ursprünglichen  Schuldverhältnisses  dabei 

2 


18 


nicht  zu  vermuten  (Art.  143  0.  R. ;  vergi,  auch  E.  G.  E.  IX, 
S.  65).  (Entsch.  v.  14.  Juli  1899  i.  S.  Konkursmasse  Bach  & 
Cie  c.  Gebrüder  Gegauf.) 


9.  0.  A.  Art  154,  157  Abs.  1  und  2.  Verjährung:  Die  La- 
dung zu  einem  amtlichen  Sühnversuohe  unterbricht  nach  dem  0. 
R.  die  Verjährung  schlechthin  und  es  fällt  diese  Wirkung  nicht 
deshalb  dahin,  weil  das  durch  die  Ladung  eingeleitete  Verfahren 
nicht  rechtzeitig,  binnen  din  durch  das  kantonale  Prozessrecht 
vorgeschriebenen  Fristen  fortgesetzt  worden  ist,  so  dass  später 
durch  eine  neue  Ladung  ein  neues  Sühnverfahren  hat  eingeleitet 
werden  müssen. 

La  prescription  en  matière  de  droit  fédéral  est  exclu- 
sivement régie  par  les  dispositions  du  G.  0.,  en  particulier 
par  les  art.  154  et  suivants  relatifs  à  l'interruption  de  la 
presoription. 

D'après  l'art.  154,  chiffre  2  in  fine,  la  citation  en  conci- 
liation „équivaut,"  au  point  de  vue  de  l'effet  interruptif  de 
la  presoription,  „à  une  action  en  justice. u  Cette  disposition  a 
été  évidemment  dictée  par  la  considération  que  oertaiues  lois 
cantonales  admettent  que  la  citation  en  conciliation  constitue 
l'ouverture  de  l'action  en  justice,  tandis  que  d'autres  ne  l'ad- 
mettent pas;  elle  a  pour  but  d'uniformiser  l'effet  de  la  cita- 
tion quant  à  l'interruption  de  la  prescription. 

Le  fait  seul  de  la  citation  en  conciliation  suffit,  aux 
termes  de  la  disposition  citée,  pour  interrompre  la  prescrip- 
tion. La  circonstance  que  d'après  la  procédure  cantonale  — 
dans  le  cas  particulier  les  articles  59,  62  et  128  Code  de  pro- 
cédure civil  vaudois  —  un  délai  péremptoire  est  assigné  à 
l'instant  pour  donner  suite  à  son  action,  ne  saurait,  en  cas 
d'inobservation  de  ce  délai,  faire  considérer  le  fait  de  la  cita- 
tion comme  non  avenu  ni  supprimer  l'effet  que  la  loi  fédérale 
lui  attribue. 

Le  législateur  fédéral  n'a  pas  admis  le  système  d'après 
lequel  l'action  en  justice  cesserait  de  déployer  son  effet  in- 
terruptif de  la  presoription  lorsqu'il  n'y  serait  pas  donné  suite 
dans  les  délais  légaux  (art.  2247  Code  civil  français;  §  1070 
Code  civil  zurichois).  Il  résulte  au  contraire  de  l'art.  157,  al.  1 
et  2  C.  0.  que  l'interruption  ne  déooule  pas  seulement  de  l'ac- 
tion en  justice  (ou  de  la  poursuite  en  paiement),  envisagée 
comme  une  opération  complexe,  mais  de  chacun  des  actes  du 
procès  (ou  de  la  poursuite),  puisque,  aux  termes  du  dit  ar- 
ticle, la  prescription  recommence  à  courir  à  partir  de  ohaque 


19 

aote  juridique  des  parties,  de  chaque  ordonnance  ou  décision 
du  juge  (et  de  chaque  acte  de  poursuite).  Au  point  de  vue 
du  droit  fédéral,  la  citation  en  conciliation,  soit  1  acte  de  non 
•conciliation,  apparaît  comme  un  acte  de  la  procédure  qui, 
même  s'il  n'y  est  pas  donné  suite  dans  les  délais  légaux, 
interrompt  la  prescription.  L'objection  consistant  à  dire  que 
ce  système  aurait  pour  résultat  d'éterniser  les  litiges  en  per- 
mettant au  oréancier  d'interrompre  la  prescription  par  de 
simples  citations  en  conciliation  (ou  des  commandements  de 
payer)  non  suivis  d'autres  procédés,  pourrait  avoir  de  l'im- 
portance de  lege  ferenda,  mais  elle  ne  trouve  auoun  point 
d'appui  dans  les  dispositions  du  C.  0.  (Entsch.  v.  22.  Sep- 
tember 1899  i.  S.  Glauser  c.  von  Auw  frères  et  Cie.) 


10.  0.  R.  Art.  184.  Bedeutung  der  schriftlichen  Beurkundung 
der  Abtretung;  was  gehört  zu  derselben? 

Nach  Art.  184  0.  R.  ist  die  Abtretung  für  die  Kontra- 
henten auch  ohne  besondere  Form  verbindlich;  wirksam  ge- 
Ciiber  Dritten  wird  sie  jedoch  erst  durch  schriftliche  Beur- 
dung;  und  zu  diesen  Dritten  gehört  nach  der  bundes- 
Î eri  entliehen  Praxis  auch  der  Schuldner  der  Forderung  (vergi, 
[afner,  Komm.,  2.  Aufl.  Art.  184,  Nr.  3).  Die  schriftliche  Be- 
nachrichtigung des  Schuldners  durch  den  Cedenten  oder  den 
■Cessionar  von  der  geschehenen  Abtretung  kann  die  vom  Ge- 
setze geforderte  schriftliche  Beurkundung  der  Abtretung 
nicht  ersetzen,  da  unter  dieser  die  Erklärung  des  Cedenten 
an  den  Cessionar,  er  trete  ihm  seine  Forderung  ab,  verstan- 
den ist.  (Entsch.  v.  16.  September  1899  i.  S.  Minder  c.  Fischer.) 


11.  0.  R.  Art.  243.  Der  Verkäufer  haftet  im  allgemeinen 
dafür  y  dass  Sachen,  die  er  unter  einem,  einen  bestimmten  Gebrauch 
anzeigenden  Namen  verkauft  hat,  zu  diesem  Gebrauche  thatsäch- 
Uch  tauglich  seien,  nicht  aber  ohne  weiteres  auch  dafür,  dass  sie 
zu  diesem  Gebrauche  nach  den  am  Orte  des  Käufers  geltenden 
polizeilichen  Vorschriften  verwendet  werden  dürfen. 

Es  ist  im  allgemeinen  anzuerkennen,  dass  der  Verkauf 
von  Sachen,  die  einen  den  Gebrauch  anzeigenden  Namen 
tragen  (Insektenpulver,  Zahnwasser,  Kopiertinte  etc.),  impli- 
zite die  Zusicherung  in  sich  schliesst,  dass  die  betreffende 
Sache  für  den  durch  den  Namen  angedeuteten  Gebrauch  taug- 
lich, geeignet  sei  (ausgenommen  natürlich  den  Fall  blosser 
Phantasiebezeichnungen).   Nun  gehört  allerdings  die  Bezeich- 


20 

nung  „Kaminsteine"  zu  dieser  Kategorie;  hieran  ändert  der 
Umstand  nichts,  dass  diese  Steine  nach  der  Feststellung  der 
Vorinstanz  auch  zu  andern  Zwecken  (z.  B.  für  Gewölbe)  ver- 
wendet werden  können;  ihr  erster  und  hauptsächlichster  Ge- 
brauch, wie  er  durch  den  Namen  angezeigt  wird,  ist  die 
Konstruktion  von  Kaminen.  Die  Klägerin  haftet  daher  dafür,, 
dass  die  fraglichen  Steine  für  diesen  Gebrauch  tauglich,  ge- 
eignet seien.  Allein  dieser  Haftung  hat  die  Klägerin  roll* 
ständig  genügt;  diese  Steine  wurden  bis  zum  Inkrafttreten 
der  neuen  Feuerpolizeiordnung  in  Zürich  anstandslos  zum 
fraglichen  Gebrauche  verwendet  und  werden  es  auch  jetzt 
noch  an  Orten,  wo  ihr  Gebrauch  nicht  verboten  ist . . .  Difr 
Wandelungs-Einrede  des  Beklagten  könnte  daher  nur  dann 
geschützt  werden,  wenn  die  Klägerin  auch  dafür  garantieren 
mü8ste,  vermöge  des  einfachen  Verkaufes  von  Sachen,  die 
einen  den  Gebrauch  anzeigenden  Namen  tragen,  dass  dieser 
Gebrauch  am  Orte  des  Käufers  nun  auch  wirklich  möglich,, 
gestattet  sei.  Allein  es  leuchtet  ein,  dass  dies  eine  unzulässige 
Ausdehnung  der  Gewährspflicht  des  Verkäufers  wäre;  es 
braucht  hiefür  nur  an  die  Mannigfaltigkeit  der  Gesetzge- 
bungen und  Verordnungen,  die  von  Land  zu  Land,  von  Ort 
zu  Ort,  wechseln,  erinnert  zu  werden,  um  einzusehen,  dass 
die  gesetzliche  Gewährspflicht  des  Verkäufers  nicht  derart 
ausgedehnt  werden  kann.  Vielmehr  ist  es  Sache  des  Käufers,, 
der  den  Genuss  von  der  verkauften  Sache  haben  will,  zu 
wissen,  ob  sie  nach  der  Gesetzgebung  seines  Landes  und 
Ortes  zu  dem  von  ihm  beabsichtigten  (aus  dem  Namen  her- 
vorgehenden) Zwecke  auch  wirklich  gebraucht  werden  darf. 
(Entsch.  vom  29.  September  1899  i.  S.  Wolff  c.  mechanische 
Ziegelfabrik  Albishof.) 

12.  0.  R.  Art.  338  ff.,  348.  Süllschweigende  Vereinbarung* 
einer  Vergütung  für  begehrte  Dienste;  Dienst-  (Honorar-)  Vertrag? 
oder  blosse  Aufforderung  zur  Stellung  einer  Offerte  bezw.  zur 
Beteiligung  an  einem  Wettbewerbet 

Der  Beklagte  beabsichtigte  einen  an  der  Façade  eines- 
von  ihm  neu  erstellten  Gebäudes  angebrachten  Fries  künstle- 
risch ausschmücken  zu  lassen.  Er  teilte  durch  Brief  vom 
16.  Dezember  1896  dem  Kläger,  dem  Bildhauer  K.  in  Z.f 
mit,  dass  er  ihn  und  gleichzeitig  den  Bildhauer  M.  in  B. 
bitte,  dafür  eine  Skizze  in  Gips  (2  m  breit  und  20  cm  hoch,, 
also  V10  der  natürlichen  Grösse)  bis  zum  15.  Februar  1897 
auszuarbeiten.  Beide  Entwürfe  werden  für  einige  Zeit  im- 
Künstlerhause  ausgestellt.    „Ausführung  in  weissem  Marmor,. 


21 

Angabe  des  Preises,  der  Lieferungszeit  u.  s.  w.,tf  über  alles 
«das  bitte  er  den  Kläger,  falls  er  mit  Bildhauer  M.  in  Kon- 
kurrenz zu  treten  gedenke,  sich  mit  dem  bauleitenden  Archi- 
tekten Sch.-K.  ins  Einvernehmen  zu  setzen.  K.  fertigte  die 
verlangte  Skizze,  das  Gipsmodell  einer  Reliefgruppe,  in  zwei 
Varianten  an.  Im  Frühjahr  1897  wurden  diese  Entwürfe 
.gleichzeitig  mit  dem  Entwürfe  des  Bildhauers  M.  öffentlich 
ausgestellt.  Der  Beklagte  entschloss  sich  jedoch  keinen  die- 
ser Entwürfe  ausführen  zu  lassen.  Sowohl  der  Kläger  als 
Bildhauer  M.  führten  nun  neue  Skizzen  über  andere  Sujets 
aus.  Am  15.  Oktober  1897  schrieb  Architekt  Sch.-K.  dem 
Kläger,  er  ersuche  ihn  im  Auftrage  des  Beklagten,  diesem 
in  den  näohsten  Tagen  die  Skizze  einzusenden  und  zugleich 
seine  Offerte  für  Ausführung  in  Marmor  beizulegen.  Der  Be- 
klagte traf  nun  unter  den  neu  eingereichten  Entwürfen  seine 
Wahl  dahin,  dass  er  denjenigen  des  M.  zur  Ausführung  be- 
stimmte. Als  daraufhin  der  Kläger  dem  Beklagten  Rechnung 
für  seine  Bemühungen  im  Betrage  von  Pr.  4000. —  (für  jeden 
Entwurf  2000  Fr.)  stellte  und  ihn  anfragte,  wohin  er  ihm  die 
Entwürfe  senden  solle,  beanstandete  der  bauleitende  Archi- 
tekt Sch.-K.  mit  Schreiben  vom  4.  Dezember  1897  das  ge- 
forderte Honorar  als  zu  hoch:  der  Bauherr  halte  eine  Hono- 
Tierung  von  Fr.  1000. —  für  angemessen;  er  halte  an  dieser 
-Offerte  fest  und  lasse  den  Kläger  ersuchen,  über  seine  Skizzen 
nach  Gutdünken  zu  verfügen. 

Als  nunmehr  der  Kläger  seine  Honorarforderung  von 
Fr.  4000. —  gerichtlich  einklagte,  beantragte  der  Beklagte  in 
•erster  Linie  gänzliche  Abweisung  der  Klage,  indem  er  be- 
hauptete, es  habe  sich  bei  dem  Schreiben  an  den  Kläger  vom 
16.  Dezember  1896  lediglich   um   die  Einladung  zur  Beteili- 

fung  an  einem  Wettbewerbe  zum  Zwecke  der  Vergebung 
er  Ausführung  eines  Kunstwerkes  nach  vorzulegendem  Ent- 
würfe gehandelt.  Für  diesen  Entwurf  sei  ein  besonderes  und 
selbständiges  Honorar  nicht  vereinbart  und  auch  nicht  voraus- 
gesetzt gewesen. 

Die  Klage  wurde  in  allen  Instanzen  grundsätzlich  gut- 
geheissen.  Aus  den  Gründen  des  bundesgerichtlichen  Urteils 
ist  hervorzuheben: 

Wenn  anzunehmen  ist,  der  Beklagte  habe  dem  Kläger 
«einen  Auftrag  zur  Herstellung  der  Entwürfe  erteilt,  so  steht 
der  Umstand,  dass  über  eine  hiefür  zu  leistende  Vergütung 
unter  den  Parteien  nichts  ausgemacht  worden  ist,  der  Klage- 
forderung nicht  entgegen.  Denn  alsdann  liegt  ein  Honorar- 
vertrag  vor,    für    welchen    nach    eidg.  Obligationenrecht    die 


22 

gleichen  Grundsätze  gelten,  wie  für  den  in  Art.  338  ff.  ge- 
regelten Dienstvertrag;  und  es  greift  daher  auch  hier  die 
Bestimmung  Platz,  das  s  eine  Vergütung  für  die  geleisteten 
Dienste  gefordert  werden  kann,  wenn  diese  nach  den  Um- 
ständen nur  gegen  eine  solche  zu  erwarten  waren  (Art.  338 G.R.). 
Ein  Zweifel  daran,  dass  es  sich  in  dem  Schreiben  dea 
Beklagten  vom  16.  Dezember  1896  wirklich  um  einen  solchen 
Auftrag  gehandelt  habe,  wäre  von  vorneherein  ausgeschlossen, 
Wenn  dasselbe  lediglich  die  Aufforderung  zur  Anfertigung  der 
daselbst  näher  bezeichneten  Skizze  enthielte,  alsdann  könnte 
in  der  Erklärung  des  Beklagten  überhaupt  nichts  anderes- 
erblickt  werden,  als  die  Offerte  zur  Begründung  eines  Rechts- 
verhältnisses im  Sinne  des  Art.  348  bezw.  338  0.  R.  Nun  er- 
folgte die  Aufforderung  zur  Anfertigung  der  Skizze  im  Zu- 
sammenhang mit  derjenigen  zur  Offerte  für  die  Uebernahme 
des  ganzen  Werkes,  und  der  Beklagte  zieht  hieraus,  in  Ver- 
bindung mit  der  Annahme,  dass  die  Einreichung  einer  Skizze 
der  Natur  der  Sache  nach  zu  einer  Offerte  der  fraglichen 
Art  gehört,  den  Schluss,  dass  die  Ausarbeitung  der  verlangten 
Skizze  im  eigenen  Interesse  des  Klägers,  um  als  Bewerber 
für  das  eigentliche  Werk  mit  einer  richtigen  Offerte  auftreten- 
zu  können,  erfolgt  sei,  und  der  Beklagte  ihm  demnach  für 
jene  ebensowenig,  wie  für  allfällige  Bemühungen,  welche 
etwa  die  Anstellung  seiner  Berechnungen  für  die  Offerte  er- 
fordert haben  mochte,  eine  Entschädigung  schulde.  Diese 
Schlussfolgerung  des  Beklagten  hält  jedoch  nicht  Stich.  Es 
ist  zwar  richtig,  dass  die  Einladung  zur  Stellung  einer  Offerte 
an  sich  keineswegs  die  Zusage  in  sich  schliesst,  den  Offerenten 
für  Bemühungen  und  Auslagen,  welche  mit  der  Offerte  ver- 
bunden sind,  zu  entschädigen  ;  wenn  dieser,  um  sein  Angebot 
machen  zu  können,  z.  B.  erst  noch  Berechnungen  anzustellen 
hat,  so  ist  dies  grundsätzlich  seine  Sache,  und  geht  den  an- 
dern Teil  nichts  an.  Ebenso  steht  z.  B.  demjenigen,  welcher 
sich  an  einem  Wettbewerb  auf  Grund  einer  Preisausschrei- 
bung beteiligt,  wie  sie  speziell  für  Entwürfe  zu  architekto- 
nischen Werken  und  deren  Ausschmückung  üblich  sind,  kein 
Anspruch  auf  Honorierung  seiner  Arbeit,  sondern  lediglich 
auf  gehörige  Berücksichtigung  bei  der  Entscheidung  über 
die  zu  erteilenden  Preise  zu.  Um  einen  Wettbewerb  dieser 
Art  handelt  es  sich  jedoch  nicht,  da  der  Beklagte  eine  Prä- 
mierung der  eingereichten  Entwürfe  überhaupt  nicht  in  Aus- 
sicht gestallt  hat.  Andrerseits  geht  die  Leistung,  welche  der 
Kläger  mit  der  Ausführung  der  vom  Beklagten  verlangten 
Skizze  auf  sich  nahm,  weit  über  denjenigen  Aufwand  hinaus,. 


23 

der  zur  Stellung  einer  Offerte  für  das  ganze  Kunstwerk  an 
eich  erforderlich  war.  Wenn  der  Beklagte  die  Berücksichti- 
gung einer  Offerte  hiefür  von  der  Einreichung  einer  solchen 
Skizze  abhängig  machen  wollte,  so  konnte  ihm  nicht  ent- 
gehen, dass  er  damit  vom  Offerenten  mehr  verlange,  als 
was  gemäss  allgemeiner  Verkehrsregel  zu  Lasten  des  Offe- 
renten fällt.  Der  Beklagte  hat  denn  auch  seine  Einladung 
an  den  Kläger  nicht  etwa  so  gefasst,  dass  er  denselben  er- 
suchte, ihm  eine  Offerte  für  die  Ausführung  des  Kunstwerkes 
zu  machen,  und  beifügte,  dieselbe  müsse  von  einer  Skizze 
begleitet  sein,  sondern  er  stellt  in  seinem  Schreiben  vom 
16.  Dezember  1896  das  Ersuchen  um  die  Anfertigung  einer 
Skizze  an  die  Spitze  und  spricht  erst  in  zweiter  Linie  von 
dem  Angebot  für  Uebernahme  des  ganzen  Werkes.  Daraus 
erhellt,  dass  auch  der  Kläger  selbst  die  Anfertigung  der 
Skizze  nicht  als  eine  blosse,  unumgängliche  Vorarbeit  für 
die  Stellung  eines  Angebots,  sondern  als  selbständige  Arbeits- 
leistung betrachtete,  und  da  diese  Arbeitsleistung  eine  ver- 
hältnismässig bedeutende  war,  und  der  Natur  der  Sache  nach 
sein  musate,  so  konnte  sich  der  Beklagte  auch  nicht  ver- 
hehlen, dass  sich  der  Kläger  nur  in  der  Erwartung  eines 
Honorars  dazu  verstehen  werde,  ihm  zu  entsprechen.  Dass 
sich  der  Beklagte  auch  wirklich  dieser  Einsicht  nicht  ver- 
schlossen hat,  ergiebt  sich  übrigens  unzweideutig  aus  dem 
Schreiben  vom  4.  Dezember  1897,  das  der  bauleitende  Archi- 
tekt in  seinem  Auftrag  au  den  Kläger  richtete,  und  welches 
die  Antwort  auf  die  Rechnungsstellung  des  Klägers  enthält. 
In  diesem  Schreiben  findet  sich  kein  Wort  davon,  dass  die 
vom  Kläger  prätendierte  Pflicht  zur  Honorierung  seiner  Ar- 
beit überhaupt  abgelehnt  werde,  sondern  es  wird  lediglich 
die  Höhe  des  geforderten  Honorars  beanstandet.  (Entsch.  v. 
13.  Oktober  1899  i.  S.  Kissling  c.  Henneberg.) 


1 3.  0.  R.  Art.  406  (f.,  412,  720  ff.,  811, 813  Abs.  1  und  2,  Die 
Bestimmungen  des  0.  R.  über  die  Anweisung  finden  auf  #en  ge- 
zogenen Wechsel  keine  Anwendung,  insbesondere  nicht  Art.  412 
Abs.  3.  Der  Wechselnehmer  ist  daher  auch  nach  dem  Ausbruche 
des  Konkurses  über  den  Trassanten  zu  Erhebung  der  Wechsel- 
summe beim  Bezogenen  berechtigt.  —  In  der  Wechselbegebung 
liegt  an  sich  keine  Abtretung  der  Rechte  des  Trassanten  aus  dem 
Deckungsverhältnisse . 

Die  Firma  A.  K.  &  Cie  trat  im  Oktober  1898  mit  den 
Beklagten  in  Wechseldiskontoverkehr.  Die  Beklagten  eröffneten 


ihr  eine  laufende  Rechnung,  nahmen  die  Kundenwechsel  von 
A.  K.  &  Gie  zu  den  Ansätzen  ihres  Inkassotarifes  entgegen, 
schrieben  dieselben,  Eingang  vorbehalten,  dem  Konto  von 
K.  &  Gie  gut  und  ermächtigten  K.  &  Gie  über  den  Gegenwert 
sofort  nach  Uebergabe  der  Wechsel  zu  verfügen.  K.  &  Gie 
erhielten  jeweilen  auf  Verlangen  runde  Summen  in  bar  aus- 
bezahlt, die  den  Gegenwert  der  jeweilen  übergebenen  Wechsel 
nahezu  erreichten.  Die  Aooepteinholung  wurde  zwischen  den 
Kontrahenten  wegbedungen.  Am  12.  Januar  1899  wurde  über 
Ad.  K.  &  Gie  Konkurs  eröffnet.  Seit  Konkurseröffnung  bis  zum 
6.  April  zogen  die  Beklagten  Wechsel  im  Totalbetrage  von 
Fr.  4857.90  ein. 

Die  Konkursmasse  der  Firma  A.  K.  &  Cie  klagte  nun 
gegen  die  Beklagten  auf  Erstattung  der  von  letzteren  seit 
der  Konkurseröffnung  eingezogenen  Wechselbeträge.  Die 
Klage  wurde  in  allen  Instanzen  abgewiesen,  vom  Bundes- 
gerichte wesentlich  aus  folgenden  Gründen  : 

Die  Klage  beruht  darauf,  dass  die  Beklagten,  als  Wechsel- 
nehmer und  Anweisungsempfänger,  nicht  befugt  gewesen 
seien,  nach  Ausbruch  des  Konkurses  über  den  Aussteller,  den 
Anweisenden,  von  der  Anweisung  Gebrauch  zu  machen  und 
also  die  Wechselsummen  beim  Bezogenen,  dem  Angewiesenen, 
einzuziehen;  sie  stützt  sich  auf  Art.  412,  insbesondere  Abs.  3, 
0.  R.,  und  stellt  sich  rechtlich  als  Klage  aus  ungerechtfer- 
tigter Bereicherung  oder  auch  aus  Geschäftsführung  ohne 
Auftrag  dar.  Würde  nun  in  der  Tratte  schlechthin  nichts 
anderes  als  eine  nach  Art.  406  ff.  0.  K.  geregelte  Anweisung 
liegen  und  somit  auch  Art.  412  eod.  auf  dieselbe  zutreffen,  so 
müsste  die  Klage  geschützt  werden.  Denn  alsdann  wäre  (ent- 
gegen der  Argumentation  der  ersten  Instanz)  zu  sagen: 
Durch  die  Konkurseröffnung  über  den  Anweisenden  wird  die 
Anweisung  gemäss  Art.  412  Abs.  3  0.  R.  ipso  jure  wider- 
rufen, und  dieser  Widerruf  wirkt  sowohl  gegenüber  dem  An- 
gewiesenen wie  auch  gegenüber  dem  Anweisungsempfänger, 
allerdings  beiden  gegenüber  nur  in  den  in  Abs.  1  und  2  eod. 
aufgestellten  Schranken,  ist  also  dem  Angewiesenen  gegen- 
über nur  zulässig,  sofern  dieser  dem  Empfänger  die  Annahme 
nicht  erklärt  hat.  Liegt  aber  diese  Voraussetzung  vor,  ist 
also  der  Widerruf  gegenüber  dem  Angewiesenen  zulässig,  und 
macht  der  Anweisende  davon  Gebrauch  bezw.  wird  der  Wider- 
ruf durch  Eröffnung  des  Konkurses  über  ihn  herbeigeführt, 
so  wirkt  der  Widerruf  auch  gegenüber  dem  Anweisungs- 
empfänger, indem  dann  die  Anweisung  hinfällig  wird,  und  es 
bleibt  dem  Anweisungsempfänger,  zu  dessen  Vorteile  die  An- 


25 

Weisung  erteilt  wurde,  nur  ein  Schadensersatzanspruch  gegen 
-den  Anweisenden  übrig  (vergi.  Hafner,  Kommentar  z.  0.  R., 
2.  Aufl.,  Art.  412,  Anm.  3  u.  6).  Nun  trifft  aber  jene  recht- 
liche Prämisse,  auf  welche  die  Klage  gestützt  wird,  nicht  zu. 
Allerdings  liegt  in  der  Tratte,  ihrem  Wortlaute  nach,  eine 
Anweisung.  Daneben  enthält  sie  aber  mehr,  und  anderes: 
sie  enthält  seitens  des  Ausstellers  gegenüber  dem  Wechsel- 
nehmer und  dessen  Nachmännern  nicht  nur  eine  einfache 
Anweisung  zur  Zahlungserhebung,  sondern  zugleich  die  Ueber- 
uahme  einer  wechselrechtlichen  Verpflichtung  zur  Annahme 
und  Einlösung  des  Wechsels  durch  den  Bezogenen,  ein  Ga- 
rantieversprechen; und  sie  verschafft  somit  dem  Wechsel- 
nehmer ein  eigenes,  unmittelbares,  vom  Rechte  des  Ausstellers 
gänzlich  unabhängiges  Recht  auf  Präsentation  des  Wechsels 
zur  Annahme  und  auf  Einziehung  der  Wechselsumme,  sowie 
auf  den  Regress  gegen  den  Aussteller.  Die  Bestimmungen 
-des  0.  R.  über  die  Anweisung  finden  daher,  dieser  eigenartigen 
Natur  der  Tratte  gemäss,  auf  diese  keine  Anwendung,  sondern 
«s  gelten  für  dieselbe  einzig  und  allein  die  Vorschriften  des 
29.  Titels  des  0.  R.,  für  den  Wechsel  gilt  demnach  auch 
nicht  die  Bestimmung,  dass  die  Eröffnung  des  Konkurses  über 
den  Anweisenden  —  den  Aussteller  —  ohne  weiteres  als  Wider- 
ruf der  Anweisung  gelte.  Wohl  steht  dem  Wechselnehmer 
gegen  den  Bezogenen  kein  wecbsehnässiges  Recht  zu,  so  lange 
dieser  nicht  Aoceptant  ist,  und  kann  der  Aussteller  den  dem 
Bezogenen  gegebenen  Auftrag  widerrufen,  so  lange  dieser  den 
Wechsel  noch  nicht  acoeptiert  oder  eingelöst  bat:  allein  gegen- 
über dem  Wechselnehmer  kann  der  Aussteller  das  einmal  ge- 
schaffene Weohselreoht,  das  nicht  aus  einem  einfachen  Auftrag 
entspringt,  nicht  widerrufen,  dieses  ist  unwiderruflich,  und  tritt  im 
«ben  angedeuteten  Falle  der  Widerruf  des  Auftrages  an  den 
Bezogenen  als  Regressanspruch  gegen  den  Aussteller  in  die  Er- 
scheinung (vergi.  Seuffert  Archiv  Bd  45  Nr.  244,  S. 405). 
Der  Widerruf  gegenüber  dem  Bezogenen,  der  nach  dein  ge- 
sagten ausdrücklich  hätte  stattfinden  müssen,  und  nicht  durch 
die  Eröffnung  des  Konkurses  über  den  Aussteller  ersetzt  wird, 
hat  nun  nicht  stattgefunden,  und  es  waren  daher  die  Beklagten 
berechtigt,  die  Wechselsumme  bei  den  Bezogenen  zu  erheben. 
Hiemit  ist  die  Hinfälligkeit  der  Klage  gegeben,  und  erscheint 
es  nicht  nötig,  zu  untersuchen,  ob  in  der  Begebung  der  Wechsel 
in  casu,  wie  die  Vorinstanz  annimmt,  eine  Zession  der  ihrer 
Ausstellung  zu  Grunde  liegenden  Zivilforderungen  des  Aus- 
stellers gegen  den  Bezogenen  zu  finden  ist.  Die  Vorinstanz 
folgert  das  offenbar  nur  aus  den  begleitenden  Umständen  und 


26 

will  wohl  nicht  allgemein  auesprechen,  dass  in  der  Uebergabe- 
sogenannter  Kundenwechsel  im  Wechseldiskontoverkehr  stets 
oder  in  der  Regel  eine  Abtretung  der  Zivil  Forderung  (in  der 
Regel  Kaufpreisforderung  u.  dgl.)  des  Ausstellers  gegen  den 
Bezogenen  liege.  Ein  derartiger  Rechtssatz  würde  mit  der 
Natur  des  Wechsels,  wie  er  im  Schweiz.  0.  R.,  im  grossen 
Ganzen  in  Nachbildung  des  deutschen  Wechselrechts  und  ent- 
gegen französisch- rechtlichen  Anschauungen,  geregelt  ist,  nioht 
im  Einklänge  stehen.  Danach  ist  strenge  zu  unterscheiden 
zwischen  dem  dem  jeweiligen  Wechselinhaber  aus  dem  Wechsel 
selbst  zustehenden  Rechte  und  dem  zu  Grunde  liegender» 
Rechtsgeschäft,  wie  das  insbesondere  aus  Art.  810  0.  R.  her- 
vorgeht (vergi,  auch  die  Bestimmungen  über  die  Bereicherungs- 
klage, Art.  813  Abs.  2  u.  3).  Es  ist  also  auch  zu  unterschei- 
den zwischen  dem  wechselmässigen  Rechte  des  Wechselneh- 
mers sowie  des  Ausstellers  gegen  den  Acceptanten  einerseits, 
dem  Rechte  auf  die  beim  Bezogenen  befindliche  Deckung 
andrerseits.  Nur  ersteres  wird  durch  die  Wechselbegebung 
übertragen,  nicht  letzteres;  zur  üebertragung  des  letztern 
gehört  eine  eigentliche  Abtretung  nach  Art.  183  ff.  0.  R.,  die 
in  der  blossen  Wechselbegebung  als  solcher  nicht  liegt  (vergi. 
Staub,  Komm.  z.  Wechselrecht  Art.  838;  Lehmann,  Lehrb. 
u.  Wechselrechts  S.  445;  Grün  h  ut,  Wechselrecht  II  S.  149 
und  dort  citierte  Urteile).  (Entsch.  vom  23.  September  1899 
i.  S.  Konkursmasse  Adolf  Kaufmann  &  Gie  c.  Gebrüder  Oswald.) 


14.  O.R.  Art.  561,  582,  863.  Durch  die  Auflösung  einer 
Koüektivgesellschaft  und  die  Bestellung  eines  Liquidators  verlieren 
zwar  die  (von  der  Liquidation  ausgeschlossenen)  Gesellschafter 
die  Befugnis  zur  Vertretung  der  Gesellschaft  es  kann  dies  aber 
gutgläubigen  Dritten,  mit  welchen  sie  nichtsdestoweniger  Rechts- 
geschäfte für  die  Gesellschaft  abschliessend  nicht  entgegengehalten* 
werden,  so  lange  nicht  dtr  darauf  bezügliche  Handelsregisterein- 
trag, weil  die  amtliche  Bekanntmachung  desselben  zu  deren  Kennt- 
nis gelangt  sein  konnte,  den  Dritten  gegenüber  wirksam  geworden  ist. 

(Entsch.  vom  21.  Oktober  1899  i.  S.  Boveyron  c.  Spinedi 
et  Grassi  und  Quiblier  et  Gailloud  in  Liquidation.) 


15.  Bundesgesetz  betr.  die  Haftpflicht  der  Eisenbahnen  und 
Dampfschiffunternehmungen  bei  Tötungen  und  Verletzungen  vom 
l.Juli  1875,  Art.  2,  8,  9.  Beschädigung  oder  Zerstörung  von  Sachen 
durch  den  Bahnbetrieb  ohne  gleichzeitige  Verletzung  eines  Menschen* 


27 

Dans  l'espèce,1)  la  responsabilité  rigoureuse  établie  par 
les  art.  2  et  8,  al.  1"  de  la  loi  fédérale  du  V  juillet  1875  sur 
la  responsabilité  des  entreprises  de  chemins  de  fer  et  de  ba- 
teaux à  vapeur  ne  saurait  être  invoquée  contre  la  Société 
défenderesse,  les  dispositions  en  question  ayant  trait  seule- 
ment aux  accidents,  qui  ont  entraîné  la  mort  d'homme  ou  dea 
lésions  corporelles. 

Mais  l'alinéa  2  de  l'article  8  dispose  qu'en  dehors  des 
cas  visés  à  l'alinéa  1",  l'entreprise  doit  indemnité  pour  les 
objets  perdus,  détruits  ou  avariés,  non  consignés  comme  mar- 
chandises ou  bagages  de  voyageurs,  lorsqu'une  faute  est  établie 
à  sa  charge. 

L'art.  9  dispose  de  plus  que  dans  les  cas  mentionnés  à 
l'art.  8  le  dommage  est  déterminé  sur  la  base  de  la  valeur 
réelle  des  objets  perdus,  détruits  ou  avariés,  une  indemnité 
supérieure  ne  pouvant  être  allouée  que  dans  les  cas  de  dol 
ou  de  négligence  grave  de  l'entreprise  de  transport. 

Ces  dispositions  doivent  trouver  leur  application  dans  le 
cas  actuel,  ainsi  que  dans  tous  les  cas  du  même  genre  à  l'ex- 
clusion des  art.  50  et  suiv.  0.  O.  (Voir  arrêt  du  Tribunal  fé- 
déral en  la  cause  Stähelin  c.  Jura-Simplon,  Ree.  off.  XIX, 
page  188,  consid.  3,  et  arrêt  du  8  juin  1899  en  la  cause 
Wendler  iß.  Jura-Simplon).  (Entsch.  vom  28.  September  1899 
i.  S.  Degrange  c.  Société  genevoise  des  chemins  de  fer  à  voie 
étroite.) 

16.  Bundesgesetz  betr.  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb  vom 
25.  Juni  1881,  Art.  6.  Begriff  der  Heilungskosten. 

Bezüglich  der  Heilungskosten  ist  nur  streitig  die  Ent- 
schädigung für  Anschaffung  und  Unterhalt  des  künstlichen 
Beines.  Nun  gehört  zu  den  Heilungskosten  alles,  was  zur 
Hebung  der  gesundheitsschädigenden  Folgen  des  Unfalls  und 
zur  Wiedererlangung  der  Gesundheit  des  Verunglückten  an- 
gemessenerweise aufgewendet  wird.  Jenem  Zwecke  dienen 
aber  in  Fällen  wie  der  vorliegende  nicht  nur  die  Kosten  für 
die  Anschaffung  künstlicher  Gliedmassen,  sondern,  da  ja  das 
dadurch  erlangte  Mass  von  Erwerbsfähigkeit  nur  bewahrt 
wird,  wenn  die  künstlichen  Gliedmassen  in  Stand  gehalten 
werden,  auch  die  Kosten  für  Reparatur  derselben  (vergi.  AmtL 
Samml.  der   bundesger.  Entsch.  Bd  XVIII  S.  262).     Es  wird 


v)  Durch  einen  Zag  der  beklagten  StrasHenbahngcsellschaft  waren  Pferd 
nnd  Wagen  de»  Klägers  beschädigt  "worden,  ohne  das«  gleichzeitig  ein  Mensch 
verletzt  wurde. 


26 

denn  auch  der  Schaden  wegen  Verminderung  der  Erwerbs- 
fähigkeit in  derartigen  Fällen  in  der  Kegel  unter  der  Voraus- 
setzung berechnet  werden,  dass  das  künstliche  Glied  vorhan- 
den sei.  Auch  aus  diesem  Gesichtspunkte  sind  die  Kosten 
für  Beschaffung  und  Instandhaltung  der  künstlichen  Glied- 
in  asse n  regelmässig  zu  den  Heilungskosten  zu  rechnen,  und 
somit  besonders  zu  ersetzen.  (Entsoh.  vom  2.  November  1899 
i.  8.  Jura-Cementfabriken  o.  Gehrig.) 


1 7.  Bundesgesetz  betr.  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb  vom 
25.  Juni  1881,  Art.  6  letzter  Abs.  Bundesgesetz  betr.  die  Aus- 
dehnung der  Haftpflicht  u.s.f.  vom  26.  April  1887,  Art.  9,  Abs.  2. 

Wenn  in  einer  Haftpflicht  sache,  nachdem  die  Parteien 
sich  verglichen  haben,  auf  Veranlassung  des  Haftpflichtigen 
gleichwohl  der  Form  nach  ein  gerichtliches  Urteil  herbeige- 
führt wird,  durch  welches  der  Haftpflichtige,  auf  seine  An- 
erkennung hin  und  ohne  eigene  Prüfung  der  Sache  durch  das 
Gericht,  zu  Bezahlung  der  Vergleichssumme  verurteilt  wird, 
so  kommt  einem  solchen  Urteile  die  in  Art.  6  letzter  Abs. 
des  Fabrikhaftpflichtge8etzes  dem  definitiven  Urteilsspruche 
beigelegte  Wirkung  nicht  zu;  es  bleibt  vielmehr  trotz  des- 
selben das  Recht  des  Geschädigten  bestehen,  den  .Vergleich 
gemäss  Art.  9  Abs.  2  des  erweiterten  Haftpflichtgesetzes  an- 
zufechten, wenn  die  durch  denselben  gewährte  Entschädigung 
eine  offenbar  unzulängliche  ist.  (Entsch.  vom  28.  September 
1899  i.  S.  Janutulo  c.  Streit  frères.) 


18.  Bundesgesetz  betr.  das  Urheberrecht  an  Werken  der 
Litteratur  und  Kunst  vom  23.  Aprü  1883,  Art.  1,  9,  18. 

1.  Die  Vervielfältigung  eines  Kunstwerkes  (ohne  Bewil- 
ligung des  Berechtigten)  ist,  abgesehen  von  den  im  Gesetze 
ausdrücklich  vorgesehenen  Ausnahmen,  auch  dann  unerlaubt, 
wenn  sie  durch  ein  anderes  Kunstverfahren  als  dasjenige  des 
Originalwerkes  geschieht.  Dies  gilt  auch  für  geschützte  Pho- 
tographien, welche  also  nicht  nur  gegen  Nachbildung  durch 
die  Photographie,  sondern  auch  gegen  solche  durch  die  zeich- 
nenden Künste  (Zeichnung,  Lithographie,  Malerei  u.  s.  w.) 
.geschützt  sind. 

2.  Die  Konfiskation  des  nachgebildeten  Werkes,  deren 
Anordnung  dem  freien  Ermessen  des  Richters  anheimgestellt 
ist,  qualifiziert  sich  (wie  im  Gebiete  des  Markenrechts)  nicht 
-als  Strafe,  sondern  als  eine,  wesentlich  auf  die  Verhinderung 


2S 

zukünftiger  Urheberrechtsverletzungen  durch  den  Verkauf  von 
Nachbildungen  gerichtete  Präventivwassregel.  Sie  ist, 
sofern  dies  nicht  materiell  unmöglich  ist,  streng  auf  die  un- 
erlaubte Nachbildung  zu  beschränken.  Sofern  daher  z.  B.  in« 
einem  illustrierten  Druckwerke  sich  einzelne  nachgebildete 
Illustrationen  befinden,  so  ist  die  Konfiskation  auf  diese  zu 
beschränken  und  nicht  auf  das  ganze  Werk  auszndehnen. 
(Entsch.  vom  15.  September  1899  i.  S.  Burkhardt  c.  Char- 
naux  frères  et  Cie.) 

19.  Bundesgesetz  betr.  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
29.  Aprü  1889,  Art.  197,  204,  205,  269  Abs.  1.  ht  der  Gemein- 
Schuldner  nach  Schluss  des  Konkursverfahrens  ohne  weiteres  be- 
fugt, eine  zur  Konkursmasse  gehörige,  aber  nicht  zu  derselben 
gezogene  Forderung  gegen  den  DriUschuldner  geltend  zu  machen  ^ 

Durch  Verpflichtungsschein  vom  8.  Dezember  1891  ver- 
pflichteten sich  die  Beklagten,  Gebrüder  GL,  dem  Kläger  E. 
auf  sämtlichen  von  diesem  Tage  an  auf  die  Firma  P.  u.  Cie 
in  St.  Gallen  ausgestellten  Fakturen  eine  Kommission  von 
10  %  zu  vergüten.  Der  Kläger  erhob  hierauf  gestützt  im 
Frühjahr  1899  gegen  die  Beklagten  Klage  auf  Bezahlung 
von  Fr.  4391,  indem  er  behauptete,  dass  dieselben  seit  8.  De- 
zember 1891  an  P.  u.  Cie  Waren  im  Gesamtbetrage  von 
Fr.  43,909.  70  geliefert  hätten.  Die  Beklagten  bestritten  zu- 
nächst die  Aktivlegitimation  des  Klägers:  Er  sei  im  März 
1892  in  Konkurs  gekommen,  d.  h.  zu  einer  Zeit,  da  der  An- 
spruch auf  sie  bestanden  habe;  nach  Art.  269  ß.  G.  sei  dem- 
nach nicht  der  Kläger,  sondern  dessen  Konkursmasse  forde- 
rungsberechtigt Auf  Grund  dieser  Einwendung  ist  die  Klage 
vom  Bundesgericht  zur  Zeit  abgewiesen  worden,  im  wesent- 
lichen aus  folgenden  Gründen: 

Es  steht  fest,  dass  E.  nach  Ausstellung  des  fraglichen 
Verpflichtungsscheines  in  Konkurs  gefallen  ist,  und  es  be- 
hauptet der  Kläger  selbst  nicht,  dass  der  Konkurs  in  seinen 
civilrechtlichen  Folgen  dahingefallen  sei,  dass  ein  Widerruf 
desselben  stattgefunden  habe.  Wenn  er  sich  nämlich  darauf 
berufe,  dass  er  rehabilitiert  und  der  Konkurs  ausgetragen  sei, 
so  will  er  mit  letzterer  Bemerkung  offenbar  nur  sagen,  dass 
das  Verfahren  durchgeführt  sei,  und  was  die  Rehabilitation 
betrifft,  so  bezieht  sich  diese  nur  auf  die  öffentlich-rechtlichen 
Folgen  des  Konkurses  und  ist  für  die  heute  streitige  civil- 
rechtliohe  Frage  völlig  unerheblich.  Durch  die  Konkurs- 
eröffnung nun  ist  der  Kläger  den  Konkursgläubigern  gegen- 
über in  seiner  Dispositionsbefugnis  über  die  Vermögensstücke,. 


30 

-die  in  die  Masse  fielen,  gemäss  Art.  204  Abs.  1  B.  G.  einge- 
stellt worden.  Insbesondere  konnte  er  auch  über  Forderun- 
gen, die  zur  Masse  gehörten,  nicht  mehr  frei  verfügen,  d.  h. 
er  durfte  solche  weder  abtreten  oder  in  seinein  persönlichen 
Interesse  zur  Kompensation  verwenden,  noch  durfte  er  sich 
dafür  zu  seinen  Händen  Zahlung  leisten  lassen.  In  letzterer 
Hinsicht  ist  zum  Sohutze  der  Gläubiger  in  Art  205  Abs.  1 
B.  Gr.  ausdrücklich  bestimmt:  „Forderungen,  die  zur  Kon- 
kursmasse gehören,  können  nach  Eröffnung  des  Konkurses 
nicht  mehr  durch  Zahlung  an  den  Gemein  Schuldner  getilgt 
werden;  eine  solche  Zahlung  bewirkt  den  Konkursglänbigern 
gegenüber  nur  insoweit  Befreiung,  als  das  geleistete  in  die 
Konkursmasse  gelangt  ist."  Daraus  folgt  denn,  dass  der 
Schuldner  eines  Gemeinschuldners,  der  von  diesem  auf  Be- 
zahlung einer  zur  Masse  gehörenden  Forderung  belangt  wird, 
den  Nachweis  verlangen  kann,  dass  die  Gefahr,  doppelt  be- 
zahlen zu  müssen,  nicht  besteht,  und  dass  er  die  Zahlung 
verweigern  kann,  so  lange  dieser  Nachweis  nicht  geleistet 
ist.  Dadurch  nun,  dass  der  Konkurs  verpflogen  ist,  erscheint 
die  Gefahr  für  den  Drittschuldner,  doppelt  bezahlen  zu  müssen, 
und  damit  die  daraus  hergeleitete  sogenannte  Einrede  der 
mangelnden  Aktivlegitimation  nicht  als  beseitigt.  Die  Dis- 
positionsbesohränkung  des  Gemeinschuldners  bezieht  sich  auf 
alles  Vermögen,  das  in  die  Konkursmasse  gehört.  Dasselbe 
ist  den  Gläubigern  verstriokt,  ihrem  Besohlagsreoht  verfallen, 
ob  dieses  thatsächlich  ausgeübt  werde  oder  nioht.  Es  ergiebt 
sich  dies  nicht  nur  aus  der  allgemeinen  Fassung  von  Art.  197 
B.  G.,  wonach  sämtliches  Vermögen,  das  dem  Gemeinsohuld- 
ner  zur  Zeit  der  Konkurseröffnung  angehört,  gleichviel  wo 
sich  dasselbe  befindet,  die  Konkursmasse  bildet,  sondern  auch 
aus  Art.  269  Abs.  1  1.  c.  Die  aus  Art.  205  B.  G.  herge- 
leitete Einrede  steht  somit  der  Klage  auch  nach  Durchfüh- 
rung des  Konkurses  noch  entgegen,  d.  h.  es  brauchen  sich 
die  Beklagten  auf  dieselbe  auch  jetzt  und  so  lange  nicht  ein- 
zulassen, bis  der  Kläger  den  Nachweis  erbringt,  dass  die 
Gefahr,  doppelt  bezahlen  zu  müssen,  nioht  mehr  besteht. 
Fraglich  kann  darnach  nur  noch  sein,  ob  die  Forderung,  die 
den  Gegenstand  der  Klage  bildet,  in  die  Konkursmasse  ge- 
hörte. Dies  ist  aber  zu  bejahen.  Der  Rechtsgrund,  auf  welchen 
«ich  die  Forderung  stützt,  liegt  in  dem  Verpflichtungsschein 
vom  8.  Dezember  1891.  Nach  diesem  bedurfte  es  keiner  wei- 
tern Thätigkeit  des  Berechtigten  mehr,  um  die  in  ihrem 
Rechtsgrund  vorhandene  Forderung  zu  einer  existenten  zu 
machen.     Dieselbe  war  allerdings   in  ihrer  Höhe  unbestimmt 


31 

-und  deren  realer  Inhalt  abhängig  von  zukünftigen  Thatsachen. 
Wenn  jedooh  diese  eintraten,  so  gewann  damit  ohne  weiteres, 
ohne  dass  es  irgend  einer  andern  Thätigkeit  des  Klägers  be- 
durfte, sein  Forderungsreoht  nach  Massgabe  des  Verpflich- 
tungsscheines eine  feste  Gestalt.  Zur  Konkursmasse  gehören 
aber  nicht  nur  ihrem  Betrage  nach  bestimmte  oder  fest  be- 
stimmbare Forderungen,  sondern  auch  bedingte  und  solche, 
die  in  ihrer  Höhe  erst  durch  spätere,  vom  Willen  des  Be- 
rechtigten unabhängige  Thatsachen  bestimmt  werden.  (Entsch. 
vom  19.  Oktober  1899  i.  8.  Eisenhut- Geisaberger  c.  Gebr. 
Gegauf.)  

20.  Bundesgesetz  betr.  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
29.  Apr'd  1889,  Art  219  ff.,  250  Abs.  3.  Rechtsverhältnis, 
wenn  durch  einen  nach  Ausbruch  des  Konkurses  abgeschlossenen 
Nachlassvertrag  der  Konkurs  aufgehoben,  aber  die  Liquidation 
des  schuldnerischen  Vermögens  nach  Vorschrift  des  Gesetzes 
der  Konkursverwaltufig  und  dem  Gläubigerausschusse  überl<issen 
wird.  —  Rechtsstellung  desjenigen,  welcher  eine  vom  Gemein- 
schuldner errichtete  und  verpfändete  (luzernische)  Gült  an  der 
konkursrechtlichen  Versteigerung  erworben  hat. —  Art  250  Abs.  3 
ist  auf  die  Anfechtung  der  Verteilungsliste  nicht  anwendbar. 

Im  Konkurse  der  Gesellschaft  S.  &  Gie  auf  Rigi-Kaltbad 
war  am  25.  Februar  1893  ein  gerichtlich  bestätigter  Nachlass- 
vertrag zu  Stande  gekommen,  wonach  die  schuldnerische  Ge- 
sellschaft „den  Konkursgläuhigern  ihr  sämtliches  liegendes 
und  fahrendes  Guthaben  laut  konkursamtlicher  Aufstellung 
freiwillig  zur  Liquidation  mittelst  öffentlicher  Steigerung  und 
Verteilung  naoh  Vorschrift  des  Gesetzes"  abtrat,  wogegen 
die  Kreditoren  erklärten,  sich  mit  dieser  Güterabtretung  unter 
Verzichtleistung  auf  den  nicht  gedeckten  Rest  ihrer  Forde- 
rungen zu  begnügen.  Die  Liquidation  wurde  auch  nach  Ab- 
8chlus8  des  Nachlassvertrages  und  Widerruf  des  Konkurses 
durch  die  im  Konkurse  bestellte  Konkursverwaltung  in  Ver- 
bindung mit  dem  Gläubigerausschusse  im  allgemeinen  in  den 
Formen  und  gemäss  den  Vorschriften  des  Bundesgesetzes 
betr.  Schuldbetreibung  und  Konkurs  durchgeführt. 

Für  ein  von  der  schuldnerischen  Gesellschaft  aufgenom- 
menes Partialobligationenanleihen  (dessen  Inhaber  im  Kollo- 
kationsplane mit  Fr.  1,082,147.90  Kolloziert  wurden),  waren 
eine  Anzahl  (147)  auf  dem  Hoteletablissement  der  Gesell- 
schaft und  dem  sogenannten  Vorlande  errichtete  Gülten  faust- 
pfändlich hinterlegt  worden.  Die  verpfändeten  Gülten  wurden 
am    16.  März    1893    öffentlich    versteigert,    wobei    nach    den 


32 

Steigerungsbedingungen  jede  Nachwährschaft  seitens  de» 
Gläubigerausschusses  und  der  Konkurs -Verwaltung  weg- 
bednngen  war;  sie  wurden  zum  grössten  Teile  von  der  Be- 
klagten, einer  Aktiengesellschaft,  zu  welcher  die  grosse  Mehr- 
zahl der  Obligationäre  zusammengetreten  war  und  der  sie 
ihre  Rechte  abgetreten  hatten,  versteigert;  die  Beklagte  er- 
warb übrigens  nach  der  Gültsteigerung  auch  die  an  dieser 
von  dritten  erworbenen  Gülten. 

An  der  an»  13.  April  1895  stattgefundenen  Steigerung- 
über  das  Hoteletablissement  und  Vorland  ergab  sich  auf  dem 
Nominalbetrage  der  Gülten  der  Beklagten  ein  Verlust  von 
Fr.  276,410.37. 

In  der  am  5.  November  1895  von  der  Konkursverwaltung 
aufgestellten  Verteilungsliste  wurde  die  Beklagte  in  V.  Klasse 
einerseits  mit  dem  Betrage  ihrer  Obligationsforderung,  der 
durch  den  Faustpfand  erlös  nicht  gedeckt  worden  war 
(Fr.  510,175.06),  andrerseits  aber  auch  mit  dem  Verluste 
(von  Fr.  276,410.37),  welchen  sie  als  Gültinhaberin  auf  den 
Liegenschaften  erlitten  hatte,  berücksichtigt;  für  letzteren 
Verlust  wurden  ihr  Fr.  59,060.60  fruchtbar  angewiesen  und 
in  der  Folge  ausbezahlt.  Die  Kläger,  welche  in  der  Liquida- 
tion der  Gesellschaft  S.  &  Cie  mit  anerkannten  Forderungen 
teilweise  in  Verlust  geraten  waren,  erhoben  nun  gerichtliche 
Klage  gegen  die  Beklagte,  indem  sie  verlangten,  a)  dieselbe 
habe  eine  Abänderung  der  Verteilungsliste  dahin  anzuerkennen, 
dass  die  Beklagte  in  V. -Klasse  nur  mit  der  Summe  von 
Fr.  510,175.06  zur  Partizipation  am  Massagute  zugelassen,, 
dagegen  mit  der  weitergehenden  Partizipationsquote  von 
Fr.  276,410.37  von  der  darauf  zugeteilten  Liquidations- 
dividende von  Fr.  59,060.60  wegzuweisen  sei,  eventuell 
letztere  in  die  Masse  zu  restituieren  habe,  samt  Zins  à  5  °/<k 
seit  Empfang,  b)  Dass  die  obgenannte  zu  viel  zugeteilte  und 
eventuell  zu  restituierende  Liquidations- Dividende  von 
Fr.  59,060.60  den  Klägern  soweit  nötig  zur  Deckung  ihrer 
zur  Repartition  zugelassenen  und  ungedeckt  gebliebenen  An- 
sprachen im  Gesamtbetrage  von  Fr.  42,523.23  zuzuteilen  sei- 

Das  Bundesgericht  hat  die  Klage  in  der  Beschränkung 
gutgeheissen,  dass  es  die  Beklagte  verurteilt  hat,  den  Klägern 
einen  Betrag  von  Fr.  4904.93  nebst  Zins  zu  4  °/o  vom 
29.  November  1895  bis  20.  November  1896  und  Zins  zu  5% 
seit  20.  November  1896  zu  erstatten. 

In  den  Gründen  dieses  Urteils  wird  im  wesentlichen 
ausgeführt:  Die  Kläger  können  eine  Abänderung  der  Teilungs- 
liste nur  insoweit  verlangen,  als  sie  daran  interessiert  seien,. 


">■  ■ 


33 

auch  nur  dasjenige  herausverlangen,  was  ihnen  nach  den 
massgebenden  Teilungsgrundsätzen  von  dem  den  Beklagten 
zu  viel  Zugeteilten  zukomme;  dagegen  seien  sie  nicht  be- 
rechtigt, für  andere  Teilnehmer  an  der  Liquidation  klagend 
aufzutreten  und  Restitution  der  diesen  zukommenden  Beträge 
an  die  Masse  zu  verlangen.  In  dieser  Beschränkung  sei  die 
Klage  statthaft  und  prinzipiell  nach  eidgenössischem  Rechte, 
dem  Schuldbetreibungs-  und  Konkursgesetze,  zu  beurteilen, 
dessen  Vorschriften  auf  die  Liquidation  seit  dem  Abschlüsse 
des  Nachlassvertrages  und  dem  Widerrufe  des  Konkurses 
kraft  des  Parteiwillens  als  lex  contraotus  zur  Anwendung 
kommen.  Zwischen  den  an  der  Liquidation  beteiligten  Gläu- 
bigern bestehe  eine  Gemeinschaft  zum  Zwecke  der  Liquida- 
tion der  Aktiven  des  Schuldners  nach  Konkursrecht,  mit 
deren  Durchführung  die  Konkursverwaltung  und  der  Gläubiger- 
ausschuss  beauftragt  worden  seien,  die  aber  hiebei  nicht  mehr 
in  amtlicher  Stellung  (unter  Kontrolle  der  staatlichen  Auf- 
sichtsbehörden), sondern  kraft  privatrechtlichen  Auftrages  zu 
handeln  haben. 

Den  einzelnen  Teilnehmern  an  dieser  Gemeinschaft  müsse 
(ausser  der  Mandatsklage  gegen  die  Beauftragten)  auch  eine 
Klage  gegen  ihre  Genossen  jedenfalls  insoweit  zustehen,  als 
es  sich  um  die  Feststellung  der  gegenseitigen  aus  dein  Ge- 
meinschaftsverhältnisse sich  ergebenden  Rechte  und  Ver- 
pflichtungen handle.  Die  Kläger  können  daher  ihre  Ansprüche 
an  der  Teünngsraasse  gegenüber  den  kollidierenden  An- 
sprüchen der  Beklagten  auf  dem  Wege  der  gerichtlichen 
Klage  gegen  letztere  geltend  machen.  Die  Verteilungsliste 
der  Liquidationsorgano  enthalte  lediglich  einen  vorläufigen 
Bescheid,  während  die  endgültige  Festsetzung  der  gegen- 
seitigen Ansprüche  einem  gerichtlichen  Verfahren  zwischen 
den  interessierten  Parteien  vorbehalten  bleiben  müsse.  In  der 
Sache  selbst  sei  einzig  die  Anweisung  bestritten,  welche  die 
Beklagte  als  Inhaberin  einer  Anzahl  Gülten  auf  die  liqui- 
dierte Liegenschaft  als  Kurren tgläubigerin  in  Klasse  V  für 
denjenigen  Betrag  ihrer  Gülten  erhalten  habe,  der  durch  den 
Liegenschaftserlös  nioht  gedeckt  worden  sei.  Der  Liquidator 
habe  diese  Anweisung  gestützt  auf  §  36  des  luzernisohen 
Eiiiführungsgesetze8  zum  Bundeegesetze  über  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  erteilt,  wonach  der  nicht  gedeckte  Betrag  grund- 
versicherter Forderungen  nach  Art.  219  Abs.  4  B.-Ges.  kollo- 
ziert werde.  Dem  gegenüber  führen  die  kantonalen  Gerichte 
aus:  im  Momente  des  Konkursausbruches  habe  eine  grund- 
versioherte   Forderung  zu   Gunsten   der   Faustpfandgläubiger 


34 

nicht  bestanden;  die  blosse  Pfandgabe  der  Gülten  begründe 
noch  keine  persönliche  Haftbarkeit  des  Pfandgebers  für  die 
Güte  der  Gült,  und  das  s  vorliegend  eine  solche  kraft  Partei- 
willens hätte  begründet  werden  können,  sei  um  so  weniger 
anzunehmen,  da  ja  die  Pfandgeberin  ohnehin  Schuldnerin  des 
Obligationenkapitals  gewesen  sei,  zu  dessen  Sicherstellung 
die  Pfandbestellung  erfolgt  sei.  Durch  das  Konkursverfahren 
hätten  neue  Forderungen  an  den  Gemeinschuldner  nicht  be- 
gründet werden  können,  'somit  habe  auch  die  konkursrecht- 
liche Versteigerung  der  Gülten  nicht  diese  Folge  haben  können. 
Diese  auf  der  Auslegung  des  kantonalen  Rechtes  beruhende 
Schlussfolgerung    der  kantonalen  Instanzen  sei  vom  Bundes- 

ferichte  als  richtig  hinzunehmen,  sofern  sie  nicht  mit  den 
undesrechtlichen  Vorschriften  über  die  Zwangsliquidation  in 
Widerspruch  gerate.  Dies  sei  aber  nicht  der  Fall,  im  Gegen- 
teil könnte  sich  fragen,  ob  nicht  eine  gegenteilige  Auffassung 
als  mit  dem  eidgenössischen  Rechte  unverträglich  bezeichnet 
werden  müsste. 

Art.  219  Abs.  4  B.-Ges.,  auf  welchen  die  Beklagte  sich 
berufe,  treffe  wohl  soweit  zu,  als  nach  demselben  die  Be- 
klagte für  den  Ausfall  an  ihrer  Obligationsforderung,  den  sie 
bei  der  Versteigerung  ihrer  Faustpfänder  erlitten  habe,  in 
Klasse  V  in  Konkurrenz  mit  den  übrigen  Gläubigern  anzu- 
weisen gewesen  sei.  Dagegen  könne  sich  die  Beklagte  auf 
Art.  219  Absatz  4  in  ihrer  Eigenschaft  als  .Ersteigerer  der 
Gülten  nicht  berufen.  Wenn  überhaupt  für  die  Erwerber  der 
liquidierten  Gülten  eine  persönliche  Forderung  an  die  Ge- 
meinschuldnerin entstanden  sei,  so  sei  dies  jedenfalls  erst 
mit  der  Versteigerung  geschehen.  Eine  solche  Forderung  ge- 
höre aber  nicht  zu  denjenigen,  die  im  Konkurse  zu  berück- 
sichtigen seien,  da  dieser  als  einheitliche  Operation  die  Be- 
friedigung der  im  Zeitpunkte  der  Konkurseröffnung  bestehen- 
den Forderungen  bezwecke.  Die  konkursrechtliche  Versteige- 
rung von  Gülten,  die  von  ihrem  Errichter  zu  Pfand  gegeben 
worden  seien,  müsste  zudem,  nach  dem  Wesen  des  Konkurses 
als  einer  Gesamtliquidation,  notwendigerweise  zu  der  Steige- 
rung der  belasteten  Liegenschaften  in  Beziehung  gebracht 
werden.  Das  Gültenrecht  könne  daher  dem  Gemeinschuldner 
bezw.  der  Masse  gegenüber  nur  auf  die  Liegenschaften 
und  deren  Erlös  gehen  und  es  können  diesen  gegenüber  nach 
der  Versteigerung  nicht  mehr  Rechte  aus  den  Gülten  her- 
geleitet werden  als  vorher  damit  verknüpft  waren.  Es  sei 
daher  auch  vom  Standpunkte  des  eidgenössischen  Konkurs- 
rechtes  aus   richtig,   dass   die  Vorinstanzen  die  Beklagte  für 

/ 

y 


•den  (nominellen)  Verlust,  den  sie  als  Gültinhaberin  durch  die 
Verwertung  der  verhafteten  Liegenschaften  unter  dem  Nenn- 
werte der  Gülten  erlitten  habe,  nicht  zur  Partizipation  an 
der  Liquidationsmasse  zugelassen  und  die  Berichtigung  der 
Verteilungsliste  in  diesem  Sinne  angeordnet  haben.  Zu  Un- 
gunsten der  Kläger  sei  nun  aber  der  Beklagten  nur  ein  Be- 
trag von  Fr«  4904.93  zu  viel  zugeteilt  und  ausgezahlt  worden. 
Der  Anspruch  der  Kläger,  dass  ihnen  auch  derjenige  Teil  des 
von  der  Beklagten  zu  Unrecht  Bezogenen  zugeteilt  werde, 
der  andern  am  Prozesse  nicht  beteiligten  Gläubigern  hätte 
zugeschieden  werden  sollen,  sei  unbegründet.  Art.  250  Abs.  3 
des  Schuld betreibung8-  und  Konkursgesetzes,  auf  welchen  sie 
«ich  berufen,  sei  eine  singulare  Bestimmung,  welche  sich  nur 
auf  die  Anfechtung  des  Kollokationsplanes  beziehe,  nicht  aber 
auf  die  Anfechtung  der  Verteilungsliste  anzuwenden  sei.  Bei 
Anfechtung  der  Verteilungsliste  treffen,  da  hier  die  Rechts- 
stellung der  Parteien  durch  den  Kollokationsplan  schon  fest- 
gestellt sei,  die  Gründe,  welche  die  singulare  Norm  des  Art. 
250  Abs.  3  für  die  Kollokationsstreitigkeiten  rechtfertigen, 
nicht  zu.  (Ent8oh.  v.  12.  Oktober  1899  i.  S.  Erben  Segesser- 
Faaden  und  Paul  Segesser  c.  Aktiengesellschaft  Hôtel  Rigi- 
Kaltbad.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


21.  Irrtum  ausgeschlossen  durch  notwendig  vorausgesetzte 
Geschäftskenntnis  des  Käufers.  Art.  19  0.  R. 

Aargau.  Urteil  des  Handelsgerichts  v.  J.  1897/98. 

Ein  Käufer  von  300  Liter  Rhum  verweigerte  die  An- 
nahme der  Ware  mit  der  Einrede,  er  habe  sich  über 
deren  Preis  geirrt  und  insbesondere  nicht  gewusst,  dass  eine 
Alkoholmonopolsteuer  von  Fr.  360.  90  dafür  bezahlt  werden 
müsse.     Diese  Einrede  wurde  aber  verworfen. 

Gründe:  Nach  dem  Eintrag  ins  Handelsregister  betreibt 
der  Beklagte  eine  Branntweinbrennerei  und  Wirtschaft.  Der 
Richter  muss  daher  annehmen,  dass  der  Beklagte,  ohne  dass 
er  besonders  darauf  aufmerksam  gemacht  wurde,  wusste  oder 
doch  wissen  konnte,  dass  für  den  streitigen  Rhum  eine  nicht 
unbedeutende  Alkoholmonopolsteuer  bezahlt  werden  müsse. 
Als  Branntweinbrenner  und  Wirt  ist  der  Beklagte  zweifellos 


36 

mit  den  diesbezüglichen  Verhältnissen  vertraut;  jedenfalls 
durfte  der  Reisende  der  Klägerin  voraussetzen,  dass  der  Käufer 
die  Bestimmungen  betreffend  die  Alkoholmonopolgebühren 
kenne,  so  dass  er  nicht  schlechthin  verpflichtet  war,  denselben 
ausdrücklich  darauf  aufmerksam  zu  machen.  Andrerseits 
mu8ste  der  Beklagte  aus  der  Preisofferte  notwendig  schliessen, 
dass  die  Bezahlung  sämtlicher  Spesen  und  Gebühren  dem 
Käufer  auffalle  und  dass  die  Gebühren  nicht  geringe  sein 
können.  Rhum  mittlerer  Qualität  wurde  im  Dezember  1896 
und  wird  auch  heute  mit  Fr.  1.  80  bis  Fr.  2.  30  per  Liter 
bezahlt.  Der  Beklagte  musste  das  wissen;  er  hatte  also* 
keinen  Grund  anzunehmen,  dass  ihm  der  Reisende  des  Klä- 
gers Rhum  zu  dem  ausnahmsweise  billigen  Preis  von  80  Cts. 
bezw.  Fr.  1.20  offeriere.  Ein  Irrtum  im  Sinne  des  Art.  19 
0.  R.  war  daher  bei  diesen  Verhältnissen  ausgeschlossen. 

(Bericht  des  A  arg.  Handelsgerichts  für  1897/98  an  den  Gr.  Rat  des 
Kt.  Aargau,  S.  16/) 


22.  Betrug,  berechtigt  bloss  zu  Vertragsaufhebung,  nicht 
zu  Schadenersatz  für  den  aus  Haltung  des  Kaufes  resultierenden* 
Nachteil.  Minderungsklage t  Art.  28,  50,  243  0.  R. 

Zürich.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichts  vom  2.  Mai 
1899  in  S.  Schmid  c.  Bolliger. 

Am  6.  Januar  1898  kam  zwischen  den  Parteien  ein  Ver- 
trag zu  stände,  wonaoh  der  Beklagte  Bolliger  dem  Kläger 
Schmid  ein  an  der  Rieterstrasse  Zürich  II  gelegenes  Wohn- 
haus mit  Umgelände  zum  Preise  von  Fr.  105,000. —  verkaufte.. 
Der  Verkäufer  Bolliger  machte  dabei  dem  Käufer  die  Zu- 
Sicherung,  dass  die  Mietzinserträgnisse  des  Hauses  die  Summe 
von  im  ganzen  Fr.  4320. —  erreichen.  Nach  «1er  Fertigung 
stellte  es  sich  nun  aber  heraus,  dass  dieser  Betrag  vom  Be- 
klagten um  Fr.  320. —  zu  hoch  angegeben  worden  war,  und 
es  verlangte  daher  der  Kläger  eine  Entschädigung  von 
Fr.  8000.—.  Das  Bezirksgericht  Zürich  III.  Abtl.  hiess  die 
Klage  im  Betrage  von  Fr.  7000. —  gut.  Die  Appellations- 
karomer  des  Obergerichtes  dagegen  hat  den  Entschädigungs- 
anspruch des  Klägers  verworfen. 

Gründe:  1.  Hinsichtlich  der  Schadenersatzforderung 
von  8000  Fr.  hat  die  erste  Instanz  als  bewiesen  angenommen,, 
dass  der  Beklagte  dein  Kläger  doloser  Weise  unrichtige  An- 
gaben bezüglich  der  Mieterträgnisse  der  verkauften  Liegen* 
Schaft  gemacht  habe. 


37 

Es  fragt  sieb,  ob  der  Kläger,  der  nicht  gemäss  Art.  24 
"O.  R.  den  Kaufvertrag  als  unverbindlich  erklärt,  sondern  ihn 
halten  will,  dennoch  den  ihm  entstandenen  Schaden  einklagen 
könne.  Wenn  in  dieser  Beziehung  das  Bezirksgericht  auf 
•die  Bestimmung  des  Art.  28  abstellt,  so  ist  zu  sagen,  dass 
diese  Gesetzesbestimmung  nicht  etwa  eine  neue  Grundlage 
für  eine  eigenartige  Schadenersatzforderung  schafft  (was  aller- 
dings ein  in  der  Revue  jud.  1894  S.  261  enthaltenes  Urteil 
anzunehmen  scheint),  sondern  lediglich  bestimmt,  dass  die 
Genehmigung  des  Vertrags  nicht  die  Geltendmachung  einer 
«llfälligen,  auf  Art.  50  zu  basierenden  Klage  ausschliesse. 

Als  Schaden,  der  demnach  in  Betracht  fällt,  kann  nun 
aber  nicht  der  Nachteil  betrachtet  werden,  der  dem  Käufer 
infolge  der  Haltung  des  Kaufvertrages  erwächst.  Denn  diesen 
Schaden  hätte  er  durch  Bestreitung  der  Gültigkeit  des  Kauf- 
vertrags abwenden  können.  Das  Gesetz  würde  offenbar  dies 
•ausdrücklich  sagen,  wenn  es  den  Grundsatz  hätte  aufstellen 
•wollen,  dass  der  Käufer  im  Falle  des  Art.  24  entweder  den 
Vertrag  nicht  gelten  lassen  oder  den  Nachteil  einklagen 
könne,  der  ihm  bei  Nichtanfechtung  desselben  entstehe.  In 
Präge  kann  also  nur  ein  weiterer  Schaden  kommen,  den  der 
Käufer  auch  einklagen  könnte  bei  Nichthalten  des  Kaufes, 
das  negative  Vertragsinteresse.  Die  Meinung  des  Art.  28  ist 
lediglich  die,  dass  ein  solcher  Schaden  auch  dann,  wenn  der 
Kauf  gehalten  wird,  dennoch  einklagbar  sei.  Dooh  ist  dies 
-weiter  nicht  auszuführen,  da  der  Kläger  einen  solchen  Scha- 
den gar  nicht  behauptet  hat. 

Die  Motive  zum  Entwurf  für  das  deutsche  bürgerliche 
Gesetzbuch  (Bd  II  S.  756)  beantworten  allerdings  die  vor- 
würfige Frage  in  entgegengesetztem  Sinne,  davon  ausgehend, 
dass  durch  den  Yertragsabschluss  der  Schaden  entstanden  sei, 
so  dass  er  nun  entweder  infolge  Anfechtung  des  Vertrags 
oder  durch  Einklagung  einer  Entschädigungssumme  seine 
Wirkung  übe.  Allein  nach  dem  durch  die  Theorie  und  Praxis 
der  einschlägigen  Bestimmungen  des  0.  R.  gegebenen  Aus- 
legung (vergi,  v.  Tuhr  in  der  Zeitschrift  f.  Schweiz.  R.,  N.  F., 
XVII  S.  I  f.)  ist  der  Vertrag,  bei  dem  der  eine  Teil  durch 
betrügerische  Handlungen  des  andern  zum  Abschlüsse  be- 
stimmt wurde,  nicht  nur  anfechtbar  wie  nach  dem  deutschen 
bürgerlichen  Gesetz  §  124,  sondern  unverbindlich  für  den 
Betrogenen.  Geht  man  hievon  aus,  so  kann  also  auch  nicht 
gesagt  werden,  dass  dieser  nichtige  Vertrag  eine  schädigende 
Wirkung  dem  gegenüber  ausüben  könne,  der  ihn  nicht  zu 
.genehmigen  braucht. 


38 

Von  einem  andern  Gesichtspunkte  aus  kommt  allerdings 
v.  Tuhr,  1.  c.  Seite  19  dazu,  dem  betrogenen  Teile  eine  Scha- 
densersatzklage einzuräumen,  indem  er  unterscheidet  zwischen 
dem  Falle,  wo  der  eine  Teil  ohne  die  Vorspiegelungen  des 
andern  überhaupt  einen  Vertrag  nicht  abgeschlossen  hätte 
(hier  soll  der  Vertrag  ungültig  sein),  und  dem  Falle,  wo  der 
Dolus  des  einen  Kontrahenten  den  andern  lediglich  zur  Ac- 
ceptieruog  weniger  günstiger  Bedingungen  veranlasst,  —  hier 
soll  dieser  den  Schaden  einklagen,  dagegen  nicht  den  Vertrag 
als  unverbindlich  erklären  können.  Allein  für  eine  solche 
Unterscheidung  bietet  der  Wortlaut  des  Gesetzes  durchaus 
keine  Anhaltspunkte.  Auch  würde  die  Durchführung  des- 
selben das  Resultat  haben,  dass  der  betrogene  Teil  durch 
seine  Klage  thatsächlich  bessere  Vertragsbedingungen  er* 
zweoken  und  erreichen  würde  als  die  vereinbarten.  Mit  Recht 
hat  daher  die  Gerichtspraxis  den  Vertrag  für  den  betrogenen 
Teil  in  allen  Fällen  als  unverbindlich  erklärt,  in  denen  der 
Irrtum,  in  dem  er  sich  beim  Abschlüsse  befand,  durch  be- 
trügerische Handlungen  des  andern  Teiles  erregt  wurde. 

2.  Wenn  die  Klage  nach  den  gemachten  Ausführungen 
nicht  auf  Art.  50  gestützt  werden  kann,  so  kommt  weiter  in 
Frage,  ob  der  Kläger  seine  Forderung  auf  Art.  243  begründen, 
also  die  Minderungsklage  anstellen  könne.  Doch  ist  dies  zu 
verneinen.  Die  Angabe  des  Verkäufers  eines  Gebäudes,  es- 
trage  eine  bestimmte  Summe  von  Mietzinsen  ein,  ist  nicht 
die  Zusicherung  einer  dem  Objekte  innewohnenden  Eigen- 
schaft. Der  Mietwert  bestimmt  sich  vielmehr  aus  den  vor- 
handenen Eigenschaften  der  Sache,  die  hier  nioht  fraglich» 
sind,  und  über  die  der  Verkäufer,  unrichtige  Angaben  nicht 
gemacht  hat.  Behauptungen,  die  der  Eigentümer  aufstellt 
und  die  zwar  auf  die  verkaufte  Sache  Bezug  haben,  aber 
nicht  Eigenschaften  derselben  betreffen,  können  daher  wohl 
im  Falle  ihrer  Unrichtigkeit  zur  Anwendung  des  Art.  24, 
nicht  aber  zur  Geltendmachung  des  Art.  243  führen.  (Vergi. 
Rech.-Ber.  1888  Nr.  118  und  Handelsr.  Entsch.  Bd  XVI  S.  122.> 
(Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entsch.,  XVIII  S.  237  f.) 


29.  Action  en  dommages-intérêts,  fondée  sur  les  en- 
quêtes du  tribunal  pénal  et  la  condamnation  pénale.  Inadmissi- 
bilité de  la  preuve  contraire  devant  le  juge  civil.  Art.  59  C.  0- 

Genève.  Jugement  de  la  Conr  de  justice  civile  du  29  avril  1899  d. 
1.  c.  Dreyfus  c.  Lacombe. 

Lacombe  a  assigné  Dreyfus  en  paiement  de  300  fr.,  à 
titre  de  dommages-intérêts,   et  a   articulé  que  D.  l'avait,    1& 


39 

28  inai  1898,  sans  droit,  roué  de  coups,  jeté  à  terre,  puis  lui 
avait  donné  de*  coups  de  pied  dans  le  ventre  et  qu'il  en 
était  résulté,  pour  lui,  une  incapacité  de  travail  et  la  perte 
de  ses  vêtements;  que  ces  faits  avaient  été  établis  par  le 
jugement  du  Tribunal  de  police  qui  a  condamné  D.  à  40  fr. 
d'amende.  Dreyfus  soutient  qu'il  avait  agi  en  état  de  légitime 
défense,  ce  qu'il  offre  à  prouver,  et  que  le  juge  civil  n'était 
pas  lié  par  les  appréciations  du  juge  pénal.  Sur  cette  excep- 
tion la  Cour,  en  confirmant  le  jugement  de  première  instance, 
se  prononce  comme  suit: 

Attendu  qu'en  admettant  que  l'art.  59  C.  0.  doive  être 
étendu  aux  dispositions  de  l'art.  50,  alors  qu'il  ne  vise  ex- 
pressément que  les  art.  56,  57  et  58,  il  dispose  seulement 
que  le  juge  n'est  pas  lié  par  l'acquittement  prononcé  au  pé- 
nal et  ne  fait  aucune  mention  du  cas  où  l'auteur  du  dom- 
mage a  été  condamné; 

Considérant  que  la  condamnation  prononcée  au  pénal  lie 
nécessairement  le  juge  civil,  au  moins  en  ce  qui  concerne  la 
preuve  de  l'existence  de  l'acte  illicite; 

Que  les  tribunaux  civils  saisis  d'une  demande  en  dom- 
mages-intérêts à  raison  d'un  acte  illicite  pour  lequel  son  au- 
teur a  été  condamné  au  pénal  ne  peuvent  pas  davantage  en 
méconnaître  l'existence,  que  ne  le  pourrait  le  juge  pénal  lui- 
même,  si  la  victime  de  l'acte  illicite  avait  formé  devant  lui 
une  demande  de  dommages-intérêts  après  le  verdict  de  cul- 
pabilité ; 

Que  la  seule  chose  qui  puisse  être  discutée  devant  le 
juge  civil  est  l'étendue  du  dommage  causé; 

Qu'il  suit  de  là  que  la  preuve  offerte  par  Dreyfus  n'est 
pas  admissible.  (La  Semaine  judiciaire,  XXI  p.  623  sh.> 


24.  Haftpflicht  des  Eigentümers  von  Tieren  für  Ver- 
letzung durch  diese.  Art.  65  0.  R. 

HU  Gallen.  Urteil  des  Kantonsgeriehts  vom  10./18.  November  1899. 

Der  während  zwölf  Jahren  bei  Pferdehändler  ß.  als 
Pferdekneoht  in  Dienst  stehende  A.  wurde  beim  Füttern  der 
Pferde  im  Stalle  des  B.  von  einem  Pferde  in  die  Kniekehle 
geschlagen  und  erlitt  eine  schwere  Verletzimg.  Das  Geschäft 
des  B.  ist  der  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb  nicht  unterstellt. 
A.  klagte  gegen  B.  eine  Entschädigung  ein  auf  Grund  von 
Art.  65  0.  R.,  dessen  Voraussetzungen  hier  vorlägen,  weil 
das  Pferd  ein  bösartiges  gewesen  sei  und  der  Eigentümer  die 


40 

nötige  Aufsicht  schuldhaft  unterlassen  habe.  Das  Kantons- 
gericht hat  die  Klage  abgewiesen.  Aas  der  Begründung  ist 
hervorzuheben  : 

Der  Art.  65  knüpft  die  Haftpflicht  des  Pferdehalters  fur 
Schaden,  den  sein  Tier  anrichtet,  an  eine  sohuldhafte  Un- 
terlassung. Eine  solche  setzt  die  Möglichkeit  einer  Handlung 
voraus,  womit  dem  Sohaden  hätte  vorgebeugt  werden  können. 
Wenn  z.  B.  der  Pferdehändler  ein  Tier,  das  er  als  bösartig 
kennt,  ankauft,  in  seinen  Stall  verbringt  und  seinem  Pferde- 
wärter in  Pflege  und  Besorgung  giebt,  ohne  diesen,  der  das 
Tier  noch  nicht  kennt,  auf  dessen  Bösartigkeit  und  gefahr- 
liche Untugenden  aufmerksam  zu  machen,  so  begeht  er 
zweifellos  dem  Wärter  gegenüber  eine  schuldhafte  Unterlas- 
sung, für  deren  Folgen  er  ihm  nach  Art.  50  O.  R.  aufzu- 
kommen hätte.  Nun  hat  aber  A.  von  Ende  September  bis 
zum  28.  Dezember  1898,  d.  h.  von  der  Rückkehr  des  Pferdes 
aus  dem  Militärdienst  bis  zur  Verletzung  des  A.  Gelegenheit 
gehabt,  die  Bösartigkeit  des  Pferdes  kennen  zu  lernen.  Er 
hat  auch  gar  nicht  behauptet,  sie  nioht  gekannt  zu  haben, 
und  sein  Nebenknecht  hat  ausdrücklich  bezeugt,  dass  ihnen 
beiden  das  Pferd  als  bösartiger  Baisser  und  Schläger  bekannt 
gewesen  sei. 

Unter  den  heutigen  Parteien  aber  erscheint  die  Anwen- 
dung des  Art.  65  0.  R.  auf  die  dem  A.  am  28.  Dezember  1898 
zugestossene  Verletzung  grundsätzlich  und  gänzlioh  ausge- 
schlossen durch  die  freiwillige  und  dienstvertragliche  Ueber- 
nahrae  der  Pflege  und  Wartung  des  ihm  als  bösartig  be- 
kannten Pferdes  seitens  des  A.  Wer  sich  bei  einem  Pferde- 
händler als  Pferde wärter  und  Stallknecht  verdingt,  und 
diesen  Dienst  schon  so  lange  versehen  hat  wie  A.,  der  weiss 
aus  eigener  Erfahrung,  dass  er  sich  auf  öftern  Wechsel  im 
Pferdebestand  gefasst  zu  machen  hat,  und  dass  dabei  neben 
gutartigen  auch  recht  bösartige  Tiere  in  seine  Besorgung 
geraten.  Er  kennt  also  die  Gefahren,  denen  er  ausgesetzt  sein 
wird.  —  Aber  mit  der  Pflege  und  Wartung  hat  er  auch 
diese  damit  verbundenen  Gefahren  und  die  daraus  sich  etwa 
ergebenden  Schädigungen  zu  tragen  übernommen.  Zu  deren 
Abwehr  ist  er  daher  nach  der  Natur  der  Sache  vornehmlich 
auf  seine  eigene  Vorsicht  und  Umsicht,  auf  seine  persönliche 
Kraft  und  Gewandtheit  verwiesen. 

(Eiltech,  des  Kantonegerichts  St.  Gallen  i.  J.  1899,  S.  77  ff.) 


41 


25.  Holschuld  oder  Bring  schul  dì    Art.  84  0.  R. 


Ben.  'Urteil  des  Appellations-  and  KaBsationshofes  vom  25.  Juni 
1898  i.  S.  Blau  c.  Bächler. 

Blau  hatte  an  Bächler  aus  Milchlieferungen  noch  Fr.  1570.28 
zu  fordern  und  liess  ihn  zur  Zahlung  dieses  Betrags  hinnen 
fünf  Tagen  auffordern.  Bächler  antwortete,  er  solle  das  Geld 
'bei  ihm  abholen.  „Aber,"  wie  es  ira  Protokoll  des  Friedens- 
richters heisst,  „der  Kläger  will  den  Betrag  nicht  holen  und 
der  Beklagte  solchen  dem  Kläger  nicht  bringen."  Da  wurden 
.nun  zwei  Instanzen  mit  der  Bache  behelligt.  Die  zweite  sprach: 

Massgebend  für  die  Entscheidung  dieser  Frage  ist  Art.  84 
O.  R.,  wonach  für  Geldschulden  als  Regel  gilt,  dass  sie  am 
Wohnsitze  des  Gläubigers,  den  dieser  am  Erfüllungstage 
hatte,  zu  zahlen  sind,  welche  Regel  aber  dahin&llt,  wenn 
durch  Parteivereinbarung  ein  anderer  Erfüllungsort  bestimmt 
ist.  Es  fragt  sich  zunächst,  ob  die  erstere  Vorschrift  wört- 
lich zu  nehmen  sei,  so  dass  es  genügen  würde,  wenn  die 
Geldschuld  überhaupt  in  dem  Orte  des  Wohnsitzes  des  Gläu- 
bigers angeboten  wird,  wie  sich  der  französische  Text  des 
Gesetzes  ausdrüokt  (dans  le  lieu  où  le  créancier  a  son  do- 
micile). Wäre  die  Frage  zu  bejahen,  so  hätte  im  vorliegenden 
Falle,  wenn  man  von  allfälligen  Vereinbarungen  der  Parteien 
absieht,  der  Beklagte  die  geschuldete  Leistung  unter  allen 
Umständen  am  richtigen  Orte  angeboten,  da  sowohl  der  Kläger 
als  der  Beklagte  am  nämlichen  Orte,  in  Rüegsauschachen, 
ihren  Wohnsitz  haben.  Indessen  ist  klar,  dass  wenn  man 
nicht  zu  absurden  Eonsequenzen  gelangen  will,  die  erwähnte 
Bestimmung  dahin  ausgelegt  werden  muss,  dass  die  Zahlung 
in  das  Haus,  das  Gesohäftslokal,  die  Wohnung  des  Gläubi- 
gers zu  effektuieren  ist  (vergi.  Schneider  und  Fiok,  2.  Aufl. 
der  grössern  Ausgabe,  Anm.  2  zu  Art.  84).  —  Und  so  geht 
es  in  behaglicher  Breite  unendlich  lang  weiter;  man  weiss 
nicht,  so  11  man  sich  mehr  über  die  Trölerei  der  Parteien 
oder  über  die  Ernsthaftigkeit,  mit  der  das  Gerioht  diese  Lap- 
palie behandelt,  verwundern. 

(Zeitsohr.  des  Bern.  Jur.-Ver.,  XXXV  S.  215  ff.) 


26.  Prescription.  Transaction  postérieure  à  la  prescription. 
Prétendue  novation.  Art.  142,  146  C.  0. 

Genève.  Jugement  du  Tribunal  de  première  instance  du  7  décembre 
1897  d.  1.  c.  dame  Dupuis  c.  Tiasot. 

Dame  Dupuis  conolut  à  la  condamnation  de  Tissot  à  la 
somme   de   575  fr.    Tissot   excipe   de  prescription,   invoquant 


42 

qu'il  s'est  reconnu  débiteur  de  la  demanderesse  d'une  somme 
totale  de  fr.  6295.—  les  2  octobre  1876  et  15  juillet  1879, 
et  que  dono  toute  action,  en  vertu  de  ces  titres,  est  prescrite. 
Dame  Dupuis  offre  de  prouver  qu'en  mars  1897,  Tissot  au- 
rait consenti,  malgré  la  prescription  acquise,  et  à  titre  de 
transaction  acceptée  par  elle,  à  lui  payer  une  somme  de 
800  fr.  pour  solde,  soit  500  fr.  comptant  et  25  fr.  par  mois, 
dès  le  1er  juillet  1897,  jusqu'à  extinction  de  ce  solde  de  800  fr. 
De  l'aveu  de  la  demanderesse,  il  s'agirait  de  sa  créance  pri- 
mitive, mais  qu'elle  aurait  consenti,  en  mars  1897,  à  réduire 
à  fr.  800. —  pour  solde,  à  titre  de  transaction. 

Le  Tribunal  a  rejeté  l'offre  de  preuve  de  la  demanderesse 
comme  inadmissible  en  présence  de  l'art.  187  loi  de  proc.  civ. 
et  a  débouté  la  demanderesse  de  ses  conclusions,  en  se  pro- 
nonçant comme  suit: 

Attendu  qu'il  ne  peut  s'agir,  en  l'espèce,  d'une  novation 
(Art.  142  C.  0.),  c'est-à-dire  d'une  nouvelle  dette  substituée 
à  l'ancienne,  car  (ainsi  que  le  dit  Rössel,  Manuel,  p.  187  s.), 
la  novation  suppose  deux  obligations,  l'une  qu'elle  est  des- 
tinée à  éteindre  et  l'autre  qu'elle  crée  en  remplacement  de 
cette  dernière,  mais  il  est  une  condition  indispensable  en- 
matière  de  novation,  c'est  que  celle-ci  ne  peut  se  produire 
si  l'une  des  obligations  est  inexistante  ou  frappée  de  nullité 
absolue  ; 

Or,  dans  l'espèce,  la  créanoe  primitive  de  dame  Dupuis, 
suivant  reconnaissances  des  2  ootobre  1876  et  15  juillet  1879, 
étant  prescrite,  ne  constitue  qu'une  obligation  qui  a  cessé 
d'exister  de  par  la  loi  et  ne  peut,  dès  lors,  faire  l'objet  d'une 
novation,  cai*  une   dette  nouvelle   ne   peut  être  substituée  à 

Une  dette   qui   n'existe  plu8.      (La  Semaine  judiciaire.  XX  p.  684  m.1 


27.  Assurance  contre  les  accidents.  Réticence  ou  dé- 
claration fausse  de  l'assuré  sur  la  nature  de  ses  occupations 
ordinaires.  Annulation  du  contrat  d'assurance. 

Neneh&tel.  Jugement  du  Tribunal  cantonal  da  14  novembre  1898 
d.  1.  c.  Eckert  c.  Compagnie  „La  France  industrielle. u 

Pierre  Eckert,  maître  d'hôtel  et  voiturier  à  Saint-Biaise, 
a  souscrit  une  proposition  d'assurance  individuelle  contre  les 
accidents  auprès  de  la  Compagnie  „La  France  industrielle.* 
La  proposition  renfermait  les  deux  questions: 

„Sa  profession?" 

„Ses  occupations  accessoires  l'exposent-elles  plus  parti- 
culièrement à  des  accidents  ?" 


43- 

A   la   première,    il    répondit:  „maître    oThôtel,"    et  à  la 
seconde:  „non." 

Sur  la  foi  des  déclarations  contenues  dans  la  proposition,, 
la  Compagnie  rangea  Eckert  dans  les  deux  premières  classes 
comprenant  les  personnes  ayant  une  profession  sédentaire, 
resp.  ayant  une  profession  non  sédentaire,  mais  ne  se  livrant 
à  aucun  travail  manuel,  c'est-à-dire  elle  admit  en  faveur  de 
l'assuré,  au  lieu  de  le  ranger  uniquement  dans  la  deuxième 
classe,  une  combinaison  un  peu  plus  favorable  et  fixa  la  prime 
à  fr.  43.95  (au  lieu  de  la  prime  de  fr.  45. —  de  deuxième- 
classe).  C'est  sur  cette  base  que  le  contrat  d'assurance  fut 
signé  par  les  parties,  le  29  novembre  1880.  Le  16  juin  1897, 
Eckert  conduisit  le  juge  d'instruction  dans  les  environs  de 
Saint-Biaise.  Revenu  devant  son  éourie,  il  se  disposait  à  des- 
cendre  de  son  siège;  mais  son  cheval  ayant  fait  un  brusque 
mouvement,  il  tomba  à  califourchon  sur  une  des  roues  de  la 
voiture  et  subit  des  lésions  corporelles  diminuant  sa  capacité 
de  travail  de  moitié  au  moins.  Il  introduisit  contre  la  Com- 
pagnie une  action  en  payement  de  la  somme  de  fr.  5430. — . 
La  Compagnie  opposa  les  moyens  suivants:  Si  Eckert  avait 
annoncé  qu'il  était  voiturier,  il  rentrait  dans  la  4me  classe  et 
aurait  payé  annuellement  fr.  77.50;  la  Compagnie  a  donc  été 
induite  en  erreur  par  l'indication  inexacte  de  l'assuré  sur  la 
nature  de  ses  occupations  habituelles.  La  responsabilité  qu'elle 
assumait  aux  termes  du  contrat  était  tout  autre  que  celle 
qu'elle  pouvait  prévoir  et  il  y  avait  désaccord  entre  le  risque 
réel  de  l'assuré  et  la  prime  payée.  L'art.  5  des  conditions  de 
la  police  dit:  „Toute  réticence,  toute  déclaration  fausse  ou 
inexacte  sur  la  nature  du  travail  ou  des  occupations  ordi- 
naires de  l'assuré  donnent  lieu,  de  plein  droit,  à  l'annulation- 
de  l'assurance. u  Or,  la  Compagnie  se  voit  obligée  de  demander 
l'annulation  du  contrat.  Le  demandeur  contesta  d'avoir  com- 
mis une  faute:  à  la  question  „sa  profession ?a  il  a  répondu 
l'exacte  vérité;  comme  tous  les  hôteliers  campagnards  d'une 
certaine  importance,  il  avait  chevaux  et  voitures,  et  cela  os- 
tensiblement au  vu  et  au  su  des  agents  de  la  Compagnie. 
Le  formulaire  de  la  proposition  est  extrêmement  sommaire  et 
ne  renferme  aucune  question  concernant  les  occupations  ac- 
cessoires de  l'assuré.  Eckert  ne  pouvait  fournir  d'autres  ré- 
ponses que  celles  qu'il  a  données.  Si  quelqu'un  a  commis  une 
faute,  c'est  la  Compagnie  ou  ses  agents. 

Le  Tribunal  a  déclaré  fondée   la   demande  de  la  défen- 
deresse en  annulation  du  contrat. 

Motifs:  D'après  les  principes  généraux  qui  régissent  le. 


44 

droit  civil,  les  parties  sont  libres  de  se  lier  par  toutes  sortes 
de  conventions  ...  Si  on  s'en  tenait  uniquement  à  ce  prin- 
cipe, on  devrait,  à  teneur  de  l'art.  5  de  la  police,  prononcer 
l'annulation  de  l'assurance  pour  toute  réticence  etc. 

Mais  il  serait  contraire  à  la  bonne  foi  d'annuler  l'assu- 
rance pour  le  motif  d'une  indication  inexacte,  lorsque  cette 
inexactitude  porte  sur  un  fait  qui  était  sans  importance  pour 
la  conclusion  du  contrat.  On  ne  doit  attribuer  cet  effet  qu'aux 
inexactitudes  qui  ont  trait  k  des  circonstances  importantes, 
c'est-à-dire  les  circonstances  qui  sont  généralement  envisagées 
comme  de  nature  à  influer  sur  la  volonté  de  l'assureur  de 
souscrire  à  l'assurance  aux  conditions  stipulées. 

D'autre  part,  il  n'est  pas  nécessaire  que  la  fausseté  de 
la  déclaration  provienne  du  dol  ;  une  simple  faute  du  preneur 
d'assurance  suffit  pour  faire  prononcer  la  déchéance  de  la  po- 
lice (Trib.  féd.  XXIII,  Nr.  234,  Gross  c.  Winterthour). 

En  juin  1897,  Eckert  avait  deux  professions,  sans  qu'on 
puisse  dire  quelle  était  la  plus  importante.  Il  tenait  avec 
l'aide  de  sa  femme  l'hôtel-café  de  la  Croix  fédérale,  à  Saint- 
Biaise.  Il  avait  en  outre  une  entreprise  de  voiturage-camion- 
nage.  Il  avait  l'habitude  de  conduire  lui-même  ses  clients. 
Eckert  n'était  donc  pas  un  hôtelier  de  oampagne  qui  aurait 
un  cheval  et  une  voiture  pour  les  besoins  de  son  établisse- 
ment, mais  il  tenait  ses  chevaux  et  voitures  à  la  disposition 
du  public.  Au  commencement  de  l'année,  il  fit  des  publica- 
tions danB  les  journaux  annonçant  qu'il  avait  cédé  à  son 
gendre  „son  commerce  de  voiturage  et  de  camionnage." 

Le  demandeur  ne  prétend  pas  que  son  entreprise  de 
voiturage  soit  de  date  récente.  Cette  situation,  telle  qu'elle 
se  présentait  au  moment  de  Paooident,  existait  déjà  lors  de 
la  conclusion  du  contrat« 

L'indication  fournie  par  Eckert  à  la  Compagnie  n'était 
donc  pas  conforme  à  la  réalité.  Elle  devait  nécessairement 
induire  en  erreur  la  Compagnie,  qui  ne  pouvait  pas  supposer 
que  P.  Eckert  exerçât,  concurremment  avec  la  profession  d'hô- 
telier, la  profession  de  voiturier-camionneur. 

Cette  inexactitude  portait  sur  une  circonstance  très  im- 

Sortante.  C'était  en  effet  la  nature  des  occupations  ordinaires 
e  l'assuré  qui,  dans  un  pareil  contrat,  permet  de  déterminer 
le  risque  de  la  Compagnie  et,  par  conséquent,  les  primes 
qu'elle  doit  exiger  pour  se  couvrir  de  ce  risque. 

Or,  il  est  évident  que  les  dangers  professionnels  sont, 
pour  un  voiturier-camionneur  ou  même  un  simple  voiturier, 
tout  autres  que  pour  un  hôtelier.  Si  donc  la  Compagnie  avait 


45 

connu  la  vérité,  elle  aurait  probablement  rangé  Eckert  dans 
sa  4me  classe  et  loi  aurait  réclamé  la  prime  de  fr.  77.50.  Et 
réventualité  n'est  pas  exclue  qu'elle  ait  envisagé  Eokert  aussi 
comme  un  camionneur  et  qu'elle  ait  exigé,  pour  rassurer, 
une  prime  plus  considérable.  Ce  qui  est  dans  tous  les  cas 
certain,  c'est  que  la  Compagnie  n'aurait  pas  consenti  au  con- 
trat du  29  novembre  dans  les  conditions  où  il  a  été  conclu. 

Dans  le  contrat  d'assurance,  l'assuré  a  le  devoir  de  ré- 
pondre exactement  aux  questions  qui  lui  sont  posées  par  la 
proposition.  En  l'espèce,  on  ne  peut  prétendre  que  Eckert  n'a 
pas  violé  ce  devoir,  ne  serait-ce  que  par  négligence  ou  inat- 
tention. C'est  en  vain  que  le  demandeur  prétend  qu'il  ne 
pouvait  répondre  autrement,  étant  donnée  la  rédaction  du  for- 
mulaire de  1880.  Si  Eckert  estimait,  d'ailleurs  faussement, 
que  ses  occupations  de  voiturier  ne  constituaient  pas  une 
„profession, u  il  devait  alors  les  considérer  comme  des  „occu- 
pations accessoires."  Dans  ce  oas,  son  attention  aurait  dû 
ótre  attirée  par  la  question  où  on  lui  demandait  si  ses  occu- 
pations accessoires  l'exposaient  plus  particulièrement  à  des 
accidents.  Or,  chacun  connaît  les  accidents  de  la  profession 
qu'il  exerce  ou  des  occupations  auxquelles  il  se  livre  habi- 
tuellement. Eokert  ne  pouvait  ignorer  que  ses  occupations  de 
voiturier  et,  cas  échéant,  de  camionneur,  l'exposaient  à  plus 
de  dangers  que  sa  profession  d'hôtelier. 

(Quant  à  l'allégation  du  demandeur,  que  les  agents  de 
la  Compagnie  ont  eu  connaissance  de  ses  occupations  comme 
voiturier,  le  Tribunal  constate  que  ce  fait  n'a  pas  été  établi 
par  la  procédure.) 

(Jugements  du  Trib.  cant.  de  Neuchâtel,  V  p.  150  88.) 


28.  Kompetenz  ausländischer  Gerichte  für  Ehe- 
scheidungsklagen von  Schweizerbürgern.  Vollstreckbar- 
keit in  der  Schweiz.  B.-Ges.  betr.  Civilstand  und  Ehe  vom  24.  Dez, 
1874,  Art.  43. 

Basel  Stadt.  Orteil  des  Civilgericht«  vom  17.  Mai  1899  i.  S.  Ebe- 
lente  Zäslin. 

Die  Eheleute  Z.,  Basler  Bürger,  haben  in  Württemberg 
gewohnt,  wo  auch  die  Frau  her  ist,  und  ihre  Ehe  ist  durch 
Urteil  des  Landgerichts  zu  Stuttgart  auf  Klage  des  Ehe- 
mannes geschieden  worden.  Diese  Ehescheidung  ist  im  Civil- 
standsregister  der  Stadt  Tübingen  eingetragen  worden.  Der 
geschiedene  Ehemann  stellte  nun  an  das  Civilstandsamt  seines 


46 

.Heimatortes  Basel  das  Begehren  um  Eintragung  der  duroh 
rechtskräftiges  Urteil  erfolgten  Ehescheidung  in  das  Basler 
Civilstandsregister.  Dies  lehnte  das  Civilstandsamt  ab,  weil 
das  Scheidungsurteil  vom  Standpunkte  des  eidgenössischen 
Eherechtes  gemäss  der  Interpretation  des  Art.  43  des  Ehe* 
gesetzes  durch  den  Bondesrat  in  der  Schweiz  nicht  als  gel- 
tend angesehen  werden  könne.  Der  geschiedene  Khemann 
reichte  nun  bei  dem  Civilgerichte  eine  Exekutionsklage  ein, 
«flit  dem  Antrag,  das  Stuttgarter  Urteil  als  vollstreckbar  zu 
erklären  und  das  Civilstandsamt  zum  Eintrag  desselben  im 
Eheregister  gemäss  Art.  57  B.-Ges.  betr.  Civilstand  und  Ehe 
anzuweisen.  Die  Beklagte,  die  geschiedene  Ehefrau,  erklärte 
schriftlich,  keine  Einwendung  zu  erheben.  —  Das  Civilgericht 
hat  gemäss  dem  klägerischen  Begehren  entschieden.  Aus  den 
-Motiven  ist  Folgendes  hervorzuheben: 

Da  die  Bestimmungen  des  Art.  43  des  Schweiz.  Ehe* 
:gesetzes  zwingenden  Rechtes  sind,  muss  ex  officio  geprüft 
werden,  ob  das  ausländische  Gericht  in  Sachen  kompetent 
war  oder  nicht.  Bei  dieser  Prüfung  ist  für  den  zur  Exeku- 
tion angerufenen  Richter  massgebend  sein  heimatliches  Recht. 
Es  bandelt  sich  deshalb  darum,  zu  entscheiden,  ob  das  Stutt- 
garter Landgerioht  nach  schweizerischem  und  nach  Basler 
Prozessrecht  zum  Erlass  des  Urteils  kompetent  war. 

Ganz  ohne  allen  Zweifel  stellt  nun  Art.  43  des  Schweiz. 
.Ehegesetzes  als  Grundprinzip  auf,  dass  der  Gerichtsstand  des 
Wohnortes  des  Ehemannes  für  Ehescheidungsklagen  das 
-alleinige  forum  legale  sein  soll.  Die  schweizerische  Gesetz- 
gebung befindet  sich  hierin  in  Uebereinstimmung  mit  der- 
jenigen des  deutschen  Reiches.  Nur  ein  einziges  forum  wird 
in  Ehescheidungssachen  anerkannt,  das  generelle  des  Ehe- 
mannes, und  es  fragt  sich  nun  nur,  ob  der  zweite  Abschnitt 
des  Artikels  43  diese  Regel  aufheben  will  für  den  Fall  des 
Eehlens  eines  Wohnsitzes  des  Ehemannes  in  der  Schweiz,  ob 
er  an  Stelle  des  forum  generale  für  diesen  Fall  ein  exklu- 
sives forum  speciale  vorschreiben  will  oder  ob  er  nur  zur 
Erleichterung  der  Ehescheidungsklage  auswärts  wohnender 
Staatsangehöriger  neben  dem  forum  domicilii  das  forum  ori- 
ginis  gestatten  will,  ob  der  Art.  43  II  einen  Geriohtszwang 
dekretiert,  da  nur  dem  einheimischen  Richter  die  Möglichkeit 
gegeben  ist,  die  Exekution  des  Urteils  zu  vollziehen,  oder 
ob  der  ausländische  Richter  am  Wohnorte  des  Ehemannes  als 
kompetent  zu  betrachten  ist,  während  dem  einheimischen 
Richter  dann  nur  die  Prüfung  der  Vollstreckbarkeit  und  die 
Anordnung  der  Vollstreckung  des  Urteils  als  Aufgabe  zufällt. 


47 

Gegen  die  erstere  Auffassung,  diejenige  des  h.  Bundes- 
rates, spricht  aber  schon  der  Wortlaut  des  Gesetzes.  Hätte 
•der  Gesetzgeber  einen  Gerichtszwang  vorschreiben  wollen, 
so  würde  er  nicht  das  Zeitwort  „können"  sondern  „müssen" 
gewählt  haben.  Der  im  Auslande  befindliche  Schweizer  kann 
die  Scheidungsklage  an  seinem  Heimatorte  oder  seinem  letzten 
schweizerischen  Wohnorte  anbringen,  er  muss  aber  nicht. 
Es  ist  ihm  ein  Wahlrecht  eingeräumt.  Der  Gesetzgeber  be- 
zweckte offensichtlich,  dem  Schweizerbürger  im  AusTande  auf 
alle  Fälle  die  notwendig  gewordene  Ehescheidung  zu  ermög- 
lichen. Deshalb  räumte  er  ihm  das  Eecht  ein,  falls  er  die 
Scheidung  im  Auslande  nicht  herbeiführen  kann,  jedenfalls 
in  der  Heimat  zu  diesem  Ziele  gelangen  zu  können.  Das 
forum  domicilii  für  alle  Fälle  als  alleiniges  oder  für  im  Aus- 
lande befindliche  Schweizer  auch  nur  elektiv  im  Gesetze  auf- 
zustellen, ging  nicht  an,  da  ein  schweizerisches  Gesetz  über 
die  Grenzen  hinaus  nicht  Wirkung  haben,  und  der  auslän- 
dische Richter  nicht  angehalten  werden  kann,  die  Scheidungs- 
klage eines  Fremden  annehmen  zu  müssen.  Damit  ist  aber 
nicht  gesagt,  dass,  wenn  er  die  Klage  annimmt  und  einen 
Entscheid  fällt,  dadurch  etwas  Unzulässiges  und  Ungültiges 
geschaffen  werde.  Der  einheimische  Richter  kann  den  Ent- 
scheid prüfen  und  sich  damit  begnügen,  nach  dem  Grundsatze 
ne  bis  in  idem  denselben  gutzuheissen. 

Es  besteht  keinerlei  Nachweis  und  auch  kein  zwingender 
Grund  für  die  Annahme,  dass  das  Gesetz  ein  forum  exclusi- 
vum  vorschreibe.  Es  stünde  ein  solches  auch  im  Widerspruch 
mit  dem  Geiste  der  Bundesverfassung  und  der  ratio  legis  des 
schweizerischen  Ehegesetzes,  welche  in  Art.  54  bezw.  Art.  25 
den  Grundsatz  aufstellen,  dass  die  im  Auslande  nach  der 
dort  geltenden  Gesetzgebung  abgeschlossene  Ehe  von  Schweizer- 
bürgern im  Gebiete  der  Eidgenossenschaft  voll  und  gültig 
anerkannt  werden  soll.  Diese  Gesetzesbestimmung,  worin 
das  Inland  auf  alle  in  seinem  Gebiete  für  den  Eheschluss 
vorgeschriebenen  Förmlichkeiten  und  rechtlichen  Kautelen, 
ja  selbst  auf  den  Grundsatz  der  Giviltrauung  verzichtet,  ist 
von  viel  grösserer  Tragweite  als  die  Anerkennung  einer 
Scheidung,  die  zwischen  Schweizerbürgern  im  Auslande  erst 
nach  Durchführung  einer  gründlichen  richterlichen  Prüfung 
durch  das  Urteil  eines  ausländischen  Gerichtes  ausgesprochen 
worden. 

Dieser  Widerspruch  wird  sofort  klar,  wenn  man  in  Be- 
tracht zieht,  dass  die  durch  das  rechtskräftige  Urteil  des 
Landgerichts  zu  Stuttgart  geschiedenen  Parteien  im  deutschen 


48 

Reiche  wieder  sich  andererseits  rechtsgültig  verehelichen  kön- 
nen, auch  wenn  das  Scheidungsurteil  in  ihrer  Heimat  nicht 
anerkannt  wird,  und  dass  dann  derselbe  Civilsiandsbeamte 
ihrer  Heimatgemeinde,  der  sich  weigerte,  am  Rande  seines 
Registers  die  Soheidung  einzutragen,  genötigt  wäre,  zwei 
neue  Ehen  der  nicht  geschiedenen  Eheleute  rechtsgültig  ein- 
tragen zu  müssen.  Ja  die  Konsequenzen  könnten  noch  leicht 
eigenartigere  werden,  da  der  Kläger  nun  in  Frankreich  Do- 
mizil genommen  und  daselbst  die  Anerkennung  des  Stutt- 
garter Scheidungsurteils  erreichen  und  sich  in  Frankreich 
wieder  rechtsgültig  verehelichen  könnte.  Die  Scheidung  würde 
dann  von  zwei  grossen  Staaten  als  rechtsgültig  anerkannt», 
vom  kleinen  Heimatlande  nicht. 

Da  das  deutsche  Reoht  für  Ehescheidungen  ebenfalls  den 
Gerichtsstand  des  Wohnortes  des  Ehemannes  vorschreibt,  ent- 
spricht es  dem  Schweizer  Recht,  und  war  somit  das  Stutt- 
garter Landgericht  zum  Urteile  kompetent.  Das  Basler 
Prozessrecht  schreibt  eine  Ueberprüfung  des  ausländischen 
Urteils  nicht  vor,  verlangt  auch  nicht  den  Nachweis  der  Re- 
oiprocität.  Einwendungen  gegen  die  Gerechtigkeit  und  Bil- 
ligkeit des  Urteils  schliesst  es  sogar  aus.  Immerhin  ist  doch 
in  Betracht  zu  ziehen,  ob  das  Urteil,  das  nach  dem  Gesetze 
des  Prozessortes  gefällt  worden,  nicht  gegen  die  im  öffent- 
lichen Interesse  liegenden  Grundsätze  des  einheimischen  Ehe- 
rechtes  Verstösse.  Es  ist  dies  nicht  der  Fall;  der  im  Urteil 
festgesetzte  Thatbestand  entspricht  den  auch  im  schweizeri- 
schen Rechte  aufgestellten  Scheidungsgründen,  sowohl  des 
Art.  46  d  als  auch  des  Art.  45. 

Es  steht   somit  der   Vollstreckbarerklärung    des    Urteils» 
nichts  entgegen. 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


29.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundes- 
rechlspßege  vom  22.  März  1893,  Art.  58  Abs.  2,  59,  81.  Bundes- 
gesetz über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  li.  April  1889 1 
Art.  285  ff.,  289.  Streitwert  bei  der  Anfechtungsklage.  —  Ver- 
hältnis des  Art  289  des  Schuldbetreibungs-  und  Konkursgesetzes 
zu  Art.  81  0.  ö.  —  Mit  der  Berufung  gegen  das  Haupttuteil 
können  nur  solche  Vor-  oder  Zurischenentscheide  angefochten 
werden,  welche  von  der  letzten  kantonalen  Instanz  ausgehen. 

1.  Bei  der  Anfechtungsklage  ist  für  den  Streitwert 
nicht  die  Höhe  der  Forderung  des  Anfechtungsklägers,, 
sondern  der  Wert  der  für  die  Masse  verlangten  Rück- 
leistung massgebend. 

2.  Art.  289  des  Bundesgesetzes  über  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  schränkt  die  Wirksamkeit  des  Art.  81  des 
Organisationsgesetzes  nicht  ein.  Das  Bundesgericht  ist  daher 
in  Anfechtungsstreitigkeiten  in  gleicher  Weise  wie  in  allen 
andern  Berufungssachen  an  die  tatsächlichen  Feststellungen 
der  kantonalen  Gerichte  gebunden. 

3.  Allerdings  unterliegen  auch  die  von  den  kantonalen 
Instanzen  gefällten  Vor-  und  Zwischenentscheide  mit  dem 
Haupturteil  der  Beurteilung  des  Bundesgerichtes,  allein  doch 
nur  insofern,  als  mit  Bezug  auf  dieselben  auch  die  übrigen 
Voraussetzungen  für  die  bundesgerichtliche  Ueberprüfung  ge- 
geben sind.  Dazu  gehört  aber,  dass  der  angefochtene  Vor- 
oder  Zwischenentscheid  von  der  letzten  dafür  zuständigen  kan- 
tonalen Instanz  ausgehe.  Wenn  es  daher  eine  Partei  unter- 
lassen hat,  einen  der  Weiterziehung  fähigen  Vor-  oder 
Zwisohenentscheid  der  untern  kantonalen  Instanz  vor  die 
obere  zu  bringen,  so  hat  sie  sich  damit  auch  des  Rechts 
begeben,  denselben  vor  dem  Bundesgerichte  anzufechten. 
(Entsch.  vom  22.  November  1899  i.  S.  Levy-Sonnebom  c.  IL 
Hess  &  Cie.) 

30.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art.  58,  60,  65.  —  Wenn  die  For- 
derungen mehrerer    Mitkläger    (die    sich    nicht  gegenseitig   aus- 


50 

schUessen)  zusammengerechnet  den  Betrag  von  Fr.  2000  erreichen, 
so  ist  nach  Art.  60  0.  0.  die  Bemfung  an  das  Bundesgericht  für 
und  gegen  jeden  einzelnen  Mitkläger  statthaft,  ohne  Rücksicht  dar- 
auf, ob  nach  der  kantonalen  Prozessgesetzgebung  die  Berufung 
an  die  obere  kantonale  Instanz  statthaft  ist  oder  nicht.  Die 
Berufung  an  das  Bundesgericht  ist  aber  (für  und  gegen  alle  Mit 
klnger)  erst  dann  statthaft,  wenn  der  Prozess  vor  den  kantonalen 
Gerichten  vollständig  erledigt,  d.  h.  wenn  Über  sämtliche  streitige 
Ansprüche  von  der  letzten  dafür  zuständigen  kantonalen  Instanz 
entschieden  ist.  Ist  also  für  die  Ansprüche  einzelner  Mitkläger  die 
Berufung  an  die  zweite  kantonale  Instanz  zulässig,  für  diejenigen 
anderer  dagegen  nicht,  so  kann  auch  hinsichtlich  der  letzteren 
die  Berufung  an  das  Bundesgericht  erst  dann  ergriffen  werden, 
wenn  hinsichtlich  der  er&teren  die  Sache  in  der  obern  kantonalen 
Instanz  erledigt  ist;  es  läuft  demgemäss  auch  die  Frist  zur  Ein- 
legung der  Berufung  für  und  gegen  alle  Mitkläger  erst  von  letz- 
terem Zeitpunkte  an. 

(Entsch.  vom  11.  November  1899  i.  S.  Savoy  u.  Genossen 
c.  Colliard.)  

31.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art.  67  Abs.  2.  Bei  Schadenersatz- 
oder  ähnlichen  Ansprüchen  gehört  es  zu  der  Form  der  Be- 
rufungserklärung,  dass  in  derselben  ziffermässig  der  Umfang 
und  das  Mass  dessen  angegeben  werde,  was  in  Abweichung  vom 
angefochtenen  Urteile  verlangt  wird.  Wird  nur  9  angemessene* 
Herabsetzung  (oder  Erhöhung)  der  Entschädigung  verlangt,  so 
ist  die  Berufungserklärung  unwirksam. 

In  einer  Haftpflichtsache  war  der  Beklagte  vom  Appel- 
lations- und  Kassationshofe  des  Kantons  Bern  zu  Bezahlung 
einer  Aversalsumme  samt  Zins  seit  19.  Dezember  1897  und 
einer  lebenslänglichen  Rente  verurteilt  worden. 

In  seiner  Berufungserklärung  gegen  die  kantonale  Ent- 
scheidung stellte  der  Beklagte  folgende  Anträge: 

1.  Es  sei  der  Betrag  der  restanzliohen  Aversalsumme  an- 
gemessen herabzusetzen  und  jedenfalls  die  Verpflichtung  zur 
Verzinsung  dieses  Betrages  seit  19.  Dezember  1897  ab- 
zuändern. 

2.  Es  sei  die  lebenslängliche  Rente,  welche  dem  Kläger 
auszurichten  sein  wird,  angemessen  herabzusetzen. 

Das  Bundesgericht  ist  auf  die  Berufung  nicht  eingetreten 
aus  folgenden  Gründen:  Nach  Art.  67  Abs.  2  Organis.  Ges. 
ist  in  der  Berufungserklärung  anzugeben,  inwieweit  das  kan- 
tonale Urteil  angefochten  wird  und  welche  Abänderungen  be- 


51 

antragt  werden.  Das  Gesetz  will,  dass  das  Gericht  von  vorn- 
herein wisse«  und  dass  auch  die  Gegenpartei  schon  durch  die 
Berufungserklärung  in  den  Stand  gestellt  werde,  zu  beurteilen, 
was  in  der  bundesgerichtlichen  Instanz  noch  streitig  ist,  ins- 
besondere, wie  hoch  sich  bei  vermögensrechtlichen  Anständen 
das  noch  streitige  Interesse  beläuft.  Die  Berufungsanträge 
müssen  deshalb  möglichst  bestimmt  und  genau  lauten.  So 
genügt  es  bei  Schadenersatz-  und  ähnlichen  Ansprüchen  nicht, 
dass  bloss  allgemein  die  Richtung  bezeichnet  werde,  in  der 
der  Berufungskläger  die  Abänderung  eines  Urteils  anbegehrt, 
sondern  es  muss  ziffermässig  der  Umfang  und  das  Mass  dessen 
angegeben  sein,  was  in  Abweichung  vom  angefochtenen  Urteile 
verlangt  wird.  Abgesehen  vom  Zweck  der  Bestimmung  ist 
diesbezüglich  auch  auf  den  französischen  Text  zu  verweisen, 
der  lautet:  „Cette  déclaration  indique  dans  quelle  mesure 
le  jugement  est  attaqué  et  mentionne  les  modifications  de- 
mandées1' (vergi,  auch  Amtl.  Samml.  der  bundesger.  Entsch. 
Bd  XXI,  S.  424,  Bd  XX,  S.  394).  Dem  Erfordernisse  mög- 
lichster Bestimmtheit  und  Genauigkeit  der  Berufungsanträge 
entspricht  nun  eine  Fassung,  wie  sie  hier  vorliegt,  nicht,  in- 
dem es  an  einer  ziffermässigen  Angabe  über  den  Umfang  und 
das  Mass  der  gewünschten  Abänderungen  gebricht.  Es  ist 
auch  nicht  etwa  prinzipaliter  ein  bestimmtes  Begehren  for- 
muliert und  bloss  eventuell  auf  Reduktion  nach  richterlichem 
Ermessen  angetragen,  sondern  die  Begehren  lauten  einzig  auf 
angemessene  Herabsetzung  der  gesprochenen  Entschädigung. 
Dies  hat  zur  Folge,  dass  die  Berufung,  weil  ihr  ein  wesent- 
liches gesetzliches  Erfordernis  mangelt,  als  rechtlich  unwirk- 
sam erklärt  werden  muss.  Mit  Bezug  auf  einen  Punkt,  das 
Datum  des  Beginns  des  Zinsenlaufs,  ist  die  Berufungserklärung 
allerdings  bestimmter  formuliert.  Allein  es  ist  klar,  dass  auf 
diesen  rein  accessorischen  Punkt  nicht  eingetreten  werden 
kann,  wenn  die  Berufung  in  der  Hauptsache  den  Vorschriften 
des  Gesetzes  nicht  entspricht  (vergi.  Art.  54  Organis«  Ges.). 
(Entsch.  vom  6.  Dezember  1899  i.  S.  Wüthrich  &  Cie  c.  Rhyn). 


32.  0.  R.  Art  17,  179  ff.  Grundsätze  betreffend  Gültigkeit 
von  Konkurrenzverboten.  —  Auslegung  eines  beim  Verkaufe  eines 
Zeitungsunternehmens  vereinbarten  Konkurrenzverbotes. 

Die  Beklagte,  Frau  M.  B.,  welche  in  Z.  eine  Verlags- 
handlung betreibt,  verkaufte  dem  Kläger  0.  K.  am  13.  Ja- 
nuar 1896  die  in  ihrem  Verlage  erscheinende  „Schweizerische 
Modezeitung"    für   den    Preis    von    Fr.  16,000.     Dabei    ver- 


52 

pflichtete  sie  sich,  „weder  eine  Modezeitung  noch  ein  ahn* 
Hohes  Unternehmen  zu  gründen  oder  zu  betreiben,  gegen 
eine  Konventionalstrafe  von  Fr.  10,000."  Seit  Herbst  1897 
wurde  in  Zürioh  auf  den  Namen  des  Liegenschaftsagenten 
J.  E.  F.  und  seiner  Schwägerin  Fräulein  B.  eine  Zeitung 
„Neue  Schweizer  Mode"  herausgegeben.  Dass  diese  Zeitung: 
in  That  und  Wahrheit  auf  Rechnung  der  Beklagten  be- 
trieben worden  sei,  hat  nicht  sicher  festgestellt  werden 
können.  Dagegen  steht  fest,  dass  die  Beklagte  teils  in 
eigener  Person,  teils  durch  Zustimmung  zu  den  Handlungen 
ihres  Ehemannes  und  in  Mitbethätigung  bei  denselben  zu 
der  Gründung  der  „Neuen  Sohweizer  Mode"  Veranlassung^ 
gegeben,  dem  F.  das  erforderliche  Betriebskapital  vorgeschossen 
und  ihm  die  nötigen  Instruktionen  sowie  einen  sachkundigen 
Li8eratenpäohter  zugeführt,  dem  Fräulein  B.  mit  Rat  bei- 
gestanden  und  im  August  1898  durch  Hingabe  eines  weiteren 
Kapitals   die  Fortsetzung  des  Unternehmens  ermöglicht  hat. 

Die  Klägerin  klagte  auf  Zahlung  der  Konventionalstrafe 
von  Fr.  10,000  und  diese  Klage  wurde  sowohl  vom  Handels- 
gerichte des  Kantons  Zürioh  als  vom  Bundesgerichte  in  vollem 
Umfange  gutgeheissen. 

In  den  Gründen  der  Bundesgerichtsentscheidung  wird 
über  die  Gültigkeit  und  Tragweite  des  Konkurrenzverbotea 
im  wesentlichen  ausgeführt:  Das  Bundesgericht  hat  in  stän- 
diger Praxis  den  Grundsatz  ausgesprochen,  dass  ein  Kon- 
kurrenzverbot oder  ein  Konkurrenzverzicht  dann  unsittlich 
sei,  wenn  dadurch  die  wirtschaftliche  Freiheit  des  sich  Ver- 
pflichtenden geradezu  aufgehoben,  oder  doch  in  dem  Masse 
beschränkt  werde,  dass  er  von  derselben  nicht  mehr  gehörigen 
Gebrauch  machen  könne,  und  eine  solche  Beschränkung  ins- 
besondere dann  angenommen,  wenn  die  Verpflichtung  nach 
Gegenstand,  Zeit  und  Ort  unbeschränkt,  oder  zeitlich  und 
örtlich  zu  ausgedehnt  war  (vergi,  zuletzt  Urteil  des  Bundes- 
gerichts vom  19.  Februar  1898  in  Sachen  Ackermann  contra 
Hünerwadel  &  Cie,  Amtl.  Samml.  Bd  XXIV  2.  Tl.  S.  123  f., 
Erw.  2).  Allerdings  sind  diese  Grundsätze  bis  anhin  nur  be- 
züglich der  bei  Dienstverträgen  vorkommenden  Konkurrenz- 
klauseln aufgestellt  worden;  aber  sie  haben,  da  sie  sich  auf 
den  allgemeinen  Rechtsgrundsatz  des  Art.  17  0.  R.,  dass  un- 
sittliche Rechtsgeschäfte  nichtig  seien,  stützen,  auch  auf  alle 
übrigen  Konkurrenz  verböte  und  -Verzichte,  wie  überhaupt  auf 
jede  vertragliche  Beschränkung  der  Gewerbefreiheit  Anwen- 
dung zu  finden  (vergi.  Lemberg,  Yertragsmässige  Beschrän- 
kungen   der    Handels-    und    Gewerbefreiheit,    Breslau    1888,. 


öd 

S.  1  fi.);  dabei  werden  allerdings  jeweilen  die  Verhältnisse  im 
einzelnen  geprüft  werden  und  wird  man  in  der  Regel  bei 
Dienstverträgen,  wo  der  wirtschaftlich  schwächere  dem  wirt- 
schaftlich stärkeren  gegenübersteht,  in  der  Auslegung  strikter 
verfahren,  als  bei  Kaufverträgen,  wo  es  sich  um  wirtschaft- 
lich gleich  starke  Parteien  handelt.  Im  vorliegenden  Falle 
nun  ist  der  Konkurrenzverzioht  schon  nach  seinem  Gegen- 
stände ganz  bestimmt  begrenzt;  er  betrifft  eine  Modezeitung 
oder  ein  „ähnliohes  Unternehmen."  Diese  Beschränkung  würde 
bei  der  Natur  des  Geschäftes  der  Beklagten  eine  unzulässige 
Einschränkung  ihrer  wirtschaftlichen  Freiheit  selbst  dann 
nicht  bilden,  wenn  sie,  was  nach  dem  Wortlaute  der  Kon- 
kurrenzklausel allerdings  der  Fall  ist,  zeitlich  und  örtlich  un- 
begrenzt wäre;  denn  die  Beklagte  betreibt  ganz  allgemein 
«in  Verlagsgeschäft  und  kann  sich  in  diesem  Gewerbe  nach 
mannigfachen  Richtungen  hin  bethätigen  ;  ihre  wirtschaftliche 
Freiheit  ist  nur  bezüglich  eines  bestimmten,  genau  begrenzten 
Gebietes  eingeschränkt,  und  hiefür  hat  sie  überdies  einen 
Gegenwert  erhalten.  Von  einer  Unsittlichkeit  des  fraglichen 
Konkurrenzverbotes  kann  demnach  schon  aus  diesem  Grunde 
keine  Rede  sein . . .  Das  Konkurrenzverbot  ist  nun  unbedenk- 
lich in  dem  Sinne  auszulegen,  dass  nicht  nur  die  Gründung 
und  der  Betrieb  eines  Konkurrenzunternehmens  auf  eigene 
Rechnung,  sondern  auch  die  n achgewiesener massen  von  der 
Beklagten  entwickelte  Thätigkeit  (die  Ermöglichung  und  Unter- 
stützung der  Gründung  und  des  Betriebs  des  Konkurrenz- 
unternehmens durch  Hingabe  der  nötigen  Mittel  und  durch 
Förderung  mit  Rat  und  That)  als  Verletzung  desselben  auf- 
zufassen ist.  Zweck  des  Konkurrenzverbotes  war,  dem  Kläger 
den  Betrieb  der  von  ihm  gekauften  Zeitung  zu  ermöglichen, 
soweit  es  in  den  Mitteln  der  Beklagten  lag,  d.  h.  wenigstens 
diesem  Betrieb  nicht  hindernd  in  den  Weg  zu  treten.  Unter 
diesem  Gesichtspunkte  aber  durfte  die  Beklagte  auch  nicht 
durch  Dritte  dem  Kläger  Konkurrenz  bereiten,  Dritte  in  den 
Stand  setzen,  dem  Kläger  als  Konkurrenten  gegenüberzn treten; 
schon  dieses  Gebahren  verstiess  gegen  die  dem  Kläger  von 
der  Beklagten  geschuldete  Treue;  und  nach  den  Grundsätzen 
von  Treu  und  Glauben,  nach  denen  jedes  Konkurrenzverbot, 
namentlich  ein  solches,  das  der  Käufer  eines  Unternehmens 
mit  dem  Verkäufer  zum  ungestörten  Genüsse  des  gekauften 
Unternehmens  abschliesst,  beurteilt  werden  muss,  liegt  daher 
in  der  That  eine  Verletzung  des  Konkurrenzverbotes  durch 
die  Beklagte  vor.  Zu  diesem  Ergebnisse  führt  übrigens  noch 
eine    weitere    Erwägung:    der    Verkauf   eines    Zeitungsunter- 


54 

nehinens  umfasst  in  der  Hauptsache  nicht  bestimmte  körper- 
liche Gegenstände  —  diese  erscheinen  nur  als  Accessori  en  — ,  • 
sondern  er  betrifft  die  Möglichkeit  des  Gewerbes  durch  das 
Zeitungsunternehmen,  hiefür  hauptsächlich,  für  den  Vermögens- 
wert des  Unternehmens  als  solchen  —  wofür  namentlich  in 
Betracht  fallen  die  Zahl  der  Abonnenten  und  die  Möglich- 
keit der  Verwertung  der  Zeitung  durch  Inserate  —  wird  der 
Kaufpreis  bezahlt;  es  verhält  sich  sonach  hier  ähnlich,  wie 
beim  sogenannten  Verkauf  eines  Geschäftes  „mit  der  Kund- 
schaft" :  Wie  bei  letzterem  die  Verpflichtung  des  Verkäufer» 
darin  besteht,  nichts  zu  thun,  was  den  Uebergang  seiner 
Kundschaft  auf  den  Käufer  hindern  könnte,  also  namentlich 
nicht  ein  Konkurrenzunternehmen  in  derartiger  Lage  zu 
gründen,  dass  es  geeignet  wäre,  dem  Käufer  Kunden  zu  ent- 
ziehen (vergi.  A  m  ti.  Samml.  der  bundesg.  Entsch.  Bd  XXIV, 
2.  Tl.  S.  864)  — ,  so .  besteht  schon  die  vertragliche  Verpflich- 
tung des  Verkäufers  eines  Zeitungsunternehmens  darin,  dein 
Käufer  den  Fortbetrieb  des  Unternehmens  zu  ermöglichen  und 
ihm  nicht  hindernd  in  den  Weg  zu  treten  (vergi.  Entsch.  des 
Reichsgerichts  in  Givilsachen  Bd  37,  S.  176  fi.)*  Auch  aus 
diesem  Gesichtspunkte  gelangt  das  Bundesgerioht  zu  einer 
weitgehenden  Auslegung  des  Konkurrenzverbotes  und  damit 
zu  dem  Ausspruche,  dass  die  Beklagte  ihre  vertragliche  Ver- 
pflichtung in  der  That  verletzt  habe.  (Entsch.  vom  22.  De- 
zember 1899  i.  S.  Brehse  c.  Knape.) 


33.  0.  R.  Art.  179  ff.  Grundsätze  betreffend  die  Auslegung 
von  Pönalstipulationen,  speziell  von  unter  Konventionalstrafe  ge- 
stellten Konkurrenzverboten. 

Nach  anerkanntem  Rechtsgrundsatz  (vergi.  Entsch.  des 
Reichsgerichts,  Bd  26,  S.  165)  sind  Pönalstipulationen,  wie 
eine  solche  in  Vereinbarung  eines  unter  Konventionalstrafe 
gestellten  Konkurrenzverbotes  liegt,  nicht  ausdehnend  aus- 
zulegen, ihr  Inhalt  darf  somit  nicht  über  den  gewählten 
Willensausdruck  hinaus  aus  dem  Zwecke  ergänzt  werden, 
welcher  der  Vereinbarung  zu  Grunde  liegt.  Die  Erklärung 
des  F.  L.  ist  also  strikte  nach  ihrem  Wortsinn  zu  interpre- 
tieren, und  es  darf  eine  Bethätigung,  welche  von  diesem  Ge- 
sichtspunkt aus  nicht  unter  das  Konkurrenzverbot  fällt,  dem- 
selben auch  dann  nicht  als  zuwiderlaufend  bezeichnet  werden, 
wenn  in  Anbetracht  des  mit  der  Stipulation  verfolgten  Zweckes 
anzunehmen  wäre,  dass  die  Parteien  sie  ebenfalls  würden 
eingeschlossen  haben,  wenn  sie  daran  gedacht  hätten. 


56 

In  Anwendung  dieses  Grundsatzes  hat  das  Bundesgericht 
in  Auslegung  einer  bei  Ausscheiden  aus  einer  Kollektiv- 
gesellschaft von  F.  L.  gegebenen  Erklärung,  dass  er  sich  bei 
Vermeidung  einer  Konventionalstrafe  von  Fr.  15,000  ver- 
pflichte, während  fünf  Jahren  (in  der  Schweiz  und  in  Deutsch- 
land) „weder  in  eine  Konkurrenzfirma  einzutreten  noch 
eine  zu  gründen  oder  sich  selbst  dabei  zu  beteiligen,"  aus- 
gesprochen, das  in  derselben  enthaltene  Konkurrenzverbot  sei 
dadurch  nicht  übertreten  worden,  dass  F.  L.  seinem  Bruder, 
welcher  ein  Konkurrenzgeschäft  betrieb,  dabei,  ohne  ständig 
in  dem  Geschäfte  thätig  zu  sein  oder  sich  an  demselben 
finanziell  zu  beteiligen,  zeitweise  mit  Hat  und  That  an  die 
Hand  gegangen  sei.  (Entsch.  vom  26.  Januar  1900  i.  S. 
Bock  &  Cie  c.  Frau  M.  Lutz.) 


34.  0.  K.  Art.  46,  48,  127,  231  Abs.  1.  Die  Haftung 
des  vollmachtlosen  Stellvertreters  richtet  sich  nach  eidgenössischem 
Rechte  auch  dann,  wenn  die  Stellvertretung  sich  auf  einen  Liegen- 
schaftskauf bezog.  Darin  allein,  dass  jemand  ohne  Ermächti- 
gung im  Namen  eines  Dritten  handelt,  liegt  nicht  das  stillschwei- 
gende Versprechen  der  Genehmigung  des  Dritten.  Der  vottmaeht- 
lose  Stellvertreter  haftet  auf  das  negative  Vertragsinteresse,  nicht 
auf  das  Erfitilunysinteresse. 

1.  Wie  Ansprüche  aus  Auftrag  durch  das  eidgenössische 
0.  ß.  beherrscht  werden,  gleichviel  ob  das  Rechtsgeschäft, 
worauf  sich  der  Auftrag  bezieht,  dem  eidgenössischen  oder 
dem  kantonalen  Rechte  untersteht,  und  also  namentlich  z.  B. 
die  Provisionsansprücbe  aus  der  Vermittlung  von  Liegen- 
schaftskäufen unter  das  eidg.  0.  R.  fallen  (s.  Amtl.  Samml. 
XXIII,  S.  1062  f.,  Erw.  2),  so  auch  Ansprüche  aus  Stellver- 
tretung und  aus  vollmachtloser  Stellvertretung,  auch  wenn 
sich  die  Stellvertretung  auf  den  Abschluss  eines  Liegenschafts- 
kaufes bezieht;  mit  dem  Liegensohaftskaufe  selber,  mit  dessen 
Form  und  Inhalt,  hat  ein  derartiger  Anspruch  nichts  zu  thun. 

2.  Wenn  der  Kläger  darauf  abstellt,  jeder,  der  ohne  Er- 
mächtigung für  einen  Dritten  handle,  verspreche  damit  still- 
schweigend die  Genehmigung  dieses  Dritten  und  hafte  somit 
für  diese,  so  ist  dem  mit  der  Vorinstanz  entgegenzuhalten, 
dass  dies  nicht  der  Sinn  des  Gesetzes  sein  kann,  wie  eine 
Vergleichung  des  Art.  127  mit  Art.  46  ff.,  speziell  Art.  48 
0.  R.  ohne  weiteres  ergiebt:  nach  der  Auffassung  des  Klägern 
wäre  die  Haftung  des  vollmachtlosen  Stellvertreters  schon  aus 
Art.  127  0.  R.  vollständig   begründet,    und    bedürfte    es    der 


06 

Vorschrift  des  Art.  48  eod.  nicht,  so  dass  diese  gänzlich  über- 
flüssig wäre  —  ein  Resultat,  das  nach  den  allgemeinen  Aus- 
legungsregeln  wo  immer  möglich  zu  vermeiden  ist.  Voraus- 
setzung des  Art.  127  0.  B.  ist  immer,  dass  jemand  im  eigenen 
Namen,  und  nicht  bloss  als  Stellvertreter  eines  Dritten  handle, 
und  also  eine  eigene  Verpflichtung  begründen  wolle  (vergi. 
Schneider  u.  Fick,  Komm.  gr.  Ausg.  Art.  127,  Anm.  1).  Aller- 
dings kann  das  in  Art.  127  0.  B.  vorgesehene  Versprechen  der 
Leistung  eines  Dritten  auch  stillschweigend  geschehen;  allein 
dieses  Verspreohen  liegt  nicht  schon  in  der  Thatsache  des 
Handelns  für  einen  Dritten. 

3.  Ueber  die  Art  und  das  Mass  der  Haftung  des  voll- 
machtlosen Stellvertreters  bestimmt  Art.  38  0.  B.  lediglich, 
er  hafte  für  „Schadenersatz,"  ohne  näher  auszufuhren,  was 
unter  Schadenersatz  zu  verstehen  sei,  also  ohne  zu  der  in 
der  Doktrin  sehr  streitigen  Frage  der  Haftung  des  falsus  pro- 
curator  ausdrücklich  Stellung  zu  nehmen;  ausgesprochen  ist 
damit  nur,  dass  der  vollmachtlose  Stellvertreter  jedenfalls 
nicht  auf  Erfüllung  belangt  werden  kann.  Dagegen  ist  die 
Frage  offen  gelassen,  ob  unter  Schadenersatz  das  Erfftllungs- 
oder  das  negative  Vertragsinteresse  zu  verstehen  sei.  Wird 
zur  Entscheidung  dieser  Frage  die  Entstehungsgeschichte  der 
betreffenden  Bestimmung  herangezogen,  so  ergiebt  sich,  dass 
sowohl  der  Fiok'sche  Entwurf  als  der  Kommissionalentwurf 
von  1877,  beide  in  Art.  459,  Abs.  4,  dem  Dritten  einen  alter- 
nativen Anspruch  auf  Erfüllung  oder  auf  Schadenersatz  gaben; 
erst  der  Entwurf  von  1879,  Art.  54,  gewährt  dem  Dritten  nur 
noch  das  Becht  auf  Schadenersatz.  Aus  jener  Gleichstellung 
des  Anspruches  auf  Schadenersatz  mit  demjenigen  auf  Er- 
füllung, in  Verbindung  mit  der  analogen  Bestimmung  des  da- 
maligen D.  H.  G.  B.  §  55,  folgt  wohl,  dass  die  damaligen  Ent- 
würfe unter  Schadenersatz  das  Erfüllungsinteresse  verstanden, 
sich  sonach  derjenigen  Theorie  anschlössen,  welche  in  der 
Thatsache  des  Abschlusses  eines  Vertrages  als  vollmachtloser 
Stellvertreter  einen  Garantie  vertrag  erblickt  (vergi,  nament- 
lich Windscheid  Pand.  I,  §  74,  Note  7').  Die  Aenderung 
der  Bestimmung  im  Entwürfe  von  1879,  welchem  die  heutige 
Fassung  des  Gesetzes  entspricht,  kann  wohl  ebensogut  zur 
Unterstützung  der  einen  wie  der  andern  Ansicht  verwertet 
werden,  und  jedenfalls  ergiebt  sich  daraus  ein  zwingender 
Schlus8  darauf,  dass  nunmehr  unter  Schadenersatz  das  ne- 
gative Vertragsinteresse  verstanden  werden  wollte,  nicht. 
Die  Entstehungsgeschichte  der  fraglichen  Gesetzesbestimmung 
ergiebt  sonach  keine  unzweifelhafte  Lösung  der  Frage.   Allein 


57 

jene  Theorie  des  Garantievertrages,  die  die  Voraussetzung 
der  Haftung  auf  das  Erfüllungsinteresse  bildet,  kann  für  das 
O.  ß.  nicht  als  zutreffend  erachtet  werden.  Einmal  ist  nicht 
einzusehen,  weshalb  unter  jener  Voraussetzung  dem  Dritten 
nicht  auch  der  Anspruch  auf  Erfüllung  gegeben  sein  sollte, 
-wie  das  nach  den  ersten  Entwürfen  konsequenterweise  der 
Fall  war.  Sodann  sohliesst  die  Vergleiohung  des  Art.  48  mit 
Art.  127  0.  ß.  die  Annahme  eines  stillschweigenden  Garantie- 
Vertrages  geradezu  aus,  wie  oben  näher  ausgeführt  worden. 
Endlich  steht  der  Annahme  eines  Garantievertrages  der  Nach- 
satz des  Art.  48  entgegen,  wonach  die  Haftung  des  voll- 
machtlosen  Stellvertreters  ausgeschlossen  ist  bei  Kenntnis  oder 
Eennenmüs8en  des  Hangels  der  Vollmacht  (vergi.  Melliger, 
Culpa  in  contrahendo,  2.  Aufl.,  S.  75).  Danach  haftet  der 
vollmachtlose  Stellvertreter,  da  somit  seine  Haftung  nicht  auf 
Vertrag  gestützt  werden  und  folgerichtig  nicht  das  Erfüllungs- 
interesse verlangt  werden  kann,  nur  für  das  negative  Ver- 
tragsinteresse, d.  h.  dafür,  dass  der  Dritte  in  die  Lage  ver- 
setzt werde,  in  der  er  wäre  ohne  den  Abschluss  des  — 
nichtigen  —  Vertrages;  der  vollmachtlose  Stellvertreter  haf- 
tet für  denjenigen  Schaden,  den  er  dem  Dritten  durch  seine 
Handlungsweise  verursacht  hat.  (Entsoh.  vom  25.  November 
1899  i.  S.  Wagner  c.  Ineichen.) 


35.  0.  R.  Art.  70  f.,  72.  Die  Ansprüche  wegen  ungerecht- 
/ertigter  Bereicherung  beurteilen  sich  nach  eidgenössischem  Rechte. 
Beweislast  bei  condictio  indebiti. 

1.  Die  Ansprüche  wegen  ungerechtfertigter  Bereicherung 
sind  Ansprüche  eidgenössischen  Rechts;  Voraussetzung  und 
Inhalt  derselben  bestimmen  sich  nach  dem  eidg.  Obligationen- 
recht, und  zwar  auch  in  den  Fällen,  bei  denen  die  in  Frage 
kommende  causa  der  Bereicherung  von  diesem  Bundesgesetz 
selbst  nicht  beherrscht  wird. 

2.  Da  in  der  freiwilligen  und  vorbehaltlosen  Zahlung 
einer  geltend  gemachten  Schuld  an  sich  eine  Anerkennung 
derselben  liegt,  und  diese  Anerkennung  einen  rechtmässigen 
Grund  für  die  mit  der  Zahlung  bewerkstelligte  Vermögens- 
zuwendung bildet,  so  hat  der  die  condictio  indebiti  anstellende 
Kläger  ausserdem  die  in  der  Zahlung  liegende  Anerkennung 
au  entkräften.  Er  hat  zu  dem  Zwecke,  sofern  nicht  die  Zah- 
lung unter  Vorbehalt  geschah,  darzuthun,  dass  er  sich  über 
seine  Zahlungspflicht  im  Irrtum  befunden  habe.  (Entsch.  vom 
9.  Dezember  1899  i.  S.  Nordostbahn  c.  Kummer.) 


58 

36.  0.  R.  Art.  205,  206,  208  Abs.  2.  Bedeutung  und  Troff- 
weite  des  Art  208  Abs.  2.  Was  ist  zum  guten  Glauben  de* 
Erwerbers,  speziell  im  Verkehre  mit  Inhaberpapieren  gefordert? 

Die  Beklagten,  Gebrüder  K.,  Bankiers  in  Freiburg  i.  Br.r 
erwarben  am  9.  Janaar  1895  im  Umtausch  gegen  andere 
Wertpapiere  von  einem  ihnen  persönlich  unbekannten,  aber 
in  seinem  Auftreten  unverdächtigen  Manne  (der  sich  in  ihrem 
Bureau  als  6.  M.  aus  Neu- Breisach  vorstellte)  zwei  Inhaber- 
obligationen auf  die  schweizerische  Eidgenossenschaft  von 
Fr.  1000,  Serie  A,  Nr.  14093  und  14094.  Diese  Obligationen 
waren  (was  den  Beklagten  unbekannt  geblieben  war)  der 
Klägerin  Frau  E.  B.  in  Zug  durch  Einbruch  in  ihre  Woh- 
nung gestohlen  und  in  Nr.  201  des  schweizerischen  Handels- 
amtsblatts vom  Jahre  1894  als  gestohlen  ausgekündigt  wor- 
den. In  der  Folge  leitete  die  Klägerin  in  Bern  das  Amorti- 
sationsverfahren hinsichtlich  der  gestohlenen  Titel  ein.  Auf 
eine  vom  Gerichtspräsidenten  von  Bern  gemäss  Art.  851 
0.  R.  erlassene  Bekanntmachung  legten  die  Beklagten  die 
Titel  dem  Richteraint  Bern  vor.  Klägerin  verlangte  darauf- 
hin eine  provisorische  Verfügung,  das 8  die  Titel  vorläufig  auf 
der  Amtsschreiberei  Bern  deponiert  bleiben  und  ihr  Frist  zu 
Anhebung  eines  Yindikationsprozesses  angesetzt  werde,  und 
erhob  binnen  der  ihr  angesetzten  Frist  wirklich  die  Vindi- 
kationsklage. Diese  wurde  indes  sowohl  vom  Appellations- 
und Kassationshofe  des  Kantons  Bern  als  auch  vom  Bundes- 
gerichte abgewiesen.  Aus  den  Gründen  der  bundesgericht- 
lichen Entscheidung  ist  hervorzuheben: 

Da  die  beiden  Inhaberobligationen  der  Klägerin  gestohlen 
worden  sind,  und  gemäss  Art.  206  0.  R.  beim  Erwerb  ge- 
stohlener (und  verlorener)  Sachen  der  in  Art.  205  ausge- 
sprochene Grundsatz,  Hand  muss  Hand  wahren,  nicht  Platz, 
greift,  solche  Sachen  vielmehr  binnen  fünf  Jahren,  vom  Tage 
des  Abhandenkommens  an  gerechnet,  jedem  Inhaber  abver- 
langt werden  können,  so  besteht  kein  Zweifel,  dass  die  Be- 
klagten an  den  genannten  Papieren  kein  Eigentum  erworben 
haben,  wenn  für  den  von  ihnen  behaupteten  Eigentumserwerb 
das  eidgenössische  Recht  massgebend  ist.  Nun  haben  aber 
die  Beklagten  die  Papiere  im  Auslande  gekauft,  und  sie 
stützen  sich  darauf,  dass  sie  nach  dem  am  Erwerbungsorte 
geltenden  Hecht  Eigentümer  geworden  seien.  In  der  That 
geht  das  deutsche  Handelsgesetzbuch,  welches  hier  als  Recht 
des  Erwerbungsortes  in  Betracht  kommt,  in  der  Beschrän- 
kung der  Vindikation  von  Inhaberpapieren  weiter  als  das 
schweizerische  Obligationeurecht,  indem  es  den  redlichen  Er- 


5fr 

werber  solcher  Papiere  auch  dann  Eigentümer  derselben  werden 
lässt,  wenn  sie  gestohlen  oder  verloren  waren  (Art.  306  und 
307  des  Dtsch.  allg.  H.  G.  B.).  Es  muss  sich  demnach  vor 
allem  fragen,  nach  welchem  Recht,  ob  nach  dem  Bundes- 
gesetz über  das  Obligationenrecht,  oder  nach  dem  deutschen 
Handelsgesetzbuche,  der  Streit  über  das  von  beiden  Parteien 
behauptete  Eigentumsrecht  zu  entscheiden  sei.  Hiefür  sind  in 
erster  Linie  die  im  inländischen  Recht  selbst  niedergelegten 
Grundsätze  über  die  örtliche  Herrschaft  der  Rechtsnormen 
massgebend;  eventuell,  soweit  das  inländische  Reoht  hierüber 
nichts  besonderes  bestimmt,  müssen  die  allgemeinen  in  Wissen- 
schaft und  Praxis  des  internationalen  Privatrechts  anerkannten 
Regeln  Platz  greifen.  Nun  ist  aber  die  vorwürfige  Frage  im 
eidgenössischen  Obligationenrecht  speziell  geregelt,  indem  es 
in  Art.  208  Ziff.  2  das  in  einem  Lande,  dessen  Gesetzgebung 
die  Eigentumsklage  nicht  zulässt,  erworbene  Eigentum  an 
Inhaberpapieren  anerkennt,  sofern  der  Erwerb  gegen  Entgelt 
und  in  gutem  Glauben  stattgefunden  hat.  Denn  diese  Ge- 
setzesbestimmung erklärt  die  Vindikation  als  ausgeschlossen 
bei  Inhaberpapieren,  welche  gegen  Entgelt  und  in  gutem 
Glauben  aus  Ländern  erworben  wurden,  deren  Gesetzgebung 
die  Eigentumsklage  nicht  zulässt.  Mit  Unrecht  behauptet  die 
Klägerin,  dass  Art.  208  sich  nur  auf  diejenigen  Fälle  beziehe, 
in  welchen  der  Erwerber  in  der  Schweiz  wohnt.  Allerdings 
bestand  nach  der  von  der  Klägerin  citierten  bundesrätlichen 
Botschaft  zu  einem  Gesetzesentwurf,  enthaltend  schweizerisches 
Obligationen-  und  Handelsrecht  (B.  Blatt  von  1880,  I.  Bd, 
S.  206),  das  Motiv  für  die  Aufnahme  der  in  Rede  stehenden 
Bestimmung  in  der  Erwägung,  man  müsse  die  Interessen  des 
schweizerischen  Verkehrs  mit  Ländern,  in  welchen  das  Prin- 
zip des  deutschen  Handelsgesetzbuches  Anwendung  findet, 
billig  berücksichtigen.  Allein  die  in  den  gesetzgeberischen 
Vorarbeiten  niedergelegten  Motive  können  nicht  als  eine  dem 
Gesetzestext  koordinierte  Grundlage  für  die  Interpretation  des 
Gesetzeswillens  anerkannt  werden.  Massgebend  für  den  In- 
halt des  gesetzgeberischen  Willens  ist  der  im  Gesetze  ent- 
haltene Willensausdruck.  Nach  diesem  besteht  aber  keine 
Berechtigung,  hinsichtlich  der  Vindikation  von  Inhaberpapieren 
zwischen  inländischen  und  ausländischen  Erwerbern  einen  Unter- 
schied zu  machen.  Der  Umstand,  dass  Art.  208  Abs.  2  0.  R. 
von  Inhaberpapieren  spricht,  die  aus  andern  Ländern  er- 
worben wurden,  deutet  zwar  darauf  hin,  dass  der  Gesetz- 
geber in  der  That  zunächst  an  eine  Erwerbung  vom  Ausland 
ins  Inland  gedacht  hat.    Aus  dem  Ausland  erworben  sind  je- 


'60 

<loch  offenbar  die  dort  angekauften  Papiere  auch  dann,  wenn 
der  Erwerber  zur  Zeit  des  Ankaufs  selbst  im  Auslande  wohnte, 
und  da  Art.  208  Ziff.  2,  weil  er  eine  grundsätzliche  Frage  des 
internationalen  Privatrechts  regelt,  nicht  einschränkend,  son- 
dern in  Anwendung  des  ihm  zu  Grunde  liegenden  Prinzips 
zu  interpretieren  ist,  so  geht  die  von  der  Klägerin  geltend 
.gemachte  Unterscheidung  nicht  an.  Denn  Art.  208  Ziff.  2 
geht  von  dem  Grundsatze  aus,  dass  für  die  Vindikation  von 
Inhaberpapieren  das  Recht  des  Erwerbungsortes  entscheidend 
sei,  und  aus  diesem  Grundsatze  folgt  die  Berechtigung,  einen 
Unterschied  zwischen  inländischen  und  ausländischen  Erwer- 
bern zu  machen,  nicht  (vergi,  v.  Bar,  Theorie  und  Praxis  des 
internationalen  Privatrechts  I,  S.  634,  insbesondere  Note  24 
daselbst). 

Fragt  es  sich  somit,  ob  die  Voraussetzungen,  unter 
-welchen  Art.  208  Ziff.  2  das  Recht  des  im  Ausland  liegenden 
Erwerbungsortes  als  massgebend  anerkennt,  in  casu  gegeben 
seien,  so  ist  unbestritten,  dass  die  Beklagten  die  Obligationen 
.gegen  Entgelt  erworben  haben.  Dagegen  macht  die  Klägerin 
.geltend,  die  Erwerbung  sei  nicht  in  gutem  Glauben  erfolgt. 
Gutgläubig  war  die  Erwerbung  dann,  wenn  sie  in  der  red- 
lichen Ueberzeugung  des  Erwerbers  geschah,  durch  die  An- 
eignung der  Sache  kein  fremdes  Recht  zu  verletzen.  Dazu 
.genügt  aber  nicht  ohne  weiteres,  dass  der  Erwerber  von  dem 
entgegenstehenden  fremden  ßecht  keine  Kenntnis  besass,  son- 
dern er  darf  auch  nicht  diejenigen  Vorkehren  unterlassen 
haben,  die  unter  den  obwaltenden  Umständen  gemäss  den 
Regeln  eines  redlichen  Verkehrs  in  Rücksicht  auf  ein  solches 
.allfällig  bestehendes  Recht  geboten  erschienen  (siehe  Hafner, 
Komm.  z.  eidg.  0.  R.,  Anm.  2  zu  Art.  205;  Guggenheim,  der 
Art.  205  des  Schweiz.  O.R.,  8.  42  f.;  Deutsch,  bürgerl.  Ges.  B. 
§  932,  Abs.  2).  Im  vorwürfigen  Fall  liegt  nun  nichts  da- 
für vor,  dass  die  Beklagten  gewusst  hätten,  dass  es  sich  um 
gestohlene  Papiere  handle:  es  fragt  sich  daher  bloss,  ob  sie 
es  nicht,  bei  Anwendung  der  von  ihnen  zu  verlangenden  Auf- 
merksamkeit und  Besonnenheit,  hätten  wissen  oder  vermuten 
sollen.  Nach  den  von  ihnen  dargelegten  Umständen  ihres  Er- 
werbes der  streitigen  Titel  kann  nun  aber  nicht  gesagt  werden, 
dass  die  Beklagten  gegründeten  Anlass  gehabt  hätten,  Ver- 
dacht in  die  Rechtmässigkeit  des  Besitzes  ihres  Verkäufers 
zu  setzen.  Da  die  Beklagten  ein  Bankgeschäft  betreiben, 
sich  also  gewerbsmässig  mit  dem  Ankauf  und  Verkauf  von 
Wertpapieren  befassen  und  die  fraglichen  Obligationen  zu 
-den  im  Bankverkehr  gangbaren  Wertpapieren  gehören,  so  lag 


61 

darin,  dass  den  Beklagten  die  beiden  Obligationen  in  der  von 
ihnen  angegebenen  Weise  zum  Ankauf  bezw.  Umtausch  an» 
geboten  wurden,  nichts  auffälliges,  und  die  Beklagten  befanden 
sich  auch  nicht  im  Widerspruch  mit  den  allgemeinen  beim 
Bankgeschäft  herrschenden  Verkehrsanschauungen,  wenn  sie, 
ohne  nähern  Ausweis  über  die  Identität  und  den  Rechtetitel 
des  Yeräu8serers  zu  verlangen,  auf  dessen  Angebot  eingingen. 
Besondere  Umstände,  welche  geeignet  gewesen  wären,  eineiv 
Verdacht  in  die  Rechtmässigkeit  seines  Besitzes  zu  begründen, 
lagen  nicht  vor.  Nun  sind  freilich  die  beiden  Obligationen, 
bereits  bevor  die  Beklagten  dieselben  angekauft  hatten,  im 
schweizerischen  Handelsamtsblatt  als  gestohlen  ausgekündigt 
worden;  wäre  eine  amtliche  Auskündigung  auch  in  Deutsch» 
land  erfolgt,  so  müsste  deren  Nichtbeachtung  den  Beklagten 
allerdings  zum  groben  Verschulden  angerechnet  werden,  so- 
dass sie  sich  nicht  auf  ihren  guten  Glauben  berufen  könnten 
(vergi,  fintsch.  d.  dtsch.  Reichsgerichts  Bd  28,  S.  113,  Bolze  8, 
Nr.  60).  Denn  nach  allgemein  anerkannter  Verkehrsanschauung 
legt  die  mit  der  erleichterten  Umlaufsfähigkeit  der  Wert- 
papiere für  den  rechtmässigen  Besitzer  verbundene  Gefahr  den 
Bankiers,  die  sich  mit  dem  gewerbsmässigen  An-  und  Ver- 
kauf solcher  Papiere  befassen,  die  Pflicht  auf,  sich  die  amt- 
lichen Bekanntmachungen  über  Entwendungen  zu  merken,  und 
es  mus8  ihnen  als  grobe  Nachlässigkeit  angerechnet  werden, 
wenn  sie  die  hiezu  erforderlichen  Listen  entweder  unvoll- 
ständig führen,  oder  deren  Nachschlagung  im  einzelnen  Falle 
unterlassen  (vergi.  Schweiz.  Blätter  für  handelsrechtl.  Entsch. 
Bd  XVI,  S.  149,  Erw.  5).  Allein  diese  Pflicht  kann  doch 
billigerweise  nur  rücksichtlich  der  im  Inland  erfolgten  Aus- 
schreibungen aufgestellt  werden,  so  dass  der  Umstand,  dass 
die  Beklagten  die  im  schweizerischen  Handelsamtsblatt  er- 
lassene Auskündigung  nicht  beachtet  haben,  ihrer  gutgläu- 
bigen Erwerbung  nicht  entgegen  steht. 

Ist  aber  davon  auszugehen,  dass  die  Beklagten  die  beiden 
streitigen  Obligationen  in  gutem  Glauben  erworben  haben,  so 
ist  nach  der  Gesetzgebung  des  Erwerbungsortes  (Art.  306 
und  307  des  dtsch.  H.  G.  B.)  die  Eigentumsklage  nicht  zu- 
lässig. Danach  sind  somit  alle  Voraussetzungen,  unter  welchen 
Art.  208  Abs.  2  die  Eigentumsklage  ausschliesst,  in  casu  vor- 
handen, so  da 83  die  Vindikation  der  Klägerin  nicht  geschützt 
werden  kann.  (Entsch.  vom  24.  November  1899  i.  8.  Bossard 
c.  Gebrüder  Kapferer.) 


37.  0.  R.  Art.  231  Âbs.  ï,  78  ff.y  50.  Die  Willenmängel 
und  ihre  Wirkungen  werden  für  die  Liegenschaftskauf-  oder 
Tauschverträge  durch  das  kantonale  und  nicht  durch  das  eid- 
genössische Recht  normiert.  Das  kantonale  Recht  bestimmt  dem- 
gemäss  auch  darüber,  ob  bei  solchen  Verträgen  der  Betrogene 
-den  Vertrag  durch  seine  Genehmigung  aufrecht  erhalten  und  da- 
neben Entschädigung  für  den  durch  dessen  Haltung  entstandenen 
Schaden  verlangen  kann  oder  nicht. 

In  dem  Revue  XVIII,  Nr.  22  abgedruckten  Falle  ergriff 
der  Kläger  mit  der  Behauptung,  die  obergerichtliche  Ent- 
scheidung verletze  Art.  00  ff.  0.  R.,  die  Berufung  an  das 
Bundesgericht.  Das  Bundesgericht  ist  auf  dieselbe  nicht  ein- 
getreten aus  folgenden  Gründen: 

Es  kann  einem  Zweifel  nach  der  in  Anwendung  des 
Art.  231  Abs.  2  0.  R.  erwachsenen  konstanten  bundesrecht- 
lichen Praxis  nicht  unterliegen,  dass  der  zwischen  den  Par- 
teien am  6.  Januar  1898  abgeschlossene  Vertrag  als  Kauf- 
(oder  Tausch-)vertrag  über  Liegenschaften  in  allen  Bezieh- 
ungen nicht  dem  eidgenössischen,  sondern  dem  kantonalen 
Rechte  untersteht,  so  dass  für  denselben  sowohl  die  speziellen 
den  Kauf  betreffenden,  als  auch  die  allgemeinen  Vertrags- 
rechtsnormen des  eidgenössischen  Obligationenrechts  als  solche, 
als  Normen  des  eidgenössischen  Rechts,  nicht  gelten. 

Darnach  ist  denn  in  erster  Linie  klar,  dass  sich  die  Frage, 
ob  der  Beklagte  vertraglich  für  die  Richtigkeit  seiner  An- 
gaben über  den  bisherigen  Mietertrag  des  verkauften  Hauses 
einzustehen  habe,  nach  kantonalem  und  nioht  nach  eid- 
genössischem Rechte  beurteilt.  Das  Bundesgericht  ist  daher 
nicht  kompetent  zu  untersuchen,  ob  nicht  allfällig  die  ge- 
dachte Angabe  als  dictum  proraissum  zu  betrachten  sei,  so 
dass  der  Beklagte  dem  Kläger  ex  contractu  auf  sein  Interesse 
an  der  Richtigkeit  derselben  hafte,  sondern  es  ist  in  dieser 
Hinsicht  die  angefochtene,  diese  Frage  verneinende  Entschei- 
dung der  Vorinstanz  ohne  weiteres  massgebend. 

Im  weitern  aber  ergiebt  sich  aus  dem  erwähnten  Grund- 
sätze, dass  für  Liegenschaftskauf-  oder  Tauschverträge  das 
kantonale  Recht  auch  die  Willensmängel,  welche  deren  Gül- 
tigkeit affizieren,  und  die  Wirkung  derselben  regelt,  während 
die  Bestimmungen  des  eidgen.  0.  R.  über  „Mängel  des  Ver- 
tragsabschlusses^ wie  sie  in  Art.  18—28  0.  R.  niedergelegt 
sind,  als  solche,  als  Normen  des  eidgenössischen  Rechts,  auf 
die  Liegenschaftskauf-  oder  Tauschverträge  keine  Anwendung 
finden.  Das  kantonale  Recht  bestimmt  demgemäss  z.  B. 
•darüber,  welcher  Irrtum  bei  Liegenschaftskäufen  als  wesent- 


63 

licher  zu  betrachten  sei  und  welche  Wirkung  dem  wesent- 
lichen Irrtum  zukomme,  ob  derselbe  das  Geschäft  (wie  im 
Obligationenrecht)  nur  für  den  Irrenden  unverbindlich,  oder 
zu  einem  absolut  nichtigen,  für  beide  Teile  unverbindlichen, 
mache.  Demgemäss  bestimmt  denn  auch  das  kantonale  Recht 
darüber,  welche  Wirkung  ein  bei  dessen  Âbschluss  geübter 
Betrug  auf  die  Gültigkeit  des  Liegenschaftskaufes  ausübe. 
Zwar  kann  das  kantonale  Recht  selbstverständlich  die  Schaden- 
ersatzpflicht des  Betrügers  nicht  ausschliessen,  denn  der  Be- 
trug ist  zweifellos  eine  unerlaubte  Handlung  im  Sinne  des 
Art.  50  0.  R.,  so  dass  aus  derselben  ein  Schadenersatzanspruch 
kraft  eidgenössischen  Rechts  entsteht,  welchen  das  kantonale 
Recht,  da  in  dieser  Hinsicht  ein  Vorbehalt  für  dasselbe  nicht 
gemacht  ist,  nicht  beseitigen  kann.  Dagegen  steht  dem  kan- 
tonalen Rechte,  da  es  eben  das  Vertragsrecht  des  Liegen- 
schaftskaufes in  vollem  Umfange  normiert,  in  thesi  frei,  zu 
bestimmen,  dass  Betrug  den  dadurch  herbeigeführten  Liegen- 
schaftskauf nichtig,  für  beide  Teile,  nicht  nur  für  den  Be- 
trogenen, sondern  auch  für  den  Betrüger,  vorbehaltlich  der 
Schadenersatzpflicht  desselben,  unverbindlich  mache;  es  kann 
daher  folgeweise  auch  bestimmen,  dass  zwar  der  Betrüger  an 
den  Vertrag,  bei  Genehmigung  desselben  durch  den  Betro- 
genen, gebunden  sei,  bezw.,  dass  der  Betrogene  den  Betrüger 
durch  seine  Genehmigung  des  Vertrages  bei  demselben  fest- 
halten könne,  allein  bloss  in  dem  Sinne,  dass  er  nur  die 
Wahl  habe,  entweder  bei  der  Erfüllung  des  Vertrages,  so  wie 
derselbe  abgeschlossen  ist,  zu  beharren,  oder  aber  den  Ver- 
trag abzulehnen  und  Schadenersatz  zu  verlangen,  dass  er 
aber  nicht  den  Vertrag  aufrechterhalten  und  daneben  Ent- 
schädigung für  die  schädigenden  Wirkungen  des  Bestehen- 
bleibens desselben  verlangen  dürfe.  Auch  hiebei  handelt  es 
sich  eben  um  die  Wirkungen  des  Willensmangels  auf  die  ver- 
tragliche Rechtsstellung  der  Parteien,  speziell  darum,  in  wel- 
chem Sinne  der  betrogene  Teil  den  Gegner  bei  dem  Vertrage 
festhalten  könne,  bezw.  welche  Wirkungen  sich  an  seine  Ge- 
nehmigung des  Vertrages,  welche  denselben  erst  zu  einem 
rechtsbeständigen  macht,  knüpfen.  Im  wesentlichen  in  dem 
letztangegebenen  Sinne  nun  hat  die  Vorinstanz  die  Bestim- 
mungen des  Obligationenrechts  über  den  Einfluss  des  Willens- 
mangels des  Betrugs  auf  Gültigkeit  und  Wirkungen  des  Ver- 
trages aufgefasst  und  auf  den  Liegenschaftskauf  angewendet, 
wenn  sie  ausführt,  dass  der  Betrogene,  wenn  er  den  für  ihn 
unverbindlichen  Vertrag  durch  seine  Genehmigung  aufrecht- 
erhalte,  zu    einem   gültigen  mache,    nicht  gleichzeitig  Ersatz 


64 

de  s  durch  die  Haltung  des  Vertrages  ihm  entstandenen  Scha- 
dens, sondern  nur  eines  (nicht  näher  definierten)  „negativen 
Vertragsinteresses"  verlangen  könne.  Ob  nun  diese  Auf- 
fassung richtig  ist,  mag  zweifelhaft  erscheinen  ;  allein  es  ent- 
zieht sich  deren  Nachprüfung  der  Kompetenz  des  Bundes- 
gerichts, da  eben  die  Dezügliohen  Bestimmungen  des  0.  R. 
im  vorliegenden  Falle  in  ihrer  Anwendung  auf  den  Liegen- 
sohaftskauf  nicht  als  Normen  des  eidgenössischen,  sondern 
des  subsidiären  kantonalen  Rechts  in  Betracht  kommen.  Ist 
dem  aber  so,  so  ist  durch  die  Entscheidung  über  eine  prä- 
judizielle Frage  des  kantonalen  Rechts  der  Deliktsklage  des- 
Klägers die  Grundlage  von  vornherein  entzogen.  (Entach. 
vom  19.  Januar  1900  i.  S.  Schmid  c.  Bolliger.) 


38.  0.  R.  Art.  3b7,  360,  367.    Ablieferung  des  Werkes  bes. 
Gebäuden;  Beginn  der  Rügefrist. 

Wenn  der  Besteller  ein  für  ihn  (auf  seinem  Grund  und 
Boden)  ausgeführtes  Gebäude  vor  Vollendung  der  verdungenen 
Bauarbeiten  bezieht,  so  liegt  hierin  nicht  die  Ablieferung  des 
Werkes  im  Sinne  des  Art.  357  0.  R.  Diese  kann  vielmehr 
erst  nach  gänzlicher  Vollendung  der  Arbeiten  stattfinden. 
Die  Rügefrist  läuft  darnach  nicht  schon  vom  Tage  des  Be- 
zuges der  unvollendeten  Gebäude  an.  (Entsch.  vom  2.  De- 
zember 1899  i.  S.  Gastl  c.  Wirz.) 


39.  0.  fi.  Art  398,  431,  436,  444,  473.  Das  SelbsteirUritts- 
recht  des  Kommissionärs  ist  auf  die  im  Gesetz  (Art.  444)  ge- 
nannten Fälle  beschränkt.  Bei  Aufträgen  zum  Kaufe  oder  Ver- 
kaufe von  Waren  u.  s.  f.,  die  keinen  Börsen-  oder  Marktpreis 
haben,  kann  (Mangels  entgegenstehender  besonderer  Vereinbarung) 
der  Selbsteintritt  gültig  nicht  geschehen.  Meldet  der  Verkaufs 
kommissionär  in  einem  derartigen  Falle  in  der  Meinung,  als 
Selbstkäufer  eintreten  zu  wollen,  einen  Verkauf,  trotzdem  er  einen 
solchen  mit  einem  Dritten  nicht  abgeschlossen  hat,  so  wird  er  da- 
durch nicht  Eigentümer  des  Kommissionsgutes f  dieses  bleibt  viel- 
mehr Eigentum  des  Kommittenten,  und  die  Kommission  ist  nicht 
ausgeführt.  Veräussert  der  Kommissionär  das  Kommissionsgui 
später  zu  höherem  als  dem  von  ihm  gemeldeten  Preise  an  einen 
Dritten,  so  ist  der  Kommittent  berechtigt,  die  Herausgabe  des  vom 
Kommissionär  Bezogenen  (nach  dem  Rechte  des  Mandali  oder 
der  Geschäftsführung  ohne  Auftrag  bezw.  ungerechtfertigter  Be- 
reicherung) zu  verlangen. 

(Entsch. vom  19.  Januar  1900  i. S.  E.  Probst  ACiec.  Simeon.) 


65 

40.  0.  i).  Art.  16,  627,  640  Abs.  2.  Der  Einwand  der 
Simulation  beurteilt  sich  nach  demjenigen  Rechte,  welchem  das 
erklärte  Rechtsgeschäft  untersteht,  bei  Abtretungen  auf  Rechnung 
künftigen  Erbes  also  nach  kantonalem  Rechte.  Wann  liegt  eine 
Umgehung  des  Art  640  Abs.  2  vor?  Umwandlung  des  GeseU- 
schaflszweckes  oder  blosse  Erweiterung  des  Geschäftsbereiches  der 
Gesellschaft  7 

1.  Art.  640  verbietet  dem  Grossaktionär  nur,  von  den 
sämtlichen  vertretenen  Stimmrechten  mehr  als  den  fünften 
Teil  in  sich  zu  vereinigen;  er  hindert  ihn  nicht,  sich  seiner 
überschüssigen  Aktien  zu  entäussern,  selbst  wenn  die  Ver- 
äusserung  lediglich  zu  dem  Zwecke  geschieht,  damit  das  mit 
den  veräusserten  Aktien  verbundene  Stimmrecht  nunmehr  von 
den  neuen  Eigentümern  in  dem  vom  Veräusserer  gewünschten 
Sinne  geltend  gemacht  werden  könne.  Wenn  daher  der  Vater 
B.  seinen  Kindern  die  Aktien,  mit  welchen  diese  gestimmt 
haben,  wirklich  abgetreten  hat,  so  kann  von  einer  unstatt- 
haften Umgehung  von  Art.  640  0.  R.  nicht  die  Rede  seinr 
auch  wenn  er  die  Abtretung  in  der  Absicht  vornahm,  um 
dadurch  mit  seinen  Kindern  zusammen  die  Mehrheit  bei  der 
Abstimmung  zu  besitzen.  Es  muss  sich  also  fragen,  ob  die 
Abtretungen  ernst  gemeint  oder,  wie  die  Kläger  behaupten, 
bloss  simuliert  gewesen  seien.  Die  erste  kantonale  Instanz 
hat  in  ersterem  Sinne  entschieden,  die  zweite  dagegen  in 
letzterem,  indem  sie  ausführte,  es  müsse  zwar  zugegeben* 
werden,  dass  Vater  B.  sich  bei  den  streitigen  Abtretungen 
offenbar  von  der  Absicht  habe  leiten  lassen,  die  nun  ange- 
fochtenen Beschlüsse  zu  ermöglichen,  welche  er  selber  im 
Hinblick  auf  Art.  640  0.  R.  nicht  hätte  herbeiführen  können. 
Allein  die  hiefür  sprechenden  Momente  vermögen  immerhin 
die  Ueberzeugung  nicht  zu  begründen,  dass  es  sich  bei  diesen 
Abtretungen  wirklich  um  blosse  Scheingeschäfte  gebandelt 
habe;  der  strikte  Nachweis  für  das  Vorhandensein  des  Gegen- 
teils eines  reellen  Geschäftes  fehle.  Nun  beurteilt  sich  die 
Frage,  ob  die  Parteien  die  Rechtsfolgen  des  durch  ihre  über- 
einstimmenden Willenserklärungen  deklarierten  Rechtsgeschäf- 
tes wirklich  gewollt  haben  oder  nicht,  ob  also  das  von  ihnen 
deklarierte  Rechtsgeschäft  ein  ernstgemeintes  oder  ein  blosses 
Scheingeschäft  sei,  nach  demjenigen  Recht,  dem  das  er- 
klärte Geschäft  untersteht  (s.  bundesger.  Entsch.  Bd  XXIV, 
S.  356,  Erw.  2).  Bei  den  beiden  Abtretungen  an  Joseph  und 
Anna  B.  (von  welchen  einzig  die  Anfechtbarkeit  der  streiti- 
gen Beschlüsse  nach  Art.  640.  0.  R.  abhangen  kann),  handelt 
es   sich    aber  laut    der  Erklärung   in  der  Abtretungsurkunde 


66 

um  Vorempfänge  auf  Rechnung  künftigen  Erbes;  die  Rechts- 
geschäfte, welche  die  causa  der  Eigentumsübertragung  bilden, 
sind  somit  nicht  obligationenrechtlicher,  sondern  erbrechtlicher 
Natur,  und  unterstehen  demnach  dem  kantonalen  Recht. 
Daraus  folgt  nach  dem  Gesagten,  dass  auch  die  Frage,  ob 
sie  simuliert  seien,  nach  kantonalem  Recht  zu  beurteilen  ist 
und  daher  die  Entscheidung  der  Vorinstanz  in  diesem  Punkt 
sich  der  Ueberprtifung  des  Bundesgerichts  entzieht.  Nach 
eidgenössischem  Recht  zu  entscheiden  wäre  bloss  die  Frage 
nach  der  Realität  der  Eigentumsübertragung  selbst,  der  Tra* 
dition;  allein  diese  ist,  nachdem  gemäss  der  Entscheidung 
der  Vorinstanz  das  Grundgeschäft  als  ernstgemeintes  betrachtet 
werden  muss,  ohne  weiteres  zu  bejahen,  und  übrigens  even- 
tuell auch  nicht  bestritten. 

2.  Nach  den  Statuten  bestand  der  Gesellschaftszweck 
der  beklagten  Aktiengesellschaft  in  der  Erwerbung  und  dem 
Fortbetrieoe  der  früher  von  A.  B.  betriebenen  Dampfziegelei 
und  Cementwarenfabrik.  Durch  die  angefochtene  Statuten- 
änderung ist  nun  der  Verwaltungsrat  ermächtigt  worden,  auch 
über  Grunderwerb  zu  Bauzwecken  und  Ausführung  von 
Bauten  auf  eigene  Rechnung  zu  beschliessen  (sofern  solche 
Massnahmen  keine  grössere  Ausgabe  als  je  Fr.  60,000  [ein- 
mal zu  leisten]  zur  Folge  haben).  Hierin  kann  eine  gemäss 
Art.  627  Abs.  3  0.  R.  unzulässige  Umwandlung  des  Gesell- 
schaftszweckes nicht  erblickt  werden.  Eine  Umwandlung  des 
Gesellschaftszweckes  läge  nur  vor,  wenn  die  Generalversamm- 
lung beschlossen  hätte,  statt  der  Ziegel-  und  Cementwaren- 
fabrik ein  anderes  Geschäft  zu  betreiben;  allein  dies  ist  nicht 
der  Fall.  Die  vorgenommene  Statutenänderung  enthält  viel- 
mehr lediglich  eine  Erweiterung  des  bisherigen  Geschäftsbe- 
triebes, indem  sie  darauf  abzielt,  den  Gesellschaftszweck  noch 
auf  andere  Weise  als  wie  bis  anbin  zu  fördern,  nämlich  da- 
durch, da 88  die  Produkte  der  Fabrik  zur  Herstellung  von 
eigenen  auf  Spekulation  hin  erstellten  Bauten  verwendet  wür- 
den. Eine  solche  Erweiterung  des  Geschäftsbereiches  kann 
nach  Massgabe  der  Statuten  von  der  Mehrheit  gültig  be- 
schlossen werden,  sofern  nur  die  nach  Art.  627  Abs.  2  für 
derartige  Beschlüsse  geltenden  Vorschriften  beachtet  werden, 
was  hier  nicht  bestritten  ist.  (Entsch.  vom  24.  November 
1899  i.  S.  Pfyffer  und  Genossen  c.  Aktiengesellschaft  Dampf- 
ziegelei und  Cementwarenfabrik  Kriens.) 


67 

41.  0.  B.  Art.  725,  759,  762,  814,  815,  818  Abs.  2,  827 
Ziffer  7.  Wechselprotest:  Die  Erfordernisse  eines  gültigen  Pro- 
testes sind  in  Art  815  (und  Art  818  Abs.  3)  erschöpfend  auf- 
gezählt. —  Präsentations-  und  Protestfrist  fallen  zusammen;  die 
ktatere  umfasst  stets  zwei  volle  Werktage  nach  dem  Zahlungstage- 

1.  Zur  Erhaltung  des  Wechselrechtes  gegen  den  In- 
dossanten bedarf  es  gemäss  Art.  762  und  827  Ziff.  7  O.E. 
der  Präsentation  und  Protesterhebung  immer. 

2.  Die  in  Art.  815  0.  R.  enthaltene  Aufzählung  der  Er- 
fordernisse eines  gültigen  Protestes  ist  eine  erschöpfende 
(vergi,  in  diesem  Sinne  für  den  analogen  Art.  88  der  deut- 
schen Wechselordnung:  Grünhut,  Wechselrecht,  Bd  II 
S.  48  f.  u.  62  Anm.  41;  Berschardt,  Komm.,  8.  Aufl., 
S.  488,  Zusatz  864;  Bernstein,  Komm.  S.  384;  dagegen 
Staub,  Komm.  z.  W.  0.  Art.  88  §  1),  mit  Ausnahme  des 
im  Gesetze  selber  noch  aufgezählten  Falles  des  Art.  818 
Abs.  3.  Dieses  Resultat  folgt  zunächst  aus  der  allgemeinen 
Erwägung,  dass  die  neuere  Gesetzgebung,  und  so  auch  die 
schweizerische,  den  Protest  seines  früheren  feierlichen  Cha- 
rakters entkleiden  und  aus  ihm  eine,  allerdings  noch  in  be- 
stimmtem Grade  solenne  Beweisurkunde  darüber,  dass  der 
Wechsel  zur  Zahlung  präsentiert  und  welche  Antwort  vom 
Protestaten  gegeben  worden  sei,  machen  wollte;  für  das 
schweizerische  Wechselrecht  trifft  diese  Erwägung  umso  mehr 
zu,  als  hier,  Art.  814,  entgegen  der  deutschen  Wechselord- 
nung, Art.  87,  der  Protest  nicht  notwendig  durch  einen  Notar 
aufgenommen  werden  rnuss.  Dazu  kommt,  dass  das  Gesetz 
selber  die  Ungültigkeit  des  Protestes  wegen  des  Mangels  aus- 
drücklicher Erwähnung  der  Präsentation  des  Wechsels 
nicht  ausspricht,  während  es  sonst  überall  Sorge  trägt,  die 
Nichtigkeit  oder  Ungültigkeit  eines  wechselrechtlichen  Aktes 
ausdrücklich  hervorzuheben  (s.  Art.  725  und  dazu  Art.  827 
Ziff.  2  0.  R.).  Aus  dem  Mangel  der  ausdrücklichen  Erwäh- 
nung der  Präsentation  des  Wechsels  zur  Zahlung  kann  so- 
nach  die  Ungültigkeit   des  Protestes  nicht  gefolgert  werden. 

3.  Die  Behauptung,  dass  die  Präsentation  zur  Zahlung 
immer  am  Verfalltage  erfolgen  müsse,  ansonst  sie  verspätet 
und  damit  der  Regress  mangels  Zahlung  gegen  den  Aussteller 
und  Indossanten  verwirkt  sei,  kann  nicht  als  richtig  aner- 
kannt werden.  Nach  Art.  762  Abs.  2  0.  R.  ist  die  Erhebung 
des  Protestes  am  Zahlungstage  nicht  zulässig,  sie  muss  je- 
doch spätestens  am  zweiten  Werktage  nach  dem  Zahlungs- 
tage geschehen.  Nun  erscheinen  Präsentation  zur  Zahlung 
und    Protestaufnahm  e    mangels   Zahlung   im   Grunde    nur  als 


68 

zwei  Seiten  eines  und  desselben  Aktes,  bezw.  Präsentation 
zur  Zahlung  und  Aufnahme  des  Protestes  haben  gleichzeitig 
zu  erfolgen;  der  Protest  hat  gerade  den  Zweck,  die  Präsen- 
tation zur  Zahlung  und  die  Nichterlangung  der  Zahlung  fest- 
zustellen. Danach  muss  notwendigerweise  die  Frist  zur  Prä- 
sentation zur  Zahlung  mit  der  Protestfrist  zusammenfallen  — 
ein  Satz,  der  in  der  deutschen  Doktrin  und  Praxis  unbestrit- 
ten ist  (vergi.  Thöl,  Handelsrecht,  4.  Aufl.,  Bd  II  S.  358  j 
Rehbein,  Komm.  S.  72;  Bernstein  a.  a.  O.  S.  197  Art.  41 
§  1  Ziff.  1  sub  b);  Grünhut  a.  a.  0.  Bd  II  S.  394;  Staub 
a.  a.  0.  Art.  40  §  7  u.  Art.  41  §  8;  s.  auch  Schneider  u. 
Fiok,  Komm.  z.  0.  R.  Art.  762  Anm.  7).  Dieses  Resultat 
erscheint  um  so  richtiger,  als  der  Verzug  des  Wechselgläu- 
bigers gemäss  Art.  759  0.  R.  erst  nach  Ablauf  der  für  die 
Protesterhebung  mangels  Zahlung  bestimmten  Frist  beginnt. 
4.  Art.  762  0.  R.  gewährt  als  Protestfrist  in  allen  Fällen 
zwei  volle  Werktage  nach  dem  Zahlungstage,  so  dass  ein  an 
einem  Samstag  verfallener  Wechsel  noch  am  darauffolgenden 
Dienstag  gültig  präsentiert  und  protestiert  werden  kann  (vergL 
bes.  Grünhut  a.  a.  0.  Bd  II  S.  394,  spez.  Anm.  9,  u.  Staub 
a.  a.  0.  Art.  41  §  14  u.  dort  zitierte;  ferner  vergi.  Zeitschr. 
d.  bern.  Jur.-Ver.  Bd  I  (1865)  S.  395  ff.,  sowie  das  Gut- 
achten von  Favey  u.  Cérésole  an  den  Vorstand  der  Börse 
von  Lausanne  „du  délai  de  protêt  faute  de  paiement"  Lau* 
sänne  (1897).  (Entsch.  vom  22.  Dezember  1899  i.  S.  Frau 
Althaus-Höfer  c.  Ersparniskasse  Ölten.) 


42.  Bundesgesetz  betreffend  die  Verbindlichkeit  zur  Abtretung 
von  Privatrechten  vom  1.  Mai  1850,  Art  5.  Das  in  Art.  5  cit. 
statuierte  Recht  des  Exproprianten  auf  Ausdehnung  der  Enteig- 
nung greift  dann  Platz,  wenn  die  zu  bezahlende  Minderwerts- 
und Inkonvenienzentschädigung  ein  Viertel  des  Wertes  des  nach 
der  Enteignung  verbleibenden  Restgrundstückes,  nicht 
erst  dann,  wenn  sie  ein  Viertel  des  Wertes  des  ganzen  Grund- 
stücks übersteigen  würde.  Die  Entscheidung  des  Bundesgerichts 
i.  S.  Thoman  $  Cie  gegen  Nordostbahn  (amtl.  Samml.  XIX S.  144  ff. 
Erw.  2)  will  keineswegs  das  Gegenteil  aussprechen. 

(Entsch.  vom  14.  Dezember  1899  i.  S.  Baud  c.  Jura* 
Simplon.) 

43.  Bundesgesetz  betreffend  den  Bau  und  Betrieb  der  Eisen- 
bahnen vom  23.  Dezember  1872,  Art.  30  Abs.  lu  3.  Die  Kosten 
der  Einführung  ihrer  Linie  hat  grundsätzlich  die  Anschlussbahn 


69 

zu  tragen.  Dagegen  ist  dieselbe  nicht  verpflichtet,  sich  in  das  Mit- 
eigentum der  bestehenden,  von  ihr  mitbenutzten  Anlagen  der  Haupt- 
bahn durch  eine  Kapitalzahlung  einzukaufen,  sondern  hat  für  die 
Mitbenutzung  regelmässig  lediglieh  eine  Zinsvergütung  zu  leisten. 
Der  Thatbestand,  welchen  Art.  30  des  Eisenbahngesetzes 
nach  seiner  Fassung  voraussetzt,  ist  der,  dass  eine  Eisen- 
bahnuntemehmung  an  eine  andere,  bereits  vorhandene  Anlage 
anzuschlies8en  wünscht.  Dies  ergiebt  sich,  wenn  nicht  schon 
aus  dem  Wortlaut  von  Abs.  1,  dann  doch  daraus,  dass  in 
dem  den  Abs.  1  ergänzenden  Abs.  3  nur  von  der  Mitbenutzung 
bestehender  Bahnhofanlagen  und  Bahnstrecken  die  Rede 
ist.  In  der  bundesrätlichen  Botschaft  zum  Eisenbahngesetz 
wurde  denn  auch  die  Frage,  die  in  Art.  30  ihre  Regelung 
fand,  dahin  formuliert:  „Kann  eine  neue  Bahn  verlangen,  dass 
ihr  die  schon  bestehende  die  Mitbenutzung  ihres  Bahnhofes 
und  der  Zufahrtsstrecke  für  die  Einmündung  gestatte?"  (vergi. 
B.  B.  v.  1871  II  S.  682.)  lieber  die  Kosten  der  Einführung 
als  solcher,  des  technischen  Anschlusses,  enthält  das  Gesetz 
keine  Vorschrift.  Es  setzt  voraus,  dass  die  Anschlussbahn 
•diesen  Anschluss  bewerkstellige,  und  legt  der  Hauptbahn  nur 
die  passive  Verpflichtung  auf,  denselben  zu  gestatten. 
Hieraus  folgt,  dass  grundsätzlich  die  Anschlussbahn  tür  die 
Kosten  der  Einführung  aufzukommen  und  demgemäss  auch 
der  Hauptbahn  für  die  mit  dem  Anschlüsse  verbundenen  Ein- 
griffe in  ihre  Rechte  Entschädigung  zu  leisten  hat.  es  er- 
giebt sich  dies  auch  aus  der  Erwägung,  dass  der  Anschluss 
3er  Hauptbahn  nicht  zum  Nachteil  gereichen  soll  (vergi,  die 
erwähnte  bundesrätliche  Botschaft,  a.  a.  0.).  Die  Hauptbahn 
ist  aber  nicht  nur  gehalten,  den  baulichen  Anschluss  zu  ge- 
statten, sondern  sie  hat  auch  die  Ueberleitung  des  Verkehrs 
von  der  Anschlussbahn  auf  ihr  Gebiet,  die  Herstellung  eines 
Zusammenhangs  der  beiden  Unternehmungen  in  betriebstech- 
nischer Beziehung  zu  dulden  und  zu  diesem  Zwecke,  immer- 
hin wiederum  bloss  gegen  angemessene  Entschädigung,  der 
Anschlussbahn  die  Mitbenutzung  ihrer  Anlagen  und  Einrich- 
tungen zu  gewähren  und  ihr  insofern  auch  ihr  Betriebspersonal 
zur  Verfügung  zu  stellen.  Läge  somit  der  Fall  vor,  wie  ihn 
Art.  30  voraussetzt,  so  wäre  nicht  zweifelhaft,  dass  die  An- 
schlussbahn für  die  durch  den  baulichen  Anschluss  verursach- 
ten Kosten  selbst  aufzukommen  und  daneben  nach  Abs.  3 
jenes  Artikels  der  Klägerin  für  die  Mitbenutzung  der  vor- 
handenen Anlagen  angemessene  Entschädigung  zu  leisten 
hätte.  Nun  ist  aber  im  vorliegenden  Falle  die  Sachlage  eine 
andere.   Als  nämlich  die  Beklagte  der  Klägerin  ihr  Anschluss- 


70 

begehren  eröffnete,  war  die  Station  Sihlbrugg  noch  nicht  er* 
stellt,  sondern  es  bestand  nur  ein  lediglich  die  Bedürfnisse 
der  Nordostbahn  berücksichtigendes  Projekt.  Die  Klägerin 
hat  nun  nicht  etwa  den  Standpunkt  eingenommen,  dass  sie 
einfach  ihr  Projekt  ausführe  und  es  der  Beklagten  überlasse, 
nachher  den  Anschlug  anf  ihre  Kosten  zu  suchen.  Sondern 
sie  hat  gemäss  dem  Wunsch  der  Beklagten  neue  Pläne  aus- 
gearbeitet, in  denen  die  Einführung  der  Sihlthalbahn  berück- 
sichtigt und  die  ganze  Anlage  nach  den  gemeinsamen  Be- 
dürfnissen beider  Bahnen  eingerichtet  wurde.  Naohdem  dann 
diese  Pläne  von  der  Beklagten  genehmigt  waren,  hat  sie  das 
Projekt  selbständig  und  mit  eigenen  Mitteln  ausgeführt.  Sie 
hat  auf  ihren  Namen  die  nötigen  Landerwerbungen  gemacht 
und  die  sämtlichen  Bauten  und  Einrichtungen  erstellt.  Dabei 
wurde  weder  technisch,  noch  administrativ  oder  auch  nur 
rechnerisch  eine  Ausscheidung  danach  getroffen,  ob  die  ein- 
zelnen Objekte  oder  Einrichtungen  der  Klägerin  oder  dem 
Zwecke  des  Anschlusses  der  Beklagten  dienen.  Es  wäre  dies 
übrigens,  nachdem  sich  die  Nordostbahn  einmal  entschlossen 
hatte,  ein  den  Bedürfnissen  beider  Bahnen  entsprechendes 
Projekt  auszuführen,  kaum  möglich  gewesen.  Ist  aber  in  der 
von  der  Nordostbahn  erstellten  Anlage  die  Einführung  der 
Sihlthalbabn  und  die  Mitbenutzung  derselben  bereits  in  einer 
Weise  vorgesehen,  dass  es  weiterer  Anschlussvorkehren  hie- 
für nicht  mehr  bedarf,  so  kann  auch  nicht  mehr  von  eigent- 
lichen Anschlusskosten,  noch  davon  gesprochen  werden f 
dass  die  Klägerin  solche  von  der  Beklagten  ersetzt  verlangen 
könne. 

Die  Klägerin  hat  denn  auch  selbst  im  Prozesse  ein  solches 
Begehren  nicht  gestellt.  Sie  verlangt  vielmehr  von  der  Be- 
klagten einen  Beitrag  an  die  gesamten  Erstellungs- 
kosten, wobei  sie  allerdings  diesen  Beitrag  auf  die  Diffe- 
renz der  mutmasslichen  Kosten  ihres  ursprünglichen  und  der 
effektiven  Kosten  des  ausgeführten  Projektes  beziffert.  Dass 
dieses  Begehren  unter  den  obwaltenden  Verhältnissen  nicht 
mit  dem  Satz  begründet  werden  kann,  dass  die  Anschluss- 
bahn die  Anschlossko8ten  an  sich  zu  tragen  hat,  geht  schon 
aus  dem  bereits  Gesagten  hervor.  Die  Nordostbahn  hat  that- 
sächlich  den  Erwägungen,  die  sie  in  der  Klage  dafür  anführt, 
dass  es  ihr  nicht  zugemutet  werden  könne,  den  für  die  Aus- 
führung des  Gemeinschaftsprojektes  erforderlichen  Mehrbedarf 
zu  decken,  selbst  keine  Rechnung  getragen  und  kann  diese 
nun  nicht  zur  Begründung  eines  Anspruches  auf  Ersatz  jenes 
Mehrbedarfes    verwenden.     Es   kommt    überdies    dazu,    dass 


71 

nach  den  Experten  das  ursprüngliche  Projekt  aller  Voraus- 
sicht nach  schon  für  die  Bedürfnisse  der  Nordostbahn,  sei  es 
zufolge  der  behördlichen  Eonzessionsvorbehalte  oder  zu- 
folge eigener  Entschliessung  der  Klägerin,  wesentliche  Er* 
Weiterungen  erfahren  hätte,  so  dass  auch  aus  diesem 
Grande  jedenfalls  nicht  die  sämtlichen  Mehrkosten,  als  im 
Interesse  der  Beklagten  erfolgt,  auf  ihre  Rechnung  gesetzt 
werden  könnten.  Die  Klägerin  leitet  denn  auch  ihren  An- 
sprach nicht  aus  jenem  Rechtsgrund  ab,  sondern  sie  verlangt 
den  Beitrag  an  die  Anlagekosten  als  die  ihr  nach  Art.  30 
Abs.  3  des  Gesetzes  gebührende  angemessene  Entschä- 
digung. Sie  stellt  sich  also,  und  zwar  offenbar  mit  Recht, 
selbst  auf  den  Boden,  dass  die  Station,  wie  sie  erstellt 
ist,  als  eine  bestehende  Anlage  zu  betrachten  sei, 
welche  die  Beklagte  mitzubenutzen  gesetzlich  berechtigt  ist, 
und  dass  es  sich  vorliegend  einfach  darum  handle,  die  Be- 
dingungen dieser  Mitbenutzung  zu  regeln. 

In  dieser  Beziehung  fällt  grundsätzlich  in  Betracht: 
Zweifellos  ist  gegenwärtig  die  Nordostbahn  Eigentümerin  des 
Areals  und  sämtlicher  Einrichtungen  der  Station  Sihlbrugg. 
Sie  giebt  demgemäss  zu,  dass  eine  Kapitalbeteiligung  der 
Sihlthalbahn  zur  Folge  hätte,  dass  diese  im  Verhältnis  ihrer 
Beteiligung  Miteigentümerin  der  Anlage  würde.  Eine  solche 
Einräumung  von  Miteigentum  verlangt  aber  die  Beklagte  selbst 
nicht.  Auch  ist  nicht  ersichtlich,  aus  welchem  rechtlichen 
Gesichtspunkte  sie  verpflichtet  sein  sollte,  sich  gleichsam  in 
das  Miteigentum  der  Station  Sihlbrugg  einzukaufen. 

Der  Wortlaut  des  Art.  30  Abs.  3  E.  G.  beruht  im  Gegen- 
teil auf  dem  Gedanken,  dass  die  Anschlusspflicht  eine  Zwangs* 
gemein8chaft  nur  im  Sinne  eines  Mitbenutzungsrechts,  nicht 
aber  im  Sinne  eines  Miteigentums  an  den  beiden  Bahnen 
dienenden  Anlagen  und  Einrichtungen  begründe,  was  weiter 
dazu  führt,  dass  als  normale  Form  der  Entschädigung  nicht 
eine  Kapitalbeteiligung,  sondern  eine  Verzinsung  zu  be- 
trachten ist. 

Für  die  Festsetzung  der  Höhe  des  Zinses  ist  davon  aus- 
zugehen, dass  von  der  Ansohlussbahn  derjenige  Betrag  zu 
entrichten  ist,  der  bei  freier  Konkurrenz  für  die  Mitbenutzung 
von  ihr  gefordert  werden  könnte  (vergi,  das  Urteil  des  Bundes- 
gerichts in  Sachen  der  N.  0.  B.  gegen  die  V.  S.  B.  betreffend 
die  Station  Gossau,  Amtl.  Slg.  Bd  XIX,  S.  751  f.).  (Entsch. 
v.  29.  November  1899  i.  S.  Nordostbahn  c.  Sihlthalbahn.) 


72 

44.  Bundesgesetz  betr.  das  Urheberrecht  an  Werken  der 
Läteratur  und  Kunst  vom  23.  Aprü  1883,  Art.  1,  12.  Begriff 
der  Vervielfältigung.  —  In  einer  (in  einem  TheateranzeigeblatU 
veröffentlichten),  auf  die  Wiedergabe  der  Umrisse  der  Handlung 
beschränkten,  blossen  Inhaltsangabe  eines  Bühnenwerkes  liegt 
keine  Vervielfältigung  dieses  Werkes  und  daher  kein  unerlaubter 
Nachdruck. 

Der  Beklagte  giebt  in  Genf  unter  dem  Titel  „Genève- 
Théâtre"  ein  Programmblatt  fur  das  Theater  heraus,  welches 
am  allen  Spieltagen  erscheint;  jede  Nummer,  welche  zu 
10  Cts.  verkauft  wird,  enthält  die  Angabe  des  am  betreffenden 
Abend  gespielten  Stückes  mit  der  Rollenbesetzung  und  so- 
dann eine  kurze,  das  Gerippe  der  Handlung  enthaltende 
Inhaltsangabe  des  Stückes,  daneben  Biographien  und  Por- 
träts von  Schauspielern,  und  Reklamen  aller  Art.  In  einzelnen 
Nummern  waren  auch  die  Texte  der  hauptsächlichsten,  in  den 
betreffenden  Stücken  gesungenen  Couplets,  Lieder  oder  Arien 
abgedruckt.  Der  Kläger  C.  L.,  als  Verleger  einer  Anzahl 
von  Theaterstücken  (Schauspielen  und  Opern),  deren  Inhalts- 
Angabe  der  Beklagte  in  dem  erwähnten  Blatte  publiziert 
hatte,  verbot  dem  Beklagten,  diese  Publikationen  fortzusetzen, 
und  erhob,  als  derselbe  das  Verbot  nicht  beachtete,  gegen 
ihn  gerichtliche  Klage  dahin,  es  sei  dem  Beklagten  die  Fort- 
setzung der  erwähnten  Publikation  bei  einer  Strafe  von 
500  Fr.  für  jede  Zuwiderhandlung  zu  untersagen  und  derselbe 
überdem  zu  5000  Fr.  Schadenersatz  zu  verurteilen.  Die 
kantonalen  Instanzen  untersagten  dem  Beklagten  den  Abdruck 
irgend  eines  Teiles  des  Textes  der  vom  Kläger  verlegten 
Theaterstücke,  wiesen  dagegen  im  Uebrigen  die  Klage  ab. 
Auf  Berufung  des  Klägers  hin  hat  das  Bundesgericht  diese 
Entscheidung  bestätigt,  weil  in  den  vom  Beklagten  publizierten 
Inhaltsangaben  eine  Vervielfältigung  der  vom  Kläger  verlegten 
Bühnenwerke  nicht  liege.  In  den  Entscheidungsgründen  wird 
hierüber  u.  a.  ausgeführt:  x 

Sous  le  nom  de  reproduction,  la  loi  fédérale  du  23  Avril 
1883  n'a  pas  voulu  entendre  seulement  la  reproduction 
textuelle  ou  mécanique  d'un  ouvrage  littéraire,  mais  aussi 
celle  du  travail  intellectuel  de  l'auteur,  quoique  revêtu  d'une 
autre  forme  ;  c'est  en  effet  le  résultat  de  ce  travail  intellectuel, 
de  la  création  due  à  l'effort  de  l'auteur,  que  la  loi  a  voulu 
protéger.  A  cet  égard  les  pièces  dont  il  s'agit,  et  dont  le 
„Genève -Théâtre"  a  publié  des  résumés,  ne  se  présentent 
pas  toutes,  au  point  de  vue  du  droit  d'auteur,  soit  de  la  pro* 
priété    sur   leur  contenu  littéraire,    d'une    manière    identique. 


73 

Tandis  que  les  unes,  comme  par  exemple  Faust,  Roméo  et 
Juliette,  Carmen  etc.,  ont  été  conçues  sur  des  données  déjà 
existantes,  contenues  dans  des  pièces  ou  des  romans  d'auteurs 
plus  anciens,  les  autres  apparaissent  comme  dues  plus  ou 
moins  exclusivement  à  l'imagination,  à  l'invention  personnelle 
de  leur  auteur. 

Si,  en  ce  qui  concerne  la  première  de  ces  deux  catégories, 
il  ne  saurait  être  fait  grief  au  défendeur  d'avoir  indiqué 
brièvement,  dans  son  journal,  le  contenu  très  résumé  de 
données  dramatiques  de  pièces  dont  les  auteurs  les  avaient 
«ux-mêmes  empruntées  ailleurs,  il  faut  reconnaître  qu'en  ce 
qui  touche  les  pièces  absolument  d'imagination,  produit  de 
l'invention  de  leurs  auteurs,  une  appropriation,  ou  reproduction, 
même  non  servile,  de  semblables  œuvres,  pourrait  fort  bien 
rentrer,  selon  les  circonstances,  dans  la  catégorie  des  repro- 
ductions illicites,  contre  lesquelles  la  loi  a  voulu  protéger  les 
.auteurs  ou  leurs  ayants  cause.  Il  va  de  soi  que  la  limite  est 
difficile  à  tracer,  ce  qui  explique  le  silence  du  législateur  en 
ce  qui  a  trait  à  la  définition  de  la  reproduction  interdite,  et 
«'est  au  juge  qu'il  appartient,  dans  chaque  cas  particulier,  de 
décider  si  les  infractions  poursuivies  sont  restées  en  deçà  de 
la  dite  limite,  ou  si  elles  l'ont  dépassée. 

On  peut  cependant  admettre,  comme  critère  général,  que 
pour  qu'âne  reproduction  non  textuelle  puisse  être  considérée 
comme  illicite,  il  faut  qu'elle  soit  de  nature  à  remplacer 
totalement  ou  partiellement  l'ouvrage  imité,  car  c'est  dans  ce 
cas  seulement  que  le  droit  de  l'auteur  de  cet  ouvrage  subit 
une  atteinte  préjudiciable.  En  ce  qui  touche  en  particulier 
les  œuvres  dramatiques  ou  littéraires,  une  reproduction  totale 
ou  partielle  serait  incontestablement  illicite,  et  devrait  donc 
être  interdite,  si  elle  était  de  nature  à  produire,  sur  le  lecteur, 
la  même  émotion  psychique  ou  esthétique  que  celle  résultant 
de  la  pièce  originale,  et  si,  notamment,  elle  reproduisait  les 
éléments  constitutifs  de  cette  pièce  de  manière  à  en  rendre 
la  lecture  ou  l'audition  superflues.  Dans  l'espèce,  toutefois, 
l'on  ne  se  trouve  en  présence  de  rien  de  pareil  ;  les  analyses 
ou  autres  indications  incriminées  publiées  par  le  „Genève- 
Théâtre"  ne  sont  autre  chose  qu'un  compte-rendu  des  plus 
succinctes,  se  bornant  à  reproduire  la  charpente,  le  squelette 
de  la  pièce  dont  il  s'agit,  afin  de  guider  successivement  le 
spectateur  à  travers  les  diverses  situations  de  l'œuvre  ;  mais 
ces  esquisses,  souvent  vagues  et  toujours  incomplètes,  n'ont 
aucune  prétention  ni  portée  littéraire,  et  elles  ne  sauraient 
remplacer  en  aucune  façon,  pour  le  lecteur  ou  pour  le  spec- 


74 

tateur,  la  lecture  ou  l'audition  de  l'œuvre  originale  elle- 
même  ;  la  représentation  scénique  seule  peut  initier  le  public 
à  cette  dernière,  et  il  n'est  nullement  vraisemblable  que,  dans 
ces  conditions,  la  vente  d'un  journal  d'entr'acte  à  10  cts. 
ait  pu  porter  un  préjudice  à  celle  des  textes  originaux  com- 
plets, édités  par  le  demandeur.  (Entsch.  v.  3.  November  1899 
i.  S.  Calmann-Levy  c.  Moriaud.) 


45.  Bundesgesetz  betr.  die  Erfindungspatente  vom  29.  Juni 
1888,  Art.  1,  10.  Wesen  der  Erfindung  ;  Unterschied  derselben 
von  der  blossen  Konstruktion.  —  Als  Nichtigkeitsgrund  eines 
Patentes  kann  auch  geltend  gemacht  werden,  dass  dessen  Gegen- 
stand sich  überhaupt  nicht  als  Erfindung  qualifiziere. 

1.  Wie  das  Bundesgericht  in  seinen  Urteilen  vom 
12.  Juli  1890  i.  S.  Müller  c.  Goar  (A.  8.  XVI,  S.  595  L 
Erw.  3)  und  vom  16.  Juli  1894  i.  8.  Schelling  u.  S  täub  li 
c.  ßüegg  u.  Boiler  (A.  S.  XX  S.  681  Erw.  4)  ausge- 
sprochen hat,  kann  das  Nichtvorhandensein  einer  Erfindung 
in  der  That  als  Nichtigkeitsgrund  geltend  gemacht  werden, 
obsohon  Art.  10  Pat.  Ges.  diesen  Mangel  nicht  unter  den 
Nichtigkeitsgründen  aufzählt  (s.  dagegen  Simon,  Patent- 
schutz, S.  100).  Es  folgt  dies  ausser  aus  der  Erwägung,  dass 
die  Anfechtbarkeit  eines  Patentes  wegen  Nichtneuheit  der  Er- 
findung a  fortiori  zur  Zulässigkeit  der  Anfechtbarkeit  wegen 
Mangels  einer  Erfindung  führe  und  also  dieser  Nichtigkeits- 
grund implicite  in  Art.  10  Ziff.  1  Pat.  Ges.  enthalten  sei,  — 
auch  aus  dem  Zwecke  des  schweizerischen  Patentgesetzes 
und  dem  von  ihm  angenommenen  Patentsystem:  Zweck  des 
Gesetzes  ist  der  Schutz  von  Erfindungen;  das  System  der 
Patenterteilung  ist  das  sog.  Ajimeldungssystem,  wonach  das 
Patentamt  keine  Prüfung  des  Vorhandenseins  der  Erfindung 
übernimmt  und  dafür  keine  Gewähr  leistet  (Art.  18  Abs.  1 
Pat.  Ges.);  bei  gerichtlichen  Streitigkeiten  aus  Patenten  sind 
daher  die  Gerichte  nach  allen  Richtungen  frei  in  der  Beur- 
teilung, und  es  muss  ihnen  namentlich  auch  die  oberste  Frage: 
ob  eine  Erfindung  überhaupt  vorliege,  zur  Beurteilung  zu- 
stehen, da  andernfalls  diese  Frage  überhaupt  nicht  aufge- 
worfen und  damit  unter  Umständen  auch  Nicht- Erfindungen 
der  Schutz  erteilt,  der  Zweck  des  Gesetzes  also  vereitelt 
werden  könnte.  Alsdann  aber  kann  der  Mangel  dieses  obersten 
Requisite 8  gewiss  auch  als  Nichtigkeitsgrund  geltend  gemacht 
werden. 

2.  Das  Wesen  der  Erfindung,  das  im  Gesetze  nicht  de- 
finiert ist,  besteht  nach  der  in  der  bundesgerichtlichen  Praxis 


75- 

angenommenen  Definition  in  einem  schöpferischen  Gedanken, 
durch  welchen  ein  neues  technisches  Ergebnis,  eine  neue  tech- 
nische Wirkung  geschaffen  wird  (A.  S.  XVI  S.  596  Erw.  4). 
Eine  Erfindung  kann  danach  bestehen  in  einer  Kombination 
von  Naturkräften,  die  einen  neuen  technischen  Nutzeffekt 
hervorbringt;  sodann  aber  auch  im  Schaffen  einer  neuen  Funk- 
tion zur  Erzielung  eines  schon  bekannten  technischen  Re- 
sultates, sofern  die  neue  Funktion  einen  technischen  Fort- 
schritt bedeutet.  Somit  wird  das  Vorhandensein  einer  Er- 
findung nicht  dadurch  ausgeschlossen,  dass  bloss  einzelne, 
schon  bekannte  Elemente  kombiniert  werden;  in  einer  solchen 
Kombination  liegt  vielmehr  eine  Erfindung  dann,  wenn  die 
Korabination  selbst  eine  neue  technische  Funktion  ausübt 
oder  einen  neuen  technischen  Effekt  hervorbringt,  sowie  dann, 
wenn  nicht  ledi  gli  oh  eine  Uebertragung  vorliegt,  sondern 
eine  neue  technische  Schwierigkeit  überwunden  werden  muss 
(s.  Kohler,  Forschungen  aus  dem  Patentrecht,  S.  30);  durch 
letzteres  insbesondere  unterscheidet  sich  die  Erfindung  von 
der  Konstruktion.  (Entsch.  v.  15.  Dezember  1899  i.  S.  Honer 
c.  Schatz.) 

46.  Bundesgesetz  betr.  den  Schutz  der  Fabrik-  und  Handels- 
marken vom  26  September  1890,  Art  1,  3,  5.  Recktsvermutung 
zu  Gunsten  des  ersten  Hinterlegers.  —  Freizeichen.  —  Ein  im 
Auslande  zum  Gemeingut  gewordenes  Zeichen  kann  im  Inlande 
nicht  mehr  als  Schutzmarke  appropriiert  werden. 

1.  Das  Bundesgesetz  betreffend  den  Schutz  der  Fabrik- 
und  Handelsmarken  vom  26.  September  1890  bestimmt  in 
Art.  5,  bis  zum  Beweise  des  Gegenteils  werde  angenommen, 
dass  der  erste  Hinterleger  einer  Marke  auch  der  wahre  Be- 
rechtigte sei.  Es  stellt  also  zu  Gunsten  des  Handels-  oder 
Gewerbetreibenden,  welcher  ein  Zeichen  hat  eintragen  lassen, 
die  Präsumption  auf,  dass  er  berechtigt  sei,  dasselbe  für  seine 
Ware  als  Unterscheidungszeichen  ausschliesslich  zu  ver- 
wenden. An  dem  Gegner,  der  dieses  Recht  nicht  gelten 
lassen  will,  ist  es,  den  Nachweis  dafür  zu  erbringen,  dasa 
dasselbe  nicht  bestehe,  sei  es,  weil  er  selbst  oder  ein  Dritter 
der  wahre  Berechtigte  ist,  sei  es,  weil  es  sich  um  ein  Zeichen 
handelt,  das  seiner  Natur  nach,  oder  in  Anbetracht  der  Ver- 
kehrsgewobnheit,  nicht  als  Merkmal  einer  bestimmten  Her- 
kunft der  Ware  gelten  kann,  und  daher  in  der  betreffenden 
Branche  jedermann  zum  Gebrauche  freisteht. 

2.  Auch  einem  Phantasiezeichen,  das  seiner  Beschaffen- 
heit nach  durchaus  geeignet   wäre,   als   Herkunftszeichen    in 


76 

4er  betreffenden  Handelsbranche  (Cigarrenbandel)  verwendet 
zu  werden,  kann  gleicbwobl  die  individualisierende  Kraft 
fehlen,  sofern  nämlich  die  beteiligten  Verkehrskreise  sieh  be- 
reits daran  gewöhnt  haben,  in  ihm  eine  gebräuchliche  Aus- 
schmückung der  Verpackung  zu  erblicken;  ist  dies  der  Fall, 
hat  das  kaufende  Publikum  sich  daran  gewöhnt,  die  Etikette 
als  eine  blosse  Ausschmückung  anzusehen,  die  von  verschie- 
denen Produzenten  oder  Händlern  auf  der  Verpackung  ihrer 
Ware  verwendet  zu  werden  pflegt,  so  ist  sie  zum  Freizeichen 
.geworden  und  dadurch  der  ausschliesslichen  Herrschaft  eines 
Einzelnen  entzogen. 

3.  Das  Markenrecht  ist  ein  Bezeichnungsrecht  für  den 
Universalverkehr,  nicht  bloss  für  den  inländischen  Verkehr 
{s.  Ko  hl  er,  Das  Recht  des  Markenschutzes  S.  190).  Mit 
diesem  Charakter  des  Markenrechtes  ist  es  aber  unvereinbar, 
<lass  ein  und  dasselbe  Zeichen  in  dem  einen  Lande  als  Frei* 
zeichen,  in  dem  andern  als  schutzfähige  Marke  gelte;  dies 
würde  notwendig  dazu  führen,  dass  dasselbe  auch  im  Inlande 
je  nach  der  Provenienz  der  damit  bezeichneten  Ware  ver- 
schieden behandelt  werden  müsste,  was  nicht  angeht.  Die 
Thatsache,  dass  ein  Zeichen  im  Auslände  zum  Gemeingut  ge- 
worden ist,  reicht  daher  hin,  um  die  Aneignung  desselben 
zur  Herkunftsbezeichnung  auch  im  Inlande  auszuschliessen. 
(Entsch.  v.  17.  November  1899  i.  S.  Hediger  Söhne  c.  Cigarren- 
fabrik  Union  Aktiengesellschaft.) 


47.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art.  216,  217.  Die  Bestimmung  des  Art.  217  M 
nicht  spezifisch  konkursrechilicher  Natur,  sondern  sie  enthält  einen 
materiellen,  aus  dem  Wesen  der  Solidarf orderung  abgeleiteten 
RechtssaU,  sie  findet  daher  nicht  nur  im  Konkurse,  sondern  auch 
im  Nachlassverfahren  eines  Mitverpflichteten  Anwendung. 

Der  Kläger  hatte  dem  Beklagten  an  dessen  Ordre  ge- 
stellte Gefälligkeitswechsel  unterzeichnet.  Da  der  Beklagte, 
der  die  Wechsel  weiter  begeben  hatte,  für  deren  Deckung 
nicht  sorgte,  wurde  nach  Verfall  der  Kläger  von  den  Wechsel- 
inhabern belangt  und  in  der  Folge  gegen  ihn  der  Konkurs 
erkannt.  Es  gelang  ihm,  einen  Nachlassvertrag  abzuschliessen, 
in  dem  die  Wechselgläubiger  30  °/o  ihrer  Wechsel forderun gen 
erhielten.  ungefähr  gleichzeitig  brachte  der  Beklagte 
seinerseits  einen  Nachl  ass  vertrag  ausser  Konkurs  mit 
seinen  Gläubigern  zu  stände,  nach  welchem  diese  ebenfalls 
30°/o  ihrer  Forderungen    erhielten.     In    diesem    Nachlass- 


77 

verfahren  wurden  die  Inhaber  der  Gefälligkeitswechsel  des 
Klägers  mit  ihren  ganzen  ursprünglichen  Forderungen  zu- 
gelassen. Dagegen  anerkannte  der  Sachwalter  den  von* 
Kläger  für  die  von  ihm  bezahlten  30%  der  Wechsel- 
forderungen geltend  gemachten  Deckungsanspruch  nicht.  Der 
Kläger  machte  den  Anspruch  daher  gerichtlich  geltend,  indem 
er  sich  darauf  berief,  es  handle  sich  um  eine  selbständige,, 
civilrechtliche  Mandatsklage  und  nicht  um  eine  wechsel- 
rechtliche Kegres8klage ;  sein  Antrag  ging  dahin,  es  sei  zu 
erklären,  der  Beklagte  sei  schuldig  anzuerkennen,  dass  der 
Kläger  gegen  ihn  eine  Forderung  (von  Fr.  2129.50)  und  bie- 
ftir  Anspruch  auf  Nachlassdividende  habe. 

Das  Bundesgericht  hat  die  Klage  abgewiesen.  Aus- 
den  Gründen  seiner  Entscheidung  ist  hervorzuheben: 

Die  erste  Instanz  hat  die  Klage  geschützt,  weil  dem 
Kläger  ein  auf  einem  selbständigen  Rechtsgrund  beruhender 
Anspruch  auf  Erstattung  der  zu  teilweiser  Bezahlung  der 
Wechselforderungen  ausgelegten  Beträge  zur  Seite  stehe  und 
es  sich  nicht  um  die  Geltendmachung  des  bezahlten  Teils  der 
Wechselforderungen  an  Stelle  und  gemäss  den  Rechten  der 
ursprünglichen  Gläubiger  handle.  Diese  an  sich  richtige  Er- 
wägung entscheidet  jedoch,  was  schon  die  Appellations- 
kammer erkannt  hat,  den  Rechtsstreit  nicht.  Die  Klage  zielt,, 
wie  der  Anlass  zur  Klageerhebung  und  die  Formulierung  des 
Klagebegehrens  in  der  Berufungserklärung  zeigen,  darauf  ab, 
den  Kläger  mit  der  eingeklagten  Forderung  an  dem  Nachlass- 
vertrag des  Beklagten  teilnehmen  zu  lassen.  Der  Nachlass- 
vertrag ist  nun  aber  eine  Auseinandersetzung  des  Schuldners 
mit  der  Gesamtheit  seiner  Gläubiger.  Der  Kläger  steht  so- 
mit, wenn  er  auf  Zulassung  zum  Nachlassvertrag  des  Be- 
klagten dringt,  nicht  nur  diesem,  sondern  auch  den  übrigen- 
Gläubigern  desselben  gegenüber,  und  es  fragt  sich,  ob  nicht 
mit  Rücksicht  auf  die  Rechte  dieser  letzteren  der  Schuldner 
sich  der  Teilnahme  des  Klägers  widersetzen  könne.  .  .  . 

Unter  normalen  Verhältnissen  könnten  die  Gläubiger 
der  Wechselforderungen  vom  Beklagten  nur  den  Rest  ihrer 
Forderungen  verlangen,  und  stände  dem  Kläger  für  seine 
Teilzahlungen  das  Rückgriffsrecht  auf  denselben  neben  den 
ursprünglichen  Gläubigern  zu  (Art.  166  0.  R.).  Nun  befindet 
sich  aber  der  Beklagte  in  einer  anormalen  Vermögenslage, 
indem  er  ebenfalls  einen  Nachlassvertrag  abgeschlossen  hat, 
nach  welchem  seine  Gläubiger  nur  30  °/o  ihrer  Forderungen 
erhalten.  Und  da  uiuss  es  sich  denn  fragen,  ob  die  Teil- 
zahlungen des  Klägers    auch  für  einen   solchen  Fall    für  den 


78 

Beklagten  befreiend  wirkten,  ob  nicht  vielmehr  trotz  der- 
selben im  Nachlassverfahren  die  Wechselgläubiger  die  ganzen 
ursprünglichen  Forderungen  geltend  machen  können  und  ob 
nicht  infolgedessen  die  Forderung  des  Klägers  davon  aus- 
zuschliessen  sei 

Würde  über  den  Beklagten  der  Konkurs  eröffnet  wor- 
den sein  und  es  sich  um  die  Teilnahme  des  Klägers  an  seiner 
Konkursmasse  handeln,  so  könnte  die  Lösung  der  ent- 
scheidenden Fragen  nach  Art.  216  und  217  des  Bundesgesetzes 
über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  nicht  zweifelhaft  sein. 

Während  Art.  210  voraussetzt,  dass  mehrere  Mitver- 
pflichtete gleichzeitig  im  Konkurse  sich  befinden,  und  schon 
auf  den  analogen  Thatbestand  successiver  Konkurse  nicht 
mehr  passt,  bezieht  sich  Art.  217  auf  alle  Fälle,  in  denen  ein 
Mitverpflichteter  vor  der  Konkurseröffnung  oder  während  des 
Konkurses  über  einen  andern  Mit  verpflichteten  dem  Gläubiger 
eine  Teilzahlung  geleistet  hat.  Offensichtlich  verfolgen  beide 
Bestimmungen  den  Zweck,  zu  verhindern,  dass  ein  Mitver- 
pflichteter aus  dem  Konkurse  eines  anderen  Mitverpflichteten 
etwas  erhalte,  bevor  der  Gläubiger  gänzlich  befriedigt  ist. 
Das  Gesetz  will  den  Gläubiger,  für  dessen  Forderungen 
mehrere  haften,  insofern  begünstigen,  als  er  in  der  Geltend- 
machung seines  Anspruches  gegen  jeden  einzelnen  Mitver- 
pflichteten auch  dann  nicht  durch  die  anderen  beschränkt 
werden  soll,  wenn  er  aus  deren  Vermögen  teilweise  Befrie- 
digung erhalten  hat.  Daneben  liegt  den  Art.  216  und  217 
auch  in  Hinsicht  auf  die  Interessen  des  Schuldners  und  der 
übrigen  Gläubiger  ein  gemeinsames  Moment  zu  Grunde. 
Diesen  gegenüber  stellen  sich  die  Forderung  des  ursprüng- 
lichen Gläubigers  und  die  des  Mitverpfliohteten,  der  eine 
Teilzahlung  geleistet  hat,  als  eine  materiell  dem  Inhalte  nach 
einheitliche  Verpflichtung  dar.  Wie  nun  vom  Schuldner 
ausser  Konkurs  nicht  mehr  als  die  einfache  Befriedigung 
einer  solchen  Forderung  verlangt  werden  kann,  so  soll  die- 
selbe auch  in  seinem  Konkurse  nicht  mehrfach  geltend  ge- 
macht und  es  soll  seiner  Masse  nicht  mehr  entnommen 
werden  dürfen,  als  die  dem  Betrag  der  ursprünglich  ein- 
heitlichen Schuld  entsprechende  Dividende.  Es  wird  insoweit 
die  konkur8mäS8ige  Befriedigung  der  effektiven  Befriedigung 
gleichgestellt  und  als  Erfüllung  betrachtet.  Gemeinsam  ist 
den  beiden  in  Frage  stehenden  Bestimmungen  nun  aber  weiter 
auch  der  formale,  rechtliche  Mechanismus,  mittelst  dessen  sie 
den  erwähnten  gemeinsamen  Zwecken  zu  genügen  suchen. 
Dem  Gläubiger  wird  das  Recht  zugestanden,   nicht  nur  ohne 


79 

Rücksicht  auf  seine  Eingabe  im  gleichzeitigen  Eonkurs  eines 
Mitverpflichteten,  sowie  auf  die  Dividende,  die  er  aus  diesem 
zu  erwarten  hat,  sondern  auch  ohne  Rücksicht  auf  allfällig 
schon  vorher  von  einem  Mitverpflichteten  an  ihn  geleistete 
Teilzahlungen  im  Konkurse  eines  anderen  Mitverpflichteten 
seine  ganze  Forderung  anzumelden  und  dafür  die  darauf  ent- 
fallende Konkursdividende  zu  verlangen  bis  zu  seiner  vollen  Be- 
friedigung; erst  dann  und  nur  mit  Bezug  auf  einen  allfälligen 
Ueberschu8s,  den  jene  Dividende  ergiebt,  kann  es  zu  einer 
Auseinandersetzung  zwischen  den  Mitverpflichteten  über  ihre 
gegenseitigen  Ansprüche  kommen,  wenn  solche  überhaupt  be- 
stehen. In  dieser  Richtung  unterscheidet  sich  die  gegen- 
wärtig geltende  Fassung  des  Art.  217  von  derjenigen,  die  in 
sämtlichen  Entwürfen  bis  zur  letzten  sog.  redaktionellen  Be- 
reinigung erscheint.  Dort  lautete  die  Bestimmung:  „Hat 
jemand,  welchem  mehrere  Personen  für  die  gleiche  Schuld 
verpflichtet  sind,  eine  Teilzahlung  erhalten,  so  kann  er  im 
Konkurse  eines  Schuldners  nur  für  den  Rest  seiner  Forderung 
als  Gläubiger  auftreten.  Dagegen  wird  ein  Mitschuldner  oder 
Bürge,  welcher  die  Teilzahlung  geleistet  hat,  für  den  Betrag 
derselben  unter  die  Konkursgläubiger  aufgenommen.  Es  hat 
jedoch  der  Gläubiger  das  Recht,  Anweisung  auf  den  dem  Mit- 
schuldner oder  Bürgen  zukommenden  Anteil  an  der  Verteilungs- 
masse bis  zur  vollständigen  Deckung  der  Forderung  für  sich 
zu  verlangen.  Der  Mitschuldner  oder  Bürge  wird  bei  der  Ver- 
teilung erst  nach  dem  Gläubiger  und  nur  insoweit  berücksich- 
tigt, als  die  von  ihm  geleistete  Zahlung  seinen  Anteil  an  der 
Schuld  übersteigt."  Auch  mit  dieser  Fassung  wurde  dem  Gläu- 
biger vor  dem  Mitverpflichteten,  der  eine  Teilzahlung  geleistet 
hatte,  im  Konkurs  eines  anderen  Mitverpflichteten  ein  Vorrecht 
eingeräumt.  Während  jedoch  nach  den  Entwürfen  der  Gläubiger 
im  Konkurse  des  Mitverpflichteten  nur  den  nach  Abzug  der 
geleisteten  Teilzahlung  verbleibenden  Rest  anmelden  durfte, 
hat  er  nach  dem  Gesetz  das  Recht,  für  den  ganzen  ursprüng- 
lichen Betrag  der  Forderung  Anweisung  zu  verlangen,  und 
während  nach  dem  System  der  Entwürfe  das  Vorrecht  des 
Gläubigers  vor  dem  Mitverpflichteten  in  der  Weise  gewahrt 
wurde,  dass  derselbe  den  Anteil  des  letzteren  beanspruchen 
konnte,  schliesst  das  Gesetz  die  Mitverpflichteten  von  vorn- 
herein von  der  Teilnahme  an  der  Masse  aus,  so  lange  der  Gläu- 
biger nicht  volle  Befriedigung  erlangt  hat.  Die  Bestimmung 
der  Entwürfe  stammt,  wie  die  Botschaft  des  Bundesrates  vom 
6.  April  1886  (S.  71)  ausdrücklich  erwähnt,  aus  dem  franzö- 
sischen Rechte  (Art.  542 — 544  des  Code  de  commerce),  dem 


80 

übrigens  in  dieser  Beziehung  auch  die  Reohte  anderer  Länder 
gefolgt  sind.  Und  wenn  darin  dem  Gläubiger  in  Ergänzung 
der  vorbildlichen  Bestimmungen  des  Code  de  commerce  ein 
Vorrecht  auf  die  auf  den  Mitverpflichteten  für  die  geleistete 
Teilzahlung  entfallende  Eonkursdividende  anerkannt  ist,  so 
ist  die  Wurzel  einer  solchen  Vorschrift  wohl  ebenfalls  im 
französischen  Recht,  speziell  in  dem  Satze  des  Art.  1252  des 
Code  civil  zu  suchen,  dass  die  Subrogation  dem  Gläubiger,, 
der  nur  zum  Teil  befriedigt  worden  ist,  nicht  schaden  dürfe. 
Die  Bestimmung  geht  somit  von  dem  Verhältnis  des  Gläu- 
bigers zu  dem  Mitverpflichteten  aus,  der  die  Teilzahlung  ge- 
leistet hat,  und  es  liesse  sich  von  diesem  Gesichtspunkte  aus- 
an  Hand  der  Lehre  über  die  Subrogation  die  Anschauung  be- 
gründen, dass  das  Vorrecht  des  Gläubigers  nur  dann  platz- 
greifen dürfe,  wenn  der  Mitverpflichtete,  der  die  Teilzahlung 
geleistet  hat,  dem  Gläubiger  gegenüber  noch  verpflichtet  ist 
und  gemäss  dieser  Verpflichtung  die  Dividende,  die  er  aus 
dem  Konkurse  eines  anderen  Mitverpflichteten  erhält,  doch 
wieder  dem  Gläubiger  bis  zu  seiner  vollen  Befriedigung  her- 
ausgeben mü88te  (vergi.  Vis  eh  er,  Der  Rückgriff  des  Bürgert- 
nach  Schweiz.  Obi.  Recht,  Zeitschrift  für  schweizerisches 
Recht  Bd  XXIX  S.  48  bis  52).  Nach  der  zum  Gesetz  ge- 
wordenen Fassung  ist  eine  solche  Beschränkung  des  Vorrechts 
des  Gläubigers  nicht  mehr  möglich.  Der  Ausgangspunkt  ist 
demnach  nicht  mehr  das  Verhältnis  des  Gläubigers  zu  dem 
Mitverpflichteten,  der  die  Teilzahlung  geleistet  hat,  sondern 
das  Verhältnis  desselben  zu  dem  anderen  Mitverpflichteten,, 
der  in  Konkurs  gefallen  ist.  Diesem  gegenüber  ist  der  Gläu- 
biger unter  Umständen  berechtigt,  trotzdem  er  von  einem 
anderen  Mitverpflichteten  eine  Teilzahlung  erhalten  hat,  die 
ganze  ursprüngliche  Forderung  geltend  zu  machen,  wobei  da» 
Gesetz  ausdrücklich  bemerkt,  „gleichviel,  ob  der  Mit  ver- 
pflichtete gegen  den  Gemeinsohuldner  rückgriffsberechtigt  ist 
oder  nicht."  Damit  ist  gegeben,  dass  auf  die  Art  der  Mit- 
verpflichtung desjenigen,  der  die  Teilzahlung  geleistet  hat,  ob 
Bürgschaft  oder  Selbstschuldnerschaft  u.  s.  w.,  und  auf  den 
Grund,  weshalb  sie  geleistet  und  angenommen  wurde,  ob  dies 
gezwungen  oder  freiwillig  geschah,  nichts  ankommen  kann. 
Dann  darf  aber  auch,  wenn  der  Mitverpflichtete  rückgriffs- 
berechtigt ist,  nicht  unterschieden  werden,  ob  man  es  mit 
einem  auf  den  Eintritt  in  die  Rechte  des  ursprünglichen 
Gläubigers  sich  stützenden  eigentlichen  Regressanspruch  oder 
mit  einem  auf  selbständiger,  rechtlicher  Grundlage  beruhenden 
Anspruch  zu  thun  habe.    Und  endlich  ist  es  bei  einer  solchen. 


81 

Regelung  des  Verhältnisses  durchaus  gleichgültig,  ob  der  Mit- 
verpfliohtete,  der  die  Teilzahlung  geleistet  hat,  noch  Schuld- 
ner des  Gläubigers  sei  oder  nicht.  Der  Gläubiger  geht  ihm 
unter  allen  Umständen  kraft  der  ihm  durch  das  Gesetz  dem 
Gemeinschuldner  gegenüber  eingeräumten  Rechte  vor.  .  .  . 

Der  rechtliche  Gesichtspunkt  hiebei  ist  der,  dass  eine 
von  einem  Mitverpflichteten  geleistete  Teilzahlung  für  die 
anderen  Mitverpflichteten  nicht  absolut  befreiend  wirkt  und 
dass  die  unter  normalen  Verhältnissen  mit  einer  Teilzahlung 
verknüpften  Folgen  der  teilweisen  Tilgung  der  Forderung  und 
eventuell  der  Erzeugung  eines  Regressanspruches  einem  Mit- 
verpflichteten gegenüber,  der  in  Konkurs  gerät,  erst  eintreten, 
wenn  die  Forderung  ihre  gänzliche  materielle  Befriedigung 
gefunden  hat  (vergi.  Goldschmidt,  Ueber  den  Einfluss  von 
Teilzahlungen  eines  Solidarschuldners  auf  die  Rechte  des 
Gläubigers  gegen  andere  Solidarschuldner,  insbesondere  nach 
eröffnetem  Eonkurs  u.  s.  w.,  in  der  Zeitschrift  für  das  ge- 
samte Handelsrecht,  Bd  XIV,  S.  397  ;  dernämliche,  Haupt- 
und  Naohbürge  u.  s.  w,  in  den  Jahrbüchern  für  Dogmatik, 
Bd  XXVI  S.  345,  sowie  insbesondere  Köhler,  Xonkursrecht, 
S.  355  ff.  u.  S.  366  ff.).  Hieraus  würde  für  den  vorliegenden 
Fall,  wenn  der  Beklagte  sich  im  Konkurs  befände,  folgen, 
dass  die  Wechselgläubiger  berechtigt  wären,  ihre  ganzen  ur- 
sprünglichen Forderungen  anzumelden  und  bis  zu  ihrer  vollen 
Befriedigung  zu  liquidieren,  und  dass  es  andrerseits  dem 
Kläger  nicht  zustände,  seine  Forderung  neben  denjenigen 
der  Wechselgläubiger  geltend  zu  machen,  dass  derselbe  viel- 
mehr nur  dann  und  nur  insoweit  an  Stelle  der  Gläubiger  an 
der  Liquidation  teilnehmen  könnte,  als  die  denselben  zu- 
kommende Dividende  den  vollen  Betrag  ihrer  Forderungen 
übersteigen  würde. 

Aus  den  bisherigen  Ausführungen  über  die  rechtliche 
Grundlage,  auf  der  Art.  217  Betr.  Ges.  beruht,  ergiebt  sich 
nun  aber  weiter,  dass  man  es  dabei  nicht  mit  einem  spezi- 
fisch konkursrechtlichen  Satze,  sondern  mit  einer  aus  dem 
Wesen  der  Solidarforderung  herzuleitenden,  materiellrecht* 
liehen  Schlussfolgerung  zu  thun  hat.  Diese  Auffassung  wird 
dadurch  unterstützt,  dass  schon  vor  Erlass  des  eidgenössischen 
Betreibungsgesetzes  das  Obligationenrecht  Bestimmungen  über 
die  Rechte  des  Gläubigers  im  Konkurse  mehrerer  Solidar- 
schuldner aufstellte  und  dieselben  unter  die  Vorschriften 
über  die  materiellen  Wirkungen  der  Solidarität  einreihte 
(s.  Art.  167  u.  810  0.  R.).  Wird  hievon  ausgegangen,  so 
mu88  Art.  217  nicht  nur  im  Konkurse,  sondern  auch  im  Nach- 


82 

lassverfahren  eines  Mitverpflichteten  angewendet  werden.  Auch 
hier  ist  die  Vermögenslage  des  Mitverpfliohteten  eine  ab* 
normale  und  findet  mit  Rücksicht  darauf  ein  concursus  cre- 
ditorom  statt.  Auch  hier  besteht  für  den  Gläubiger,  der 
eine  Teilzahlung  erhalten  hat,  die  Gefahr,  trotz  des  Vor* 
handenseins  mehrerer  Mitverpflichteter  nicht  ganz  gedeckt  zu 
werden,  wenn  er  nur  mit  dem  Best  seiner  Forderung  am 
Verfahren  teilnimmt.  Es  muss  ihm  daher  hier  ebenfalls  das 
Recht  eingeräumt  werden,  seine  ganze  Forderung  geltend  zu 
machen.  Der  Umstand,  dass  die  Art  der  Liquidation  im 
Nachlassverfahren  eine  andere  ist  als  im  Eonkurs,  vermag 
hieran  nichts  zu  ändern.  Massgebend  ist,  dass  der  Abschluss 
eines  Nachlas8vert rages  aller  Regel  nach,  wie  der  Eonkurs, 
eine  ökonomische  Situation  des  Schuldners  zur  Voraussetzung 
hat,  die  es  ihm  verun möglicht,  seine  Verpflichtungen  gänzlich 
zu  erfüllen.  Allerdings  sind  ferner  die  Wirkungen  des  Nach- 
lassvertrages für  die  Forderungen  der  Gläubiger  andere  als 
im  Eonkurse,  indem  dieselben  gegenüber  dem  Naohlass- 
schuldner  untergehen,  oder  dooh  nicht  mehr  geltend  gemacht 
werden  können.  Um  so  eher  aber  muss  es  dem  Gläubiger 
gestattet  werden,  von  diesem,  trotz  einer  von  einem  anderen 
Mitverpflichteten  erhaltenen  Teilzahlung,  für  seine  ganze  ur- 
sprüngliche Forderung  die  Nachlassdividende  zu  verlangen. 
Fraglicher  ist  allerdings  mit  Rücksicht  auf  die  besonderen 
Wirkungen  des  Nachlasevertrages,  ob  es  dem  Mitschuldner, 
der  die  Teilzahlung  geleistet  hat,  nicht  billigerweise  gestattet 
werden  sollte,  neben  der  Forderung  des  Gläubigers  seinen 
durch  die  Teilzahlung  erworbenen  Anspruch  im  Nachlassver- 
fahren ebenfalls  zu  liquidieren.  Allein  einer  solchen  Lösung 
steht  die  rechtliche,  und  zwar  materiellrechtliche  Erwägung 
zwingend  entgegen,  dass  sich  dem  Schuldner  und  seinen 
übrigen  Gläubigern  gegenüber  die  Regressforderung  des  Mil- 
verpfiiohteten  doch  nur  als  Teil  der  ursprünglich  einheitlichen 
Forderung  darstellt  und  dass  er  sich  dadurch,  dass  er  sich 
dem  Gläubiger  gegenüber  von  der  ganzen  Forderung  befreit, 
auch  von  der  durch  die  Teilzahlung  einem  Mitverpflichteten 
entstandenen  Teilforderung  löst.  Uebrigens  giebt  der  Eläger 
selbst  zu,  dass  beim  Naohlassverfahren  im  Eonkurs  Art.  217 
zur  Anwendung  zu  kommen  habe,  weil  die  Rechtsstellung 
der  Gläubiger  dieselbe  bleibe,  wie  sie  durch  die  Eonkurs- 
eröffnung geschaffen  wurde.  Allein  da  die  Lage,  in  welche 
die  Gläubiger  infolge  der  Eonkurseröffnung  unter  sich  ge- 
raten, durchaus  ähnlich  ist  derjenigen,  in  der  sie  sich  in  einem 
ausser  Eonkurs  vom  Schuldner  eingeleiteten  Nachlassverfahren 


befinden,  so  muas  sich  hier  die  Frage,  in'  welchem  Umfange 
die  Gläubiger  im  Verhältnis  zu  einander  zur  Liquidation  zu- 
zulassen seien,  ebenso  nach  den  allerdings  ausdrücklich  nur 
für  das  Konkursverfahren  aufgestellten  Grundsätzen  beant- 
worten, wie  sich  ihr  Rang  nach  den  konkursrechtlichen 
Segeln  bestimmt.  Und  andrerseits  ist  es  dem  Schuldner  auch 
bei  dieser  Art  der  Liquidation,  bei  der  er  meistens  alle  ver* 
iügbaren  Mittel  zu  teilweiser  Befriedigung  seiner  Gläubiger 
verwenden  wird,  nicht  zuzumuten,  dass  er  für  eine  materiell 
einheitliche  Forderung  mehr  ausrichte,  als  die  auf  den  ur- 
sprünglichen Betrag  derselben  fallende  Quote.  Die  Auffas- 
sung, dass  Art.  217  im  Nachlasse  er  fahr  en  ausser  Eonkurs 
nicht  zur  Anwendung  komme,  ist  zudem  nicht  nur  mit  den 
allgemeinen  Betrachtungen  über  den  rechtlichen  Gehalt  und 
die  rechtliche  Tragweite  der  Bestimmung  als  solcher  unver- 
einbar, sondern  es  stehen  ihr  auch  die  von  der  Vorinstanz 
hervorgehobenen,  speziell  aus  dem  Wesen  und  Zweck  des 
Naohlassvertrages  ausser  Eonkurs  geschöpften  Argumente 
entgegen.  Es  ist  diesbezüglich  namentlich  hervorzuheben, 
dass  die  Natur  des  Nachlassvertrages,  als  eines  Surrogats  des 
Eonkurses,  und  die  Tendenz  des  Gesetzes,  den  Abschluss  von 
Nachlassverträgen  ausser  Konkurs  zu  erleichtern,  auf  die  An- 
wendbarkeit des  Art.  217  hinweist  und  dass  es  eine  Ver- 
kennung jener  Momente  bedeuten  würde,  wenn  erklärt  werden 
wollte,  dass  im  Nachlassverfahren  ausser  Konkurs  der  Gläu- 
biger, der  von  einem  Mitverpflichteten  eine  Teilzahlung  er- 
halten hat,  nur  mit  dem  Restbetrag  zugelassen  werde,  oder 
dass  derjenige,  welcher  die  Teilzahlung  leistete,  neben  dem 
mit  der  ganzen  Forderung  partizipierenden  Gläubiger  teil- 
nehme (vergi,  hierzu  Entscheidung  des  deutschen  Reichsgerichts 
in  Civilsachen  Bd  II  S.  182,  Bd  XIV  S.  172  ff.  ;  Kohler, 
Konkursrecht  S.  464  f.).  (Entsch.  v.  6.  Dezember  1899  i.  S. 
Böget  c.  Braunschweig.) 


48.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art.  285  ff.,  287.  Rechtliche  Natur  und  Voraus- 
setzungen der  Anfechtungsklage  aus  dem  Art.  287  leg.  cit.  („Ueber- 
schuldungspauliana").  —  Begriff  der  Deb  er  schul  düng;  An- 
forderungen an  den  Beweis  des  Anfechtungsbeklagten,  dass  er  die 
Vermögenslage  des  Schuldners  nicht  gekannt  habe. 

1.  Art.  287  Betr.- Ges.  nimmt  unter  den  positiven  Normen 
des  schweizerischen  Anfechtungsrechts  nicht  nur  äusserlich, 
sondern    auch    seinem  Inhalte    nach    eine  Mittelstellung  ein. 


84 

Während  Art.  286*  sich  einerseits  nnr  auf  Schenkungen  und 
unentgeltliche  Verfügungen  des  Schuldners  bezieht,  denen* 
gewisse,  ähnliche  Zwecke  verfolgende  Rechtsgeschäfte  gleich- 
gestellt werden,  und  während  hier  andrerseits  die  Anfecht- 
barkeit rein  von  dem  objektiven  Moment  abhängig  ist,  das» 
die  Verfügung  innerhalb  der  letzten  6  Monate  vor  der  Pfändung 
oder  Konkurseröffnung  vorgenommen  wurde,  erklärt  Art.  288 
alle  Rechtshandlungen  des  Schuldners,  ohne  Rücksicht  auf 
den  Zeitpunkt  ihrer  Vornahme  als  anfechtbar,  wenn  gewisse 
subjektive  Voraussetzungen  vorhanden  sind,  wenn  nämlich 
der  Schuldner  beabsichtigte,  seine  Gläubiger  zu  benach- 
teiligen, oder  einzelne  Gläubiger  zum  Nachteil  anderer  zu 
begünstigen,  und  wenn  für  den  andern  Teil  diese  Absicht 
erkennbar  war.  Zwischen  die  Sohenkungspauliana  des  Art.  286- 
und  die  Deliktspauliana  des  Art.  288  schiebt  sich  nun  die 
in  Art.  287  normierte  Anfechtungsklage  —  die  Uebersohuldungs- 
pauliana  —  als  Mittelding  ein.  Es  werden  hier,  ähnlich  wie 
in  Art.  286,  einzelne  bestimmte  Rechtshandlungen  des  Schuld- 
ners, nämlich  solche,  durch  welche  einem  Gläubiger  Sicherung 
oder  Befriedigung  gewährt  wird,  auf  die  er  nicht  oder  noch 
nicht  oder  nicht  in  der  Art  Anspruch  hatte,  als  anfechtbar  er- 
klärt, wenn  sie  innerhalb  der  letzten  6  Monate  vor  der  Pfändung 
oder  Konkurseröffnung  vorgenommen  wurden;  immerhin  nur  für 
den  Fall,  dass  der  Schuldner  im  Zeitpunkt  der  Vornahme 
bereits  überschuldet  war.  Mit  dem  Nachweis  dieser  Erforder- 
nisse hat  dann  aber  der  Anfechtungskläger  seiner  Behauptungs- 
und Beweispflicht  genügt.  Der  Nachweis  einer  Benachteiligungs- 
oder Begünstigungsabsicht  des  Schuldners,  sowie  der  Collusion 
des  Dritten  wird  nicht  verlangt.  Ob  das  Gesetz  auf  dein 
Gedanken  beruhe,  dass  die  fraudulöse  Absicht  bei  den  in 
Art.  287  genannten  Rechtshandlungen  vermutet  werde,  oder 
ob  der  Grundgedanke  nicht  vielmehr  der  sei,  dass  durch 
gewisse  Geschäfte,  die  erfahrungsgemäss  häufig  vor  dem 
ökonomischen  Zusammenbruch  des  Schuldners  vorkommen 
und  dann  regelmässig  zum  Nachteil  der  übrigen  Gläubiger 
ausschlagen,  wenn  sie  thatsächlich  erst  innert  bestimmter 
Frist  vor  der  Pfändung  oder  Konkurseröffnung  vorgenommen 
worden  sind,  das  Recht  der  Gläubiger  auf  gleich-  bezw. 
gesetzmässige  Befriedigung  aus  dem  Vermögen  des  Schuldners 
nicht  beeinträchtigt  werden  dürfe,  kann  dahingestellt  bleiben. 
Denn  wenn  man  auch  —  wofür  aus  der  Entstehungsgeschichte 
der  Bestimmung  schwerwiegende  Argumente  gewonnen 
werden  könnten  —  annehmen  wollte,  es  handle  sich  um  einen 
speziell    normierten  Anwendungsfall    des  Art.  288,    um    eine 


Unterart  der  Deliktspauliana,  so  ist  doch  nicht  zu  bestreiten, 
dass  in  der  zum  Gesetz  gewordenen  Fassung,  die  in  erster 
Linie  massgebend  sein  muss,  die  Bestimmung  sich  dem  zweiten 
System,  auf  welchem  Art.  286  beruht,  nähert.  Insbesondere 
ist  der  Gedanke  einer  Präsumtion  der  bösen  Absicht  des 
Schuldners  nirgends  zum  Ausdruck  gelangt,  auch  nicht  in 
der  Weise,  dass  dem  Anfechtungsbeklagten  die  Möglichkeit 
eröffnet  wäre,  die  Klage  durch  den  Beweis  unwirksam  zu 
dachen,  dass  eine  solche  Absicht  beim  Schuldner  nicht  vor- 
gewaltet habe.  Es  genügt  nach  dem  Gesetz  der  objektive 
Nachweis,  dass  die  Handlung  innert  6  Monaten  vor  der 
Pfändung  oder  Konkurseröffnung  vorgenommen  wurde  und 
•dass  damals  der  Schuldner  bereits  überschuldet  war.  Aller- 
dings hat  nun  das  Gesetz  in  diese  sonst  rein  auf  objektiven 
Thatbe8tandsmerkmalen  aufgebaute  Regelung  der  Anfechtungs- 
klage nach  Art.  287  auch  ein  subjektives  Moment  hinein- 
getragen, indem  nach  dem  Sohlusssatz  dieses  Artikels  die 
Anfechtung  ausgeschlossen  ist,  wenn  der  Begünstigte  beweist, 
dass  er  die  Vermögenslage  des  Schuldners  nicht  gekannt  hat. 
Insofern  enthält  die  Klage  des  Art.  287  in  ihrer  positiven 
Normierung  auch  ein  der  Deliktspauliana  des  Art.  288  ent- 
nommenes Element.  Allein  es  ist  zu  beachten,  dass  das  Ge- 
setz nicht  von  einem  Nachweis  des  guten  Glaubens  oder  von 
•der  Unkenntnis  der  Benachteiligungs-  oder  Begünstigungs- 
absicht spricht,  sondern  das  Beweisthema  des  Beklagten  da- 
hin formuliert,  dass  er  die  Vermögenslage  des  Schuldners, 
d.  h.  einen  objektiv  feststellbaren  Zustand  nioht  gekannt  habe. 
Daraus  folgt,  dass  die  Frage  der  fraudulösen  Absicht  in  den 
Fällen  des  Art.  287  nur  bei  der  Feststellung  des  Kreises  der 
danach  der  Anfechtung  unterworfenen  Rechtshandlungen  eine 
Bolle  spielen,  dass  aber  sonst  weder  von  einer  Präsumtion 
dieser  Absicht,  noch  davon  gesprochen  werden  kann,  dass 
«1er  letzte  Absatz  des  Artikels  dem  Beklagten  die  Möglich- 
keit gebe,  eine  solche  Präsumtion,  soweit  sie  sich  gegen  ihn 
richten  würde,  zu  zerstören.  Vielmehr  kann  nach  der  Fassung 
des  Gesetzestextes  der  Sinn  der  letztern  Bestimmung  nur 
der  sein,  dass  demjenigen,  welcher  mit  seinem  Schuldner 
•eines  der  in  dem  Artikel  genannten,  eigenartigen  und  ausser- 
.gewöhnlichen  Geschäfte  abscbliesst,  zugemutet  wird,  dass  er 
mit  Rücksicht  auf  die  möglicherweise  damit  verbundene 
Schädigung  der  Gläubiger  die  Vermögenslage  des  Schuldners 
ins  Auge  fasse,  und  dass  das  Geschäft  mit  dem  Mangel  der 
Anfechtbarkeit  behaftet  ist,  wenn  es  eingegangen  wurde, 
•trotzdem  der  Begünstigte  schon  beim  Abschluss  wusste,  dass 


der  Schuldner  schlecht  stand.  Dabei  wird  die  Wirksamkeit 
der  Anfechtungsklage,  die  durch  die  Einführung  dieses  sub- 
jektiven Elementes  wesentlich  geschwächt  ist,  faktisch  da- 
durch wiederum  gestärkt,  dass  dem  Begünstigten  die  Beweis- 
last für  die  Unkenntnis  der  raisslichen  Lage  des  Schuldners 
auferlegt  ist. 

2.  Das  Wort  „überschuldet"  in  Art.  287  des  Schuldbe- 
treibungs-  und  Konkursgesetzes  bezeichnet  denjenigen  Zustand 
des  Schuldners,  in  dem  die  in  seinem  Vermögen  befindlichen 
Aktiven  die  daraus  zu  befriedigenden  Passiven  nicht  erreichen.. 
Ob  dieser  Zustand  vorhanden  sei,  muss  sich  offenbar  nach 
den  Verhältnissen  beurteilen,  wie  sie  objektiv  im  kritischen» 
Momente  vorlagen,  und  subjektive  Gesichtspunkte  können  da- 
bei nicht  in  Betracht  fallen.  Allerdings  formulieren  der  fran- 
zösische und  der  italienische  Text  des  Gesetzes  das  Erfordernis 
der  Ueberschuldung  dahin,  dass  sie  sagen,  es  seien  die  frag- 
lichen Rechtshandlungen  anfechtbar,  wenn  sie  von  einem 
débiteur  insolvable,  debitore  in  stato  d'insolvenza  vorgenommen 
worden  sind,  woraus  geschlossen  werden  könnte,  dass  es  auf  die 
mehr  von  subjektiven  Momenten  abhängige  Zahlungsunfähigkeit 
oder  Zahlungseinstellung  ankomme.  Allein  bis  zu  der  letzten, 
dem  ursprünglichen  Zweck  nach  eigentlich  bloss  redaktionellen 
Bereinigung  der  Gesetzesvorlage  lauteten  der  französische  und 
der  italienische  Text  mit  dem  deutschen  übereinstimmend 
dahin,  dass  die  Rechtshandlungen  desjenigen  Schuldners  an* 
fechtbar  seien,  „qui  était  au-dessous  de  ses  affaires,"  bezw. 
dass  der  Beweis  genüge  „che  il  debitore  era  già  oberato.  "• 
Es  ist  danach  unbedenklich  auf  den  deutschen  Text  abzu- 
stellen (vergi,  auch  Amtl.  Samml.  Bd  XXII  S.  210  f.  und 
Bd  XIX  S.  568).  Da  ferner  eine  Rechtshandlung  nach  Art.  287 
nur  angefochten  werden  kann,  wenn  eine  Pfändung  oder  der 
Konkurs  nachfolgt,  die  Anfechtbarkeit  somit  in  gewissem 
Sinne  eine  Rückdatierung  der  Wirkungen  der  Pfändung  oder 
des  Konkurses  bedeutet,  so  muss  unter  Ueberschuldung  der- 
jenige Zustand  des  Schuldners  verstanden  werden,  der  durch 
die  nachfolgende  Pfändung  oder  Eonkurseröffnung  manifest 
wurde,  d.  h.  es  muss  die  Bilanz,  in  der  Hauptsache  wenigstens, 
in  gleicher 'Weise  aufgestellt  werden,  wie  im  darauffolgenden 
Liquidationsverfahren  der  Etat  der  Aktiven  und  Passiven  er- 
richtet wird.  Es  ist  deshalb  einerseits,  wenn  es  sich  fragte 
ob  der  Schuldner  bei  der  Vornahme  einer  der  in  Art.  287 
Betreib.- Ges.  aufgezählten  Rechtshandlungen  überschuldet  ge- 
wesen sei,  nicht  zu  untersuchen,  ob  derselbe  seine  finanzielle 
Lage  gekannt  habe  oder  habe  kennen  können  oder  sollen,  noch 


87 

ob  er  habe  annehmen  können,  dass  er  sich  noch  werde  halten 
können  ;  sondern  es  ist  einfach  zu  prüfen,  ob  er  damals  anter 
seinen  Sachen  stand.  Andrerseits  müssen  dabei  unter  die 
Passiven  alle  Schulden  aufgenommen  werden,  die  im  folgen- 
den Pföndungs-  oder  Konkursverfahren  geltend  gemacht  werden 
können,  bezw.  geltend  gemacht  worden  sind,  insbesondere 
auch  solche,  für  die  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  selbständig 
keine  Betreibung  eingeleitet  und  keine  Zwangsliquidation  an- 
begehrt worden  wäre,  die  aber,  wenn  diese  von  anderer  Seite 
herbeigeführt  wird,  doch  daran  teilnehmen,  wobei  es  sich 
höchstens  fragen  kann,  ob  die  durch  die  Liquidationseröfinung 
als  solche  herbeigeführten  Aenderungen  im  Stande  der  Passiven 
zu  berücksichtigen  seien  oder  nicht.  Yon  diesem  Gesichts- 
punkte aus  müssen,  entgegen  der  Ansicht  der  Vorin  stanz, 
die  Frauengutsforderung  der  Ehefrau  des  Schuldners  und  die- 
Forderung  seiner  Mutter  bei  der  Aufstellung  der  Vermögens- 
bilanz auf  den  Tag  des  Abschlusses  des  angefochtenen  Ge- 
schäfts als  Schulden  mitgerechnet  werden,  wie  sie  auch  int 
nachfolgenden  Konkurs  unter  die  Passiven  aufgenommen? 
worden  sind  und  ihren  verhältnismässigen  Anteil  an  den. 
Aktiven  bezogen  haben,  und  kann  hieran  der  Umstand  nichts 
ändern,  dass  vom  geschäftlichen  Standpunkt  aus  unter  nor- 
malen Verhältnissen  derartige  Schulden  eher  als  Aktiven 
denn  als  Passiven  angesehen  werden  und  auch  vorliegend 
vom  Schuldner  angesehen  worden  sein  mögen. 

3.  Mit  dem  Beweis,  dass  der  Anfeohtungsbeklagte  die- 
Vermögenslage  des  Schuldners  nicht  gekannt  habe,  ist  es,  da 
die  Anfechtbarkeit  wegen  Ueberschuldung  gemäss  der  ersicht- 
lich strengen  Tendenz  des  Gesetzes  nicht  zu  leicht  illusorisch 
gemacht  werden  darf,  ernst  zu  nehmen.  Und  wenn  auch  der 
Natur  der  Sache  nach  in  der  Regel  ein  direkter  Nachweis- 
der  Unkenntnis  nicht  geführt  und  nicht  verlangt  werden  kann, 
so  muss  es  dann  doch  dem  Anfechtungsbeklagten  obliegen^ 
Momente  geltend  zu  machen  und  nachzuweisen,  aus  denen 
sioh  ergiebt,  dass  er  die  missliche  ökonomische  Lage  seine* 
Schuldners  nicht  kennen  konnte.  Derselbe  muss  Umstände 
darthun,  die  ihn  der  Pflicht,  die  Vermögenslage  des  Schuld- 
ners näher  zu  besehen,  enthoben,  oder  dann  glaubhaft 
machen,  dass  er  dieser  Pflicht  genügt,  dabei  aber  von  den 
bedrängten  Verhältnissen  des  Schuldners  keine  Kenntnis  er- 
langt habe.  (Entsch.  vom  22.  November  1899  i.  S.  Levy- 
Sonneborn  o.  È.  Hess  &  Cie.) 


88 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


49.  Clause  pénale.  Interdiction  de  reprendre  un  éta- 
blissement analogue  dans  un  certain  rayon;  calcul  de  ce  rayon. 
Art  178  s.    C.  0. 

Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  6  janvier  1900 
d.  1.  c.  Bonfantini  c.  xexier. 

Bonfantini,  oafetier,  a  vendu  à  Texier  son  café  et  s'est 
engagé  à  ne  pas  créer  ou  reprendre  un  établissement  simi- 
laire à  une  distance  moindre  de  300  mètres;  une  dédite  de 
mille  francs  a  été  stipulée  payable  par  la  partie  qui  ne  se 
conformerait  pas  ou  voudrait  renoncer  à  la  dite  convention. 
Bonfantini  ayant  repris  d'un  sieur  Briffod  un  café  situé  dans 
le  voisinage,  Texier  Ta  cité  devant  le  tribunal  pour  s'ouir 
faire  défense  d'en  continuer  l'exploitation  et  être  condamné 
Jt  payer  mille  francs.  Texier  soutient  que  le  café  repris  par 
Bonfantini  était  à  moins  de  300  mètres  de  celui  qu'il  lui 
avait  cédé  et  que,  par  le  seul  fait  de  sa  contravention  aux 
engagements  par  lui  contractés,  Bonfantini  était  tenu  de  lui 
payer  la  dédite  stipulée  au  contrat  de  vente.  Bonfantini  a 
contesté  que  l'établissement  par  lui  repris  fût  situé  à  une 
distance  inférieure  à  300  mètres  de  celui  qu'il  avait  vendu, 
vu  que  la  distance  devait  être  calculée,  non  à  vol  d'oiseau, 
mais  en  suivant  les  détours  des  rues  conduisant  de  l'un  à 
l'autre.  Le  Tribunal  de  1™  instance  a  estimé  que  la  distance 
était  donnée  par  la  projection  horizontale  de  la  ligne  droite 
reliant  les  deux  établissements  et  que  cette  distance  n'était 
que  de  260  mètres,  que  la  dédite  stipulée  était  bien  une  clause 
pénale,  et,  qu'en  conséquence,  il  devait  être  adjugée  à  Texier 
sa  conclusion.  La  Cour  de  justice  civile  a  confirmé  ce  jugement. 

Motifs:  Considérant  que  c'est  à  bon  droit  que  les 
premiers  juges  ont  choisi  non  la  distance  telle  qu'elle  peut 
être  calculée  en  suivant  les  rues  et  ruelles  qui  relient  les  deux 
cafés,  mais  la  distance  mesurée  en  ligne  droite  par  une  pro- 
jection à  vol  d'oiseau,  que  c'est  ce  mode  de  mensuration  qui 
a  dû  être  entendu  par  les  parties  et  non  un  autre  soumis  à 
tous  les  aléas  des  changements  qui  peuvent  être  apportés  au 
tracé  des  rues  et  des  allées; 

Considérant  que  c'est  également  à  bon  droit  que  le  Tri- 
bunal a  considéré  la  clause  du  contrat  qui  stipule  une  dédite 
<le  1000  fr.   comme   contenant,    non  seulement  le  délit  prévu 


à  l'art.  178  C.  0.,  mais  encore  la  clause  pénale  prévue  à 
Tart.  179  du  .même  Code; 

Que  cela  résulte  des  termes  de  cet  acte  qui  prévoit  ce 
paiement,  non  seulement  pour  le  cas  où  l'une  des  parties  re- 
noncerait au  bénéfice  de  la  convention,  mais  encore  pour 
celui  où  elle  ne  s'y  conformerait  pas; 

Que  la  place  occupée  dans  le  contrat  par  cette  stipu- 
lation, immédiatement  après  celle  qui  interdit  à  Bonfantini 
de  reprendre  un  établissement  similaire  à  celui  par  lui  cédé, 
indique  bien  qu'il  s'agit  d'une  clause  pénale  prévue  dans  cette 
éventualité.  (La  Semaine  judiciaire,  XXII  p.  103  S8.) 


50.  Dienstvertrag.  Anspruch  auf  Lohn  bei  Arbeits- 
Verhinderung.     Art  341  0.  R. 

Thargaa.  Urteil  des  Obergerichts  vom  27.  Mai  1899  i.  S.  Ehren- 
sperger  c.  A.  Sauer. 

H.  E.  war  bei  A.  3.  als  Vorarbeiter  angestellt.  Am 
1.  April  1897  wurde  er  verhaftet  und  bis  zum  24.  April  in 
Untersuchungshaft  gehalten,  dann  aber  entlassen,  ohne  dem 
Gerichte  überwiesen  zu  werden.  Er  verlangte  nun  unter  Be- 
rufung auf  Art.  841  0.  R.,  da  der  ihn  an  der  Dienstleistung 
verhindernde  Grund  von  ihm  nicht  verschuldet  sei,  den  Lohn 
von  Fr.  260  für  den  Monat  April.  Beide  Instanzen  wiesen 
diesen  Anspruch  ab.     Das  Obergericht  sagt: 

Der  Art.  341  0.  R.  kann  in  vorliegendem  Falle  nicht  zur 
Anwendung  kommen.  Er  enthält  eine  Ausnahmebestimmung. 
Während  sonst  als  Grundsatz  gilt,  dass  jemand  nur  für  effek- 
tive Dienstleistungen  Entschädigung  beanspruchen  darf,  werden 
hier  einzelne  Fälle  aufgeführt,  in  welchen  auch  ohne  diese 
Voraussetzung  Vergütung  zu  leisten  ist.  Nach  allgemeinen 
Rechtsgrundsätzen  sind  aber  derartige  Gesetzesbestimmungen 
strikte  und  nioht  extensiv  zu  interpretieren.  Art.  341  zählt 
zwei  Kategorien  auf,  Krankheit  einerseits,  Militärdienst  und 
ähnliche  Gründe  andrerseits.  Bei  der  ersteren  Kategorie 
wollte  der  Gesetzgeber  aus  Rücksichten  der  Humanität,  bei 
der  anderen  aus  öffentlich -rechtlichen  Gründen  den  Be- 
diensteten seines  Lohnes  nioht  verlustig  gehen  lassen.  Zu 
diesen  ähnlichen  Gründen  gehört  nun  wohl  die  Arbeitsbe- 
hinderung in  der  Eigenschaft  als  Feuerwehrmann,  Zeuge  oder 
Geschworener,  nicht  aber  wegen  unverschuldeter  Inhaftierung. 
Der  Kläger  stützt  sich  zwar  auf  Art.  60  des  deutschen 
Handelsgesetzbuchs,  wo  ganz  allgemein  der  Behinderungsgrund 

7 


90 

des  unverschuldeten  Unglücks  angeführt  ist,  als  welches  sich 
auch  seine  Inhaftierung  qualifiziere.  Allein  mit  Unrecht. 
Wenn  auch  das  deutsche  Handelsgesetzbuch  dem  schweize- 
rischen Obligationenrechte  in  vielen  Beziehungen  als  Muster 
•diente  und  eine  Reihe  von  Bestimmungen  desselben  in  dem 
letzteren  unveränderte  Aufnahme  gefunden  haben,  so  bat  doch 
gerade  hier  der  schweizerische  Gesetzgeber  eine  Ausnahme 
gemacht  und  ist  seine  eigenen  Wege  gegangen.  Er  wollte 
offenbar  im  Gegensatze  zum  deutschen  Rechte  nicht  eine  der- 
artige allgemeine  Fassung  eintreten  lassen,  sondern  zog  es 
vor,  die  Fälle  genauer  zu  präzisieren,  in  welchen  ein  An- 
gestellter, der  in  unverschuldeter  Weise  an  der  Verrichtung 
seiner  Dienste  gehindert  ist,  gleichwohl  Anspruch  auf  Ent- 
schädigung haben  soll. 


51.  Unpfändbare  Gegenstände.  Entschädigung  für 
Heilungskosten  fällt  nicht  unter  die  Regel  der  Entschädigung  für 
Körperverletzung.    Art  92  Ziff.  10  ß.-G<?*.  über  Seh,  u    K. 

Bern.  Urteil  des  App.-  und  Kass. -Hofes  vom  9.  Juni  1899  i.  S. 
In  sel  s  pi  tal  c.  Kopp. 

J.  G.  Kopp  hatte  von  der  Schweiz.  Centralbahn  für  einen 
schweren  Eisenbahnunfall  eine  Haftpflichtentschädigung  von 
Fr.  13,258.52,  inbegriffen  Fr.  1138. 12  für  Heilungskosten, 
ausbezahlt  erhalten.  Auf  Rechnung  des  Inselspitals  Bern 
entfielen  von  letzterer  Summe  Fr.  198,  und  das  Spital  be- 
trieb den  Kopp  hietür,  aber  vergeblich,  da  das  Betreibungs- 
amt erklärte,  Kopp  besitze  kein  pfändbares  Vermögen,  weil 
die  Unfallentschädigung  nach  Art.  92  Ziff.  10  B.  6.  unpfändbar 
sei.  Auf  Beschwerde  des  Spitals  erklärte  die  kantonale 
Aufsichtsbehörde  die  von  der  Centralbahn  an  Kopp  verab- 
folgte Entschädigung,  soweit  sie  für  Heilungskosten  zuge- 
sprochen worden,  als  pfändbar. 

Motive:  Der  Bestimmung  von  Art.  92  Ziff.  10  B.  G. 
liegt  der  Gedanke  zu  Grunde,  dass  das  für  menschliche 
Arbeitskraft  dem  Verletzten  durch  die  Gesetzgebung  gewährte 
Aequivalent  nicht  pfandbar  sein  soll  (vergi.  Bundesgerichtl. 
Urteil  im  Arch.  f.  Soh.  V  Nr.  52).  Daraus  folgt,  dass  die 
Entschädigungsbeträge  für  Heilungskosten  nicht  unter  Art.  92 
Ziff.  10  B.  G.  fallen,  da  diese  Kosten  offenbar  nicht  ein 
Aequivalent  für  verlorene  Arbeitskraft  sind. 

(Ein  hiegegen  von  Kopp  an  das  Bundesgericht  gerichteter 
Rekurs  ist  von  letzterem  abgewiesen  worden.  In  den  Motiven 
Tvird  ausgeführt,  die  fur  Heilung  zugesprochenen  Beträge  seien 


91 


gerade  dazu  bestimmt,  aus  dem  Vermögen  des  Verletzten 
wieder  auszuscheiden,  können  darum  auch  nach  dem  Willen 
•des  Gesetzgebers  dem  Zugriffe  der  Gläubiger  nicht  entzogen 
werden.)  (Zeitschr.  d.  Bern.  Jor.-Ver.,  XXXV  8.  659  ff.) 


52.  Betreibung  auf  Verlustschein.  Neues  Vermögen 
im  Sinne  des  Art  265  Abs.  2  B.  0.  über  Seh.  u.  K.1) 

Zürich.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichts  vom 
24.  Juni  1899  i.  S.  Zellweger  c.  Morf. 

M.  betrieb  den  Z.  auf  Grund  eines  Konkursverlustscheines 
für  Fr.  675.75.  Der  Betriebene  bestritt  diese  Betreibung,  ge- 
stützt auf  Art.  265  B.  G.  über  Seh.  u.  E.,  da  er  seit  seinem 
Konkurse  kein  neues  Vermögen  erworben  habe.  Thataächlich 
steht  fest,  dass  er  trotz  Eonkurs  ein  Einkommen  von  3000  Fr. 
versteuert,  die  er  als  Prokurist  seiner  mit  An-  und  Verkauf 
von  Liegenschaften  und  Werttiteln  sich  befassenden  Ehefrau 
verdient.  Streitig  war  unter  den  Parteien,  ob  unter  „neuem 
Vermögen u  lediglich  neue  Aktiven  oder  neues  Beinvermögen 
zu  verstehen  sei.  Die  Appellationskammer,  in  Ueberein- 
stimmung  mit  der  ersten  Instanz,  hielt  die  Betreibung  aufrecht 
unter  Reproduktion  folgender  Gründe  aus  einem  am  11.  April 
1893  i.  8.  Hauser  c.  Murbach  gefüllten  Urteil. 

Unzweifelhaft  sind  im  Sinne  des  Betreibungsgesetzes 
unter  neuem  Vermögen  lediglich  neue  Aktiven  verstanden. 
Eine  Interpretation  im  Sinne  des  Beschwerdeführers  würde  in 
der  That  zu  ganz  absonderlichen  Eonsequenzen  führen.  Der 
Nachweis,  dass  der  Schuldner  neues  „Reinvermögen"  er- 
worben, könnte  vernünftigerweise  vom  Gläubiger  nur  dann 
gefordert  werden,  wenn  er  auch  lediglioh  auf  dieses  Bein- 
vermögen Anspruch  hätte,  denn  wenn  er  einfach  auf  die 
Aktiven  greifen  kann,  unbekümmert  um  die  Belastung  mit 
neuen  Schulden,  so  ist  kein  Grund  erfindlich,  warum  er  ein 
Mehreres  zu  beweisen  brauoht,  als  dass  überhaupt  Aktiven 
vorhanden  seien. 

Nun  finden  sich  im  Bundesgesetz  über  Seh.  u.  E.  keinerlei 
Anhaltspunkte  dafür,  dass  ein  in  einem  frühern  Eonkurse  zu 
Verlust  gekommener  Gläubiger  nur  auf  das  Beinvermögen 
greifen  dürfe.  Diese  Idee  widerspricht  überhaupt  schon  dem 
Begriff  der  Zwangsvollstreckung  an  sich,  da  Gegenstand  der- 
selben nicht  ein  ideelles  Vermögen,  sondern  lediglich  aktive 
Vermögensstücke  sein  können. 


*)  Vergi.  Revu«  XVII  Nr.  84. 


92 

Könnte  der  Gläubiger  den  Nachweis  eines  reinen  Ver- 
mögens nicht  leisten,  so  wäre  die  Konsequenz  der  Theorie 
des  Beschwerdeführers  die,  dass  der  Gläubiger  selbst  dann, 
wenn  der  Schuldner  seine  Aktiven  nicht  zur  Bezahlung  der 
neuen  Gläubiger,  sondern  in  seinem  eigenen  Interesse  ver- 
wenden würde,  kein  Mittel  hätte,  um  dem  Schuldner  bei- 
zukommen. Der  Schuldner  hätte  es  überhaupt  völlig  in  der 
Hand,  jeweilen  im  gegebenen  Augenblick  selbst  nooh  bei  An- 
hebung der  Betreibung  ein  allfälliges  „  Rein  vermögen  a  (durch 
Aufnahme  von  Schulden  u.  s.  f.)  sofort  verschwinden  zu  lassen. 

Dass  das  Betreibungsgesetz  den  Ausdruck  „Vermögen" 
im  Sinne  des  Art.  265  Abs.  2  Seh.-  u.  K.-G.  unmöglich  im 
Sinne  des  Rekurrenten  verstehen  kann,  ergiebt  sich  auch, 
daraus,  dass  auch  ein  Verlustschein  aus  einem  Konkurse 
den  Gläubiger  zu  jeder  Zeit  berechtigt,  auf  Vermögensstücke 
des  Schuldners  Arrest  zu  legen  (Art.  265  Abs.  2,  149  Abs.  2, 
271  Ziff.  5).  Die  Anwendung  des  allgemeinen  Ausdruckes 
„Vermögen"  beweist  überhaupt  für  die  Auffassung  des  Re- 
kurrenten gar  nichts,  da  das  Betreibungsgesetz  an  einer  Reihe 
von  Stellen  den  gleichen  Ausdruck  gebraucht,  wo  ganz  un- 
zweifelhaft nur  Aktivvermögen  gemeint  ist  (vergi.  Art.  9öy 
115,  197,  221  Abs.  1  u.  s.  w.). 

(Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entgeh.,  XVIII  S.  302  f.) 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


53.  0.  R.  Art.  17,  7  b,  181.  Unsittliche  Verträge  sind  schlecht- 
hin (nicht  nur  dann,  toenn  der  unmittelbare  Leistungsgegenstand 
in  einer  unsittlichen  Handlung  besteht)  ungültig.  Verträge,  welche 
bloss  gegen  von  den  Vertragschtiessenden  gegenüber  Dritten  über- 
nommene vertragliche  Verpflichtungen  Verstössen,  sind  nicht  unsittlich. 

Die  Beklagte  hat  die  Erfüllung  eines  von  ihr  resp.  ihrem 
Rechtsvorgänger  als  Verkäufer  mit  der  Klägerin  abgeschlos- 
senen Kaufvertrages  über  bestimmte  Quantitäten  Flusseisen- 
walzdrahtes  verweigert  Von  der  Klägerin  deshalb  auf  Schaden- 
ersatz (von  Fr.  9375)  belangt,  wendete  die  Beklagte  ein,  das 
Geschäft  sei  naoh  Art.  17  0.  R.  als  ein  unsittliches  ungültig. 
Beiden  Parteien  sei  nämlich  durch  Verträge  mit  Dritten  ver- 
boten gewesen,  derartige  Geschäfte  abzuschliessen.  Denn  die 
Klägerin  sei  einem  in  Deutschland  bestehenden  Syndikat  bei- 
getreten, dessen  Mitglieder  sich  verpflichtet  hätten,  Walzdraht 
deutscher  Herkunft  nur  von  Syndikatsmitgliedern  zu  beziehen, 
und  die  Beklagte  habe  sich  ihrerseits  diesem  Syndikat  gegen- 
über verpflichtet,  die  ihr  zum  Export  unter  Syndikatspreisen 
gelieferten  Waren  nicht  nach  Deutschland  zurückzuführen. 
Die  Klägerin  habe  beim  Abschluss  der  fraglichen  Kaufver- 
träge gewusst,  dass  die  beklagte  Firma  die  vereinbarte  Ware 
nicht  nach  Deutschland  liefern  dürfe.  Die  Klägerin  bestritt, 
zur  Zeit  der  Vertragsabschlüsse  dem  bezeichneten  Syndikat 
angehört  und  gewusst  zu  haben,  dass  die  Beklagte  mit  ihm 
in  Beziehung  gestanden,  speziell,  dass  ihr  verboten  gewesen 
sei,  das  vom  Syndikat  für  den  Export  bezogene  Eisen  in 
Deutschland  zu  verkaufen. 

Die  kantonalen  (baselstädtischen)  Instanzen  haben  die 
Klage  ohne  Beweisaufnahme  über  die  Einredethatsachen  der 
Beklagten  gutgeheissen,  und  das  Bundesgericht  hat  diese  Ent- 
scheidung bestätigt,  im  wesentlichen  aus  folgenden  Gründen  : 

Nach  allgemein  anerkanntem  Rechtsgrundsatze  sind  Ver- 
träge, die  gegen  die  Sittlichkeit  Verstössen,  nichtig  (Wind- 
scheid, Pand.  II  §  314;  Dem  bürg,  Pand.  II  §  16).  Ein 
unsittlicher  Vertrag  liegt  nicht  bloss  dann  vor,  wenn  sein  un- 


94 

mittelbarer  Gegenstand  in  einer  unsittlichen  Handlung  besteht, 
sondern  auch  dann,  wenn  der  Vertrag  indirekt  auf  Hervor- 
rufung oder  Beförderung  des  Verbotenen  oder  auf  Hinderung 
des  Gebotenen  gerichtet  ist,  sowie  überhaupt,  wenn  er  durch 
die  Verwerflichkeit  der  Gesinnung,  die  sich  in  ihm  kundgiebt, 
das  sittliche  Gefühl  verletzt.  Im  eidgenössischen  Obligationen- 
recht ist  zwar  die  Ungültigkeit  nur  für  den  erstgenannten 
Fall  ausdrücklich  ausgesprochen,  nämlich  in  Art.  17,  welcher 
bestimmt,  class  eine  unsittliche  Leistung  nicht  Gegenstand 
des  Vertrages  bilden  könne.  Allein  hieraus  darf  nicht  ge- 
folgert werden,  dass  das  Bundesgesetz  Verträge,  die  von  einem 
andern  Gesichtspunkt  aus  als  unsittlich  erscheinen,  als  gültig 
anerkenne.  Denn  Art.  17  handelt  nicht  von  der  Gültigkeit 
oder  Ungültigkeit  der  Verträge  im  allgemeinen,  sondern  er 
beschlägt  lediglich  die  Frage  nach  dein  möglichen  Gegenstand 
des  Vertrages.  Die  Bestimmung,  dass  eine  unsittliche  Leistung 
nicht  Gegenstand  des  Vertrages  bilden  könne,  enthält  somit 
nur  eine  spezielle  Anwendung  des  allgemeinen  Satzes,  dass 
für  unsittliche  Verträge  kein  Recht  gehalten  werden  solle; 
derselbe  Satz  liegt  auch  andern  Bestimmungen  zu  Grunde, 
in  welchen  nicht  besonders  auf  den  Gegenstand  der  Obliga- 
tion abgestellt  ist,  sondern  der  unsittliche  Erfolg  (Art.  75) 
oder  überhaupt  der  unsittliche  Charakter  des  Rechts- 
geschäftes (Art.  181)  als  verpönt  erscheint,  so  dass  die  An- 
nahme, dass  nach  eidgenössischem  Obligationenrecht  unsittliche 
Verträge  schlechthin  ungültig  seien,  keinem  Bedenken  unter- 
liegt. Diese  Auffassung  hat  denn  auch  das  Bundesgericht  in 
konstanter  Praxis  vertreten  (vergi,  bundesger.  Entsch.  Bd  XX 
S.  232  Erwäg.  6,  S.  611  Erwäg.  5;  Bd  XXI  S.  845  Erwäg.  7; 
Revue  der  Gerichtspraxis  im  Gebiete  des  Bundesoivilreohts 
Bd  XVIII  No.  3). 

Die  Leistung,  welche  die  Beklagte  durch  die  Verträge 
12./14.  Februar  und  30.  April  1898  versprochen  hat,  ist  nun 
selbstverständlich  an  sich  keine  unsittliche.  Es  kann  sich 
vielmehr  bloss  fragen,  ob  diese  Verträge  nicht  deswegen  als 
nichtig  betrachtet  werden  müssen,  weil  sie  indirekt  auf  die 
Herbeiführung  eines  den  guten  Sitten  widerstreitenden  Er- 
folges gerichtet  gewesen  seien.  Dies  wäre  jedoch  mit  den 
kantonalen  Gerichten  selbst  dann  zu  verneinen,  wenn  die 
von  der  Beklagten  aufgestellten  Behauptungen  über  die  Be- 
ziehungen beider  Parteien  zu  dem  fraglichen  Syndikat  als 
erwiesen  angenommen  werden  sollten.  Allerdings  lief  nach 
der  Darstellung  der  Beklagten  die  Erfüllung  der  zwischen 
den   Litiganten   abgeschlossenen  Verträge   vertraglichen  Ver- 


95 

pflichtungen  zuwider,  welche  die  Litiganten  jenem  Syndikat 
gegenüber  eingegangen  waren.  Die  zwischen  den  Litiganten 
abgeschlossenen  Verträge  waren  also,  nach  dieser  Darstellung, 
auf  die  Herbeiführung  eines  Erfolges  gerichtet,  dessen  Er- 
zielung ihnen,  kraft  Vertrags  mit  einem  Dritten,  verboten 
war.  Es  würde  jedoch  zu  weit  gehen,  wenn  man  die  Ver- 
letzung derartiger  geschäftlicher  Abmachungen,  sofern  damit 
nicht  etwa  ein  betrügliches  Verhalten  verbunden  ist,  schlecht- 
hin auch  als  Verstoss  gegen  die  Gebote  der  Sittlichkeit  be- 
zeichnen und  hierauf  gestützt  ein  Rechtsgeschäft  schon  um 
•deswillen  als  ungültig  erklären  wollte,  weil  die  eine  oder 
andere  Vertragspartei  bei  dessen  Erfüllung  mit  anderweitig 
eingegangenen  vertraglichen  Verpflichtungen  notwendig  in 
Konflikt  gerät.  Dies  geht  schon  deshalb  nicht  an,  weil  die 
Rechtsordnung  selbst  zwischen  blossen  Vertragsverletzungen 
und  unerlaubten  Handlungen  unterscheidet  und  unter  die 
letztern  nur  solche  Handlungen  oder  Unterlassungen  zählt, 
welche,  abgesehen  von  besondern,  vertraglich  übernommenen 
Verpflichtungen,  gegen  allgemeine  Gebote  der  Rechtsordnung 
Verstössen.  (Entscb.  v.  23.  März  1900  i.  S.  Sommer  c.  Eisen- 
und  Drahtwerk  Erlau.) 


54.  0.  R.  Art.  26,  27  Abs.  I  198,  Für  die  Abtretung  grund- 
eersicherter  Forderungen  ist  nur  hinsichtlich  des  Abtretungsaktes 
selbst,  nicht  hinsichtlich  des  demselben  zu  Grunde  liegenden  Rechts- 
geschäftes,  das  kantonale  Recht  durch  Art.  198  vorbehalten.  — 
Anwendbarkeit  des  0.  R.  auf  den  Vergleich.  —  Voraussetzungen 
der  Anfechtbarkeit  eines  Rechtsgeschäfts  wegen  Furchterregung; 
widerrechtliche  Drohung  Ì  —  Beweislast  dafür,  dass  die  durch 
einen  wegen  Furchterregung  angefochtenen  Vergleich  eingeräumten 
Vorteile  übermässige  seien. 

Gegen  den  Beklagten  J.  H.  war  von  seiner  Ehefrau  und 
seinem  Sohne  Strafanzeige  wegen  Diebstahls  —  die  Anzeiger 
behaupteten,  J.  H.  habe  sich  ihr  ganzes  Vermögen  angeeignet  — 
und  Ehebruchs  erstattet  worden.  J.  H.  wurde  deshalb  am 
15.  Mai  1897  verhaftet,  am  17.  gl.  Mts.  indes  gegen  Kaution 
der  Haft  entlassen.  Am  31.  Mai  1897  trat  nun  J.  H.  seiner 
Ehefrau  verschiedene  Gülten  im  Werte  von  ca.  Fr.  10,000 
ab,  wogegen  dieselbe  ihm  eine  Erklärung  ausstellte,  dass  sie 
ihre  Strafklage  zurückziehe  und  die  erlaufenen  Kosten  über- 
nehme. Daraufhin  wurde  die  Strafuntersuchung  aufgehoben. 
Im  März  1898  erhob  J.  H.  Klage  auf  Nichtigerklärung  der 
Gültabtretung    vom    31.  Mai  1897    und    Rückerstattung   der 


""  VT^-. 


96 

Gülten,  indem  er  behauptete,  er  sei  durch  widerrechtlich» 
Drohung,  insbesondere  durch  Erhebung  der  Strafklage,  die 
eine  wissentliche  Falschklage  gewesen  sei,  zum  Vergleiche 
und  zur  Abtretung  bestimmt  worden. 

Das  Bundesgericht  hat,  in  Bestätigung  der  Entscheidung^ 
des  Obergerichts  des  Kantons  Luzern,  die  Klage  abgewiesen» 
Aus  den  Gründen  seines  Urteils  ist  hervorzuheben: 

Seinen  heutigen  Hauptantrag:  das  Bundesgericht  möge 
sich  inkompetent  erklären,  begründet  der  Vertreter  der  Be- 
klagten damit,  in  der  vorliegenden  Sache  komme  nicht  eid- 
genössisches, sondern  kantonales  Recht  zur  Anwendung,  da 
es  sioh  um  die  Abtretung  grundversicherter  Forderungen 
handle,  welche  gemäss  Art.  198  O.  R.  dem  kantonalen  Rechte 
vorbehalten  sei.  Nun  untersteht  aber  die  Abtretung  grund- 
versi  eher  ter  Forderungen,  trotz  des  allgemeinen  Wortlaute» 
des  Art.  198  0.  R.,  nur  insoweit  dem  kantonalen  Recht,  ala 
die  Abtretung  selber,  der  Uebereignungsakt,  in  Frage  kommt^ 
nicht  aber  bezüglich  des  zu  Grunde  liegenden  Rechtsgeschäfte» 
(sofern  dieses  nicht  schon  anderweitig  vom  kantonalen  Rechte 
beherrscht  ist) (s.  Urteil  des  Bundesgeriohts  vom  12.  Fe- 
bruar 1898  i.  S.  Frey-Wahli  o.  Kratzer,  A.  S.  XXIV,  II.  Teil 
S.  117  f.  E.  2).  Der  vom  Kläger  erhobene  Anspruch  aus  Furcht- 
erregung (actio  quod  metus  oausa)  bezieht  sich  nun  nicht 
auf  die  Abtretung  der  Gülten  als  solche,  auf  den  der  Tradi- 
tion zur  Seite  zu  stellenden  Uebereignungsakt,  sondern  auf 
das  der  Abtretung  zu  Grunde  liegende  Rechtsgeschäft  (die 
causa  ces8ionis);  nicht  die  Abtretung  als  solche  wird  an- 
gefochten, sondern  der  Vergleich,  der  den  Rechtsgrund  der 
Abtretung  gebildet  hat.  Dieser  Vergleich  aber,  gegen  welchen 
allein  die  Anfechtung  sich  richtet,  ist  offenbar  ein  Rechts- 
geschäft obligationenrechtlicher  Natur  und  daher,  da  das  eidgen. 
Obligationen- Recht  diesbezüglich  keinen  Vorbehalt  zu  Gunsten 
des  kantonalen  Rechts  enthält,  vom  eidgenössischen  Rechte 
geregelt,  so  dass  also  für  die  Beurteilung  der  Klage  eid- 
genössisches Recht  zur  Anwendung  kommt 

Der  Kläger  stützt  seine  Anfechtung  des  Vergleiches  vom 
31.  Mai  1897  auf  Art.  26  und  27  Abs.  1  0.  R.,  d.  h.  darauf,  er 
sei  durch  Erregung  gegründeter  Furcht  zur  Eingehung  de» 
genannten  Rechtsgeschäftes  bestimmt  worden.  Und  zwar  soll 
die  Furchterregung  in  zwei  Thatsachen  bestanden  haben:  in 
der  Erhebung  der  Strafklage,  die  eine  wissentliche  Falsch- 
klage gewesen  sei,  und  nach  der  Erhebung  dieser  Strafklage 
in  der  Bearbeitung  des  Klägers  durch  die  Beklagte  und  ihre 
Helfershelfer,    insbesondere    durch    Drohungen    wegen   Fort- 


97 

Setzung  des  Strafverfahrens.  Nun  wird  allerdings  richtig  sein, 
dass  der  Kläger  durch  jene  Strafklage  in  Furcht  versetzt 
worden  ist,  und  zwar  in  gegründete  Furcht,  da  er  annehmen 
konnte,  eine  grössere  Strafe,  vielleicht  sogar  Zuchthausstrafe, 
erleiden  zu  müssen,  zumal  die  Strafklage  keineswegs  von 
vornherein  ganz  unbegründet  erscheinen  musate.  Zum  That- 
bestande  des  Art.  26  0.  R.  gehört  aber  weiterhin,  dass  die  ge- 
gründete Furcht  hervorgerufen  sei  durch  eine  widerrechtliche 
Drohung.  Eine  solche  läge  nun  allerdings  zunächst  ohne 
weiteres  in  der  Erhebung  einer  wissentlich  falschen  Straf- 
Jklage.  Allein  dass  die  gegen  den  Kläger  erhobene  Strafklage 
wegen  Diebstahls  und  wegen  Ehebruchs  eine  wissentlich  falsche 
oder  auch  nur  eine  von  vornherein  und  bei  auch  nur  einiger 
Prüfung  des  Thatbestandes  unbegründete  gewesen  sei,  kann 
nach  dem  Resultat  des  Zeugenbeweises  in  der  Strafunter- 
suchung, sowie  im  gegenwärtigen  Prozesse  nicht  gesagt  werden 
(wie  des  nähern  ausgeführt  wird).  Es  waren  jedenfalls  Momente 
vorhanden,  die  eine  Strafklage  gegen  den  Kläger  als  gerecht- 
fertigt erscheinen  Hessen,  und  war  die  Strafklage  nicht  wider- 
rechtlich; alsdann  konnte  aber  auch  nicht  von  einem  wider- 
rechtlichen Zwang  des  Klägers  durch  dieselbe  die  Rede  sein, 
da  sich  der  Kläger  eben  selber  in  die  Notlage  versetzt  hatte 
{vergi.  K  ohi  er  in  den  Jahrb.  f.  d.  Dogm.  Bd  25  S.  31).  Und 
was  sodann  die  angeblichen  Drohungen  und  Massregeln  gegen 
den  Kläger  nach  Einleitung  der  Strafklage  betrifft,  so  fällt 
vorab  in  Betracht,  dass  die  Verhaftung  wohl  kaum  von  ent- 
scheidendem Einüuss  auf  den  Willen  des  Klägers  zum  Ab- 
schlüsse des  Vergleichs  sein  konnte,  da  ja  dieser  Abschluss 
erst  zirka  14  Tage  nach  der  Haftentlassung  stattfand.  Im 
übrigen  aber  ist  von  den  Vorinstanzen  an  Hand  des  Zeugen- 
beweises in  für  das  Bundesgerioht  verbindlicher  Weise  fest- 
gestellt, dass  nicht  die  Beklagte  den  Kläger  zum  Abschlüsse 
des  Vergleichs  bestimmt  hat,  ihm  wegen  desselben  nachge- 
gangen ist,  sondern  dass  gegenteils  e  r  den  Vergleich  gesucht, 
auch  den  Zeugen  X.  mehrfach  zur  Vermittlang  desselben  auf- 
gesucht (das  letzte  Mal  eines  Morgens  um  31/»  Uhr)  und  ihm 
nach  dem  Abschlüsse  eine  Provision  von  300  Fr.  bezahlt  hat. 
Sonach  kann  nur  noch  in  Frage  kommen,  ob  der  Klag- 
anspruch nach  Art.  27  Abs.  2  0.  B.  zu  schützen  sei,  was  der 
Kläger  in  zweiter  Linie  behauptet.  Dazu  wäre  notwendig, 
dass  die  Beklagte  durch  die  Erhebung  der  Strafklage  den 
Kläger  bestimmt  hätte,  ihr  übermässige  Vorteile  einzuräumen. 
Die  Beweisiast  hiefür,  und  speziell  auch  für  die  Uebermässig- 
keit  der  eingeräumten  Vorteile,  liegt  dem  Kläger  ob,  da  jene 


Thatsachen  zum  Klagefundament  gehören.  (Im  weitern  wird 
dann  ausgeführt,  das«  dieser  Beweis  nicht  erbraobt  sei.) 
(Entsch.  vom  3.  Februar  1900  i.  S.  Haas  o.  Haas.) 


SS.  Bundesgesetz  betreffend  das  Urheberrecht  an  Werken  der 
Lüteratur  und  Kunst  vom  23.  April  1883.  0.  R.  Art  50.  —  Rechi 
am  Büchertitel.  Am  Titel  eines  literarischen  Werkes  besteht 
kein  Urheberrecht^  sondern  derselbe  ist  nur  nach  den  Grund- 
sätzen über  concurrence  déloyale  geschützt,  und  auch  dies  nur 
dann,  wenn  er  eigenartig  ist,  nicht  lediglich  den  Inhalt  des 
Werkes  in  sprachgebräuchlicher  Weise  anzeigt.  An  Titeln  letzterer 
Art  kann  ein  ausschliessliches  Recht  nicht  erworben  werden. 

1.  Conformément  à  la  jurisprudence  du  Tribunal  de  céans, 
il  y  a  lieu  d'admettre  que  le  titre  d'un  ouvrage  ne  constitue 
pas  une  propriété  littéraire,  un  objet  du  droit  d'auteur,  et 
qu'il  ne  peut  par  conséquent  être  mis  au  bénéfice  des  dispo- 
sitions de  la  loi  spéciale  sur  la  protection  de  la  propriété 
littéraire,  mais  que  le  titre  d'un  ouvrage  est  simplement  une 
désignation,  une  marque  distinctive,  qui  est  protégée,  à  défaut 
de  loi  spéciale,  par  les  règles  générales  du  droit  contre  la 
concurrence  déloyale  (voir  arrêts  du  Tribunal  fédéral  dans 
les  causes  Orell  Füssli  et  Gie,  Beo.  off.  XVII  page  755; 
Tribune  de  Genève  c.  Tribune  de  Lausanne,  ibid.  XXI 
page  161  et  suiv.;  Stampfli  c.  Steffen,  ibid.  XXIV,  II  page  716 
consid.  2). 

2.  Pour  que  l'auteur  et  l'éditeur  d'un  ouvrage  puissent 
posséder  un  droit  individuel  et  privatif  au  titre  d'un  livre, 
il  faut  conformément  à  la  jurisprudence  adoptée  par  le  Tri- 
bunal de  céans,  que  ce  titre  présente  un  caractère  particulier, 
original  (eigenartig)  et  ne  se  borne  pas  à  désigner  en  la  forme 
usuelle  et  d'une  manière  générale  le  sujet  traité  ou  la  nature 
de  la  publication  (voir  arrêt  du  Tribunal  fédéral  dans  la  oause 
Stämpfli  c.  Steffen,  Ree.  off.  XXIV,  II  page  714). 

Or  le  titre  adopté  par  le  demandeur  G.  „Flore  coloriée 
de  poche  à  l'usage  du  touriste  dans  les  montagnes  de  la  Suisse, 
de  la  Savoie  etc."  n'apparaît  point  comme  une  désignation  de 
fantaisie,  comprenant  un  élément  Imaginatif  et  caractéristique 
spécial,  qui  seul  pourrait  donner  lieu  à  un  monopole  exclusif. 
Ce  titre  n'est  autre  chose  qu'un  intitulé  tout  général,  qui 
s'impose  naturellement,  comme  dénomination  pour  ainsi  dire 
nécessaire  à  tout  auteur  ou  éditeur  qui  veut  écrire  ou  publier 
un  ouvrage  sur  la  matière  dont  il  s'agit.  La  désignation  de 
„Flore  coloriée  à  l'usage  du  touriste  dans  les  montagnes  etc.* 


99 

est  ainsi  un  titre  nécessairement  indiqué  pour  tonte  publication 
se  présentant  dans  les  circonstances  et  avec  le  contenu  en 
question,  et  ce  titre  ne  présente  aucun  élément  original,  dont 
le  choix  pourrait  créer,  en  faveur  de  celui  qui  l'a  fait  en 
premier  Heu,  un  droit  d'appropriation  privative.  En  parti- 
culier les  mentions  „de  poche  à  l'usage  du  touriste"  n'appa- 
raissent pas  comme  pouvant  communiquer  au  titre  litigieux 
ce  caractère  original,  qui  seul  pourrait  justifier  la  prétention 
du  demandeur  à  un  usage  exclusif.  Ces  désignations  n'ont 
d'autre  effet  que  de  spécifier  le  cercle  plus  restreint  des 
lecteurs  auxquels  l'ouvrage  est  destiné,  et  le  format  portatif 

de  ce  dernier 

Sans  doute  qu'une  confusion  est  possible  entre  les  titres 
des  deux  ouvrages  de  Sch.  et  de  C,  mais  cette  possibilité 
existe  dans  tous  les  cas  où  deux  auteurs  ont  écrit  chacun  sur 
la  même  matière,  d'après  le  même  système,  et  se  sont  bornés, 
comme  c'est  le  cas  dans  l'espèce,  à  indiquer  le  contenu  de 
leurs  ouvrages  respectifs  d'une  manière  générale,  en  se  servant 
dans  le  titre  uniquement  de  mots  usuels,  dans  leur  signifi- 
cation ordinaire.  Le  danger  de  confusion  cesse  dès  le  moment 
où  l'acheteur  indique,  lors  de  son  achat,  le  nom  de  l'auteur 
de  l'ouvrage  qu'il  se  propose  d'acquérir;  si  par  contre  il  se 
contente  de  demander  un  ouvrage  sur  la  matière  dont  il  s'agit, 
sans  indiquer  le  nom  d'auteur,  c'est  qu'il  lui  est  indifférent 
de  faire  l'acquisition  de  l'une  ou  de  l'autre  des  publications 
concurrentes,  l'une  aussi  bien  que  l'autre  pouvant  lui  rendre 
les  services  qu'il  en  attend.  Le  seni  fait  de  la  coexistence, 
sous  un  titre  identique  ou  très  semblable,  mais  non  susceptible 
d'appropriation  privative,  de  deux  ouvrages  traitant  le  même 
objet,  ne  saurait  être  considéré  comme  impliquant,  à  la  charge 
de  l'un  des  auteurs  et  au  préjudice  de  l'autre,  un  acte  de 
concurrence  déloyale,  un  quasi-délit  tombant  sous  le  coup  des 
art.  50  et  suiv.  0.  0.  Comme  les  titres  génériques  de  „  Pan- 
dectes"  ou  de  „Grammaire  allemande  à  l'usage  des  écoles, tf 
par  exemple,  ne  constituent  évidemment  pas,  par  eux-mêmes, 
un  privilège  exclusif  en  faveur  de  celui  qui  en  a  fait  usage 
le  premier,  mais  doivent  apparaître  comme  étant  du  domaine 
public,  le  titre  des  deux  ouvrages  en  litige  ne  saurait  pas 
non  plus  fonder  un  monopole,  un  privilège  au  bénéfice  ex- 
clusif de  l'un  ou  de  l'autre  de  leurs  auteurs.  (Entsch.  vom 
10. Februar  1900  LS.  Burkhardt  c.  Correvon  et  Klincksieck.) 


100 

56.  0.  R.  Art  65.  Die  Anwendung  des  Art.  65  wird 
durch  ein  zwischen  dem  Verletzten  und  dem  Tierhalter  bestandenes 
Dienstoertragsverhälinis  nicht  ausgeschlossen;  die  Haftung  des 
Tierhalters  nach  0.  R.  beruht  auf  dem  Verschuldensprinzip.  In 
der  blossen  Thaisache  des  Haltens  eines  bösartigen  Tieres  (eines 
als  Beisser  und  Schläger  bekannten  Pferdes)  liegt  kein  Ver- 
schulden, welches  ohne  Weiteres  zum  Ersätze  des  durch  das 
Tier  gestifteten  Schadens  verpflichten  würde. 

Der  ursprüngliche  (im  Laufe  des  Prozesses  verstorbene) 
Kläger  ß.  S.  K.  war  bei  dem  Beklagten,  Pferdehändler  und 
Fuhrhalter  E.  als  Knecht  angestellt  gewesen.  Er  wurde  am 
28.  Dezember  1898  im  Stalle  des  Beklagten  beim  Füttern 
der  Pferde  durch  eines  derselben,  welches  allgemein,  speziell 
auch  dem  Kläger  wie  dem  Beklagten,  als  Schläger  und 
Beisser  bekannt  war,  in  die  Kniekehle  geschlagen  und  da- 
durch schwer  verletzt.  Näheres  über  den  Hergang  ist  nicht 
ermittelt.  Die  von  dem  Verletzten  angehobene,  nach  dessen 
Tode  von  seinen  Erben  aufgenommene  Schadenersatzklage 
gegen  E.  wurde  vom  Bundesgerichte  (in  Bestätigung  der  Ent- 
scheidung des  Kantonsgerichts  des  Kantons  St.  Gallen)  ab- 
gewiesen, im  wesentlichen  aus  folgenden  Gründen: 

Es  kann  sich  nur  fragen,  ob  der  Kläger  seinen  Anspruch 
auf  Art  65,  in  Verbindung  mit  Art.  50,  51,  53  und  54  0.  R., 
stützen  könne.  Ausser  Zweifel  steht  hiebei,  dass  der  Be- 
klagte als  „Tierhalter"  im  Sinne  des  Art.  65  1.  o.  anzusehen 
ist.  Wenn  der  Beklagte  gegen  die  Anwendbarkeit  dieser 
Bestimmung  einwendet,  sie  komme  nur  Dritten,  nicht  dem 
Angestellten  des  Tierhalters  gegenüber  zur  Anwendung,  und 
der  Dienstpflichtige  habe  mit  Uebernahme  der  Wartung  der 
Tiere  auch  die  damit  verbundene  Gefahr,  soweit  sie  im  ge- 
wöhnlichen, vorauszusehenden  Verlaufe  der  Dinge  liege,  über- 
nommen, —  so  kann  dem  nicht  beigestimmt  werden.  Gegen- 
teils erwächst  dem  Dienstherrn,  wie  das  Bundesgericht  schon 
mehrfach  auszusprechen  Gelegenheit  hatte  (s.  zuletzt  Urteil 
vom  20.  Mai  1899  in  S.  Wartmann  c.  Hirschi,  Amtl.  Samml. 
Bd  XXV,  2.  Teil,  S.  402  ff.,  spez.  404  f.  Erw.  2),  aus  dem 
Dienstvertrage  die  Pflicht,  diejenigen  Vorrichtungen  zu  treffen, 
die  den  Dienstnehmer  vor  den  Gefahren  des  Betriebes  sicher 
stellen,  soweit  es  die  Natur  der  dem  Dienstnehmer  über- 
tragenen Dienstleistungen  erfordert  und  der  Dienstberechtigte 
dadurch  nicht  unbillig  belastet  wird  (vergi,  jetzt  die  Be- 
stimmung des  §  618  D.  B#  G.  B.);  eine  Verletzung  dieser 
Verpflichtungen  enthält  zunächst  eine  Verletzung  des  Dienst- 
vertrages, daneben   auch,   dann,   wenn    dadurch  Rechtsgüter, 


101 

•die  durch  allgemeine  Reohtssätze  geschützt  sind,  wie  nament- 
lich Leben  und  Gesundheit,  beschädigt  werden,  eine  Ver- 
letzung dieser  allgemeinen  Rechtsnormen  und  damit  eine 
unerlaubte  Handlung  im  Sinne  des  Art.  50  0.  R.  Das  Vor- 
handensein eines  Dienstvertrages  und  die  Möglichkeit  einer 
Kontraktsklage  schliesst  also  die  Möglichkeit  einer  Delikts- 
klage oder  einer  Klage  aus  Haftung  für  Zustände  (z.  B. 
.gemäss  Art.  67  0.  R.  als  Eigentümer  eines  Werkes)  nicht 
aus,  sondern  beide  Ansprüche  bestehen  konkurrierend  neben- 
einander (vergi.  Amt!.  Samml.  Bd  XVHI  S.  340  Erw.  4, 
8.  861  f.,  Erw.  5).  Darnach  war  der  Kläger,  obschon  Ange- 
stellter des  Beklagten,  allerdings  befugt,  den  Beklagten  auf 
Grund  des  Art.  65  0.  R.  als  Tierhalter  in  Anspruch  zu 
nehmen.  Nach  dieser  Gesetzesbestimmung  nun  beruht  die 
Haftung  des  Tierhalters  für  Schädigungen  durch  Tiere  auf 
dem  Verschuldungsprinzip  und  erscheint  also  als  Unter- 
art der  Haft  aus  unerlaubter  Handlung  und  nicht  etwa,  wie 
die  Haft  des  Eigentümers  eines  Werkes,  als  Haft  aus  einem 
Zustand,  sog.  obligatio  ex  lege.  Dagegen  weicht  die  Be- 
stimmung des  Art.  65  darin  von  den  allgemeinen  Normen 
über  Schadenersatzpflicht  aus  unerlaubten  Handlungen  ab, 
das8  sie  eine  Umkehrung  der  Beweislast  aufstellt,  indem  hie- 
nach  der  Tierhalter  haftet,  „wenn  er  nicht  beweist,  dass  er 
alle  erforderliche  Sorgfalt  in  der  Verwahrung  und  Beauf- 
sichtigung angewendet  habe."  Die  Thatsacbe  des  Schadens 
genügt  daher  nach  Schweiz.  Obligationenrecht  zur  Gutheissung 
des  Anspruches  gegen  den  Tierhalter  nicht,  sondern  es  inuss 
noch  ein  Verschulden  des  Tierhalters  dazukommen;  nur  hat 
nicht  der  Beschädigte  dieses  Verschulden,  sondern  der  Tier- 
halter die  Anwendung  aller  erforderlichen  Sorgfalt  in  der 
Verwahrung  und  Beaufsichtigung  zu  beweisen  (vergi.  Amtl. 
Samml.  Bd  XVII  S.  639;  Bd  XVIH  S.  331  ;  Bd  XIX  S.  322, 
Erw.  2).  Allein  die  Darstellung  des  Beschädigten  von  der 
schädigenden  Handlung  muss  wenigstens  eine  derartige  sein, 
dass  der  dem  Tierhalter  aufgebürdete  Entlastungsbeweis 
überhaupt  notwendig  wird.  Vorliegend  nun  soll  das  Ver- 
schulden des  Beklagten  nach  der  Klagebegründung  einzig 
und  allein  im  Halten  des  Tieres,  das  als  Beisser  und  Schläger 
allgemein  bekannt  war,  liegen;  das  Halten  eines  bösartigen, 
-gefährlichen  Tieres  allein  soll  sich  nach  der  Auffassung  der 
Kläger  als  Verschulden  darstellen.  Allein  dieser  Satz  wider- 
spricht dem  Sinne  des  Art.  65  0.  R.,  wie  er  sich  sowohl 
■aus  dessen  Wortlaut,  als  aus  der  Rechtsentwicklung  der 
Haftung  für  Schädigung  durch  Tiere  überhaupt  und  der  Ent- 


102 

8tehungsgeschichte  der  genannten  Bestimmung  insbesondere 
ergiebt.  Allerdings  kennen  einige  Rechte  eine  unbedingte 
Haftung  des  Eigentümers  (oder  Halters)  eines  Tieres  ohne 
Rücksicht  auf  Verschulden  ;  so  schon  (mit  gewissen  Einschrän- 
kungen) das  römische  Recht,  sowie  das  germanische  Volks- 
recht (über  letztere:  Stobbe-Lehmann,  Handbuch  des  deutsohen 
Privatrechts,  III.  Bd,  3.  Auflage,  S.  537  ff.);  in  manchen 
Rechten  wurde  zwischen  wilden  und  Haustieren  unterschieden 
(so  Zürcher  Privatrechtl.  Ges.  B.  von  1855  §§  1875  ff., 
Preuss.  L.  R.  I,  6  §§  70—72,  Sachs.  B.  G.  B.  §  1560),  in, 
der  Weise,  dass  der  Eigentümer  für  erstere  unbedingt  haftete,, 
fur  letztere  dann,  wenn  ihn  irgend  ein  Verschulden  (speziell 
versäumte  Aufsicht  und  Verwahrung)  traf;  andere  Rechte 
gehen  und  gingen  weiter,  indem  sie  unbedingte  Haftung  de* 
Eigentümers  (und  Halters)  für  alle  Fälle  aufstellen  (Sachs. 
B.  G.  B.  §  1561,  C.  civ.  français  Art.  1385);  so  auch  das 
neue  D.  B.  G.  B.  §  383.  Was  das  Schweiz.  Obligationen- 
recht speziell  betrifft,  so  enthielten  der  Munzinger'sche  Ent- 
wurf (Art.  103),  der  Fick'sche  Entwurf  (Art-  99)  und  der 
Eomraissionsentwurf  von  1875  die  Haftung  des  Tierhalters 
im  Falle  des  Verschuldens,  jedoch  unter  Aufstellung  der 
Schuldpräsumtion;  der  Eomraissionsentwurf  von  1876  da- 
gegen (Art.  99)  Hess  den  Tierhalter  unbedingt,  ohne  Rück» 
sieht  auf  sein  Verschulden,  haften.  Der  Entwurf  des  eidgen. 
Justiz-  und  Polizeidepartements  von  1879  (Art.  72)  aber 
stellte  dem  Sinne  nach  die  früheren  Bestimmungen  wieder 
her,  und  dabei  ist  es  dann  geblieben.  Hieraus  geht  klar 
hervor,  dass  der  eidgen.  Gesetzgeber  die  Haftung  des  Tier- 
halters ohne  Rücksicht  auf  Verschulden  nicht  aufnehmen 
wollte,  und  dieser  klare  Rechtszustand  kann  nicht  dadurch 
umgestossen  werden,  dass  etwas  als  Verschulden  bezeichnet 
wird,  was  hienach  als  solches  nicht  angesehen  werden  kann. 
Ist  aber  darnach  das  Halten  eines  bösartigen  Tieres  für  sich 
allein  nicht  geeignet,  beim  Eintritt  eines  Schadens  den  An- 
spruch aus  Art.  65  0.  R.  zu  begründen,  so  kann  in  diesem 
Halten  auch  nicht  eine  unerlaubte,  widerrechtliche  Handlung 
im  Sinne  des  Art.  50  eod.  erblickt  werden;  die  Haftung  des 
Tierhalters  für  Schädigung  durch  Tiere  ist  in  Art.  65  0.  R. 
geregelt  und  umschrieben,  und  was  nach  dieser  Bestimmung 
nicht  als  Verschulden  anzusehen  ist,  kann  es  auch  nicht  nach. 
Art.  50  sein.  Sonach  fehlt  es  dem  Ansprüche  der  Kläger  an 
einem  notwendigen  Fundament,  und  die  Klage  muss  daher  in 
Bestätigung  des  vorinstanzlichen  Urteils  abgewiesen  werden. 
(Entsch.  vom  24.  Februar  1900  in  S.  Knecht  c.  Eigenmann.} 


103; 

57.  0.  R.  Art.  12t.  Zulässigkeü  der  abstrakten  Schaden- 
berechnung, sofern  es  sich  um  Warm  handelt,  die  den  Gegen- 
stand des  Handelsverkehrs  bilden. 

Dass  der  Käufer  bei  Waren,  die  den  Gegenstand  des 
Handelsverkehrs  bilden,  auf  Grund  von  Art.  124  0.  R.  seinen 
Schaden  abstrakt,  d.  h.  auf  Grund  des  Unterschiedes  zwischen 
dem  vereinbarten  Kaufpreise  und  dem  Preise  der  gekauften 
Ware  zur  Zeit  des  Erfüllungstermins  berechnen  kann,  hat 
das  Bundesgerioht  bereits  in  seiner  Entscheidung  in  Sachen 
Dreyfus  frères  c.  Egli-Reininann  &  Co.  (A mtl.  Samml.  Bd  19,. 
S.  932,  Erw.  8)  ausgesprochen,  und  es  ist  hieran  festzuhalten. 
(Vergi,  auch  Hafner,  Komment,  z.  Oblig.-Recht,  Anm.  2 
und  3  zu  Art.  124,  und  Anm.  7  zu  Art.  234.)  Darnach  setzte 
die  Schadenersatzforderung  der  Klägerin  nicht  notwendig  den 
Nachweis  eines  konkreten,  z.  B.  aus  einem  Deckungskauf 
resultierenden  Schadens  voraus,  sondern  die  Klägerin  war 
berechtigt,  so  wie  sie  es  gethan  hat,  einfach  die  Differenz 
zwischen  dem  vereinbarten  Kaufpreis  und  dem  Marktpreise 
zur  Zeit  und  am  Orte  der  schuldigen  Lieferung  als  den  ihr 
nach  Art.  124  0.  R.  zu  vergütenden  Schaden  zu  fordern. 
(Ent8ch.  vom  17.  März  1900  i.  S.  Fabrique  de  presses  et 
lacets  Torley  c.  Aktiengesellschaft  Chardonnet-Seidenfabrik 
in  Spreitenbach.) 


58.  0.  R.  Art  179.  Wahlrecht  des  Gläubigers  zwischen 
dem  Ansprüche  auf  Erfüllung  und  auf  Konventionalstrafe.  Das- 
selbe greift  in  der  Regel  auch  dann  Platz,  wenn  zwischen  Dienst- 
herrn und  Angestellten  ein  Konkurrenzverbot  unter  Pestsetzung 
einer  Konventionalstrafe  für  dessen  Uebertretung  vereinbart  wor- 
den ist. 

Nach  Art.  179  0.  R.  kann  der  Gläubiger  dann,  wenn 
eine  Konventionalstrafe  für  den  Fall  der  Nichterfüllung  eines 
Vertrages  versprochen  ist,  nach  seiner  Wahl  entweder  die 
Erfüllung  oder  die  Strafe  fordern;  dagegen  bleibt  dem 
Schuldner  der  Nachweis  vorbehalten,  dass  ihm  gegen  Er- 
legung der  Strafe  der  Rücktritt  freistehen  sollte.  Darnach  ist 
das  Wahlrecht  des  Gläubigers  auf  Erfüllung  oder  auf  Strafe 
die  Regel,  und  liegt  es  dem  Schuldner  ob,  zu  beweisen,  dass 
dieses  Wahlrecht  ausgeschlossen  und  der  Gläubiger  auf  die 
Einforderung  der  Konventionalstrafe  beschränkt  ist.  Dieser 
Nachweis  wird  insbesondere  geführt  werden  können  durch 
die  Berufung  auf  den  Wortlaut  der  eingegangenen  Verpflich- 
tung, auf  die  Umstände,   unter  denen   sie   abgeschlossen  ist,. 


104 

und  auf  die  Höhe  der  Konventionalstrafe,  dies  namentlich  in 
-dem  Sinne,  class  die  Konventionalstrafe  in  einem  derartigen 
Verhältnisse  zum  Erföllungsinteresse  des  Berechtigten  steht, 
•dass  anzunehmen  ist,  dieses  Interesse  werde  durch  die  Kon- 
ventionalstrafe gedeckt  (vergi.  R.  G.  B.  Bd  33  8.  141).  Vor- 
liegend nun  fehlt  es  an  diesem  Nachweis;  die  stipulierten 
Konventionalstrafen  erscheinen  eher  gering  als  hoch,  und 
namentlich  ist  in  keiner  Weise  erstellt,  dass  sie  in  dem  an- 
gedeuteten Verhältnis  zum  Erfüllungsinteresse  des  Beklagten 
stehen.  Auch  kann  nicht  etwa  gesagt  werden,  schon  der 
Umstand,  dass  es  sich  um  eine  zwischen  Angestellten  und 
Arbeitgeber  für  den  Fall  der  Uebertretung  eines  Konkurrenz- 
Terbotes  durch  den  Angestellten  vereinbarte  Konventional- 
strafe handle,  berechtige  zu  der  Annahme,  dass  es  sich  um 
eine  Wandelpön  handle.  Allerdings  hat  das  neue  D.  H.  6.  B. 
in  §  75  Abs.  2  im  Verhältnisse  von  Prinzipal  and  Handlungs- 
gehilfen beim  Versprechen  einer  Konventionalstrafe  seitens 
«der  letztern  das  Wahlrecht  des  erstem  ausgeschlossen  und 
ihn  auf  die  Forderung  der  Strafe  beschränkt,  und  zwar  mit 
zwingender  Kraft.  Allein  das  Schweiz.  Oblig.-Recht  kennt 
eine  derartige  Vorschrift  nicht,  und  ihr  Hineininterpretieren 
in  einen  Vertrag  widerspräche  nicht  nur  dem  Art.  179  0.  R„ 
sondern  dem  dem  ganzen  Gesetze  zu  Grunde  liegenden  Prin- 
zipe  der  Vertragsfreiheit  überhaupt. 

Der  Beklagte  kann  daher  vorliegend  die  Erfüllung  des 
Vertrages  fordern  oder,  anders  ausgedrückt,  den  Klägern  die 
Ausübung  des  untersagten  Berufes  verbieten.  Inwieweit  ihm 
hiebei  Zwangsmittel  zu  Gebote  stehen,  ist  im  gegenwärtigen 
Verfahren  nicht  zu  untersuchen.  (Entsch.  vom  9.  März  1900 
i.  S.  Bachmann  und  Genossen  c.  Gerber.) 


59.  0.  R.  AH.  HO,  303,  308,  317.  Haftung  des  Pächter* 
für  Verschlechterung  der  Pachtsache.  —  Beweislast.  —  Recht- 
diche  Natur  des  Rftniasiofisanspruchs  des  Pächters  und  Voraus- 
Setzungen  desselben. 

1.  Nach  Art.  303  0.  R.  ist  der  Pächter  verpflichtet,  den 
gepachteten  Gegenstand  seiner  Bestimmung  gemäss  ordentlich 
zu  bewirtschaften,  insbesondere  für  nachhaltige  Ertragsfähig- 
keit desselben  zu  sorgen,  und  nach  Art.  317  hat  er  bei  Be- 
endigung der  Pacht  für  solche  Verschlechterungen  des  Pacht- 
gegenstandes Ersatz  zu  leisten,  welche  bei  gehöriger  Bewirt- 
schaftung zu  vermeiden  waren.  Der  Verpächter  nun,  welcher 
•einen  derartigen   Entschädigungsanspruch   erhebt,  hat  seiner- 


105* 

8eits  die  Verschlechterungen,  durch  welche  er  geschädigt  zu 
sein  behauptet,  anzuführen  und  zu  beweisen,  während,  sofern 
dieser  Beweis  erbracht  ist,  der  Pächter  schadenersatzpflichtig 
ist,  sofern  er  nicht  darthut,  das*  ihn  an  denselben  kein  Ver- 
schulden  trifft,  d.  b.  dass  die  Verschlechterungen  auch  bei 
gehöriger  Bewirtschaftung  nicht  zu  vermeiden  waren.  Diese 
Verteilung  der  Beweislast  folgt  aus  dem  allgemeinen,  in 
Art.  110  O.K.  niedergelegten  Grundsatz  über  die  Haftung 
des- Schuldners  bei  Nichterfüllung  oder  nicht  gehöriger  Er- 
füllung vertraglicher  Verbindlichkeiten.  Dabei  ist  aber  zu 
bemerken,  dass  der  Beweis  dafür,  dass  der  Pachtgegenstand,, 
so  wie  er  zurückgegeben  wird,  Verschlechterungen  erlitten 
habe,  dadurch  aliein  noch  nicht  erbracht  wird,  dass  bewiesen 
wird,  der  Pächter  habe  im  Laufe  der  Pachtzeit  einzelne- 
Fehler  in  der  Bewirtschaftung  begangen;  denn  soweit  diese 
Fehler  eine  dauernde,  über  das  Ende  der  Pachtzeit  hinaus* 
reichende  Schädigung  nicht  verursachen,  schädigen  sie  einzig 
den  Päohter  und  nicht  den  Verpächter,  und  berechtigen  da- 
her diesen  natürlich  nicht  zu  einer  Entschädigungsforderung. 
Es  mu88  vielmehr,  wie  gesagt,  bewiesen  werden,  dass  die 
Pachtsache,  so  wie  sie  zurückgegeben  wird,  Verschlechte- 
rungen erlitten  habe. 

2.  Der  Anspruch  des  Pächters  auf  verhältnismässigen 
Nachlass  am  Pachtzinse  gemäss  Art.  308  0.  R.  qualifiziert 
sich  nicht  als  Entschädigungsanspruch.  Der  Pächter  hat  ge- 
mäss Art.  308  0.  R.  nicht  Anspruch  darauf,  dass  ihn  der 
Verpächter  für  den  durch  ausserordentliche  Unglücksfälle 
entstandenen  Schaden  entschädige,  sondern  lediglich  darauf, 
dass  er  ihm  mit  Rücksicht  auf  den  entstandenen  Schaden» 
einen  verhältnismässigen  Nachlass  am  Pachtzins  gewähre. 
Der  Anspruch  aus  Art.  308  0.  R.  ist  auch  von  dem  Gewähr- 
leistungsanspruch  auf  Reduktion  des  Pachtzinses  wegen  that- 
sachlicher  Mängel  der  Pachtsache,  wie  er  in  Art.  277  (297) 
0.  R.  normiert  ist,  seiner  rechtlichen  Natur  nach  verschieden;, 
er  basiert  nicht  darauf,  dass  der  Verpächter  die  Verpflichtung 
übernommen  hätte,  für  irgend  ein  Ertragsergebnis  der  Pacht- 
sache einzustehen,  sondern  vielmehr  darauf,  dass  die  Rechts- 
ordnung aus  Gründen  der  Billigkeit  eine  zu  grosse  und  von 
den  Parteien  nicht  vorauszusehende  Ungleichheit  des  Wertes 
von  Leistung  und  Gegenleistung  ausschliessen  will. 

3.  Die  Frage,  ob  ein  Schadensereignis  sich  als  ausser- 
ordentlicher Unglücksfall  im  Sinne  des  Art.  308  0.  R.  quali- 
fiziere, kann  nicht  abstrakt,  sondern  nur  mit  Rücksicht  auf 
die  Verhältnisse  einer  bestimmten  Gegend   beantwortet  wer- 


106 

den;  sodann  ist  klar,  dass  einem  Ereignis,  welches  ausser- 
gewöhnlioherweise  Schaden  gestiftet  hat,  die  Natur  eines 
aussergewöhnlichen  Unglücksfalles  nicht  deshalb  abgesprochen 
werden  kann,  weil  gleichartige  Ereignisse  häufig  oder  regel- 
mässig vorzukommen  pflegen,  ohne  in  gleicher  Weise  Schaden 
zu  stiften.  Nun  stellen  im  vorliegenden  Falle  die  kantonalen 
Instanzen  an  Hand  des  Expertengutachtens  fest,  dass  in  der 
Gegend  des  Pachtgrundstückes  Engerlingsfrass,  der  die  Kul- 
turen stark  und  offenkundig  schädige,  allerdings  zu  -den 
ausserordentlichen  Ereignissen  gehöre,  und  es  kann  daher  der 
Remissionsanspruch  des  Pächters  nicht  schon  deshalb  abge- 
wiesen werden,  weil  der  Engerlingsfrass  überhaupt,  im  all- 
gemeinen nicht  als  ausserordentlicher  Unglücksfall  zu  be- 
trachten sei.  Dagegen  musa  sich  fragen,  ob  aus  der  ange- 
gebenen Ursache  der  gewöhnliche  Ertrag  4es  Pachtobjektes 
einen  beträchtlichen  Abbruch  erlitten  habe.  Nun  macht  das 
eidgen.  Obi.  -  Recht  den  Remissionsanspruch  des  Pächters 
nicht  (wie  andere  Gesetze,  z,  B.  der  franz.  C.  civ.  1769 — 73) 
davon  abhängig,  dass  durch  den  ausserordentlichen  Unglücks- 
fall ein  bestimmter  Prozentsatz  der  Ernte  vernichtet  worden 
sei,  sondern  es  stellt  dem  richterlichen  Ermessen  anheim,  mit 
Rücksicht  auf  die  Umstände  des  konkreten  Falles  zu  ent- 
scheiden, ob  der  Ertragsausfall  als  ein  beträchtlicher  zu  er- 
achten sei.  Dabei  ist  indessen  immerhin  festzuhalten,  dass, 
um  von  einem  beträchtlichen  Abbruche  von  dem  gewöhnlichen 
Ertrag  sprechen  zu  können,  welcher  einen  Remissionsanspruch 
begründet,  die  Ertragsverminderung  eine  grössere  sein  muss, 
als  diejenige,  welohe  sich  ordentlich  erweise  auch  ohne  jedes 
Dazwischentreten  eines  ausserordentlichen  Unglücksfalles  durch 
die  gewöhnlichen  Schwankungen  des  Ertrages  zwischen  guten, 
mittleren  und  ungünstigeren  Jahren  ergeben  kann.  Ist  dies 
nicht  der  Fall,  bewegt  sich  die  Ertragsverminderung  in  den 
angegebenen  Grenzen,  so  liegt  kein  ausserge  wohnlich  es,  der 
Berechnungsich  entziehendes  Missverhältnis  zwischen  Leistung 
und  Gegenleistung  vor,  und  ist  daher  ein  Remissionsanspruch 
nicht  begründet.  Hieran  ist  um  so  eher  festzuhalten,  als  die 
Erträgnisse  ausnahmsweise  günstiger  Jahre  dem  Pächter  ver- 
bleiben, ohne  dass  der  Verpächter  einen  Pachtzinszuschlag 
fordern  könnte.  Im  vorliegenden  Falle  nun  kann  in  der 
Verminderung  des  gewöhnlichen  Ertrages  um  l/i  ein  beträcht- 
licher Abbruch  an  demselben  im  angegebenen  Sinne  nicht 
erblickt  werden;  denn  nach  dem  Expertengutachten  ist  für 
ungünstige  Jahre,  ohne  alle  Einwirkung  ausserordentlicher 
Unglücksfälle,  ein  Sinken  des  Gutsertrages  in  gleichem  Masse 


107 

anzunehmen.     (Entsch.  vom  16.  Februar  1900  i.  S.  Lisibach 
o.  Heini.) 

60.  0.  R.  Art.  50,  338  ff.  Pflicht  des  Dienstherrn,  seine 
Arbeiter  (insbesondere  auch  Lehrlinge  und  Lehrkinder)  nach 
Möglichkeit  gegen  Berufsgefahren  zu  schützen.     Beweislast. 

Die  14jährige  M.  Gr.  war  in  die  Haushaltung  ihres 
Vetters,  des  Beklagten  eingetreten;  sie  half  auf  dem  Heim- 
wesen bei  den  Arbeiten  in  und  ausser  dem  Hause  mit,  wo- 
für sie  ausser  dem  Logis,  Kost  und  Kleidern  auch  etwas 
Sackgeld  erhielt.  So  wurde  sie  auch  am  17.  September  1897 
beigezogen,  als  beim  Beklagten  mit  einer  Dreschmaschine 
gedroschen  wurde.  Bei  diesem  Anlass  erlitt  sie  einen  Un- 
fall, indem  ihr  beim  Hineinschieben  von  „Güsel"  in  die 
Maschine  die  linke  Hand  von  dieser  erfasst  und  zermalmt 
wurde,  so  dass  sie  drei  Finger,  den  Mittelfinger,  den  Ring- 
finger und  den  kleinen  Finger  verlor.  Die  wegen  dieser 
Verletzung  vom  Vater  der  M.  Gr.  für  dieselbe  erhobene  Schaden- 
ersatzklage ist  vom  Bundesgericht  (in  Bestätigung  der  Ent- 
scheidung des  Obergerichtes  des  Kantons  Luzern)  bis  zum 
Betrage  von  Fr.  1500  gutgeheissen  worden.  In  dem  bundes- 
gerichtlichen Urteile  wird  grundsätzlich  u.  a.  ausgeführt: 

Die  Klage  stützt  sich  sowohl  auf  ein  kontraktliches  Ver- 
schulden, als  auf  eine  dem  Beklagten  zur  Last  fallende, 
gemäss  Art.  50  0.  B.  ff.  zu  Schadenersatz  verpflichtende, 
Verletzung  der  Gebote  der  allgemeinen  .Rechtsordnung.  Nun 
hat  das  Bundesgericht  in  ständiger  Praxis  daran  festgehalten, 
dass  dem  Arbeitgeber  aus  dem  Dienstvertrag  die  Pflicht  zur 
Anwendung  der  erforderlichen  Sorgfalt  erwachse,  damit  seine 
Angestellten  bei  Ausübung  ihrer  dienstlichen  Verrichtungen 
gegen  Gefahren  für  Leben  und  Gesundheit  nach  Möglichkeit 
geschützt  seien,  und  dass  die  Nichterfüllung  dieser  Pflicht 
dem  Geschädigten  Anspruch  auf  Schadenersatz  gemäss  Art.  1 10 
0.  R.  gebe.  Es  ist  unrichtig,  wenn  der  Vertreter  des  Be- 
klagten in  seinem  heutigen  Vortrage  behauptet  hat,  diese 
Haftbarkeit  gehe  über  die  Anforderungen  hinaus,  welche  das 
Bundesgesetz  über  das  Oblig.-Recht  an  den  Dienstherrn  stelle. 
Allerdings  spricht  das  0.  R.  eine  Verpflichtung  der  Art  nicht 
ausdrücklich  aus  (wie  dies  z.  B.  beim  deutsch,  bürgerl.  Ges.» 
Buche  §  618  der  Fall  ist),  allein  dieselbe  folgt,  wie  auch  in 
der  Praxis  des  gemeinen  Rechts  anerkannt  ist  (vergi.  Entsch. 
des  dtsch.  Reichgerichts  Bd  VIII  S.  151,  XII  S.  45,  XV 
S.  52,  XVni  S.  176,  XXI  S.  79,  Seuffert  Archiv  Bd  XL 
Nr.   231    und   XXXXVIII   Nr.   255),   nach   den   Regeln   der 


108 

guten  Treue  von  selbst  aus  der  Natur  des  gedachten  Ver- 
tragsverhältnisses (vergi.  Bundesger.  Entsch.  A.  S.  Bd  XVI 
S.560,  XX  S.  1129,  XXI  S.  894  Erw.  3,  XXII  S.  1221,  XXIII 
S.  1740  f.  und  XXV  S.  404  E.  2) 

Diese  Verpflichtung  des  Arbeitsherrn,  seine  Dienstunter- 
gebenen gegen  Gefahren  für  Leib  und  Leben  bei  Ausfährung 
ihrer  Dienstverrichtangen  zu  sichern,  besteht  auch  seinen 
Lehrlingen  oder  Lehrkindern  gegenüber;  sie  stellt  hier  in 
Anbetracht  der  Unselbständigkeit  dieser  Personen  sogar  noch 
höhere  Anforderungen  bezüglich  Anleitung  und  Ueberwachung* 
an  ihn  (vergi.  Bundesger.  Entsch.  A.  S.  Bd  XXII  S.  1224, 
Erw.  2). 

Fragt  es  sich  demnach,  ob  der  Beklagte  den  Beweis  Mir 
die  Anwendung  der  ihm  nach  der  angegebenen  Richtung  hin- 
obliegenden Sorgfalt  geleistet  habe,  so  kann  ihm  nun  aller- 
dings nicht  ohne  weiteres  schon  daraus  ein  Vorwurf  gemacht 
werden,  dass  er  die  M.  G.  überhaupt  zur  Handreichung  bei 
der  Drescharbeit  herbeigezogen  hat.  Wie  die  gedachte  Ver- 
pflichtung des  Arbeitsherrn  aus  der  Natur  des  Dienstvertrages, 
als  eines  in  allen  Richtungen  getreulich,  unter  geziemender 
Rücksichtnahme  auf  die  Interessen  des  andern  Teils,  zu  er- 
füllenden Vertragsverhältnisses  hervorgeht,  so  ist  umgekehrt 
auch  bei  der  Frage,  welche  Anforderungen  im  einzelnen  Fall 
rücksichtlich  der  Gefahrsverhütung  zu  stellen  seien,  von  den 
Grundsätzen  über  Treu  und  Glauben  auszugehen,  und  daher 
den  obwaltenden  Umständen,  insbesondere  der  Natur  der  zu 
leistenden  Dienste,  billige  Rechnung  zu  tragen  (vergi.  Entsch. 
des  B.  G.  i.  S.  Wartmann  c.  Hirschi  vom  20.  Mai  1899,  A.  S. 
Bd  XXV  S.  404,  E.  2  f.).  Es  muss  deshalb  darauf  Rücksicht 
genommen  werden,  dass  die  Verhältnisse  des  landwirtschaft- 
lichen Betriebes  es  allerdings  mit  sich  bringen,  auch  Kinder 
im  Alter  der  M.  G.  zu  den  gewöhnlichen,  bei  diesem  Betriebe 
sich  bietenden  Arbeitsleistungen  zu  verwenden,  und  es  ist 
auch  nicht  anzunehmen,  dass  die  blosse  Anwesenheit  und 
eine  untergeordnete  Hilfeleistung  der  M.  G.  bei  der  Dresch- 
arbeit für  sie  eine  Gefahr  in  sich  geschlossen  hätten,  wenn 
ihr  die  Gefährlichkeit  der  Maschine  gehörig  vor  Augen  ge- 
führt, und  sie  bei  ihrer  anfänglichen  Thätigkeit,  die  eine 
Berührung  mit  der  Maschine  nicht  erheischte,  sorgsam  überwacht 
worden  wäre.  Die  Anwendung  dieser  Sorgfalt  lag  aber  dem 
Beklagten  jedenfalls  ob,  und  zwar  um  so  mehr,  als  der  von 
ihm  selbst  geschilderte  Charakter  der  M.  G.,  als  eines  noch 
sehr  kindischen,  zudem  nervösen  Mädchens,  die  Möglichkeit 
voraussehen  liess,  dass  sie  sich  vor  der  Gefahr,  die  mit  dem 


109 

Betriebe  der  Maschine  verbunden  war,  nicht  genügend  in 
Acht  nehmen  werde.  Nun  hat  aber  der  Beklagte  nioht  ein- 
mal geltend  gemaoht,  dass  er  die  M.  6.  auf  die  Gefährlich- 
keit der  Dreschmaschine  aufmerksam  gemaoht  habe,  und  auch 
nicht  darthun  können,  dass  er  sie  bei  der  Arbeit  gehörig 
überwacht  habe,  vielmehr  geht  aus  den  Umständen,  unter 
welchen  sich  der  Unfall  zugetragen  hat,  mit  Sicherheit  her- 
vor, dass  dies  nicht  geschehen  ist,  und  dass  der  Unfall  bei 
gehöriger  Ueberwachung  nicht  eingetreten  wäre. 

Da  somit  der  Beklagte  den  ihm  obliegenden  Beweis,  dass 
ihn  an  der  eingetretenen  Schädigung  kein  Verschulden  treffe, 
nicht  geleistet  hat,  ist  seine  Schadenersatzpflicht  nach  Art.  110 
0.  R.  grundsätzlich  gegeben.  (Entsch.  vom  2.  Februar  1900 
i.  S.  Grüter  c.  Felder.) 

61.  0.  R.  Art.  312  Abs.  1;  502,  503,  508.  Das  Retentions- 
recht des  Vermieters  oder  Verpächters  gehört  zu  den  Sicherheiten, 
für  deren  Verminderung  der  Gläubiger  dem  Bürgen  verantwortlich 
ist.  Dagegen  wird  der  Gläubiger  dadurch  nicht  verantwortlich, 
dass  er,  ohne  das  Retentionsrecht  preiszugeben,  mehr  Zinse  auf- 
laufen lassi,  als  durch  dasselbe  gedeckt  werden.  —  Eine  Pflicht 
des  Gläubigers  gegenüber  dem  Bürgen,  verfallene  Pacht  zinse  ein- 
zutreiben, besteht  nur  nach  Massgabe  der  Art.  502  und  503,  d.  h. 
(bei  auf  unbestimmte  Zeit  eingegangener  Bürgschaft)  nur  dann, 
wenn  der  Bürge  es  verlangt 

(Entsch.  vom  5.  April  1900  i.  S.  Wernli  c.  Ackermann.) 


62.  0.  R.  Art.  499.  Die  Bürgschaft  erstreckt  sich  (mangele 
einer  besonderen,  ausdrücklichen  oder  stillschweigenden*  darauf 
gerichteten  Vereinbarung)  nicht  auf  die  gesetzlichen  Folgen  der 
vom  Gläubiger  wegen  Verzugs  des  Hauptschuldners  herbeigeführten 
Aufhebung  des  verbürgten  Vertrages. 

Il  est  hors  de  doute  que  le  cautionnement  destiné  à 
garantir  l'exécution  d'un  contrat  peut  aussi  être  étendu  aux 
obligations  légales  résultant  de  sa  résolution  si  les  parties 
en  manifestent  expressément  ou  tacitement  la  volonté  dans 
l'acte 

En  revanche  cette  extension  ne  résulte  pas  de  la  loi 
elle-même. 

De  prime  abord  on  peut  être  tenté  d'admettre  qu'elle 
résulte  en  effet  de  l'art.  499  G.  0.,  qui  dispose  que  la  caution 
est  tenue   du  montant   de  la  dette  principale,   ainsi  que  des 

9 


110 

suites  légales  de  la  faute  ou  de  la  demeure  du  débiteur.  Tel 
n'est  cependant  pas  le  cas.  Le  cautionnement  est  un  rapport 
de  droit  accessoire,  qui  ne  peut  exister  qu'en  tant  que  l'obli- 
gation principale  qu'il  est  destiné  à  garantir  existe  et  qui 
s'éteint  avec  elle  (art.  487  et  501  C.  0.).  L'art.  499  ne  vise 
nullement  à  déroger  à  ces  principes  fondamentaux.  Or  on  y 
dérogerait  si  l'on  admettait  que  ce  cautionnement  des  engage- 
ments résultant  d'un  contrat  s'applique  aussi  aux  obligations 
légales  qui  dérivent  de  sa  résolution,  car  ces  obligations  sont 
par  leur  nature  et  leur  contenu  absolument  différentes  des 
obligations  contractuelles  auxquelles  la  résolution  met  fin.  Le 
cautionnement  survivrait  ainsi  à  l'obligation  principale.  On  ne 
saurait  attribuer  un  pareil  effet  à  l'art.  499  ;  cet  article  a 
simplement  pour  but  de  déterminer  l'étendue  du  cautionnement 
quant  à  l'exécution  de  l'obligation  garantie  et  de  statuer  que 
la  caution  n'est  pas  tenue  seulement  du  montant  de  cette 
obligation,  mais  aussi  des  dommages  et  intérêts  dus  par  suite 
de  la  demeure  ou  de  la  faute  du  débiteur. 

Il  est  à  remarquer,  d'ailleurs,  que  la  résolution  du  contrat 
n'est  pas  à  proprement  parler  une  suite  légale  de  la  demeure 
ou  de  la  faute  du  débiteur.  Elle  est  une  conséquence  de  la 
volonté  du  créancier,  auquel  la  loi  donne  simplement  le  droit 
de  choisir  entre  l'exécution  et  la  résolution  du  contrat.  Dans 
le  premier  cas,  il  peut  invoquer  le  cautionnement;  dans  le 
second  il  ne  le  peut  pas,  puis  qu'il  annule  lui-même  le  contrat 
principal  et,  avec  celui-ci,  le  cautionnement  qui  en  est  l'acces- 
soire. En  admettant  l'opinion  contraire,  on  arriverait  dans 
bien  des  cas  à  des  conséquences  tout  à  fait  défavorables  pour 
les  cautions.  (Entsch.  vom  26.  Januar  1900  i.  S.  Stampai  c. 
Veuve  Chollet  und  Konsorten.) 


63.  0.  R.  Art.  531.  Ein  Vertrag,  wonach  ein  Gesellschafter, 
der  sich  mit  Kapital  beteiligt,  mr  am  Gewinn,  nicht  aber  am 
Verluste  beteiligt  sein  soll,  ist  als  Gesellschaftsvertrug  ungültig. 
In  einer  derartigen  Vereinbarung  kann  aber  eine  gültige  Schenkung 
oder  ein  modifiziertes  Darlehen  liegen. 

Da  Art.  531  0.  B.  eine  Gestaltung  des  Gesellschaftsver- 
hältnisses, wonach  ein  Gesellschafter  nur  am  Gewinn,  nicht 
aber  an  einem  allfälligen  Verluste  teil  nehmen  soll,  ausdrück- 
lich für  den  Fall  als  zulässig  erklärt,  wo  der  so  begünstigte 
Gesellschafter  zu  dem  gemeinsamen  Zweck  Arbeit  beizutragen 
hat,  ist  der  Sçhluss  geboten,  dass  sie,  wie  z.  B.  nach  fran- 
zösischem Recht  (C.  civ.  1855),  nicht  statthaft  sei,  wenn  der 


Ili 

bloss  mit  einer  Kapitaleinlage  beteiligte  Gesellschafter  nur 
am  Gewinn,  nicht  aber  am  Verlast  partizipieren  soll.  Dieser 
Fall  liegt  hier  vor,  indem  der  Kläger  zu  dem  geineinsamen 
Zweck  nicht  mit  Arbeit,  sondern  lediglich  mit  Geld  beizu- 
tragen hatte.  Der  zwischen  den  Parteien  abgeschlossene  Ver- 
trag ist  somit  als  Gesellschaf  tsvertrag  ungültig;  daraus  folgt 
indessen  nur,  dass  dieser  Vertrag  keine  gesellschaftlichen 
Rechte  für  den  Kläger  begründete;  es  folgt  daraus  nicht  ohne 
weiteres,  dass  er  in  keiner  Hinsicht  Rechte  und  Verbindlich- 
keiten erzeugt  habe  und  es  deshalb  so  zu  halten  sei,  als  ob 
«r  überhaupt  nicht  abgeschlossen  worden  wäre.  Dass  in  einer 
Vereinbarung,  wonach  die  Beteiligung  des  einen  an  einem 
Geschäfte  des  andern  sich  nur  auf  den  Gewinn,  nicht  auch 
auf  einen  Verlust  erstrecken,  ihm  also  seine  Einlage  unter 
allen  Umständen  unverkürzt  zurückerstattet  werden  soll,  z.  B. 
«ine  gültige  Schenkung  liegen  kann,  ist  wiederholt  anerkannt 
worden  (vergi.  Schneider  und  F  ick,  grossen  Komment,  z. 
Obi. -Re cht  Anm.  1  zu  Art.  531  ;  und  für  das  französische 
Recht:  Zachariä-Crome,  Handbuch  des  franz.  Civilrechts  II 
S.  598  Anm.  4).  Eine  solche  Vereinbarung  kann  sich  aber  auch 
als  entgeltliches  Rechtsgeschäft  darstellen,  insofern  die 
Einräumung  eines  Gewinnanteils  nicht  auf  Liberalität  zu  be- 
ruhen braucht,  sondern  auch  zu  dem  Zweck  versprochen  sein 
kann,  um  den  Betreffenden  zur  Leistung  seines  Geldbeitrages 
zu  bewegen,  und  alsdann  als  Aequivalent  für  diese  Leistung 
erscheint.  In  einem  solchen  Falle  hat  das  Bundesgericht  an- 
genommen, es  liege  ein  modifiziertes  Darlehen  vor  (Amtl. 
Sammig.  der  Bundesger.  Entsch.  Bd  24  S.  113  f.).  Die  gleiche 
Qualifikation  trifft  auch  hier  zu.  Der  Kläger  gewährte  dem 
Beklagten  zur  Durchführung  der  von  diesem  ins  Werk  ge- 
setzten Land  Spekulation  einen  Kapitalbeitrag,  der,  weil  auf 
alle  Fälle  rückzahlbar,  gemäss  Art.  531  0.  R.  nicht  als  Ge- 
sellschaftseinlage behandelt  werden  kann  und  sich  demnach 
als  Darlehen  qualifiziert,  wogegen  der  Beklagte  ihm  statt  der 
beim  Darlehen  üblichen  Zinsen  einen  Gewinnanteil  im  Minimal- 
betrag von  Fr.  100,000.—  zusicherte.  (Entsch.  v.  15.  April  1900 
i.  S.  Merke  c.  Fiechter.) 


64.  0.  R.  Art.  536,  537  Abs.  3,  555,  556  Abs.  2,  590,  594. 
Anspruch  der  Komplementäre  auf  Salär  für  ihre  Thäügkeül 

Nach  den  die  Bestimmungen  über  die  Kommanditgesell- 
schaften beherrschenden  Grundsätzen  des  schweizerischen  Obli- 
gationenrechts —  Art.  590,  594  in  Verbindung  mit  Art.  536, 


112 

555  und  537  Abs.  3  0.  B.  —  haben  die  Komplementäre  für 
ihre  der  Gesellschaft  gewidmete  Arbeit  einen  Honoraranspruch 
gesetzlich  nicht;  gegenteils  soll  der  Natur  der  Sache  nach 
die  Thätigkeit  der  Komplementäre  ihren  Lohn  im  Anteil  am 
Gesellschaftsgewinn  finden;  ein  Honorar  ist  speziell  zu  ver- 
abreden (Art.  556  Abs.  2  0.  R.,  welcher  nach  Art.  594  Abs.  2 
auf  die  Kommanditgesellschaft  Anwendung  findet),  und  zwar 
muss  eine  bezügliche  vertragliche  Vereinbarung  unter  allen 
Gesellschaftern  (auch  den  Komm  and  itären)  getroffen  werden» 
(Entsch.  vom  7.  April  1900  i.  S.  Mühlethaler  c.  Witwe  Senglet.) 


65.  0.  R.  Art.  722,  823,  830,  836.  Für  die  Form  einet 
Checke  (oder  Wechsele)  ist  das  Recht  des  im  Check  oder  Wechsel 
angegebenen  Ausstellungsortes  massgebend9  auch  wenn  dieser 
nicht  der  wirkliche  Ausstellungsort  ist.  Ein  zwar  in  der  Schweiz 
ausgestellter,  aber  von  London  datierter  Check  ist  daher  form- 
gültig,  wenn  er  den  Vorschriften  des  englischen,  wenn  auch 
nicht  denjenigen  des  schweizerischen  Rechtes  entspricht. 

Frau  E.  G.  in -Lausanne  hatte  von  einem  gewissen  D.  in 
Annemasse  eine  angebliche  Guadagninigeige  zum  Preise  von 
2200  Fr.  gekauft.  Sie  berichtigte  den  Kaufpreis  durch  eine 
Anweisung  über  j&  87.10  sh.  auf  ihr  Londoner  Bankhaus. 
Diese  Anweisung  ist  auf  einem  gedruckten  Formular  des 
Londoner  Bankhauses  ausgestellt  und  trägt  (obschon  sie  that- 
sächlich  in  Lausanne  ausgestellt  wurde)  das  gedruckte  Orts- 
datum London;  sie  enthält  weder  die  Bezeichnung  der  An- 
weisung als  Check  noch  die  Angabe  des  Monatstages  der 
Ausstellung  in  Worten,  lautet  aber  an  Ordre.  Sie  wurde 
noch  an  dem  Tage  der  Ausstellung  von  D.  bei  dem  Bankhause 
D.  frères  in  Lausanne,  welches  ihm  den  Gegenwert  be- 
zahlte und  an  welches  er  die  Anweisung  indossierte,  diskon- 
tiert. D.  frères  begaben  die  Anweisung  weiter.  Dieselbe 
kam  indessen  nach  einiger  Zeit  unbezahlt  zurück,  da  die 
Ausstellerin,  welche  zu  vermuten  begann,  sie  sei  bei  dem 
Geigenkaufe  von  D.  betrogen  worden,  dem  bezogenen  Bank- 
hause die  Bezahlung  untersagt  hatte.  Gebr.  D.  erhoben  nun 
gegen  die  Ausstellerin  Regressklage,  welcher  diese  die  Ein- 
wendung entgegensetzte,  nach  schweizerischem  Rechte,  welches 
als  Recht  des  wirklichen  Ausstellungsortes  massgebend  sein 
müsse,  sei  die  Anweisung  wegen  mangelnder  Form  kein 
gültiger  Check,  sondern  könne  nur  als  gewöhnliche  civilreoht- 
liche  Anweisung  betrachtet  werden,  und  aus  einer  solchen 
sei  ein  Regressanspruch  nicht  begründet. 


113 

Das  kantonale  Gericht  erachtete  zwar  schweizerisches 
Recht  für  anwendbar  und  anerkannte,  dass  nach  diesem  die 
Anweisung  kein  gültiger  Check  sei,  hiess  aber  die  Klage  aas 
anderweitigen  Gründen  gut.  Das  Bundesgericht  hat  die  kan- 
tonale Entscheidung  im  Dispositive  bestätigt,  in  der  Begrün- 
dung dagegen  wird  ausgeführt: 

Au  fond,  la  question  se  pose  de  savoir  quel  est  le  droit 
qui  doit  faire  règle  pour  décider  si  le  titre  litigieux  revêt  le 
caractère  d'un  chèque. 

Les  parties  sont  d'accord  que  cette  question  doit  être 
résolue  en  conformité  des  art.  836  et  823  C.  O.,  au  termes  des- 
quels les  conditions  essentielles  d'un  chèque  tiré  d'un  pays 
étranger  sont  déterminées  par  la  loi  du  lieu  où  l'acte  a  été  fait. 

Mais  les  demandeurs  soutiennent  que  le  titre  dont  il 
s'agit  doit  être  considéré  comme  fait  à  Londres  et  que  son 
caractère  juridique  doit  s'apprécier  au  regard  du  droit  anglais, 
parce  qu'il  est  fait  en  la  forme  anglaise,  daté  de  Londres  et 
que  l'on  ne  peut  exiger  du  banquier  qui  escompte  des  titres 
de  cette  nature  qu'il  recherche  si  le  lieu  d'émission  indiqué 
dans  le  texte  est  bien  celui  où  le  titre  a  été  réellement  créé. 

La  défenderesse  fait  valoir,  au  contraire,  qu'il  n'est  pas 
contesté  que  le  titre  a  été  créé  à  Lausanne,  qu'ainsi  l'indi- 
cation de  Londres  dans  le  texte  n'est  pas  conforme  à  la  réalité 
et  que  c'est,  par  conséquent,  le  droit  suisse  et  non  le  droit 
an  gl  ai  8  qui  est  applicable. 

En  revanche,  elle  ne  conteste  pas  que  la  qualification  de 
chèque  n'est  pas  une  condition  de  validité  du  chèque  en  droit 
anglais    et   que   le   titre   en  question   est  bien  un  chèque  au 

point   de   vue   de   ce   droit Les  parties  reconnaissent, 

d'autre  part,  que  la  mention  du  mot  „chèque"  étant  exigée 
par  le  Code  fédéral  des  obligations,  on  n'est  pas  en  présence 
d'un  chèque  au  point  de  vue  de  cette  loi. 

La  question  soulevée  doit  être  résolue  en  faveur  de 
l'application  du  droit  anglais  par  les  considérations  suivantes. 

Il  est  de  principe  en  matière  d'effets  de  change  et  de 
chèques  que  la  validité  du  titre  doit  s'apprécier  d'après  la 
teneur  de  celui-ci  et  ne  dépend  pas  de  la  vérité  matérielle 
des  énonciation8.  Lorsque  la  teneur  de  l'écrit  n'est  pas  d'accord 
avec  la  vérité  matérielle,  c'est  la  première  qui  l'emporte, 
parce  que  la  nature  du  titre  ne  souffre  pas  que  chaque  acquéreur 
successif  8'enquière  préalablement  si  les  énonciations  qu'il 
porte  correspondent  à  la  réalité  (Voir  Grünhut,  Wechselrecht, 
X  Page  277  et  II,  page  572;  Goldschmidt,  Zeitschr.  für 
das    ge8.    Handelsrecht,     T.  XV,     page    574).     La    fausseté 


114 

des  énonciations  peut  seulement  donner  lieu,  suivant  les 
circonstances,  à  une  exception  de  dol  de  la  part  du  débiteur 
à  l'égard  du  porteur. 

.  Cette  manière  de  voir  est  celle  du  droit  fédéral  des  obli- 
gations et  ressort,  entre  autres,  en  ce  qui  concerne  l'indication 
du  lieu  de  création,  des  dispositions  des  art.  722  et  830,. 
rapprochées  de  celles  de«  art.  823  et  836  C.  0. 

Tandis  que,  sous  chiffre  8,  l'article  722  exige  l'indication 
du  lieu  où  doit  s'effectuer  le  paiement  et  dispose  qu'à  défaut 
d'indication  spéciale,  le  lieu  désigné  à  côté  du  nom  ou  de  la 
raison  de  commerce  du  tiré  est  réputé  être  le  lieu  de  paiement 
en  même  temps  que  le  domicile  du  tiré,  il  exige  simplement 
sous  chiffre  6  „l'indication  du  lieu,  du  jour,  du  mois  et  de 
Tannée  où  la  lettre  est  créée."  La  loi  ne  dit  donc  pas  que 
le  lieu  de  création  de  la  lettre  doit  être  considéré  comme  le 
domicile  du  tireur;  si,  néanmoins,  elle  exige  l'indication  de 
ce  lieu  comme  essentielle,  cela  s'explique  uniquement  par  le 
fait  de  la  corrélation  de  cette  indication  avec  l'art.  823,  d'après 
lequel  les  éléments  essentiels  de  la  lettre  de  change,  au  point 
de  vue  de  la  forme,  sont  déterminés  par  la  loi  du  lieu  de 
sa  création,  lieu  qui,  pour  ce  motif,  doit  être  indiqué  dans 
le  texte  de  la  lettre. 

Les  prescriptions  sous  chiffre  4  et  6  de  l'art.  830,  rappro- 
chées des  art.  836  et  823,  provoquent  la  même  observation 
touchant  le  chèque. 

La  doctrine  et  la  jurisprudence  allemandes  admettent 
également  que  les  indications  de  la  lettre  de  change  relatives 
au  lieu  et  à  la  date  de  sa  création  ne  doivent  pas  nécessaire- 
ment être  conformes  à  la  vérité  matérielle,  mais  que  la  lettre 
est  censée  créée  au  lieu  indiqué  dans  son  texte  (Voir  arrêts 
du  Tribunal  de  l'Empire  allemand  XXXII,  page  115  et  suiv.; 
Grtinhut,  Wechselrecht  I,  page  403  etil,  page  572;  Thöl, 
Handelsrecht,  §  16,  rem.  6;  Canstein,  Wechselrecht,  page  99). 

On  doit  repousser  l'opinion  soutenue  par  Grtinhut  (Op. 
cit.  II,  page  572,  note  14),  d'après  laquelle  le  texte  de  l'acte 
ne  ferait  règle  que  vis-à-vis  de  l'acquéreur  qui  a  ignoré,  mais  non 
vis-à-vis  de  celui  qui  a  connu  le  lieu  réel  de  la  création  de  l'acte. 
Cette  distinction  est  inconciliable  avec  la  nature  de  la  lettre  de 
change  et  du  chèque,  auxquels  on  enlèverait  leur  caractère  propre 
et  leur  valeur  particulière  si  l'on  devait  distinguer  entre  les  ac- 
quéreurs successifs  selon  qu'ils  ont  connu  ou  pas  connu  le  lieu 
réel  de  la  création  de  l'effet,  et  autoriser  à  l'égard  de  chacun  la 
preuve  de  la  connaissance  ou  de  l'ignorance  de  ce  lieu.  La 
lettre   de   change    et    le   chèque  ne  sauraient  être  considérés. 


115 

comme  régis,  au  point  de  vue  de  la  forme,  tantôt  par  le  droit 
du  Heu  d'émission  indiqué  dans  l'acte,  tantôt  par  celui  du 
lieu  d'émission  réel,  suivant  que  la  question  se  pose  à  l'égard 
d'un  porteur  ayant  ignoré  ou  d'un  porteur  ayant  connu  ce 
lieu.  C'est  ou  bien  le  lieu  de  création  indiqué  par  le  titre  on 
bien  le  lieu  où  ce  titre  a  été  réellement  créé  qui  doit  faire 
règle  à  l'égard  de  tous  les  porteurs  successifs.  Pour  les  motifs 
exposés  plus  haut  on  doit  admettre  que  c'est  le  lieu  de  création 
indiqué  par  l'écrit  qui  est  décisif.  (Entsch.  vom  6.  April  1900 
i.  S.  Dame  Gade  c.  Dubois  frères.) 


66.  0.  R.  Art.  896.  Gültigkeit  der  Police kiau sel,  welche  auf 
wissentlich  unwahre  Schadensangaben  die  Verwirkung  des  Ver- 
sicherungsanspruches setzt.  —  Bedeutung  der  Versicherungssumme 
bei  Feuerversicherung. 

1.  Eine  Klausel,  wonach  der  Versicherte  seinen  Ver- 
8icherung8anspruch  verliert,  wenn  er  dem  Versicherer  wissent- 
lich unwahre  Angaben  über  die  Höhe  seines  Schadens  macht, 
ist  nicht  nur  nicht  unsittlich  (etwa,  weil  sie  eine  zu  grosse 
Härte  gegen  den  Versicherten  enthalten  würde),  sondern  wird 
im  Gegenteil  durch  die  Natur  der  Beziehungen  des  Versicherers 
zum  Versicherten,  wonach  jener  in  weitem  Umfange  auf  die 
Angaben  dieses  letztern  angewiesen  ist,  gefordert;  ihre  Gültig- 
keit ist  denn  auch  in  Doktrin  und  Praxis  allgemein  anerkannt 
(vergi.  Amtl.  Samml.  der  bdg.  Entsch.  Bd  XV,  S.  612  E.  4; 
Ehrenberg,  Handb.  I,  S.  489  f.  sub  3;  Entw.  zu  einem  Ge- 
setz  über   den  Versicherungsvertrag,   Art.  38  Schlussabsatz). 

2.  Für  die  Frage,  ob  eine  übertriebene  Schadensaufstellung 
vorliege,  ist  die  Versicherungssumme  ohne  Bedeutung.  Ab- 
gesehen davon,  dass  der  Kläger  bei  seiner  Aufstellung  offenbar 
selber  nicht  von  dieser  Auffassung  ausgegangen  ist,  ist  über- 
haupt im  allgemeinen  zu  sagen,  erstens,  dass  bei  der  Sach- 
versicherung die  Versicherungssumme  nicht  zugleich  den  Ver- 
sicherungswert darstellt,  sondern  im  Zweifel  nur  eine  Maximal - 
grenze  bilden  soll,  bis  zu  welcher  der  Versicherer  zu  haften 
hat  (vergi.  Entwurf  zu  einem  Versicherungsgesetz  Art.  59 
Abs.  1  und  Ehren b erg,  Handb.  S.  358),  und  zweitens,  dass 
nur  der  wirklich  eingetretene  Schaden  zu  ersetzen  und  dieser 
nach  dem  Ersatz  wert  zu  bestimmen  ist  (vergi,  a.  a.  0.  Art.  44, 
43,  54  f.).  (Entsch.  vom  6.  April  1900  i.  S.  Schweizer  c.  Basler 
Versicherungsgesellschaft  gegen  Feuerschaden.) 


116 

67.  Bundesgesetz  betreffend  Handhabung  der  Bahnpolizei  vom 
18.  Februar  1878,  Art.  1.  Inwieweit  gilt  für  die  sachenrechtlichen 
Verhältnisse  der  Eisenbahngrundstücke  eidgenössisches  Rechtt  Der 
Verjährungserwerb  von  (Wege-)  Dienstbarkeiten  am  Bahnkörper 
einer  dem  Betriebe  übergebenen  Eisenbahn  ist  bundesrechtlich 
(durch  das  Bahnpolizeigesetz)  ausgeschlossen. 

Es  geht  zu  weit,  wenn  die  Vorin8tanz  annimmt,  das 8 
das  Gebiet  einer  dem  Betrieb  übergebenen  Eisenbahn  der 
Herrschaft  des  kantonalen  Privatreohts  schlechthin  entzogen 
sei.  Die  eidgenössische  EisenbahngeBetzgebung  enthält  aller- 
dings Bestimmungen,  die  in  die  sachenrechtlichen  Verhältnisse 
der  Eisenbahngrundstücke  eingreifen,  allein  soweit  dies  nicht 
der  Fall  ist,  bleiben  die  Bestimmungen  des  kantonalen  Sachen- 
rechts uneingeschränkt  in  Kraft.  Es  kann  sich  demnach  bloss 
fragen,  ob  nicht  speziell  der  Ersitzung  einer  Dienstbarkeit 
am  Bahnkörper  bundesgesetzliohe  Vorschriften  hindernd  im 
Wege  stehen,  und  deshalb  die  Bestimmungen  des  kantonalen 
Sachenrechts  keine  Anwendung  finden,  und  in  dieser  Frage 
ist  in  der  That  der  Vorinstanz  beizutreten,  wenn  sie  ausführt, 
da8s  angesichts  der  Vorschrift  des  Art.  1  des  Bundesgesetzes 
betreffend  die  Handhabung  der  Bahnpolizei  eine  Erwerbung 
einer  Wegservitut  durch  Ersitzung  unmöglich  gewesen  sei. 
Art.  1  des  genannten  Gesetzes  verbietet  aus  Gründen  der 
öffentlichen  Sicherheit  allen  nicht  zum  Bahndienst  gehörenden 
Personen,  ohne  Erlaubnis  der  Bahnverwaltung  oder  ohne  eine 
auf  privatrechtlichem  Titel  beruhende  Berechtigung  an  andern, 
als  den  ihrer  Bestimmung  nach  dem  Publikum  geöffneten 
Stellen,  das  Gebiet  einer  dem  Betriebe  übergebenen  Eisen- 
bahn oder  ihrer  Zugehörden  zu  betreten.  Dieser  Artikel  setzt 
allerdings  die  Möglichkeit  voraus,  dass  gestützt  auf  privat- 
rechtlichen  Titel  die  Berechtigung  erworben  werden  könne, 
das  Gebiet  der  Bahn  auch  an  andern,  als  den  ihrer  Bestim- 
mung nach  dem  Publikum  geöffneten  Stellen  zu  betreten. 
Einen  privatrechtlichen  Titel  zur  Erwerbung  einer  solchen 
Berechtigung  würde  an  sich  nach  den  allgemeinen  Grund- 
sätzen des  Sachenrechts  auch  die  Ersitzung  bilden.  Allein 
der  Sinn  und  Zweck  des  Artikels  zwingt  zu  der  Annahme, 
dass  derselbe  ausschliesslich  die  Erwerbung  eines  derartigen 
privatrechtlichen  Titels  auf  Grund  rechtsgeschäftlicher  Ein- 
räumnng  durch  die  Bahngesellschaft  im  Auge  habe,  und  eine 
Erwerbung  durch  Ersitzung  ausseht iesse.  Wäre  nämlich  eine 
Ersitzung  von  Wegservituten  über  den  Bahnkörper  schlechthin 
nach  Massgabe  der  verschiedenen  kantonalen  Gesetzgebungen 
möglich,  so  würde  dies  zur  Folge  haben,  dass  das  unbefugte 


117 

Betreten  der  Bahn  ohne  Erlaubnis  der  Bahnverwaltung  und 
ohne  privatrechtlichen  Titel  je  nach  den  kantonalen  Bestim- 
mungen über  Ersitzung  über  kurz  oder  lang  zu  einer  auf 
privatrechtlichem  Titel  beruhenden  und  daher  erlaubten  Hand- 
lung werden  könnte,  sobald  die  Ersitzungsfrist  abgelaufen 
wäre.  Ein  solcher  Zustand  würde  aber  offenbar  die  Sicherung 
vor  Gefahren  des  Bahnbetriebes,  die  Art.  1  cit.  bezweckt,  in 
erheblichem  Masse  illusorisch  machen,  und  es  muss  daher 
eine  Interpretation  des  Gesetzestextes,  welche  denselben 
sanktionieren  würde,  verworfen  und  mit  der  Vorinstanz  an- 
genommen werden,  dass  die  Berechtigung  zum  Wegübergang 
über  den  Bahnkörper  durch  Erhitzung  nicht  erworben  werden 
könne.  (Entgeh,  vom  2.  März  1900  i.  S.  Einwohnergemeinde 
Rheinfelden  c.  Nordostbahn.) 


68.  BundesgcseU  betr.  die  Erfindungspatenle  vom  29.  Juni  1888, 
Art.  1.    Begriff  der  Erfindung. 

Den  Begriff  der  Erfindung  definiert  das  Bundesgesetz  be- 
kanntlich nicht,  sondern  überläset  dessen  Feststellung  der 
Wissenschaft  und  Praxis.  Nach  allgemein  anerkannter  Auf- 
fassung, der  sich  auch  das  Bundesgericht  angeschlossen  hat, 
gehört  dazu  die  Erreichung  eines  wesentlichen  Fortschrittes 
der  Technik,  eines  technischen  Nutzeffekts,  durch  neue,  ori- 
ginelle Kombination  von  Naturkräften  (s,  z.  B.  G  ierke,  Deutsch. 
Privatrecht  I  S.  849,  863;  Ko  hl  er,  Patentrecht  S.  32,  For- 
schungen  aus  dem  Patentrecht  S.  3).  Keine  Erfindungen  sind 
daher  Konstruktionen,  die  nicht  auf  einer  eigenartigen,  schöpfe- 
rischen Idee  ihres  Urhebers  beruhen,  sondern  lediglich  das 
Erzeugnis  technischer  Geschicklichkeit  bilden  (Kohler,  For- 
schungen 8.  29).  Ebenso  ist  keine  Erfindung  die  Entdeckung, 
die  nicht  neues  hervorbringt,  sondern  bereits  vorhandenes  ent- 
hüllt (Gierke,  a.  a.  0.  8.  863) 

Die  Erkenntnis,  dass  ein  bestimmter  Stoff  sich  zur  Her- 
stellung eines  bestimmten  Fabrikates  eignet,  wozu  er  bisher 
noch  nicht  verwendet  worden  ist,  kann  für  sich  allein  nicht 
als  Erfindung  betrachtet  werden.  Es  handelt  sich  hiebei  um 
eine  blosse  Entdeckung,  nicht  um  ein  Produkt  schöpferischer 
Geistesthätigkeit.  Anders  ist  es  dagegen,  wenn  der  Heran- 
ziehung dieses  Stoffes  zu  dieser  Fabrikation  bisher  gewisse 
Schwierigkeiten  entgegengestanden  haben,  die  dessen  Verwen- 
dung ausschlössen,  und  wenn  nun  ein  Mittel  gefunden  wird, 
um  die  Schwierigkeiten   zu  überwinden,  und  so  die  zwar  be- 


118 

kannten,  aber  bisher  für  diese  Fabrikation  als  nicht  verwert- 
bar scheinenden  Eigenschaften  eines  bestimmten  Stoffes  nutz- 
bar gemacht  werden.  Hier  handelt  es  sich  in  der  That  um 
die  Lösung  eines  der  Eombinationsthätigkeit  des  menschlichen 
Geistes  gestellten  Problems,  weder  um  blosses  Wahrnehmen 
von  bereits  Vorhandenem,  noch  um  blosse  geschickte  Anwen- 
dung und  Ausführung  von  bereits  Bekanntem,  sondern  um  ein 
Resultat  produktiver  Geistes thätigkeit,  als  welches  sich  die 
Erfindung  im  Gegensatz  zur  Entdeckung  oder  der  blossen 
Handfertigkeit  charakterisiert.  (Entsch.  vom  30.  März  1900 
i.  S.  Gut  und  Biedermann  c.  Kanzelmann  und  Genossen.) 


69.  Bundesgesetz  über  die  Rechtsverhältnisse  der  Verbindungs- 
geleise vom  19.  Dezember  1874,  Art.  6,  33.  Bundesgesetz  betreffend 
die  Haftpflicht  der  Eisenbahn-  und  Dampfschiffahrtsunternehmungen 
bei  Tötungen  und  Verletzungen  vom  1.  Juli  1875,  Art.  1,  2,  3,  7, 
8,  10.  Das  Eisenbahnhaftpflichtgesetz  findet  auch  auf  den  Betrieb 
von  Verbindungsgeleisen  Anwendung.  Haftpflichtiges  Subjekt  ist 
hiebet  nicht  notwendig  der  Besitzer  des  Anschlussgeleises,  sondern 
vielmehr  derjenige,  welcher  den  Transport  auf  dem  Geleise  auf 
seine  Rechnung  besorge  also  wenn  dies  die  Hauptbahn  ist,  diese. 

(Entsch.  vom  28.  März  1900  i.  S.  Märki  c.  Nordostbahn.) 


70.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahnen 
und  Dampf  Schiffahrtsunternehmungen  bei  Tötungen  und  Vei  letzungen 
vom  1.  Juli  1875,  Art.  1.  Bundesgesetz  betreffend  die  Ausdehnung 
der  Haftpflicht  u.  s.  w.  vom  26.  April  1887,  Art.  2  Abs.  3.  Art.  1 
des  Etsenbuhntiaßpflichtgesetzes  bezieht  sich  auch  auf  Arbeiten, 
die  zum  Unterhatte  und  zur  Erneuerung  des  Bahnkörpers  dienen; 
daran  ist  durch  das  erweiterte  Haftpflichtgesetz  nichts  geändert 
worden. 

Art.  1  des  Eisenbahnhaftpflichtgesetzes  bezieht  sich  nicht 
nur  auf  solche  Unfälle,  die  vor  der  Betriebseröffnung  sich  er- 
eignen. In  der  That  wurde  schon  mehrfach  entschieden,  dass 
zum  Bau  einer  Eisenbahn  im  Sinne  der  genannten  Gesetzes- 
bestimmung auch  die  zum  Unterhalt  und  zur  Erneuerung  des 
Bahnkörpers  dienenden  Arbeiten  gehören  (vergi.  Amtl.  Samml. 
Bd  Vili  S.  334,  Bd  X  S.  133).  Die  Beklagte  wendet  ein,  dass 
das  erweiterte  Haftpflichtgesetz  in  dieser  Richtung  gegenüber 
dem  frühem  Rechtszustande  eine  Aenderung  gebracht  habe 
und  dass  nach  demselben  der  Unterhalt  und  die  Erneuerung 
der  Bahn   nicht   mehr    unter  Art.  1  des  Eisenbahnhaftpflicht- 


llî> 

gesetzes  zu  subsumieren  seien,  sondern  zu  denjenigen  Arbeiten 
gehörten,  für  die  die  Bahngesellschaften  nur  noch  nach  Fabrik- 
haftpflichtgesetz,   also    in    beschränktem   Umfange,    hafteten. 
Eine   solche  Auffassung   widerspricht   jedoch   dem    Wortlaut 
von  Art.  2  Abs.  3  des  erweiterten  Haftpflichtgesetzes,  wo  be- 
stimmt ist:  „Für  die  beim  Eisenbahnbau  vorkommenden  Haft- 
pflichtfälle bleibt  bezüglich  der  Haftbarkeit  der  konzessionierten 
Unternehmung  und  des  Umfanges  des  zu  leistenden  Schaden- 
ersatzes Artikel  1  des  Gesetzes  vom  1.  Juli  1875  vorbehalten.* 
Es  mag  sein,  dass  der  Bundesrat  mit  dieser  Bestimmung,  die 
im  Entwürfe  gelautet  hatte:  „Betreffend  den  Bau  der  Eisen- 
bahnen bleibt  Artikel  1  des  Bundesgesetzes  vom  1.  Juli  1875» 
bezüglich  der  Haftbarkeit  der  konzessionierten  Unternehmung 
in  Kraft,"  bloss  die  Verantwortlichkeit  der  Bahnunternehmung 
für   ihre  Akkordanten   vorbehalten   wollte,    im    übrigen   aber 
annahm,  dass  die  Haftpflicht  für  Unfälle,  die  sich  beim  Eisen- 
bahnbau ereignen,  in  Zukunft  durchwegs  unter  das  erweiterte 
Haftpflichtgesetz   bezw.  das  Fabrikhaftpflichtgesetz  fallen  (s. 
die  Botschaft  des  Bundesrates  vom  7.  Juni  1886  im  Bundes- 
blatt von  1886  II  S.  701).  Allein  wenn  schon  die  im  bundes- 
rätlichen  Entwurf  gewählte  Fassung  diesen  Gedanken  jeden- 
falls nicht  klar  zum  Ausdruck  brachte,  so  kann  dann  vollends,, 
nachdem  in  der  Beratung  durch  die  eidgenössischen  Räte  der 
Vorbehalt   erweitert  worden  war   auf  das  Mass  der  Haftung, 
die  Bestimmung  nicht  mehr  anders  ausgelegt  werden  als  dahin,, 
dass  hinsichtlich  der  Haltbarkeit  der  Eisenbahn  Unternehmungen 
für  Unfälle,  die  sich  beim  Bau  ereignen,  Artikel  l  des  Eisen- 
bahnhaftpflichtgesetzes in  vollem  Umfange  in  Geltung  bleibe. 
(Vergi,  auch  den  französischen  Text,  der  lautet:  „Pour  les  cas- 
d'accidents   survenant  lors   de  la  construction  de  chemins  de 
fer,  la  responsabilité  de  l'entreprise  concessionnée  et  l'indemnité 
à    payer    sont    déterminées    par    l'article    1er    de    la    loi    du 
1er  juillet  1875.")    Es  würde  zudem  der  ganzen  Tendenz  des 
erweiterten    Haftpflichtgesetzes    widersprechen,    wenn    ange- 
nommen   werden    wollte,    dass    in    diesem    Punkt,    eine    Ein- 
schränkung der  Haftpflicht  habe  vorgenommen  werden  wollen. 
Auch  dafür  bietet  das  Gesetz  keinen  Anhaltspunkt,  dass  Art.  1 
des   Eisenbahnhaftpflichtgesetzes  nur   für  Unfälle  vorbehalten 
worden  wäre,  die  sich  beim  eigentlichen  Bau  einer  Eisenbahn 
ereignen,  und  dass  man  die  Erneuerungs-  und  Unterhaltungs- 
arbeiten, die  durch  die  bundesgerichtliche  Praxis  unter  jenen 
Art.  1  gestellt  worden  waren,  von  dem  Vorbehalt  hätte  aus- 
nehmen   wollen;    wäre   dies   die  Meinung   der  vorberatenden 
Bäte  gewesen,   so   wäre    es   ausdrücklich  gesagt  worden,    da 


-t*FFF 


120 


angenommen  werden  musa,  class  denselben  die  Praxis  des 
Bundesgerichts,  auf  die  z.  B.  die  nationalrätliche  Kommission 
in  ihrem  Bericht  in  anderer  Beziehung  verwiesen  hat  (s. 
Bundesbl.  von  1886  III  S.  150),  bekannt  gewesen  sei.  (Entsch. 
vom  28.  März  1900  i.  S.  Hartmann  c.  Nordostbahn.) 


71 .  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb 
vom  25.  Juni  1881,  Art  6  Abs.  3.  Bei  Anwendung  dieser  Gesetzes- 
bestimmung ist  der  Civilrichter  an  ein  (verurteilendes  oder  frei- 
sprechendes) Urteil  des  Strafrichters  (wenn  auch  nicht  an  einen 
blossen  EinsteüungsbeschUiss  der  Stra/verfolgungsbehörde)  gebunden. 
—  Voraussetzung  des  Wegfalls  des  Entschädtgungsmaximums  ist, 
dass  der  Betriebsunternehmer  persönlich  eine  strafrechtlich  verfolg- 
bare Handlung  begangen  hat. 

(Entsch.  vom  7.  Februar  1900  i.S.Berchtoldc.  Termignoni.) 


72.  Bundesgesetz  betreffend  die  Arbeit  in  den  Fabriken  vom 
23.  März  1877,  Art.  5  litt.  b.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haft- 
Pflicht  aus  Fabrikbetrieb  vom  25.  Juni  1881.  Die  Haftpflicht  des 
Fabrikherrn  besteht  auch  gegenüber  von  Hilfsarbeitern,  welche 
seine  (auf  Stück  bezahlten)  Arbeiter  für  die  Betriebsarbeiten  m 
der  Fabrik  auf  eigene  Rechnung  einstellen. 

Die  beklagte  Aktiengesellschaft  betreibt  ihre  Fabrik  in 
der  Weise,  dass  sie  ihren  Arbeitern,  die  sie  nach  Stück  be- 
zahlt, ihre  Ateliers  und  Maschinen  zur  Verfügung  stellt  und 
es  ihnen  überlässt,  Hilfspersonal  für  ihre  Arbeit  beizuziehen. 
Von  dem  beklagtischen  Arbeiter  Ch.  S.  war  seine  Ehe- 
frau Fanny  S.  als  Hilfsarbeiterin  eingestellt  worden.  Als 
nun  diese  bei  der  Arbeit  an  einer  Maschine  eine  Verletzung 
erlitt,  bestritt  die  Beklagte,  dass  die  Haftpflichtgesetze  auf 
•diesen  Unfall  anwendbar  seien.  Das  Bundesgericht  erklärte 
indes  die  Beklagte  grundsätzlich  als  haftpflichtig,  indem  es 
ausführte  : 

Contrairement  à  l'opinion  émise  dans  l'arrêt  dont  est 
recours,  la  législation  fédérale  sur  les  fabriques  et  la  respon- 
sabilité des  fabricants  est  applicable  dans  l'espèce.  Le  principe 
décisif  en  pareille  matière,  et  déjà  contenu  dans  l'art.  5 
lettre  6  de  la  loi  du  23  mars  1877  sur  les  fabriques,  dispose 
entre  autres  que  le  propriétaire  de  la  fabrique  est  responsable 
des  dommages  causés  lorsque,  même  sans  qu'il  y  ait  faute 
spéciale  de  la  part  de  ses  mandataires,  représentants,  direc- 
teurs ou  surveillants,  l'exploitation  de  la  fabrique  a  occasionné 


121 

des  lésions  ou  la  mort  d'un  ouvrier  ou  employé.  Ce  principe 
a  été  sanctionné  dans  les  mêmes  termes  par  la  loi  fédérale 
du  25  juin  1881  sur  la  responsabilité  civile  des  fabricants. 
Il  s'en  suit  que  la  dite  responsabilité  s'étend,  sans  distinction, 
à  tous  les  accidents  survenus,  dans  les  conditions  prévues  par 
la  dite  loi,  aux  ouvriers  employés  en  fait  dans  une  fabrique; 
il  est  indifférent,  à  cet  égard,  que  dans  l'espèce  dame  S. 
ait  travaillé  comme  auxiliaire  de  son  mari,  et  n'ait  pas  été 
engagée  directement  par  la  Fabrique  genevoise  de  meubles; 
elle  était  occupée  dans  la  fabrique,  en  fait,  comme  ouvrière, 
et  il  n'a  pas  même  été  allégué  qu'elle  s'y  fût  introduite 
clandestinement,  contre  la  volonté  du  patron  ;  l'on  ne  saurait 
admettre  non  plus  que  la  société  défenderesse  ait  ignoré  que 
la  recourante  travaillait  dans  ses  locaux,  ce  qui  impliquerait 
de  la  part  de  la  fabrique  un  manque  complet  de  surveillance, 
et  partant  une  faute.  Dans  ces  circonstances,  et  quelle  que 
fût  d'ailleurs  la  nature  du  rapport  juridique  existant  entre 
dame  S.  et  la  société,  la  responsabilité  de  cette  dernière 
résulte  des  dispositions  légales  précitées.  Il  est  indifférent, 
en  particulier,  que  le  salaire  de  la  recourante  ait  été  compri» 
dans  celui  payé  à  son  mari;  ce  n'était  là  qu'un  mode  de 
paiement,  qui  n'empêche  pas  que  le  bénéfice  réalisé  sur  le 
travail  de  la  recourante  ne  profitât  à  la  Fabrique  défenderesse. 
Le  législateur  fédéral,  en  admettant  la  responsabilité  du  fabri- 
cant pour  le  dommage  causé  à  un  ouvrier  tué  ou  blessé  dans- 
les  locaux  de  la  fabrique  et  par  son  exploitation  a  voulu 
étendre  ce  bénéfice  à  toutes  les  personnes  occupées  en  fait 
dans  la  fabrique  ;  une  interprétation  différente  ouvrirait  facile- 
ment la  porte  à  des  abus,  en  permettant  aux  patrons  d'éluder 
le  vœu  de  la  loi.  (Entsch.  vom  7.  Februar  1900  i.  S.  dame 
8aucon  c.  Fabrique  genevoise  de  meubles.) 


73.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art  59.  —  Bundesgesetz  über 
Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  11.  April  1889,  Art.  197  ff., 
293  ff.}  315.  Bei  KollokaUonsstreitigkeiten  bemisst  sich  der  Streit- 
teert nach  dem  Nominalbetrag  der  angefochtenen  Forderung.  — 
7m  Konkurse  können  nur  solche  Forderungen  geltend  gemacht 
werden,  welche  schon  zur  Zeit  der  Konkurseröffnung,  wenigstens 
dem  Rechtsgrunde  nach  bestanden.  —  Der  im  Nachlassvertrage 
nachgelassene  Teil  der  Forderungen  der  Gläubiger  erlischt  nicht 
schon  bei  Abschluss  und  Bestätigung  des  Nachlassvertrages,  sondern 
erst  mit  der  Erfüllung  desselben.  —  Durch  den  Ausbruch  des 


122 

Konkurse*  über  den  Schuldner  fallen  die  Wirkungen  des  NacMass- 
verlrages  hinsichtlich  derjenigen  Forderungen,  für  welche  derselbe 
noch  nicht  erfüllt  worden  ist,  ohne  weiteres  dahin,  so  dass  diese 
Forderungen  im  Konkurse  nach  Massgabe  ihres  ursprünglichen 
Betrages  geltend  gemacht  werden  können. 

Nach  dem  von  ihm  im  Frühjahr  1898  abgeschlossenen 
Nachlassvertrage  hatte  A.  M.-.J  in  0.  seinen  Kurrentgläubigern 
30  %  ihrer  Forderungen  in  drei  Raten  zu  bezahlen.  Da  der 
Schuldner  M.-J.  die  dritte  Nachlassrate  auf  eine  im  Nach- 
lassverfahren mit  Fr.  2688.  75  angemeldete  Forderung  nicht 
bezahlte,  so  verlangte  die  klägerische  Firma  B.  &  Cie  in  L. 
in  betreff  ihrer  Forderung  Aufhebung  des  Nachlassvertrages. 
Dieses  Begehren  wurde  am  12.  Dezember  1898  von  der  untern 
Nachlassbehörde  gutgeheissen  und  die  erstinstanzliche  Ver- 
fügung wurde  am  28.  Januar  1899  von  der  obern  kantonalen 
Nachlassbehörde  bestätigt.  Inzwischen  hatte  die  Firma 
B.  &  Cie  am  10.  Januar  1899  die  Konkurseröffnung  über 
A.  M.-J.  herbeigeführt.  In  diesem  Eonkurse  wurde  sie  für 
ihre  ursprüngliche  Forderung  von  Fr.  2688.  75  unter  Abzug 
der  erhaltenen  Nachlassraten  von  Fr.  590. 15  mit  Fr.  2148.  60 
nebst  Fr.  53. 30  Kosten  in  Klasse  V  zugelassen.  Am  18.  Januar 
1899  erwirkte  auch  ein  anderer  Gläubiger  des  A.  M.-J., 
welcher  an  dessen  Nachlassvertrag  mit  dem  vom  Massa- 
verwalter auf  Fr.  3005.  85  geschätzten,  durch  das  Pfand  nicht 
gedeckten  Teile  einer  faustpfändlich  gesicherten  Forderung 
teilgenommen  hatte,  Chr.  J.  in  S.,  die  Aufhebung  des  Nach- 
lassvertrages für  seine  Forderung  und  wurde  daraufhin  in 
dem  Konkurse  des  A.  M.-J.  mit  seiner  ganzen  ursprünglichen 
Forderung  in  Klasse  V  zugelassen.  Diese  Anweisung  focht 
die  Firma  B.  A  Cie  gerichtlich  an,  indem  sie  Reduktion  der 
Forderung  um  70%  des  nicht  pfandversicherten  Teiles  der- 
selben, d.  h.  um  Fr.  2104.  10  verlangte.  Diese  Klage  wurde 
vom  Bundesgerichte  in  Bestätigung  der  Entscheidung  des 
Appellations-  und  Kassationshofes  des  Kantons  Bern  abge- 
wiesen. In  den  Gründen  der  bundesgerichtlichen  Entschei- 
dung wird  zunächst  ausgeführt:  Da  nach  der  bundesgericht- 
lichen Praxis  in  Kollo kationsstreitigkeiten,  in  denen  ein 
Gläubiger  die  Zulassung  eines  andern  Gläubigers  oder  den 
ihm  angewiesenen  Rang  anfechte,  der  Streitwert  sich  nach  dem 
Nominalbetrage  der  Forderung  richte,  deren  Kollokation  an- 
gefochten werde,  sei  der  gesetzliche  Streitwert  gegeben. 
Richtig  sei  nun,  dass,  wie  die  Klägerin  behaupte,  im  Kon- 
kurse nur  solche  Forderungen  geltend  gemacht  werden  können, 
welche,  wenigstens  ihrem  Rechtsgrunde  nach,  schon  zur  Zeit 


123 

der  Konkurseröffnung  bestanden  haben.  Es  müsse  sich  daher 
fragen,  ob  dem  Beklagten  zur  Zeit  der  Konkurseröffnung 
über  M.-J.  für  die  bestrittenen  70%  seiner  Ansprache  eine 
exequierbare  Forderung  an  den  Gemeinschuldner  zugestanden 
habe.     Hierüber  wird  sodann  bemerkt: 

Es  ist  zunächst  der  Vorinstanz  darin  beizupflichten,  dass 
durch  den  Abschluss  bezw.  die  Bestätigung  des  Nachlass- 
vertrages die  dadurch  betroffenen  Forderungen  keineswegs 
untergegangen  sind.  xDer  Nachlassvertrag  ist  eine  behördlich 
bestätigte,  mit  gewissen  Zwangs  Wirkungen  ausgestattete 
Vereinbarung  zwischen  dem  Schuldner  und  seinen  Gläubigern, 
bezw.  der  Majorität  derselben,  über  die  Art,  wie  sich  der 
er8tere  von  seinen  Verpflichtungen  gegenüber  letztern,  die  er 
in  normaler  Weise  zu  erfüllen  nicht  im  stände  ist,  soll  lösen 
können.  Der  Vertrag  bezieht  sich  somit  allerdings  nicht 
bloss  auf  die  exekutiven  Rechte  der  Gläubiger,  sondern  er 
berührt  auch,  den  materiellen  Bestand  ihrer  Forderungen, 
indem  der  Schuldner,  wenigstens  civiliter,  davon  befreit  wer- 
den soll.  Diese  Wirkung  knüpft  sich  aber  nicht  unmittelbar 
an  den  Abschluss  oder  die  Bestätigung  des  Vertrages,  sondern 
erst  an  die  Erfüllung  der  Vertragsbedingungen.  Dass  die 
Ansprüche  aus  dem  Nachlass vertrag  mit  novierender  Wirkung 
an  Stelle  der  ursprünglichen  Forderungen  träten  oder  dass 
sofort  mit  dem  Perfektwerden  des  Nachlassvertrages  diese 
gänzlich  oder  für  den  durch  die  zugesicherte  Leistung  nicht 
gedeckten  Teil  als  erloschen  zu  gelten  hätten,  könnte  höchstens 
angenommen  werden,  wenn  etwas  derartiges  ausdrücklich 
vereinbart  worden  wäre.  Wo  dies,  wie  in  vorliegendem  Falle, 
nicht  zutrifft,  kann  dagegen  unter  keinen  Umständen  davon 
gesprochen  werden,  dass  der  Schuldner  ganz  oder  teilweise 
von  seinen  Verpflichtungen  befreit  sei,  bevor  der  Nachlass- 
vertrag erfüllt  ist;  m.  a.  W.  es  ist  der  darin  enthaltene  teil- 
weise Verzicht  oder  Erlass  der  Forderungen  unter  die  Be- 
dingung gestellt,  dass  dem  Gläubiger  das  im  Vertrag  Zuge- 
sicherte geleistet  werde.  Diese  Auffassung  war  im  bundesrät- 
lichen Entwürfe  zum  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und 
Konkurs  vom  23.  Februar  1886  zu  positivem  Ausdruck  ge- 
langt, indem  darin  folgende  Bestimmung  unter  den  Vor- 
schriften über  den  Nachlassvertrag  erscheint:  Art.  39:  „Der 
Schuldner  wird  durch  Erfüllung  des  Konkordates  von  jeder 
weitern  Verpflichtung  gegenüber  seinen  Gläubigern  befreit; 
vorbehalten  bleiben  anderweitige  Bestimmungen  des  Konkor- 
dates, u.  s.  w.a  Die  Bestimmung  wurde  in  etwas  veränderter 
Fassung  bis  zur  letzten  sog.  redaktionellen  Bereinigung  bei- 


124 

behalten.  Näher  als  der  Schiusa,  dass  man  mit  dem  schliess- 
liohen  Fallenlassen  eine  materielle  Aenderung  vornehmen 
wollte,  liegt  die  Annahme,  dass  man  dieselbe  als  selbstver- 
ständlich und  somit  als  überflüssig  betrachtete.  Allerdings 
enthielt  die  Vorschrift  nach  ihrer  Fassung  nioht  zwingendes 
Recht.  Allein,  was  man  der  Disposition  der  Parteien  vor- 
behalten wollte,  und  was  wohl  auch  nach  Wegfall  der  Be- 
stimmung ihrer  Disposition  vorbehalten  bleibt,  ist  nicht  sowohl 
die  Stipulation,  dass  die  ursprünglichen  Forderungen  schon 
vor  der  Erfüllung  des  Nachlassvertrages  erlöschen  sollen,  als 
vielmehr  die  Vereinbarung,  dass  trotz  der  Erfüllung  der 
Schuldner  von  den  ursprünglichen  Verbindlichkeiten  noch 
nicht  befreit  sein  solle.  Diese  Lösung  ist  auch  die  der  Natur 
der  Sache  entsprechende.  Die  Nachlassgläubiger  sind  gewiss 
nicht  gewillt,  auf  die  blosse  Zusicherung  gewisser  Leistungen 
hin  ihre  Forderungen  aufzugeben,  und  wenn  sie  sich  zu 
einem  teilweisen  Verzicht  bereit  erklären,  so  geschieht  dies 
nur,  weil  sie  ein  sioheres  Weniger  einem  unsicheren  Mehr 
vorziehen.  Sicher  aber  ist  eine  Leistung  nicht  schon  dann, 
wenn  sie  versprochen,  sondern  erst  dann,  wenn  sie  erfüllt  ist» 
Darnach  wurden  denn  auch  im  vorliegenden  Falle  die  Forde- 
rungen an  den  Schuldner  M .  durch  den  Abschluss  bezw.  die 
Bestätigung  des  Naohlassvertrages  fürs  erste  in  ihrem  Be- 
stände nicht  berührt,  und  der  damit  verknüpfte  Erlass  oder 
Verzicht  konnte  erst  eintreten  oder  wirksam  werden  mit  dem 
Eintritt  der  Bedingung,  unter  der  er  zugestanden  war,  d.  h. 
mit  der  Zahlung  der  Nachlassdividende.  Da  nun  diese  Be- 
dingung sich  nicht  erfüllt  hat,  ist  auch  die  Wirkung  eines 
teilweisen  Erlasses  oder  Verzichts  nicht  eingetreten,  und 
stand  vom  Boden  des  materiellen  Rechts  aus  nichts  entgegen, 
dass  die  Forderung  des  Beklagten  im  Eonkurse  des  A.^M. 
in  ihrem  ursprünglichen  Betrage  angemeldet  und  zugelassen 
wurde. 

Nun  wird  aber  aus  Art.  315  B.  G.  der  Einwand  her- 
geleitet, dass  im  Falle  der  Nichterfüllung  der  Bedingungen 
des  Nachlassvertrages  die  behördliche  Aufhebung  des  Nach- 
lasses verlangt  und  ausgewirkt  sein  müsse,  bevor  die  Forderung 
in  ihrem  frühern  Bestände  geltend  gemacht  werden  könne, 
und  dass  deshalb  vorliegend  der  Beklagte,  da  die  Aufhebung^ 
des  Nachlasses  zu  seinen  Gunsten  erst  nach  der  Konkurs* 
eröffnung  über  A.  M.  erfolgt  sei,  im  Konkurse  nioht  den  un- 
gedeckten Teil  seiner  ursprünglichen  Forderung,  sondern  nur 
die  nicht  bezahlte  Nachlassquote  habe  liquidieren  dürfen. 
Diesbezüglich  fällt  in  Betracht:  Es  ist  richtig,  dass  ein  gültig: 


126 

za  stände  gekommener  Nachlassvertrag  der  exekutiven  Geltend- 
machung der  dadurch  betroffenen  Forderungen  gegenüber 
dem  Naohlasssohuldner  im  Wege  steht  und  dass  deshalb,  so- 
fern der  Vertrag  noch  wirksam  sein  sollte,  solche  Forderungen 
auch  in  einem  später  über  denselben  ausgebrochenen  Eon- 
kurse nicht  geltend  gemacht  werden  könnten.  Nach  Art.  315 
B.  Gr.  fallen  ferner  in  der  That  die  Wirkungen  des  Nachlass- 
vertrages, wenn  dessen  Bedingungen  nioht  erfüllt  werden, 
nicht  von  selbst  dahin,  sondern  es  bedarf,  um  den  Vertrag 
aus  dem  Wege  zu  räumen,  eines  Anspruches  der  Nachlass- 
behörde, der  zudem,  im  Gegensatz  zum  Widerruf  des  Nach- 
lassvertrages wegen  Unredlichkeit  gemäss  Art.  316,  nur  in- 
dividuell, für  den  die  Aufhebung  verlangenden  Gläubiger, 
und  nicht  generell,  für  alle  Gläubiger  wirkt.  Eines  solchen 
die  Aufhebung  des  Nachlasses  aussprechenden  Dekretes  der 
Naohiassbehörde  bedarf  es  jedoch  dann  nicht,  wenn  über  den 
Schuldner  der  Konkurs  ausbricht,  bevor  er  die  ihm  nach  dem 
Nachlassvertrage  obliegenden  vermögensrechtlichen  Leistungen 
erfüllt  hat;  vielmehr  sind  die  Gläubiger,  denen  gegenüber 
diese  Bedingungen  beim  Ausbruch  des  Eonkurses  nicht  erfüllt 
sind,  sei  es  dass  der  Schuldner  nicht  leisten  konnte  oder 
wollte,  oder  dass  er  nooh  nicht  zu  leisten  brauchte,  ohne 
weiteres  Verfahren  berechtigt,  ihre  Forderungen  in  ihrem  ur- 
sprünglichen Betrage  —  unter  Abrechnung  allfällig  erhaltener 
Abschlagszahlungen  —  anzumelden  und  dafür  konkursmässige 
Befriedigung  zu  verlangen.  M.  a.  W.  die  Wirkungen  des  Nach- 
lassvertrages mit  Bezug  auf  die  exekutive  Geltendmachung 
der  ursprünglichen  Forderungen  fallen  in  solchen  Fällen, 
wenigstens  für  die  Dauer  des  Konkurses,  mit  dessen  Eröffnung 
dahin.  Der  Nachlassvertrag  ist  eine  besondere,  gegenüber 
der  eigentlichen  Zwangsvollstreckung  mildere  Form  der  Aus- 
einandersetzung des  bedrängten  Schuldners  mit  seinen  Gläu- 
bigern, die  an  die  Stelle  der  erstem  tritt  und  nicht  neben 
derselben  bestehen  kann.  Allerdings  können  ordentlicherweise 
während  der  Abwicklung  des  Nachlassvertrages  nach  dessen 
Bestätigung  neue  Spezialexekutionen  gegen  den  Schuldner 
eingeleitet  und  es  kann  gegen  ihn  auch  der  Konkurs  eröffnet 
werden;  denn  der  Schuldner  ist  von  der  Bestätigung  des 
Nachlassvertrages  an  in  der  Regel  in  seiner  Verpflichtungs- 
fähigkeit nicht  mehr  beschränkt,  und  auch  davon,  dass  sein 
Vermögen  den  Nachlassgläubigern  dinglich  verhaftet  wäre, 
wird  höchstens  ausnahmsweise  die  Rede  sein  können.  Allein 
wenn  auch  so  unter  Umständen  eine  Zwangsvollstreckung  für 
eine   neue  Verpflichtung   neben   der  Abwicklung  des   Nach- 

10 


126 

lassyertrage8  einhergehen  kann,  so  ist  doch  ein  Ineinander- 
greifen der  verschiedenen  Liquidationsverfahren,  ein  Einwirken 
derselben  auf  einander  gänzlich  ausgeschlossen,  und  bei  Kolli- 
sionen mu88  das  eine  vor  dem  andern  zurücktreten.  Eine 
solche  Kollision  ist  nun  vorhanden,  wenn  ein  Schuldner,  der 
gemäss  Nachlassvertrag  seinen  Gläubigern  zu  bestimmten 
Leistungen  aus  seinem  Vermögen  verpflichtet  ist,  diese  Be- 
dingungen allen  oder  einzelnen  gegenüber  nicht  erfüllt  hat 
und  nunmehr  über  ihn  der  Konkurs  ausbricht.  Denn  da  die 
Konkurseröffnung  dem  Schuldner  die  Disposition  über  sein 
Vermögen  entzieht,  so  ist  ihm  dadurch  die  Erfüllung  des 
Nachlass Vertrages  verun  möglicht.  Da  ferner  für  die  Konkurs- 
gläubiger kein  rechtlicher  Zwang  besteht,  die  Erfüllung  auf 
sich  zu  nehmen,  so  ist  die  zutreffende  Lösung  der  vorhandenen 
Kollision  die,  dass  der  Nachlassvertrag  für  die  Gläubiger, 
denen  gegenüber  er  nicht  erfüllt  ist,  mit  der  Konkurseröffnung 
aufhört  wirksam  zu  sein,  bezw.  dass  dieselben  ohne  Rück- 
sicht auf  den  Vertrag  berechtigt  sind,  statt  der  akkord- 
mässigen  konkursmässige  Befriedigung  zu  verlangen.  Wenn 
durch  den  Ausbruch  des  Konkurses  es  offenbar  geworden  ist, 
dass  die  Auseinandersetzung  mittelst  Nachlassvertrages,  die 
zur  Abwendung  oder  zur  Aufhebung  der  Zwangsvollstreckung 
versucht  wurde,  nicht  zum  Ziele  geführt  hat  und  nicht  mehr 
dazu  führen  kann,  so  muss  von  selbst  den  Gläubigern  wieder- 
um das  Recht  erstehen,  gemäss  ihren  materiellen  Rechten  an 
der  bevorstehenden  allgemeinen  Zwangsliquidation  teilzu- 
nehmen, und  es  erscheint  als  völlig  überflüssig,  dass  in  diesen 
Fällen  auch  noch  das  Verfahren  nach  Art.  315  durchgeführt 
werde.  Die  Einwendungen,  die  der  Schuldner  im  Falle  des 
Art.  315  vor  der  Nachlassbehörde  erheben  könnte,  kann  er 
auch  im  Konkursverfahren  vorbringen  (vergi.  Art.  244  B.  G.); 
und  so  weit  mit  Art.  315  ein  Schutz  der  Gläubiger  gegen 
unlautere  Abmachungen  bezweckt  sein  sollte,  entfallt  das 
Bedürfnis  nachlassbehördlicher  Prüfung  der  Frage,  ob  die 
Bedingungen  des  Nachlassvertrages  erfüllt  seien,  im  Konkurse 
deshalb,  weil  die  Organe  der  Gläubigergemeinschaft  diese 
Prüfung  vornehmen  und  den  einzelnen  Gläubigern  erst  noch 
das  Recht  der  Anfechtung  von  Ansprachen  zusteht,  die  ihrer 
Ansicht  nach  zu  Unrecht  anerkannt  worden  sind.  Dass  der 
Nach la88 vertrag,  wenn  er  dein  Schuldner  vermögensrechtliche 
Leistungen  auferlegt,  nicht  zur  Folge  haben  kann,  dass  in 
einem  vor  Erfüllung  des  Vertrags  über  ihn  ausgebrochenen 
Konkurs  nur  die  unbezahlte  Nachlassdividende  liquidiert 
werden  könnte,  ergiebt  sich  auch  daraus,  dass  der  Anspruch 


127 

auf  letztere  ein  stringenter  und  absoluter  ist,  und  eine 
weitere  Schmälerung  oder  Aenderung  nicht  duldet.  Auoh 
diese  Betrachtung  bestätigt,  dass,  wenn  vor  der  Erfüllung  des 
Nachlassvertrages  der  Konkurs  ausbricht,  in  demselben  nicht 
die  nicht  erfüllten  Nachlassleistungen  zu  liquidieren  sind,  dass 
vielmehr  die  nicht  ausgewiesenen  Nachlassgläubiger  von  vorn- 
herein und  ohne  dass  es  eines  Verfahrens  nach  Art.  315 
B.  Gr.  bedarf,  mit  dem  ursprünglichen  Betrag  ihrer  Forde- 
rungen als  Konkursgläubiger  zugelassen  werden  müssen. 
(Entsch.  vom  8.  Februar  1900  i.  S.  Burkhalter  à  Cie  c.  Jörg.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


74.  Versicherungsvertrag  zu  Gunsten  Dritter.  Art.l28  0.R. 
St.  Galleu.  Urteil  de«  Kantonsgerichts  vom  14.  Dezember  1898. 
Der  Pferdehändler  X.  hat  für  seine  drei  Knechte  bei  einer 
Unfallversicherungsgesellschaft  eine  Kollektivversicherung  ge- 
nommen, und  die  Prämien  selbst  bezahlt,  ohne  die  versicherten 
Knechte  daran  beitragen  zu  lassen.  §  16  der  Versicherungs- 
bedingungen lautet: 

Entschädigung  im  Todesfall.  Soweit  die  Police  nicht  ab- 
weichende Bestimmungen  enthält,  vergütet  die  Gesellschaft,  wenn 
der  Tod  sofort  oder  binnen  Jahresfrist  nacbgewiesenermassen 
als  direkte  Folge  des  Unfalls  eintritt,  folgende  Entschädigungen  : 

1.  Die  volle  auf  den  Versicherten  entfallende  Versicherun gs- 
summe,  wenn  er  eine  Witwe  und  ein  oder  mehrere  Kinder  unter 
16  Jahren  hinterlässt. 

2.  Die  volle  auf  den  Versicherten  entfallende  Versicherungs- 
summe, wenn  er  ein  oder  mehrere  mutterlose  Kinder  unter 
16  Jahren  hinterlässt. 

3.  Zwei  Drittel  der  Versicherungssumme,  wenn  er  eine  kinder- 
lose Witwe  hinterlässt. 

4.  Die  Hälfte  der  Versicherungssumme,  falls  der  Verunglückte 
unverheiratet  oder  kinderloser  Witwer  war,  zu  Gunsten  seiner 
Eltern  u.  s.  w. 

Der  als  Fahrknecht  bei  X.  in  Dienst  stehende  A.  verun- 
glückte auf  einer  dienstlichen  Fahrt  und  starb  noch  gleichen 
Tags.  Die  auf  Grund  obigen  §  16  Ziffer  3  ermittelte  Ent- 
schädigung von  Fr.  2143  wollte  die  Gesellschaft  an  die  Witwe 
ausbezahlen,   aber  die  gesetzlichen  Erben  des  Verunglückten 


128 

erhoben  Anspruch  auf  den  ihnen  laut  Erbgesetz  zukommenden 
Anteil.  Das  Kantonsgericht  sprach  die  ganze  Summe  der 
Witwe  zu,  aus  folgenden  Gründen: 

Der  Entscheid  hängt  davon  ab,  ob  in  dem  Versicherungs- 
verträge das  Versprechen  einer  Leistung  an  einen  Dritten  zu 
dessen  Gunsten  im  Sinne  des  Art.  128  0.  R.  gefunden  werden 
kann  oder  nicht.  Zu  dieser  Annahme  ist  erforderlich,  dass 
ein  dritter  Begünstigter  in  genügend  deutlicher  Weise  ver- 
traglich bezeichnet  sei.  Diese  Voraussetzung  trifft  hier  zu: 
der  aus  dem  Eollektivversicherungsvertrage  begünstigte  Dritte 
ist  unbestritten  der  versicherte  Arbeiter  selbst,  sofern  er  durch 
Unfall  invalid  geworden  ist,  und  bei  Tod  des  versicherten 
Arbeiters  sind  es  die  in  §  16  der  Police  ausdrücklich  be- 
nannten Personen. 

Es  ist  einleuchtend,  dass  der  Arbeitgeber  die  Absicht 
hatte,  mittelst  der  Versicherung  seiner  Arbeiter  gegen  Unfall, 
im  besondern  auf  den  Todesfall,  dem  oder  denjenigen  Ange- 
hörigen derselben,  für  deren  Unterhalt  der  ökonomisch  meist 
schwache  Versicherte  zu  sorgen  verpflichtet  war,  den  durch 
dessen  Unfalltod  für  sie  entstandenen  Verlust  einigermassen 
zu  decken,  sie  gegen  die  Gefahr  plötzlicher  bedrückender 
Armut  oder  des  Notstandes  zu  schützen  und  auf  diese  Weise 
ihnen  behilflich  zu  sein,  eine  selbständige,  wirtschaftliche 
Existenz  für  die  Zukunft  zu  schaffen.  Je  intensiver  die  Pflicht 
des  Verstorbenen  für  die  Unterstützung  derselben  war,  oder 
je  grösser  die  Zahl  der  von  seinem  Tode  Betroffenen  ist,  um 
so  grösser  ist  auch  der  durch  den  Tod  eingetretene  vermögens- 
rechtliche Ausfall,  und  um  so  höher  ist  demgemäss  innert 
dem  Kahmen  der  Gesamtversicherungssumme,  im  §  16  der 
Police  die  Entschädigungssumme  bemessen  worden. 

Nur  unter  diesen  Gesichtspunkten  werden  die  im  cit.  §  16 
iür  den  Unfalltod  des  versicherten  Arbeiters  vorgesehenen 
Abstufungen  im  Umfange  der  Entschädigungspflicht  des  Ver- 
sicherers verständlich,  während  unter  der  Annahme,  dass 
durch  den  Versicherungsvertrag  die  gesetzlichen  Erben  des 
Verunglückten  als  solche,  ohne  Bücksicht,  ob  sie  dem  Ver- 
sicherungsnehmer bekannt  oder  unbekannt,  ob  sie  mit  dem 
Versicherten  nahe  oder  entfernt  verwandt,  ob  sie  bedürftig 
oder  wohlhabend  sind,  begünstigt  werden  sollten,  der  Ab- 
8 chi u ss  des  Vertrages  seitens  der  Vertragsparteten  überhaupt 
nicht  wahrscheinlich  und  die  Abstufung  der  Entschädigungs- 
pflicht im  §  16  unverständlich  sein  würde. 

So  ist  denn  die  in  §  16*  der  Police  aufgeführte  kinderlose 
Witwe  des  Verunglückten  als  dritte  Person,  zu  deren  Gunsten 


129 

der  Versicherungsvertrag  für  den  Todesfall  ihres  Mannes  ab- 
geschlossen ward,  anzusehen,  welcher  in  dieser  Eigenschaft, 
nicht  aber  als  gesetzlicher  Erbin  ihres  verunglückten  Mannes, 
der  alleinige  Anspruch  auf  die  Versicherungssumme  zukommt. 
Das  wird  noch  speziell  unterstützt  durch  die  Bestimmung  in 
§  16  Ziff.  6  der  Police,  wonach,  falls  die  in  den  Ziff.  1  bis  5 
des  §  16  näher  bezeichneten  „Kategorien  von  Familienange- 
hörigen" gänzlich  fehlen,  die  Gesellschaft  wohl  dem  Ver- 
sicherungsnehmer (Arbeitgeber)  bis  maximal  8%  der  Ver- 
sicherungssumme für  die  Kosten  der  versuchten  Heilung  und 
der  Beerdigung,  sonst  aber  niemand,  also  auch  nicht  den 
Erben  des  Verunglückten,  eine  Entschädigung  zu  leisten  hat. 
(Entsch.  des  Kantonsgerichts  des  K.  St.  Gallen  1898,  S.  77  ff.) 


75.  Kollektivgesellschaft.  Rechtliche  Natur.  Art.559  O.R. 
Zürich.   Urteil  des  Obergerichts   vom  9.  Februar  1900  i.  S.  Notariat 
Embrach  c.  Wunderlv,  Zolünger  &  Cie. 

Unter  der  Firma  Wunderly,  Zollinger  &  Cie  bestand  seit 
1892  eine  Kollektivgesellschaft,  deren  solidarische  Anteilhaber 
H.  W.,  E.Z.  und  Witwe  S.W.  waren.  Letztere  schied  1895 
durch  Tod  aus,  und  an  ihre  Stelle  trat  H.  W.  Sohn  ein.  Im 
Jahr  1898  wurde  diese  Gesellschaft  in  eine  Aktiengesellschaft 
umgewandelt.  Bei  der  Fertigung  ihrer  Liegenschaften  auf 
diese  letztere  verlangte  der  Notar,  dass  vorerst  im  Grundproto- 
koll der  Austritt  der  S.  W.  und  der  Eintritt  des  H.  W.  im 
Sinne  einer  Eigentumsänderung  an  der  Liegenschaft  je  zu  1/3 
vorgemerkt  werde,  wofür  Fr.  848  Staatsgebühr  zu  zahlen 
seien.  Hiegegen  erhob  die  Firma  W.  Z.  &  Cie  Beschwerde, 
welche  das  Bezirksgericht  Bülach  gut  hiess,  weil  nach  Art.  559 
0.  B.  die  Firma  als  solche  Eigentümerin  der  Grundstücke  sei, 
nicht  nur  Miteigentum  der  Gesellschafter  unter  dem  Namen 
der  Firma,  sondern  wirkliches  Gesellschaftseigentum  vorliege, 
also  Eigentum  der  Gesellschaft  als  eines  selbständigen  Rechts- 
subjekts. Das  Obergericht  hob  auf  Beschwerde  des  Notars 
diesen  Entscheid  auf  und  schützte  die  Gebührenberechnung 
des  Notars.   Es  führt  aus: 

Es  fehlt  im  0.  R.  an  bestimmten  Anhaltspunkten  für  die 
juristische  Persönlichkeit  der  Kollektivgesellschaft.  Art.  559 
sagt  nur,  dass  „das  Vermögen  der  Kollektivgesellschaft,  d.  h. 
der  Kollektivgesellschafter,  sich  als  vom  Privatvermögen  der 
letzteren  ausgeschiedenes  Sondergut  darstelle."  Somit  stehen 
die  zum  Geschäftsvermögen  der  Gesellschaft  gehörenden  Liegen- 
schaften in  That  und  Wahrheit  im  Miteigentum  der  einzelnen 


130 

Gesellschafter.  „Richtig  ist,  dass  ein  in  der  Person  der  Ge- 
sellschafter bei  Fortbestand  der  Gesellschaft  eintretender 
Wechsel  ohne  weiteres  auch  einen  Wechsel  hinsichtlich 
der  Eigentumsanteile  zur  Folge  haben  muss.  Aus  der  Natur 
der  Kollektivgesellschaft  ergiebt  sich,  dass  der  Gesellschafter 
eine  Eigenturasquote  an  den  Gesellschaftsaktiven  nur  in  seiner 
Eigenschaft  als  Gesellschafter  hat,  und  dass  daher  jeder  aus- 
tretende Socius  von  Rechtswegen  seinen  Anteil  am  Gesell- 
schaftsvermögen verliert,  und  jeder  neueintretende  Gesell- 
schafter durch  die  blosse  Thatsache  seines  Beitrittes  an  den 
Geschäftsaktiven  anteilsberechtigt  wird." 

(Daraus  wird  weiter  gefolgert:  es  wäre  daher  unrichtig, 
bei  Eintritt  eines  neuen  Gesellschafters  eine  notarialische 
Fertigung  zu  verlangen,  und  hiefür  Fertigungsgebühr  zu  er- 
heben. Aber  die  heute  verlangte  Gebühr  habe  nicht  den 
Charakter  einer  Fertigungsgebühr,  sondern  den  einer  Hand- 
änderungssteuer, die  abgesehen  von  der  Erbfolge  überall  da 
gefordert  werden  könne,  wo  ein  Uebergang  des  Eigentums 
an  Grundstücken  stattfinde.) 

(Auszug  aus  Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entsch.,  XIX  S.  79  f.) 


76.  Poursuite  contre  une  société  dissoute  ou  contre  un 
associé  seul  responsable?  Art.  40  L.  P.  et  F.  Art  573  C.  0. 

Genève.  Jugement  de  ia  Cour  de  justice  civile  du  31  mars  1900  d. 
1.  e.  Fournier  e.  Co  velie. 

Covelle,  créancier  de  la  raison  sociale  „Fournier  &  Bur- 
kardt"  a  fait  notifier  à  cette  société,  le  7  septembre  1899, 
un  commandement  de  payer,  et,  le  16  octobre  suivant,  une 
commination  de  faillite.  Entre  ces  deux  actes  de  poursuite, 
d'après  les  dires  des  parties,  la  société  F.  &  B.  a  été  dissoute 
par  un  accord  entre  les  associés,  et  Fournier,  l'un  d'eux, 
serait  demeuré  chargé  de  l'actif  et  du  passif.  La  raison  so- 
ciale F.  &  B.  a  été  rayée  du  Registre  du  commerce,  le 
25  septembre  1899.  Le  5  mars  1900,  Covelle  a  requis  la 
faillite  de  Fournier,  qu'il  qualifie  „seul  associé  responsable 
de  la  société  actuellement  dissoute  F.  &  B."  Fournier  a 
résisté  à  la  demande  de  faillite,  en  alléguant  que  la  com- 
mination du  16  octobre  1899  était  nulle,  comme  ayant  été 
notifiée  à  une  société  qui,  à  cette  date,  n'existait  plus,  Co- 
velle a  maintenu  sa  demande  de  faillite  pour  deux  motifs, 
1°  parce  que,  aux  termes  de  l'art.  40  L.  P.  et  F.,  la  société 
F.  &  B.  était  encore  sujette  à  la  poursuite  par  voie  de  faillite, 
et  2°  parce  que  Fournier  serait  le  successeur  et  le  liquidateur 


131 

de  la  société.  Le  Tribunal  de  lre  instance,  vu  l'art.  40  L.  P. 
et  F.,  a  prononcé  la  faillite  de  Fournier.  La  Cour  a  réformé 
ce  jugement  et  prononcé  que  la  demande  de  faillite  dirigée 
contre  Fournier,  en  vertu  de  la  commination  du  16  octobre 
1899,  est  non  recevable,  sans  préjudice  aux  droits  que  le 
créancier  peut  avoir  à  faire  valoir  contre  Fournier. 

Motifs:  Considérant  que  la  commination  du  16  octobre 
1 899  a  été  faite  moins  de  six  mois  après  la  publication  de  la 
radiation  de  la  société  F.  &  B.  dans  la  Feuille  fédérale  du 
commerce; 

Que  cette  commination  n'est  donc  pas  nulle,  en  tant 
qu'elle  concerne  la  raison  sociale  F.  &  B.,  vu  l'art.  40  L. 
P.  et  F. 

Qu'en  vertu  du  commandement  du  7  septembre  et  de  la 
commination  du  16  octobre,  la  faillite  de  la  raison  sociale 
F.  &  B.  pouvait  être  demandée,  pourvu  qu'elle  le  fût  dans  le 
délai  de  l'art.  40. 

Qu'il  n'en  est  pas  de  même  de  la  faillite  de  Fournier  seul. 

Qu'il  résulte  des  art.  159  ss.  L.  P.  et  F.  que  la  com- 
mination de  faillite  ne  peut  être  adressée  qu'à  un  débiteur  qui 
a  reçu  un  commandement  de  payer,  et  que  la  faillite  ne  peut 
être  prononcée  que  contre  la  personne  qui  a  reçu  la  com- 
mination. 

Que  Fournier  personnellement  n'a  reçu  aucune  commina- 
tion, il  n'y  a  donc  pas  identité  de  personne. 

Qu'en  vain  on  objectera  que  cela  revient  au  même, 
Fournier  étant  pris  comme  associé  responsable  et  comme 
liquidateur  de  l'ancienne  société  F.  &  B. 

Si  Fournier  est  pris  comme  liquidateur  de  l'ancienne 
société,  il  ne  fait  que  la  représenter,  et  c'est  la  société  seule 
qui  peut  être  mise  en  faillite,  sans  que  cela  entraîne  la 
faillite  personnelle  des  associés  (art.  573  C.  0.). 

Si,  au  contraire,  Fournier  est  pris  comme  associé  respon- 
sable, c'est  une  poursuite  personnelle  dirigée  contre  lui,  et 
si  cette  poursuite  doit  être  continuée  par  voie  de  faillite, 
une  commination  personnelle  doit  lui  être  notifiée. 

C'est  donc  à  tort  que  les  premiers  juges  ont  prononcé 
la  faillite  personnelle  de  Fournier,  en  vertu  d'une  commina- 
tion notifiée  à  l'ancienne  société  F.  &  B.,  sans  que  cela  pré- 
juge rien  quant  aux  droits  que  Covelle  peut  avoir  contre 
Fournier.  (La  Semaine  judiciaire,  XXII  p.  314  sa.) 


132 

77.  Schadenersatz  für  Arrestlegung^  wiefern  bei  teil- 
weise begründeter  Forderung  zu  gewähren?  Art.  273  B.-Oes. 
über  Seh.  und  K. 

Aargau.  Urteil  des  Obergerichts  vom  22.  Mai  1900  i.  S.  Predovic  c.  Maigrot. 

Der  Beklagte  Maigrot  hatte  für  Forderungs-  und  Schaden- 
ersatzansprüche ein  Barguthaben  des  Klägers  Predovic  bei 
der  Aargauischen  Bank  im  Betrag  von  22,000  Fr.  mit  Arrest 
belegt.  Es  wurden  ihm  dann  mit  Zinsen  und  Folgen  ca.  12,000  Fr. 
zugesprochen,  wofür  er  sich  aus  dem  Arrestobjekte  deckte. 
Den  Rest  behändigte  Predovic  und  belangte  nun  den  Maigrot 
für  diesen  Rest  auf  den  durch  den  Arrest  daran  erlittenen 
Schaden  (Zinsverlust),  indem  er  geltend  machte,  für  diesen 
Rest  sei  der  Arrest  ein  unbegründeter  gewesen. 

Beide  Instanzen  wiesen  die  Klage  ab.  Wenn  auch  Art.  273 
B.-Ges.  eine  Schadenersatzpflicht  ex  lege  aus  ungerechtfertigtem 
Arreste  statuiere,  so  würde  es  doch  zu  weit  führen,  auch 
dann  schon  die  Ersatzpflicht  eintreten  zu  lassen,  wenn  ein 
grundsätzlich  begründeter  Arrest  sich  nachträglich  zum  Teil 
als  unnötig  herausstellt.  Bei  Schadenersatzansprüchen,  wo 
das  freie  Ermessen  des  Richters  walte,  sei  es  dem  Gläubiger 
jeweilen  unmöglich,  seine  Ansprüche  genau  zu  fixieren.  Er 
stünde  daher  jedesmal  vor  der  Zwangslage,  entweder  einen 
mutmasslich  zu  geringen  Arrest  zu  nehmen  und  damit  noch 
seine  Prozesslage  zu  gefährden,  oder  eine  Schadenersatzklage 
aus  ungerechtfertigtem  Arreste  zu  riskieren.  Es  sei  nioht  an- 
zunehmen, dass  eine  solche  Härte  im  Sinne  des  Gesetzgebers 
gelegen  habe,  zumal  wenn  berücksichtigt  werde,  dass  der 
Arrest  da  sei,  um  einen  gefährdeten  Gläubiger  zu  schützen, 
der  sich  nicht  mehr  anders  sichern  kann. 

Die  Konsequenz  eines  gegenteiligen  Entscheides  würde 
dazu  führen,  auch  dann  einen  ungerechtfertigten  Arrest  anzu- 
nehmen, wenn  das  Arrestgut  zur  Befriedigung  des  Gläubigers 
nicht  ganz  aufgezehrt  wird.  Eine  so  weit  gehende  Interpre- 
tation des  Gesetzes  wäre  aber  praktisch  ganz  unhaltbar  und 
hätte  fast  nach  jedem  Arreste  eine  Schadenersatzklage  zur 
Folge.  Der  Arrestnehmer  würde  daduroh  noch  verantwortlich 
für  die  Unmöglichkeit,  worin  sich  der  vollziehende  Beamte 
befindet,  die  Arrestgegenstände  genau  zu  dem  Werte  zu 
taxieren,  den  sie  bei  der  Verwertung  erzielen,  oder  für  die 
weitere  Unmöglichkeit,  ein  einzelnes  Objekt,  z.  B.  eine  Ma- 
schine, ein  Pferd,  bloss  zur  Hälfte  oder  zu  einem  Dritteil 
pfänden  zu  können,  je  nach  dem  Verhältnisse,  in  dem  die 
Arrestforderung  zu  dem  Verwertungserlöse  der  Maschine  oder 
des  Pferdes  steht. 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


78.  0.  R.  Art.  17. 

Wenn  jemand,  der  gegen  Entgelt  vorn  Verkäufer  eines 
Fabriketablissements  als  Sachverständiger  und  Vertrauens- 
mann beim  Verkaufe  beigezogen  worden  ist,  sich  von  einem 
Kaufliebhaber,  ohne  dem  Verkäufer  davon  Mitteilung  zu 
machen,  eine  Provision  für  den  Fall  versprechen  lässt,  dass 
durch  seine  Vermittlung  der  Kauf  zu  stände  kommen  sollte, 
so  liegt  hierin  ein  auf  täuschenden  Missbrauch  des  Vertrauens 
abzweckender  und  daher  unsittlicher  Vertrag,  und  zwar  ohne 
Rücksicht  darauf,  ob  der  vom  Kaufliebhaber  gebotene  Preis 
ein  unangemessener  ist  oder  nicht.  (Entsch.  vom  30.  Juni 
1900  i.  S.  Meyer  c.  Matter.) 


79.  0.  R.  Art.  18,  19,  Abs.  4;  21,  489  ff.  Wesentlicher  Irr- 
tum.   Bürgschalt. 

Die  Thatsache  allein,  dass  eine  Bürgschaft  gemeinsam 
mit  andern  Bürgen  eingegangen  worden  ist,  reicht  nicht  hin, 
um  die  Annahme  zu  begründen,  die  Bürgschaft  sei  an  die 
Bedingung  geknüpft,  dass  sämtliche  übrige  Bürgschaftsver- 
pflichtungen gültig  seien.  —  Der  Irrtum  des  Bürgen,  welcher 
eine  Bürgschaft  in  der  irrigen  Annahme  eingeht,  es  haften 
neben  ihm  noch  andere  Bürgen,  ist  kein  wesentlicher,  sondern 
ein  blosser  Irrtum  im  Beweggrund,  denn  er  bezieht  sich  nicht 
auf  den  Umfang  der  eingegangenen  Bürgschaftsverpflichtung, 
sondern  nur  auf  die  ökonomischen  Folgen  derselben.  (Entsch. 
vom  4.  Mai  1900  i.  S.  Joh.  Georg  u.  Kons,  c.  Volksbank  in 
Luzern.) 

80.  0.  fi.  Art.  28.  Natur  der  Frist  des  Art.  28.  Beweislast. 
Art.  28  0.  R.  statuiert  nicht  eine  Verjährungsfrist,  da  mit 

Ablauf  der  Frist  nicht  etwa  ein  Recht  (oder  ein  Anspruch) 
untergeht,  sondern  er  setzt  eine  Frist  für  die  Gültigkeit  bezw. 
für  die  Anfechtbarkeit  eines  mit  einem  Willensmangel  behaf- 
teten Vertrages,    in   dem  Sinne,    dass  der  vorher  anfechtbare 

11 


134 

und  für  den  einen  Teil  (auf  dessen  Seite  sich  der  Willens- 
mangel befindet)  unverbindliche  Vertrag  nunmehr  verbindlich 
wird  ;  es  tritt  mit  andern  Worten  nach  Ablauf  der  Frist  Ge- 
nehmigung des  Vertrages  ein.  Der  Kläger  macht  daher  in 
That  und  Wahrheit  mit  der  sogenannten  Einrede  der  Ver- 
jährung die  Replik  der  Genehmigung  geltend,  und  die  Be- 
gründetheit dieser  Replik  hat  er  zu  beweisen;  derjenige  Teil, 
der  den  Vertrag  wegen  Irrtums,  Betrugs  oder  Zwangs  anficht, 
hat  seiner  Beweispflicht  genügt,  wenn  er  den  betreffenden 
Willensmangel  bewiesen  hat  (s.  Urteil  des  Bundesgerichts 
i.  S.  Keller  et  hoirs  Huguenin  c.  Dumont,  Amtl.  Samml. 
Bd  XXII  S.  824  Erw.  8).  (Entsch.  vom  22.  Juni  1900  i.  S. 
Dieterle-Bischoff  c.  Gordon.) 


81 .  0.  R.  Art.  36  ff.  Beweislast  dafür,  dass  der  Beklagte  in 
eigenem  Namm  kontrahiert  hat. 

Nach  allgemeinem  Rechtsgrundsatze  hat  der  Gläubiger, 
der  behauptet,  der  Beklagte  habe  den  Vertrag  in  eigenem 
Namen  abgeschlossen,  die  Behauptung  zu  beweisen.  Es  könnte 
sich  zwar  fragen,  ob  nicht  eine  Vermutung  dafür  spreche, 
dass  jemand  in  eigenem  und  nicht  in  fremdem  Namen  kontra- 
hiere, und  ob  daher  die  Beweislast  für  das  Kontrahieren  in 
fremdem  Namen  dem  Schuldner,  und  nicht  diejenige  für  das 
Kontrahieren  in  eigenem  Namen  dem  Gläubiger  obläge  (so 
Laband  in  Zeitschr.  für  Handelsrecht,  Bd  10  S.  214  Anm.). 
Allein  eine  derartige  Vermutung  besteht  nicht,  und  das  Kon- 
trahieren in  fremdem  Namen  kann  nicht  als  Ausnahmefall 
gegenüber  dem  Kontrahieren  in  eigenem  Namen  als  Regel- 
fall angesehen  werden,  es  erscheint  vielmehr  neben  diesem  als 
gleichwertiges  Rechtsverhältnis  (vergi.  R.  G.  E.  II  S  194  ff., 
Ili  S.  122  f.);  jener  Vordersatz,  auf  den  eine  Vermutung  für 
die  Verteilung  der  Beweislast  in  dem  dem  Schuldner  un- 
günstigen Sinne  gestützt  werden  will,  existiert  also  nicht. 
Seiner  Beweispflicht  genügt  der  Gläubiger  indessen,  wenn  er 
darthut,  dass  das  Rechtsgeschäft  zwischen  ihm  und  dem  Be- 
klagten geschlossen  worden,  ohne  dass  eine  Stellvertretung 
erkennbar  gewesen  sei;  und  es  hat  alsdann  der  Belangte  auf 
dem  Wege  des  Gegenbeweises  zu  erstellen,  dass  trotzdem  ein 
Kontrahieren  in  fremdem  Namen  in  für  den  Gläubiger  erkenn* 
barer  Weise  stattgefunden  habe.  (Entsch.  vom  8.  Juni  1900 
i.  S.  à  Porta  c.  Weigle.) 


135 

82.  0.  R.  50  (f.,  58,  59.  Dem  Versicherer  steht  wegen  Be- 
schädigung der  versicherten  Sache  kein  eigener  Schadenersatz- 
anspruch zu.  —  Verschulden  als  Voraussetzung  der  Schaden- 
ersatzpflicht aus  unerlaubter  Handlung.  —  Begriff  der  doürecht- 
Uchen  Deliktsfähigkeit.  —  Natur  und  Bedeutung  der  Norm  des 
Art  58  0.  R. 

Am  23.  August  1899  wurde  ein  Haus  im  Dorfe  S.  durch 
einen  seiner  Mietbewohner,  den  Buchbinder  J.  J.,  in  Brand  ge- 
steckt. J.  J.,  der  sich  im  Momente  des  Brandausbruches  ge- 
flüchtet hatte,  wurde  einige  Tage  später  vom  Personal  der 
Brünigbahn  als  Leiche  aufgefunden.  Gegen  seinen  Nachlass 
(der  von  den  Intestaterben  vorsorglich  ausgeschlagen  worden 
war)  erhob  die  Feuerversicherungsgesellschaft  La  France, 
welche  dem  bei  ihr  versicherten  Hauseigentümer  seinen 
Schaden  ersetzt  hatte,  Klage  auf  Ersatz  des  von  ihr  be- 
zahlten Betrages  von  Fr.  8154.  40.  Die  beklagte  Konkurs- 
masse bestritt  die  Forderung,  weil  J.  J.  zur  Zeit  der  Brand- 
stiftung zufolge  Geisteskrankheit  unzurechnungsfähig  gewesen 
sei.  Das  Bundesgericht  hat  die  Klage  abgewiesen.  In  den 
Entscheid ungsgründen  wird  zunächst  hinsichtlich  der  Aktiv- 
legitimation der  Klägerin  bemerkt: 

Nach  eidgenössischem  Obligationenrecht  steht,  wie  das 
Bundesgericht  bereits  in  seiner  Entscheidung  vom  13.  No- 
vember 1897  in  Sachen  der  Brandversicherungsanstalt  des 
Kantons  Zürich  gegen  die  Nordostbahngesellschaft  (Arntl. 
Samml.  der  bunde3ger.  Entsch.  Bd  XXIII  S.  1775)  ausge- 
sprochen hat,  dem  Versicherer  gegen  den  dritten  Urheber 
des  Schadens  ein  selbständiger  Ersatzanspruch  nicht  zu.  Die 
Klägerin  kann  daher  eine  Forderung  auf  Ersatz  des  durch  J. 
gestifteten  Schadens  nur  als  Rechtsnachfolgerin  des  Eigen- 
tümers des  abgebrannten  Hauses  geltend  machen,  und  hiezu 
muss  sie  in  der  That  gestützt  auf  die  in  der  Police  ent- 
haltene Subrogationsklausel  als  legitimiert  betrachtet  werden. 

Im  weiteren  sodann  wird  ausgeführt:  Die  objektive 
Thatsache,  dass  J.  den  Schaden  verursacht  hat,  genügt  nach 
eidgenössischem  Obligationenrecht,  welches  grundsätzlich  an 
dem  gemeinrechtlichen  Schuldprinzip  festhält,  für  sich  allein 
zur  Begründung  einer  Schadenshaftung  nicht;  die  Verpflich- 
tung zum  Schadenersatz  setzt  nicht  nur  ein  objektiv,  sondern 
auch  subjektiv  rechtswidriges  Verhalten  des  Schadenstifters, 
ein  Verschulden  desselben  voraus;  ist  ihm  ein  solches  nicht 
zur  Last  zu  legen,  so  haftet  er  nach  eidgenössischem  Obh- 
gationenrecht  grundsätzlich  von  Rechtswegen  nicht;  einzig 
aus  Rücksichten    der  Billigkeit   kann    der  Richter  ausnah  ms- 


136 

weise  eine  nioht  zurechnungsfähige  Person,  welche  einen 
Schaden  verursacht  hat,  zu  teilweisem  oder  vollständigem 
Ersätze  verurteilen  (Art.  58  0.  R.).  Es  fragt  sich  sonaoh  in 
erster  Linie,  ob  J.  den  Brand  des  iVschen  Hauses  in  scbuld- 
hafter  Weise  verursacht  habe,  mit  andern  Worten,  ob  er 
damals  im  oivilrechtlichen  Sinne  deliktsfähig  gewesen  sei. 

Ueber  die  Voraussetzungen  dieser  oivilrechtlichen  Delikts- 
fähigkeit spricht  sich  das  Gesetz  nicht  speziell  aus;  es  ist 
lediglich  aus  Art.  58  0.  R*  arguì n en to  e  contrario  zu  ent- 
nehmen, da 83  es  diesen  Begriff  als  gleichbedeutend  mit  dem 
der  Zurechnungstähigkeit  betrachtet,  über  welch'  letzteren 
Begriff  hinwiederum  das  Bundesgesetz  nur  das  Eine  aus- 
spricht, das8  dafür  die  strafrechtlichen  Bestimmungen  über 
Zurechnungsfähigkeit  nicht  massgebend  seien  (Art.  59).  Als 
deliktsfähig  im  Sinne  des  eidgenössischen  Obligationenrechts 
ist  s  omit  zu  betrachten,  wer  nach  den  Grundsätzen  der  Pri- 
vatrechtswissenschaft als  zurechnungsfähig  gilt.  Nach  diesen 
Grundsätzen  ist  die  Zurechnungsfähigkeit  bei  demjenigen 
nicht  vorhanden,  der  im  Zustand  der  Geisteskrankheit  ge- 
handelt hat;  und  dies  trifft  nach  dem  für  das  Bundesgericht 
verbindlich  festgestellten  Thatbestande  bei  J.  J.  zu.  Die  Ver- 
ursachung des  in  Rede  stehenden  Schadens  ist  demnach  dein 
J.  nicht  zur  Schuld  anzurechnen,  so  dass  von  einer  Gut- 
heissung der  Klageforderung  nur  vom  Standpunkte  des  Art.  58 
aus  die  Rede  sein  kann. 

Art.  58  0.  R.  beruht,  wie  die  analogen  Bestimmungen, 
die  sich  bereits  im  allgemeinen  Preussischen  Landrecht  (I,  6 
§§  41 — 54),  im  Oesterreichischen  Bürgerl.  Gesetzbuch  (§  1810) 
und  sodann  im  privatrechtlichen  Gesetzbuch  des  Kantons 
Zürich  (§  1835  Abs.  2)  vorfinden,  auf  der  Erwägung,  dass  es 
Fälle  geben  kann,  wo  in  Anbetracht  der  Umstände  schon 
die  rein  objektive  Thatsache  der  Schädigung  für  sich 
allein  als  ein  so  wichtiges  Motiv  für  eine  Schadensausgleichung 
zwischen  Beschädigtem  und  Schädiger  erscheint,  dass  da- 
gegen die  Frage  nach  dem  subjektiven  Moment  des  Ver- 
schuldens in  den  Hintergrund  tritt«  Dies  trifft  dann  zu,  wenn 
die  nachteiligen  Folgen  des  beiderseits  unverschuldeten  Er- 
eignisses, in  Anbetracht  der  Vermögensrerhältnisse  des  Be- 
schädigten und  derjenigen  des  Schädigers,  jenen  empfindlich 
treffen  würden,  während  umgekehrt  dieser  sie  verhältnis- 
mässig leichter  tragen  könnte.  Die  Erwägungen  der  Billigkeit, 
auf  die  Art.  58  die  Entscheidung  über  die  Schadenersatz- 
pflicht des  Unzurechnungsfähigen  abstellt,  bestehen  hienach 
wesentlich   in   der  Rücksichtnahme  auf   die   beidseitige  Ver- 


137 

mögenslage,  die  „ökonomische  Tragfähigkeit"  des  Beschä- 
digten und  des  Schädigers  (vergi.  Unger,  Handeln  auf  eigene 
Gefahr,  S.  136  f.).  Hie  von  ausgegangen,  kann  aber  der  Klä- 
gerin ein  Schadenersatzanspruch  aus  Art.  58  nicht  zuerkannt 
werden.  Da  die  Klägerin,  wie  bereits  oben  ausgeführt  wurde, 
eine  selbständige  Schadenersatzforderung  gegen  den  Thäter 
nicht  besitzt,  sondern  nur  eine  Schadenersatzforderung  des 
brand  beschädigten  Eigentümers,  als  Rechtsnachfolger  des- 
selben, geltend  machen  kann,  so  versteht  es  sich  von  selbst, 
dass  sie  aus  Artikel  58  nur  klagen  kann,  wenn  und  soweit 
ihrem  Rechtsvorfahr  ein  Anspruch  aus  dieser  Gesetzes- 
bestimmung erwachsen  ist;  wenn  also  mit  Rücksicht  auf  die 
ökonomische  Situation  des  brand  beschädigten  Eigentümers 
Billigkeitsgründe  bestanden  hätten,  diesen  den  Schaden  nicht, 
oder  nicht  vollständig  allein  tragen  zu  lassen.  Allein  der- 
artige Billigkeitsgründe  bestanden  schon  um  deswillen  nicht, 
weil  der  Eigentümer  gegen  den  in  Rede  stehenden  Schaden 
versichert  war,  und  durch  die  Versicherung  denn  auch  that- 
8ächlich  vollständig  schadlos  gehalten  worden  ist,  wonach  es 
zum  Schutze  seiner  Interessen  einer  Schadensausgleichung 
gar  nicht  mehr  bedurfte.  Durch  die  Versicherung  ist  mit- 
hin die  Voraussetzung,  an  welche  ein  Anspruch  des  Be- 
schädigten aus  Art.  58  geknüpft  ist,  beseitigt  worden,  so  dass 
dieser  nicht  zur  Entstehung  gelangte.  Es  ergiebt  sich  hier- 
aus, dass  der  Versicherer  durch  Subrogation  in  die  Rechte 
des  Versicherten  gegenüber  dem  Schädiger  einen  Anspruch 
aus  Art.  58  vermöge  der  eigenartigen  Natur  des  Verpflich- 
tungsgrundes, auf  dem  dieser  Anspruch  beruht,  schlechter- 
dings gar  nicht  erwerben  kann.  (Entseh.  vom  1.  Juni  1900 
i.  S.  Feuerversicherungsgesellschafc  La  France  c.  Konkursmasse 
des  J.  Imfeid.) 

Anmerkung.  Durch  den  gleichen  Brand  waren  auch  Mo- 
biliar und  Warenvorräte  eines  Mieters  des  Hauses,  die  dieser  noch 
nicht  hatte  versichern  können,  zerstört  wordeu.  Die  gegen  den 
Nachlass  des  J.  J.  erhobene  Schadenersatzklage  dieses  Mieters 
wurde  vom  Bundesgerichte  grundsätzlich  gutgeheissen.  In  den 
Entscheidnngsgründen  wird  ausgeführt:  „Laut  den  Feststellungen 
der  Vorinstanz  ist  der  Kläger  ein  strebsamer,  solider  Geschäfts- 
mann, für  den  bei  seinen  bescheidenen  Vermögens  Verhältnissen  der 
ohne  alles  Verschulden  seinerseits  erlittene  Schaden  ausserordent- 
lich empfindlich  sein  muss,  und  es  entspricht  durchaus  der  Billig- 
keit, dass  ihm  das  Recht  eingeräumt  wird,  diesen  Schaden  bei  der 
konkursamtlichen  Liquidation  über  den  Nachlass  des  Schädigers 
geltend  zu  machen.     Ob  die  Erben,    die  den  Nachlass  vorsorglich 


138 

ausgeschlagen  haben,  berechtigt  seien,  ihn  nachträglich  je  nach  dem 
Ergebnisse  der  Liquidation  doch  noch  anzutreten,  kann  hiebei  nicht 
entscheidend  in  Betracht  kommen,  denn  es  ist  in  keiner  Weise  dar- 
gethan,  dass  sie  in  Anbetracht  ihrer  Vermögensverhältnisse  dnrch 
die  Verpflichtung,  den  Schaden  des  Klägers  aus  dem  •  Nachlasse 
gut  zu  machen,  unbillig  belastet  würden. u  (Entsch.  vom  1.  Juni 
1900  i.  S.  Seiler  c.  Konkursmasse  des  J.  Imfeid.) 


83.  0.  R.  Art.  38,  110  ff.,  846  und  847,  229  ff.,  329  ff. 
Oeff  entliche  Anleihe;  rechtliche  Natur.  Haftung  bei  Ausgabe  ge- 
fälschter Inhaberpapiere.  Wenn  auf  den  Namen  einer  Gemeinde 
durch  den  Gemeindegutsverwalter  gefälschte  Anleihepapiere  aus- 
gegeben werden,  so  haftet  die  Gemeinde  zwar  nicht  aus  den  ge- 
fälschten Papieren,  wohl  aber  aus  dem  der  Ausgabe  derselben  zu 
Grunde  liegenden  Rechtsgeschäfte,  wenn  der  Gemeindegutsverwalter 
nach  dem  kantonalen  öffentlichen  Rechte  bevollmächtigt  war,  das 
Rechtsgeschäft  im  Namen  der  Gemeinde  abzuschliessen. 

Die  Gemeinde  Kloten  gab  auf  den  Inhaber  lautende  Ob- 
ligationen aus.  Infolge  einer  von  der  Gemeindeverwaltung 
hierüber  veröffentlichten  Ankündigung  setzte  sich  der  Kläger 
E.  H.  mit  dem  damaligen  Gemeindepräsidenten  und  Gemeinde- 
gutsverwalter E.  in  Verbindung,  der  ihm  am  11.  November 
1892  und  2.  Februar  1894  im  Namen  der  Gemeinde  zwei 
Obligationen  von  je  5000  Fr.  gegen  Bezahlung  des  Gegen- 
wertes aushändigte.  Die  Obligationen  sollten  nach  Massgabe 
der  Formulare,  auf  denen  sie  ausgestellt  sind,  die  Unter- 
schriften dreier  Gemeindebeamten  tragen.  In  der  Folge  stellte 
sich  nun  aber  heraus,  dass  von  den  drei  Unterschriften,  die 
sich  auf  den  fraglichen  Obligationen  befanden,  nur  die  eine 
des  Geineindegut8verwalters  E.  echt  war,  während  E.',  der  die 
betreffenden  Beträge  unterschlug,  die  beiden  andern  gefälscht 
hatte.  Die  Gemeinde  verweigerte  infolgedessen  die  Bezah- 
lung der  Obligationsbeträge,  sie  wurde  indes  dazu  vom  Bun- 
desgericht (in  Bestätigung  der  Entscheidung  der  Appellations- 
kammer  des  Obergerichts  des  Kantons  Zürich)  verurteilt.  In 
den  Entscheidungsgründen  wird  zunächst  ausgeführt:  Die 
beiden  Obligationen  als  Skripturakte  seien  allerdings  ungültig. 
Denn  nach  dem  Inhalte  der  Obligationsformulare  könne 
in  der  That  einem  Zweifel  nicht  unterliegen,  dass  zur  Per- 
fektion der  Urkunde  die  Unterschrift  (und  natürlich  die  echte 
Unterschrift)  des  Gemeindepräsidenten  und  Schreibers,  ebenso 
wie  die  des  Gemeindegutsverwalters  gehöre;  nach  dem  For- 
mular  haben  namens   der  Gemeinde   alle  drei  genannten   Be- 


139 

amten  zu  zeichnen;  erst  wenn  dies  geschehen  sei,  sei  die  Ur- 
kunde namens  der  Gemeinde  in  der  dafür  in  der  Urkunde 
selbst  vorgeschriebenen  Weise  vollzogen  und  dadurch  perfekt 
geworden. 

Demnach  sei  denn  anzuerkennen,  dass  dem  Kläger  in 
seiner  Eigenschaft  als  Inhaber  der  Obligationen,  aus  dem 
Papier,  wegen  Unechtheit  des  letztern  ein  Anspruch  an  die 
Beklagte  nicht  zustehe.  Damit  sei  indes  nicht  gesagt,  dass 
dem  Kläger  ein  Anspruch  gegenüber  der  Gemeinde  überhaupt 
nicht  zustehe;  vielmehr  müsse  sich  fragen,  ob  nicht  eine  For- 
derung desselben,  wenn  auch  nicht  aus  dem  Papiere,  so  doch 
aus  dem  der  Ausstellung  und  Begebung  desselben  zu  Grunde 
liegenden  Geschäfte  bestehe.  Hierüber  wird  sodann  im  wesent- 
lichen bemerkt: 

Entscheidend  für  das  Schicksal  des  Prozesses  ist  offen- 
bar: ob  durch  die  zwischen  dem  Gemeindegutsverwalter  E. 
und  dem  Kläger  abgeschlossenen  Verträge  die  Gemeinde  ver- 
pflichtet wurde,  dem  Kläger  (gegen  Einzahlung  der  betreffen- 
den Beträge)  echte  Obligationspapiere  auszustellen  und  zu 
liefern.  Ist  diese  Frage  zu  verneinen,  so  ist  die  Klage  selbst- 
verständlich abzuweisen,  ist  sie  dagegen  zu  bejahen,  so  ist 
dieselbe  gutzuheissen,  ohne  Bücksicht  darauf,  wie  man  die 
fraglichen  Vertrage  juristisch  qualifiziert,  ob  man  sie  (mit  der 
IL  Instanz)  als  Kauf-  öder  aber  als  Darlehensverträge  (mit 
dem  Kläger)  betrachtet.  Betrachtet  man  sie  als  Kaufvertrag, 
so  würde  es  sich  wohl  um  einen  Genus-  und  nicht  um  einen 
Specieskauf  handeln.  Denn  es  wurde  jedenfalls  nicht  über 
ein  bestimmtes  Stück  der  fraglichen  Obligationen  gehandelt, 
sondern  überhaupt  Lieferung  von  Obligationen  der  Gemeinde 
Kloten  mit  dem  vereinbarten  Inhalte  stipuliert.  Wenn  nun 
zum  Zwecke  der  Erfüllung  eines  derartigen  Vertrages  anstatt 
eines  echten  ein  unechtes  Papier  geliefert  wird,  so  ist  da- 
durch nicht  etwa  eine,  wenn  auch  mangelhafte  Sache  der  be- 
dungenen Art,  sondern  eine  Sache  ganz  anderer  Art  (anstatt 
eines  ein  Summen  versprechen  verkörpernden  Wertpapiers  ein 
wertloses  Stück  Papier)  geliefert.  Der  Vertrag  ist  daher 
nicht  etwa  mangelhaft,  sondern  er  ist  überhaupt  gar  nicht 
erfüllt;  es  steht  alsdann  dem  Käufer  prinzipiell  das  Recht 
zu,  Erfüllung  (durch  Lieferung  echter  Papiere)  und  Schaden- 
ersatz wegen  nicht  gehöriger  Erfüllung  mit  der  Vertragsklage 
(gemäss  Art.  110  0.  R.)  zu  verlangen.  Dies  muss  aber  in 
concreto  zur  Gutheissung  der  Klage  führen,  da  bei  richtiger 
Vertragserfüllung  durch  Lieferung  echter  Papiere  die  Obliga- 
tionen nunmehr   fällig  und  (samt  Zinsen)  rückzahlbar  wären. 


140 

Werden  die  vom  Kläger  mit  dem  Gemeindegutsverwalter  ab- 
geschlossenen Verträge  dagegen  nicht  als  Kauf-,  sondern  als 
Darlehensverträge  betrachtet,  so  wäre  die  Sachlage  die,  das« 
zwischen  dem  Kläger  und  dem  Gemeindeguts  Verwalter  Dar- 
lehensverträge vereinbart  wurden  mit  der  Massgabe,  dass  der 
Gemeindegutsverwalter  versprach,  über  die  Darlehen  (gegen 
Einzahlung  der  Darlehensvaluta)  dem  Kläger  nicht  nur  ge- 
wöhnliche Darlehensschuldscheine,  sondern  Inhaberobligationen 
auf  den  Namen  der  Gemeinde  auszustellen  und  einzuhändigen. 
Auch  wenn  hievon  ausgegangen  wird,  ist  offenbar,  sofern  die 
betreffenden  Zusicherungen  des  Gemeindegutaverwalters  für 
die  Gemeinde  verbindlich  sind,  der  Klageanspruch  begründet. 
Die  Gemeinde  haftet  alsdann  aus  den  der  Ausstellung  der 
Inhaberobligationen  zu  Grunde  liegenden  Darlehensgeschäften 
ihrem  Gegenkontrahenten  auf  Rückzahlung  des  Darlehens  zu 
den  vereinbarten  Bedingungen,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  das 
mit  Bücksicht  auf  die  Darlehensschuld  ausgestellte  Inhaber- 
papier als  solches  gültig  oder  ungültig  ist,  und  sie  also  aus 
demselben  jedem  Inhaber  haftet.  Da  darnach  die  Frage,  ob 
die  zwischen  dem  Gemeindegutsverwalter  und  dem  Kläger 
abgeschlossenen  Geschäfte  juristisch  als  Kauf  oder  als  Dar- 
lehen zu  betrachten  seien,  praktisch  unerheblich  ist,  so  braucht 
dieselbe  nicht  untersucht  und  entschieden  zu  werden. 

Entscheidend  dagegen  ist,  wie  bemerkt,  ob  die  Gemeinde 
durch  -  die  vom  Gemeindegutsverwalter  mit  dem  Kläger  ge- 
troffenen Vereinbarungen  gültig  verpflichtet  wurde,  dem  Kläger 
echte  Obligationen  auszustellen  und  zu  liefern.  In  dieser  Hin- 
sicht kann  nun  zunächst  daran  ein  Zweifel  nicht  bestehen, 
dass  der  Gemeindegutsverwalter  im  Namen  der  Gemeinde 
dem  Kläger  die  Ausstellung  und  Lieferung  echter  Obliga- 
tionen zugesagt  hat.  Die  Beklagte  anerkennt,  und  es  ist  dies 
überdies  von  der  Vorinstanz  festgestellt,  dass  E.  im  Namen 
der  Gemeinde  gehandelt  hat  und  dass  der  Kläger  mit  der 
Gemeinde  hat  kontrahieren  wollen.  Dagegen  behauptet  die 
Beklagte,  der  Wille  des  E.  sei  nicht  dahin  gegangen,  die 
Gemeinde  zu  verpflichten,  er  habe  für  diese  eine  Pflicht  zu 
Lieferung  echter  Obligationen  nicht  begründen  wollen.  Allein 
diese  Einwendung  geht  durchaus  fehl.  Nach  dem  von  E.  er- 
klärten Willen  hat  dieser  als  Vertreter  der  Gemeinde  in  deren 
Namen  die  Ausstellung  und  Lieferung  der  Obligationen  (selbst- 
verständlich also  echter  Obligationen)  zugesichert,  und  eine 
solche  Verpflichtung. der  Gemeinde  begründen  wollen.  Dieser 
erklärte  Wille  aber  ist  rechtlich  entscheidend;  auf  einen 
demselben    etwa    widersprechenden    innern  Willen    des  Ver- 


141 

walters  könnte,  da  es  sieh  dabei  lediglich  um  eine  Mental- 
reservation handeln  würde,  nach  bekanntem  Grundsätze  nichts 
ankommen  ;  übrigens  ist  ein  innerer,  von  dem  erklärten  ab- 
weichender Wille  des  Verwalters  auch  nicht  festgestellt.  Dem- 
gemäss  sind  denn  die  im  Namen  der  Gemeinde  vom  Ver- 
walter abgeschlossenen  Geschäfte  für  die  Gemeinde  verbind- 
lich und  ist  also  die  Klage  begründet,  wenn  der  Verwalter 
zur  Vertretung  der  Gemeinde  befugt  war,  wenn  ihm  die  Voll- 
macht, die  betreffenden  Verträge  für  die  Gemeinde  abzu- 
schlies8en,  zustand.  Diese  Frage  nun  aber  ist  eine  solche 
nicht  des  eidgenössischen,  sondern  des  kantonalen  Rechts. 
Denn  die  Befugnis  des  E.,  die  Gemeinde  zu  vertreten,  wird 
nicht  etwa  aus  besonderem,  ihm  unabhängig  von  seiner  amt- 
lichen Stellung  als  Gemeindegutsverwalter  erteilten  privat- 
rechtlichen Auftrage,  sondern  sie  wird  aus  seiner  amtlichen 
Stellung  als  Gemeindegutsverwalter,  aus  dem  ihm  in  dieser 
amtlichen  Stellung  zugewiesenen  Geschäftskreis  abgeleitet. 
Seine  Ermächtigung,  namens  der  Gemeinde  Verträge  abzu- 
schliessen,  beruht  also  auf  Verhältnissen  des  öffentlichen  und 
zwar,  da  das  Gemeindewesen  kantonalrechtlicher  Regelung 
untersteht,  des  kantonalen  öffentlichen  Rechts,  und  ist  dem- 
gemäss  nach  Art.  38  0.  R.  nach  kantonalem  Rechte  zu  be- 
urteilen. Es  hat  denn  auch  die  Vorinstanz  in  dieser  Rich- 
tung durchaus  kantonales  und  nicht  eidgenössisches  Recht 
angewendet,  indem  sie  ausdrücklich  hervorhebt,  dass  der 
oivilrechtliohe  Begriff  der  Vollmacht  auf  das  Verhältnis  des 
Gemeindegutsverwalters  E.  zur  beklagten  Gemeinde  nicht  an- 
wendbar, hiefür  vielmehr  öffentliches  Recht,  speziell  die  Art.  94 
und  119  des  zürcherischen  Gemeindegesetzes  massgebend  seien. 

Die  Vorinstanz    stellt   nun    in    Anwendung    des 

kantonalen  Rechts  endgültig  fest,  dass  der  Abschluss  von 
Verträgen  der  streitigen  Art  in  die  Amtsbefugnis  des  Ge- 
meindegutsverwalters falle  und  dass  dieser  durch  die  inner- 
halb der  Schranken  seiner  Kompetenz  vorgenommenen  Ver- 
tragsschlüsse die  Gemeinde  dem  Gegenkontrahenten  gegen- 
über auch  dann  verpflichte,  wenn  er  seine  Amtsbefugnis 
in  sträflicher  Weise  missbrauche.  Bei  dieser  Erklärung  als 
einer  kantonalreohtlichen  muss  es  einfach  sein  Bewenden 
haben  und  demnach,  gemäss  dem  oben  Ausgeführten,  die  an- 
gefochtene Entscheidung  bestätigt  werden.  (Entsch.  v.  9.  Juni 
1900  i.  S.  Gemeinde  Kloten  c.  Hässig.) 


142 

84.  0.  R.  Art.  183  //.,  210  f.  Die  Einwendung,  eine  For- 
derung eidgenössischen  Rechtes  sei  durch  Abtretung  an  Zahlung  $- 
staü  eines  Hypothekar  instrumentes  gefügt  worden,  beurteilt  sieh  nach 
eidgenössischem  Rechte.  —  Fiduziarische  Cession  zu  Sicherheüs- 
zwecken  und   Verpfandung. 

Der  auf  Bezahlung  des  Werklohnes  für  Bauarbeiten  be- 
langte Beklagte  Z.  wendete  ein,  die  Forderung  sei  durch  Ab- 
tretung eines  Schuldbriefes  auf  einen  0.  K.,  welchen  drr 
Kläger  an  Zahlungsstatt  angenommen  habe,  getilgt.  Aus  der 
Entscheidung  des  Bundesgerichts,  in  welcher  dasselbe  sich  für 
zuständig  erklärte  und  die  Einwendung  des  Beklagten  als  un- 
begründet verwarf,  ist  hervorzuheben: 

1.  Das  eidgenössische  Obligationenrecht  normiert  auch  die 
Erlöschungsgründe  der  bundesrechtlich  geordneten  Obligationen, 
und  eine  Ausnahme  hievon  gilt  nur  insoweit,  als  entweder  das 
Bundesgesetz  das  kantonale  Recht  ausdrücklich  vorbehält,  oder 
die  Geltung  des  kantonalen  Rechts  dadurch  vorbehalten  ist, 
dass  die  Bundesgesetzgebung  unterlassen  hat,  bestimmte  Ma- 
terien zu  regeln  (vergi,  bundesger.  Entsch.  A.  S.  Bd  XIII 
S.  202  E.  4,  XIV  8.  629  E.  4).  In  casu  handelt  es  sich  nun 
um  den  Untergang  der  Obligation  des  Beklagten  durch  Er- 
füllung, indem  der  Beklagte  behauptet,  der  Kläger  habe  die 
Abtretung  des  Schuldbriefes  auf  0.  K.  an  Stelle  der  Zahlung 
angenommen,  und  damit  anerkannt,  dass  der  Beklagte  durch 
diese  Leistung  seine  vertragliche  Verpflichtung  erfüllt  habe. 
Es  wird  somit  ein  Erlöschungsgrund  geltend  gemacht,  der  seiner 
rechtlichen  Natur  nach  dein  Obligationenrecht  angehört  und 
dessen  Regelung  dem  kantonalen  Recht  auch  nicht  etwa  kraft 
bunde8gesetzl icher  Anordnung  ausdrücklich  vorbehalten  ist. 

2.  Nach  allgemeinem,  auch  für  das  eidgenössische  Obli- 
gationenrecht geltenden  Grundsatze  trifft  die  Beweislast  für 
den  Untergang  der  an  sich  anerkannten  Obligation  denjenigen 
Teil,  der  sich  auf  diesen  Untergang  beruft,  also  den  Beklagten. 
Der  Beklagte  hat  somit  nachzuweisen,  dass  die  Willens- 
meinung der  Parteien  bei  der  Verschreibung  des  fraglichen 
Schuldbriefes  an  den  Kläger  dahin  gegangen  sei,  dass  damit 
der  Kläger  abgefunden,  die  Verbindlichkeit  des  Beklagten 
zur  Zahlung  des  Werklohnes  getilgt  sein  solle.  Dieser  Beweis 
ist  aber  keineswegs  schun  dann  als  erbracht  zu  betrachten, 
wenn  die  genannte  Verschreibung  sich  überhaupt  rechtlich 
als  eine  Abtretung,  Cession,  und  nicht  als  Faustpfandbestellung 
qualifiziert.  Denn  die  Cession  einer  Forderung,  wie  die  Tra- 
dition einer  körperlichen  Sache,  ist  ein  abstraktes  Rechts- 
geschäft,   welchem    Verträge    mit   verschiedenartiger   Rechts- 


143 

Wirkung  zu  Grunde  liegen  können,  eine  Form,  welche  zur 
Erreichung  verschiedenartiger  Zwecke  des  rechtlichen  Ver- 
kehrs zur  Anwendung  gebracht  werden  kann.  Sie  kann  ge- 
wählt werden  nicht  nur  zum  Zwecke  des  Kreditgebens,  oder 
der  Erfüllung  von  Verbindlichkeiten  (Cession  zahlunghalber 
oder  an  Zahlungsstatt),  sondern  auch  zum  Zwecke  blosser 
Sicherheitsleistung  für  die  Erfüllung  einer  Verbindlichkeit. 
Deshalb  beweist  die  Thatsaohe,  dass  der  Schuldner  seinem 
Gläubiger  mit  Rücksicht  auf  das  zwischen  ihnen  bestehende 
Schuldverhältnis  eine  Forderung  cediert  hat,  für  sich  allein 
noch  nichts  dafür,  ob  dieses  Schuldverhältnis  seinem  Bestand 
oder  Inhalt  nach  eine  Aenderung  erlitten  habe;  die  Frage 
kann  vielmehr  nur  entschieden  werden  durch  die  Feststellung 
des  Zweckes,  um  dessen  willen  die  Cession  vorgenommen 
wurde.  Um  seine  Schutzbehauptung,  die  klägerische  Forde- 
rung sei  durch  die  Verschreibung  des  fraglichen  Schuldbriefes 
getilgt  worden,  zu  begründen,  hätte  daher  der  Beklagte  dar- 
zuthun  gehabt,  nicht  bloss,  dass  es  sich  dabei  um  eine  Cession 
und  nicht  um  eine  Pfandbestellung  gehandelt  habe,  sondern 
überdies,  dass  die  Cession  an  Zahlungsstatt,  und  nicht  etwa 
bloss  zur  Sicherheitsleistung  (fiduciae  causa)  gegeben  und 
entgegengenommen  worden  sei.  Dieser  Beweis  ist  nun  aber 
nicht  erbracht.  (Im  weitern  wird  ausgeführt,  dass  es  sich 
vielmehr  deutlich  ergebe,  dass  es  sich  nach  der  Meinung  beider 
Parteien  nur  um  eine  Sekuritätscession  habe  handeln  können.) 
(Entsch.  vom  7.  Juli  1900  i.  S.  Zini-Wepfer  c.  Bosshard.) 


85.  0.  R  Art.  177,  489.  Bürgschaft  oder  Verfügung  von 
Todes  wegen  Ì  Ist  die  Bedingung,  dass  die  Bürgschaft  erst  nach 
dem  Tode  des  Bürgen  und  ausschliesslich  auf  Rechnung  des  Erb- 
anteils Eines  Erben  zu  bezahlen  sei,  gültig t  Anwendbarkeit  des 
kantonalen  Rechtes. 

Am  17.  Juni  1890  stellte  E.  H.  in  La  Chaux-de-Fonds 
folgenden  Schein  aus  und  übergab  denselben  seinem  Schwieger- 
sohne P.  S. 

„En  avance  d'hoirie  et  snr  la  part  qui  doit  revenir  à  ma 
fille  Cécile,  épouse  de  M.  P.  S.,  mais  payable  seulement  après  mon 
décès  et  celui  de  mon  épouse  Sophie  H.  née  G.,  sans  que  je  sois 
obligé  d'en  payer  les  intérêts,  j'accorde  à  mon  gendre  P.  S.  et  à 
ma  fille  Cécile  la  garantie  d'une  somme  de  quatre  mille  francs. 
Mes  immeubles  à  FL,  n'étant  grevés  d'aucune  hypothèque,  attestent 
la  valeur  de  ma  signature.  Fait  à  La  Chanx-de-Fonds  et  le 
17  juin  1890. 


144 

„Cette  garantie  est  donnée  en  favenr  de  mon  gendre  pour 
tel  créancier  qu'il  trouvera  convenable,  et  qui  lui  fournira  la  dite 
somme  de  quatre  mille  francs.    Chaux-de-Fonds,  le  17  juin  1890. 

P  S.  übergab  diesen  Schein  dem  Bankier  P.  F.  C,  der 
ihm  daraufhin  einen  Fr.  40ü0  übersteigenden  Kredit  eröffnete. 
Nach  dem  Tode  des  E.  H.  wurde  im  amtlichen  Güterver- 
zeichnisse über  dessen  Nachlass  die  von  der  Rechtsnach- 
folgerin  des  Bankiers  P.  F.  C.  angemeldete  Forderung  aus  dem 
Scheine  vom  17.  Juni  1890  von  einem  Miterben  bestritten. 
Die  Rechtsnachfolgerin  des  P.  F.  C.  klagte  daher  auf  Fest- 
stellung des  Bestandes  der  Forderung.  Das  Kantonsgericht 
von  Neuenburg  hat  die  Klage  abgewiesen,  im  wesentlichen 
mit  der  Begründung,  der  Schein  vom  17.  Juni  1890  enthalte 
keine  Bürgschalt,  da  sich  aus  demselben  ergebe,  dass  E.  H. 
s  ich  persönlich  nicht  habe  verpflichten  wollen;  es  liege  in 
demselben  vielmehr  nur  eine  ungültige  Verfügung  über  einen 
Teil  des  Nachlasses  des  E.  H.  Auf  Berufung  der  Klägerin 
hin  hat  das  Bundesgericht  dieses  Urteil  aufgehoben  und  die 
Sache  zu  neuer  Beurteilung  an  das  Kantonsgericht  zurück- 
gewiesen.   Aus  den  Entscheidungsgründen  ist  hervorzuheben: 

La  matière  du  cautionnement  étant  régie  par  le  C.  O., 
le  Tribunal  de  céans  est  certainement  compétent  pour  exa- 
miner si  la  demande,  laquelle  soulève  la  question  de  savoir 
si  l'acte  du  17  juin  1890  constitue  ou  non  un  cautionnement, 
est  fondée  en  droit. 

Or  oe  caractère  d'un  cautionnement  résulte  tout  d'abord 
du  but  auquel  cet  acte  a  été  destiné;  le  dit  acte,  en  effet,  a 
été  signé  par  H.  pour  faciliter  à  S.  l'obtention  du  prêt  dont 
il  avait  besoin,  et  la  forme  la  plus  indiquée  à  cet  effet  était 
celle  d'un  cautionnement.  La  teneur  de  Pacte  corrobore  cette 
manière  de  voir.  Dans  la  première  partie  H.  déclare  „accorder 
la  garantie  d'une  somme  de  4000  francs"  à  son  gendre  P.  8. 
et  à  sa  fille  Cécile,  le  terme  „garantie"  dont  se  sert  H.  étant 
souvent  employé  dans  le  langage  usuel  comme  synonyme  de 
cautionnement.  Les  mots  par  lesquels  l'acte  se  termine  :  „mes 
immeubles  à  F.  n'étant  grevés  d'aucune  hypothèque,  attestent 
la  valeur  de  ma  signature"  servent  aussi  à  démontrer 
que  H.  voulait  se  porter  caution  pour  4000  francs,  et  affirmer 
par  là  la  valeur  de  sa  signature  vis-à-vis  du  tiers  créancier 
qui  aurait  fourni  la  somme.  Le  postscriptum  est  de  nature  à 
enlever  tout  doute  à  cet  égard  et  à  établir  que  H.  entendait 
bien  se  porter  caution  vis-à-vis  d'un  créancier,  non  encore 
déterminé,  qui  aurait  fourni  à  son  prédit  gendre  la  somme  de 
4000  francs  dont  celui-ci  avait  besoin. 


I 


145 

Ces  considérations  ne  sont  toutefois  point  encore  suffi- 
santes pour  faire  considérer  la  demande  comme  fondée.  Il 
résulte  incontestablement  de  l'acte  en  question  que,  tout  en 
se  portant  caution  en  faveur  de  son  gendre,  H.  entendait  que 
le  payement  de  la  somme  garantie  ne  pût  être  requis  ni  de 
so n  vivant,  ni  du  vivant  de  sa  femme,  et  que  si  après  leur 
décès  sa  succession  était  appelée  à  la  payer,  son  montant 
devait  être  imputé  sur  la  part  revenant  à  Cécile  8. -H.  dans 
la  succession  paternelle.  H.  voulait  donc  bien  obliger  sa  suc- 
cession vis-à-vis  du  tiers  créancier,  mais  à  la  condition  que, 
dans  le  règlement  des  rapports  entre  cohéritiers,  la  somme  de 
4000  francs  devrait  grever  uniquement  sa  fille  Cécile  par  im- 
putation sur  la  seule  part  de  celle-ci. 

Etant  donné  les  termes  dans  lesquels  l'acte  de  1890  est 
conçu,  il  faut  admettre  comme  certain  que  Ed.  H.  n'accordait 
sa  garantie  qu'à  cette  condition,  et  qu'il  ne  l'aurait  point 
donnée,  si  ses  conséquences  avaient  pu  retomber  sur  ses  au- 
tres héritiers.  D'autre  part  cette  condition,  résultant  implici- 
tement de  l'acte  même  de  cautionnement,  a  été  nécessaire- 
ment connue  du  créancier,  auquel  elle  est  sans  aucun  doute 
opposable. 

il  reste  à  rechercher  si  cette  condition  était  licite.  Le 
défendeur  l'a  contesté,  en  prétendant  qu'elle  était  con- 
traire aux  principes  d'ordre  public  du  droit  neuchâtelois  en 
matière  de  succession,  lesquels  interdisent  qu'on  dispose  ainsi, 
par  la  voie  d'un  cautionnement,  de  la  part  revenant  à  un 
héritier  dans  une  succession  future. 

Il  est  clair  que  si  ce  point  de  vue  devait  être  admis, 
l'obligation  dépendant  d'une  telle  condition,  c'est-à-dire  dans 
l'espèce  la  garantie  assumée  par  Ed.  H,,  serait  frappée  de 
nullité  aux  termes  de  la  disposition  de  l'art.  177  C.  0. 

Toutefois  la  question  de  savoir  si  la  dite  condition  est 
licite  ou  non  ressortit,  dans  l'espèce,  au  droit  cantonal  et 
non  point  au  droit  fédéral,  puisque  c'est  d'après  les  règles  du 
droit  successoral  qu'il  faut  trancher  la  question  de  savoir  si, 
en  consentant  un  cautionnement  en  faveur  de  son  gendre, 
H.  pouvait  stipuler  que  la  somme  garantie,  si  elle  devait 
être  payée,  devrait  être  imputée  sur  la  part  revenant  à  sa 
fille  Cécile  dans  sa  succession.  Il  se  peut  en  effet  que  par 
cette  stipulation  H.  ait  porté  atteinte  à  des  dispositions  pro- 
hibitives du  droit  successoral,  ou  même  qu'il  ait  privé  sa  pré- 
dite fille  de  la  réserve  légale  dont  le  bénéfice  lui  est  garanti. 
Or  l'instance  cantonale  ne  s'est  pas  prononcée  sur  ces  points, 
et  il  y   a   lieu  de   lui  renvoyer  la  cause,   en  application  de 


146 

l'art.  79  de  la  loi  sur  l'organisation  judiciaire  fédérale,  afin 
qu'elle  statue  notamment  sur  le  caractère  licite  ou  illicite  de 
la  condition  susmentionnée.  (Entsch.  vom  26.  Mai  1900  i.  S. 
Courvoisier  c.  Huguenin.) 


86.  0.  R.  Art  199.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und 
Konkurs  vom  11.  Aprii  1889,  Art  203,  285  f.,  287  Ziff.  2,  288. 

Wenn  der  Besteller  einer  übersendeten  Ware  dieselbe 
bei  Empfang  wegen  angeblicher  Mängel,  mit  oder  ohne  Grund, 
dem  Verkäufer  zur  Verfügung  stellt,  so  ist  die  Besitz-  und 
Eigentumsübertragung  nicht  erfolgt  und  der  Verkäufer  kann 
die  Ware  im  Konkurse  des  Bestellers  zurücknehmen.  Eine 
Anfechtung  der  Dispositionsstellung  durch  die  Gläubiger  des 
Bestellers  ist  ausgeschlossen,  da  durch  dieselbe  lediglich  die 
Belastung  des  Vermögens  des  Bestellers  mit  einer  neuen 
»Schuld  vermieden  worden  ist.  (Entsch.  vom  24.  März  1900 
i.  S.  Massa  Treichler  c.  Born.) 


87.  Bundesgesetz  betreffend  den  Schutz  der  Fabrik-  und  Han- 
delsmarken vom  26  September  1890,  Art.  21,  22,  24,  25,  26.  0.  R. 
Art.  50.  Wegen  unbefugten  Anbringet^  von  Angaben  über  gewerb- 
liche Auszeichnungen  auf  Geschäftsschildern,  Annoncen,  Prospekten, 
Fakturen  u.  s.  to.  steht  dem  zu  Führung  dieser  Auszeichnungen 
Berechtigten  auch  die  Civilklage  zu. 

Dans  son  arrêt  dans  la  cause  G  avili  et  e.  Oerez  (Ree.  off. 
XXII  p.  799  ss.),  le  Tribunal  fédéral  a  admis  que  la  loi  fédérale 
du  26  septembre  1890  n'accorde  pas  d'action  civile  pour  cause 
d'infraction  à  son  art.  22,  qui  prescrit  que  celui  qui  fait  usage 
de  médailles,  récompenses  etc.  doit  en  indiquer  la  date  et 
la  nature,  ainsi  que  les  expositions  ou  concours  dans  lesquels 
il  les  a  obtenues. 

Gette  manière  de  voir  est  basée  sua  la  considération  que 
les  infractions  à  l'art.  22  ne  paraissent  pas  impliquer  une 
atteinte  portée  aux  intérêts  des  autres  fabricants  ou  des  con- 
currents, mais  que  le  dit  article  apparaît  plutôt  comme  une 
prescription  de  police  industrielle,  destinée  à  permettre  aux 
concurrents  et  au  public  de  contrôler  si  les  distinctions  dont 
un  industriel  fait  état  lui  ont  bien  réellement  été  décernées. 

Ces  considérations  ne  sauraient  évidemment  s'appliquer 
au  cas  de  l'industriel  ou  commerçant  qui  fait  figurer  indû- 
ment sur  ses  enseignes,  annonces,  factures  ou  papiers  de  com- 
merce quelconques  la  mention  de  récompenses  ou  distinctions 


147 

appartenant  à  autrui.  Dans  ce  cas  le  droit  et  les  intérêts  du 
légitime  propriétaire  de  la  récompense  ou  distinction  sont 
manifestement  lésés,  et  Ton  ne  voit  pas  quelles  raisons  au- 
raient pu  déterminer  le  législateur  à  refuser  une  action  civile 
contre  l'usurpateur,  alors  qu'il  l'accorde  expressément  contre 
celui  qui  fait  figurer  indûment  les  mêmes  mentions  sur  ses 
produits  ou  leur  enveloppe  (art.  21  et  24,  litt.  f.  leg.  ca.),  et 
alors  qu'il  prévoit,  dans  l'un  comme  dans  l'autre  cas,  une 
répression  pénale  (art.  25  et  26).  Le  Tribunal  fédéral  a  déjà 
jugé  que  le  fait  par  un  commerçant  d'insérer  dans  ses  pro- 
spectus, annonces,  circulaires  etc.,  une  mention  mensongère, 
telle  que  celle  „hors  concours,"  constitue  un  acte  de  concur- 
rence déloyale,  donnant  ouverture  à  une  action  en  suppression 
de  la  mention  mensongère  et  en  dommages-intérêts.  (Voyez 
arrêt  Ricqlès  et  Cie  c.  Bonnet  et  Cie,  Ree.  Off.  XIX  p.  255,  257  ; 
comp,  aussi  arrêt  Redard  frères  c.  Péclard,  du  25  février  1898, 
Ree.  Off.  XXIV  2m*  partie  p.  148  ss.)  Une  telle  action  doit 
en  tous  cas  être  considérée  comme  reoevable  en  vertu  de 
l'art.  50  C.  0.,  rien  n'autorisant  à  admettre  que  la  loi  du 
26  septembre  1890  ait  entendu,  à  cet  égard,  exclure  l'appli- 
cation du  dit  article.  (Entsch.  vom  6.  Juli  1900  i.  S.  Cavin- 
Bocquet  o.  Ernest  et  Jules  Weber.) 


88.  Internationale  Uebereinkunft  über  den  Eisenbahnfracht- 
verkehr vom  14.  Oktober  1890,  Art.  39.  Ausführungsbestimmungen 
dazu,  §  6.  Bundesgesetz  betreffend  den  Transport  auf  Eisen- 
bahnen und  Dampfschiffen  vom  29.  März  1893,  Art.  29,  39. 
Transportreglement  der  schweizerischen  Eisenbahn-  und  Dampf - 
Schiffahrtsunternehmungen  vom  IL  Dezember  1893,  §  69.  Ist  der 
Bundesrat  berechtigt,  wegen  aussergewöhnlicher  Verkehrsverhält- 
nisse den  Eisenbahnunternehmungen  die  nachträgliche  Aenderung 
der  Lieferfristen  bereits  abgeschlossener  Frachtverträge  zu  ge- 
statten? 

Durch  Be8chluss  vom  14/15.  März  1897  erteilte  der 
Bundesrat  der  schweizerischen  Nordostbahn,  mit  Rücksicht 
auf  die  mit  Beginn  des  12.  März  ausgebrochene,  am  13.  März 
abends  wieder  beendigte  Arbeitseinstellung  der  Betriebs- 
angestellten dieser  Gesellschaft,  die  Bewilligung,  die  Liefer- 
fristen tur  Eil-  und  Frachtgüter,  welche  infolge  Streikes  am 
12.  und  13.  März  aufgehalten  wurden,  um  zwei  Tage  zu  ver- 
längern. Dieser  Beschluss  wurde  im  Bundesblatte  vom  17.  März 
1897  unter  den  Verhandlungen  des  Bundesrates  vom  15.  März 
1897   publiziert.    Der   Kläger,   Comestibleshändler  in   Zürich, 


148 

erhielt  infolge  des  Streikes  verschiedene  Sendungen,  ins« 
besondere  eine  Wagenladung  Blumenkohl  aus  Cascina  (Ita- 
lien), und  eine  Sendung  (J itzifl eisch  aus  Altdorf  erst  nach 
Ablaut'  der  ordentlichen  reglementarischen  Lieferfristen  und 
in  verdorbenem  Zustande.  Als  er  die  N.  0.  ß.  auf  Schaden- 
ersatz hiefür  belangte,  hielt  ihm  diese  u.  a.  die  Einwendung 
entgegen,  die  Ablieferung  fraglicher  Sendungen  sei  noch  inner- 
halb der  durch  den  bundesrätlichen  ßeschluss  vom  14./ 15.  März 
1897  bewilligten  verlängerten  Lieferfrist  und  deshalb  recht- 
zeitig erfolgt.  Das  Bundesgericht  hat  in  Bestätigung  des  Ur- 
teils der  Vorinstanz  diese  Einwendung  für  begründet  erklärt, 
im  wesentlichen  aus  folgenden  Gründen: 

Auf  den  vorliegenden  Prozess  kommen  zur  Anwendung: 
das  internationale  Uebereinkommen  über  den  Eisenbahnfracht- 
verkehr vom  14.  Oktober  1890  (A.  S.  N.  F.  XIII,  S.  61  ff.),  so- 
weit es  die  Sendung  Blumenkohl  betrifft;  das  Bundesgesetz 
betr.  den  Transport  auf  Eisenbahnen  und  Dampfschiffen  vom 
29.  März  1893  (eod.  S.  762  ff.;  hier  cit.  E.  T.  G.);  speziell 
bezüglich  der  Sendung  G itzi fleisch  das  Transportreglement 
der  schweizerischen  Eisenbahn-  und  Dampfschiffahrtunter- 
nehmungen vom  11.  Dezember  1893  (eod.  S,  762  ff.;  hier  cit. 
T,  K.);  endlich  die  A usführungs- Bestimmungen  zum  inter- 
nationalen   Uebereinkommen  (eod.  S.  116  ff.). 

Nun  bestimmt  §  6  der  oben  citierten  Ausführungsbestim- 
mungen, nachdem  er  die  Maximallieferfristen  festgesetzt  hat, 
in  ^U>8.  3:  „Die  Gesetze  und  Réglemente  der  vertrag  - 
schliessenden  Staaten  bestimmen,  inwiefern  den  unter  ihrer 
Aufsicht  stehenden  Bahnen  gestattet  ist,  Zuschlagsfristen  für 
folgende  Fälle  festzusetzen:  1.  Für  Messen.  2.  Für  außer- 
gewöhnliche Verkehrsverhältnisse.  3.  Wenn  das  Gut  einen 
nicht  überbrückten  Flussübergang  oder  eine  Verbindungsbahn 
zu  passieren  hat,  welche  zwei  am  Transport  teilnehmende 
Bahnen  verbindet.  4.  Für  Bahnen  von  untergeordneter  Be- 
deutung, sowie  für  den  Uebergang  auf  Bahnen  mit  anderer 
Spurweite."  In  der  Schweiz  ist  durch  §  69  des  Transport- 
reglementes  der  Bundesrat  als  die  Behörde  bezeichnet  worden, 
welche  die  Zuschlagsfristen  zu  bewilligen  hat;  und  er  darf 
dies  thun:  ,,a)  bei  ausserordentlichen  Verkehrsverhältnissen; 
b)  für  den  Uebergang  auf  Bahnen  mit  anderer  Spurweite 
oder  auf  Dampfboote;  c)  für  Güter,  welche  zu  ausnahmsweise 
ermä8sigten  Taxen  befördert  werden."  „Diese  Zuschlags- 
fristen sind  gehörig  zu  publizieren"  (Abs.  4  1.  c).  Von  diesen 
Fällen  kann  vorliegend  offenbar  nur  der  unter  Ziff.  2,  Ausf,- 
Best.  =  litt,  a  T.  R.,  erwähnte  in  Betracht  kommen,  wie  sich 


149 

denn  auch  die  Beklagte  nur  hierauf  beruft.  Nach  den  an- 
geführten Bestimmungen  hatte  der  Bundesrat  im  vorliegenden 
Falle  unzweifelhaft  die  Kompetenz,  Zuschlagsfristen  zu  be- 
willigen; denn  die  Prüfung  darüber,  ob  „ausserordentliche  Ver 
kehrsverhältnisse"  vorlagen,  die  diese  Bewilligung  rechtfer- 
tigten, stand  ihm  zu,  wie  denn  überhaupt  die  Frage,  ob  die 
reg  lernen  tarischen  Voraussetzungen  der  Bewilligung  der  Zu- 
schlagsfristen vorhanden  seien,  wesentlich  verwaltungstech- 
nischer Natur  ist,  und  daher  von  der  zuständigen  Verwal- 
tungsbehörde, in  der  Schweiz  also  vom  Bundesrate,  endgültig 
zu  entscheiden  ist.  Eine  andere  Frage  ist  dagegen  die, 
inwieweit  der  Bundesrat  Zuschlagsfristen  auf  schon  ab- 
geschlossene Frachtverträge  erstrecken  darf;  diese  Frage  ist 
eine  Rechtsfrage  und  untersteht  als  solche  der  Prüfung  der 
Gerichte.  Werden  nun  zum  Entscheide  dieser  Rechtsfrage 
sämtliche  Fälle,  für  welche  nach  den  Ausführungsbestimmungen 
und  nach  dem  Transportreglement  Zuschlagsfristen  bewilligt 
werden  dürfen,  auf  ihre  Natur  hin  miteinander  verglichen,  so 
ergiebt  sich,  dass  die  hier  nicht  in  Betracht  kommenden  Fälle 
(Ausf.-Best.  Ziff.  1,  3  u.  4,  T.  R.  litt,  b  u.  c)  solche  von  mehr 
regelmässiger,  dauernder  Natur  sind,  während  der  hier  in  Be- 
tracht kommende  Fall  (Ziff.  2  Ausf.-Best.,  litt,  a  T.  R.)  im 
Gegensatze  dazu  Fälle  vorübergehender,  ausserordentlicher 
Verkehrsstörungen  umfasst  (vergi.  Eger,  Komm.  z.  internat. 
Uebereinkommen,  S.  250,  der  in  Ziff.  2  1.  c.  beispielsweise  auf- 
zählt: Krieg,  Wassernot,  Güterstockungen  jeder  Art).  Wäh- 
rend in  jenen  Fällen  die  Bewilligung  der  ZuRchlagsfrist  je- 
weilen  bei  Zeiten  von  den  Bahnen  wird  eingeholt  werden  und 
auch  rechtzeitig  gehörig  wird  publiziert  werden  können,  so 
dass  die  Frage  der  Erstreckung  auf  schon  abgeschlossene 
Frachtverträge  hier  kaum  entstehen  wird,  verhält  es  sich  bei 
den  „ausserge wohnlichen"  oder  „ausserordentlichen"  Verkehrs- 
verhältnissen anders.  Zwar  können  auch  diese  vorhergesehen 
sein  (z.  B.  Truppenzusammenzüge,  bevorstehende  Nationalfeste), 
und  alsdann  wird  eine  rechtzeitige  Bewilligung  und  Publi- 
kation zu  erfolgen  haben.  Allein  es  fallen  darunter  gerade 
auch  Ereignisse  unvorhergesehener,  plötzlicher  Natur,  und  in 
solchen  Fällen  entstehen  jene  oben  aufgeworfenen  Fragen. 
Während  nun  nach  den  Bestimmungen  über  Zuschlagsfristen 
in  jenen  regelmässigen  Fällen  an  eine  Erstreckung  auf  schon 
abgeschlossene  Frachtverträge  kaum  gedacht  werden  konnte, 
man  vielmehr  davon  ausgehen  muss,  diese  Zuschlagsfristen 
müssen  den  mit  der  Bahn  kontrahierenden  Absendern,  wie 
den  Empfängern   vor  Abschluss   des  Frachtvertrages  bekannt 

12 


150 

sein,  kann  es  sich  fragen,  ob  das  Transportreglement  dein 
Bundesrat  für  die  Fälle  unvorhergesehener  Ereignisse  eine 
weitergehende  Kompetenz  einräumen  wollte:  Die  Kompetenz, 
die  Zuschlagsfristen  auch  auf  schon  abgeschlossene  Fracht- 
verträge, die  also  eingegangen  wurden  unter  der  gesetzlichen 
oder  reglemen tarischen  Lieferfrist,  zu  erstrecken.  Es  lässt 
sich  nicht  verkennen,  dass  gegen  diese  Interpretation  der  Be- 
stimmungen über  die  Zuschlagstristen  das  Bedenken  spricht, 
dass  dadurch  in  bestehende,  privatrechtliche  Ansprüche  ein- 
gegriffen wird  (wie  denn  auch  die  erste  Instanz  aus  diesem 
( i runde  dem  Bundesrate  das  Recht  abgesprochen  hat,  die  Zu- 
schlagsfristen auf  die  beiden  in  Frage  kommenden  Sendungen 
zu  erstrecken);  denn  die  Einwendung  der  Vorinstanz,  es 
handle  sich  nicht  um  wohlerworbene  Rechte,  der  Kläger  habe 
den  Anspruch,  der  den  Gegenstand  seiner  Klage  bilde,  nie- 
mals erworben,  hält  nicht  Stich:  Durch  die  Eingehung  des 
Frachtvertrages  ist  für  den  Absender  wie  für  den  Empfänger 
der  Anspruch  auf  gehörige,  somit  auch  auf  rechtzeitige  Er- 
füllung durch  den  Frachtführer  erwachsen.  Allein  trotz  diesem 
Bedenken  erscheint  es  richtig,  das  Transportreglement  dahin 
auszulegen,  dass  es  dem  Bundesrate  jene  allerdings  'weit- 
gehende Befugnis  einräume.  Der  Grund  hiefür  liegt  darin, 
da  ss  andernfalls  das  Recht  auf  Zuschlagsfristen  bei  unvorher- 
gesehenen ausserordentlichen  Verkehrsstörungen  geradezu  oder 
wenigstens  nahezu  illusorisch  würde  und  seinen  praktischen 
Wert  für  viele  Fälle  verlöre.  Dabei  ist  freilich  zu  wünschen, 
dass  der  Bundesrat  von  dieser  weitgehenden  Befugnis  nur 
ausnahmsweise  Gebrauch  mache.  Dies  um  so  mehr,  als  der 
Bahn  bei  Versäumung  der  Lieferfristen  nach  Art.  39  internat. 
Uebereinkommen  u.  E.  T.  G.  der  Beweis  offen  steht,  dass  die 
Verspätung  von  einem  Ereignisse  herrühre,  welches  sie  weder 
herbeigeführt  hat,  noch  abzuwenden  vermochte,  und  diese  Be- 
stimmung offenbar  auch  eine  Reihe  unvorhergesehener  ausser- 
ordentlicher Verkehrsstörungen  trifft.  Allein  obsohon  dem- 
gemä88  für  diese  Ereignisse  (unter  welche  übrigens  der  Streik 
der  Bahnangestellten  nicht  fällt,  da  die  Bahn  gemäss  Art.  29 
eod.  unbedingt  für  ihre  Leute  haftet)  schon  in  dem  genannten 
Art.  39  Vorsorge  getroffen  ist,  hindert  das  nicht,  dass  der 
Bundesrat  bei  denselben  auch  Zuschlagsfristen  bewillige  und 
hiebei  nach  dem  Gesagten  diese  Fristen  auch  auf  schon  ab- 
geschlossene Frachtverträge  erstrecke.  Hat  demnach  der 
Bundesrat,  indem  er  vorliegend  die  Zuschlagsfristen  auch  für 
die  reglementarisch  schon  abgelaufenen  Frachten  bewilligt 
hat  —  worüber  nach  dem  Wortlaute  seines  Beschlusses  kein 


151 

Zweifel  sein  kann  —  innert  den  Schranken  seiner  Kompetenz 
gehandelt,  so  ergiebt  sich,  das  s  der  Beklagten  aus  dieser 
Zuschlagsfristbewilligung  eine  Einrede  zusteht,  und  dass  dem- 
nach der  Kläger  mit  seinen  Ansprüchen  abzuweisen  ist.  Zu 
Zweifeln  könnte  höchstens  noch  die  Frage,  ob  die  Bewilli- 
gung gehörig  publiziert  worden  sei,  Anlass  geben;  allein  sie 
ist  zu  bejahen,  da  die  Publikation  im  amtlichen  Publikations- 
organ des  Bundes  erfolgt  ist.  (Entsch.  vom  J4.  Juli  1900 
i.  »3.  Bianchi  c.  Nordostbahn.) 


89.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art.  82,  149,  243,  269.  Die  Konkursverwaltung 
ist  auch  nach  erklärtem  Schluss  des  Konkursverfahrens  zur  Ver- 
fügung  über  zur  Masse  gehörige  Vermögensstücke  einzig  berech- 
tigt. —  Beweislast  im  Aberkennungsprosesse.  —  Natur  und  Wir- 
kungen des  (im  Pfändungsverfahren  erlangten)    Verlustscheines. 

Die  Konkursmasse  des  J.  K.  N.  in  T.  hatte  gegen 
J.  U.  P.  und  Ingenieur  G.  St.,  welche  in  W.  als  Gesellschafter 
ein  Geschäft  betrieben,  für  eine  Forderung  des  Gemeinschuld- 
ners aus  Werkvertrag  als  Solidarschuldner  Betreibung  einge- 
leitet. Am  28.  April  1896  erhielt  das  Konkursamt  T.  für  den 
ganzen  Forderungsbetrag  (von  Fr.  3397.  50)  Verlustscheine. 
Dies  wurde  indes  nachträglich  berichtigt  und  festgestellt, 
dass  auf  die  Forderung  der  Masse  J.  K.  N.  eine  Dividende 
von  Fr.  526.  90  entfalle.  Dieser  Betrag  und  die  abgeänderten 
Verlustscheine  d.  d.  15.  Juni  1896  über  Fr.  2870.  80  wurden 
dem  Konkürsamte  T.  erst  übermittelt,  nachdem  (am  15.  Mai 
1896)  der  Konkurs  über  J.  K.  N.  bereits  geschlossen  worden 
war.  Das  Konkursamt  T.  händigte  (gemäss  einer  bereits 
beim  Einlangen  der  ersten  Verlustscheine  vom  Konkursrichter 
erbetenen  Weisung)  den  empfangenen  Barbetrag  der  Ehe- 
frau des  Konkursiten  als  erstberechtigter  Gläubigerin  ein  und 
trat  derselben  am  23.  Juni  1896  auch  die  Verlustscheine  ab. 
Die  Ehefrau  des  J.  K.  N.  leitete  nun  gestützt  auf  den  Ver- 
lustschein gegen  Ingenieur  G.  St.  Betreibung  ein  und  er- 
wirkte, nachdem  dieser  Rechtsvorschlag  erhoben  hatte,  Rechts- 
öffnung. Hierauf  erhob  G.  St.  Aberkennungsklage.  Im  Pro- 
zesse wurde  geltend  gemacht,  die  Forderung  des  J.  K.  N., 
deren  Bestand,  von  der  Gläubigerin  nachzuweisen  sei,  habe 
nicht  bestanden,  und  es  sei  das  Konkursamt  zu  Abtretung 
der  Verlustscheinforderungen  nach  Schluss  des  Konkurses 
nicht  mehr  berechtigt  gewesen. 


152 

Das  Bundesgericht  hat  die  Aberkennungsklage  abgewie- 
sen. In  den  Entscheidungsgründen  wird  zunächst  ausgeführt, 
der  Verlustschein  vom  15.  Juni  1896  sei  allerdings  nicht  ein 
nach  Schiusa  des  Konkursverfahrens  entdecktes  Vermögens- 
stück,  das  zur  Masse  gehört  habe,  aber  nicht  zu  derselben 
gezogen  worden  sei  (Art.  269  Abs.  2  B.-Ges.  über  Schuld- 
betreibung und  Konkurs).  Denn  die  Forderung  an  F.  und 
St.  sei  ja  zur  Masse  gezogen  und  von  der  Konkursverwal- 
tung realisiert  worden.  Allein  daraus  folge  nicht,  dass  das 
Konkursamt  nicht  befähigt  gewesen  wäre,  zu  Gunsten  der 
Beklagten  über  den  Verlustschein  zu  verfügen.  Der  Konkurs- 
verwalter habe  gesetz-  und  pflichtgemäss  gehandelt,  wenn  er 
die  Forderung  des  Gemeinschuldners  an  F.  und  St.  in  Be- 
treibung gesetzt  habe  (Art.  243  B.-Ges.  über  Seh.  u.  K.). 
Demgemä88  sei  er  selbstverständlich  berechtigt  gewesen,  das 
Ergebnis  der  Betreibung  in  Empfang  zu  nehmen,  und  sei 
ihm  im  weiteren  Befugnis  und  Pflicht  erwachsen,  über  das 
Liquidationsergebnis  dem  Gesetze  gemäss  zu  verfügen.  Der 
erhaltene  Barbetrag  sei  zweifellos  naoh  dem  Kollokations- 
plane und  der  Verteilungsliste  der  Beklagten  als  dem  zu- 
nächst berechtigten  Gläubiger  zuzuweisen  gewesen.  Dagegen 
sei  hinsichtlich  des  Verlustscheines  fraglich,  ob  derselbe 
nicht  hätte  versteigert  und  bloss  der  Erlös  der  Beklagten 
hätte  zugeteilt  werden  sollen.  Allein  auch  wenn  letzteres  zu 
bejahen  wäre,  so  wäre  doch  die  geschehene  Zuteilung  des 
Verlustscheines  an  die  Beklagte  keinenfalls  eine  absolut  nich- 
tige, sondern  höchstens  eine  anfechtbare  Massnahme  und 
wären  zu  deren  Anfechtung  die  Schuldner  der  Verlustschein - 
forderung  nicht  berechtigt.  Diese  seien  noch  weniger  berech- 
tigt, der  Ces8ionarin  der  Forderung  die  Einrede  entgegen- 
zustellen, der  Verlustschein  hätte  nach  den  Grundsätzen  des 
Konkursrechtes  anders  liquidiert  werden  sollen.  Ihnen  gegen- 
über sei  die  Abtretung  als  gültig  erfolgt  zu  betrachten,  da 
sie  mit  befreiender  Wirkung  an  die  Cession arin  bezahlen 
können,  weil  eben  auch  nach  Schluss  des  Konkurses  die 
Konkursverwaltung  einzig  über  die  Forderung  zu  verfügen 
gehabt  habe.  —  Hinsichtlich  der  Beweislast  für  den  Bestand 
der  Verlustscheinforderung  sodann  wird  grundsätzlich  aus- 
geführt : 

Es  ist  grundsätzlich  festzuhalten,  dass  im  Aberkennungs- 
prozess  die  Beweislast  an  sich  nicht  anders  zu  verteilen  ist, 
als  in  einem  gewöhnlichen  Prozess,  d.  h.  es  hat  an  sich  nicht 
der  Aberkennungskläger  den  Nichtbestand,  sondern  der  Ab- 
erkennungsbeklagte den  Bestand  der  Forderung  zu  beweisen 


153 

(s.  A.  S.  Bd  XXIII  S.  1088).  Die  Vorinstanz  überbindet,  trotz- 
dem  sie  den  Grundsatz  anerkennt,  im  konkreten  Falle  doch 
dein  Kläger  den  Beweis  für  den  Nichtbestand  der  Forderung, 
weil  der  in  den  Händen  der  Beklagten  befindliche  Verlust- 
schein für  sie  eine  Präsumtion  für  das  Bestehen  der  Forde- 
rung schaffe.  Dieser  Entscheid  unterliegt  der  Nachprüfung 
des  Bundesgerichts  ....  Zunächst  ist  t  hat  sächlich  festzuhalten, 
dass  man  es  mit  einem  auf  Grund  eines  Pfand ungs Verfahrens 
ausgestellten  Verlustscheine  im  Sinne  des  Art.  149  des  eid- 
genössischen Betreibungsgesetzes  zu  thun  hat.  An  sich  nun 
ist  ein  solcher  Verlustschein  lediglich  die  amtliche  Bescheini- 
gung darüber,  dass  im  Zwangsvollstreckungs  verfahren  bei  dem 
Schuldner  keine  oder  nicht  vollständige  Deckung  für  die  be- 
treffende Forderung  erzielt  werden  konnte.  Der  Schuldner 
wirkt  bei  der  Errichtung  des  Verlustscheins  nicht  mit,  und 
es  gelangt  darin  irgend  ein  auf  das  materielle  Rechtsver- 
hältnis bezüglicher  Wille  desselben  nicht  zum  Ausdruck.  So 
wenig  daher  die  Ausstellung  des  Verlustscheins  eine  Neue- 
rung, d,  h.  die  Ersetzung  des  frühern  Schuldverhältnisses 
durch  ein  neues  bewirkt,  so  wenig  liegt  darin  die  Schaffung 
eines  neuen  Schuldgrundes  neben  dem  alten,  in  dem  Sinne, 
dass  der  Schein  ein  selbständiges  Klagfundament  abgeben 
würde.  Nach  positiver  Gesetzesvorschrift  erleidet  freilich  das 
Schuldverhältnis  durch  die  Ausstellung  des  Verlustscheins 
gewisse  Aenderungen  in  seinem  materiellen  Inhalt  sowohl 
(Art.  149  Abs.  4  und  5),  wie  im  Hinblick  auf  die  exekutive 
Geltendmachung  der  Forderung  (Art.  149  Abs.  2  und  3). 
Allein  keine  dieser  gesetzlichen  Wirkungen  des  Verlustscheins 
berührt  den  Bestand  oder  den  Rechtsgrund  der  Forderung. 
Allerdings  braucht  ferner  das  Gesetz  die  Wendung,  dass  der 
Verlustschein  als  Schuldanerkennung  gelte.  Es  fügt  aber  bei 
als  Schuldanerkennung  „im  Sinne  des  Art.  82,"  und  der 
SchluBS  liegt  nahe,  das  Gesetz  habe  damit  einfach  aussprechen 
wollen,  dass  der  Verlustschein,  wie  eine  eigentliche,  durch 
öffentliche  Urkunde  festgestellte  oder  durch  Unterschrift  be- 
kräftigte Schuldanerkennung,  dem  Gläubiger  das  Hecht  gebe, 
den  Rechtsvorschlag  des  Schuldners  durch  provisorische  Rechts- 
öffnung beseitigen  zu  lassen.  In  der  That  geht  es  schon  des- 
halb nicht  an,  aus  dem  Gebrauche  des  Wortes  Schuldaner- 
kennung allein  zu  folgern,  dass  der  Verlustschein  auch  in 
materiellrechtlicher  und  prozessualischer  Beziehung  einem 
eigentlichen  Schuldbekenntnis  gleichzustellen  sei,  weil  das 
Betreibungsgesetz  damit  auf  ihm  fremde  Rechtsgebiete  hin- 
übergreifen würde.     Zudem    ist  au  berücksichtigen,  dass  der 


154 

Ausdruck  Sohuldanerkennung  erst  in  der  letzten  Redaktion 
des  Gesetzes  erscheint,  während  es  vorher  hiess,  der  Ver- 
lustschein gelte  als  beweiskräftige  Urkunde  im  Sinne  des 
Art.  82.  Da  das  Bestreben,  die  Ausdrucksweise  in  der  Be- 
stimmung, in  welcher  auf  eine  andere  verwiesen  wird,  der 
letztern  anzupassen,  eine  hinlängliche  Erklärung  für  die  Aeu- 
derung  bildet,  ist  es  nicht  erforderlich,  der  letztern  die  Be- 
deutung beizulegen,  dass  man  den  Verlustschein  zu  einer 
Schuldanerkennung  im  technisch -juristischen  Sinne  habe 
machen  wollen.  Trotzdem  wird  nun  aber  prozessualisch 
der  Verlustschein  ähnliche  Wirkungen  ausüben,  wie  eine 
eigentliche  Schuldanerkennung,  indem  er  dem  Inhaber  im 
Prozesse  um  den  Bestand  der  Forderung  eine  bevorzugte 
Beweisstellung  verschafft.  Die  Zwangsvollstreckung,  welche 
durch  die  Ausstellung  des  Verlustscheins  ihren  Ab  schiusa 
findet,  konnte  nur  durchgeführt  werden  gestützt  auf  einen 
unwidersprochen  gebliebenen  Zahlungsbefehl  oder  nach  Be- 
seitigung des  Rechtsvorschlages  mittelst  Rechtsöfihung,  d.  h. 
auf  Grund  bestimmter,  bevorzugter  Beweismittel.  Mit  Rück- 
sicht hierauf  ist  es  gewiss  sacbgemäss,  wenn  als  Regel  hin- 
gestellt wird,  dass  der  Gläubiger,  der  sich  im  Besitze  eines 
Verlustscheins  befindet,  sich  damit  begnügen  dürfe,  zum  Be- 
weise des  Bestehens  seiner  Forderung  den  Verlustschein  an- 
zurufen, der  ja  auch  den  ursprünglichen  Forderungstitel  oder 
-grund  angiebt,  und  dass  es  am  Schuldner  sei,  den  Verlust- 
schein zu  entkräften,  indem  er  darthut:  entweder  dass  die 
formellen  Voraussetzungen  zur  Ausstellung  desselben  nioht 
vorhanden  waren  bezw.  dass  diese  auf  Irrtum  beruhte,  oder, 
dass  die  materiellrechtliche  Grundlage  für  das  betreibungs- 
rechtliche Vorgehen  fehlte  oder  dahingefallen  ist,  d.  h.  dass 
die  Schuld  nicht  bestand  oder  nicht  mehr  besteht.  Es  wäre 
sonderbar,  wenn  der  Verlustschein,  der  dem  Gläubiger  ein 
so  wirksamer  Behelf  für  die  Exekution  der  Forderung  ist, 
im  Streit  um  die  Existenz  derselben  keine  Beweiskraft  haben 
sollte,  liegt  doch  auch  der  letzte  Grund  dafür,  dass  das  Exe- 
kutionsrecht für  solche  Forderungen  erleichtert  (und  erwei- 
tert) wird,  in  der  aus  der  Eigenart  des  Beweismittels  sich 
ergebenden  Vermutung  für  den  Bestand  derselben.  Ferner 
ist  zu  beachten,  dass  dem  Schuldner,  wenn  der  Gläubiger 
gestützt  auf  den  unwidersprochen  gebliebenen  Zahlungsbefehl 
oder  nach  definitiver  Beseitigung  des  Rechtsvorschlages  die 
Forderung  exequiert  hat,  bloss  noch  die  Rtickforderungsklage 
nach  Art.  86  des  B.  G.  übrig  bleibt,  bei  der  zweifellos  ihm 
die    Beweislast    für    das    Nichtbestehen    der   Schuld    obliegt* 


155 

Nun  kann  aber  doch  die  Stellung  des  Gläubigers  mit  Bezug 
auf  den  Beweis  der  Forderung  nicht  deshalb  eine  schlech- 
tere werden,  weil  sich  bei  dem  Schuldner  nicht  Mittel  genug 
finden,  um  die  Forderung  zu  decken,  und  es  daher  zur  Aus- 
stellung eines  Verlustscheines  kommt.  Vielmehr  muss  auch 
hier  dem  Schuldner  die  Beweislast  zufallen,  wenn  im  Ver- 
lauf der  weitern  Exekution  der  Verlustscheinforderung  der 
Bestand  derselben  in  Frage  gestellt  wird.  Der  Charakter 
eines  derart  qualifizierten  Beweismittels  darf  dem  Verlust- 
schein schliesslich  auch  deshalb  nicht  abgesprochen  werden, 
weil  gewöhnlich  die  Geltendmachung  der  darin  verurkun- 
deten  Forderung  sich  hinauszögern  wird  und  weil  in  der 
Zwischenzeit  leicht  andere  Beweismittel  für  den  Gläubiger 
verloren  gehen  können.  (Entsch.  vom  31.  Mai  1900  i.  S. 
Kölla  c.  Streuli.) 

90.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art.  285,  286  Ziff.  1,  288,  291.  MissverhäUnis  der 
Gegenleistung  zu  der  Leistung  des  Schuldners  ?  Requisite  der  Be- 
nachteiligungsabsicht; Erkennbarkeit  derselben.  —  Wirkungen  der 
Aufhebung  des  anfechtbaren  Rechtsgeschäftes  bei  Anfechtung  ausser 
Konkurs.  Dieselbe  wirkt  nur  zu  Gunsten  des  anfechtenden  Gläu- 
bigers; sie  macht  den  durch  das  anfechtbare  Geschäft  bewirkten 
Rechtsübergang  nicht  jedermann  gegenüber  rückgängig,  sondern 
verleiht  nur  dem  Anfechtungskläger  das  Recht,  den  veräusserten, 
im  übrigen  im  Vermögen  des  Anfechtungsbeklagten  verbleibenden, 
Gegenstand  zum  Zwecke  der  Befriedigung  seiner  Forderung  zu 
pfänden  und  zu  verwerten,  gleich  wie  wenn  er  nicht  veräussert 
worden  wäre. 

Die  Kläger  E.  P.  und  J.  A.  hatten  am  11.  und  25.  Juni  1898 
für  Forderungen  von  Fr.  103.  50  und  Fr.  52.  15  an  A.  Th.  Ver- 
lustscheine erhalten.  Durch  Vertrag  vom  25.  April/6.  Mai  1898 
hatte  A.  Th.  seine  Liegenschaften  in  St.  G.  zum  Preise  von 
Fr.  5000  an  den  Beklagten  B.-H.  verkauft,  wobei  zwei  Hypo- 
theken von  Fr.  4000  und  Fr.  400  nebst  ausstehenden  Zinsen 
auf  Rechnung  des  Kaufpreises  übernommen  wurden.  E.  P.  und 
J.  A.  erhoben  nunmehr  gegen  den  Käufer  B.-H.  Anfechtungs- 
klage mit  dem  Antrage:  der  am  6.  Mai  1898  in  Ausführung 
des  Kaufversprechens  vom  25  April  abgeschlossene  Kaufver- 
trag sei  aufzuheben  und  ungültig  zu  erklären.  Der  Beklagte 
B.-H.  trug  auf  Abweisung  der  Klage  an  und  erhob  eventuell 
für  den  Fall  des  Zuspruches  der  Hauptklage  Widerklage  da- 
hin :  die  Kläger  haben,  bevor  sie  das  Urteil  vollstrecken 
lassen  können,  ihm  solidarisch  den  Betrag  von  Fr.  12,953.  31 


156 

unter  Abrechnung  der  auf  den  streitigen  Liegenschaften  haf- 
tenden Hypothekarforderungen  zu  ersetzen  ;  weiter  eventuell  : 
vor  jeder  Zuteilung  an  die  Gläubiger  des  A.  Th.  sei  dem 
Kauferlos  der  streitigen  Liegenschaften  der  genannte  Betrag 
von  Fr.  12,953.31  zu  entnehmen  und  unter  Abzug  der  auf 
den  Liegenschaften  haftenden  Hypothekarforderungen  an  den 
Beklagten  zu  bezahlen.  Die  eventuelle  Widerklage  wurde 
auf  Art.  291  drs  Schuldbetreibungs-  und  Konkursgesetzes  be- 
gründet. Darnach  habe  der  Beklagte  Anspruch  auf  Ersatz 
iür  die  von  ihm  bezahlten  Forderungen  und  die  andern  für 
Th.  bezahlten  Beträge;  ausserdem  habe  er  Anspruch  auf 
Erstattung  der  von  ihm  für  Unterhai tungs-  und  Wiederher- 
stellungsarbeiten auf  den  Liegenschaften  gemachten  notwen- 
digen und  nützlichen  Verwendungen.  Werden  diese  Auf- 
wendungen neben  dem  Kaufpreise  und  der  von  ihm  bezahlten 
Handänderungsgebühr  berücksichtigt,  so  liegen  ihm  die  Liegen- 
schaften gegenwärtig  Fr.  12.953.  31  an.  Die  Cour  civile  des 
Kantons  Waadt  hat  die  Klage  gutgeheissen,  die  Widerklage 
dagegen  abgewiesen.  Das  Bundesgericht  hat  dieso  Entscheidung 
„im  Sinne  der  Erwägungen"  bestätigt. 

In  den  Entscheidungsgründen  wird  wesentlich  ausgeführt: 
Die  Anfechtungsklage  sei  prinzipiell  sowohl  nach  Art.  286 
Ziff.  1  als  nach  Art.  288  des  Schuldbetreibungs-  und  Konkurs- 
gesetzes begründet.  Nach  der  Feststellung  der  kantonalen 
Instanz  seien  die  für  Fr.  5000  verkauften  Liegenschaften  im 
Zeitpunkt  des  Kaufes  Fr.  7000  (oder  allermindestens  doch 
Fr.  6000)  wert  gewesen  ;  der  Schuldner  habe  also  eine  Gegen- 
leistung angenommen,  die  zu  seiner  eigenen  Leistung  in  einem 
Missverhältnisse  stehe,  so  dass  Art.  286  Ziff.  1  cit.  zutreffe. 
Der  Schuldner  habe  zudem  zur  Zeit  des  Kaufabschlusses 
seine  Zahlungsunfähigkeit  gekannt;  er  habe  also  wissen 
müssen,  dass  der  unter  dem  wahren  Wert  erfolgende  Verkauf 
seine  Gläubiger  schädige.  Ebenso  habe  sich  der  Beklagte, 
der  die  Ueberschuldung  des  Th.  gekannt  habe,  dieses  Um- 
Standes  bewusst  sein  müssen.  Darnach  sei  dann  gemäss  der 
bundesgerichtlichen  Rechtsprechung  anzunehmen,  Th.  habe  den 
Kauf  in  der  dem  Beklagten  B.  erkennbaren  Absicht  ge- 
schlossen, seine  Gläubiger  zu  schädigen,  und  treffe  also  auch 
Art.  288  cit.  zu.  Hinsichtlich  der  Wirkungen  des  Zuspruchs 
der  Anfechtungsklage  sei  zu  bemerken:  Die  Anfechtungs- 
klage der  Art.  285  ff.  leg.  cit.  sei  keine  dingliche  Klage; 
die  Ungültigkeit  des  anfechtbaren  Rechtsgeschäftes  sei  auch 
keine  absolute,  gegen  jedermann  wirksame,  welche  die 
Rechtswirkungen  des  Geschäftes  vollständig  aufheben  wurde; 


157 

sie  sei  vielmehr  eine  bloss  relative,  welche  nur  zu  Gunsten 
bestimmter  Personen  wirke,  diesen  gegenüber  eine  Pflicht 
zur  Bückerstattung  begründe.  Zweck  der  Anfechtungsklage 
(nach  welchem  sich  ihre  Wirkungen  bemessen)  sei  der,  den 
Anfechtungskläger  gegenüber  seinem  Schuldner  in  diejenige 
Lage  zurückzuversetzen,  in  welcher  er  sich  ohne  das  an- 
fechtbare Rechtsgeschäft  befinden  würde.  Die  Anfechtungs- 
klage bewirke  also  nicht  den  Untergang  des  durch  das 
anfechtbare  Geschäft  begründeten  dinglichen  Rechts,  sondern 
der  Anfechtungsklage r  erhalte  nur  für  sich  und  zu  dem 
Zweck,  zur  Befriedigung  seiner  Forderung  zu  gelangen,  das 
Recht,  den  in  anfechtbarer  Weise  veräusserten  und  im  Ver- 
mögen des  Anfechtungsbeklagten  verbleibenden  Gegenstand 
zu  pfänden  und  zu  verwerten,  gleich  wie  wenn  derselbe  nicht 
veräussert  worden,  sondern  stets  im  Eigentum  des  Schuldners 
geblieben  wäre.  Daraus  folge,  dass  der  Anfechtungsbeklagte 
Pfändung  und  Verwertung  dadurch  abwenden  könne,  dass  er 
dem  Anfechtungskläger  den  ihm  durch  das  anfechtbare  Ge- 
schäft zugefügten  Schaden  ersetze.  Demgemäss  könne  der 
Beklagte  in  casu  die  Pfändung  und  Verwertung  durch  Be- 
zahlung der  klägerischen  Forderungen  (die  ohne  den  anfecht- 
baren Kauf  im  Betreibungswege  befriedigt  worden  wären) 
abwenden.  Der  vom  Beklagten  angeführte  Art.  291  letzter 
Satz  leg.  cit.  könne  schon  deshalb  keine  Anwendung  finden, 
weil  der  Beklagte  die  Zahlungsunfähigkeit  des  Th.  gekannt 
und  sich  also  nicht  in  gutem  Glauben  befunden  habe.  Das 
«rste  Begehren  der  eventuellen  Widerklage  sei  unbegründet. 
Zwar  treffe  der  hiefür  von  der  Vorinstanz  angeführte  Grund, 
dass  das  angefochtene  Geschäft  absolut  nichtig  sei  und  der 
veräusserte  Gegenstand  nach  durchgeführter  Anfechtung  in 
das  Vermögen  des  Schuldners  zurückkehre,  nach  dem  Aus- 
geführten nicht  zu.  Dagegen  ergebe  sich  die  Unbegründet- 
heit dieses  Begehrens  daraus,  dass,  wenn  man  gemäss  dem- 
selben die  Kläger  verhalten  wollte,  jeder  Pfändung  vorgängig 
Fr.  12,953.  31  an  den  Beklagten  zu  bezahlen,  sie  sich  offenbar 
in  einer  ganz  andern  und  weit  ungünstigeren  Lage  befinden 
würden,  als  wenn  der  anfechtbare  Kauf  nicht  abgeschlossen 
worden  wäre.  Wenn  also  so  der  erfolgreich  angefochtene 
Kauf  den  Klägern  nicht  schaden  dürfe,  so  dürfe  er  ihnen 
andererseits  auch  nicht  einen  Vorteil  auf  Kosten  des  Be- 
klagten verschaffen.  Der  Betrag  der  Hypothekarschulden  an 
Kapital  und  Zinsen,  welche  zur  Zeit  des  Kaufes  auf  den 
Liegenschaften  gehaftet  haben,  sei  also  auch  jetzt,  wie  dies 
ohne  den  Verkauf  der  Fall  gewesen  wäre,  aus  dem  Verkaufs- 


158 

erlöse  vor  der  Befriedigung  der  Kläger  zu  entheben  (und,  so- 
weit der  Beklagte  die  Hypothekarschulden  abgelöst  habe, 
an  diesen,  im  übrigen  an  die  Hypothekargläubiger  zu  ent- 
richten). Dagegen  könne  der  Beklagte  Rückzahlung  der  von 
ihm  angeblich  an  oder  für  Th.  auf  den  Kaufpreis  geleisteten 
Zahlungen  aus  dem  Kauferlöse  nicht  verlangen,  da  einerseits 
hinsichtlich  der  meisten  dieser  behaupteten  Zahlungen  nicht 
erwiesen  sei,  dass  dieselben  auf  Rechnung  des  Kaufpreises 
geleistet  worden  seien,  und  da  übrigens,  auch  wenn  dieser 
Beweis  geleistet  wäre,  nicht,  wie  nach  Art.  291  leg.  cit.  er- 
forderlich wäre,  dargethan  sei,  dass  die  fraglichen  Beträge 
sich  noch  in  Händen  des  Schuldners  befinden  oder  dieser  da- 
durch bereichert  sei.  Aus  diesem  Grunde  sei  auch  die  Rück- 
forderung der  vom  Beklagten  bezahlten  Handänderungsgebühr 
ausgeschlossen.  Was  die  auf  die  Grundstücke  gemachten 
Verwendungen  anlange,  deren  vorzugsweise  (der  Befriedigung 
der  Kläger  vorgehende)  Erstattung  aus  dem  Steigerungserlöse 
der  Beklagte  verlange,  so  könnte  sich  fragen,  ob  dieser  An- 
spruch nicht  berechtigt  sei,  wenn  feststünde  einerseits,  dass 
die  betreffenden  Reparaturen  zur  Zeit  des  Kaufes  notwendig 
waren  oder  doch  notwendig  wurden,  bevor  die  Gläubiger  im 
ordentlichen  Laufe  der  Dinge  die  Verwertung  der  Grund- 
stücke hätten  durchführen  können,  andererseits,  dass  die 
Nichtausführung  der  Reparaturen  den  Steigerungserlös  unter 
den  Wert  der  Grundstücke  zur  Zeit  des  angefochtenen  Kaufs 
herabgedrückt  hätte.  Allein  dies  sei  nun  eben  nicht  bewiesen. 
Zweitellos  sei  immerhin,  dass  die  Reparaturen  den  Wert  der 
Grundstücke  erhöht  haben.  Dieser  Mehrwert  werde  in  dein 
Mehrerlös  zum  Ausdruck  kommen,  welchen  die  gerichtliche 
Versteigerung  über  den  Wert  von  Fr.  7000,  den  die  Grund- 
stücke zur  Zeit  des  Kaufes  besessen  haben,  hinaus  ergeben 
werde.  Dieser  Mehrerlös  gebühre  natürlich  dem  Beklagten, 
während  der  Betrag  von  Fr.  7000  zunächt  zur  Zahlung  der 
zur  Zeit  des  Kaufes  bestehenden  Hypothekarschulden  in  Kapi- 
tal und  Zinsen,  sodann  zur  Tilgung  der  klägerischen  Forderung 
an  Kapital  und  Zinsen  und  Betreibungskosten  zu  verwenden 
und  dann  ein  eventueller  Ueberschuss  ebenfalls  dem  Beklagten 
auszuhändigen  sei.  (Entsoh.  vom  l.März  1900  i.  S.  Bornaud- 
Hössli  c.  Poillard  und  Addor.) 


91.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889.  Art.  287  Abs.  2.  Bei  einem  durch  Stellvertreter 
geschlossenen  Geschäfte   schadet  der   böse   Glaube  des  Vertreters 


159 

(das  Wissen  desselben  von  der  Übeln  Vermögenslage  des  Schuldners) 
dem  Vertretenen. 

Es  genügt  zur  paulianiscben  Anfechtung  einer  Rechts- 
handlung des  Schuldners  nach  Art.  287  Betreib.-Ges.,  wenn 
beim  Vertreter  des  Gläubigers  die  zur  Anfechtung  erforder- 
lichen subjektiven  Voraussetzungen  vorhanden  sind.  Zwar 
würde  der  Wortlaut  des  Gesetzes  für  eine  engere  Auffassung 
sprechen,  indem  derselbe  dahin  gebt,  es  sei  die  Anfechtbarkeit 
ausgeschlossen,  wenn  der  Begünstigte  beweist,  dass  er  die 
Vermögenslage  des  Schuldners  nicht  gekannt  hat.  Allein 
sobald  aut  den  Sinn  und  Zweck  der  Bestimmung  zurückge- 
gangen und  sobald  ferner  berücksichtigt  wird,  dass  nach  eidg. 
Privatrechte  regelmässig  die  Handlung  des  Vertreters  den 
Vertretenen  direkt  bindet  (s.  Art.  36  und  46  ü.  R.),  so  muss 
Art.  287  Abs.  2  ausdehnend  dahin  interpretiert  werden,  dass 
iin  Falle  einer  Stellvertretung  des  Begünstigten  der  Geschäfts- 
herr für  die  reprobierte  Gesinnung  des  Vertreters  einzustehen 
und  das  Risiko  der  Anfechtbarkeit  des  Geschäfts  aus  dem 
Bewusstsein  desselben  zu  übernehmen  hat.  Darnach  hatte  denn 
vorliegend  der  Beklagte,  um  6ich  von  der  Anfechtungsklage 
zu  befreien,  ausser  seiner  Unkenntnis  auch  nachzuweisen, 
dass  s  e  in  Sohn,  als  er  den  G.  Seh.  zur  Ausstellung  des 
Versicherungsbriefes  (nicht  gerade  im  Auttrage,  aber  mit 
dem  Wissen  und  unter  der  nachträglichen  Genehmigung  des 
Vaters)  veranlasste,  von  der  Vermögenslage  desselben  keine 
Kenntnis  hatte  (vergi.  Co  sack,  Anfechtungsrecht  S.  94  f.; 
Menzel,  Anfechtungsrecht  S.  97  f. ;  Entsch.  d.  deutsch.  Reichs- 
gerichts in  Civilsachen  Bd  VII  S.  37  f.).  (Entsch.  vom 
11.  April  1900  i.  S.  Konkursmasse  Schlegel  c.  Maggion.) 


92.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art.  287,  Ziffer  1  und  2,  288.  Begriff  des 
„üblichen  Zahlungsmittels"  Abtretung  von  Forderungen  ist  regel- 
mässig kein  solches.  Die  Abtretung  von  Forderungen  zahlungs- 
halber oder  an  Zahlungsstatt  ist  nicht  anfechtbar,  wenn  der 
Schuldner  sich  dazu  schon  bei  der  Begründung  des  durch  die 
Abtretung  zu  tilgenden  Forderungsrechtes  (mehr  als  sechs  Monate 
vor  der  Pfändung  oder  der  Konkurseröffnung)  verpflichtet  halte. 

FrauEmma  M.-F.,  welche  in  Bern  ein  Baugeschäft  betreibt, 
trat  am  25.  November  1897  dem  Kaufmann  J.  J.  Pf.  in  Burg- 
dorf „von  ihrem  Bauguthaben  an  die  Herren  J.  S.  und  gemäss 
Bauvertrag  vom  29.  Juni  1897  eine  Summe  von  Fr.  4000" 
unter  Anzeige  an  die  Drittschuldner  förmlich  ab,  „mit  Erkennen, 


160 

den  Gegenwert  von  Pf.-D.  erhalten  zu  haben  in  Lieferungen, 
dafür  quittierend."  Diese  Abtretung  wurde  von  mehreren 
Gläubigern  der  Frau  E.  M.-F.,  welche  provisorische  Verlust- 
ßcheine  gegen  dieselbe  erwirkt  hatten,  unter  Berufung  auf 
Art.  287  Ziff.  2  und  Art.  288  des  Bundesgesetzes  gerichtlich 
angefochten.  Die  Klage  wurde  vom  Bundesgerichte  in  Be- 
stätigung des  Entscheids  des  Appellations-  und  Kassations- 
hofes des  Kantons  Bern  abgewiesen.  Aus  den  bundesgericht- 
lichen Entscheidungsgründen  ist  hervorzuheben: 

Die  Vorinstanz  hat  die  Klage  aus  Art.  287  Betr.-Ges. 
deshalb  abgewiesen,  weil  die  Abtretung  von  Guthaben  des 
Bauunternehmers  an  den  Bauherrn  zur  Bezahlung  von  Material- 
lieferungen in  Bern  ein  übliches  Zahlungsmittel  sei,  während 
sie  annimmt,  dass  im  übrigen  die  sämtlichen  Voraussetzungen 
der  Anfechtbarkeit  nach  Art.  287  zutreffen.  Würde  nun  wirk- 
lich das  Schicksal  der  Klage  aus  Art.  287  davon  abhängen, 
ob  eine  Abtretung,  wie  sie  hier  vorliegt,  als  ein  zur  Tilgung 
einer  Geldschuld  übliches  Zahlungsmittel  betrachtet  werden 
könne,  so  müsste  die  Berufung  geschützt  und  die  Klage  gut- 

geheissen   werden Art.  287  Ziff.  2  will,  wenn  darin  die 

Tilgung  einer  Geldschuld  auf  andere  Weise  als  durch  Bar- 
schaft oder  durch  anderweitige  übliche  Zahlungsmittel  als  an- 
fechtbar erklärt  wird,  offenbar  diejenigen  Tilgungsarten  der 
Anfechtung  unterstellen,  die  den  Charakter  des  Abnormalen 
an  sich  tragen,  durch  welche  der  Schuldner  seinem  Vermögen 
etwas  entfremdet,  das  sonst,  normalerweise,  bei  dem  spätem  Zu- 
sammenbruch zur  ge8etzm aasigen  Befriedigung  der  Gesamtheit 
der  Gläubiger  oder  anderer  Gläubiger  dienen  würde.  Dieser 
Gesichtspunkt  trifft  an  sich  auch  zu  auf  die  zum  Zwecke  der 
Tilgung  einer  Geldschuld  erfolgte  Abtretung  einer  gewöhn- 
lichen Forderung.  Es  ist  etwas  von  der  Norm,  von  der  Regel 
abweichendes,  wenn  eine  Geldschuld  statt  mit  Geld  oder 
Geldes  wert,  durch  Ueberlassung  eines  persönlichen  Anspruchs 
des  Schuldners  an  einen  Dritten  getilgt  wird;  und  erfahrungs- 
gemä88  dienen  gerade  solche  Geschäfte  häufig  dazu,  die  andern 
Gläubiger  zu  schädigen,  bezw.  dem  einen  einen  gesetzwidrigen 
Vorteil  zu  verschaffen.  Allerdings  stellt  nun  das  Gesetz  bei 
der  Frage,  was  ein  zulässiges  Zahlungsmittel  sei,  auf  die 
Uebung  ab,  indem  es  bestimmt,  dass  Tilgung  durch  übliche 
Zahlungsmittel  der  Tilgung  mit  Barschaft  gleichstehe  und 
der  Anfechtung  nach  Art.  287  entrückt  sei.  Es  wäre  darnach 
denkbar,  dass  die  Abtretung  einer  Forderung  zur  Tilgung 
einer  Geldschuld,  trotzdem  gewöhnliche  Forderungen  ihrem 
Wesen  nach  nicht  hiezu  bestimmt  sind,  nicht  unter  Art-  287 


161 

fallen  würde,  dann  nämlich,  wenn  die  Ausnahme  an  einem 
bestimmten  Orte  oder  in  einem  bestimmten  Geschäftszweige 
durch  Uebung  zur  Regel  des  Verkehrs  geworden  sein  sollte. 
Dies  könnte  jedoch  nur  dann  angenommen  werden,  wenn  die 
Abtretung  von  Forderungen  zur  Tilgung  von  Geldschulden 
an  einem  gewissen  Orte  oder  in  einem  gewissen  Geschäfts- 
zweige offenkundigerweise  derart  gebräuchlich  wäre,  dass 
im  Verkehr  ganz  allgemein  damit  gerechnet  wird,  und  dass 
diejenigen,  welche  Kredit  gewähren,  darin  durchwegs  nichts 
ausserge wohnliches  und  besonderes  erblicken.  Eine  solche 
Uebung  ist  aber  im  vorliegenden  Falle  nicht  ausgewiesen. 
Der  Experte,  auf  den  sich  die  Vorinstanz  beruft,  erklärt 
selbst,  dass  im  Verkehr  zwischen  Lieferanten  von  Bau- 
materialien und  Unternehmern  unter  gut  fundierten  Firmen 
die  Bezahlung  in  bar  das  Gebräuchliche  sei,  und  wenn 
er  weiter  anführt,  es  werde  gegenüber  Unternehmern,  die  über 
einen  grössern  Betriebsfond  nicht  verfügen,  für  die  „Sicherung" 
von  Guthaben  an  solche  Kunden  „nicht  selten"  das  Mittel 
der  Abtretung  benutzt,  oder  weiter,  es  sei  diese  da  üblich, 
wo  Barzahlung,  Anweisung  auf  Banken,  Verpfändung  von 
Titeln  u.  8.  w.  nicht  erfolgen  können,  und  wo  der  Kredit  des 
Kunden  dem  Lieferanten  nicht  genüge,  so  folgt  hieraus  doch 
geradezu,  dass  die  Abtretung  auch  in  Bern  und  in  der  frag- 
lichen Branche  eben  nicht  allgemein  als  Zahlungsmittel  üblich 
ist,  sondern  nur  unter  besondern  Umständen  von  einzelnen 
Unternehmern  den  Lieferanten  gegenüber  als  solches  benutzt 
wird.  Auch  dort  haftet  somit  einem  solchen  Geschäfte  der 
Charakter  des  Abnormalen  an,  der  es,  sofern  die  übrigen 
Voraussetzungen  des  Art.  287  Betr.-Ges.  zutreffen,  der  An- 
fechtung seitens  der  Gläubiger  des  Abtretenden  aussetzt. 

Trotzdem  muss  die  Klage  aus  Art.  287  Betr.-Ges.  ab- 
gewiesen werden  :  Die  Rechtshandlungen,  die  hier  als  anfecht- 
bar bezeichnet  werden,  sind  solche,  mittels  deren  der  Schuldner 
einem  Gläubiger  Befriedigung  oder  Sicherung  gewährte,  die 
er  nicht,  oder  noch  nicht,  oder  nicht  in  der  Art  zu  leisten  ver- 
pflichtet war.  Seine  Verpflichtungen  in  normaler  Weise  zu 
erfüllen,  ist  dem  Schuldner  durch  Art.  287  nicht  verwehrt, 
nur  besondere  Vorteile,  zu  denen  er  nicht  verpflichtet  war, 
darf  er  einzelnen  Gläubigern  in  der  kritischen  Zeit  von 
6  Monaten  vor  der  Pfändung  oder  Konkurseröffnung  nicht 
mehr  zukommen  lassen.  Nun  hat  der  Beklagte  Pf.  behauptet, 
und  die  Vorinstanz  erklärt  es  als  bewiesen,  dass  ihm  von 
Frau  M.  die  Abtretung  der  Forderung  auf  Sp.  schon  bei 
Eingehung   des  Lief  er  ungs  Vertrages   und   jedenfalls   mehr   als 


162 

6  Monate  vor  dem  massgebenden  Zeitpunkte  zugesichert  worden 
sei,  ja,  dass  Pf.  überhaupt  nur  unter  dieser  Bedingung  die  Lie- 
ferungen an  Frau  N.  übernommen  habe.  Dass  dieses  pactum 
de  cedendo  unverbindlich  gewesen  wäre,  ist  von  den  Klägern 
nicht  geltend  gemacht  worden.  Frau  M.  erfüllte  daher  ledig- 
lich eine  ihr  obliegende,  rechtliche  Verpflichtung,  wenn  sie 
am  25.  November  1897  die  Forderung  auf  Sp.  förmlich  an  Pf. 
abtrat.  Ein  solches  Verhalten  fällt  aber  nicht  unter  Art.  287 
Betr.-Ges.,  gleichviel,  ob  man  annehme,  die  Abtretung  sei 
zahlungshalber  oder  sie  sei  an  Zahlungsstatt  erfolgt.  Als 
Deckungsgeschäft  betrachtet  wird  dieselbe  durch  Ziff.  1  nicht 
betroffen,  weil  hier,  abgesehen  davon,  dass  nur  von  der  Be- 
gründung eines  Pfandrechts  die  Bede  ist,  ausdrücklich  nur 
solche  Sicherstellungen  als  anfechtbar  erklärt  sind,  zu  denen 
der  Schuldner  nicht  schon  vorher  verpflichtet  war.  Und  wenn 
man  darin  ein  Tilgungsgeschäft  erblickt,  so  trifft  Ziff.  2  nicht 
zu,  weil  es  sich  nicht  um  die  Tilgung  einer  Geldschuld  handelt, 
da  von  vornherein  als  Gegenleistung  für  die  Lieferungen  des 
Pf.  die  Ueberwei8ung  der  Forderung  auf  die  P.  versprochen 
war.  (Entsch.  vom  14.  Februar  1900  i.  S.  v.  Wattenwyl  und 
Genossen  c.  Pfister-Dür.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


93.  Unerlaubte  Handlung.  Haftung  der  Vvlocipedisten 
aus  Art.  50  q.   OR. 

Bern.     Urteil  des  App.-  und  Kass.-Hofes  vom  7.  September  ltt99  i.  S. 
Wwe  Luginbühl  c.  Finger. 

Nachdem  wir  iui  vorigen  (XVII.)  Bande  der  Revue  unter 
Nr.  108  ein  Genfer  Urteil  mitgeteilt  haben,  das  in  einer 
unseres  Erachtens  unzulässigen  Weise  den  Unfug,  der  von 
Velocipedi8ten  getrieben  wird,  unter  seinen  Schutz  genommen 
hat,  geben  wir  jetzt  Kenntnis  von  diesem  Berner  Entscheide, 
der  die  Sache  offenbar  richtiger  anpackt. 

Ein  Velocipedist  hatte  in  rascher  Fahrt,  da  er  einem 
heranziehenden  Gewitter  enteilen  wollte,  und  im  Umbiegen 
um  eine  Strassenecke,  wobei  er  .dicht  an  das  Trottoir  fuhr, 
eine  Frau,  die  ihrem  kleinen  Kinde  von  dem  Trottoir  her- 
unterhelfen wollte,  überfahren  und  schwer  verletzt.  Er  ent- 
schuldigte sich  damit,  dass  er  Warnungszeichen  gegeben  habe. 
Der  Appellationshof  aber  bezeichnete  sein  Verhalten  als  ein 
grobfahrlässiges,  als  eine  Unterlassung  der  Aufmerksamkeit, 
die  jedem  normal  veranlagten  Menschen  zugemutet  werden 
darf,  und  bemerkt  weiter: 


163 

Wenn  ein  Mitverschulden  der  Klägerin  darin  erblickt 
werden  will,  dass  sie  sich  nicht  gehörig  umgesehen  und  der 
Strasse  (woher  der  Velocipedist  kam)  den  Rücken  zugekehrt 
habe,  so  ist  zu  sagen,  dass  doch  dem  Fussgänger  nicht  zu- 
gemutet werden  darf,  nach  allen  Seiten  Umschau  zu  halten, 
ob  nicht  etwa  ein  Velofahrer  in  Sicht  sei,  und  seine  Stellung 
darnach  einzurichten.  Es  haben  sich  vielmehr  die  Velofahrer 
nach  dem  Publikum  zu  richten  und  die  zum  Sohutze  der 
letzteren  aufgestellten  polizeilichen  Vorschriften  streng  und 
gewissenhaft  zu  befolgen. 

(Zeitschr.  des  Bern.  Jur.- Vereins,  XXXVI  S.  270  ff.) 


94.  Compensation  d'une  créance  actuellement  prescrite. 
Effet  rétroactif.     Art.  138  C.  0. 

Genève«    Jugement   de  la  Cour  de  justice  civile  du  21  avril  1900  d. 
1.  c   Barnoud  c.  Vve  Raisin. 

Barnoud  a  intenté  à  veuve  Raisin,  sage-femme,  une 
action  en  paiement  de  fr.  36.50  Vve  Raisin  a  fait  valoir 
une  exception  de  compensation  entre  la  créance  de  Barnoud 
et  une  créance  quelle  avait  elle-même  contre  Barnoud  pour 
soins  donnés  à  la  femme  de  ce  dernier.  Barnoud  a  soutenu 
que  cette  exception  n'est  pas  fondée,  parce  que  la  créance 
de  l'intimée  était  prescrite.  Il  a  été  établi  que  les  soins 
données  par  Vve  Raisin  à  la  femme  du  demandeur  ont  eu 
lieu  le  31  janvier  1894,  que  la  dette  était  par  conséquent 
prescrite  le  31  janvier  1899,  et  que  la  compensation  a  été 
opposée,  pour  la  première  fois,  par  dame  R.  par  écriture  du 
4  octobre  suivant.  Les  deux  instances  ont  admis  la  compen- 
sation, la  Cour  par  les  motifs  suivants: 

Attendu  que  l'art.  138  0.  0.  dispose  que,  lorsque  le  dé- 
biteur fait  connaître  au  créancier  son  intention  d'user  du 
droit  d'opposer  la  compensation,  les  deux  dettes  sont  réputées 
éteintes  jusqu'à  concurrence  du  montant  de  la  plus  petite 
depuis  l'instant  où  elles  étaient  susceptibles  de  se  compenser; 

Attendu  que  cette  disposition  permet  d'opposer  la  com- 
pensation lorsque  la  oréance  prescrite  ne  l'était  pas  encore 
au  moment  où  le  créancier  est  devenu  débiteur  de  son  débi- 
teur, ce  qui  est  le  cas  dans  l'espèce,  puisque  les  travaux  dont 
Barnoud  réclame  le  prix  remontent  au  20  mars  et  au 
18  avril  1896; 

Attendu,  il  est  vrai,  que  M.  Rössel,  dans  son  Manuel 
p.  184,  soutient  l'opinion  que,  du  moment  que  le  C.  0.  exige 
une  déclaration  de  la  volonté  de  compenser,  cette  déclaration 
ne  peut  avoir  d'effet    que   si    elle  a    pour   cause  une  créance 


164 

non  éteinte,  une  créance  exigible,  ce  qui  n'est  pas  le  cas 
pour  une  créance  prescrite,  mais  qu'il  ajoute  que  le  C.  0. 
décide  que  la  compensation,  une  fois  opposée,  rétroagit  jus- 
qu'à l'instant  où  les  deux  dettes  étaient  susceptibles  de  se 
compenser  et  que  c'est  là  une  disposition  bien  singulière  et 
qui  rapproche  beaucoup,  en  définitive,  le  système  du  C.  0. 
de  celui  du  droit  français; 

Attendu  que  cette  disposition  n'est  singulière  que  si  on 
admet  l'opinion  de  M.  Rössel,  d'après  laquelle  on  ne  pourrait 
pas  compenser  en  vertu  d'une  créance  prescrite,  même  si  cette 
créance  ne  l'était  pas  au  moment  où  le  droit  de  compenser 
a  pris  naissance; 

Qu'il  est,  au  contraire,  à  tel  point  conforme  au  bon  sens 
et  à  l'équité  que,  dans  ce  cas,  la  compensation  puisse  être 
opérée,  que  l'on  conçoit  très  bien  que  le  législateur,  tout  en 
repoussant  le  système  de  la  compensation  de  plein  droit  du 
droit  français,  ait  voulu  cependant  laisser  à  la  partie  pour- 
suivie le  droit  d'invoquer,  pour  la  compensation,  une  créance 
dont  elle  aurait  pu  exiger  de  la  partie  poursuivante  le  paie- 
ment à  l'époque  où  elle  est  devenue  sa  débitrice. 

Que  c'est  ainsi  que  le  Code  civil  de  l'empire  d'Alle- 
magne, qui  exige  comme  le  G.  0.  une  déclaration  de  la 
volonté  de  compenser  pour  que  la  compensation  s?opère,  après 
avoir  dit  au  §  390  qu'une  créance  qui  est  sujette  à  une 
exception  ne  peut  être  compensée,  ajoute:  „la  prescription 
n'exclut  pas  la  compensation  lorsque  la  créance  prescrite  ne 
Tétait  pas  au  moment  où  elle  pouvait  être  opposée  en  com- 
pensation à  l'autre  créance;" 

Qu'il  faut  donc  décider  que  la  veuve  Raisin  est  fondée 
à  opposer  la  compensation  malgré  l'exception  de  prescription 
soulevée  par  Barnoud.  (La  Semaine  judiciaire,  XXII  p.  378  88.) 

95.  Vertrag  oder  Vereinsbeschlussî  Einfache  Gesell- 
schaft? Art.  524  0.  R. 

Ciraubüntlen.      Urteil    de*    Kantousgeriehts  vom    5.  Mai  1899   i.  S. 
Theii88  &  Comp.  c.  Bücheli  &  Comp. 

Zwischen  den  Inhabern  der  Coiffeurgeschäfte  in  Chur 
kam  folgende  Uebereinkunft  zu  stände: 

Unterzeichnete  Kollegen  des  Coiffeur -Prinzipalen -Vereins 
versprechen  sich  gegenseitig  untenstehende  Artikel  dann  inne- 
zuhalten, wenn  sämtliche  Prinzipale  unterzeichnet  haben: 

1 

2.  Die  Magazine  werden  vom  1.  April  bis  Ende  September 
an  Sonn-  und  allgemeinen  Festtagen  am  12  Uhr  und  vom 
1.  Oktober  bis  Ende  März  um  2   Uhr  geschlossen. 


165 


4.  Uebertretnng  dieser  Urkunde  steht  unter  derselben  Eon- 
ventionalbusse  wie  die  des  Preistarifs. 

Der  Art.  4  ist  durchgestrichen.  Das  Uebereinkommen 
ist  von  sämtlichen  Klägern  und  Beklagten  unterzeichnet, 
trägt  aber  kein  Datum.  Der  Präsident  des  Vereins  bestätigt 
unterm  16.  Juni  1898,  dass  eine  Urkunde,  die  im  wesent- 
lichen obigen  Inhalt  hatte,  von  sämtlichen  Prinzipalen  in 
Chur  unterzeichnet  worden  sei.  Die  in  Ziffer  4  erwähnte 
Uebertretung  des  Preistarifs  steht  laut  Vertrag  vom  14.  Juni 
1898  unter  einer  Konventionalbusse  von  500  Fr. 

Arn  ö.  August  1898  versprachen  sich  mehrere  Kollegen 
des  Vereins,  einige  das  Uebereinkommen  abändernde  Artikel 
dann  innezuhalten,  wenn  sämtliche  Prinzipale  unterzeichnet 
haben.  Dieses  neue  Uebereinkommen  ist  nur  von  sechs  Prin- 
zipalen unterzeichnet  worden. 

Am  26.  August  1898  Hess  der  Präsident  des  Vereins 
allen  Prinzipalen  durch  seinen  Angestellten  ansagen,  das 
Komite  des  Vereins  habe  beschlossen,  die  Coiffeure  dürfen 
angesichts  der  bevorstehenden  Truppenbesammlung  für  die 
Herbstmanöver  am  nächsten  Sonntag  nach  Belieben  offen 
halten.  Hiegegen  protestierte  keiner.  Einen  einzigen  (Dei- 
ninger)  hat  der  Angestellte  nicht  angetroffen,  aber  die  Mit- 
teilung hat  er  in  dessen  Geschäft  zurückgelassen.  Der 
Coiffeur -Gehilfen -Verein  seinerseits  beschloss  an  demselben 
26.  August,  es  sei  an  fraglichem  Sonntage  nicht  zu  arbeiten. 

Theuss  und  Kons.,  die  Kläger,  schlössen  ihre  Geschäfte 
am  28.  August  mittags  12  Uhr;  Bücheli  und  Kons.,  die  Be- 
klagten, Hessen  ihre  Geschäfte  am  Nachmittag  offen.  Des- 
halb Klage  der  ersteren  gegen  die  letzteren  auf  Anerkennung 
des  Vertrags  vom  16.  Juni  und  solidarische  Verurteilung  der 
Beklagten  zu  der  Konventionalstrafe  von  500  Fr.  Die  Kläger 
machen  geltend,  die  Uebereinkunft  vom  16.  Juni  bestehe  zu 
Recht,  die  Novelle  vom  5.  August  habe  sie  nicht  aufgehoben  ; 
der  Art.  4  gelte,  weil  er  erst  nach  der  Unterzeichnung  durch- 
gestrichen worden  sei.  Der  Coiffe ur-Prinzipal en- Verein  bilde 
eine  einfaohe  Gesellschaft  im  Sinne  des  Art.  524  0.  R.,  das 
Uebereinkommen  sei  ein  Gesellschaftsbeschluss  und  könne 
nach  Art.  532  O.  B.  nur  durch  einen  einstimmigen  Beschluss 
abgeändert  werden  ;  ein  solcher  liege  nicht  vor.  Die  Be- 
klagten spraohen  dem  Uebereinkommen  vom  16.  Juni  jede 
rechtliche  Bedeutung  ab,  es  sei  kein  Vertrag,  kein  Gesell* 
Schafts-  und  kein  Vereinsbeschluss;  die  Ziffer  4  sei  vor  der 
Unterzeichnung    gestrichen    worden,    gelte   also   nicht.      Die 

13 


166 

angebliche  Verletzung  vom  28.  August  beruhe  auf  besonderer 
Abmachung,  mit  der  alle  Prinzipale  einverstanden  gewesen  seien. 

Das  Kantonsgerioht  hat  die  Reohtsbeständigkeit  des 
Uebereinkommens  angenommen,  nicht  aber  dessen  Verletzung, 
und  demgemäss  die  Kläger  abgewiesen. 

G  rund  e:  Das  Uebereinkommen  (rom  16.  Juni)  ist  äusser- 
lich  richtig  zu  stände  gekommen  und  leidet  an  keinem  inneren 
Mangel,  der  der  Giltigkeit  des  Rechtsgeschäfts  hindernd 
im  Wege  stände.  Es  wurde  auch  selbstverständlich  durch  die 
Novelle  vom  5.  August,  die  ungiltig  ist,  weil  sie  nur  sechs 
Prinzipale  unterzeichneten,  nicht  abgeändert.  Den  rechtlichen 
Charakter  der  Uebereinkunft  betreffend  ist  zu  erwägen,  dass 
der  Coiffeur-  Prinzipal  en- Verein  keine  Gesellschaft  im  Sinne 
der  Titel  24—27  0.  R.  bildet.  Er  ist  auch  keine  einfache 
Gesellschaft  im  Sinne  des  Titels  23,  weil  das  Requisit  der 
Gemeinsamkeit  der  Mittel  und  Kräfte  zur  Erreichung  eines 
gemeinsamen  Zweckes  fehlt.  (Art.  524  0.  R.)  Das  Ueber- 
einkommen ist  daher  kein  Gesellschaftsbeschluss.  Die  In- 
haber der  Coiffeurge8chäfte  haben  die  Uebereinkunft  als 
Mitglieder  des  Coiffeur  -  Prinzipalen  -Vereins  unterzeichnet  ; 
«es  fragt  sich  daher,  ob  dieselbe  ein  blosser  Vereinsbeschluss 
oder  ein  Vertrag  sei.  Diese  Frage  ist  im  Sinne  des 
Vertrages  zu  beantworten.  Denn  trotzdem  das  Ueber- 
einkommen von  den  Parteien  als  Mitgliedern  des  Vereins 
unterzeichnet  worden  ist,  so  muss  aus  dessen  Inhalt  und 
Form  geschlossen  werden,  dass  der  Wille  der  Kontrahenten 
auf  einen  Vertrag  gerichtet  war.  Auf  den  Vertragswillen 
deutet  insbesondere  die  stipulierte  Konventionalstrafe  und  die 
Klausel,  dass  das  Uebereinkommen  erst  dann  gelten  solle, 
wenn  alle  Prinzipale  unterschrieben  haben. 

Die  Abweichung  von  diesem  Uebereinkommen,  die  am 
28.  August  seitens  der  Beklagten  stattfand,  war  eine  erlaubte, 
wenn  die  abändernde  Vereinbarung  vom  26.  August  giltig 
ist.  Nun  haben  sämtliche  Prinzipale  entweder  ausdrücklich 
oder  stillschweigend  der  Abweichung  zugestimmt;  das  Still- 
schweigen Deiningers  durfte  angesichts  der  Truppenbesamm- 
lung,  die  eine  ausnahmsweise  Abweichung  von  dem  Ueber- 
einkommen rechtfertigt,  ebenfalls  als  Zusage  angesehen  werden. 
Die  Resolution  des  Coiffeur-Gehilfen- Vereins  als  eines  un- 
bekannten Dritten  kann  daran  nichts  ändern.  Die  Formalität 
der  Schriftlichkeit  war  für  den  Abänderungsbeschluss  gemäss 
Art.  12  0.  R.  nicht  erforderlich.  Die  Abweichung  vom 
28.  August  war  also  kein  Vertragsbruch. 

(Civilnrteile  des  KantonsgerichtB  Graubünden  i.  J.  1899,  S.  58  ff.) 


167 

96.  Aberkennungsklage.  Unzulässig krit  der  Verbindung 
einer  Widerklage  mit  derselben.  Art.  83  B.-6.  über  Schuld b. 
und  Konk. 

Zürich.    Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichts  vom  7.  Juni 
1898  i.  S.  Dill  c.  Müller. 

Müller  hat  gegen  den  in  Basel  wohnhaften  Dill  gericht- 
liche Klage  im  Sinne  des  Art.  83,  Ziff.  2  des.  B.-G.  betr. 
Schuld  betr.  u.  Konk.  eingeleitet  auf  Aberkennung  einer  For- 
derung von  Fr.  918.18,  für  deren  Geltendmachung  der  Gläu- 
biger Dill  provisorische  Rechtsöffnung  erlangt  hatte.  Dabei 
stellte  der  Kläger  M.  im  Aberkenn ungsprozesse  gleichzeitig 
gegen  den  Beklagten  eine  Gegenforderung  im  Betrage  von 
Fr.  3478  in  erster  Linie  als  selbständige  Widerklage,  even- 
tuell verlangte  er  Zulassung  derselben  zur  Kompensation,  so- 
weit die  gegnerische  Forderung  durch  Abweisung  der  Ab- 
erkennungsklage Schutz  finden  sollte,  mit  Vorbehalt  des 
Rechtes,  den  Widerbeklagten  für  den  Rest  an  seinem  Wohn- 
orte zu  belangen. 

Von  Seiten  des  Dill  wurde  Abweisung  der  Aberkennungs- 
klage beantragt  und  die  Gegenforderung  des  M.  bloss  im 
Betrage  von  Fr.  18  anerkannt,  im  übrigen  das  Begehren  ge- 
stellt, dass  dieselbe  wegen  Unzuständigkeit  des  Gerichtes, 
eventuell  aus  materiellen  Gründen  verworfen  werde. 

Durch  Be8chlu88  vom  23.  April  1898  hat  das  Bezirks- 
gericht die  Inkompetenzeinrede  des  D.  abgewiesen.  Der 
letztere  beschwert  sich  hierüber  mit  dem  Antrag,  den  ange- 
fochtenen Beschluss  aufzuheben  und  festzustellen,  dass  das 
hiesige  Bezirksgericht  nicht  kompetent  sei,  auf  die  Gegen- 
forderung des  M.  (Widerklage)  einzutreten.  Die  Beschwerde 
wurde  als  begründet  erklärt,  und  demnach  die  Klage,  so- 
weit damit  neben  der  Aberkonnungsklage  ein  selbständiges 
Rechtsbegehren  gestellt  wurde,  wegen  Inkompetenz  von  der 
Hand  gewiesen. 

Gründe:  Der  Beschwerdeführer  ist  nach  Art.  59  der 
Bundesverfassung  berechtigt  zu  verlangen,  dass  er  für  per- 
sönliche Ansprachen  vor  dem  Richter  seines  Wohnortes  ge- 
sucht werde,  und  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  die 
Forderungen,  welche  der  Beschwerdegegner  M.  in  dem  vor  Be- 
zirksgericht Sorgen  obschwebenden  Prozesse  gegen  ihn  geltend 
macht,  sich  als  derartige  Ansprüche  qualifizieren.  Mit  Rück- 
sicht hierauf  könnte  der  Beschwerdegegner  einen  selb- 
ständigen Klageanspruch  auf  Bezahlung  dieser  Forderung  vor 
dem  Richter  seines  eigenen  Wohnortes  nur  in  der  Form 
einer    Widerklage    gegenüber   einer  gerichtlichen,    konnexen 


168 

Klage  des  D.  anbringen,  gemäss  der  durch  Entscheide  der 
Bundesbehörden  festgestellten  bundesrechtlichenPraxis  (Blumer- 
Morel,  Schweiz.  Bundesstaatsrecht,  III.  Ausgabe,  Bd  V  8.555 
und  §  219  des  Gesetzes  betr.  die  Rechtspflege,  mit  den  in 
Sträuli's  Kommentar  und  Supplement  angeführten  Präjudi- 
katen). Diese  Voraussetzung  mangelt  indessen  im  vorliegen- 
den Falle,  da  M.  selbst  Hauptkläger  ist  und  also  eine 
Widerklage  in  dem  von  ihm  angehobenen  Prozesse  der  Natur 
der  Sache  nach  nicht  stellen  kann.  Die  Thatsache,  dass  er 
mit  der  Aberkennungsklage  eine  von  D.  auf  dem  Wege  des 
Rechtstriebes  an  ihn  gerichtete  Forderung  mittelst  Kompen- 
sationseinrede zurückzuweisen  versucht,  ist  nicht  geeignet, 
ihm  die  dem  Beklagten  für  die  förmliche  Widerklage  ge- 
währte, privilegierte  Rechtsstellung  zu  verschaffen,  schon  des- 
wegen nicht,  weil  die  Zulassung  der  Widerklage  am  Wohn- 
ort des  Hauptklägers  eine  Ausnahme  von  einer  allgemeinen 
Rechtsregel  bildet  und,  nicht  ausgedehnt  werden  kann  auf 
analoge  Verhältnisse  (Blumer-Morel  a.  a.  0.  S.  556  und  A. 
Schoch,  Art.  59  der  Schweiz.  Bundesverfassung  S.  169),  im 
weitern  aber  auch  mit  Rücksicht  auf  die  Natur  der  Ab- 
erkennungsklage als  einer  aus  dem  besondern  Rechte  der 
Schuldbetreibung  entstandenen,  nicht  mit  der  gewöhnlichen 
Civilklage  für  persönliche  Ansprachen  identischen  Art  der 
Rechtsverfolgung. 

Die  Beschwerde  ist  sonach  als  begründet  zu  erklären 
mit  Bezug  auf  das  vom  Beschwerdegegner  neben  der  Ab- 
erkennungsklage selbständig  geltend  gemachte  Klagebegehren 
(im  Betrage  von  Fr.  3460),  zu  dessen  Beurteilung  dem  Bezirks- 
gerichte die  Kompetenz  mangelt.  Dagegen  ist  es  selbst- 
verständlich zulässig,  dass  der  Kläger  M.  die  eingeklagte 
Forderung  zur  Begründung  seiner  Aberkennungsklage  mittelst 
Kompensation  der  —  wie  es  scheint  von  ihm  an  sich  an- 
erkannten —  Forderung  des  Beklagten  verwende,  und  muss 
daher,  soweit  dies  geschieht,  d.  h.  bezüglich  des  Betrages, 
der  zur  Kompensation  erforderlich  ist,  vom  Bezirksgericht 
über  diese  Forderung  entschieden  werden.1) 
(Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entsch.,  XVII  S.  182  f.) 

')  Vergi,  zu  diesem  Falle  die  in   der  Revue  XVI  Nr.  55  a  und  b  mit- 
geteilten Urteile  und  die  Anmerkung  dazu. 


I.  Alphabetisches  Sachregister. 


Aberkennungsklage,  nicht  mit  Widerklage  verbindbar,  Nr.  96. 

Aberkennungsprozess,  Beweislast,  Nr.  89. 

Ablieferung  eines  erstellten  Gebäudes,  Nr.  38. 

Abtretung,  schriftliche  Beurkundung,  Nr.  10;  grundversicherter 
Forderungen,  Nr.  54  ;  eines  Hypothekartitels  an  Zahlungsstatt, 
Nr.  84;  von  Forderungen  kein  übliches  Zahlungsmittel,  Nr.  92; 
Â.  der  Forderung  liegt  nicht  in  der  Wechselbegebung,  Nr.  13. 

Aktenwidrigkeit,  thatsächliche  Feststellungen  kantonaler  Gerichte 
durch  das  Bundesgericht  zu  prüfen,  Nr.  2. 

Aktivlegitimation ,  der  Brandversicherungsanstalt  gegen  den 
Schädiger,  Nr.  82. 

Anfechtbarkeit,  wegen  Furchterregung,  Nr.  54  ;  der  Abtretung  von 
Forderungen  an  Zahlungsstatt,  wann?  Nr.  92. 

Anfechtung,  von  Rechtshandlungen,  Benachteiligungsabsicht,  Er- 
kennbarkeit, Nr.  90;  ausser  Konkurs,  Wirkung,  Nr.  90;  böser 
Glaube  des  Stellvertreters,  Nr.  91  ;  der  Verteilungsliste  im 
Konkurs,  Nr.  20. 

Anfechtungsklage,  rechtliche  Natur,  Nr.  48;  Streitwert,  Nr.  29. 

Anleihe,  öffentliche,  rechtliche  Natur,  Nr.  83. 

Anschlussbahn,  Pflicht  zn  Zinsvergütung  für  Mitbenutzung  der  Haupt- 
bahn, Nr.  43. 

Anweisung,  nicht  anwendbar  auf  Tratten,  Nr.  13. 

Anwendbarkeit,  eidgenössischen  Eechts,  bei  Revisionsbegehren  gegen 
bundesgerichtliche  Urteile,  Nr.  1  ;  bei  Ansprüchen  wegen  un- 
gerechtfertigter Bereicherung,  Nr.  35  ;  bei  Vergleich,  Nr.  54  ; 
auf  sachenrechtliche  Verhältnisse  der  Eisenbahngrundstücke, 
Nr.  67  ;  bei  Abtretung  von  Hypothekartiteln  an  Zahlungsstatt, 
Nr.  84. 

kantonalen  Rechts,  auf  vollmachtlose  Stellvertretung  bei 
Liegenschaftskanf,  Nr.  34;  auf  Willensniängel  (Betrug)  bei 
Liegenschaftskauf,  Nr.  37  ;  auf  Simulation  bei  kantonalrecht- 
lichen Rechtsgeschäften,  Nr.  40;  auf  Abtretung  grundver- 
sicherter Forderungen,  Nr.  54  ;  bei  Bürgschaft  auf  den  Todes- 
fall, Nr.  85. 

auswärtigen  Rechts,  bei  Vindikation  gestohlener  Inhaber- 
papiere, Nr.  36. 


170 

Arrest,  Schadenersatz  für  ungerechtfertigten  A.,  Nr.  77. 
Ausländische    Gerichte    für    Ehescheidung    von    Schweizerbürgern, 

Nr.  28. 
Auszeichnungen,    gewerbliche,  unbefugte  Verwendung  civilrechtlich 

verfolgbar,  Nr.  87. 

Bereicherung,  ungerechtfertigte,  nach  eidg.  R.  zu  beurteilen,  Nr.  35. 

Berufung  an  das  Bnndesgericht  gegen  Hanpturteile,  Zwischenent- 
scheide, Nr.  29,  30;  Streitwert,  Nr.  29,  30;  gegen  einzelne 
Mitkläger,  Nr.  30  ;  ziffermässige  Angabe  der  Beschwerdesumme, 
Nr.  31. 

Betrug,  berechtigt  zu  Vertragsaufhebung,  nicht  zu  Schadenersatz, 
Nr.  22  ;  bei  Liegenschaftskauf  unter  kantonalem  Recht  stehend, 
Nr.  37  ;  Einrede,  Voraussetzungen,  Nr.  4. 

Beurkundung,  schriftliche,  der  Abtretung,  Nr.  10. 

Beweis,  gegen  ^tatsächliche  Festetellungen  des  Strafrichters,  Nr.  23  ; 
bei  Anfechtungsklage,  Nr.  48  ;  der  Ausschliessung  des  Wahl- 
rechts zwischen  Vertragserfüllung  und  Konventionalstrafe, 
Nr.  58. 

Beweislast,  bei  Verantwortlichkeitsklage  gegen  Genossenschafts- 
vorstände, Nr.  2  ;  bei  condictio  indebiti,  Nr.  35  ;  bei  Furchter- 
regnng,  Nr.  54  ;  des  Tierhalters,  Nr.  56  ;  für  Verschlechterang 
der  Pachtsache,  Nr.  59  ;  bei  Unglücksfällen  im  Dienstverhältnis, 
Nr.  60;  für  Untergang  von  Obligationen,  Nr.  84;  für  Contra- 
hieren  in  eigenem  Namen,  Nr.  81  ;  im  Aberkennungsprocesse, 
Nr.  89. 

Boycot,  s.  Sperre. 

Bringschuld  oder  Holschnld?  Nr.  25. 

Büchertitel,  Urheberrecht,  Nr.  55. 

Bürgschaft,  ob  gültig  bei  lästigem  Nebenvertrag  des  Schuldners? 
Nr.  4;  Sicherheitsverminderung  durch  den  Gläubiger,  Nr.  61; 
Grenze  der  Haftpflicht  des  Bürgen,  Nr.  62  ;  Irrtum  über  Mit- 
bürgschaft, Nr.  79;  B.  oder  Verfügung  von  Todes  wegen? 
Nr.  85. 

Check,  Form,  massgebendes  Recht,  Nr.  65. 
Concurrence  déloyale,  s.  Wettbewerb. 
Condictio  indebiti,  Beweislast,  Nr.  35. 

Darlehen  oder  Gesellschaftsvertrag  ?  Nr.  63. 
Deliktsfähigkeit,  civilrechtliche,  Nr.  82. 

Dienstbarkeit,  Ersitzung  solcher  am  Eisenbahnkörper  ausgeschlossen, 
Nr.  67. 


171 

Dienstvertrag,  oder  Offerte  zur  Beteiligung  an  einem  Wettbewerbe? 

Nr.  12  ;  Lolmanspruch  bei  Arbeitsverllinderung,  Nr.  50;  Pflichten 

des  Die ns therm,  Nr.  60. 
Di8po8itions8tellung  der  gekauften  Ware,  bindet  die  Konkursmasse 

des  Käufers,  Nr.  86. 
Dritte,  Versicherungsvertrag  zu  Gunsten  D.,  Nr.  74. 

Ehemaklervertrag,  wann  unsittlich,  Nr.  3. 

Ehescheidung,  von  Schweizern  im  Auslande,  Nr.  28. 

Eigentumsklage,  s.  Vindikation. 

Eisenbahn,  Benutzung  derselben  durch  eine  Anschlussbahn,  Nr.  43  ; 
Haftpflicht  bei  Unfall  auf  Verbinduugsgeleisen,  Nr.  69;  bei 
Unfall  anlässlich  Unterhalts  des  Bahnkörpers,  Nr.  70. 

Eisenbahnfrachtverkehr,  bundesrätliche  Erstreckung  der  Lieferfrist, 
Nr.  88. 

Erfindungspatente,  Wesen  der  Erfindung,  Nr.  45,  68. 

Erföllungsinteresse,  Nr.  34. 

Erlöschen  der  Forderungen  bei  Nachlassvertrag,  wann?  Nr.  73. 

Expropriation,  Recht  des  Exproprianten  auf  Ausdehnung  der  Ent- 
eignung, Nr.  42. 

Fabrikbetrieb,  s.  Haftpflicht. 

Fabrik-  und  Handelsmarken,  Eechtsvermutung  zu  Gunsten  des 
ersten  Hinterlegers,  Nr.  46  ;  unbefugte  Verwendung  von  ge- 
werblichen Auszeichnungen,  Nr.  87. 

Form,  eines  Cliecks,  massgebendes  Recht,  Nr.  65. 

Frachtvertrag,   bundesrätliche  Erstreckung  der  Lieferfrist,  Nr.  88. 

Freizeichen,  Nr.  46. 

Frist,  für  Wechselpräsentation  und  Protest,  Nr.  41;  für  Geltend- 
machung von  Irrtum,  keine  Verjährungsfrist,  Nr.  80. 

Furchterregnng,  Anfechtbarkeit  des  Rechtsgeschäftes,  Nr.  54. 

Oehilfen,  Begriff  im  Sinne  von  Art.  60  0.  R.,  Nr.  7. 

Gemeingut  gewordenes  Fabrikzeichen,  Nr.  46. 

Genossenschaft,  Verantwortlichkeit  der  Direktoren,  Nr.  2. 

Gesellschaft,  einfache  oder  Verein  ?  Nr.  95  ;  Umwandlung  ihres 
Zweckes  oder  blosse  Geschäft serweiternng  ?  Nr.  40;  Anspruch 
der  Complementare  auf  Salär,  Nr.  64  ;  Betreibung  der  G.  oder 
des  einzigen  verantwortlichen  Gesellschafters?  Nr.  76. 

Gesellschaftsvertrag,  Ungültigkeit  wegen  Ausschlusses  der  Teilnahme 
am  Verlust,  Nr.  63;  G.  oder  Darlehn  oder  Schenkung?  Nr.  63. 

Glauben,  guter,  Erfordernisse  bei  Sacherwerb,  Nr.  36;  böser,  des 
Stellvertreters,   Wirkung  für  den  Vertretenen,  Nr.  91. 


--f*;v 


172 

Haftpflicht,  fur  Körperverletzung  solidarisch,  Nr.  7  ;  Unzurechnungs- 
fähiger für  Schaden,  Nr.  82  ;  des  Verkäufers  für  die  zugesagte 
Brauchbarkeit  der  Ware,  Nr.  1 1  ;  des  Eigentümers  von  Tieren, 
Nr.  24,  56  ;  des  vollmachtlosen  Stellvertreters,  Nr.  34  ;  des 
Pächters  für  Verschlechterung  der  Pachtsache,  Nr.  59;  des 
Dienstherrn  für  Berufsgefahren  der  Arbeiter,  Nr.  60;  der 
Velocipedisten,  Nr.  93  ;  der  Gemeinden  bei  Untreue  ihrer  Be- 
amten, Nr.  83. 

aus  Fabrikbetrieb,  Nr.  16,  17;  bei  Hilfsarbeitern,  Nr.  72; 
Bindung  des  Civilrichters  durch  ein  Strafurteil,  Nr.  71; 
Wegfall  des  Entschädigungsmaximums,  Voraussetzung,  Nr.7 1. 
der  Eisenbahnen,  für  beschädigte  Sachen,  Nr.  15;  für  Unfall 
auf  Verbindungsgeleisen,  Nr.  69  ;  für  solchen  bei  Unterhalt 
des  Bahnkörpers,  Nr.  70. 

Handlungsvollmacht,  Umfang,  Nr.  2. 

Heilungskosten,  im  Haftpflichtgesetz,  Begriff,  Nr.  16  ;  Ersatzleistung 
dafür  pfändbar,  Nr.  5 1 . 

Hilfsarbeiter,  Anwendbarkeit  des  Fabrikhaftpflicht gesetzes,  Nr.  72. 

Holschuld  oder  Bringschuld?  Nr.  25. 

Honorarvertrag  oder  Aufforderung  zur  Beteiligung  an  einer  Kon- 
kurrenz? Nr.  12. 


Inhaberpapiere,  gestohlene,  Vindikabilität,  Nr.  36. 

Irrtum,    wesentlicher   oder  im    Motive?    Nr.  4,  79;    ausgeschlossen 

durch  Geschäftskenntnis,  Nr.  21;  über  Bürgschaftsleistung  von 

Mitbürgen,  Nr.  79. 

Kauf,  Haftpflicht  des  Verkäufers  für  die  zugesagte  Brauchbarkeit 
der  Ware,  Nr.  1 1  ;  zur  Disposition  gestellte  Ware  kann  von 
der  Konkursmasse  des  Käufers  nicht  beansprucht  werden, 
Nr.  86  ;  von  Liegenschaften,  unter  kantonalem  Rechte,  Nr.  34, 37. 

Kollektivgesellschaft,  Vertretung  bei  Auflösung,  Nr.  14;  rechtliche 
Natur,  Nr.  75. 

Kollokationsstreitigkeiten,  Nr.  73. 

Kommanditgesellschaft,  Anspruch  des  Komplementars  auf  Salär,  Nr.  64. 

Kommissionär,  Selbsteintrittsrecht,  Voraussetzungen,  Nr.  39. 

Kompensation,  verjährter  Forderungen,  Nr.  94. 

Kompetenz,  für  Ehescheidung  von  Schweizerbürgern,  Nr.  28. 

Konfiskation,  nachgebildeter  Werke,  rechtliche  Natur,  Nr.  18. 

Konkurrenzverbot,  Gültigkeit,  Umfang,  Nr.  32,  49;  Interpretation, 
Nr.  33. 

Konkurs,  anmeldbare  Forderungen,  Nr.  73;  Aufhebung  durch  Nach- 
lassvertrag, Nr.  20. 


173 

Konkursschuldner,  verliert  ausstehende  Forderungen  an  die  Masse, 

Nr.  19. 
Konkursverfahren,  Verfügungsberechtigung  der  Konkursverwaltung 

nach  Schluss  desselben,  Nr.  89. 
Konventionalstrafe,  Nr.  32,  33, 49  ;  K.  oder  Vertragserfüllung?  Nr  58. 
Kreditinformationen,  Kreditschädigung,  Nr.  5. 

Iiehrlinge,  Berufsgefahren,  Nr.  60. 

Lieferfrist,  bundesrätliche  Erstreckung  bei  Eisenbahnen,  Nr.  88. 
Liegenschaftskäufe,  unter  kantonalem  Rechte,   Nr.  34,  37. 
Liquidation    einer    Kollektivgesellschaft,    Wirkung    betreffs    Ver- 
tretung, Nr.  14. 

Markenschutz,  s.  Fabrikmarken. 
Minderungsklage,  wegen  Betrugs,  Nr.  22. 

Mitbenutzungsrecht  oder  Miteigentum  der  Anschlussbahn  am  Bahn- 
hofe der  Hauptbahn  ?  Nr.  43. 

Nachbildung,  auch  in  anderem  Kunstverfahren,  unerlaubt,  Nr.  18. 

Nachdruck,  unerlaubter,  wann?  Nr.  44. 

Nachlass,  am  Pachtzins,  Nr.  59. 

Nachlassvertrag,  Liquidation  der  Konkursverwaltung,  Nr.  20  ;  Soli- 
darität Mitverpflichteter,  Nr.  47  ;  Wirkung  auf  Erlöschen  der 
Forderungen,  Nr.  73. 

Namen,  Contrahieren  in  eigenem  N.,  Beweislast,  Nr.  81. 

neues  Vermögen,  s.  Vermögen. 

Novation,  liegt  nicht  in  Wechselprolongation,  Nr.  8;  wiefern  in 
Vergleich  über  eine  verjährte  Forderung  liegend,  Nr.  26. 

Pacht,  Haftung  des  Pächters,  Eemissionsanspruch,  Nr.  59. 
Patent,  s.  Erfindungspatent. 
Phantasiezeichen,  wann  Freizeichen,  Nr.  46. 
Präsentations-  und  Protestfrist  bei  Wechsel,  Nr.  41. 
Prolongation  eines  Wechsels  keine  Novation,  Nr.  8. 

Quasischmerzengeld,  Nr.  5. 

Recht,  eidgenössisches,  kantonales,  auswärtiges,  8.  Anwendbarkeit. 
Remission  des  Pachtzinses,  Berechtigung,  Nr.  59. 
Retentionsrecht,     des    Vermieters,    Verantwortlichkeit    gegen    den 

Bürgen,  Nr.  61. 
Revision,  gegen  bundesgerichtliche  Urteile,  Nr.  1. 
Rügefrist,  bei  Werkvertrag  über  Gebäudeerstellung,  Nr.  38. 


174 

Schadenberechnung,  abstrakte,  Nr.  57. 

Schadenersatz,  wegen  Betrugs,  Nr.  22;  auf  Grund  Strafurteils, 
Nr.  23  ;  für  Heilungskosten,  pfändbar,  Nr.  51  ;  bei  Versiche- 
rung, Verwirkung  durch  falsche  Angaben,  Nr.  66  ;  für  un- 
gerechtfertigten Arrest,  Nr.  77. 

Schadenersatzsumme,  Angabe  bei  Berufung  an  das  Bundesgericht, 
Nr.  31. 

Schenkung  oder  Gesellschaftsvertrag?  Nr.  63. 

Schriftliche  Beurkundung  der  Abtretung,  Nr.  10. 

Schweizerbürger,  Ehescheidung  im  Auslande,  Nr.  28. 

Selbsteintrittsrecht    des   Kommissionärs,   Voraussetzungen,   Nr.  39. 

Servitut,  s.  Dienstbarkeit. 

Sicherheitsverminderung,  Verantwortlichkeit  des  Gläubigers  gegen 
den  Bürgen,  Nr.  61. 

Simulation,  nach  dem  Rechte  des  betr.  Rechtsgeschäftes  zu  beur- 
teilen, Nr.  40. 

Solidarforderung,  im  Nachlass verfahren,  Nr.  47. 

solidarische  Haftpflicht  von  Gehilfen  u.  s.  f.  für  Körperverletzungen, 
Nr.  7. 

Sperre  (Boycot),  ob  rechtswidrig?  Nr.  6. 

Stellvertreter,  dessen  böser  Glaube  schadet  dem  Vertretenen,  Nr.  91. 

Stellvertretung,  vollmachtlose,  bei  Liegenschaftskauf  unter  kanto- 
nalem Recht  stehend,  Nr.  34. 

Strafurteil,    wiefern   massgebend  für  den  Civilrichter,  Nr.  23,  71. 

Streitwert,  bei  Anfechtungsklage,  Nr.  29;  bei  Berufung  an  das 
Bundesgericht,  Nr.  29,  30;  bei  Kollokationsstreit,  Nr.  73. 

Sühnversuch,  amtlicher,  unterbricht  die  Verjährung,  Nr.  9. 

Thatsächliche  Feststellung  kantonaler  Gerichte,  Prüfung  durch  das 

Bundesgericht,  Nr.  2. 
Tiere,  Schaden  von  solchen,  Haftpflicht,  Nr.  24,  56. 

Ceberschuldung,  Begriff,  Nr.  48. 

Unfallversicherung,  s.  Versicherung. 

Unpfändbare  Gegenstände,  Nr.  51. 

Unsittlicher  Vertrag,  Begriff,  Nr.  53,  78;  Ehemaklervertrag,  Nr.  3; 

Konkurrenzverbot,  wann?  Nr.  32. 
Unterbrechung  der  Verjährung,  Nr.  9. 
Unzurechnungsfähige,  Schadenersatzpflicht,  Nr.  82. 
Urheberrecht,  Umfang,  Nr.  44;  künstlerisches,  Ausdehnung,  Nr.  18; 

litterarisches,  Recht  am  Büchertitel,  Nr.  55. 

Velocipedisten,  Haftpflicht,  Nr.  93. 

Verbindungsgeleise,  unterstehen  dem  Eisenbahnhaftpflichtgesetze, 
Nr.  69. 


175 

Vergleich,  in  Haftpflichtfällen  anfechtbar  trotz  Verurteilung  zur 
Vergleichssumme,  Nr.  17  ;  wiefern  Verjährung  aufhebend,  Nr.  26  ; 
Anwendbarkeit  des  Obligationenrechts,  Nr.  54. 

Verjährung,  Unterbrechung  durch  Ladung  zu  amtlichem  Sühnversuche, 
Nr.  9;  wiefern  durch  späteren  Vergleich  aufgehoben?  Nr.  26. 

Verjährungserwerb  von  Servituten  an  Eisenbahngrundstücken,  Nr.  67, 

Verlustschein,  Betreibung,  Nr.  52;  Wirkungen  des  im  Pfändungs- 
verfahren erlangten,  Nr.  89. 

Vermögen,  neues,  zu  Betreibung  berechtigend,  Begriff,  Nr.  52. 

Verrechnung,  s.  Kompensation. 

Verschulden,  Voraussetzung  der  Haftpflicht  aus  Delikt,  Nr.  82. 

Versicherer,  Klagrecht  gegen  den  Schädiger,  Nr.  82. 

Versicherung,  Verschweigung  wichtiger  Thatsachen,  Nr.  27;  falsche 
Angaben,  Folgen,  Nr.  66;  zu  Gunsten  Dritter,  Nr.  74.    . 

Versteigerung,  konkursrechtliche,  von  Gülten,  Rechtsstellung  des 
Ersteigerers,  Nr.  20. 

Verteilungsliste  im  Konkurs,  Anfechtung,  Nr.  20. 

Vertrag  oder  Vereinsbeschluss  ?  Nr.  95. 

Vertragsaufhebung,  wegen  Betrugs,  Nr.  22. 

Vertragsinteresse,  negatives,  Nr.  34. 

Verzug  des  Hauptschuldners,   Einfluß  s  auf  die  Bürgschaft,  Nr.  62. 

Vindikation  gestohlener  Sachen,  Nr.  36. 

Wahlrecht  zwischen  Vertragserfüllung  und  Konventionalstrafe, 
Nr.  58. 

Wechsel,  gezogene,  nicht  als  Anweisung  geltend,  Nr.  13. 

Wechselbegebung,  enthält  an  sich  nicht  Abtretung  der  Forderung, 
Nr.  13. 

Wechselpräsentation,  Frist,  Nr.  41. 

Wechselprolongation,  keine  Novation,  Nr.  8. 

Wechselprotest,  Erfordernisse,  Frist,  Nr.  41. 

Werkvertrag,  Ablieferung  bei  Gebäuden,  Rügefrist,  Nr.  38. 

Wettbewerb,  unlauterer,  bei  Anwendung  eines  gleichen  Bücher- 
titels, Nr.  55. 

Wettbewerbbeteiligung  oder  Dienstvertrag?  Nr.  12. 

Widerklage,  nicht  mit  Aberkennungsklage  verbindbar,  Nr.  96. 

Willensmängel,  bei  Liegenschaftskauf  nach  kantonalem  Rechte  be- 
urteilt, Nr.  37. 

Zahlungsmittel,  übliche,  Begriff,  Nr.  92. 
Zwischennrteile,  Berufung  an  das  Bundesgericht,  Nr.  29. 


176 


IL  Gesetzesregister. 


Art. 


L  Obligationenrecht 

16 

Nr.  40. 

Art.  198 

Nr.  54. 

17 

„   3.32.53.78. 

» 

199 

,  86. 

18 

„   4.  79. 

» 

205, 

206, 

19 

„   4.  21.  79. 

208 

.   36. 

21 

„   4.  79. 

« 

210 

„   84. 

24 

„   4. 

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229 

„   83. 

26,  27 

,   54. 

» 

231 

,   34.  37. 

28 

»   22.  80. 

7) 

243 

,    11.  22. 

36 

,   81. 

7) 

303, 

308 

„   59. 

38 

,   83. 

7> 

312 

.   61. 

46,  48 

,   34. 

n 

317 

r     59. 

50 

„   5.  6.  22.  37. 

» 

329 

.   83. 

55.    60.    82. 

* 

338 

„    12.  60. 

87.  93. 

75 

341 

.   50. 

55 

»   5. 

n 

348 

r     12. 

58 

„   82. 

* 

357, 

360, 

59 

„   23.  82. 

367 

r     38. 

60 

,    7. 

71 

398 

r     39. 

65 

„   24.  56. 

» 

406, 

412 

■    13. 

70,  72 

„   35. 

!» 

426 

.   2. 

75 

„   3.  53. 

7J 

431, 

436, 

78 

■   37. 

444, 

473 

.   39.  , 

84 

»   25. 

r> 

489 

„   4.  79.  85 

110 

„   2.  59.  83. 

rt 

499 

r   62. 

111,  112 

»   2. 

i» 

502, 

503, 

124 

,   57. 

508 

,   61. 

127 

,   34. 

» 

524 

.   95. 

128 

.   74. 

» 

531 

.   63. 

138 

,   94. 

7) 

536, 

537, 

142 

•   26. 

555, 

556 

„   64. 

143 

.   8. 

7? 

559 

•   75. 

146 

*   26. 

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561 

„   14. 

154, 157 

»   9. 

7! 

573 

„   76. 

177 

„   85. 

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582 

.    14. 

178 

,   49. 

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590, 

594 

*   64. 

179 

„   32.  33.  58. 

„ 

627, 

640 

„   40. 

181 

r   3.  53. 

n 

715 

r     2. 

183 

*   84. 

7J 

720 

,   13. 

184 

„  io. 

r> 

722 

„   65. 

177 


Art.  725, 

759, 

Art.  827 

Nr.  41. 

762 

Nr.  41. 

»  830, 

836  „  65. 

,  811, 

813  ,  13. 

,  846, 

847  ,  83. 

,  814, 

815, 

,  863 

.  14. 

818 

.  41. 

.  896 

,  66- 

,  823 

»  65. 

Art.  1  Nr.  18.  44. 
„9      ,18. 


11.  Bundesgesetz  betreffend  Feststellung  und  Beurkundung 
des  Civilstands  und  die  Ehe,  vom  24.  Dezember  1874. 
Art.  43  Nr.  28. 

III.  Bundesgesetz  über  die  Verbindlichkeit  zu  Abtretung  von 
Privatrechten,  vom  1.  Mai  1850. 

Art.  5  Nr.  42. 

IV.  Bundesgesetz  betreffend  das  Urheberrecht  an  Werken  der 
Litteratur  und  Kunst,  vom  23.  April  1883. 

Nr.  55. 

Art.  12  Nr.  44. 
.     18     „    18. 

V.  Bundesgesetz    betreffend   den  Schutz    der  Fabrik-  und 
Handelsmarken,  vom  26.  September  1890. 
Art.  1,  3,  5  Nr.  46. 

,     21,  22,  24—26     „    87. 

VI.  Bundesgesetz    betreffend    die    Erfindungspatente,    vom 
29.  Juni  1888,  revidiert  den  13.  März  1893. 
Art.  1  Nr.  45.  68.  ;  Art.  10   Nr.  45. 

VU.  Bundesgesetz    betreffend  Bau  und  Betrieb   der  Eisen- 
bahnen, vom  23.  Dezember  1872. 
Art.  30  Nr.  43. 

Vili.  Bundesgesetz   betreffend  Handhabung  der  Bahnpolizei, 
vom  18.  Februar  1878. 
Art.  1  Nr.  67. 
IX.  Bundesgesetz  betreffend  die  Rechtsverhältnisse  der  Ver- 
bindungsgeleise, vom  19.  Dezember  1874. 
Art.  6,  33  Nr.  69. 
X.  Bundesgesetz  betreffend  den  Transport  auf  Eisenbahnen, 
vom  29.  März  1893. 
Art.  29,  39  Nr.  88. 
XI.  Transportreglement  für  die  schweizerischen  Eisenbahnen, 
vom  11.  Dezember  1893. 
§  69  Nr.  88. 
XII.  Internationale  lieber einkunft  über  den  Eisenbahnfracht- 
verkehr, vom  14.  Oktober  1890. 
Art.  39  Nr.  88. 


178 


XIII.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahnen 
und  Dampf  Schiffahrtsunternehmungen  bei  Tötungen  und 
Verletzungen,  vom  1.  Juli- 1875. 


Art.  1       Nr.  69.  70. 
2  ,    15.  69. 

3,7     „    69. 


Art.  8     Nr.  15.  69. 
„9       »    15. 

.     10     .    69. 


XIV.  Bundesgesetz    betreffend  die  Arbeit   in   den  Fabriken, 
vom  23.  März  1877. 
Art.  5  Nr.  72. 

XV.  Bundesgesetz  betreffend  die  Ausdehnung  der  Haftpflicht 
aus  Fabrikbetrieb,  vom  25.  Juni  1881. 
Nr.  72.  Art.  6  Nr.  16.  17.  71. 

XVI.  Bundesgesetz  betreffend  die  Ausdehnung  der  Haftpflicht 
und  die  Ergänzung  des  Bundesgesetzes  vom  25.  Juni  1881, 
vom  26.  April  1887. 

Art.  2  Nr.  70.  |  Art.  9  Nr.  17. 

XV  11.  Bundesgesetz  über  Organisation  der  Bundesrechtspflege, 
vom  22.  März  1893. 
Art.  57  Nr.  2.  |  Art.  67    Nr.  31. 

,     58  ,   29.  30.   I      „     74     ,     2. 

„     59  „   29.  73.  |      ,     81      „     2.  29. 

„     60,  65       „   30.  I      „     95     „     1. 

XV11I.  Bundesgesetz  über  das  Verfahren  bei  dem  Bundes- 
gerichte in  bürgerlichen  Rechtsstreitigkeiten,  vom  22.  No- 
vember 1850. 

Art.  192  ff.  Nr.  1. 

XlX.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs,  vom 
11.  April  1889. 


irt 

.  40 

Nr 

76. 

Art 

.  265 

Nr.  52. 

» 

82 

V 

89. 

15 

269 

„    19.89. 

» 

83 

7t 

96. 

7t 

273 

»   77. 

» 

92 

7) 

51. 

7t 

285 

„  29.  48. 

86.  90 

» 

149 

7t 

89. 

V 

286 

,   90. 

» 

197 

7t 

19.73. 

n 

287 

„   48.  86. 

91.  92 

V 

203 

7) 

86. 

7) 

288 

„   86.  90. 

92. 

7t 

204, 

205 

7t 

19. 

» 

289 

■    29. 

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216, 

217 

7t 

47. 

7Ì 

291 

»   90. 

V 

219 

7t 

20. 

7t 

293 

.   73. 

» 

243 

7) 

89. 

7) 

315 

.   73. 

V 

250 

7t 

20. 

179 

III.  Kantonale  Entscheide  naeh  Kantonen 
geordnet. 

Zürich.  —  Nr.  22  (Art.  28,  50,  243  0.  K.).  —  Nr.  52  (Art. 
265  B.-G.  über  Seh.  und  K.).  —  Nr.  75  (Art.  559  0.  R.).  — 
Nr.  96  (Art.  83  B.-G.  über  Seh.  und  K.). 

Bern,  —  Nr.  25  (Art.  84  0.  R.).  -r  Nr.  51  (Art.  92  B.-G.  über 
Seh.  und  K).  —  Nr.  93  (Art.  50  0.  R.). 

Basel-Stadt.  —  Nr.  28  (B.-G.  über  Civilst.  und  Ehe  Art.  43). 

St  Gallen.  —  Nr.  24  (Art.  65  0.  R.).  —  Nr.  74  (Art.  128  O.R.). 

Graubünden.  —  Nr.  95  (Art.  524  0.  R.). 

Aargan.  —  Nr.  21  (Art.  19  0.  R.).  —  Nr.  77  (Art.  273  B.-G. 
über  Seh.  und  K). 

Thurgan.  —  Nr.  50  (Art.  341  0.  R.). 

Neuchfttel.  —  Nr.  27  (assurance). 

Genève.  —  Nr. 23  (Art. 59  CO.).—  Nr. 26  (Art.  142, 146 CO.).  — 
Nr.  49  (Art.  178  s.  C  0.).  —  Nr.  76  (Art.  573  C  0.  Art.  40 
L.  P.  et  F.).  —  Nr.  94  (Art.  138  C  0.). 

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Revue 

der 

Gerichtspraxis  im  Gebiete 

des 

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XIX   Band 


Revue 

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droit  civil  fédéral 

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Basel 

R.  Reich,  vormals  C.  Detloff's  Buchhandlung 

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Revue 

der 

Gerichtspraxis  iin  Gebiete 

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Bodescivilrechts 

XIX.  Band 


Revue 

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Jurisprudence  en  matière 

de 

droit  civil  fédéral 

XIX«  Volume 

Beilage  zar  Zeitschrift  far  schweizerisches  Recht,  Nene  Folge  Band  XX. 


Basel 

R.  Reicb;  vormals  C.  Detloffs  Buchhandlung: 

1901. 


I""!  8-  1910 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


1 .  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  65  Abs.  2.  Bundesgesetz  über  Schuldbetrei- 
bung und  Konkurs  vom  11.  April  1889,  Art.  193,  250  Abs.  4.  Die 
kurze  fünftägige  Berufungsfrist  gilt  auch  für  Kollokationssir  eilig- 
keitent  die  bei  Liquidation  einer  ausgeschlagenen  Verlassenschaft 
entstehen. 

Nach  Art.  193  des  Schuldbetreibungs-  und  Konkurs- 
gesetzes wird  eine  ausgeschlagene  Verlassenschaft  unter  Be- 
obachtung der  im  VII.  Titel  enthaltenen  Bestimmungen  vom 
Konkursamte  liquidiert.  Es  finden  demnach  auf  eine  derartige 
Liquidation  die  Bestimmungen  der  Art.  221 — 270  des  Schuld- 
betreibungs- und  Konkursgesetzes  Anwendung,  speziell  also 
auch  die  Vorschrift  des  Art.  250  Abs.  4  leg.  cit.,  wonach 
Prozesse  über  Anfechtung  des  Kollokationsplanes  im  be- 
schleunigten Verfahren  geführt  werden.  Für  die  im  be- 
schleunigten Verfahren  des  Schuldbetreibungs-  und  Konkurs- 
gesetzes geführten  Prozesse  aber  ist  die  Frist  zur  Berufung 
an  das  Bundesgericht  nicht  die  ordentliche  20tägige,  sondern 
die  kurze  fünftägige  des  Art.  65  Abs.  2  0.  G.  (vergi.  Entsch. 
<i.  B.  G.  vom  6.  Juli  1900  in  Sachen  Marchand  c.  Nachlass- 
inasse Rossé).  Danach  ist  dann  im  vorliegenden  Falle  die 
Berufung  verspätet  eingelegt  worden.  Den'i  es  ist  wohl  die 
ordentliche  20tägige,  nicht  aber  die  für  Kollokationsstreitig- 
keiten geltende  fünftägige  Berufungsfrist  innegehalten  worden. 
(Entsch.  vom  30.  November  1900  i.  S.  Masse  Stocker-Jost  c. 
Mariani  Sala  &  Gie.) 


2.  0.  it.  Art.  67.  Bundesgesetz  betreffend  die  Erstellung  von 
Telegraphen-  und  Telephonlinien  vom  26.  Juni  1889,  Art.  t.  Die 
eidg.  Telegraphen-  und  Telephonverwaltung  ist  für  den  durch 
mangelhaften  Unterhalt  oder  fehlerhafte  Anlage  oder  Herstellung 
ihrer  Leitungen  verursachten  Schaden  gemäss  Art.  67  0.  R.  ver- 
antwortlich; speziell  für  den  Schaden^  der  durch  eine  fehlerhafter- 


r  :j  si- 


weise  in  die  Fahrbahn  einer  Strasse  gepflanzte  Telephonstange 
herbeigeführt  worden  ist. 

Der  Kläger  führte  am  26.  Dezember  1898  abends  ca. 
8V2  Uhr  mit  seinem  Fuhrwerke  einen  Reisenden  von  Orson- 
nens  nach  dem  Bahnhofe  von  Villaz-St-Pierre.  Zwischen 
Foyens  und  Villaz-St-Pierre  stiess  das  Fuhrwerk  gegen  eine 
in  die  Fahrbahn  der  Strasse  gepflanzte  Telephonstange.  In- 
folge des  Anpralls  wurde  der  Kläger  aus  dem  Fuhrwerke 
herausgeschleudert  und  erlitt  dadurch  schwere  körperliche 
Verletzungen.  Seine  gegen  die  eidgenössische  Telegraphen- 
und  Telephonverwaltung  gerichtete  Klage  auf  Ersatz  des 
durch  diesen  Unfall  erlittenen  Schadens  wurde  vom  Bundes- 
gerichte grundsätzlich  gutgeheissen,  wobei  indess  immerhin 
der  Betrag  der  Entschädigung  herabgesetzt  wurde,  weil  den 
Kläger  wegen  raschen,  unvorsichtigen  Fahrens  ein  Mit- 
verschulden treffe.  In  grundsätzlicher  Beziehung  wird  in  der 
bundesgerichtlichen  Entscheidung  im  wesentlichen  ausgeführt: 

La  question  de  savoir  si  la  responsabilité  de  la  Con- 
fédération en  sa  qualité  d'administration  des  téléphones,  peut 
être  déduite  directement  de  la  loi  fédérale  du  26  juin  1889 
sur  rétablissement  des  lignes  télégraphiques  et  téléphoniques, 
doit  recevoir  une  solution  négative. 

Cette  loi  porte  bien,  à  son  art.  1er,  que  la  Confédération  a 
le*  droit  de  disposer,  pour  rétablissement  de  lignes  télégraphi- 
ques et  téléphoniques  aériennes  et  souterraines,  des  places,  rues, 
routes  et  sentiers,  cours  d'eau,  canaux,  lacs  et  rives,  faisant 
partie„du  domaine  public,  moyennant  indemnité  pour  le  dommage 
que  la  construction  et  l'entretien  pourraient  occasionner,  et  en 
tout  cas  en  respectant  le  but  auquel  le  domaine  public  est  dettine. 

Toutefois  la  dite  loi  ressortit  essentiellement  au  domaine 
du  droit  public;  elle  règle  surtout  les  droits  de  la  Confédéra- 
tion, tant  vis-à-vis  des  particuliers  dont  la  propriété  doit  être 
cédée  ou  utilisée  en  vue  de  l'installation  d'une  ligne  télégra- 
phique ou  téléphonique,  que  vis-à-vis  des  propriétaires  ou 
administrateurs  du  domaine  public  dont  il  est  nécessaire  de 
disposer  à  cet  effet.  En  revanche  elle  ne  dit  rien  de  la 
responsabilité  que  la  Confédération  pourrait  encourir  da  fait 
qu'elle  aurait  contrevenu  à  la  prescription  légale  qui  lui  im- 
pose l'obligation  de  respecter  le  but  auquel  le  domaine  public 
est  destiné.  Cette  obligation  est  sans  doute  imposée  à  la  Con- 
fédération par  la  loi  précitée,  mais  la  sanction  n'en  est  pas 
indiquée  et  celle-ci  doit  dès  lors  être  cherchée  dans  le  droit 
commun,  notamment  dans  les  dispositions  du  C.  0.  qui  régissent 
les  actes  illicites  et  les  cas  de  responsabilité. 


Dans  l'espèce,  il  s'agit,  non  d'un  dommage  causé  par  le 
travail  d'installation,  qui  était  terminé  depuis  longtemps  lors 
de  l'accident,  mais  d'un  accident  que  le  demandeur  attribue 
au  fait  que  le  poteau  contre  lequel  il  a  été  projeté  constituait 
par  sa  situation  une  installation  dangereuse.  Il  voit  une  faute 
de  la  défenderesse  dans  le  fait  qu'elle  a  planté  ce  poteau  en 
dedans  des  limites,  soit  dans  l'aire  de  la  route,  faute  aggravée 
encore  par  la  circonstance  que,  contrairement  à  la  loi,  la 
Confédération  ne  s'est  pas  entendue,  pour  la  pose  de  la  ligne, 
avec  les  autorités  fribourgeoises.  La  présente  action  se  fonde 
ainsi,  en  réalité,  en  première  ligne,  sur  l'art.  67  G.  0.,  et  la 
faute  de  la  Confédération  ou  de  ses  agents  est  invoquée  pour 
démontrer  qu'elle  était  sans  excuse  lorsqu'elle  a  établi  et  laissé 
subsister  une  installation  dont  le  caractère  dangereux  ne 
pouvait  lui  échapper. 

L'art.  67  rendant  responsable,  sans  distinction,  le  proprié- 
taire du  bâtiment  ou  ouvrage,  pour  le  dommage  causé  par  le 
défaut  d'entretien  ou  vice  de  construction,  il  est  incontestable 
que  cette  disposition  s'applique  également  aux  bâtiments  ou 
autres  ouvrages  qui  appartiennent  à  la  Confédération  et  non 
à  des  particuliers.  En  outre  il  est  manifeste  qu'un  poteau 
téléphonique  constitue  un  ouvrage  dans  le  sens  de  l'art.  67 
{voir  arrêts  du  Tribunal  fédéral  dans  les  causes  Lauffer  et 
Francesohetti  e.  Zacchia,  Reo.  off.  XXII,  page  1155;  Commune 
de  Corbières  c.  Bellora,  ibid.  XXIV,  II,  page  103;  Blanc  c. 
Mercier  et  Baud,  ibid.  XXV,  II,  page  112). 

Il  pourrait,  en  revanche,  paraître  plus  douteux  si  on  peut 
parler,  dans  l'espèce,  d'un  dommage  causé  à  Ch.  par  le  défaut 
d'entretien  ou  par  le  vice  de  la  construction  du  poteau.  Au 
sujet  de  l'entretien  de  celui-ci,  le  demandeur  n'a  jamais 
formulé  de  critique;  mais  quant  au  vice  de  la  construction, 
le  texte  allemand  de  la  loi,  qui  va  plus  loin  que  le  texte 
français,  rend  responsable  le  propriétaire  du  bâtiment  ou 
ouvrage,  non  seulement  pour  le  dommage  causé  par  le  vice 
de  la  construction,  au  sens  technique  de  cette  expression, 
mais  encore  pour  celui  qui  s'est  produit  „infolge  mangelhafter 
Unterhaltung  oder  fehlerhafter  Anlage  oder  Herstel- 
lung," c'est  à  dire  ensuite  d'une  installation  fautive,  con- 
traire aux  règles  de  l'art. 

Or,  en  l'espèce,  la  cause  première  de  l'accident  est  le 
fait  que  le  poteau  téléphonique  contre  lequel  Ch.  est  venu 
butter  se  trouvait  implanté  en  dedans  de  la  route,  au  lieu 
d'être  à  la  limite,  et  qu'il  diminuait  ainsi  de  3172  cm  au 
minimum,  au  préjudice  de   ceux   qui  circulaient  sur  la  route 


à  char  ou  à  pied,  la  surface  viable  existante  ailleurs.  L'in- 
stallation de  ce  poteau  dans  ces  conditions  apparaît  comme 
essentiellement  défectueuse,  comme  une  „fehlerhafte  Anlage* 
dans  le  sens  de  l'art.  67  C.  0.  susvisé.  Le  public  qui  cir- 
cule sur  la  route  de  Fuyens  à  Villaz-St-Pierre  a  évidemment 
le  droit  d'admettre  qu'il  peut  le  faire  sur  toute  la  partie  viable 
de  cette  route,  et  il  ne  saurait  supposer  qu'un  poteau  télé- 
phonique empiète  de  60  cm  sur  la  limite  extrême  de  la  route, 
et  de  30  cm,  si  ce  n'est  davantage,  sur  la  partie  qui  reste 
viable  à  partir  du  bord  du  talus.  Celui  qui  a  établi  Ja  ligne 
téléphonique  devait  se  rendre  compte  que  toute  la  partie  viable 
de  la  route  était  affectée  à  la  circulation  et  qu'en  restreignant 
cette  partie  dans  la  mesure  susindiquée,  il  gênait  la  dite 
circulation  d'une  manière  peut-être  dangereuse  pour  les  tiers, 
alors  surtout  que  le  poteau  en  question  te  trouvait  placé 
immédiatement  après  un  contour,  et  masqué  par  une  maison. 
Le  fait  de  cette  installation  objectivement  défectueuse 
suffit  pour  entraîner  la  responsabilité  du  propriétaire.  (Entscb. 
vom  6.  Oktober  1900  i.  S.  Chassot  c.  Eidgenossenschaft.) 


3.  Bundesgeseiz  über  die  Organisation  der  Bundesrechls- 
pflege  vom  22.  März  1893,  Ari.  56  und  57.  Bundesgesetz  be- 
treffend die  Feststellung  und  Beurkundung  des  Civilstands  und 
die  Ehe  vom  24.  Dezember  1874,  Art.  29  und  30.  0.  R.  Art.  50 
und  55,  76.  Der  Verlöbnisvertrag  gehört  dem  Famüienrecht  an 
und  untersteht  ausschliesslich  dem  kantonalen  Rechte.  In  dem 
ungerechtfertigten  Rücktritte  vom  Verlöbnisse  liegt  an  sich  keine 
unerlaubte  Handlung,  sondern  nur  (insofern  das  Verlöbnis  recht- 
lich bindend  war)  eine  Vertragsverletzung.  Doch  kann  der  Vrr- 
löbnisbruch  zufolge  der  besondern  Umstände,  unter  denen  er  sich 
vollzieht,  im  einzelnen  Falle  eine  unerlaubte  Handlung  involvieren . 
Voraussetzungen,  unter  denen  dies  der  Fall  ist. 

Wie  das  Bundesgencht  schon  wiederholt  ausgesprochen 
hat,  ist  der  Verlöbnisvertrag  ein  tarn ilien rechtlicher  Vertrag, 
welcher  nach  Art.  76  0.  R.  durch  das  kantonale  Recht  ge- 
regelt wird,  so  dass  auf  denselben  die  vertragsrechtlichen 
Normen  des  0.  K.  (speziell  die  Grundsätze  über  Erfüllung  der 
Obligationen,  Folgen  der  Nichterfüllung  u.  s.  w.)  jedenfalls 
als  solche,  als  Normen  des  eidg.  Rechts,  keine  Anwendung 
finden.  Daran  ändert  es  selbstverständlich  nichts,  dass  das 
schwyzerische  Recht  ausdrückliche  Gesetzesbestimmungen 
über  den  Verlöbnisvertrag  nicht  enthält;  trotz  dieses  Man- 
gels   ist,    da    eben    die    Materie,    welcher    der    Verlöbnis- 


vertrag  angehört,  das  Familienrecht,  der  kantonalrechtlichen 
Ordnung  unterliegt,  nach  kantonalem  Rechte  (dem  Ge- 
wohnheitsrecht bezw.  den  allgemeinen  Grundsätzen  des  kan- 
tonalen Rechts)  zu  entscheiden,  ob  überhaupt  und  even- 
tuell unter  welchen  Voraussetzungen  dem  Verlöbnisvertrage 
rechtliche  Wirkung  zukommt,  inwieweit  der  Rücktritt  von 
demselben  zum  Schadenersatze  (wegen  Nichterfüllung  einer 
Vertragspflicht)  verpflichtet,  welcher  Schaden  zu  ersetzen 
ist,  u.  s.  w.  Es  kann  nämlich  auch  nicht  etwa  gesagt  werden, 
Form  und  Wirkungen  des  Verlöbnisses  seien  in  Art.  29  und  30 
C.  St.  G.  bundesrechtlich  geregelt.  Denn  das  Eheversprechen, 
von  welchem  hier  die  Bede  ist,  welches  die  Grundlage  der 
Verkündung  bildet  und  zu  den  Förmlichkeiten  der  Eheschlies- 
sung  gehört,  ist  von  dem  Verlöbnisse  als  selbständigem  Ver- 
trage verschieden;  letzteres  untersteht  hinsichtlich  seiner  Form 
und  seiner  Folgen  grundsätzlich  dem  kantonalen  und  nicht 
dem  eidgenössischen  Recht,  wobei  nur  die  Beschränkung 
Platz  greift,  dass  nach  bundesrechtlichen  Grundsätzen  weder 
ein  gerichtlicher  Zwang  zur  Eheschliessung  stattfinden  darf, 
noch  die  Folgen  des  Verlöbnisvertrages  derart  geregelt  werden 
dürfen,  dass  dadurch  faktisch  die  Freiheit  der  Eheschliessung 
vernichtet  wird.  Da  letztere  bundesrechtlichen  Beschränkungen 
hier  nicht  in  Frage  stehen,  so  ist  das  Bundesgericht  zu  Be- 
urteilung der  vorliegenden  Klage,  insoweit  dieselbe  als  eine 
Vertragsklage,  eine  vertragliche  Schadenersatzklage  wegen 
Nichterfüllung  des  Eheversprechens  durch  die  Beklagte  sich 
qualifiziert,  gemäss  Art.  56  und  57  0.  G.  nicht  kompetent, 
indem  insoweit  nicht  eidgenössisches,  sondern  kantonales  Recht 
anwendbar  und  auch  nicht  etwa  eidgenössisches  Recht  von 
der  Vorinstanz  angewendet  worden  ist. 

Nun  wird  indess  die  Klage  nicht  nur  auf  die  Nichterfül- 
lung des  VerlöbnJ8vertrage8  durch  die  Beklagte  begründet,  son- 
dern es  wird  zu  deren  Begründung  auch  auf  Art.  50  fl.,  spe- 
ziell Art.  55  0.  R.  abgestellt,  also  geltend  gemacht,  es  liege 
im  Rücktritte  vom  Verlöbnisse  in  concreto  eine  unerlaubte 
Handlung  im  Sinne  des  Art.  50  f.  0.  R.,  d.  h.  eine  Handlung, 
welche,  auch  abgesehen  von  der  Verletzung  der  Vertragspflicht 
aus  dem  Verlöbnisvertrage,  widerrechtlich  sei.  In  dieser  Hin- 
sicht ist,  wie  das  Bundesgericht  stets  anerkannt  hat,  eidge- 
nössisches Recht  massgebend,  und  das  Bundesgericht  ist  daher 
zur  Beurteilung  der  Berufung  kompetent  und  hat  auf  deren 
Prüfung  einzutreten. 

Dabei  ist  aber  grundsätzlich  festzuhalten:  In  dem  Ver- 
löbnisbruch an  sich  liegt  keine  unerlaubte  Handlung  im  Sinne 


des  Art.  50  ff.  0.  R.;  kein  Delikt.  Derselbe  enthält,  sofern 
etwa  das  massgebende  kantonale  Recht  den  freien  und  will- 
kürlichen Rücktritt  vom  Verlöbnis  gestattet,  oder  sofern  das 
Verlöbnis  nach  dem  massgebenden  kantonalen  Rechte,  wegen 
mangelnder  Form  u.  dgl.  rechtlich  nicht  gültig  ist,  überhaupt 
nichts  Rechtswidriges;  sofern  dagegen  das  kantonale  Recht 
den  freien  Rücktritt  vom  Verlöbnisse  nicht  gestattet  und  das 
Verlöbnis  nach  kantonalem  Rechte  gültig  ist,  so  liegt  in  dem 
Verlöbnisbruch  allerdings  eine  Rechtswidrigkeit,  allein  kein 
Delikt,  sondern  eine  blosse  Vertragsverletzung.  Er  enthält 
die  Verletzung  einer  vertraglich  übernommenen  rechtlichen 
Verpflichtung,  aber  er  ist  keine  Handlung,  welche  gegen  ein 
allgemeines,  d.  h.  auch  abgesehen  von  besonders  übernom- 
mener vertraglicher  Verpflichtung  geltendes  Gebot  der  Rechts- 
ordnung Verstössen  würde.  Er  ist  nur  deshalb  rechtswidrig, 
weil  er  vertragswidrig  ist.  Schutz  gegen  den  Verlöbnis- 
bruch an  sich  gewähren  daher  nur  diejenigen  Normen,  welche 
die  Folgen  der  Nichterfüllung  des  Verlöbnisvertrages  regeln, 
d.  h.  die  Normen  des  kantonalen  Rechts,  nicht  dagegen  die 
Bestimmungen  des  eidg.  0.  R.  über  die  Schadenersatzpflicht 
aus  unerlaubter  Handlung.  Damit  diese  letzteren  zur  An- 
wendung kommen,  müssen  besondere  Umstände  vorliegen,  zu- 
folge welcher  der  Verlöbnisbruch  sich  als  eine,  auch  abge- 
sehen von  der  Verletzung  einer  übernommenen  Vertragspflicht, 
rechtswidrige  Handlung,  als  ein  rechtswidriger  Angriff  aut 
ein  Rechtsgut  darstellt,  welches  durch  die  Rechtsordnung  all- 
gemein, nicht  nur  in  der  Richtung  gegen  Verletzung  beson- 
derer vertraglicher  Verpflichtungen,  geschützt  ist.  Das  Ver- 
halten des  vom  Verlöbnis  zurücktretenden  Teils  muss  also 
ein  solches  sein,  welches  sich  auch  dann,  wenn  ein  vertrag- 
licher Anspruch,  sei  es,  weil  das  kantonale  Recht  einen  sol- 
chen überhaupt  nicht  kennt,  sei  es  wegen  mangelnder  Form 
des  Verlöbnisses  u.  dgl.  nicht  besteht,  als  ein  rechtswidriges, 
Persönlichkeits-  oder  Vermögensrechte  des  andern  Teils  ver- 
letzendes darstellt.  Dies  ist  beispielsweise  dann  der  Fall, 
wenn  der  Bruch  des  Verlöbnisses  in  verletzender,  den  andern 
Teil  der  Missachtung  oder  dem  Gespötte  unverdient  aus- 
setzender oder  seinen  guten  Ruf  gefährdender  Art  und  Weise 
erfolgt,  oder  wenn  der  vom  Verlöbnis  Zurücktretende  mut- 
willig oder  gar  etwa  in  eigennütziger  oder  unlauterer  Absicht 
den  andern  Teil  über  seine  wahre  Absicht  getäuscht  und 
hingehalten  hat  u.  dgl.  Dagegen  kann  selbstverständlich  nicht 
deshalb  allein  von  einer  widerrechtlichen  ernstlichen  Ver- 
letzung   persönlicher    Verhältnisse    gesprochen    werden,   weil 


durch  den  einseitigen  Rücktritt  vom  Verlöbnisse  der  andere 
Teil,  was  ja  in  grösserem  oder  geringerem  Masse  stets  der 
Fall  sein  wird,  sich  gekränkt  oder  schmerzlich  berührt  fühlen 
mag.  Denn  dies  ist  einfach  eine  Folge  der  Nichterfüllung 
des  Verlöbnisses  an  sich.  (Entsoh.  vom  29.  September  1900 
i.  S.  B.  c.  K.) 

4.  Bundesgesetz  über  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  56,  57.  0.  R.  Art.  76.  Der  Vorbehalt 
des  Art.  76  0.  R.  ist  lediglich  deklarativer  Natur  ;  Schuldverpflich- 
tungen aus  famihen-  und  erbrechtlichen  Verhältnissen  und  aus 
Gründen  des  öffentlichen  Rechtes  unterstehen  nicht  nur  hinsicht- 
lich ihrer  Entstehung,  sondern  auch  hinsichtlich  ihrer  Wirkungen 
und  ihres  Erlöschens  nicht  den  Bestimmungen  des  0.  R. 

Wie  aus  der  Begründung  des  angefochtenen  Urteils  her- 
vorgeht, hat  die  Vorinstanz  die  auf  Schadenersatz  wegen  Be- 
hinderung der  Flösserei  gerichtete  Klage  deshalb  grundsätz- 
lich gutgeheißen,  weil  die  der  Beklagten  vom  Regierungsrate 
des  Kantons  Aargau  erteilten  Konzessionen  für  Nutzbarmachung 
der  Wasserkräfte  des  Rheines  bei  Rheinfelden  und  das  damit 
im  Zusammenhang  stehende  Flössereiverbot  eine  Verpflich- 
tung des  Konzessionärs  zur  Schadloshaltung  der  Flösser,  und 
damit  auch  des  Klägers  in  sich  schliessen.  Die  in  Rede 
stehenden  Erlasse  des  aargauischen  Regierungsrates  sind  aber 
öffentlich-rechtliche  Akte,  Aeusserungen  der  kantonalen  Staats- 
hoheit. Die  Verpflichtungen,  welche  aus  denselben  für  die 
Beklagte  resultieren,  haben  somit  ihren  Entstehungsgrund  im 
kantonalen  öffentlichen  Recht;  es  sind  Verbindlichkeiten 
öffentlich-rechtlicher,   nicht  privatrechtlicher  Natur. 

Beruht  also  die  in  dem  angefochtenen  Urteil  ausge- 
sprochene Verpflichtung  der  Beklagten  zur  Schadenersatz- 
leistung an  den  Kläger  auf  der  Annahme  einer  dahingehenden 
öffentlich-rechtlichen  Obligation,  so  handelt  es  sich  um  die 
Anwendung  nicht  des  eidgenössischen,  sondern  des  kantonalen 
Rechtes,  und  das  Bundesgericht  ist  daher  gemäss  Art.  56  u.  57 
des  Org.  Ges.  nicht  kompetent,  auf  die  Berufung  einzutreten. 
Das  eidg.  0.  R.  spricht  freilich  bloss  in  Bezug  auf  die  Ent- 
stehung von  Schuldverpflichtungen  aus  Gründen  des  öffent- 
lichen Rechts,  sowie  aus  familien-  und  erbrechtlichen  Ver- 
hältnissen ausdrücklich  aus,  dass  hier  die  Regelung  des  kan- 
tonalen oder  des  bezüglichen  eidgenössischen  Rechtes  gelte 
(Art.  76  0.  R.).  In  Bezug  auf  die  Wirkungen  und  die  Er- 
löschungsgründe dieser  Obligationen  enthält  der  Gesetzestext 
einen  gleichlautenden  allgemeinen  Vorbehalt  nicht.    Allein  die 


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hierauf  gegründete  Schlussfolgerung,  dass  auf  Schuldverpflich- 
tungen, die  im  kantonalen  öffentlichen  oder  bürgerlichen  Recht 
wurzeln,  das  eidg.  0.  R.,  wenigstens  was  die  Wirkungen  und 
den  Untergang  betrifft,  Anwendung  finde,  kann  nicht  als  be- 
rechtigt anerkannt  werden  ;  denn  das  eidg.  0.  R.  umfasst  über- 
haupt, entsprechend  der  Verfassungsbestimmung,  in  deren  Aus- 
führung es  erlassen  worden  ist,  nur  diejenigen  Obligationen, 
die  aus  dem  privaten  Vermögensverkehr,  aus  dem  Verkehrs- 
recht und  aus  Delikten  entspringen.  Die  Obligationen  aus 
öffentlichem  Recht,  wie  diejenigen  aus  fami  li  en  rechtlich  en  und 
erbreohtlichen  Verhältnissen  liegen  vollständig  ausserhalb  dieser, 
dem  genannten  Bundesgesetz  zugeschiedenen  Materie,  und  es 
können  deshalb  dessen  Bestimmungen  auf  dieselben  überhaupt 
keine  Anwendung  finden.  Hieraus  ergiebt  sich  denn  auch, 
dass  dem  Art.  76  0.  R.  lediglich  die  Bedeutung  einer  rein 
deklaratorischen,  angesichts  des  Art.  64  der  Bundesverfassung 
von  1874  durchaus  selbstverständlichen  Bestimmung  beige- 
messen, und  ein  Schiusa  e  contrario  im  bezeichneten  Sinne 
aus  derselben  nicht  gezogen  werden  kann.  (Entsch.  vom 
14.  September  1900  i.  S.  Aktiengesellschaft  Kraftübertragungs- 
werke Rheinfelden  c.  Wunderlin.) 


5.  0.  R.  Ail.  110,  234,  243  ff.  255.  Wann  berechtigt  bei  einem 
in  Ratenlieferungen  zu  erfüllenden  Kaufe  die  Mangelhaftigkeit  ein- 
zelner Lieferungen  den  Käufer  zum  Rücktritte  vom  ganzen  Ver- 
trage? Art.  234  0.  R.  greift  nicht  Platz,  wenn  zwar  mangelhaft, 
aber  rechtzeitig  erfüllt  ist.  Liegt  in  wissentlicher  Lieferung  mangel- 
hafter Ware  ohne  weiteres  eine  Arglist  des    Verkauf  er  sì 

Am  29.  Juli  1899  war  zwischen  den  Parteien  ein  Ver- 
trag zu  stände  gekommen,  wonach  die  Klägerin  dem  Beklagten 
150  Tonnen  (zu  100  kg)  Calciumkarbid,  mit  einer  garan- 
tierten durchschnittlichen  Gasausbeute  von  300  L.  pro  kg. 
„Karbid"  verkaufte.  Die  Lieferung  hatte  in  verschiedenen 
monatlichen  Raten  in  den  Monaten  September  1899  bis 
August  1900  zu  erfolgen.  Aus  den  „allgemeinen  Bestimmungen" 
des  Vertrages  sind  folgende  hervorzuheben:  „Jede  Lieferung 
gilt  als  ein  besonderes  Geschäft  und  ist  die  Erfüllung,  Nicht- 
erfüllung oder  mangelhafte  Erfüllung  einer  Lieferung  ohne 
Einfluss  auf  die  andere.  —  Die  zu  liefernde  Ware  wird  von 
der  Verkäuferin  erst  nach  einer  genauen  Piüfung  auf  ihre 
vertragliche  Gehaltsmenge  hin  zur  Versendung  gebracht." 
Die  zwei  ersten  in  Ausführung  dieses  Vertrages  gemachten 
Lieferungen  entsprachen  den  Vertragsbestimmungen  nicht,  da 


11 

das  gelieferte  Karbid  die  garantierte  Gasausbeate  nicbt  ergab. 
Der  Beklagte  machte  infolgedessen  einerseits  Preisininderungs- 
und  Wandelungsansprüche  hinsichtlich  dieser  zwei  Lieferangen 
geltend,  und  erklärte  andrerseits  den  Vertrag  überhaupt  auch 
für  die  künftigen  Lieferungen  für  aufgehoben.  Während  die 
Preisminderungs-  und  Wandelungsansprüche  des  Beklagten 
für  die  zwei  ersten  Lieferungen  gerichtlich  gutgeheissen  wur- 
den, wurde  dagegen  dessen  Begehren,  es  sei  der  Vertrag  vom 
29.  Juli  1899  als  aufgehoben  zu  erklären,  abgewiesen,  vom 
Bundesgericht  im  wesentlichen  mit  folgender  Begründung: 

Der  Beklagte  beansprucht  das  Recht  auf  einseitigen 
Bücktritt  vom  Vertrag,  oder  das  Recht,  dessen  sofortige  Auf- 
lösung, Wandlung,  zu  verlangen,  und  er  leitet  dieses  Recht 
daraus  ber,  dass  die  zwei  ersten  Lieferungen  von  der  Klä- 
gerin mangelhaft  und  dolos  ausgeführt  worden  seien.  Wird 
bei  der  Entscheidung  dieses  Begehrens  vorerst  vom  Vor- 
handensein einer  Argiist  abgesehen,  so  stellt  sich  die  Frage 
so,  ob  bei  einem  Kaufe,  der  in  ratenweisen  Lieferungen  zu 
erfüllen  ist,  die  Mangelhaftigkeit  einzelner  Lieferungen  den 
Käufer  zum  Rücktritt  vom  ganzen  Vertrage  berechtige.  Diese 
Frage  ist  dann  zu  bejahen,  wenn  sich  aus  der  Mangelhaftig- 
keit der  ersten  Lieferung  ergiebt,  dass  der  Verkäufer  über- 
haupt nicht  im  stände  ist,  vertrage  gemäss  zu  liefern;  andern- 
falls aber  folgt  aus  der  Mangelhaftigkeit  einzelner  Liefe- 
rungen nicht  das  Recht  auf  Aufhebung  des  ganzen  Ver- 
trages; das  ergiebt  sich  wohl  aus  der  ganz  allgemeinen  Be- 
stimmung des  Art.  255  0.  R.,  die  sich  zwar  nicht  ausdrück- 
lich auf  Käufe,  die  in  ratenweisen  Lieferungen  zu  erfüllen 
sind,  bezieht,  aber  auf  diese  gewiss  ebensosehr  zutrifft,  wie 
auf  Kaufverträge  um  mehrere  zusammen  verkaufte  Sachen 
oder  über  Gesamtsachen.  Jene  Voraussetzung  nun,  dass  sich 
aus  der  Mangelhaftigkeit  der  ersten  Lieferung  die  Unmög- 
lichkeit der  vertragsgemässen  Erfüllung  aller  spätern  Liefe- 
rungen ergebe,  trifft  vorliegend  nicht  zu  ;  es  ist  sehr  wohl 
möglich,  dass  anfänglich  ungünstige  Verhältnisse  in  der  Fa- 
brik eine  mangelhafte  Produktion  verursachten  (wie  die  Klägerin 
das  auch  selbst  zugiebt),  dass  aber  diese  ungünstigen  Ver- 
hältnisse später  gehoben  werden  und  die  Fabrikation  ver- 
bessert wird.  Ist  sonach  schon  nach  dem  Gesetz  der  An- 
spruch des  Beklagten  auf  Wandlung  des  ganzen  Vertrages 
—  vom  Falle  der  Arglist  der  Klägerin  immer  abgesehen  — 
unbegründet,  so  ist  für  die  Abweisung  dieses  Anspruches  im 
vorliegenden  Falle  entscheidend  die  Bestimmung  des  Ver- 
trages,   wonach   jede    einzelne  Lieferung   als   ein    besonderes 


12 

Geschäft  zu  gelten  hat  und  die  Erfüllung,  Nichterfüllung  oder 
mangelhafte  Erfüllung  der  einen  ohne  Einfluss  auf  die  andere 
sein   soll.     Nach   dem  Gesagten   kann  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, dass  diese  Vertragsbestimmung  vollständig  zulässig  ist, 
wie  sie  denn  auch  wohl  mit  den  besondern  Verhältnissen  der 
Calciumkarbid- Fabrikation    in   engem    Zusammenhange   steht. 
Der  Beklagte   macht  aber  weiterhin  namentlich  geltend, 
die  Klägerin   habe   bei  Ausführung   der  ersten  beiden  Liefe- 
rungen arglistig  gehandelt,  und  er  stützt  seinen  Anspruch  auf 
Wandlung  des  ganzen  Vertrages  besonders  hierauf.    Die  Vor- 
instanz scheint  denn  auch  anzunehmen,  dass  dieser  Anspruch, 
das  Vorhandensein  der  Arglist  vorausgesetzt,  begründet  wäre. 
Dieser  Auffassung  kann  jedoch  nicht  beigetreten  werden.    Es 
mag  dahingestellt  bleiben,  ob  für  deren  Abweisung  wiederum 
die   oben    erwähnte   Vertragsbestimmung    beigezogen  werden 
kann;    denn  jedenfalls   folgt   ihre  Unbegründetheit   aus   dem 
Gesetz.     Allerdings   wäre   der  ganze  Kaufvertrag  wegen  Be- 
truges anfechtbar,  wenn  sich  dieser  Betrug  auf  den  Abschluss 
des  Vertrages  beziehen  würde,  wenn  also  die  Verkäuferin  den 
Käufer  durch  betrügerische  Handlungen  zum  Abschlüsse  des 
Vertrages  bewogen  hätte.    Das  fällt  aber  hier  ausser  Betracht; 
die  behauptete  Arglist  der  Verkäuferin  wäre  jeweilen  nur  auf 
eine  einzelne  Lieferung  gegangen,   und  es  wäre  daraus  nicht 
zu    8chlies8en   gewesen,    dass   sie   sich   auf  die  andern  Liefe- 
rungen erstreckt  hätte,  oder  dass  sie  sich  auf  den  Abschluss 
des   ganzen  Vertrages  bezöge;    soweit  sie  sich  aber  auf  jene 
Lieferungen  bezieht,  ist  den  Rechten  des  Käufers  mit  Wand- 
lung der  betreffenden  Lieferungen  völlig  Genüge  geleistet.  Eine 
Aufhebung  des  ganzen  Vertrages  kann  auch  aus  dem  Grunde 
aus   der   Arglist    bei   einzelnen  Lieferungen   nicht  hergeleitet 
werden,  weil  es  sich  beim  Kaufe  in  der  Regel  nicht  um  ein 
Geschäft,  bei  dem  das  persönliche  Vertrauen  der  Kontrahenten 
zu  einander  von  ganz  besonderer  Bedeutung  ist,  handelt  (an- 
ders   beim    Dienstvertrage,    bei   der  Gesellschaft,    beim    Auf- 
trag); dem  Käufer  ist  in  der  Mängelrüge  und  dem  allfalligen 
Wandlung8-  (und    Preisminderungs-)  Anspruch   in   dem    oben 
erörterten  Umfange  genügend  Schutz  gewährt.    Dass  die  Mög- 
lichkeit  der  Prüfung   auf  Seite    des  Beklagten   beinahe    aus- 
geschlossen   sei  (wie  er  behauptet  hat),  ist  gewiss  unrichtig, 
da  sowohl  er  wie  seine  Abnehmer  in  That  und  Wahrheit  die 
erste  Lieferung  geprüft  haben.    Im  fernem  stellt  nun  aber  die 
Vorinstanz   in   nicht   aktenwidriger  Weise    und  ohne  Rechts- 
irrtum   fest,   dass   der  Klägerin    überhaupt   keine  Arglist  zar 
Last   gelegt   werden    kann.     Die  Arglist  soll  nach  den  Ans- 


führungen  des  Beklagten  darin  liegen,  dass  die  Klägerin  be- 
wu38t  minderwertige  Ware  geliefert  habe.  Allein  dieser 
Thatbestand  erfüllt  den  Begriff  der  Arglist  nicht;  zu  diesem 
gehört  vielmehr  eine  Täuschung,  sei  es  durch  positive  un- 
wahre Angaben,  sei  es  durch  Verheimlichung  u.  dergl.  Jene 
Lieferung  minderwertiger  Ware  im  Bewusstsein  des  Minder- 
wertes, stellt  sich  vielmehr  lediglich  als  vorsätzliche  un- 
genügende Vertragserfüllung  dar,  wogegen  dem  Käufer  die  in 
Art.  243  ff.  und  1 10  ff.  0.  R.  geregelten  Rechtsmittel  gegeben 
sind. 

Endlich  will  der  Beklagte  seinen  Anspruch  auf  Rück- 
tritt vom  ganzen  Vertrage  noch  aus  einer  analogen  Anwen- 
dung des  Art.  234  0.  R.,  der  dem  Käufer  im  kaufmännischen 
Verkehr  bei  Verabredung  eines  bestimmten  Liefer ungstermin s 
im  Falle  des  Verzuges  des  Verkäufers  das  Recht  des  so- 
fortigen Rücktrittes  vom  Vertrage  einräumt,  folgern.  Von 
einer  analogen  Anwendung  dieser  Bestimmung,  die  für  den 
Fall  des  Verzuges  gemäss  den  Lebensverhältnissen  im  kauf- 
männischen Verkehr  alle  Berechtigung  hat,  auf  den  Fall 
mangelhafter  Erfüllung  kann  ganz  offenbar  keine  Rede  sein; 
die  Folgen  mangelhafter  Erfüllung  sind  in  Art.  243,  in  Ver- 
bindung mit  Art.  110  ff.  0.  R.  vollständig  und  erschöpfend  ge- 
regelt. Uebrigens  würde  auch  bei  analoger  Anwendung  dieses 
Artikels  aus  der  mehrfach  angeführten  Vertragsbestimmung 
wiederum  nur  das  Recht  zum  Rücktritt  von  jeder  einzelnen 
Lieferung,  nicht  aber  vom  ganzen  Vertrage,  folgen.  (Entsch» 
v.  3.  November  1900  i  S.  Wegmann  &  Hauser  c.  Schweize- 
rische Gesellschaft  für  elektrotechnische  Industrie.) 


6.  0.  R.  Art.  243  ff.  253.  G ewährsp flicht  des  Verkäufers 
für  Sachmängel.  Verzicht  auf  die  Wandelung  1  Begriff  des  durch 
die  Lieferung  fehlerhafter  Ware  unmittelbar  verursachten  Schadens. 

1.  Die  Haftbarkeit  des  Verkäufers  dafür,  dass  der  Kauf- 
gegenstand nicht  solche  Mängel  habe,  die  seinen  Wert  oder 
seine  Tauglichkeit  zu  dem  vorausgesetzten  Gebrauche  auf- 
heben oder  erheblich  vermindern,  ist  nicht  so  zu  verstehen, 
dass  es  einfach  auf  den  auf  Seite  des  Käufers  vorausgesetzten 
Gebrauch  der  Kaufsache  ankomme,  und  demgemäss  schlecht- 
hin entscheidend  sei,  zu  welchem  Zwecke  der  Käufer  die 
Sache  erworben  habe.  Vielmehr  handelt  es  sich  auch  hier 
um  nichts  weiteres,  als  um  die  Pflicht  des  Verkäufers,  den 
Kauf  getreu  einer  redlichen  Vertragsmeinung  zu  erfüllen, 
al  so   die   Sache   zu  dem    vert  rag  s  massig  vorausgesetzten 


14 

Gebrauche  geeignet  zu  übergeben.  Welcher  Gebrauch  als 
Vertrags  massig  vorausgesetzt  gelten  könne,  musa  sich,  abge- 
sehen von  besondern  Beredungen  der  Kontrahenten,  aus  den 
Umständen  und  der  Natur  des  fraglichen  Geschäftes  ergeben. 
Als  schlechthin  vorausgesetzt  wird  derjenige  Gebrauch  zu 
betrachten  sein,  dem  die  Kaufsache  gewohnheitsmässig,  ihrer 
wirtschaftlichen  Bestimmung  entsprechend,  zu  dienen  hat 
Ausserdem  kann  aber  ein  bestimmter  Gebrauch  auch  dann 
als  vertraglich  vorausgesetzter  erscheinen,  wenn  aus  den  Ver- 
tragsunterhandlungen hervorgeht,  dass  der  Käufer  die  Sache 
speziell  zu  diesem  Gebrauche  erwerben  wolle  und  der  Ver- 
käufer ihn  durch  sein  Verhalten  in  der  Erwartung,  das 9  die 
Sache  hiezu  tauglich  sein  werde,  bestärkt. 

2.  Wenn  der  Käufer  die  empfangene  Kaufsache  trotz 
ihrer  erkennbaren  Mängel  gebraucht  und  über  sie  verfügt,  so 
kann  allerdings,  wie  das  Bundesgericht  wiederholt  ausge- 
sprochen hat  (vergi,  bg.  Entsch.  XXIV,  IIS.  647  Erw.  6  und  794), 
hierin  der  Verzicht  auf  eine  Kückbietung  erblickt  werden, 
aber  doch  nur  dann,  wenn  in  dem  Gebrauch  oder  der  Ver- 
fugung über  die  Sache  sich  der  Wille  des  Käufers  bekundet, 
die  Sache  trotz  jener  Mängel  als  sein  Eigentum  zu  behalten, 
bezw.  als  Eigentümer  darüber  zu  verfügen,  und  auf  diesen 
Willen  darf  im  vorliegenden  Falle  nicht  geschlossen  werden, 
da  der  von  der  Vorinstanz  konstatierte  Gebrauch  der  Ma- 
schine unerläs8lich  war,  um  die  Empfangbarkeit  derselben  zu 
konstatieren,  und  somit  den  Käufer  erst  in  die  Lage  ver- 
setzen sollte,  sich  zu  entscheiden,  ob  er  die  Maschine  an- 
nehmen wolle  oder  nicht. 

3.  Mit  der  Wandelung  ist  nach  Art.  253  0.  R.  die  Ver- 
pflichtung des  Verkäufers  verbunden,  dem  Käufer  zum  min- 
desten denjenigen  Schaden  zu  ersetzen,  der  demselben  durch 
die  Lieferung  der  mangelhaften  Sache  unmittelbar  verursacht 
worden  ist.  Hiezu  gehört  in  erster  Linie  der  Ersatz  der  von 
den  Beklagten  ausgelegten  Beträge  für  Fracht  und  Zoll,  so- 
wie für  Reparaturen,  die  im  Interesse  der  Instandstellung 
der  Maschine  vorgenommen  worden  sind;  in  zweiter  Linie 
auch  der  Ersatz  des  den  Beklagten  infolge  der  Sachmängel 
in  ihrer  Fabrikation  entgangenen  Gewinns;  denn  die  Kläger 
wussten,  dass  die  Beklagten  die  Maschine  zum  Zwecke  einer 
rationellen  Fabrikation  von  Cementatemeli  kauften,  und  muss- 
ten  bei  Eingehung  des  Vertrages  als  dem  gewöhnlichen  Lauf 
der  Dinge  entsprechende,  unmittelbare  Folge  der  Lieferung 
eines  zu  diesem  Zweck  nicht  tauglichen  Objektes  voraus- 
sehen, dass  die  Beklagten    nicht  mit  demjenigen  Gewinn  ar- 


15 


beiten  werden,  den  sie  mit  einer  vertragsmässig  beschaffenen 
Maschine  erzielen  würden.  (Entsch.  vom  10.  November  1900 
i.  S.  Baur  c.  Wilisch  &  Cie.) 


7.  0.  R.  Art.  115,  338,  348.  Der  mit  dem  Arzte  über  die 
Behandlung  einer  Kranken  abgeschlossene  Vertrag  qualifiziert  sich 
rechtlich  als  Dienstverlrag  und  nicht  als  Mandat.  Inwiefern  haftet 
der  Arzt  für  die  Folgen  unrichtiger  Behandlung t  Verantwort- 
lichkeit desselben  für  seine  Assistenten.    Beweislast. 

Das  zwischen  dem  Kläger  und  dem  Beklagten  in  Bezug 
auf  die  ärztliche  Behandlung  der  Frau  B.  begründete  Rechts- 
verhältnis ist  nach  eidgenössischem  Obligationenrecht  nicht, 
wie  die  kantonalen  Gerichte  annehmen,  als  Mandat,  sondern 
gemäss  Art.  348  0.  R.  als  Dienst  vert  rag  (Vertrag  über 
freie  Dienste)  zu  behandeln.  Dass  in  der  That  zwischen  den 
Litiganten  ein  solches  Vertragsverhältnis  entstanden  ist,  unter- 
liegt nach  den  beidseitigen  Parteianbringen  keinem  Zweifel. 
Der  Kläger  stützt  hierauf  seine  Klage,  indem  er  für  die  dein 
Beklagten  durch  die  ärztliche  Behandlung  seiner  Ehefrau  ge- 
leisteten Dienste  das  Honorar  verlangt,  und  der  Beklagte  be- 
zeichnet den  Kläger  selbst  ausdrücklich  als  den  Dienstherrn 
des  behandelnden  Assistenten  Tr.,  und  macht  ihn  als  solchen 
verantwortlich  für  die  ärztlichen  Handlungen  desselben.  Der 
Beklagte  ist  hienach,  gemäss  Art.  338  0.  R.,  zur  Bezahlung 
der  angemessenen  Vergütung  für  die  geleisteten  Dienste  an 
den  Kläger  verpflichtet,  vorausgesetzt,  dass  dieser  seinerseits 
die  ihm  aus  dem  Dienstvertrag  erwachsenen  Verpflichtungen 
gehörig  erfüllt  habe« 

Um  diese  Verpflichtungen  gehörig  erfüllen  zu  können, 
war  der  Kläger  gehalten,  bei  der  Behandlung  der  Kranken 
so  zu  verfahren,  wie  es  den  allgemein  anerkannten  und  zum 
Gemeingut  gewordenen  Grundsätzen  der  medizinischen  Wissen- 
schaft entsprach  (vergi.  Amtl.  Samml.  der  bundesg.  Entsch. 
Bd  XV1I1,  S.  341  E.  4).  Hat  es  der  Kläger  und  Widerbe- 
klagte an  einer  derart  sachgemässen  Behandlung  fehlen  lassen, 
und  ist  infolgedessen  der  Tod  der  Patientin  herbeigeführt 
worden,  so  ist  er  (abgesehen  von  den  Grundsätzen  des  eidg. 
Obligationenrechts  über  Schadenhaftung  wegen  unerlaubter 
Handlungen)  aus  dem  Dienstvertrag  schadenersatzpflichtig 
geworden,  sofern  er  nicht  beweisen  kann,  dass  ihn  dabei  kein 
Verschulden  trifft.  Die  Beweislast  dafür,  dass  infolge  der  Be- 
handlung des  Tr.  die  Frau  B.  gestorben  sei,  sowie  für  den 
geltend    gemachten   Schaden   trifft  nach   Art.  110  0.  R.    den 


16 

Beklagten  und  Widerkläger;  sind  diese  Beweise  erbracht,  so 
hat  der  Kläger  und  Widerbeklagte  die  Behandlung  eu  recht- 
fertigen, d.  h.  darzuthun,  dass  ihn  dabei  kein  Verschulden 
treffe.  Dem  Verschulden  des  Arztes  steht  aber  gemäss  Art.  115 
0.  R.  dasjenige  seines  Assistenten  gleich. 

(Im  weitern  wird  sodann  ausgeführt,  es  sei  ein  Beweis 
dafür,  dass  der  Tod  der  Frau  B.  infolge  der  ärztlichen  Be- 
handlung durch  den  Assistenten  Tr.  eingetreten  sei,  nicht  er- 
bracht.) (Entsch.  vom  29.  September  1900  i.  S.  Bunter  c. 
Dr.  Cubasch.) 

8.  0.  R.  Art  338  ff.,  346.  Agenturvertrag.  Wichtige  Gründe 
zur  Auflösung  eines  solchen   Vertrags. 

1.  Es  kann  nicht  als  Meinung  eines  Agenturvertrages  an- 
genommen werden,  dass  der  Geschäftsherr  mit  Rücksicht  auf 
die  Interessen  des  Agenten  in  seinem  Rechte  beschränkt  sein 
solle,  seine  Preise  selbständig  zu  bestimmen,  so  wie  es  ihm 
jeweilen  den  Interessen  seines  eigenen  Geschäfts  entsprechend 
dünkt.  Der  Agent  muss  daher  schon  bei  Eingehung  des  Ver- 
trages in  Betracht  ziehen,  dass  die  Höhe  seiner  nach  dem 
Umsätze  zu  berechnenden  Provision  nicht  lediglich  von  seiner 
Thätigkeit,  sondern  von  äussern  Verhältnissen  verschiedener 
Art  abhängt,  welche  ihrerseits  für  die  EntSchliessungen  des 
Geschäftsherrn  bestimmend  sind,  und  er  kann  insbesondere 
nicht  darauf  rechnen,  dass  dieser  stets  in  gleichem  Umfange 
und  in  gleicher  Weise  produzieren,  oder  dass  er  die  Preise 
fortdauernd  so  stellen  werde,  dass  er  ohne  Rücksicht  auf  die 
eigene  Geschäftslage  und  seinen  eigenen  Vorteil  dem  Agenten 
die  von  diesem  erwartete  Provision  ermögliche  (vergi.  Entsch. 
des  deutsch.  Reichsgerichts,  Bd  31  No.  12).  Es  kann  gewiss 
nicht  gesagt  werden,  dass  der  Geschäftsherr  seine  eigenen 
geschäftlichen  Interessen  in  illoyaler  Weise  einseitig  verfolgt 
und  sie  wider  Treu  und  Glauben  berechtigten  Erwartungen 
des  Agenten  vorangestellt  habe,  wenn  er  sich  auf  Geschäfte 
nicht  einlies»,  die  ihm  zwar  keinen  Verlust,  aber  auch  keinen 
Gewinn  gebracht  hätten.  Denn  dass  der  Geschäftsherr,  um  eine 
möglichst  grosse  Umsatzziffer  zu  erreichen,  unter  Umständen 
auch  umsonst  arbeiten  würde,  durfte  doch  der  Agent  nicht 
als  Meinung  des  Agenturvertrages  voraussetzen  und  noch 
weniger,  dass  er  von  derartigen  Geschäften,  die  ihm  gar 
keinen  Gewinn  würden  eingebracht  haben,  dem  Agenten  noch 
eine  Provision  hätte  zuscheiden  wollen. 

2.  Wenn  ein  Agent  in  seinen  Abrechnungen  gennachte  In- 
kassi   wissentlich    verschweigt  und   zu  deren  nachträglichen 


17 

Angabe  erst  durch  die  Drohung  von  Nachforschungen  bei  den 
Kunden  bewogen  werden  kann,  so  liegt  hierin  eine  so  schwere 
Pflichtverletzung,  da 88  dem  Geschäftsherrn  eine  Portsetzung 
des  auf  gegenseitiges  Vertrauen  gegründeten  Vetragsverhält- 
nisses  nicht  mehr  zugemutet  werden  kann,  der  Geschäftsherr 
vielmehr  berechtigt  ist,  dasselbe  ohne  Weiteres  aufzulösen. 

Mit  der  Behauptung,  er  habe  sich  zur  Zurückbehaltung 
der  verheimlichten  Beträge  berechtigt  gehalten,  weil  ihm  in 
der  Höhe  derselben  Gegenforderungen  an  den  Geschäftsherrn 
zugestanden  haben,  kann  der  Agent,  selbst  wenn  diese  Be- 
hauptung richtig  wäre,  seine  Handlungsweise  nicht  ent- 
schuldigen. Denn  unter  allen  Umständen  erfordert  die  dem 
Geschäftsherrn  geschuldete  Treue,  dass  der  Agent  demselben 
in  seinen  jeweiligen  Rechnungsablegungen  die  eingegangenen 
Gelder  vollständig  angiebt.  (Entsch.  vom  1.  Dezember  1900  i,  S. 
Coeytaux  o.  Frey.) 

9.  0.  R.  Art.  350  ff.  366.  358.  359.  Inwiefern  haftet  der 
Unternehmer  für  die  Unbrauchbarkeil  des  Werkes,  wenn  diese 
nicht  eine  Folge  mangelhafter  Herstellung  oder  Lieferung,  sondern 
der  vom  Besteller  bei  der  Bestellung  vorgeschriebenen  Anlage  des- 
selben isti 

Der  Unternehmer  haftet  wegen  der  Unbrauchbarkeit  des 
Werkes  nicht  unbedingt,  sondern  nur,  wenn  die  Unbrauchbar- 
keit auf  vertragswidriger  Herstellung  oder  Lieferuns;  beruht. 
Ist  die  Unbrauchbarkeit  auf  den  Inhalt  der  Bestellung,  auf 
Vorschriften,  die  der  Besteller  bei  der  Bestellung  gemacht 
hat,  zurückzuführen,  so  hat  grundsätzlich  nicht  der  Unter- 
nehmer, sondern  der  Besteller  die  daherigen  nachteiligen 
Folgen  zu  tragen  ;  denn  die  Bestellung  richtig  und  sacbgemäss 
zu  machen,  ist  Sache  des  Bestellers  selbst 

Als  ein  Rechtsgeschäft,  das  beiderseits  nach  Treu  und 
Glauben  zu  erfüllen  ist,  schliesst  der  Werkvertrag  ja  aller- 
dings die  allgemeine  Verpflichtung  des  Unternehmers  in  sich, 
nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  im  Interesse  des  Bestellers 
auf  eine  sachgemässe  Herstellung  des  bestellten  Werkes  be- 
dacht zu  sein,  und  auf  diesem  Grundsatze  beruhen  ver- 
schiedene ausdrückliche  Vorschriften  des  eidg.  0.  R.,  so  die 
Statuierung  der  Anzeigepflicht  des  Unternehmers  gemäss 
Art.  356  0.  R.  und  die  Bestimmung  des  Art.  359,  wonach 
der  Unternehmer  den  Besteller  bei  eigener  Verantwortlichkeit 
von  unzweckmässigen  Anweisungen  über  die  Ausführung 
des  Werkes  ausdrücklich  abzumahnen  hat.  Ob  und  inwieweit 
der  Unternehmer   dem  Besteller  bezüglich  der  in  der  Bestel- 


18 

lung  bezeichneten  Anlage  des  Werkes  sachkundigen  Rat  zu 
erteilen  habe,  muss  sich  aus  den  Umständen  des  einzelnen 
Falles  ergeben;  hiernach  wird  zu  erwägen  sein,  ob  der  Be- 
steller wirklich  Rat  des  Unternehmers  erwartet,  oder  ob  der 
Unternehmer  davon  habe  ausgehen  dürfen,  dass  er  bereits 
beraten  sei.  (Entsch.  vom  28.  September  1900  i.  S.  Häderli 
4  Cie  c.  Binkert-Siegwart.) 


10.  0.  R.  Art  176,  406.  Der  Maklerlohn  ist  (vom  Falle  der 
Arglist  des  Auftraggebers  abgesehen)  regelmässig  nur  dann  ver- 
dient,  wenn  der  Makler  durch  seine  Thätigkeit  den  Abschluss  des 
zu  vermittelnden  Vertrages  herbeigeführt  hat.  Ein  Anspruch  auf 
Teilung  des  Maklerlohnes  im  Falle  des  selbständigen  Wirkens 
mehrerer  Makler  besteht  nicht. 

Der  von  den  Parteien  abgeschlossene  Maklervertrag  ist 
nach  dem  Inhalte  der  zwischen  ihnen  gewechselten  Korre- 
spondenz dahin  gegangen,  dass  der  Kläger  den  Kaufabschluss 
betr.  die  Liegenschaft  des  Beklagten  herbeizufuhren  habe. 
Thatsächlich  nun  hat  der  Kläger  sich  zwar  mit  verschiedenen 
Personen,  die  er  für  kauflustig  hielt,  in  Verbindung  gesetzt, 
und  er  hat  auch  eine  Unterredung  mit  demjenigen,  der  nach- 
her wirklich  Käufer  geworden  ist,  gehabt;  allein  der  Kauf- 
abschluss, der  Konsens  der  Kontrahenten  über  die  essentialia 
des  Kaufgeschäftes,  ist  festgestelltermassen  nicht  durch  den 
Kläger,  sondern  durch  einen  andern  Agenten,  Seh.,  an  den 
der  Beklagte  den  kauflustigen  A.  gewiesen  hatte,  herbei- 
geführt worden.  Es  fragt  sich  daher,  ob  der  Kläger  unter 
diesen  Umständen  Anspruch  auf  Maklergebühr  besitze.  Nach 
Schweiz.  0.  R.  Art.  405  kommen  für  den  Maklervertrag,  be- 
sondere Bestimmungen  der  kantonalen  Gesetze  vorbehalten, 
die  Vorschriften  über  den  Auftrag  zur  Anwendung.  Danach 
ist  aber  konkret,  aus  dem  speziellen  Vertrage,  und  subsidiär 
aus  allgemeinen  Grundsätzen  zu  beurteilen,  durch  welche 
Thätigkeit  die  Maklergebühr  verdient  ist.  Da  vorliegend 
spezielle  Vertragsbestimmungen  nicht  vorhanden  sind,  haben 
die  allgemeinen,  den  Maklervertrag  beherrschenden  Grund- 
sätze Platz  zu  greifen.  Hienach  hat  der  Makler  dann  auf 
Lohn  (Provision)  Anspruch,  wenn  er  den  beabsichtigten  End- 
zweck, zu  dem  der  Maklervertrag  abgeschlossen  wurde,  her- 
beigeführt hat;  vorliegend  also  dann,  wenn  der  Kaufabschluss 
auf  seine  Thätigkeit  zurückzuführen  ist,  mit  ihr  in  ursäch- 
lichem Zusammenhange  steht  (vergi.  Urteil  des  Bundesgerichts 
vom  80.  Dezember  1895  i.  S.  Fritschi  c.  Blinde,  A.  Slg.  XXI, 


19 

S.  1242  Erw.  4).  Diese  Voraussetzung  des  Anspruches  auf  die 
Provision  ist  nun  vom  Kläger  nicht  erfüllt  worden.  Zwar 
wird  anzunehmen  sein  —  obschon  das  nicht  mit  absoluter 
oìewissheit  festgestellt  ist  —  dass  der  Brief  des  kauflustigen 

A.  an  den  Beklagten  auf  die  Unterredung,  die  er  einige  Tage 
vorher  mit  dem  Kläger  hatte,  zurückzuführen  ist.  Hat  so  der 
Kläger  zwar  eine  Bedingung  zu  dem  nachherigen  Abschlüsse 
des  Kaufvertrages  gesetzt,  so  hat  doch  seine  Thätigkeil  hier 
ein  Ende  gefunden  und  sind  die  weitern,  entscheidenden  Be- 
dingungen ohne  sein  Zuthun  gesetzt  worden;  es  ist  mit  an- 
dern Worten,  wie  die  Vorinstanz  ausführt,  der  Kausalzu- 
sammenhang zwischen  seiner  Thätigkeit  und  dem  nach- 
herigen Kaufabschlüsse  unterbrochen  worden.  Unter  diesen 
Umständen  aber  kann  nach  dein  oben  gesagten  von  einem 
Ansprüche  auf  Provision  keine  Rede  sein,  wenn  derselbe  nicht 
aus  dem  Gesichtspunkte  der  Arglist  begründet  erklärt  werden 
muss,  oder  wenn  er  nicht  als  Teilungsanspruch  gutzuheissen  ist. 

Was  nun  zunächst  die  Arglist  des  Promittentfen  betrifft, 
so  ist  allerdings  richtig,  dass  die  Provision  dann  geschuldet 
wird,  wenn  der  Promittent  arglistig  die  Thätigkeit  des  Mak- 
lers gehindert  oder  unterbrochen  hat  (siehe  Urteil  des  B.  G. 
vom  9.  Juni  1900  i.  S.  Ducolomb  c.  Fischer,  A.  Slg.  XXVI, 
2.  Teil,  S.  350);  es  ist  dies  ein  aus  allgemeinen  Erwägungen 
hergeleiteter  Rechtsgrundsatz,  der  in  Art.  176  0.  R.  in  einer 
speziellen  Anwendung  zum  Ausdrucke  kommt.  Hätte  daher 
vorliegend  der  Beklagte  den  kauflustigen  A.  an  Seh.  gewiesen, 
obschon  er  wusste,  dass  A.  ihm  durch  den  Kläger  zugeführt 
war,  und  mit  der  Absicht,  den  Kläger  seines  Provisions- 
anspruches zu  berauben,  so  bestünde  der  Anspruch  des 
Klägers.  Allein  jenes  Wissen  des  Beklagten  von  der  Unter- 
redung des  A.  mit  dem  Kläger  wird  von  der  Vorinstanz 
ausdrücklich  verneint. 

Zu  erörtern  bleibt  demnach  nur  noch  die  Frage,  ob  der 
Kläger  einen  Teil  der  Provision  verlangen  kaiin.  Die  erste 
Instanz  hat  dies  im  Anschluss  an  das  Urteil  des  Bundes- 
gerichts vom  29.  Dezember  1894  i.  S.  Fournaise  c.  Perrottet 
(A.  S.  XX  S.  1131  ff.)  bejaht,  die  zweite  Instanz  dagegen  hält 
einen  solchen  Teilungsanspruch  nicht  für  begründet.  Es 
folgt  nun  im  allgemeinen  schon  aus  den  oben  entwickel- 
ten Grundsätzen,  dass  ein  Anspruch  auf  Teilung  der  Pro- 
vision im  Falle  des  selbständigen  'Wirkens  mehrerer 
Makler    nicht    besteht    (vergi,  auch    Entw.  I    des    deutschen 

B.  G.  B.  §  580  und  Motive  dazu  Bd  II,  S.  512;  ferner  deut- 
sches   B.  G.  B.  §  652).     Allein   auch    aus  Erwägungen    wirt- 


*r  ■ 


20 

sch.aftlicher  Natur,  aus  der  Berücksichtigung  der  thatsäch- 
liehen  Verhältnisse  des  Lebens,  ergiebt  sich,  dass  es  rich- 
tiger ist  und  dem  Wesen  des  Maklervertrages  mehr  entspricht, 
eine  Teilung  des  Provisionsanspruches  bei  selbständigem 
Handeln  mehrerer  Makler  nicht  eintreten  zu  lassen.  Dadurch 
wird  der  Eifer  der  Makler,  im  Interesse  des  Auftraggebers 
zu  handein,  wesentlich  erhöht,  da  alsdann  auch  ihr  eigenes 
ökonomisches  Interesse  sie  zu  intensiver  Thätigkeit  treibt; 
während  andernfalls  —  wenn  jeder  Makler,  der  irgendwie 
thätig  gewesen  ist,  einen  Teil  der  Provision  fordern  könnte  — 
der  Eifer  der  Makler  gelähmt  würde  und  zudem  unlauteren 
Machenschaften  zwischen  ihnen  die  Thüre  geöffnet  wäre. 
Diese  Auffassung  entspricht  aber  auch  insofern  dem  Wesen 
des  Maklervertrages,  als  sie  dem  aleatorischen  Moment,  das 
in  ihm  enthalten  ist,  Rechnung  trägt:  vielen  erfolglosen  Be- 
mühungen steht  im  Falle  des  Gelingens  der  Vermittlung  eines 
Geschäftes  ein  Lohn  gegenüber,  der  im  Verhältnisse  zur  auf- 
gewendeten Arbeit  und  Mühe  meist  als  ein  unverhältnis- 
mässig hoher  bezeichnet  werden  darf.  Endlich  ist  nicht  zu 
übersehen,  dass  sich  jeder  Makler  den  Ersatz  seiner  Auf- 
wendungen und  ein  geringes  Entgelt  für  seine  Bemühungen 
durch  ausdrückliche  Vereinbarungen  versprechen  lassen  kann 
und  dass  ihm  auf  diesem  Wege  ein  Schutz  gegen  Benach* 
teiligung  ermöglicht  ist.  (Entsch.  vom  22.  September  1900 
i.  S.  Brupacher  c.  Ulrich.) 


11.  O.R.Art.  426.  Umfang  der  Vollmacht  dei  Handlungs- 
bevollmächtigten. 

L'art.  426  C.  0.  porte  que  les  pouvoirs  du  mandataire 
commercial  s'étendent  à  tous  les  actes  que  comportent  habitu- 
ellement soit  le  commerce  ou  l'entreprise  du  patron,  soit  les 
opérations  dont  il  a  chargé  le  représentant.  Il  s'agit  donc  de 
savoir  quelles  sont  les  opérations  qui  se  font  habituellement 
dans  le  genre  de  commerce  ou  d'industrie  exploité  par  le 
patron  (voir  Hafner,  Commentaire  du  C.  0.,  art.  426  note  4b). 
Or,  lorsqu'il  s'agit,  comme  dans  le  cas  particulier,  d'un 
commerce  d'étoffes,  exploité  par  un  manufacturier  qui  souvent 
travaille  sur  commande,  l'usage  n'est  pas  de  conclure  des 
ventes  soumises,  sous  une  forme  ou  sous  une  autre,  au  droit 
de  l'acheteur  de  rendre  celles  des  marchandises  qu'il  ne 
pourrait  vendre.  Une  telle  clause  est  tout  à  fait  exceptionnelle 
et  extraordinaire,  et  le  représentant  commercial  excède  ses 
pouvoirs    en   concluant  des  ventes  conditionnelles  au  lieu  de 


21 


ventes  pures  et  simples  (voir  Staub,  Kommentar  zum 
H.  G.  B.,  6œe  et  7me  éd.  page  220  note  19).  (Entsch.  vom 
13.  Oktober  1900  i.  S.  Zürcher  c.  Heyer.) 


12.  0.  R.  Art.  512.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der 
Bundesrechtspflege  vom  22.  März  1893,  Art.  81.  Einrede  des 
Spiels;  Beweislast.  That-  und  Rechtsfrage. 

Der  Beweis  dafür,  dass  ausdrücklich  oder  stillschweigend 
Recht  und  Pflicht  der  Realerfiillung  ausgeschlossen  worden 
sei,  trifft  denjenigen,  der  sich  hierauf  beruft,  der  also  geltend 
macht,  es  komme  dem  in  der  Form  eines  Lieferungsgeschäftes 
bezw.  des  Kaufs-  oder  Verkaufsauftrags  abgeschlossenen  Rechts- 
geschäfte nicht  diejenige  Bedeutung  zu,  welche  aus  dieser 
Form,  aus  den  Worten  Kauf  und  Verkauf,  an  sich  folgt, 
sondern  es  sei  trotz  dieser  rechtsgeschäftlichen  Einkleidung 
in  That  und  Wahrheit  ein  blosses  Spiel  um  die  Differenz 
vereinbart,  die  Worte  Kauf  und  Verkauf  seien  also  in  un- 
eigentlichem Sinne  gebraucht  worden.  Dabei  ist  die  Frage,  ob 
die  ausdrücklichen  Abreden  oder  die  Thatsachen,  in  welchen  der 
Ausdruck  des  Willens,  Recht  und  Pflicht  der  Realerfüllung 
auszu8chliessen,  gefunden  wird,  bewiesen  seien,  Thatfrage, 
die  Frage  dagegen,  ob  dieselben,  wenn  bewiesen,  den  Aus- 
druck des  fraglichen  Willens  wirklich  ergeben,  Auslegungs- 
und daher,  nach  der  neuern  Praxis  des  Bundesgerichts,  Rechts- 
frage, wie  das  Bundesgericht  dies  bereits  in  seiner  Entschei- 
dung i.  S.  Tobler  c.  Hodenehr  vom  10.  Dezember  1898  (Bd 
XXIV  II  S.  860)  ausgesprochen  hat  ;  in  letzterer  Richtung 
steht  also  dem  Bundesgerioht  die  freie  Ueberprüfung  der 
kantonalen  Entscheidung  zu.  (Entsch.  vom  27.  Oktober  1900 
i.  S.  Heim  c.  Grüner  Haller  &  Cie.) 


13.  0.  R.  Art.  623,  Abs.  3.  Die  Oebernahme  von  Verpflich- 
tungen, welche  im  Namen  einer  zu  bildenden  Aktiengesellschaft  vor 
deren  Eintragung  in  das  Handelsregister  eingegangen  worden  sind, 
kann  (binnen  drei  Monaten  nach  der  Eintragung)  durch  jedes  zu 
Eingehung  derartiger  Verpflichtungen  befugte  Organ  der  gegrün- 
deten Aktiengesellschaft  rechtsgültig  erklärt  werden;  eine  besondere 
Form  ist  für  eine  derartige  Erklärung  nicht  erforderlich,  sie  kann 
daher  sowohl  stillschweigend  als  ausdrücklich  geschehen. 

(Entsch.  vom  16.  Oktober  1900  i.  S.  Société  anonyme  de 
publicité  „La  Suisse"  c.  Heller.) 


22 

14.  0.  R.  Art.  755.  Diese  Gesetzesbestimmung  gilt  auch  für 
den  Wechselregressanspruch.  Dafüry  ob  eine  zusammenhängende, 
vom  Aussteuer  bis  auf  den  Wechselinhaber  herunterreichende 
Kette  von  Indossamenten  vorlieget  ist  ausschliesslich  die  räum- 
liche Aufeinanderfolge  der  Wechselerklärungen  massgebend. 

A.  St.  stellte  am  9.  Februar  1898.  an  die  Ordre  seines 
Bruders  D.  St.  einen  am  9.  Mai  1898  fälligen  Eigenwechsel 
über  die  Summe  von  Fr.  2000  aus.  Der  Remittent  D.  St. 
setzte  auf  die  Rückseite  des  Wechsels  seine  Blankounter- 
schrift  und  übergab  denselben  seinem  Bruder,  dem  Aussteller 
A.  St.,  damit  dieser  ihn  zu  Geld  machen  könne.  A.  St.  er- 
suchte auch  den  Kläger  F.  B.,  seine  Unterschrift  auf  den 
Wechsel  zu  setzen.  F.  B.  entsprach  diesem  Gesuch  und  setzte 
seine  Blankounterschrift  auf  die  Rückseite  des  Wechsels.  Ob 
dies  vor  oder  nach  der  Beisetzung  des  Blankoindossaments 
des  Remittenten  D.  St.  geschah,  steht  nicht  fest;  dagegen 
.  steht  fest,  da88  die  Unterschrift  des  B.  oberhalb  derjenigen 
des  Remittenten  D.  St.  steht.  A.  St.  diskontierte  den  derart 
beschaffenen  Wechsel  bei  dem  Geschäftsagenten  J.  A.  in  L., 
welcher  ihm  die  Wechselsumme  ausbezahlte.  In  der  Folge 
liess  Geschäftsagent  J.  A.  das  Blankoindossament  des  Re- 
mittenten D.  St.  auf  den  Namen  des  F.  B.  und  dasjenige  des 
letztern  auf  seinen  eigenen  Namen  (durch  seinen  Sekretär) 
ausfüllen.  Nachdem  über  den  Aussteller  A.  St.  der  Konkurs 
ausgebrochen  war,  belangte  J.  A.  den  F.  B.  auf  Bezahlung 
der  Wechselsumme  und  erlangte,  nachdem  dieser  Rechtsvor- 
sohlag  erhoben  hatte,  provisorische  Rechtsöffnung.  F.  B.  erhob 
daraufhin  rechtzeitig  Aberkennungsklage,  indem  er  vorbrachte, 
der  Beklagte  sei  nicht  durch  eine  zusammenhängende,  bis  zu 
ihm  herunterreichende  Kette  von  Indossamenten  legitimiert, 
da  das  erste  Indossament  nicht  vom  Remittenten,  sondern 
vom  Kläger  ausgehe,  der  gar  nicht  als  Remittent  oder  In- 
dossatar erscheine  und  daher  den  Wechsel  nicht  gültig  habe 
indossieren   können. 

Das  Bundesgericht  hat  (im  Gegensatze  zu  den  kan- 
tonalen Instanzen)  die  Aberkennungsklage  gutgeheissen,  in- 
dem es  wesentlich  ausführte:  Der  Anspruch,  auf  dessen  Ab- 
erkennung die  Klage  gerichtet  ist,  qualifiziert  sich  als  Wechsel- 
regressanspruch des  Wechselinhabers,  der  als  letzter  Indos- 
satar legitimiert  zu  sein  behauptet,  gegen  einen  Indossanten. 
Da  der  Aberkennungsbeklagte  den  Wechsel  nicht  auf  dem 
Regresswege  eingelöst  hat,  sondern  seine  Rechte  an  demselben 
aus  im  Laufe  des  Wechsels  vor  Verfall  beigesetzten  Indos- 
samenten   ableitet,   so   beurteilt  sich  seine  Legitimation  aus- 


23 

schliesslich  nach  Art.  755  0.  R.  Es  ist  freilich  streitig,  ob 
diese  Vorschrift  (bezw.  die  für  dieselbe  vorbildliche  des  Art.  36 
D.  W.  0.)  sich  auch  auf  die  Regressklage  und  nicht  vielmehr 
nur  auf  die  Legitimation  gegenüber  dem  Bezogenen  bezw. 
Eigenwechselaussteller  beziehe,  speziell  ob  nicht,  wenn  in  der 
Reihe  der  Indossamente  eine  Lücke  vorhanden  ist,  die  In- 
dossatare nach  der  Lücke  zwar  nicht  gegen  die  Vortnänner 
der  Lücke,  wohl  aber  gegen  die  Indossanten  nach  der  Lücke 
(sofern  deren  Indossamente  unter  sich  zusammenhängen)  legi- 
timiert seien.  Allein  nach  dem  Wortlaut  des  Gesetzes  gilt 
Art.  755  0.  R.  allgemein,  auch  für  die  Regressklage,  und  es 
entspricht  dies  auch  der  Natur  des  Verhältnisses;  der  In- 
dossatar kann,  nach  der  Natur  des  Indossaments,  aus  dem 
isolierten  Indossamente  allein  keine  Rechte  ableiten,  sondern 
dasselbe  verleiht  ihm  solche  nur  dann,  wenn  es  sich  auf 
einem  formell  gültigen  Grundwechsel  befindet  und  sich  an 
diesen  und  die  vorausgehenden  Indossamente  im  Zusammen- 
hang an8chliesst  (Grünhut,  Wechselrecht  Bd  II,  S.  117; 
Thöl,  Handelsrecht  Bd  2,  3.  Aufl.,  S.  507).  Uebrigens  be- 
findet im  vorliegenden  Falle,  wenn  eine  Lücke  in  der  Kette 
der  Indossamente  überhaupt  anzunehmen  ist,  dieselbe  sich 
vor  dem  Indossamente  des  Aberkennungsklägers,  zwischen 
dem  Gmndwechsel  (der  Unterschrift  des  Ausstellers)  und  dem 
Indossamente  des  Klägers.  Der  Beklagte  wäre  also  letz  terni 
gegenüber,  sofern  eine  Lücke  überhaupt  vorliegt,  keinenfalls 
legitimiert. 

Artikel  755  0.  R.  bestimmt  nun  in  Abs.  1,  der  Inhaber 
eines  indossierten  Wechsels  werde  durch  eine  zusammen- 
hängende, bis  auf  ihn  hinuntergehende  Reihe  von  Indossa- 
menten als  Eigentümer  des  Wechsels  legitimiert,  und  hebt  im 
Abs.  2  ausdrücklich  hervor,  dass  das  erste  Indossament  dem- 
nach mit  dem  Namen  des  Wechselnehmers,  jedes  folgende 
Indossament  mit  dem  Namen  desjenigen  unterzeichnet  sein 
müsse,  welchen  das  unmittelbar  vorhergehende  Indossament 
als  Indossatar  benenne.  Fragt  sich,  ob  dieser  Vorschrift  in 
concreto  entsprochen  sei,  so  ist  zunächst  anzuerkennen,  dass 
der  beklagte  Wechselinhaber  durchaus  berechtigt  war,  die 
Blankoindossamente  des  Klägers  und  des  Remittenten  D.  8t. 
auszufüllen,  und  dass  daher  bei  Prüfung  der  Frage,  ob  eine 
zusammenhängende  Kette  von  Indossamenten  vorliege,  von 
der  Beschaffenheit  des  Wechsels  nach  Ausfüllung  der  Indos- 
samente auszugehen  ist.  Allein  auch  wenn  hievon  ausgegangen 
wird,  so  liegt  eine  zusammenhängende,  vom  Aussteller  bis 
auf  den  Wechselinhaber  hinuntergehende  Kette  von  Indossa- 


menten  doch  nicht  vor.  Unzweifelhaft  nämlich  ist  dasjenige 
Indossament,  welches  räumlich  als  das  erste  auf  die  Wechsel- 
Unterschrift  des  Ausstellers  folgt,  nicht  dasjenige  des  Remit- 
tenten! welches  auf  den  Namen  des  Klägers,  sondern  das- 
jenige des  letztern,  welches  auf  den  Namen  des  beklagten 
Wechselinhabers  ausgefüllt  worden  ist.  Darüber  nun  aber, 
ob  eine  zusammenhängende,  vom  Aussteller  bis  auf  den 
Wechselinhaber  hinuntergehende  Reihe  von  Wechselerklä- 
rungen vorliege,  entscheidet,  wie  wohl  ohne  weiteres  aus  dem 
Wortlaut  des  Gesetzes,  in  Verbindung  mit  der  formellen  Natur 
des  Wechsels  sich  ergiebt  und  allgemein  anerkannt  zu  sein 
scheint  (vergi,  z.  B.  Thöl,  a.  a.  0.  S.  505;  Staub,  Wechsel- 
ordnung, 2.  Aufl.  Art.  36  §  15  S.  100),  die  räumliche  Auf- 
einanderfolge der  Wechselerklärungen  und  nicht  etwa  das 
Datum  derselben  oder  sonstige,  aus  den  Umständen  der 
Wechselausstellung  und  -Begebung  in  betreff  der  Parteiabsicht 
sich  ergebende  Momente.  Danach  geht  denn  aber  vorliegend 
das  erste  Indossament  nicht,  wie  Art.  755  Ü.  R.  verlangt, 
vom  Remittenten,  sondern  von  einem  dritten  aus,  der  nach 
dem  Inhalte  des  Grundwechsels  (der  einzig  seiner  Wechsel- 
erklärung voransteht)  nicht  als  Wechselnehmer  erscheint  und 
der  daher  nicht  befugt  war,  den  Wechsel  gültig  zu  indossieren, 
durch  dessen  Indossament  vielmehr  der  Zusammenbang  in  der 
Reihe  der  Indossamente  unterbrochen  worden  ist.  Daran  kann 
die  Art,  wie  der  Beklagte  die  beiden  Indossamente  ausge- 
füllt hat,  ni  cht  8  ändern,  denn  diese  vermag  die  Reihenfolge 
der  Indossamente,  wie  sie  aus  ihrer  räumlichen  Aufeinander- 
folge sich  ergiebt,  nioht  zu  ändern,  sie  vermag  nicht  das  In- 
dossament des  Remittenten  zum  ersten,  dasjenige  des  Klägers 
zum  zweiten  Indossamente  zu  machen,  wie  dies  nötig  wäre, 
um  eine  ununterbrochene  Reihe  der  Wechselerklärungen  her- 
zustellen. (Entsch.  vom  12.  Oktober  1900  i.  8.  Bürgin  c.  Erb- 
schaft Arabühl.)  

15.  Bundesgesetz  betreffend  Feststellung  und  Beurkundung 
des  Gvästands  und  die  Ehe  vom  24.  Dezember  1874,  Art.  46 
lit.  c.    Begriff  der  „entehrenden  Strafe* 

Das  Bundesgesetz  über  Civilstand  und  Ehe  vom  24.  De- 
zember 1874  spricht  sich  nicht  näher  darüber  aus,  wann  eine 
Strafe  als  entehrend  anzusehen  sei  und  demgemäss  ein  Schei- 
dungsbegehren nach  Art.  46  lit.  c  zu  begründen  vermöge. 
In  erster  Linie  wird  daher  darauf  zurückzugehen  sein,  ob  das 
kantonale  Recht,  in  dessen  Anwendung  die  Strafe  aas- 
gesprochen wurde,  damit  den  Verlust  oder  die  Minderung  der 


25 

bürgerlichen  Rechte  und  Ehren  verbinde,  bezw.  darauf,  ob  der 
urteilende  Richter,  der  gleichsam  das  öffentliche  Gewissen 
repräsentiert,  die  Schmälerung  der  Ehrenrechte  für  geboten 
hielt.  Dazu  kommt  aber  ein  weiteres  Moment:  Wenn  die  Ver- 
urteilung zu  einer  entehrenden  Strafe  als  bestimmter  Schei- 
dungsgrund anerkannt  wird,  so  beruht  dies  auf  dem  Gedanken, 
dass  die  Schande  einer  infamierenden  Strafe  auch  den  un- 
schuldigen Ehegatten  treffe  und  dass  der  schuldige  durch  ein 
Verhalten,  das  hiezu  führt,  seine  Pflichten  verletze  und  das 
eheliche  Glück  untergrabe.  Danach  ist  denn  bei  der  Frage, 
was  als  entehrende  Strafe  im  Sinne  von  Art.  46  lit.  c  an- 
zusehen sei,  im  Gegensatz  zu  der  Divergenz  der  Strafrechte, 
welche  zur  Anwendung  kommen  können,  und  der  Anschau- 
ungen der  Strafrichter,  als  einheitlicher,  ausschliesslich  vom 
Bundesrecht  beherrschter  Gesichtspunkt  in  Betracht  zu  ziehen, 
wie  die  Strafe  auf  das  eheliche  Verhältnis  wirkt  und  ob  und 
wieweit  die  in  der  Strafe  liegende  Entehrung  das  eheliche 
Zusammenleben  verunmöglicht;  insofern  kann  der  Scheidungs- 
richter auch  auf  den  Grund  der  Strafe,  auf  das  Vergehen 
und  dessen  Charakter  zurückgreifen.  Materiell  ist  in  dieser 
Beziehung  zu  sagen,  dass  wohl  der  Regel  nach  einer  blossen 
Minderung  der  Ehrenrechte  die  Wirkung  nicht  wird  beigelegt 
werden  dürfen,  dass  dadurch  das  eheliche  Band  in  unheilbarer 
Weise  zerrissen  sei,  dass  vielmehr  erst  der  gänzliche  Verlust 
der  bürgerlichen  Rechte  und  Ehren,  dem  der  Entzug  der 
wesentlichsten  Ehrenrechte  gleichzustellen  sein  wird,  das  ehe- 
liche Verhältnis  derart  ergreift,  dass  dem  unschuldigen  Ehe- 
gatten eine  Fortsetzung  desselben  nicht  mehr  zugemutet 
werden  kann  (vergi.  A.S.Bdll  S.381  f.  und  Bd  VII  S.  541). 
Wird  hievon  ausgegangen,  so  ist  zunächst  zu  beachten,  dass 
nach  dem  Strafgesetzbuch  von  Appenzell  A.Rh,  die  Gefängnis- 
strafe, zu  der  der  Beklagte  verurteilt  wurde,  nicht  den  Verlust 
der  bürgerlichen  Rechte  und  Ehren  zur  Folge  hat,  wie  er 
mit  der  Zuchthausstrafe  von  Gesetzeswegen  verbunden  ist, 
sondern  nur  die  Herabsetzung  in  den  bürgerlichen  Rechten 
und  Ehren  auf  bestimmte  oder  unbestimmte  Zeit  (vergi.  §  5 
und  6  des  Strafgesetzbuches).  Diese  unterscheidet  sich  aber 
von  der  Entziehung  der  Rechte  und  Ehren  wesentlich,  einmal 
in  Bezug  auf  die  Dauer,  und  sodann  namentlich  in  Bezug  auf 
die  Wirkungen.  Während  die  Entziehung  stets  bis  zur  Re- 
habilitation dauert,  kann  die  Herabsetzung  —  wie  es  vor- 
liegend geschah  —  auch  nur  auf  bestimmte  Zeit  ausgesprochen 
werden,  und  während  die  Entziehung  den  Verlust  nicht  nur 
des  passiven,  sondern  auch  des  aktiven  Wahlrechts,  das  wohl 


26 

als  das  erste  der  bürgerlichen  Ehrenrechte  zu  bezeichnen  ist, 
sowie  die  absolute  Unfähigkeit,  Zeuge,  richterlicher  Beistand 
oder  Vormund  zu  sein,  nach  sich  zieht,  ist  derjenige,  der  in 
seinen  Ehren  herabgesetzt  wird,  nur  nicht  fähig,  eine  öffent- 
liche Staats-  oder  Gemeindestelle  oder  Bedienstung  za  be- 
kleiden, und  kann  als  Zeuge  bei  Civilstreitigkeiten  und  als 
richterlicher  Beistand  und  Vormund  ausgeschlossen  werden 
(vergi.  §  11  und  13  des  Strafgesetzbuchs).  Demgemäss  leidet 
denn  das  allgemeine  Ansehen  unter  einer  blossen  Herabsetzung 
offenbar  erbeblich  weniger,  als  bei  der  Entziehung  der  bürger- 
lichen Rechte  und  Ehren,  weshalb  auch  dort  die  Bückwirkung 
auf  das  eheliche  Verhältnis  nicht  eine  so  einschneidende  sein 
kann,  wie  hier.  Das  Delikt  sodann,  wegen  dessen  der  Be- 
klagte bestraft  wurde  (Unterschlagung,  begangen  in  der 
Stellung  als  Postcommis),  ist  nicht  so  schwer,  dass  deshalb 
gesagt  werden  müsste,  die  vom  Strafrichter  ausgesprochene 
Ehrenstrafe  bringe  soviel  Schande  über  die  Familie,  dass  das 
eheliche  Band  als  unheilbar  gelockert  betrachtet  und  dem- 
gemäss auf  Begehren  des  unschuldigen  Gatten  auch  äusserlich 
gelöst  werden  müsste.  Die  Klage  ist  daher  mit  Hecht  ver- 
worfen worden,  soweit  sie  sich  auf  Art..  46  lit.  c  des  Gesetze» 
von  1874  stützt.  (Entsch.  vom  20.  September  1900  i.  S.  Ehe- 
leute W.-L.) 

16.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahnen 
und  Dampfschiff  ahrtsuntemehmung  en  bei  Tötungen  und  Ver- 
letzungen vom  1.  Juli  1875>  Art.  2,  11.  Beweis  des  Selbst- 
verschuldens; Grundsätze. 

Der  Zugführer  der  N.  0.  B.,  K.  M.,  wurde  am  3.  August 
1899,  wo  er  einen  Schnellzug  von  Aarau  nach  Zürich  zu 
führen  hatte,  bei  Dietikon  in  einer  unbesetzten  Wagen- 
abteilung erster  Elasse  tot  aufgefunden,  den  Oberkörper  weit 
über  die  Brüstung  eines  Fensters  hinausgelehnt,  mit  einer 
Wunde  über  dem  rechten  Ohre,  unter  welcher  der  Schädel 
eingedrückt  war.  Die  Verletzung  wurde,  wie  angenommen 
werden  muss,  dadurch  verursacht,  dass  M.  mit  dem  Kopfe  an 
die  eine  Mauer  eines  Wegübergangs  anschlug.  Der  auf  das 
Eisenbahnhaftpflichtgesetz  begründeten  Entschädigungsklage 
der  Hinterlassenen  stellte  die  N.  0.  B.  die  Einrede  des  Selbst- 
verschuldens entgegen.  Dieselbe  wurde  indess  in  allen  In- 
stanzen verworfen.  Aus  dem  bundesgerichtlichen  Urteile  ist 
hervorzuheben: 

Die  Beweislast  für  die  Einrede  des  Selbstverschuldens 
ruht  auf  der  Beklagten  (Art.  2  des  Eisenbahnhaftpflichtgesetzes), 


27 

und  fall  s  diese  den  Richter  nicht  zu  überzeugen  vermag, 
da88  der  Verunglückte  sich  fahrlässig  benommen  und  dafls 
hierauf  der  Unfall  zurückzuführen  ist,  greift  die  Vermutung 
Platz,  der  Unfall  sei  ein  zufälliger  und  demgemäss  in  seinen 
Folgen  von  der  Transportunternehmung  zu  vertreten.  Nun 
hat  natürlich  auch  bei  der  Prüfung  des  auf  die  Einrede  des. 
Selbstverschuldens  bezüglichen  Prozessmaterials  der  Richter 
nach  Art.  11  des  Gesetzes  eine  freie  Würdigung  walten  zu 
lassen,  und  ist  es  ihm  nicht  verwehrt,  mangels  eines  direkten 
Beweises  des  Selbstverschuldens,  dieses  aus  den  feststehenden 
Umständen  des  Falles  zu  folgern.  So  kann  denn  der  Nach- 
weis des  Selbstverschuldens  von  der  Beklagten  auch  in  der 
Weise  geführt  werden,  da 88  sie  darthut,  dass  alle  vernünftiger- 
weise gedenkbaren  Möglichkeiten,  wie  sich  der  Unfall  er- 
eignet haben  kann,  auf  ein  Verschulden  des  Verunglückten 
zurückweisen.  Es  muss  aber  andrerseits  ein  Nachweis,  der  so 
zu  führen  unternommen  worden  ist,  schon  dann  als  gescheitert 
betrachtet  werden,  wenn  auch  nur  eine  —  vielleicht  nicht 
die  wahrscheinliche,  aber  doch  eine  mögliche  —  Erklärung 
für  den  Unfall  übrig  bleibt,  bei  der  nicht  von  einem  Selbst- 
verschulden des  Verunglückten  gesprochen  werden  kann.  Von 
diesen  Gesichtspunkten  auH  betrachtet,  kann  der  Nachweis 
des  Selbstverschuldens  im  vorliegenden  Falle  nicht  als  er- 
bracht angesehen  werden.  Zeugen  des  Hergangs  existieren 
nicht.  Soviel  ist  immerhin  nach  der  Sachlage  sicher,  dass  Bt. 
mit  dem  Oberkörper  ziemlich  weit  über  die  Fensterbrüstung 
hinausgeraten  sein  muss,  damit  die  Kollision  eintreten  konnte; 
denn  die  Mauer  war  ungefähr  50  cm  von  der  Wand  des 
Wagens  entfernt,  in  dem  M.  den  Tod  fand.  Allein  es  ist 
schon  fraglich  und  jedenfalls  nicht  zur  vollen  Ueberzeugung 
erstellt,  dass  sich  M.  freiwillig  aus  dem  Wagen  hinauslehnte. 
Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  sich  derselbe  auf  die  Fenster- 
brüstung stützte  und  dann  infolge  irgend  einer  äussern  Ein- 
wirkung ausrutschte  und  das  Gleichgewicht  verlor.  Ueberdies 
schlie88t  auch  das  Hinauslehnen  selbst  nicht  ohne  weiteres 
eine  Fahrlässigkeit  in  sich.  Wenn  die  Beklagte  sich  darauf 
beruft,  dass  dasselbe  durch  Reglement  und  durch  Anschlag 
in  den  Wagen  ausdrücklich  verboten  sei,  so  ist  doch  ohne 
weiteres  klar,  dass  für  das  Zugspersonal  dieses  Verbot  nicht 

auf  unbedingte    Anerkennung   Anspruch   erheben  kann 

An  sich  könnte  daher  dem  M.  daraus  allein,  dass  er  sich  aus 
dem  Fenster  hinausbeugte,  ein  Vorwurf  nicht  gemacht  werden. 
Vielmehr  müsste  erstellt  sein,  dass  er  sich  ohne  Anlass  zu 
weit    oder    auf   gefährliche   Weise    hinauslehnte   und   so   die 


28 

Kollision  verursachte.  Gerade  hier  ist  aber  die  Beweisführung 
nicht  schlüssig.'  Die  Beklagte  kann  es  nur  als  Vermutung 
aufstellen,  dass  M.  im  Zustande  des  Bewusstseins  mit  dem 
Körper  so  weit  aus  dem  Fenster  hinausgeriet,  dass  sein  Kopf 
an  die  Mauer  anschlagen  musste.  Daneben  bleibt  aber,  wie 
die  Vorinstanzen  zutreffend  erwähnen,  die  andere  Vermutung 
völlig  im  Bereiche  der  Möglichkeit,  dass  erst  ein  vom  Willen 
des  M.  unabhängiger  Umstand,  ein  zufälliges  Moment,  sei  es 
ein  innerer  Vorgang  oder  eine  äussere  Einwirkung,  ihn  in  die 
Lage  brachte,  die  dann  den  Zusammenstoss  unvermeidlich 
machte.  Die  Appellationskammer  fuhrt  aus,  es  sei  die  An- 
nahme nicht  ausgeschlossen,  und  sie  werde  dadurch  unter- 
stützt, dass  der  Verunglückte  seine  Dienstmütze  auf  einen 
Wagensitz  abgelegt  hatte,  M.,  der  sehr  erhitzt  gewesen  sei, 
habe  sich  abkühlen  wollen  und  zu  diesem  Zwecke  den  Kopf 
zum  Fenster  hinausgestreckt,  infolge  eines  plötzlichen  Un- 
wohlseins sei  dann  sein  Körper  vornüber  gefallen,  wobei  sich 
das  Unglück  ereignet  haben  möge.  Dem  ist  zuzustimmen 
und  damit  auch  die  Schlussfolgerung  zu  billigen,  dass  der 
Nachweis  des  Selbstverschuldens  missglückt  ist.  (Entsch.  vom 
15.  September  1900  i.  S.  N.O.  B.  c.  Witwe  Meier  u.  Genossen.) 


1 7.  BundesgeseU  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb 
com  25.  Juni  1881,  Art.  3.  Haftpflicht  für  Berufskrankheiten. 
Kausalzusammenhang  zwischen  Betrieb  und  Erkrankung.  Beweis- 
Würdigung. 

U.  F.,  welcher  seit  15.  November  1897  als  Handlanger 
in  der,  der  Bestimmung  des  Art.  3  des  Fabrikhaftpflicht- 
gesetzes unterstehenden,  chemischen  Fabrik  der  Beklagten 
angestellt  und  dabei  u.  a.  mit  der  Herstellung  von  Phenyl- 
hydrazin beschäftigt  war,  erkrankte  am  27.  November  1897 
und  starb  am  17.  Dezember  gl.  J.  Seine  Hinterlassenen  be- 
langten die  Beklagten  gestützt  auf  Art.  3  des  Fabrikhaft- 
pflichtgesetzes auf  Entschädigung.  Die  im  Prozesse  beige- 
zogenen Sachverständigen  sprachen  sich  dahin  aus,  die  Krank- 
heit des  F.,  welche  seinen  Tod  herbeigeführt  habe,  sei  „mit 
grösster  Wahrscheinlichkeit"  auf  Vergiftung  mit  Phenyl- 
hydrazin zurückzuführen.  Gestützt  auf  dieses  Outachten  er- 
klärten die  kantonalen  Instanzen  die  Klage  grundsätzlich  für 
begründet.  Die  hiegegen  ergriffene  Berufung  wurde  vom 
Bundesgerichte  abgewiesen,  indem  dasselbe  u.  a.  ausführte: 

Für  das  Bundesgericht  kann  es  sich  gemäss  Art.  81 
Organis.-Qes.  nur    fragen,    ob    die  Würdigung,   die  der  kan- 


29 

tonale  Richter  dem  Beweisergebnisse  hat  zukommen  lassen, 
aktenwidrig  sei  oder  auf  einer  Verletzung  bundesgesetzlicher 
Bestimmungen  beruhe;  es  wird  daher  namentlich  zu  prüfen 
sein,  ob  der  kantonale  Richter  den  Begriff  des  Kausalzusam- 
menhangs, wie  er  in  Art.  3  des  Fabrikhaftpflicht-Gesetzes 
niedergelegt  ist,  richtig  angewendet  oder  aber  verletzt  habr*. 
Ueber  diese  für  das  Schicksal  der  Berufung  entscheidende 
Frage  folgendes:  Die  Vorinstanz  hat  sich  bei  ihrem  Urteile 
im  wesentlichen,  wie  dies  in  der  Natur  der  Sache  lag,  auf 
das  Gutachten  der  ärztlichen  Sachverständigen  gestützt.  Wenn 
sie  nun  an  Hand  dieses  Gutachtens,  in  Verbindung  mit  der 
Thatsache,  dass  von  früheren  Krankheiten  den  F.  nichts  bekannt 
geworden,  den  Nachweis  des  ausschliesslichen  ursächlichen 
Zusammenhangs  der  Erkrankung  und  des  dadurch  erfolgten 
Todes  des  F.  mit  dem  Betriebe  der  Fabrik,  d.  h.  mit  der 
Arbeit,  die  ihm  in  der  Fabrik  oblag,  für  gegeben  hält,  so 
kann  darin  weder  eine  Aktenwidrigkeit,  noch  eine  Verletzung 
bundesgesetzlicher  Bestimmungen  erblickt  werden.  Da  das 
Gutachten  selber  sich  völlig  auf  Grundlage  der  Akten  auf- 
baut und  Aktenwidrigkeiten  oder  Verstösse  gegen  die  Logik 
nirgends  enthält,  sein  spezifisch  medizinischer  Inhalt  aber 
sich  der  Beurteilung  des  nicht  sachverständigen  Richters  natur- 
gemäss  entzieht,  so  bleibt  nur  die  Frage  zu  lösen,  ob  die 
„grösste  Wahrscheinlichkeit,"  die  die  Experten  für  den  Kausal- 
zusammenbang  zwischen  der  Krankheit  und  dadurch  dem 
Tode  des  F.  und  einer  Phenylhydrazin- Vergiftung  annehmen, 
für  den  vom  Gesetze  (Art.  3  Fabr.-Haftpfl.-Oes.)  verlangten 
Nachweis  genüge.  Das  ist  aber  zu  bejahen.  Allerdings  muss 
daran  festgehalten  werden,  dass  es  bei  Klagen  aus  Art.  3 
Fabr.-Haftpfl.-Ges.  (Haftpflicht  aus  Berufskrankheiten)  mit 
dem  dem  Kläger  obliegenden  Beweise  nicht  leicht  genommen 
werden  darf  (vergi.  Entsch.  des  Bundesgerichts,  Amtl.  Samml. 
Bd  XXIII  S.  881).  Allein  es  liegt  wohl  in  der  Natur  der- 
artiger Betriebs-  oder  Berufskrankheiten,  dass  ein  ganz  ab- 
soluter, strikter  Beweis  des  Kausalzusammenhangs  zwischen 
Fabrikbetrieb  (Arbeit)  und  Erkrankung  in  vielen  Fällen  un- 
möglich geführt  werden  kann  ;  diese  Fälle  mussten  aber  vom 
Gesetz  vorausgesehen  werden,  und  es  war  nun  gewiss  nicht 
dessen  Meinung,  in  solchen  Fällen  die  Haftpflicht  aoszu- 
schliessen.  (Entsch.  vom  27.  September  1900  i.  S.  Grandjean, 
Zimmermann  &  Cie   c.  Witwe  Flückiger  u.  Genossen.) 


so 

18.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art  287  Ziffer  2.  Ein  Vertrag,  wodurch  ein 
Schuldner  seinem  Gläubiger  Waren  in  der  Meinung  verkauft, 
dass  der  Kaufpreis  auf  die  Schuld  aufzurechnen  sei,  ist  dann 
nach  Massgabe  des  Art.  287  Ziffer  2  leg.  cit.  anfechtbar,  wenn 
sich  aus  den  Umständen  ergiebt,  dass  nicht  die  unmittelbaren 
Rechtsfolgen  eines  Warenverkaufes  den  eigentlichen  Zweck  und 
Inhalt  des  Geschäftes  bildeten,  sondern  dass  vielmehr  die  mit- 
telbare Wirkung  der  Tilgung  der  Schuld  durch  Kompensation 
die  Parteien  zum  Abschlüsse  desselben  bestimmte. 

(Entach.  vom  30.  Oktober  1900  i.  8.  Labhardt  &  Huber 
o.  Masse  Creutzmann.) 

19.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  BundesrechU- 
pjlege  vom  22.  März  1893,  Art.  81.  0.  IL  Art.  564,  600,  601. 
Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  11.  April 
1889,  Art.  285  f.,  288,  289.  Anfechtbarkeü  der  vom  unbeschränkt 
haftenden  Teilhaber  einer  Kommanditgesellschaft  vorgenommenen 
Verpfändung  von  Privatvermögen  für  eine  Gesellschaftsschuld. 
Rechts-  und  Thatfrage  bei  der  Anfechtungsklage.  Begriff  der  Be~ 
nachteiligungs-  bezw.  Begünstigungsabsicht. 

J.  M.-L.  in  Seh.  (Kanton  Aargau)  war  einziger  unbeschränkt 
haftender  Teilhaber  der  Kommanditgesellschaft  M.-L.  &  Cie. 
Ain  8.  August  1898  bestellte  er  der  gegenwärtigen  Beklagten 
für  eine  Gesellschaftsschuld  Pfandrecht  an  einer  zu  seinem  Pri- 
vatvermögen gehörenden  Liegenschaft.  Nachdem  am  23.  Mai 
1899  über  die  Kommanditgesellschaft  und  ara  3.  Oktober 
gl.  J.  über  J.  M.-L.  persönlich  der  Konkurs  eröffnet  worden 
war,  meldete  die  Beklagte  ihre  Forderung  in  beiden  Kon- 
kursen an  und  machte  im  Privatkonkurse  des  J.  M.-L.  auch 
ihr  Pfandrecht  geltend.  Forderung  und  Pfandrecht  wurden 
von  der  Konkursrerwaltung  anerkannt  Dem  gegenüber 
stellten  die  Kläger  (welche  ebenfalls  sowohl  im  Gesellschafts- 
al8  im  Privatkonkurse  anerkannte  Forderungen  angemeldet 
hatten)  auf  dem  Wege  des  Kollokationsprozesses  gegen  die 
Beklagte  den  Antrag,  der  Pfandbrief  der  Beklagten  sei  un- 
gültig zu  erklären  und  die  auf  denselben  gestützte  Forderung 
aus  der  Pfandklasse  in  die  laufende  zu  verweisen.  Die  Klage 
wurde  auf  Art.  288  des  Schuldbetreibungs-  und  Konkurs- 
gesetzes begründet.  Die  Beklagte  wendete  hiegegen  in  erster 
Linie  ein,  dass  der  Pfandbrief  nicht  vom  Schuldner  der  da- 
durch versicherten  Forderung  errichtet  worden  sei,  da  die 
Gesellschaft  und  der  Teilhaber  M.  verschiedene  Rechtssubjekte 
seien,    und   dass   schon    deshalb    die  Anfechtungsklage    nicht 


31 

zum  Ziele  führen  könne;  im  übrigen  bestritt  sie,  dass  die 
Voraussetzungen  des  Art.  288  leg.  cit.  zutreffen.  Das  Bundes- 
gericht hat  (in  Abänderung  des  Urteils  der  kantonalen  In- 
stanzen) die  Klage  gutgeheissen.  Aus  der  Begründung  seiner 
Entscheidung  ist  hervorzuheben: 

1.  J.  M.  war  für  die  Forderung  der  Beklagten  an  die 
Kommanditgesellschaft  M.-L.  &  Cie,  als  unbeschränkt  haf- 
tender Gesellschafter,  solidarisch  und  mit  seinem  ganzen  Ver- 
mögen verhaftet  (Art.  600  und  564  0.  R.).  Insofern  war  er 
von  Anfang  an  persönlicher  Schuldner  der  Beklagten,  und 
wenn  er  aus  seinem  privaten  Vermögen  iür  eine  Schuld  der 
Gesellschaft  Sicherheit  bestellte,  so  versicherte  er  damit  gleich- 
zeitig eine  eigene  Schuld.  Da  nun  das  Gesellschaftsvermögen 
nicht  hinreichte,  um  die  Gesellschaftsschulden  zu  decken,  so 
wurde  die  private  Schuldverpflichtung  wirksam,  und  es  konnte 
die  Forderung,  soweit  sie  noch  unbefriedigt  war,  im  Privat- 
konkurse des  Gesellschafters  angemeldet  werden  (Art.  601 
0.  R.).  In  diesem  Konkurse  wird  die  Forderung  als  seine 
persönliche  Schuld  liquidiert,  und  erscheint  das  Pfandrecht, 
das  er  bestellte,  und  das  nunmehr  angefochten  wird,  jawohl 
als  vom  Schuldner  der  Forderung  errichtet.  Der  Einwand, 
dass  J.  M.  das  Pfandrecht  nicht  für  eine  eigene  Schuld  be- 
stellt habe,  geht  demnach  fehl. 

2.  Das  Bundesgericht  ist  auch  in  Anfechtungsprozessen 
an  den  kantonalrechtlich  festgestellten  Thatbestand  gebunden 
(Art.  81  Organis.  Ges.).  Allein  die  Gebundenheit  erstreckt 
sich  nur  auf  die  thafcächlichen  Elemente,  auf  das,  was  an 
that8ächlichem  Material  die  Parteivorbringen  und  die  Beweis- 
führung zu  Tage  gefördert  haben,  während  die  Schlussfolge- 
rungen, die  hieraus  im  Hinblick  auf  die  Frage  der  Anfecht- 
barkeit gezogen  wurden,  weil  dabei  eben  auch  rechtliche  Auf- 
fassungen und  Fragen  der  Gesetzesinterpretation  mitspielen, 
der  Nachprüfung  des  Bundesgerichts  unterstehen  müssen.  In 
diesem  Sinne  darf  Art.  289  Betreib.- Ges.,  der  vorschreibt, 
dass  der  Richter  bei  Anwendung  der  Artikel  286  bis  288  unter 
Würdigung  der  Umstände  nach  freiem  Ermessen  urteile,  auch 
für  die  bundesgerichtliche  Instanz  eine  Bedeutung  bean- 
spruchen      Benachteiligungs-   bezw.   Begünstigungsabsicht 

im  Sinne  des  Art.  288  leg.  cit.  ist  nicht  nur  dann  anzu- 
nehmen, wenn  der  eigentliche,  nächste  Zweck  eines  Geschäfts 
die  Benachteiligung  der  übrigen  Gläubiger,  bezw.  die  Be- 
günstigung eines  einzelnen  war,  sondern  schon  dann,  wenn 
die  Benachteiligung  oder  Begünstigung  als  normale  Folge  des 
Geschäfts  vorhergesehen  werden  musste  (vergi.  Amtl.  Samml. 


32 

der  bundesger.  Entsch.  Bd  XXIII,  S.  738).  (Entsch.  vom 
14.  September  1900  i.  S.  Moser  u.  Eons.  c.  Buntweberei  in 
Wallenstadt.) 

20.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art.  287.  Wenn  der  Hauptschuldner  dem  Bürgen, 
der  die  verbürgte  Schuld  einzulösen  übernommen  hat,  zum  Zwecke 
der  Tilgung  seiner  Regressforderung  einen  Hypothekartitel  ab- 
tritt, so  liegt  darin,  auch  wenn  das  Geschäft  in  der  Form  eines 
Kaufes  mit  vereinbarter  Verrechnung  des  Kaufpreises  auf  die 
Regressi 'orderung  eingekleidet  wird,  eine  Abtretung  an  Zahlungs- 
statt, wodurch  eine  Gehlschuld  auf  andere  Weise  als  durch  Bar- 
Schaft  oder  anderweitige  übliche  Zahlungsmittel  getilgt  wird.  Die 
Abtretung  ist  daher  nach  Massgabe  des  Art.  287  cit.  anfechtbar. 

(Entsch.  vom  10.  Oktober  1900  i.  8.  Sottas  c.  Blanc  u. 
Genossen.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


21.  Vertrags-  oder  Deliktsklaget  Haftung  für  Angestellte 
nach  Art.  115  0.  R. 

Aargau«    Urteil  des  Obergerichts  vom  1.  Juni  1898. 

Ein  Lohnkutscher  Hess  in  der  Schmiede  ein  Pferd  be- 
schlagen. Als  dies  geschehen  war,  nahm  er  den  Schmied- 
meister in  eine  benachbarte  Wirtschaft  mit  und  Hess  das 
Pferd  in  der  Schmiede  zurück.  In  seiner  und  des  Schmieds 
Abwesenheit  wurde  das  Pferd  —  wohl  von  einem  Schmied- 
gesellen —  derart  verletzt,  dass  es  abgethan  werden  musate. 
Der  Lohnkutscher  klagte  gegen  den  Schmied  auf  Schaden- 
ersatz. Das  Obergericht  hat  den  Schaden  zwischen  beiden 
Parteien  geteilt. 

Motive:  Das  Bezirksgericht  ist  der  Ansicht,  dass  mit 
dem  Momente,  da  der  Beklagte  mit  dem  Lohnkutscher  nach 
dem  Beschlagen  aus  der  Schmiede  fortging,  jedes  Vertrags- 
verhältnis zwischen  diesen  Personen  in  tfezug  auf  das  Pferd 
aufgelöst  worden  sei.  Dem  kann  das  Obergericht  nicht  bei- 
pflichten. Denn  zu  dem  Vertragsverhältnisse  betreffend  das 
Beschlagen  des  Pferdes  gehört  auch  die  Verpflichtung  des 
Beklagten  zur  Aufnahme  des  Pferdes  in  die  Schmiede  und 
zur  Obhut  über  dasselbe,  so  lange  es  mit  Einwilligung  des 
Beklagten  sich  in  dessen  Schmiede  befand. 


33 

Der  Beklagte  wendet  ein,  der  Kläger  habe  dadurch, 
da88  er  ihn  mit  sich  in  die  Wirtschaft  genommen,  auf  seine 
Verpflichtung  zur  Obhut  des  Pferdes  verzichtet  und  sein  Ein- 
verständnis damit  ausgesprochen,  dass  der  Schmiedgeselle 
ohne  Aufsicht  des  Meisters  zum  Pferde  sehe.  Darum  könne 
er  ihm,  dem  Beklagten,  nicht  vorwerfen,  er  habe  die  Auf- 
sicht über  den  Gesellen  nicht  geführt  Dies  ist  nicht  richtig. 
Der  Beklagte  ist  nach  Art.  115  0.  R.  für  seine  Angestellten 
verantwortlich,  er  musste  wissen,  ob  das  Pferd  in  der  Obhut 
desselben  gelassen  werden  dürfe,  ohne  dass  etwas  vernach- 
lässigt werde.  Und  der  Kläger  durfte  annehmen,  dass  seitens 
der  Angestellten  des  Beklagten  dem  Pferde  die  nötige  Obhut 
zu  teil  werde.  Durch  das  Verlassen  der  Schmiede  mit  dem 
Eigentümer  des  Pferdes  lud  der  Beklagte  die  Verpflichtung 
zur  Obhut  des  Pferdes  nicht  von  sich  ab,  er  überliess  da- 
durch nur  die  Anwendung  der  ihm  selbst  obliegenden  Sorg- 
falt für  das  Pferd  seinem  Angestellten,  für  den  er  nach 
Art.  115  0.  R.  verantwortlich  ist. 

(Zur  Teilung  des  Schadens  gelangte  das  Obergericht 
durch  die  Erwägung,  dass  der  Geselle  die  ungewöhnliche  und 
boshafte  Handlung,  in  deren  Folge  das  Pferd  getötet  werden 
musste,  möglicherweise  nicht  verübt  hätte,  wenn  der  Meister 
in  der  Schmiede  zurückgeblieben  wäre.  Nun  sei  aber  letzterer 
durch  den  Kläger  selbst  zum  Weggehen  veranlasst  worden. 
Kläger  sei  in  der  Lage  gewesen,  das  Pferd,  da  es  beschlagen 
war,  sofort  nach  Hause  zu  führen,  er  habe  es  aber  ohne  trif- 
tigen Grund  in  der  Schmiede  gelassen.  Von  da  an  habe  das 
zwischen  den  Parteien  bestehende  Geschäft  für  den  Beklagten 
keinen  Vorteil  mehr  gehabt.  Vergi.  Art.  113  0.  R.,  der  auf 
den  vorliegenden  Fall  wohl  analoge  Anwendung  finden  dürfe.) 
(Zeitschr.  d.  Bern.  Jur.-Ver.,  XXXVI  S.  159  ff.) 


22.    Vente.  Délai  de  vérification  d'une  marchandise.  Art  246 

C.  0. 

Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  27  octobre  1900 
d.  1.  c.  Guilhermet  c.  dame  Kammer. 

Guilhermet  ayant  vendu  son  commerce  de  tabacs  à 
dame  Kammer  fit  commandement  à  cette  dernière  de  lui 
payer  le  solde  dû  en  450  fr.  Celle-ci  fit  opposition  au  com- 
mandement en  faisant  valoir  des  dommages-intérêts  pour  mar- 
chandises avariées.  Guilhermet  excipe  que  cette  demande  de 
dommages-intérêts   était  tardive,  l'acheteur  ayant  dû  vérifier 

3 


34 

l'état  des  marchandises  le  jour  de  la  reprise  du  magasin.   Le 
Tribunal  a  déclaré  fondée  la  réclamation  de  dame  Kammer. 

Motifs:  Considérant  qu'à  teneur  de  l'art.  246  G.  0.  le 
délai  de  vérification  est  déterminé  d'après  la  marche  habi- 
tuelle des  affaires; 

que  dame  Kammer  ne  pouvait  vérifier  immédiatement  le 
contenu  des  boîtes  ou  paquets  scellés,  car  elle  aurait  ainsi 
déprécié  la  valeur  des  marchandises; 

que  ce  n'est  que  lorsqu'elle  a  débité  ces  marchandises 
et  qu'elle  a  reçu  des  réclamations  de  ses  clients  qu'elle  a  été 
appelée  à  constater  l'état  des  cigares  et  cigarettes  qui  lui 
avaient  été  vendus; 

considérant  qu'il  n'est  pas  méconnu  par  Guilhermet  que 
son  acheteur  l'a  immédiatement  avisé; 

que  l'identité  des  marchandises  expertisées  avec  celles 
qu'il  a  vendues  ne  saurait  être  contestée; 

que  l'expert  a  constaté  qu'une  certaine  quantité,  soit  de 
cigarettes,  soit  de  cigares,  étaient  moisis  ou  défraîchis,  et 
que  cet  état  de  choses  remontait  à  une  époque  antérieure  à 
la  reprise  du  magasin  par  dame  Kammer. 

(La  Semaine  judiciaire,  XXII  p.  734  sa.) 


23.  Wechselklage.    Einrede  der  Arglist.    Art.  811  0.  R. 

Zürich«    Urteil  des  Handelsgerichts  vom  21.  September  1900. 

J.  Laurencie,  Agent  des  Seh.  in  Zürich  für  Vertrieb  eines 
von  letzterem  herausgegebenen  Werkes,  stand  mit  einem  ge- 
wissen Schaleck  in  Rechnungsverhältnis  und  trat  ihm  einen 
von  Seh.  aeeeptierten  Wechsel  im  Betrag  von  500  fl.  ab, 
den  Seh.  bei  Verfall  nicht  einlöste.  Auf  Betreibung  deponierte 
Seh.  den  Betrag  von  1070  Fr.  unter  Rechts  Vorschlag,  so  dass 
nun  Schaleck  zur  Erhebung  der  Wechselklage  genötigt  war. 
Dieser  hielt  Seh.  die  Einrede  entgegen,  er  habe  an  Laurencie 
jeweilen  Wechsel  abgegeben  nur  unter  der  Voraussetzung, 
dass  er  zu  deren  Einlösung  nicht  verpflichtet  sei,  wenn  bei 
deren  Fälligkeit  kein  entsprechendes  Provisionsguthaben  des 
L.  existent  sei.  Davon  habe  Schaleck  genaue  Kenntnis  ge- 
habt, ebenso  davon,  dass  er  (Seh.)  dem  Laurencie  nichts 
schulde  und  auoh  zur  Zeit  der  Abtretung  des  Wechsels  nichts 
geschuldet  habe;  mithin  stehe  der  Wechselklage  die  Einrede 
der  Arglist  entgegen.     Die  Klage  wurde   aber  gutgeheissen. 

Gründe:  Als  Weohselschuldner  kann  sich  der  Beklagte 
nach  Art.  811  0.  R.  „nur  solcher  Einreden  bedienen,  welche 


aas  dem  Wechselrecht  selbst  hervorgehen  oder  ihm  anmittel- 
bar gegen  den  jedesmaligen  Kläger  zustehen."  In  dieser  Rich- 
tung bringt  der  Beklagte  zunächst  vor,  der  Kläger  habe  das 
Accept  erworben  im  Bewußtsein,  dass  die  demselben  zu 
Grunde  liegende  Forderung  des  Laurencie  eine  bedingte  sei; 
er  Handle  somit  dolos,  wenn  er  dieselbe  geltend  mache  trotz 
Nichteintretens  der  Bedingung.  Der  Vorwurf  der  Arglist,  der 
damit  erhoben  wird,  gehört  in  die  zweite  Kategorie  der  dem 
Acceptanten  nach  Art.  811  cit.  gewährten  Einreden  (Hafner, 
Kote  3  zu  diesem  Art.).  Ueber  die  Zulässigkeit  dieser  Ein- 
rede an  sich  herrscht  heute  in  der  Wissenschaft  kein  Streit, 
dagegen  ist  die  Frage  sehr  kontrovers,  wann  die  Voraus- 
setzungen derselben  gegeben  seien.  Das  0.  R.  selbst  be- 
stimmt in  dieser  Richtung  nichts,  und  auch  das  Bundesgericht 
hat  in  dieser  Frage  einen  prinzipiellen  Entscheid  noch  nicht 
gefällt.  Während  nun  in  der  Theorie  die  eine  Ansicht  dahin 
geht,  der  Indossatar  müsse  auch  bei  blosser  Kenntnis  der 
dem  Valutaverhältnis  anhaftenden  Mängel  dieselben  sioh  selbst 
entgegenhalten  lassen  (so  Staub,  Komm.  z.  deutsch.  W.  0., 
2.  Aufl.,  8.  189,  §§  15  u.  16,  S.  196,  §§  39  u.  41;  Cosak, 
Lehrb.  des  Handelsrechts,  4.  Aufl.,  S.  291,  letzterer  mit  ge- 
wissen Einschränkungen),  erachtet  eine  strengere  Auffassung 
die  Einrede  der  Arglist  gegenüber  dem  Indossatar  nur  dann 
als  begründet,  wenn  dieser  die  Absicht  des  Indossanten,  dem 
Acceptanten  duroh  das  Indossament  Einreden,  die  er  gegen 
ihn  gehabt  hätte,  abzuschneiden,  gekannt  und  geteilt  hat 
(Kollusion)  (vergi.  Wächter,  Encyklopädie  des  W.  R.  S.  374; 
Borchardt,  Komm.  z.  deutsch.  W.  0.,  8.  Aufl.,  S.  402,  §786; 
Grünhut,  Wechselrecbt  Bd  II,  §  88;  weniger  bestimmt 
Brachmann  in  Endemanns  Handbuch  Bd  IV  2,  S.  324).  Zwar 
wird  von  Staub  (1.  c.  S.  189,  §  16)  geltend  gemacht,  beide 
Auffassungen  kommen  im  Grunde  auf  das  nämliche  heraus, 
indem  der  Indossatar,  der  in  Kenntnis  des  gegen  seinen  Vor- 
mann bestehenden  Einwandes  den  Wechsel  gleichwohl  er- 
werbe, damit  keine  andere  Absicht  verbinden  könne  als  die, 
den  Schuldner  zu  schädigen,  ihn  um  sein  Einwandsrecht  zu 
bringen.  Indessen  wird  diese  Meinung  gerade  von  Cosak  1.  c. 
nicht  geteilt  (vergi,  auch  Grünhut  S.  141),  und  zwar  wohl 
mit  Recht.  Ist  z.  B.  die  civilrechtliche  Forderung  im  Moment 
der  Indossierung  suspensiv  bedingt,  so  ist  es  ja  sehr  leicht 
möglich,  dass  die  Bedingung  sich  bis  zu  der  vielleicht  erst 
nach  Monaten  eintretenden  Fälligkeit  des  Wechsels  realisiert. 
In  diesem  Fall  ist  nicht  einzusehen,  wieso  der  Indossatar 
den   Wechsel   nur    in   der   „Absicht"    erwerben    könne,  dem 


36 

Acceptanten  die  Geltendmachung  der  Nichteintretung  der  Be- 
dingung zu  verunmöglichen. 

Da  nun  das  0.  fi.,  wie  bereits  bemerkt,  eine  direkte 
Lösung  der  Frage,  unter  welchen  Bedingungen  die  Einrede 
der  Arglist  dem  Acceptanten  zu  gewähren  sei,  nicht  giebt, 
so  ist  dieselbe  im  Sinn  und  Geist  des  Gesetzes  zu  suchen. 
Wenn  irgend  eine  Materie  desselben,  so  ist  das  Wechselrecht 
speziell  den  Anschauungen  und  Bedürfnissen  des  Handels- 
standes entsprechend  geregelt,  da  es  in  erster  Linie  den  In- 
teressen dieses  Gesellschaftskreises  dienen  will.  Nun  besteht 
eine  der  Hauptfunktionen  des  Accepta  darin,  als  Zahlungs- 
mittel zu  dienen,  und  damit  es  diesen  Zweck  erfülle,  muss 
die  Sicherheit  der  darin  versprochenen  Zahlung  eine  möglichst 
grosse  sein.  Je  mehr  es  dem  einzelnen  Wechselschuldner  er- 
leichtert wird,  sich  dieser  Zahlungspflicht  zu  entziehen,  um 
so  mehr  wird  der  Wechsel  eben  an  seinem  Charakter  als 
Zahlungsmittel  einbüssen.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus 
sind  die  dem  Acceptanten  in  Art.  811  0.  R.  gewährten  Ein- 
reden eng  umgrenzt,  und  rechtfertigt  es  sich  auch,  diesen 
Artikel  eng,  d.  h.  mehr  im  Sinne  der  in  zweiter  Linie  ge- 
nannten Handelsrechtslehrer  zu  interpretieren.  Dabei  kann 
keineswegs  gesagt  werden,  das*  dies  eine  unbillige  Härte  fur 
den  Acceptanten  zur  Folge  habe.  Wer  einen  an  Ordre  aus- 
gestellten Wechsel  acceptiert,  weiss  von  vornherein,  dass  ihm 
die  Geltendmachung  der  gegen  seinen  unmittelbaren  Wechsel- 
kontrahenten möglichen  Einreden  durch  die  Indossierung  des 
Wechsels  entzogen  werden  kann.  Will  er  dies  nicht,  so  steht 
ihm  das  einfache  Mittel  der  Kectaklausel  zu  Gebot. 

Die  Anwendung  dieser  Grundsätze  auf  den  vorliegenden 
Fall  führt  zur  Abweisung  der  Einreden  des  Beklagten,  ohne 
dass  deren  materielle  Begründetheit  geprüft  zu  werden 
brauchte.  Angenommen  nämlich,  der  Kläger  habe  im  Momente 
des  Erwerbes  des  Wechsels  gewusst,  dass  die  zu  Grunde  lie* 
gende  civilrechtlicho  Forderung  suspensiv  bedingt  sei,  ja  dass 
ein  Guthaben  des  Indossanten  Laurencie  z.  Zt.  nicht  einmal 
bestehe,  so  war  damit  die  Möglichkeit  des  geordneten  Be- 
standes dieser  Forderung  im  Zeitpunkt  der  Fälligkeit  des 
Wechsels  keineswegs  ausgeschlossen.  In  der  Annahme  des 
Wechsels  seitens  des  Klägers  lag  somit  kein  doloses  Ver- 
halten, und  handelte  er  damals  in  gutem  Glauben,  so  wurde 
daran  durch  e  vent,  später  eingetretene  Ereignisse  nichts  ge- 
ändert (so  auch  Staub  1.  c.  S.  189,  §  18).  Anders  läge  die 
Sache  aann,  wenn  das  Hechtsverhältnis  zwischen  Aussteller 
und  Acceptant  sich  nach  Begebung  des  Acceptes  so  geändert 


37 

hätte,  dass  nunmehr  feststund,  es  werde  ersterer  an  letztern 
nichts  mehr  zu  fordern  haben.  Nimmt  man  an,  der  Acceptant 
hätte  aus  diesem  Grund  das  Papier  zurückverlangt  und  der 
Indossatar  von  dem  ganzen  Verhältnis  zur  Zeit,  des  Wechsel- 
erwerbes Kenntnis  gehabt,  so  könnte  sich  allerdings  fragen, 
ob  er  dennoch  in  guten  Treuen  gehandelt  habe.  Indessen 
treffen  diese  Voraussetzungen,  wie  gesagt,  hier  nicht  zu. 

(Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entsch.,  XIX  S.  318  ff.) 


24.  Den  Gerichtsurteilen  gleichgestellte  administra- 
tive Beschlüsse,  Voraussetzungen.  Art.  80  B.-Oes.  über  Seh. 
u.  K.  vom  11.  April  1889. 

Graubünden.  Entscheid  des  Kleinen  Rats  vom  18.  September  1900 
i.  S.  Kreisamt  Bergün  e.  Ronchi  &.  Carlotti. 

Auf  Begehren  des  Kreisamtes  Bergün  stellte  das  Be- 
treibungsamt Bergün  am  17.  März  1900  der  Firma  Ronchi 
&  Carlotti  einen  Zahlungsbefehl  für  Unfalluntersuchungskosten 
im  Betrage  von  Fr.  156.55  zu.  Ronchi  &  Carlotti  erhoben 
hiegegen  Rechtsvorschlag,  worauf  das  Kreisamt  Bergün  bei 
dem  vom  Kleinen  Rate  als  unparteiisches  Forum  bezeich- 
neten Kreisamt  Alvaschein  Rechtsöffnung  verlangte,  wobei 
es  sich  auf  zwei  Schreiben  des  Departements  des  Innern  vom 
19.  September  1899  und  vom  15.  März  1900  stützte,  worin 
gesagt  wird,  dass  für  die  Untersuchungskosten  bei  Unfällen 
die  betreffenden  Unternehmungen  der  Kreiskasse  gegenüber 
aufzukommen  haben.  Mit  Entscheid  vom  9.  Juli  entsprach 
das  Kreisamt  Alvaschein  diesem  Begehren  mit  der  Begrün* 
düng,  dass  die  vom  Rechtsöffnungskläger  produzierte  Ur- 
kunde, wenn  sie  auch  den  formellsten  Anforderungen  an  ein 
Urteil  im  Sinne  des  Art.  80  B.-G.  über  Seh.  u.  K.  nicht  ge- 
nüge, doch  immerhin  als  eine,  von  der  zur  Auferlegung  der 
Kosten  kompetenten  Behörde  ausgestellte  Rechnung  geeignet 
sei,  den  in  Art.  80  erwähnten  Entscheid  über  eine  öffentlich- 
rechtliche Verpflichtung  zu  ersetzen:  es  wäre  der  reinste 
Formalismus,  wollte  man  verlangen,  dass  das  Kreisamt,  um 
einen  zur  Rechtsöffnung  geeigneten  Titel  zu  haben,  in  aller 
Form  ein  Urteil  zu  Gunsten  der  Kreiskasse,  die  es  selbst 
vertrete,  aufsetze. 

Auf  erhobenen  Rekurs  der  Firma  R.  &  C.  hat  der  Kleine 
Rat  diesen  Rechtsöffnungsentscheid  aufgehoben. 

Motive:  Der  Kleine  Rat  hat  zu  untersuchen,  ob  der 
kreisamtliche  Entscjfeid  in  einem  wesentlichen  Punkte  gegen 
durchaus  klares  Recht  Verstösse. 


38 

In  dieser  Beziehung  fällt  zunächst  in  Betracht,  class  das 
Kreisamt  Bergün  Rechtsöffnung  im  Sinne  von  Art.  80  B.-G. 
verlangt  und  das  Kreisamt  Alvaschein  daher  bloss  zu  unter- 
suchen hatte,  ob  die  betriebene  Forderung  auf  einem  Ent- 
scheide der  zuständigen  Verwaltungsbehörde  über  eine  der 
in  §  35  Ausführung«- Bestimmungen  zum  B.-G.  über  Seh.  und  K. 
erwähnten  öffentlich-rechtlichen  Verpflichtungen  beruhe.  Das 
Kreisamt  hat  denn  auch  nichts  anderes  gethan  und  sich  somit 
innert  den  Grenzen  der  ihm  zustehenden  Befugnisse  bewegt. 

Die  gegen  den  kreisamtlichen  Entscheid  gerichtete  Be- 
schwerde erscheint  daher  nur  dann  begründet,  wenn  das  Kreis- 
amt aus  offenbar  unstichhaltigen  Gründen  angenommen  hat, 
es  liege  ein  Entscheid  oder  Beschluss  im  Sinne  ron  §  35 
leg.  cit.  vor. 

Das  Kreisamt  Alvaschein  erblickt  einen  solchen  Entscheid 
darin,  dass  das  Kreisamt  Bergün  die  betriebene  Forderung 
auf  dem  Wege  der  Rechnungstell ung  und  Betreibung  gegen- 
über Ronchi  &  Üarlotti  geltend  gemacht  hat. 

Nun  kann  aber  der  Titel  einer  Forderung  doch  unmög- 
lich darin  bestehen,  dass  diese  geltend  gemacht  wird,  mit 
andern  Worten,  ein  Forderungsrecht  kann  nicht  auf  der  That- 
8ache  seiner  Ausübung  beruhen,  sondern  hat  notwendig  einen 
dasselbe  erzeugenden  Rechtsakt  —  und  darin  besteht  der 
Forderungstitel  —  zur  Voraussetzung.  So  beruht  die  Steuer- 
forderung einer  Gemeinde  auf  dem  Beschluss  der  zustündigen 
Gemeindebehörde,  wodurch  das  Gemeindesteuergesetz  auf  den 
konkreten  Fall  angewendet  wird,  die  Kostenforderung  einer 
Gerichtskasse  auf  dem  Kostendekret,  das  die  betreffende  Ge- 
richtsstelle auf  Grund  der  Zivilprozessordnung  erlässt. 

Dem  Reoht8öffhungsrichter  lag  aber  eine  kreisamtliche 
Verfügung,  wodurch  in  den  einzelnen  Untersuchungsfällen  der 
Firma  Ronchi  &  Garlotti  die  Untersuchungskosten  auferlegt 
worden  waren  und  wogegen  diese  allfällige  Einsprachen  hätten 
geltend  machen  können,  nicht  vor. 

Die  beiden  Schreiben  des  Departements  des  Innern  vom 
19.  September  1899  und  15.  März  1900  können  ebenfalls  nicht 
als  Entscheide  im  Sinne  des  §  35  leg.  cit.  angesehen  werden, 
sondern  diese  Schreiben  enthalten  bloss  die  auf  Anfrage  er- 
teilte Auskunft  des  Departementes,  dass  nach  bestehendem 
Rechte  —  und  darunter  konnte,  da  das  ei  dg.  Haftpflicht- 
ge8etz  keine  bezüglichen  Bestimmungen  enthält,  nur  kan- 
tonales öffentliches  Recht  verstanden  sein  —  die  Kreisämter 
befugt  seien,  die  Untersuchungskosten  bei  Unfällen  den  be- 
treffenden Unternehmern    aufzuerlegen.     Eine   andere  Beden- 


89 

tung  kann  diesen  Schriftstücken  nicht  wohl  beigemessen 
werden;  dies  um  so  weniger,  als  das  Departement  des  Innern 
gemäss  seiner  rechtlichen  Stellung  weder  die  Erlassung  eines 
Entscheides  im  konkreten  Falle,  noch  die  Aufstellung  einer 
allgemein  gültigen  Norm  beabsichtigen  konnte. 

(Amtsbl.  des  K.  Graubanden  Nr.  43  v.  26.  Oktober  1900,  S.  478  ff.) 


25.  Umfang  der  Haftpflicht  des  ersten  Ersteigerers  für  den 
„Ausfall"  bei  zwei  nachfolgenden  Ganten.  Art.  129  Abs.  4  und 
143  Abs.  2  B.-Qes.  über  Seh.  und  K.  vom  11.  April  1889. 

Banel-Stadt.  Urteil  des  Civilgerichte  vom  9.  Janaar  1900  i.  S. 
Zeller  c.  Ballmer. 

Für  eine  auf  die  amtliche  Gant  gebrachte  Liegenschaft 
konnte  von  dem  Ersteigerer  der  Kaufpreis  nicht  aufgebracht 
werden.  Infolge  dessen  wurde  eine  zweite  Gant  angeordnet, 
und  die  Liegenschaft  einem  neuen  Ersteigerer  um  eine  höhere 
Summe  als  bei  der  ersten  Gant  erzielt  worden  war,  zu- 
geschlagen. Auch  dieser  zweite  Käufer  konnte  aber  den  Kauf 
nicht  halten,  und  so  kam  die  Liegenschaft  auf  eine  dritte 
Gant,  die  ein  ungünstigeres  Resultat  als  die  erste  hatte,  in- 
dem unter  dem  auf  letzterer  erzielten  Preise  zugeschlagen 
wurde.  Der  erste  Käufer  wurde  nun  für  die  Differenz  zwischen 
dem  ersten  und  dem  dritten  Zuschlagspreise  in  Anspruch  ge- 
nommen. Er  wandte  ein,  dass  er  nichts  schuldig  sei,  da  auf 
der  zweiten  Steigerung  ein  höherer  Zuschlagspreis  erzielt 
worden  sei. 

Das  Gericht  hat  diesen  Einwand  für  unbegründet  er- 
klärt: ebenso  gut  wie  es  dem  ersten  Ersteigerer  anzurechnen 
sei,  wenn  an  der  zweiten  Gant  zu  einem  geringeren  Preise 
müsse  losgeschlagen  werden,  ebenso  gut  habe  er  dafür  auf- 
zukommen, wenn  bei  einer  zweiten  Gant  einem  insolventen 
Käufer  zugeschlagen  werden  müsse.  Der  vom  ersten  Er- 
steigerer zu  ersetzende  „Ausfall"  bestehe  in  der  Differenz 
zwischen  seinem  Zuschlagspreise  und  dem  effektiven  Erlöse, 
d.  h.  dem  Zuschlagspreise  der  dritten  Gant.   (Direkte  Mitteilung.) 


26.  Kautionspflicht  eines  im  Auslande  niedergelassenen 
Schweizerbürgers.  Art.  11  der  internationalen  Uebereinkunfl  betr. 
Cwilprozessrecht  vom  25.  Mai  1899. 

Zürich*  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichts  vom 
18.  August  1900  i.  S.  Volhart. 

Der  in  Deutschland  wohnhafte  Zürcher  C.  V.  hatte  beim 
Bezirksgericht  Dielsdorf  Scheidungsklage  gegen  seine  Ehefrau 


40 

anhängig  gemacht.  Dasselbe  legte  ihm,  weil  ausser  Landes 
wohnhaft,  eine  Prozesskaution  von  50  Fr.  auf.  Ein  Gesuch 
des  Rekurrenten  um  Aufhebung  dieser  Auflage  wurde  ver- 
worfein Hierüber  beschwert  sich  der  Rekurrent,  indem  er 
unter  Berufung  auf  Art.  11  der  internationalen  Uebereinkunft 
betr.  Civilproze88recht  vom  25.  Mai  1899  die  Aufhebung  der 
Kautionsauflage  verlangt.  Die  Beschwerde  stellt  sich  jedoch 
sofort  als  unbegründet  dar. 

Gründe:  Der  Rekurrent  bezw.  dessen  Vertreter  irrt  sich 
entschieden,  wenn  er  glaubt,  unter  den  Angehörigen  eines 
der  Vertrags„staatena,  zu  deren  Gunsten  Art.  11  der  cit. 
Uebereinkunft  die  Befreiung  von  der  Kautionspflicht  statuiert, 
seien  dessen  sämtliche  Einwohner,  ohne  Rücksicht  auf  ihre 
Nationalität,  zu  verstehen.  Vielmehr  ergiebt  sich  namentlich 
auch  aus  dem  französischen  Text  der  Uebereinkunft,  dass 
dieselbe  sich  nur  auf  die  Staatsangehörigen,  Bürger  (franzö- 
sisch nationaux)  der  kontrahierenden  Staaten  bezieht  (vergi, 
auch  Kreisschreiben  des  Übergerichts  über  den  Vollzug  der 
betr.  Uebereinkunft  vom  5.  September  1399),  wie  dies  übrigens 
bei  völkerrechtlichen  Verträgen  die  Regel  bildet  (vergi,  z.  B. 
den  Niederlassungsvertrag  zwischen  der  Schweiz  und  Deutsch- 
land vom  31.  Mai  1890,  wo  die  Bezeichnung  „Angehörige" 
auch  stets  in  diesem  Sinne  gebraucht  ist). 

Wenn  der  Rekurrent  auf  die  Unbilligkeit  hinweist,  die 
bei  dieser  Auslegung  entstehe,  indem  der  Schweizer  im  Aus- 
land ungünstiger  gestellt  werde,  als  der  fremde  Staats- 
angehörige, so  hat  dieselbe  ihren  Grund  eben  einfach  darin, 
dass  die  inländische  Gesetzgebung  es  bis  dahin  unterlassen 
hat,  den  eigenen  Staatsangehörigen  die  nämlichen  Begünsti- 
gungen einzuräumen,  wie  sie  die  „Uebereinkunft"  den  fremden 
zusichert.  Gegenüber  jenen  besteht  daher  die  im  Gesetz  betr. 
d.  Rechtspflege  (§  265  ff.)  statuierte  Kautionspflicht  noch  un- 
eingeschränkt zu  Recht.  —  Sofern  der  Rekurrent,  wie  er  be- 
hauptet, ausser  stände  sein  sollte,  die  ihm  auferlegte  Kaution 
zu  leisten,  bleibt  ihm  nichts  anderes  übrig,  als  sich  mit  einem 
Gesuch  um  Bewilligung  des  Armenrechts  unter  Klarlegung 
seiner  Verhältnisse  an  das  Bezirksgericht  zu  wenden. 

(Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entech.,  XIX  S.  274.) 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


27.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art.  58  Abs.  2\  67  Abs.  2. 

Mit  der  Ausfällung  des  Haupturteils  verlieren  die  ihm 
vorangegangenen  Zwischenentscheidungen  ihre  selbständige 
Bedeutung;  sie  gehen  in  dem  Hauptentscheide  auf;  die  Be- 
rufung gegen  den  Hauptentscheid  ergreift  deshalb  von  selbst, 
ohne  weiteres,  auch  diese  Zwischenentscheidungen,  so  dass 
es  einer  besondern  Erklärung  über  deren  Anfechtung  bei 
Einlegung  des  Rechtsmittels  nicht  bedarf.  (Entsoh.  vom  30. 
November  1900  i.  S.  Oberrheinische  Versicherungsgesellschaft 
Mannheim  c.  Kern.) 

28.  0.  R.  Art.  17,  896.  Schiedsgerichts-  und  Schiedsmann  er- 
ver trag;  rechtliche  Natur  derselben.  Anwendbarkeit  des  eidge- 
nössischen Rechtes  auf  Schiedsmannsklauseln  in  t  Versicherungs- 
verträgen. Die  Klausel  eines  Versicherungsvertragest  wonach  die 
endgültige  Feststellung  von  den  für  die  Schadensbemessung  ent- 
scheidenden Elementen  Schiedsmännern  übertragen  wird,  die  aus- 
schliesslich oder  in  ihrer  Mehrheit  einseitig  vom  Versicherer  be- 
zeichnet werden,  ist  ungültig. 

Die  Beklagte  hat  den  Kläger,  Bildhauer  E.  K.  in  B. 
gegen  körperliche  Unfälle  versichert.  Der  Vertrag  enthält 
(§  13  der  in  der  Police  abgedruckten  allgemeinen  Versiche- 
rungsbedingungen) folgende  Bestimmung: 

„Ueber  die  Frage,  ob  der  Tod  oder  die  Invalidität  und 
resp.  in  ^welchem  tirade  letztere,  soweit  dieser  Grad  nach 
den  Bestimmungen  des  §  12b  nicht  von  selbst  festgestellt  ist, 
ebenso  darüber,  in  welchem  Grade  und  auf  welche  Zeit  die 
Erwerbsunfähigkeit  während  der  Kurzeit  als  direkte  Folge 
des  Unfalles  zu  entschädigen  ist,  über  den  Grad  der  Gebrauchs- 
fähigkeit nur  teilweise  verlorener,  verstümmelter  oder  ge- 
lähmter Gliedmassen  resp.  Organe,  ferner  über  die  Frage, 
ob  und  in  welchem  Grade  der  Renten-Empfänger  später  wieder 
erwerbsfähig  geworden  ist,  entscheidet  die  Direktion  der  Ge- 

4 


42 

Seilschaft  auf  Grund  ärztlicher  Begutachtung.  Findet  sich  der 
Versicherte  resp.  dessen  Rechtsnachfolger  hierdurch  beschwert, 
so  müssen  sie  innerhalb  vier  Wochen,  nachdem  ihnen  diese 
Entscheidung  mitgeteilt  worden  ist,  ihre  Gegengründe  der 
Gesellschaft  mitteilen,  und  wenn  dennoch  eine  Einigung  nicht 
zu  erzielen,  in  gleicher  Frist  nach  der  ablehnenden  Erklärung 
der  Gesellschaft,  eine  weitere  Entscheidung  durch  eine  be- 
sondere Kommission  beantragen,  widrigenfalls  der  Verzicht 
des  Versicherten  resp.  der  Rechtsnachfolger  desselben  auf 
jeden  Einwand  und  auf  den  Rechtsweg  gegen  die  Entschei- 
dung der  Gesellschaft  als  festgestellt  gilt.  Diese  Kommission 
wird  zusammengesetzt  aus  einem  Mitgliede,  welches  die  Ober- 
rheinische Versicherungsgesellschaft  ernennt,  einem  zweiten 
Mitgliede,  welches  der  Versicherungsnehmer  resp.  dessen 
Rechtsnachfolger  zu  ernennen  haben,  und  aus  dem,  bezw. 
einem  Kreispnysikus  resp.  Gerichtsarzte  des  Wohnortes  des 
Verletzten  oder  auf  Antrag  der  Oberrheinischen  Versicherungs- 
gesellschaft einer  medizinischen  Autorität  an  einer  öffent- 
lichen Heilanstalt  oder  an  einer  Universität  als  drittem 
Mitgliede.  Die  Berufung  der  Kommission  erfolgt  durch  die 
Gesellschaft  und  zwar  in  Todesfallen  spätestens  innerhalb 
vier  Wochen  nach  erfolglosem  Vergleich  ungsversuche,  in 
sonstigen  Fällen,  sobald  die  vorliegenden  Fragen  mit  Sicher- 
heit entschieden  werden  können,  spätestens  aber  binnen 
Jahresfrist  vom  Unfälle  ab  gerechnet,  insoweit  es  sich  nicht 
um  die  Frage  handelt,  ob  und  inwieweit  der  verletzte  Renten- 
Empfänger  später  wieder  erwerbsfähig  geworden  ist,  in  welchem 
Falle  die  Kommission  auf  Antrag  der  Gesellschaft  jederzeit 
berufen  werden  kann.  Die  Wahl  des  von  dem  Versicherungs- 
nehmer resp.  dessen  Rechtsnachfolger  zu  ernennenden  Mit- 
gliedes muss  auf  Verlangen  der  Gesellschaft  längstens  binnen 
14  Tagen  nach  erfolgter  Aufforderung  der  Gesellschaft  mittelst 
eingeschriebenen  Briefes  angezeigt  werden,  widrigenfalls  auch 
diese  Wahl  rechtsgültig  durch  die  Gesellschaft  bewirkt  wird. 
Der  Ausspruch  der  Majorität  dieser  Kommission,  welcher 
schriftlich  begründet  sein  und  sich  genau  und  erschöpfend 
über  vorstehende  Fragen  aussprechen  muss,  ist  für  beide 
Teile  in  Beantwortung  dieser  Fragen  endgültig,  so  dass  der 
Rechtsweg  in  dieser  Beziehung  keinem  derselben  mehr  zu- 
steht. Wird  durch  dieselbe  die  Entscheidung  der  Oberrhei- 
nischen Versicherungsgesellschaft  bestätigt  oder  eine  geringere 
Entschädigung  festgestellt,  so  fallen  dem  Ansprucherhebenden 
die  Kosten  des  Verfahrens  zur  Last,  im  anderen  Falle  hat 
die  Gesellschaft  solche  zu  zahlen." 


4a 

In  §21  ist  sodann  bestimmt:  „Die  Feststellung  über  die 
Höhe  der  Entschädigung,  möge  sie  durch  Einigung  beider 
Teile  oder  im  Falle  des  §  13  durch  den  Ausspruch  der  dazu 
eingesetzten  Kommissionen  erfolgt  sein,  hat  keinen  Einflnss 
auf  die  Frage,  ob  überhaupt  eine  Entschädigungsverpflichtung 
der  Gesellschaft  vorliegt.  Diese  Frage  fallt  vielmehr  bei 
mangelnder  Einigung  der  richterlichen  Entscheidung  anheim." 

Wegen  eines  am  8.  Juli  1897  erlittenen  Unfalles 
leitete  der  Kläger  gegen  die  Beklagte  .gerichtliche  Klage  ein 
mit  dem  Begehren  :  Die  Beklagte  sei  zu  verurteilen,  ihm  wegen 
vorübergehender  Erwerbsunfähigkeit  vom  8.  Juli  bis  31.  De- 
zember 1897  Fr.  1650,  und  wegen  dauernder  Erwerbsun- 
fähigkeit eine  lebenslängliche  Rente  von  Fr.  1560  oder 
eine  A  Versalentschädigung  von  Fr.  14,000,  sowie  5  % 
Verzugszins  seit  der  Klage  von  den  geforderten  Beträgen  zu 
bezahlen. 

Die  Beklagte  brachte  dagegen,  nachdem  sie  mit  einer  die 
Zuständigkeit  der  Gerichte  ablehnenden  Einrede  abgewiesen 
worden  war,  vor  :  Der  Unfall  werde  nicht  bestritten  und  die  Ent- 
schädigungspflicht  im  Grundsatz  anerkannt.  Bestritten  werden 
nur  die  Folgen  des  Unfalles  in  Bezog  auf  ihren  Umfang  und 
die  Höhe  der  Entschädigung.  Hiefür  sei  aber  das  in  §  13  der 
Police  vorgeschriebene  Verfahren  massgebend.  Diesem  Ver- 
fahren entsprechend  habe  nun  die  Direktion  der  Beklagten,  auf 
Grund  der  ärztlichen  Begutachtung  ihre  Entscheidung  dahin  ge- 
troffen, dass  der  Kläger  keine  Invalidität  aufweise,  und  dass 
er  während  der  Heilungszeit  arbeitsunfähig  gewesen  sei:  vom 
9.  Juli  bis  9.  August  100  %,  vom  10.  bis  31.  August  50%, 
vom  1.  bis  30.  September  33,3  °/o,  vom  1.  bis  31.  Oktober 
25  %  und  vom  1.  November  bis  23.  Dezember  1897  10  %. 
Diesen  Entscheid  habe  die  Beklagte  dem  Kläger  am  7.  Ja- 
nuar 1898  zur  Kenntnis  gebracht,  ihm  gleichzeitig  die  be- 
treffende Entschädigung  mit  700  Fr.,  nachher  mit  800  Fr. 
offeriert,  und  ihn,  als  er  die  Offerte  ablehnte,  auf  den  in  §  13 
der  Police  angezeigten  Weg  verwiesen.  Der  Kläger  habe 
jedoch  den  hier  vorgesehenen  Entscheid  der  Kommission 
innert  vier  Wochen  nicht  verlangt,  und  damit  gemäss  §  13 
der  Police  den  Direktorialentscheid  anerkannt.  Er  könne 
deshalb  die  Richtigkeit  desselben  heute  nicht  mehr  anfechten. 
Die  kantonalen  Gerichte  verwarfen  diese  Einwendung  des 
Beklagten,  wobei  das  Obergericht  ausführte:  „Der  von  der 
Beklagten  angerufene  §  13  der  Police  gebe  den  Versicherten 
in  Bezug  auf  die  Schadensfeststellung  derart  der  Willkür  der 
Gesellschaft  preis,  dass  darin  ein  Verstoss  gegen  den  Grund- 


44 

satz  des  Art.  17  0.  R.  erblickt  werden  müsse;  die  in  dem- 
selben enthaltene  Androhung  der  Verwirkung  der  klägerischen 
Ansprüche  erweise  sich  somit  als  hinfällig." 

Das  Bundesgericht  ist  dieser  Auffassung  beigetreten,  in- 
dem es  ausführte: 

Was  den  Inhalt  und  die  Bedeutung  des  §  13  der 
Police  anbelangt,  so  hat  das  Bundesgericht  sich  bereits  in 
seinem  Urteil  vom  1.  März  1900  dahin  ausgesprochen,  dass 
derselbe  eine  Entscheidung  nicht  sowohl  von  Schiedsrichtern 
als  vielmehr  von  Schiedsmännern  (arbitratores)  vorsieht, 
den  darin  bezeichneten  Personen  nicht  die  richterliche  Er- 
ledigung der  Streitsache  selbst,  sondern  nur  den  Befund  über 
einzelne,  diese  letztere  beschlagende  thatsächliche  Verhält* 
nisse  zum  Voraus  anheimstellen  will.  Wenn  die  in  §  13  der 
Police  getroffene  Vereinbarung  der  Parteien  als  eigentlicher 
Schiedsvertrag  zu  betrachten  wäre,  so  würde  es  sich  über- 
haupt nicht  um  ein  dem  materiellen  Recht  angehöriges  Ab- 
kommen, sondern  um  einen  prozessrechtlichen  Vertrag  handeln, 
und  das  Bundesgericht  wäre  daher  nicht  kompetent,  die  Ent- 
scheidung der  Vorinstanz  nachzuprüfen,  dass  derselbe,  weil 
mit  dem  Wesen  des  Schiedsvertrages  im  Widerspruch  stehend, 
keinen  Anspruch  auf  richterlichen  Schutz  besitze.  Der  blosse 
Schiedsmannsvertrag  dagegen  ist,  weil  er  nicht  den  Rechts- 
streit selbst,  sondern  nur  eine  Thatsache  oder  ein  Element 
eines  Rechtsverhältnisses  dem  arbitrium  eines  Dritten  unter- 
stellt, als  dem  materiellen  Rechte  angehörend  zu  betrachten, 
und  zwar  demjenigen,  von  dem  das  Rechtsverhältnis,  auf 
das  er  sich  bezieht,  beherrscht  wird.  Demgemäss  untersteht 
denn  die  in  §  13  der  Police  getroffene  Vereinbarung  den 
Grundsätzen  des  Versicherungsvertrages,  und  da  der  Kanton 
Aargau  hierüber  keine  besonderen  gesetzlichen  Bestimmungen 
enthält,  so  ist  die  Entscheidung  gemäss  Art.  896  0.  R.  unter 
Anwendung  des  eidgen.  Obligationenrechts  bezw.  der  diesem 
innewohnenden  allgemeinen  Rechtsgrundsätze  des  Versiche- 
rungsrechts zu  treffen,  und  die  Kompetenz  des  Bundesgerichts 
somit  begründet. 

In  §  13  der  allgemeinen  Versicherungsbedingungen  hat 
sich  nun  die  Beklagte,  wie  sie  selbst  in  ihrem  Schreiben  an 
den  Kläger  vom  14.  März  1898  erklärte,  ausbedungen,  in 
die  Kommission,  welche  durch  Mehrheitsbeschluss  endgültig 
über  die  Schadenshöhe  und  die  Fragen  der  Kausalität  zwischen 
dem  Unfall  und  dem  Tod,  bezw.  der  Invalidität  und  Erwerbs- 
unfähigkeit zu  entscheiden  hat,  die  Mehrheit  der  Mitglieder 
selbst  zu  ernennen,  nämlich  deren  zwei,   während   dem   Ver- 


45 

sicherten  nur  die  Bezeichnung  eines  einzigen  Mitgliedes  zu- 
stehen soll.  Diese  Vertragsbestimmung  ist  von  der  Vorin- 
stanz mit  Recht  gemäss  Art.  17  0.  R.  als  ungültig  erklärt 
worden.  Es  bedeutet  einen  Verstoss  gegen  die  zwingenden 
Normen,  welche  sich  aus  der  Stellung  des  Versicherten  gegen 
die  Versicherungsgesellschaft  ergeben,  wenn  diese  sioh  in 
ihrer  Police  vorbehält,  diejenigen  Personen  zu  bezeichnen, 
welche  entscheidende  Elemente  der  Ansprüche  des  Versicherten 
festzustellen  haben  ;  und  das  Gleiche  gilt  offenbar  auch  dann, 
wenn  dem  Versicherten  zwar  eine  Mitwirkung  an  der  Be- 
stellung dieser  Personen  gewährt  wird,  aber  nur  eine  so  be- 
schränkte, dass  die  Entscheidung  stets  in  die  Hand  derjenigen 
gelegt  bleibt,  welche  die  Gesellschaft  ernannt  hat.  Wenn 
nun  auch  die  in  §  13  der  allgemeinen  Versicherungsbedin- 
gungen vorgesehene  Kommission  nicht  eigentliche  schieds- 
richterliche Funktionen  ausübt,  so  ist  ihre  Thätigkeit  der 
praktischen  Wirkung  nach  einem  Schiedsspruch  durchaus  ähn- 
lich. Diese  Kommission  hat  die  für  die  Bemessung  der  Ent- 
schädigungsansprüche des  Versicherten  massgebenden  Ver- 
hältnisse zu  würdigen  und  festzustellen;  durch  die  Befugnis 
der  Gesellschaft,  die  Kommission  in  ihrer  Mehrheit  nach 
eigener  Wahl  zu  bestellen,  wird  aber  dem  Versicherten  die 
Garantie  einer  unparteiischen  Würdigung  dieser  Verhältnisse 
entzogen,  und  seine  Vertragsstellung  dadurch  in  einer  Weise 
alteriert,  die  mit  der  bona  fides,  deren  Beachtung  speziell 
im  Versicherungsvertrag  oberster  Grundsatz  sein  soll,  un- 
vereinbar ist.  Dazu  kommt  noch,  dass  §  13  der  Police  zwei- 
deutig gefasst  und  geeignet  ist,  den  Versicherungsnehmer  zu 
der  Annahme  zu  verleiten,  als  ob  die  Parität  zwischen  ihm 
und  der  Gesellschaft  in  Hinsicht  auf  die  Bestellung  der  ge- 
nannten Kommission  gewahrt  bleibe.  Wäre  dies  die  Meinung 
des  §  13,  so  könnte  selbstverständlich  gegen  dessen  Gültig- 
keit keine  Einwendung  erhoben  werden.  Allein  die  Beklagte 
hat  diese  Auslegung  in  ihrem  Schreiben  an  den  Kläger  vom 
13.  März  1898  ausdrücklich  abgelehnt,  und  den  Standpunkt 
eingenommen,  dass  sie  das  Recht  beanspruche,  nach  ihrem 
Belieben  statt  des  Gerichtsarztes  einen  zweiten  Schiedsmann 
von  sich  aus  zu  ernennen.  Von  dieser  Interpretation  musste 
somit  der  Kläger  bei  seinem  Verhalten  ausgehen.  Er  durfte 
deshalb  ohne  weiteres  annehmen,  die  in  §  13  enthaltene 
Schiedsmannsklausel  sei  ungültig,  und  er  vergebe  seinen 
Rechten  nichts,  wenn  er  sich  dem  daselbst  vorgeschriebenen 
Verfahren  nicht  unterwerfe.  (Entsch.  vom  30.  November  1000 
i.  S.  Oberrheinische  Versicherungsgesellschaft  c.  Kern.) 


46 

29.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege  vom  22.  März  1893.  Art.  57.  0.  H.  Art.  50,  231  Abs.  2. 
Anwendbarkeit  des  kantonalen  Itectttes  auf  vertragliche  Ansprüche 
aus  Liegen  schal  tskauf.  Anspruch  aus  behaupteter  Zusicherung; 
Kontrakts-  oder  Dvltktsunspruchl 

Der  Liegenschaftskauf  untersteht  bekanntlich  in  allen 
Teilen  dem  kantonalen  Recht,  und  es  kann  daher  nach 
Art.  57  Organis.  Ges.  die  Frage,  welche  Verbindlichkeiten 
dem  Verkäufer  aus  einem  solchen  Kaufe  erwachsen  seien, 
nicht  Gegenstand  der  Berufung  an  das  Bundesgericht  bilden. 
Nun  hat  der  Beklagte  und  Widerkläger  allerdings  behauptet, 
die  Haftung  der  Kläger  sei  nicht  bloss  eine  kontraktliche, 
sondern  auch  eine  solche  aus  „Quasidelikt,"  und  hat  sich  auch 
auf  Art.  50  u.  ff.  0.  R.  berufen;  er  scheint  demnach  behaupten 
zu  wollen,  dass  die  Widerbeklagten  ihm  gegenüber  auch  aus 
unerlaubter  Handlung,  also  aus  einem  bundesrechtlich  nor- 
mierten Rechtsgrunde  schadenersatzpflichtig  geworden  seien. 
Allein  einen  Schadenersatzanspruch  dieser  Art  hat  er  nicht 
gestellt  und  nicht  begründet.  Seine  Schadenersatzklage  geht, 
wie  in  der  Formulierung  des  Rechtsbegehrens  vor  den  kanto- 
nalen Instanzen  ausdrücklich  gesagt  wird,  auf  Ersatz  des 
Minderwertes  des  Kaufgegenstandes,  der  sich  bei  Gegenüber- 
stellung der  garantierten  und  der  effektiven  Bruttoeinnahme 
ergebe.  Er  fordert  also,  dass  ihm  die  Widerbeklagten  be- 
zahlen, was  er  haben  würde,  wenn  die  von  G.  zugesicherte 
Thatsache  richtig  wäre;  d.  h.  er  fordert  sein  Interesse  an 
der  Erfüllung  des  Kaufvertrages  konform  den  beim  Abschluss 
des  Kaufvertrages  erteilten  Zusicherungen.  Dieser  Anspruch 
setzt  aber  das  Bestehen  des  Kaufvertrages  voraus;  er  stützt 
sich  auf  diesen,  und  kann  daher  nur  im  Wege  der  Kontrakts-, 
nicht  als  Deliktsklage  geltend  gemacht  werden.  Als  An- 
spruch aus  Delikt  könnte  der  Widerkläger  nur  Wiederher- 
stellung derjenigen  Vermögenslage  verlangen,  die  bestehen 
würde,  wenn  die  behauptete  unerlaubte  Handlung  nicht  be- 
gangen worden  wäre,  wenn  also  der  Widerbeklagte  die  frag- 
liche Zusicherung  nicht  gegeben  hätte;  nicht  aber  das  Inter- 
esse, das  der  Widerkläger  an  der  Richtigkeit  der  Zusiche- 
rung hatte;  denn  einen  Anspruch  auf  Gewährleistung  des 
Zugesicherten  erwarb  der  Widerkläger  erst  mit  dem  Ab- 
schluss des  Kaufvertrages  und  auf  Grund  dieses  letztem. 
Auf  Art.  50  ff.  O.  R.  könnte  somit  nur  ein  Schadenersatzan- 
spruch gegründet  werden,  mit  welchem  das  Interesse  des 
Widerklagen  daran  gefordert  würde,  dass  die  Behauptung 
betreffend  die  Rendite  des  Hotels  gar  nicht  aufgestellt  wurde. 


47 

Einen  solchen  Anspruch  hat  der  Widerkläger  aber,  wie  be- 
merkt, gar  nicht  erhoben,  und  nicht  substanziert,  sondern 
einzig  sein  Erfüllungsinteresse  geltend  gemacht.  Die  Wider- 
klage qualifiziert  sich  demnach,  gemäss  dem  gestellten  Rechts- 
begehren und  dessen  Substanzierung,  ausschliesslich  als  Kon- 
traktsklage, und  ist  somit,  da  der  ihr  zu  Grunde  liegende 
Kontrakt  ein  Liegenschaftskauf  ist,  der  Beurteilung  des 
Bundesgerichts  entzogen.  (Entsch.  vom  18.  Januar  1901  i.  8. 
Banz  c.  Görg.) 

30.  0.  R.  Art.  HO,  113,  117,  118y  119,  120.  Liquidität  der 
Forderung  ist  zum  Verzuge  des  Schuldners  nicht  erforderlich. 
Bei  Geldschulden  ist  der  Schuldner  zu  Zahlung  von  Verzugs- 
zinsen verpflichtet,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  ihn  ein  Verschulden 
trifft,  während  er  dagegen  einen  weitergeltenden  Schaden  nur  dann 
zu  ersetzen  hat,  wenn  der  Gläubiger  ihm  ein  Verschulden  nach- 
weist. Im  Uebrigen  dagegen  ist  der  Schuldner  zum  Schadener- 
satz für  Erfüllungsoerzug  nur  verpflichtet,  wenn  ihn  ein  Ver- 
schulden trifft.  Die  Beweislast  dafür  dass  die  Verzögerung  ohne 
sein  Verschulden  eingetreten  ist,  trifft  aber  den  Schuldner.  Das 
Verschulden  kann  auch  zufolge  der  Illiquidität  der  Forderung 
ausgeschlossen  sein,  sofern  nämlich  der  Schuldner  über  den  Be- 
stand oder  die  Fälligkeit  der  Forderung  sich  im  Irrtum  befand 
und  dieser  Irrtum  ein  entschuldbarer,  auch  bei  sorgsamer  und  ge- 
wissenhafter Prüfung  nicht  zu  vermeidender  war.  Der  Schuldner 
dagegen,  der  es  ohne  solche  Prüfung,  indem  er  sich  z.  ß.  au 
die  ungeschickte  Fassung  einer  Vertragsbestimmung  anklammert, 
zum  Prozesse  kommen  lässt,  handelt  schuldhaft  und  wird  schaden- 
ersatzpflichtig. 

A  termini  dell'  art.  117  del  C.  0.  il  debitore  è  costituito 
in  mora,  quando  l'obbligazione  è  scaduta,  mediante  inter- 
polazione del  creditore,  e  quando  il  giorno  dell'adempimento 
è  stabilito  o  risulta  determinato  da  un  avvertimento  convenuto, 
pel  decorso  di  detto  giorno.  Telia  mora  del  debitore  non  è 
dunque  richiesto  che  l'obbligazione  di  cui  lo  stesso  è  tenuto 
all'  adempimento,  sia  liquida.  (Ved.  Hafner,  2  ed.  pag.  42.) 
Richiesto  è  invece  di  regola  generale,  perchè  si  possa  far 
luogo  ad  una  domanda  di  indennizzo  (così  anche  nel  caso 
di  avvenimento  fortuito,  Art.  118)  che  il  ritardo  nell'  esecuzione 
di  un'  obbligazione  sia  imputabile  a  colpa  del  debitore.  Solo 
quando  l'obbligazione  si  riferisce  al  pagamento  di  una  somma 
in  danaro,  l'art.  119  del  C.  0.  obbliga  il  debitore  in  mora 
al  pagamento  di  interessi  moratori,  indipendemente  dal  fatto 
che    il  debitore  trovisi    o  non  trovisi  in  colpa,   accollando   al 


48 

creditore  la  prova  che  il  debitore  è  in  colpa,  nel  caso  che 
lo  stesso  pretenda  un  indennizzo  maggiore  (Art.  120).  Ma 
all'  infuori  di  questo  caso  vale  la  regola  dell'  art.  110,  se- 
condo la  quale  il  debitore  che  non  ha  adempito  un'obbligazione, 
o  che  non  l'ha  adempita  nel  modo  dovuto,  può  liberarsi  dal- 
l'obbligo  del  risarcimento  dei  danni  provando  che  il  non  adem- 
pimento o  l'adempimento  irregolare  è  avvenuto  senza  sua 
colpa.  Ora  la  deficienza  di  colpa  può  consistere  benissimo 
neir  ambiguità  e  illiquidità  dell'  obbligazione.  Così,  quando 
un  debitore  versa  in  errore  sulP  esistenza  o  sulla  portata 
degli  obblighi  che  gli  incombono  e  che  questo  errore  è  giu- 
stificabile, vale  a  dire  quando  usando  anche  tutta  la  pru- 
denza dovuta,  si  possa  credere  e  si  crede  in  buona  fede  di 
non  essere  obbligati  ad  una  prestazione,  o  di  non  esservi  ob- 
bligati per  un  tempo  determinato  è  di  regola  comune,  scatente 
del  resto  dai  principi  generali  di  diritto,  che  non  ostante  si 
versi  in  istato  di  mora,  non  si  sia  obbligati  al  risarcimento 
di  danni.  Ma  perchè  vi  sia  errore  scusabile  in  questo  senso, 
è  necessario  che  il  debitore  non  abbia  agito  alla  leggera,  che 
richiesto  di  una  prestazione,  prima  di  rifiutatisi,  abbia  esami- 
nato colla  maggiore  attenzione  e  diligenza  possibile  quali 
obblighi  gli  impone  il  contratto,  con  altre  parole  che  a  termini 
dell*  art.  113  del  G.  0.  non  gli  sia  imputabile  nessuna  colpa, 
neppure  la  più  leggera;  se  agisce  altrimenti  e  si  affida  senza 
altro  alle  sorti  di  un  processo,  incorre  nella  responsabilità 
stabilita  appunto  da  questo  articolo.1)  (Entsch.  vom  20.  Ok- 
tober 1900  i.  S.  Coningi  e.  Bernasconi.) 


31.  0.  R.  Art.  192  Abs.  1;  524  ff. ,  544.  Gewährspßicht  des 
Cedenlen  für  den  Bestand  der  Forderung  ;  Tragweite  derselben, 
speziell  bei  Abtretung  von  Rechten  aus  einer  (einfachen)  Gesell- 
schaft.   Beweislast.    Anwendbarkeit  fremden  Rechts. 

Die  Beklagten  hatten  dem  Kläger  am  23.  Juni  1899  an 
Zahlungsstatt  drei  Récépissés  de  dépôt  de  la  Caisse  hypothé- 

\i  Zwischen  den  Parteien  war  ein  Mietvertrag  über  ein  Hau»  „duratura 
per  anni  nove,  da  rivedersi  ogni  tre  anni4,  abgeschlossen  worden.  Der  Ver- 
mieter kündigte  den  Vertrag  auf  Ende  des  zweiten  Termins  unter  Beobach- 
tung der  Frist  des  Art.  290  Abs.  1  O.  H.  Der  Mieter  weigerte  sich  der 
Kündigung  Folge  zu  geben,  und  lies«  es  zum  Prozesse  kommen.  Von  den 
kantonalen  Gerichten  zur  Räumung  und  zu  Schadenersatz  verurteilt,  focht 
der  Mieter  vor  Bundesgericht  nur  noch  die  Entscheidung  über  seine  Schaden- 
ersatzpflicht an,  die  aber  vom  Bundesgericht  bestätigt  wurde. 


49 

caire  de  Pretoria  (im  Betrage  von  zusammen  8000  Fr.)  ab- 
getreten. Durch  ein  Cirkular  vom  2.  August  1899  gaben  die 
schweizerischen  Bankiers  der  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria 
den  Einlegern  dieses  Instituts  von  einem  Brief  der  Gründer 
und  Verwalter  desselben,  F.  und  D.  in  Pretoria,  vom  8.  Juli 
1899,  Kenntnis,  in  welchem  diese  erklärten:  sie  haben  die 
Gelder,  welche  sie  zur  Bildung  der  Caisse  hypothécaire  de 
Pretoria  hätten  verwenden  sollen,  —  die  für  dieses  im  Jahr  1898 
gegründete  Institut  einbezahlten  Einlagen  beliefen  sich  im 
März  1899  auf  1,630,000  Fr.  —  für  sich  behalten  und  in 
Geschäften  verwendet,  von  welchen  sie  grossen  Gewinn  er- 
warteten. Sie  haben  dieselben  jedoch  in  ihren  Spekulationen 
vollständig  verloren ,  und  besitzen  nun  absolut  nichts 
mehr.  Der  Kläger  belangte  hierauf  die  Beklagten  auf  Be- 
zahlung von  8000  Fr.  nebst  Zins  (gegen  Rückgabe  der  drei 
récépissés  de  dépôt),  indem  er  sich  im  Wesentlichen  auf 
Art.  192  0.  R.  berief.  Er  machte  geltend,  die  ihm  abge- 
tretenen Forderungen  an  die  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria 
hätten  zur  Zeit  der  Abtretung  nicht  bestanden,  da,  wie  sich 
herausstellte,  der  angebliche  Schuldner  derselben,  die  Caisse 
hypothécaire  de  Pretoria,  niemals  existiert  habe.  Das  Kantons- 
gericht des  Kantons  Neuenburg  hat  die  Klage  gutgeheissen, 
das  Bundesgericht  dagegen  hat  sie  abgewiesen.  Aus  den 
Gründen  des  bundesgerichtlichen  Entscheides  (aus  welchen 
sich  gleichzeitig  das  Erforderliche  über  die  Caisse  hypothé- 
caire de  Pretoria  und  diese  récépissés  de  dépôt  ergiebt)  ist 
hervor  zu  heben: 

Le  cédant,  dans  une  cession  en  vertu  d'un  contrat  à  titre 
onéreux,  doit  garantir  qu'au  moment  de  la  cession  la  créance 
soit  juridiquement  réalisable,  c'est-à-dire  qu'elle  existe  en 
droit  dans  sa  personne,  vis-à-vis  du  débiteur  cédé,  et  qu'elle  ne 
puisse  pas  être  attaquée  par  des  exceptions  opposables  par  ce 
dernier.  Le  cédant  répond  par  conséquent  dans  le  cas  où  le  pré- 
tendu débiteur  cédé  n'existe  pas,  ou  est  une  porsonne  imagi- 
naire; dans  ce  cas  en  effet  la  créance,  qui  suppose  l'existence 
d'un  débiteur,  n'existe  pas  elle-même;  il  va  également  de  soi  que 
la  créance  doit  exister  au  regard  du  debitor  cessus,  et  que  le 
cédant  est  responsable,  dans  le  cas  où  une  créance,  d'un  contenu 
identique  à  la  créance  cédée,  existe  à  la  vérité,  mais  vis-à-vis 
d'une  autre  personne  que  celle  qui  était  désignée,  lors  de  la 
cession,  comme  débiteur  de  la  créance  cédée.  En  effet,  dans 
ce  cas  aussi,  la  créance  cédée  n'a  pas  d'existence  juridique, 
puisque,  par  suite  du  défaut  d'identité  du  débiteur,  la  cré- 
ance existant  réellement  n'est    pas   identique  avec    celle   qui 


50 

a  fait  l'objet  de  la  cession.  Si,  par  exemple,  un  engagement 
a  été  pris  par  un  représentant  sans  pouvoirs,  et  si  cette 
créance  a  été  cédée  ensuite  par  le  créancier,  ce  dernier,  pour 
le  cas  où  le  représenté  refuse  sa  ratification,  doit  répondre 
vis-à-vis  de  son  cessionnaire  même  lorsque  le  représentant 
sans  pouvoirs  (voir  p.  ex.  art.  821  C  0.)  serait  tenu  d'exécu- 
ter, de  so n  côté,  le  contrat  conclu  sans  droit;  il  doit  er> 
être  à  plus  forte  raison  de  même  lorsque  le  gérant  sans  pou- 
voirs n'est  passible  que  de  dommages-intérêts,  comme  c'est 
régulièrement  le  cas  en  droit  fédéral  (art.  48  C  0).  Dans  des 
cas  semblables,  comme  il  a  été  dit,  la  créance  cédée  est  sans 
existence  en  droit,  et  il  s'en  suit  que  le  cédant  doit  assumer 
la  garantie  prévue  à  l'art.  192  al.  1  C.O.  Toutefois  le  fardeau 
de  la  preuve  incombe  au  cessionnaire;  celui-ci  doit  prouver 
que  la  créance  cédée  n'existe  pas  en  droit,  et  ce  n'est  point 
au  cédant  à  rapporter  la  preuve  que  la  dite  créance  existe. 
En  effet  c'est  la  non  existence  de  la  créance  cédée  qui  con- 
stitue la  base  de  la  prétention  du  cessionnaire,  et  c'est  à 
lui  dès  lors  à  l'établir. 

Or,  à  l'appui  du  bien-fondé  de  sa  prétention,  le  demandeur 
a  allégué  que  la  créance  à  lui  cédée  est  stipulée  contre  la 
Caisse  hypothécaire  de  Pretoria  comme  personne  juridique; 
qu'il  est  démontré  qu'une  telle  personne  juridique  n'a  jamais 
existé  et  qu'il  s'en  suit  que  la  créance  cédée  n'a,  de  même, 
jamais  eu  d'existence.  Le  Tribunal  cantonal  a  adopté  cette 
manière  de  voir,  en  envisageant  notamment  la  créance  cédée 
comme  provenant  d'un  prêt  fait  à  la  Caisse  hypothécaire  de 
Pretoria.  Comme  on  l'a  déjà  observé,  il  est  de  principe  qu'en 
cas  de  cession  d'une  créance  sur  un  débiteur  n'existant  pas, 
il  y  a  lieu  à  garantie  de  la  part  du  cédant;  il  doit  donc 
être  examiné  si  ces  conditions  de  fait  se  présentent  dans 
l'espèce.  Il  est  nécessaire,  à  cet  effet,  de  soumettre  à  un 
examen  plus  détaillé  la  nature  juridique  des  créances  con- 
stituées par  les  titres  litigieux,  soit  récépissés  de  dépôt  de  la 
Caisse  hypothécaire  de  Pretoria,  et  celle  de  cette  Caisse 
elle-même. 

Il  est  tout  d'abord  évident  que  les  récépissés  dont  il 
s'agit  ne  constituent  nullement,  ainsi  que  l'admet  l'instance 
cantonale,  une  créance  provenant  d'un  prêt.  Ils  contiennent 
la  déclaration  que  F.  et  D.,  Gérants  de  la  Caisse  hypothé- 
caire de  Pretoria,  ont  reçu  les  dépôts  en  question  pour  être 
placés  sur  hypothèque  avec  les  autres  capitaux  de  la  Caisse 
hypothécaire  de  Pretoria,  et  ils  stipulent  que  les  placements 
opérés  par  la  Caisse  le  sont  au  bénéfice   comme  aux   risques 


51 

et  périls  communs  de  tous  les  déposants,  qui  participent  aux 
opérations  de  la  Caisse  proportionnellement  à  l'importance 
de  leurs  dépôts. 

D'après  ces  dispositions  fondamentales,  les  déposants 
et"  la  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria  ne  se  trouvent  pas  dans 
un  rapport  respectif  de  prêteur  et  d'emprunteur,  mais  les 
opérations  de  la  Caisse  ont  lieu  pour  le  compte  et  aux  périls 
et  risques  des  déposants;  ces  derniers  ne  sont  pas  des  prêteurs, 
mais  des  associés  de  la  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria. 
Cette  appréciation  trouve  sa  confirmation  dans  le  fait  que  les 
déposants  ne  perçoivent  pas,  pour  leur  capital,  un  intérêt 
fixe,  mais  un  intérêt  variant  selon  les  résultats  financiers 
de  l'année,  c'est-à-dire,  en  réalité,  une  part  aux  bénéfices,  un 
dividende.  Les  déposants  ont  à  la  vérité  le  droit  de  retirer 
leurs  capitaux  tous  les  trois  ans,  et  les  récépissés  ne  pré- 
voient pas,  à  cet  égard,  que  les  dépôts  pourraient  se  trouver 
absorbés  en  tout  ou  en  partie  par  des  pertes;  toutefois,  dès 
le  moment  où  le  principe  que  les  dépôts  doivent  être  placés 
pour  le  compte  et  aux  périls  et  risques  des  déposants,  a  été 
proclamé  avec  une  clarté  excluant  tout  malentendu,  il  va  de 
soi  que  le  déposant  n'a  le  droit  de  retirer  son  dépôt  que  pour 
autant  que  celui-ci  n'a  pas  été  diminué  par  une  part  pro- 
portionnelle des  pertes  subies.  De  plus  il  ressort  du  règle- 
ment de  la  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria,  rédigé  en  1890 
par  F.  et  D.,  que  cette  Caisse  ne  possédait  et  ne  devait 
posséder  d'autre  actif  que  les  dépôts,  soit  les  créances  hypo- 
thécaires résultant  du  placement  hypothécaire  des  capitaux 
déposés.  Il  n'existait  et  il  n'était  prévu  aucun  autre  fonds 
de  roulement  ou  de  garantie.  Les  fondateurs  de  la  Caisse, 
F.  et  D.,  devaient  pourvoir  à  leurs  frais,  moyennant  une  part 
aux  bénéfices  nets,  à  toute  l'administration  de  l'entreprise  et 
adresser,  par  l'intermédiaire  de  leurs  banquiers,  des  rapports 
périodiques  aux  déposants.  Ils  étaient  naturellement  respon- 
sables, vis-à-vis  de  ces  derniers,  de  l'exécution  consciencieuse 
de  leurs  devoirs  d'administrateurs,  en  outre,  à  teneur  d'une 
disposition  spéciale  du  règlement,  ils  répondaient,  sans  re- 
striction, des  maisons  qui  leur  servaient  d'intermédiaires;  en 
revanohe  ils  ne  devenaient  pas  débiteurs  des  sommes  par  eux 
encaissées  pour  la  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria;  au  con- 
traire ils  ont  décliné  expressément  cette  qualité  de  débiteurs, 
et  ont  déclaré,  au  commencement  du  Règlement  de  1890, 
que  „sous  la  dénomination  de  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria 
(Swiss  Mortgage  Investment  Syndicate),  MM.  F.  et  D.  ont 
fondé  à  Pretoria  (Transvaal)  un  établissement  de  crédit   hy- 


pothécaire  qui  constitue  une  personnalité  juridique  distincte  et 
indépendante  de  leur  propre  maison." 

D'après  ces  dispositions,  les  droits  garantis  aux  déposants 
par  les  récépissés  de  dépôt  étaient:  le  droit  d'exiger  des 
gérants  l'administration  des  dépôts  conformément  à  leur 
destination  et  en  vue  de  l'exploitation  des  placements  hypo- 
thécaires; le  droit  de  participation  aux  bénéfices  de  rétablisse- 
ment, lequel  devait  être  exploité  par  les  gérants,  pour  le 
compte  des  déposants,  sous  le  nom  de  Caisse  hypothécaire 
de  Pretoria;  le  droit  de  participation  à  la  fortune  sociale,  en 
ce  sens  que  les  dits  déposants,  en  cas  de  retrait  par  eux  de 
leurs  capitaux,  ont  la  faculté  d'en  demander  le  remboursement 
au  moyen  des  fonds  de  la  Caisse. 

Au  point  de  vue  juridique,  la  Caisse  hypothécaire  de 
Pretoria  peut  être  envisagée  comme  une  société  d'une  nature 
particulière,  qui,  d'après  le  Code  fédéral  des  Obligations, 
rentre  dans  la  notion  de  la  société  simple  (art. 524  et  suiv.  C  0). 
Les  fondateurs  F.  et.  D.  étaient  les  associés  administrateurs 
de  la  société,  leur  apport  à  celle-ci  consistait,  non  en  capital, 
mais  exclusivement  en  leur  travail,  moyennant  quoi  ils  parti- 
cipaient aux  bénéfices,  et  non  aux  pertes.  Les  déposants,  en 
revanche,  apportaient  le  capital  nécessaire  à  l'entreprise 
commune,  et  participaient  à  la  fois  aux  bénéfices  et  aux 
pertes.  La  circonstance  que  F.  et  D.  avaient  la  faculté  de 
rembourser  les  dépôts  en  tout  temps,  s'ils  estimaient  cette 
opération  conforme  aux  intérêts  de  la  société,  n'est  nullement 
en  contradiction  avec  l'existence  d'un  rapport  de  société  ;  cette 
disposition  signifie  seulement  que  les  associés  administrateurs 
avaient  le  droit  de  mettre  fin  à  la  société,  au  moment  où 
ils  le  jugeraient  convenable,   par  le  remboursement  des  dépôts. 

Or,  le  point  décisif  à  trancher  est  celui  de  savoir  si  les 
créances  procédant  des  rapports  de  société,  tels  que,  d'après 
ce  qui  précède,  ils  ont  été  fixés  par  les  récépissés  de  dépôt 
et  qu'ils  devaient  être  transférés  au  demandeur  par  la  cession, 
existent  ou  non  en  droit. 

La  preuve  de  l'inexistence  en  droit  de  ces  créances  n'a  point 
-été  rapportée.  Il  n'est  en  effet  nullement  établi  que  le  rapport 
de  société,  auquel  dérivent  les  droits  des  déposants,  et  spéciale- 
ment du  cédant,  n'ait  pas  été  valide,  et  qu'il  n'ait  pu  fonder 
les  droits  susmentionnés,  garantis  dans  les  récépissés  de  dépôt. 
Tout  le  raisonnement  de  la  partie  demanderesse  et  de  l'in- 
stance cantonale  se  base  sur  l'argument  qu'il  aurait  été  cédé 
des  créances  contre  une  personne  juridique,  la  Caisse  hypo- 
thécaire  de   Pretoria,   et   que   cette    personnalité    n'a   jamais 


53 

existé.  Il  y  a  lieu  toutefois  de  rappeler  à  ce  sujet  qu'il  n'a 
jamais  été  question  de  voir  le  fondement  d'une  personne 
juridique  ailleurs  que  dans  l'association  des  déposants  avec 
les  membres  administrateurs,  et  dans  les  capitaux  des  dépôts 
soit  dans  les  placements  hypothécaires  faits  au  moyen  de 
ceux-ci,  et  que  dès  lors  le  passage  précité  du  règlement 
portant  que  l'institut  de  crédit  hypothécaire  fondé  par  F.  et 
D.  constitue  „une  personnalité  juridique  distincte  et  indépen- 
dante de  leur  propre  maison,"  ne  pouvait  et  ne  voulait  dire 
qu'une  chose,  à  savoir  que  la  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria 
constitue  une  entreprise  spéciale,  séparée  de  leur  propre 
maison,  dotée  d'une  fortune  commerciale  et  sociale  séparée 
de  leur  fortune  propre.  Or  il  n'est  nullement  démontré  que 
le  versement  de  capitaux  de  dépôt  pour  la  Caisse  hypothé- 
caire de  Pretoria,  comme  en  réalité  il  a  été  fait  pour  des 
sommes  très  considérables,  n'ait  pas  eu  pour  conséquence 
juridique  la  constitution  d'une  fortune  sociale  spéciale,  dis- 
tincte de  la  fortune  de  la  maison  P.  et  D.,  soit  qu'on  la 
qualifie  de  propriété  de  la  société  comme  telle  ou  de  co- 
propriété des  associés;  il  n'est  pas  prouvé  davantage  que 
tel  n'ait  pas  été  le  cas  également  en  ce  qui  concerne  les 
placements  hypothécaires  effectués  au  nom  de  la  société.  Sur 
ce  point  d'ailleurs,  ainsi  que,  d'une  manière  générale  pour 
ce  qui  concerne  la  nature  de  l'entreprise  sociale  de  la  Caisse 
hypothécaire  de  Pretoria,  ce  n'est  pas  le  droit  fédéral,  mais 
sans  aucun  doute  le  droit  en  vigueur  au  siège  de  cet  éta- 
blissement —  où  les  capitaux  versés  devaient  être  placés  — 
qui  est  applicable,  c'est-à-dire  le  droit  du  Transvaal.  Or  il 
n'est  pas  démontré  que,  d'après  ce  droit,  il  n'ait  pas  existé 
une  fortune  de  la  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria,  indépen- 
dante et  séparée  des  biens  de  la  maison  F.  et  D.  Si  l'on 
voulait  admettre^ —  ce  'qui  ne  saurait  être  reconnu  en 
principe  —  qu'à  défaut  de  la  preuve  du  contenu  du  droit 
étranger  applicable  I  il  y  a  lieu  d'appliquer  le  droit  indigène, 
on  n'arriverait  pas  à  un  résultat  différent,  attendu  que,  dans 
ce  cas,  la  fortune  acquise  au  nom  de  la  Société  devrait  être 
considérée  comme  une  propriété  indivise  des  associés,  dans 
le  sens  de  l'art.  544  C.  0.  Par  conséquent  la  preuve  que  les 
créances,  soit  la  part  sociale  cédées  n'ont  pas  eu  d'existence 
juridique,  n'a  pas  été  rapportée,  et  il  faut  admettre  au  con- 
traire que  la  part  sociale  cédée  existait  en  droit.  La  partie 
demanderesse  et  l'instance  cantonale  le  contestent  à  la  vérité, 
en  alléguant  que  la  Caisse  hypothécaire  de  Pretoria  n'a 
jamais    existé   ni   fonctionné  en   fait,   F.  et  D.  ayant  dès   le 


principe  détourné  de  leur  destination  les  capitaux  versés  pour 
l'exploitation  de  la  société,  et  cette  exploitation  n'ayant  en 
réalité  jamais  commencé.  Cet  argument  toutefois,  même  à  le 
supposer  exact  en  fait,  n'est  nullement  décisif,  attendu  que 
si  F.  et  D.  ont  détourné  le  montant  des  dépôts  versés  dans 
la  caisse  de  la  Société,  cette  circonstance  n'a  d'ifnportance 
qu'en  ce  qui  concerne  la  possibilité  de  réaliser  en  fait  les 
prétentions  cédées,  mais  pas  en  ce  qui  a  trait  à  l'existence 
juridique  de  ces  dernières.  Ce  qui  est  décisif  à  ce  dernier 
égard,  c'est  que  l'entreprise  sociale  dite  Caisse  hypothécaire 
de  Pretoria  possédait  une  existence  juridique,  et  que  le  cédant 
était  en  possession  de  la  part  sociale  cédée,  (fintsch.  vom 
3.  November  1900  i.  S.  Erben  Lorimier  c.  Mayor.) 


32.  0.  R.  Art.  210  //.,  215,  224.  Die  Verpfändung  grund- 
versicherter  Forderungen  richtet  sich  nach  kantonalem  Redete. 
Das  Retentionsrecht  besteht  nicht  an  grundversicherten  Forde- 
rungen, die  nicht  in   Wertpapieren  verkörpert  sind. 

Dem  kantonalen  Recht  ist,  wie  das  Bundesgericht  in 
seiner  Entscheidung  vom  9.  September  1893  in  Sachen  Volks- 
bank Luzern  gegen  Stirnimann  (Amtl.  Samml.  Bd  XIX,  S.  550, 
Erw.  4  ff.)  näher  ausgeführt  hat,  die  Regelung  der  Verpfandung 
der  grundversicherten  Forderungen  vorbehalten.  Demnach  ist 
aber  die  Frage,  ob  die  Beklagte  an  den  beiden  Titeln, 
welche  ihr  A.  Z.  namens  der  Erbschaft  Z.  versetzt  hat,  ein 
Pfandrecht  erworben  habe,  der  Kognition  des  Bundesgerichts 
entzogen.  Hieran  kann  der  von  der  Beklagten  hervorge- 
hobene Umstand,  das 8  das  aargauische  bürgerliche  Gesetzbuch 
in  §  420  die  grundversicherten  Forderungen  zu  den  beweg- 
lichen Sachen  zählt,  und  die  Verpfändung  beweglicher  Sachen 
vom  eidgen.  Obligationenrecht  geregelt  wird,  nichts  ändern. 
Denn  der  Begriff  der  beweglichen  Sachen  ist,  soweit  er  für 
die  Anwendung  des  Bundesrechts  in  Frage  kommt,  nach 
diesem  Rechte  zu  bestimmen.  Die  Entscheidung  darüber,  ob 
die  Verpfändung  der  streitigen  Grundpfandforderungen  vom 
eidgenössischen  Recht  beherrscht  werde,  hängt  deshalb  nicht 
davon  ab,  ob  das  kantonale  aargauische  Recht  dieselben  in 
die  Kategorie  der  beweglichen  Sachen  einreihe,  sondern 
einzig  davon,  ob  sie  als  bewegliche  Sachen  im  Sinne  des 
Bundesrechts,  d.  h.  der  den  Eigentumsübergang  an  Mobilien 
und  das  Faustpfandrecht  beschlagenden  Bestimmungen  des 
eidgen.  Obligationenrechts,  zu  betrachten  seien.  Das  Obli- 
gationenrecht hat  aber  in  diesen  Bestimmungen,    in  Art.  199  ft., 


wie  in  Art.  210  und  213,  nur  körperliche  bewegliche  Sachen, 
Sachen,  die  lediglich  als  körperliche  Rechtsobjekte,  nicht 
gleichzeitig  als  Träger  von  Rechten  von  Bedeutung  sind,  und 
die  zu  diesen  gezählten  Inhaberpapiere,  nicht  dagegen  andere 
Wertpapiere,  oder  gar  blosse  Schuldscheinforderungen,  im 
Àuge  (s.  die  cit.  Entsch.  des  Bundesgerichts  in  Amtl.  Samml. 
Bd  XIX,  S.  553),  Davon,  dass  die  streitigen  Grundpfand- 
forderungen als  bewegliche  Sachen  im  Sinne  des  eidgen.  Obli- 
gationenrechts zu  taxieren  seien,  und  sich  deshalb  deren  Ver- 
pfändung nach  Bunçlesrecht  beurteile,  kann  hienach  keine 
Rede  sein.  Die  Vorinstanz  stellt  aber  des  weitern  fest,  dass 
die  jene  Forderungen  verurkundenden  Titel  auch  keine  reinen 
Inhaberpapiere,  ja  überhaupt  keine  Wertpapiere  seien,  und 
nach  dieser,  in  Auslegung  kantonalrechtlicher  Bestimmungen 
getroffenen,  und  daher  für  das  Bundesgericht  verbindlichen 
Entscheidung  entfällt  im  vorliegenden  Falle  auch  die  Frage, 
ob  eventuell  für  die  Verpfändung  grundversicherter  reiner  In- 
haberpapiere eidgenössisches  Recht  massgebend  wäre.  Es 
treffen  demnach  auch  die  Voraussetzuagen  eines  Retentions- 
rechtes nach  Art.  224  0.  R.  nicht  zu.  (Entsch.  vom  21.  No- 
vember 1900  i.  S.  Bank  in  Baden  c.  Zehnder.) 


33.  0.  R.  Art.  243,  246.  Die  Prüfung  der  Ware  auf  ihre 
Empfangbarkeit  hat  in  der  Regel,  auch  wenn  Lieferung  an  Bord 
im  Absendungshafen  stipuliert  ist,  erst  nach  Anlangen  der  Ware 
am  Empfangsorte,  nachdem  der  Käufer  dieselbe  empfangen  hat, 
stattzufinden.  —  Der  vertraglich  vorausgesetzte  Gebrauch  der 
kauf  sache  ist  regelmässig  derjenige  Gebrauch,  welcher  im  Allge- 
meinen der  Natur  und  der  wirtschaftlichen  Bestimmung  der  be- 
treffenden Warengattung  entspricht,  beim  Weine  der  Gebrauch 
als  Genussmittel. 

Der  Beklagte,  Weinhändler  J.  H.  in  Zug,  hatte  von  den 
Klägern  J.  B.  G.  &  Cie  in  Alicante  ein  grösseres  Quantum 
spanischen  Weissweins  Daimiel,  12l/ä  bis  13  Grad  alkohol- 
haltig, „an  Bord  Alicante  zu  liefern,"  gekauft.  Nach  Ein- 
treffen einer  Teillieferung  in  Zug  liess  der  Beklagte  dieselbe 
durch  den  dortigen  Kantonschemiker  untersuchen.  Nachdem 
dieser  sich  dahin  ausgesprochen  hatte,  der  Wein  enthalte  un- 
verhältnismässig viel  schweflige  Säure  (74,  24  mgr.  per  Liter) 
und  müsse  deshalb  beanstandet  werden,  stellte  der  Beklagte 
den  Wein  zur  Verfügung.  Der  Klage  auf  Zahlung  des  Kauf- 
preises stellte  er  die  Wandlungseinrede  entgegen.  Der  Kläger 
machte  derselben  gegenüber  u.  a.  geltend: 


56 

1.  Der  Beklagte  habe  den  Wein  vertragsgemäß  s  in  Ali- 
cante abzunehmen  und  dort  auf  seine  Empfangbarkeit  zu 
prüfen  gehabt.  Nachdem  die  Verschiffung  in  Alioante  statt- 
gefunden habe,  brauche  sich  der  Kläger  auf  eine  Beanstan- 
dung nicht  mehr  einzulassen. 

2.  Nach  der  Meinung  des  Vertrages  habe  es  sich  nicht 
um  „Genusswein,"  d.  h.  um  Wein,  der  den  Kunden  so,  wie 
•er  geliefert  worden,  unmittelbar  zum  Verbrauche  abgegeben 
werden  sollte,  gehandelt,  sondern  um  sogen.  Coupierwein,  um 
Wein,  der  zum  Verschnitte  mit  andern  bestimmt  gewesen 
sei.  Bei  der  darnach  in  Aussicht  genommenen  Vermischung 
mit  anderm  Weine  mindere  sich  der  Gehalt  des  Getränkes  an 
freier  schwefliger  Säure  derart,  dass  von  gesundheitsschädlichen 
Folgen  nicht  mehr  gesprochen  werden  könne  und  deshalb  die 
Tauglichkeit  zu  dem  vorausgesetzten  Gebrauche  weder  auf- 
gehoben noch  in  der  Weise  geschmälert  sei,  um  eine  Ge- 
währspflicht des  Verkäufers  nach  Art.  243  0.  R.  zu  begründen. 

Das  Bundesgericht  hat  (in  Uebereinstimmung  mit  der 
Entscheidung  der  zugerischen  Gerichte)  die  Wandlungsein- 
rede für  begründet  erklärt,  indem  es  u.  a.  ausführte: 

1.  Aus  der  Bestimmung  des  Vertrages,  dass  die  Ware 
an  Bord  Alicante  zu  liefern  sei,  folgt  nicht  ohne  weiteres, 
dass  der  Käufer  die  Prüfung  auf  deren  Empfangbarkeit  hin 
dort  vorzunehmen  gehabt  habe.  Nach  Art.  246  0.  R.  soll  der 
Käufer,  sobald  es  nach  dem  üblichen  Geschäftsgang  thunlich 
ist,  die  Beschaffenheit  der  empfangenen  Ware  prüfen  und 
allfällige  Mängel  derselben  dem  Verkäufer  sofort  anzeigen. 
Die  Prüfung8-  und  Rügepflicht  des  Käufers  tritt  also  erst 
ein,  wenn  der  Käufer  die  Ware  „empfangen"  hat.  Unter  der 
„Empfangnahme"  im  Sinne  des  Art.  246  ist  aber  das  that- 
sächliche  Ansichnehmen  des  Kaufgegenstandes  zu  verstehen, 
der  Vorgang,  welcher  dem  Käufer  die  Möglichkeit  gewährt, 
über  die  Sache  thatsächlich  zu  verfügen  und  deren  Beschaffen- 
heit zu  prüfen.  Hienach  hat  in  concreto  die  Empfangnahme 
durch  den  Beklagten  nicht  in  Alicante,  sondern  erst  an  seinem 
Wohnsitz  in  Zug,  wohin  die  Pässer  übersendet  werden  sollten, 
stattgefunden.  Denn  in  Alicante,  wo  die  Kläger  die  Ware 
dem  Spediteur  zur  Weitersendung  zu  übergeben  hatten,  be- 
sass  der  Beklagte,  wie  ihnen  wohl  bekannt  war,  keinen  Ver- 
treter, der  die  ordnungsmässige  Prüfung  der  Ware  hätte  vor- 
nehmen können,  und  es  liegt  auch  nichts  dafür  vor,  dass  nach 
Meinung  der  Parteien  etwa  der  Spediteur  sich  mit  dieser 
Aufgabe  hätte  befassen  sollen,  so  dass  also  in  der  zum 
Zwecke   des   Weitertransportes   erfolgten    Uebernahme   durch 


57 

den  Spediteur  in  Alicante  eine  billigende  Erklärung  über  die 
Empfangbarkeit  nicht  erblickt  werden  kann. 

2.  Wenn  es  sich  fragt,  welcher  Gebrauch  der  Kaufsache 
als  der  vertraglich  vorausgesetzte  zu  betrachten  sei,  so  ist, 
soweit  sich  aus  den  Vertragsberedungen  nichts  abweichendes 
ergiebt,  davon  auszugehen,  dass  nach  der  Parteimeinung  die 
Kaufsache  zu  demjenigen  Gebrauche  tauglich  sein  solle,  der 
im  allgemeinen  der  Natur  und  der  wirtschaftlichen  Bestim- 
mung der  betreffenden  Warengattung  entspricht.  Da  vor- 
liegend Wein  verkauft  und  gekauft  war  ohne  Beschränkung 
auf  einen  speziellen  Gebrauch,  muas  somit  bis  zum  Beweis 
einer  abweichenden  Vertragsmeinung  angenommen  werden, 
dass  der  Kaufgegenstand  auch  unmittelbar  zar  Verwendung 
als  Genussmittel  tauglich  sein  sollte;  denn  diesem  Zwecke 
dient  die  fragliche  Warengattung  nach  ihrer  Natur  und  all- 
gemeinen wirtschaftlichen  Bestimmung.  Die  Kläger  hätten 
demnach  zu  beweisen  gehabt,  dass  beidseitig  verstanden  ge- 
wesen sei,  dass  der  gelieferte  Wein  ausschliesslich  zum  Ver- 
schnitt bestimmt  sein  solle,  und  es  daher  genüge,  wenn  er 
sich  hiezu  als  tauglich  erweise.  Auf  Grund  des  von  der 
Vorinstanz  festgestellten  Ergebnisses  des  Beweisverfahrens 
kann  dieser  Beweis  nicht  als  geleistet  betrachtet  werden. 
Der  zwischen  den  Parteien  abgeschlossene  Kaufvertrag  ist 
demnach  dahin  aufzufassen,  dass  die  Kläger  mit  demselben 
die  Garantie  für  Tauglichkeit  des  zu  liefernden  Weines  nicht 
bloss  zum  Verschnitt,  sondern  auch  zum  unmittelbaren  Ge- 
brauch als  Genusswein  übernommen  haben.  Zu  diesem  letztern 
Gebrauch  hat  sich  aber  die  streitige  Sendung,  wie  durch  die 
erhobenen  Expertisen  ausser  Zweifel  gesetzt  worden  ist,  nicht 
als  tauglich  erwiesen,  und  es  ist  daher  der  Wandlungsan- 
spruch des  Beklagten  mit  der  Vorinstanz  als  begründet  zu 
erklären.  (Entsch.  vom  14.  Dezember  1900  i.  S.  J.  B.  Gaubert 
&  Cie  c.  Hämmerli.) 


34.  0.  R.  Art.  243  ff.  Der  Veikäufer  haftet  für  Sachmängel 
(wie  z.  B.  für  den  Stich  beim  Weine)  auch  dann,  wenn  sie  zur 
Zeit  des  Kaufes  nur  erst  im  Keime  vorhanden  waren. 

La  demande  principale  est  l'action  en  paiement  d'un  prix 
de  vente.  La  vente  n'est  pas  contestée,  mais  la  défenderesse 
oppose  l'exception  rédhibitoire  et  demande  par  voie  recon- 
ventionnelle la  résiliation  du  contrat  et  la  restitution  du  prix 
de  vente  déjà  payé;  éventuellement,  le  demandeur  oppose  à 
la  résiliation  une  conclusion  en  réduction  du  prix. 

5 


,:?••■        JIMWIAW  fr* 


f>8 


La  solution  de  ces  conclusions  respectives  dépend  de  la 
seule  question  de  savoir  si  la  vente  doit  être  résiliée  par 
l'effet  de  la  garantie  due  par  le  vendeur  pour  les  défauts  de 
la  chose  vendue.  . . . 

La  òour  cantonale  admet  que  „lors  de  la  vente  le  vin  était 
déjà  légèrement  atteint  de  la  maladie  de  l'acesoence,  laquelle 
devait  nécessairement  se  développer  plus  ou  moins  promptement 
et  complètement,  le  germe  ou  ferment  s'y  étant  introduit  lors 
de  la  vinification  (cuvage)."  C'est  en  vain  que  le  demandeur 
allègue  que  l'existence  du  germe  de  la  maladie  au  moment  de 
la  vente  ne  prouve  pas  l'existence  d'un  défaut  permettant  la 
résiliation  du  contrat  ;  ce  germe  sans  doute  peut  se  développer 
plus  ou  moins  rapidement,  ou  même  ne  pas  se  développer  du 
tout;  mais  s'il  vient  à  se  développer,  comme  cela  a  eu  lien 
dans  le  cas  actuel,  l'existence  du  défaut  remonte  à  l'existence 
du  germe,  qui  en  était  le  principe  et  la  cause  (voir  arrêt  du 
Tribunal  fédéral  dans  la  cause  Noth  c.  Sommer,  Ree.  Off.  XXI, 
p.  576  et  577,  consid.  5).  Voir  aussi  Dalloz  C.  C.  annoté, 
art.  1641,  n°»  138  et  139).  Aux  termes  de  Tart.  243  C  0  pré- 
cité, c'est  le  vendeur  qui  répond  d'une  manière  générale  des 
défauts  de  la  chose  vendue,  du  moment  que  ces  défauts 
existent  au  moment  de  la  vente.  Ce  principe  est  d'ailleurs 
d'accord  avec  l'équité,  attendu  qu'il  est  plus  juste  de  faire 
peser  le  risque  provenant  de  l'existence  de  maladies  en  germe 
sur  le  vendeur  que  sur  l'acheteur,  car  la  marchandise  est 
vendue  et  achetée  comme  bonne,  et,  si  elle  est  défectueuse, 
c'est  le  vendeur  —  lequel  est  présumé  et  peut  connaître  plus 
facilement  la  marchandise  vendue  que  l'acheteur  —  qui  manque 
à  son  obligation  et  qui  doit  supporter  les  conséquences  de 
ce  fait.  Il  ne  pourrait  en  être  autrement  que  si  la  maladie 
de  Tacescence,  soit  son  développement,  devait  être  considérée 
comme  une  détérioration  inévitable,  comme  un  défaut  auquel 
tout  vin  rouge  est  nécessairement  sujet;  mais  tel  n'est  pas 
le  cas;  il  résulte  bien  plutôt  du  rapport  de  l'expert  que 
l'acesoence  est  un  fait  accidentel,  exceptionnel,  et  non  pas 
une  maladie  inévitable  du  vin  rouge,  quel  qu'il  soit.  Il  suit 
de  ce  qui  précède  que  le  défaut  de  l'acesoence  préexistait  à 
la  vente,  et  qu'il  doit  être  admis  dès  lors  comme  vice  réd- 
hibitoire  donnant  lieu  à  garantie,  et  non  comme  un  cas  fortuit 
postérieur  à  la  dite  vente.  (Entsch.  vom  22.  Dezember  1900 
i.  S.  Passera  c.  Joss.) 


59 

35.  0.  R.  Art.  346,  343.  Aus  „wichtigen  Gründen«  kann 
der  Dienstverlrag  sofort  ohne  Beobachtung  einer  Kündigungsfrist 
aufgelöst  werden. 

La  Chambre  d'appel  des  prud'hommes  est  partie  du  point 
de  vue  que  l'effet  du  Ier  alinéa  de  l'art.  346  C.O.  serait  unique- 
ment de  supprimer  la  durée  conventionnelle  du  louage  de 
services,  mais  laisserait  subsister  celui-ci  comme  contrat  sans 
durée  déterminée,  résiliable  en  conformité  de  l'art.  343  C.O. 
Cette  interprétation  ne  saurait  se  justifier.  L'art.  346  C.O. 
autorise,  lorsqu'il  existe  de  justes  motifs,  des  motifs  graves 
(wichtige  Gründe),  la  résiliation  du  contrat  avant  le  terme 
fixé;  en  d'autres  mots,  il  permet  de  mettre  fin  au  contrat 
immédiatement,  sans  observation  des  délais  conventionnels 
ou  légaux.  (Entsch.  vom  20*.  Oktober  1900  i.  S.  Vigneau  c. 
Marin.) 

36.  0.  R.  Art.  130,  357,  360.  Die  Verrechnung  gegen 
grundversicherte  Forderungen  ist  durch  das  kantonale  Hecht  ge- 
ordnet. —  Verspätung  der  Mängelrüge  beim  Werkvertrage.  — 
Rügefrist  bei  einem  Hausbau. 

1.  Das  Erlöschen  grandversicherter  Forderungen  wird  ge- 
mäss dem  in  Art.  130  0.  R.  ausgesprochenen  Vorbehalte  aus- 
schliesslich durch  das  kantonale  Recht  geregelt  (vgl.  Amt!. 
Samml.  der  bundesçer.  Entsch.  Bd  XII,  8.  630;  Bd  XXI, 
S.  544  Erw.  2);  das  kantonale  Recht  ist  demzufolge  auch  mass- 
gebend bei  der  Frage,  ob  und  unter  welchen  Voraussetzungen 
eine  grundversicherte  Forderung  durch  Verrechnung  getilgt 
werden  könne.  Wenn  daher  die  Vorinstanz  den  §  845  des 
allg.  bürg.  G  es.  B.  des  Kantons  Aargau  zur  Anwendung  ge- 
bracht hat,  welcher  von  der  Verrechnung  gegen  unterpfand- 
lich versicherte  Forderungen  handelt,  so  liegt  hierin  kein 
Verstoss  gegen  die  das  Anwendungsgebiet  des  eidg.  Rechts 
bestimmenden  Grundsätze.  Die  Vorinstanz  hat  vielmehr  in 
diesem  Punkt  mit  Recht  auf  das  kantonale  Recht  abgestellt. 

2.  Als  genehmigt  gilt  das  abgelieferte  Werk,  wenn  der 
Besteller  es  unterlassen  hat,  dasselbe  nach  der  Ablieferung, 
sobald  dies  nach  dem  üblichen  Geschäftsgang  thunlioh  war, 
auf  seine  Beschaffenheit  hin  zu  prüfen,  und  den  Unter- 
nehmer von  allfälligen  Mängeln  in  Kenntnis  zu  setzen,  ausser 
es  handelte  sich  um  Mängel,  die  erst  später  zn  Tage  traten, 
und  deren  Anzeige  an  den  Unternehmer  sofort  nach  der  Ent- 
deckung erfolgte  (Art.  357,  360  und  361  0.  R.).  Nun  be- 
ruht das  Urteil  der  Vorinstanz  auf  der  Annahme,  dass  es 
sich  bei  den  vom  Kläger  gerügten  Mängeln  überall  um  solche 


60 

gehandelt  habe,  die  schon  bei  der  Ueb  ernahm  e  des  Werkes 
erkennbar  waren,  und  bezüglich  welcher  daher  dem  Besteller 
die  Pflicht  sofortiger  Anzeige  im  Sinne  des  Art.  357  0.  R. 
oblag.  Diese  Annahme  ist  weder  rechtsirrtümlich  noch  akten- 
widrig. Wenn  man  also  auch  mit  dem  Kläger  annimmt,  die 
Fertigstellung  und  Ablieferung  des  Werkes  (eines  vom  Be- 
klagten erstellten  Wohnhauses)  habe  erst  am  24.  Juli  1898 
stattgefunden,  so  erweist  sich  die  am  12.  September  gl.  Js. 
erhobene  Mängelrüge  als  verspätet.  Denn  dieses  Zeitraumes, 
der  inzwischen  verstrichen  war,  bedurfte  es  unter  keinen 
Umständen,  um  die  Prüfung  des  Werkes  und  die  Anzeige 
der  dabei  sich  ergebenden  Mängel  nach  dem  unter  den  vor- 
liegenden Verhältnissen  üblichen  Geschäftsgang  thunlich  er- 
scheinen zu  lassen.  Wenn  auch  anzuerkennen  ist,  dass  bei  der 
in  Art.  357  0.  B.  dem  Besteller  eines  Werkes  auferlegten 
Untersuchungs-  und  Rügepflichf  nicht  schlechthin  die  strengen 
Grundsätze  über  die  Mängelrüge  im  kaufmännischen  Verkehr 
anwendbar  sind,  sondern  den  Umständen  des  einzelnen  Falles 
und  den  Verhältnissen,  in  welchen  die  Parteien  stehen,  in 
weiter  gehendem  Masse  ex  aequo  et  bono  Rechnung  getragen 
werden  soll,  so  kann  doch  in  casu  die  dem  Kläger  zur 
Last  fallende  bedeutende  Verzögerung  in  keiner  Weise  als 
entschuldigt  gelten,  und  es  muss  daher  seine  Mängelrüge, 
in  Uebereinstimraung  mit  dem  angefochtenen  Urteile,  als  ver- 
wirkt betrachtet  werden.  (Entsch.  vom  25.  Januar  1901  i.  S. 
Butler  c.  Frey.) 

37.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pßege  vom  22.  März  1893,  Art:89  ff.  0.  R.  Art.  890. 

1.  Art.  890  0.  R.,  welcher  das  kantonale  Recht  bezüglich 
der  Gewährleistung  beim  Viehhandel  vorbehält,  ist  dahin  aus- 
zulegen, dass  hienach  das  kantonale  Recht  nur  insoweit  zur 
Anwendung  kommt,  als  es  spezielle  Bestimmungen  betr.  jene  Ge- 
währleistung enthält,  und  dass  im  übrigen  die  Vorschriften 
des  eidg.  0.  R.  Platz  greifen,  wie  das  Kundesgericht  in  fest- 
stehender Praxis  (vgl.  A.  S.  XXII  S.  867  E.  4,  XXIII  S.  178 
E.  3,  S.  813  f.  E.  2,  S.  182  E.  2)  entschieden  hat. 

2.  Zur  Begründeterklärung  der  Kassationsbeschwerde  ge- 
hört, da 88  der  angefochtene  Entscheid  mit  dem  durch  die  Be- 
schwerde anfechtbaren  Kassationsgrund  in  kausalem  Zu- 
sammenhange steht,  dass  der  Entscheid  auf  dem  Rechts- 
irrtum beruht.  Zwar  ist  dieses  Erfordernis  im  Gesetze,  entgegen 
der  Vorschrift  des  Art.  163  Org.  Ges.  betr.  die  Kassation 
in  Strafsachen,  nicht  ausdrücklich    aufgestellt,  allein   es  folgt 


61 


so  sehr  aus  der  Natur  der  Sache,  aus  dem  Wesen  des  Rechts- 
mittels der  Kassation  und  aus  der  Stellung  des  Kassations- 
richters, wie  auch  aus  praktischen  Gründen,  dass  an  ihm 
auch  hier  festzuhalten  ist.  (Entsch.  vom  8.  Dezember  1900 
i.  S.  Gerber  e.  Dan  user.) 


38.  0.  R.  896.  Haftpflichtversicherung.  —  ZnUissigkeit  und 
Auslegung  der  Policeklausel,  welche  Verwirkung  der  Ansprüche 
aus  dem  Versicherungsvertrage  hei  unrichtigen  Angaben  über  die 
Zahl  der  in  dem  versicherteti  Betriebe  beschäftigten  Arbeiter  und 
die  Höhe  der  in  demselben  bezahltm  Löhne  androht.  —  Die  Ver- 
Wirkungseinrede  steht  auch  dem  versicherten  Arbeiter  entgegen. 

1.  S.-K.,  Inhaber  der  Farbholz-  und  Gewürzmiihle  À.  bei  Z., 
hatte  am  28.  Juni  1894  mit  der  Beklagten  einen  Haftpflicht- 
versicherungsvertrag geschlossen.  Art.  3  der  allgemeinen  Be- 
dingungen der  Police  bestimmte:  „Die  Versicherung  gilt  und 
die  Prämie  ist  geschuldet  für  alle  Personen,  ohne  Unterschied 
des  Geschlechts,  welche  während  der  Dauer  der  Versicherung 
an  den,  bei  Abschluss  der  Police  in  Betracht  gekommenen  Ar- 
beiten beschäftigt  sind.  —  Es  ist  ohne  Belang,  ob  diese 
Personen  im  Tag-,  Monats-  oder  Jahreslohn  oder  Akkord 
arbeiten,  und  als  Arbeiter,  Vorarbeiter,  Aufseher,  Ingenieure 
oder  Direktoren  angestellt  sind.  —  Demgemäss  ist  der  Ver- 
sicherungsnehmer, bei  Verlust  seines  Anspruches  im  Schaden- 
falle, gehalten,  in  seinen  Lohnlisten,  regelmässig  Tag  für  Tag, 
Namen  ....  einer  jeden  der  von  ihm  beschäftigten  und  für 
seine  Rechnung  arbeitenden  oder  angestellten  Personen,  sowie 
die  Anzahl  der  geleisteten  Arbeitstage  und  den  Betrag  des 
verdienten  Lohnes  einzutragen."  Art.  21  ibid.  sodann  schreibt 
vor:  „Jede  Verschweigung,  jede  falsche  Angabe  seitens  der 
Versicherungsnehmer,  sei  es  im  Augenblick  der  Unterzeichnung 
der  Police,  sei  es  während  ihrer  Dauer,  entlastet  die  Gesell- 
schaft vollständig  von  ihrer  Garantie  gegenüber  dem  Ver- 
sicherungsnehmer, insofern  diese  Verschweignng  oder  falsche 
Angabe  zur  Folge  gehabt  hat:  1.  Die  Höhe  der  Prämien  für 
....  die  Anzahl  der  beschäftigten  Personen,  oder  den  Durch- 
schnitt ihrer  Löhne  per  Arbeitstag  zu  verringern.  ...  4.  Die 
Gesellschaft  in  Bezug  auf  Anzahl  der  geleisteten  Arbeitstage 
oder  den  Betrag  der  bezahlten  Löhne  zu  täuschen.  —  In 
diesen  Fällen  kann  die  Gesellschaft  die  Bezahlung  der  that- 
8ächlich  geschuldeten  Prämien  verlangen  und  von  dem  Ver- 
sicherungsnehmer den  Betrag  der  Zahlungen,  welche  sie  infolge 
von  Unfällen  irrtümlicherweise  gemacht  hatte,  zurückfordern; 


ebenso  kann  sie  den  Vertrag  durch  einfachen  eingeschriebenen 
Brief  auflösen."  Gemäss  Art.  15  der  Police  hatte  der  Beklagte 
am  Ende  eines  jeden  Quartals  eine  Aufstellung  vorzulegen, 
welche  die  Gesamtzahl  der  Arbeitstage  und  den  Gesamtbetrag 
der  Arbeitslöhne  seiner  Arbeiter  u.  s.w.  im  betreffenden  Quartal 
enthalten  musste.  Auf  den  Auszug  der  vierteljährlichen  Lohn- 
listen vom  April  1898  setzte  S.  die  Notiz:  „Zur  Aushülfe  be- 
schäftigte im  ).  Quartal  nurTaglöhner,  die  nicht  auf  die  Arbeiter- 
versicherungsliste kommen."  Die  Generalagenten  der  Beklagten 
antworteten  ihm  am  31.  Mai,  das  beruhe  auf  Irrtum,  und  nach* 
dem  8.  auf  seinem  Standpunkt  verharrt  hatte,  am  1.  Juni  gl.  Js., 
er  habe  die  Löhne  der  Taglöhner  in  den  Lohnlisten  aufzuführen, 
und  solle  alle  bisher  nicht  eingetragenen  Löhne  notieren.  S. 
kam  indess  dieser  Auflage  nicht  nach.  Es  stellte  sich  in 
der  Folge  heraus,  class  er  seit  dem  4.  Quartal  1894  Fr.  6990 
mehr  an  Löhnen  ausbezahlt  als  in  die  Lohnlisten  eingetragen 
hatte.  Als  nun  der  Kläger  als  Arbeiter  des  S.  einen  Unfall 
erlitt,  verweigerte  die  Beklagte  unter  Berufung  auf  Art.  3  und  21 
der  Police  die  Bezahlung  einer  Entschädigung.  Der  daraufhin 
von  dem  Verunglückten  gestützt  auf  den  Versicherungsvertrag 
erhobenen  Klage  stellte  die  Versicherungsgesellschaft  neben 
andern  gegen  die  Legitimation  des  Klägers  gerichteten  Einreden 
die  Einrede  der  Verwirkung  entgegen.  Diese  Einrede  wurde 
vom  Bundesgericht  (entgegen  dem  Entscheide  der  ersten  Instanz, 
aber  in  Uebereinstimmung  mit  der  Appellationskammer  des 
Obergerichts  Zürich)  gutgeheissen.  Aus  den  Entscheidungs- 
gründen ist  hervorzuheben  :  Die  Verwirkungsklausel  des  Art.  21 
der  allgemeinen  Bestimmungen  der  vorliegenden  Versicherungs- 
police ist  zweifellos  zulässig,  sofern  wenigstens  die  Verwirkung 
darin  an  eine  schuldhafte  Nichterfüllung  der  Pflichten  des  Ver- 
sicherungsnehmers geknüpft  ist,  sie  enthält  nichts,  was  gegen 
die  Rechtsordnung,  oder  speziell  gegen  die  guten  Sitten  Ver- 
stössen würde,  sondern  sie  beruht  gegenteils  auf  einem  berech- 
tigten Interesse  des  Versicherers,  das  darin  besteht,  über  den 
Umfang  des  Risikos  genau  unterrichtet  zu  sein  und  unlautem 
Machenschaften  des  Versicherungsnehmers  vorzubeugen.  Fest- 
gestellt ist  nun,  dass  der  Versicherungsnehmer  S.  thatsächlich 
objektiv  unrichtige  Angaben  gemacht  hat,  indem  er  schon  seit 
dem  4.  Quartal  des  Jahres  1894  die  Zahl  der  von  ihm  be- 
schäftigten Arbeiter  und  den  Betrag  der  von  ihm  bezahlten 
Löhne  zu  niedrig  angegeben  hat.  Allein  auch  darüber,  dass 
diese  unrichtigen  Angaben  auf  einem  Verschulden  des  Ver- 
sicherungsnehmers beruhen,  kann  ein  ernstlicher  Zweifel  nicht 
bestehen.    Auch  die  erste  Instanz  hat  das  nicht  angenommen, 


63 

sondern  sie  ist  nur  davon  ausgegangen,  ein  dolus  des  S.  sei 
nicht  erwiesen.  Bei  dieser  Auslegung  hat  sie  jedoch,  wie  die 
Vorinstanz  richtig  ausführt,  den  wahren  Sinn  der  fraglichen 
Bestimmung  der  Police  verkannt.  Schon  der  Wortlaut 
dieser  Bestimmung  deutet  nicht  unbedingt  darauf  hin,  dass 
nur  absichtliche  oder  bewusste  Verschweigungen  oder  falsche 
Angaben  die  Yerwirkung  nach  sich  ziehen,  sondern  sie  kann, 
wie  die  Vorinstanz  bemerkt,  sehr  wohl  dahin  ausgelegt  werden, 
dass  damit  die  objektive  Thatsache  des  in  Irrtum  Ver- 
setzens  gemeint  ist.  Und  wenn  die  Bestimmung  im  Zusammen- 
hange mit  den  übrigen  verwandten  Bestimmungen  der  Police, 
speziell  mit  Art.  3  und  15,  betrachtet  wird,  so  ergiebt  sich, 
dass  eben  die  Pflicht  der  richtigen  Angaben  und  der  gehö- 
rigen Führung  richtiger  Lohnlisten  ganz  speziell  als  Vertrags- 
pflicht stipuliert  war;  nun  zieht  aber  im  allgemeinen  jede 
schuldhafte  Nichterfüllung  von  Vertragspflichten,  nicht  nur 
die  vorsätzliche,  gewisse  Folgen  nach  sich,  und  es  müsste  da- 
her ganz  ausdrücklich  gesagt  sein,  dass  nur  die  vorsätzlich 
falschen  Angaben  die  Verwirkung  herbeiführen;  das  ist  aber 
nach  dem  Wortlaute  weder  des  Art.  21,  noch  nach  demjenigen 
des  Art.  3  der  Fall.  Dass  aber  vorliegend  den  Versicherungs- 
nehmer ein  Verschulden,  und  zwar  mindestens  grobe  Fahrlässig- 
keit, trifft,  ist  von  der  Vorinstanz  zutreffend  ausgeführt  worden. 
Unter  diesen  Umständen  ist  nur  noch  die  Frage  zu  lösen,  ob 
die  Einrede  der  Verwirkung  auch  dem  Kläger  entgegenge- 
halten werden  könne.  Diese  Frage  ist  zu  bejahen.  Voraus- 
gesetzt, dass  dem  Kläger  überhaupt  ein  selbständiges,  direktes 
Klagerecht  gegen  die  Beklagte  zusteht,  dass  er  also  einen 
Versicherungsanspruch  gegen  sie  besitzt,  besteht  dieser  doch 
nur  in  dem  Umfange,  wie  er  durch  die  Police  begründet  wurde, 
und  kann  die  Beklagte  alle  Einwände,  die  sich  auf  die  Police 
stützen,  auch  gegen  den  Kläger  vorbringen.  (Entsch.  vom 
26.  Januar  1901  i.  S.  Kuratli  c.  Unfallversicherungsgesellschaft 
„Préservatrice.") 

39.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn- 
und  Dampfschiff ahrtunternehmungen  bei  Tötungen  und  Verletzun- 
gen vom  1.  Juli  1875,  Art.  2.  Einrede  des  Selbstverschuldens; 
Beurteilung  desselben  bei  jugendlichen  Personen. 

Der  1272jährige  A.  J.  wurde  am  15.  April  1899  in  einer 
Strasse  von  La  Chaux-de-Fonds  von  einem,  in  seinem  Kücken 
in  gewöhnlicher  Geschwindigkeit  und  nach  Abgabe  der  vor- 
geschriebeneu Warnungssignale  heranfahrenden  Tramway- 
wagen  erfasst  und  körperlich  schwer  verletzt.    Der  Unfall  war 


64 

dadurch  herbeigeführt  worden,  dass  der  Verletzte  unmittel- 
bar vor  dem  Tramway  wagen  von  dem  Trottoir,  auf  dem  er 
sich  bisher  bewegt  hatte,  herab  in  das  Geleise  trat,  an- 
scheinend um  Kinder,  die  auf  der  Strasse  mit  einem  Hunde 
spielten  und  seine  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nahmen, 
besser  beobachten  zu  können.  Die  von  der  Eisenbabngesell- 
schaft  der  Haftpflichtklage  des  Vaters  des  A.  J.  entgegen  ge- 
haltene Einrede  des  Selbstverschuldens  wurde  vom  Bundes- 
gerichte, in  Bestätigung  der  Entscheidung  des  Kantonsge- 
richtes von  Neuenburg,  abgewiesen.  Aus  den  bundesgericht- 
lichen Entscheidungsgründen  ist  hervorzuheben: 

Il  est  constaté,  à  la  vérité,  que  J.  était  intelligent  et 
robuste,  connaissait  l'existence  du  tramway  et  était  capable 
d'apprécier  le  danger  auquel  s'exposent  les  piétons  en  pénétrant 
sans  précaution  sur  les  rails.  Mais  cela  ne  suffit  pas  pour 
que  sa  responsabilité  doive  être  appréciée  avec  la  même 
rigueur  que  celle  d'un  adulte.  Un  enfant  de  12  ans  ne  pos- 
sède pas  encore  au  même  degré  que  l'homme  fait  le  calme, 
la  présence  d'esprit,  la  réflexion  nécessaires  pour  juger  in- 
stantanément d'un  danger  qui  le  menace  ;  à  cet  âge,  et  plus 
encore  chez  les  enfants  très  intelligents  que  chez  les  autres, 
es  idées  sont  fugitives,  l'attention  peu  soutenue  et  constam- 
ment sollicitée  par  des  objets  nouveaux.  Il  est  dès  lors  im- 
possible d'admettre  comme  règle  qu'en  toutes  circonstances 
un  enfant  auquel  son  âge  et  son  développement  intellectuel 
permettent  de  se  rendre  compte  d'un  danger  qui  le  menace, 
commet  une  faute  lorsqu'il  s'expose  à  ce  danger  par  suite 
d'une  distraction  passagère.  Dans  les  circonstances  particulières 
de  l'accident  arrivé  à  J.,  on  ne  saurait  imputer  à  faute  à 
celui-ci  de  s'être  laissé  distraire  un  instant  par  un  spectacle 
enfantin  et  d'avoir,  sous  l'influence  de  cette  distraction,  pé- 
nétré sur  la  voie  du  tramway  sans  s'en  douter  peut-être  et 
sans  s'assurer  qu'une  voiture  n'arrivait  pas  derrière  lui.  Il 
a  commis  un  acte  irréfléchi  sans  doute,  mais  qui,  eu  égard 
aux  circonstances,  apparaît  comme  excusable  et  ne  constitue 
pas  une  faute.  (Entsch.  vom  28.  November  1900  i.  S.  Jean- 
richard  c.  Compagnie   du  Tramway   de    la  Chaux-de-Fonds.) 


40.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbe- 
trieb vom  25.  Juni  1881,  Art.  6,  Abs.  3.  0.  R.  Art.  888,  50  ff. 
Das  Entschädigungsmaximum  des  Art.  6  leg.  cit.  fällt  nur  weg, 
wenn  der  Unfall  durch  eine  strafrechtlich  verfolgbare  Handlung 
des  Betriebsunt'rnehmers  selbst  herbeigeführt  worden  ist  —  Aktien- 


6.1 

gesellsckaften  sind  als  deliktsunfähig  zu  betrachten  und  es  kann 
daher  ihnen  gegenüber  Art.  6  Abs.  3  cit.  nicht  zur  Anwendung 
kommen  —  Für  die  Haftbarkeit  des  Betriebsunternehmers  gilt 
ausschliesslich  die  Spezialgesetzgebung,  dagegen  gut  für  die  Haft- 
barkeit von  Angestellten,  welche  den  Betriebsunfall  verschuldet 
haben,  gegenüber  dem   Verletzten  fias  gemeine  Recht. 

1.  Der  Wegfall  des  Maximums  des  Art.  6  des  Fabrik- 
baftpÜichtgesetzes  findet  nach  dem  klaren  Wortlaute  des  Ge- 
setzes nur  dann  statt,  wenn  der  Unfall  verursacht  worden 
ist  durch  eine  strafrechtlich  verfolgbare  Handlung  „von  Seite 
des  Betriebsunternehmers,"  d.h.  des  Betriebsunternehmers  selber. 
(Vergi,  das  cit.  Urteil  des  Bundesgerichts  i.  S.  Sigg,  Erwäg.  3, 
Amtl.  Samml.  Bd  XVI,  S.  153.)  Diese  Auslegung  ergiebt 
sich  überdies  nicht  nur  aus  dem  Wortlaut,  sondern  auch  aus 
dem  Sinn  und  Geist  des  Gesetzes  und  dem  Verhältnisse  der 
Haftpflicht  zum  gemeinen  Recht.  Durch  das  Haftpflichtge- 
setz sollten  einerseits  die  Betriebsunternehmer  auch  abge- 
sehen von  einem  eigenen  oder  einem  Verschulden  ihrer  An- 
gestellten für  die  Betriebsunfälle  ihrer  Arbeiter  haftbar  er- 
klärt werden;  andrerseits  aber  sollte  durch  das  Gesetz  diese 
ihren  Voraussetzungen  nach  strenge  Haftpflicht,  entgegen  den 
provisorischen  Bestimmungen  des  Fabrikgesetzes,  Art.  5,  auf 
ein  Maximum  beschränkt  werden,  damit  die  Betriebsunter* 
nehmer  nicht  allzu  schwer  belastet  würden  und  eine  Ver- 
sicherung gegen  die  Folgen  der  Haftpflicht  leichter  möglich 
wäre.  Es  wurde  also  durch  das  Fabrikhaftpflichtgesetz  der 
Grundsatz  der  Entschädigungspflicht  gegenüber  dem  gemeinen 
Recht  einerseits  —  seinen  Voraussetzungen  nach  —  ver- 
schärft, andrerseits  —  dem  Masse  der  Entschädigung  nach  — - 
gemildert.  Der  Zweck  der  Bestimmung,  dass  das  Entschädi- 
gungsmaximum dann  wegfalle,  wenn  den  Betriebsunternehmer 
ein  strafrechtlich  verfolgbares  Verschulden  am  Unfälle  treffe, 
war  nun  der,  eine  Ungerechtigkeit,  die  im  Beibehalten  des 
Maximums  für  solche  Fälle  gelegen  hätte,  zu  beseitigen  und 
damit  den  Unternehmer  bezüglich  des  Masses  der  Entschädi- 
gung auf  den  Boden  des  gemeinen  Rechts  zu  stellen  ;  diese 
Billigkeitserwägung  konnte  nur  dann  Platz  greifen,  wenn  dem 
Unternehmer  selber  strafrechtliches  Verschulden  zur  Last 
fällt,  nicht  aber  dann,  wenn  solches  Verschulden  eines  Leiters, 
Repräsentanten  u.  s.  w.  vorliegt,  teils  deshalb,  weil  andern- 
falls die  Haftpflicht  des  Unternehmers  in  häufigen  Fällen 
wieder  allzu  schwer  geworden  wäre,  teils  deshalb,  weil  nur 
dem  Unternehmer  gegenüber  bei  einer  strafrechtlich  verfolg- 
baren   Handlung    für    die  Civilansprüche    ausschliesslich    das 


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66 

Haftpflichtgeaetz  Anwendung  findet,  nicht  aber  einem  Leiter 
gegenüber  (vergi,  unten  Nr.  2).  —  Endlich  spricht  auch 
die  innere  Oekooomie  des  Gesetzes  für  diese  Auslegung  :  Die 
Haftpflicht  des  Unternehmers  wird  festgesetzt  in  Art.  1  und 
2  des  Gesetzes,  und  zwar  regelt  Art.  1  den  Fall  des  Ver- 
schuldens des  Arbeitgebers  oder  seiner  Leute,  Art.  2  den 
Fall  des  Zufalles;  für  Verschulden  seiner  Leute  wird  dabei 
der  Unternehmer  in  gleicher  Weise  haftbar  erklärt,  wie  für 
eigenes  Verschulden,  ohne  dass  ihm  (im  Gegensatz  zum  Obli- 
gationenrecht, Art.  62)  ein  Entlastungsbeweis  offen  stünde. 
Nun  ist  aber  diese  Haftpflicht  in  Art.  6  Abs.  2  für  die  Regel, 
also  auch  für  den  Fall  eigenen,  nicht  strafrechtlichen  Ver- 
schuldens des  Unternehmers  selber,  auf  das  Maximum  be- 
schränkt; und  es  läge  daher  gewiss  nicht  im  Sinne  des  (Ge- 
setzes, den  Unternehmer  für  strafrechtliches  Verschulden  seiner 
Leute  in  höherem  Grade  verantwortlich  zu  machen,  als  für 
eigenes  (nicht  strafrechtliches)  Verschulden.  Ist  somit  aus 
allen  diesen  Gründen  daran  festzuhalten,  dass  zum  Wegfall 
des  Maximums  ein  strafrechtliches  Verschulden  des  Unter- 
nehmers selber  erforderlich  sei,  so  ist  die  Argumentation  der 
Vorinstanz,  die  Aktiengesellschaft  müsse  für  das  strafrecht- 
liche Verschulden  ihres  Leiters  emirechtlich  haften,  hinfallig; 
allerdings  haftet  sie  dafür,  aber  eben  nur  bis  zum  Betrage 
des  Maximums. 

Indessen  ist  damit  die  Frage  betreffend  Anwendung  des 
Wegfalles  des  Maximums  auf  die  Aktiengesellschaften  noch 
nicht  ohne  weiteres  und  notwendig  im  Sinne  der  Verneinung 
entschieden.  Will  man  nämlich  mit  der  von  einem  Teile  der 
Theorie  und  der  Praxis  vertretenen  Auffassung  annehmen,  der 
Korporation  werde  privatrechtlich  zugerechnet  „das  rechts- 
widrige schuldhafte  Verhalten  eines  Korporationsorgans,  das 
in  den  durch  Gesetz  oder  Statut  begründeten  Wirkungskreis 
der  Korporation  und  in  die  Zuständigkeit  des  schuldhaften 
Organs  fällt"  (Regelsberger,  Pand.  I,  §83,  S.330),  der  Wille 
der  Organe  der  Aktiengesellschaft  habe  also  als  ihr  eigener 
Wille  zu  gelten,  so  wäre  vorliegend  die  Haftung  der  be- 
klagten Gesellschaft  für  das  Verschulden  ihres  technischen 
Leiters  gegeben,  sofern  dieser  als  Organ  der  Gesellschaft  an- 
zusehen ist.  Es  erscheint  jedoch  richtiger,  im  Sinne  der 
altern,  herrschenden  Theorie  die  Aktiengesellschaft  als  delikts- 
unfähig zu  erklären  (vergi.  Sol  dan,  La  responsabilité  des 
fabricants,  p.  45),  und  alsdann  kann  von  einer  Anwendung 
der  Bestimmung  des  Art.  6  Abs.  3  ihr  gegenüber  keine  Rede 
sein.    Diese  Auslegung  scheint  denn  auch  eher  im  Einklänge 


67 

mit  den  oben  entwickelten  Ausführungen  über  den  Sinn    des 
Wegfalles  des  Entschädigungsmaximums  zu  stehen. 

2.  Die  Haftpflicht  des  Fabrikunternehmers  seibor  ist  aus- 
schliesslich auf  die  Bestimmungen  der  Spezialgesetzgebung 
beschränkt  und  es  besteht  ihm  gegenüber  nicht  noch  ein  kon- 
kurrierender Ansprucn  aus  dem  gemeinen  Recht;  die  Spezial- 
gesetzgebung verfolgte  eben  gerade  den  Zweck,  den  Bestim- 
mungen des  gemeinen  Rechts  zu  derogieren,  soweit  es  die 
Haftpflicht  des  Unternehmers  betraf  (Art.  888  0.  R.  ;  3.  bezügl. 
der  Haftpflicht  der  Eisenbahnen  etc.  Âmtl.  Samml.  der  bundes- 
ger.  Entsch.  Bd  XXIII,  2.  Teil,  S.  1055,  f.,  Erw.  1;  vergi. 
auch  oben  Erw.  4,  ad  c).  Allein  die  Spezialgesetzgebung  be- 
handelt nur  die  Haftpflicht  des  Unternehmers  selber,  sowie 
die  Verantwortlichkeit  der  Angestellten  gegenüber  dem  letztern, 
bezüglich  der  Haftung  der  Angestellten  gegenüber  dem  Ver- 
letzten hat  sie  dagegen  an  den  Grundsätzen  des  gemeinen 
Rechts,  d.  h.  jetzt  des  Obligationenrechts,  nichts  geändert  ; 
soweit  die  Voraussetzungen  der  Art.  50  ff.  0.  R.  zutreffen, 
entsteht  daher  aus  einem  Haftpflichtunfall  auch  eine  Dflikts- 
obligation  gegenüber  dem  fehlbaren  Angestellten  (s.  Urt.  des 
Bundesger.  vom  6.  April  1895  i.  S.  Strähl  c.  Bowet  u.  Kauf- 
mann, Amtl.  Samml.  ßd  XXI,  S.  453  f.,  Erw.  5,  u.  vom  28.  Sep- 
tember 1900  i.  S.  Rey  c.  Jayet  et  cons.,  Amtl.  Samml. 
Bd  XXVI,  2.  Teil,  S.  588  ff).  (Entsch.  vom  5.  Dezember  1900 
i.  S.  Müller  c.  Société  anonyme  de  Filatures  de  S^happe  und 
Munk.) 

41.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb 
vom  25.  Juni  1881,  Art.  6.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  vom  11.  April  1889,  Art.  293  ff.  Ein  vom  Haft- 
pfUchhchuldner  im  Laufe  des  Haftpflichtprozesses  abgeschlossener 
Nachlassvertrag  erstreckt  sich  auch  auf  die  Haftpflichtforderung. 
—  Berücksichtigung  des  2sachlassvertrages  bei  der  richterlichen 
Feststellung  der  Haftpflichientschädigung. 

Wenn  im  Laute  des  Haftpflichtprozesses  vom  Beklagten 
ein  Nachlassvertrag  abgeschlossen  worden  ist,  so  ist  von  dem 
über  den  Haftpflichtanspruch  urteilenden  Gericht  die  Re- 
duktion der  Forderung  auf  die  Nachlassquote  auszusprechen. 
Denn  :  Der  Streit  darüber,  inwieweit  der  Schuldner  durch  den 
Nachlassvertrag  befreit  sei,  bezw.  ob  der  Nachlassvertrag  auch 
für  die  Haftpflichtforderung  gelte,  erscheint  als  ein  Incidens 
im  Haftpflichtprozesse,  über  das  naturgemäss  der  Haftpflicht- 
richter  zu  entscheiden  hat,  da  es  sich  um  einen  civilrecht- 
lichen  Einfluss   auf  die   Forderung   handelt,   da   ferner   sonst 


68 

eine  unnötige  Weiterung  des  Verfahrens  entstehen  würde,  und 
zudem  die  Gefahr  nahe  läge,  dass  der  Haftpflichtkläger  besser 
gestellt  wäre,  als  der  Gläubiger  einer  unbestrittenen  Forde- 
rung. Die  Haftpfliohtforderung,  die  ihrem  Grunde  nach  schon 
mit  dem  Tage  des  Unfalles  entstanden  ist,  wird  in  ihrem 
rechtlichen  Bestände  wie  jede  andere  Forderung  yom  Nach- 
lassvertrage in  der  Weise  berührt,  dass  der  Schuldner  wenig- 
stens civiliter  von  der  nachgelassenen  Forderung  befreit  wird, 
wenn  schon  eine  Naturalobligation  für  dieselbe  weiterbestehen 
mag  (vergi.  A  m  ti.  Samml.  der  bundesger.  Entsch.  Bd  XXVI, 
2.  Teil,  S.  194,  Erw.  4  i.  S.  Burkhalter  &  Cie  o.  Jörg). 

Dieses  einmal  festgestellt,  erweist  sich  eine  Erhöhung 
der  von  den  Vorinstanzen  gesprochenen  Summe  als  ange- 
messen, und  zwar  wesentlich  deshalb,  weil  der  Kläger  in- 
folge der  schlechten  ökonomischen  Lage  des  Beklagten  keinen 
eigentlichen  Vorteil  der  Kapitalabfindung  hat,  vielmehr  der 
eine  Hauptvorteil  der  Kapitalabfindung:  die  Sicherheit  der 
Auszahlung  hier  nicht  vorhanden  ist,  zumal  die  Forde- 
rung des  Klägers  von  der  Nachlassverwaltung  nicht  zuge- 
lassen worden  war  und  somit  für  dieselbe  keine  Sicherstellung 
geleistet  werden  musste.  (Entsch.  vom  26.  Dezember  1900 
i.  S.  Breitenstein  c.  Stiegeier.) 


42.  Bundesgesetz  betreffend  den  Schutz  der  Fabrik-  und 
Handelsmarken,  der  Herkunftsbezeichnungen  von  Waren  und  der 
gewerblichen  Auszeichnungen  vom  26.  September  1890,  Art.  4,  5,  7 
Ziff.  2.  Uebereinkunft  zwischen  der  Schweiz  und  Oesterr eich- Ungarn 
zum  wechselseitigen  Schutze  der  Fabrik-  und  Handelsmarken  vom 
22.  Juni  1885.  Art.  1,  2.  Wird  die  für  den  ersten  Hinterleger  eines 
Warenzeichens  nach  Art.  5  leg.  cit.  sprechende  Rechtsvermutung  auch 
dann  zerstört,  wenn  ein  früherer  markenmassiger  Gebrauch  des 
Zeichens  nicht  im  lnl  an  de,  sondern  ausschliesslich  im  Auslande 
dargethan  ist?  —  Universale  Natur  des  Individualrechts  an  der 
Marke. 

Die  Beklagte  und  Widerklägerin  betreibt  seit  den  1840er 
Jahren  an  ihrem  Sitze  in  Wien  die  Fabrikation  von  Kerzen, 
Seifen,  Margarine,  Glyzerin  und  Parfumeriewaren.  Für  ihre 
Seifen  und  Kerzen  hat  sie  seit  Jahrzehnten  das  Zeichen  „Apollo,- 
sei  es  allein,  sei  es  in  Verbindung  mit  einer  Leier  verwendet. 
In  den  Jahren  1893  und  1895  Hess  sie  unter  No.  3719  und  5932 
zwei  Marken,  welche  beide  als  Hauptbestandteile  das  Wort 
Apollo  enthielten,  für  ihre  Seifen  und  für  Kerzen,  Seifen  und 
Parfumeriewaren  sowie  für  Schmalz  und  Butter  in  das  Marken- 


6i> 

register  in  Wien  eintragen.  Nachdem  sie  bisher  (seit  1891) 
wohl  „Apollokerzen,"  dagegen  keine  „Apolloseifen"  in  die 
Schweiz  geliefert  hatte,  liess  sie  im  Jahre  1897  zwei  den 
österreichischen  Marken  No.  3719  und  5932  entsprechende 
Zeichen  für  ihre  Seifen  und  Kerzen  unter  No.  9515  und  9617 
in  das  eidgenössische  Markenregister  in  Bern  eintragen.  Schon 
vorher  im  Jahre  1896  hatte  die  Klägerin  und  Widerbeklagte, 
die  Kommanditgesellschaft  Gebrüder  Seh.  &  Cie,  welche  seit 
1892  eine  Seifenfabrik  in  M.  bei  Biel  betreibt,  die  Worte 
„Savon  Apollo"  für  ihre  Toilette-  und  Haushaltungsseifen  unter 
No.  6323  als  Marke  in  das  schweizerische  Markenregister 
eintragen  lassen,  nachdem  sie  vom  eidgenössischen  Amte  für 
geistiges  Eigentum  auf  eine  Anfrage,  ob  der  Name  „Apollo" 
schon  zur  Bezeichnung  einer  Seife  im  eidgenössischen  Marken - 
register  eingetragen  sei,  eine  verneinende  Antwort  erhalten 
hatte.  Als  nun  die  Beklagte  und  Widerklägerin  der  Klägerin 
verbieten  wollte,  für  ihre  Seifen  sich  der  Bezeichnung  Apollo 
zu  bedienen,  erhob  letztere  Klage  auf  Löschung  der  für  die 
Beklagte  im  schweizerischen  Markenregister  unter  No.  9515 
und  9617  eingetragenen  Marken  Apollo.  Die  Beklagte 
trug  auf  Abweisung  der  Klage  an  und  verlangte  widerklags- 
weise  Anerkennung  ihres  ausschliesslichen  Rechtes  auf  die 
Verwendung  des  Wortes  „Apollo"  als  Fabrikmarke  für 
Seifen,  Löschung  der  für  die  Klägerin  erfolgten  Eintragung 
des  Wortes  „Apollo"  als  Fabrikmarke  bezw.  als  Hauptbe- 
standteil einer  Fabrikmarke  u.  s.  w.  Das  Bundesgericht  hat. 
in  Bestätigung  der  Entscheidung  des  Appellations-  und  Kas- 
sationshofes des  Kantons  Bern,  die  Vorklage  abgewiesen,  die 
Widerklage  dagegen  in  der  Saohe  gutgeheissen. 

In  den  Entscheidungsgründen  wird  zunächst  ausgeführt: 
Beide  Parteien  erheben  Anspruch  auf  das  Recht  an  der 
schweizerischen  Marke  „Apollo"  für  Seifen.  Die  Klägerin 
berufe  sich  auf  die  Priorität  des  Eintrags  ihrer  Marke  in  der 
Schweiz,  gegen  welche  weder  der  frühere  Eintrag  noch 
der  frühere  Gebrauch  der  Marke  in  Oesterreioh  aufzu- 
kommen vermöge,  während  ein  früherer  Gebrauch  in  der 
Schweiz  nicht  einmal  behauptet  werde.  Die  Widerklägerin 
dagegen  stelle  in  erster  Linie  darauf  ab,  ihr  früherer  Ge- 
brauch der  Marke  in  Oesterreich  begründe  für  sie  die 
Priorität  gegenüber  dem  spätem  Eintrag  der  klägerischen 
Marke  in  der  Schweiz.  Die  streitige  Frage,  wer  der  wahre 
Berechtigte  an  der  schweizerischen  Marke  „Apollo"  sei,  be- 
urteile sich  ohne  Zweifel  nach  schweizerischem  Rechte,  da 
es   sich  eben    um   eine   in   der   Schweiz    eingetragene  Marke 


70 

handle.  Da  die  Klägerin  die  Marke  „Apollo0  zuerst  hinter- 
legt habe,  so  müsse  nach  Ârt.  ö  des  schweizerischen  Marken- 
schutzgesetzes bis  zum  Beweise  des  Gegenteils  angenommen 
werden,  dass  sie  die  wahre  Berechtigte  sei,  und  habe  die 
Widerklägerin  den  Gegenbeweis  zu  führen.  Diese  berufe  sich 
dafür  auf  die  Uebereinkunft  zwischen  der  Schweiz  und  Oester- 
reich-Ungarn  zum  wechselseitigen  Schutze  der  Fabrik-  and 
Handelsmarken  vom  22.  Juni  1885.  Diese  Uebereinkunft  sei 
kein  Staats  vertrag,  da  sie  als  solcher  der  Genehmigung 
der  Bundesversammlung  bedurft  hätte  und-  diese  nicht  ein- 
geholt worden  sei,  sondern  eine  blosse  Gegenrechtser- 
klärung,  welche  vom  Bundesrate  innerhalb  der  Sehranken 
seiner  Kompetenz  ausgetauscht  ^worden  sei  und  einfach  fest- 
stelle, dass  zwischen  der  Schweiz  und  Oesterr eich- Ungarn 
für  den  Markenschutz  das  Verhältnis  des  Gegen  rechts  ge- 
mäss der  beiderseitigen  Gesetzgebung  bestehe.  Nach  dieser 
Uebereinkunft  in  Verbindung  mit  Art.  7  Ziff.  2  des  eidgenös- 
sischen Markenschutzgesetzes  stehe  demnach  fest,  dass  die 
Widerklägerin  als  österreichische  Gesellschaft  in  der  Schweiz 
denselben  Schutz  geni  esse  wie  ein  Inländer.  Art.  2  der  Ueber- 
einkunft schränke  den  den  Oesterreichern  in  der  Schweiz  zu 
gewährenden  Schutz  nicht  etwa  dahin  ein,  dass  die  Hinter- 
legung der  Marke  die  unbedingte  Voraussetzung  des  Schutzes 
derselben  bilde,  vor  der  Hinterlegung  also  kein  Schutz  be- 
stehe, wodurch  der  in  Art.  1  des  Uebereinkommens  aufgestellte 
Grundsatz  der  Gleichstellung  durchbrochen  würde.  Unter  dem 
Schutze,  von  dem  Art.  2  1.  c.  spreche,  sei  vielmehr  der  speziell 
markenrechtliche  Schutz  zu  verstehen,  der  auch  nach  Art.  4 
des  eidgenössischen  Markenschutzgesetzes  an  die  Förmlich- 
keiten der  Hinterlegung  und  Eintragung  geknüpft  sei.  Die 
streitige  Frage,  wem  das  Markenrecht  an  der  Marke  „Apollo" 
zustehe,  sei  daher  vom  Standpunkte  der  völligen  (Gleich- 
stellung der  Widerklägerin  mit  einer  schweizerischen  Firma 
aus  zu  beantworten.  Entscheidend  für  dieselbe  sei,  ob  ent- 
weder die  frühere  Eintragung  in  Oesterreich  oder  der  frühere 
Gebrauch  daselbst  der  Widerklägerin  das  Recht  auf  die 
Marke,  also  auf  deren  ausschliessliche  Benutzung  auch  in  der 
Schweiz,  verschafft  habe.  Diese  Frage  sei  bezüglich  der 
frühern  Eintragung  zu  verneinen.  Das  Institut  der  Marken- 
register sei  zunächst  und  abgesehen  von  internationalen 
Vereinbarungen  (welche  hier  nicht  in  Frage  stehen)  rein 
territorial;  daher  wirke  auch  die  Hinterlegung  und  Eintra- 
gung, deren  Förmlichkeiten  von  Land  zu  Land  wechseln,  an 
sich   nur   territorial,   im  Staate  der  Eintragung,    und    ebenso 


71 

der  hieran  geknüpfte  spezielle  markenrechtliche  Schutz.  Hin- 
sichtlich der  Wirkung  des  früheren  Gebrauches  der  Marke 
durch  die  Klägerin  sodann  wird  bemerkt: 

Was  den  früheren  Gebrauch  betrifft,  so  ist  vorerst  davon 
auszugehen,  dass  der  frühere  befugte  Gebrauch  in  der  Schweiz 
zweifelsohne  der  Widerklägerin  die  „wahre  Berechtigung" 
verschaffen  würde.  Da  ein  solcher  Gebrauch,  wie  bemerkt, 
nicht  nachgewiesen,  ja  nicht  einmal  behauptet  ist,  so  stellt 
sich  die  Frage  vorliegend  so,  ob  der  frühere  befugte  marken- 
massige  Gebrauch  eines  Zeichens  (des  Namens  ,, Apollo")  im 
Auslande,  speziell  in  Oesterreieh,  dein  früheren  Gebrauch  im 
Inlande  gleichzustellen  sei,  ob  m.  a.  W.  auch  dieser  frühere  Ge- 
brauch im  Auslande  genüge,  um  die  Rechtsvermutung  des  Art.  5 
Schweiz.  Markensohutzges.  zu  zerstören.  Nun  liegt  dem  Schweiz. 
Markenschutzgesetz,  indem  es  das  sogen.  System  der  dekla- 
rativen, nicht  der  konstitutiven  Wirkung  der  Eintragung  auf- 
genommen hat,  das  Prinzip  zu  Grunde,  dass  die  thatsächliche 
Verwendung  eines  Zeichens  als  Marke  ein  Recht  des  Be- 
zeichnenden an  diesem  Zeichen  begründe,  und  dieses  Recht 
kann  nicht  anders  denn  als  Individualrecht  aufgefasst  werden  ; 
die  Marke  (auch  die  nicht  eingetragene)  bezeichnet  eine  Ware 
als  von  einer  bestimmten  Persönlichkeit  bezw.  einem  be- 
stimmten Geschäftsinhaber  ausgehend,  sie  stellt  äasserlich 
die  Verbindung  einer  Ware  mit  einer  bestimmten  Persönlich- 
keit dar.  Dieses  Individualrecht  aber,  das  danach  im  Marken- 
recht enthalten  ist,  ist  an  sich  nicht  an  ein  bestimmtes  Ter- 
ritorium gebunden,  es  ist  seiner  Natur  nach  nicht  national, 
sondern  universal;  national,  territorial  ist  nur  der  spezielle 
Markenschutz,  dessen  Vorbedingungen  die  Erfüllung  der  Förm- 
lichkeiten des  Staates,  in  dem  der  Schutz  nachgesucht  wird, 
ist,  und  der  erst  das  schon  bestehende  Individualrecht  zu 
einem  gesteigerten  Individualrecht  weiteren  Inhaltes  erhebt. 
Eine  territoriale  Einschränkung  dieses  Individualrechtes  müsste 
daher  speziell  ausgesprochen  sein,  und  das  ist  nach  dem 
schweizerischen  Gesetz  nicht  der  Fall.  Diese  universale  Be- 
deutung der  Marke,  der  universale  Charakter  des  Individual- 
rechtes an  ihr,  ist  um  so  mehr  anzuerkennen,  als  die  Handels- 
tätigkeit dessen,  der  sich  ihrer  bedient,  nicht  auf  das  Ge- 
biet eines  bestimmten  Territoriums  beschränkt  ist,  gegenteils 
die  Marke  wie  die  Handelstätigkeit  ihrer  Natur  bei  den 
heutigen  Verkehrsverhältnissen  nach  universalen  Charakter 
tragen  muss.  Von  diesem  Grundsatze  ist  denn  auch  das 
Bundesgericht  ausgegangen,  wenn  es  in  seinem  Urteil  vom 
17.  November  1899  i.S.  Hediger  Söhne  c.  Union  (Amtl.  Samml. 


72 

Bd  XXV,  2.  Teil,  S.  772  ff.)  ausgesprochen  hat,  die  Thatsacbe, 
dass  ein  Zeichen  im  Auslande  zum  Gemeingut  (Freizeichen) 
geworden  sei,  genüge,  um  ihm  diesen  Charakter  auch  im  In- 
lande  zu  verleihen,  auch  wenn  es  an  sich  hier  noch  nicht 
Gemeingut  geworden  sei.  Die  oben  aufgeworfene  Frage  ist 
daher  grundsätzlich  zu  bejahen,  und  es  könnte  sich  nur  fragen, 
ob  der  Bejahung  nicht  etwa  Rücksichten  der  Billigkeit,  oder 
sonstige  Gründe  praktischer  Art  entgegen  stünden.  Das  ist 
jedoch  jedenfalls  im  Verhältnis  der  Schweiz  zu  Oestcrreich 
und  unter  den  vorliegenden  tatsächlichen  Verhältnissen,  bei 
denen  doch  kaum  anzunehmen  ist,  dass  der  Vorklägerin  der 
Gebrauch  der  Marke  „Apollo"  durch  die  Widerklägenn  in 
Oesterreich  nicht  bekannt  gewesen  sei  (vergi,  die  Zeugen- 
aussagen, speziell  diejenige  des  Dr.  Deite,  ferner  dessen  Hand- 
buch der  Seifenfabrikation  1887,  das  auf  Seite  310  die 
„Apolloseife"  der  Widerklägerin  speziell  erwähnt,  und  das 
Certifikat  der  Handels-  und  Gewerbekammer  für  Oesterreich 
unter  der  Enns,  wonach  die  Fabriken  der  Widerklägerin  zu 
den  grössten  Etablissementen  dieser  Art  in  Oesterreich- Un- 
garn gehören),  zu  verneinen.  (Vergi,  auch  Dunant,  Traité 
des  marques  de  fabrique,  pag.  139.)  Von  jenem  Grundsatze 
aus  aber  musa  die  Widerklägerin  als  die  wahre  Berechtigte 
an  der  schweizerischen  Marke  „Apollo"  erklärt  werden,  und 
es  ist  daher  ihre  Widerklage  begründet;  denn  die  Zulässig- 
keit  einer  Klage  auf  Löschung  einer  eingetragenen  Marke 
und  Verbot  des  weiteren  Gebrauches  unterliegt  keinem 
Zweifel.  (Entsch.  vom  8.  Dezember  1900  i.  S.  Gebrüder 
Schnyder  und  Cie  c.  Erste  österreichische  Seifensieder- Ge- 
werk-Ge8ell8chaft  „Apollo.") 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 

43.  Werkvertrag.  Betrügerische  Handlungsweise  des  Unter- 
nehmern.    Zahlungsweigerung  des  Bestellers.     Art.  24  0.  R. 

Basel-Sladt.     Urteile  des  Civil-  und   des  Appellationugerichtes  vom 
1.  JTebruar/4.  Alärz  1901  i.  S.  Martin  c.  Wwe  Kuhn. 

Der  Kirchenvorstand  von  St.  Peter  zu  Basel  batte  an  elf 
Glasmalerfirmen  worunter  Witwe  Kuhn  die  Einladung  zu  einer 
Konkurrenz  für  ein  bemaltes  Fenster  in  der  Peterskirche 
erlassen.      Witwe     Kuhn    fragte    den  Glasmaler   Martin    in 


7a 

Wiesbaden  an,  ob  er  ihr  eine  Skizze  verfertigen  könne,  die 
sie  unter  ihrem  Namen  als  Konkurrenzarbeit  eingeben  würde. 
Martin  nahm  das  an,  bezeichnete  als  Gegenstand  der  Skizze 
„Saloinos  Herrlichkeit"  mit  Beziehungen  auf  die  Geschichte 
Basels  und  wünschte  zu  diesem  Behuf  Schriften  über  Basler 
Geschichte,  die  ihm  Witwe  Kuhn  übersandte.  Die  Parteien 
verständigetn  sich  über  1000  Mark  als  Preis  der  Skizze. 
Am  letzten  Tag  der  zur  Einreichung  der  Konkurrenzen!» 
würfe  gesetzten  Frist  erhielt  Witwe  Kuhn  von  Martin  eine 
Skizze,  die  einen  ganz  andern  Gegenstand  „hl.  Petrus"  be- 
handelte; Martin  bemerkte  dazu,  dass  ihm  das  neue  Motiv 
geeigneter  erschienen  sei,  und  bat  um  Ausstellung  eines  Schuld- 
scheines von  1200  Mark.  Witwe  Kuhn  antwortete  ihm,  diese 
Skizze  habe  ihren  Erwartungen  nicht  entsprochen,  sie  habe  sie 
zwar  eingegeben,  verspreche  sich  aber  keinen  Erfolg  davon. 
Nach  einigem  Zögern  schickte  sie  ihm  einen  Schuldschein 
über  1000  Mark.  Das  für  die  Prämierung  der  eingegangenen 
Skizzen  bestellte  Preisgericht  erteilte  dem  von  Witwe  Kuhn 
eingereichten  Entwurf  keinen  Preis,  hob  dagegen  mit  grosser 
Befriedigung  eine  Skizze  mit  dem  Gegenstande  „Saloinos 
Herrlichkeit"  hervor  und  empfahl  dem  Kirohenvorstande,  der- 
selben wenn  möglich  ein  Accessit  zuzuwenden,  ein  Preis 
köune  ihr  deshalb  nicht  erteilt  werden,  weil  der  stoffliche 
Inhalt  den  kirchlichen  Anforderungen  nicht  entspreche.  Als 
Urheber  dieser  Skizze  ergab  sich  Martin  in  Wiesbaden.  Jetzt 
kam  zu  Tage,  dass  Martin  bei  dem  Kirohenvorstande  nach- 
träglich um  Zulassung  zur  Konkurrenz  eingekommen  und  zu- 
gelassen worden  war,  und  dann  den  Entwurf  „Salomos 
Herrlichkeit"  in  eigenem  Namen  eingegeben  und  die  Witwe 
Kuhn  mit  der  minderwertigen  zweiten  Arbeit  abgefunden  hatte. 
Daraufhin  verweigerte  die  Witwe  Kuhn  die  Bezahlung  der 
1000  Mark  und  stellte  dem  Martin  seine  Skizze  zur  Verfügung. 
Die  auf  Zahlung  der  1000  Mark  erhobene  Klage  des  Martin 
wurde  von  beiden  Instanzen  abgewiesen.  Aus  der  vom  Appel- 
lationsgericht adoptierten  Motivierung  des  Civilgerichts  ent- 
nehmen wir: 

Die  Behandlung  eines  andern  Sujets  als  des  vom  Kläger 
vorgeschlagenen  und  von  der  Beklagten  genehmigten  konnte 
jedenfalls  nur  dann  gestattet  sein,  wenn  eine  solche  Aenderung 
vom  Kläger  im  Hinblick  auf  einen  grösseren  künstlerischen 
Erfolg  vorgenommen  wurde.  Nur  dann  stand  die  Aenderung 
im  Einklang  mit  der  vom  Kläger  übernommenen  Verpflichtung, 
das  Beste  zu  liefern,  was  er  zu  Stande  bringen  könne.  Hätte 
nun  der  Kläger  überhaupt  nur  den  der  Beklagten  gelieferten 


74 

Entwurf  ausgeführt,  so  könnte  angenommen  werden,  er  habe 
sich  nach  reiferer  Ueberlegung  von  der  Behandlung  des  heiligen 
Petrus  für  dieses  Kirchenfenster  mehr  Erfolg  versprochen  als 
von  der  Behandlung  des  Sujets  „Salomos  Herrlichkeit  in 
Verbindung  mit  der  Geschichte  Basels."  Von  dieser  Be- 
trachtung mag  die  Beklagte  ausgegangen  sein,  als  sie  nach 
Empfang  des  Entwurfes  keine  auf  die  Wahl  des  Sujets  be- 
zügliche Reklamation  vorbrachte,  ja  sogar  einen  Schuldschein 
unterzeichnete.  So  schlecht  ihr  das  behandelte  Sujet  ge- 
fallen mochte,  musste  sie  doch  annehmen,  Kläger  habe  den- 
jenigen Stoff  gewählt,  der  ihm  am  passendsten  schien. 

Ebensowenig  hatte  die  Beklagte,  bevor  sie  den  wahren 
Sachverhalt  erfuhr,  irgend  welchen  Anlass,  die  Aasstellung 
eines  Schuldscheines  aus  dem  Grunde  zu  verweigern,  weil  die 
Arbeit  sohlecht  ausgeführt  sei.  Denn  auch  bezüglich  der 
künstlerischen  und  technischen  Behandlung  des  einmal  gewählten 
Stoffes  musste  die  Beklagte  annehmen,  der  Kläger  habe  sein 
möglichstes  getban. 

Dies  alles  wurde  anders  in  dem  Augenblick,  wo  man 
erfuhr,  dass  der  Kläger  in  eigenem  Namen  an  der  Konkurrenz 
teilgenommen  hatte.  Schon  diese  Thatsache,  namentlich  aber 
das  vom  Kläger  hierüber  beobachtete  Stillschweigen,  sowie 
auch  der  grosse  thatsächliche  Erfolg  des  die  Herrlichkeit 
Salomos  behandelnden,  und  der  vollkommene  Misserfolg  des 
von  der  Beklagten  eingegebenen  Entwurfes,  lassen  mit  Be- 
stimmtheit darauf  schliessen,  dass  Kläger  sein  ganzes  Können 
und  seine  ganze  Sorgfalt  der  von  ihm  in  eigenem  Namen 
eingegebenen,  und  nicht  der  an  die  Beklagte  abgegebenen 
Arbeit  zugewendet  hat,  mit  andern  Worten,  dass  er  den  mit  der 
Beklagten  abgeschlossenen  Vertrag  nicht  erfüllt  hat,  und  dass 
die  Beklagte  zur  Ausstellung  des  Schuldscheines  nicht  ver- 
pflichtet war. 

Wenn  nun  die  Beklagte  den  Schuldschein  trotzdem  aus- 
gestellt hat,  so  kann  ihr  nicht  entgegengehalten  werden,  sie 
habe  schon  damals  gewusst,  dass  die  Arbeit  minderwertig 
war,  und  dass  der  behandelte  Stoff  nicht  der  mit  dem  Kläger 
getroffenen  Vereinbarung  entsprach.  Die  Kenntnis  dieser 
Thatsachen  darf  der  Beklagten  deshalb  nicht  entgegenge- 
halten werden,  weil  dieselben  an  sich  nicht  genügt  hätten,  um 
die  Verweigerung  der  Ausstellung  eines  Schuldscheines  zu  recht- 
fertigen. Derjenige  Umstand,  auf  Grund  von  dessen  Kenntnis 
die  Beklagte  die  Zahlung  des  Preises  heute  verweigert  und 
die  Ausstellung  des  Schuldscheines  damals  hätte  verweigern 
können,   dieser   Umstand  ist   der  Beklagten  erst   nach  Aus- 


75 

Stellung  des  Schuldscheines  bekannt  geworden  und  konnte 
ihr  auch  erst  bekannt  werden,  als  das  Urteil  des  Preisgerichts 
in  ihre  Hände  kam« 

Dass  aber  die  Beklagte  den  Schuldschein  in  Unkenntnis 
der  Sachlage  unterzeichnet  hat,  daran  ist  das  Verhalten  des 
Klägers  schuld.  Von  dem  Augenblick  an,  wo  derselbe  sich 
entschloss,  in  eigenem  Kamen  an  der  Konkurrenz  teilzu- 
nehmen, war  es  seine  Pflicht,  die  Beklagte  hievon  in  Kenntnis 
zu  setzen.  Ob  er  dann  ohne  weiteres  aus  dem  Vertrag  wäre 
entlassen  worden,  ob  die  Beklagte  für  sich  auf  die  Teilnahme 
an  der  Konkurrenz  würde  verzichtet  haben,  oder  ob  sie  darauf 
würde  bestanden  haben,  dass  der  Kläger  nur  für  sie  arbeite, 
braucht  hier  nicht  untersucht  zu  werden  ;  jedenfalls  würde  sie 
nicht  mit  derjenigen  Arbeit  vorlieb  genommen  haben,  die  der 
Kläger  für  zu  schlecht  hielt,  um  sie  in  eigenem  Namen 
einzugeben. 

Statt  nun  aber  seine  Entlassung  aus  dem  Vertrag  nach- 
zusuchen, verschwieg  der  Kläger  die  Wahrheit,  gab  die  der 
Beklagten  versprochene,  zugleich  die  bessere  Arbeit  in  eigenem 
Namen  ein  und  lieferte  der  Beklagten  eine  andere  geringere, 
indem  er  sich  den  Anschein  gab,  auf  deren  Erfolg  zu  hoffen. 

Nicht  nur  lag  in  diesem  Verhalten  des  Klägers  eine  Ver- 
letzung des  von  ihm  eingegangenen  Werkvertrages,  woraus 
bereits  gefolgert  worden  ist,  dass  die  Beklagte  zur  Ausstellung 
des  Schuldscheines  nicht  verpflichtet  war,  sondern  die  Beklagte 
kann  sogar,  wie  sie  es  thut,  den  bereits  ausgestellten  Schuld- 
schein als  unverbindlich  anfechten,  weil  sie  zu  dessen  Aus- 
stellung durch  betrügerische  Handlungen  ihres  Gegenkontra- 
henten, des  Klägers,  verleitet  worden  war.  (Art.  24  0.  R.) 

(Direkte  Mitteilung.) 


44.  Kompensation  im  Konkurse  des  Schuldners.  Unzu- 
lässigheit der  Verrechnung  von  Forderungen  an  den  Gemein- 
schuldner mit  Gegenforderungen  der  Masse  für  von  ihr  über- 
nommene und  ausgeführte  Verpflichtungen  <le$  Kridars.  Vergi 
Art  136  0.  R. 

Zur i eh.  Urteil  der  Appellationskanimer  dea  Obergerichtes  vom  11.0k* 
tober  1900  i.  S.  Maasa  Aeppii  c.  Bachmann. 

Am  24.  Juli  1899  bestellte  0.  Bachmann  bei  Aeppii  eine 
Ware.  Am  26.  Juli  geriet  Aeppii  in  Konkurs,  die  Konkurs* 
masse  aber  erklärte  sein  Geschäft  fortführen  zu  wollen  und 
effektuierte  diese  Bestellung,  die  Bachmann  annahm.  Die 
Konkursmasse    verlangte    dafür    von   ihm    die   Bezahlung  mit 


•y   -■»-;  fis-". 


76 

Fr.  624  Bachmann  erkannte  hieran  Fr.  363. 85  an,  den  Rest 
mit  Fr.  260.  15  wollte  er  mit  Gegenforderungen,  die  er  an 
den  Eridar  aus  früherer  Geschäftsverbindung  hatte,  ver- 
rechnen. Die  Appellationskammer  lieas,  im  Gegensatze  zu  der 
ersten  Instanz,  diese  Verrechnung  nicht  zu.  Sie  gab  zu,  das* 
die  eingeklagte  Kaufpreisforderung  rechtlich  als  aus  der 
Zeit  vor  dem  Konkursausbruche  herrührend  angesehen  werden 
müsse.    Aber,  führt  sie  weiter  aus: 

Vor  den  Lieferungen,  die  seitens  der  Konkursverwaltung 
aus  der  Masse  an  den  Beklagten  gemacht  wurden,  war  die 
Rechtslage  die,  dass  der  Kridar  dem  Beklagten  einen  ge- 
wissen Betrag  schuldete  und  daneben  zwischen  beiden  ein 
zweiseitiger,  noch  von  keiner  Seite  erfüllter  Vertrag  bestand. 
Auf  Erfüllung  dieses  Vertrages  in  natura  hatte  der  Gläu- 
biger gegenüber  der  Konkursmasse  kein  Reoht,  vielmehr 
konnte  er  höchstens  beanspruchen,  dass  sein  Interesse  an 
der  Vertragserfüllung  in  Geld  berechnet  und  die  betreffende 
Interessenforderung  unter  die  Konkurspassiven  aufgenommen 
werde.  Dagegen  war  die  Konkursverwaltung  ihrerseits  be- 
rechtigt, die  Erfüllung  des  Vertrages  zu  erklären  (Art.  211 
Soh.  K.  G.),  und  von  diesem  Rechte  hat  sie  unbestrittener - 
maS8en  Gebrauch  gemacht.  Es  wird  sich  nun  fragen,  welchen 
Einfiu8s  eine  derartige  Erklärung  auf  den  bestehenden  Vertrag 
ausübe.  Von  einer  eigentlichen  Novation  des  Schuldverhält- 
nisses, wie  sie  der  klägerische  Vertreter  im  Sinne  hat,  kann 
allerdings  nicht  gesprochen  werden,  da  ja  die  Konkursmasse 
sich  nach  der  richtigen  Auffassung  nicht  als  ein  besonderes 
Rechtssubjekt  darstellt,  sondern  als  Träger  von  Rechten  und 
Verbindlichkeiten  nach  wie  vor  der  Gemeinschuldner  erscheint. 
Nichtsdestoweniger  wäre  es  unrichtig,  die  von  der  Konkurs- 
verwaltung aus  der  Konkursmasse  geleistete  Vertragser- 
füllung genau  so  zu  behandeln,  wie  eine  vom  Gemeinschuldner 
persönlich  vorgenommene,  und  deshalb  ohne  jede  Beschrän- 
kung die  Verrechnung  der  aus  dem  zweiseitigen  Vertrage 
resultierenden  Schuld  des  Gegenkontrabenten  mit  einer  dem 
letztern  gegenüber  dem  Gemeinschuldner  zustehenden  Gegen- 
forderung zuzulassen.  Klar  ist,  dass  die  Konkursmasse,  wenn 
sie  den  vom  Gemeinschuldner  abgeschlossenen  Vertrag  erfüllt, 
den  Anspruch  auf  die  Gegenleistung  nur  in  dem  Umfange 
geltend  machen  kann,  in  dem  er  an  sich  noch  zu  Recht 
besteht.  Hat  der  Gegen  ko ntrahent  also  bereits  eine  Zahlung 
geleistet,  oder  hat  er  Heine  Schuld  ganz  oder  zum  Teil  kom- 
pensiert, so  mu8s  sich  die  Konkursverwaltung  die  Reduktion 
des    aus    dem    Vertrage    resultierenden    Anspruchs    gefallen 


77 

lassen  und  kann  nicht  mehr  für  die  von  ihr  prästierte  Leis- 
tung die  volle  Gegenleistung  beanspruchen.  Dagegen  muss 
man  auf  der  andern  Seite  davon  ausgeben,  dass,  wenn  die 
Konkursverwaltung  die  Uebernahme  des  Vertrages  erklärt, 
dadurch  nicht  nur  die  Verpflichtung  des  Gemeinschuldners 
zur  Ma8saschuld  wird  (vgl.  Art.  52  der  deutschen  Konkurs- 
ordnung), sondern  umgekehrt  auch  der  Anspruch  auf  die 
Gegenleistung  in  dem  Umfange,  in  dem  er  noch  existent  ist, 
den  Charakter  einer  Massaforderung  annimmt,  und  deshalb 
von  einer  Kompensation  mit  Forderungen  an  den  Kridar  nicht 
mehr  die  Bede  sein  kann.  Allerdings  handelt  es  sich  bei  der 
Uebernahme  des  Vertrages  durch  die  Konkur  s  Verwaltung 
nicht  um  den  Abschluss  eines  neuen  Geschäftes,  aber  maas- 
gebend ist,  dass  der  Gegenkontrahent,  ohne  darauf  gegenüber 
der  Masse  einen  Anspruch  zu  haben,  den  Leistungsgegenstand 
aus  der  letzteren  erhalten  hat  und  daher  auch  das  Aequi- 
valent  ohne  Rücksicht  auf  die  ihm  zustehende  Forderung  an 
den  Gemeinschuldner  zur  Konkursmasse  leisten  musa  (vgl. 
Jäger,  Kommentar  zum  Seh.  K.  G.  Note  5  zu  Art.  211  im 
Gegensatz  zu  Note  12  bei  Art.  213;  H.  E.  Bd  XII,  pag.  235; 
Keichsgerichtliche  Entscheidungen  Bd  I,  pas;.  347,  äeufferts 
Archiv  Bd  XXXVII  Nr.  360).  Eine  ungebührliche  Verletzung 
der  Interessen  des  Gegenkontrahenten  wird  durch  diese  Be- 
handlung der  Bache  nicht  herbeigeführt.  Denn  wenn  der 
Gläubiger  auch  sein  Kompensationsrecht  gegenüber  seiner 
Schuld  aus  dem  zweiseitigen  Vertrage  verloren  hat,  so  ist 
ihm  dafür  die  Leistung  des  Gemeinschuldners  voll  zuge- 
kommen, d.  h.  er  ist  infolge  der  Uebernahme  des  Vertrages 
durch  die  Konkursmasse  trotz  der  Nichtzulassung  der  Kom- 
pensation nicht  schlechter  gestellt,  als  wenn  die  Konkurs- 
verwaltung, was  ihr  freistand,  den  Vertrag  nicht  erfüllt  hätte. 
Anders  verhält  es  sich  freilich,  wenn  der  Gegenkontrahent 
—  vielleicht  gerade  mit  Rücksicht  auf  die  Kompensation* 
mögliohkeit  —  einen  ihm  ungünstigen  Vertrag  mit  dem  Ge- 
meinschuldner geschlossen  hat,  sein  Interesse  also  der  Ueber- 
nahme desselben  durch  die  Konkursmasse  (unter  Zerstörung 
seines  Kompensationsrechtes)  entgegensteht.  Mau  kann  die 
Frage  aufwerfen,  ob  der  Dritte  sich  auch  in  solchen  Fällen 
schlechthin  die  Vertragserfüllung  durch  die  Konkursmasse  — 
ohne  Wahrung  seines  Kompensationsrechtes  —  gefallen  lassen 
müsse.  Wenn  er  das  aber  thut,  d.  h.  gegenüber  der  Erklärung 
der  Konkursverwaltung,  dass  sie  den  Vertrag  übernehme, 
keine  Einwendungen  erhebt,  sondern  vorbehaltlos  die  Ver- 
tragserfüllung annimmt,  so  kann  auch  hier  in  dem  Ausschluss 


fe- 


r.ïTS  v  ^jgÄ-„'^T^— f^»W" 


78 

i£  einer   nachträglich    verlangten  Verrechnung   irgend   eine  Un- 

ff-  billigkeit  nioht  gefunden  werden. 

\$  (Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Entnch.,  XX  S.  6  ft  j 

i  

■»■■■ 

U  45.  Revendication  de  titres  au  porteur  volés.  Preuve 

£  du  vol.  Art.  206  C.  0. 

Genève.  Jugement   du    Tribunal   de    1"  instance  du  13  mar*  1900 
d.  1.  c.  Quadry  c.  Banque  populaire  genevoise. 

M.  Cardinaux,  mineur,  a  volé  à  dame  Quadry  deux  cédille* 
de  1000  fra.  de  la  Caisse  hypothécaire.  Ces  cédilles  ont  été 
déposés  en  nantissement  par  un  sieur  Favre  accompagné  de 
Cardinaux  en  mains  de  la  Banque  populaire  genevoise  qai  avait 
avancé  à  Favre  une  somme  de  1900  frs.  Une  plainte  en  vol 
ayant  été  déposée  par  dame  Quadry  contre  Cardinaux,  l'in- 
p  formation    pénale   a  établi   que  Cardinaux   a  avoué  le  vol  et 

p  que  Favre  a  reçu  les  titres  de  Cardinaux.    Sur  un  retrait  de 

%>:  plainte   de   dame   Quadry  Cardinaux   n'a   pas  été    poursuivi. 

Mais  celle-ci  a  fait  saisir-revendiquer  les  deux  cédules  en  mains 
de  la  Banque  populaire  et  assigner  cette  dernière  en  resti- 
tution de  ces  titres,  en  vertu  de  Part  206  C.  0.  La  Banque 
a  opposé  1°  qu'elle  est  en  droit,  avant  de  restituer,  d'exiger 
|  la  preuve  du  vol,  et  qu'en  l'espèce,  Cardinaux  n'ayant  été  ni 

I*  condamné  ni  même  poursuivi,  cette  preuve  n'est  pas  faite  ;  2°  que, 

je  supposant  une  chose  volée,  la  règle  de  l'art  206  C.  0.  n'est  pat 

\  applicable  aux  titres  au  porteur.  —  Le  Tribunal  a  condamné 

tv  la  Banque  à  restituer  les  deux  titres  à  la  demanderesse. 

*;  Motifs:  1°  Attendu  que  le  système  de  la  Banque  popu- 

l  laire   genevoise    en   subordonnant,   —  pour  éviter  une  conni- 

î,  vence  possible  entre  un  pseudo  vol  et  un  vol  fictif,  —  l'appli- 

\  cation   de   l'art.  206  C.  0.  à   une  condamnation  prononcée  ou 

lr  à  des   poursuites   exercées,    aurait    pour    résultat   de    rendre 

;  toute  revendication  impossible  chaque  fois  que,  pour  une  cause 

*■  quelconque   (fuite,  décès,  âge),  l'auteur  du  vol  échapperait  à 

P  l'action  de  la  justice;  que  ce  serait,  dans  la  majorité  des  cas, 

r  rendre  l'art.  206  C.  0.  lettre  morte; 

:'  Que  telle  n'a  évidemment  point  été  l'intention  du  legis 

;  lateur ; 

{  Qu'au  surplus,  la  jurisprudence  et  les  auteurs  sont  d'accord 

pour  reconnaître  que  la  preuve  du  vol  peut  être  faite,  tant 
par  témoins  que  par  de  simples  présomptions  ^Àubry  et  Rau, 
t.  II  §  113  notes  11  et  12;  Baudry  Lacan tinerie,  t.  III  n°  1744; 
Dalloz,  s.  Prescription  écrite,  p.  175)  ; 


1 


79 

Qu'en  l'espèce  .  .  .  (énumération  de  faits  établissant  la 
preuve  du  vol)- 

2°  Attendu  que  tous  les  auteurs  et  une  jurisprudence 
française  unanime  déclarent  que,  d'une  manière  générale,  les 
dispositions  de  l'art.  2279  C.  c.  (=  206  C.  0.)  sont  applicables 
au  vol  de  titres  au  porteur  (Dalloz,  s.  Prescription  écrite, 
§  166;  entre  autres  arrêts  cités:  Cass.  affaire  Lévy  0.  P. 
1887  1.25); 

Attendu,  au  surplus,  que  la  Banque  populaire  genevoise 
a  commis  une  faute  lourde  en  acceptant,  à  deux  reprises,  d'un 
inconnu,  dont  le  crédit  sur  la  place  était  nul,  des  titres  de 
création  toute  récente  (ils  avaient  été  retirés  à  la  Caisse 
hypothécaire  le  21.  mars  1898  et  déposés  à  la  Banque  en 
avril  1898)  et  dont  elle  pouvait,  immédiatement  vérifier  la 
provenance,  ne  fût-ce  qu'en  en  téléphonant  les  numéros  à  la 
Caisse  hypothécaire.     (Extrait  de  la  Semaine  judiciaire,  XXII  p.  695  ss.) 


46.  Ehescheidung  auf  beidseitiges  Begehren,  unstatthaft 
vor  ehelichem  Zusammenleben.  B.-Ges.  betr.  Civilstand  und  Ehe 
vom  24.  Dezember  1874,  Art  45,  47. 

St.  €J allen«     Urteil  den  Kantonsgerichtes  vom  11.  Juli  1900. 

Der  Beklagte,  im  Jahre  1865  geboren,  heiratete  1893 
die  A.  Z.  Kinder  aus  dieser  Ehe  sind  zwei  Mädchen,  geboren 
26.  März  1896  und  26.  März  1900.  Die  Ehefrau  starb  am 
1.  April  1900.  Der  Beklagte  glaubte  mit  Bücksicht  auf  seine 
Kinder  sich  wieder  schnellstens  verheiraten  zu  sollen  und 
wandte  sich  an  seine  Schwägerin,  die  ihn  am  15.  April  mit 
einer  Freundin  besuchte.  Dieser  machte  der  Beklagte  sofort 
einen  Heiratsantrag.  Ueberrascht  erklärte  sie,  vorher  das 
Einverständnis  ihrer  Eltern  nachsuchen  zu  müssen.  Am  fol- 
genden Tage  (16.  April)  besuchte  der  Beklagte  die  Eltern 
und  erhielt  deren  Einwilligung  zur  Ehe  ihrer  Tochter  mit  ihm. 
Die  letztere  (geboren  1878)  liess  sich,  wie  sie  angiebt  auf 
Zureden  ihrer  Freundinnen,  dazu  herbei,  am  17.  April  vor  Civil- 
Standsamt  das  Eheversprechen  abzulegen,  und  am  5.  Mai  — 
nachdem  die  Parteien  am  29.  April  einen  Ausflug  nach  Lindau 
gemacht  und  die  Braut  ihr  Brauttuder  in  des  Beklagten  Haus 
verbracht  und  dort  geordnet  hatte  —  auch  die  Civil trauung  vor- 
zunehmen, trotzdem  sie  Reue  über  den  gemachten  Schritt 
empfunden  haben  will.  Die  auf  den  7.  Mai  in  Aussicht  ge- 
nommene kirchliche  Trauung  fand   nicht   statt,   da   die   nun- 


80 

mehrige  Ehefrau  sich  entschlossen  hatte,  mit  dem  Beklagten 
ehelich  nicht  zusammenzuleben.  Arn  10.  Mai  erhob  sie  Ehe* 
Scheidungsklage,  mit  der  Begründung,  dass  sie  die  Ehe  ohne 
Ueberlegung  und  auf  Drängen  des  Beklagten  eingegangen 
habe,  ihr  jede  ebeliohe  Zuneigung  zum  Beklagten  fehle  und 
ein  gedeihliches  Eheleben  nicht  denkbar  sei.  Der  Beklagte 
erklärte  sich  mit  der  Ehescheidung  einverstanden,  da  allerdings 
bei  dem  Verhalten  der  Klägerin  Mangels  jeden  ethischen 
Charakters  dieser  Ehe  an  ein  eheliches  Zusammenleben  nicht 
zu  glauben  sei.  Das  Kantonsgericht  hat  aber  die  Parteien  mit 
ihrem  gemeinsamen  Begehren  um  Scheidung  abgewiesen. 

In  Erwägung:  Das  Gericht  erblickt  in  dem  Verhalten 
der  Parteien  vor  und  bei  Eingehung  der  Ehe  ein  äusserst 
frivoles  und  leichtsinniges  Vorgehen,  und  zudem  seitens  des 
Beklagten  eine  pietätlose  Àusserachtlassung  jeder  Rücksicht 
auf  seine  erst  am  1.  April  1900  mit  Tod  abgegangene  erste 
Ehefrau.  Eine  gänzliche  Scheidung  nach  Art.  45  B.-Ges.  kann 
nicht  ausgesprochen  werden,  weil  die  Parteien  überhaupt  noch 
gar  nicht  zusammengelebt  haben  und  der  Richter  schon  des- 
wegen eine  Ueberzeugung  davon  nicht  gewinnen  kann,  dass 
ein  ferneres  eheliches  Zusammenleben  mit  dem  Wesen  der 
Ehe  unverträglich  sei.  Nachdem  die  Parteien  beidseitig  vom 
Zeitpunkte  des  Eheverlöbnisses  an  die  18  Tage  Zeit  zur  Er- 
wägung, ob  sie  die  Ehe  wirklioh  eingehen  wollen,  dazu  be- 
nützt haben,  um  am  ö.  Mai  die  Ehe  abzuschlieasen,  so  kann 
es  nicht  angeben,  dass  sie  ohne  jeden  Versuch,  sich  gegen* 
seitig  verstehen  zu  lernen,  die  Charaktere  sich  wechselseitig 
anzupassen,  und  ein  eheliches  Zusammenleben  aufzunehmen, 
heute  wieder  geschieden  werden  ;  eine  Scheidung  unter  diesen 
Verhältnissen  würde  dem  Sinne  des  Gesetzes  und  der  Bedeutung 
des   Eheabschlusses  widersprechen. 

(Enterb,  de**  Kantonsgerichtn  8t.  Gallen  im  Jahre  1900,  8.  84  ff.' 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


47.  Bundesgesetz  betr.  die  persönliche  Handlungsfähigkeit 
v.  22.  Juni  1881,  Art  1  u.  3  Abs.  2.  4.  Abgesehen  von  dem  Vor- 
behalte des  Art  3  Abs.  2  cit.  ist  die  Handlungsfähigkeit  auch 
für  die  Errichtung  von  Testamenten  durch  das  Bundesgesetz 
geordnet. 

Le  Tribunal  fédéral  a  déjà  reconnu  à  plusieurs  reprises 
qu'à  l'exception  des  cas  où  elle  réserve  expressément  le  droit 
cantonal,  la  loi  fédérale  du  22  juin  1881  règle  la  capacité 
civile  non  seulement  pour  l'accomplissement  des  actes  qui 
rentrent  dans  le  domaine  du  droit  privé  fédéral,  mais  d'une 
manière  générale  pour  l'accomplissement  de  tous  les  actes  du 
droit  privé,  alors  bien  même,  que  ces  actes  seraient  au  sur- 
plus régis  par  le  droit  cantonal.  Partant  de  ce  principe,  le 
Tribunal  fédéral  a  jugé  que  la  capacité  en  matière  de  dona- 
tions et  de  ventes  immobilières  est  régie  par  la  loi  fédérale, 
bien  que  ces  contrats  soient  d'ailleurs  soumis  au  droit  can- 
tonal (art  10,  141,  231;  Ree.  off.  des  arrêts  du  Tribunal 
fédéral  XI  page  197;  XII  page  388,  consid.  3).  On  doit 
en  décider  de  même  en  ce  qui  concerne  la  capacité  de  tester, 
à  moins  qu'il  ne  résulte  de  la  loi  que  celle-ci  a  entendu  ré- 
server le  droit  cantonal  à  cet  égard.  La  seule  disposition 
de  la  loi  qui  fasse  mention  de  cette  capacité  est  l'art.  3 
al.  2,  à  teneur  duquel  „les  dispositions  des  lois  cantonales 
demeurent  réservées  en  ce  qui  concerne  la  capacité  de  tester 
appartenant  aux  mineurs,  ainsi  que  leurs  droits  vis-à-vis  des 
personnes  investies  de  la  puissance  paternelle  ou  des  pouvoirs 
de  tutelle."  La  conclusion  logique  qui  découle  de  cette  ré- 
serve est  que  le  législateur  fédéral  a  admis  que  la'  capacité 
de  tester  en  général  devait  être  régie  par  la  loi  fédérale, 
puisqu'il  a  réservé  l'application  du  droit  cantonal  en  ce  qui 
concerne  spécialement  la  capacité  de  tester  des  mineurs.  S'il 
avait  entendu  que  la  capacité  de  tester  demeurât  régie,  d'uno 
manière  générale,  par  le  droit  cantonal,  il  paraît  hors  de 
doute  qu'il  en  aurait  fait  la  réserve  en  termes  généraux  qui 
eussent  rendu  inutile  la  réserve  spéciale  de  l'art.  3  al.  2.   La 

7 


82 

preuve  que  cette  manière  de  voir  est  bien  conforme  à  la 
volonté  du  législateur  ressort  d'ailleurs  de  la  façon  dont  la 
disposition  de  l'art.  3  al.  2  est  motivée  dans  le  message  du 
Conseil  fédéral.  Le  motif  donné  pour  justifier  cette  disposition 
est  que  l'âge  nécessaire  pour  pouvoir  tester  doit  être  établi 
en  harmonie  avec  le  droit  successoral,  et  qu'il  convient  par 
conséquent  de  maintenir  les  dispositions  des  législations  can- 
tonales accordant  la  capacité  de  tester  dès  un  âge  inférieur 
à  celui  de  la  majorité  (voir  Feuille  fédérale  1879,  vol.  3 
page  835).  Cette  réserve  n'apparaît  donc  pas  comme  une 
application  spéciale  d'une  réserve  plus  étendue  visant  la 
capacité  de  tester  en  général,  mais  comme  une  restriction 
à  la  règle  d'après  laquelle  la  capacité  juridique,  y  compris 
la  capacité  de  tester,  est  régie  par  la  loi  fédérale. 

L'opinion  que  le  législateur  fédéral  n'aurait  pas  entendu 
modifier  les  législations  cantonales  en  ce  qui  concerne  la 
capacité  de  tester,  parce  que  le  commerce  est  désintéressé 
dans  la  question,  a  cependant  trouvé  des  défenseurs  (voir 
Carrard,  Explications  de  la  loi  du  22  juin  1881,  page  14). 
Cette  opinion  est  toutefois  inadmissible  en  présence  des 
termes  du  message  du  Conseil  fédéral  et  plus  enoore  en 
présence  de  l'exposé  des  motifs  rédigé  par  le  prof,  de  Wyss, 
et  dont  le  message  n'est  qu'un  résumé.  Il  résulte  de  la 
façon  la  plus  certaine  de  ces  documents  que  la  loi  était 
destinée  à  régler  la  capacité  civile  non  seulement  en  vue  des 
transactions  mobilières,  mais  pour  tous  les  actes  juridiques, 
sauf  les  exceptions  prévues.  S'il  est  question  à  plusieurs  re- 
prises de  la  sécurité  des  transactions,  ce  n'est  pas  pour  res- 
treindre l'application  de  la  loi  aux  rapports  transactionnels, 
mais  pour  montrer  que  les  exceptions  que  celle-ci  prévoit 
n'ont  rien  de  contraire  à  la  sécurité  des  transactions  (voir 
P.  F.,  vol.  cité,  page  827).  (Entsch.  v.  9.  März  1901  i.  S. 
Dunant  et  Consorts  c.  Le  Royer  et  Consorts.) 


48.  0.  R.  Art.  16.  17.  Konkurrenzverbot;  Auslegung  und 
Gültigkeit. 

Der  Beklagte  H.  P.  hatte  dem  Kläger  E.  G.  durch  Ver- 
trag vom  6.  April  1887  sein  in  B.  betriebenes  Baumaterialien- 
geschäft  um  den  Gesamtpreis  von  Fr.  83,702. 50  verkauft, 
wobei  von  dem  Kaufpreise  (neben  dem  Preise  der  Vorräte,  des 
Mobiliars  u.  s.  w.)  ein  Betrag  von  Fr.  35,000. —  speziell  als 
„Aversalvergütung  für  die  Abtretung  des  Baumaterialien- 
geschäfts  und  die  Agenturen"  berechnet  und  im  weitern  aus- 


83 

bedungen  wird,  dass  der  Verkäufer  sich  verpflichtet,  dem 
Käufer  „in  der  Schweiz  in  keiner  Weise  sei  es  durch  eigene 
Ktablierung  oder  Etablierung  eines  Dritten  in  Form  einer 
Filiale  oder  Repräsentation  Konkurrenz  zu  machen."  In  der 
Folge  begann  der  Beklagte  in  der  Schweiz  ein  Baumaterialien  - 
geschäft,  wesentlich,  wie  es  scheint,  als  Kommissionär  oder 
Agent,  zu  betreiben.  Der  Kläger  belangte  ihn  daher  auf 
Entschädigung  und  beantragte  überdies,  es  sei  ihm  gerichtlich 
zu  verbieten,  dem  Kläger  in  der  Schweiz  in  Keramikartikeln 
aller  Art  Konkurrenz  zu  bereiten.  Die  Klage  wurde  von 
allen  Instanzen  gutgeheissen,  wobei  es  indes,  gemäss  einer 
vom  Kläger  in  der  bundesgerichtlichen  Instanz  abgegebenen 
Erklärung  die  Meinung  hat,  dass  damit  darüber,  ob  der  Be- 
klagte auch  nicht  als  blosser  Angestellter  in  einem  schweize- 
rischen Baumaterialiengeschäft  thätig  werden  dürfe,  nicht 
entschieden  sein,  sondern  dies  späterer  Entscheidung  vor- 
behalten bleiben  solle.  In  den  Gründen  des  bundesgericht- 
lichen Urteils  wird  bezüglich  der  Auslegung  und  Gültig- 
keit des  Konkurrenzverbots  wesentlich  ausgeführt: 

1.  Vom  Beklagten  ist  geltend  gemacht  worden,  das 
Konkurrenzverbot  sei  einschränkend  zu  interpretieren,  es  be- 
ziehe sich  nur  auf  die  Konkurrenz  durch  eigene  Etablierung 
oder  Etablierung  eines  Dritten,  und  in  dieser  Form  habe  er 
dasselbe  nicht  übertreten.  Der  Beklagte  scheint  dabei  davon 
auszugehen,  das  Konkurrenzverbot  verbiete  ihm  nur,  das 
Baumaterialiengeschäft  in  der  Schweiz  als  Eigenhändler  zu 
betreiben,  nicht  auch  in  diesem  Geschäfte  als  provisions- 
berechtigter Kommissionär  oder  Agent  (Vertreter)  thätig  zu 
sein.  Hierüber  ist  zu  bemerken:  Es  ist  richtig  und  auch 
vom  Bundesgericht  stets  anerkannt  worden,  dass  Konkurrenz- 
verbote strikte  zu  interpretieren  sind,  d.  h ,  dass  sie  nicht 
deshalb  ausdehnend  auf  Fälle  erstreckt  werden  dürfen,  welche 
sie  dem  klaren  Wortlaute  des  Vertrages  nach  nicht  betreffen, 
weil  die  Parteien,  wenn  sie  an  diese  Fälle  gedacht  hätten, 
möglicher-  oder  sogar  wahrscheinlicherweise,  das  Verbot  auch 
für  sie  stipuliert  hätten.  Allein  auf  der  andern  Seite  ist 
ebenso  klar,  dass  bei  Auslegung  von  Konkurrenzverboten 
ebenso  wenig  wie  bei  Auslegung  anderer  Willenserklärungen 
einseitig  am  Wortlaute  gehaftet  werden  darf,  dass  vielmehr 
für  Konkurrenz  verböte  die  allgemeine  Auslegungsregel  des 
Art.  16  0.  R.,  wonach  der  übereinstimmende  wirkliche  Wille 
der  Parteien  und  nicht  die  unrichtige  Bezeichnung  oder  Aus- 
drucksweise zu  beobachten  ist,  ebenfalls  gilt,  und  dieselben 
nach  den  Regeln   von  Treu   und  Glauben    derart   auszulegen 


84 

sind,  das8  nicht  etwa  eine  einseitig  auf  den  Wortlaut  sieb 
stützende  Umgehung  des  erkennbaren  wahren  Sinnes  de» 
Verbotes,  ein  Handeln  in  fraudem  des  letztem,  zugelassen 
wird.  Geht  man  nun  hievon  aus,  so  kann  einem  Zweifel  zu- 
nächst nicht  unterliegen,  dass  das  Konkurrenzverbot  dem 
Beklagten  den  Betrieb  eines  Baumaterialiengeschäftes  in  der 
Schweiz  überhaupt  verbietet,  nicht  nur  insoweit  er  dabei  als 
Eigenhändler,  sondern  auch  insoweit  er  dabei  als  Kommissionär 
(in  eigenem  Namen  aber  auf  fremde  Rechnung)  oder  al» 
Agent  (auf  fremden  Namen  und  auf  fremde  Rechnung)  sich, 
bethätigt.  Sowohl  der  Kommissionär  als  der  Agent  in  Bau- 
materialien, welcher  sein  Geschäft  in  der  Schweiz  betreibt,, 
macht  ja  natürlich  dem  klägerischen  Gesohäfte  Konkurrenz 
und  es  fällt  seine  Thätigkeit  sogar  unter  den  ausdrücklich 
im  Vertrage  hervorgehobenen  Fall,  dass  die  Konkurrenz  durch 
eigene  Etablierung  gemacht  wird;  denn  sowohl  der  Kom- 
missionär als  der  Agent  ist  ja  selbständig  etablierter  Kauf- 
mann, und  wenn  daher  der  Beklagte  in  der  Schweiz  als 
Baumaterialienhändler  sich  niederlägst,  der  ausschliesslich 
oder  vorwiegend  Kommissions-  oder  Agenturgeschäfte  in 
diesen  Artikeln  abschliesst,  so  macht  er  dem  Kläger  gerade 
so  „durch  eigene  Etablierung"  Konkurrenz,  wie  wenn  er  aus- 
schliesslich oder  vorwiegend  Propergeschäfte  abschliesst  Dass 
das  Konkurrenz  verbot  auch  den  Geschäftsbetrieb  als  Kom- 
missionär oder  Agent  umfasst,  entspricht  übrigens  wie  dem 
Wortlaute  des  Vertrages  so  auch  den  Umständen.  Denn  es 
ist  klar,  dass  die  Nachteile,  welche  eine  von  dem  (bei  den 
schweizerischen  Baugeschäften  eingeführten)  Beklagten  ge- 
übte Konkurrenz  für  das  klägerische  Geschäft  herbeiführen 
mus8te,  ungefähr  gleich  waren,  ob  nun  der  Beklagte  sein 
Konkurrenzgeschäft  ausschliesslich  oder  vorwiegend  als  Kom- 
missionär oder  Agent  leistungsfähiger  Konkurrenzfirmen,  oder 
ob  er  es  ausschliesslich  oder  vorwiegend  als  Properhändler 
betreibe,  so  dass  ein  Grund,  in  dieser  Hinsicht  einen  Unter* 
schied  zu  machen,  nicht  vorlag. 

2.  Vom  Beklagten  ist  behauptet  worden,  das  Kon- 
kurrenzverbot sei,  als  gegen  Art.  17  0.  R.  verstossend,  nichtig, 
und  es  mu88  übrigens  die  Frage,  ob  das  Konkurrenzverbot 
als  unsittlich  nichtig  sei,  von  Amtes  wegen  geprüft  werden. 
Nun  hat  das  Bundesgericht  in  konstanter  Praxis  an  dem 
Grundsatze  festgehalten,  dass  Konkurrenzverbote  dann  als 
unsittlich  nichtig  seien,  wenn  sie  die  Freiheit  des  Ver- 
pflichteten in  so  weitgehender  Weise  beschränken,  dass  dar- 
nach   dessen    wirtschaftliche    Persönlichkeit    als    aufgehoben. 


85 

ihrer  naturgemässen  Bethätigung  entzogen  erscheint,  wa,s 
-dann  der  Fall  sei,  wenn  dem  Verpflichteten  die  Ausübung 
einer  bestimmten  wirtschaftlichen  Thätigkeit,  speziell  des 
erlernten  Berufes  gänzlich  oder  doch  innert  so  weiten  zeit- 
lichen oder  örtlichen  Grenzen  untersagt  sei,  dass  dies,  nach 
den  konkreten  Verhältnissen,  praktisch  einem  gänzlichen  Ver- 
bote nahe  käme  (vergi,  bundesgerichtl.  Entsch.  Amtl.  Sammig 
Bd  XVII  S.  722  Erw.  3).  Dagegen  hat  das  Bundesgericht 
Konkurrenzverbote,  welche  zufolge  ihrer  zeitlichen  oder  ört- 
lichen Beschränkung  eine  derartige  Fesselung  der  wirtschaft- 
lichen Persönlichkeit  des  Verpflichteten  nicht  enthalten,  stets 
als  gültig  anerkannt;  es  hat  speziell  auch  anerkannt,  dass 
zur  Gültigkeit  eines  Konkurrenzverbotes  nicht  schlechthin 
erforderlich  sei,  dass  es  gleichzeitig  zeitlich  und  örtlich  be- 
schränkt sein  müsse,  sondern  dass  es  genüge,  wenn  es  in  der 
einen  oder  andern  Richtung  begrenzt  sei,  sofern  in  An- 
betracht der  zeitlichen  oder  örtlichen  Beschränkung  die 
naturgemä88e  Bethätigung  der  wirtschaftlichen  Persönlichkeit 
des  Verpflichteten  nach  den  obwaltenden  Verhältnissen  nicht 
aufgehoben  sei  (vergi,  bundesgerichtl.  Entsch.  Amtl.  Sammig 
Bd  XXI  8.  644  Erw.  3).  Diese  Auffassung  entspricht  denn 
auch  der  herrschenden  Meinung  der  deutschen  wie  fran- 
zösischen Doktrin  und  Praxis  und  erscheint  als  innerlich 
begründet,  da  Konkurrenzverbote  doch  nur  dann  für  unzu- 
lässig zu  erachten  sind,  wenn  sie  mit  Bücksicht  auf  ihren 
gesamten  Inhalt  als  eine  allzugrosse  unleidliche  Beschrän- 
kung der  wirtschaftlichen  Freiheit  des  Verpflichteten  sich 
qualifizieren. 

Fragt  es  sich  demgemäss,  ob  das  vorliegende  Kon- 
kurrenzverbot nach  seinem  festgestellten  Inhalte  eine  nach 
Art,  17  O.K.  unzulässige,  weil  zu  weitgehende  Beschränkung 
der  wirtschaftlichen  Freiheit  des  Beklagten  involviere,  so  ist 
dies  angesichts  der  konkreten  Verhältnisse  zu  verneinen. 
Das  Konkurrenzverbot  ist  allerdings  zeitlich  unbeschränkt, 
dagegen  ist  es,  wie  sachlich,  so  auch  örtlich  derart  begrenzt, 
dass  davon,  es  mache  dem  Beklagten  die  Bethätigung  in 
dem  von  ihm  früher  betriebenen  Baumaterialiengewerbe 
praktisch  ganz  oder  nahezu  unmöglich,  nicht  gesprochen 
werden  kann.  Allerdings  bezieht  sich  das  Konkurrenzverbot 
örtlich  auf  das  ganze  Gebiet  der  Schweiz.  Allein  selbst- 
verständlich ist  der  Betrieb  des  Baumaterialiengescbäftes  in 
keiner  Weise  auf  das  Gebiet  der  Schweiz  beschränkt,  und 
<es  liegt  nicht  das  mindeste  dafür  vor,  dass  speziell  etwa 
<Lem  beklagten   der  Betrieb    ausserhalb   der   schweizerischen 


86 

Grenzen  nicht  oder  doch  nur  schwer  möglich  wäre.  Das 
Konkurrenzverbot  ist  daher  trotz  der  mangelnden  zeitlichen 
Beschränkung  als  gültig  anzuerkennen.  Hieran  ist  um  so  mehr 
festzuhalten,  als  bei  einem  Verkaufe  eines  Geschäftes  mit 
der  Kundschaft  ein  Konkurrenzverbot  in  gewissem  Umfange 
überhaupt  durchaus  sachentsprechend  ist,  und  der  Beklagte 
für  seinen  ohne  zeitliche  Beschränkung  ausgesprochenen  Ver- 
zicht auf  den  Geschäftsbetrieb  in  der  Schweiz  das  von  ihm 
als  angemessen  erachtete  Aequivalent  in  dem  Abtretungs- 
preise des  Geschäftes  sich  ausbedungen  und  erhalten  hat, 
während  dieser  Preis  offenbar  anders  festgestellt  worden 
wäre,  wenn  der  Beklagte  die  Stipulation  eines  Konkurrenz- 
verbotes überhaupt  verweigert,  oder  dasselbe  nur  für  eine 
bestimmt  beschränkte  Zeit  hätte  zugeben  wollen.  (Entsch. 
v.  30.  März  1901  i.  S.  Perino  c.  Jeuch.) 


49.  0.  R.  Art.  70  ff.    Bereicherungsklage]  Beweùlast. 

Bei  der  Bereicherungsklage  nach  Art.  70  ff.  0.  R.  hat 
der  die  Klage  anstellende  Kläger  (bezw.  bei  einredeweiser 
Geltendmachung  eines  Anspruches  aus  ungerechtfertigter  Be- 
reicherung der  die  Einrede  erhebende  Beklagte)  lediglich 
darzuthun,  dass  dem  Beklagten  (bezw.  dem  Kläger,  welchem 
die  Einrede  entgegengehalten  wird)  ohne  materielle  Recht- 
fertigung eine  Zuwendung  zugekommen  sei;  Sache  des 
Gegners  ist  es  sodann,  zu  beweisen,  dass  er  zur  Zeit  der 
Anhebung  der  Klage  nicht  mehr  bereichert  war  (vgl.  Entsch. 
des  Bundesger.  vom  17.  Nov.  1893  i.  S.  Fritschin  c.  Jeissi  ; 
Revue  der  Gerichtspraxis  XII  Nr.  5).  (Entsch.  vom  29.  März 
1901  i.  S.  Berner  Handelsbank  c.  Jaisli- Portmann.) 


50.  0.  R.  Art.  131.  Voraussetzungen  der  Kompensation. 
Diese  wird  dadurch  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  Gegenforderung 
erst  noch  durch  den  Prozess  liquid  gestellt  werden  muss;  Begriff 
der  Fälligkeit  der  Forderung. 

Beim  Verkaufe  der  von  ihm  gegründeten  Chardonnet- 
seidenfabrik  Spr.  an  die  Aktiengesellschaft  Chardonnet- 
seidenfabrik  Spr.  hatte  de  C.  durch  Vertrag  vom  29.  Oktober 
1898  unter  gewissen  Modalitäten  die  Verantwortlichkeit  für 
den  Schaden  übernommen,  welcher  der  Gesellschaft  aus  der 
Unmöglichkeit  erwachsen  sollte,  einzelne  von  ihm  einge- 
gangene Lieferungsverträge  zu  halten.  Die  Kläger,  welche 
in    einer  gegen  de  C.  eingeleiteten  Betreibung  ein  Guthaben 


87 

desselben  an  die  Aktiengesellschaft  im  Betrage  von  Fr.  3000 
gepfändet  und  hernach  an  der  Pfand  Verwertungssteigerung 
erworben  hatten,  klagten  dieses  Guthaben  gegen  die  Aktien- 
gesellschaft ein.  Diese  trug  auf  Abweisung  der  Klage  an, 
weil  ihr  aus  der  von  de  C.  übernommenen  Verantwortlich- 
keit eine  dessen  (an  sich  anerkanntes)  Guthaben  weit  über- 
steigende Forderung  zustehe,  wofür  sie  eine  Reihe  von  That- 
Sachen  anführte  und  zum  Beweise  verstellte.  Die  Kläger  be- 
stritten der  Beklagten  das  Recht  zur  Kompensation,  indem 
sie  u.  a.  die  Existenz  und  eventuell  die  Fälligkeit  der  zur 
Verrechnung  gestellten  Gegenforderung  bestritten.  Die  Vor- 
instanz hat  die  Kompensationseinrede  deshalb  abgewiesen, 
weil  die  zur  Kompensation  verstellten  Gegenforderungen  als 
nicht  fällige  zur  Verrechnung  überhaupt  nicht  tauglich  seien. 
Das  Bundesgericht  hat  diese  Entscheidung  aufgehoben  und 
die  Sache  zu  neuer  Beurteilung  an  die  Vorinstanz  zurück- 
gewiesen. Aus  den  Entscheidungsgründen  ist  hervorzuheben  : 
Wie  die  Vorinstanz  selber  hervorhebt,  kann  der  Schuldner 
die  Verrechnung  geltend  machen,  auch  wenn  seine  Gegen- 
forderung bestritten  wird  (Art.  131  Abs.  2  0.  R.).  Es  steht 
also  der  Kompensationseinrede  nicht  entgegen,  dass  die  zur 
Kompensation  vorgeschützte  Gegenforderung  nicht  liquid  ist, 
sondern  erst  noch  der  gerichtlichen  Feststellung  bedarf  (vgl. 
Schneider  und  Fick,  Komm,  zum  0.  R.  Art.  131  Anm.  3). 
Da  es  sich  im  übrigen  beidseitig  um  Forderungen  handelt, 
die  auf  Geldsummen  gerichtet  sind,  so  hängt  nach  Art.  131 
0.  R.  die  Frage,  ob  der  Kompensationseinrede  der  Beklagten 
Statt  zu  geben,  d.  h.  ob  auf  sie  materiell  einzutreten  sei, 
einzig  davon  ab,  ob  die  Beklagte  solche  Gegenforderungen 
geltend  mache,  die,  ihre  Uegründetheit  überhaupt  vorausge- 
setzt, sich  als  fällige  Forderungen  darstellen.  Fällig  ist 
aber  eine  Forderung,  wenn  die  betreffende  Leistung  vom 
Schuldner  verlangt  werden  kann;  und  zwar  tritt  die  Fällig- 
keit in  der  Regel,  d.  h.  sofern  es  sich  nicht  um  betagte 
Forderungen  handelt,  unmittelbar  mit  deren  Entstehung  ein 
(vgl.  Dernburg,   Pandekten,  II.  Bd  §  34). 

Die  Beklagte  stützt  nun  ihre  Gegenforderungen  auf  die 
aktenmässige  Thatsache,  dass  der  Rechtsvorfahr  der  Kläger, 
de  C,  sich  ihr  gegenüber  vertraglich  verpflichtet  hat,  für  den 
Schaden  aufzukommen,  der  ihr  daraus  entstehe,  dass  es  ihr 
nicht  möglich  sein  werde,  einzelne  der  von  ihm  eingegangenen 
Lieferungsverträge  zu  halten  und  die  Lieferungen  auszuführen. 
Sie  behauptet,  bei  mehreren  solcher  Li eferungs vertrage  sei 
ihr  die   Einhaltung    der  Lieferfrist    und    überhaupt  die   ver- 


pNJWWV*. 


88 

tragsgemässe  Erfüllung  nicht  möglich  gewesen,  und  es  sei 
ihr  daraus  ein,  die  Klageforderung  bedeutend  übersteigender 
Schaden  entstanden,  indem  sie  den  betreffenden  Kontrahenten 
für  deren  Interesse  an  der  Vertragserfüllung  einzustehen 
habe,  und  von  denselben  auch  in  der  That  hierauf  bereits 
belangt  worden  sei.  Die  Richtigkeit  dieser  Behauptungen 
vorausgesetzt,  handelt  es  sich  nach  dem  Gesagten  um  fällige 
Forderungen,  und  es  ist  rechtsirrtümlich,  wenn  die  Vorinstanz 
davon  aasgeht,  eine  Forderung  der  Beklagten  an  de  C.  ent- 
stehe allenfalls  erst,  wenn  die  Schadensersatzpflicht  des  de  C. 
gegenüber  der  Beklagten  aus  dem  mit  dieser  abgeschlossenen 
Vertrage  vom  Richter  festgestellt  worden  sei,  und  sich 
bei  der  Auseinandersetzung  zwischen  der  Beklagten  und 
de  C.  ergebe,  dass  der  Beklagten  noch  ein  Guthaben  bleibe. 
Denn  was  zunächst  den  letztern  Punkt  anbetrifft,  so  hat  die 
Beklagte  zur  Begründung  ihrer  Kompensationseinrede  nur 
den  Bestand  der  von  ihr  behaupteten  Gegenforderungen  dar- 
zuthun:  die  Frage,  ob  bei  einer  allfölligen  Gesamt- Ab- 
rechnung zwischen  der  Beklagten  und  de  C.  der  ersteren 
ein  Guthaben  an  diesen  bleibe,  berührt  die  Kompensations- 
einrede,  und  damit  den  vorliegenden  Prozess  nur  insofern, 
als  von  Seite  der  Kläger  den  zur  Kompensation  verwendeten 
Forderungen  der  Beklagten  wiederum  Forderungen  des  de  C. 
gegenübergestellt  worden  sind.  Soweit  solche  Forderungen 
von  Seite  der  Kläger  nicht  geltend  gemacht  worden  sind, 
berührt  die  Frage,  ob  eventuell  die  Beklagte  dem  de  G. 
ausser  den  3000.-—  Fr.  noch  weitere  Summen  schulde,  und 
wie  sich  darnach  das  Resultat  einer  endgültigen  Abrechnung 
zwischen  der  Beklagten  und  de  C  gestalten  werde,  den  vor- 
liegenden Prozess  nicht.  Zum  andern  sodann  entsteht  eine 
Schadensersatzpflicht  des  de  C.  auf  Grund  des  §7  des  erwähnten 
Vertrages  nicht  erst  durch  Richterspruch,  sondern  durch  die 
Erfüllung,  den  Eintritt  der  Thatsachen,  von  welchen  sie  in 
dem  Vertrage  abhängig  gemacht  worden  ist.  Der  Richter- 
spruch stellt  allerdings  den  Anspruch  fest,  aber  er  schafft 
ihn  nicht  erst,  sondern  deklariert  ihn  als  einen  bereits  be- 
stehenden. Die  Schadensersatzpflicht  des  de  C  ist  vielmehr  als 
entstanden  zu  betrachten,  sobald  aus  der  in  §  7  des  Vertrages 
angegebenen  Ursache  der  Beklagten  ein  Schaden  entstanden 
ist;  und  da  dieser  Schaden,  nach  den  Angaben  der  Beklagten, 
in  der  Verpflichtung  der  letztern  besteht,  ihrerseits  ihre  Kon- 
trahenten (wegen  Nichterfüllung  der  abgeschlossenen  Liefe- 
rungsverträge) zu  entschädigen,  so  ist  derselbe,  wenn  auch 
nicht  in  seinein  Umfange  bestimmt  festgestellt,  so  doch  jeden- 


falla  entstanden,  wenn  an  die  Beklagte  von  Seite  eines  ihrer 
Kontrahenten  eine  begründete  Schadensersatzforderung  wegen 
Nichterfüllung  der  in  dein  genannten  §  7  angeführten  Liefe- 
rangsverträge  gestellt  worden  ist.  Mit  diesem  Momente 
wurde  de  C.  der  Beklagten  ersatzpflichtig,  und  konnte  die 
Beklagte  von  ihm  fordern,  dass  er  sie  in  Betreff  der  er- 
hobenen Ansprüche  schadlos  halte. 

Die  Beklagte  macht  also  zur  Begründung  ihrer  Kom- 
pensationseinrede Gegenforderungen  geltend,  die  ihrer  Natur 
nach  gemäss  Art.  131  0.  K.  zur  Verrechnung  tauglich  sind. 
&ie  ist  deshalb  mit  dem  von  ihr  angetragenen  Beweise,  dass 
ihr  diese  Gegenforderungen  wirklich  erwachsen  seien,  zu 
hören,  und  da  die  Vorinstanz  hierüber  keine  Entscheidung 
getroffen  hat,  ist  die  Sache  zur  Vornahme  dieser  Entscheidung 
An  dieselbe  zurückzuweisen.  (Entsch.  vom  19.  April  1901 
i.  S.  Chardonnetseidenfabrik  Spreitenbach  c.  Gerichtskasse 
Baden  und  Keller.) 


51.  0.  R.  Art.  183  ff.  ßnndesgesetz  über  Schuldbetreibung 
find  Konkurs  vom  19.  April  1889^  Art  131  Abs.  1.  Wirkungen 
der  Abtretung  einer  Forderung  aus  gegenseitigem  V r ertrage ; 
dieselbe  überträgt  nicht  das  ganze  Rechtsverhältnis  in  Rechten 
und  Pflichten.  —  Die  Wirkungen  des  Eintritts  in  ein  Prozess- 
rechtsverhallnis  beurteilen  sich  nach  kantonalem  Recht;  nach  den- 
selben ist  zu  beurteilen y  ob  derjenige,  der  an  Stelle  einer  Partei 
in  den  Prozess  eintritt,  dadurch  die  Verpflichtung  übernimmt,  an 
deren  Stelle  dem  Gegner  R'de  zu  stehen. 

Ingenieur  Z.  in  Z.  beklagte  den  J.  P.  F.  auf  Bezahlung 
«iner  Werklohnforderung  (für  Einrichtung  einer  Dampfheizung) 
von  Fr.  2758.  J.  P.  F.  trug  auf  Abweisung  der  Klage  an 
und  verlangte  widerklagsweise  :  1.  sofortige  Wegnahme  der 
unbrauchbaren  Installation,  2.  Rückerstattung  der  bereits  er- 
haltenen Zahlungen  von  Fr.  1546.65  samt  Verzugszinsen, 
3.  Leistung  eines  Schadenersatzes  von  Fr.  4160.  Eventuell 
sofortige  tadellose  Herstellung  der  Installation  unter  völliger 
Schadloshaltung  für  alle  Einbusse  zufolge  der  Unbrauchbar- 
keit  des  bisherigen  Werkes.  Während  der  l'rozess  über  diese 
Klage  und  Widerklage  beim  Bezirksgericht  Maloja  schwebte, 
-wurde  die  Forderung  Z's.  an  F.  betreibungsamtlich  gepfändet 
und  in  der  Folge  vom  Betreibungsamt  Z.  gemäss  Art.  131 
JJ.-G.  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  dem  Gläubiger 
E.  B.  in  Z.  „zum  direkten  Inkasso  angewiesen."  E.  B.  führte 
nun  den  Prozess  weiter,   indem  er  Kostenvorschuss   leistete, 


90 

wobei  indess  nicht  festgestellt  wurde,  in  welcher  Stellung  er 
m  den  Prozess  eintrete.  Durch  Entscheidung  vom  12.  Juni 
1900  wies  das  Bezirksgericht  Maloja  „in  dem  Civilprozess 
zwischen  E.  Z.  resp.  seinem  Rechtsnachfolger  E.  B. 
in  Z.  Kläger  und  J.  P.  F.,  Beklagten  und  Widerklage^  die 
Klage  ab,  hiess  dagegen  die  primären  Begehren  der  Wider- 
klage gut,  indem  es  immerhin  die  Schadenersatzforderung 
auf  Fr.  3000  reduzierte.  In  2.  Instanz  hat  das  Kantons- 
gericht des  Kt.  Graubünden  auf  eine  von  klägerischer  Seite 
ergriffene  Appellation  hin,  die  Schadenersatzforderung  des 
Beklagten  und  Widerklagen  auf  Fr.  2000  reduziert,  im  übrigen 
dagegen  das  erstinstanzliche  urteil  bestätigt.  In  dem  kan- 
tonsgerichtlichen Urteile  sind  als  Streitparteien  aufgeführt 
E.  B.,  Kläger  und  Appellant  und  J.  P.  F.,  Beklagter  und 
Appellat,  und  es  wird  bezüglich  der  Appellationserklärung 
bemerkt,  dieselbe  sei  abgegeben  und  prosequiert  worden  von 
Ingenieur  Z.,  resp.  als  er  in  Konkurs  geraten  sei,  von  seinem 
Rechtsnachfolger  E.  B.  Gegen  das  kantonsgerichtliche  Ur- 
teil ergriff  E.  B.  —  eine  Anschlussberufung  des  Beklagten 
und  Widerklage™  interessiert  hier  nicht,  —  die  Be- 
rufung an  das  Bundesgericht  mit  dem  Antrage,  es  sei 
die  ganze  Widerklage  des  J.  P.  F.,  soweit  dadurch  der 
Intervenient  im  Prozess  E.  B.  persönlich  verpflichtet 
werde,  zu  verwerfen,  die  Forderung  ihm  gegenüber  also  ab- 
zuweisen. Das  Bundesgericht  hat  die  kantonsgerichtliche 
Entscheidung  aufgehoben  und  die  Sache  zu  neuer  Beurteilung 
an  die  Vorinstanz  zurückgewiesen,  im  wesentlichen  aus  fol- 
genden Gründen:  Die  kantonalen  Gerichte  sprechen  sich  da- 
rüber des  nähern  nicht  aus,  wie  sie  dazu  gekommen  sind, 
den  heutigen  Berufungskläger  an  Steile  des  ursprünglichen 
Klägers  und  Widerbeklagten  Z.  als  Widerbeklagten  zu  be- 
handeln. Die  Bemerkung  im  vorinstanzlichen  Urteil,  nach- 
dem Z.  in  Konkurs  geraten  sei,  habe  sein  Rechtsnachfolger 
E.  B.  den  Weiterzug  an  das  Kantonsgericht  erklärt  und 
prosequiert,  könnte  vermuten  lassen,  die  Vorinstanz  habe  an 
einen  Eintritt  der  Konkursmasse  des  Z.  in  den  Prozess  ge- 
dacht, an  deren  Stelle  B.  diesen  nun  weiter  führe,  und  sie 
habe  gestützt  hierauf  eine  Succession  in  die  gesamte  Partei- 
stellung Z's.,  also  auch  in  die  Stellung  desselben  ah  Wider- 
beklagten angenommen.  Allein  jene  Bemerkung  beruht  auf 
einem  thatsächlichen  Irrtum.  Die  Akten  ergeben,  dass  Z. 
nicht  in  Konkurs  gefallen,  sondern  lediglich  auf  Pfändung 
betrieben  worden,  und  dass  die  gepfändete  Werklohnforderung 
an  F.  dem   Berufungskläger  B.  gemäss  Art.  131  Abs.   1   des 


91 

Bundesgesetzes  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  Be- 
treibungsamt abgetreten  worden  ist. 

Welche  Rechtsstellung  für  den  Berufungskläger  B. 
gegenüber  dem  Widerkläger  F.  durch  dieses,  zwischen  ihm 
und  dem  Betreibungsamt  Z.  abgeschlossene  Rechtsgeschäft 
begründet  worden  sei,  ist  eine  Frage  des  Bundescivilreohts, 
und  es  ist  daher  vom  Bundesgericht  zu  prüfen,  ob  und  in 
wie  weit  gestützt  auf  dieses  Rechtsgeschäft  die  Ver- 
pflichtungen, welche  die  Widerklage  gegenüber  dem  ursprüng- 
lichen Widerbeklagten  Z.  geltend  machte,  gegenüber  dem 
Berufungskläger  geltend  gemacht  werden  können.  Denn  es 
handelt  sich  bei  diesem  Rechtsgeschäft  um  die  Abtretung 
einer  vom  eidg.  Obligationenrecht  beherrschten  Forderung, 
ebenso  gehört  der  Rechtsgrund  der  Abtretung,  das  dem  Ab- 
tretungsakt zu  Grunde  liegende  Veräusserungsgeschäft  f  dem 
Bunde8civilrecht  an.  Nun  kann  aber  nach  eidg.  Obligationen- 
recht keine  Rede  davon  sein,  dass  durch  die  vom  Betreibungs- 
amt Z.  vorgenommene  Cession  der  Werklohnforderung  Z's.  an 
den  Berufungskläger  auch  die  Verbindlichkeiten  Z's.,  welche 
den  Gegenstand  der  Widerklage  bilden,  auf  den  Berufungskläger 
übergegangen  seien.  Diese  Verbindlichkeiten  leiten  sich 
allerdings  aus  dem  gleichen  Vertragsverhältnis  her,  wie  die 
dem  Berufungskläger  cedierte  Forderung,  nämlich  aus  dem 
zwischen  Z.  und  F.  abgeschlossenen  Werkvertrag,  und  wie 
die  auf  Geltendmachung  dieser  Forderung  gerichtete  Haupt- 
klage auf  Erfüllung  des  Werkvertrages  durch  den  Besteller 
geht,  so  macht  die  Widerklage  in  der  Hauptsache  das  Inter- 
esse geltend,  welches  der  Besteller  seinerseits  an  der  Er- 
füllung des  Werkvertrages  durch  den  Unternehmer  hat. 
Allein  durch  die  mehrgenannte  Cession  ist  der  Berufungs- 
kläger nicht  in  das  gesamte,  aus  dem  zwischen  Z.  und  F. 
abgeschlossenen  Werkvertrag  resultierende  zweiseitige  Rechts- 
verhältnis eingetreten.  Er  ist  nicht  an  Stelle  Z's.  Unternehmer 
im  Sinne  des  Art.  350  0.  R.  geworden;  durch  die  Cession 
ging  vielmehr  lediglich  ein  einzelnes  Forderungsrecht  aus  dem 
Werkvertrag,  die  in  dem  Cessionsakt  genannte  Werklohn- 
forderung, auf  ihn  über,  es  wurden  ihm  dadurch  nicht  zu- 
gleich auch  Verpflichtungen  des  Cedenten  (resp.  des  Unter- 
nehmers Z.)  aus  diesem  Werkvertrag  übertragen.  Denn  es 
kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  nach  eidg.  Obligationen- 
recht  auch  Forderungen  aus  gegenseitigen  Verträgen  selb- 
ständig übertragbar  sind,  und  es  darf  daher  daraus,  dass  dem 
cedierenden  Gläubiger  aus  dem  Schuldverhältnis,  aus  welchem 
die  codierte  Forderung  herrührt,  Verpflichtungen    gegen  deiw 


9*2 

Schuldner  erwachsen  sind,  nicht  gefolgert  werden,  dass  mit 
der  Cession  auch  diese  auf  den  Cessio nar  übertragen  worden 
seien.  Der  Berufungskläger  brauchte  daher,  auf  Grund  der 
seine  Rechtsstellung  regelnden  materiellen  Rechtsnormen, 
die  mit  der  Widerklage  geltend  gemachten  Ansprüche  des 
Bestellers  F.  nur  in  soweit  gegen  sich  gelten  zu  lassen,  als 
diese  Rechtsnormen  den  debitor  cessas  dagegen  schützen, 
dass  durch  die  Cession  seine  rechtliche  Lage  verschlimmert 
werde,  m.  a.  W.:  nach  den  massgebenden  privatrechtlichen 
Grundsätzen  konnte  F.  dem  Berufungskläger  B.  Gegenforde- 
rungen aus  dem  Werkvertrag  nur  insoweit  entgegenstellen, 
als  dies  zur  Bekämpfung  der  von  di  eisern  als  Cessionar 
geltend  gemachten  Hauptforderung  erforderlich  war,  nicht 
aber  darüber  hinaus. 

Soweit    sich    die    Rechtsstellung    des    Berufungaklägers 
gegenüber  dem  Berufungsbeklagten  F.  nach  privatrechtlichen 
Normen  bestimmt,  wäre  somit  die  Passivlegitimation  des  Be- 
rn t'ungsklägers  in  Bezug  auf  die  Widerklage  nicht  vorhanden, 
und  daher  das  Urteil  der  Vorinstanz  als  unhaltbar  aufzuheben. 
Damit   ist    aber    die   Gutheissung    der    Hauptberufung   nicht 
ohne  weiteres  gegeben.     Denn   es   bleibt   immerhin  noch  die 
andere  Frage   offen,   ob   und   inwieweit  der  Berufungskläger 
in  das,  den  Gegenstand  der  Widerklage  bildende,  Rechtsver- 
hältnis   zwischen   dem   ursprünglichen  Kläger   und   Widerbe- 
klagten   und    dem     Beklagten     und     Widerkläger     dadurch 
einbezogen    worden     sei,    dass    er    in    den   zwiscnen    diesen 
geführten    Prozess    eingetreten    ist.      Die     Wirkungen     des 
durch     diesen     Eintritt     begründeten     Prozessrechtaver- 
hältnisses     zwischen     dem     Berufungskläger      und     denn 
Beklagten    und    Widerkläger    F.    beurteilen    sich    aber   nach 
kantonalem    Recht,    und    entziehen    sich    deshalb    der    Ent- 
scheidung   des    Bundesgerichts.      Welches    diese    Wirkungen 
seien,   ob  der  Berufungskläger   durch   seine  Prozesshand- 
lungen nach  graubündnerischem  Prozessrecht  die  Verpflich- 
tung auf  sich   genommen  habe,    dem  Beklagten    und  Wider- 
kläger auch  in  Bezug   auf    die  Widerklage  Rede  zu   stehen, 
trotzdem  eine  solche  Verpflichtung   aus   dem  Civilrecht  nicht 
bestand,    darüber  hat  sich    der  kantonale  Richter  nicht  aus- 
gesprochen.    Es   geht   aus    dem    angefochtenen  Urteil  weder 
hervor,  dass  die  Vorinstanz  die  Verurteilung  des  Berufungs- 
klägers  auf  die  Widerklage  auf  Grund  des  kantonalen   Pro- 
zessrechts   ausgesprochen    habe,    wonach    die    Entscheidung 
durch   eine   vom  Bundesgericht   nicht  nachzuprüfende    Erwä- 
gung getragen  würde,  und  deshalb  aufrecht  zu  erhalten  wäre, 


93 

noch  steht  fest,  dass  die  Vorinstanz  die  prozessuale  Stellung, 
in  welche  der  Berufungskläger  eingetreten  ist,  für  sein  Ver- 
hältnis zu  der  Widerklage  als  nicht  massgebend  betrachtet 
habe.  Das  angefochtene  Urteil  ist  deshalb  aufzuheben,  und 
die  Sache  an  die  Vorinstanz  zurückzuweisen  in  der  Meinung^ 
dass  dieselbe  an  die  rechtliche  Beurteilung  durch  das  Bundes- 
gericht, soweit  es  die  materiellrechtliche  Grundlage  ihres  Ur- 
teils betrifft,  gebunden,  und  daher  die  Widerklage  gegenüber 
dem  Berufungskläger  abzuweisen  ist,  sofern  dieselbe  nicht 
gestützt  auf  das  kantonale  Prozessrecht  geschützt  werden  muss. 
(Entsch.  vom  2.  Februar  1901  i.  S.  Burkhard  t  c.   Fopp.) 


52.  0.  R.  Art.  205. 206.  Begriff  der  gestohlenen  oder  verlorenen 
Sachen.  Art.  206  0.  R.  hat  alle  Fälle  unfreiwilligen  Besitz 
Verlustes,  aber  nur  diese  im  Auge.  Wenn  der  Eigentümer  sich 
des  Gewahrsams  seiner  Sache  nicht  entäussert  hat,  so  liegt  in 
deren  Aneignung  durch  einen  Dritten  ein  Bruch  seines  Gewahr- 
sams auch  dann,  wenn  dem  Dritten  ebenfalls  Gewahrsam  einge- 
räumt war. 

M.  K.,  der  seit  1874  im  Exportgeschäft  des  Klägers  Th. 
F.  angestellt,  seit  1887  die  Prokura  besass  und  speziell  die 
Geschäftskasse  unter  sich  hatte,  übergab  1897  der  beklagten 
Bank  als  »Sicherheit  für  einen  ihm  schon  früher  eröffneten 
Kredit  35  Inhaberobligationen  der  Stadt  Zürich  zu  je  Fr.  1000. 
In  der  Folge  stellte  sich  heraus,  dass  K.  diese  Obligationen,, 
wie  eine  grosse  Anzahl  anderer  Papiere  dein  Kassaschrank 
seines  Prinzipals  entwendet  hatte,  in  welchem  die  Titel  in. 
folgender  Weise  verwahrt  gewesen  waren: 

Der  Kläger  hatte  mit  der  Zeit  Werttitel  in  bedeutendem 
Betrage  in  dem  unteren  Teil  seines  Kassaschranks  versorgt,, 
welcher  in  dem  dem  K.  zugewiesenen  Zimmer  der  Geschäfts- 
räumlichkeiten stand,  und  in  seinem  obern  Teile  die  eigent- 
liche Geschäftskasse  enthielt.  Der  untere  und  der  obere 
Teil  hatten  jeder  seinen  besondern  Verschluss;  der  Schlüssel 
des  untern  Teils  lag  in  der  Kasse  selbst,  d.  h.  im  oberen 
Teil,  für  welch'  letzteren  sowohl  der  Kläger  als  K.  einen 
(selbständig  öffnenden)  Schlüssel  besass.  Nach  der  eigenen 
Darstellung  des  Klägers  hatte  K.  den  Einzug  der  Coupons 
der  im  untern  Teil  versorgten  Werttitel  zu  besorgen.  Da- 
gegen bestreitet  der  Kläger  die  von  der  Beklagten  aufge- 
stellte Behauptung,  dass  K.  auch  ermächtigt  gewesen  sei,, 
die  Titel  für  das  Geschäft  zu  lombardieren.  Umgekehrt  be- 
streitet die  Beklagte  die  Behauptung   des  Klägers,   dass  der 


94 

Kläger  ausser  dem  im  obern  Teil  des  Kassaschrankes  liegen- 
den noch  einen  besondern  Schlüssel  für  das  untere  Fach,  in 
dem  sich  die  Werttitel  befanden,  besessen  habe.  In  seiner 
Zeugeneinvernahme  im  Strafprozess  gab  der  Kläger  zu,  dass 
er  während  der  ganzen  Zeit,  da  K.  die  Kasse  führte,  bloss 
ein  einziges  Mal  eine  Kassaprobe  gemacht,  und  dass  er  auch 
während  einer  längeren  Reise,  die  er  vom  Mai  1893  bis 
Mai  1894  ausführte,  Niemanden  bezeichnet  habe,  der  für  ihn 
den  K.  zu  kontrollieren  gehabt  hätte. 

Nachdem  am  20.  Juni  1900  K.  von  der  3.  Appel- 
lationskammer des  Zürcher.  Obergerichts  des  fortgesetzten 
einfachen  Diebstahls  schuldig  erklärt  worden  war,  erhob 
der  Kläger  beim  aargauischen  Handelsgerichte  gegen  die 
Beklagte  Klage  auf  unbeschwerte  Herausgabe  der  ihr 
von  K.  zu  Unrecht  verpfändeten  35  Stück  Obligationen. 
Er  stützte  sich  auf  das  gegen  K.  ergangene  Strafurteil, 
durch  welches  festgestellt  sei,  dass  ihm  die  Titel  von  K. 
gestohlen  worden  seien,  und  behauptete  überdies,  die 
Beklagte  habe  sich  bei  der  Empfangnahme  derselben  nicht 
in  gutem  Glauben  befunden.  Die  Beklagte  zog  den  Ant- 
wort8chlu88,  die  Klage  sei  abzuweisen,  unter  Kostenfolge. 
Sie  verwahrte  sich  gegen  die  Bestreitung  ihres  redlichen  Er- 
werbes und  vertrat  den  Standpunkt,  dass  sich  das  Ver- 
brechen des  K.  nicht  als  Diebstahl,  sondern  als  Unter- 
schlagung qualifiziere,  so  dass  im  vorliegenden  Falle  weder 
Art.  207  noch  Art.  206  0.  R.  zutreffe,  und  daher  eine  Vindi- 
kation ausgeschlossen  sei.  Das  Handelsgericht  hat  die  Klage 
abgewiesen,  das  Bundesgericht  dagegen  hat  dieselbe  gut  ge- 
heissen.  In  der  bundesgerichtlichen  Entscheidung  wird  zu- 
nächst ausgeführt,  dass  allerdings  nach  Gestalt  der  Sach- 
lage ohne  weiteres  anzunehmen  sei,  die  beklagte  Bank  habe 
sich  beim  Erwerbe  der  Titel  in  gutem  Glauben  befunden,  so 
dass  sie  gegenüber  der  klägerischen  Vindikation  Anspruch 
auf  Anerkennung  ihres  Faustpfand  rechtes  habe,  sofern  nicht 
die  Titel  dem  Kläger  als  ihrem  Eigentümer  gestohlen  worden 
oder  verloren  gegangen  seien.  Hiefür  sei  die  vom  Straf- 
richter der  Tbat  des  K.  gegebene  Qualifikation  nicht  mass- 
gebend. Der  Begriff  der  gestohlenen  oder  verlorenen  Sachen 
im  Sinne  des  Art.  206  0.  R.  sei  in  einem  von  den  kanto- 
nalen Strafgesetzbüchern  unabhängigen  für  die  ganze  Schweiz 
einheitlichen  Sinne  festzustellen  und  zwar  habe  Art.  206  O.  R. 
seiner  historischen  Bedeutung  entsprechend,  wenn  er  von 
gestohlenen  oder  verlorenen  Sachen  spreche,  im  Gegensatz 
.zum  anvertrauten  Gute,  alle  Fälle  unfreiwilligen  Besitz- 


95 

Verlustes,  aber  nur  diese  im  Auge.  Im  weitern  sodann  wird 
bemerkt: 

Entscheidend  für  die  Zulässigkeit  der  Vindikation  ist 
demnach,  ob  der  Eigentümer  seinen  Gewahrsam  freiwillig 
aufgegeben  habe,  und  diese  Frage  beantwortet  sich  nicht 
ohne  weiteres  darnach,  ob  im  Momente  der  Entwendung 
Gewahrsam  des  Thäters  angenommen  werden  müsse,  viel- 
mehr kommt  es  darauf  an,  ob  der  Thater  den  ausschliess- 
lichen Gewahrsam  gehabt,  bezw.  ob  der  Eigentümer  ihm 
den  Gewahrsam  an  der  betreffenden  Sache  mit  dem  Willen 
und  in  der  Weise  übertragen  habe,  dass  er  damit  den  eige- 
nen Gewahrsam  daran  verlor.  Denn  solange  der  Gewahrsam 
des  Eigentümers  als  fortdauernd  betrachtet  werden  muss, 
liegt  in  der  eigenmächtigen  Aneignung  der  Sache  durch  den 
Dritten,  auch  wenn  diesem  ebenfalls  ein  Gewahrsam  daran 
zustand,  immer  ein  Bruch  jenes  Gewahrsams  des  Eigentümers. 
In  solchen  Fällen  kann  somit  dem  sein  Eigentum  behaupten- 
den Vindikatioii8kläger  nicht  entgegengehalten  werden,  er 
habe  seinen  Gewahrsam  an  der  vindizierten  Sache  freiwillig 
aufgegeben,  und  müsse  deshalb  seinen  Glauben  suchen,  wo 
er  ihn  gelassen,  da  er  eben  diesen  Gewahrsam  nicht  mit  seinem 
Willen,  sondern  nur  durch  die  Eigenmacht  des  Dritten  ver- 
lor. In  diesem  Sinne  unterscheidet  denn  auch  die  Straf« 
rechtswissen8chaft  zwischen  Diebstahl  und  Unterschlagung. 
Nicht  als  Unterschlagung,  sondern  als  Diebstahl  wird  es 
z.  B.  betrachtet,  wenn  ein  Dienstbote  Sachen  der  Dienst- 
herrschaft, ein  Handlungsgehilfe  oder  Lehrling  Sachen  des 
Kaufherrn,  die  er  in  Händen  hat,  sich  rechtswidrig  aneignet, 
sofern  die  Sache  sich  auch  noch  im  Gewahrsam  der  Dienst- 
herrschaft u.  s.  w.  befindet.  Ebenso  begeht  der  Geschäfts- 
kassierer, der  sich  aus  der  Geschäftskasse,  an  welcher  neben 
ihm  der  Prinzipal  den  Gewahrsam  besitzt,  Beträge  aneignet, 
strafrechtlich  einen  Diebstahl,  und  nur,  wenn  ihm  die  Kasse 
zu  ausschliesslicher  Verwaltung  anvertraut  ist,  kann  bei 
ihm  von  Unterschlagung  gesprochen  werden  (vergi.  Hugo 
Meyer,  Lehrbuch  des  gemeinen  deutschen  Strafrechts,  be- 
sonderer Teil,  §  172,11,  B;  v.  Liszt,  Lehrbuch  des  deutschen 
Strafrechts,  §  125,  III). 

Es  geht  also  zu  weit,  den  Begriff  des  anvertrauten 
Gute  8  als  Gegensatz  zum  gestohlenen  und  verlorenen  im 
Sinne  des  Art.  206  so  aufzufassen,  dass  es  einzig  darauf  an- 
komme, ob  die  Entwendung  unter  Missbrauch  eines  Ver- 
trauensverhältnisses stattgefunden  habe  oder  nicht,  sondern 
es  ist  für  die  gedachte  Unterscheidung  bestimmend,    ob  die 


T**ï| 


96 

Sache  mit  dem  Willen  des  Eigentümers  aus  dessen  Gewahr- 
sam in  den  fremden  Gewahrsam  gelangt,  der  Gewahrsam  des 
Eigentümers  also  von  diesem  freiwillig  aufgegeben  worden 
sei.  Anvertraute  Sachen  sind  diejenigen,  welche  jemand 
(der  Eigentümer)  freiwillig,  mit  der  Verpflichtung  zu  späterer 
Rückgabe  in  den  Gewahrsam  eines  Andern  übergeben  hat 
(s.  Hafner,  Komm.  z.  Obl.-Recht,  Art.  206,  Anm.  2). 

Die  Frage,  von  der  die  Entscheidung  über  das  streitige 
Faustpfandrecht  der  Beklagten  abhängt,  ist  somit  nicht  sa 
zu  stellen,  ob  der  Kläger  dem  Verpf&nder  K.  in  Hinsicht 
auf  die  Verwaltung  der  Titel  sein  Vertrauen  geschenkt  habe, 
sondern  so,  ob  der  Kläger  ihm  daran  den  Gewahrsam  unter 
Aufgabe  des  eigenen  Gewahrsams  eingeräumt  habe, 
ob  sich  also  die  Titel  zur  Zeit  der  Entwendung  noch  im 
Gewahrsam  des  Klägers  befunden  haben  oder  nicht.  Diese 
Frage  kann  nicht  im  Sinne  der  Vorinstanz  beantwortet 
werden.  Die  Titel  befanden  sich  in  dem  Kassaschrank  des 
Klägers,  der  in  dessen  Geschäftsräumlichkeiten  stand,  and 
die  Geschäftskasse  enthielt.  Als  Kassier  des  klägerischen 
Geschäfts  hatte  K.  Zutritt  zu  diesem  Kassasch  rank,  und  war 
insbesondere  auch  in  der  Lage,  das  die  Wertschriften  ent- 
haltende Fach  zu  öffnen,  indem  der  Schlüssel  zu  diesem  in  der 
Geschäftskasse,  dem  obern  Teil  des  Kassaschrankes,  lag,  wozu 
er  den  Schlüssel  hatte.  Allein  es  steht  aktengemäss  fest, 
da8s  auch  der  Kläger  einen  Schlüssel,  jedenfalls  denjenigen, 
der  diesen  obern  Teil  öffnete,  für  sich  behielt,  und  demnach 
jeden  Augenblick  über  den  Kassaschrank  und  dessen  Inhalt 
verfugen  konnte.  Der  Kläger  hat  also  dem  K.  jedenfalls 
nicht  den  ausschliesslichen  Gewahrsam  an  dem  Kassa- 
schrank und  damit  an  den  darin  befindlichen  Titeln  über- 
tragen, sondern  denselben  in  seiner  Verfügungsgewalt  be- 
halten, sich  so  mit  seines  eigenen  Gewahrsams  nicht  ent- 
äussert. Unter  der,  von  der  Beklagten  behaupteten,  Voraus- 
setzung ,  dass  zu  dem  Wertschriftenfach  bloss  ein  Schlüssel 
existiert  habe,  welcher  sich  in  der  Geschäftskasse  befand, 
war  dem  K.  allerdings  die  Möglichkeit  gegeben,  den  Zutritt 
des  Prinzipals  zu  jenem  Fache,  wenigstens  für  den  Moment, 
dadurch  zu  hindern,  dass  er  den  fraglichen  Schlüssel  der 
Geschäftskasse  entnahm  und  zu  sich  steckte.  Wenn  mau 
indessen  auch  annehmen  wollte,  dass  der  Kläger  in  diesem 
Falle  den  Gewahrsam  an  den  Titeln  verloren  hätte,  so  ist 
doch  klar,  dass  alsdann  der  Verlust  des  Gewahrsams  nicht 
mit,  sondern  wider  seinen  Willen  würde  stattgefunden  haben. 
Dieser  Fall   würde   sich   in  Beziehung   auf  die   hier  zu  ent- 


97 

scheidende  Frage  nicht  anders  verhalten,  als  wenn  der 
Schlüssel  zu  dem  Wertschriftenfach,  statt  in  der  Kasse,  an 
einem  andern  Orte  der  Geschäftsräumlichkeiten  verwahrt  wor- 
den wäre»  zu  dem  K.  Zutritt  gehabt  hätte.  Da  nämlich  der 
Kläger  selbst  zur  Geschäftskasse  für  sich  einen  Schlüssel 
behielt  und  somit  den  Gewahrsam  an  derselben  und  den 
darin  befindlichen  Gegenständen  nioht  aufgegeben  hatte, 
befand  sich  auch  der  dorthin  gelegte  Schlüssel  zum  Wert- 
sohriftenfach  in  seinem  Gewahrsam;  er  würde  also,  wenn  K. 
sich  diesen  Schlüssel  einseitig  angeeignet  hätte,  seinen  Ge- 
wahrsam daran  wider  seinen  Willen  verloren  haben.  Die 
ausschliessliche  Herrschaft,  die  sich  K.  dadurch  über  die 
Wertschriften  beigemessen  hätte,  würde  demselben  nicht  vom 
Kläger  anvertraut  worden  sein;  die  Verwendung  der  Titel  im 
eigenen  Interesse  würde  auch  in  diesem  Falle  einen  Bruch 
des  Gewahrsams  des  Klägers  in  sich  geschlossen,  und  sich 
somit  als  Diebstahl  dargestellt  haben.  Wenn  schliesslich  die 
Vorinstanz  mit  der  Beklagten  darauf  abgestellt  hat,  dass  der 
Kläger  von  seinem  Gewahrsam  thatsächlich  so  viel  wie 
keinen  Gebrauch  gemacht,  den  K.  beinahe  ohne  Kontrolle 
habe  schalten  und  walten  lassen,  so  kann  hierauf  deshalb 
kein  entscheidendes  Gewicht  gelegt  werden,  weil  der  Ge- 
wahrsam des  Klägers  eben  durch  dessen  blossen  Willen, 
seine  Sachen  zu  behalten  und  nach  Belieben  darüber  ver- 
fügen zu  können,  verbunden  mit  der  thatsächlichen  Möglich- 
keit, dies  zu  thun,  fortdauerte,  so  dass  also  dessen  Erhaltung 
von  einer  Kontrollthätigkeit  nicht  abhängig  war.  (Entsch. 
vom  20.  April  1901  i.  S.  Fierz  c.  Aargauische  Bank.) 


53.  O.R.Art.288,  #94,  315.  Bundesgesetz  über  Schuldbetrei- 
bung und  Konkurs  v.  #9.  April  1889,  Art  208.  Der  Vertrag  über 
entgeltliche  Ueberlassung  einer  Wandfläche  zur  Benützung  für 
Re/dameaffichen  ist  ein  Mietvertrag.  —  Einfluss  des  Konkurses 
des  Mieters  auf  das  Mietverhältnis.  Bei  den  Mietzinsen  für 
die  noch  nicht  abgelaufene  Vertragszeit  handelt  es  sich  nicht 
um  bereits  feststehende,  bedingte  oder  betagte,  sondern  um  erst 
in  Zukuvjt  zur  Entstehung  gelangende  Schuldverpflichtungen. 
Als  Konkursforderungen  können  solche  Mietzinsansprüche  inso- 
weit geltend  gemacht  werden,  als  sie  die  beim  Konkursausbruche 
laufende  Zinsperiode,  bei  der  Miete  unbeweglicher  Sachen 
das  laufende  Jahr,  für  dessen  Zins  das  Retentionsrecht  gewährt 
ist,  betreffen.  Als  laufendes  Jahr  ist  dasjenige  zu  betrachten, 
welches  vom  letzten  Verfalltage  einer  Mietzinsrate  an  läuft 


98 

Der  Eisenhändler  W.  Th.  in  S.  hatte  am  20.  Sept.  1898 
mit  der  Klägerin  Aktiengesellschaft  Schweizerische  Annoncen- 
bureaux  0.  F.  einen  Abonnementsvertrag  abgeschlossen,  wo- 
durch er  auf  den  Baum  für  eine  Affiche  über  dem  Gesimse 
der  Eingänge  nach  den  Passagiergepäcklokalen  im  Bahnhof 
B.  auf  die  Dauer  von  5  Jahren  gegen  eine  Summe  von 
Fr.  1200. —  im  Jahr,  zahlbar  in  halbjährlichen  Raten  zum 
voraus,  abonnierte.  Am  7.  Mai  1900  wurde  über  W.  Th.  der 
Konkurs  eröffnet.  In  demselben  meldete  die  Klägerin  den 
Gesamtbetrag  der  Abonnementsgelder  für  die  5  Jahre,  soweit 
sie  noch  nicht  bezahlt  waren,  mit  Fr.  4200. —  an.  Die  Kon- 
kursverwaltung anerkannte  nur  die  am  1.  April  1900  ver- 
fallene Abonnementsrate  von  Fr.  600. — ,  wies  dagegen  den 
Restbetrag  ab.  Auf  Klage  der  Klägerin  hin  entschied  das 
Obergericht  des  Kantons  Solothurn  durch  zweitinstanzliches 
Urteil  dahin,  die  Forderung  von  Fr.  4200. —  sei  mit  Abzug 
der  Zwischenzinse  von  den  noch  nicht  verfallenen  Forderungen 
vom  Tage  des  Konkurserkenntnisses  an,  in  der  V.  Klasse 
aufzunehmen.  Auf  Berufung  der  Konkursmasse  des  W.  Th. 
hin  erkannte  das  Bundesgericht  abändernd,  die  Klage  sei 
über  die  anerkannten  Fr.  600. —  Mietzins  für  die  Zeit  vom 
1.  April  bis  30.  Sept.  1900  hinaus  bloss  für  eine  weitere 
Mietzinsrate  von  Fr.  600.—  für  die  Zeit  vom  1.  Oktober  1900 
bis  31.  März  1901,  jedoch  unter  Abzug  der  Zwischenzinsen 
gemäss  Art.  208  Abs.  2  Schuldbetr.  u.  Konk.,  gutgeheissen, 
mit  dem  Mehrbetrag  von  Fr.  3000. —  dagegen  abgewiesen. 
Aus  den  Gründen  der  bundesgerichtlichen  Entscheidung  ist 
hervorzuheben: 

Es  ist  der  Vorinstanz  beizutreten,  wenn  sie  den  streitigen 
Abonnementsvertrag  unter  die  Kategorie  der  Sachmiete  ge- 
stellt hat.  In  der  That  sind  die  wesentlichen  Merkmale 
dieses  Vertragsverhältnisses  hier  gegeben,  die  Ueberlassung 
des  Gebrauches  einer  Sache  gegen  Bezahlung  einer  Ver- 
gütung. Die  Klägerin  hat,  auf  die  im  Vertrage  genannte 
Dauer,  dem  W.Th.  eine  bestimmte  Wandfläche  im  Bahnhof- 
gebäude B.  (welche  sie  offenbar  selbst  von  der  Bahnverwaltung 
gemietet  hatte),  also  eine  unbewegliche  Sache,  zur  Anbringung 
einer  Beklametafel  überlassen,  und  Th.  hat  sich  dagegen  ver- 
pflichtet, ihr  für  die  Ueberlassung  der  Wandfläche  zu  dem 
genannten  Gebrauch  eine  Vergütung  zu  bezahlen.  Es  handelt 
sich   somit  um  die   Untermiete    einer  unbeweglichen  Sache. 

Die  zu  entscheidende  Frage  geht  demnach  dahin,  ob 
der  Vermieter,  wenn  der  Mieter  vor  Ablauf  der  Vertragsdauer 
in  Konkurs  fällt,    berechtigt    sei,    auch    die  erst  in  Zukunft 


99 

fällig  werdenden  Mietzinse  als  Eonkursforderung  gemäss 
Art.  208  des  Bundesges.  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs 
geltend  zu  machen.  Dass  der  Verpächter  ein  solches 
Recht  hinsichtlich  der  noch  nicht  abgelaufenen  Vertragsdauer 
nicht  besitzt,  ist  Zweifellos,  da  das  Pachtverhältnis  mit  der 
Eröffnung  des  Konkurses  über  den  Pächter  nach  Massgabe 
des  Art.  315  O.  R.  erlischt.  Auf  das  Mietverhältnis  übt 
aber  die  Eröffnung  des  Konkurses  über  den  Mieter  diese 
Wirkung  nicht  aus. 

Wenn  der  Vermieter  nicht,  gemäss  der  ihm  durch 
Art.  288  0.  R.  eingeräumten  Berechtigung,  den  Mietvertrag 
auflöst,  so  besteht  dieser  trotz  dem  Konkurs  des  Mieters 
unverändert  fort,  und  es  ist  an  dem  Bestände  der  An- 
sprüche, welche  ihm  aus  diesem  Vertrage  erwachsen,  nichts 
geändert.  Welche  Wirkungen  die  Konkurseröffnung  in  Be- 
ziehung auf  ein  allfalliges  Eintrittsrecht  der  Gläubiger- 
schaft ausübe,  kann  bei  Entscheidung  des  vorliegenden  Falles 
gänzlich  bei  Seite  gelassen  werden,  da  nach  Feststellung  der 
Vorinstanz  die  Konkursmasse  es  abgelehnt  hat,  in  den  Ver- 
trag einzutreten,  und  somit  hier  bloss  die  Beziehungen  der 
Klägerin  zum  K  ri  dar  in  Betracht  kommen,  wie  ja  auch 
die  klägerische.Forderung  lediglich  als  Konkursforderung, 
und  nicht  als  Forderung  gegen  die  Masse  geltend  gemacht 
worden  ist.  Die  klägerische  Forderung  ist  ferner  auch  nicht 
etwa  als  Entschädigungsforderung  gestellt  und  auf  die  That- 
saohe  gegründet  worden,  dass  die  Klägerin  wegen  unter- 
bliebener Sicherheitsleistung  gemäss  Art.  288  0.  R.  zur  Auf- 
lösung der  Miete  veranlasst  worden  sei,  sondern  die  Klägerin 
-verlangt,  unter  Anbietung  der  Gegenleistung,  Erfüllung  des 
Vertrages,  und  geht  davon  aus,  die  von  ihr  geforderten 
Leistungen  seien  durch  den  Konkursausbruch  fällig  geworden, 
so  dass  sie,  unter  Abrechnung  des  Zwischenzinses,  den  ge- 
samten Betrag  der  auf  die  noch  nicht  abgelaufene  Vertrags- 
dauer entfallenden  Mietzinse  im  Konkurse  des  Mieters  geltend 
•machen  könne. 

Nun  handelt  es  sich  aber  bei  den  Mietzinsen  für  die 
noch  nicht  abgelaufene  Vertragsdauer  nicht,  wie  die  Klägerin 
und  mit  ihr  die  Vorinstanz  annimmt,  um  bereits  existente 
Schuldverpflichtungen  des  Gemeinschuldners,  die  bloss  noch 
nicht  fällig  gewesen  wären,  nach  Art.  208  Abs.  1  Bundes- 
gesetz über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  nach  Eintritt  des 
Konkurses  über  den  Mieter  nun  aber  doch  jetzt  schon  als 
Konkursforderangen  geltend  gemacht  werden  könnten.  Es 
handelt  sich  hiebei   weder  um   betagte,    noch    um   bedingte, 


100 

sondern  um  erst  in  Zukunft  zur  Entstehung  gelangende 
Schuldverpflichtungen.  Wenn  auch  durch  den  zwischen  den 
Parteien  abgeschlossenen  Mietvertrag  bereits  der  rechtliche 
Grund  für  die  Entstehung  der  einzelnen  Mietzinsforderungen 
gelegt  war,  so  mussten  dieselben  doch  erst  durch  Bewirkung 
der  Gegenleistung  des  Vermieters  erworben  werden,  und  ge- 
langten deshalb  nicht  schon  ohne  weiteres  durch  den  Ab- 
schlu88  des  Mietvertrages  zur  Existenz  (vergi.  Kohler,  Lehr- 
buch dea  Konkursrechts,  §  31  Anm.  2  ;  Zeitschrift  des 
bernischen  Juristenvereins  1891,  S.  453  u.  489;  Kohler,  der 
Prozess  als  Rechtsverhältnis,  S.  63  u.  84).  Die  logische  Kon- 
sequenz dieser  rechtlichen  Situation  kann  nun  allerdings  nicht 
streng  durchgeführt  werden.  Sie  würde  es  an  und  für  sich 
mit  sich  bringen,  dass  der  Vermieter  für  seine  noch  nicht 
bezahlten  Mietzinsforderungen  nur  insoweit  als  Konkurs- 
gläubiger auftreten  könnte,  als  dieselben  sich  auf  die  bis 
zum  Tage  der  Konkurseröffnung  abgelaufene  Zeit  beziehen 
(vergi.  Jäger,  Komment,  z.  Bundesges.  über  Schuldbetreibung 
und  Konkurs,  S.  374).  Allein  das  Gesetz  regelt,  den  Be- 
dürfnissen des  praktischen  Lebens  entsprechend,  das  Ver- 
hältnis von  Leistung  und  Gegenleistung  beim  Mietvertrag 
nicht  in  der  Weise,  dass  diese  sich  gegenseitig  von  Moment 
zu  Moment  bedingen  würden,  sondern  es  geht  davon  aus, 
dass  Leistung  und  Gegenleistung  in  ihrem  Verhältnis  zu 
einander  nach  gewissen  Zeitperioden  bemessen  werden  müssen. 
Demzufolge  muss  denn  jedenfalls  die  Mietzinsforderung  für 
das  Halbjahr,  welches  bei  der  Konkurseröffnung  im  Gange 
war,  als  Konkursforderung  anerkannt  werden,  und  die  Be- 
klagte giebt  dies  auch  selber  zu,  indem  sie  die  von  der 
Klägerin  verlangte  Kollokation  der  auf  die  Zinsperiode  vom 
1.  April  bis  30.  September  1900  entfallenden  Rate  von 
600  Franken  nicht  beanstandet.  Es  ist  aber  des  weitern  zu 
beachten,  dass  das  Bundesgesetz  über  das  Obligationenrecht 
dem  Vermieter  einer  unbeweglichen  Sache  das  in  Art.  294 
näher  bezeichnete  Retentionsrecht  für  den  Mietzins  nicht  nur 
des  verflossenen,  sondern  auch  des  ganzen  laufenden  Jahres 
gewährt.  Diese  Bestimmung,  die,  allgemein  aufgestellt,  auch 
für  den  Fall  des  Konkurses  des  Mieters  gelten  muss,  und 
gerade  in  ihm  vorzugsweise  praktisch  wird,  setzt  notwendig 
voraus,  dass  die  Mietzinsforderung  des  Vermieters  im  Kon- 
kurse des  Mieters  für  die  Dauer  des  ganzen  laufenden  Jahres 
geltend  gemacht  werden  könne;  denn  ein  Retentionsrecht 
ohne  eine  Forderung,  für  welche  dasselbe  besteht,  kann 
schlechterdings  nicht  gedacht  werden.     Da   es  sich   im    vor- 


101 

liegenden  Falle  um  die  Vermietung  einer  unbeweglichen 
Sache  handelt,  greift  Art.  294  0.  R.  Platz,  und  es  ist  daher 
in  Anwendung  des  demselben  zu  Grunde  liegenden  Rechts- 
satzes der  von  der  Klägerin  geforderte  Mietzins  für  das  ganze 
laufende  Jahr  als  Konkursforderung  anzuerkennen. 

Als  das  laufende  Jahr  im  Sinne  der  einschlägigen  Be- 
stimmungen des  Bundesgesetzes  über  das  Obligationenrecht 
ist  mit  der  in  der  bisherigen  kantonalen  Rechtsprechung  und 
in  der  Litteratur  vorherrschenden  Ansicht  dasjenige  zu  ver- 
stehen, welches  vom  letzten  Ziel,  der  Fälligkeit  des  letzten 
Mietzinses  an  läuft.  (Vergi.  Hafner,  Komment.  Anm.  4  zu 
Art.  294;  Schneider  u.  Fiok,  Komment,  z.  gleichen  Ar- 
tikel, Anm.  25;  Janggen,  Sachratete  S.  121.)  Nach  dem 
Gesagten  erscheint  die  Klage  insoweit  als  begründet,  als  sie 
über  die  von  der  Beklagten  anerkannten  600  Franken  hinaus 
eine  Mietzinsrate  von  600  Franken  für  die  Zeit  vom  1.  Ok- 
tober 1900  bis  31.  März  1901  unter  Abzug  des  Zwischen- 
zinses gemäss  Art.  208  Abs.  2  des  Bundesgesetzes  über 
Schuldbetreibung  und  Konkurs  als  Konkursforderung  geltend 
macht.  (Entsoh.  v.  9.  Februar  1901  i.  S.  Konkursmasse 
W.Th.  c.  Aktiengesellschaft  0.  F.,  Schweizerisches  Annoncen- 
bureau in  Z.)  

54.  0.  E.  Art  496,  508,  510.  Der  Gläubiger  ist  nicht 
verpflichtet,  den  Bürgen  von  der  Verwertung  der  für  die 
Hauptschiüd  haftenden  Pfänder  zu  benachrichtigen.  —  Eine 
gemeinsame  Verbürgung  (welche  die  Einrede  der  Teilung  be- 
gründet) liegt  nur  dann  vor,  wenn  die  mehreren  Bürgen  die 
Bürgschaft  entweder  im  gleichen  Bürgschaftsakte  oder  doch 
mit  Rücksicht  auf  einander  eingegangen  sind. 

1 .  Das  eidgenössische  Obligationenrecht  legt  dem  Gläubiger 
nicht  die  Pflicht  zur  Benachrichtigung  des  Bürgen  von  der 
Verwertung  der  für  die  Hauptschuld  haftenden  Pfänder  auf, 
indem  weder  Art.  510  0.  R.  eine  analoge  Ausdehnung  ge- 
stattet, noch  in  der  ordnungsrnässigen  betreibungsamtlichen 
Verwertung  ohne  Avisierung  des  Bürgen  eine  Verminderung 
der  Sicherheiten  im  Sinne  des  Art.  50S  0.  R.  liegt. 

2.  Art.  496  Abs.  1  0.  R.,  auf  welchen  sioh  die  von  der 
Beklagten  erhobene  Teilungseinrede  stützt,  bestimmt:  mehrere 
Bürgen,  welche  gemeinsam  die  nämliche  teilbare  Hauptschuld 
verbürgt  haben,  haften  für  ihre  Anteile  als  einfache  Bürgen 
und  für  die  Anteile  der  Uebrigen  als  Nachbürgen.  Eine  teil- 
bare Hauptschuld  liegt  vor,  und  die  Entscheidung  über  die 
Einrede  der  Beklagten,   da  sa   sie  mit  Rücksicht  auf  die  von 


prrrr 


102 

L.  B.  eingegangene  Bürgschaft  für  die  Hälfte  der  verbürgten 
Summe  lediglich  als  Nachbürge  hafte,  hängt  somit  davon  ab,, 
ob  gesagt  werden  könne,  Z.  und  B.  haben  mit  ihren  Bürg- 
schaftserklärungen die  Hauptschuld  gemeinsam,  im  Sinne 
dieser  Gesetzesbestimmung,  verbürgt.  Während  Hafners 
Kommentar  zum  Obligationenrecht,  Anmerkung  2  zu  Art.  496, 
in  Anlehnung  an  die  im  gemeinen  Recht  herrschende  Doktrin 
und  Praxis,  annimmt,  eine  gemeinsame  Verbürgung  liege 
immer  vor,  wenn  zwei  sich  für  denselben  Hauptschuldner  in 
gleicher  Weise  verbürgen,  möge  der  eine  von  der  Bürgschaft 
des  andern  gewusst  haben  oder  nicht,  erachten  es  die  Vor- 
instanzen für  den  Begriff  der  gemeinsamen  Verbürgung  not- 
wendig, dass  die  mehreren  Bürgen  sich,  sei  es  gleichzeitig 
oder  nicht,  jeder  mit  Rücksicht  auf  die  Mitverpflichtung  des 
andern  verbürgen  (vergi.  Rössel,  Manuel  du  droit  fédéral 
des  obligations  Nr.  664  und  Vischer,  Zeitschrift  für  Schweiz. 
Recht  Bd  VII  N.  F.  S.  57).  Vom  ersteren  Standpunkt  aus 
wäre  die  Einrede  der  Teilung  offenbar  begründet;  denn 
beide  Bürgen  haben  sich  in  gleicher  Weise  verbürgt,  auch 
wenn  der  zweite  ausdrücklich,  im  Gegensatz  zum  ersten, 
Solidarbürgschaft  mit  dein  andern  Bürgen  übernahm.  £a  ist 
jedoch  dem  Standpunkt  der  Vorinstanzen  beizutreten,  und 
anzunehmen,  dass  Art.  496  0.  R.  die  Einrede  der  Teilung 
nicht  schlechthin  in  allen  Fällen  gewähren  wolle,  wo  sich 
Mehrere  für  denselben  Hauptschuldner  in  gleicher  Weise 
verbürgt  haben,  sondern  einen  Zusammenhang  der  mehreren 
Bürgschaften  in  der  Weise  voraussetze,  dass  dieselben  ent- 
weder in  dem  gleichen  Bürgschaftsakte,  oder  doch  mit  Rück- 
sicht auf  einander  eingegangen  seien.  Diese  letztere  Auf- 
fassung wird  allein  der  sprachlichen  Bedeutung  des  in 
Art.  496  0.  R.  gebrauchten  Ausdruckes  gerecht;  denn  „ge- 
meinsame Verbürgung"  bedeutet  sprachlich  nicht  bloss  mehr- 
fache auf  dasselbe  Ziel  gerichtete  Verbürgung;  der  Ausdruck 
gemeinsam  schliesst  die  Vorstellung  eines  Zusammenhangs 
in  sich,  und  bezeichnet  einen  Gegensatz  zu  dem,  was  man 
sich  getrennt,  unabhängig  von  einander  zu  denken  hat.  So 
geben  denn  auch  die  welschen  Texte  das  in  der  deutschen 
Redaktion  gebrauchte  Wort  gemeinsam  mit  conjointement 
und  insieme  wieder.  Und  da  von  der  Gemeinsamkeit  der 
Verbürgung  und  nicht  von  der  Gemeinsamkeit  der  Haupt- 
schuld die  Rede  ist,  trifft  somit  Art.  496  Abs.  1  auf  Bürg- 
schaften, die  zwar  für  dieselbe  Hauptschuld  in  gleicher 
Weise,  aber  unabhängig  von  einander  eingegangen  werden, 
der    rein    sprachlichen   Auslegung    zufolge    nicht  zu.     Wenn 


103 

diese  Gesetzesbestimmung  für  die  Einrede  der  Teilung  bloss 
voraussetzte,  dass  Mehrere  sieb  in  gleicher  Weise  für  eine 
und  dieselbe  Hauptschuld  verbürgt  haben,  so  würde  sieb 
hienach  das  Wort  „gemeinsam"  als  ein  sachlich  durchaus 
bedeutungsloses  Einschiebsel  erweisen.  Nach  allgemeinen 
Auslegungsregeln  ist  aber,  sofern  sich  aus  dem  Zusammen- 
hang nichts  anderes  ergiebt,  davon  auszugehen,  dass  der  Ge- 
setzeswillen in  der  gewählten  Redaktion  seinen  adäquaten 
Ausdruck  finde,  und  dass  daher,  weil  das  Wort  gemeinsam 
dem  Satze,  in  welchem  es  steht,  sprachlich  seine  besondere 
Bedeutung  verleiht,  diese  Bedeutung  habe  als  Wille  des 
Gesetzes  zum  Ausdruck  gebracht  werden  wollen.  Dass  that- 
sächlich  das  Wort  gemeinsam  in  diesem  Sinne  mit  Absicht 
gebraucht  worden  ist,  geht  denn  auch  mit  Sicherheit  aus 
der  Entstehungsgeschichte  der  fraglichen  Bestimmung  hervor. 
In  dem  1877  gedruckten  Eommissionalentwurfe  und  den 
früheren  Entwürfen  war  nämlich  von  gemeinsamer  Verbür- 
gung noch  nicht  die  Rede.  Die  in  den  Jahren  1877  und 
1875  gedruckten  Entwürfe  zu  einem  schweizerischen  Obli- 
gationenrecht bestimmten  einfach  (Art.  503):  „Haben  Mehrere 
für  die  nämliche  Verbindlichkeit  eines  Schuldners  einfache 
Bürgschaft  übernommen,  so  haftet  ein  Jeder,  sofern  die 
Schuld  eine  teilbare  ist,  für  seinen  Anteil  als  Vorbürge,  für 
die  Anteile  der  Mitbürgen  aber  als  Nachbürge  (Art.  502)," 
und  ähnlich  hatte  sich  auch  der  Entwurf  vom  Jahre  1871 
in  Art.  527  ausgedrückt.  Erst  der  Entwurf  des  eidg.  Justiz- 
lind  Polizeidepartements  vom  Jahr  1879  enthält  die  Passung: 
„Mehrere  Bürgen,  die  sich  gemeinsam  für  die  nämliche  teil- 
bare Hauptschuld  verbürgt  haben,"  und  zwar  auf  Grund 
eines  Redaktionsentwurfes  des  Prof.  von  Wyss  nach  den  Be- 
schlüssen der  Kommission  im  September- Oktober  1878.  Es 
steht  hiernach  ausser  Zweifel,  dass  das  Wort  „gemeinsam" 
mit  bestimmter  Absicht  in  den  Gesetzestext  aufgenommen 
worden  ist,  und  wenn  berücksichtigt  wird,  dass  gerade  die 
Frage,  ob  das  beneficium  divisionis  auch  denjenigen  Bürgen 
zustehe,  welche  sich  nicht  gemeinschaftlich,  sondern  getrennt 
und  unabhängig  von  einander  verbürgten  (vergi.  Wind  scheid, 
Pand.  Bd  II,  §  479  Anm.  2  und  die  dort  citierte  Litteratur), 
im  gemeinen  Recht  Gegenstand  der  Controverse  bildete,  so 
erscheint  die  Annahme  als  unabweislich,  dass  das  Gesetz  zu 
dieser  Frage  Stellung  nehmen,  und  sie  durch  die  gegenwär- 
tige, von  den  ersten  Entwürfen  abweichende  Fassung  in  dem 
von  den  Vorinstanzen  vertretenen  Sinne  entscheiden  wollte. 
Nun   liegen  aber    in  casu  genügende  Anhaltspunkte  da- 


104 

für  nicht  vor,  dass  bei  der  Eingehung  der  Bärgschaft  durch 
Z.  diejenige  des  B.  wirklich  in  Aussicht  gestanden,  und  des- 
halb gesagt  werden  könnte,  Z.  habe  sich  mit  Rücksicht  auf 
die  Mitbürgschaft  des  B.  verbürgt.  Der  in  Art.  496  Abs.  1  0.  R. 
für  die  Einrede  der  Teilung  geiorderte  Thatbestand  ist  so- 
mit nicht  erfüllt,  und  die  Einrede  daher  abzuweisen.  (Entsch. 
vom  22.Februar  1901  i.S.  Witwe  Zimmermann  c.  Käslin-Kooh.) 


55.  0.  R.  Art.  504.  Rückgriff  des  zahlenden  Bürgen  gegen 
den  Haujrtschuldner;  Beweislast. 

Der  auf  Ersatz:  seiner  Zahlungsleistung  klagende  Bürge 
braucht  nach  Art.  504  0.  R.  das  konkrete  Rechtsverhältnis 
zwischen  ihm  und  dem  von  ihm  belangten  Hauptschuldner, 
zufolge  dessen  er  die  Bürgschaflsverpflichtung  übernommen 
hat,  nicht  darzulegen  ;  es  ist  Sache  des  beklagten  Haupt- 
schuldners, welcher  behauptet,  dass  dem  Bürgen  in  Ansehung 
dieses  Rechtsverhältnisses  ein  Rechtsanspruch  gegen  ihn  nicht 
zustehe,  dieses  Rechtsverhältnis  namhaft  zu  machen  und 
nötigenfalls  zu  beweisen.  (Entsch.  vom  29.  März  1901  i.  8. 
Huber  c.  Wyss.) 

56.  0.  R.  Art.  552,  565,  575.  Kólìektivgesdlschaft.  Fortdauer 
derselben  trotz  Wechsel  einzelner  Mitglieder;  Voraussetzungen 
ihrer  Entstehung. 

Es  ist  richtig,  dass  aus  der  Kollektivgesellschaft 
B.,  R.  &Cie,  welche  den  Dienstvertrag  vom  13.  Mai  1898 
mit  dem  Kläger  abgeschlossen  hatte,  der  eine  der  drei  Teil- 
haber H.  auf  den  1.  September  1898  ausgetreten  ist.  Allein 
hieraus  folgt  keineswegs  ohne  weiteres,  dass  die  Kollektiv- 
gesellschaft sich  aufgelöst  habe.  Die  juristische  Selbständig- 
keit der  Kollektivgesellschaft  äussert  sich  ja  gerade  auch 
darin,  dass  unbeschadet  ihrer  Existenz  eine  Aenderung  in 
den  Personen  ihrer  Teilhaber  stattfinden  kann,  indem  die 
Gesellschaft  einerseits  trotz  dem  Hinzutreten  eines  neuen 
Gesellschafters  dieselbe  bleibt  (Art.  565  0.  R.),  also  nicht 
etwa  durch  einen  solchen  Eintritt  von  selbst  die  alte  Gesell- 
schaft beendet  und  eine  neue  Gesellschaft  gegründet  wird, 
und  andrerseits  auch  ungeachtet  des  Ausscheidens  eines  oder 
mehrerer  Gesellschafter  unter  den  übrigen  fortgesetzt  werden 
kann,  in  diesem  Falle  also  bloss  für  den  Ausscheidenden 
endigt,  im  übrigen  aber  mit  allen  ihren  bisherigen  Rechten 
und  Verbindlichkeiten  fortbesteht  (Art.  575  0.  R.).  Dafür, 
dass  sich  die  Kollektivgesellschaft  B.,  R.  &  Gie  beim 
Austritt   des  Gesellschafters    H.  aufgelöst   habe,   liegt  nichts 


105 

vor.  Aus  den  Akten  und  dem  eigenen  Vorbringen  der  Be- 
klagten erhellt  vielmehr,  dass  diese  das  Geschäft  wie  bisher 
gemeinsam,  unter  der  gleichen  Firma  weiter  betrieben  haben, 
wie  sie  ja  auch  nach  dem  1.  September  1898  das  Anstellungs- 
verhältnis mit  dem  Kläger  weiter  bestehen  Hessen.  Eine 
Aenderung  erfolgte  nur  insoweit,  als  an  Stelle  des  H.  der 
neue  Gesellschafter  A.  eintrat;  dieser  Personenwechsel  be- 
weist aber  für  sich  allein,  wie  bemerkt,  nicht,  dass  die  alte 
Gesellschaft  aufgelöst  und  eine  neue  gebildet  worden  sei. 
Da  ferner  die  Entstehung  der  ein  Handels-  oder  Fabrikations- 
gewerbe betreibenden  Kollektivgesellschaft  nicht  an  die  Ein- 
tragung ins  Handelsregister  geknüpft  ist,  sondern  lediglich 
voraussetzt,  dass  die  Gesellschafter  unter  gemeinsamer  Firma 
die  Geschäfte  begonnen  haben,  steht  der  Annahme,  dass  die 
gegenwärtige  Kollektivgesellschaft  B.,  R.  &  Cie  mit  der 
frühern  identisch  ist,  auch  der  Umstand  nicht  entgegen,  dass 
eine  Eintragung  ins  Handelsregister  erst  nach  dem  Austritt 
des  H.  und  dem  Eintritt  des  A.  stattgefunden  hat.  (Entsch. 
vom  8.  März  1901  i.  S.  W.  Stoll  c.  Bommer,  Rabus  &  Cie.) 


57.  0.  R.  Art.  580 \  582  Abs.  2,  611.  Die  Bestimmungen  des 
Art.  582  0.  Ii.  gelten  sowohl  nach  innen  (für  die  Geschäfts- 
führung) als  nach  aussen  (für  die  Vertretungsbefugnis)  der 
Liquidatoren.  Ein  von  einem  Liquidator  abgeschlossenes  neues 
Geschäft  verpflichtet  dalier  die  Gesellschaft  nur  insofern,  als 
es  zur  Beendigung  schwebender  Geschäfte  eingegangen  wurde. 
Kriterien  hiefür;  Beweislust, 

Nach  Art.  5tö  Abs.  2  O.  R.,  der  gemäss  Art.  611  auch 
für  die  Kommanditgesellschaft  gilt,  können  die  Liquidatoren 
allerdings  auch  neue  Geschäfte  eingehen,  jedoch  nur  zur  Be- 
endigung schwebender  Geschäfte.  Der  genannte  Art.  582 
—  und  nicht  Art.  580,  der  nur  die  Personen  bezeichnet, 
welche  zur  Vertretung  der  Gesellschaft  als  Liquidatoren  be- 
rufen sind  —  normiert  den  Umfang  der  Geschäftstätigkeit 
der  Liquidatoren,  und  zwar  sowohl  nach  innen  —  als  Ge- 
schäftsführung —  wie  auch  nach  aussen  —  als  Vertretungs- 
befugnis; auch  nach  aussen  gilt  daher  die  Bestimmung,  dass 
neue  Geschäfte  nur  zur  Beendigung  schwebender  eingegangen 
werden  können.  Dass  nun  ein  mit  einem  Liquidator  der 
Gesellschaft  von  einem  dritten  abgeschlossenes  neues  Ge- 
schäft, aus  welchem  gegen  die  Gesellschaft  geklagt  wird, 
zur  Beendigung  schwebender  Geschäfte  eingegangen  worden 
sei,  gehört  zum  Klagefundament  und  ist  daher  vom  Kläger 
zu  beweisen.    In  der  deutschen  Rechtsprechung  und  Wissen- 


106 

schaft  über  die  analoge  Bestimmung  des  Art.  137  a.  D.  H. 
G.  B.,  dem  Art.  582  0.  E.  beinahe  wörtlich  nachgebildet  ist,, 
herrscht  hierüber  kein  Streit.  Jenem  Beweise  genügt  der 
Dritte,  wenn  er  nachweist,  dass  eine  Beziehung  des  Geschäfts 
zur  Gesellschaft  und  zur  Abwicklung  schwebender  Geschäfte 
beim  Vertrag8abschlus8  für  beide  Teile  erkennbar  war.  Der 
Dritte  hat  zu  prüfen,  ob  es  sich  um  die  Abwicklung  eines 
schon  eingegangenen  Geschäftes,  oder  nur  um  Eingehung 
eines  neuen  handle,  und  im  letztern  Falle,  ob  es  eingegangen 
werde  zur  Beendigung  eines  schwebenden  Geschäftes  (oder 
einer  Mehrheit  von  solchen).  Neue  Geschäfte  aber  sind  alle, 
die  nicht  unmittelbar  den  Zweck  haben,  schon  abgeschlossene, 
laufende  Geschäfte  zu  beendigen,  die  Verpflichtungen  der  auf- 
gelösten Gesellschaft  zu  erfüllen  und  die  Forderungen  der- 
selben einzuziehen,  oder  das  Vermögen  der  Gesellschaft  zu 
versilbern.  Zur  Beendigung  schwebender  Geschäfte  sind  sie 
eingegangen  dann,  wenn  sie  mittelbar  jenen  Zweck  haben. 
(Ent8cb.  vom  16.  Februar  1901  i.  S.  Landry  c.  Konkurs- 
masse Lorentz  &  Gie  in  Liquidation.) 


58.  0.  R.  Art.  590,  591  Ziff.  2,  596,  602,  605.  Die 
Kommanditeinlage  kann  nicht  nur  in  barem  Gelde,  sondern 
auch  in  andern  geldwerten  Gegenständen,  insbesondere  auch 
(sofern  dabei  nicht  etwa  eine  Benachteiligung  der  Gläubiger  be- 
zweckt ist)  durch  Verrechnung  von  Forderungen  des  Kotnnuw- 
ditärs  an  die  Gesellschaft,  geleistet  werden.  —  Voraussetzungen 
der  Verpflichtung  des  Kommanditärs ,  Beträge,  die  er  ah 
Zinsen  oder  Gewinn  empfangen  hat,  zurückzuerstatten;  Beweis- 
last.  —  Art.  596  0.  R.  gilt  nur  für  das  Verhältnis  der  Gesell- 
schafter unter  einander,  nicht  für  das  Verhältnis  zu  Dritten. 

'  1.  Zum  Wesen  der  Kommanditgesellschaft  nach  Schweiz. 
Obligationenrecht  gehört  u.  a.,  dass  wenigstens  einer  der  Ge- 
sellschafter unbeschränkt,  der  andere  oder  die  anderen  „bis 
zum  Betrage  einer  bestimmten  Vermögenseinlage  (Ko m  man  - 
dit8umme)u  haften  wollen.  Unter  Vermögenseinlage  aber  ist  in* 
allgemeinen  jede  Einlage  zu  verstehen,  die  einen  Vermögens- oder 
Geldwert  repräsentiert,  also  nicht  nur  die  Einlage  von  Geld, 
sondern  auch  die  von  Sachen  und  Forderungen.  Der  Aus- 
druck „Kommandit summe",  der  an  mehreren  Orten  im  Ge- 
setze wiederkehrt,  bedeutet  nicht,  dass  die  Einlage  in  Geld 
geschehen  müsse,  sondern  er  will  nur  ausdrücken,  dass  eine 
bestimmte,  in  Geld  ausdrückbare  Vermögenseinlage  gefordert 
wird;  bis  zu  diesem  bestimmten  Betrage  haftet  der  Kom- 
manditär,  und  dieser  bestimmte  Betrag  bildet  einen  Bestand- 


107 

teil  des  Gesellschaft8vennögens  (Art.  608  Abs.  2);  es  ist 
daher  notwendig,  dass  dieser  Betrag  sich  in  Geld  aus- 
drücken lasse,  also  einen  Geldwert  repräsentiere.  Dagegen 
wird  hiemit  dem  Interesse  der  Gläubiger  im  allgemeinen 
genügend  gedient,  und  ist  Barzahlung  nicht  erforderlich. 
Das  Gesetz  verlangt  aber  weiterhin  auch  nicht,  dass  die 
Art  und  Weise  der  Leistung  der  Einlage  publiziert  werde, 
sondern  nur  der  Betrag  der  Vermögenseinlage  jedes  Kom- 
manditärs  ist  im  Handelsregister  einzutragen  (Art.  591  Ziff.  2). 
So  sehr  eine  Vorschrift,  welche  statuieren  würde,  der  Betrag 
der  in  bar  bezahlten  Einlage  sei  ebenfalls  anzugeben,  wün- 
schenswert wäre,  ist  andrerseits  nicht  zu  verkennen, 
dass  es  wirtschaftlich  im  allgemeinen  bei  der  Kommandit- 
gesellschaft mehr  auf  die  Kreditfähigkeit  der  Komman- 
ditäre,  als  auf  den  Betrag  der  bar  einbezahlten  Ein- 
lage ankommt;  für  das  Verhältnis  der  Kommanditgesell- 
schaft nach  aussen  ist  wirtschaftlich  und  juristisch  aus- 
reichend, dass  die  Einlage  auf  einen  bestimmten  Betrag 
fixiert  sei  (vergi.  Staub,  Kommentar  zum  a.  D.  H.  G.  B., 
3.  und  4.  Aufl.,  Art.  150  §  7,  S.  271).  Ist  dem  aber  so,- 
und  sind  auch  Forderungen  als  gültige  Einlagen  zu  be- 
trachten, so  steht  mangels  eines  Verbotes  im  Gesetze  nichts 
entgegen,  dass  auch  eine  Verrechnung  der  Forderungen 
gegen  die  Gesellschaft  mit  den  Forderungen,  die  sie  an  die 
Kommanditäre  hat,  stattfinde,  dass  also  die  Einlage  auch 
durch  diese  Verrechnung  geschehe;  das  wäre  nur  dann  nicht 
zulässig  (bezw.  anfechtbar),  wenn  diese  Verrechnung  zum 
Zwecke  der  Benachteiligung  der  Gläubiger  vorgenommen 
würde;  ebenso  ist  klar,  dass  die  Einlage  von  gänzlich  wert- 
losen Forderungen  als  Erfüllung  der  Einlagepflicht  nicht 
angesehen  werden  könnte. 

2.  Die  Klage  des  Gläubigers  auf  Grund  des  Art.  60i> 
O.  R.  qualifiziert  sich  als  Rückforderungsklage,  condictio; 
sie  hat  zum  Gegenstand  Rückerstattung  dessen,  was  der 
Kommanditär  aus  der  Kommanditsumme  erhalten  hat,  und 
beruht  darauf,  dass  die  Kommanditsumme  während  des 
ganzen  Bestehens  der  Kommanditgesellschaft  nicht  verkürzt 
werden  darf  und  dass  der  Kommanditär  Dritten  gegenüber 
mit  dem  im  Handelsregister  eingetragenen  Betrag  haftet 
(Art  602  0.  R.).  Das  Fundament  der  Klage  ist  der  rechts- 
widrige Bezug  von  Zinsen  und  Gewinn,  d.  h.  ein  Bezug, 
der  die  Kommanditsumme  vermindert;  dieses  Fundament  ist 
vom  Kläger  zu  behaupten  und  zu  beweisen,  üb  er  dagegen* 
auch  den  bösen  Glauben   des  Empfängers  zu    beweisen  habe,. 


108 

oder  ob  nicht  umgekehrt  dieser  beweisen  inuss,  dass  er  die 
Bezüge  in  gutem  Glauben  gemacht  hat,  dass  er  also  gemäss 
Abs.  4  des  Art.  605  0.  R.  nicht  rückerstattungspflichtig  ist, 
kann  vorliegend  dahingestellt  bleiben.  Werden  nämlich  die 
einzelnen  Bilanzen,  auf  Grund  deren  die  Beklagten  die  Be- 
züge gemacht  haben,  geprüft,  so  ergiebt  sich  folgendes:  Die 
Bilanz  pro  1894,  die  einen  Gewinn  erzeigte,  ist  nach  der 
Expertise  als  ordnungsmässig  zu  bezeichnen.  Für  dieses 
Jahr  fällt  daher  die  Rückerstattungspflicht  weg,  da  that- 
sächlich  ein  Gewinn  erzielt  worden  ist.  Anders  verhält  es 
sich  dagegen  mit  den  Jahren  1895  und  1896:  in  diesen 
Jahren  ist  nicht  ein  Gewinn  erzielt  worden,  sondern  es  hat 
sich  bilanzmässig  ein  Verlust  ergeben.  Unter  diesen  Um- 
ständen aber  war  der  Bezug  von  Zinsen  und  Gewinnanteilen 
unstatthaft,  und  er  konnte  auch  unmöglich  in  gutem  Glauben 
erfolgen.  Soweit  die  Rüokforderungsklage  die  Bezüge  für 
die  Jahre  1895  und  1896  betrifft,  ist  sie  daher  prinzipiell 
begründet.  Diese  Bezüge  beziffern  sich  zusammen  auf 
Fr.  6023.60.  Die  Vorinstanzen  haben  nun  die  Beklagten 
nicht  zur  Rückerstattung  dieses  Betrages,  soweit  er  von 
ihnen  wirklich  bezogen  worden,  verurteilt,  sondern  eine 
Verlustrechnung  auf  Grund  des  Art.  596  0.  R.  vorgenommen. 
Das  ist  jedoch  völlig  rechtsirrtümlich;  denn  die  genannte 
Bestimmung  des  Obligationenrechts  bezieht  sich  nur  auf  das 
Verhältnis  der  Gesellschafter  unter  sich,  während  bei  der 
vorliegenden  Rückforderungsklage  das  Verhältnis  der  Gesell- 
schaft zu  Dritten  in  Frage  steht;  es  kann  daher  keine  Rede 
davon  sein,  den  erwähnten  Artikel  hier  anzuwenden,  sondern 
die  Beklagten  sind  grundsätzlich  zur  Rückerstattung  alles 
dessen  verpflichtet,  was  sie  empfangen  haben.  (Entsch.  vom 
26.  Januar  190 1  i.  S.  Konkursmasse  der  Möbelfabrik  Schaff- 
hausen J.  Meyer  &  Gie  c.  Erzinger  und  Genossen.) 


59.  0.  K  Art.  HO,  113,  674,  704,  714,  715.  -  Art.  714 
statuiert  eine  Haftung  des  Vorstandes  (und  der  Liqui- 
datoren) nicht  gegenüber  der  Genossenschaft,  sondern  direkt 
gegenüber  den  einzelnen  Genossenschaftsmitgliedern  und  Ge- 
nossenSchaftsgläubigern,  Die  demgemäss  begründeten  eigenen 
Entschädigungsansprüche  der  Genossenschaftsgläubiger  (wie  der 
Genossenschaftsmitglieder)  können  nicht  von  der  Konkursrer- 
Haltung  im  Genossen  Schaftskonkurs  geltend  gemacht  werden. 
fio  weit  es  sich  aber  um  einen  Scliaden  handelt,  welcher  den 
Genossenschajtsgläubigern  durch  Schädigung  des  Genossen- 
schaft s  Vermögens  zugefügt  worden  ist,  besteht  ein  konkurrieren- 


109 

der  Entschädigungsanspruch  der  Genossenschaft  (gemäss 
Art.  715  0.  jB.)  wegen  Verletzung  der  ihr  gegenüber  bestehen- 
den Verwaltungspflichten  der  Genossenschaftsorgane,  und  dieser 
Anspruch  der  Genossenschaft  kann,  als  zu  deren  Vermögen 
gehörend,  von  der  Atassaverualtung  geltend  gemacht  werden. 

Gegen  die  Vorstandsmitglieder  der  in  Konkurs  ge- 
fallenen Genossenschaft  Boucherie  coopérative  genevoise  wurde 
von  der  Konkursverwaltung  im  Genossensohaftskonkurs  ge- 
stützt auf  Art.  704  und  714  0.  B.  Klage  auf  Ersatz  des 
Schadens  erhoben,  welcher  dadurch  entstanden  sei,  dass  der 
Vorstand  dem  Art.  704  cit,  zuwider  nicht  sofort  die  Zah- 
lungen eingestellt  und  dem  Gerichte  behufs  der  Eröffnung 
des  Konkurses  Anzeige  gemacht  habe»  In  der  bundesge- 
richtlichen Entscheidung  wird  hinsichtlich  der  Legitimation 
der  Konkurs  Verwaltung  zur  Anstellung   der  Klage   bemerkt: 

La  demande  est  basée  sur  les  art.  704  et  714  CO., 
dont  le  dernier  dispose  que  les  membres  de  la  direction  et 
les  liquidateurs  sont  personnellement  et  solidairement  res- 
ponsables envers  les  sociétaires  et  les  créanciers  de  l'associ- 
ation de  tout  dommage  qui  pourrait  résulter  de  l'inobser- 
vation de  l'art.  704.  Cette  disposition  établit  ainsi  une  res- 
ponsabilité de  la  direction  et  des  liquidateurs  non  vis-à-vis 
de  l'association,  mais  vis-à-vis  des  membres  et  des  créanciers 
de  celle-ci;  elle  donne  aux  sociétaires  et  créanciers  un 
droit  propre  contre  la  direction  et  les  liquidateurs»  Or,  la 
question  se  pose  de  savoir  si  l'administration  de  la  masse 
est  légitimée  à  intenter  l'action  introduite, 

La  doctrine  allemande  est  divisée  sur  le  point  de  savoir 
si  l'administrateur  de  la  faillite  d'une  société  par  actions  ou 
d'une  association  a  qualité  pour  faire  valoir  une  actiun 
directe  en  dommages- intérêts  des  créanciers  de  la  société 
contre  les  membres  de  la  direction,  etc.  (voir  Kohler,  Kon- 
kurs ree  ht,  page  122).  La  négative  paraît  devoir  l'emporter. 
On  ne  saurait  en  effet  admettre  que  l'administrateur  de  la 
faillite  ait  qualité  pour  exercer  une  action  de  dommages- 
intérêts  appartenant  en  propre  aux  créanciers  de  la  société 
par  actions  ou  de  l'association  en  faillite  contre  les  organes 
de  celle-ci.  L'administrateur  de  la  faillite  a  pour  tâche  de 
procéder  à  la  liquidation  de  la  fortune  du  failli  et  Ton  ne 
peut  lui  reconnaître  le  droit  de  faire  valoir  des  prétentions 
qui  n'appartiennent  pas  au  failli,  mais  en  propre  à  ses 
créanciers,  et  ne  font  dès  lors  pas  partie  de  la  masse  en 
faillite.  (Comp  arrêt  du  7  juin  1895  dans  la  cause  masse  en 
faillite   Brienz  -  Rothhorn    T.  21,    page    561.)      Dans    le    caa 


110 

actuel,  il  y  a  lieu  néanmoins  d'admettre  la  légitimation  de 
l'administrateur  de  la  faillite.  Le  dommage  dont  la  répa- 
ration est  demandée  n'est  pas  un  dommage  qui  aurait  été 
causé  directement  aux  créanciers  sans  toucher  l'association, 
mais  un  dommage  qui  résulterait  pour  eux  du  tort  causé  à  la 
fortune  de  l'association  par  le  fait  du  retard  apporté  à  la 
suspension  des  paiements  et  à  la  demande  de  mise  en  faillite. 
Le  dommage  que  les  créanciers  auraient  subi  serait  donc 
en  même  temps  un  dommage  causé  à  l'association.  Ce 
dommage  ayant  pour  cause  une  violation  des  devoirs  d'ad- 
ministration imposés  à  la  direction  par  l'art.  704  C.  O., 
l'association  a  aussi,  à  côté  des  créanciers,  une  action  en 
réparation  contre  les  membres  fautifs  de  la  direction,  et 
l'administrateur  de  la  faillite  est  légitimé  à  faire  valoir  cette 
action,  attendu  qu'il  s'agit  d'une  action  de  l'association  en 
faillite,  action  qui  appartient  par  conséquent  à  la  masse.  Le  fait 
que  l'art.  714  G.  0.  ne  parle  pas  d'une  action  de  l'association 
n'infirme  en  rien  cette  manière  de  voir.  Le  droit  d'action 
de  l'association  résulte  déjà  des  articles  113  soit  110  C.  0., 
qui,  d'après  l'art,  715  ibid.,  régissent  les  rapports  entre 
l'association  et  les  membres  de  la  direction  ou  contrôleurs. 
Il  n'était  pas  nécessaire  de  prévoir  encore  spécialement  à 
Part.  714  la  responsabilité  de  l'administration  résultant  de 
ses  rapports  contractuels  vis-à-vis  de  l'association,  tandis  que, 
dans  la  mesure  où  l'on  voulait  établir  une  responsabilité  de 
la  direction  vis-à-vis  des  créanciers  et  des  membres  de  l'as- 
sociation, il  était  nécessaire  de  le  faire  au  moyen  d'une  dis- 
position spéciale.  A  défaut  d'une  telle  disposition,  la  respon- 
sabilité de  la  direction  vis-à-vis  des  membres  et  des  créanciers 
de  l'association  ne  pourrait  se  justifier;  pour  lui  donner  une 
base  juridique,  il  fallait  une  disposition,  analogue  à  celle  de 
Fart.  674  C.  0.  concernant  la  société  par  actions,  qui  créât 
une  action  en  dommages- intérêts  contre  les  membres  de  la 
direction  de  l'association,  pour  violation  de  leurs  obligations 
contractuelles,  non  plus  en  faveur  de  l'autre  partie  contrac- 
tante, soit  de  l'association,  mais  en  faveur  des  créanciers  et 
des  membres  de  l'association,  qui  sont  des  tiers.  L'admini- 
strateur de  la  faillite  est  donc  légitimé,  dans  le  cas  parti- 
culier, à  faire  valoir  contre  les  défendeurs  les  droits  à  des 
dommages-intérêts  qui  peuvent  appartenir  à  l'association.  Le 
fait  qu'il  n'a  invoqué  pour  justifier  son  droit  d'action  que 
l'art.  714  et  non  l'art,  715  0.  0.  ne  saurait  avoir  aucune 
conséquence  préjudiciable  ;  il  ne  s'agit  là  que  d'un  moyen  de 
-droit  qui  ne  lie  pas  le  Tribunal  et  auquel  celui-ci  n'est  pas 


Ili 

limité.     (Entsch.  vom  8.  März  1901  i.  S.  Masse  der  Boucherie 
coopérative  genevoise  e.  Tbeuss  und  Genossen.) 

60.  0.  R.  Art.  811.  Gegen  Wechselforderungen  sind  alle 
unmittelbar  gegenüber  dem  klagenden  Wechselinhaber  begrün- 
deten Einreden  zulässig;  Exceptio  doli  bei  Wechselreiterei. 

Es  ist  nicht  bestritten,  dass  sich  die  Firma  Seh.  &  Gie 
durch  Accepte  auf  Wechseln,  welche  P.  B.  auf  sie  gezogen, 
'wechselrechtlich  verpflichtet  hat,  und  dass  der  Trassant 
J\  B.  (resp.  dessen  Eonkursmasse)  rechtmässiger  Inhaber  der 
fraglichen  Wechsel  ist.  Aus  der  rechtlichen  Natur  des 
Wechselversprechens  als  eines  abstrakten  Schuldversprechens 
folgt,  dass  zur  Begründung  des  Wechselanspruchs  nichts 
weiteres  als  die  Berufung  auf  den  Wechsel  erforderlich  ist, 
<ier  rechtmässige  Inhaber  des  Wechsels  also,  um  seinen  An- 
spruch gegen  den  Wechselschuldner  zu  begründen,  nicht 
nötig  hat,  auf  das  zu  Grunde  liegende  materielle  Rechtsver- 
hältnis zurückzugreifen.  Die  Wechselforderung  der  Konkurs- 
masse B.  ist  demnach  durch  die  vorgelegten  Accepte  prima 
facie  begründet.  Nicht  aber  folgt  aus  der  abstrakten  Natur 
der  wechselrechtlichen  Obligation,  dass  dem  aus  ihr  er- 
hobenen .  Anspruch  gegenüber  alle  Rücksicht  auf  die  übrigen, 
zwischen  dem  Wechselgläubiger  und  Wechselschuldner  be- 
stehenden inateriellrechtlichen  Beziehungen  schlechthin  aus- 
geschlossen sei;  sondern  dem  Wechselschuldner  bleiben, 
ausser  den  aus  dem  Wechselrecht  selbst  hervorgehenden, 
alle  Einreden  gewahrt,  welche  ihm  unmittelbar  gegen  den 
jeweiligen  Kläger,  d.  h.  denjenigen,  welcher  den  Wechsel- 
anspruch erhebt,  zustehen.  Es  ist  daher  nicht  richtig,  wenn 
die  Yorin8tanz  schlechthin  annimmt,  nachdem  festgestellt  sei, 
dass  die  Firma  Seh.  sich  zu  Gunsten  des  P.  B.  für  Fr.  6521.20 
wechselrechtlich  verpflichtet  habe,  so  sei  nicht  zu  untersuchen, 
welche  Gegenleistung  dieser  Verpflichtung  zu  Grunde  liege. 
Vielmehr  steht  dieser  Firma  gemäss  Art.  811  0.  R,  das 
Recht  zu,  gegenüber  dem  vom  Trassanten  P.  B.  geltend  ge- 
machten Wechselanspruch  auf  das  Rechtsverhältnis  zurück- 
zugreifen, auf  Grund  dessen  sie  die  von  diesem  Trassanten 
gezogenen  Wechsel  aeeeptiert  hat.  Denn  sofern  sich  aus 
diesem  Rechtsverhältnis  ergiebt,  dass  die  Einlösung  der 
Wechsel  ihm  gegenüber  eine  Vermögenszuwendung  ohne 
materiell  rechtfertigenden  Grund  in  sich  schliessen  würde, 
«rweist  sich  sein  auf  Einlösung  der  Wechsel  gerichtetes  Be- 
gehren als  dolose  Handlung  und  kann  daher  nicht  geschützt 
werden.     Es    ist  unter    dieser  Voraussetzung   der  Wechsel- 


112 

Schuldnerin  eine  Einrede  ans  dem  zu  Grunde  liegenden 
Rechtsverhältnis  erwachsen,  die  ihr  unmittelbar  gegen  diesen 
Wechselkläger  zusteht,  und  die  sie  daher  nach  Art.  811  0.  R. 
geltend  machen  kann. 

Nun  wird  aber  geltend  gemacht,  dass  die  Firma 
Seh.  &  Cie  die  von  P.  B.  auf  sie  gezogenen  Wechsel  nicht 
auf  Schuld  hin  acoeptiert  habe,  sondern  dass  die  Accepte 
von  ihr  nur  in  der  beidseitig  verstandenen  Meinung  gegeben 
worden  seien,  dass  der  Trassant  B.  für  Deckung  zu  sorgen 
habe,  und  nun  B.  dieser  Verpflichtung  nicht  nachgekommen 
sei,  indem  er  ihr  wohl  Gegenaccepte  gegeben,  aber  diese 
nicht  eingelöst  habe,  so  dass  also  die  Acceptantin  thatsäch- 
lich  ohne  Deckung  sei«  Die  Fanspruchsklage  macht  also 
geltend,  dass  der  Wechselschuldnerin  aus  dem  dem  Wechsel- 
verkehr der  Parteien  zu  Grunde  liegenden  Rechtsverhältnis 
die  exceptio  doli  gegen  den  vom  gegenwärtigen  Wechsel- 
gläubiger erhobenen  Anspruch  zustehe.  Diese  Einrede  darf 
nach  Art.  811  0.  R.  dem  Wechselschuldner  bezw.  dem  an 
seiner  Stelle  auftretenden  Einspruohskläger  nicht  mit  dem 
Hinweis  auf  die  formale  Natur  des  Wechselrechts  abge- 
schnitten werden.  (Entsch.  vom  1.  März  1901  i.  S  Schweiz. 
Volksbank  c«  Spar-  und  Leihkasse  Zofingen.) 

61  •  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb 
vom  25.  Juni  1881,  Art  3,  5  litt,  d,  12.  —  Beginn  der  Verjälirunq 
bei  Haftpflichtklagen  aus  Berufskrankheit  —  Haftpflicht  des  Be- 
triebsunternehmers, wenn  die  Berufskrankheit  nicht  ausschliess- 
lich durch  Arbeit  in  seiner  Fabrik,  sondern  durch  successive 
Arbeit  in  mehreren  gefährlichen  Betrieben  herbeigeführt  worden 
ist.  —   Verhältnismässige  Reduktion  der  Entschädigung. 

1.  Art.  12  des  Fabrikhaftpflichtgesetzes  fordert  zum  Beginn 
der  Verjährung  von  Haftpflichtansprüchen  aus  Berufskrank- 
heiten nicht  nur,  dass  der  Kläger  die  Krankheit  als  eine 
spezifische  Berufskrankheit  erkannt  habe  und  damit  über 
die  Existenz  seines  Schadenersatzanspruches  sich  habe  klar 
werden  können,  sondern  im  weitern,  dass  die  Krankheit  als 
spezifische  Berufskrankheit  amtlich  ausgewiesen  sei  (franz. 
Text:  «constatée  officiellement").  Seiner  Wirkung  nach  be- 
deutet dieses  Erfordernis  freilich  eine  wesentliche  Ab- 
Schwächung  der  in  Frage  stehenden  Verjährungsbestimmung 
zu  Gunsten  des  Haftpflichtklägers.  Denn  da  ihm  nach  Er- 
kennung seiner  Krankheit  deren  amtliche  Festsetzung  zn 
veranlassen  nicht  auferlegt  ist,  so  kann  er,  6oweit  an  ihm 
liegt,  den  Beginn  der  Verjährungsfrist  nach  Belieben  hinaus- 


113 

schieben.  Der  Aufstellung  dieser  Frist  lässt  sich  wesent- 
liche Bedeutung  zum  mindesten  insofern  noch  beimessen,  als 
es  auch  dem  Betriebsunternehmer  nach  Ài.  2  des  Art.  12 
offen  steht,  die  auf  die  Krankheit  bezüglichen  thatsächlichen 
Verhältnisse  feststellen  zu  lassen  und,  sofern  sioh  daraus  die 
Existenz  einer  haftpflichtigen  Berufskrankheit  ergeben  sollte, 
biemit  zugleich  den  Beginn  des  Fristenlaufes  zu  bewirken. 
So  leicht  nun  auch  über  die  Bedeutung  und  den  legislato- 
rischen Wert  dieser  Vorschrift  eines  amtlichen  Ausweises 
der  Krankheit  gestritten  werden  kann,  steht  doch  fest,  dass 
sie  vom  Gesetze  in  ausdrücklicher,  unzweideutiger  Weise 
als  notwendige  Voraussetzung  für  den  Beginn  der  Verjäh- 
rungsfrist aufgestellt  wird  und  deshalb  vom  Richter  ohne 
weiteres  zu  berücksichtigen  ist.  Der  französische  und  ita- 
lienische Text  sprechen  sogar  ausschliesslich  nur  von  diesem 
Erfordernisse  unter  Weglassung  des  in  der  deutschen  Fassung 
enthaltenen  weitern  Requisites,  dass  die  Berufskrankheit  als 
solche  erkannt  sein  müsse,  welches  Requisit  in  der  That 
durch  den  verlangten  amtlichen  Ausweis  derselben  seine 
praktische  Bedeutung  verliert. 

Die  Vorinstanz  hat  nun  angenommen,  dass  die  ärzt- 
lichen Befunde  und  Atteste,  welche  auf  Ansuchen  der  einen 
oder  andern  Partei  vor  Anhebung  des  Prozesses  abgegeben 
wurden,  nicht  als  „amtliche"  Ausweise  im  Sinne  des  Ge- 
setzes zu  betrachten  seien.  Ob  ein  derartiger  Ausweis  amt- 
lichen Charakter  habe,  d.  h.  ob  er  von  einer  Amtsperson 
ausgehe  und  sich  als  eine  in  Ausübung  staatlich  verliehener 
Amtsbefugnis  vorgenommene  Massnahme  darstelle,  entscheidet 
sich  nach  kantonalem  Rechte.  Das  Bundesgericht  ist  deshalb 
zu  einer  Ueberprüfung  dieses  Punktes  nicht  zuständig. 

2.  Die  Beklagte  macht  geltend,  die  Erkrankung  des 
Klägers  sei  nicht  nur  auf  seine  Tbätigkeit  in  ihrer,  sondern 
auch  auf  diejenige  in  einer  andern  Fabrik  zurückzuführen.  Die 
Voraussetzung  des  Art.  12  des  Fabrikgesetzes,  dass  „die  Er- 
krankung erwiesener  Massen  und  ausschliesslich  durch  den 
Betrieb  der  Fabrik  erfolgt  sei,"  treffe  also  nicht  zu.  Nach 
dieser  Auffassung  würde  also  der  Ausdruck  „Fabrik"  im 
Gesetze  die  spezielle  als  haftpflichtig  in  Anspruch  ge- 
nommene Betriebsunternehmung  bezeichnen,  im  Gegensatz 
zu  andern  Etablissementen,  in  denen  der  Kläger  früher  ge- 
arbeitet haben  mochte,  und  wo  er  den  nämlichen  gesund- 
heitsschädlichen Einflüssen  ausgesetzt  sein  konnte.  Der  ge- 
nannten Auslegung  des  Art.  3  iässt  sich  indessen  nicht  bei- 
stimmen.    Es   ist   nicht   einzusehen,    wieso  der   Gesetzgeber, 


ili 

wenn  eine  specifische  Berufskrankheit,  unzweifelhaft  vorliegt* 
die  Haftpflicht  dafür  aus  dem  besondern  Grunde  hätte  aus- 
schliessen  wollen,  weil  zu  ihrer  Entstehung  nicht  nur  aus- 
schliesslich ein  Betrieb,  sondern  deren  verschiedene  mehr 
oder  weniger  beigetragen  haben.  Auf  diese  Weise  wäre  es 
möglich,  dass  äussere,  vom  Willen  des  Arbeiters  ganz  unab- 
hängige, Zufälligkeiten  für  ihn  mit  einem  Wechsel  in  seinem 
An  st  ellungs  Verhältnisse  auch  ohne  weiteres  den  Verlust  all- 
fälliger, bereits  existierender  oder  später  zur  Existenz  ge- 
langender, Entschädigungsansprüche  zur  Folge  haben. 
Namentlich  aber  setzt  sich  die  angeführte  Meinung  in  einen 
unlösbaren  Widerspruch  zu  Art.  5  litt,  c  des  Gesetzes. 
Diese  Stelle  erwähnt  als  einen  Grund  zur  Reduktion  der 
prinzipiell  bestehenden  Ersatzpflicht  den  Fall,  dass  die  Ge- 
sundheit des  Erkrankten  „durch  seine  frühere  Gewerbsaus- 
übung bereits  geschwächt"  war.  Wie  hieraus  mit  Not- 
wendigkeit geschlossen  werden  muss,  will  der  Gesetzgeber 
einen  Haftpflichtanspruch  auch  dann  anerkennen,  wenn 
mehrere  Betriebe  bei  der  Erkrankung  mitgewirkt  haben. 
Mit  der  Bestimmung,  dass  die  Erkrankung  erwiesenermassen 
und  ausschliesslich  durch  den  Betrieb  der  Fabrik  erfolgt 
sein  müsse,  will  vielmehr  der  Art.  3  des  Gesetzes  nach 
anderer  Richtung  hin  eine  Schranke  ziehen:  Nicht  die 
successive  Thätigkeit  des  Erkrankten  in  verschiedenen 
Betrieben  wird  darin  ins  Auge  gefasst,  sondern  seine 
Thätigkeit  als  Arbeiter  im  gesundheitsschädlichen  Fabri- 
kationszweige, seine  Gewerbsausübung  schlechthin,  als  Ur- 
sache seiner  Krankheit,  im  Gegensatze  zu  andern  mög- 
lichen Krankheitsursachen,  die  ausserhalb  dieser  Thätigkeit 
liegen,  sei  es,  dass  sie  in  seinem  eigenen  Thun  oder  in 
sonstigen  Umständen  ihren  Grund  haben.  Solche  ander- 
weitige Krankheitsursachen  dürfen  nicht  vorliegen,  wenn  die 
Haftpflicht  Platz  greifen  soll,  d.  h.  es  muss  sich  um  eine 
spezifische  Berufskrankheit  handeln,  die  sich  der  Betreffende  als 
Arbeiter  in  haftpflichtigen  Betrieben  zugezogen  hat.  (Entsch. 
vom  29.  Januar  1901  i.  S.  Papierfabrik  Biberist  c.  Kühne.) 

62.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
29.  April  1889.  Eine  kantonalrechtliche  Bestimmung,  wonacli 
Eigentum  an  Liegenschaften  nur  mit  Einivilligung  oder  nach  Be- 
friedigung oder  Sicherstellung  der  betreibenden  Gläubiger  des 
Veräusserers  übertragen  werden  darf,  ist  mit  dem  Bundes- 
gesetz  nicht  unvereinbar;  die  Wirkung  geschehener  Sicherheits- 
leistung richtet  sich  nach  kantonalem  Recht 


115 

§  9  Abs.  1  des  luzern.  Gesetzes  über  das  Handänderungs- 
und Hypothekarwesen  vom  6.  Juni  1861  lautet:  „Die  Zu- 
fertigung  ist  die  rechtliche  Uebertragung  des  Eigenturas 
der  erworbenen  Liegenschaft  mit  ihren  Rechten  und  Be- 
schwerden. Sie  darf  erst  dann  erfolgen,  wenn  der  Ver- 
käufer sich  ausgewiesen  hat,  dass  —  zur  Zeit  der  Visie- 
ung  des  Aufsatzes  (§  4)  —  auf  ihm  keine  Schuldbe- 
treibung haftete,  oder  dass,  wenn  dieses  der  Fall,  entweder 
Bezahlung  oder  genügende  Sicherheit  geleistet  worden, 
oder  die  Betreibungsführer  ihre  Einwilligung  zur  Fertigung 
gegeben  haben."  In  Anwendung  dieser  Gesetzesbestimmung 
war  im  Jahre  1896  anlässlich  einer  Liegenschaftsveräusse- 
rung  zu  Gunsten  der  betreibenden  Gläubiger  des  Ver- 
käufers, zu  welchen  der  Kläger  B,  B.  gehörte,  Sicherheit 
durch  eine  beim  Betreibungsamt  Luzern  gemachte  Baar- 
hinterlage  geleistet  worden,  wogegen  die  betreffenden 
Gläubiger  in  die  Eigentumsübertragung  an  der  Liegenschaft 
einwilligten.  In  der  Folge  wurde  die  erwähnte  Barhinter- 
lage neben  dem  Kläger  auoh  von  andern  Gläubigern  des 
Verkäufers,  welche  später  Betreibung  eingeleitet  hatten,  ge- 
pfändet und  es  entstand  Streit  über  die  Rechte  an  der- 
selben; der  Kläger  nahm,  da  die  übrigen  Gläubiger,  welche 
zur  Veräusserung  gegen  die  Leistung  der  Hinterlage  s.  Zt. 
eingewilligt  hatten,  sämtlich  befriedigt  worden  zu  sein 
scheinen,  das  ausschliessliche  Recht  in  Anspruch,  die  Hinter- 
lage auf  Rechnung  seiner  Forderung  zu  beziehen,  und  erhob 
in  diesem  Sinne  Klage  gegen  den  Beklagten,  welcher  seiner- 
seits Rechte  an  der  Hinterlage  aus  späterer  Pfändung  ab- 
leitete. Der  Kläger  stützte  die  Klage  darauf,  dass  §  9  des 
Hypothekargesetzes  lediglich  Sicherung  der  im  Momente  der 
Einreichung  des  Kaufsaufsatzes  betreibenden  Gläubiger  be- 
zwecke« Beide  kantonalen  Instanzen  haben  die  Klage  gut- 
geheissen.  Auf  die  Berufung  des  Beklagten  ist  das  Bundes* 
gericht  in  der  Hauptsache  wegen  Inkompetenz  nicht  einge- 
treten, indem  es  ausführte:  Der  Kläger  stützt  seinen  An- 
spruch auf  §  9  der  luzernisohen  Hypotbekarordnung  ;  und 
die  von  den  Vorinstanzen  zu  entscheidende  Frage  war  die, 
ob  der  Kläger  auf  Grund  dieser  Bestimmung  ein  Recht  er* 
worben  habe,  und  eventuell  welches.  Der  geltend  gemachte 
Anspruch  ist  also  unzweifelhaft  ein  Anspruch  kantonalen 
und  nicht  eidgenössischen  Rechts.  Dagegen  könnte  die 
Frage  aufgeworfen  werden,  ob  jene  Bestimmung  überhaupt 
gegenüber  dem  eidgenössischen  Recht  —  dem  Schuldbe- 
treibungs-    und   Konkursgesetz  —   als  gültig   anzusehen   ist. 


116 

Jene  Bestimmung  stellt'  eine  Beschränkung  in  der  Ver- 
äusserungsbefugnis  desjenigen,  gegen  den  die  Schuldbe- 
treibung angehoben  worden  ist,  auf;  und  es  könnte  nun 
argumentiert  werden,  über  derartige  Beschränkungen  zu  be- 
stimmen, sei  Sache  des  Betreibungsrechts,  da  es  sich  um 
eine  Wirkung  der  Betreibung  auf  die  Verfügungsfähigkeit 
des  Betriebenen  handle.  Soweit  eine  derartige  Bestimmung 
nur  als  eine  betreibungsrechtliohe,  prozessuale,  aufgestellt 
wäre,  könnte  sie  in  der  That  dem  eidg.  Recht  gegenüber 
nicht  standhalten.  Altein  das  luzern.  Recht  fasst  jene  Be- 
stimmung als  eine  solche  des  Sachenrechtes  auf  (s.  Huber, 
Schweiz«  Privatreoht  III  S.  262  f.);  und  von  diesem  Ge- 
sichtspunkte aus  kann  nicht  gesagt  werden,  dass  sie  dem 
eidg.  Recht  widerspreche;  sie  regelt  nach  dieser  Auffassung 
die  Frage,  unter  welchen  Voraussetzungen  Eigentum  an 
Immobilien  übergehen  könne,  und  diese  Frage  ist  vom  kan- 
tonalen Recht  beherrscht.  Dazu  kommt'  vorliegend  noch, 
dass  gegen  die  Sicherstellung,  die  eine  Voraussetzung  des 
Eigentumsüberganges  bildet,  keine  Einsprache  erhoben,  dass 
dieselbe  vielmehr  geleistet  worden  ist.  Unter  diesen  Um- 
ständen aber  hatte  einzig  der  kantonale  Richter  darüber  zu 
entscheiden,  welche  Wirkung  dieser  Sicherstellung  zukomme, 
und  kann  das  Bundesgericbt  diese  Entscheidung  nicht  über- 
prüfen. Damit  aber  ist  die  im  Prozesse  erhobene  Haupt- 
frage von  den  kantonalen  Instanzen  endgültig  entschieden. 
(Entsch.  vom  7.  Februar  1901  i.  S.  Salefsky  c.  Bauer.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


63.  Schadenersatz.  Haftpflicht  des  Geschäfteherrn  für 
seinen  Angestellten.     Art.  62  0.  R. 

Bern.  Urteil  des  App.-  und  Kass.-Hofes  vom  28.  Juni  1900  i.  S. 
Kilian  e.  Käch. 

Der  Fuhrhalter  Käch  verwendete  zu  seinen  Fuhren 
häußg  den  14-jährigen  Knaben  F.  Weibel.  Dieser  hatte  ein- 
mal einen  zweispännigen,  mit  Ziegeln  beladenen  Wagen  das 
abschüssige  Strässchen  zwischen  dem  Weissenbühlweg  und 
dem  Arbeitsplatz  des  Baumeisters  H.  hinunter  zu  fuhren, 
wobei  der  Wagen  in  rasche  Bewegung  geriet.  Der  dem 
Fuhrwerk  begegnende  Spengler  Kilian  wollte  dein  Knaben, 
der  sich  bei  den  Pferden  halten  musste,  durch  Anziehen  der 
Mechanik  helfen,  begab  sich  auf  die  linke  Seite  des  Wagens, 


117 

wurde  zwischen  diesem  und  einem  Haufen  Holz  einge- 
klemmt und  starb  an  den  Verletzungen«  Seine  Ehefrau 
klagte  gegen  Käch,  gestützt  auf  Art.  62  0.  R.,  auf  Schaden- 
ersatz. Der  Appellhof  erklärte  ein  Verschulden  des  Knaben 
Weibel  am  Unfall  als  nicht  nachgewiesen;  damit  aber  sei 
die  Haftung  des  Beklagten  gemäss  Art.  62  0.  R.  nicht  aus- 
geschlossen.    Denn,  führt  er  aus: 

Nach  des  Art.  62  Wortlaut  wie  auch  nach  dem  des 
Art.  61  genügt  es  zu  der  daselbst  vorgesehenen  Haftung 
für  einen  Dritten,  wenn  dieser  den  Schaden  —  nach  Art. 
62  allerdings  in  Ausübung  seiner  geschäftlichen  Verrieb» 
tungen  —  „verursacht"  hat  und  der  für  den  Schaden  Be- 
langte den  durch  das  Gesetz  umschriebenen  Exkulpations- 
beweis nicht  erbringt.  Vom  Verschulden  des  Dritten  ist  in 
Art.  62  wie  auch  in  Art.  61  nicht  die  Rede,  und  dass  der 
Ausdruck  „verursacht"  in  diesen  beiden  Artikeln  in  einein 
gegenüber  dem  Wortsinn  engeren  Sinne  gebraucht  wäre, 
ergiebt  sich  auch  nicht  etwa  aus  dem  Zusammenhange  dieser 
Artikel  mit  andern  Stellen  des  Gesetzes,  was  in  klarer, 
zwingender  Weise  der  Fall  sein  müsste,  damit  eine  solche 
einschränkende  Interpretation  Platz  greifen  könnte.  Art.  62 
statuiert  also  (wie  Art.  61)  nicht  eine  Haftung  für  fremdes 
Verschulden,  sondern  für  eigenes  Verschulden,  wobei  dieses 
präsumiert  wird  (Schneider  und  Fick,  Komm.  Anm.  4  und  21 
zu  Art.  62,  ferner  die  ausführliche  Begründung  dieses  Satzes 
von  Bieder,  in  der  Zeitschr.  für  Schweiz.  Recht,  N.  F.  V, 
S.  346  ff.;  Rössel,  Manuel  du  Droit  féd.  des  Obi.,  p.  107; 
Zeerleder,  Schweiz.  Haftpflichtgesetzgebung,  S.  29  f.). 

Das  Urteil  stellt  weiter  fest,  dass  der  dem  Beklagten 
obliegende  Exkulpationsbeweis  misslungen  sei  und  ein  Ver- 
schulden auf  seiner  Seite  vorliege,  darin  bestehend,  dass  er 
den  Transport  einem  14-jährigen  Knaben  anvertraut  habe. 

„Laut  Dekret  des  Gr.  Rats  vom  4.  März  1843  über  die 
Breite  der  Ladungen  und  die  Führung  der  Wagen  sollen 
die  Fuhrleute  wenigstens  16  Jahre  alt  sein.  Auch  abge- 
sehen von  dieser  Vorschrift  liegt  in  der  Verwendung  des 
14-jährigen  F.  Weibel  zur  selbständigen  Leitung  des 
fraglichen  Transportes  ein  Verschulden  des  Beklagten. 
Denn  die  sichere  Führung  eines  Lastfuhrwerks  auf  so  ab- 
schüssigem Terrain  erfordert  nicht  nur  gewisse  Kenntnisse 
und  eine  gewisse  Erfahrung,  sondern  auch  Kraft  und 
Geistesgegenwart,  welche  Eigenschaften  bei  einem  14-jähr. 
Knaben  kaum  in  genügendem  Mass  vorhanden  sein  können." 
(Zeitschr.  d.  Bern.  Jur.-Ver.,  XXZVU  S.  107  ff.) 


118 

64.  Verpfändung  eines  Schuldbriefes,  Milverpfändet 
sind  die  seit  der  Verpfändung  verfallenen  Zinsen.  Art.  205, 213  0.  IL 

Zttrfcti.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichte»  vom 
22.  September  1900  i.  S.  Webrli  c.  Spar-  und  Leihkasse  Zofingen. 

Die  Spar-  und  Leihkasse  Zofingen  hatte  im  J.  1898  von 
ihrem  Darlehensschuldner  Weltert  einen  Schuldbrief  iin  Be- 
trag von  Fr.  14,000  zu  4%  per  15.  Februar  verzinslich  als 
Faustpfand  erhalten.  Der  Briefschuldner  C.  Wehrli  zahlte 
vom  7.  Mai  bis  30.  Juni  1899  den  ganzen,  am  15.  Februar 
1900  fällig  werdenden,  Zinsbetrag  von  Fr.  560  zum  Voraus 
an  Weltert.  Im  November  betrieb  die  Spar-  uud  Leihkasse 
den  letzteren  auf  Pfandverwertung,  erwarb  in  der  Gant  vom 
17.  Januar  1900  selber  den  Schuldbrief  und  betrieb  den  Wehrli 
in  der  Folge  für  den  per  15.  Februar  1900  verfallenen  Zins. 
Wehrli  erhob  Rechtsvorschlag  und,  nach  der  hiegegen  ge- 
währten Rechtsöffnung,  Aberkennungsklage.  Beide  Instanzen 
wiesen  ihn  ab  und  schützten  das  Recht  des  Schuldbriefinhabers 
auf  den  Zins.     Die  Appellationskammer  motivierte  so: 

Mit  der  Urkunde  wird  auch  das  in  ihr  verkörperte 
Forder  ungerecht  von  dem  gutgläubig  erworbenen  Faust- 
pfandrechte betroffen.  Soweit  dieses  dingliche  Recht 
reicht,  ist  der  Verpfänder  in  der  Ausübung  seines 
Forderungsrechtes  beschränkt.  Nun  wird  im  Schuldbriefe 
nicht  nur  die  Kapitalforderung,  sondern  auch  der  jeweilen 
laufende  Zins  verkörpert.  Ob  verfallene  Zinsen  vom  Schuldner 
noch  geschuldet  werden,  geht  dagegen  aus  dem  Inhalte  des 
Schuldbriefes  nicht  hervor  (vergi.  Ullmer,  Komm.  No.  1653), 
und  daher  können  die  zur  Zeit  der  Verpfandung  bereits  ver- 
fallenen Zinsen  vom  Pfandnexus  nicht  ergriffen  werden.  Der 
Pfandgläubiger  hat  aber  Kraft  seines  Pfandrechtes  Anspruch 
darauf,  dass  die  nach  der  Verpfändung  verfallenden  Schuld- 
briefzinsen jeweilen  an  ihn  abgeführt  werden,  natürlich  nicht 
zum  Zwecke  der  Zahlung  an  die  pfandgesicherte  Schuld, 
sondern  damit  der  Zinsbetrag  als  Pfandobjekt  diene.  Freilich 
können  die  Verpfändungsparteien  vereinbaren,  dass  die 
Schuld briefzinsen  dem  Pfandrechte  nicht  unterliegen  oder 
dass  sie  zur  Tilgung  der  versicherten  Schuld  verwendet 
werden  sollen;  allein  da,  wo  solche  besonderen  Verein- 
barungen nicht  getroffen  worden  sind,  wie  im  vorliegenden 
Falle,  erstreckt  sich  eben  der  pfandrechtliche  Anspruch  des 
Pfandgläubigers  auf  die  nach  der  Verpfändung  verfallenden 
Zinsen,  Art.  216  0.  R.  braucht  zur  Begründung  dieses 
Satzes  nicht  herangezogen  zu  werden;  da  diese  Gesetzes- 
bestimmung sich  auf  die  Verpfändung  von  Forderungen  be- 


119 

àieht,  könnte  sie  auch  nicht  direkt  auf  den  Fall  der  Ver- 
pfandung von  Schuldbriefen  angewendet  werden,  denn  unser 
Hypothekarrecht  will  den  Schuldbrief  im  Verkehre  (bei  Ver- 
äu88erung  und  Verpfändung)  als  eine  bewegliche  Sache  be- 
handelt wissen  und  gerade  nicht  den  Regeln  über  den  Verkehr 
mit  Forderungen  (Abtretung  und  Verpfändung)  unterwerfen. 
Im  vorliegenden  Falle  hatte  die  Beklagte,  welche  im 
November  1899  für  ihre  Forderung  die  Betreibung  auf  Ver- 
wertung des  ihr  verpfändeten  Schuldbriefes  anhob,  zweifellos 
ein  Becht  darauf,  dass  der  damals  nach  dem  Inhalte  der 
Urkunde  noch  laufende  Zins  per  15.  Februar  1900  bei  der 
Versteigerung  als  ausstehend  behandelt  werde.  Sie  war  mit 
Bezug  auf  diesen  Zins  gutgläubige  Pfandbesitzerin  und  hatte 
als  solche  das  Becht  auf  die  volle  Anerkennung  des  urkund- 
lichen Inhaltes  des  Schuldbriefes.  Die  Realisierung  des 
Pfandrechtes  konnte  daher  vollwirksam  nur  in  der  Weise  er- 
folgen, da  ss  der  verpfändete  Schuldbrief  nach  seinem  vollen 
Inhalte7  d.  h.  also  mitsamt  dem  laufenden  Zinse  auf  die 
Versteigerung  gebracht  werde.  Der  Umstand,  dass  der 
Kläger  am  19.  Dezember  1899,  also  vor  der  Versteigerung, 
dem  Betreibungsamte  davon  Anzeige  machte,  dass  der 
laufende  Zins  schon  im  Juni  1899  bezahlt  worden  sei,  konnte 
an  dem  bereits  begründeten  Ansprüche  auf  die  volle  Aner- 
kennung des  Schuldbriefinhaltes  nichts  mehr  ändern«  Die 
(zwar  bestrittene)  Thatsache,  dass  der  Zins  schon  bezahlt 
war,  hatte  gegenüber  dem  gutgläubig  erworbenen  Faust- 
pfandrechte der  Beklagten  ebenso  wenig  rechtliche  Be- 
deutung, wie  sie  die  dem  gutgläubigen  Erwerber  eines 
Schuldbriefes  nach  dem  Eigentumserwerb  mitgeteilte  Zahlung 
besitzt.  Das  Gesetz  gewährt  den  unbedingten  Schutz  des 
gutgläubigen  Erwerbers  und  Besitzers,  ohne  Rücksicht  darauf 
zu  nehmen,  ob  der  zahlende  Briefschuldner  sich  in  gutem 
oder  in  bösem  Glauben  befinde.  Dass  §  390  priv.  G.B.  sich 
nicht  nur  auf  den  gutgläubigen  Eigentums-,  sondern  auch 
auf  den  Pfand-Erwerb  bezieht,  ist  in  der  Praxis  nie  be- 
zweifelt worden.  Vergi,  z.  B.  Ullmers  Komm.  No.  1280, 
Ziff.  1.  Der  auf  den  Schuldbriefverkehr  ausgedehnte  Grund- 
satz „Hand  wahre  Hand"  gilt  überhaupt  sowohl  für  den 
Eigentumserwerb  als  auch  für  die  Verpfändung  (0.  R.  Art. 
205  und  213)." 

(Das  Bedenkliche  dieser  Argumentation  ist  dem  Gerichte 
nun  freilich  nicht  entgangen,  indem  es  sich  selber  den  Einwurf 
macht,  dass  dem  Briefschuldner  mit  Bezug  auf  die  Zinszahlung 
der  Schutz  fehle,  den  ihm  das  Gesetz  für  Kapitalzahlungen  ge- 


Ì2Ó 

währe,  nämlich  die  Abschreibung  auf  dem  Schuldbriefe  und  im 
Grundbuche,  dass  er  also  durch  Zinszahlung  an  seinen  Gläubiger 
in  die  Gefahr  geraten  könne,  noch  einmal  an  den  Pfandinhaber 
zahlen  zu  müssen.  Der  darüber  hinweg  helfen  sollende  Trost 
ist  dürftig:  „Der  Gesetzgeber  muss  sich  der  für  den  Brief- 
schuldner gefährlichen  Eonsequenzen  bewusst  gewesen  sein,  in- 
dem er  den  Schutz  des  gutgläubigen  Erwerbers  auf  den  ganzen 
urkundlichen  Inhalt,  also  auch  auf  die  laufende  Zinsforderung 
ausdehnte  (priv.  G.  B.  §  390). 8  Und  schliesslich  beruhigt  es 
sich  damit,  dass  der  Schuldner  eben  auf  seine  Gefahr  den  Zins 
so  lange  vor  Verfall  gezahlt  habe,  da  der  Pfandinhaber  höchstens 
verpflichtet  gewesen  wäre,  ihm  kurze  Zeit  vor  Verfall  eine  bezüg- 
liche Anzeige  zu  machen.     Es  sagt  in  dieser  Hinsicht:) 

„Es  könnte  sich  fragen,  ob  nicht  zum  Schutze  des  gut- 
gläubigen Schuldbriefschuldners  der  Satz  aufzustellen  wäre, 
dass  der  Faustpfandgläubiger,  der  Anspruch  auf  die  pfand- 
rechtliche  Verhaftung  der  laufenden  Schuldbriefzinsen  machen 
will,  dein  Schuldner  davon  so  rechtzeitig  Mitteilung  zu 
machen  habe,  dass  dieser  den  Zins  bei  Verfall  an  den 
Faustpfandgläubiger  statt  an  den  Briefgläubiger  abführen 
könne.  Die  Rücksicht  auf  Treu  und  Glauben  im  Verkehre 
könnten  einen  solchen  Satz  wohl  rechtfertigen,  denn  da  es 
wenigstens  hierzulande  durchaus  nicht  üblich  ist,  dass  der 
Gläubiger  dem  Schuldner  bei  Zinszahlungen  den  Schuldbrief 
vorweist,  muss  der  Faustpfandgläubiger  sich  der  dem 
Schuldner  drohenden  Gefahr  bewusst  sein;  wenn  er  also  von 
einem  gewöhnlich  ebenfalls  nicht  geltend  gemachten  Rechte 
Gebrauch  machen  will,  so  darf  ihm  wohl  eine  rechtzeitige 
Mitteilung  an  den  Briefschuldner  zugemutet  werden.  Darauf, 
dass  es  einem  Schuldner  einfallen  könne,  den  Zins  schon 
Monate  vor  Verfall  zu  zahlen,  braucht  er  allerdings  nicht 
Rücksicht  zu  nehmen;  vielmehr  dürfte  es  genügen,  wenn  er 
die  Anzeige  kurze  Zeit  vor  Verfall  erlässt.  Auf  diese 
Weise  wären  die  Briefschuldner  in  der  Regel,  d.  h.  also 
wenn  sie  den  Zins  bei  Verfall  zahlen,  ohne  von  der  Ver- 
pfandung Kenntnis  zu  haben,  vor  der  Gefahr  doppelter 
Zahlung  geschützt.  Ob  sich  aber  dieser  Schutz  in  der  an- 
gedeuteten Weise  ohne  eine  entsprechende  gesetzliche  Vor- 
schrift wirklich  durchführen  liesse,  mag  im  vorliegenden 
Falle,  in  welchem  jener  Schutz  nicht  ausreichen  würde, 
dahingestellt  bleiben.  In  den  bereits  citierten  Präjudikaten 
aus  Ullmers  Kommentar  z.  priv.  G.  B.  ist  die  Frage  bejaht 
worden."  (Schweizer  Blätter  f.  h.-r.  Eutsch.,  XIX  S.  801  ff 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


65.  0.  R.  Art.  50  //'.  Darin,  dass  ein  Bauunternehmer  seinen* 
Arbeitern  im  Interesse  geordneten  Arbeitsbetriebes,  den  Besuch  der 
bei  den  Werkplätzen  errichteten  kantinenwirtschaften  vertraglich 
verbietet*  liegt,  obschon  dadurch  die  Wirte  geschädigt  werden,  keine 
unerlaubte  Handlung,  da  weder  eine  Vorschrift  der  allgemeinen* 
Rechtsordnung  noch  ein  Privatrecht  der   Wirte  verletzt  ist. 

(Entsch.  vom  26.  April  1901  i.  8.  «rosai  c.  Girod.> 


66.  0.  R.  Art.  162  ff.,  559.  Das  gegen  einen  Solidar- 
schuldner ergangene  Urteil  wirkt,  auch  hinsichtlich  des  objektiven 
Bestandes  der  Schuld,  nicht  gegen  die  andern.  Dagegen  wirkt 
das  gegen  die  (Kollektiv-)  Gesellschaft  ergangene  Urteil  insoweit 
auch  gegen  die  einzelnen  Gesellschafter,  als  es  auch  ihnen  gegen- 
über die  Frage  der  Schuldpflicht  der  Gesellschaft  zu  einer  un- 
bestreitbaren  macht. 

Die  Ansicht,  dass,  weil  M.  und  8.  in  ihrer  Eigenschaft 
als  ehemalige  Gesellschafter  belangt  werden,  das  im  Prozesse 
gegen  den  einen  ergangene  Urteil  auch  für  oder  gegen  den 
andern  gelten  müsse,  ist  irrig.  Es  handelt  sich  hiebei  um  die 
Frage,  ob  das  für  und  gegen  einen  Solidarschuldner  erlassene 
Urteil,  soweit  es  sich  auf  den  Bestand,  die  Existenz  und  den 
Umfang  der  Solidarschuld  bezieht,  objektiv  wirke,  die  Rechts- 
kraft sich  daher  nicht  bloss  auf  die  streitenden  Parteien,, 
sondern  auf  sämtliche  Solidarschuldner  erstrecke,  also  auch 
auf  diejenigen,  welche  an  dem  Prozess  nicht  teilgenommen 
haben.  Nun  kann  aber,  nach  der  in  Doktrin  und  Praxi» 
herrschenden,  und  insbesondere  auch  in  der  bandesgericht- 
lichen Rechtsprechung  anerkannten  Ansicht  nur  den  Disposi- 
tiven der  Civilurteile,  dagegen  nicht  auch  den  sogenannten 
objektiven  Entscheidungsgründen  derselben  (welche  Entschei- 
dungen über  streitig  gewordene  Rechtsverhältnisse,  Einreden, 
Repliken  u.  s.  w.  enthalten)  Rechtskraft  beigemessen  werden. 
Allerdings  wird  anzunehmen  sein,  dass  die  rechtskräftige 
Feststellung  einer  Gesellschaftsschuld  gegenüber  der  Gesell- 

10 


122 

schaft  in  einem  Prozesse,  in  welchem  die  Gesellschaft  selbst 
gemäss  der  ihr  in  Art.  559  0.  R.  eingeräumten  Parteifähigkeit 
Prozesspartei  gewesen  ist,  auch  insoweit  gegenüber  den  Ge- 
sellschaftern wirke,  als  sie  auch  den  Gesellschaftern  gegenüber 
die  Frage,  ob  die  Gesellschaft  schulde,  zu  einer  unbestreit- 
baren macht  (vergleiche  §  129  des  neuen  deutschen  Handels- 
gesetzbuches; Staub,  Kommentar,  6./7.  Auflage,  Band  I  S.399 
Anm.  16  und  18;  Hellwig,  Anspruch  und  Klagerecht,  S.272  f., 
Lehmann-Ring,  Kommentar,  Band  IS.  279).  Ein  solcher  Fall, 
beziehungzweiso  ein  Urteil  gegen  die  ehemalige  Gesellschaft 
M.  und  S.  liegt  indessen  hier  nicht  vor,  da  der  Kläger  sowohl 
den  S.  als  den  M.  persönlich  als  Anteilhaber  der  bezeichneten 
Gesellschaft  belangt  hat.  Demnach  ist  das  Urteil  in  Sachen 
Th.  contra  S.  für  den  gegenwärtigen  Beklagten  nicht  prä- 
judiziell, das  Vorhandensein  einer  Verpflichtung  des  Be- 
klagten weder  in  dem  gegen  S.  gutgeheissenen  Betrage, 
noch  nur  in  diesem  Betrage  festgestellt,  vielmehr  kann  einer- 
seits der  Kläger  die  seiner  Zeit  gegen  S.  eingeklagte  Forderung 
auch  insoweit  gegen  M.  gerichtlich  geltend  machen,  als  er  mit 
derselben  im  Prozesse  gegen  S.  abgewiesen  worden  ist,  und 
ist  anderseits  der  Beklagte  in  seinen  Einwendungen  gegen 
die  Klage  vollständig  unbeschränkt.  (Entsch.  vom  24.  Mai 
1901  i.  S.  Thoully  c.  Marlier.) 


67.    O.R.  Art.  149,  545  f.,  882  f.,  891. 

1.  Das  Verhältnis  der  Gesellschafter  unter  einander 
richtet  sich  bei  einer  vor  dem  Inkrafttreten  des  0.  R.  be- 
gründeten Gesellschaft,  sofern  nicht  etwa  eine  stillschweigende 
Erneuerung  des  Gesellschaftsvertrages  seit  1.  Januar  1883 
stattgefunden  hat,  auch  für  die  Zeit  nach  dem  Inkrafttreten 
des  O.R.  fortwährend  nach  altem  Rechte;  nach  diesem  be- 
urteilt sich  also  die  Frage,  ob  und  welche  Vergütung  oder 
Zinsen  die  Gesellschafter  für  ihre  Geschäftsführung  und  Vor- 
schüsse zu  fordern  haben,  auch  insoweit  als  es  sich  um 
Leistungen  handelt,  die  seit  1.  Januar  1883  erfolgten. 

2.  Auch  insoweit  ein  Auflösungsgrund  der  Gesellschaft 
(wie  Konkurs  eines  Gesellschafters  u.  s.  w.)  eingetreten  ist, 
läuft  die  Verjährung  der  Gesellschaftsklage  auf  Aushändigung 
des  Betreffnisses  am  Gesellschaftsvermögen  insolange  nicht, 
als  das  Gesellschaftsverhältnis  zu  Zwecken  der  Liquidation 
fortgesetzt  wird.  Die  Verjährung  beginnt  hier  erst  mit  Be- 
endigung der  Liquidation  zu  laufen.  (Entsch.  vom  11.  Mai  1901 
i.  S.  Grum8er  c.  Wicki.) 


123 

68.  0.  R.  Art.  172  Abs.  2.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  vom  IL  Aprü  1889,  Art.  271  ff.  Bedingte  For- 
derungen; Gleichstellung  derselben  mit  unbedingten  hinsichtlich  des 
Schutzes  bei  Gefährdung.  Inwieweit  ist  für  solche  der  Arrest 
statthafit 

Nach  Artikel  172  Abs.  2.  0.  R.  ist  anzuerkennen,  class 
der  bedingt  Berechtigte  bei  Gefährdung  seiner  Rechte  Anspruch 
auf  die  nämlichen  Sicherungsmassnahmen  zum  Zwecke  der 
Sicherstellung  der  Erfüllung  seiner  Forderung  hat,  welche 
dem  Gläubiger  einer  unbedingten  Forderung  zustehen,  dass 
also  Sicherungsmassnahmen  nicht  deshalb  verweigert  werden 
dürfen,  weil  die  Forderung  eine  bedingte  (in  ihrem  Bestände 
noch  unsichere)  ist.  Dies  gilt  von  allen  Arten  der  Sicherheit, 
speziell  auch  für  den  Arrest.  Hiebei  handelt  es  sich  zwar 
nicht  um  eine  materiell  emirechtliche  Forderung  auf  Sicher- 
heitsbestellung, wohl  aber  um  den  Anspruch  auf  ein  pro- 
zessuales, dem  Zwecke  der  Sicherstellung  dienendes  Rechts- 
schutzmittel. Ob  ein  derartiger  Anspruch  auf  Sicherstellung 
durch  Arrest  besteht,  ist  zunächst  an  Hand  der  den  Arrest 
regelnden  Bestimmungen  des  Schuldbetreibungs-  und  Eonkurs- 
gesetzes zu  entscheiden.  Nun  stellt  Artikel  271  dieses  Gesetzes 
den  Grundsatz  auf,  dass  der  Arrest  unter  der  Voraussetzung 
des  Vorhandenseins  der  /limitativ  aufgezählten  Arrestgründe 
für  eine  verfallene  Forderung  verlangt  werden  könne,  und 
macht  (in  Absatz  2)  von  dem  Erfordernisse  der  Fälligkeit 
der  Forderung  nur  dann  eine  Ausnahme,  wenn  die  Arrest- 
gründe Nr.  1  und  2  zutreffen,  d.  h.  wenn  der  Schuldner  keinen 
festen  Wohnsitz  hat,  oder  wenn  er  in  der  Absicht,  sich  der 
Erfüllung  seiner  Verbindlichkeiten  zu  entziehen,  Vermögens- 
gegenstände bei  Seite  schafft,  sich  flüchtig  macht  oder  An- 
stalten zur  Flucht  trifft.  In  diesen  letztern  Fällen  bewirkt 
der  Arrest  gegenüber  dem  Schuldner  die  Fälligkeit  der  For- 
derung. Ueber  die  bedingten  Forderungen  spricht  sich  das 
Schuldbetreibungs-  und  Konkursgesetz  (im  Gegensatze  z.  B. 
zum  §  916  Abs.  2  der  C.  P.  0.)  nicht  aus.  Allein  es  darf 
daraus  nicht  der  Schluss  gezogen  werden  (vergi.  Reichel, 
Komment,  zum  Schuldbetreibungs-  und  Konkursgesetz  [2.  Aufl. 
des  Komment.  Weber  und  Brüstlein],  S.  391  Anm.  3),  für  be- 
dingte Forderungen  bestehe  überhaupt  kein  Arrestanspruch. 
Vielmehr  ist  davon  auszugehen,  dass  die  Bestimmungen  des 
Schuldbetreibungs-  und  Konkursgesetzes  über  den  Arrest  den 
allgemeinen  Grundsatz  des  Obligationenrechts  (Art.  172 
Abs.  3),  wonach  die  bedingten  Forderungen  mit  Bezug  auf 
Sicherungsmassnahmen   den  unbedingten  gleichzustellen  sind» 


124 

nicht  abändern  wollten  und  nicht  abgeändert  haben.  Darnach 
sind  aber  anderseits  die  bedingten  Forderungen  den  un- 
bedingten nur  gleichgestellt  und  nicht  bessergestellt  als  diese. 
Es  trifft  daher  auch  für  die  bedingten  Forderungen  der  in 
Art.  271  Schuldbetreibungs-  und  Eonkursgesetz  aufgestellte 
Grundsatz  zu,  dass  —  von  den  hier  nicht  in  Betracht  kommenden 
Arrestgründen  der  Ziffern  1  und  2  abgesehen  —  nur  für  fällige 
Forderungen  der  Arrest  begehrt  werden  kann.  Mit  andern 
Worten,  es  ist  für  bedingte  Forderungen,  da  diese  nicht  fallig 
sind,  der  Arrest  nur  insoweit  zulässig,  als  er  es  für  unbedingte 
nicht  fällige  Forderungen  ist.  Darnach  aber  kann  vorliegend 
von  einem  Anspruch  auf  Sicherstellung  keine  Rede  sein,  da 
auch  bei  Unbedingtheit  der  Forderung  des  Klägers  ein  solcher 
Anspruch  des  Klägers  nicht  anzuerkennen  wäre.  (Entsch.  vom 
4.  Mai  1901  i.  8.  Erben  Bloch  c.  Raible.) 


69.   0.  fi.  Art.  184   Abs.  1. 

Die  Vorschrift  des  Art.  184  Abs.  2,  wonach  es  zur  Wirk- 
samkeit des  Forderungsüberganges  gegenüber  dritten  Personen 
einer  schriftlichen  Beurkundung  der  Abtretung  bedaif,  bezieht 
sich  lediglich  auf  die  Wirksamkeit  des  Cessionsaktes,  des 
abstrakten  Rechtsgeschäfts,  durch  welches  der  Cessionar  ins- 
besondere gegenüber  dem  Schuldner  und  dritten  Personen  (zu 
welchen  übrigens,  wie  Degenkolb,  Zeitschr. f. Schweiz. Recht, 
N.  F.,  Bd  X  S.  275  zutreffend  bemerkt,  die  Erben  des  Cedenten 
nicht  gehören)  in  die  Rechte  des  bisherigen  Gläubigers  tritt; 
sie  lässt  dagegen  die  Frage  nach  der  Gültigkeit  des  dem 
Cessionsakt  unterliegenden  Grundgeschäfts,  der  materiellen 
causa  der  Forderungsübertragung,  unberührt.  (Entsch»  vom 
24.  Mai  1901  i.  S.  Helbling  c.  Helbling.) 


70.  0.  fi.  Art.  214,  212,  846  ff.  Bundesgesvtz  über  Schttld 
betreibung  und  Konkurs  vom  IL  April  1889,  Ait.  193,  197  ff. 
Leben sversicherungspoticen  sind,  auch  wenn  sie  auf  Inhaber  lauten, 
blosse  Legitimationspapiere,  für  deren  Verpfändung  Art.  215  0.  R* 
gilt.  —  Was  gehört  zur  Benachrichtigung  des  Schuldners  von 
der  Verpfändung  einer  (einfachen)  Forderung  t  Anwendbarkeit 
der  Grundsätze  des  materiellen  Konkursrechtes  auf  die  Liquidation 
ausgeschlagener   Verlassenschaf  tm. 

A.  G.  in  M.  hatte  der  Klägerin  als  Sicherheit  für  eine  For- 
derung eine  Lebensversicherungspolice  auf  die  Lebensversiche- 
rungs-  und  Ersparnisbank  in  St.  übergeben.     Am  18.  August 


125 

1900  starb  A.  G.  und  ara  27.  September  1900  wurde  die  kon- 
kur8amtliche  Liquidation  seines  Nachlasses  angeordnet.  In- 
zwischen, am  25.  August  1900,  hatte  die  Klägerin  den  General- 
vertreter der  Versicherungsgesellschaft  angefragt,  welche  Schritte 
sie  „als  Inhaberin  der  Police  zur  Erhebung  der  Versicherungs- 
summe zu  thun  habe."  Auf  dessen  Antwort  übersendete  sie 
ihm  die  gewünschten  Belege,  indem  sie  ihn  ersuchte,  ihr  „als 
Inhaberin  der  Police"  nach  Prüfung  der  Akten  den  Ver- 
sicherungsbetrag zu  übersenden.  Am  8.  Oktober  1900  forderte 
nun  aber  die  Direktion  der  Lebensversicherungsgesellschaft 
die  Klägerin  auf,  ihre  Rechte  auf  die  Police  nachzuweisen. 
Die  Klägerin  übersendete  hierauf  mit  Brief  vom  12.  Oktober 
beglaubigte  Absohrift  der  Briefe,  aus  welchen  sich  die  faust- 
pfändliche Hinterlage  der  Police  ergebe.  In  der  Folge 
wurde  in  der  konkursamtliohen  Liquidation  des  G. 'sehen 
Nachlasses  vom  Konkursamte  zwar  die  Forderung  der  Klä- 
gerin anerkannt,  aber  deren  Pfandrecht  bestritten,  weil  eine 
rechts  wirksam  e  Benachrichtigung  des  Schuldners  (der  Lebens- 
versicherungsgesellschaft) von  der  geschehenen  Verpfändung 
nicht  stattgefunden  habe.  Die  infolgedessen  von  der  Klägerin 
erhobene  Klage  auf  Anerkennung  ihres  Pfandrechts  wurde 
in  allen  Instanzen  abgewiesen.  Aus  den  Gründen  der  bundes- 
gerichtlichen  Entscheidung  ist  hervorzuheben: 

In  erster  Linie  wird  ausgeführt,  dass  die  Lebensversicherungs- 
police, wenn  sie  auch  auf  den  Inhaber  laute,  doch  gemäss  dem 
Zwecke  und  der  wirtschaftlichen  Funktion  solcher  Policen  kein 
reines  Inhaberpapier,  sondern  ein  blosses  Legitimationspapier 
«ei,  und  dass  daher  ihre  Verpfändung  gültig  nur  in  der  von  Art. 
215  0.  R.  vorgeschriebenen  Form  erfolgen  könne.  Sodann 
wird  bemerkt:  Für  die  „Benachrichtigung"  des  Schuldners 
bei  der  Verpfändung  einer  (einfachen)  Forderung  ist  eine  be- 
stimmte Form  nicht  vorgeschrieben.  Dagegen  ergiebt  sich 
sowohl  aus  dem  Wortlaute  des  Art.  215  O.K.,  wie  auch  aus 
dem  Zwecke  der  Benachrichtigung,  dass  der  Verpfändende 
dem  Schuldner  von  der  Thatsache  der  Verpfändung 
Mitteilung  zu  machen  hat.  Aus  dem  Wortlaute  folgt  dies, 
da  gesagt  ist,  der  Schuldner  müsse  „davon,"  und  das  kann 
in  diesem  Zusammmenhange  nichts  anderes  heissen  als  „von 
der  Verpfändung,"  benachrichtigt  werden.  Der  Zweck  der 
Benachrichtigung  aber  ist  (im  Gegensatze  zur  Anzeige,  De-  . 
nunciation,  bei  der  Abtretung,  die  nicht  zum  Uebergang  der 
Forderung  auf  den  Uessionar  erforderlich  ist,  sondern  lediglich 
dem  Schutze  des  Schuldners  dient)  der,  das  Pfandrecht  zu 
konstituieren;    die   Benachrichtigung    bildet   ein  wesentliches 


126 

Moment  der  Konstituierung  des  Pfandrechtes.  Erfolgt  die 
Benachrichtigung  des  Schuldners  durch  den  Pfandgläubiger, 
so  mu88  sie  daher  in  irgend  einer  Weise  dessen  Willen,  den 
Schuldner  als  Pfandgläubiger  in  Anspruch  zu  nehmen,  be- 
kunden ;  erfolgt  sie  —  was  ebenso  zulässig  ist  —  durch  den 
Pfandschuldner  (den  Verpfander  der  Forderung),  so  muss  aie 
ebenfalls  von  der  Thatsache  der  Verpfandung  Mitteilung 
machen.  Nach  diesen  Grundsätzen  aber  kann  nun  in  der 
That  im  Sôhreiben  der  Klägerin  vom  25.  August  190O  eine 
zur  Vollendung  der  Verpfändung  genügende,  rechtswirksarne 
Benachrichtigung  des  Schuldners  nicht  gefunden  werden; 
sondern  es  ist  mit  der  Vorinstanz  zu  sagen,  dass  die  Be- 
nachrichtigung erst  am  12.  Oktober  1900  erfolgte. 

In  diesem  Momente  konnte  nun  aber  eine  gültige  Pfand- 
bestellung jedenfalls  aus  dem  Grunde  nicht  mehr  stattfinden, 
weil  damals  schon  die  konkursamtliche  Liquidation  über  den 
Nachlass  des  Verpfänders  eröffnet  war.  Denn  obschon  Art. 
193  Schuldbetr.  und  Konk.-Ges.,  der  von  der  Liquidation  einer 
ausgeschlagenen  Verlassenschaft  handelt,  nur  vorschreibt,  diese 
Liquidation  geschehe  unter  Beobachtung  der  im  siebenten 
Titel  (der  das  Konkursverfahren  regelt)  enthaltenen  Be- 
stimmungen durch  das  Konkursamt,  und  auf  die  Bestimmungen 
des  materiellen  Konkursrechtes,  wie  namentlich  auch  Art.  197, 
nicht  Bezug  nimmt,  kann  doch  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  die  Bestimmung,  wonach  nach  der  Konkurseröffnung  rechts- 
gültige Verfügungen,  die  die  Rechtsstellung  der  Konkurs- 
gläubiger verändern,  nicht  mehr  vorgenommen  werden  können, 
daher  insbesondere  auch  die  Bestellung  eines  Pfandrechts 
nach  der  Konkurseröffnung  ungültig  ist,  auch  Anwendung 
findet  auf  die  konkursamtliche  Liquidation  einer  ausgeschla- 
genen Verlassenschaf r.  Da  nun  die  Rechte  aus  der  Lebena- 
versicherung8police  zum  Massagut  gehören,  und  zum  mindesten 
im  Zeitpunkt  der  Konkurseröffnung  ein  gültiges  Pfandrecht 
noch  nicht  bestellt  war,  konnte  eine  wirksame  Bestellung 
nach  jenem  Zeitpunkte  nicht  mehr  erfolgen. 

Da  die  Klage  jedenfalls  aus  diesem  Grunde  abzuweisen 
ist,  kann  die  weitere  Frage  unerörtert  bleiben,  ob  bei  der 
Liquidation  einer  ausgeschlagenen  Verlassenschaft  die  Wir- 
kungen der  Konkurseröffnung  zurückzubeziehen  seien  auf  den 
Zeitpunkt  des  Todes  des  Erblassers,  und  ob  daher  die  „Be- 
nachrichtigung" des  Schuldners  von  der  Verpfändung  der 
Police  unter  allen  Umständen  schon  zu  Lebzeiten  des  Ver- 
pfänders hätte  erfolgen  müssen,  um  gültig  zu  sein.  (Entsch.  vom 
11.  Mai  1901  i.  S.  Papierfabrik  Perlen  c.  Konkursmasse  (? übler.) 


127 

71.    O.R.  Art.  590  ff.,  602,  603,  604,  861,  863. 

1.  Bei  einer  aus  zwei  Personen  bestehenden  Kommandit- 
gesellschaft kann,  bei  Zustimmung  aller  Gesellschafter,  der 
Austritt  des  Kommanditärs  und  seine  Ersetzung  durch  einen 
neuen  Gesellschafter,  unter  Aufrechthaltung  der  Identität  der 
Gesellschaft,  gültig  vereinbart  werden. 

2.  Wenn  der  an  Stelle  des  ausgetretenen  Kommanditärs» 
neu  eingetretene  Gesellschafter  die  Kommanditsumme  zurück* 
gezogen  hat,  so  ist  der  ausgetretene  Kommanditär  bei  Konkurs 
der  Kommanditgesellschaft  zu  Einwerfung  der  zurückgezogenen 
Kommanditsumme  in  die  Masse  verpflichtet,  jedenfalls  dann,, 
wenn  sein  Austritt  aus  der  Gesellschaft  nicht  im  Handels- 
register  eingetragen  und  nicht  publiziert  wurde. 

3.  Die  Beweislast  für  den  Rückzug  einer  einbezahlten 
Kommanditsumme  trifft  die  Gesellschaftsgläubiger.  (Entsch* 
vom  15.  März  1901  i.  S.  Masse  Vuille  et  Cie  c.  Mathey.) 


72.  0.  B.  Art.  716,  717.  Vereine,  wiche  die  gegenseitige 
Unterstützung  ihrer  Mitglieder  in  Krankheitsfällen  zum  Zwecke 
haben,  sind  wirtschaftliche  Vereine,  welche  zur  Erlangung  des- 
Rechts  der  Persönlichkeit  im  Handelsregister  eingetragen  werden 
müssen.  —  Begriff  des  wirtschaftlichen   Vereins. 

Der  seit  Jahren  für  die  Wahlkreise  Horgen  und  Thalweil 
bestehende,  aber  nicht  in  das  Handelsregister  eingetragene 
Krankenverein  Helvetia,  welcher  die  Unterstützung  seiner 
Mitglieder  in  Krankheitsfällen  bezweckt,  klagte  gegen  die 
im  Jahre  1899  neugegründete,  den  gleichen  Zweck  verfolgende 
Genossenschaft  „Schweizerische  Krankenkasse  Helvetia"  in 
Zürich  dahin,  diese  sei  zu  verpflichten,  in  der  Bezeichnung 
ihres  Namens  das  Wort  Helvetia  wegzulassen.  Die  Klage 
wurde  vom  Bundesgericht  abgewiesen,  wesentlich  aus  folgenden 
Gründen: 

Der  klägerische  Verein  macht  mit  der  gegenwärtigen 
Klage  ein  Persönlichkeits-  oder  Individualrecht  geltend» 
Erste  Voraussetzung  der  Klage  bildet  somit,  dass  er*  auch 
wirklich  Persönlichkeit,  d.h.  recht  lieh  anerkannte  Individualität 
besitze.  Diese  Frage  ist  insoweit  eine  Frage  des  eidge- 
nössischen Rechts  und  daher  der  Entscheidung  des  Bundes- 
gerichts unterstellt,  als  nach  dein  Bundesgesetz  über  das 
Obligationenrecht  einerseits  alle  korporativ  gestalteten  privat- 
rechtlichen Personenverbände  durch  Eintragung  in  das  Han- 
delsregister das  Recht  der  Persönlichkeit  erwerben  können, 
anderseits  bei  Personenverbänden  mit  gemeinsamen  Zwecken 


128 

des  wirtschaftlichen  Verkehrs  die  Eintragung  für  die 
Entstehung  dieses  Hechts  schlechthin  unerlässlich  ist,  während 
Vereine  mit  idealen  Zwecken  auch  ohne  Eintragung  in 
<La8  Handelsregister  als  juristische  Personen  zu  gelten  haben, 
sofern  das  kantonale  Recht  sie  als  solche  anerkennt.  Nach 
«1er  für  das  Bundesgerioht  verbindlichen  Entscheidung  der 
Vorinstanz  sind  nun,  soweit  das  kantonale  züroh.  Recht  in 
Betracht  kommt,  bei  dem  klägerischen  Verein  die  Voraus- 
setzungen der  Rechtspersönlichkeit  vorhanden.  Da  aber  dieser 
Verein  anbestrittenermassen  nicht  im  Handelsregister  ein- 
getragen ist,  mu88  sich  fragen,  ob  er  zu  derjenigen  Kategorie 
ron  Personenverbänden  gehört,  deren  kraft  kantonalen  Rechts 
bestehende  Persönlichkeit  auch  bundesgesetzlich  anerkannt 
wird,  oder  ob  es  sich  bei  ihm  um  einen  Personenverband 
handle,  der  kraft  eidg.  Rechts  nur  durch  Eintragung  in 
das  Handelsregister  das  Recht  der  Persönlichkeit  erwerben 
kann.  Diese  Krage  hängt  nach  dem  Gesagten  davon  ab,  ob 
der  klägerische  Verein  sich  als  wirtschaftlicher  Verein,  d.  h. 
-als  Personenverband  mit  gemeinsamen  Zwecken  des  wirt- 
schaftlichen Verkehrs,  oder  aber  als  Verein  für  ideale  Zwecke 
darstelle  (Art.  717  Abs.  I  O.  R). 

Was  nun  die  Abgrenzung  der.  beiden  Kategorien  *on 
einander  anbelangt,  so  ist  von  vorneherein  klar,  und  von  der 
Vorinstanz  zutreffend  ausgeführt  worden,  dass  das  Kriterium 
eines  wirtschaftlichen  Vereins  jedenfalls  nicht,  wie  die  Be- 
klagte behauptet  hat,  im  Besitz  eines  Vermögens  gefunden 
werden  kann,  denn  der  Besitz  eines  Vermögens  s  chi  i  esst  ja 
offenbar  nicht  aus,  dass  der  Vereinszweck  auf  die  Pflege 
idealer  Güter  gerichtet  sei,  sondern  \at  im  Gegenteil  geeignet, 
und  teilweise  auch,  je  nach  dem  betreffenden  Gebiete,  auf 
welchem  die  idealen  Zwecke  verfolgt  werden,  zur  wirksamen 
Erreichung  derselben  sogar  erforderlich.  Ebenso  hat  die  Vor- 
instanz mit  Recht  angenommen,  dass  sioh  ein  Personenver- 
band auch  nicht  etwa  schon  dann  ohne  weiteres  als  wirt- 
schaftlicher Verein  darstelle,  wenn  er  sich  irgendwie  wirt- 
schaftlich bethätigt,  insofern  nämlich  unter  wirtschaftlicher 
Betätigung   überhaupt  jede  Bethätigung  im  wirtschaftlichen 

Verkehr    verstanden    wird Das  Wesentliche   für    die 

Unterscheidung  zwischen  wirtschaftlichen  und  sogenannten 
idealen  Vereinen,  und  damit  das  Kriterium  für  die  Not- 
wendigkeit der  Eintragung  in  das  Handelsregister  Hegt  nicht 
in  der  gelegentlichen  Bethätigung,  sondern  in  der  Zweck- 
bestimmung des  Personen  Verbandes.  Solange  der  Zweck 
des  Vereins  ausschliesslich  ein  idealer  bleibt,  bedarf  der  Verein, 


129 

sofern  das  kantonale  Recht  ihm  die  Rechtspersönlichkeit  ver- 
leiht, der  Eintragung  in  das  Handelsregister  nicht,  auch  wenn 
er  in  die  Lage  kommt,  Rechtsgeschäfte  des  wirtschaftlichen 
Verkehrs  abzuschliessen,  wie  umgekehrt  der  Umstand,  class 
die  Bestimmung  eines  Personenverbandes  in  der  Verfolgung 
gemeinsamer  wirtschaftlicher  Zwecke  besteht,  schlechthin  ge- 
nügt, um  seine  Eintragungspflicht  zu  begründen,  gleichviel  ob 
der  Umfang  der  thatsächlich  stattfindenden  wirtschaftlichen 
Bethätignng  ein  grösserer  oder  geringerer  sei. 

Es  mu8s  sich  also  einzig  fragen,  ob  der  Zweck  des 
klägerischen  Vereins  innerhalb  des  Gebietes  der  Wirtschaft, 
der  Verfolgung  eigener  ökonomischer  Interessen  durch  Zu- 
sammenwirken der  Vereinsgenossen  liege,  oder  ausserhalb 
derselben,  auf  dem  Gebiete  der  idealen  Güter  des  mensch- 
lichen Dasei ns,  sei  es  in  der  Pflege  der  Nächstenliebe  und 
Wohlthätigkeit,  der  Religion,  wissenschaftlicher,  künstlerischer 
oder  auch  geselliger  Bestrebungen.  Der  klägerische  Verein 
nun  bezweckt  nach  den  Statuten,  seine  Mitglieder  bei  Er- 
krankungen, Unglücksfällen  und  im  Sterbefall  zu  unterstützen. 
Diesem  Zwecke  dienen  die  statutarisch  vorgesehenen  Ein- 
trittsgebühren  und  die  von  jedem  Mitgliede  zu  leistenden 
monatlichen  Beiträge.  Der  Verein  verfolgt  hiernaoh  nioht 
etwa  gemeinnützige,  ausser  den  eigenen  Interessen,  bezw.  den 
Interessen  seiner  Mitglieder  liegende  Zwecke,  sondern  ledig- 
lich Interessen  der  Mitglieder  selbst,  und  zwar  ökonomische. 
Wer  dem  Verein  beitritt,  will  sich  gegen  die  Nachteile,  die 
Krankheit,  Unglücksfälle  und  der  Sterbefall  für  seine  wirt- 
schaftliche Situation  im  Gefolge  haben,  versichern,  und  zwar 
durch  Leistung  der  statutarisch  vorgeschriebenen  Geldbeiträge. 
Dieser  Zweck  ist  unverkennbar  ein  rein  wirtschaftlicher. 

Allerdings  sind  solche  Krankenvereine  Institutionen  zur 
allgemeinen  Wohlfahrt,  und  bedeutet  die  Unterstützung,  die 
im  einzelnen  Falle  einem  Mitgliede  zu  teil  wird,  eine  Wohl- 
that  für  dasselbe;  allein  darum  gehören  sie  noch  keineswegs 
zu  den  Körperschaften,  welche  Art.  716  0.  R.  im  Auge  hat 
und  die  Art.  717  cit.  in  Gegensatz  zu  den  wirtschaftlichen 
Vereinen  setzt.  Wie  bereits  der  Bundesrat  in  seinem  fie- 
kursalentscheid  vom  2.  April  1896  in  Sachen  der  allgemeinen 
Krankenkasse  der  Stadt  Biel  (Bundesblatt  1896  II.  Band, 
Seite  857  f.)  betont  hat,  versteht  das  eidg.  Obligationenrecht, 
wenn  es  in  Art.  7iü  von  Vereinen  zu  „wohlthätigen  Zwecken" 
spricht,  Zwecke  reiner  Wohlthätigkeit,  der  Wohlthätigkeit 
gegen  andere,  nach  aussen.  Bei  dem  klägerischen  Verein, 
wie    bei  den  Krankenkassen  überhaupt,    wird  aber  dem  Ein- 


130 

zelnen  Unterstützung  nicht  etwa  aus  Freigebigkeit,  aus  altru- 
istischen Motiven,  gewährt;  die  ihm  zukommende  Leistung 
erfolgt  auf  Grund  des  Mitgliedschaftsrechts  und  ihr  steht  als 
Gegenleistung  die  Pflicht  des  Einzelnen  zur  Zahlung  der 
Beiträge  gegenüber,  aus  deren  Summe  die  Unterstützungen 
bestritten  werden.  Die  Wohlthätigkeit  eines  solchen  Vereins 
seinen  Mitgliedern  gegenüber  ist  also  eine  wirtschaftliche 
Unterstützung,  sie  ist  Versicherung  (s.  Bundesrätl.  Entscheid 
a.  a.  0.). 

Die  Vorinstanz  hat  nun  aber  dem  klägerischen  Verein 
die  Rechtspersönlichkeit  trotz  mangelnder  Eintragung  ins 
Handelsregister  deshalb  zugesprochen,  weil  sie  annahm,  unter 
wirtschaftlichen  Vereinen  im  Sinne  des  Art.  717  0.  R.  seien 
nur  diejenigen  Personenverbände  zu  verstehen,  bei  welchen 
die  wirtschaftliche  Thätigkeit  nicht  bloss  nach  innen,  gegen- 
über den  Mitgliedern,  sondern  auch  nach  aussen  hin  zur 
Geltung  komme,  die  nicht  nur  gelegentlich  in  den  Verkehr 
treten,  sondern  geradezu  einen  Geschäftsverkehr  mit 
Dritten   bezwecken.     Allein    dieser  Auffassung   kann   nicht 

beigepflichtet  werden.  Aus  der  Fassung  des  Art.  678  O.  R 

lässt  sich  entscheidendes  dafür  nicht  herleiten Und  sodann 

ergiebt  sich  aus  dem  Zusammenhang  der  Art.  716  und  717 
0.  II.  mit  Sicherheit,  da  ss  Art.  717,  welcher  von  der  juristischen 
Persönlichkeit  von  wirtschaftlichen  Vereinen  handelt, 
mit  dieser  letzteren  Bezeichnung  den  Gegensatz  zu  den  in 
Art.  716  bezeichneten  Vereinen  zu  idealen  Zwecken  ausdrücken 
will,  woraus  folgt,  dass  unter  die  wirtschaftlichen  Vereine 
nach  Meinung  des  Gesetzes  alle  diejenigen  zu  zählen  sind, 
deren  Zweck  überhaupt  nicht  ein  idealer  im  Sinne  des  Art. 
716,  sondern  ein  wiitsch  atti  icher  ist,  ohne  Bücksicht  auf  die 
Art  und  Weise,  wie  dieser  Zweck  erreicht  wird,  ob  durch 
eigentliche  Verkehrsgeschäfte,  oder  durch  auf  Gegenseitigkeit 
gegründete  Versicherung  der  Mitglieder.  (Entsch.  vom  3.  Mai 
1901  i.  S.  Schweizerische  Krankenkasse  Helvetia  in  Zürich  c. 
Kranken  verein  „Helvetia"  Thal  weil  und  Horgen.) 


73.  0.  IL  Art.  148y  896.  Unfallversicherung.  Verjährungs- 
oder Veiwirkungsfristf  —  Versicherungsagenten  sind  in  der 
Regel  nicht  befugt,  Streitigkeiten  mit  den  Versicherten  über  die 
Zahlungspßicht  der  Gesellschaft  zu  ordnen.  Die  Zahlungsver- 
weigerung eines  Agenten  setzt  daher  eine  mit  der  Zahlungsver- 
weigerung der  Gesellschaft  beginnende  Verwirkungsfrtst  nicht  in 
Lauf. 


131 

1.  C'est  à  tort  que,  réformant  le  prononcé  émis  sur  oe 
point  par  le  juge  de  première  instance,  la  Cour  d'appel  a 
déclaré  que  l'art.  22  de  la  police1)  fixait  un  délai  de  prescription, 
que  les  conventions  des  parties  ne  pouvaient  modifier  le  délai 
de  prescription  établi  par  la  loi,  et  que  le  délai  accordé  à  W. 
pour  présenter  sa  réclamation  ne  pouvait  être  que  le  délai 
de  dix  ans  prévu  à  Part.  148  C.  0.  En  effet,  le  Tribunal 
fédéral  a  reconnu  déjà  dans  plusieurs  arrêts  que  —  quels 
que  soient  les  termes  employés  par  les  parties  —  les  dis- 
positions du  genre  de  celle  de  l'art.  22  de  la  police  ne 
constituent  pas  la  stipulation  d'un  délai  conventionnel  de 
prescription,  mais  bien  plutôt  des  clauses  d'échéance  limitant 
d'emblée  quant  à  la  durée  le  droit  de  l'assuré  de  réclamer 
une  indemnité  (Ree.  off  XVI,  page  791;  XXII,  page  601, 
602;  XXV,  2m*  partie,  page  559).  En  vertue  do  la  jurispru- 
dence fédérale,  la  police  liant  „  La  Cologne  "  et  W.  a  donc 
pu  valablement  stipuler  que  toute  réclamation  contre  l'assureur 
cesserait  d'être  efficace  six  mois  après  le  jour  où  la  société 
aurait  refusé  paiement  de  l'indemnité  réclamée.  Le  jugement 
dont  est  recours  constate,  il  est  vrai,  que  l'introduction  d'une 
véritable  clause  de  prescription  était  plausible  pour  les  con- 
trats que  „  La  Cologne  "  passait  en  Allemagne,  puisque  le 
droit  allemand  permet  aux  parties  d'abréger  par  convention 
les  délais  de  prescription.  Mais  l'objection  soulevée  ici  par 
l'arrêt  cantonal  ne  saurait  être  considérée  comme  fondée,  vu 
que  „La  Cologne "  ne  passe  pas  des  contrats  d'assurance  en 
Allemagne  seulement  et  qu'elle  entend,  sans-  aucun  doute, 
être  mise  au  bénéfice  de  la  clause  de  déchéance  de  l'art.  22 
dans  tous  les  pays  où  elle  se  lie  par  ses  polices. 

2.  Si  donc  „La  Cologne"  réclame  à  bon  droit  le  béné- 
fice du  délai  de  déchéance  prévu  à  l'art.  22  de  la  police,  il 
ne  s'ensuit  nullement  pour  cela  que  l'exception  fondée  par  la 
compagnie  d'assurance  sur  le  dit  article  doive  être  accueillie. 
C'est  avec  raison  en  effet  que  la  Cour  cantonale  a  déclaré 
que  l'accident  B.  n'avait  pas  été  examiné  par  l'assureur  con- 
formément aux  art.  10,  11  et  suivants  de  la  police  et  que  la 
lettre  écrite  le  23  avril  1898  par  L.,  agent  de  „La  Cologne," 
à  l'avocat  C,  représentant  de  W.,  ne  pouvait  pas  être  envi- 
sagée  comme   le   refus   de  paiement  prévu  à  l'art.  22 

!)  L'art.  62  de  la  police  porte  que  „toute  réclamation  contre  la  société 
est  prescrite  si  elle  n'a  pas  été  formulée  par  une  demande  régulière  devant 
le  juge  compétent  dans  les  six  mois  qui  ont  suivi  le  jour  où  la  société  a 
remis  à  la  poste  la  déclaration  portant  refus  de  payer  tout  on  partie  de 
l'indemnité  réclamée. a 


132 

En  effet,  l'art.  22  parle  de  l'envoi  „par  la  société"  de  la  dé- 
claration de  refus,  et  plusieurs  autres  articles  de  la  police, 
qui  emploient  également  le  terme  de  „la  société",  désignent 
manifestement  par  ce  mot  l'organe  central  de  la  compagnie, 
sa  direction,  à  l'exclusion  de  ses  organes  secondaires  et  notam- 
ment de  ses  agents.     D'autres   articles   désignent  par  contre 

en  termes  précis  les  agents  de  la  société En  doctrine 

il  est  admis  au  reste  que,  si  même  les  agents  d'une  compagnie 
d'assurance  ont  le  droit  de  conclure  des  contrats  au  nom  de 
la  société,  ces  agents  n'ont  pas  pour  cela  la  faculté  de  li- 
quider les  différends  nés  entre  l'assureur  et  l'assuré  quant 
à  l'indemnité  due  à  ce  dernier  (voir  V.  Ehrenberg,  die 
Verantwortlichkeit    der   Versicherungsgesellschaften    für    die 

Agenten) Il  s'en  suit  qu'un  refus  de  paiement  par  un 

agent  n'émane  pas  de  l'organe  compétent  de  la  société  „La 
Cologne"  et  n'a  pu  par  conséquent  ouvrir  cours  au  délai  de 
déchéance  de  six  mois  après  l'écoulement  duquel,  aux  termes 
de  l'article  précité,  toute  réclamation  de  l'assuré  est  prescrite. 
(Ent8ch.  vom  27.  April  1901  i.S.  Un  fall  Versicherungsgesellschaft 
„La  Cologne**  c.  Winkler- Kummer.) 


74.  linndesgrselz  betreffend  die  Erfindung  spaten  te  vom 
29.  Juni  lS88t  Art  1,  2,  10,  18.  Begriff  der  Erfindung.  Die 
Gerichte  haben  im  Nichtigkeitsverfahren  zu  prüfen,  ob  eine  Er- 
findung überhaupt  vorliege. 

P.  C,  Geschäftsbücherfabrikant  in  Z.,  klagte  gegen  J.  M.  N. 
&  Söhne,  Bücherfabrikanten  in  B.,  auf  Nichtigerklärung  des 
dem  Rechtsvorgänger  der  Beklagten  am  11.  Oktober  1895  er- 
teilten Patentes  für  Register  an  Geschäftsbüchern,  dessen 
„Patentansprüche"  folge ndermass en  lauten: 

1.  Register  an  Geschäftsbüchern,  gekennzeichnet  durch 
an  uneingeschnittene  Registerblätter  befestigte,  über  den  Buch- 
schnitt vorstehende  Registerbucbstaben. 

2.  Ausführungsform  des  unter  1  gekennzeichneten  Re- 
gisters, bei  welcher  die  Buchstaben  behufs  Verhinderung  des 
Einreissens  in  die  Registerblätter  doppelteilig  und  mit  oberer 
und  unterer  Verlängerung  und  zur  besseren  Debersichtlichkeit 
mit  abgeschrägter  Aussenkante  versehen  sind. 

Der  Kläger  machte  geltend: 

Gegenüber  dem  ersten  und  Hauptpatentanspruch  liege 
der  Nichtigkeitsgrund  der  mangelnden  Neuheit  der  Erfindung, 
gegenüber  dem  Patentanspruch  2  der  des  Nichtvorhandenseins 


133 

einer  Erfindung,  eventuell  ebenfalls  der  mangelnden  Neuheit 
einer  Erfindung  vor. 

Die  Klage  wurde  sowohl  vom  Appellations-  und  Kassations- 
Hofe  des  Kantons  Bern  als  vom  Bundesgerichte  für  begründet 
erklärt.  In  der  bundesgerichtlichen  Entscheidung  wird  zunächst 
ausgeführt,  es  könne  sich  für  das  Bundesgericht  nur  noch  um 
den  Patentanspruch  2  und  auch  um  diesen  nur  insoweit 
handeln,  als  die  Registerbuchstaben  behufs  besserer  Ueber- 
sichtlichkeit  mit  abgeschrägter  Âussenkante  versehen  seien, 
denn  die  übrigen,  in  den  Patentansprüchen  aufgezählten 
wesentlichen  Merkmale  der  Erfindung  seien  nicht  neu,  da 
nach  den  für  das  Bundesgericht  verbindlichen  Feststellungen 
der  Yorin8tanz  Register  mit  diesen  Eigenschaften  längst  vor 
der  Patentanmeldung  öffentlich  hergestellt  worden  seien.  Das 
Bundesgericht,  welchem  die  Prüfung  der  Frage,  ob  eine  Er- 
findung wirklich  vorliege,  nach  dem  System  des  schweizerischen 
Patentgesetzes  bei  der  Entscheidung  über  die  Nichtigkeits- 
klage allerdings  zustehe,  habe  demnach  nicht  zu  untersuchen, 
ob  die  Patentansprüche  1  und  2  zusammen  den  Begriff  der 
Erfindung  im  Sinne  der  Bundesgesetze  erfüllen  würden,  sondern 
nur,  ob  die  Abschrägung  der  Âussenkante  der  Register- 
buchstaben sich  als  eine  solche  Erfindung  darstelle. 

Hierüber  wird  sodann  bemerkt: 

Eine  Erfindung  wäre  dann  vorhanden,  wenn  zwischen  der 
patentierten  Formgestaltung,  der  schrägen  Abkantung 
der  Registerlappen,  und  der  Zweckbestimmung,  dem  Ge- 
brauche, des  Registers  ein  Zusammenhang  bestände,  welcher 
ein  von  dem  bisher  Bekannten  nicht  bloss  quantitativ,  sondern 
qualitativ  verschiedenes  Resultat  ergäbe,  indem  es  die 
Ueberwindung  einer  technischen  Schwierigkeit  enthielte, 
welche  man  bisher  entweder  gar  nicht,  oder  nur  mit  andern 
Mitteln  zu  überwinden  vermochte  (vergi.  Kohl  er,  patentrechtl. 
Forschungen,  S.  39  f).  In  Betracht  kommt  bei  solchen  Re- 
gistern, wenn  nicht  ausschliesslich,  so  doch  besonders  die  Er- 
leichterung des  Auffind ens  der  Registerbuchstaben  (vergi. 
Kohler,  über  die  Grenzen  des  Gebrauchsmusterschutzes  in  der 
Zeitschrift  für  gewerblichen  Rechtsschutz,  Bd  1,  Nr.  6).  Nun  ist 
allerdings  anzuerkennen,  dass  nach  den  Aussagen  der  Experten 
und  Zeugen  die  patentierte  Lappengestaltung  eine  gewisse 
Abweichung  von  dem  bisher  Bekannten  und  Gebräuchlichen 
zeigt,  und  es  mag  auch  angenommen  werden  (was  übrigens 
die  Vorinstanz,  der  die  Würdigung  der  Zeugen-  und  Experten- 
aussagen abschliessend  zukommt,  nicht  als  erwiesen  er- 
klärt),   dass   durch   die   schräge  Abkantung  der  Buchstaben 


134 

die  Uebersichtliohkeit  und  dadurch  die  Handhabung  des 
Registers,  d.  h.  die  Auffindung  des  einzelnen  Buchstabens 
etwas  erleichtert  werde.  Allein  diese  Abweichung  bezw.  Er- 
leichterung ist  immerhin  von  so  ausserordentlich  minimer  Be- 
deutung, dass  in  der  Foruiveränderung  in  Zusammenhang  mit 
dem  Resultate  derselben  auf  den  Gebrauch  des  Registers  resp. 
der  Geschäftsbücher,  welchen  diese  Register  beigefügt  werden, 
keine  schöpferische  Idee,  d.  h.  keine  selbständige  eigenartige 
Neuerung  gegenüber  dem  bisher  Bekannten,  erblickt  werden 
kann,  welche  durch  Ueberwindung  einer  bisher  nicht  über- 
wundenen Schwierigkeit,  die  mit  dem  Gebrauch  der  bisher 
bekannten  und  benützten  Register  verbunden  gewesen,  erzielt 
worden  wäre.  Darin,  dass  die  Benutzung  des  patentierten 
Registers  möglicherweise  in  unbedeutender  Weise  erleichtert 
wird,  kann  ein  durch  Ueberwindung  einer  bisher  nicht  über- 
wundenen technischen  Schwierigkeit  erzielter  technischer 
Fortschritt  offenbar  nicht  gefunden  werden.  Das  Resultat  der 
patentierten  Kombination  ist  im  wesentlichen  das  Gleiche, 
wie  das  der  bisher  bekannten  und  benutzten  Registerlappen, 
und  jedenfalls  nicht  qualitativ  von  denselben  verschieden. 
(Entsch.  Yom  10.  Mai  1901  in  S.  Neher  &  Söhne  c.  Carpentier.) 


75.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurt  vom 
lì.  April  1889,  Art.  204.  Voraussetzungen  und  Gültigkeit  einer 
vom  Gemeinschuldner  nach  Konkursausbruch  geleisteten  Wecksei- 
zahlung. 

G.  B.  hat  am  23.  Januar  1899,  nachdem  bereits  am 
16.  Dezember  1898  über  ihn  der  Eonkurs  ausgebrochen  war, 
einen  von  ihm  am  18.  November  1898  an  die  Ordre  des  F.  S. 
ausgestellten  protestierten  Eigenwechsel  über  Er.  3500  bei 
der  Eantonalbank  in  B.,  an  welche  F.  S.  denselben  gegen 
Empfang  des  Wechsel betrags  indossiert  hatte,  eingelöst;  der 
Bank  war  damals  die  Konkurseröffnung,  da  sie  erst  später 
publiciert  wurde,  unbekannt.  Die  Konkursmasse  des  ti.  B. 
forderte  nun  von  F.  S.  den  Wechselbetrag  von  Fr.  3500  au- 
rück.  Die  Klage  wurde  vom  Bundesgerichte  abgewiesen,  im 
wesentlichen  aus  folgenden  Gründen:  Erst,  wenn  die  Zahlung 
des  Wechselbetrages  an  die  Kantonalbank  in  B.  als  unter 
die  Bestimmung  des  Art.  204  Abs.  2  Schuldbetr.  u.  Konk.-Ges. 
fallend  und  somit  als  gültig  erklärt  werden  muss,  kann  die 
weitere  Frage  entstehen,  ob  der  Klägerin  gegenüber  dem 
Beklagten  ein  Anspruch  analog  dem    in  der  deutschen  Konk.- 


135 

Ordg.  §  34  (alt  §  27)  Abs.  2  normierten  zusteht.  Die  Frage 
der  Gültigkeit  jener  Zahlung  ist  daher  in  erster  Linie  zu  prüfen. 
Nun  stellt  Art.  204  Abs.  1  den  Grundsatz  auf,  dass  Rechts- 
handlungen, die  der  Gemeinschuldner  nach  der  Konkurs- 
eröffnung in  Bezug  auf  Vermögensstücke,  die  zur  Konkurs- 
masse gehören,  vornimmt,  den  Konkursgläubigern  gegenüber 
ungültig  sind.  Dass  die  hier  in  Frage  stehende  Zahlung  Be- 
zug hat  auf  Vermögensstücke,  die  zur  Konkursmasse  gehören, 
kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  und  sie  ist  daher,  gemäss 
diesem  Grundsatze,  als  ungültig  zu  erklären,  falls  auf  sie  nicht 
die  Ausnahmebestimmung  des  Abs.  2  eod.  zutrifft.  Diese  Be- . 
Stimmung  stellt  eine  einzige  Ausnahme  von  dem  in  Abs.  1 
an  die  Spitze  gestellten  Grundsatze  auf:  die  Zahlung  eines 
vom  Gemeinschuldner  ausgestellten  oder  auf  ihn  gezogenen 
Wechsels  wird,  trotzdem  sie  nach  der  Konkurseröffnung  ge- 
macht wird,  dann  als  gültig  erklärt,  wenn  sie  erstens  geschieht 
bei  Verfall,  wenn  sie  zweitens  erfolgt  vor  der  öffentlichen  Be- 
kanntmachung des  Konkurses,  wenn  ferner  der  Wechselinhaber 
von  der  Konkurseröffnung  keine  Kenntnis  hatte,  und  wenn 
endlich  der  Wechselinhaber  im  Falle  der  Nichtzahlung  den 
wechselrechtlichen  Regres*  gegen  Dritte  mit  Erfolg  hätte  aus- 
üben können.  Diese  streng  umschriebene  Ausnahme  vom 
allgemeinen  Grundsatze  der  Ungültigkeit  der  nach  der  Kon- 
kurseröffnung vom  Gemeinschuldner  vorgenommenen  Rechts- 
geschäfte erklärt  sich  einzig  aus  wechselrechtlichen  Grund- 
sätzen, nämlich  daraus,  dass  unter  gewissen  Voraussetzungen 
der  Wechselinhaber  bei  Verlust  seines  Wechselanspruchs  gegen 
andere  Wechselverpflichtete  zur  Annahme  der  Zahlung  ver- 
pflichtet ist.  Die  Bestimmung  hat  zum  Zwecke,  den  Wechsel- 
inhaber davor  zu  bewahren,  dass  einerseits  die  Zahlung  un- 
gültig erklärt  wird  (er  sie  also  zurückerstatten  muss),  und  er 
anderseits  seinen  Regressanspruch  verliert.  Die  Bestimmung 
will  somit  genau  dasselbe  besagen,  wie  §  34  (alt  §  27)  Abs.  1 
der  deutschen  Konkurs-Ordnung,  wobei  der  Umstand,  dass  sie 
sich  in  dem  deutschen  Gesetze  im  Abschnitte  über  die  An- 
fechtbarkeit der  vor  der  Konkurseröffnung  (aber  nach  der 
Zahlungseinstellung  oder  nach  dem  Antrag  auf  Eröffnung  des 
Verfahrens)  vorgenommenen  Rechtshandlungen  des  Gemein- 
schuldners findet,  für  deren  Wesen  und  Zweck  im  Vergleich 
mit  der  Bestimmung  des  eidg.  Schuldbetreibungsgesetzes  ohne 
Bedeutung  ist.  (Vergi,  v.  Salis  in  Reicheis  Komment. 
Art.  204  Anm.  8;  Jäger,  Komment.  Art.  204  Anra.  11.)  Fragt 
es  sich  also,  ob  die  in  Frage  stehende  Zahlung  unter  die  ge- 
nannte Ausnahmebestimmung   falle,   so  ist  richtig,    dass  vor- 


,  L IJI  IJjpOP 


136 

liegend  die  Zahlung  erfolgte  vor  der  öffentlichen  Bekannt- 
machung des  Konkurses,  das  a  ferner  der  Wechselinhaber  von 
der  Konkurseröffnung  keine  Kenntnis  hatte,  und  dass  er  end- 
lich im  Falle  der  Nichtzahlung  den  wechselrechtlichen  Regress 
gegen  Dritte  (d.  h.  gegen  den  Beklagten)  mit  Erfolg  hätte 
ausüben  können.  Allein  der  innere  Grund,  weshalb  die  ge- 
dachte Ausnahmebestimmung  getroffen  worden  ist,  trifft  auf 
die  fragliche  Zahlung  nicht  zu:  die  Kantonalbank  war  nicht 
bei  Verlust  ihres  Regressanspruches  gegen  den  Beklagten  ver- 
pflichtet, die  Zahlung  entgegenzunehmen.  Denn  bei  Verfall 
war  der  Wechsel  nicht  bezahlt  worden,  und  nun  hatte  die 
Kantonalbank  den  Protest  mangels  Zahlung  unbestrittener- 
ina8sen  rechtzeitig  und  in  gehöriger  Form  erheben  lassen. 
Damit  aber  hatte  sie  sich  ihr  Regressrecht  gegen  den  Be- 
klagten gewahrt,  und  sie  konnte  also  nicht  mehr  bei  Verlust 
ihres  Regressrechts  zur  Annahme  der  Zahlung  verbunden  sein. 
Es  handelt  sich  demnach  nicht  um  eine  Zahlung,  die  geschehen 
ist  unter  den  in  Art.  204  Abs.  2  vorgesehenen  Voraussetzungen; 
die  Zahlung  muss  daher  nach  dem  allgemeinen  Grundsatz 
des  Abs.  1  eod.  als  ungültig  erklärt  werden.  (Vergi."  auch 
Entsch.  d.  Reichsgerichts  Bd  40,  S.  41/43.)  Alsdann  aber 
kann  von  einem  Klagerecht  der  Klägerin  gegen  den  Beklagten 
keine  Rede  sein  und  muss  die  Klage  abgewiesen  werden. 
(Entsch.  vom  30.  Mai  1901  i.  S.  Konkursmasse  Balsiger  c. 
Siegenthaler.) 

76.  Bundesuesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art.  288. 

1.  Eine  Öchuldanerkennung  des  Gemeinschuldners  bleibt 
an  sich  auch  gegenüber  der  Konkursmasse  verbindlich.  Doch 
gehört  die  Schuldanerkennung  zu  den  Rechtshandlungen, 
welche  nach  Massgabe  des  Art.  288  cit.  anfechtbar  sind. 

2.  Die  Benachteiligungs-  oder  Begünstigungsabsicht  im 
Sinne  des  Art.  288  ist  gegeben,  wenn  Schädigung  oder  Be- 
günstigung als  die  natürliche  Folge  der  Rechtshandlung  vom 
Schuldner  vorausgesehen  werden  müssen,  während  nicht  er- 
forderlich ist,  dass  Schädigung  oder  Begünstigung  der  Zweck 
der  Handlung  gewesen  seien.  Sie  ist  daher  gegeben,  wenn 
der  Schuldner  sich  vom  Gläubiger  durch  heftige  Vorstellungen 
hat  bestimmen  lassen,  für  ausgeführte  Arbeiten  einen  über- 
setzten, in  dieser  Höhe  nicht  wirklich  geschuldeten  Betrag 
anzuerkennen.  (Entsch.  vom  25.  April  1901  i.  S.  Masse  Garcin 
c.  Borel-Monti.) 


131 

B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


77.  Assurance.    Prime  payée  après  l'expiration  de  la  police» 

Condictio  indebiti t  Art.  72  C.  0. 

Genève«  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  15  juin  1901 
d.  1.  c.  La  Garantie  fédérale  c.  Hermann. 

L.  Hermann  a  formé  une  demande  contre  La  Garantie 
fédérale,  société  d'assurance  mutuelle  contre  la  mortalité  de» 
bestiaux,  en  restitution  d'une  prime  de  fr.  151.  60  payée  pour 
l'année  1899 — 1900;  il  prétend  que  sa  police,  conclue  pour 
dix  ans  le  24  août  1889,  avait  pris  fin  le  23  août  1899;  que, 
par  conséquent,  il  avait  payé  indûment  la  prime  de  1899 — 1900. 
La  Garantie  fédérale  a  soutenu  qu'en  vertu  de  ses  statuts  la 
police  avait  été  prolongée  de  cinq  ans  par  tacite  reconduc- 
tion. Le  Tribunal  de  première  instance  a  condamné  la  Ga- 
rantie fédérale  à  restituer  à  Hermann  le  montant  de  la  prime 
de  1899 — 1900.  La  Garantie  fédérale  a  interjeté  appel  de  ce 
jugement  pour  contravention  au  tezte  de  la  loi,  notamment 
de  l'art.  72  C.  0.  La  Cour  a  débouté  Hermann  de  ses  con- 
clusions. 

Motifs:  En  condamnant  l'appelante  à  la  restitution  de 
la  prime  payée,  le  Tribunal  a  voulu  faire  application  de 
l'art.  72  C.  0.  Or,  cet  article  dispose  que  celui  qui  a  payé- 
volontairement  ce  qu'il  ne  devait  pas,  ne  peut  le  répéter  qu'à 
charge  de  prouver  qu'il  a  payé  parce  que  par  erreur  il  se 
croyait  débiteur. 

Le  Tribunal  ne  constate  pas  que  Hermann  ne  fait  pas- 
cette  preuve  qui  lui  incombait.  Il  fait  ainsi  abstraction  d'une 
condition  essentielle  de  l'application  de  l'art.  72. 

D'antre  part,  bien  qu'il  doive  être  admis,  comme  l'a  fait 
le  premier  juge,  que  le  contrat  d'assurance  n'a  pas  été  re- 
nouvelé pour  cinq  ans,  on  ne  peut  pas  ne  pas  admettre  que 
la  compagnie  ait  été  engagée,  vis-à-vis  d'Hermann,  pendant 
la  nouvelle  année  pour  laquelle  il  avait  payé  sa  prime.  Le 
paiement  fait  par  Hermann  à  la  compagnie  a  donc  eu  pour 
corre8pectif  le  risque  d'assurance  couru  par  celle-ci,  qui  n'a 
fait  ainsi  aucun  profit  illégitime. 

En  condamnant  la  compagnie  à  restituer  la  prime  à 
Hermann,   alors   que   celui-ci   ne  faisait  pas  la  preuve  exigée 

Î>ar  l'art.  72  C.  0.,  le  Tribunal  a  contrevenu  au  dit  article  et 
'appel  est  recevable.  (La  Semaine  judiciaire,  XXIIT  p.  587  88.) 


11 


78.  Verjährung.  Sehn  Idaher  kmnung  durch  handlungs- 
unfähige Personen  bewirkt  keine  Unterbrechung.    Art.  J54  O.  R. 

Ztlrtoh.  Urteil  der  Appel lationskammer  des  Obergerichtes  vom 
5.  Juli  1901  i.  S.  Konsum  verein  VVürenliügen  c.  Frau  Huber. 

Eine  am  3.  August  1899  erhobene  Klage  auf  Zahlung 
einer  von  der  Mutter  der  Beklagten  eingegangenen  Schuld- 
verpflichtung wurde  von  der  Beklagten  als  verjährt  bestritten. 
Oie  Klägerin  berief  sich  für  die  Unterbrechung  der  Verjährung 
auf  eine  Anerkennung  der  Beklagten,  die  darin  liege,  dass 
sie  Vormundschaftsrechnungen  über  das  Vermögen  der  da- 
maligen Gläubigerin,  worin  diese  Forderung  aufgeführt  war, 
in  Anwesenheit  der  Gläubigerin  unterschriftlich  als  richtig 
anerkannt  habe.  Die  Beklagte  wandte  ein,  dass  sie  zu  der 
Zeit,  da  sie  die  zweite  (hier  einzig  in  Betracht  fallende) 
Rechnung  unterschrieben  habe,  am  5.  März  1891,  schon  mit 
Heinrich  Huber  verheiratet  gewesen  und  die  Unterschrift 
daher  für  sie  nicht  verbindlich  sei,  weil  sie  unter  Vormund- 
schaft ihres  Ehemannes  gestanden  habe.  Das  Gericht  schützte 
die  Beklagte  bei  ihrer  Einrede.  Zwar  liege,  sagt  es,  in  der 
Unterzeichnung  der  Vormundschaftsrechnung  an  und  für  sich 
eine  Schuldanerkennung  im  Sinne  des  Art.  154  0.  R.,  aber 
die  Unterschrift  sei  wegen  Handlungsunfähigkeit  nicht  ver- 
bindlich. 

„Es  steht  fest,  dass  die  Beklagte  am  5.  März  1891  nicht 
handlungsfähig  war,  da  sie  sowohl  nach  §  589  des  zürch. 
Pr.  G.-B.  als  auch  nach  §  51  des  aarg.  bürgerl.  Gesetzb.1) 
unter  der  Vormundschaft  ihres  Mannes  stand.  Da  die  Aner- 
kennung des  Art.  154  0.  R.  insofern  eine  Veränderung  des 
Forderungsrechtes  bewirkt,  als  gemäss  Art.  156  mit  der  durch 
sie  begründeten  Unterbrechung  der  Verjährung  eine  neue 
Verjährung  beginnt,  so  ist  die  Anerkennung  als  ein  (einseitiges) 
Rechtsgeschäft  zu  betrachten,  durch  das  allerdings  nicht  ein 
neuer  Schuldgrund  geschaffen  wird,  das  aber  eben  eine  teil- 
weise Aenderung  des  Forderungsrechtes  zur  Folge  hat.  Vergi. 
Endemann,  Lehrbuch  des  bürgerl.  Rechts,  BdI,§91,IIL  1. 
Die  Anerkennung  einer  Schuld  bewirkt  daher  nur  dann  die 
Unterbrechung  der  Verjährung,  wenn  sie  von  einer  handlungs- 
fähigen Person  ausgeht.  So  wenig  nun  das  minderjährige 
Kind  eine  solche  Anerkennung  rechtswirksam  aussprechen 
könnte,  so  wenig  kann  die  Unterschrift  der  handlungsunfähigen 
Ehefrau  rechtliche  Bedeutung  beanspruchen.  Vergi,  in  diesem 


l)    Der  Ehemann  ist   nämlich  zürcherischer  Kantonsbürger,   das   ehe- 
liche Domizil  befand  sich  aber  damals  im  Aargau. 


139 

Sinne  auch  die  Kommentare  zutn  deutschen  bürgert.  Gesetzbuch 
von  Planck  und  Holder,  zu  §  208  D.  B.  G.  B.  Die  Ver- 
jährung ist  also  seit  dem  Monate  Juni  1888  nicht  mehr 
rechtswirksam  unterbrochen  worden  und  deshalb  war  die 
Forderung  am  3.  August  1899,  dem  Zeitpunkt  der  ersten 
Klageeinleitung,  bereits  verjährt." 

(Schweizer.  Blätter  f.  h.-r.  Entsch.,  XX  S.  227  f.) 


79.  Kaufvertrag.  Rücksendungspflichi  des  Besteuert 
bei  Ansichtware  innerhalb  der  vom  Verkäufer  gesetzten  Frist. 
Art.  271  0.  R. 

St.  Gallen.   Entscheid  der  Rekurskommission  vom  3.  August  1900. 

Am  18./20.  Juli  1899  ersuchte  der  Buchdrucker  B.  im 
Toggenburg  den  Verleger  À.  in  Berlin  uro  Auswahlsendungen 
von  Feuilletonmaterial  und  Lesestoff.  A.  schickte  ihm  sofort 
(21.  Juli)  „eine  hübsche  Kollektion  von  durchweg  gutem 
Feuilletonmaterial  und  Lesestoff  verschiedenen  Genres  zu  den 
angegebenen  Honoraren"  und  fügte  dem  Begleitschreiben  die 
Worte  bei:  „Sie  wollen  nunmehr  unter  dem  heute  gesandten 
Ihre  nähere  Wahl  treffen  und  mir  diejenigen  Manuskripte, 
welche  Sie  nicht  behalten,  im  Zeitraum  bis  30.  Dezember  d.  J. 
als  abgelehnt  unbenutzt  zurücksenden.  Wenn  es  nicht 
.geschieht,  so  wird,  was  bis  zu  diesem  Tage  nicht  wieder  in 
meine  Hände  gelangt,  als  von  Ihnen  angenommen  angesehen 
und  nicht  wieder  zurückgenommen,  und  wäre  Ihr  Konto  mit 
den  Honoraren  nach  Rechnung  zu  begleichen.  Falls  Ihnen 
die  Paketsendung  nicht  richtig  zu  Händen  kommt,  so  bitte 
ich  um  sofortige  Reklamation,  sowie  auch,  sollten  Sie  mit 
diesen  Bedingungen  nicht  einverstanden  sein,  um  sofortige 
Rücksendung." 

B.  erhob  keine  Reklamation  gegen  diese  Bedingungen, 
liess  aber  auch  die  Frist  bis  Ende  Dezember  verstreichen; 
am  1.  Februar  1900  schrieb  daher  Â.  an  B.,  er  ersuche  ihn, 
die  mit  der  Ansichtsendung  zugestellte  Rechnung  im  Betrag 
von  Fr.  413  zu  bezahlen.  Darauf  antwortete  B.  am  5.  Februar, 
er  schicke  ihm  Fr.  2  in  Briefmarken  für  das  Stück  „Bilder 
aus  Brasilien,"  das  übrige  retourniere  er  als  ihm  nicht  konvenie- 
rend. Diese  Rücksendung  nahm  A.  nioht  an  und  belangte 
den  B.  auf  Zahlung  des  Gesamtbetrages,  Das  Bezirksgericht 
verurteilte  den  Beklagten,  und  dessen  Nichtigkeitsbeschwerde 
wurde  abgewiesen.  Er  hatte  die  Niohtigkeit  darin  finden 
wollen,  dass  das  Bezirksgericht  Art.  271  angewendet  habe, 
während  doch  ein  Kauf  gar  nicht  zu  stände  gekommen  sei 


140 

und  sein  Schreiben  vom  18. /20,  Juli  1899  nur  die  Einladung  ent- 
halten habe,  ihm  eine  Offerte  zu  machen,  so  dass  er  noch  gar 
nicht  gebunden  gewesen  sei.  Es  seien  also  Art.  3  und  folg. 
0.  R.  massgebend,  wonach  wer  einen  Antrag  nicht  ausdrück- 
lich ablehnt,  deshalb  nicht  an  denselben  gebunden  sei.  Die 
Rekurskommission  antwortete  darauf: 

Die  vom  Rekurrenten  B.  als  verletzt  bezeichneten  Artikel 
des  0.  R.  sind  nicht  verletzt.  Nachdem  B.  am  18. /20.  Juli 
1899  den  Rekursbeklagten  A.  zu  einer  Auswahlsendung  auf- 
gefordert hat,  war  dieser  veranlasst  und  berechtigt,  ihm  eine 
solche  zukommen  zu  lassen.  Es  besteht  daher  schon  deswegen 
zwischen  den  Parteien  nicht  dasselbe  Geschäfts-  und  Rechts- 
verhältnis, wie  zwischen  dem  Buchhändler  und  solchen  Dritten, 
denen  er  unaufgefordert  Ansichtsendungen  macht,  mit  der 
Androhung,  dass  sie  als  verkauft  gelten,  falls  sie  nicht  binnen 
bestimmter  Frist  zurückgesandt  werden.  Es  lag  auch  in  der 
Natur  der  Sache  und  des  Geschäftes,  dem  Empfänger  die  Auswahl 
aus  der  Sendung  nicht  auf  unbestimmt  lange  Zeit  freizugeben 
und  sich  so  der  eigenen  anderweitigen  Verfügung  über  die  Ware 
für  ebenso  lange  Zeit  zu  entäussern,  sondern  für  die  Aus- 
wahl und  für  die  Rücksendung  der  nicht  zum  Ankauf  gewählten 
Ware  eine  bestimmte  Frist  zu  setzen,  mit  deren  Ablauf  die 
bis  dahin  nicht  zurückgesandte  Ware  als  verkauft  gelten 
solle.  Es  liegt  nichts  vor,  dass  die  vom  Rekursbeklagten  A. 
hierfür  gesetzte  Frist  den  Geschäftsübungen  und  den  Verkehrs- 
bedürfnissen in  diesem  Geschältszweige  nicht  angemessen, 
dass  sie  zu  kurz  gewesen  sei,  um  dem  Warenempfänger  B. 
eine  sachgemässe  Prüfung  der  Ware,  die  Auswahl  des  zu 
behaltenden,  die  Ausscheidung  des  zurückzusendenden  Materials 
und  die  Bekanntgebung  seiner  EntSchliessungen  zu  ermöglichen. 
Zudem  hat  der  Rekursbeklagte  A.  die  Ueberlassung  der 
Sendung  zur  Auswahl  und  seine  Terminierung  für  die  Auswahl 
und  für  die  eventuelle  Rücksendung  an  die  Bedingung  geknüpft, 
falls  der  Empfänger  B.  mit  diesen  Bedingungen  nicht  ein- 
verstanden sei,  so  verlange  er  (A.)  die  sofortige  Rücksendung 
des  ganzen  Auswahlmaterials.  Zur  Stellung  dieser  Bedingung 
war  A.  gewiss  berechtigt  und  hatte  durch  sein  Geschäfts- 
interesse auch  alle  Veranlassung  hierzu,  und  diese  Bedingung 
ist  vom  Rekurrenten  B.  als  Empfänger  der  Auswahlsendung 
stillschweigend  angenommen  worden. 

(Entsch.  des  Kantonsgerichts  des  K.  St.  Gallen  im  J.  1900,  S.  101  ff.  Nr.  34.) 


141 

80.  Dienstvertrag.  Zeitpunkt  der  Einklagbarkeil  einer 
Schadenersatzforderung  für  widerrechtliche  Kündigung.  Art  346 
Abs.  3  0.  R. 

Bern.  Urteil  des  App.-  and  Kass. -Hofes  vom  2.  November  1900 
i.  S.  Stoll  c.  Bommer,  Rabas  &  Cie. 

Stoll  beklagte  die  Firma  Bommer,  Rabus  &  Cie  auf 
Schadenersatz  wegen  widerrechtlicher  Auflösung  des  zwischen 
den  Parteien  auf  drei  Jahre  abgeschlossenen  Dienstvertrages. 
Die  Beklagte  beantragte  Abweisung  zur  Zeit:  auch  wenn 
Kläger  entsohädigungsbereohtigt  sein  sollte,  lasse  sich  der 
Schaden  zur  Zeit  noch  gar  nicht  feststellen,  da  Stoll  bis  zum 
Ablauf  der  Dienstzeit  eine  gleich  gute  oder  sogar  bessere 
Stelle  finden  oder  auch  sterben  könnte,  und  dann  aus  dem 
Vertragsbrüche  gar  kein  Schaden  erwachsen  wäre.  Der  An- 
spruch sei  auch  noch  gar  nicht  fällig.  Der  App.-  und  Kass,- 
Hof  verwarf  aber  diese  Einwendung. 

Motive:  Sobald  sich  die  Beklagte  unberechtigter  Weise 
weigerte,  den  mit  dem  Kläger  abgeschlossenen  Dienstvertrag 
weiter  zu  erfüllen,  verwandelte  sich  der  Anspruch  des  Klägers 
auf  Vertragserfüllung  in  einen  solchen  auf  Schadenersatz, 
•dessen  Klagbarkeit  selbstverständlich  nicht  davon  abhängt, 
<las8  die  Höhe  des  effektiven  Schadens  schon  dermalen  ziffer- 
tnässig  feststehe.  Das  letztere  wird  überhaupt  selten  der  Fall 
«ein,  und  gerade  deswegen  ist  der  Richter  angewiesen,  die 
ökonomischen  Folgen  einer  vorzeitigen  Auflösung  des  Dienst- 
vertragesunter Würdigung  der  Umstände  und  des  Ortsgebrauches 
nach  freiem  Ermessen  zu  bestimmen  (Art.  346  Abs.  3  0.  R.). 
(Zeitschr.  d.  Bern.  Jur.-Ver.  XXXVII  S.  277.) 


81.  Contrat  d'édition.  Droit  de  traduction.  Art.382C.O: 

N  euch  Atel.  Jugement  du  Tribunal  cantonal  du  15  novembre  1900 
<L  1.  c.  Hoirs  Gravard  c.  Zahn. 

A.  Gavard  et  F.  Zahn  ont  conclu  un  contrat  qui  stipu- 
lait que  0.  s'engage  à  livrer  à  Z.  le  manuscrit  en  langue 
française  d'une  histoire  du  peuple  suisse  pendant  ces  derniers 
cent  ans  et  que  Z.  le  fera  imprimer  et  le  publiera  sous  titre 
de  „La  Suisse  au  XIX*  siècle."  L'art.  7  du  contrat  stipule 
•que  „le  manuscrit  avec  tous  les  droits  qui  s'y  rattachent, 
•spécialement  ceux  de  la  propriété  littéraire,  sont  cédés  et 
transportés  par  Or.  à  Z.  qui  en  devient  le  propriétaire  ab- 
solu et  en  a  la  libre  et  entière  disposition."  Ce  contrat  a 
été  exécuté  de  la  part  des  deux  contractants.  L'ouvrage  parut 
«n  1898.   Après  la  mort  de  6.  ses  hoirs  ont  décidé  de  faire 


142 

traduire  en  allemand  et  en  italien  „l'Histoire  de  la  Suisse 
au  XIX*  siècle."  Zahn  s'est  opposé  à  tonte  traduction  de  cet 
ouvrage  dont  il  était  seul  propriétaire.  Les  hoirs  6.  ont  fait 
valoir  que  le  contrat  ne  renferme  pas  môme  le  mot  de  tra- 
duction et  qu'il  n'a  jamais  été  question,  entre  l'auteur  et  l'é- 
diteur, d'une  cession  du  droit  de  traduction.  Le  Tribunal  can- 
tonal a  écarté  la  demande  des  hoirs  G. 

Motif:  Aux  termes  de  l'art.  382  C.  0.,  le  droit  de  tra* 
flucti  on  demeure  réservé  à  l'auteur,  sauf  convention  contraire. 
Une  pareille  convention  peut  exister,  sans  que  l'acte  renferme 
nécessaire  tirent  le  mot  de  „traduction,*  à  la  condition  que  le 
trannfert  du  droit  de  traduction  à  l'éditeur  résulte  d'autres 
expressions  suffisamment  claires.  En  l'espèce,  le  manuscrit 
était  cédé  à  Zahn  avec  tous  les  droits  qui  s'y  rattachent,  en 
des  termes,  il  est  vrai,  très  généraux,  mais  il  ne  semble  pas 
possible  de  leur  donner  une  autre  signification  que  celle-ci: 
L'auteur  transfère  à  l'éditeur  tous  les  droits  résultant  de  la 
propriété  littéraire,  ce  qui  comprend  le  droit  de  traduction. 
(Jugements  da  Trib.  cantonal  de  Neuchâtel,  Y  p.  581  sa.) 


82,  Traité  franco- suisse  du  15  juin  1869,  art.  3. 
Election  de  domicile  imposée  aux  actionnaires  par  les  statuts  de 
ta  société  devant  tes  tribunaux  du  siège  de  celle-ci. 

(>enè\e.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  16  février  1901 
ri\  U  fi.  Diel, 

Bunneau,  syndic  de  l'union  des  créanciers  de  la  faillite 
de  la  Banque  d'Escompte  de  Paris,  a  formé  contre  A.  Diel 
devant  le  Tribunal  de  Genève  une  demande  tendant  à  faire 
déclarer  exécutoire  dans  le  canton  un  jugement  rendu  par  le 
Tribunal  de  commerce  de  la  Seine  et  condamnant  Diel  à 
payer  la  somme  de  2500  fr.  pour  libération  des  troisième  et 
quatrième  quarts  de  dix  actions  de  la  Banque  d'Escompte  de 
Paris  dont  Diel  était  porteur.  Diel  a  contesté  la  compétence 
du  Tribunal  français  et  soutenu  que  c'est  devant  les  juges 
de  son  domicile,  à  Genève,  que  la  demande  eût  dû  être 
formée.  Bonneau  expliquait  que  la  contestation  était,  aux 
termes  de  l'art.  52  des  statuts  de  la  société  demanderesse, 
du  ressort  exclusif  des  tribunaux  du  département  de  la  Seine.  — 
Le  Tribunal  de  première  instance  a  déclaré  exécutoire  le 
jugement  prononcé  contre  Diel  par  le  Tribunal  de  la  Seine; 
il  a  estimé  que,  suivant  la  clause  des  statuts  qui  ordonne 
aux  actionnaires  de  faire  élection  de  domicile  dans  le  dépar- 
tement de  la  Seine   et   qui   décide   qu'à  défaut  d'élection  de 


I 


143 

domicile  les  notifications  seront  faites  valablement  au  Parquet 
du  Tribunal  de  la  Seine,  la  compétence  de  ce  tribunal  était 
fondée.  —  Diel  a  interjeté  appel  de  ce  jugement;  il  allègue 
qu'il  a  été  simple  acheteur  en  bourse  des  actions  au  porteur 
de  la  Banque  et  qu'il  ne  saurait  être  engagé  par  une  clause 
des  statuts  de  cette  société  qui  aurait  pour  conséquence  de  le 
distraire  de  ses  juges  naturels,  que  l'action  formée  contre  lui 
est  purement  personnelle  et  ne  dérive  point  d'une  des  con- 
testations prévues  aux  statuts  '  comme  entraînant  une  modifi- 
cation du  for,  et  qu'il  n'a  jamais  été  souscripteur  d'action» 
de  la  Banque  et  n'a  jamais  connu  les  statuts  de  cette  société, 
alors  surtout  que  la  clause  de  l'art.  52  ne  figure  pas  dan» 
l'extrait  des  statuts  inséré  dans  le  titre. 

La  Cour  a  confirmé  le  jugement  de  la  première  instance,, 
en  adoptant  les  motifs  de  celle-ci  et  ajoutant: 

Diel  est  actionnaire  de  la  Banque  et  il  a  fait  acte  d'ac- 
tionnaire vis-à-vis  de  la  société,  alors  qu'il  a  demandé  l'é- 
change d'actions  non  libérées  contre  des  actions  libérées,  et 
il  importe  peu  qu'il  prétende  n'avoir  pas  eu  connaissance  de 
la  clause  des  statuts  de  la  société  qui  donne  compétence  aux 
tribunaux  de  la  Seine  pour  connaître  des  contestations,  car 
il  ne  tenait  qu'à  lui  de  la  connaître,  et  sa  qualité  d'action- 
naire entraîne  pour  lui  adhésion  aux  statuts  qui  forment  la 
loi  des  parties. 

L'action  en  paiement  du  solde  du  prix  d'une  action  non 
encore  libérée  constitue  bien  une  créance  personnelle,  mai» 
elle  revêt  en  même  temps  le  caractère  d'une  contestation 
entre  la  société  demanderesse  et  l'un  de  ses  actionnaires  et 
l'élection  de  domicile,  prévue  aux  statuts,  a  pu  être  invoquée 
contre  Diel  qui,  par  cette  élection,  a  donné  compétence  au 
Tribunal  de  la  Seine  pour  connaître  d'une  action  même  per- 
sonnelle et  mobilière.  L'action  exercée  par  le  syndic  de  la 
faillite  d'une  société  anonyme  contre  l'un  des  actionnaires  de 
cette  société,  pour  le  contraindre  à  remplir  ses  devoirs  sociaux, 
soit  à  payer  le  solde  du  prix  de  ses  actions,  revêt  au  plus 
haut  degré  le  caractère  d'une  contestation  entre  la  société  et 
un  actionnaire,  en  raison  de  cette  qualité  d'actionnaire.  L'ar- 
ticle 52  des  statuts,  en  prescrivant  un  for  spécial  pour  les 
contestations  avec  les  actionnaires,  a  eu  certainement  en  vue 
des  conteslations  de  la  nature  de  celle  qui  a  été  tranchée 
contre  Diel  par  le  Tribunal  de  commerce  de  la  Seine. 

(La  Semaine  judiciaire,  XXIII  p.  170  88.) 


1 


I.  Alphabetisches  Sachregister. 


Abtretung,  von  Forderungen,  Bedeutung  des  Erfordernisses  schrift- 
licher Beurkundung,  Nr.  69;  Gewährspflicht  für  den  Bestand, 
Nr.  31;  im  Pfändungsverfahren,  Nr.  51;  an  Zahlungsstatt, 
Anfechtbarkeit,  Nr.  20. 

Agenten  von  Versicherungsgesellschaften,  Umfang  ihrer  Vollmacht, 
Nr.  73. 

Agenturvertrag,  wichtige  Aufhebungsgründe,  Nr.  8. 

Aktiengesellschaft,  deliktsunfähig,  Nr.  40;  Uebernahme  der  vor  der 
Gründung  fur  sie  eingegangenen  Verpflichtungen,  Nr.  13  ;  Be- 
dingung der  Domicilerwählung  in  den  Statuten  für  die  Aktio- 
näre verpflichtend,  Nr.  82. 

Anfechtung  eines  Vertrags  in  fraudem  creditoruin,  Nr.  18,  20; 
Benachteilignng8absicht,  Nr.  19;  von  Schuldanerkennungen  des 
Gern  eins  chuldner8  durch  die  Masse,  Nr.  76. 

Angestellte,  Haftpflicht  für  solche,  Nr.  21;  A.  von  Fabriken,  Haft- 
pflicht für  Verschulden  nach  Art.  50  0.  R.,  Nr.  40. 

Anwendbarkeit,  eidgenössischen  Rechts,  auf  Schiedsmannsklauseln 
in  Versicherungsverträgen,  Nr.  28;  auf  Viehhandel,  Nr.  37; 
betr.  Handlungsfähigkeit  fur  Testameutserrichtung,  Nr.  47. 

kantonalen  Rechts,  auf  Verlöbnisvertrag,  Nr.  3;  auf  Schaden- 
ersatzverpflichtungen  aus  öffentlich-rochtlicher  Obligation,  Nr.  4  ; 
auf  vertragliche  Ansprüche  aus  Liegenschaftskauf,  Nr.  29; 
auf  Verpfändung  grundversicherter  Forderungen,  Nr.  32;  auf 
Kompensation  mit  grundversicherten  Forderungen,  Nr.  36; 
auf  Gewährleistung  bei  Viehhandel,  Nr.  37;  betr.  Wirkung 
des  Eintritts  in  ein  Prozessverhältnis,  Nr.  51;  betr.  Sicher- 
heitsleistung für  betreibende  Gläubiger  bei  Liegenschaftsver- 
äusserung,  Nr.  62. 

fremden  Rechts,  betr.  Existenz  einer  ausländischen  Gesell- 
schaft, Nr.  31. 

zeitliche,  des  0.  R.  auf  schon  vor  1883  bestehende  Gesell- 
schaften, Nr.  67. 

Arglist,  des  Verkäufers,  wiefern  in  Lieferung  wissentlich  mangel- 
hafter Ware  liegend,  Nr.  6;  gegenüber  dem  Makler,  Nr.  10; 
Einrede  gegen  Wechselklage,  Nr.  23. 

Arrest,  für  bedingte  Forderungen,  Nr.  68. 

Arzt,  Vertrag  mit  ihm,  Dienstvertrag,  Nr.  7;  Haftpflicht,  Nr*  7; 
für  seinen  Assistenten,  Nr.  7. 

Ausfall,  auf  zweiter  Gant,  Nr.  25. 

Au8geschlagene  Verlassenschaft,  im  Konkurswege  liquidiert,  Nr.  70. 


145 

Bedingte  Forderungen,  wiefern  durch  Sicherungsmassregeln  und 
Arrest  zu  schützen,  Nr.  68. 

Benachrichtigung,  des  Schuldners  von  der  Verpfändung,  Nr.  70. 

Bereicherungsklage,  Beweislast,  Nr.  49  ;  aus  bezahlter  Prämie  nach 
Erlöschen  der  Police,  Nr.  77. 

Berufskrankheiten,  bei  Haftpflicht,  Beweiswürdigung,  Nr.  17;  bei 
Fabrikhaftpflicht,  Nr.  61. 

Berufung  (au  das  B.  Gr.),  gegen  Hauptnrteile,  ergreift  von  selbst 
auch  die  Zwischenurteile,  Nr.  27. 

Berufungsfrist,  bei  Kollokationsstreit  über  ansgeschlagene  Erb- 
schaft, Nr.  1. 

Betrug,  bei  Werkvertrag,  Nr.  43. 

Beweis,  des  Diebstals  bei  Vindikation,  Nr.  45. 

Beweislast,  für  Verschulden  des  Arztes,  Nr.  7  ;  bei  Spieleinrede, 
Nr.  12;  für  Selbstverschulden  in  Haftpflichtfällen,  Nr.  16; 
des  Schuldners  für  unverschuldete  mora,  Nr.  30;  bei  Cession 
für  Bestand  der  Forderung,  Nr.  31;  bei  Bereicherungsklage, 
Nr.  49;  betr.  Befugnisse  des  Gesellschaftsliquidators,  Nr.  57; 
betr.  Rückerstattung  bezogener  Zinsen  oder  Gewinns  durch 
die  Eommanditäre,  Nr.  58;  betr.  Regressrecht  des  Bürgen  auf 
den  Hauptschuldner,  Nr.  55;  für  Rückbezug  einer  Kommandit- 
8umme,  Nr.  71. 

Bürgschaft,  Gläubigerpflicht  zu  Anzeige  der  Pfändung  des  Schuld- 
ners an  den  Bürgen,  Nr.  54;  gemeinsame  Verbürgung,  Nr.  54; 
Rückgriff  des  Bürgen  auf  den  Hauptschuldner,  Nr.  55. 

Cession,  s.  Abtretung. 

Condictio  indebiti,  s.  Bereicherungsklage. 

Deliktischer  Charakter  des  Verlöbnisbruches,  Nr.  3. 

Delikts-  oder  Vertragsklage?  Nr.  21,  29. 

Deliktsunfähigkeit  von  Aktiengesellschaften,  Nr.  40. 

Dienstvertrag,  bei  ärztlicher  Leistung,  Nr.  7  ;  wichtige  Aufhebungs- 
gründe, Nr.  35  ;  insbesondere  bei  Agenturvertrag,  Nr.  8  ;  Zeit- 
punkt der  Einklagbarkeit  einer  Schadenersatzforderung,  Nr.  80. 

Domicilerwählung  der  Aktionäre  in  den  Statuten  der  Aktiengesell- 
schaft, Nr.  82. 

Ehescheidung,  wegen  entehrender  Strafe,  Nr.  15;  unzulässig  vor 
ehelichem  Zusammenleben,  Nr.  46. 

Eigentumsklage,  s.  Vindikation. 

Einrede  der  Verwirkung  bei  Haftpflichtversicherung,  wem  entgegen- 
stehend, Nr.  38. 

Entscheide,  öffentlich-rechtliche,  Titel  für  Rechtsöffnungsbegehren, 
Nr.  24. 

Erfindungspatente,  Begriff  der  Erfindung,  Nr.  74. 

Exceptio  doli  bei  Wechselreiterei,  Nr.  60. 


146 

Fabrik-  and  Handelsmarken,  s.  Markenschutz. 

Fälligkeit  der  zur  Kompensation  verstellten  Forderung,  Nr.  50. 

Frist  der  Berufung,  s.  Berufungsfrist. 

Gant,  s.  Versteigerung. 

Gebrauch,  vertraglich  vorausgesetzter,  einer  Ware,  Nr.  33. 

Geldschulden,  Folgen  des  Verzuges,  Nr.  30. 

Genossenschaft,  Haftpflicht  des  Vorstands  und  der  Liquidatoren, 
Nr.  59. 

Gerichtsstand,  s.  Kompetenz. 

Geschäftsherr,  Haftpflicht,  Nr.  63. 

Gesellschaft,  Befugnisse  des  Liquidators,  Nr.  57.  S.  auch  Kollektiv-, 
Kommandit-,  Aktiengesellschaft. 

Gestohlene  Sachen,  Begriff  nach  0.  R.,  Nr.  52. 

Gewährleistung  bei  Viehhandel,  wieweit  unter  kantonalem  Rechte 
stehend,  Nr.  37. 

Gewährspflicht  des  Verkäufers  für  Sachmängel,  Nr.  6  ;  des  Ceden- 
ten  für  den  Bestand  der  Forderung,  Nr.  31. 

Grundversicherte  Forderungen,  Verpfändung,  unter  kantonalem 
Rechte  stehend,  Nr.  32;  Kompensation  mit  solchen,  nach 
kantonalem  Rechte  beurteilt,  Nr.  36. 

Haftpflicht,  des  Arztes,  bei  unrichtiger  Krankenbehandlung,  Nr.  7; 
für  seinen  Assistenten,  Nr.  7;  des  Unternehmers  für  Brauch- 
barkeit des  Werkes,  Nr.  9;  für  den  Ausfall  auf  nachfolgen- 
der Gant,  Nr.  25;  aus  Fabrikbetrieb,  des  Fabrikherrn  für 
Berufskrankheiten,  Nr.  17,  61;  für  Angestellte,  Nr.  21,  40, 
63;  Entschädigungsmaximum,  Nr.  40;  Höhe  der  Entschädi- 
gung bei  Nachlassvertrag,  Nr.  41;  der  Eisenbahnen  bei  Tö- 
tung, Selbstverschulden?  Nr.  16,  39.    S.  auch  Schadenersatz. 

Haftpflichtgesetz,  Verhältnis  zum  gemeinen  Rechte,  Nr.  40. 

Haftpflichtversicherung,   unrichtige  Angaben,  Verwirkung,   Nr.  38. 

Handelsregister,  Eintragung  wirtschaftlicher  Vereine,  Nr.  72. 

Handlungsbevollmächtigter,  Umfang  der  Vollmacht,  Nr.  11. 

Handlungsfähigkeit  für  Testamentserrichtung,  wieweit  nach  eidge-. 
nössischem  Rechte  zu  beurteilen,  Nr.  47. 

Haupturteile,  Berufung  dagegen  auch  Zwischenurteile  ergreifender. 2  7. 

Indossamente,  zusammenhängende  Reihe  nötig  für  Wechselregress, 
Nr.  14. 

Inhaberpapiere,  gestohlene,  Vindikation,  Nr.  45;  wann  Legitima- 
tionspapiere, Nr.  70. 

Jugendliche  Personen,  Selbstverschulden  des  Unfalls,  Nr.  39. 

Kassation,  des  Bundesgerichtes  in  Civilsachen,  Voraussetzungen, 
Nr.  37. 

Kauf,  in  Ratenlieferungen,  Rücktritt  bei  Mängeln  einzelner  Lie- 
ferungen? Nr.  5;  Mängelrüge,  Nr.  22;  Mängel  erst  im  Keime 


147 

vorhanden,  Nr.  34;  Prüfung  der  Ware,  wann?  Nr.  33;  Ge- 
währspflicht des  Verkäufers,  Nr.  6  ;  auf  Besicht,  Fristansetzung, 
Nr.  79. 

Kausalzusammenhang  zwischen  Fabrikbetrieb  und  Erkrankung,  Nr.  1 7. 

Kaution  für  Prozesskosten,  eines  im  Auslande  wohnenden  Schwei- 
zers, Nr.  26. 

Kollektivgesellschaft,  Fortdauer  bei  Mitgliederwechsel,  Nr.  56;  Ur- 
teil gegen  eine  K.,  wieweit  wirksam  gegen  die  einzelnen  Ge- 
sellschafter, Nr.  66. 

Kollokationsstreit,  Berufungsfrist,  Nr.  1. 

Kommanditgesellschaft,  Anfechtung  einer  Verpfändung  des  Kom- 
plementars, Nr.  19;  Einlagen  der  Kommanditäre,  Nr.  58; 
Rückerstattungspflicht  derselben,  Nr.  58;  Ersetzung  eines  aus- 
tretenden Kommanditärs  durch  einen  andern,  Nr.  71;  Rück- 
Ziehung  der  Kommanditsumme,  Nr.  71. 

Kompensation,  gegen  grundversicherte  Forderungen  nach  kanto- 
nalem Recht  zu  beurteilen,  Nr.  36;  im  Konkurse  des  Schuld- 
ners, Nr.  44;  Fälligkeit  der  Forderung,  Liquidität,  Nr.  50. 

Kompetenz  des  Bundesgerichtes,  ausgeschlossen  betr.  Streit  über 
Kantion  des  veräussernden  Liegen  Schaftseigentümers  für  be- 
treibende Gläubiger,  Nr.  62;  ausländischer  Gerichte  infolge 
Domicilerwählnng,  Nr.  82. 

Konkurrenzverbot,  Auslegung  und  Gültigkeit,  Nr.  48. 

Konknrs,  Mietzinsforderung  im  K.,  Nr.  53;  einer  Genossenschaft, 
Anspruch  der  G.  gegen  ihren  Vorstand,  Nr.  59. 

Konkursschuld  oder  Massaschnld?  Nr.  44. 

Iieben8versicherungspolice,  Legitimationspapier,  Nr.  70. 

Legitimationspapiere,  auch  auf  Inhaber  lautende  Leben  s  Versiche- 
rungspolicen, Nr.  70. 

Liegenschaftseigentümer,  Veräusserungsbeschränknng  gegenüber  be- 
treibenden Gläubigern,  Nr.  62. 

Liegenschaftskauf,  nnter  kantonalem  Rechte  stehend,  Nr.  29. 

Liquidation,  konkursamtliche,  einer  ausgeschlagenen  Verlassenschaft, 
Nr.  70. 

Liquidator,  einer  Gesellschaft,  Umfang  seiner  Befugnis,  Nr.  57; 
einer  Genossenschaft,  Haftpflicht  wem  gegenüber?  Nr.  59. 

Liquidität  der  Forderung,  zu  mora  des  Schuldners  nicht  erforder- 
lich, Nr.  30;  der  zu  kompensierenden  Forderung  nicht  er- 
forderlich, Nr.  50. 

Maklerlohn,  wann  verdient?  Nr.  10. 

Mängel,  von  Ratenlieferungen,  ob  zu  Rücktritt  vom  ganzen  Ver- 
trage berechtigend?  Nr.  5;  der  Ware,  Lieferung  trotz  Kennt- 
nis derselben,  ob  als  dolns  des  Verkäufers  zu  betrachten? 
Nr.  5  ;  der  Ware,  bei  Lieferung  erst  im  Keime  vorhanden,  Nr.  34. 


148 

Mängelrüge,  ob  verspätet?  Nr.  22  ;  verspätet  bei  Werkvertrag,  Nr.  36. 

Markenschutz,  für  ausländische  Marken,  Nr.  42. 

Massaschuld  oder  Konkarsschuld?  Nr.  44. 

Miete  einer  Wandfläche  für  Affichen,  Nr.  53. 

Mietzinse,  wieweit  im  Eonkurse  geltend  zu  machen,  Nr.  53. 

Wachlassvertrag,   Einfluss  auf  Haftpflichtentschädigung  des  Nach- 
lassschuldners,  Nr.  41. 

Prämienzahlung  nach  Erlöschen  der  Police,  Nr.  77. 

Prozesskostenkaution  eines  im  Auslande  wohnenden  Schweizers,  Nr.  26. 

Prüfung  der  Ware  auf  ihre  Empfangbark eit,  wann?  Nr.  33. 

Recht,  eidgenössisches,  kantonales,  u.  s.  w.  s.  Anwendbarkeit. 

Rechtsöflhung   auf  Grund  öffentlich-rechtlicher  Entscheide,  Nr.  24. 

Rechts-  und  Thatfrage,  Nr.  12;  bei  der  Anfechtungsklage,  Nr.  19. 

Retentionsrecht,  an  grundversicherten  Forderungen,  wieweit;  Nr.  32. 

Rügefrist  bei  Hausbau,  Nr.  36. 

Schaden,   unmittelbarer  ans   Lieferung   mangelhafter  Ware,   Be- 
griff, Nr.  6. 

Schadenersatz,  für  Erfüllungsverzug  bei  Verschulden,   Nr.  30;  ans 
fehlerhafter  Aufstellung  von  Telephonstangen,  Nr.  2. 
s.  auch  Haftpflicht. 

Schiedsgerichts-  und  Schiedsmän nervertrag,  rechtliche  Natur,  Nr.  28. 

Schriftliche  Beurkundung  der  Abtretung,  rechtliche  Bedeutung,  Nr.  69. 

Schnldanerkennung,  des  Gemeinschuldners,  Anfechtbarkeit,  Nr.  76; 
Handlungsunfähiger,  Nr.  78. 

Schuldbriefverpfändnng,   Mitverpfändung  verfallener  Zinse,  Nr.  64. 

Selbstverschulden  eines  Unfalls,  jugendlicher  Personen,  Nr.  39  ;  Be- 
weis im  Haftpflichtprozesse,  Nr.  16. 

Sichernngsmas8regeln  für  bedingte  Forderungen,  Nr.  68. 

Solidarschuldner,  Urteil  gegen  einen  S.  unwirksam  gegen  den  an- 
dern, Nr.  66. 

Spieleinrede,  Beweislast,  Nr.  12. 

Strafe,  entehrende,  Begriff  (im  Ehescheidungsprozesse),  Nr.  15. 

Teilung  des  Maklerlohnes  bei  mehreren  Maklern,  Nr.  10. 

Telephonstange,  fehlerhaft  aufgestellt,  Schadenersatz,  Nr.  2. 

Testament8errichtnng,   Handlungsfähigkeit  wiefern   nach   eidgenös- 
sischem Rechte  nötig?  Nr.  47. 

That-  und  Rechtsfrage,  Nr.  12;  bei  der  Anfechtungsklage,  Nr.  19. 

Uebernahme  von  Verpflichtungen  der  Gründer  durch   die  Aktien- 
gesellschaft, Nr.  13. 

Uebersetzungsrecht,  bei  Verlagsvertrag,  Nr.  81. 

Unfallversicherung,  Umfang  der  Vollmacht  der  Agenten,  Nr.  73. 

Unsittlicher  Vertrag,  Nr.  28,  48. 

Veräusserungsbeschränkung    des    betriebenen    Liegenschaftseigen- 
tümers, Nr.  62. 


149 

Verbot  von  Wirtschaften  durch  einen  Bannnternehmer  an  seine 
Arbeiter,  Nr.  65. 

Vereine,  wirtschaftliche,  Begrifl,  Nr.  72. 

Verjährung,  bei  Haftpflichtklagen,  Nr.  61  ;  der  Gesellschaftsklage, 
Beginn,  Nr.  67;  Unterbrechung  erfolgt  nicht  durch  Schuld- 
anerkennung Handlungsunfähiger,  Nr.  78. 

Veijährungs-  oder  Verwirkungsfrist?  bei  Unfallversicherung,  Nr.  73. 

Verlags  vert  rag,  Uebersetzungsrecht,  Nr.  81. 

Verlöbnisbruch,  wann  Delikt?  Nr.  3. 

Verlöbnisvertrag,  unter  kantonalem  Rechte  stehend,  Nr.  3. 

Verpfändung,  von  Privatvermögen  des  Komplementärs  für  eine  Ge- 
sellschaftsschuld, Nr.  19;  grundversicherter  Forderungen  unter 
kantonalem  Rechte  stehend,  Nr.  32;  eines  Schuldbriefes,  Mit- 
verpfändung der  verfallenen  Zinsen,  Nr.  64;  von  Lebensver- 
sicherungspolicen, Erfordernisse,  Nr.  70. 

Verrechnung,  s.  Kompensation. 

Verschulden,  bei  Verzug,  Folgen,  Nr.  30. 

Versicherung,  gegen  Unfall,  unrichtige  Angaben,  Folge,  Nr.  38; 
verspätete  Prämienzahlung,  Nr.  77. 

Versicherungsvertrag,  Schiedsmannsklausel,  Nr.  28. 

Versteigerung,  Ausfall  auf  einer  zweiten,  Nr.  25. 

Vertrags-  oder  Deliktsklage?  Nr.  21,  29. 

Verzicht  auf  Wandelang  bei  Kauf,  Nr.  6. 

Verzug  des  Schuldners,  auch  ohne  Liquidität  der  Forderung  mög- 
lich, Nr.  30. 

Verzugszinsen,,  auch  ohne  Verschulden  des  Debitors  bei  Geld- 
schulden zahlbar,  Nr.  30. 

Viehhandel,  Gewährleistung,  wieweit  unter  kantonalem  Rechte  ste- 
hend, Nr.  37. 

Vindikation,  gestohlener  Inhaberpapiere,  Nr.  45  ;  gestohlener  Sachen, 
Nr.  52. 

Vollmacht  des  Handlungsbevollmächtigten,  Umfang,  Nr.  11;  des 
Agenten  in  Versicherungen,  Nr.  73. 

Vorstand  einer  Genossenschaft,  Haftpflicht  wem  gegenüber?  Nr.  59. 

Wandelung  bei  Kauf,  Verzicht  darauf,  Nr.  6. 

Wechselklage,  Einrede  der  Arglist,  Nr.  23;  Einreden,  Nr.  60. 

Wech8elregress,  Voraussetzung,  Nr.  14. 

Wechselzahlung,  nach  Konkursausbruch,  ob  gültig?  Nr.  75« 

Werkvertrag,  Haftbarkeit  für  Unbrauchbarkeit  des  Werkes,  Nr.  9  ; 
verspätete  Mängelrüge,  Nr.  36;  Betrug,  Nr.  43. 

Zahlungsmittel,  übliches,  Begriff,  Nr.  20.' 

Zinse,  verfallene,  mitverpfändet  bei  Schuldbriefverpfändung,  Nr.  64. 

Zwischenurteile,  in  der  Berufung  gegen  Haupturteile  inbegriffen, 
Nr.  27. 


150 


II.  Gesetzesregister. 


I 

.  Obligationenrecht 

Art. 

16 

Nr. 

48. 

Art. 

255          ] 

Kr. 

5. 

» 

17 

» 

28.  48. 

ff 

271 

« 

79. 

» 

24 

» 

43. 

» 

338 

»? 

7.  8. 

» 

50 

» 

3.  29.  40.  65. 

» 

343 

» 

35. 

» 

55 

» 

3. 

» 

346 

ff 

8.  35.  80. 

ff 

62 

» 

63. 

» 

348 

» 

7. 

» 

67 

» 

2. 

» 

350 

« 

9. 

» 

70 

ff 

49. 

ff 

356 

i> 

9. 

ff 

72 

« 

77. 

» 

357 

?» 

36. 

» 

76 

9 

3.  4. 

ff 

358  f. 

« 

9. 

» 

110 

» 

5.  30.   59. 

* 

360 

» 

36. 

ff 

113 

ff 

21.  30.  59. 

ff 

382 

» 

81. 

n 

115 

» 

7.  21. 

ff 

406 

» 

10. 

ff 

117  ff. 

» 

30. 

ff 

426 

» 

11. 

n 

130 

ff 

36. 

ff 

496 

» 

54. 

ff 

131 

8 

50. 

ff 

604 

»s 

55. 

» 

136 

» 

44. 

ff 

508,  510 

» 

54. 

» 

148 

ff 

73. 

ff 

512 

« 

12. 

ti 

149 

ff 

67. 

ff 

524,  544 

ff 

31. 

» 

154 

» 

78. 

» 

545 

« 

67. 

» 

162 

ff 

66. 

ff 

552 

» 

56. 

ff 

172 

ff 

68. 

ff 

559 

* 

66. 

» 

176 

ff 

10. 

M 

564 

9 

19. 

ff 

183 

» 

51. 

ff 

565,  575 

ff 

56. 

» 

184 

» 

69. 

ff 

580,  582 

ff 

57. 

» 

192 

» 

31. 

» 

590 

» 

58.  71. 

ff 

205 

» 

52.  64. 

ff 

591,  596 

ff 

58. 

7» 

206 

» 

45.  52. 

» 

600,  601 

» 

19. 

u 

210 

» 

32. 

ff 

602 

9 

58.  71. 

7) 

212 

ff 

70. 

ff 

603  f. 

ff 

71. 

ff 

213 

ff 

64. 

» 

605 

ff 

58. 

ff 

214 

» 

70. 

ff 

611 

ff 

57. 

» 

215 

» 

32.  70. 

ff 

623 

9 

13. 

ff 

224 

» 

32. 

ff 

674 

ff 

59. 

ff 

231 

ff 

29. 

» 

678 

ff 

72. 

ff 

234 

ff 

5. 

» 

704,714f 

•  » 

59. 

ff 

243 

ff 

5.  6.  33.  34. 

» 

716  f. 

ff 

72. 

7» 

246 

ff 

22.  33. 

ff 

755 

9 

14. 

ff 

253 

» 

6. 

» 

811 

9 

23.  60. 

151 


Art.  846     Nr.  70. 

Art.  890  Nr.  37. 

„  861,  863  ,  71. 

,  891   „  67. 

,882    .  ,  67. 

»  896  ,  28. 

38.  73. 

.  888      ,  40. 

IL  Bundesgesetz    betreffend    die    persönliche    Handlungs- 
fähigkeit, vom  22.  Juni  1881. 
Art.  1,  3  Nr.  47. 

HI.  Bundesgesetz  betreffend  die  Feststellung  und  Beurkun- 
dung des  Civilstands  und  die  Ehe,  vom  24.  Christ- 
monat 1874. 


Art.  29  f. 

.    45 


Nr.  3. 

.    46. 


Art.  46  Nr.  15. 

.    47    ,     46. 


und 


IV.  Bundesgesetz  betreffend  den  Schutz  der  Fabrik- 
Handelsmarken,  vom  26.  September  1890. 
Art.  4,  5,  7  Nr.  42. 

V.  Uebereinkunft  zwischen  der  Schweiz  und  Oesterreich- 
Ungarn  zum  Schutze  der  Fabrik-  und  Handelsmarken, 
vom  22.  Juni  1885. 
Art.  1,  2  Nr.  42. 

VI.   Bundesgesetz    betreffend    die    Erfindungspatente,    vom 
29.  Juni  1888,  revidiert  den  13.  März  1893. 
Art.  1,  2,  10,   18  Nr.  74. 

VII.  Bundesgesetz  betreffend  die  Erstellung  von  Tdegraphen- 
und  Telephonlinien,  vom  26.  Juni  1889. 

Art.  1  Nr.  2. 

VIII.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn- 
und  Dampfschiffunternehmungen  bei  Tötungen  und 
Verletzungen,  vom  l.Juli  1875. 

Art.  2  Nr.  16.  39.   |  Art.  11  Nr.  16. 

IX.  Bundesgesetz    betreffend    die  Haftpflicht  aus   Fabrik- 
betrieb, vom  25.  Juni  1881. 


Art.  3  Nr. 

»    5     „ 


17.61. 
61. 


Art.  6     Nr.  40.  41. 
*     12     ,    61. 


X.  Bundesgesetz  über  Organisation  der  Bundesrechtspflege, 
vom  22.  März  1893. 


Art.  56  Nr.  3.  4. 
„57     „    3.  4.  29. 
,     58     „    27. 

.    65     .    1. 


Art.  67  Nr.  27. 
„    81      „    12. 

.    89      .    37. 


19. 


152 


XL  Bundesgesetz  iïber  Schuldbetreibung  und  Konkurs,  vom 
11.  April  1889. 


Art.  80 

Nr.  24. 

Art.  250,  Abs. 

4  Nr.  1. 

»  129 

■  20. 

»  271 

»  68. 

.  131 

.  »1. 

,  285 

.  1». 

»  143 

.  25. 

,  287 

,  18.  20. 

.  193 

»  1.  70. 

,  288 

,  19.  76. 

»  197 

.  70. 

»  289 

,  19. 

.  204 

,  75. 

,  293  ff. 

.  41. 

,  208 

,  53. 

XII.  Internationale  Uebereinkunß  betreffend  Civilprozessrecht, 
vom  25.  Mai  1899. 
Art.  11  Nr.  26. 

X1IL  Staatsvertrag   zwischen   der   Schweiz   und  Frankreich 
betreffend  Gerichtsstandsverhältnisse,  vom  15.  Juni  1869. 
Art.  3  Nr.  82. 


III.  Register  der  kantonalen  Entscheide. 

Zürich.  —  Nr.  23  (Art.  811  O.K.).  —  Nr.  26  (Haager  üeber- 
einkunft  Art.  11).  —  Nr.  44  (Art.  136  0.  R.).  —  Nr.  64 
(Art.  205,  213  0.  R.).  —  Nr.  78  (Art.  154  0.  R.). 

Bern.  —  Nr.  63  (Art.  62  0.  R.).   —  Nr.  80  (Art.  346  0.  R.). 

Basel-Stadt  —  Nr.  25  (Art.  129,  143  B.-G.  über  Scb.  u.  K.).  — 
Nr.  43  (Art.  24  0.  R.). 

St.  Gallen.  —  Nr.  46  (Art.  45,  47  B.-G.  betr.  Civilst.  u.  Ebe).  — 
Nr.  79  (Art.  271  0.  R.). 

Graubünden.  —  Nr.  24  (Art.  80  B.-G.  über  Seh.  und  K.). 

Aargau.  —  Nr.  21  (Art.  115  0.  R.). 

Nenchfttel.  —  Nr.  81  (Art.  382  C.  0.). 

Genève.  —  Nr.  22  (Art.  246  C.  0.).  —  Nr.  45  (Art.  206  C.  OX 
Nr.  77  (Art.  72  C.  0.).  —  Nr.  82  (Art.  3  Traité  franco-suisse 
de  1869). 


Z.J<r. 


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■'À'A 


Revue 

der 

Gerichtspraxis  im  Gebiete 

des 

Bnndesmilreehts 

XX.  Band 


Revue 

de  la 

Jurisprudence  en  matière 

de 

droit  civil  fédéral 

XX«   Volume 


Basel 

R.  Reich,  vormals  C.  Detloffs  Buchhandlung 

1902. 


Revue 

der 

Gerichtspraxis  im  Gebiete 

des 

Budeseivilreehts 

XX.  Band 


Revue 

de  la 

Jurisprudence  en  matière 

de 

droit  civil  fédéral 

XX«  Volume 


Beilage  zur  Zeitschrift  für  schweizerisches  Recht,  neue  Folge  Band  XXI. 


Basel 

R.  Reich,  vormals  C.  Detloffs  Buchhandlung 

190l>. 


MAR  8    1910 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


1.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  53  #.,  Art  59  ff.  Bundesgesetz  über 
Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  11.  April  1889,  Art.  285  ff. 
Wesen  und  Wirkung  der  Anfechtungsklage;  Streitwertberechnung 
bei  derselben. 

Das  Wesen  des  Anfechtungsanspruches  ist  dahin  zu  be- 
stimmen, dass  der  Anspruch  nicht  auf  Ungültigerklärung  des 
gesamten  angefochtenen  Rechtsgeschäftes  jedem  Dritten  gegen- 
über geht,  sondern  auf  Rückgewäbr  dessen,  was  dem  Anfech- 
tungskläger (dem  einzelnen  Gläubiger  bezw.  der  Konkurs- 
masse) durch  die  angefochtene  Rechtshandlung  entzogen  ist 
(vergi.  Amt.  Samml.  Bd  XXIV,  IL  T.,  S.  925;  Bd  XXVI, 
II.  T.,  8.  213  f.,  Erw.  ö  und  hier  ci  ti  erte;  ferner  Reichel,  Komm. 
Art.  285  Anm.  7  [S.  414];  Seuffert,  Konkursprozessrecht, 
S.  220;  Kohler,  Lehrbuch  des  Konkursrechts,  S.  206  ff.); 
der  Anfechtung8an8pruoh  ist  also  nicht  dinglicher,  sondern 
persönlicher  Natur.  Bei  der  Anfechtung  im  Konkurse  nun 
dient  die  Rückgewähr  der  gesamten  Gläubigerschaft;  mass- 
gebend für  den  Streitwert  ist  daher  in  der  That  das  Interesse, 
das  die  Gläubigerschaft  an  der  Rückgewähr  hat.  Anders  bei 
der*  Anfechtung  ausserhalb  des  Konkurses,  bei  bezw.  nach  der 
Pfändung:  hier  dient  die  Rückgewähr  dem  einzelnen  Gläubiger, 
bezw.  den  klagenden  Gläubigern.  Der  Anfechtungsanspruch 
kann  hier  nicht  mehr  wert  sein  als  das  Vermögensobjekt, 
das  gemäss  diesem  Ansprüche  dem  anfechtenden  Gläubiger 
zur  Befriedigung  dienen  soll,  da  der  Gläubiger  eben  nur  bis 
zum  Betrage  des  Wertes  dieses  Objektes  Befriedigung  aus 
demselben  erlangen  kann.  Er  kann  aber  andrerseits,  wenn 
der  Wert  der  Gläubigerforderung  geringer  ist  als  der  Wert 
jenes  Vermögensobjektes,  auch  nicht  einen  höhern  Wert  haben 
als  die  Gläubigerforderung,  da  der  Gläubiger  nur  bis  zum 
Betrage  dieser  Forderung  Anspruch  auf  Befriedigung  aus 
jenem  Objekt  hat.  Danach  ist  zur  Bestimmung  des  Streit- 
wertes bei  der  Anfechtung  ausserhalb  des  Konkurses  mass- 
gebend  der  Wert  des  Vermögensobjektes,    das   gemäss  dem 


Anfechtungsanspruohe  dem  anfechtenden  Gläubiger  zur  Be- 
friedigung dienen  soll,  eventuell,  wenn  der  Betrag  der  Gläu- 
bigerforderung  unter  diesem  Werte  bleibt,  dieser  Betrag  (vergi, 
auch  Wach,  Handbuch  des  Civilprozessrechts  I,  S.  376  bei 
Anm.  18).    (Entsch.  vom  6.  Juni  i.  S.  Wicki  c.  Bürgin.) 


2.  Bundesgesetz  betr.  Feststellung  und  Beurkundung  des  Civil- 
Standes  und  die  Ehe  vom  24.  Dezember  1874,  Art.  46  litt,  b,  Art 
47.  Unzulässigkeit  der  Kompensation  wechselseitiger  tiefer  Ehren- 
kränkungen, wenn  nur  von  einem  Teile  auf  Scheidung  geklagt 
ist  Begriff  der  tiefen  Ehrenkränkung.  —  Berücksichtigung  des 
Art.  47  ciL,  auch  wenn  derselbe  gar  nicht,  sondern  ausschliesslich 
Art.  46  lit.  b  im  Prozesse  angerufen  worden  ist. 

1.  Es  geht  nicht  an,  bei  beidseitigen  Ehrenkränkungen 
diese  einfach  zu  kompensieren,  woraus  folgen  musate,  dass 
eine  auf  diesen  Grund  gestützte  Scheidungsklage  abzuweisen 
wäre.  Vielmehr  muta  an  sich  dann,  wenn  nur  ein  Teil  wegen 
tiefer  Ehrenkränkung  auf  Scheidung  klagt  und  diese  Ehren- 
kränkungen erwiesen  sind,  die  Klage  gutgeheissen  werdeu, 
ohne  dass  eine  Kompensation,  die  zur  Abweisung  des  Schei- 
dungsbegehrens führen  würde,  zulässig  wäre.  Dagegen  können 
tiefe  Ehrenkränkungen  von  einem  Ehegatten  nur  dann  als 
bestimmter  Scheidungsgrund  geltend  gemacht  werden,  wenn 
sie  für  das  Aufhören  der  ehelichen  Gemeinschaft  kausal  ge- 
wesen sind,  wenn  sie  dazu  geführt  haben,  dass  die  Ehegatten 
thatsächlich  jede  eheliche  Gemeinschaft  aufgehoben  haben, 
nicht  aber  dann,  wenn  die  Parteien  gewöhnt  waren,  sich 
gegenseitig  auf  roh  este  Weise  zu  beschimpfen,  so  dass  gesagt 
werden  muss,  dass  sie  diese  Beschimpfungen  nicht  als  tiefe 
Ehrenkränkungen  empfanden,  die  ihnen  die  Fortsetzung  der 
ehelichen  Gemeinschaft  unmöglich  gemacht  hätten  (vergi. 
A.  S.  XXI  S.  766). 

2.  Auch  wenn  die  Scheidungsklage  ausschliesslich  auf 
Art.  46  litt,  b  des  Civilstandsgesetzes  gestützt  und  der  Schei- 
dungsgrund des  Art.  47  leg.  cit.  im  Prozesse  nie  angerufen 
worden  ist,  so  kann  diese  letztere  Gesetzesbestimmung  doch 
zur  Anwendung  gebracht  werden.  Denn  in  dem  Klageanbringen 
liegt  wenigstens  implicite  auch  die  Behauptung  einer  tiefen 
Zerrüttung  des  ehelichen  Verhältnisses  und  es  steht  ferner 
dem  Richter  im  Ehescheidungsprozess  eine  gewisse  weiter- 
gehende Üffizial befug nis  und  ein  weitergehendes  freies  Er* 
messen  zu  als  in  Civilprozessen  vermögensrechtlicher  Art. 
(Entsch.  vom  11.  Juli  i.  S.  Eheleute  Genhart.) 


3.  0.  R.  Art  48,  127.  Verantwortlichkeü  des  vollmachtlosen 
Stellvertreter*. 

Quant  à  l'étendue  de  la  responsabilité  du  falsus  procurator 
le  Tribunal  de  céans  a  déjà  été  amené  à  la  conclusion  que 
le  texte  do  l'art.  48,  rapproché  de  Fart.  127  ibidem,  —  sta- 
tuant que  celui  qui  promet  le  fait  d'un  tiers  est  tenu  à 
des  dommages  et  intérêts  en  cas  d'inexécution  de  la  part 
de  ce  tiers,  veut  que  le  falsus  procurator  soit  tenu  du 
dommage  causé  à  l'autre  partie  par  la  nullité  du  contrat  (nega- 
tives Vertragsinteresse).  Voir  arrêt  du  Tribunal  fédéral  en 
la  cause  Wagner  c.  Ineichen,  du  25  novembre  1899,  Bec. 
off.  XXV,  II*  partie,  page  258  et  suiv.,  notamment  consid. 
6,  7  et  8.  —  Il  y  a  donc  lieu  de  replacer  le  tiers  dans  la 
situation  où  il  se  serait  trouvé  si  le  contrat  nul  n'avait  pas 
été  conclu.  (Entsch.  vom  1.  Juni  1901  i.  8.  Jaquet  c.  Delévaux). 


4.  0.  R.  Art.  50,  62.  Die  Schadenersatzpflicht  aus  unerlaubten 
Handlungen  ist,  soweit  das  kantonale  Recht  nicht  besonders  vor- 
behalten ist,  ausschliesslich  durch  das  eidgenössische  Recht  nor- 
mierL  Die  eidgenössische  RemontenanstaU  ist  kein  gewerblicher 
Betrieb. 

1.  Die  Schadenersatzpflicht  aus  unerlaubten  Handlungen, 
mögen  diese  nun  den  Thatbestand  kantonalrechtlich  strafbarer 
Delikte  erfüllen  oder  nicht,  wird,  soweit  nicht  das  Obligationen- 
recht selbst  das  kantonale  Recht  vorbehält,  ausschliesslich 
durch  das  eidgenössische  Recht,  die  Vorschriften  der  Art.  50 
und  ff.  0.  R.,  und  nicht  durch  das  kantonale  Recht  beherrscht. 
Und  zwar  gilt  dies  selbstverständlich  in  gleicher  Weise,  ob 
der  Schadenersatzanspruch  für  sich  allein,  im  Wege  des 
Givilprozes8e8,  oder  in  Verbindung  mit  einer  Strafklage  im 
Adhäsionsverfahren  geltend  gemacht  wird,  indem  dessen  recht- 
liche Natur  hiedurch  völlig  unberührt  bleibt  (vergi.  Am  ti. 
Samml.  d.  bundesger.  Entscheid.  Bd  XVII,  8.  158  Erw.  2); 
§  128  des  aargauischen  Baugesetzes,  wonach,  wenn  ein  An- 
gestellter oder  Beauftragter  ein  strassenpolizeiliches  Vergehen 
begangen  hat,  der  Meister  oder  Auftraggeber  für  den  durch 
dasselbe  gestifteten  Schaden  haftet,  könnte  demnach  im 
vorliegenden    Falle1)    nur    dann    zur   Anwendung    kommen, 


])  Es  handelte  sich  am  eine  Ersatzklage  gegen  die  Eidgenossenschaft 
wegen  Schadens,  der  dadurch  gestiftet  worden  war,  dass  ein  von  dem  Bereiter 
Wachtmeister  A.  geleiteter  Dressurwagen  der  eidgenössischen  RemontenanstaU 
an  ein  Baugerüst  anfuhr. 


wenn  das  eidgenössische  Obligationenrecht  dem  kantonalen 
Gesetzgeber  vorbehielte,  bezüglich  der  Haftbarkeit  der  Eid- 
genossenschaft für  Schädigungen  der  in  Rede  stehenden  Art 
besondere  Bestimmungen  zu  treffen;  dass  aber  dem  eidge- 
nössischen Obligationenrecht  ein  solcher  Vorbehalt  fremd  ist, 
braucht  nicht  weiter  erörtert  zu  werden. 

2.  Auch  Art  62  0.  R.  ist  von  der  Vorinstanz  mit  Recht 
als  nicht  anwendbar  bezeichnet  worden  ;  denn  die  Eidgenossen- 
schaft ist  nicht  „Geschäftsherr"  des  Bereiters  A.,  für  dessen 
Verhalten  sie  mit  der  vorliegenden  Klage  in  Anspruch  ge- 
nommen wird.  Die  Remontenanstalt,  in  welcher  A.  angestellt 
war,  ist  eine  Anstalt  zur  Förderung  des  Wehrwesens,  speziell 
zum  Zwecke  der  militärischen  Ausbildung;  der  Bund  betreibt 
mit  dieser  Anstalt  kein  Gewerbe  und  unterliegt  daher  wegen 
Schäden,  welche  Angestellte  derselben  in  Ausübung  ihrer 
dienstlichen  Verrichtungen  allfällig  verursachten,  der  in  Art. 
62  0.  R.  normierten  Verantwortlichkeit  nicht.  (Entsch.  vom 
8.  Juni  1901  i.  S.  Aeschbach  c.  Eidgenossenschaft.) 


5.  0.  R.  Art.  145.  Voraussetzungen  der  Befreiimg  des 
Schuldners  wegen  nachträglicher  Unmöglichkeit  der  Erfüllung  bei 
einer  Gattungsschuld. 

Der  Beklagte  J.  H.  Seh.  in  Basel  hatte  am  9./12.  Juni 
1899  an  die  Kläger  E.B.&Cie  in  Lyon  1500  Kilo  Soie  bril- 
lantine nach  vorgelegtem  Muster  zu  Fr.  7.50  per  Kilo,  zu 
verschiffen  im  Dezember,  verkauft.  Er  hatte  seinerseits  das 
fragliche  Warenquantum  von  den  Streitberufenen  R.  H.  &  Cie 
gekauft.  Die  Lieferung  erfolgte  nicht  und  zwar,  wie  der 
Beklagte  und  die  Streitberufenen  behaupten,  deshalb  nicht, 
weil  die  Ernte  der  fraglichen  Seide  (Kuriwata)  in  Japan  durch 
einen  Cyklon  und  durch  Ueberschwemraungen  vollständig 
zerstört  worden  sei.  Der  Schadenersatzklage  des  Klägers 
setzten  daher  der  Beklagte  und  die  Streitberufenen  die  Ein- 
rede entgegen,  die  Leistung  sei  ihnen  ohne  ihr  Verschulden 
unmöglioh  geworden.  Diese  Einrede  wurde  in  allen  Instanzen 
verworfen  und  die  Klage  gntgeheissen.  Der  bundesgerichtlichen 
Entscheidung  entnehmen  wir:  Leistungsgegenstand  (in  obli- 
gatione)  war  eine  bestimmte  Quantität  (1500  Kilogramm)  des, 
wenn  auch  nicht  ausschliesslich,  so  doch  jedenfalls  wesentlich 
nur  in  Japan  vorkommenden  Artikels  Kuriwata,  ohne  weitere 
Spezialisierung,  insbesondere  ohne  Beschränkung  auf  die  Ware 
einer  bestimmten  Jahreskampagne 


Die  Schuld,  deren  Erfüllung  unmöglich  geworden  sein 
soll,  ist  demnach  eine  Gattungsschuld.  Das  Obligationenrecht 
enthält  nun  nicht  (wie  z.  6.  das  deutsche  bürgerliche  Gesetz- 
buch in  §  279)  Spezialvorschriften  über  die  nachträgliche  Un- 
möglichkeit der  Erfüllung  bei  Gattungsschulden,  sondern  es 
gilt  dafür  lediglich  der  allgemeine  Grundsatz  des  Art.  145 
0.  R.,  dass  die  Forderung  als  erloschen  gilt,  soweit  durch 
Umstände,  die  der  Schuldner  nicht  zu  verantworten  hat,  seine 
Leistung  unmöglich  geworden  ist.  Aus  der  Natur  der  Gat- 
tungsschuld folgt  aber,  dass  eine  (nachträgliche)  den  Schuldner 
befreiende  Unmöglichkeit  der  Erfüllung  bei  derselben  nicht 
leicht  eintreten  kann.  Denn  der  Umstand,  dass  diejenigen 
individuellen  Sachen,  welche  er  zu  liefern  gedachte,  durch 
Zufall  zu  Grunde  gingen,  befreit  den  Schuldner  einer  Gat- 
tungsschuld nicht,  dieser  bleibt  vielmehr  verpflichtet,  sich 
rechtzeitig  Ersatzware  zu  verschaffen  und  diese  zu  liefern. 
Dagegen  wird  allerdings  auch  der  Schuldner  einer  Gattungs- 
schuld befreit,  wenn  überhaupt  die  Leistung  aus  der  ver- 
sprochenen Gattung  durch  von  ihm  nicht  zu  verantwortende 
Umstände  ihm  unmöglich  geworden  ist.  Eine  blosse,  wenn 
auch  noch  so  unverschuldete,  und  noch  so  empfindliche  Er- 
schwerung der  Erfüllung  hingegen  befreit  den  Schuldner  nicht  ; 
derselbe  ist  eben  verpflichtet,  alles,  was  möglich  ist  und  nach 
den  Grundsätzen  der  guten  Treue  erwartet  werden  kann,  zu 
thun,  um  sich  den  Leistungsgegenstand  rechtzeitig  zu  sichern. 

Nun  haben  die  Streitberufenen  zum  Beweise  (durch  Er- 
kundigung beim  schweizerischen  Konsulat  in  Japan)  verstellt, 
dass  die  Kuriwataernte  1899/1900  des  japanischen  Produktions- 
gebietes durch  einen  Typhon  und  Ueberschwemmungen  fast 
gänzlich  vernichtet  worden  sei  und  dass  in  dieser  Kampagne 
fast  keine  Kuriwata  aus  Japan  ausgeführt  worden  sei;  sie 
haben  im  fernem  den  Beweis  duroh  Sachverständige  dafür 
angeboten,  dass  es  in  der  Zeit  vom  September  1899  bis  Juni 
1900  unmöglich  gewesen  sei,  Ersatzware  zu  finden  und  zu 
kaufen.  Diese  Beweisanträge  der  Bemfungskläger  sind  aber 
nicht  derart,  dass  durch  eine  Beweiserhebung  über  dieselben 
der  den  Berufungsklägern  obliegende  Nachweis  der  zufälligen 
unverschuldeten  Unmöglichkeit  der  Erfüllung  erbracht  werden 
könnte.  Sie  sind  hiefür  viel  zu  unbestimmt  und  vag  gefasst. 
Die  Berufungskläger  behaupten  nicht,  dass  die  ganze  Kuri- 
wataernte 1899/1900  durch  einen  Typhon  und  Ueberschwem- 
mungen zu  Grunde  gegangen  sei,  sondern  nur,  dass  die  Kuri- 
wataernte fast  gänzlich  vernichtet  worden  und  dass  in  der 
Kampagne   1899/1900  fast  keine  Kuriwata  aus  Japan   ver- 


schifft  worden  sei.  Es  ist  denn  übrigens  auch  aus  den  Akten 
und  den  eigenen  Vorbringen  der  Streitbernfenen  ersichtlich, 
dass  keinenfalls  die  ganze  Ernte  zu  Grunde  gegangen  sein 
kann  ;  so  hat  z.  B.  der  Verkäufer  der  Streitberufenen  nach 
dem  behaupteten  verheerenden  Typhon  eine  teilweise  Lieferung 
von  5 — 10  oder  12  Piculs  in  Aussicht  gestellt.  Möchte  nun 
auch  bestätigt  werden,  dass  die  Kuriwataernte  1899/1900  fast 
gänzlich  vernichtet  worden  sei,  so  würde  dadurch  doch  nicht 
ausgeschlossen,  dass  die  Erfüllung  des  streitigen  Kaufes  nichts- 
destoweniger möglich  blieb,  sofern  nur  die  äussersten  An- 
strengungen hiefür  gemacht,  auch  ausserge wohnliche  Be- 
mühungen und  Opfer  nicht  gespart  wurden,  um  die  überhaupt 
disponiblen  Warenvorräte  zu  diesem  Zwecke  zu  verwenden  ; 
dies  um  so  mehr,  als  ja  nicht  unbedingt  Ware  der  Kampagne 
1899/1900  geliefert  werden  musste,  sondern  auch  ältere  Ware 
geliefert  werden  konnte,  und  nun  nicht  als  feststehend  anzu- 
nehmen ist,  dass  solche  ältere  Ware  überhaupt  nicht  mehr  zu 
erlangen  gewesen  sei.  Die  Berufungskläger  haben  allerdings 
zum  Beweise  durch  Sachverständige  verstellt,  dass  es  in  der 
Zeit  vom  September  1899  bis  Juni  1900  unmöglich  gewesen 
sei,  Ersatzware  zu  finden  und  zu  kaufen.  Allein  abgesehen 
davon,  dass  dieser  Beweisantrag  nicht  ausdrücklich  auch  der 
Beschaffung  älterer  Ware  erwähnt,  so  könnte  doch  von  einer 
nachgewiesenen  eigentlichen  Unmöglichkeit  der  Beschaffung 
von  Ersatzware  nur  dann  gesprochen  werden,  wenn  solche 
überhaupt  nicht  vorhanden  war,  wenn  daher  nicht  nur  die 
sämtliche  Ware  der  Kampagne  1899/1900  zerstört,  sondern 
auch  die  ältere  Ware  überall  vollständig  aufgebraucht  war. 
War  überhaupt  noch,  wenn  auch  vielleicht  nicht  auf  gewöhn- 
lichem offenem  Markte,  zur.  Erfüllung  taugliche  Ware  vor- 
handen, so  lag  an  sich  die  Möglichkeit  vor,  dieselbe,  wenn 
auch  mit  erhöhtem  Kostenauf  wände,  für  die  Erfüllung  der 
übernommenen  Verbindlichkeit  zu  gewinnen,  und  es  kann 
daher  von  einer  nachgewiesenen,  vom  Schuldner  nicht  zu  ver- 
antwortenden Unmöglichkeit  der  Erfüllung  nicht  die  Bede 
sein.  Denn  nach  Gestaltung  des  vorliegenden  Rechtsverhält- 
nisses, wo  es  sich  um  eine  noch  nicht  im  Besitze  des  Ver- 
käufers befindliche  Ware  handelte,  die,  wie  den  Verkäufern 
bekannt  war  oder  bekannt  sein  musste,  nur  in  engen  L*ro- 
duktionskreisen  und  in  nicht  sehr  grossen  Quantitäten  produ- 
ziert wird,  so  dass  deren  Beschaffung  leicht  auf  Schwierigkeiten 
sto8sen  konnte,  wurde  durch  einen  unbedingten  Verkauf  der 
Ware  auf  festen  Termin  hin  für  den  Verkäufer  jedenfalls  die 
Verpflichtung  begründet,   die  äusserste  Umsicht  und  Sorgfalt 


aufzuwenden,  um  sich  die  von  ihm  versprochene  Ware  zu 
sichern  und  dafür  weder  vermehrte  Mühe  noch  aussergewöhn- 
liche  Kosten  zu  scheuen.  Die  Berufungskläger  haben  allerdings 
auch  zum  Beweise  verstellt,  dass  ohne  das  Dazwischentreten 
des  Typhons  und  der  Ueberschwemmungen  die  Beschaffung 
des  verkauften  Quantums  ohne  weiteres  möglich  gewesen 
wäre.  Allein  es  liegt  doch  bereits  nach  den  gegenwärtigen 
Akten  und  nach  den  eigenen  Vorbringen  der  Streitberufenen 
vor,  dass  es  sich  um  eine  Ware  handelte,  deren  Beschaffung 
in  grössern  Quantitäten,  ihrer  Natur  nach,  leicht  auf  Schwie- 
rigkeiten stossen  konnte.  Nun  haben  die  Beruf ungskläger 
weder  zum  Beweise  verstellt,  das«  die  ganze  Gattung,  aus 
welcher  zu  liefern  war,  untergegangen  sei,  noch  auch  den 
Beweis  konkreter  Thatsachen  anerboten,  aus  denen  sich 
ergeben  würde,  dass  sie  zur  Beschaffung  der  versprochenen 
Ware  aus  der  Ernte  von  1899/  1900  oder  aus  älteren  Be* 
ständen,  die  äusserste  Mühe  und  Sorgfalt,  ohne  Rücksicht  auf 
die  Kosten,  aufgewendet  haben,  und  dass  nichtsdestoweniger 
die  Beschaffung  der  Ware  sich  als  unmöglich  erwiesen  habe. 
Die  von  ihnen  wirklich  gestellten  Beweisanträge  sind  zum 
Beweise  unverschuldeter  Unmöglichkeit  der  Erfüllung  untaug- 
lich. Demnach  ist  denn  die  auf  diesen  Befreiungsgrund  ge- 
stützte Einrede  zu  verwerfen.  Denn  es  ist  klar,  dass  der 
Beklagte  oder  die  Streitberufenen  sich  zu  ihrer  Exkulpation 
nicht  etwa  einfach  darauf  berufen  können,  sie  haben  auf  die 
richtige  Erfüllung  seitens  ihrer  Vormänner  gezählt  und  zählen 
dürfen.  (Entsch.  vom  7.  Juni  1901  i.  S.  J.  Hopf-Schnewlin  und 
R.  Hauser  &  Cie  c.  Bavier  &  Cie.) 


6.  0.  R.  Art.  179  ff.  257  Abs.  2.  Liegenschaftskauf;  Anwend- 
barkeit des  kantonalen  Rechts  auch  hinsichtlich  des  einem  solchen 
beigefügten  Strafgedinges.  Liegenschaftskauf undGeseUschaf tsver  trag. 

Wie  die  bundesgerichtliche  Praxis  stets  festgehalten  hat, 
untersteht  der  Liegenschaftskauf  in  allen  Richtungen,  sowohl 
bezüglich  der  allgemeinen  als  der  speziellen,  den  Kauf  be- 
treffenden Bestimmungen  dem  kantonalen  Recht  (s.  À.  S.  XIII 
S.  511  f.  E.  4  ff.),  und  es  sind  daher  auch  Strafgedinge,  welche 
einem  Liegensohaftskauf  einverleibt  sind,  um  dessen  Erfüllung 
zu  sichern,  nach  kantonalem  und  nicht  nach  eidgenössischem 
Rechte  zu  beurteilen.  Ein  Vertrag,  duroh  welchen  ein  Gesell- 
schafter seinen  Austritt  aus  einer  Kollektivgesellschaft  erklärt 
und  seinen  Anteil  am  Gesellschaftsvermögen  den  verbleibenden 
Gesellschaftern  gegen   Entgelt   abtritt,    ist   aber    auch  dann 


10 

kein  Liegenschaftskauf,  wenn  zu  dem  Gesellschaftsvermögen 
Liegenschaften  gehören,  sondern  vielmehr  ein  Vertrag  über 
Austritt  aus  einer  Gesellschaft  und  Auseinandersetzung  zwischen 
den  Gesellschaftern;  ein  einem  solchen  Vertrag  beigefügtes 
Strafgeding  untersteht  daher  dem  eidgenössischen  Recht. 
(Entsch.  v.  28.  Juni  1901  i.S.  Bucher  c.  Durrer.) 


7.  0.  R.  Art.  627  >  643,  656  Ziff.  4  und  5.  Grundsätze  für 
Aufstellung  der  Bilanz  der  Aktiengesellschaften.  Der  Anschaffungs- 
wert ist  nur  insofern  der  höchste  gesetzlich  zulässige  Bilanzwert, 
als  dies  für  einzelne  Gegenstände  besonders  vorgeschrieben  ist, 
also  insbesondere  nicht  für  Schuldforderungen.  Befugnisse  der 
Generalversammlung  hinsichtlich  der  Bewertung  der  Bilanzposten. 
Recht  des  Einzelaktionärs  auf  gesetz-  und  staiutenmässige  Ver- 
waltung. 

Die  Anfechtungsklage  gegen  die  General  Versammlung«  be- 
Schlüsse  vom  1.  März  1901,  wodurch  die  Bilanz  der  beklagten 
Aktiengesellschaft  auf  31.  Dezember  1900  genehmigt  und  über 
die  Verteilung  des  danach  sich  ergebenden  Reingewinnes 
verfugt  wurde,  wird  wesentlich  damit  begründet,  die  von 
der  beklagten  Aktiengesellschaft  erworbenen  Hypothekartitel 
seien,  auch  soweit  sie  mit  Einschlägen  erworben  .worden 
seien,  zu  ihrem  vollen  Nominalwerte  in  die  Aktiven  der  Bilans 
eingestellt  worden,  während  sie,  wie  nach  richtigen  Grund- 
sätzen kaufmännischer  Buchführung,  so  auch  nach  dem  Gesetz 
höchstens  zum  Anschaffungswerte  hätten  eingestellt  werden 
dürfen;  werde  anstatt  des  Nominalwertes  der  Anschaffungs- 
wert der  Schuldbriefe  in  die  Bilanz  eingestellt,  so  ergebe  sich 
kein  Reingewinn,  gegenteils  ein  Defizit.  Der  Rechtssatz,  dass 
die  -Schuldbriefe  höchstens  zum  An  schaff ungs  werte  in  die 
Bilanz  dürfen  eingestellt  werden,  kann  nun  aber  zunächst  nicht 
aus  dem  dafür  in  erster  Linie  angerufenen  Art.  656  Ziffer  4 
0.  R.  abgeleitet  werden.  Art.  656  Ziffer  4  cit.  stellt  fur 
Warenvorräte  den  Grundsatz  auf,  dass  sie  höchstens  zum 
Kostenpreis,  und  falls  dieser  höher  als  der  Marktpreis  stehen 
sollte,  höchstens  zu  diesem  angesetzt  werden  dürfen.  Diese 
Vorschrift  kann  ihrem  klaren  Wortlaute  nach  auf  Forde- 
rungen nicht  bezogen  werden,  denn  es  ist  doch  gewiss  völlig 
unmöglich,  den  Besitz  einer  Aktiengesellschaft  an  Forderungen, 
speziell  an  hypothekarisch  versicherten  Schuldbriefforderungen 
unter  der  Bezeichnung  „ W aren  vorrät ea  (nach  französischem 
Text  approvisionnements  de  marchandises)  mi tzu verstehen. 
Schon  aus  der  Wortverbindung  „Warenvorräte"  ergiebt  sich 


11 

deutlich,  dass  das  Gesetz  dabei  nur  körperliche  Sachen,- 
deren  Wert  in  ihrer  Substanz  selbst  liegt,  nicht  dagegen 
Wertpapiere  und  Forderungen  itn  Auge  hat;  es  versteht 
übrigens  überhaupt  das  Obligationenrecht  durchgängig  unter 
„Waren"  nur  die  körperlichen  Handelsobjekte,  unter  Ausschlugst 
von  Wertpapieren  u.  s.  w.  Richtig  ist  allerdings,  dass  der 
Verkehr  in  Schuldbriefen,  deren  Anschaffung  und  Veräusserung, 
den  Hauptgeschäftszweig  der  beklagten  Aktiengesellschaft 
bildet  und  dass  also  die  Schuldbriefe  für  die  beklagte  Aktien- 
gesellschaft  Gegenstand  des  Handels,  also  Ware  in  diesem 
Sinne  sind.  Allein  daraus  folgt  natürlich  nicht,  dass  nun  die 
für  die  bilanzmässige  Bewertung  von  Warenvorräten  aufge- 
stellte Sondervorschrift  des  Art.  656  Ziffer  4  0.  R.  auch  für 
die  Bewertung  der  Schuldbriefbestände  gelte,  für  welche  sie 
nach  dem  klaren  Wortlaut  des  Gesetzes  gar  nicht  autgestellt 
ist.  Die  Regel,  dass  Warenvorräte  höchstens  zum  Anschaffungs- 
werte in  die  Bilanz  eingestellt  werden  dürfen,  ist  denn  übri* 
gens  auch  keineswegs  etwa  eine  selbstverständliche,  die  auch 
abgesehen  von  besonderer  Vorschrift,  sich  von  selbst  ergeben 
würde.  Noch  der  vom  Justizdepartement  vorgelegte  Entwurf 
des  Obligationenrechtes  von  1879  hatte  diese  Bestimmung 
nicht  enthalten,  sondern  im  Gegenteil,  in  Ziffer  4  des  dama- 
ligen dem  nunmehrigen  Art.  656  entsprechenden  Art.  664  be- 
stimmt, dass  Warenvorräte  höchstens  zu  ihrem  derzeitigen 
Marktwerte  in  die  Bilanz  eingestellt  werden  dürfen. 

Ebensowenig  wie  auf  Art.  656  Ziffer  4  O.  R.  kann  die 
Klage  auf  Art.  656  Ziffer  5  gestützt  werden,  wonach  die 
Gesamtsumme  der  zweifelhaften  Posten  und  die  Ge- 
samtsumme der  vorgenommenen  Abschreibungen  anzu- 
geben sind.  Diese  Gesetzesvorschrift  enthält  keine  materiell« 
Vorschrift  darüber,  inwieweit  Abschreibungen  vorgenommen 
werden  müssen  und  in  welcher  Weise  zweifelhafte  Posten  in 
die  Aktiven  der  Bilanz  eingestellt  werden  dürfen,  sondern 
nur  die  formelle  Vorschrift,  dass  die  Gesamtsummen  der  Ab- 
schreibungen  und  zweifelhaften  Posten  anzugeben  seien.  .  .  . 

Auch  insoweit  das  Gesetz  besondere  Bestimmungen  über 
die  Bewertung  einzelner  Bilanzposten  nicht  aufstellt,  bestehen 
nun  allerdings  hietür  Regeln,  die  sich  aus  dem  Zwecke  der 
Bilanzaufstellung  ergeben  und  an  welche  die  Gesellschafts- 
organe gebunden  sind.  Die  Bilanz  hat,  wie  in  Abs.  1  de* 
Art.  656  0.  R.  besonders  betont  wird,  die  Aufgabe,  den  Ak- 
tionären einen  möglichst  sichern  Einblick  in  die  wirkliche 
Vermögenslage  der  Gesellschaft  zu  gewähren.  Die  mit  der 
Aufstellung  der  Bilanz  beauftragten  Gesellschaftsorgane  sind 


12 

also  (wie  dies  übrigens  den  allgemeinen  Anforderungen  ratio- 
nellen und  redlichen  Geschäftsbetriebs  entspricht)  verpflichtet, 
die  Bilanz  in  einer,  der  wirklichen  Vermögens-  und  Geschäfts- 
lage entsprechenden  Weise  aufzustellen;  sie  sind  nicht  berech* 
tigt,  Vermögeii8gegenstände  in  willkürlicher  Weise  zu  be- 
werten und  danach  z.  B.  non  valeurs  in  der  Bilanz  als  wirkliche 
Werte  aufzuführen,  sondern  ihre  Pflicht  ist  vielmehr,  die  Er- 
mittlung des  wirklichen  Wertes  der  Vermögensgegenstände 
anzustreben  und  den  auf  Grund  einer  solchen  Ermittlung 
gefundenen  wirklichen  Wert,  nicht  einen  willkürlichen,  der 
Wirklichkeit  nicht  entsprechenden  Wertansatz  in  die  Bilanz 
einzustellen 

Soweit  das  Gesetz  nicht  besondere  Bewertungsgrundsätze 
für  einzelne  Vermögensobjekte  aufstellt,  ist  dabei  festzuhalten, 
dass  als  massgebender  Wert  derjenige  Wert  erscheint,  den 
das  betreffende  Aktivum  als  Bestandteil  des  Gesellschafts- 
geschäftes hat.  Die  Taxation  dieses  massgebenden  Wertes 
ist  allerdings  dem  Ermessen  der  Gesellschaftsorgane,  speziell 
der  Generalversammlung,  anheimgegeben,  und  gegen  deren 
Taxation,  soweit  es  sich  dabei  eben  um  blosse  Taxation  des 
massgebenden  wirklichen  Wertes  handelt,  steht  dem  Einzel- 
aktionär ein  Einspruchsrecht  nicht  zu;  er  muss  vielmehr 
die  von  der  Generalversammlung  als  dem  massgebenden 
Schätzungsorgan  vorgenommene  Taxation  als  richtig  gelten 
lassen,  sich,  wie  in  andern  Gesellschaftsangelegenheiten,  dem 
Befinden  und  Ermessen  derselben  unterwerfen.  Ein  Einspruchs- 
recht gegen  die  Taxation  der  Generalversammlung  steht  dem 
Einzelaktionär  nur  dann  zu,  wenn  dieselbe  sich  nicht  mehr 
im  Gebiete  vernünftiger  Erwägungen  der  massgebenden  Be- 
wertungsfaktoren bewegt ,  sondern  willkürliche  Ansätze  an 
Stelle  des  nach  dem  Willen  des  Gesetzes  zu  ermittelnden 
wirklichen  Wertes  setzt.  In  diesem  Falle  ist  von  der  Ge- 
sellschaft allerdings  das  Gesetz  verletzt  und  steht  daher,  wie 
für  den  Fall  einer  Schwächung  des  Grundkapitals,  dem  Ge- 
sellschaftsgläubiger so  auch  dem  Einzelaktionär  ein  An- 
fechtungsrecht zu.  Denn  der  Aktionär  besitzt,  wie  das  Bun- 
desgericht wiederholt  anerkannte,  ein  Recht  auf  gesetz-  und 
etatutenmässige  Verwaltung. 

Als  anfechtbar  möchten  demnach  die  angefochtenen  Be- 
schlüsse z.  B  dann  erscheinen,  wenn  nachgewiesen  oder  zum 
Beweise  verstellt  wäre,  dass  Schuldbriefe  erheblichen  Nomi- 
nalwertes aber  zweifelhaftester  Güte,  wie  sie  in  Zeiten  hypo- 
thekarischer Krisen  so  häufig  um  ganz  minime  Betrage  zu 
kaufen   sind,    von   der   beklagten  Aktiengesellschaft  zu  mini- 


13 

malen  Preisen  angekauft,  dagegen  zu  dem  vollen  Nominal- 
werte in  die  Aktiven  der  Bilanz  eingestellt  worden  seien.  In 
diesem  Falle  würde  es  sich  allerdings  nicht  mehr  um  in  den 
Grenzen  vernünftigen  Ermessens  sich  bewegende  Taxation 
eines  Vermögensobjektes,  sondern  um  die  Einstellung  eines, 
zum  mindesten  grossen  Teils  fiktiven  Wertes  in  die  Bilanz 
handeln.  Allein  ein  derartiger  Thatbestand  ist  vom  Kläger 
weder  nachgewiesen,  noch  behauptet  worden  ;  er  hat  sich  viel- 
mehr auf  die  Behauptung  beschränkt,  dass  Schuldbriefe  mit 
Einschlägen  gekauft,  dagegen  zu  vollem  Nominalwerte  in  die 
Bilanz  eingestellt  worden  seien,  während  nach  dem  Gesetze, 
gleich  wie  bei  Warenvorräten,  höchstens  der  Anschaffungs- 
wert eingesetzt  werden  dürfe.  Dieser  Satz  folgt  aber  durch- 
aus nicht  aus  dem  dem  Obligationenrecht  zu  Grunde  liegen- 
den Prinzip,  dass  die  Bilanzaufstellung  die  Darstellung  der 
wirklichen  Vermögenslage  der  Gesellschaft  zu  geben  habe. 
Richtig  ist  allerdings,  dass  das  neue  deutsche  Handelsge- 
setzbuch (gleich  wie  schon  die  Aktiennovelle  von  1884)  in 
§  261  Ziffer  1  vorschreibt,  dass  wie  Wertpapiere  und  Waren, 
die  einen  Börsen-  oder  Marktpreis  haben,  so  auch  andere 
Vermögensgegenstände  höchstens  zu  dem  Anschaffungs-  oder 
Herstellungspreis  anzusetzen  seien,  so  dass  also  nach  deutschem 
Rechte  der  Standpunkt  des  Klägers  allerdings  begründet  wäre; 
es  mögen  auch  vielleicht,  speziell  in  Betreff  der  Bilanz  der 
Aktiengesellschaft,  legislative  Gründe  für  denselben  sprechen. 
Allein  dem  geltenden  schweizerischen  Recht  ist  die  Regel, 
dass  der  Anschaffungs  wert  der  höchste  zulässige  Bilanzwert 
sei,  als  eine  allgemeine  fremd,  und  es  ist  ja  auch  klar,  dass 
nicht  behauptet  werden  kann,  der  wirkliche  Wert  eines  Ver- 
mögensgegenstandes, speziell  einer  Schuldbriefforderung,  könne 
den  Betrag  des  Anschaffungspreises  nicht  übersteigen.  Im 
Gegenteil  geht  natürlich  gerade  beim  Ankaufe  von  Schuld- 
briefen zur  Weiterveräu88erung,  der  Käufer  des  Schuldbriefes 
gewiss  davon  aus,  dass  der  von  ihm  bezahlte  Ankaufspreis 
den  Wert,  welchen  der  Schuldbrief  in  seinem  Geschäfte  dar- 
stelle, nicht  erreiche.  Wenn  der  Kläger  behauptet  hat,  das 
Gesetz  verlange  für  die  Bilanz  der  Aktiengesellschaft  die 
Einsetzung  des  niedrigsten  Wertes,  also  davon  ausgeht,  es 
dürfe  in  die  Bilanz  der  Aktiengesellschaft  nicht  der  volle 
Wert  eingesetzt  werden,  so  ist  dies  nicht  richtig;  soweit  das 
Gesetz  nicht  Sonderbestimmungen  für  einzelne  Bilanzposten 
aufstellt,  darf  in  die  Bilanz  der  Aktiengesellschaft  der  volle 
Wert  der  Vermögensgegenstände  eingesetzt  werden.  (Entsch. 
vom  22.  Juni  1901  i.  S.  Schweitzer  o.  Hypothekarbank  Zürich. r 


14 

8.  Bundesgesetz  betr.  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn-  and 
Dampfschiffahrt' Unternehmungen  bei  Tötungen  und  Verletzungen 
vom  1.  Juli  1875,  Art  2.  Begriff  des  Betriebes. 

Der  Kläger  wurde,  während  er  als  Arbeiter  des  Sägerei- 
und  Parquetteriegeschäftes  fi.  &  Cie  auf  der  Centralbahnstation 
M.  mit  dem  Ausladen  eines  Wagens  Langholz  beschäftigt  war, 
durch  Ausgleiten  einer  der  eisernen  Stützen  des  Wagens 
verletzt.  Seine  gestützt  auf  das  Eisenbahnhaftpflichtgesetz 
erhobene  Entsohädigungsklage  wurde  abgewiesen  vom  Ban- 
desgericht wesentlich  aus  folgenden  Gründen: 

Das  Eisenbahnhaftpflichtgesetz,  welches  grössere  Ent- 
schädigungen als  die  beiden  Gewerbehaftpflichtgesetze  gewährt 
und  kein  Dienstverhältnis  zwischen  dem  Geschädigten  und 
der  Bahn  voraussetzt,  besitzt  andrerseits  insofern  ein  engeres 
Anwendungsgebiet,  als  es  gegen  die  finanziellen  Folgen  nur 
derjenigen  Unfälle  Schutz  gewährt,  welche  auf  die  beson- 
dern mit  dem  Schienenverkehr  zusammenhängenden  Ge- 
fahren zurückzuführen  sind.  Dass  der  Unfall  gerade  auf 
einem  Schienengeleise  oder  bei  der  Bedienung  eines  solchen 
Torgekommen  sei,  ist  dagegen  nach  dem  für  die  Praxis  grand- 
legenden Urteile  des  Bundesgeriohtes  in  Sachen  Wepfer  c. 
Vereinigte  Schweizerbahnen  (Bd  XVI  S.  120  ff.)  nicht  erfor- 
derlich; es  genügt  vielmehr,  dass  derselbe  durch  die  Eile 
veranlasst  worden  sei,  welche  die  durch  den  Schienenbetrieb 
ermöglichte  schnellere  Fortbewegung  des  Rollmaterials  mit 
sich  bringt.  Vergi,  auch  bundesger.  Entsch.  Bd  IV  283,  E- 
3  und  4;  VIII,  92,  E.  1  und  3,  795,  E.  3;  IX,  526,  E.  6; 
X,  124,  E.  2;  XVII,  125,  E.  2  und  4;  XIX,  797,  E.  2; 
XXI,  778,  E.  2. 

Demnach  würde  im  vorliegenden  Falle  die  Haftpflicht 
der  Bahn  zwar  durch  den  Umstand  nicht  ausgeschlossen 
werden,  dass  das  Wiederanbringen  der  eisernen  Stützen  an 
einen  Langholzwagen  eine  Thätigkeit  ist,  die  an  und  für  sich 
nicht  zum  Eisenbahnbetrieb  gehört,  indem  sowohl  der  Eisen- 
bahnbetrieb ohne  diese  Thätigkeit  bestehen  könnte,  als  auch 
diese  Thätigkeit  ebensogut  bei  Beförderung  auf  gewöhnlicher 
Landstrasse  vorkommen  kann.  Zur  Begründung  der  Eisen- 
bahnhaftpflicht würde  es  vielmehr  genügen,  wenn  das  Wieder- 
anbringen  aus  Rücksicht  auf  den  Schienenbetrieb  mit 
besonderer  Eile  hätte  vorgenommen  werden  müssen  und 
der  Unfall  die  Folge  dieser  Eile  gewesen  wäre. 

War  aber  keinerlei  Eile  notwendig  und  ist  ferner  so- 
gar erwiesen,  dass  der  Unfall  durch  unnötige  Eile  ver- 
ursacht worden  sei,  so  muss  aus  diesem  zweifachen  Grunde 


15 


erkannt  werden,  class  es  sich  im  vorliegenden  Falle  nicht  am 
einen  durch'den  Eisenbahnbetrieb  verursachten  Unfall  handelt, 
und  da  ss  der^Begriff  „Betrieb  einer  Eisenbahn"  von  der  Vor- 
instanz richtig  aufgefasst  worden  ist.'  (Entsch.  vom  6.  Juli 
i.  S.  Ruesch  c.  S.  C.  B.) 


9.  Bundesgesetz  betr.  die  Haftpflicht  der  Eisenbahn-  und 
Dampfschiffahrt-Unternehmungen  bei  Tötungen  und  Verletzungen 
vom  1.  Juli  1875,  Art.  2.  4.  Verhältnis  dieser  Gesetzesbestimmungen 
zu  einander. 

Der  Kondukteur  F.  H.  war  am  17.  Mai  1899  abends 
8.25  von  seinem  Dienstorte  Br.  ohne  jede  dienstliche  Ver- 
anlassung oder  Meldung  mit  Zug  Nr.  96  nach  Fr.  gefahren, 
wo  er  ausstieg  und  in  der  Wirtschaft  M.  zechte.  Auf  Veran- 
lassung des  Wirtes  M.  bestieg  er  9.45  den  Güterzug  Nr.  1099 
um  nach  Br.  zurückzufahren.  Der  Führer  dieses  Zuges,  F.  ge- 
stattete ihm  die  Mitfahrt,  da  er,  wie  es  scheint,  voraussetzte, 
F.  H.  sei  in  dienstlicher  Veranlassung  nach  Fr.  gekommen. 
In  dem  Gepäckwagen,  in  welchem  H.  mitfuhr,  war  die  Thüre 
auf  der  hintern  Seite,  wo  der  Wagen  nur  ein  (damals 
aufgeklapptes)  Trittbrett  besitzt,  nicht  verschlossen,  sondern 
nur  angelehnt.  H.  fiel  nun  während  der  Fahrt,  ohne  dass 
jemand  den  Vorgang  beobachtet  hätte,  aus  dem  Wagen  und 
wurde  getötet.  Der  Schadenersatzklage  der  Hinterlassenen 
des  F.  H.  setzte  die  Bahngesellschaft  die  Einrede  entgegen, 
H.  habe  sich  mit  der  Transportanstalt  durch  unredliche  Handlung 
oder  mit  wissentlicher  Uebertretung  polizeilicher  Vorschriften  in 
Berührung  gebracht  und  habe  den  Unfall  durch  eigenes  Verschul- 
den herbeigeführt.  Die  kantonalen  Instanzen  haben  die  Klage 
abgewiesen.  Das  Bundesgericht  dagegen  hat  die  Beklagte  für 
grundsätzlich,  wenn  auch  infolge  konkurrierenden  Verschul- 
dens des  Getöteten  nur  in  reduziertem  Masse,  haftpflichtig 
erklärt.  Aus  den  Gründen  ist  hervorzuheben: 

1.  Bei  dem  Haftbefreiungsgrunde  des  Art  4  E.  H,  G.  handelt 
es  sich  nur  um  eine  spezielle  Anwendung  des  Grundsatzes, 
dass  Selbstverschulden  des  Getöteten  oder  Verletzten  die 
Transportanstalt  von  der  Haftpflicht  befreit.  Es  wollte  näm- 
lich mit  der  Bestimmung  des  Art.  4  E.  H.  G.  eine  Streitfrage 
über  den  Kausalzusammenhang  zwischen  Selbstverschulden 
und  Unfall,  die  sich  in  der  Rechtsprechung  und  Doktrin  über 
das  deutsche  Reichshaftpflichtgesetz  erhoben  hatte,  positiv 
gelöst  werden  (s,  Botschaft  des  Bundesrates  zum  E.  H.  G. 
vom  26.  Mai    1874,  B.  Bl.  1874,  I,  S.  892).  Art.  2  und  Art.  4 


16 

E.  H.  G.  stehen  danach  in  dem  Verhältnisse  zu  einander,  dass 
die  erstgenannte  Bestimmung  (soweit  sie  sieh  auf  das  Selbst- 
verschulden bezieht)  die  Fälle  umfasst,  wo  das  Selbstver- 
8cbulden  die  unmittelbare,  direkte  Ursache  des  Todes  oder 
der  Körperverletzung  war,  Art.  4  dagegen  die  Fälle  des  in- 
direkten, mittelbaren  Kausalzusammenhangs,  wobei  das  Ver- 
halten des  Getöteten  oder  Verletzten  nur  eine  der  Ursachen, 
und  zwar  nicht  notwendig  die  unmittelbare,  direkte  Ursache 
des  Unfalles,  war.  Es  ergiebt  sich  hieraus  zugleich  auch,  was 
als  Verursachung  im  Sinne  des  Art.  2  E.  H.  G.  anzusehen  ist: 
Der  Begriff  des  Kausalzusammenhanges  ist  hier  eng,  im  Sinne 
•der  unmittelbaren  Verursachung,  gefasst.  Von  den  Gründen 
nun,  die  Art.  4  E.  H.  G.  als  haftbefreiend  anführt,  fallt  vor- 
liegend eine  verbrecherische  Handlung  des  Getöteten  von 
vornherein  ausser  Betracht,  und  es  kann  sich  nur  fragen,  ob 
sich  der  Getötete  „durch  unredliche  Handlungen"  oder  „mit 
wissentlicher  Uebertretung  polizeilicher  Vorschriften  mit  der 
Transportanstalt  in  Berührung  gebracht**  habe.  Es  sei  nun, 
wie  des  Nähern  ausgeführt  wird,  nicht  anzunehmen,  dass  H. 
sich  den  Zutritt  zum  Gepäokwagen  in  Zug  Nr.  1099  durch 
die  falsche  Vorgabe,  dass  er  in  dienstlicher  Stellung  nach 
Fr.  gekommen  sei,  verschafft  habe.  Die  Annahme  der  Vor- 
instanz,  H.  habe  sich  durch  unwahre  Angaben  den  Zutritt 
zum  Gepäckwagen  im  Güterzug  Nr.  1099  erschlichen,  muss  daher 
geradezu  als  aktenwidrig  bezeichnet  werden.  Eine  unredliche 
Handlungsweise  H. 's  könnte  demnach  nur  noch  darin  gefunden 
werden,  dass  er  sich  ohne  Fahrkarte  im  Zuge  aufhielt.  Das 
blosse  Mitfahren  ohne  Lösung  einer  Fahrkarte  an  sich  stellt 
sich  jedoch  noch  nicht  als  unredliche  Handlung  dar,  vielmehr 
müssen  dazu  besondere  täuschende  Mittel  (z.  B.  Verbergen 
im  Wagen  und  dergl.)  kommen;  die  Anwendung  derartiger 
Mittel  durch  H.  ist  aber  nicht  erwiesen,  und  jedenfalls  hat 
er  sich  nicht  durch  täuschende  Angaben  mit  der  Transport- 
anstalt „in  Berührung  gebracht." 

Ist  sonach  nicht  als  erwiesen  anzunehmen,  dass  H.  sich 
durch  eine  unredliche  Handlung  den  Zutritt  zum  Güterzug 
Nr.  1099  verschafft  habe,  so  ist  weiter  zu  prüfen,  ob  dies 
nicht  „mit  wissentlicher  Uebertretung  polizeilicher  Vorschrif- 
ten" geschehen  sei.  Je  nachdem  nun  die  Begriffe  der  „wissent- 
lichen Uebertretung  polizeilicher  Vorschriften"  und  des  „sich 
in  Berührung  bringens"  enger  oder  weiter  gefasst  werden, 
ist  diese  Frage  zu  verneinen  oder  zu  bejahen.  Unzweifelhaft 
ist,  dass  H.  in  wissentlicher  Uebertretung  dienstlicher  Vor- 
schriften   von    Br.   nach    Fr.   gefahren    ist  (vergi.   Art.  7  der 


17 

Àllg.  Dienstvorschriften  für  Angestellte  der  Nordostbahngesell- 
schaft vom  1.  April  1897).  Allein  in  diesem  Verstoss  gegen 
dienstliche  Pflichten  lag  noch  nicht  ein  „sich  in  Berührung 
bringen"  mit  der  Transportanstalt,  welches  mit  dem  nach- 
herigen Unfälle  in  einem  derartigen  Zusammenhange  stünde, 
dass  es  als  Ursache,  wenn  auch  als  entfernte  Ursache,  des 
Unfalls  angesehen  werden  könnte.  .  .  .  Das  „sich  in  Berüh- 
rung bringen0  muss  einen  Bezug  haben  auf  den  Unfall,  und 
darf  nicht  ohne  allen  Zusammenhang  mit  diesem  stehen.  Das 
„sich  in  Berührung  bringen"  unter  wissentlicher  Uebertretung 
polizeilicher  Vorschriften  müsste  daher  vorliegend  geschehen 
sein  mit  Bezug  auf  den  Güterzug  Nr.  1099,  d.  h.  den 
Zug,  in  dem  sich  der  Unfall  ereignet  hat.  Das  ist  nun  zwar 
an  sich  der  Fall,  indem  dem  H.  nicht  erlaubt  war,  einen 
Güterzug  (und  einen  Gepäckwagen)  zur  Fahrt  zu  benutzen, 
da  diese  Züge  und  Wagen  nicht  zum  Transport  von  Personen 
bestimmt  sind.  Allein  diese  Uebertretung  wurde  aufgehoben 
durch  die  von  F.  erteilte  Erlaubnis  zum  Mitfahren  (vergi. 
Eger,  Reichshaftpflichtgesetz,  4.  Aufl.,  S.  136). 

2.  Treffen  nach  dem  Gesagten  die  Haftbefreiungsgründe  des 
Art.  4  E.  H.  G.  überall  nicht  zu,  so  ist  nunmehr  zu  untersuchen, 
ob  dem  H.  Selbstverschulden  zur  Last  falle  in  dem  Sinne,  dass 
sein  Handeln  als  unmittelbare,  direkte  Ursache  des  Unfalls  an- 
gesehen werden  müsse.  ...  In  dieser  Richtung  liegen  ver- 
schiedene Momente  in  den  Akten,  die  den  Schluss  darauf 
ziehen  lassen,  ein  den  Unfall  direkt  verursachendes  Selbst- 
verschulden liege  vor,  und  die  Möglichkeit  eines  Zufalls  in  eine 
derartige  Ferne  rücken,  dass  der  Beweis  des  Selbstverschuldens 
als  geleistet  angesehen  werden  kann.  Diese  Momente  liegen 
vor  allem  ini  ganzen,  disziplinwidrigen  Verhalten  H.'s  selbst. 
Dieses  ganze  Verhalten  lässt  darauf  seh  Hessen,  dass  er  seine 
Willens-  und  Geisteskräfte  nicht  mehr  völlig  beherrschte:  er  ver- 
lies8  entgegen  dienstlicher  Vorschrift  den  Dienstort;  zeohte 
bei  seiner  Ankunft  in  Fr.  ;  trotzdem  er  zweimal  mit  Personen- 
zügen hätte  zurückfahren  können,  blieb  er  in  Fr.,  bis  der 
letzte  Zug,  ein  Güterzug,  ankam  ;  auch  dann  verliess  er  die 
Wirtschaft  des  M.  erst  auf  dessen  Aufforderung  hin.  Wenn  man 
nun  auch  nicht  annehmen  will,  H.  sei  betrunken  gewesen,  so 
deutet  doch  dieses  ganze  Verhalten  zwingend  darauf  hin,  dass 
die  Selbstbeherrschung,  die  Ueberlegung  den  H.  verlassen 
hatte.  Befand  er  sich  aber  in  diesem  Zustande,  so  erklärt 
sich  der  Unfall  am  leiohtesten  und  natürlichsten  daraus,  dass 
H.  entweder  aus  dem  Wagen  trat,  oder  sich  an  die  Thüre 
anlehnte   und   so   herausfiel;  die  Möglichkeit  eines  rein  zu- 


18 

fälligen  Hinausfallens  ohne  Anlehnen  an  die  Thüre  erscheint 
danach  derartig  gering,  dass  sie  gegenüber  den  andern  Wahr- 
scheinlichkeiten nicht  mehr  in  Betracht  fallen  kann.  Der 
Unfall  ist  danach  in  der  That  auf  Selb  st  verschulden  des  H. 
zurückzuführen. 

Allein  dieses  Verschulden  erscheint  nicht  als  die  alleinige, 
ausschliessliche  Ursaohe  des  Unfalles;  vielmehr  konkurriert 
mit  demselben  ein  Verschulden  der  Beklagten.  Dieses  Ver- 
schulden der  Beklagten  besteht  darin,  dass  die  hintere  Thüre 
des  Gepäckwagens,  worin  sich  H.  befand,  nur  angelehnt,  nioht 
verschlossen  war.  Ohne  dieses  Moment  aber  hätte  der  Unfall 
nicht  passieren  können,  so  dass  auch  dieser  Umstand  als  für 
den  Unfall  kausal  angesehen  werden  muss.  (Entsch.  vom 
17.  Juli  1901  i.  S.  Herzog  und  Genossen  c.  N.  0.  B.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


10.  Dommages-intérêts.  Dommage  causé  par  des  abeilles. 
Responsabilité  du  propriétaire  du  rucher.    Art  50  C.  0. 

SevehAtel.  Jugement  du  Tribunal  cantonal  du  6  février  1901  d.  I.  c, 
Chapuis  c.  Lienhard. 

Lienhard  a  établi  dans  son  jardin  un  rucher  à  proximité 
de  la  route  cantonale.  Les  ruches  sont  installées  derrière  une 
haute  palissade  en  planches  posée  sur  le  mur  du  jardin,  de 
sorte  que  les  passants  sur  la  route  ne  peuvent  pas  voir  le 
rucher.  Le  13  juillet  1900,  un  domestique  de  Chapuis  effec- 
tuant un  voiturage  de  pierres  laissa,  pendant  qu'il  s'acquit- 
tait d'une  commission  sur  l'emplacement  des  pierres,  son  at- 
telage sur  la  route  devant  le  mur  du  jardin  où  se  trouve  le 
rucher.  A  son  retour,  le  domestique  vit  que  les  abeilles  sur- 
excitées par  la  température  très  chaude  de  la  journée  et  peut- 
être  aussi  par  l'odeur  de  la  transpiration  du  cheval,  se  met- 
taient à  voler  autour  de  celui-ci  et  à  le  piquer.  Il  réussit  arec 
beaucoup  de  peine  à  dételer  le  cheval  et  à  remmener.  Mais 
malgré  les  soins  qui  furent  donnés  au  cheval,  il  périt  le  jour 
suivant,  succombant  aux  blessures  que  lui  avaient  occasion- 
nées les  piqûres  de  milliers  d'abeilles.  Chapuis  actionna  Lien- 
hard en  paiement  de  1000  fr.  valeur  du  cheval.  Le  Tribunal 
lui  alloua  760  fr.,  somme  estimée  suffisante  en  l'absence  d'une 
estimation. 


19 

Motifs:  En  premier  lieu  le  Tribunal  constate  que,  dans 
les  circonstances  de  la  cause,  le  domestique  de  Chapuis  n'a 
commis  aucune  faute.    Puis  il  continue: 

La  faute  commise  par  le  défendeur  n'est  pas  celle  d'un 
défaut  de  surveillance.  Mais  il  a  eu  le  tort  de  choisir  pour 
l'emplacement  de  son  rucher  dans  son  jardin  un  point  trop 
rapproché  de  la  voie  publique.  Cette  trop  grande  proximité 
de  la  route  cantonale  peut  devenir  pour  les  passants  une 
cause  de  danger  et  d'insécurité.  Le  oas  actuel  n  est  pas  isolé. 
Le  demandeur  a  donc  commis  l'imprudence  de  ne  pas  isoler 
suffisamment  ses  ruches,  mais  de  les  placer  trop  près  de  la 
voie  publique.  Pour  ce  fait,  il  doit  une  indemnité  aux  per* 
sonnes  qui,  sans  faute  de  leur  part,  sont  victimes  de  cet  état 
de  choses  qu'il  a  créé  dans  son  intérêt  particulier  et  pour 
en  retirer  un  avantage  pécuniaire. 

(Ree.  des  jugement»  du  Tribunal  cantonal  de  Neuchâtel,  VI  p.  52  88.) 


11.  Imitation  d'une  marque  de  fabrique  sur  enseigne, 
papiers  de  commerce  etc.  Violation  de  la  loi  fédérale  sur 
les  marques  de  fabrique  ou  bien  acte  de  concurrence  déloyale  régi 
par  l'art.  60  ss.  C.  0.? 

Genève.  Arrêt  de  la  Cour  de  justice  du  20  avril  1901  d.  1.  c:  Perrin 
frères  et  Cie  c.  Vaurillon. 

Perrin  frères  et  Cie,  fabricants  de  gants  à  Grenoble, 
ont  assigné  Vaurillon  par  devant  le  Tribunal  de  1"  instance; 
ils  exposent  qu'ils  ont  le  droit  exclusif  de  se  servir  de  la 
marque  de  fabrique  „A  la  Chevrette4*  et  que  Vaurillon  usurpe 
cette  marque  en  faisant  figurer  les  mots  „A  la  Chevrette" 
sur  son  enseigne  et  en  imitant  sur  ses  factures,  lettres, 
cartes  etc.  la  marque  toute  entière;  que  cette  usurpation 
constitue  la  concurrence  déloyale  destinée  à  détourner,  au 
profit  du  défendeur,  tout  ou  partie  de  la  clientèle  des  deman- 
deurs. En  conséquence,  ils  demandent  au  Tribunal  d'interdire 
au  défendeur  tout  usage  de  la  marque,  en  application  des 
art.  50  ss.  C.  0.  Vaurillon  a  excipé  de  l'incompétence  du  Tri- 
bunal de  1"  instance,  vu  que  c'est  la  Cour  4e  justice  qui  doit 
trancher  en  une  seule  instance  les  procès  en  contrefaçon,  en 
exécution  de  la  loi  fédérale  concernant  la  protection  des  marques 
de  fabrique  du  26  septembre  1890.  Les  demandeurs  ont  ré- 
pondu qu'ils  ne  reproohent  pas  au  défendeur  d'avoir  contre- 
fait ou  imité  leur  marque,  ni  de  l'avoir  appliquée  sur  des  pro- 
duits ou  sur  leur  emballage,  mais  qu'ils  l'accusent  seulement 
d'avoir  fait  figurer  leur  marque   sur  son   enseigne,  ses  fac- 


20 

tures  etc.;  que  ces  faits  sont  des  faits  de  concurrence  dé- 
loyale, dont  ils  demandent  la  réparation  à  teneur  des  art.  50  88. 
C.  0.;  que,  dès  lors,  le  Tribunal  de  l"  instance  est  compétent. 

Le  Tribunal  de  1"  instance  s'est  déclaré  incompétent, 
parce  que  la  contestation  portait  sur  une  question  d'usurpa- 
tion de  marque  de  fabrique  et  appelait  l'application  de  la  loi 
fédérale  sur  les  marques  de  fabrique. 

La  Cour  de  justice  a  réformé  ce  jugement  et  statué  que 
lo  Tribunal  de  1"  instance  est  compétent. 

Motifs:  Les  premiers  juges,  en  admettant  que  tout 
emploi  abusif  d'une  marque  déposée  appelait  l'application  de 
la  loi  fédérale  sur  les  marques  de  fabrique,  ont  commis  une 
erreur  de  droit. 

En  effet,  conformément  à  l'art.  1*'  de  la  loi  fédérale,  il 
ne  peut  être  question  de  contrefaçon,  d'imitation  ou  d'usur- 
pation de  marque  de  fabrique  que  lorsque  la  marque  inori- 
minée  a  été  apposée  „sur  un  produit  ou  sur  son  emballage." 
Le  Tribunal  fédéral  a  jugé  d'une  manière  constante  (voir  arrêt 
du  24  novembre  1894  d.  1.  c.  Prod'hoin  c.  Frémiot)  que  le 
droit  à  la  marque  ne  protège  que  contre  son  emploi  sur  la 
marchandise  elle-même,  ou  sur  l'enveloppe  du  produit,  et  non 
contre  d'autres  manœuvres  destinées  à  induire  l'acheteur  en 
erreur.  Ces  manœuvres  peuvent  apparaître  comme  illicites, 
comme  actes  de  concurrence  déloyale,  mais  elles  ne  consti- 
tuent pas  une  violation  du  droit  à  la  marque.  Par  conséquent, 
l'emploi  abusif  d'une  marque  sur  des  factures,  annonces,  en- 
seignes, ne  doit  être  considéré  que  comme  un  fait  de  con- 
currence déloyale  de  ressort  du  droit  commun. 

Or,  en  l'espèoe, ....  Vaurillon  n'a  pas  apposé  la  marque 
inoriminée  sur  ses  produits  ou  sur  leur  emballage  .  . .  mais 
seulement  sur  ses  factures  etc.  Les  demandeurs  se  plaignent 
de  faits  de  concurrence  déloyale  seulement  et  invoquent 
l'art.  50  C.  0.  Le  Tribunal  de  1"  instance  est  donc  compé- 
tent pour  connaître  de  l'action  intentée. 

(La  Semaine  judiciaire,  XXI11  p.  380  ss.) 


12.  Retentionsrecht  des  Vermieters.  Beginn  desselben 
sofort  mit  dem  Einzüge  des  Mieters,  auch  wenn  derselbe  vor  dem 
vereinbarten  Termin  erfolgt.     Art.  294  0.  R. 

ZU  rieh.  Urteil  der  Appellationskammer  des  Obergerichts  vom  18.  Au- 
gust 1900  i.  S.  Rosenstein  c.  Lüde. 

Rosenstein  vermietete  dem  M.  B.  am  18.  September  1899 
eine  Wohnung  (Bedingungen:  Mietebeginn  1. Oktober  1899, 


21 

dreimonatliche  Kündigung  je  auf  1.  April  und  1.  Oktober, 
Mietzins  600  Fr.  jährlich,  zahlbar  in  Monatsraten  von  50  Fr.) 
and  gestattete  ihm  sofortigen  Einzug  und  unentgeltliche  Be- 
nutzung der  Wohnung  bis  1.  Oktober.  M.  B.  bezog  die  Woh- 
nung am  19.  September.  Am  23.  September  zeigte  Lüde  dem 
Rosenstein  an,  dass  das  von  B.  eingebrachte  Mobiliar  ihm 
gehöre.  Dieses  Eigentumsrecht  des  Lüde  ist  auch  im  Pro- 
zesse nicht  bestritten.  Rosenstein  erwirkte  nun  aber  am 
23.  Mai  1900  für  200  Fr.  am  1.  Mai  verfallenen  Mietzins  und 
für  eine  laufende  Mietzinsforderung  von  250  Fr.  gegen  M.  B. 
Retention  aus.  Lüde  klagte  hiegegen  auf  unbeschwerte  Her- 
ausgabe der  Mobilien  und  machte  geltend,  Rosenstein  habe 
schon  bei  Beginn  der  Miete  (1.  Oktober  1899)  Kenntnis  von 
seinem  Eigentumsrechte  gehabt.  Rosenstein  wandte  ein,  die 
Miete  habe  schon  am  19.  September  begonnen,  die  Anzeige 
des  Lüde  vom  23.  gl.  M.  sei  daher  verspätet  gewesen.  Die 
Appellationskammer  hat  das  Retentionsrecht  für  die  ganze 
Forderung  von  450  Fr.  gutgeheissen. 

Gründe:  1.  Der  Entscheid  darüber,  ob  dem  Beklagten 
ein  Retentionsrecht  an  den  vom  Kläger  vindizierten  Gegen- 
ständen zustehe,  hängt,  wie  auch  die  Parteien  übereinstim- 
mend annehmen,  in  der  Hauptsache  davon  ab,  ob  dasselbe 
im  Zeitpunkt  der  Anzeige  des  Klägers  an  den  Beklagten, 
dass  die  eingebrachten  Gegenstände  sein  Eigentum  seien,  die 
Unbestrittenermassen  am  23.  September  1899  erfolgt  ist,  be- 
reits begründet  war,  bezw.  ob  damals  schon  ein  Mietverhält- 
nis zwischen  dem  Beklagten  R.  und  B.  bestund.  Dies  ist  mit 
dem  Vorderrichter  zu  bejahen.  Es  steht  fest,  dass  zwischen 
dem  Beklagten  und  B.  ein  Mietvertrag  über  die  betreffende 
Wohnung  mit  Antritt  auf  den  1.  Oktober  1899  abgeschlossen 
worden  ist.  Wenn  nun  der  Vermieter  dem  Mieter  —  wie  es 
nicht  selten  vorkommt  —  den  früheren  Bezug  der  gemieteten 
Wohnung  (schon  am  19.  September)  gestattete,  so  kann  hierin 
nicht  die  Begründung  eines  neuen,  selbständigen  Rechtsver- 
hältnisses, z.  B.  einer  Gebrauchsleihe  oder  eines  derselben 
verwandten  Innominatkontraktes,  erblickt  werden,  wie  der 
Kläger  darzuthun  versucht.  Vielmehr  erscheint  als  die  einzig 
zutreffende  und  gewiss  auch  dem  Willen  der  Parteien  ent- 
sprechende Auffassung  die,  dass  eben  der  Beginn  des  Miet- 
verhältnisses vorgerückt  wurde,  ohne  dass  damit  eine  ent- 
sprechende Erhöhung  des  Mietzinses  verbunden  war,  dass  also 
der  Vermieter  aus  freien  Stücken  dem  Mieter  eine  etwas 
grössere  Leistung  machte,  als  wozu  er  naob  dem  schriftlichen 
Vertrage  verpflichtet  gewesen  wäre.   Eine  besondere  (schritt- 


22 

liehe)  Beurkundung  bedurfte  diese  Modifikation  des  Mietver- 
trages natürlich  nicht,  da  hierin  keine  Abweichung  von  ge- 
setzlichen Bestimmungen  lag  (Art.  275  Abs.  2  0.  R.).  Hat 
also  das  Mietverhältais  mit  dem  1 9.  September,  an  welchem 
Tage  die  Wohnung  vom  Mieter  bezogen  und  die  streitigen 
Objekte  in  dieselbe  eingebracht  wurden,  seinen  Anfang  ge- 
nommen, so  war  mit  diesem  Tage  auch  der  Anspruch  des 
Vermieters  auf  Bezahlung  des  Mietzinses  —  der  für  die  Zeit 
vom  Antritt  der  Miete  bis  Ende  des  nächsten  Monats  (31.  Ok- 
tober) 50  Fr.  betrug  —  und  damit  auch  dessen  Retentions- 
recht an  den  eingebrachten  Gegenständen,  von  denen  er  nicht 
wu88te  oder  wissen  musste,  dass  sie  nicht  Eigentum  des  Mie- 
ters seien,  begründet.  Die  erst  am  23.  September  erfolgte 
Anzeige  des  Klägers  war  daher  verspätet  und  vermochte  das 
bereits  entstandene  Retentionsrecht  des  Beklagten  an  den 
betreffenden  Objekten  nicht  mehr  zu  alterieren. 

2.  Das  Gesetz  giebt  (in  Art.  294  Abs.  1  0.  R.)  dem  Ver- 
mieter das  Retentionsrecht  für  den  Mietzins  des  verflossenen 
und  des  laufenden  Jahres,  worunter  nach  feststehender  Praxis 
das  Jahr  vor  und  seit  dem  letzten  Zinstermine  zu  verstehen 
ist.  Hiebei  macht  es  keinen  Unterschied,  ob  das  Retentions- 
recht, sofern  dasselbe  einmal  zu  Recht  besteht,  an  Sachen  des 
Mieters  oder  solchen,  die  Eigentum  eines  Dritten  sind,  geltend 
gemacht  wird.  Es  findet  daher  keinen  Anhalt  im  Gesetze,  wenn 
die  frühere  obergerichtliche  Praxis  im  letztern  Falle  das  Re- 
tentionsrecht nur  bis  zu  dem  Zeitpunkte  geschützt  hat,  auf 
welchen  der  Vermieter  nach  erlangter  Kenntnis  vom  Eigen- 
tum des  Dritten  das  Mietverhältnis  durch  Kündigung  auflösen 
konnte  (vergi.  Schneider,  Komm.  z.  Art.  294  0.  R.  Nr.  51  der 
grossen  Ausgabe  v.  1896),  obgleich  zuzugeben  ist,  dass  für 
diese  Ansicht  Gründe  der  Billigkeit  sprechen.  Vielmehr  musa 
nach  der  Fassung  des  Gesetzes  derjenigen  Auffassung  bei- 
gepflichtet werden,  welche  das  Kassationsgericht  in  einem 
Entscheide  vom  22.  November  1886  (Rech.  Ber.  Nr.  134)  aeeep- 
tiert  und  näher  begründet  hat.  Danach  muss  aber  im  vor- 
liegenden Falle  das  vom  Beklagten  geltend  gemachte  Re- 
tentionsrecht (bis  1.  Oktober  1900)  im  vollen  Umfange,  also 
im  Betrage   von  450  Fr.  gutgeheissen  werden. 

(Schweizer  Blätter  für  h.-r.  Entech.,  XIX  S.  270  ff.) 


23 

13.  Prescription  du  recours  de  l'endosseur  (Tun  billet 
de  change  contre  ù  tireur.  Interruption  par  un  commandement  de 
payer.   Art  805  $$.  C.  0.    Art.  188  L.  P.  et  F. 

Vand.  Jugement  du  Tribunal  cantonal  dn  17  juillet  1900  d.  I.  c. 
Golay  c.  Fi  aux. 

Un  billet  de  change,  à  l'échéance  du  12  avril  1900,  en- 
dossé par  Golay  à  Savary  et  par  celui-ci  à  la  Banque  can- 
tonale, a  été  protesté  à  l'échéance.  Le  1er  mai,  Savary  a  fait 
notifier  à  Golay,  dans  une  poursuite  pour  effets  de  change, 
un  commandement  de  payer  pour  le  montant  de  ce  billet  avec 
intérêts,  frais  etc.  Golay  n'a  pas  fait  d'opposition,  au  con- 
traire il  a  fait  des  propositions  relatives  au  paiement  de  oe 
billet  qu'il  reconnaissait  devoir.  Le  5  juin,  Savary  a  requis 
la  faillite  de  Golay,  en  vertu  du  commandement  de  payer  passé 
en  force.  Le  8  juin,  le  Président  a  écarté  cette  réquisition 
comme  tardive.  Le  16  juin,  Savary  a  fait  notifier  à  Golay 
un  nouveau  commandement  de  payer  pour  le  même  billet,  et 
Golay  a  fait  opposition,  qui  a  été  admise  par  le  Président, 
par  les  motifs  que  le  recours  de  l'endosseur  contre  le  tireur 
se  prescrit  par  un  mois  et  que  le  premier  commandement  du 
1"  mai  n'a  pu  interrompre  la  prescription  au  sens  de  l'art.  805 
C.  0.,  ou  l'art.  188  L.  P.,  Savary  ayant  laissé  périmer  son 
droit  de  requérir  la  faillite  en  vertu  du  premier  commande- 
ment, lequel  ne  peut  sortir  aucun  effet. 

Le  Tribunal  cantonal  a  admis  le  recours  de  Savary  contre 
cette  décision  et  déclaré  l'opposition  irrecevable. 

Motifs:  Considérant  quà  teneur  de  Fart.  805  0.  0.,  le 
recours  de  l'endosseur  contre  le  tireur  et  les  autres  garants 
se  prescrit  par  un  mois,  si  le  créancier  qui  exerce  le  recours 
réside  en  Suisse; 

Qu'à  teneur  de  l'art.  806,  la  prescription  n'est  interrompue 
que  par  une  poursuite,  par  une  action  en  justice  ou  par  la 
production  faite  dans  la  faillite. 

Considérant  que  dans  le  délai  d'un  mois,  Savary  a  exercé 
contre  l'endosseur  Golay  une  poursuite  régulière  à  laquelle 
Golay  n'a  pas  fait  d'opposition; 

Que  cette  poursuite  a,  aux  termes  de  l'art.  806,  mani- 
festement eu  pour  effet  d'interrompre  la  prescription  du  re- 
cours de  Savary  contre  Golay; 

Que,  même  à  teneur  de  l'art.  807,  une  nouvelle  prescrip- 
tion, celle-là  de  trois  ans  au  lieu  d'un  mois,  a  commencé  à 
courir  dès  la  poursuite. 

Considérant  que  l'art.  188  L.  P.  et  F.  autorisait  Savary 
à  requérir  la  faillite  de  Golay,  mais  ne  l'y  obligeait  pas; 


u 

Que  la  seule  conséquence  du  défaut  par  Savary  de  re- 
quérir cette  faillite  dans  le  mois  dès  le  premier  commande- 
ment a  été  l'obligation  pour  Savary  d'intenter  une  nouvelle 
poursuite  ; 

Qu'en  revanche,  l'effet  produit  par  ce  premier  comman- 
dement d'interrompre  la  prescription  et  d'en  faire  courir  une 
nouvelle  de  trois  ans  n'a  nullement  été  détruit  par  le  fait 
qu'il  n'a  pas  convenu  à  Savary  de  requérir  de  suite  la  fail- 
lite Golay. 

Considérant  que  l'interruption  de  la  prescription  est  insti- 
tuée précisément  pour  le  cas  où  le  créancier  ne  pousse  pas 
sa  première  réclamation  jusqu'au  bout. 

(Journal  des  tribunaux,  Droit  cantonal,  XLIX  p.  149  sa.) 


14.  Betreibungsort.  Ort  der  angehobenen  Betreibung  oder 
Ort  des  nachher  erlangten  Arrestest  Art.  52  B.-Ges.  über  Schuld- 
betreibung und  Konkurs  vom  11.  April  1889. 

Bern.  Entscheid  der  kantonalen  Aufsichtsbehörde  in  Schuldbetrei- 
bung»- und  Konkurssachen  vom  25.  August  1900  i.  S.  Hutzli  c.  Schneiter. 

Mina  Hutzli  betrieb  den  Sohneiter  in  Konolfingen  für 
eine  Forderung  und  erwirkte  nachträglich  gegen  ihren  Schuld- 
ner einen  Arrest  in  Bern;  als  sie  dann  ihre  Betreibung  in 
Konolfingen  fortsetzen  wollte,  weigerte  sich  das  dortige  Be- 
treibungsamt, dem  bezüglichen  Begehren  zu  entsprechen.  Es 
wurde  aber  auf  Beschwerde  der  Hutzli  von  der  Aufsichts- 
behörde dazu  angehalten. 

Gründe:  Durch  die  nachträgliche  Auswirkung  eines  Ar- 
restes in  Bern  gegen  Schneiter  ging  die  Beschwerdeführerin 
des  Rechtes  nicht  verlustig,  die  am  Wohnsitze  des  genannten 
Schuldners  angehobene  Betreibung  daselbst  fortzusetzen,  viel- 
mehr stand  es  in  ihrem  Belieben,  die  Fortsetzung  der  Be- 
treibung am  bisherigen  Orte  derselben  oder  gemäss  Art.  52 
B.-G.  am  Arrestorte  zu  verlangen.  Allerdings  schreibt  Art.  52 
vor,  dass  wenn  für  eine  Forderung  Arrest  gelegt  sei,  die  Be- 
treibung da  anzuheben  sei,  wo  sich  der  Arrestgegenstand 
befinde,  und  dies  ist  offenbar  dahin  auszulegen,  dass  die  Be- 
treibung (auf  Pfändung)  dort  auch  durchzuführen  sei.  Diese 
offenbar  auch  im  Interesse  des  Arrestschuldners  eingeführte 
Bestimmung,  die  es  ihm  ermöglichen  soll,  da  belangt  za 
werden,  wo  seine  Vermögensobjekte  und  allfälligen  Vertreter 
sich  befinden,  ist  aber  zwingenden  Charakters  nur,  wo  noch 
kein  anderer  Betreibungsort  in  Wirklichkeit  durch  Anhebung 
der  Betreibung  begründet  worden   ist,   dagegen   fehlt   es   im 


26 

Gesetz  an  Bestimmungen  und  Anhaltspunkten,  welche  bei  der 
Konkurrenz  des  Betreibungsortes  des  Arrestes  mit  einem  be- 
reits begründeten  das  Wahlrecht  des  Gläubigers  ausschliessen. 
War  daher  im  Zeitpunkt  der  Arrestnahme  die  Betreibung  am 
Wohnsitze  des  Schuldners  bereits  angehoben,  so  kann  der 
Gläubiger  nach  seiner  Wahl  solche  dort  oder  am  Arrest- 
orte fortsetzen  (s.  Reichel,  Anm.  1  al.  2  zu  Art.  52  B.-G.; 
Archiv  fur  Seh.  u.  K.  IV  Nr.  76).  Es  ist  sonach  die  vorliegende 
Beschwerde  prinzipiell  begründet,  und  es  ist  in  Gutheissung 
des  Antrages  der  M.  Hutzli  das  Betreibungsamt  Konolfingen 
anzuweisen,  ihrem   Pfändungsbegehren  Folge  zu  geben. 

(Zeitschr.  d.  Bern.  J.  V.,  XXXVII  S.  399  f.) 


15.  Wechselbetreibung.  Einrede  aus  dem  Wechselreckt 
oder  nach  Art.  811  0.  /?.?  B.Ges.  über  Schuldbetreibung  und  Kon- 
kurs vom  IL  April  1889,  Art.  182  Ziffer  3  und  4. 

j      St.  Gallen.    Urteil   des   Kantonsgerichtspräsidenten    (R«knrsinstanz) 
vom  22.  Februar  1900. 

Der  Weinhändler  A.  im  Kanton  St.  Gallen  ist  dem  Wein- 
händler B.  in  Genf  aus  ihrem  Geschäftsverkehr  einen  grössern 
ungedeckten  Betrag  schuldig  geworden.  Er  ist  zudem  mit  B. 
über  die  Ersatzpflicht  für  einen  Geschäftsverlust  in  Streit 
geraten.  Um  den  B.  zu  einer  neuen  Lieferung  zu  bewegen, 
offerierte  Â.  dem  B.  die  Einsendung  eines  mit  A.s  Blanko- 
giro  versehenen  aeeeptierten  Wechsels  an  den  Agenten  des 
B.  in  Zürich,  welcher  den  von  B.  zu  liefernden  Wein  an  A.  — 
Zug  um  Zug  —  gegen  Aushändigung  des  Wechsels  an  B. 
gelangen  lassen  sollte.  Auf  diese  Offerte  telegraphierte  B. 
an  A.,  er  solle  den  aeeeptierten  Wechsel  an  den  Agenten  in 
Zürich  einsenden.  A.  sandte  den  Wechsel  an  den  Agenten 
mit  der  ausdrücklichen  Weisung,  ihn  dem  B.  nur  gegen  gleich- 
zeitige Ablieferung  der  neuen  Weinsendung  zu  überlassen. 
Aber  der  Agent  kehrte  sich  nicht  daran  und  übersandte  auf 
B.s  gegenteilige  Weisung  den  Wechsel  an  B.,  der  ihn  nun 
beim  Acceptanten  vorweisen  und  mangels  Zahlung  protestieren 
Hess,  und  ihn  im  Regresswege  gegen  A.  als  Aussteller  ein- 
klagte. 

Die  Rekursinstanz  erteilte  dem  A.  die  Bewilligung  zum 
Rechtsvorschlag,  aber  nicht  nach  Art.  182  Ziffer  3,  wie  A. 
verlangte,  sondern  nach  Art.  182  Ziffer  4  des  Bundesgesetzes 
über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom  II.  April  1889  gegen 
Hinterlegung  der  Forderungssumme;  —  mit  der  in  Art.  184 
vorgesehenen  gleichzeitigen  Aufforderung  an  B.  zur  Anhebung 
der  Klage  auf  Zahlung  binnen  zehn  Tagen. 


26 

Begründung:  Die  von  A.  erhobene  Einrede  der  arg- 
listigen Aneignung  bezw.  Innehabung  und  abredewidrigen 
Geltendmachung  des  eingeklagten  Wechsels  ist  durch  die 
eingelegte  Korrespondenz  zwischen  Â.  und  B.  und  mit  dem 
Agenten  des  B.  glaubhaft  gemacht.  Der  Umstand,  dass  A. 
dem  B.  noch  über  diese  Wechselforderung  hinaus  mehr  schul- 
det, vermag  die  Einrede  der  Arglist  nicht  zu  entkräften, 
wenn  wirklich  —  wie  glaubhaft  nachgewiesen  erscheint  — 
von  A.  der  Wechsel  als  Deckung  für  eine  von  B.  erst  noch 
zu  liefernde  Weinsendung  dem  Vertreter  des  B.  mit  der  aus- 
drücklichen Weisung  anvertraut,  resp.  übergeben  wurde,  ihn 
dem  B.  nur  gegen  gleichzeitige  —  Zug  um  Zug  —  zur  Ver- 
fügungstellung des  bestellten  Weinquantums  auszuhändigen. 
Aber  diese  Einrede  qualifiziert  sich  nicht  als  eine  aus  dem 
Wechselrecht  hervorgehende  Einrede  (Art.  1828),  sondern  als 
eine  andere  nach  Art.  811  0.  fi.  sonst  zulässige  Einrede 
(Art.l824B.-G.  und  Hafner,  Kommentar  zum  Art. 811  O.  R.). 

(Entsch.  des  Kantonsgerichts  des  Kts.  St.  Gallen  i.  J.  1900,  S.  132  f.) 


16.  Domizil  und  Gerichtsstand  eines  Mündels,  wie- 
fern möglich  an  einem  andern  Orte  als  dem  der  Vormundschaft- 
liehen  Verwaltung.  B.-Ges.  betreffend  die  dvilrechüichen  Ver- 
hältnisse der  Niedergelassenen  vom  25.  Juni  1891y  Art.  3. 

Basel-Stadt.    Urteil  des  Appellationsgerichts  vom  28.  Oktober  1901 

i.  S.  Strübin  c.  Erbmasse  Mauri. 

Am  3.  Juli  1900  starb  in  Basel  eine  Katharina  Mauri, 
die  seit  27.  Oktober  1899,  an  welchem  Tage  sie  auf  dem 
Kontrollbureau  des  Polizeidepartements  ihre  Heimatschriften 
hinterlegt  und  die  Aufenthaltsbewilligung  erhalten  hatte,  als 
Kellnerin  und  auch  durch  Unzucht  ihren  Erwerb  in  Basel 
gefunden  hatte.  Sie  hinterliess  ein  Vermögen  von  rund  5000 
Pranken.  Die  Civilgerichtsschreiberei  als  Nachlassbehörde  nahm 
ein  Inventar  auf  und  erliess  eine  Auskündung.  Da  kam  eine 
überraschende  Thatsache  zum  Vorschein.  Die  verstorbene 
Mauri  war  heimatberechtigt  in  Mailand,  in  der  Schweiz  im 
Jahr  1879  geboren,  nach  italienischem  Rechte  im  Moment 
ihres  Todes  noch  minderjährig,  und  es  bestand  in  San  Vittore, 
Kanton  Graubünden,  ihrem  früheren  Wohnorte,  eine  Vormund- 
schaft über  sie.  Die  Behörden  von  Roveredo  (Misocco),  in 
deren  Amtsbezirk  San  Vittore  liegt,  beanspruchten  die  Kompetenz 
zur  Erledigung  des  Nachlasses  und  das  Bundesgericht  ent- 
schied in  Erledigung  eines  Rekurses  am  6.  März  1901  zu  ihren 


27 

Gunsten,  weil  die  Vormundschaft  in  Roveredo  hinsichtlich 
des  Vermögens  der  Mauri  noch  nicht  liquidiert  sei  und  recht- 
lich der  Wohnort,  der  Mauri  kein  anderer  sein  könne  als 
Roveredo,  wo  ihr  Vormund  weile. 

Th.  Strübin,  bei  dem  die  Mauri  zuletzt  zur  Miete  gewohnt 
hatte,  klagte  nun  aber  doch  in  Basel  seinen  Mietzins  gegen  die 
Erbmasse  ein  ;  er  berief  sich  auf  §  7  der  Basler  C.-P.-O.  (Gerichts- 
stand der  Erbschaft)  und  darauf,  dass  der  im  Bundesgesetz 
über  die  ci vilrecht liehen  Verhältnisse  der  Niedergelassenen 
aufgestellte  vormundschaftliche  Wohnsitz  sich  nur  auf  die  im 
Bundesgesetz  selbst  normierten  Rechtsverhältnisse  beziehe.  Die 
Vonuundschaftsbehörde  in  Roveredo,  der  die  Klage  requisì- 
torisch  zugestellt  wurde,  beantragte,  dass  sich  das  Basler 
Gericht  inkompetent  erklären  solle,  unter  Berufung  auf  den 
bunde8gerichtliohen  Entscheid  vom  6.  März  1901.  Beide  In- 
stanzen erklärten  aber  die  Kompetenz  der  Basler  Gerichte  als 
begründet,  das  Appellationsgericht  mit  folgender  Motivierung: 

Nachdem  das  Bundesgerioht  am  6.  März  1901  entschieden 
hat,  dass  die  Erbmasse  der  Mauri  in  Roveredo  zu  liquidieren 
sei,  bleibt  immer  noch  die  Frage  offen,  ob  dieser  Entscheid 
auch  in  der  Weise,  wie  die  Beklagte  es  beansprucht,  für  den 
Gerichtsstand  im  Givilprozesse  verbindlich  sei,  d.  h.  ob  damit 
die  Frage  des  Erwerbes  eines  auswärtigen  Domizils  durch 
«inen  Bevormundeten  ohne  weiteres  und  zwar  im  Sinne  der 
Unmöglichkeit  eines  solchen  Erwerbes  erledigt  sei.  Es  ist 
dies  nicht  der  Fall.  Denn  die  Vorschriften  des  Bundesgesetzes 
betreffend  die  civilreohtlichen  Verhältnisse  der  Niedergelassenen 
und  Aufenthalter  von  1891  über  den  gesetzlichen  Wohnsitz 
einer  Person  (Art.  3)  gelten  nur  für  den  eng  begrenzten  Kreis 
der  Verhältnisse,  die  in  dem  zitierten  Bundesgesetz  geordnet 
sind.  Dazu  zählt  der  Gerichtsstand  im  Civilprozesse  nicht. 
Bundesrechtlich  steht  vielmehr  fest,  dass  ein  Bevormundeter 
ein  auswärtiges  Domizil  erlangen  kann,  wenn  die  Vormund- 
schaftsbehörde ihre  Einwilligung  dazu  giebt,  und  diese  Ein- 
willigung auch  stillschweigend  erfolgen  kann,  etwa  dadurch, 
dass  die  Vormundschaftsbehörde  einen  ihr  bekannten  Wohnorts- 
wechsel des  Vögtlings  einfach  geschehen  lässt,  ohne  dagegen 
zu  protestieren  und  den  Vögtling  zur  Rückkehr  aufzufordern. 
In  diesem  Sinne  hat  sich  das  Bundesgericht  ausgesprochen 
anlässlich  einer  Streitigkeit  über  Verzicht  auf  das  Schweizer- 
bürgerrecht seitens  ausgewanderter  Bevormundeter  (a.  S.  d. 
bundesgerichtl.  Urteile  XIV  S.  548)  und  eines  Streits  über 
Uebertragung  der  Vormundschaft  an  die  Behörde  des  neuen 
Wohnorts  des  Vögtlings  (das.  XX  S.  315  f.). 


28 

Nun  ist  nioht  zu  bezweifeln,  class  die  Mauri  am  27.  Oktober 
1899  in  Basel  eine  Aufenthaltsbewilligung  erhalten  und  dass 
sie  vom  Oktober  1899  an  bis  zu  ihrem  Tode  (3.  Juli  1900) 
in  Basel  ein  regelrechtes  Domizil  gehabt  hat,  gegen  das  die 
Yormundschaftsbehörde  von  Roreredo  nie  protestiert  hat.  Nach 
Lage  der  Akten  musa  angenommen  werden,  dass  der  Aufent- 
halt der  Mauri  ihren  Verwandten  in  San  Vittore  und  ihrem 
Vormund  (Frizzi)  bekannt  war  und  dass  diese  Personen  keinerlei 
Einwendungen  dagegen  erhoben  haben.  Damit  hat  die  Mauri 
aber  auoh  bei  Lebzeiten  ihren  oivilprozessualischen  Gerichts- 
stand in  Basel  gehabt  und  ist  auch  der  in  §  7  C.-P.-O.  vor- 
geschriebene Gerichtsstand  der  Erbschaft  für  Klagen  Dritter 
gegen  alle  Erbmassen,  deren  Erblasser  hier  seinen  Gerichtsstand 
hatte,  nicht  im  Widerspruch  mit  dem  Bundesrechte.  Ebenso 
wenig  der  §  3  C.-P.-O.,  wonach  bei  Klagen  gegen  Bevor- 
mundete, die  hier  ihren  Wohnsitz  haben,  die  auswärtige 
Vormundschaftsbehörde  aufzufordern  ist,  für  gehörige  Ver- 
tretung des  Bevormundeten  zu  sorgen.  Der  Gerichtsstand 
in  Civilsachen  folgt  eben  mit  Notwendigkeit  aus  dem  Vor- 
handensein des  Domizils.  Das  Gericht  hat  bei  der  Beurteilung 
der  vorliegenden  Streitsache  nioht  zu  untersuchen,  ob  unsere 
Basler  Vormundschaftsbehörden,  da  die  Mauri  seit  Oktober 
1899  in  Basel  domiziliert  war,  gemäss  Art.  17  des  Bundesgesetzes 
über  die  civilrechtlichen  Verhältnisse  der  Niedergelassenen 
und  Aufenthalter  von  1891  die  Uebertragung  der  Vormund- 
schaft von  den  Behörden  Graubündens  hätten  verlangen  sollen. 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


17.    0.  R.  Art.  14.    Bedeutung  des  Vorbehalts  einer  gewill- 
kürten Form. 

La  présomption  de  l'art.  14  CO.  n'est  pas  une  présomption 
absolue,  mais  peut  être  combattue  par  la  preuve  contraire;, 
il  ne  s'agit  pas  d'une  prescription  suivant  laquelle,  lorsqu'une 
forme  particulière  a  été  convenue,  l'accomplissement  de  cette- 
forme  serait  toujours  nécessaire  pour  la  conclusion  du  contrat. 
D'autre  part,  la  présomption  ae  l'art.  14  C.  0.  trouve  place 
aussitôt  qu'il  est  établi  qu'une  forme  particulière  a  été  con- 
venue; il  n'est  pas  nécessaire  d'alléguer  en  outre  des  circon- 
stances spéciales  pour  démontrer  que  la  volonté  des  partie» 
a  été  de  faire  de  la  forme  convenue  une  condition  d'existence- 
du  contrat;  cette  volonté  se  présume.  Si  l'un  des  contractant* 
soutient  que  la  forme  convenue  dans  un  cas  particulier  a  une 
autre  signification,  c'est  à  lui  qu'il  incombe  d'en  rapporter 
la  preuve;  il  doit  alléguer  et,  au  besoin,  prouver  des  fait» 
concluants  établissant  cette  volonté  des  parties,  contre  laquelle 
milite  la  présomption  de  l'art.  14  C.  0.  (Entsch.  vom  21.  Juni 
1901  i.  8.  Favre  o.  veuve  Gallay.) 


18.  O.A.  Art.  16, 18 ff.  Vergleich.  Grundsätze  über  Aus- 
legung.   Wesentlicher  Irrtum  bei  demselben. 

Für  die  Auslegung  des  Vergleiches  gelten  nicht  besondere 
Rechtsregeln,  speziell  die  Regel,  dass  der  Vergleich  eng  zu 
interpretieren  sei;  sondern  es  gelten  hiefür  die  überhaupt  für 
gegenseitige  Verträge  geltenden  Regeln,  und  es  darf  nur  nichts 
in  den  Vergleich  hineingelegt  werden,  woran  die  Parteien 
nicht  gedacht  haben  (vergi.  Danz,  Auslegung  der  Rechts- 
geschäfte, S.  178,  §  26  i.  f.). 

Damit  ein  Vergleich  wegen  wesentlichen  Irrtums  an- 
gefochten werden  könne,  ist  erforderlich,  dass  sioh  der  Irrtum 
auf  einen  Punkt  beziehe,  der  von  beiden  Parteien,  oder  doch 
mit  Wissen  der  andern  Partei  von  der  einen,  als  feststehend 
angesehen  wurde  (vgl.  Revue  XIII  Nr.  53;  Amtl.  Sammig  XVI 
8.  174  f.,  Erw.  4).  (Entsch.  vom  25.  Oktober  1901  i.  S.  R. 
Honegger  &  Cie  o.  Spinner.) 


30 

19.  0.  R.  Art.  17, 83  Abs.  2.  06  ein  Rechtsgeschäft  sich  ob 
wucherhaft  qualifiziert  und  inwieweit  ihm  aus  diesem  Grunde 
der  Rechtsschutz  zu  versagen  ist,  beurteilt  sich  nach  kantonalem 
Rechte, 

Das  Bundesgericht  hat  schon  in  seinem  Urteil  vom  15.  De- 
zember 1894  in  Sachen  Lawinsky  c.  Schneebeli  (  A  mtl.  Sammig 
Bd  XX  S.  1079  ff.)  ausgesprochen,  class  es  sich  nach  kantonalem 
Hecht  bestimme,  ob  ein  Rechtsgeschäft  den  Charakter  eines 
wucherhaften  trage,  und  inwieweit  ihm  ans  diesem  Grunde 
der  Rechtsschutz  zu  versagen  sei;  dem  kantonalen  Rechte 
bleibe  die  legislative  Bekämpfung  des  Wuchers  und  damit 
auch  die  Normierung  der  civilrechtlichen  Folgen  wucherhafter 
Geschäfte  vorbehalten  (loco  citato  S.  1087  Erw.  6).  (Vergi, 
auch  Âmtl.  Sammig  Bd  XYII  S.  664  Erwäg.  7.)  An  dieser 
Auffassung  ist  festzuhalten.  Wenn  schon  vielleicht  argumentiert 
werden  könnte,  ein  wucherhaftes  Rechtsgeschäft  erscheine  nach 
Art.  17  0.  R.  nichtig,  so  ist  doch  zu  beachten,  dass  Art.  83 
Abs.  2  0.  R.  selber  der  Kantonalgesetzgebung  vorbehält,  „Be- 
stimmungen gegen  Missbräuche  im  Zinswesen  aufzustellen." 
Ferner  fallt  in  Betracht,  dass  die  strafrechtliche  Behandlung 
des  Wuchers  zur  Zeit  noch  vollständig  den  Kantonen  über- 
lassen ist;  nun  steht  aber  dessen  civilrechtliche  Behandlung 
mit  der  strafrechtlichen  in  einem  derart  engen  Zusammen- 
hang, und  handelt  es  sich  überhaupt  bei  der  ganzen  Frage 
der  gesetzgeberischen  Behandlung  des  Wuchers  um  ein  derart 
umstrittenes  Gebiet,  dass  mit  der  Ueberlassung  der  straf- 
rechtlichen Behandlung  an  die  Kantone  auch  die  civilrecht- 
liche Seite  als  den  Kantonen  überlassen  angesehen  werden 
muss,  so  dass  Art.  83  Abs.  2  0.  R.  in  diesem  extensiven 
Sinne  auszulegen  ist.  (Entsch.  vom  23.  November  1901  i.S. 
Bernhard  c.  Krauer  und  Schoop.) 


20.    0.  R.  Art.  24,    Thatbestand  des  civilrechtlichen  Betrug*. 

Der  Beklagte,  welcher  damals  Direktor  der  Aktiengesell- 
schaft Chardon netseidenfabrik  Spr.  war,  hatte  dem  Kläger, 
welcher  als  Geschäftsfreund  der  Fabrik  gelegentlich  den 
Wunsch  geäussert  hatte,  Aktionär  der  Gesellschan;  zu  werden, 
am  23.  Januar  1900  20  Aktien  derselben  zum  Kauf  angeboten; 
er  bemerkte  dabei,  es  sei  einer  seiner  Freunde  in  London, 
der  seine  Kapitalien  für  ein  englisches  Unternehmen  frei  zu 
bekommen  wünsche,  welcher  bereit  sei,  diese  Aktien  (die 
einen  Nominalwert  von  Fr.  500  besassen),  zum  Preise  von 
Fr.  750  per  Stück  zu  verkaufen.    Nach  einem  Briefwechsel, 


SI 

in  welohem  der  Beklagte  stets  festhielt,  class  er  für  einen 
Londoner  Geschäftsfreund  handle,  der  Kläger  dagegen  eine 
Ermässigung  des  Kaufpreises  anstrebte,  kam  schliesslich  am 
12.  Februar  1900  ein  Kauf  um  die  20  Aktien  zum  Preise 
von  Fr.  725  per  Stüok  zu  stände.  Naohdem  sich  indes  in- 
zwischen herausgestellt  hatte,  dass  die  Verhältnisse  der  Aktien- 
gesellschaft keine  günstigen  waren,  die  Aktionäre  vielmehr 
bei  einer  in  Aussicht  genommenen  und  später  durchgeführten 
Fusion  bezw.  Gesohäftsveräusserung  einen  nicht  unerheblichen 
Verlust  auf  dem  Nominalwerte  ihrer  Aktien  zu  gewärtigen 
haben,  forderte  der  Kläger  bereits  am  22.  Mai  1900  den  Be- 
klagten auf,  die  Aktien  gegen  Vergütung  des  darauf  bezahlten 
Preises  zurückzunehmen,  da  er  ihn  durch  falsche  Vorspiege- 
lungen zum  Vertragsabschlüsse  verleitet  habe.  Da  der  Be- 
klagte hierauf  nicht  eingehen  wollte,  erhob  der  Kläger  gegen 
ihn  Klage  mit  dem  Antrage,  der  Beklagte  sei  zu  verpflichten, 
dem  Kläger  gegen  Rückgabe  der  diesem  verkauften  20  Stück 
Aktien  der  Ghardonnetseidenfabrik  Spr.  den  Kaufpreis  von 
Fr.  14,500  zurückzugeben  nebst  Zins  zu  4  °/o  vom  16.  Februar 
1900  bis  zum  Datum  der  Weisung  (13.  August  1900)  und 
zu  5  °/o  von  da  an.  Die  Klage  wurde  von  allen  Instanzen 
gutgeheissen,  vom  Bundesgerichte  wesentlich  mit  der  Be- 
gründung : 

Mit  Recht  geht  die  Vorinstanz  davon  aus,  zur  Begründung 
der  auf  Art.  24  0.  R.  gestützten  Betrugsklage  sei  erforderlich, 
dass  durch  die  Vorspiegelung  einer  falschen  oder  die  Entstellung 
oder  Unterdrückung  einer  wahren  Thatsaohe  in  der  Gegenpartei, 
in  ca8U  dem  Kläger,  ein  Irrtum  erregt  oder  unterhalten  worden 
und  dieser  Irrtum  bestimmend  für  den  Abschluss  des  in 
concreto  angefochtenen  Kaufes  gewesen  sei.  Dabei  ist  es 
völlig  gleichgültig,  auf  welchen  Umstand  sich  die  Täuschung 
bezieht;  als  erheblich  erscheint  jeder  Irrtum,  der  für  den 
Kläger  zum  Beweggrund  geworden  ist.  Die  blosse  Unter- 
drückung einer  wahren  Thatsache  erscheint  im  Civilrecht 
dann  als  Täuschung,  Betrug,  wenn  entweder  eine  Pflicht  zur 
Mitteilung  bestand  oder  ein  aktives,  auf  Täuschung  be- 
rechnetes Verhalten  hinzugetreten  ist.  Im  fernern  ist  er- 
forderlich, dass  der  Täuschende  sich  seines  Verhaltens  be- 
*wa&8t  gewesen,  dass  duroh  Handeln  wider  besseres  Wissen 
der  fremde  Wille  zur  Abgabe  einer  Willenserklärung  vor- 
sätzlich bestimmt  worden  sei.  Ob  der  Irrende  den  Irrtum 
bei  gehöriger  Aufmerksamkeit  hätte  vermeiden  können,  ist 
gleichgültig,  nur  darf  der  Irrende  nicht  leichtgläubig  Aeus- 
.serungen  des  andern  getraut  haben,  die  ohne  Prätention  der 


32 

Glaubwürdigkeit  auftraten,  da  in  diesem  Falle  von  vorsätz- 
licher Bestimmung  fremden  Willens  durch  Täuschung  nicht 
mehr  gesprochen  werden  könnte  (Crome,  Lehrb.  d.  bürg. 
Rechts  S.  432).  Nicht  erforderlich  ist  zum  oivilreohtlichen  Be- 
trüge —  im  Gegensätze  zum  strafbaren  Betrug  —  der  Ver- 
mögensschaden des  Getäuschten.  Allerdings  handelt  es  sich 
auch  beim  oivilrechtlichen  Betrug  um  Egoismus  und  zwar  am. 
unerlaubten  Egoismus,  der  sich  zum  Nachteil  der  Gegen- 
partei einen  unerlaubten  Vorteil  verschaffen  will.  Allein 
dieser  unerlaubte  Vorteil  liegt  schon  darin,  dass  die  Gegen* 
partei  durch  die  arglistige  Täuschung  zur  Abgabe  einer  Willens- 
erklärung, bezw.  zum  Abschlüsse  eines  Vertrages  verleitet 
worden  ist. 

Wird  der  vorliegend  festgestellte  Thatbestand  an  Hand 
dieser  Grundsätze  geprüft,  auf  die  Frage,  ob  der  Kläger  durch 
Betrug  des  Beklagten  zum  Absohluss  des  angefochtenen  Rechts- 
geschäftes bestimmt  worden  sei,  so  ist,  was  vorerst  den  Kausal- 
zusammenhang zwischen  der  Täuschung  und  der  Abgabe  der 
rechtsgeschäftlichen  Willenserklärung  betrifft,  zu  sagen,  dass 
derselbe  sich  rieh  tigerweise  —  wie  Crome,  Lehrb.  d.  bürg. 
Rechts  S.  433,  behauptet  —  aus  der  Person  des  Getäuschten 
beurteilt.  Doch  ist,  was  die  Beweislast  betrifft,  in  Ueberein- 
8timmung  mit  dein  von  der  Vorinstanz  angeführten  bundes- 
gerichtlichen Urteil  vom  15.  Oktober  1886  in  Sachen  Schirach 
c.  Lobenstein  (Amtl.  Sammig  XII  S.  637  E.  3)  davon  aus- 
zugehen, dass  der  Anfechtende  seiner  Beweispflicht  genügt, 
wenn  er  darthut,  dass  der  Kläger  durch  den  Beklagten  über 
irgend  eine  Thatsache  getäuscht  worden  ist,  die  für  ihn  nach 
allgemeiner  Verkehrsanschauung  für  den  Geschäftsabschluss 
erheblich  sein  konnte.  Ist  dies  dargethan,  so  ist  es  dann 
Sache  des  Anfechtungsgegners  Umstände  darzuthun  und  zu 
beweisen,  aus  welchen  hervorgeht,  dass  der  Kläger  im  kon- 
kreten Falle  doch  nicht  getäuscht  bezw.  durch  die  arglistige 
Täuschung  nicht  zur  Vornahme  des  Rechtsgeschäftes  bestimmt 
worden  ist. 

Nun  ist  festgestellt  und  unbestritten,  dass  der  Beklagte 
dem  Kläger  die  unwahre  Thatsache  vorgespiegelt  hat,  dass 
nicht  er,  sondern  ein  in  London  wohnender  Geschäftsfreund 
der  Verkäufer  der  streitigen  Aktien  sei.  Die  Vorinstanz 
nimmt,  gemäss  der  Behauptung  des  Klägers,  als  festgestellt 
an,  der  Umstand,  dass  nicht  der  Beklagte,  sondern  ein  Dritter 
als  Verkäufer  aufgetreten  sei,  sei  von  wesentlicher  Bedeutung 

für  die  Erschliessungen  des  Klägers  gewesen Dieser  Ana- 

führung  ist  beizutreten.    Durch  die  Angabe,  dass  Verkäufer 


33 

'der  streitigen  Aktien  ein  Londoner  Geschäftsfreund  sei,  spie- 
gelte der  Beklagte  dem  Kläger  bewusst  eine  falsche  Thatsaohe 
-vor.  Der  Beklagte  meint  nun  allerdings,  dieser  falschen  An- 
gabe sei  deshalb  keine  Bedeutung  beizumessen,  weil  sie  sich 
auf  einen  ganz  unerheblichen  Thatumstand  beziehe,  welchem 
keinerlei  Bedeutung  für  die  Entschliessung  des  Klägers  zu- 
kam, da  diesem  die  Persönlichkeit  des  Verkäufers  der  Aktien 
ganz  gleichgültig  gewesen  sei.  Allein  dies  kann  nicht  an- 
erkannt werden.  Wenn  auch  im  allgemeinen  die  Persönlich- 
keit des  Verkäufers  im  Handel  nicht  von  ausschlaggebender 
Bedeutung  ist,  so  hat  doch  die  Vorinstanz  mit  Kecht  aus- 
geführt, dass  dies  unter  den  Umständen  des  vorliegenden 
Falles  anders  sei,  dass  hier  allerdings  die  falsche  Angabe, 
die  Aktien  werden  nicht  vom  Beklagten,  sondern  von  einem 
der  Unternehmung  fernestehenden  Aktionär  zum  Verkaufe  ge- 
bracht, einen  erheblichen  Punkt  betraf.  Denn  es  ist  ja  in 
der  That  richtig,  dass  der  Verkauf  der  Aktien  einer  Industrie- 
gesellschaft durch  die  Organe  derselben  nach  der  Verkehrs- 
an8ohauung  geeignet  ist  (sofern  nicht  erklärende  Thatsaohen 
vorliegen).  Misstrauen  in  die  Prosperität  des  Unternehmens 
zu  erregen,  wie  dies  ja  der  Beklagte  selbst  dadurch  anerkannte, 
da  ss  er  als  Erklärung  für  seine  falsche  Angabe  sein  Bestreben 
anführt,  den  ungünstigen  Eindruck  eines  von  ihm  abgeschlossenen 
Verkaufes  für  seine  Gesellschaft  zu  vermeiden.  Denn  ein  der- 
artiger ungünstiger  Eindruck  war  ja  eben  nur  deshalb  zu  be- 
fürchten, weil  die  Verkehrsanschauung  im  Verkaufe  von  Aktien 
durch  Organe  der  Gesellschaft  ein  ungünstiges  Anzeichen  für 
-das  Gedeihen  des  Unternehmens  erblickt.  Demgemäss  war 
sich  denn  der  Beklagte  bewusst,  dass  wenn  er  selbst  offen 
als  Verkäufer  auftrete,  dies  geeignet  sei,  Misstrauen  in  die 
Prosperität  der  Gesellschaft  zu  erregen  und  daher  den  Verkauf 
der  Aktien  zu  vereiteln  oder  doch  zu  erschweren,  d.  h.  von  ' 
vorheriger  Erteilung  bestimmter  Aufschlüsse  über  die  Ver-  •' 
hältni88e  der  Gesellschaft  abhängig  zu  machen;  Er  war  sich 
daher  der  Kausalität  seiner  falschen  Angabe,  der  Bedeutung 
derselben  für  den  Entschluss  des  Käufers,  den  Vertrag  ohne 
-weiteres  abzuschliessen,  bewusst,  und  es  ist  danach  allerdings 
der  Vertragssohlu88  als  durch  arglistige  Täuschung  herbei- 
geführt zu  erachten. 

Im  weitern  hat  die  Vorinstanz  eine  betrügerische  Handlung 
auch  darin  erblickt,  dass  der  Beklagte,  nachdem  er  angeblich 
als  Direktor  für  den  Geschäftsfreund  Vermittlerdienste  über- 
nommen habe,  den  Kläger,  trotzdem  ihm  bekannt  war,  dass 
die  Aktien  des  von  ihm  geleiteten  Unternehmens  nicht  einmal 


34 

mehr  den  Nominalwert  besitzen,  in  dem  irrtümlichen  Glaube» 
belassen  habe,  die  Zahlung  eines  Agios  von  50  %  entspreche 
dem   wahren  Werte   der  Aktien;   bierin  liege  ein  arglistige» 
Verschweigen  von  erheblichen  Thatsschen,  zu  deren  Mitteilung 
der  Beklagte  nach  den  konkreten  Umständen,  gemäss  dem  in 
Handel   und  Verkehr   geltenden   Grundsatz   über  Treu   und 
Glauben,  unbedingt  verpflichtet  gewesen  sei.    Nach  den  that- 
säcblichen  Ausführungen  der  Vorinstanz,  die  in  keiner  Weise 
aktenwidrig   sind,  steht   nun   fest,   dass   die  Bilanz  der  Spr. 
Gesellschaft  für  1899  ein  Defizit  von  Fr.  242,000  aufwies  und 
dass  der  Beklagte  als  Direktor  dieser  Gesellschaft  schon  sur 
Zeit  des   streitigen  Verkaufs  (12.  Februar  1900)  von  diesem 
ungünstigen  Stande  des  Unternehmens  im  wesentlichen,  wenn 
auch  vielleicht  nicht  von  dem  ganz  genau  bestimmten  Betrage 
des  Verlustes,  Kenntnis  hatte.    Im   weitern  steht  fest,  dass 
der  Beklagte  zur  Zeit  des  Kaufabschlusses  überhaupt   davon 
Kenntnis  hatte,   dass  die  Verhältnisse  der  Aktiengesellschaft 
derartige  waren,  dass  die  Aktien  derselben  nicht  einmal  den 
Nominalwert  besassen,  vielmehr  auf  Ende  1899  bilanzmäßig 
nur  etwa  Fr.  370  wert  waren  und  dass  auch  durch  die  damals, 
übrigens   noch   nicht  perfekte  oder  gesicherte  Fusion  ein  er- 
hebliches Defizit  nicht   werde  beseitigt  werden  können  (wie 
sich   denn  auch   nach  Akt.  92  bei  der  Liquidation   der  Ge- 
sellschaft schliesslich   ein  Defizit  von  Fr.  536,264  ergab,    so 
dass  der  Wert  der  Aktien  auf  Fr.  202  gesunken  war).    Wenn 
nun  angesichts  dieses  Sachverhalts  der  Beklagte  dem  Kläger 
unter   der  Maske   eines  Mittelmannes   zwischen   diesem  und 
dem  angeblichen  Londonerfreunde  die  Aktien  mit  einem  Agio^ 
von  50  °/o  anbot  und  verkaufte,  ohne  ihn  irgendwie  über  die 
ihm   bekannten  prekären  Verhältnisse   der  Gesellschaft  auf- 
zuklären, so  liegt  darin  allerdings  eine  betrügerische  Handlung. 
Das  ungünstige  Ergebnis  des  Rechnungsjahres  1 899,  der  Mangel 
an  dem  nötigen  Bau-  und  Betriebskapital,  die  dadurch  bedingte, 
für  die  Gesellschaft  Spr.  ungünstige  Gestaltung  der  Fusions- 
bezw.  Trust- Verhandlungen  Hessen   klar  erkennen,  dass  von 
einem  blühenden,  ein  Agio   auf  den  Aktien  rechtfertigenden, 
Stand   des  Gesellschaftsgeschäfts  nicht  die  Rede  sein  könne, 
sondern  dass  im  Gegenteil  für  die  Aktionäre  ein  mutmasslich 
nicht  unerheblicher  Verlust  auf  dem  Nominalwerte  der  Aktien 
in  naher  Aussicht  stehe.    Diese  für  den  Wert  der  Aktien  und 
dashit   für   den  Ëntschluss   des  Käufers  massgebenden  That- 
umstände  hat  nun  aber  der  Beklagte,  obsohon  er  als  Direktor 
der  Gesellschaft  mit  denselben  natürlich  genau  vertraut  war, 
einfach   unterdrückt  und  dem  Kläger  ein  nur  bei  ganz  gün- 


35 

atiger  Geschäftslage  der  Gesellschaft  erklärliches  Verkaufs- 
angebot als  angeblicher  Vertreter  eines  englischen  Geschäfts- 
freundes zur  Annahme  unterbreitet;  dadurch  hat  er  bei  dem 
Kläger  die  Meinung  hervorgerufen  und  auch  hervorrufen  wollen, 
dass  die  Geschäftslage  der  Gesellschaft  eine  blühende  seit 
welche  einen  Handel  ihrer  Aktien  mit  erheblichem  Agio  recht- 
fertige. Denn  der  Kläger  musate  naturgemäss  annehmen,  das» 
Offerten,  welche  der  ihm  als  unbeteiligter  dienstwilliger  Ge- 
schäftsfreund gegenübertretende  Beklagte  ohne  weiteres  zur 
Annahme  übermittelte,  in  der  wirklichen  Geschäftslage  der 
Gesellschaft  eine  Stütze  finden  müssen,  und  er  konnte  nicht 
vermuten,  dass  dieselben,  wie  dies  wirklich  der  Fall  war,, 
wider  Treu  und  Glauben  im  Eigeninteressa  des  Beklagten 
und  in  einer  der  wirklichen  Vermögenslage  der  Gesellschaft 
durchaus  und  offenbar  widersprechenden  Weise  gestellt  seien. 
Der  Beklagte  hat  also  durch  Verschweigen  sowohl  wie  durch 
positives  Handeln,  durch  die  Unterdrückung  der  ihm  bekannten, 
die  ungünstige  Vermögenslage  der  Gesellschaft  kennzeichnenden 
Thatsaohen,  verbunden  mit  seinem  Auftreten  als  Unterhändler,, 
als  den  Vertragsschlass  vermittelnder  Geschäftsfreund,  eine, 
für  den  Vertragsschluss  kausale  Täuschung  arglistig  geübt. 
Er  hat  nicht  etwa  nur  Erwartungen  und  Voraussetzungen  über 
die  zukünftige  Gestaltung  der  Verhältnisse  der  Gesellschaft 
ausgesprochen,  sondern  er  hat  den  Kläger  hinsichtlich  bestimmter 
Thatsachen  der  bisherigen  Gestaltung  der  Vermögenslage  der 
Gesellschaft  vorsätzlich  in  Irrtum  versetzt.  (Entsch.  vom  20.  De- 
zember 1901  i.  S.  Westermann-Seeburger  c.  Jenny.) 


21.  0.  R.  Art.  116.  Der  bei  Nichterfüllung  des  Kaufes  sei- 
tens des  Verkäufers  durch  Preisschwankungen  der  Ware  entstan- 
dene Schaden  gehört  zum  voraussehbaren  Schaden;  entgangener 
Gewinn. 

Dass  Preisschwankungen  einer  verkauften  Ware .  ein- 
treten können  und  dass  dann  bei  Preissteigerung  dem  Käufer 
durch  Nichtlieferung  der  Ware  ein,  mindestens  der  Preis- 
differenz gleichkommender,  Schaden  entstehen  werde,  war 
natürlich  vorauszusehen  (s.  Urteil  des  Bundesgerichts  vom 
4.  Mai  1889  i.  S.  Weerth  &  Cie  c.  Kammgarnspinnerei  Schaff- 
hausen, Amtl.  Samml.  Bd  XV,  S.  358,  Erw.  5);  dieser  Schaden 
gehört  also  so  recht  eigentlich  zum  voraussehbaren,  zu  dessen 
Ersatz  der  ersatzpflichtige  Schuldner  gemäss  Art.  116  Abs.  1 
O.K.  unter  allen  Umständen  verpflichtet  ist.  In  welchem  Um- 
fange diese  Preissteigerung  wirklich  eintrat,  ist  gleichgültig; 


36 

die  Beklagte  musste,  als  mit  den  Verhältnissen  des  Marktes 
in  diesem  Geschäftszweige  vertraut,  auch  voraussehen  können, 
<dass  sehr  grosse  Preissteigerungen   möglich  waren.     Ob  der 
Beklagten  schweres  Verschulden   zur  Last  falle,  kann   unter 
diesen   Umständen    dahingestellt   bleiben;    denn    der  voraus- 
sehbare Schaden  ist  der  Klägerin  auf  jeden  Fall  zuzusprechen, 
und  es  kann  nicht  etwa  auf  Grund  des  Art.  116  Abs.  2  0.R. 
an   diesem  voraussehbaren  Schaden,   wenn   er  einmal  festge- 
stellt ist,   ein   Abzug  gemacht   werden;   dieser   Absatz    des 
Art.  116  enthält  nämlich   nicht  etwa  einen  dem  Abs«  1  eod. 
gleichgestellten  materiellen   Rechtssatz,   der  den   Richter    er- 
mächtigen  würde,   vom   Zuspruche  des   vollen,   nach   Abs.  1 
erstattungsfähigen    Schadens    abzusehen,    sondern    nur    einen 
Grundsatz  des  Beweisrechts  (s.  Amtl.  Samml.  a.  a.  0.).  Das» 
aber   der    entgangene   Gewinn    ebenfalls    unter    den    voraus- 
sehbaren Schaden   fallt,  ist  klar  und   übrigens  von  der  Be- 
klagten  auch  nicht  bestritten.     (Entsch.  vom  21.  September 
1901    i.  S.   Ghardonnetseidenfabrik    Spreitenbach   c.   Bartels 
Dierichs  &  Gie.) 

22.    0.  R.  Ari.  179,  180,  182.     Begriff  der  Konvenüonai- 
etrafe.     Voraussetzungen  des  richterlichen  Ermässigungsrechtes. 

Der  Beklagte  St.  war  in  seinem  mit  dem  Kläger  G-.-N. 
abgeschlossenen  Anstellungsvertrage  die  Verpflichtung  einge- 
gangen, „nach  einem  eventuellen  Austritt  aus  dem  Geschäfte 
in  B.  innerhalb  zwei  Jahren  weder  ein  Kleidergeschäft  selbst 
oder  auf  andern  Namen  zu  etablieren  oder  betreiben  zu  lassen, 
noch  in  ein  solches  einzutreten.  Eine  Zuwiderhandlung  dieses 
Abkommens   verpflichtet   Herrn   A.  St.   oder  dessen   Rechts- 
nachfolger zu  einer  Entschädigungszahlung  von  Fr.  2000  an 
E.  6."    Da  St.  kurze  Zeit  nach  seinem  Austritt  aus  dem  Ge- 
schäfte in  ein  Herren-  und  Knabenkonfektionsgeschäft   in  B. 
eintrat,  so  belangte   ihn  G.-N.  auf  Bezahlung  einer  Entschä- 
digung von  Fr.  2000.     Die  Klage  wurde  sowohl   vom  App.- 
und  Kass.-Hofe   des  K.  Bern  als  vom  Bundesgeriohte  gutge- 
heissen.  In  den  Gründen  der  bundesgerichtlichen  Entscheidung 
wird  zunächst  die  Einwendung  des  Beklagten,   das  Konkur- 
renzverbot  sei  als  unsittlich  nichtig,  gestützt  auf  die  bisherige 
Praxis    verworfen,    und    ausgeführt,    dass    eine   Uebertretung 
dieses  Verbots  thatsächlioh  stattgefunden  habe.     Im   übrigen 
entnehmen  wir  derselben: 

Naoh  der  Konkurrenzklausel  hat  der  Beklagte  fur  den 
Fall  der  Uebertretung  eine  „Entschädigung4*  von  Fr.  2000  zu 
zahlen.     Der  Beklagte  macht  hieran  anknüpfend  geltend,  da 


37 

es  sich  um  eine  Entschädigung  handle,  habe  der  Kläger  den 
Nachweis  des  Schadens  zu  leisten,  und  dieser  sei  von  ihm 
nicht  erbracht.  Allein  es  kann  keinem  begründeten  Zweifel 
unterliegen,  dass  die  Parteien  unter  „Entschädigung"  eine 
Konventionalstrafe  verstanden  wissen  wollten.  Durch  jene  Be- 
stimmung war  vereinbart,  dass  der  Beklagte  dem  Kläger  für 
den  Fall  der  Uebertretung  des  Konkurrenzverbotes  eine  runde, 
im  voraus  festgesetzte  Summe  zu  bezahlen  habe,  ohne  wei- 
tern Nachweis  eines  Schadens;  gerade  das  aber  macht  das 
Wesen  der  Konventionalstrafe  aus,  wie  denn  auch  derartige 
Stipulationen  gerade  zur  Sanktionierung  von  Konkurrenzver- 
boten sehr  häufig  und  auch  wirksam  sind.  Mit  der  Ueber- 
tretung ist  daher  die  Konventionalstrafe  verfallen,  ohne  dass 
«der  Nachweis  eines  Schadens  erforderlich  wäre. 

Es  fragt  sich  somit  nur  noch,  ob  dem  eventuellen  An- 
trage des  Beklagten  auf  Herabsetzung  der  Konventionalstrafe 
zu  entsprechen  sei.  Die  Vorinstanz  hat  dieses  Begehren  ab- 
gewiesen, weil  die  Konventionalstrafe  nur  ausnahmsweise  zu 
er  mass  igen  sei  und  hier  keine  Gründe  zur  Ermässigung  vor- 
liegen, die  8tipulierte  Strafe  gegenteils  zu  dem  Salai r,  das 
-der  Beklagte  beim  Kläger  bezogen,  und  zu  dem  wahrschein- 
lich dem  Kläger  erwachsenen  Sohaden,  in  keinem  Misverhält- 
-nis  stehe.  Nun  ist  vorerst  richtig,  wie  sich  aus  einer  Gegen- 
überstellung der  Art.  180  und  182  0.  B.,  und  speziell  des 
-ersten  Satzes  des  letztgenannten  Artikels  mit  dem  zweiten 
Satze  ergiebt,  und  wie  ferner  aus  dem  dem  schweizerischen 
Obligationenrecht  zu  Grunde  liegenden  Prinzipe  der  Vertrags- 
freiheit folgt,  dass  der  Richter  von  der  ihm  durch  Art.  182 
Schlusssatz  gewährten  Befugnis  der  Herabsetzung  der  Kon- 
ventionalstrafe nur  ausnahmsweise  Gebrauch  machen  soll.  Er 
soll  dies  nur  thun,  wenn  übermässige  Konventionalstrafen 
verabredet  sind,  d.  h.  dann,  wenn  die  Strafe  in  gar  keinem 
Verhältnis  zur  Bedeutung  der  Vertragsverletzung  steht  und 
damit  die  Billigkeit  und  Gerechtigkeit  augenscheinlich  über- 
schreitet. Hievon  ist  nun  vorliegend  keine  Rede.  Insbeson- 
dere kann  nicht  ausschliesslich  darauf  abgestellt  werden,  dass 
dem  Kläger  gar  kein  Schaden  oder  nur  ein  minimer  Schaden 
entstanden  sei;  denn  nach  Art.  180  Abs.  1  0.  R.  ist  die  Kon- 
ventionalstrafe auch  dann  verfallen,  wenn  kein  Schaden  er- 
wachsen ist,  und  dies  beruht  darauf,  dass  die  Strafe  zugleich 
auch  die  Funktion  einer  Genugthuung  für  die  erlittene  Krän- 
kung ausüben  soll.  Eine  Kränkung  ist  aber  dem  Kläger  duroh 
den  Beklagten  duroh  seinen  Eintritt  in  ein  Konkurrenzgeschäft 
in  B.,   zumal   in   ein   so   nahe   bei    der   Filiale   des   Klägers 


38 

gelegenes,  offenbar  zugefügt  worden.  Uebrigens  erscheint  die 
Strafe  auch  angesichts  des  möglichen  Schadens,  den  der  Kläger 
erlitten,  und  des  Salaire,  das  der  Beklagte  bei  ihm  bezog 
(laut  Feststellung  der  Vorinstanz  Fr.  2800  bis  3000  jährlich), 
nicht  übermässig.  (Entsch.  vom  18.  Oktober  1901  i.  S.  Steidle 
c.  Götz-Niggli.) 

23.  Bundesgesetz  über  das  Verfahren  bei  dem  Bundesgericht 
in  bürgerlichen  Rechtssir  eiUgkeüen  vom  22.  November  2850,  Art.  31 
Abs.  4.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundes- 
rechtspflege vom  21.  März  1893,  Art.  41,  65.  0.  R.  Art.  9,  12, 
199  f.,  210,  213,  215,  225,  678  ff.,  694.  Ende  der  Berufungs- 
frist. —  Rechtliche  Natur  von  Genossenschaftsanteilscheinen.  Durch 
Verpfändung  von  (unübertragbaren)  Genossenschaftsanteüsckeinen 
können  nur  die  Forderungsrechte  des  Genossenschafters  in 
Bezug  auf  Zins,  Dividende  und  Liquidationsquote  verpfändet 
werden.  Was  gehört  zu  schriftlicher  Beurkundung  der  Verpfan- 
dung} Retentionsrecht  an  Genossenschaftsanteüscheinenl 

In  dem  Konkurse  über  F.  W.,  Weinhändler  in  Luzern, 
hatte  die  Beklagte,  Sparkasse  Z.,  für  eine  Forderung  von 
Fr.  37,451.30  nebst  Zins  u.a.  Pfandrecht  an  einem  Anteil- 
scheine der  Sparkasse  Z.  Nr.  617  von  Fr.  1000  beansprucht. 
Dieses  Pfandrecht  wurde  von  den  Klägern  als  Kreditoren  des 
F.  W.  im  Wege  der  Einspruchsklage  bestritten,  weil  für  die 
Verpfändung  des  Anteilscheins  die  Vorschriften  des  Art.  215 
0.  R.  massgebend,  aber  nicht  beobachtet  worden  seien  ;  spe- 
ziell mangle  es  au  der  schriftlichen  Beurkundung  der  Ver- 
pfandung. Die  Beklagte  bestritt,  dass  die  Verpfändung  nicht 
in  gesetzlicher  Weise  stattgefunden  habe.  Massgebend  sei 
nicht  Art.  215,  sondern  Art.  210  0.  R.  Eventuell  beanspruche 
sie  ein  Retentionsrecht  an  dem  Anteilscheine.  Das  Bundes- 
gericht hat  (im  Gegensatze  zu  den  Vorinstanzen)  die  Ein- 
spruchsklage gutgeheis8en.  Aus  den  Entscheidungsgründen 
ist  hervorzuheben: 

1.  Die  Berufungserklärung  ist  am  letzten  Tage  der  Be- 
rufungsfrist zur  Post  gegeben  worden.  Damit  ist  die  Be- 
rufungsfrist gewahrt;  denn  nach  ständiger  Praxis  des  Bundes- 
gerichts gilt  für  die  durch  das  Organisationsgesetz  vorge- 
schriebenen Prozessfristen  nicht  die  Vorschrift  von  Art.  31 
Abs.  4  der  Bundescivilprozessordnung,  wonach  eine  Frist  am 
letzten  Tage  abends  6  Uhr  schon  zu  Ende  geht,  sondern  die 
Vorschrift  von  Art.  41  des  Organisationsgesetzes,  wonach  für 
die  Wahrung  einer  Frist  deren  letzter  Tag  ganz  zur  Ver- 
fügung steht. 


39 

2.  In  der  Sache  selbst  ist  in  erster  Linie  die  rechtliche 
Natur  des  Anteilscheines,  um  dessen  Verpfändung  es  sich 
handelt,  zu  untersuchen.  Die  Sparkasse  Z.  iht  eine  Genossen- 
schaft und  der  streitige  Anteilschein  bekundet,  dass  der  darin 
als  Inhaber  genannte  W.  für  den  Betrag  von  Fr.  1000  bei 
dieser  Genossenschaft  mit  allen  statutenmässigen  Rechten  und 
Pflichten  beteiligt  sei.  Der  Anteilschein  ist  demnach  ein  auf 
den  Namen  lautendes  Papier,  das  die  Mitgliedschaft  und  den 
Geschäftsanteil  einer  bestimmten  Person  an  der  Genossen- 
schaft bekundet,  nicht  dagegen  ein  Inhaberpapier,  und  noch 
weniger  eine  „bewegliche  Sache"  im  Sinne  von  Art.  210  0.  B. 
Denn  das  Obligationenrecht  versteht  in  Art.  210  (wie  daa 
Bundesgericht  wiederholt  ausgesprochen  hat,  vergi.  Amtl. 
Samml.  Bd  XIX  S.  553)  ebenso  wie  in  Art.  199  f.  und  213 
unter  dem  Ausdruck  „bewegliche  Sache11  nur  körperliche 
Sachen,  welche  lediglich  als  körperliche  Rechtsobjekte,  nicht 
gleichzeitig  als  Träger  von  Rechten  von  Bedeutung  sind» 
Art.  210  0.  R.  kann  daher  auf  die  Verpfändung  des  streitigen 
Anteilscheines  keine  Anwendung  finden.  Als  Urkunde  über 
die  Mitgliedschaft  und  den  Geschäftsanteil  an  einer  Genossen- 
schaft ist  der  Anteilschein  überhaupt  kein  zirkulationsfähiges 
Wertpapier.  Die  Mitgliedschaft  in  einer  Genossenschaft  wird 
nur  durch  Beitrittserklärung  und  Aufnahme  erworben  und 
durch  Austrittserklärung  oder  Ausschluss  verloren»  Sie  ist 
also  durchaus  persönlicher  Natur  und  verselbständigt  sich  nicht 
fwie  bei  der  Aktiengesellschaft)  in  einer  Urkunde,  der  Aktie, 
auroh  deren  Erwerb  sie  begründet  werden  kann.  Das  Obliga- 
tionenrecht enthält  demgemäss  über  Anteilscheine  von  Ge- 
nossenschaften keine  Bestimmungen,  sondern  nur  solche  über 
Eintritt,  Austritt  oder  Ausschluss  der  Genossenschafter.  Der 
Anteilschein  ist  also  nicht  der  Aktie  als  begebbarem  Wert* 
papier  gleichzustellen;  er  verbrieft  lediglich  das  genossen- 
schaftliche Recht  der  darin  genannten  Person.  Dazu  kommt, 
dass  der  vorliegende  Anteilschein  nach  den  auf  seiner  Rück- 
seite abgedruckten  Statutenbestimmungen  als  unübertragbar 
bezeichnet  ist;  diese  Vorschrift  ist  der  Natur  der  Genossen- 
schaft durchaus  angemessen.  Demnach  ist  denn  klar,  dass 
im  vorliegenden  Fall  wirksam  nicht  das  Mitgliedschafts- 
reoht  als  solches  verpfändet  werden  konnte,  sondern  von  der 
Verpfändung  des  Anteilscheines  nur  ergriffen  werden  konnten 
die  Forderungsrechte  des  Genossenschafters  in  Bezug  auf 
Dividende,  Zinsen  und  Liquidationsquote,  wie  sie  nach  Art.  694 
des  Obligationenrechts  dem  Zugriff  des  Privatgläubigers  dea 
einzelnen  Genossenschafters  unterliegen.     Diese  Forderungen 


40 

-des  Genossen  an  der  Genossenschaft  sind  allerdings  keine 
-gewöhnlichen  Drittmannsforderungen,  sondern  genossenschaft- 
liche, mit  dem  Mitgliedschaftsrecht  verwobene.  Als  solche 
konkurrieren  sie  im  Genossenschaftskonkurse  freilich  nicht 
mit  Forderungen  dritter  Genossenschaftsgläubiger,  allein  das 
-ändert  an  ihrer  Natur  als  Forderungsrechte  nichts.  Auf 
die  Verpfändung  eines  Anteilscheines  ist  demnach  Art.  215 
O.  R.  anwendbar. 

3.  Ist  demgemäS8  Art.  215  0.  R.  für  die  Verpfandung 
des  Anteilscheines  massgebend,  so  fragt  sich,  ob  die  behaup- 
tete Verpfändung  nach  den  Vorschriften  dieses  Artikels  er- 
folgt sei.  Nicht  bestritten  ist,  dass  der  Anteilschein  der  Be- 
klagten zur  Sicherheit  übergeben  worden  ist,  und  es  ist  auch 
anzuerkennen,  dass  der  Schuldner  der  verpfändeten  Forderung 
von  der  Verpfändung  benachrichtigt  worden  ist,  da  ja  die 
Verpfändung  an  ihn  selbst  erfolgt  ist,  ihm  also  durch  die 
Verpfändung  selbst  Kenntnis  davon  gegeben  wurde.  Dagegen 
mangelt  es  an  der  schriftlichen  Beurkundung  der  Verpfändung. 
Indem  Art  215  0.  R,  die  schriftliche  Beurkundung  der  Ver- 
pfändung fordert,  schreibt  er  für  den  Pfandbestellungsvertrag 
.{den  dinglichen  Pfandvertrag)  die  schriftliche  Vertragsform 
vor.  Demgemäss  kommt  Art.  12  des  0.  R.  zur  Anwendung, 
wonaoh  zur  Erfüllung  der  geforderten  Schriftform  die  Unter- 
schrift aller  Personen  gehört,  welche  durch  den  Vertrag  ver- 
pflichtet werden  sollen,  also  beim  Pfandvertrag  (wie  das 
Bundesgericht  in  Band  XVII  S.  510  Erw.  5  der  arati.  Samm- 
lung seiner  Entscheidungen  ausgesprochen  hat)  die  Unterschrift 
zwar  nicht  des  Pfandnehmers,  wohl  aber  diejenige  des  Pfand- 
gebers erforderlich  ist;  denn  dieser  soll  ja  zweifellos  durch 
-die  Pfandbestellung  verpflichtet  werden.  Eine  vom  Verpfänder 
unterzeichnete  Verpfändungserklärung  liegt  aber  nicht  vor. 
Der  Bürgschein,  auf  den  die  Vorinstanz  sich  hierfür  beruft, 
enthält  eine  solche  offenbar  nicht,  da  er  zwar  erklärt,  für  die 
Fordernng  sei  der  Anteilschein  Nr.  617  „deponiert,"  allein 
eben  nicht  vom  Verpfänder  und  Hauptschuldner  Fr.  W.,  son- 
dern nur  vom  Bürgen  M.  A.  W.  unterzeichnet  ist. 

Ein  Pfandrecht  der  Beklagten  an  dem  streitigen  Anteil- 
schein ist  sonach  nicht  begründet.  Aber  auoh  ein  Retentions- 
recht derselben  kann  nicht  anerkannt  werden.  Das  Retentions- 
recht des  Art.  225  0.  R.,  um  welches  es  sich  hier  handelt, 
erstreckt  sich  auf  die  beweglichen  Sachen  und  Wertpapiere 
des  Schuldners,  die  sich  mit  dessen  Willen  in  der  Verfügungs- 
gewalt des  Gläubigers  befinden.  Nun  ist  aber  bereits  dar* 
gethan   worden,   dass   der  fragliche  Anteilschein  weder  eine 


41 

bewegliche  Sache  noch  ein  Wertpapier  (vergi.  Arati.  Samml. 
der  bundesger.  Entscheid.  Bd  XI  Nr.  57  Erw.  6;  Bd  X  S.  281  ; 
Bd  XXII  S.  173  f.  Erw.  Ö;  Hafner  zu  Art.  224  Note  6)  ist. 
Es  ist  daher  unnötig,  su  untersuchen,  ob  die  übrigen  Voraus- 
setzungen eines  Retentionsrechts  gegeben  wären.  (Entsch. 
vom  22.  November  1901  i.  S.  Reichenbach  &  Gie  c.  Sparkasse 
Zug.) 


24.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundes- 
rechtspflege vom  22.  März  1893,  Art  56.  0.  R.  Art.  199  u.  205, 
469.  Der  Begriff  des  Fundes  sowie  Rechte  und  Pflichten  des- 
Finders richten  sich  ausschliesslich  nach  kantonalem  Rechte. 

Die  Schwestern  J.  und  L.  K.  hatten,  nachdem  gegen 
sie  im  Kanton  Freiburg  das  Bevogtigungsverfahren  eingeleitet 
worden  war,  um  sich  der  Vormundschaft  zu  entziehen,  unter 
Mitnahme  von  Wertschriften  erheblichen  Betrages  den  Kanton 
verlassen  und  sich  zuerst  nach  Zug,  hernach  nach  Aarau  be- 
geben. Als  sie  dort  von  der  freiburgischen  Vormundschafts- 
behörde abgeholt  wurden,  konnten  bei  ihnen  keine  Wert- 
Schriften  aufgefunden  werden.  Sie  hatten  diese  nämlich,  um 
sie  der  Vormundschaftsbehörde  zu  entziehen,  zwischen  alte 
Blechstücke  eingeschlossen,  unter  dem  vor  den  Fleischverkauf- 
ständen hinführenden  Tritte  verborgen.  Dort  wurden  sie  nach 
einiger  Zeit  von  dem  Abwarte  0.  S.  aufgefunden,  welcher  sie 
dem  Bezirksamte  übergab  mit  der  Erklärung,  er  willige  in 
deren  Bückgabe  an  die  gesetzliche  Vertretung  der  Schwe- 
stern K.  ein,  allein  erst  nachdem  er  für  seinen  Anspruch  auf 
den  gesetzlichen  Finderlohn  befriedigt  sei.  Der  Vertreter  der 
Schwestern  K.  bestritt,  dass  die  versteckten  Wertpapiere  als 
verlorene  Sachen  zu  betrachten  gewesen  seien,  dass  also  dem 
0.  S.  ein  Anspruch  auf  Finderlohn  zustehe,  und  klagte  auf 
unbeschwerte  Herausgabe  der  Titel,  eventuell  auf  Freigabe 
derselben  gegen  einen  vom  Gerichte  zu  bestimmenden  dem 
Beklagten  zu  bezahlenden  Betrag.  0.  S.  seinerseits  bean- 
tragte, es  sei  zu  erkennen,  er  sei  zur  Freigabe  der  Papiere 
nur  verpflichtet  gegen  Erlegung  eines  Barfinderlohnes  von 
Fr.  22,983.  60,  eventuell  von  Fr.  2495,  d.h.  von  10%  des 
Nominalwertes  der  Papiere  oder  doch  von  10°/o  des  Nominal- 
wertes der  darunter  befindlichen  Inhaber papiere  und  Coupons. 
Die  kantonalen  Instanzen  haben  gemäss  dem  eventuellen  An- 
trage des  Beklagten  erkannt.  In  dem  Urteile  des  Obergerichts- 
des  Kantons  Aargau  wird  grundsätzlich  ausgeführt,  es  handle- 
sich  um  einen  Fund   im  Sinne   des   §  498  des  aargauischen 


42 

bürgerlichen  Gesetzbuches;  allerdings  haben  die  Schwestern  K. 
die  Papiere  in  der  Absiebt  versteckt,  sich  deren  Besitz  zu 
erhalten,  allein  da  sie  nicht  als  willensfreie,  zurechnungsfähige 
Personen  betrachtet  werden  können,  müsse  angenommen  wer- 
den, ihr  Erinnerungsvermögen  sei  ein  derart  getrübtes  ge- 
wesen, dass  von  einer  ferneren  Einwirkung  ihrerseits  auf  die 
Forderungstitel  absolut  die  Rede  nicht  habe  sein  können;  die 
Titel  seien  daher  sowohl  für  die  Klägerinnen  als  für  die 
Waisenbehörde  als  verloren  im  gesetzlichen  Sinne  zu  betrach- 
ten, so  dass  der  Anspruch  des  Beklagten  auf  Ausrichtung 
des  Finderlohnes  grundsätzlich  als  gerechtfertigt  erscheine. 
Auf  die  von  den  Klägerinnen  gegen  dieses  Urteil  ergriffene 
Berufung  ist  das  Bundesgericht  nicht  eingetreten,  im  wesent- 
lichen aus  folgenden  Gründen: 

Das  schweizerische  Obligationenrecht  enthält  keine  Be- 
stimmungen über  den  Fund;  es  finden  sich  darin  keine  Vor- 
schriften über  die  Hechte  des  Finders  an  verlorenen  Sachen 
(Anspruch  auf  Erstattung  der  Auslagen,  Finderlohn,  Reten- 
tionsrecht, eventueller  Eigentumserwerb),  noch  über  seine 
Pflichten  (Anzeige-,  Bekanntmachungs-,  Verwahrungs-,  Rück- 
erstattung8pflioht  etc.);  die  einzige  Bestimmung,  die  von  ver- 
lorenen Sachen  handelt,  Art.  206  0.  R.,  kommt  hier,  da  eben 
nicht  der  hier  einzig  geregelte  Fall  der  Vindikation  solcher 
Sachen  in  Frage  steht,  nicht  in  Betracht.  Diese  ganze  Ma- 
terie ist  vielmehr  vom  kantonalen  Rechte  beherrscht,  das  die- 
selbe denn  auch  regelmässig  im  Sachenrecht  zu  regeln  pflegt 
(vergi.  Huber,  Schweiz.  Privatrecht,  Band  III,  S.  157  ff.; 
ebenso  das  deutsche  B.  Gr.  B.  §§  965  ff.).  Auch  können  nicht 
etwa  die  Bestimmungen  über  Geschäftsführung  ohne  Auftrag 
hier  Anwendung  finden,  sondern  es  handelt  sich  um  ein  be- 
sonderes Rechtsverhältnis,  über  welches  die  genannten  spe- 
ziellen kantonalrechtlichen  Vorschriften  bestehen.  Was  speziell 
das  Retentionsrecht  betrifft,  so  geht  das  klägerische  even- 
tuelle Rechtsbegehren  selbst  davon  aus,  dass  der  Beklagte 
Erstattung  Zug  um  Zug  verlangen  kann,  so  dass  also,  wenn 
überhaupt  ein  Fund  vorliegt  und  der  Beklagte  Anspruch  auf 
Finderlohn  hat,  die  Frage  des  Retentionsrechts  gar  nioht 
streitig  sein  kann.  (Entsch.  vom  12.  Oktober  1901  i.  S.  Schwe- 
stern Kolly  c.  Siebenmann-Schaffner.) 


25.  0.  R.  Art.  183  f.,  192,  229.  Rechtliche  Natur  de$  Ver- 
trags, wodurch  die  Kundschaft  eines  Geschäftes  abgetreten  wird. 
Der  Cedentj  welcher  die  Garantie  für  die  Zahlungsfähigkeit  des 


43 

Schuldners  übernommen  hat,  haftet  mangels  gegenteiliger  Verein- 
barung nur  für  die  BmbrmgliekkeU  der  Forderung  zur  Zeit  ihrer 
Abtretung  oder  Fältigkeü.     Beweislast. 

Der  Beklagte,  Mehlhändler  St.,  trat  der  Firma  St/s 
Söhne  &  Gie  durch  Vertrag  vom  8.  Mars  1899  seine  Kund* 
sohaft  im  Kanton  Luzern  gegen  Zahlung  von  Fr.  4000  ab, 
wobei  ausdrücklich  ausgesprochen  wurde,  St.  verpflichte  sich, 
St.'s  Söhnen  A  Gie  sowohl  bei  den  abgetretenen  Kunden  als 
auch  bei  ihrer  anderen  Kundschaft  keine  Konkurrenz  su 
machen.  St. 's  Söhne  &  Gie  verpflichten  sich  überdem,  „den 
Saldo,  welchen  St.  an  den  übergebenen  Kunden  noch  zu  gut 
hat  und  mit  welchem  die  letzteren  sich  einverstanden  er- 
klären, auf  ihre  Rechnung  zu  übernehmen.11  St.  leistet  dabei 
volle  Garantie  für  den  richtigen  Eingang  der  Saldobeträge. 
Eine  Ausdehnung  der  Garantie  auf  den  weiteren  Kredit, 
welchen  St.'s  Söhne  &  Gie  den  betreffenden  Abnehmern  inner- 
halb der  nächsten  zwei  Jahre  noch  geben  werden,  hatte  St. 
abgelehnt.  Zu  den  abgetretenen  Kunden  gehörte  Bäcker  H. 
in  Br.,  welcher  dem  St.  einen  von  ihm  anerkannten  und  daher 
von  St.'s  Söhne  à  Gie  übernommenen  Saldo  von  Fr.  5489.  85 
schuldete. 

In  der  Folge  machten  St.'s  Söhne  &  Cie  dem  H.  weitere 
Lieferungen  im  Gesamtbetrage  von  Fr.  7752.  55  und  empfingen 
andrerseits  von  ihm  verschiedene  Zahlungen  im  Gesamt- 
betrage von  Fr.  7850. 45.  Von  diesen  Zahlungen  verrechneten 
sie  die  erste  vom  16.  April  1899  mit  Fr.  1500  auf  die  von 
St.  abgetretene  Saldoforderung,  die  übrigen  dagegen  auf  ihre 
eigenen  späteren  Forderungen.  In  dem  im  April  1900  aus- 
gebrochenen Konkurse  des  Bäckers  H.  meldeten  St.'s  Söhne  &  Cie 
die  ihnen  von  St.  abgetretene  Forderung  unter  Abrechnung 
der  Zahlung  vom  14.  April  1899  und  eines  Betreibungsbe- 
treffnisses an;  dieselbe  geriet  indes  vollständig  in  Verlust. 
St.'s  Söhne  A  Cie  belangten  daher  St.,  gestützt  auf  die  von 
ihm  übernommene  Garantie,  auf  Bezahlung  des  Ausfalles  von 
Fr.  4097. 30  samt  Zins  und  Kosten.  Der  Beklagte  bestritt 
die  Klage,  weil  die  Kläger  die  Zahlungen  des  H.  in  erster  Linie 
auf  die  von  ihm  abgetretenen  Forderungen  und  nicht  auf  ihre 
neuen  Fakturen  hätten  verrechnen  sollen  und  demnach  für 
die  von  ihm  abgetretene  Forderung  längst  bezahlt  seien,  und 
weil  seine  Garantie  sich  überdem  nur  auf  die  Güte  der  For- 
derung an  H.  im  Momente  der  Abtretung  und  der  Fälligkeit, 
nicht  auf  die  spätere  Zeit  erstrecke.  Das  Bundesgericht  hat 
die  Klage,  ohne  auf  die  erstere  Frage  einzutreten,  aus  letz- 
terem Grunde  abgewiesen.     In  den  Urteilsgründen  wird   zu- 


44 

nächst  ausgeführt:  Die  Kundschaft  eines  Geschäftes  sei  kein 
Kaufgegenstand»  der  zu  vollem  Rechte  und  Genüsse  über- 
tragen werden  könne,  und  ihre  Ueberlassung  keine  Abtretung 
im  juristisch-technischen  Sinne,  da  deren  Gegenstand  nur 
Forderungen  des  Cedenten  im  eigentlichen  Sinne  sein  können. 
Die  Abtretung  der  Kundschaft  bedeute  vielmehr,  dass  der 
Abtretende  sich  verpflichte,  die  geschäftlichen  Beziehungen, 
in  denen  er  zur  Kundschaft  stehe,  seinem  Vertragsgegner,  so 
viel  an  ihm  liege,  zu  überlassen,  und  hiezu  gehöre  nament- 
lich, dass  er  sich  des  Geschäfts  Verkehres  mit  ihnen  für  die 
Zukunft  enthalte.  Dagegen  habe  mit  dem  sogen.  Abtretungs- 
verträge noch  eine  wirkliche  Abtretung  in  juristisch-tech- 
nischem Sinne  stattgefunden,  nämlich  eine  Abtretung  von 
Forderungen,  die  dem  Beklagten  aus  dem  Verkehre  mit  seinen 
Kunden  aus  Warenlieferungen  zustanden.  Vorliegend  handle 
es  sich  um  eine  Gewährleistungsklage  hinsichtlich  der  den 
Klägern  vom  Beklagten  abgetretenen  Forderungen  an  H. 
Ueber  diesen  Anspruch  wird  bemerkt: 

Der  Beklagte  hält  der  Klage  entgegen,  die  Gewähr- 
leistungspflicht  des  Cedenten  falle  dahin,  wenn  der  Cessionar 
nioht  zuerst  die  cedierte  Forderung  eingetrieben  habe,  bevor 
er  den  Cedenten  belange;  dies  folge  aus  dem  Grundsätze, 
dass  der  Cèdent  für  die  Einbringlichkeit  der  codierten  For- 
derung nur  im  Zeitpunkte  der  Abtretung  bezw.  der  Fälligkeit 
dieser  Forderung  hafte.  Obschon  nun  fraglich  erscheint,  ob 
jene  Schlussfolgerung  wirklich  gezogen  werden  kann,  ob  also 
der*  für  die  Güte  der  Forderung  haftende  Cèdent  nur  dann 
haftet,  wenn  der  Cessionar  vorerst  die  cedierte  Forderung 
eingetrieben  hat  (vergi.  §  1040  des  alten  zurch.  P.  G.  B«),  so 
ist  doch  an  der  Argumentation  des  Beklagten  jedenfalls  daa 
richtig,  dass  die  Haftbarkeit  des  Cedenten  für  die  Einbring- 
lichkeit der  Forderung  sich  nur  auf  den  Zeitpunkt  der  Ab- 
tretung resp.  der  Fälligkeit  der  codierten  Forderung  erstreckt, 
gegenteilige  Parteivereinbarungen  vorbehalten.  Dieser  Satz 
ergiebt  sich  aus  Art.  192  0.  R.,  der  von  der  Gewährleistungs- 
pflicht des  Cedenten  bandelt.  Wenn  auch  Abs*  l  dieses  Ar- 
tikels die  Haftbarkeit  des  Cedenten  nur  für  den  Bestand  der 
Forderung  auf  die  Zeit  der  Abtretung  beschränkt,  so  musa 
doch  diese  Bestimmung  in  analoger  Weise  auch  mit  Bezug 
auf  die  Haftbarkeit  für  die  Güte  der  cedierten  Forderung 
Anwendung  finden.  Denn  die  ratio  legis  ist  hier  die  gleiche 
wie  dort,  nämlich  die,  dass  es  als  eine  ungerechtfertigte  Harte 
bezeichnet  werden  müsste,  wenn  der  Cèdent  in  infinitum  für 
alle  künftigen  Ereignisse  sowohl  mit  Bezug  auf  den  Bestand 


45 

wie  mit  Bezug  auf  die  Einbringlicbkeit  der  Forderung  haften 
würde.  Die  neuere  juristische  Litteratur  ist  denn  auch  hier- 
über einig;  und  diese  Anschauung  entspricht  auch  der  juristi- 
schen Eonsequenz.  Denn  wenn  der  Cèdent  bei  der  Cession 
für  die  Güte  der  Forderung  Garantie  leistet,  so  liegt  hierin 
zugleich  die  Zusage,  dass  dieselbe  im  Momente  der  Abtretung, 
und  wenn  die  Fälligkeit  der  Forderung  hinausgeschoben  wird, 
im  Zeitpunkt  der  Fälligkeit  sicher  bezw.  einbringlich  sein 
wird.  Demgemäss  liegt  in  dem  späteren  Eintritt  der  Un- 
sicherheit der  codierten  Forderung  ein  Zufall,  welchen  der 
Cessionar  zu  vertreten  hat.  Denn  nach  einer  allgemein  an- 
erkannten Rechtsregel,  welche  auch  in  Art.  204  0.  R.  Auf- 
nahme gefunden,  trägt  von  dem  Zeitpunkte  an,  wo  eine  Ver- 
pflichtung seitens  des  Schuldners,  z.  B.  des  Verkäufers  zu 
Leistung  einer  Sache,  entsteht,  der  Gläubiger  die  Gefahr  für 
den  zufälligen  Untergang  und  die  Verschlechterung  derselben». 
Diese  Rechtsregel  kann  nun  auch  Anwendung  auf  die  Ver- 
äusserung  einer  Forderung  finden,  und  zwar  dann,  wenn  nach 
dem  Zeitpunkt  der  Abtretung  bezw.  Fälligkeit  der  cedierten^ 
Forderung  die  Zahlungsunfähigkeit  des  Schuldners  eintritt.. 
Hit  Recht  sagt  Schliemann  (in  seiner  Schrift  Haftbarkeit 
des  Cedenten),  „dass  diese  später  eintretende  Insolvenz  des 
Schuldners  als  eine  Détérioration  der  Forderung  zu  betrachten 
sei."  (So  Attenhofer  in  Zeitschrift  für  Schweiz.  Recht  N.  F- 
Bd  IX,  S.  312.)  Ist  daher  davon  auszugehen,  dass  der  Cèdent 
für  die  Zahlungsfähigkeit  des  Schuldners  nur  zur  Zeit  der 
Cession  der  Forderung  und,  wenn  die  Forderung  erst  später 
fallig  wird,  im  Zeitpunkte  der  Fälligkeit  haftet,  so  folgt 
hieraus,  dass  zum  Fundament  der  Gewährleistungsklage  die 
Thatsache  gehört,  dass  zur  Zeit  der  Abtretung  bezw.  Fällig- 
keit der  Forderung  die  Zahlungsunfähigkeit  des  debitor  cessus 
schon  vorhanden  war,  so  dass  die  Beweislast  hiefür  den  Ces- 
sionar trifft.  Dieser  Beweis  wird  allerdings  öfters  dadurch 
überflüssig  werden,  dass  aus  dem  Ausfall  der  Forderung  mit 
zwingender  Notwendigkeit  auf  die  Uneinbringlichkeit  zur  Zeit 
der  Cession  bezw.  der  Fälligkeit  zurückgeschlossen  werden 
muss.    Für  einen  solchen  Rüokschluss  fehlen  aber  vorliegend 

alle  Anhaltspunkte (Entsch.  vom  6.  Dezember  1901  i.  S. 

Steiners  Söhne  &  Cie  c.  Stirnimann.) 

26.  0.  R.  Art.  210.  Erfordernis  der  Uebergabe  der  Pfand- 
sache an  den  Pfandgläubiger. 

Am  6.  Juli  1900  stellte  die  Wagenfabrik  Seh.  C.  H.  &  Cie 
dem   Kläger  J.  Sch.-Z.  in  Seh,   die  Erklärung  aus,   dass  sie 


46 

ihm  zur  Sicherung  verschiedener  Forderungen  „als  Faustpfand 
übergebe:  diverses  geschnittenes  Holz  wie  Eichen,  Buchen, 
Eschen,  Föhren,  Tannen  etc.  und  zwar  so  viel  als  J.  Sch.-Z. 
für  seine  Sicherung  nötig  erachtet  Das  Holz  ist  vorläufig 
auf  dem  der  Wagenfabrik  Seh.  gehörigen  Platz  vor  der  Fabrik 
gegen  die  G.strasse,  der  von  Sch.-Z.  gemietet  worden  ist, 
gelagert.  J.  Sch.-Z.  hat  jedoch  das  Recht,  das  bezügliche 
Quantum  Holz,  das  er  als  Sicherstellung  seiner  Forderung 
für  nötig  erachtet,  jederzeit  und  ohne  vorhergehende  Anzeige 
wegführen  zu  lassen;  auch  ist  er  berechtigt,  das  Holz  jeder- 
zeit zu  verkaufen."  Am  gleichen  Tage  wurde  zwischen  den 
Kontrahenten  ein  Mietvertrag  geschlossen,  wonach  die  Wagen- 
fabrik Seh.  dem  Kläger  den  Holzablagerungsplatz  vor  ihrer 
Fabrik  für  Lagerung  des  verpfändeten  Holzes  zu  einem  Miet- 
zinse von  Fr.  20  per  Monat  vermietete.  In  dem  am  27.  Ok- 
tober 1900  ausgebrochenen  Konkurse  der  Wagenfabrik  Seh. 
beanspruchte  der  Kläger  für  seine  Forderungen  Faustpfand- 
recht  an  dem  auf  dem  gemieteten  Platze  befindlichen-  Holz- 
lager. Dieser  Anspruch  wurde  indes  von  der  Konkursver- 
waltung  bestritten  und  von  allen  Instanzen  verworfen,  vom 
Bundesgericht  wesentlich  mit  der  Begründung: 

Es  fragt  sich,  ob  eine  gültige  Faustpfandbestellung  nach 
Art.  210  0.  R.  überhaupt  zustande  gekommen  sei.  Hiebei 
kann  zunächst  fraglich  erscheinen,  ob  überhaupt  eine  genü- 
gende Spezifikation  des  Pfandes  stattgefunden  habe;  denn 
ohne  eine  solche  kann  naturgemäss  dem  gesetzlichen  Er- 
fordernisse der  üebergabe  der  Sache  an  den  Pfandgläubiger 
nicht  Genüge  geleistet  werden.  Der  Inhalt  der  „Faustpfand- 
Erklärung"  geht  nun  dahin,  dass  die  Verpfänderin  dem  Kläger 
„von  ihrem  Holzlager"  „geschnittenes  Holz"  übergeben  wollte, 
und  zwar  so  viel,  als  der  Kläger  zu  seiner  Sicherstellung  für 
nötig  erachten  würde.  Hieraus  ergiebt  sich,  dass  der  Ver- 
trag selber  das  Mass  und  die  Anzahl  der  verpfändeten  Hölzer 
nicht  festsetzte,  sondern  dass  dessen  Festsetzung  in  das  Be- 
lieben des  Klägers  gestellt  war.  Da  eine  Ausscheidu  ng  einer 
bestimmten  Anzahl  Hölzer  durch  den  Kläger  anerkannter- 
massen  nicht  stattgefunden  hat,  geht  daher  die  Frage  der 
genügenden  Spezifikation  der  Pfander  übe*  in  die  andere 
Frage,  ob  die  Sache  dem  Pfandgläubiger  übergeben,  ob  also 
der  Gewahrsam  des  Verpfänders  aufgehoben  worden  sei.  Hier- 
über ist  zu  bemerken:  Der  Kläger  beruft  sich  zur  Begrün- 
dung seines  Standpunktes,  die  Üebergabe  an  ihn  sei  in  rechts- 
genüglicher Weise  erfolgt,  auf  den  Mietvertrag,  sowie  darauf, 
dass  er  den  Bestand  des  Holzlagers  täglich  genau  überwacht 


47 

labe,  und  dass  ohne  seine  Zustimmung  auch  nicht  der  ge- 
ringste Teil  davon  habe  weggenommen  werden  dürfen.  Allein 
mit  diesen  Thatsachen  allein  ist  dem  gesetzlichen  Erforder- 
nisse der  Uebergabe,  dass  die  Saohe  aus  dem  Gewahrsam  des 
Verpfänders  heraustrete  und  in  den  Gewahrsam  des  Pfand- 
gläubigers gelange,  nicht  genügt.  Durch  den  Mietvertrag 
allein  —  gesetzt,  derselbe  sei  überhaupt  ernstlich  gemeint 
and  nicht  nur  fiktiv  —  ist  hier  der  Gegenstand  der  Pfand- 
bestellung nicht  aus  dem  Gewahrsam  des  Verpfänders  heraus- 
getreten. Duroh  den  Mietvertrag  sollte  im  vorliegenden  Falle 
nur  ausgeschlossen  werden,  dass  der  Eigentümer  des  Holzes 
ohne  Einwilligung  des  Klägers  Holz  wegnehmen  konnte;  da- 
gegen hat  eine  Aenderung  des  physischen  Gewahrsams,  der 
tatsächlichen  Verfügungsbefugnis  über  die  Sache  nicht  statt- 
gefunden. Die  Vorinstanz  verweist  in  dieser  Beziehung  zu- 
nächst darauf,  dass  sich  der  Lagerplatz  in  unmittelbarer  Nähe 
der  Fabrik  der  Verpfänderin  befinde,  ohne  Umzäunung  da- 
liege und  für  jedermann  zugänglich  sei;  ferner  macht  sie  mit 
Recht  geltend,  dass  die  Fabrik  die  Benützung  des  fraglichen 
Platzes  faktisch  nicht  habe  entbehren  können  und  sich  des- 
halb desselben  durch  jden  Mietvertrag  auch  nicht  habe  be- 
geben wollen.  Daraus  ergiebt  sich  ganz  klar,  dass  der  Kläger 
nicht  die  ausschliessliche  Verfügung  über  die  verpfändeten 
Gegenstände  hatte  und  haben  sollte;  dieses  in  Art.  200  0.  B. 
für  die  Besitzübergabe  aufgestellte  Erfordernis  der  Ausschliess- 
lichkeit hat  aber  auch,  entgegen  der  Ansicht  des  Klägers, 
Anwendung  zu  finden  auf  den  Pfandbesitz.  Mag  daher  auch 
mit  der  neuern  Theorie  (vergi,  u.  a.  Exner,  Tradition,  S.  88; 
Windscheid,  Pand.  I,  §  153,  Anm.  4),  entgegen  der  Ansicht 
Savignys,  angenommen  werden,  zur  ausschliesslichen 
Verfügungsgewalt  sei  nicht  erforderlich,  dass  jede  fremde 
Einwirkung  auf  die  Sache  verhindert  werden  könne,  so  ist 
doch  zu  sagen,  dass  dem  Erfordernisse  der  ausschliesslichen 
Verfügungsgewalt  nicht  genügt  ist.  (Entsch.  vom  14.  Dezember 
1901  i.  S.  Schelling-Zollinger  c.  Konkursmasse  der  Wagen- 
fabrik Schaffhausen,  C.  Hanslin  &  Cie.) 


27.  0.  R.  Art.  229  ff.,  392  ff.  Rechtliche  Natur  des  Report- 
geschäftes.   Rechtsverhältnis  zwischen  Reporteur  und  Repartiertem. 

1.  Suivant  l'opinion  généralement  admise  aujourd'hui  par 
la  doctrine  et  la  jurisprudence,  l'opération  du  report  implique 
à  la  fois  une  vente  au  comptant  et  un  achat  à  terme  (voir 
entre  autres  arrêt  du  Tribunal  fédéral  dans  la  cause  Böppli 


48 

o.  Burkhardt  à  Cie,  du  30  spetembre  1892,  Beo.  off.  XVTHr 
page  546,  consid.  6).  Il  soit  de  là  que  le  reporté,  qui  a  vendu 
au  comptant,  n'est  plus  propriétaire  des  titres  vendus  dont 
la  propriété  a  passé  au  reporteur;  ce  dernier,  au  terme  fixé 
pour  Tachât  par  le  reporté,  n'est  pas  obligé  de  lui  livrer  les 
titres  mêmes  qu'il  a  reçus,  mais  des  titres  de  la  même  na- 
ture et  en  même  quantité,  —  tantumdem  ejusdem  generis,  — 
le  reporteur,  propriétaire,  a  dono  le  droit  de  disposer  des  titres 
reçus,  et  il  est  d'autre  part  tenu  de  compléter  les  versements 
sur  des  actions  non  libérées,  comme  aussi  il  peut  participer 
aux  assemblées  générales  des  sociétés  dont  il  détient  des  mo- 
tions en  report. 

2.  Entre  le  reporteur  et  le  reporté  les  relations  juridiques 
sont  celles  d'un  mandataire  et  d'un  mandant,  et  le  contrat 
de  report  doit  être  examiné  à  la  lumière  des  dispositions  de 
la  loi  oivile  sur  le  mandat.    . 

Le  demandeur  ne  prétend  point  que  dès  les  premières 
opérations  entreprises  sur  les  actions  ses  mandataires  C.  &  Cie 
se  soient  engagés  à  reporter  les  titres  d'une  liquidation  à 
une  autre  sous  les  mêmes  conditions  pour  tous  les  reports 
successifs;  on  constate  au  contraire  que,  lors  d'un  achat  non- 
veau,  les  défendeurs  ont  exigé  une  garantie,  qui  a  été  fournie; 
dès  lors  à  chaque  liquidation  nouvelle,  les  demandeurs  étaient 
en  droit  de  poser  les  conditions  auxquelles  ils  subordonnaient 
l'aoceptation  de  ce  nouveau  mandat  et  leur  consentement  an 
report. 

3.  L'inexécution  d'une  condition  résolutoire  à  laquelle  le 
report  était  soumis,  autorise  le  reporteur  de  se  départir  dn 
contrat,  et  ce  sous  la  forme  de  l'exécution,  o'est-à-dire  l'agent 
de  change  reporteur  peut  vendre  en  bourse  les  titres  reportés, 
pour  le  compte  du  reporté,  même  avant  la  liquidation,  mais 
après  avoir  mis  le  client  en  demeure  de  fournir  couverture 
ou  de  compléter  la  couverture  devenue  insuffisante.  (Dallos, 
Répert  de  jurispr.  Suppl.  T.  18,  n°  1063  et  1064.)  (Entsch. 
vom  11.  Oktober  1901  i.  S.  Kessmann  c.  Conty  &  Cie.) 


28.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Rundes- 
rechtspflege vom  22.  März  1893,  Art.  80.  0.  R.  Art.  243,  249. 
250,  267.  Kauf  nach  Muster  und  Kauf  mit  Zusicherung  be- 
stimmter Eigenschaften.  Von  dem  ausnahmsweisen  Rechte  des 
Richters,  auf  blosse  Preisminderung  statt  der  verlangten  Wande- 
lung zu  erkennen,  ist  in  der  Regel  dann  kein  Gebrauch  zu  machen, 
wenn  es  sich  um  das  Fehlen  zugesicherter  Eigenschaften  handelt* 


49 

1.  Als  Kauf  nach  Muster  im  Sinne  des  Art.  267  0.  R. 
ist  nur  ein  solcher  Kauf  aufzufassen,  bei  welchem  ein  Muster 
einer  Vertragspartei  anvertraut  wird  und  die  Beschaffenheit 
der  Ware  durch  Vergleich  mit  diesem  Muster  festgestellt 
werden  soll  (vergi.  A  mtl.  Samml.  d.  bundesger.  Entscheid. 
Bd  XX,  8.  973);  vorliegend  ist  nun  aber  vom  Anvertrauen 
eines  Musters  und  von  einer  daraus  entspringenden  Verwah- 
rungspflicht des  Käufers  keine  Rede.  Der  Kauf  wurde  viel- 
mehr abgeschlossen  auf  Grund  vorausgegangener  Proben  und 
unter  Bezugnahme  auf  diese  Proben,  die  inzwischen  verbraucht 
worden  waren  ;  und  zwar  wurde  dabei  vom  Kläger  versprochen 
„Qualität  wie  gehabt;"  hierin  bestand  die  „zugesicherte  Eigen- 
schaft" (Art.  243  0.  R.). ...  Es  handelt  sich  also  um  einen 
Kauf  mit  zugesicherten  Eigenschaften. 

2.  Der  erst  in  der  bundesgerichtlichen  Instanz  gestellte 
eventuelle  Antrag,  es  sei  statt  auf  Wandelung  bloss  auf  Preis- 
minderung zu  erkennen,  stellt  sich  dar  als  Berufungsantrag 
gegenüber  dem  Urteil  des  Handelsgerichts  und  ist  als  solcher 
gemäss  Art.  80  Org.  G.  zulässig.  Auoh  kann  gemäss  Art.  250 
O.  R.  der  Richter  auch  ohne  Parteiantrag  auf  Minderung  an- 
statt auf  Wandelung  erkennen.  Dagegen  müssen  allerdings 
dem  Richter  die  thatsächlichen  Momente,  aus  denen  blosse 
Minderung  statt  Wandelung  ausgesprochen  werden  soll,  dar- 
gelegt werden.  Denn  Art.  2öO  0.  R.,  der  dem  Richter  die 
Befugnis  erteilt,  auch  bei  Anstellung  der  Wandelungsklage 
(und  bei  Erhebung  der  Wandelungseinrede)  nach  seinem  Er- 
messen bloss  Ersatz  des  Minderwertes  zuzusprechen,  enthält 
gegenüber  dem  vorhergehenden  Art.  249,  der  das  Wahlrecht 
des  Käufers  zusichert,  eine  Ausnahme,  so  dass  dem  Richter 
positive  Umstände  nachgewiesen  sein  müssen,  aus  denen  es 
sich  rechtfertigt,  bloss  auf  Ersatz  des  Minderwertes  zu  er- 
kennen. Von  dieser  ausnahmsweisen  Befugnis  des  Richters 
ist  um  so  vorsichtiger  Gebrauch  zu  machen,  wenn  es  sich, 
wie  hier,  um  das  Fehlen  zugesicherter  Eigenschaften 
handelt;  in  solchen  Fällen  wird  der  Käufer  in  der  Regel  das 
Recht  auf  Wandelung  haben,  und  wird  der  Richter  nur  aus- 
nahmsweise, wenn  ganz  besondere  Umstände,  die  die  Want 
delung  als  nioht  gerechtfertigt  erscheinen  lassen,  erwiesen 
sind,  von  seinem  Rechte,  bloss  auf  Minderung  zu  erkennen, 
Gebrauch  machen  dürfen.  (Entsch.  vom  80.  September  1901 
i.  8.  Chamotte-  und  Dinas- Werke  E.  Zürbig  c.  A.  Oehler  &  Cie.) 


50 

29.  0.  R*  Art.  329.     Darlehen,  Begriff. 

Der  Darlehensvertrag  unterliegt  nach  schweizerischem 
Obligationenrecht  keinen  besondern  Förmlichkeiten;  insbeson- 
dere braucht  auch  die  Verpflichtung  zur  Rückerstattung  nicht 
ausdrücklich  vereinbart  zu  sein,  sondern  sie  kann  auch  still- 
schweigend begründet  sein  und  es  kann  alsdann  aus  den  Um- 
ständen auf  sie  geschlossen  werden  (vergi.  Hafner,  Kommentar 
zum  O.R.,  2.  Auflage,  Art.  329  Nr.  5).  (Entsch.  vom  11.  Ok- 
tober 1901  i.  S.  Wicki  c.  Emmenegger.) 


30.  0.  R.  Art.  346.  Wiederholte  absichtliche  Verleitung  der 
einein  Handelsreisenden  von  seinem  Prinzipal  hinsichtlich  der  su 
machenden  Reisen  und  der  zu  beachtenden  Preislimiten  erteilten 
Vorschriften  bildet  einen  wichtigen  Grund  zu  sofortiger  Entlassung. 

(Entsch.  vom  17.  Mai  1901  i.  S.  Bertschmann  c.  Nouvelle 
fabrique  suisse  d'alumettes  à  Fleurier.) 


31.  O.R.  Art.  231  Abs.  2,  392,405.  Maklerauftrag  betref- 
fend Liegenschaftskauf.  Anwendbarkeit  des  eidgenössischen  Rechts. 
Regelmässig  ist  der  Maklerlohn  mit  dem  rechtsverbindlichen  Ab- 
schlüsse des  zu  vermittelnden  Geschäftes  verdient,  eine  Verpflich- 
tung des  Auftraggebers  dem  Makler  gegenüber,  das  Geschäft  zu 
den  aufgegebenen  Bedingungen  abzuschtiessen,  besteht  nichL 

1.  Dass  die  Provision  für  die  Vermittlung  eines  Liegen- 
schaftskaufes bezw.  -Tausches  versprochen  wurde,  ändert,  wie 
in  der  Praxis  des  Bundesgerichtes  feststeht,  nichts  daran, 
dass  der  Maklerauftrag  sich  nach  eidgenössischem  Rechte  be- 
urteilt und  dass  also  der  streitige  Anspruch  selbst  ein  solcher 
eidgenössischen  Rechts  ist.  Dagegen  ist  allerdings  die  Frage, 
ob  der  Liegenschaftskauf  oder  Tausch,  zu  dessen  Vermittlung 
die  Provision  versprochen  wurde,  zur  Perfektion,  zum  rechts- 
gültigen Abschluss  gelangt  sei,  eine  solche  des  kantonalen 
Rechts,  und  insoweit  daher  diese  Frage  für  den  Bestand  der 
Provisionsforderung  präjudiziell  ist,  entzieht  sich  die  Ueber- 
prüfung  des  kantonalen  Entscheides  der  Kognition  des  Bundes- 
gerichts. 

2.  Regelmässig  sind  beim  Maklervertrag  das  Recht  des 
Maklers  auf  die  Provision  und  die  Verpflichtung  des  Auf- 
traggebers zu  deren  Bezahlung  duroh  den  rechtsgültigen  Ab- 
schluss des  zu  vermittelnden  Vertrages  bedingt. . . .  Mit  dem 
Augenblicke  der  Perfektion  des  Vertrages  werden  Recht  und 
Pflicht  auf  die  Provision  existent. 


51 

Wenn  demgemäss  nach  der  Perfektion  des  Vertrags- 
Schlusses  die  Parteien  aus  irgend  welchem  Grunde  auf  den 
Vertrag  wieder  verzichteten,  den  geschlossenen  Vertrag  nach- 
träglich wieder  aufhoben,  so  konnte  dadurch  das  mit  dem 
Vertragsschlusse  erworbene  Recht  des  Maklers  auf  die  Pro- 
vision nicht  berührt  werden,  sondern  es  blieb  dieses,  trotz 
der  nachträglichen  Wiederaufgabe  des  Vertrages,  bestehen. 
Dagegen  ist  ebenso  festzuhalten,  dass,  wenn  die  Parteien  vor 
der  Perfektion  des  Vertrages  auf  dessen  endgültigen  Abschluss 
verzichteten,  das  Recht  des  Maklers  auf  die  Provision  gar 
nie  zur  Entstehung  gelangte  und  der  Makler  zur  Einforderung 
der  Provision  daher  nicht  berechtigt  ist.  Denn  durch  den 
Maklerauftrag  bezw.  das  Versprechen  einer  Provision  für  den 
Fall  des  Vertragsabschlusses  verpflichtet  sich  der  Auftrag- 
geber an  und  für  sich  nicht,  den  Vertrag,  so  viel  an  ihm, 
abzuschli essen,  er  bleibt  vielmehr  frei,  seinen  Entsohluss  zu 
ändern  und  nachträglich  ein  Vertragsangebot,  auch  wenn  es 
dem  von  ihm  erteilten  Auftrage  durchaus  entspricht,  an  sich 
als  annehmbar,  seine  Ablehnung  als  geschäftlich  nicht  ge- 
rechtfertigt, erscheint,  zurückzuweisen.  Die  Erteilung  eines 
Maklerauftrages  begründet  also  für  den  Auftraggeber  keine 
Verpflichtung  zum  Vertragsabschlüsse  gegenüber  dem  Makler 
zu  den  auftragsmässigen  Bedingungen  bezw.  zum  Abschlüsse 
des  Kauf-  oder  Tauschvertrages,  und  die  Verpflichtung  zur 
Zahlung  der  Maklerprovision  wird  nur  dann  existent,  wenn 
die  dafür  gesetzte  Bedingung  in  Erfüllung  geht,  also  regel- 
mässig, wenn  der  zu  vermittelnde  Vertrag  zum  Abschlüsse 
gelangt  ist.  (Entsch.  vom  4.  Oktober  1901  i.  S.  Müller 
c.  Apotheker.) 

32.  0.  R.  Art.  489  f.  Bürgschaftsleistung  oder  unverbindliche 
Aeusserung  einer  zuversichtlichen  Erwartung  f 

Notar  H.  hatte  als  Beauftragter  des  W.,  des  Schwagers 
der  Klägerin,  von  letzterer  erlangt,  dass  sie  für  W.,  um 
demselben  den  Abschluss  eines  Nachlassvertrages  zu  ermög- 
lichen, durch  Verpfändung  eines  ihr  gehörigen  Hypothekar- 
titels intercedierte.  Nachdem  der  Abschluss  des  Nachlass- 
vertrages gelungen  war,  schrieb  Notar  H.  der  Klägerin  bei 
Ueber8endung  eines  von  W.  zu  deren  Sicherung  errichteten 
Hypothekartitels  am  24.  Juli  1897  u.  a.  am  Schlüsse  seines 
Briefes  :  Im  übrigen  sei  dem  W.  die  Sache  nun  gut  gelungen, 
und  es  ergehe  seiner  Familie  sehr  gut,  „so  dass  ich  Ihnen 
garantieren  kann,  dass  W.  seinen  Verbindlichkeiten  gut  nach- 
kommt." 


02 

In  diesem  Briefe  erbliokte  die  Klägerin  später,  als  über 
W.  der  Konkurs  ausgebrochen  war,  eine  Bürgschaftserklärung, 
aus  welcher  sie  den  Notar  H.  belangte.  Die  Klage  wurde 
von  allen  Instanzen  abgewiesen,  vom  Bundesgericht  mit  der 
Begründung  : 

In  dem  Briefe  vom  24.  Juli  1897  kann  eine  Bürgschafts- 
erklärung nicht  gefunden  werden.  Eine  Bürgschaftserklärung 
wäre  in  diesem  Briefe  dann  enthalten,  wenn  darin  der  Wille, 
für  die  Erfüllung  einer  fremden  Sohuld  einstehen  zu  wollen, 
erkennbar  ausgesprochen  wäre.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall. 
Allerdings  enthält  der  Brief  die  Wendung,  der  Beklagte 
könne  der  Klägerin  „garantieren,  dass  W.  seinen  Verbind- 
lichkeiten gut  nachkomme,"  und  es  ist  ja  richtig,  dass  die 
Eingehung  einer  Bürgschaftsverpflichtung  nicht  von  dem  Ge- 
brauch des  Wortes  „Bürgschaft1*  oder  „Bürge"  abhängt,  eine 
Bürgschaft  vielmehr  sehr  wohl  z.  B.  in  der  dem  Gläubiger 
gegenüber  abgegebenen  Erklärung,  für  eine  fremde  Schuld 
„Garantie  leisten  zu  wollen,"  liegen  kann;  aHein  in  der  hier 
streitigen  Aeusserung  erklärt  der  Beklagte  nicht  etwa  seinen 
Willen,  der  Klägerin  für  die  Forderung,  die  ihr  aus  ihrer 
Intercession  erwachse,  haften  oder  einstehen  zu  wollen,  son- 
dern spricht  die  Ueberzeugung  aus,  dass  zuversichtlich  vor- 
ausgesagt („garantiert")  werden  könne,  W.  werde  nun,  nach- 
dem ihm  der  Nachlassvertrag  gelungen  sei,  seine  sämtlichen 
Verpflichtungen  (nicht  nur  die  gegenüber  der  Klägerin)  gut 
erfüllen.  Diese  Aeusserung,  „so  dass  ich  Ihnen  garantieren 
kann"  etc.  ist  zudem  ganz  nebenbei  am  Schlüsse  des  Briefes 
geschehen  und  enthält  keine  Antwort  auf  ein  Gesuch  der 
Klägerin  um  Bürgschaftsleistung.  Auch  kann  sie  nicht  den 
Zweok  gehabt  haben,  die  Klägerin  zur  Kreditgewährung  zu 
bestimmen,  da  die  Intercession  der  Klägerin  am  24.  Juni  bereits 
geschehen  war.  Dieser  Erklärung  des  Beklagten  kann  dem- 
nach nicht  die  Bedeutung  einer  rechtsgeschäftlich  verbindlichen 
WillensäU88erung  beigelegt  werden,  sondern  sie  ist  lediglich 
als  der  Ausdruck  einer  zuversichtlichen  Ueberzeugung  aufzu- 
fassen. (Entsch.  vom  15.  November  1901  i.  S.  Lehmann  c.  HaurL) 


33.  0.  R.  Art  28.  Genehmigung  des  unverbindlichen  Ver- 
träges  durch  Erfüllung  oder  Verlangen  derselben  nach  Entdeckung 
des  Irrtums. 

Nach  Art.  28  0.  R.  gilt  ein  wegen  Irrtums,  Betruges 
oder  Furchterregung  anfechtbarer  Vertrag  als  genehmigt, 
wenn  der  anfechtungsberechtigte  Teil  binnen  Jahresfrist   — 


53 

zu  rechnen  von  der  Entdeckung  des  Irrtums  und  Betrugs  an, 
und  im  Falle  der  Furcht  von  deren  Beseitigung  an  —  weder 
dem  andern  eröffnet,  dass  er  den  Vertrag  nicht  halte,  noch 
eine  schon  erfolgte  Leistung  zurückfordert.  Darnach  ist  ein 
wegen  Willensmängel  anfechtbarer,  für  den  einen  Teil  un* 
verbindlicher  Vertrag  als  von  Anfang  an  ungültig  anzusehen  ; 
dagegen  kann  er  konvalescieren  durch  nur  passives  Verhalten 
dea  Anfechtungsberechtigten.  Die  Konvalescenz  kann  aber 
auch  erfolgen  durch  positive  Handlungen  des  Anfechtungs- 
berechtigten, seien  es  ausdrückliche  Willenserklärungen,  seien 
es  konkludente  Handlungen.  Diese  Genehmigungshandlungen 
müssen  stattfinden  zu  einer  Zeit,  in  der  der  Anfechtungs- 
bereohtigte  vom  Willensmangel  Kenntnis  hat,  und  klar,  deut- 
lich sein.  Als  klarste  und  deutlichste  Handlung,  aus  der 
'Genehmigung  gefolgert  werden  niuss,  ist  die  Erfüllung  des 
Vertrages  durch  den  Anfechtungsberechtigten  und  sein  Be- 
harren auf  der  Erfüllung  durch  den  andern  Teil  zu  bezeichnen. 
<Ent8ch.  vom  16.  November  1901  i.  S.  Schweizerische  De- 
peschenagentur c.  Jenny  u.  Rossier.) 


34.  0.  R.  Art.  867  /'.,  876,  50  ff.  Führung  einer  Firma  in 
mehreren  Sprachen.  Deutliche  Unterscheidbarkeit  bei  Sachfirmen.  — 
Firmenrecht  und  illoyale  Konkurrenz. 

Anläs8lich  einer  Statutenrevision  vom  4.  November  1899 
änderte  die  in  Hochdorf,  Kanton  Luzern,  bestehende  „Central- 
8ohweizeri8che  Naturmilch-Export-Gesellschaft"  ihre  Firma  in 
„Schweizerische  Milcbgesellschaft"  (Compagnie  laitière  suisse, 
Swiss  Milk  C°)"  ab.  Die  seit  langen  Jahren  in  Cham  be- 
stehende „Anglo-Swiss  Condensed  Milk  Company"  klagte  nun 
gegen  diese  Gesellschaft  dahin,  dieselbe  habe  es  zu  unter- 
lassen, die  Firma  „Schweizerische  Milchgesellschaft  (Com- 
pagnie laitière  suisse,  Swiss  Milk  C  )  zu  führen,  mit  der  Be- 
gründung, die  Beklagte  habe  diese  Firma  offenbar  gewählt, 
um  von  ihrem,  der  Klägerin,  Weltruf  zu  profitieren;  das  gehe 
aus  der  englischen  Bezeichnung  der  neuen  Firma  (Swiss 
Milk  C°)  deutlich  hervor.  Die  französische  Uebersetzung 
{Compagnie  laitière  suisse)  stehe  in  engem  Zusammenhang 
mit  ihrer,  der  Klägerin,  Fabrikmarke,  die  ein  Milchmädchen, 
französich  laitière,  aufweise.  Sie  verlange  daher  den  Schutz 
ihrer  Firma  gemäss  Obligationenrecht  Art.  876. 

Die  Klage  wurde  in  allen  Instanzen  abgewiesen,  vom 
Bundesgerichte  wesentlich  mit  folgender  Begründung: 


54 

Die  Klage  ist  eine  solche  auf  Unterlassung  der  Führung 
einer  Firma,  wie  sie  Art.  876  des  Obligationenrechts  vorsieht. 
Die  Aktivlegitimation  der  Klägerin  ist  gegeben,  da  nicht 
bestritten  ist,  dass  die  Firma  der  Klägerin,  Anglo-Swiss  Con- 
densed Milk  Company,  seit  lancer  Zeit  schon  im  Handels- 
register eingetragen  ist.  Entscheidend  ist  die  Beurteilung 
der  Frage,  ob  die  von  der  Beklagten  im  November  1899  an- . 
genommene  Firma  sich  deutlich  von  der  der  Klägerin  unter- 
scheide. Unabhängig  hiervon  ist  zunächst  su  untersuchen, 
ob  der  Führung  einer  und  derselben  Firma  in  mehreren 
Sprachen  keine  gesetzlichen  Hindernisse  im  Wege  stehen. 
Die  Benützung  einer  Firma  in  mehreren  Sprachen  kann  nun 
entweder  in  der  Weise  erfolgen,  dass  eine  Gesellschaft  in 
allen  Fällen,  wo  sie  Gebrauch  von  ihrer  Firma  macht,  die  in 
mehreren  Sprachen  bezeichnete  Firma  als  ein  nicht  zu  tren- 
nendes Ganzes  hinstellt,  oder  in  der  Weise,  dass  sie  nach 
Gutftnden  die  Firma  in  der  einen  oder  andern  Sprache  an- 
wendet. Alles  deutet  darauf  hin,  dass  die  Beklagte  das  letz* 
tere  System  zur  Anwendung  bringt.  Die  Hauptsprache,  in 
der  sie  ihre  Firma  bezeichnet,  ist  die  deutsche;  daneben,  und 
zwar  stets  in  Klammem,  gebraucht  sie  das  Französische  und 
Englische.  So  figuriert  sie  im  Protokoll  der  Generalversamm- 
lung vom  4.  März  1899,  in  den  Statuten  und  im  Handels- 
amtsblatt. Dieser  Umstand  weist  darauf  hin,  dass  die  Firma 
der  beklagten  Gesellschaft  in  deutscher  Sprache  abgefasst  ist, 
als  „ Schweizerische  Milohgesellschaft,u  und  dass  die  Bezeich- 
nung in  den  beiden  andern  Sprachen  („Compagnie  laitière 
suisse u  und  „Swiss  Milk  C°")  als  Uebersetzungen  aus  dem 
Deutschen  gelten  sollen,  welche  die  Beklagte  je  nach  der 
Kundschaft,  oder  je  naoh  dem  Land,  wohin  sie  exportiert, 
anzuwenden  sich  die  Wahl  vorbehält.  Obwohl  nun  im  allge- 
meinen eine  Handelsgesellschaft  ihre  Firma  in  der  Sprache 
desjenigen  Landes,  in  dem  sie  ihren  Hauptsitz  hat,  zu  redi- 
gieren pflegt,  so  besteht  kein  gesetzliches  Hindernis,  dass  sie 
aus  diesen  oder  jenen  Gründen  ihre  Firma  nicht  in  mehreren 
Sprachen  abfassen  könnte.  Der  Art.  21  AI.  3  der  Verordnung 
vom  6.  Mai  1890  über  Handelsregister  und  Handelsamtsblatt 
sieht  diesen  Fall  der  in  mehreren  Sprachen  redigierten  Firma 
ausdrücklich  vor.  Er  enthält  jedoch  nur  Vorschriften  für  den 
Registerführer,  welchem  selbst  es  nioht  zusteht,  wegen  der 
Mehrsprachigkeit  die  Eintragung  zu  verweigern.  (Vergi.  Sieg- 
mund, Handbuch  für  die  Schweiz.  Handelsregisterführer,  S.  75 
u.  306.)  Wenn  die  Vorinstanz  annimmt,  dass  die  Anfechtung 
einer  mehrsprachigen  Firmenbezeichnung  in  Bezug  auf  eine 


55> 

dieser  mehreren  Sprachen  durch  eine  andere  Firma,  die  eben* 
falls  in  einer  dieser  Sprachen  eingetragen  ist,  für  den  Fall 
nicht  statthaft  sei,  dass  die  angefochtene  Redaktion  sich  al» 

Setrene  Uebersetzung  der  Hauptspraohe  darstelle  (vorausgesetzt, 
as8  die  Redaktion  in  der  Hauptsprache  sich  deutlich  von 
einer  bereits  eingetragenen  Firma  unterscheide),  so  ist  dieser 
Ansicht  nicht  beizustimmen.  Man  muss  vielmehr  davon  aus- 
gehen, dass  eine  in  mehreren  Sprachen  abgefasste  Firma  sich 
in  jeder  der  gewählten  Sprachen  von  einer  bereits  eingetra- 
genen Firma  deutlich  unterscheide. 

In  dieser  Hinsicht  sind  zunächst  die  charakteristische» 
Merkmale  beider  Firmen  hervorzuheben.  Beide  Gesellschaften 
entnehmen  die  Grundbezeichnung  ihrer  Firmen  aus  der  Natur 
ihres  Handelsgeschäfts:  „Schweizerische  Milchgesellschaft"  und 
„Milk  Company."  Daneben  aber  enthält  die  Firma  der  Klä- 
gerin zwei  Zusätze:  dereine,  „Condensed,"  weistauf  die  spe- 
zielle Behandlung  der  Milch  hin,  der  andere,  „Anglo  Swiss," 
bezeichnet  die  Länder,  wo  die  Gesellschaft  ihren  Handel  aus- 
übt, sowie  ihre  wirtschaftliche  Nationalität.  Die  Beklagte- 
hat  ihrer  Firma  zwei  Uebersetzungen  beigefügt:  „Compagnie- 
laitière  suissetf-  und  „Swiss  Milk  C°."  Allgemein  ist  nun  zu 
bemerken,  dass,  wie  das  Bundesgericht  schon  mehrfaoh  ent- 
schieden hat  (z.  B.  Schweiz.  Gasglüblichtaktiengesellschaft 
Zürich  c.  Hauser-Gasser,  Aratl.Samml.  XXVI,  H,  S.  383  f.),  ein 
selbständiger  Schutz  einzelner  Firmenbestandteile  auf  Grund 
des  speziellen  Firmenrechtes  nioht  besteht,  und  dass  Bezeich- 
nungen, die  nicht  Individuai-,  sondern  Sachbezeichnungen  sind 
und  als  solche  lediglich  die  Art  des  fraglichen  Geschäft» 
charakterisieren,  dem  Gemeingebrauch  freistehen,  und  nicht 
von  einem  Geschäft  ausschliesslich  beansprucht  werden  können» 
Für  die  Frage,  ob  eine  Firma  sich  von  einer  andern  genü- 
gend unterscheide,  ist  vielmehr  massgebend,  wie  die  ganze 
Firma  lautet.  Was  nun  die  deutsche  Fassung  der  beklagten 
Firma  „Schweizerische  Milohgesellschaft"  betrifft,  so  kann 
darüber  kein  Zweifel  bestehen,  dass  sie  sich  von  der  aus- 
schliesslich in  englischer  Sprache  redigierten  Firma  der  Klä- 
gerin deutlich  unterscheidet.  Schon  die  Thatsaohe  der  Sprach- 
verscbiedenheit  an  sich  ist  charakteristisch  genug.  Das  gleich» 
gilt  von  der  französischen  Uebersetzung  der  beklagten  Firma. 
Die  Klägerin  sieht  in  der  Anwendung  des  Wortes  laitière 
einen  unbefugten  Hinweis  auf  ihre  Fabrikmarke,  die  ein  Milch- 
mädchen (französisch  laitière)  enthält.  Diese  Argumentation^ 
die  sprachlich  schon  sehr  gezwungen  ist,  ist  rechtlich  unhalt- 
bar.  Abgesehen  davon,  dass  die  Verschiedenheit  der  Fabrik- 


^r^ 


56 

marken  beider  Parteien  thatsäcblich  nicht  bestritten  ist,  sind 
Fabrikmarke  (Bildmarke)  und  Firma  einer  Gesellschaft  zwei 
so  verschiedene  Dinge,  dass  von  Beziehungen  zwischen  der 
Firma  einer  Gesellschaft  und  der  Fabrikmarke  einer  andern 
Gesellschaft  gar  nicht  gesprochen  werden  kann.  Die  englische 
Uebersetzung  der  beklagten  Firma  endlich  steht  der  Firma 
der  Klägerin  bedeutend  näher,  da  beide  die  drei  gleichen 
Wörter  Swiss  Milk  C'°  enthalten.  Auf  die  Schreibweise  des 
Wortes  Company,  deren  Verschiedenheit  in  beiden  Firmen 
-die  Beklagte  zu  ihren  Gunsten  betont,  kommt  nichts  an,  son- 
dern massgebend  ist,  dass  das  Wort  Company  als  die  Be- 
zeichnung für  eine  l'ersonenvereinigung  ein  Gemeingut  ist, 
dessen  sich  alle  Verbände  in  ihrer  Firma  bedienen  können, 
um  die  Thatsaohe  dieser  Vereinigung  zum  Ausdruck  zu 
bringen.  Was  sodann  die  beiden  andern  Wörter  Swiss  Milk 
betrifft,  so  ist  es  klar,  dass  sich  ihrer  jede  Gesellschaft,  deren 
Zweck  im  Handel  mit  Schweizer  Milch  besteht,  bedienen 
darf,  sofern  sie  sich  durch  Zusätze  irgend  welcher  Art  von 
einer  bereits  eingetragenen  Firma  unterscheidet,  oder  es  ver- 
meidet, charakteristische  Zusätze  einer  bereits  bestehenden 
Firma  ihrer  eigenen  einzuverleiben.  Dieser  zweite  Fall  ist 
hier  gegeben.  Die  Firma  der  Klägerin,  welche  schon  bestand, 
bevor  die  Beklagte  ihre  angefochtene  Firma  annahm,  enthält 
zwei  charakteristische  Zusätze:  „Anglo"  und  „Condensed," 
womit  sie,  wie  bereits  bemerkt,  ihre  wirtschaftliche  Aus- 
dehnung auf  zwei  Länder  und  ihre  spezielle  Fabrikations- 
weise hervorheben  will.  Die  Beklagte  hat  diese  Original- 
bezeichnungen nicht  übernommen,  sondern  im  Gegenteil  in 
ihrer  Firma  jeden  Zusatz  vermieden,  der  nicht  dem  Zwecke 
ihrer  Gesellschaft,  nämlich  der  allgemeinen  Verwertung  von 
Milch  und  Milchprodukten  entsprochen  hätte,  oder  der  sie  als 
nicht  ausschliesslich  Schweizerische  Gesellschaft  hätte  er- 
scheinen lassen.  Betrachtet  man  in  dieser  Weise  beide  Firmen 
als  Ganzes,  so  muss  man  zum  Schlüsse  gelangen,  dass  sie 
sich  genügend  von  einander  unterscheiden.  Die  Klage  ist  so- 
nach auf  Grund  des  speziellen  Firmenrechtes  abzuweisen. 

Vor  Obergericht  hat  die  Klägerin  ihr  Bechtsbegehren 
anoh  aus  dem  Gesichtspunkte  der  illoyalen  Konkurrenz  ver- 
teidigt—  Gemäss  der  neueren  Praxis  des  Bundesgerichts  nan 
(s.  Amtl.  Samml.  XXIH,  2  S.  1755  Erw.  3  u.  S.  1815;  XXVI,  2 
8.  384  Erw.  3;  Journal  des  Tribunaux  1900,  S.  102  Erw.  4) 
ist  anzuerkennen,  dass  der  Schutz  eingetragener  Firmen  nicht 
ausschliesslich  durch  Art.  876  des  Obligationenrechtes  geregelt 
ist,  sondern  auch  unter  dem  Rechtsbegriff  der  illoyalen  Kon- 


57 

kurrenz  steht,  so  das 8  eine  Firma  nach  Art.  876  unanfechtbar 
sein,  dagegen  gemäss  Art.  50  ff.  als  anberechtigt  erklärt 
werden  kann.  Es  ist  somit  zu  prüfen,  ob  die  Beklagte  durch 
Annahme  ihrer  neuen  Firma  sich  einer  illoyalen  Konkurrent 
gegenüber  der  Klägerin  schuldig  gemacht  hat.  Dies  könnte 
nach  einer  subjektiven  und  nach  einer  objektiven  Seite  hin 
geschehen  sein.  Subjektiv,  indem  die  Beklagte  ihre  frühere 
Firma  in  der  Absicht  geändert  hätte,  die  Klägerin  durch 
Täuschung  ihrer  Kundschaft  zu  schädigen;  objektiv,  indem 
die  Beklagte  ein  Individualrecht  der  Klägerin  verletzt  hätte 
durch  Verwendung  von  der  klägeriscben  Firma  eigentümlichen 
Bezeichnungen  oder  Zusätzen.  Was  die  subjektive  Seite  be- 
trifft, so  bieten  die  Akten  nirgends  einen  Anhaltspunkt  für 
die  Annahme,  die  Beklagte  habe  durch  Aenderung  ihrer  alten 
Firma  die  unlautere  Absicht  gehabt,  die  Kundschaft  der 
Klägerin  an  sich  zu  ziehen.  Die  Klägerin  hat  die  Behaup- 
tung der  Beklagten,  die  Aenderung  sei  nur  geschehen,  um 
den  in  der  That  schwerfälligen  Namen  „Schweizerische  Natur- 
milch-Export Gesellschaft"  durch  einen  für  den  geschäftlichen 
Verkehr  gangbareren  und  einfacheren  zu  ersetzen,  durch  kei- 
nen Beweis  zu  entkräften  vermocht.  Auch  die  französische 
und  englische  Fassung  der  beklagten  Firma  lassen  auf  keinerlei 
unredliche  Absicht  schliessen,  da  sie  aus  der  durchaus  natür- 
lichen Erwägung  hervorgehen,  es  sei  vorteilhaft,  sich  der 
Sprache  derjenigen  Länder,  in  welche  man  exportiert,  auch 
in  der  Bezeichnung  der  Firma  zu  bedienen.  Hinsichtlich  des 
zweiten  Punktes  ist  von  vornherein  unzweifelhaft,  dass  keine 
Person  und  keine  Gesellschaft  ein  ausschliessliches  Recht,  ein 
Individualrecht  auf  Benützung  von  Wörtern  hat,  die  ein  Land 
bezeichnen  (Schweizerisch),  oder  ganz  allgemein  die  Natur 
eines  Geschäfts  und  seinen  Betrieb  auf  gesellschaftlicher 
Grundlage  erkennen  lassen  (Milchgesellschaft);  in  welcher 
Sprache  dann  diese  Ausdrücke  gebraucht  werden,  ist  voll- 
kommen irrelevant.  Der  Schutz  gegen  illoyale  Konkurrenz 
darf  nicht  so  weit  ausgedehnt  werden,  dass  ein  Kaufmann 
oder  ein  kaufmännisches  Geschäft  Ausdrücke  zu  monopoli- 
sieren befugt  wäre,  die  dem  Gemeingebrauch  freistehen  müssen, 
damit  überhaupt  die  Natur  eines  Geschäftes  oder  das  Land,, 
wó  es  seinen  Hauptsitz  hat,  bezeichnet  werden  können.  Es 
könnte  sich  im  vorliegenden  Falle  einzig  fragen,  ob  nicht  die 
beklagte  Gesellschaft  in  Prospekten,  Preiscourants  u.  dergl. 
die  englische  Uebersetzung  ihrer  Firma  missbräuohlich  zu 
dem  Zwecke  benützt,  um  eine  Verwechslung  mit  der  Firma 
der  Klägerin  herbeizuführen.    Allein  die  Klägerin  hat  keine- 


58 

Thatsaohen  angeführt,  die  eine  solche  Annahme  rechtfer- 
tigen würden.  Endlich  kann  auch  aas  den  schon  erwähnten 
Gründen  so  wenig  wie  eine  Verletzung  des  speziellen  Firmen- 
rechts eine  illoyale  Konkurrenz  darin  erblickt  werden,  das» 
die  Beklagte  das  Wort  laitière  als  Adjektivum  in  ihrer  Firma 
gebraucht,  während  die  Fabrikmarke  der  Klägerin  ein  Milch- 
mädchen enthält.  (Entsch.  vom  22.  November  1901  i.  S.  Anglo- 
Swiss  Condensed  Milk  Company  c.  Schweizerische  Milch- 
gesellschaft.) 


35.  Bundesgesetz  betreffend  die  Organisation  der  Bundes- 
rechUpflege  vom  22.  März  1893,  Art.  56  f.  0.  R.  Art.  1,  896. 
Seeversicherung.  Dieselbe  ist  durch  das  zürcherische  kantonale 
Recht  nicht  geregelt.  Perfektion  des  Versicherungsvertrages.  Be- 
deutung der  vom  Versicherer  nachträglich  einseitig  ausgestellten 
Police.  Stillschweigende  Anerkennung  der  in  derselben  abge- 
druckten allgemeinen  Versicherungsbedingungen,  insoweit  dieselben 
mit  dem  früher  vereinbarten  Vertragsinhalte  in  Widerepruck 
stehen?  Pflicht  des  Versicherers,  den  Versicherten  auf  solche  ab- 
weichende Policebestimmungen  aufmerksam  zu  machen. 

Mit  Brief  vom  4.  Mai  1900  beauftragte  das  Pariser  Haus 
der  Kläger,  W.  frères  &  Cie,  seine  Niederlassung  in  Zürich, 
hier  provisorisch  zu  decken  Fr.  350,000  auf  Getreide  auf  dem 
griechischen  Dampfer  „Fr osso"  von  Genitschesk  oder  einem 
andern  Hafen  des  Azowsohen  Meeres  mit  Bestimmung  nach 
Venedig,  zu  */*  °/°  Prämie  „conditions  françaises,  franchise 
3°/o,  remboursement  intégral. tt  Dieses  Schreiben  übergab 
der  zürcherische  Prokurist  der  Kläger,  M.  St.,  am  ö.  Mai  dem 
zürcherischen  Vertreter  der  Mannheimer  Transportversiche- 
rungsgesellschaft, A.  B.,  unter  Anmeldung  der  Versicherung. 
Letzterer  nahm  den  Auftrag  an  und  trug  ihn  sofort  in  die 
Abschlussliste  ein;  gleichen  Tags  stellte  er  W.  frères  &  Gie 
eine  „vorläufige  Versioherungsannahmea  zu,  dahingehend,  dass 
.  die  Mannheimer  Transportversicherungsgesellschaft  von  ihnen 
auf  Grund  des  eingereichten  schriftlichen  Versicherungsantrages 
für  den  obgenannten  Transport  eine  Partie  Weizen  im  Betrage 
von  Fr.  350,000  zur  vorläufigen  Versicherung  übernehme,  „zur 
Kondition  3%  Franchise,  mit  Integralzahlung,  sobald  die 
Franchise  erreicht,"  und  sioh  verpflichte,  die  endgültige  Po- 
lice zuzustellen!  sobald  W.  frères  &  Cie  „ihr  die  hiezu  nötigen 
Angaben  gemacht  haben. u  Nachdem  der  Weizen  in  zwei 
Partien  auf  dem  „Frosso"  offen  in  den  Kielraum  geladen 
worden    war    und    darüber   zwei   Connossemente    ausgestellt 


59 

worden  waren,  machten  die  Kläger  dem  zürcherischen  Ver- 
treter der  Beklagten  die  zur  Ausstellung  der  definitiven  Po- 
lice nötigen  Mitteilungen,  indem  sie  ihm  gleichzeitig  die  Ver- 
sicherungsprämie bezahlten;  dagegen  wurden  ihnen  zwei  defini- 
tive Policen  vom  24.  Mai  und  7.  Juni  1900  lautend  auf 
Fr.  240,300  und  Fr.  101,000  ausgestellt  In  den  auf  diesen 
Policen  abgedruckten  allgemeinen  Veraicherungsbedingungen 
ist  in  Art.  44  auf  die  Vorschriften  des  Allgemeinen  Deutschen 
Handelsgesetzbuches  als  subsidiär  für  die  Vertragswirkungen 
massgebend  verwiesen  und  wird  in  Art.  20  und  21  bestimmt: 

Art.  20:  „Die  besondere  Haverei  fällt  nur  dann  dem 
Versicherer  zur  Last,  wenn  die  materiellen  Beschädigungen 
oder  Verlust  der  Güter  die  in  der  nachfolgenden  Tabelle  be- 
zeichneten Prozentsätze  (Franchise)  des  Versicherungswertes 
erreichen.  (In  der  angehängten  Franchise-Tabelle  ist  Ge- 
treide gar  nicht  erwähnt) 

Art  21  :  »Für  diejenigen  Güter,  welche  nicht  in  nach- 
stehender Tabelle  namhaft  gemacht  sind,  gilt  die  Versicherung 
nur  frei  von  Beschädigung  ausser  im  Strandungsfalle.  Hat 
eine  Strandung  oder  ein  dieser  gleich  zu  achtender  Seeunfall 
sich  ereignet,  so  haftet  der  Versicherer  für  jede  3%  er- 
reichende Beschädigung,  welche  infolge  eines  solchen  See- 
unfalles entstanden  ist,  nicht  aber  für  eine  sonstige  Beschä- 
digung." 

Während  der  am  30.  Mai  1900  begonnenen  Fahrt  des 
„Frosso"  von  Genitschesk  nach  Venedig  war  derselbe  vom  6. 
bis  8.  Juni  in  offener  See  Stürmen  und  Regen  ausgesetzt. 
Das  Meer  überschwemmte  beständig  das  Deck  und  beschä- 
digte den  grö88ten  Teil  des  im  Ballas träume  befindlichen 
Weizens  durch  Eindringen  von  Meerwasser  längs  der  SohifiV 
wände.  Die  Beklagte  lehnte  die  Vergütung  des  dadurch  ent- 
standenen (von  den  Klägern  auf  Fr.  53,091.  45  veranschlagten) 
Schadens  grundsätzlich  ab,  indem  sie  geltend  machte,  durch 
die  „vorläufige  Versicherungsannahme"  sei  ein  Versicherungs- 
vertrag nicht  zustande  gekommen,  da  dieselbe  ausdrücklich 
die  Ausstellung  einer  definitiven  Police  vorbehalte;  diese  sei 
das  eigentliche  Zusagedokument.  Nach  den  allgemeinen  Be- 
dingungen der  definitiven  Police  nun  aber,  welche  die  Kläger 
stillschweigend  anerkannt  haben,  werde  durch  die  Versiche- 
rung nur  der  Schaden  im  Strandungstalle  gedeckt,  während 
hier  lediglich  Partikularhaverei  vorliege.  Die  Klage  wurde 
vom  Bundesgerichte  in  Bestätigung  des  Urteils  des  zürche- 
rischen Handelsgerichtes  grundsätzlich  gutgeheissen«  Aus  den 
Entscheidungsgründen  heben  wir  hervor: 


60 

Die  in  erster  Linie  und  von  Amtes  wegen  zu  prüfende 
Kompetenz  des  Bundesgerichts,  die  nur  streitig  sein  könnte 
mit  Bezug  auf  das  anzuwendende  Recht,  ist  gegeben.  Das 
zürcherische  privatrechtliche  Gesetzbuch  enthält  zwar  Be- 
stimmungen über  den  Versicherungsvertrag  im  allgemeinen 
und  über  einzelne  Arten  des  Versicherns. . . .  Allein  die  zür- 
cherischen Gerichte  haben  seinerzeit  erklärt,  die  Bestimmungen 
des  zürcherischen  privatrechtlichen  Gesetzbuches  über  den 
Versicherungsvertrag  überhaupt  finden  auf  die  Seeversicherung 
keine  Anwendung,  und  das  Bundesgericht  hat  sich,  hievon 
ausgehend,  in  Streitigkeiten  aus  Seeversicherung,  die  unter- 
instanzlioh  von  den  Zürcher  Gerichten  beurteilt  wurden,  zu- 
ständig erklärt.  Hieran  ist  um  so  mehr  festzuhalten,  als  die 
Vorinstanz  vorliegend  die  Frage  der  örtlichen  Reohtsanwen- 
dung  unentschieden  gelassen  hat  und  die  Kläger  sich  der  An- 
wendung eidgenössischen  Rechts  und  damit  der  Kompetenz* 
des  Bundesgerichts  nicht  widersetzt  haben. . . . 

Streitig  ist  in  erster  Linie  die  Bedeutung  der  vorläufigen 
Versicherungsannahme  und  deren  Verhältnis  zur  definitiven 
Police.  Die  Beklagte  macht  nämlich  auch  heute  noch  gel- 
tend, die  Versicherung  sei  abgeschlossen  worden  „frei  von 
Beschädigung  ausser  im  Strandungsfall, u  und  ein  durch  die 
Versicherung  zu  deckender  Schaden  liege  daher  gar  nicht  vor. 
Es  fragt  sich  somit,  ob  schon  in  der  vorläufigen  Versioherungs- 
annahme  der  Abschluss  des  Versicherungsvertrages  zu  er- 
blicken sei,  oder  ob  der  Vertrag  erst  mit  Ausstellung  der 
definitiven  Police  zum  Abschlüsse  gelangt  sei.  Nun  waren 
im  Versicherungsantrag  und  in  der  „vorläufigen  Versicherungs- 
annahme14 bezeichnet  und  bestimmt:  der  zu  versichernde 
Gegenstand,  der  Versicherungswert,  die  Versicherungsgefahr 
(die  Reise),  die  Versicherungsprämie,  und  endlich  eine  spe- 
zielle Versicherungsbedingung  („3°/o  Franchise  mit  Integral- 
Zahlung  sobald  die  Franchise  erreicht");  es  fehlten  nur  noch 
die  nähern  Angaben  über  den  Abgangshafen  und  über  den 
genauen  Umfang  des  Versicherungsobjektes.  Hit  jenen  An- 
gaben enthält  die  sogen,  provisorische  Police  alle  für  den 
Abschluss  des  Seeversicherungsvertrages  wesentlichen  Mo- 
mente. Es  handelte  sich  hiebei  nicht  etwa  nur  um  ein  blosses 
paotum  de  contrahendo,  einen  Vorvertrag  über  einen  erat  ab- 
zuschliessenden  Vertrag,  sondern  um  den  Abschluss  des  Ver- 
trages selbst;  die  Wirksamkeit  des  Vertrages  sollte  nach  der 
Meinung  der  Parteien  nicht  hinausgeschoben  werden  bis  sur 
Ausstellung  der  definitiven  Police.  Nach  allgemeinen  Rechts- 
grundsätzen wird  der  Versicherungsvertrag  unter  den  Parteien 


61 

für  beide  Teile  schon  mit  dem  Zeitpunkte  verbindlich,  in 
welchem  sie  sich  über  alle  wesentlichen  Teile  desselben  ge- 
einigt haben,  sofern  von  ihnen  nicht  etwa  eine  besondere  ab- 
weichende Bestimmung  getroffen  worden  ist  (Vergi.  Voigt,. 
Das  deutsche  Seeversicherungsrecht,  S.  64  ff.)  Jene  Einigung — 
die  namentlich  auch  nach  Art.  1  0.  R.  zum  Vertragsabschlüsse 
genügt  —  hat  stattgefunden;  abweichende  Verabredungen 
über  den  Zeitpunkt  der  Perfektion  des  Vertrages  oder  den 
Beginn  seiner  Wirsamkeit  sind  nicht  vereinbart  worden.  Die 
Bestimmung,  die  Beklagte  verpflichte  sich  zur  Aushingabe 
der  Police,  war  danach  nicht  eine  Bedingung  der  Perfektion 
des  Vertrages,  sondern  ein  Moment  der  Erfüllung  desselben 
durch  die  Beklagte. 

Hieran  anschliessend  ist  die  weitere  Frage  zu  beantwor- 
ten, in  welohem  Verhältnisse  der  durch  die  „vorläufige  Ver- 
sicherungsannahme" abgeschlossene  Vertrag  zur  definitiven 
Police  steht;  es  fragt  sich,  ob  durch  letztere  ein  neuer  Ver- 
trag vereinbart  worden  sei,  der  an  Stelle  des  frühern  trat,, 
oder  ob  lediglich  eine  Modifikation,  eine  nähere  Ausgestal- 
tung des  frühern  Vertrages,  vorliegt.  Diese  Frage  ist  in> 
letztern  Sinne  zu  entscheiden.  Zwischen  den  Parteien  haben 
keine  neuen  Verhandlungen  mehr  stattgefunden,  die  auf  einen 
neuen  Vertragsabschluss  hindeuten  würden,  sondern  die  Kläger 
haben,  nachdem  ihnen  die  Connossemente  zugekommen,  ihrem 
Vertreter  in  Zürich  die  bei  der  „vorläufigen  Versicherungs- 
annahme" noch  vorbehaltenen  näheren  Angaben  über  das  Ver- 
sicherungsobjekt, d.  h.  über  Quantum,  Wert  und  Betrag  der 
Fraoht  gemaoht,  und  ihr  Vertreter  in  Zürich  hat  diese  An- 
gaben dem  zürcherischen  Vertreter  der  Beklagten  übermittelt  ; 
auf  Grund  dieser  Angaben  sind  dann  die  definitiven  Policen 
ausgestellt  worden.  Den  letzteren  kommt  danach  nur  die 
Bedeutung  von  Beweisurkunden  über  den  Abschluss  eines 
Versicherungsvertrages  zu,  die  vom  Versicherer  einseitig  aus- 
gestellt sind.  Die  Police  beurkundet  die  Versicherung  und 
ist  in  der  Regel  dem  Versicherungsnehmer  vom  Versicherer 
auf  das  Verlangen  des  erstem  auszustellen  (vergi.  §  7  der 
„Allgemeinen  Seeversioherungsbedingungen  von  1867u  und 
dazu  Voigt  a.  a.  0.  S.  61  ff.),  wobei  eine  Frist  zur  Anfech- 
tung der  Police  wegen  Nichtübereinstimmung  mit  dem  Ver- 
trage angesetzt  werden  kann.  (Siehe  zum  Beispiel  Rolli T 
Entwurf  zu  einem  Bundesgesetz  über  den  Versicherungsver- 
trag, Art.  14.)  Letzteres  ist  hier  vertraglich  nicht  geschehen, 
und  ein  Rechtssatz  des  Inhaltes,  die  Entgegennahme  der  Po- 
licen und  das  Sohweigen  auf  den  Inhalt  derselben  müsse  nach 


62 

Ablauf  einer  gewissen  Zeit  als  Genehmigung  des  Inhaltes  an- 
gesehen werden,  kann  in  dieser  Allgemeinheit  nicht  als  richtig 
anerkannt  werden.   (Vergi.  Ehrenberg,  Versioherungsrecht  I, 
S.  259.)  Eine  Anerkennung,  Genehmigung  der  definitiven  Po- 
lice, liegt  allerdings  in  deren  Entgegennahme  mit  Besag  auf 
diejenigen  Bestimmungen,  die  vorher  schon  vereinbart  waren, 
oder  die  nur  eine  nähere  Ausführung,  Ergänzung  der  verein* 
harten   enthalten.     Dagegen  darf  die  —   einseitig  vom  Ver- 
sicherer ausgestellte  —  Police  nicht  Veränderungen  des  früher 
vereinbarten  Vertragsinhaltes   in  sich  schliessen;  und  soweit 
solche  Abänderungen  vorliegen,  kann  aus  der  vorbehaltlosen 
Entgegennahme   der  Police   nicht   ohne  weiteres  auf  die  Ge- 
nehmigung derselben  geschlossen  werden;   su  derartigen  Ab- 
änderungen  des  ursprünglichen  Vertrages   ist  vielmehr  nach 
allgemeinem  Rechtsgrundsatze   der   übereinstimmende   Wille 
beider  Parteien  erforderlich.  Hat  der  Versicherer  Abweichungen 
vom  Vertragsinhalt  in   die   (definitive)  Police   aufgenommen» 
so  ist  es  seine  Pflicht,  den  Versicherungsnehmer  darauf  auf- 
merksam  zu  machen   und  seine  Erklärung  hierüber  zu  pro* 
vozieren;  das  erfordert  die  gute  Treue  gegenüber  dem  Ver- 
sicherungsnehmer.   Im    vorliegenden   Falle    nun    weicht    die 
•definitive  Police  insofern  vom  vereinbarten  (frühem)  Vertrags* 
inhalte  ab,  als  Art.  21  die  Klausel  enthält,  die  Versicherung 
gelte  nur  (für  gewisse  Güter,  worunter  gerade  Getreide)  „frei 
von  Beschädigung   ausser   im  Strandungsfalle."     Denn   diese 
Klausel  war  im  ursprünglichen  Vertrage  nicht  enthalten.    Für 
diesen  vereinbart  waren  die  sogen,  französischen  Konditionen, 
und   nicht,  wie   das  Handelsgericht  annimmt,  deutsche  Kon- 
ditionen.    Allerdings  könnte  für  letztere  Annahme  der  Um- 
stand angeführt  werden,  dass  Art.  44  der  Police  auf  die  Vor- 
schriften des  Allgemeinen  deutschen  Handelsgesetzbuches  als 
subsidiäres   Recht   verweist.     Allein    diese    Bestimmung    der 
definitiven  Policen  ist  naoh  dem  Gesagten  nicht  entscheidend 
für  den  Inhalt  des  Versicherungsvertrages,  vielmehr    kommt 
es  fur  letztern  nur  auf  die  vorläufige  Polioe  an. .  • .  Die  Auf- 
nahme der  Klausel  „frei  von  Beschädigung  ausser  im  Strmn- 
dungsfallu  enthielt  jedenfalls  eine  unzulässige,  einseitige  Ab- 
änderung des  vereinbarten  Vertragsinhaltes;  diese  Klausel  ist 
somit  für  die  Kläger  nicht  verbindlich.  Dass  die  Kläger  nicht 
etwa  stillschweigend  in  diese  Abänderung  eingewilligt  haben, 
zeigt  am  besten  eine  Vergleichung  der  Daten:  Die  definitiven 
Policen  wurden  dem  Vertreter  der  Kläger  zugestellt  am  7.  Juoi, 
also  zu  einer  Zeit,  da  der  Dampfer  „Frosso"  schon  auf  See 
und  den  schädigenden  Einflüssen  ausgesetzt  war.     Das  aohä- 


-digende  Ereignis  ist  eingetreten  in  der  Zeit  vom  6./8.  Juni, 
also  in  einem  Zeitpunkte»  in  welchem  eine  stillschweigende. 
Genehmigung  der  Policen  noch  nicht  anzunehmen  war.  Fehlt 
aber  somit  die  Zustimmung  der  Kläger  zur  Abänderung  der 
Vertragsbestimmung  über  die  Versicherungsgefahr,  so  kann, 
die  Beklagte  auf  die  Klausel  „frei  von  Beschädigung  ausser 
im  Btrandungpfall"  nicht  abstellen,  und  liegt  ein  Versicherungs- 
fall, ein  Ereignis,  für  welches  die  Beklagte  versichert  hat,  vor. 
(Entsch.  vom  4.  Oktober  1901  i.  S.  Mannheimer  Transport« 
Versicherungsgesellschaft  o.  Waller  frères  à  Cie.) 


36.  0.  R.  Art.  50  ff.  Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht 
aus  Fabrikbetrieb  vom  25.  Juni  1881,  Art.  2.  Bundesgesets  be- 
treffend die  Ausdehnung  der  Haftpflicht  und  die  Ergänzung  dee 
Bundesgesetses  vom  25.  Mai  1881,  vom  26.  April  1887,  Art.  lff. 
Konkurrenz  dee  Haftpflichtanspruchs  gegen  den  Dienstherrn  und 
des  DdManspruches  gegen  den  schuldhaften  Urheber  der  Be- 
schädigung beato,  den  für  diesen  Verankoortlidten. 

Der  im  Dienste  des  Baumeisters  Str.  in  Aesch  (Basel- 
land) stehende  Maurer  C.  verunglückte  am  9.  August  1900 
beim  Eindecken  des  Daches  eines  von  Str.  übernommenen 
Anbaues  an  die  Schmiedewerkstätte  der  Elektrizitätsgesell- 
scbaft  A.  A  Cie.  C.  verlor  bei  seiner  Arbeit  aus  unbekannter 
Ursache  das  Gleichgewicht  und  klammerte  sich  im  Fallen  an 
den  Drahten  einer  elektrischen  Stromleitung  fest,  welche, 
ohne  dass  an  ihnen  eine  Schutzvorrichtung  angebracht  ge- 
wesen wäre,  in  geringer  Höhe  über  das  Dach  des  Anbaues 
wegführten.  Es  trat  infolgedessen  Kurzschluss  ein  und  C. 
trug  verschiedene  Verletzungen  davon,  welche  eine  vorüber* 
gehende  gänzliche  Arbeitsunfähigkeit  von  74  Tagen  und  eine 
dauernde  Verminderung  der  Erwerbsfähigkeit  um  15°/o  zur 
Folge  hatten.  Auf  Ersatz  des  ihm  dadurch  entstandenen 
Schadens  belangte  C.  zunächst  seinen  Arbeitgeber  Bau* 
insister  Str.  auf  Grund  des  Fabrikhaftpflichtgesetzes,  sodann 
aber  auch  die  Elektrizitätsgesellschaft  A.  &  Cie  auf  Grund 
des  Art.  50  ff.,  speziell  Art.  62  0.  R.,  indem  er  derselben  die 
doppelte  Fahrlässigkeit  vorwarf,  dass  sie  überhaupt  über  einem 
Dach  in  einer  Entfernung,  die  menschlicher  Berührung  leicht 
zugänglich  sei,  sobald  Arbeiten  auf  dem  Dach  ausgeführt 
werden  müssen,  eine  blanke  Starkstromleitung  durchgeführt 
habe,  und  zwar  ohne  alle  Sicherung;  und  dass  sie  insbeson- 
dere an  die  Arbeiter  des  Str.  oder  an  diesen  selbst  keine  be- 
sonderen Warnungen  haben  ergehen  lassen. 


64 

Die  Beklagte  hat  in  der  Antwort  ihre  Haftbarkeit  grund- 
sätzlich abgelehnt.  In  erster  Linie  hat  sie  sich  auf  den  Stand- 
punkt gestellt,  sie  könnte  nur  belangt  werden,  wenn  der  Un- 
fall auf  ein  Verbrechen  oder  Vergehen  der  Beklagten  oder 
ihrer  Angestellten  zurückzuführen  wäre,  der  Kläger  aber, 
Wenn  ein  derartiges  Verschulden  nicht  vorhanden  sei,  sich 
lediglich  an  seinen  Arbeitgeber  zu  halten  habe.  In  zweiter 
Linie  hat  sie  geltend  gemacht,  eine  Fahrlässigkeit  ihrerseits 
liege  nicht  vor. 

Das  Bundesgerioht  hat  in  Bestätigung  der  Entscheidung 
der  kantonalen  (basellandsehaftlichen)  Gerichte  die  Klage 
prinzipiell  für  begründet  erklärt,  indem  es  wesentlich  aus- 
führte: 

Die  vorliegende  Klage  gegen  die  Beklagte  stützt  sich 
nicht  (und  könnte  sich  nicht  stützen)  auf  das  Fabrikhaft- 
pflichtgesetz! das  einzig  die  Beziehungen  zwisohen  dem  Ar» 
Zeitgeber  und  dem  Arbeitnehmer  mit  Bezug  auf  Betriebs- 
unfälle und  Krankheiten  regelt,  sondern  auf  das  Obligationen- 
recht, Art.  50  ff.  ;  sie  hat  ihren  Rechtsgrund  nicht  in  den  spe- 
ziellen Beziehungen  zwisohen  Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer 
und  der  auf  Grund  dieser  Beziehungen  aufgestellten  Haft- 
pflicht, sondern  in  einer  unerlaubten  Handlung  der  Beklagten. 
Nun  können  aber  aus  einem  und  demselben  Thatbestande  — 
hier  dem  Unfälle  vom  9.  August  1900  —  sehr  wohl  zwei 
selbständige  Ansprüche,  ein  Haftpflichtanspruch  gegen  den 
Arbeitgeber  und  ein  Anspruch  aus  Delikt  gegen  einen  Dritten, 
entspringen;  der  eine  Anspruch  schliesst  den  andern  nicht 
aus;  beide  beruhen,  wenn  auch  auf  demselben  ^tatsächlichen 
Fundament,  doch  auf  durchaus  verschiedenen  rechtlichen 
Grundlagen  und  Beziehungen.  Die  beiden  Ansprüche  kon- 
kurrieren daher  nebeneinander,  und  die  Verantwortlichkeit 
der  aus  den  beiden  Ansprüchen  Verpflichteten  ist  nur  inso- 
fern beschränkt,  als  der  Kläger  nicht  etwa  denselben  Schaden 
doppelt  ersetzt  erhalten  kann;  insoweit  der  Kläger  durch  Er- 
füllung des  einen  Anspruchs  befriedigt  ist,  ist  hiedurch  auch 
sein  Klagrecht  für  den  andern  Anspruch  (oder  dieser  Anspruch 
selbst)  konsumiert  (vergi.  Windscheid,  Pandekten,  7.  Aufl., 
I,  §  125  Nr.  9— 11).  Die  Beklagte  ist  demnach  trotz  Be- 
stehens eines  Haftpflichtanspruches  verantwortlich,  sofern  die 
Voraussetzungen,  an  welche  Art.  50  ff.  0.  R.  die  Schaden- 
ersatzpflicht knüpfen,  ihr  gegenüber  erfüllt  sind.  Und  zwar 
haftet  sie  hienach  auf  das  Ganze.  Dies  wäre  gemäss  Art.  60 
0.  B.  auch  dann  der  Fall,  wenn  neben  ihrem  Verschulden 
(dieses  vorläufig   immer   noch  bloss   vorausgesetzt)  auch   ein 


65 

Verschulden  des  haftpflichtigen  Arbeitgebers  vorläge;  sie  hätte 
alsdann  gegen  letztern  lediglich  den  Regreçs*  wenn  sie  ein 
Verschulden  von  seiner  Seite  oder  ein  von  ihm  zu  verantwor- 
tendes Verschulden  seiner  Angestellten  nachzuweisen  ver- 
möchte. 

Es  fragt  sich  somit  grundsätzlich  nur  noch,  ob  die  Voraus- 
setzungen des  Anspruches  aus  Art  50  fi«  0.  R.  der  Beklagten 
gegenüber  gegeben  seien.  Und  zwar  kann  hiebei  nur  frag- 
lich sein,  ob  das  Erfordernis  der  subjektiven  Widerrechtlich* 
•keit  erfüllt  sei,  ob  also  die  Beklagte  ein  Verschulden  treffe. 
Diese  Frage  ist  mit  den  kantonalen  Instanzen  au. bejahen. 
Zwar  kann  wohl  kaum  gesagt  werden,  dass  schon  der  Um- 
stand, dass  die  Beklagte  überhaupt  Starkstromleitungen  in 
einer  für  auf  dem  Dache  Befindliche  erreichbaren  Weise  durch- 
geführt hat,  ein  schuldhaftes  Verhalten  ihrerseits  bedeute. 
Dagegen  war  es  Pflicht  der  Beklagten,  alle  nach  dem  Stande 
der  Wissenschaft  und  Teohnik  möglichen  Sohutz-  und  Sicher- 
heitsmassregeln  gegenüber  einem  derartigen  an  sich  gefähr- 
lichen Zustande  zu  treffen,  wie  :  Sohutz  der  Drähte  durch  ein 
Drahtgeflecht,  Abstellen  des  Stromes  für  die  Zeit,  während 
der  Menschen  auf  dem  Dache  waren.  Die  Errichtung  der- 
artiger Vorsichtsmassregeln  war  z.  B.  auch  notwendig  für  den 
voraussehbaren  Fall  eines  Brandausbruches,  bei  welchem  die 
Feuerwehrleute  durch  die  Drähte  gefährdet  gewesen,  wären. 
Jedenfalls  aber,  auch  wenn  man  nicht  eine  allgemeine  Pflicht 
•der  Beklagten  zur  Anbringung  von  Sohutz-  und  Sicherheits- 
vorrichtungen  aufstellen  wollte,  war  es  ihre  Pflicht;  im  kon- 
kreten Falle,  während  der  Errichtung  des  Neubaues  und  spe- 
ziell für  den  Fall  des  Dachdeckens,  alle  nur  denkbaren  und 
möglichen  Vorkehren  zur  Abwendung  der  Gefahr  und  zum 
Schutze  der  Personen,  die  sioh  auf  das  Daoh  zu  begeben 
hatten,  zu  treffen.  Nun  hat  die  Beklagte  eingewendet,  sie 
habe  diese  Massregeln  getroffen,  indem  ihr  Werkführer  dem 
Palier  des  Str.  oder  diesem  selbst  gesagt  habe,  .es  dürfe  mit 
dem  Dachdecken  nicht  begonnen  werden,  bevor,  die  Leitung 
entfernt  sei;  auch  habe  dieser  Werkführer  und  dann  auch  der 
Palier  des  Str.  selbst  die  Arbeiter  stets  auf  die  von  der  elek- 
trischen Leitung  her  drohende  Gefahr  aufmerksam  gemacht. 
Wären  diese  Behauptungen  der  Beklagten  erwiesen,  so  könnte 
allerdings  wohl  kaum  von  einem  Verschulden  der  Beklagten 
gesprochen  werden,  da  sie  alsdann  alles  gethan  hätte,  was  in 
ihren  Kräften  lag,  um  Unfälle  durch  den  elektrischen  Strom 
zu  verhüten.  Allein  die  kantonalen  Instanzen  haben  aus- 
drücklich, gestützt  auf  die  Zeugenbeweise,  festgestellt,  dass 


«6 

diese  Behauptungen  der  Beklagten  nicht  erwiesen  sind,  das» 
diese  vielmehr  zwar  allerdings  die  Absieht  hatte,  die  Drähte 
vor  dem  Eindeoken  des  Daches  zu  entfernen,  und  dass  diee 
auoh  dem  Str.  und  seinem  Palier  mitgeteilt  wurde,  daas  aber 
alsdann  bei  den  Räumungsarbeiten  eine  Verzögerung  eintrat 
und  die  Beklagte  es  rahig  geschehen  liest,  dass  der  Kläger 
mit  der  Arbeit  begann,  sie  also  ein  spezielles  Verbot  nicht 
eriiess;  dass  sie  ferner  auch  keine  besondern  Warnungen  er- 
teilte, und  dass  sie  endlich  auch  sonst  keinerlei  Schutzmaas- 
regeln und  Sicherheitsvorkehren  traf.  Dieses  Verhalten  der 
Beklagten  muss  nun  in  der  That  als  ein  fahrlässiges  bezeichnet 
werden,  so  dass  die  Beklagte  dem  Kläger  gegenüber  grund- 
sätzlich als  haftbar  erscheint.  (Entsch.  vom  12.  Oktober  1901 
.  S.  Cesa  c.  Elektrizitätsgesellschaft  Alioth  4  Cie.) 


37.  Bundesgesetz  betreffend  das  Urheberrecht  an  Werken  der 
Litteratur  und   Kunst  vom  23.  Aprü  1883,  Art.  11,  Abu.  1,  lì. 

1.  Sammlungen  (zum  Schulgebrauche)  sind  nur  solche  Werke* 
welche  als  Zusammenstellung  ton  Auszügen  oder  ganzen  Stücken 
aus  anderen  Werken  sich  darstellen,  nicht  aber  für  den  Schul- 
gebrauch  bestimmte  Schriften,  welche  als  einheitliches  Werk  ihres 
Urhebers  veröffentlicht  werden,  mag  darin  auch  auf  die  Quellen, 
woraus  der  Verfasser  geschöpft  hat,  verwiesen  werden.  Bin  teil- 
weiser  Nachdruck   in  Schriften   letzterer  Art  ist  also  unerleubL 

2.  Gewinnsüchtige  Absicht  gehört  nicht  zum  Thatbeetande  dee 
Nachdrucks. 

(Entsch.  vom  20.  Juli  1901   i.  S.  BottQuibi  et  Cons.  c. 
Comtesse  et  Cons.) 


38.  Bundesgesetz  betreffend  dm  Schutz  der  Fabrik-  und  Han- 
delsmarken «.  i.  w.  vom  26.  September  1890,  Art.  1,  3,  6.  O.  Ä. 
Art.  SO  ff.  Konkurrenz  der  Klage  aus  Concurrence  déloyal*  m* 
einer  solchen  aus  Markenrechtsverletzung.  Sehutzfäkige  Worêmarke 
oder  gememfreie  Sachbezeichnungl  Täuschende  Aehnlkhkeü  èé 
Worttwrken. 

1.  Damit  eine  Klage  aus  concurrence  déloyale  neben  der 
Klage  aus  Markenrechtsverletzung  Bauin  habe,  darf  entere 
sich  .nicht  auf  die  genau  gleiche  Tbatsache,  d.  h.  eben  auf 
die  MarkenrechtBverletzung,  stützen,  sondern  es  müssen  neben 
der  Markenrechtsverletzung  andere  Umstände,  welche  eine 
concurrence  déloyale  bewirken,  vorhanden  sein,  wie  Nach- 
ahmung der   Verpackung  der  Waren,    nicht   markenmäsaig* 


67 

Verwendung  eines  Individualzeichens  u.  dgl.  Dagegen  wird 
die  Verwendung  eines  Zeichens  als  Marke  ausschliesslich 
durch  das  Harkenrechtsgesetz  geschützt;  und  soweit  sie  nach 
diesem  erlaubt  ist,  kann  sie  auch  nicht  den  Thatbestand  einer 
illoyalen  Konkurrenz  und  somit  einer  unerlaubten  Handlung 
im  Sinne  des  Art.  50  0.  R.  bilden. 

2.  Es  liegt  nahe,  die  beiden  Marken  „Vasagen"  und  „Va- 
sapon"  (wie  auch  „Vasoval")  (für  pharmaceutische  Produkte) 
als  nicht  markenfähig  zu  bezeichnen,  wenn  sie  zur  Benen- 
nung ohemisch-pharmaceutischer  Präparate  bestimmter  Be- 
schaffenheit verwendet  werden.  (Vergi.  Urteile  des  Bundes- 
gerichts vom  25.  April  1896  i.  S.  Compagnie  Parisienne  de 
Couleurs  d'Aniline  c.  Basler  Chem.  Fabrik  Bindsohedler,  A  mtl. 
Samml.  Bd  XXII,  S.  459  ff.,  spez.  8.  467,  Erw.  6;  und  vom 
27»  November  1897  i.  8.  Fahlberg,  List  &  Cie  c.  Chemische 
Union,  Amtl.  Samml.  Bd  XXIII,  S.  1630  ff.,  spez.  8. 1632  ff., 
Erw.  2  f.)  Allein  eine  derartige  Annahme  würde  doch  zu 
weit  gehen.  Was  zunächst  „Vasogen"  betrifft,  so  ist  eine 
Herleitung  dieses  Wortes  aus  den  das  Produkt  zusammen- 
setzenden Bestandteilen  gar  nicht  behauptet.  Aber  auch  bei 
„Vasaponu  erscheint  die  behauptete  Herleitung  aus  „Vase- 
line" und  „Sapo"  derart  weitliegend,  dass  nicht  angenommen 
werden  kann,  es  wolle  damit  die  Beschaffenheit  der  Ware  be- 
zeichnet werden.  Vielmehr  erscheinen  beide  Worte  (wie  auch 
„Vasoval")  als  originelle  und  Phantasiebezeichnungen;  sie 
deuten  auch  nicht  (wie  z.  B.  Antipyrin,  Antifebrin)  eine  mehr 
oder  weniger  leicht  verständliche  Eigenschaft  der  Ware  in 
Bezug  auf  ihre  Wirkung  an.  Endlich  sind  sie  auch  nicht  — 
wenigstens  wird  dies  von  keiner  Seite  behauptet  —  als  reine 
Sachbezeichnungen  verwendet  worden.  Gegenteils  müssen  die 
Bezeichnungen  als  Herkunftsbezeichnungen  mit  Bezug  auf 
einen  bestimmten  Produzenten  namentlich  deshalb  angeschen 
werden,  weil  der  Hersteller  des  einen  und  des  anderen  Pro- 
duktes das  thatsächliche  Monopol  zur  Herstellung  der  be- 
treffenden ohemisch-pharmaceutischen  Präparate  hat.  Die  in 
Frage  stehenden  reinen  Wortmarken  sind  daher  als  zulässig 
zu  erklären. 

3.  Zwischen  den  Wortmarken  „Vasapon"  und  „Vasoval" 
und  der  älterberechtigten  Wortmarke  „Vasogen"  besteht  aller- 
dings eine  Aehnlichkeit  der  beiden  erstgenannten  Marken  mit 
der  letztern  insofern,  als  alle  drei  Marken  eine  gleichlautende 
erste  Silbe  und  gleich  viele  Silben  besitzen,  und  dass  bei 
allen  drei  Marken  die  Aufeinanderfolge  und  Verteilung  der 
Vokale  und  Konsonanten  unter  einander  die  gleiche  ist.  Bei 


-68 

•der  Verwendung  der  Worte  in  Schrift  kommt  dazu,  dass  das 
„pu  in  Vasapon  dem  „g"  in  Vasogen  äusserlich  ähnlich  sieht. 
Eine  gewisse  Aehnliohkeit  der  beiden  mit  der  Widerklage 
angefochtenen  klägerisohen  Wortmarken  mit  der  Wortmarke 
der  Beklagten  „vasogen"  kann  daher  allerdings  nicht  ge* 
leugnet  werden.  Dagegen  ist  die  Aehnliohkeit  derart  äusser- 
lich, namentlich  derart  wenig  im  Laut-  und  Klangwert  aus- 
feprägt,  dass  eine  Verwechslung  bei  Verwendung  gehöriger 
orgfalt  nicht  wohl  angenommen  werden  kann.  Hiebei  kommt, 
wie  die  Vorinstanz  richtig  hervorhebt,  namentlich  in  Betracht, 
•dass  es  sich  um  Medikamente  handelt,  so  dass  auch  beim 
Laien  grössere  Aufmerksamkeit  vorausgesetzt  werden  darf, 
als  bei  Deckung  der  Bedürfnisse  des  täglichen  Verkehrs.  Ob 
•eines  der  beiden  Produkte  „Vasogen"  und  „Vasapon"  oder 
beide  nur  an  Aerzte  und  Apotheker  abgegeben  werden,  iat 
«dabei  unerheblich»  Die  auf  Nichtigerklärung  der  Wortmarkeo 
-„Vasapon"  und  „Vasoval"  gerichteten  Widerklagebegehren 
sind  daher  abzuweisen.  (Entsch.  vom  25.  Oktober  1901  i.  S. 
Paerson  &  Cie  c.  Bohny,  Hollinger  &  Cie.) 


39,  Bundesgesetz  betreffend  den  Schutz  der  Fabrik-  und 
Handelsmarken  u.  8.  tv.  vom  26.  September  1890,  Art,  1,  3.  Zu- 
lämgheit  der  Wortmarke;  Grundsätze.  Schuizfähige  Phantasie- 
benennung  oder  gemeinfreie  Sach-,  bezw.  Eigenschaftsbezeichnung  f 

Die  Klägerin  ist  Inhaberin  der  unter  Nr.  11033  bezw. 
12457  für  sie  im  eidgenössischen  Markenregister  fur  choco- 
lats, ohocolats  au  lait,  en  poudre  etr  en  tablettes,  cacao,  ar- 
ticles de  réclame  eingetragene  Wortmarke  „Crêmant."  Sie 
hat  dieselbe  bisher  thatsäohlich  nur  für  eine  zum  Rohessen 
bestimmte  Spezialität  gewöhnlicher  Ghocolade  ohne  Zusatz 
von  Milch  oder  Sahne  verwendet.  Da  die  Beklagte  sieh  auf 
der  Packung  gewisser  Chocoladen,  die  sie  ebenfalls  in  Tafeln 
verkaufte  und  speziell  zum  Rohessen  empfahl,  ebenfalls  der 
Marke  „Crêmant"  und  „Chocolat  Crêinant"  bediente,  so  klagte 
die  Klägerin  dahin,  die  Beklagte  sei  nicht  berechtigt,  ein- 
zelne Qualitäten  ihrer  Chocoladenprodukte  mit  dem  Ausdruek 
Crêmant  zu  bezeichnen,  und  es  sei  ihr  der  Gebrauch  dieser 
Bezeichnung  auf  der  Verpackung  oder  auf  Etiketten  unter 
Androhung  der  gesetzlichen  Folgen  zu  untersagen  u.  s.  w. 
Die  Beklagte  trug  auf  Abweisung  der  Klage  und  Widerklage- 
weise  auf  Ungültigerklärung  und  Anordnung  der  Streichung 
der  klägerischen  Marke  Nr.  12457  in  dem  eidgenössischen 
Markenregister  an.     Das   Bundesgericht   hat   in  Bestätigung 


6» 

«1er  kantonalen  Entscheidung  die  Klage  abgewiesen  und  die 
Widerklage  gutgeheissen.  Aus  den  Gründen  ist  hervorzu- 
heben : 

Nach  dem  Markenschutzgesetz  vom  26.  September  1890 
kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  (im  Gegensatz  zum 
früheren  Gesetz  vom  19.  Dezember  1879,  Art.  4,  Abs.  2)  auch 
blosse  Worte  als  Marken,  eingetragen  werden  können  und  des 
Markenschutzes  fähig  qind;  das  neue  Markenschutzgesetz  an- 
erkennt somit  auch  die  reine  Wortmarke  grundsätzlich  als 
schutzfähig  an.  (Vergi.  Urteil  des  Bundesgerichtes  vom  7.  De- 
zember 188Ô  in  Sachen  Walbaum,  Luling,  Goulden  &  Cie 
gegen  Hahn  betreffend  die  Marke  „Monopole/  amtliche 
Sammlung  Bd  XXI,  S.  1055,  Erwägung  3  ff.)  Zweck  der 
Fabrik-  und  Handelsmarke  ist  nun,  die  Herkunft  der  Ware 
-aus  einem  bestimmten  Geschäft,  die  Beziehung  der  Ware 
zum  Geschäftsinhaber,  zu  bezeichnen  ;  nicht  dagegen  soll  sie 
dienen  zur  Bezeichnung  der  Ware  selbst  oder  einer  Qualität, 
•sachlichen  Eigenschaft  der  Ware.  Damit  ein  Wort  für  eine 
bestimmte  Ware  oder  Warengattung  als  Marke  verwendbar 
*ei,  ist  daher  notwendig,  dass  die  Beziehung  des  Wortes  zur 
Ware  nicht  eine  adjektivische  sei,  die  eine  sachliche  Eigen- 
schaft der  Ware  zu  bezeichnen  geeignet  ist.  Ausgeschlossen 
ah  Wortinarken  sind  demnach  vor  allein  allgemeine  adjekti- 
vische Qualitätsbezeichnungen,  wie  »gut,"  „extra,"  „prima;" 
ferner  Bezeichnungen,  die  in  Beziehung  auf  die  betreffende 
Ware  eine  Qualitätsbezeichnung  ergeben,  wie  „dry,"  „duro" 
bei  Champagner  oder  bei  Süd  weinen  (als  Gegensatz  zu  doux), 
fondant  bei  Chokolade.  Die  Aneignung  derartiger  Bezeich- 
nungen als  Marken,  also  als  individuelle  Zeichen,  würde  eine 
unzulässige  Monopolisierung  der  Warengattung  selbst  in  sich 
achliessen.  Die  Markenberechtigung  an  einem  an  sich  in  Ver- 
bindung mit  einer  bestimmten  Ware  oder  Warengattung 
inarkenföhtgen  Worte  wird  sodann  erworben  durch  die  Prio- 
rität des  Gebrauchs.  Es  ist  also  notwendig,  dass  die  An- 
wendung des  Wortes  auf  die  betreffende  Ware  neu  sei;  nicht 
ist  dagegen  erforderlich,  dass  das  Wort  selbst  neu,  eine  reine 
Phantasiebezeichnung  im  Sinne  einer  neuen  Wortbildung  sei, 
sondern  nur  die  Verbindung  des  Wortes  mit  der  betreffenden 
Ware  musa  neu  und  in  diesem  Sinne  originell  sein.  Ferner 
ist  zu  bemerken,  dass  eine  an  sich  zur  Marke  geeignete  Be- 
zeichnung zu  einem  Freizeichen,  Gemeingut,  werden  kann; 
dies  kann  geschehen  schon  durch  die  Art  und  Weise  der 
ersten  Benutzung,  wie  auch  im  Laufe  der  Zeit  durch  die 
Entwicklung  des  Verkehrs.    Dafür,  ob  ein  Wort  für  eine  be- 


70 

stimmte  Ware  oder  Warengatt ud  g  als  Marke  geeignet  oder 
aber,  ob  es  hiefiïr  Freizeichen,  Gemeingut  sei,  ist  massgebend 
die  Anschauung  des  Verkehrs  (zwischen  Produzenten,  Bind* 
lern  und  Konsumenten). 

Die  Klägerin  beansprucht  das  Wort  „Crèmant"  ala 
Harke  für  „Chokolade,  Milchohokolade,  in  Pulvern  und  in 
Tafeln,  Cacao,  Reklameartikel,"  d.  h.  also  für  Chokolade- 
waren  im  allgemeinen.  Von  der  Zulässigkeit  des  genannten 
Wortes  als  Marke  für  diese  Ware  ist  daher  auszugehen. 

Die  Beklagte  behauptet  nun,  dass  die  Bezeichnung  „ore- 
manttt  für  Chokolade  sich  als  Eigenschaftsbezeichnung  dar- 
stelle, und  aus  diesem  Grunde  nicht  markenfähig  sei.  Dem 
gegenüber  behauptet  die  Klägerin,  es  handle  sich  hier,  bei 
der  Anwendung  des  Wortes  auf  Chokolade,  um  eine  neue, 
eigenartige  Phantasiebezeichnung  und  somit  um  eine  dea 
Markenschutzes  fähige  Benennung.  Grammatikalisch  und 
sprachlich  betrachtet  erscheint  das  Wort  „crèmant"  ala  par- 
ticipium  praesens  des  Verbums  „crêmer"  (resp.,  wenn  Cle- 
ment geschrieben,  crèmer),  und  dieses  hinwiederum  leitet  «ich 
ab  vom  Substantiv  creme  (oder  crème).  Letzteres  bedeutet 
zunächst  Rahm  oder  Sahne  (von  Milch);  in  zweiter  Linie  eine 
sonstige  dickflüssige  Masse,  speziell  auf  Lebensmittel,  aber 
auch  auf  Gebrauchsgegenstände  angewandt  (ersteres  in  Ver- 
bindungen wie  „creme  à  la  Vanille, "  crème  au  chocolat; 
ferner  für  Liqueure,  wie  Cröme  Iva;  —  letzteres  z.B.  bei 
„Creme  Simon0);  endlich  bedeutet  „creme"  in  abgeleiteter 
Beziehung  etwas  hohes  („die  Creme  der  Gesellschaft*)  und 
besonders  gutes.  Crémer  (oder  crêmer)  ist  nach  den  Wolter* 
büchern  ein  intransitives  Verbum,  das  bedeutet,  „sich  mit 
Creme  bedecken."  Nach  den  von  der  Klägerin  beigebrachten 
und  von  der  Beklagten  anerkannten  Auszügen  aus  Wörter- 
büchern (Dictionnaire  de  l'Académie;  Litt  ré;  Larousse)  findet 
sich  „crémanttf  (mit  é  [accent  aigu]  geschrieben)  nur  in  Ver» 
bindung  mit  dem  Substantiv  „Champagne"  und  bezeichnet 
einen  Champagner,  „qui  n'a  qu'une  mousse  légère  et  peu 
abondante."  Hienach  ist  der  Klägerin  zuzugeben,  daaa  die 
Verwendung  dieses  participium  praesens  zwar  nicht  eine 
sprachliche  Neubildung  bedeutet  (ob  mit  é  oder  ê  geschrieben, 
ändert  an  der  Sache  nichts),  dass  aber  dessen  Anwendung 
auf  Chokolade  als  Neuerung  erscheint.  Nach  der  rein  sprach- 
lichen Bedeutung  dieser  Zusammenstellung  ist  somit  aller- 
dings richtig,  dass  nicht  direkt  eine  Eigenschaft  der  Choko- 
lade, reso,  einer  gewissen  Art  Chokolade,  derartig  bezeichnet 
werden    kann.     Dagegen   findet   eine  Erinnerung   an   Creme 


71 

statt,  die  ebensowohl  dahin  gehen  kann,  dass  die  Ghokolade 
orêmehaltig  sei,  wie  dabin,  dass  sie  leicht  zar  Creme  —  im 
Sinne  einer  dickflüssigen  Masse  —  werde,  wie  endlich  dahin,, 
sie  sei  —  als  „Creme  der  Chokoladen"  —  eine  besonders 
gute  Art  Chokolade.  Biese  durch  die  Bezeichnung  „ordmant" 
in  Verbindung  mit  Chokolade  gegebene  Andeutung  ist  nun 
jedermann  verständlich.  Das  Wort  creme  (auf  welches  in 
erster  Linie  abzustellen  ist,  und  nicht  anf  das  Verbum  crêmer 
oder  crémer)  gehört  der  Umgangssprache  an;  „orêmant"  hängt 
mit  „creme"  zusammen  und  erinnert  an  die  oben  gegebenen 
Bedeutungen  dieses  Wortes.  Es  wird  also  durch  die  Zusam» 
menstellung  immerhin  auf  Eigenschaften  hingedeutet,  die  mit 
Creme  zusammenhängen.  Der  Aasdruok  „crêmant"  in  seiner 
Anwendung  auf  Chokolade  muss  daher  vom  kaufenden  und 
verkaufenden  Publikum  als  Beschaffenheitsbezeichnung  auf- 
gefasst  werden.  Die  Klägerin  scheint  denn  auch  insofern 
selber  dieser  Ansicht  zu  sein,  als  sie  die  Bezeichnung  „crê- 
mant" nur  auf  eine  bestimmte  Art  Chokolade  anwendet.  Mag 
letzteres  indessen  auch  nicht  ausschlaggebend  sein,  da  die 
Produzenten  und  Händler  die  verschiedenen  Sorten  derselben 
Warengattung  gerne  mit  verschiedenen  Bezeichnungen,  die 
an  sich  ebenso  gut  Phantasie-  wie  Beschaffenheitsbezeich- 
nungen sein  können,  versehen,  so  fällt  dagegen  in  Betracht,, 
dass  die  Klägerin  selber  das  Wort  „crêmant"  früher  (und 
auch  jetzt  noch)  in  adjektivischer  Bedeutung  gebraucht  hat,, 
wie  besonders  aus  den  Preiscourants  hervorgeht.  Daraus,, 
speziell  aus  dem  Umstände,  dass  ursprunglich  der  Rechts- 
Vorgänger  der  Klägerin  als  Schutzmarke  lediglich  das  Bild 
eines  Kranichs  bezeichnete  und  hinterlegte,  während  die  Ver- 
packung doch  bereits  die  Aufschrift  „Chocolat  crêmant*  u.  s.  w» 
fährt,  geht  einerseits  hervor,  dass  die  Klägerin  selber  ur- 
sprünglich das  Wort  als  Eigenschafts-,  Beschaffenheitsbezeich- 
nung für  eine  bestimmte  Art  Chokolade  verwendete;  ander- 
seits ergiebt  sich  daraus,  dass  die  Klägerin  selber  das  Pub- 
likum daran  gewöhnt  hat,  unter  jener  Bezeichnung  eine  be- 
stimmte Art  Chokolade  mit  gewissen,  an  Creme  erinnernden 
Eigenschaften  zu  verstehen,  verwenden  denn  übrigens  auch 
andere  Chokoladefabrikanten  zwar  nicht  gerade  das  Wort 
„cramant,41  wohl  aber  ähnliche  von  Creme  hergeleitete  Worte, 
wie  „crémier"  zur  Bezeichnung  ihrer  Chokolad  equali  täten. 
Danach  ist  dann  allerdings  das  Wort  „crêmant"  als  Etgen- 
sohaftsbezeichnung  aufzufassen.  (Entsch.  vom  5.  Okt.  1901  i.  S~ 
Société  anonyme  des  Chocolats  au  lait  F.  L.  Cailler  c.  Berner 
Chokoladenfabrik  Tobler  &  Cie.) 


72 

40.  Bundesgesdz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
IL  April  1889,  Art.  143,  240.  Wer  ist,  wenn  der  Gantkauf  vom 
Ersteigerer  nicht  gehalten  wird  und  bei  der  weiteren  Versteigerung 
sich  ein  Ausfall  ergiebt,  geschädigt  und  klageberechtigtt  Haftet 
der  erste  Ersteigerer  auch  für  den  Ausfall,  der  eich  dadurch  er- 
giebt,  dass  ein  zweiter  Ersteigerer  seine  Verpflichtungen  nicht 
vfüUt? 

1.  Soweit  durch  ein  nicht  gehaltenes  Gantangebot  Pfand- 
gläubiger  noch  gedeckt  worden  wären,  während  der  spätere 
Erlös  hiezu  nicht  mehr  ausreicht,  sind  sie  und  sie  allein  ge- 
schädigt. Die  übrigen  Kurrentgläubiger,  bezw.  die  Eonkurs- 
masse als  solche  erleiden  dagegen,  abgesehen  von  der  in  jedem 
Falle  eintretenden  und  meist  zu  ihren  Lasten  fallenden  Kosten- 
Vermehrung,  und  abgesehen  von  der  in  gewissen  Fällen  und 
als  Folge  des  Verlustes  der  Pfandgläubiger  und  ihrer  ver- 
mehrten Partizipation  am  Ergebnis  der  V.  Klasse  eintretenden 
Reduktion  der  Dividende  dieser  Klasse,  dann  noch  einen 
"weiteren  Schaden,  wenn  das  nicht  gehaltene  Angebot  auch 
noch  für  sie  einen  Uebererlös  ergeben  hätte»  Im  vorliegenden 
Falle  nun  sind  die  aus  der  Abtretung  der  Konkursmasse 
klagenden  Personen  identisch  mit  den  geschädigten  Pfand- 
gläubigern und  sind  in  beiden  Eigenschaften  klageberechtigt, 
so  dass  die  Frage  nicht  weiter  untersucht  zu  werden  braucht, 
ob  die  Konkursverwaltung  auch  berechtigt  sei,  den  den 
Pfandgläubigern  entstandenen  Schadenersatzanspruch  ohne 
ihr  Wissen  und  Willen  einzuklagen  und  zu  versteigern,  oder 
ob  dieses  Klagrecht  lediglich  den  Pfandgläubigem  zustehe. 
Dagegen  kann  die  Auffassung  nicht  geteilt  werden,  dass  eigent- 
licher Geschädigter  nur  der  Gemeinschuldner  sei  und  die 
Konkursverwaltung  nur  seine  Rechte  geltend  machen  könne, 
weil  der  Konkursverwalter  Vertreter  des  Gemeinschuldners 
sei.  Die  Konkursverwaltung  wird  vielmehr  richtigerweise 
als  das  die  Gläubigerschaft  vertretende  Organ  aufge- 
fasst,  als  Vertreterin  ihrer  Interessen,  die  nur  zu  oft  den- 
jenigen des  Gemeinschuldners  entgegengesetzt  sind  (s.  Kohl  er, 
Lehrb.  S.  400;  Seuffert,  Konkursprozessrecht  S.  155,  157, 
158).  Damit  steht  auch  Art.  240  des  Gesetzes  in  Ueberein- 
8timmung,  der  die  Konkursverwaltung  ausdrücklich  als  Ver- 
treterin der  Masse  und  nicht  des  Gemeinschuldners  bezeichnet. 
Diese  Masse,  die  Gläubigergesamtheit,  kann  vom  Geinein- 
8chuldner  unabhängige,  selbständige  Rechte  erwerben  and 
selbständig  verpflichtet  werden.  Es  hat  daher  durchaus  nichts 
anstössiges  an  sich,  das  mit  dem  System  des  Gesetzes  nicht 
vereinbar  wäre,  sondern  steht  mit  demselben  im  vollen  Ein- 


7& 

klang,  wenn  dem  Art.  143  die  Bedeutung  beigemessen  wird, 
da88  damit  auch  der  Masse  als  solcher  ein  ihr  selbständig* 
zustehender  Schadenersatzanspruch  eingeräumt  werden 
wollte,  wenn  ihre  Interessen  auf  Erzielung  eines  möglichst 
hohen  Erlöses  aus  den  ihrem  Beschlagsrecht  unterliegenden/ 
Objekten  des  Schuldners  durch  einen  Dritten  verletzt  werden» 
2.  Der  Ersteigerer,  welcher  seine  Verpflichtungen  nicht 
erfüllt  hat,  so  dass  es  zu  einer  neuen  Versteigerung  gekommen 
ist,  haftet  für  den  Ausfall,  der  sich  bei  der  neuen  Steigerung 
gegenüber  seinem  Angebote  ergeben  hat;  dagegen  haftet  er 
nicht  auch  für  den  "weiteren  Ausfall,  der  sich  allfällig  daraus 
ergiebt,  dass  auch  der  neue  Ersteigerer  seine  Verpflichtungen 
nicht  hält,  und  es  daher  zu  einer  dritten  Versteigerung  kommt. 
(Entsch.  vom  23.  Juli  1901  i.  S.  Schweitzer  o.  Moos  und 
Guggenheim.) 


41.  Bundesgesetz  über  Schuldbeireibung  und  Konkurs  vom 
11.  April  1889,  Art.  106—109, 127.  Der  Gläubiger  {oder.Schuld- 
ner),  welcher  ein  im  Beireibungsverfahren  gellend  gemachtes  Dritt- 
mannsrecht  an  einer  gepfändeten  Sache  nicht  binnen  der  ihm  an- 
gesetzten Frist  beim  Betreibung samle  bestreitet,  hat  dadurch  für  die 
beireffende  Betreibung,  einschliesslich  des  Stadiums  der  KoUokation, 
das  Redit  auf  eine  nochmalige  Anfechtung  verwirkt.  Die  gleiche 
Wirkung  greift  um  so  mehr  Platz,  wenn  über  die  Gültigkeit  des  frag- 
lichen Drittmannsrechtes  vom  Richter  rechtskräftig  entschieden 
oder  wenn  das  betreffende  Recht  im  Laufe  des  Prozesses  aus- 
drücklich anerkannt  worden  ist 

Das  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs 
steht  auf  dem  Standpunkte,  dass  die  sämtlichen  Pfand- 
ansprachen, die  an  einem  der  Zwangsverwertung  unterliegen- 
den Gegenstande  geltend  gemacht  werden,  vor  der  Verstei- 
gerung ziffermässig  festzustellen  sind.  Denn  gleichwie  die 
Betreibung  in  ihrem  Gange  gehemmt  ist,  so  lange  nicht  fest- 
steht, ob  das  von  derselben  ergriffene  Objekt  auch  wirklich 
Eigentum  des  Schuldners  ist,  so  kann  auch  mit  Rücksicht  auf 
die  Vorschrift  des  Art.  127  die  Verwertung  eines  mit  Pfand- 
rechten  belasteten  Objektes  so  lange  nicht  stattfinden,  ala 
nicht  eruiert  ist,  für  welche  Beträge  das  Objekt  als  Pfand 
haftet.  Deshalb  ist,  was  die  Mob  i  lien  anbetrifft,  durch  di* 
Art.  106 — 109  ein  sich  an  die  Pfändung  anschliessendes  Ver- 
fahren zur  Abklärung  dieser  Frage  eingeführt  worden.  Nach 
dem  klaren  Wortlaut  des  Art.  106  und  109  kann  nun  darüber 
kein  Zweifel  sein,  dass  der  Gesetzgeber  dabei  davon  ausginge 


74 

es  seien  alle  Einwände,  die  der  pfändende  Gläubiger  (oder 
der  Schuldner)  dem  behaupteten  Hechte  dea  Dritten  entgegen- 
setzen kann,  in  diesem  Verfahren  geltend  zu  machen.  Damit 
wäre  es  nun  aber  nicht  verträglich,  wenn  dem  Gläubiger 
(bezw.  Schuldner)  anlässlich  der  Aufstellung  des  Kollokations- 
planes eine  nochmalige  Gelegenheit  geboten  würde,  diesen 
Drittanspruch  in  Frage  zu  stellen.  Denn  das  würde  ja  direkt 
der  Androhung  der  Art.  106  Abs.  3  und  109  letzter  Satz, 
dass  der  Anspruch  des  Dritten  als  anerkannt  gelte,  wenn  die 
Frist  zur  Bestreitung  nioht  benutzt  wird,  widersprechen. 
Nach  diesen  unzweideutigen  Bestimmungen  hat  der  Gläubiger 
(bezw.  Schuldner),  der  nicht  innert  der  ihm  angesetzten  Frist 
die  Gültigkeit  des  Drittmannsrechtes  beim  Betreibungsamte 
bestreitet,  damit  für  die  betr.  Betreibung,  also  auch  in 
Bezug  auf  das  Stadium  der  Kollokation,  das  Recht  auf  eine 
nochmalige  Anfechtung  desselben  unwiderruflich  verwirkt. 
Wenn  aber  der  Drittansprecher  für  die  ganze  Dauer  der 
betr.  Betreibung  einem  solchen  Gläubiger  (bezw.  dem  Schuld- 
ner) gegenüber  deswegen  schon  vor  weiteren  Anfechtung«! 
seines  Rechtes  geschützt  ist,  weil  die  Frist  des  Art.  106 
bezw.  109  zur  Bestreitung  nicht  eingehalten  worden  ist,  so 
kann  a  fortiori  ein  nochmaliges  Klagerecht  um  so  weniger 
dann  bestehen,  wenn  die  Frage  der  Gültigkeit  des  betref- 
fenden Rechtes  dem  Richter  wirklich  vorgelegt  und  von  ihm 
rechtskräftig  entschieden  oder  wenn  das  betreffende  Recht  im 
Verlaufe  des  Prozesses  ausdrücklich  anerkannt  worden  ist. 
(Vergi,  in  diesem  Sinne  auch  Jäger,  Kommentar  Art.  148 
Nr.  4  S.  266;  Reichel,  Kommentar  Art.  148  Nr.  1.)  (Entach. 
vom  16.  Oktober  1901  i.  8.  Guggenheim  c.  Fischer.) 


42.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundetrechts- 
pflege  vom  22.  März  1893,  Art.  56,  57.  Bundesgesetz  über  Schuld- 
betreibung und  Konkurs  vom  11.  April  1889,  Art.  219.  Die  Frage, 
wieweit  der  Ehefrau  eine  Weiberguteforderung  überhaupt  zustehe, 
ist  durch  das  kantonale  Recht  geordnet;  nur  hinsichtlich  der  Rang- 
ordnung der  vom  kantonalen  Rechte  anerkannten  Weiberguts- 
forderung im  Pfändungs-  und  Konkursverfahren  greifen  bundes- 
rechtliche  Bestimmungen  ein. 

Frau  £.  K.  geb.  St.  cedierte  laut  Abtretungsurkunde  Tom 
13.  Februar  1900  mit  Einwilligung  ihres  Ehemannes  den  ihr 
aus  dem  Nachlasse  des  B.  Seh.  angefallenen  Erbteil  an  W. 
in  B.  unter  Bescheinigung,  den  Gegenwert  empfangen  su 
haben.    Der  Cessionar  W.  hatte  sich  (gemeinsam  mit  A.  St.) 


75 

für  eine  Schuld  von  Fr.  2000  des  Ehemannes  K.  an  die  Kan- 
tonalhank Seh.  verbürgt.  In  dem  am  28.  Juli  1900  eröffneten 
Konkurse  des  Ehemanns  K.  meldete  die  Frau  eine  Ersatz- 
forderung aus  Weihergut  im  Mindestbetrage  von  Fr.  3000  an, 
wovon  die  Hälfte  in  Klasse  IV  zu  kollozieren.  Dieser  An- 
spruch wurde  von  der  Konkursmasse  bestritten  und  die  auf 
dessen  Anerkennung  gerichtete  Klage  von  den  schaffhause- 
risohen  Gerichten  abgewiesen,  mit  der  Begründung,  Frau  K. 
habe  ein  Forderungsrecht  an  ihren  Ehemann  nicht  erworben, 
weil  nicht  er,  sondern  sie  selbst  das  ihr  angefallene  und 
damit  allerdings  in  die  Verwaltung  und  Verfügung  des  Ehe- 
mannes übergegangene  Erbe  oediert  habe.  Frau  K.  selbst 
habe  eine  Intercession  zu  Gunsten  ihres  Ehemannes  vorge- 
nommen, aus  welcher  ihr  nicht  ein  selbständiges  Forderungs- 
reoht  oder  sonst  weitere  Rechte  zustehen,  als  dem  Bürgen 
nach  erfolgter  Befriedigung  der  Kantonalbank.  Nachdem  der 
gleiche  Anspruch  bereits  von  dem  Hauptgläubiger  im  Kon- 
kurse angemeldet  sei,  könne  sie  ihn  also  nicht  nochmals 
geltend  machen.  Auf  die  gegen  dieses  Urteil  ergriffene  Be- 
rufung trat  das  Bundesgericht  wegen  Inkompetenz  nicht  ein, 
im  wesentlichen  mit  der  Begründung: 

Die  Frage,  ob  der  Ehefrau  K.,  wie  die  kantonalen  In- 
stanzen annehmen,  eine  eigentliche  Weibergutsforderung 
deswegen  nioht  zustehe,  weil  sie  selbst  über  das  Erbe  ver- 
fügt habe,  ist  eine  solche  des  kantonalen,  nicht  des  eidge- 
nössischen Rechtes.  Nach  der  Abgrenzung  zwischen  den  legis- 
latorischen Kompetenzen  des  Bundes  und  der  Kantone  in 
Bezug  auf  die  Stellung  des  Weibergutes  im  Konkurse,  wie 
sie,  gestützt  auf  die  Untersuchungen  Heuslers  in  seinem  Auf- 
satz über  das  Weibergutsprivileg  und  das  schweizerische  Kon- 
kursgesetz (Zeitschrift  für  schweizerisches  Recht  N.  F.  Bd  I, 
S.  17  ff.)  bei  Erlass  des  Bundesgesetzes  über  Schuldbetreibung 
und  Konkurs  zu  Grunde  gelegt  wurde,  hat  die  Bundesgesetz- 
gebung bloss  zu  bestimmen,  welches  Konkursprivileg  der  Ehe- 
frau für  ihre  Weibergutsforderung  zukommen  soll,  nicht  aber 
ob  und  unter  welchen  Voraussetzungen  eine  solche  Forderung 
von  der  Frau  überhaupt  geltend  gemacht  werden  könne.  Viel- 
mehr muss  diese  Frage,  so  gut  als  diejenige  der  Existenz 
eines  Vindikationsrechtes  der  Frau,  ihre  Lösung  finden  durch 
die  dem  kantonalen  Gesetzgeber  vorbehaltene  Ordnung  der 
eherechtlichen  Güterverhältnisse,  da  sie  ihrer  Natur  nach 
diesem  Rechtsgebiete  und  nicht  dem  Konkursrechte  ange- 
hört. .. .  Davon,  das8  das  eidgenössische  Recht  der  Ehe- 
frau allgemein  einen  Ersatzanspruch  im  Konkurse  des  Ehe- 


76 

mannes  für  das  in  die  Ehe  gebrachte  Vermögen  garantiere,, 
kann  demnach  nicht  die  Rede  sein.  (Vergi,  auch  in  diesem 
Sinne  Archiv  für  Schuldbetreibung  und  Konkurs  Bd  in  Nr.  47.) 
Freilich  begnügt  sich  der  Art.  219  des  Bundesgeaetsea 
über  Schuldbetreibung  und  Eonkurs  nicht  mit  der  Erklärung, 
in  die  IV.  Klasse  falle  der  kantonalrechtlich  als  privilegiert 
bezeichnete  Teil  der  Forderung  für  zugebrachtes  Frauengut, 
sondern  er  bemerkt  noch  des  weitern,  dass  dies  der  Fall  seir 
„soweit  das  Frauengut  kraft  gesetzlich  anerkannten  Güter- 
rechtes im  Eigentum  oder  in  der  Verwaltung  des  Ehemannes 
sioh  befindet.41  Damit  will  aber  nicht  etwa  gesagt  werden, 
dass  es  für  das  Vorhandensein  eines  konkursrechtlichen  Er- 
satzanspruches genüge,  wenn  der  Ehemann  die  Verwaltung* 
und  das  Eigentum  am  Eingebrachten  gehabt  habe,  und  dass 
für  alle  diese  Fälle  kraft  eidgenössischen  Rechtes  eine  Ersatz- 
forderung bestehe.  Mit  jenem  Zusätze  wollte  und  konnte 
man  keineswegs  über  die  Grenzen,  innert  welchen  das  kan- 
tonale Recht  eine  solche  Forderung  anerkennt,  hinausgehen, 
das  Konkursprivileg  diesem  gegenüber  erweitern.  Vielmehr 
kann  es  sich  nach  der  ratio  legis  hiebei  nur  um  eine  Ein- 
schränkung des  Privileges  auf  bestimmte  Fälle  der  kan- 
tonalrechtlich anerkannten  Weibergutsansprachen  handeln. 
Es  soll  nämlich  damit  eine  privilegierte  Kollokation  der  Ehe- 
frau stets  dann  ausgeschlossen  werden,  wenn  die  geltend  ge- 
machte Ersatzforderung  sich  nicht  auf  eine  Verfügungshand- 
lung des  Ehemannes  stützt,  welche  die  Frau  sich  nach  Ge- 
setz oder  gemäss  dem  vom  Gesetz  anerkannten  Ehevertrag* 
gefallen  lassen  musste.  Sofern  eben  für  die  Frau  kein  der- 
artiger gesetzlicher  Zwang  besteht,  sondern  sie  ihr  Vermögen 
aus  freien  Stücken  dem  Manne  überantwortet,  liegt  auch  zur 
Einräumung  einer  privilegierten  Stellung  den  andern  Konkurs- 
gläubigern gegenüber  ein  vom  Standpunkte  des  Konkurs- 
rechtes  aus  zu  rechtfertigender  Grund  nicht  mehr  vor.  Diese 
gesetzgeberische  Absicht  ergiebt  sich  deutlich  aus  dem  er- 
wähnten Aufsatze  Heuslers  (S.  45),  der  sie  in  seiner  dortigen 
Fassung  des  Artikels  zuerst  formulierte.  Sie  ist  zudem  dem 
Gesetzestexte  selber  zu  entnehmen,  insoweit  der  vorgenannte 
Zusatz  nur  bei  der  Definition  des  Frauengutsprivilegs  der 
IV.  Klasse,  nicht  aber  bei  Erwähnung  desselben  in  V.  Klaase 
sioh  vorfindet.  Jene  gegenteilige  Auslegung  würde  denn  auch 
zu  unannehmbaren  Konsequenzen  führen.  Wenn  z.  B.  eine 
Anzahl  Kantone  (Zürich,  Zug,  Schaffhausen,  Luzem)  einen 
Ersatzanspruch  für  eingebrachte  Objekte  nioht  zulassen,  falls 
sie  ohne  Verschulden  des  Ehemannes  untergingen,  wenn  epe- 


77 

ziel!  Ztirioh  einen  solchen  Anspruoh  hinsichtlich  der  einge- 
kehrten Hansgeräte  und  Kleidungsstücke  überhaupt  nicht 
kennt  oder  wenn  ihn  Waadt  von  einer  Ver urkun düng  durch 
eine  reconnaissance  de  dette  abhängig  macht,  so  musate  man 
in  all  diesen  Fällen  dazu  gelangen,  trotzdem  eine  bezügliche 
Forderung  der  Frau  im  Eonkurse  zuzulassen,  weil  gemäss 
Art.  219  des  Bundesgesetzes  über  Schuldbetreibung  und  Eon- 
kurs sich  das  betreffende  Einbringgut  im  Eigentum  oder  der 
Verwaltung  des  Mannes  befunden  habe.  Damit  hätte  in  Wirk- 
lichkeit der  Bundesgesetzgeber  in  unzulässiger  Weise  nicht 
mehr  über  Fragen  des  Eonkursrechtes,  sondern  über  solche 
des  Ehegüterrechtes  legiferiert. 

Das  Bundesgericht  ist  also  nicht  befugt,  die  vorinstanz- 
liche Entscheidung,  dass  die  Klägerin  im  Eonkurse  ihres 
Ehemannes  überhaupt  keine  Weibergutsforderung  geltend 
maohen  könne,  zu  überprüfen.  Damit  ist  allerdings  nicht 
gesagt,  dass  der  Frau  E.  überhaupt  keine  Eonkursforderung 
zustehen  könne.  Denn  eine  Eollozierung  der  Ehfefrau  im  Eon- 
kurse ist  nicht  nur  möglich  auf  Grund  einer  Weiberguts- 
forderung derselben,  sondern  auch  in  der  Eigenschaft  als  ge- 
wöhnliche Ghirographargläubigerin.  Soweit  ihr  diese  Eigen- 
schaft zukommt,  hat  sie  natürlich  die  nämliche  Befugnis  auf 
konkursmässige  Befriedigung  ihrer  bezüglichen  Forderungen, 
wie  jeder  dritte  forderungsberechtigte  Gläubiger.  Insofern  es 
sich  also  darum  handelte,  welche  Forderungsrechte  der  Ehefrau 
aus  einer  von  ihr  als  selbständig  handelnden  Bürgin  für  ihren 
Ehemann  eingegangenen  Intercession  erwachsen  seien,  hätte 
man  es  mit  Fragen  zu  thun,  für  deren  Beurteilung  das  eid- 
genössische Recht  massgebend  und  damit  das  Bundesgericht 
zuständig  wäre.  Allein  hierauf  lässt  sich  im  vorliegenden 
Prozessverfahren  nicht  eintreten,  weil  ein  dahin  zielender  An- 
trag der  Berufungsklägerin  fehlt*  In  der  That  hat  dieselbe 
weder  vor  Bundesgerioht  noch  vor  den  kantonalen  Instanzen, 
auch  nicht  eventuell,  darauf  abgestellt,  dass  sie  in  der  Eigen- 
schaft einer  gewöhnlichen  Gläubigerin  in  V.  Elasse  für  den 
ganzen  Forderungsbetrag  zu  kollozieren  sei.  Vielmehr  berief 
sie  sich  stets  nur  auf  eine  ihr  nach  schaffhauserisohem  Güter- 
rechte zustehende  und  zur  Hälfte  privilegierte,  zur  andern 
Hälfte  in  V.  Elasse  zu  kollozierende  Weibergutsforderung, 
über  deren  Bestand  zu  erkennen  dem  Bundesgericht,  wie  ge- 
sagt, die  Eompetenz  fehlt  (Entsoh.  vom  30.  Oktober  1901 
i.  S.  Frau  Kaspar  geb.  Storrer  c.  Eonkursmasse  Kaspar.) 


78 

43.  Bundesgesetz  Über  Schuldbetreibung  und  Konkur» 
11.  April  1889,  Art.  250,  260.  0.  R.  Art.  605.  Ein  einzelner 
Konkttrsgläubiger  ist  zu  kompensationsweiser  Geltendmachung  emer 
Forderung  der  Konkursmasse  gegen  eine  von  ihm  angefochtene 
Forderung  eines  andern  Konkursgläubigers  nicht  befugt,  sofern 
nicht  die  betreffende  Forderung  ihm  abgetreten  worden  ist. 

Der  Beklagte  0.  Seh.,  welcher  Kommanditär  der  Firma 
O.  Seh.  &  Cie  in  Z.  gewesen  war,  war  im  Konkurse  dieser 
Firma  mit  einer  Forderung  aus  einer  für  die  Kommandit- 
gesellschaft bezahlten  Bürgschaft  zugelassen  worden.  Die 
Klägerin  als  Gläubigerin  der  Kommanditgesellschaft  focht 
diese  Kollokation  an  mit  der  Begründung,  der  Beklagte  habe 
von  der  Kommanditgesellschaft  zu  Unrecht  die  Summe  von 
Fr.  6873.  20  als  Tantième  bezogen.  Das  Bundesgericht  wies 
die  Einspruchsklage  ab,  weil  die  Klägerin  zu  kompensations- 
weiser Geltendmachung  des  Anspruchs  an  den  Beklagten 
wegen  zu  viel  bezogener  Tantième  nicht  legitimiert  sei,  indem 
es  ausführte  :  * 

Die  Klägerin  maoht  heute  einen  Anspruch  auf  Rück- 
erstattung angeblich  zu  viel  bezogener  Tantième  auf  Grund 
des  Art.  605  0.  R.  geltend,  bezw.  einen  Kompensationsanspruch 
gegenüber  der  an  sich  anerkannten  Forderung  des  Beklagten 
aus  Bürgschaft  aus  diesem  Grunde.  Dieser  Anspruch  steht 
nun  unzweifelhaft  der  Konkursmasse  zu,  die  an  Stelle  der  in 
Konkurs  geratenen  Kommanditgesellschaft  getreten  ist.  Die 
Klägerin  macht  also  in  That  und  Wahrheit  einen  Anspruch 
geltend,  der  der  Konkursmasse  zusteht,  von  dieser  aber  nicht 
erhoben  wird.  Einen  derartigen  Anspruch  kann  aber  ein  ein- 
zelner Gläubiger  auf  Grund  des  Art.  250  des  Bundesgesetzes 
über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  nicht  einklagen;  diese 
Bestimmung  giebt  vielmehr  dem  Gläubiger  —  ausser  dem 
hier  nicht  in  Betracht  kommenden  Falle  der  Klage  auf  Zu- 
lassung der  eigenen  Forderung  nach  Mass  und  Rang  —  nur 
das  Recht,  die  Zulassung  eines  andern  Gläubigers  oder  den 
diesem  zugewiesenen  Rang  zu  bestreiten,  nicht  aber  das  Recht, 
einen  Entscheid  darüber  zu  verlangen,  ob  der  Konkursmasse 
ein  Anspruch  zustehe.  Zur  Geltendmachung  der  im  Kolloka- 
tionsplane nicht  aufgenommenen  Forderungen  ist  nur  die 
Konkursmasse,  nicht  ein  einzelner  Gläubiger  befugt;  letzterer 
ist  es  erst  dann,  wenn  eine  Abtretung  des  Anspruches  an  ihn 
im  Sinne  des  Art.  260  des  Schuldbetreibungs-  und  Konkars- 
gesetzes erfolgt  ist.  Da8S  eine  solche  Abtretung  erfolgt  sei, 
hat  die  Klägerin  selbst  nicht  behauptet;  sie  ist  daher  nicht 
legitimiert,  in  ihrer  Aberkennungsklage  über  diesen  selbstän- 


79 


digen  Ânspruoh  der  Masse  zu  verfügen.  (Vergi.  Entscheid  des 
Bundesgerichts  vom  10.  November  1893  in  Sachen  Jäggi  &  Cie 
c.  Erben  Segesser,  Arati.  Sammig  Bd  XIX  S.  841  f.  Erw.  5.) 
(Entsoh.  vom  21.  Dezember  1901  i.  S.  Schweizerische  Volks- 
bank c.  Schütz.) 


44.  Bundesgesetz  über  Schuldbetreibung  und  Konkurs  vom 
11.  Aprä  1889,  Art  314. 

Durch  Art.  314  des  Schuldbetreibung*-  und  Konkurs- 
gesetzes soll  nur  die  Begünstigung  einzelner  Gläubiger  durch 
den  Schuldner  nach  dem  Zustandekommen  des  Nachlassver- 
trages, als  eine  dolose  Handlung,  ausgeschlossen  werden; 
Versprechen  Dritter  dagegen  werden  von  dieser  Bestimmung 
nicht  berührt  und  sind  .  auch  offenbar  nicht  mit  dem  Ver- 
sprechen des  Schuldners  selber  auf  gleiche  Linie  zu  stellen, 
da  hiedurch  das  Vermögen  des  Schuldners  nicht  zu  Gunsten 
eines  einzelnen  Gläubigers  und  zum  Nachteile  der  übrigen 
vermindert  wird.  (Entsch.  vom  12.  Oktober  1901  i.  S.  Wyss 
c.  Barthélémy.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


45.  Louage  d'ouvrage.  Subrogation  de  l'acheteur  Sun 
immeuble  aux  droite  du  vendeur  contre  F  entrepreneur  1  Déboute- 
ment.   Art  362  C.  0. 

Genève.  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  da  28  février  1901 
d.  1.  c.  B.  c.  Yaucher  et  Veuillet. 

Vauoher  et  Veuillet,  entrepreneurs  à  Genève,  ont  con- 
struit, pour  le  compte  de  M.  Tissot,  un  petit  immeuble;  le 
compte  général  a  été  payé  par  Tissot  qui}  quatre  ans  plus 
tard,  a  vendu  l'immeuble  à  M.  B.,  propriétaire  à  Genève.  Ce 
nouvel  acquéreur  a  écrit  à  Y.  et  V.  que  l'immeuble  avait 
besoin  de  réparations  nécessaires  dont  ils  étaient  tenus  comme 
entrepreneurs  responsables  de  leurs  travaux,  et  les  a  invités 
à  procéder  à  ces  réparations.  V.  et  V.  ont  décliné  leur  res- 
ponsabilité et  opposé  à  la  demande  de  M.  B.  intentée  devant 
le  tribunal  qu'ils  n'avaient  aucun  lien  de  droit  avec  M.  B. 

Le  Tribunal  de  1"  instance  a  admis  que  B.,  ayant 
acheté  l'immeuble  de  Tissot,  était  subrogé  aux  droits  de  ce 
dernier  contre  les  défendeurs  jusqu'à  la  date  de  l'expiration 


80 

de  la  prescription   de  cinq  ans.     La  Cour  de  justice  tirile  a 
réformé  cette  décision  et  déolaré  l'action  de  B.  irrecevable. 

Motifs:  Considérant  que  l'action  prévue  par  l'art.  362 
G.  0.  est  une  action  personnelle  qui  appartient  à  celui  qui  a 
commandé  une  construction; 

Que  l'obligation  de  faire,  à  la  charge  de  l'entrepreneur, 
dérive  du  contrat  de  louage  d'ouvrage  passé  entre  le  maître 
et  l'entrepreneur; 

Que  le  droit  qui  appartient  à  celui  qui  a  commandé  un 
ouvrage  ne  peut  passer  à  un  tiers  qu'en  vertu  d'une  subro- 
gation légale  ou  conventionnelle; 

Qu'aucun  texte  de  la  loi  ne  subroge  de  piamo  l'acheteur 
d'un  immeuble  aux  droits  personnels  du  vendeur  relatifs  i 
cet  immeuble,  pas  plus  que  l'aoheteur  n'est  substitué  aux 
obligations  personnelles  du  vendeur; 

Que  B.  ne  produit  non  plus  aucun  aote  comportant  ces- 
sion par  Tis8ot  de  son  droit  de  recours  oontre  l'entrepreneur. 

Considérant,  en  résumé,  qu'il  n'y  a  aucun  lien  de  droit 
entre  B.  et  V.  et  Y.,  puisque  Tissot  n'a  pas  cédé  ses  droits 
à  l'intimé  et  que  cette  cession  ne  résulte  pas  de  la  loi. 

(La  Semaine  judiciaire,  XXIII  p.  250  w.) 


46.  Pactum  de  non  licitando,  uriefern  unsittlich.    ArL  17 

0.  R. 

Bern*  Urteil  des  Appellations-  und  Kassationshofes  vom  28.  Februar 
1901  i.  S.  Moser  c.  Dauwalder. 

Im  Eonkurse  des  Joseph  Mack  kam  dessen  Liegenschaft 
auf  öffentliche  Versteigerung.  Dauwalder,  der  für  Mack  eine 
Bürgschaftsschuld  hatte  zahlen  müssen,  ersteigerte  die  Liegen- 
schaft um  den  Schatzungspreis,  nachdem  er  dem  Fritz  Moser, 
Kurrentgläubiger  des  Mack  für  Fr.  564. 50,  der  sich  eben- 
falls zur  Gant  eingefunden,  versprochen  hatte,  Fr.  451  su  be- 
zahlen, sofern  et  nicht  mitbiete.  Moser  klagte  nun  diesen 
Betrag  ein,  wurde  aber  wegen  Unsittlichkeit  des  Vertrag« 
abgewiesen.  Den  weitläufigen  Entsoheidungsgründen  entnehmen 
wir  folgendes: 

Die  Replik  des  Klägers,  dass  die  Berufung  des  Beklagten 
auf  Unsittlichkeit  des  Vertrages  nicht  zu  hören  sei,  weil  der 
Beklagte  selbst  bei  dem  Vertrag  mitgewirkt  und  daraus  Vor- 
teil gezogen  habe,  seine  Einrede  also  dolos  sei,  ist  un- 
stichhaltig.  Auf  Verwerflichkeit  des  beklagtischen  Handelns 
kommt  niohts  an,  weil  ein  unsittlicher  Vertrag  absolut  nichtig 
ist  (Entsch.  d.  B.-Ger.  XX  Nr.  38  Erw.  7). 


81 

Nach  Feststellung  des  Bundesgerichts  ist  ein  pactum  de 
non  licitando  nicht  unter  allen  Umständen  eine  Widerrecht- 
lichkeit;  es  kommt  darauf  an,  ob  die  besondere  Beschaffen- 
heit des  F  alle  8,  sein  Anlass,  Inhalt  und  Zweck  den  Vertrag 
zu  einem  unsittlichen  stempeln.  In  dem  vorhin  Gitterten  Falle 
hat  das  Bundesgericht  den  Vertrag  als  unsittlich  erklärt,  weil 
sich  der  Kläger  Fr.  4000  als  Lohn  für  den  Rücktritt  hatte 
versprechen  lassen,  ohne  dass  ihm  für  diese  Summe  irgend 
ein  Rechtsanspruch  zugestanden  hätte,  also  einen  Gewinn 
machen  wollte,  dessen  Annahme  schon  an  und  für  sich  als 
moralisch  verwerfliche  Handlung  bezeichnet  werden  musste. 
Dies  trifft  heute  nicht  zu,  da  der  Kläger  eine  Forderung 
hatte,  die  er  sich  dadurch  sichern  wollte,  aber  nicht  mehr  zu 
erlangen  strebte,  als  er  nach  seinem  Obligationsverhältnis 
beanspruchen  durfte. 

In  den  Fällen  Seuffert,  Archiv  Bd  43,  S.  14  und  153  und 
Bd  56,  S.  2  wird  auch  der  Vertrag,  wodurch  ein  Hypothekar- 
gläubiger gegen  die  Zusicherung  seiner  Schadloshaltung  sei- 
tens eines  nachgehenden  Hypothekargläubigers  vom  Mitbieten 
absteht,  als  gültig  anerkannt. 

Dagegen  ist  im  heutigen  Fall  das  Abkommen  als  wider- 
rechtlich und  daher  der  Vertrag  als  nichtig  zu  erklären  aus 
folgendem  Grunde: 

In  Analogie  der  bundesgerichtlichen  Erwägung  in  oben 
citiertem  Entscheide  (Bd  XX,  S.  234  Abs.  2)  ist  zu  sagen: 
Die  Vorschrift  der  öffentlichen  Versteigerung  von  Konkars- 
mas8agut  (B.-Ges.  über  Seh.  u.  K.  Art.  256)  ist  öffentlich- 
rechtlicher  Natur  im  Interesse  der  Konkursgläubiger  sowohl 
als  des  Kridars,  für  welch'  letzteren  eine  möglichst  hohe  Ver- 
wertung seiner  Aktiven  um  so  weniger  gleichgültig  ist,  als 
er .  für  den  ungedeckten  Betrag  seiner  Schulden  den  Gläu- 
bigern verantwortlich  bleibt.  Eine  schützende  Vorschrift  in 
dieser  Hinsicht  ist  auch  die  der  öffentlichen  Versteigerung, 
weil  durch  diese  ein  möglichst  ausgedehnter  Wettbewerb  und 
damit  ein  möglichst  günstiger  Preis  erzielt  wird.  Durch  frag- 
liches Abkommen  ist  dieser  Wettbewerb  erheblich  geschmä- 
lert worden,  denn  Moser  war,  wie  aus  den  Akten  ersichtlich, 
entschlossen,  selbst  mit  Ueberbietung  um  mehrere  tausend 
Franken  die  Liegenschaft,  in  Hoffnung  auf  Einbringung  seiner 
Kurrentforderung  durch  deren  gute  Rendite,  zu  erwerben.  Da 
es  für  den  Kridar  nicht  gleichgültig  war,  ob  bei  der  Stei- 
gerung ein  gehöriger  Wettbewerb  stattfinde,  und  ihm  jeg- 
licher Einflus8  auf  den  Gang  der  Steigerung  benommen  war, 
so  widerspricht  die  in  Rede  stehende  Abmachung  in  der  That 


82 

dem  Willen  des  Gesetzes,  sie  involviert  eine  Verletzung 
öffentlich-rechtlicher  Bestimmungen  und  kann  deshalb  nicht 
zu  Recht  bestehen. 

(Auszug  aw  der  Zeitochr.  d.  Bern.  Jnr.-Ver ,  XXXV1I1  S.  21  ff.) 


47.  Unfallhaftpflicht  Pflicht  des  Verleiden,  eich  einer 
chirurgischen  Operation  zu  unterwerfen. 

Zürich«  Urteil  der  Appellationskawmer  I  des  Obergericht«  vom 
27  Dezember  1901. 

Ueber  die  Frage,  inwieweit  der  Haftpflichtkläger  sich 
einer  chirurgischen  Operation  zu  unterziehen  habe,  hatte  sich 
die  Appellationskammer  in  folgendem  Falle  auszusprechen. 
Der  am  rechten  Zeigefinger  Verletzte  litt  nach  erfolgter  Hei- 
lung an  Schmerzhaftigkeit  des  ersten  Gliedes  des  Fingers, 
die  den  Gebrauch  der  ganzen  Hand  erheblich  beeinträchtigte. 
Der  gerichtliche  Experte  erklärte,  dass  dieser  Uebelstand 
durch  Amputation  des  Gliedes  beseitigt  werden  könne.  Diese 
Operation  sei  um  so  mehr  zu  empfehlen,  als  das  schlecht 
angeheilte  Glied  für  die  Funktion  der  Hand  überhaupt  nicht 
mehr  wesentlich  in  Betracht  komme  und  der  Erfolg  der  Ope- 
ration ausser  Zweifel  stehe;  gegenüber  dem  Wegfalle  der 
Empfindlichkeit  des  Fingers  falle  der  Verlust  von  zwei  Glie- 
dern desselben  für  den  Kläger  als  Grobschmied  nicht  in  Be- 
tracht; die  Operation  sei  eine  ganz  leichte  und  bei  Anwen- 
dung von  Cocain  ohne  Narkose  nicht  besonders  schmerzhaft; 
sie  sei  abgesehen  von  der  entfernten  Möglichkeit  einer  Wund- 
infektion völlig  gefahrlos. 

Die  erste  Instanz  hat  wegen  dieser  mögliohen  Gefahr 
einer  Infektion  dem  Kläger  die  Operation  nicht  zugemutet. 
Die  Appellationskammer  hat  das  aber  verworfen,  da  bei  der 
modernen  Wundbehandlung  und  nach  Aussage  der  Experten 
jede  Gefahr  der  Infektion  mit  einer  an  absolute  Sicherheit 
grenzenden  Wahrscheinlichkeit  ausgeschlossen  sei,  die  Recht- 
sprechung aber  mit  solchen  entfernten  Möglichkeiten  nicht 
zu  rechnen  habe.  Grundsätzlich  führt  dann  die  zweite  In- 
stanz aus: 

Unzweifelhaft  muss  der  Verletzte  zum  Zweck  seiner 
Heilung  alles  dulden,  was  eine  ordnungsgemässe  Wund- 
behandlung und  Heilung  überhaupt  erst  ermöglicht,  z.  B.  Rei- 
nigung der  Wunden,  Einschnitte  in  Geschwüre  u.  s.  1;  ferner 
alles  unterlassen,  was  die  Heilung  verhindert,  und  endlich 
alles  thun,  was  der  Heilung  förderlich  ist,  z.  B.  Gymnastik, 
sonst  fällt  ihm  ein  den  Kausalzusammenhang  zwischen  Unfall 


83 

und  schliesslichem  Resultat  störendes  oder  aufhebendes  Ver- 
schulden zur  Last.  Aber  hievon  verschieden  ist  die  Frage, 
ob  sich  der  Verletzte  eine  Operation,  d.  h.  einen  kunstgerecht- 
mechanischen  Eingriff  in  den  Organismus  seines  Körpers,  ge- 
fallen lassen  muss.  Jede  Operation  erfordert,  als  ein  Eingriff 
in  das  strafrechtlich  geschützte  Recht  jeder  Person  auf  die 
Integrität  ihres  Körpers,  die  Einwilligung  des  Verletzten. 
Reicht  nun  die  dem  Verletzten  obliegen^  Pflicht,  den  ihm 
zugesto8senen  Schaden  nach  Möglichkeit  abzuwenden,  soweit, 
dass  ihm  zugemutet  werden  darf,  auf  das  Recht  auf  Inte- 
grität seines  Körpers  so  weit  zu  verzichten,  dass  er  einen 
kunstgerecht-mechanischen  Eingriff  in  seinen  Körper  dulden 
musa?  Die  schweizerische  Judikatur  hat  sich  über  diese  prin- 
zipielle Frage  ausdrücklich  noch  nicht  ausgesprochen;  das 
deutsche  Reichsversicherungsamt  hat  in  konstanter  Recht- 
sprechung daran  festgehalten,  dass  die  Einwilligung  in  jede, 
kleine  oder  grosse,  Operation  ein  freies  Recht  des  Verletzten 
sei,  so  dass  die  Weigerung  unter  keinen  Umständen  einen 
vermögensrechtlichen  Nachteil  für  ihn  haben  könne  (Âmtl. 
Nachr.  des  Versich.-Amtes  1893,  Nr.  1213). 

Dies  geht  für  völlig  gefahrlose,  in  ihrem  Erfolg  sichere 
Operationen  zu  weit.  Der  Richter  darf  dem  Verletzten  die 
Operation  zumuten,  wenn  unter  Würdigung  aller  Verhältnisse 
nach  richterlichem  Ermessen  für  einen  vernünftigen  Menschen 
kein  erheblicher  Orund  vorliegt,  sich  der  Operation  zu  wider- 
setzen; weigert  sich  unter  solchen  Umständen  der  Verletzte, 
die  Operation  zu  dulden,  so  ist  ihm  sein  Verhalten  als  Ver- 
schulden anzurechnen,  das  die  Haftpflicht  des  Schädigers, 
bezw.  Arbeitgebers  vermindert  (so  Seuffert,  Archiv  46,  Nr.  189; 
50,  Nr.  166;  Bolze,  XVI  374;  dagegen:  Endemann,  die  Rechts- 
wirkungen der  Ablehnung  einer  Operation;  dafür:  Rümelin, 
im  Archiv  f.  d.  civil.  Praxis,  90,  833).  Unter  allen  Umständen 
müssen  freilich  gewisse  Kautelen  vorliegen,  bevor  dem  Ver- 
letzten die  Operation  zugemutet  werden  kann:  sie  muss  eine 
wesentliche  Besserung  des  Zustandes  zur  Folge  haben  und 
der  Erfolg  muss  als  ein  sicherer,  bei  dem  voraussehbaren 
Verlaufe  der  Dinge  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit  ein- 
tretender bezeichnet  werden  können,  so  dass  Zweifel  darüber 
bei  den  Sachverständigen  nicht  vorhanden  sind  (Revue  XV 
Nr.  80).  Weiter  mos*  sie  nach  den  Regeln  der  ärztlichen 
Kunst  als  eine  gefahrlose  erscheinen,  und  unter  Umständen 
ist  sie  dem  Verletzten  nicht  zuzumuten,  wenn  sie  eine  er- 
hebliche Entstellung  in  seinem  körperlichen  Aussehen  be- 
wirken würde. 


84 


Darnach  wurde  der  Kläger  als  verpflichtet  erklärt,   sich 
der  Operation  zu  unterziehen. 

(Auszug  aus:  Blätter  f.  Zürcher.  Rechtsprechung  I,  S.  51  ff.) 


48.  Konkurrenzverbot.  Persönliche  Natur  desselben  ohm 
Belastung  der  Liegenschaft 

Luiern.    Urteil  des  Obergerichts  vom  17.  Dezember  1898. 

Am  4.  Dezember  1891  verkauften  Gebr.  B.  in  Littau  dem 
Käser  F.  St.  zu  Littau  ihr  Wohnhaus  daselbst  und  verpflich- 
teten sich,  im  bisher  innegehabten  Milchgeschäftskreise  kein 
gleichartiges  Geschäft  zu  betreiben  und  dem  Käufer  bei  Aus- 
übung seines  Milch-  und  Käsereigeschäfts  keine  Konkurrenz 
zu  machen.  Am  17.  Mai  1894  verkaufte  St.  die  Liegenschaft 
an  Frau  F.,  wobei  in  den  Kaufbedingungen  diese  Bestimmung 
zu  Gunsten  der  neuen  Käuferin  vorgestellt  wurde.  1896  er- 
warb St.  das  Haus  wieder  auf  gerichtlicher  Gant  infolge  einer 
gegen  die  Frau  F.  durchgeführten  Betreibung.  Der  Stei- 
gerungskaufbrief besagt:  „Gemäss  Kaufvertrag  von  1892 
zwischen  Gebr.  B.  als  Verkäufer  und  F.  St.  als  Käufer  dürfen 
erstere  im  bisher  innegehabten  Milchgeschäftskreise  kein  gleich- 
artiges Geschäft  betreiben, ....  dieses  Recht  hat  F.  St.  auch 
seinen  Nachfolgern  abgetreten."  F.  St.  klagte  hierauf  gegen 
Gebr.  B.,  die  seit  1893  wieder  ein  Milchgeschäft  trieben,  auf 
Untersagung  dieses  Handels  und  Schadenersatz.  Die  Klage 
wurde  aber  abgewiesen. 

Gründe:  Die  Frage  ist,  ob  das  Recht  aus  einem  aolchen 
Konkurrenzverbote  übertragbar  sei  oder  nicht.  Als  das  Nor- 
male muss  die  Unübertragbarkeit  gelten,  weil  das  Recht  aas 
einem  Konkurrenzverbot  sich  doch  in  der  Regel  als  ein  durch- 
aus individuelles  Recht  darstellt.  Auch  der  Wortlaut  des 
Kaufbriefs:  ...  „verpflichten  sich  dem  Käufer  keine  Kon- 
kurrenz zu  machen"  lässt  darauf  sohliessen,  dass  Gebr.  B. 
nur  dem  Käufer  St  gegenüber,  nicht  auoh  gegen  einen  all- 
fälligen Rechtsnachfolger  bezw.  die  Liegenschaft  eine  der- 
artige Verbindlichkeit  eingehen  wollten.  Daran  ändert  nichts, 
dass  in  dem  Steigerungsbriefe  das  Konkurrenzverbot  unter 
dem  Titel  „Rechte  und  Beschwerden"  Aufnahme  fand.  Dieser 
Umstand  vermag  nicht  darzuthun,  dass  es  sich  thats&chlich 
um  ein  dingliches  Recht  handelt.  Ein  solches  liegt  wirklich 
nicht  vor,  und  es  war  deshalb  kein  Grund  gegeben,  unter 
„Rechte  und  Beschwerden"  von  dem  Konkurrenzverbote  zu 
sprechen. 

(Verband!,  d.  Obergericht*  u.  d.  Justizkomm.  v.  J.  1898,  S.  124  HL) 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


49.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege 
vom  22.  März  1893,  Art.  67  Abs.  2. 

Auf  eine  Berufung,  die  nur  Anträge  auf  Aufhebung  des 
angefochtenen  Urteils  und  Abnahme  von  Beweisen  für  er- 
littenen Schaden  enthält,  ist  das  Bundesgericht  nicht  ein* 
getreten,  mit  folgender  Begründung: 

Gemäss  Art.  67  Abs.  2  des  Organisationsgesetzes  ist  in 
der  Berufungserklärung  anzugeben,  inwieweit  das  Urteil  an- 
gefochten wird  und  welche  Abänderungen  beantragt  werden. 
Und  zwar  müssen  diese  Anträge,  entsprechend  der  Natur  des 
Rechtsmittels  der  Berufung,  materieller  Natur  sein,  d.  h.  auf 
den  materiellen  Endentsoheid  in  der  Sache  selbst  Bezug  haben 
(Aufhebung  des  Urteils  und  ganze  oder  teilweise  Gutheissung 
der  Klage,  bezw.  Abweisung  der  Klage).  Die  vorliegende 
Berufungserklärung  enthält  nun  keinen  derartigen  materiellen 
Antrag  für  den  Entscheid  der  Sache  selbst,  sondern  nur  den 
Antrag,  das  angefochtene  Urteil  sei  aufzuheben  und  die  kan- 
tonale Instanz  anzuweisen,  die  für  die  Gutheissung  der  Klage 
beantragten  Beweise  abzunehmen.  Ein  derartiger  Antrag 
erfüllt  das  Wesen  eines  Berufungsantrages  im  Sinne  des 
Art.  67  Abs.  2  Organisationsgesetz  nicht.  Findet  das  Bundes- 
gericht, der  vom  kantonalen  Gerichte  festgestellte  Thatbestand 
sei  ungenügend,  so  hat  es  von  sich  aus  das  angefochtene 
Urteil  aufzuheben  und  die  Akten  zur  Vervollständigung  an  die 
kantonale  obere  Instanz  zurückzuweisen  (Art.  82  Abs.  2  Org.- 
gesetz)  ;  dagegen  kann  nicht  eine  Partei  lediglich  diese  Rück- 
weisung beantragen,  ohne  einen  Antrag  in  der  Sache  selbst  zu 
stellen.  (Entscheid  vom  29.  März  1902  i.  S.  Portlandcement- 
fabrik  Wagner  &  Cie  c.  Baumaterialienfabrik  Giesshübel.) 


50.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechts* 
pflege  vom  22.  März  1893,  Art.  95  ff.  Bundesgesetz  betr.  das  Ver- 
fahren in  bürgerlichen  Rechtsstreitigkeiten  vom  22.  November  1850, 


86 

Art.  192  ff.  Revision  bundesgerichtticher  Berufungsurteile.  „Neue 
entschiedene  Beweismittel"  Revision  van  Ehescheidungsurteilen. 
Von  den  beiden  Voraussetzungen,  unter  welchen  die 
Möglichkeit  der  Revision  eines  rechtskräftigen  Urteils  auf 
Grund  einer  Ergänzung  des  Prozessstoffes  an  sich  gegeben 
ist,  nämlich  der  Vorlage  neuen  Bewei&materials  und  der 
Geltendmachung  neuer  Thatsachen,  hat  die  Bundescivilprozess- 
ofdnung  vom  22.  November  1850  nur  die  erstere  als  gesetz- 
lichen Revisionsgrund  anerkannt.  Denn  Art.  192  Ziff.  2  leg. 
cit.  erklärt  die  Revision  ausdrücklich  nur  dann  als  zulässig, 
„wenn  der  Impetrat  entschiedene  Beweismittel  auffindet,*  und 
dass  sich  der  Revisionskläger  für  die  Bewilligung  der  Revision 
auf  neue  thatsächliche  Behauptungen  berufen  könne,  wird 
auch  sonst  bei  der  gesetzlichen  Normierung  des  Rechtsmittels 
nirgends  bestimmt,  noch  lässt  es  sich  auf  dorn  Wege  der 
Interpretation  aus  dem  Gesetzestexte  entnehmen.  Der  Ge- 
setzgeber wollte  also  die  Revision  nur  für  den  Fall  gestatten, 
wo  der  Riohter  gewisse,  zu  Gunsten  einer  Partei  sprechende, 
von  ihr  geltend  gemachte  Thatumstände  deshalb  unberück- 
sichtigt Hess,  weil  es  der  Partei  unmöglich  gewesen  war,  die 
dafür  bestehenden  Beweismittel  beizubringen.  Insoweit  ist 
das  rechtskräftig  gewordene  Urteil  nicht  unabänderlich,  son- 
dern ein  Zurückkommen  auf  dasselbe  bei  Vorlegen  der  bisher 
nicht  beizubringenden  Beweise  möglich.  Dagegen  soll  nach 
Auffassung  des  Gesetzes  eine  Partei  dadurch,  dass  sie  in  die 
Lage  gekommen  ist,  ihre  frühern  Anbringen  durch  neue, 
für  sie  erhebliche  Thatsachen  zu  ergänzen,  die  Rechtskraft 
des  einmal  ergangenen  Entscheides  nicht  mehr  in  Frage 
stellen  dürfen  (vergi,  auch  Entsch.  d.  Bundesgerichtes  Bd  XXV, 
II,  No.  89  S.  746).  Dem  Gesagten  entspricht  es  auch,  wenn 
Art.  173  Abs.  1  des  Gesetzes  schon  bei  Beginn  des  Haupt- 
verfahrens eine  Akten  Vervollständigung  nur  durch  neu  ent- 
deckte Beweismittel,  nicht  aber  durch  neu  in  Erfahrung  ge- 
brachte Thatsachen  als  statthaft  erklärt  (vergi.  Entsch.  d. 
Bundesgerichtes  i.  S.  Genossenschaftsgemeinde  St.  Gallen  c. 
Vereinigte  Schweizerbahnen  vom  19.  Juni  1901).  Verfügt  also 
der  Gesetzgeber  den  Ausschluss  der  letztern  noch  während 
des  hängenden  Prozesses,  —  abgesehen  von  dem  ausser- 
ordentlichen, das  ganze  Verfahren  selbst  vernichtenden  Rechts- 
behelfe der  Reform  (Art.  47  ff.)  — ,  so  musss  dieser  Aus- 
schluss von  ihm  um  so  mehr  gewollt  sein,  wenn  einmal  ein 
rechtskräftiges  Urteil  vorliegt  und  es  sich  darum  handelt, 
dasselbe  wieder  umzustossen.  Schliesslich  mag  bemerkt 
werden,   dass   bei  Urteilen   betreffend  Scheidungsklagen  eine 


87 

Revision  überhaupt  nicht  in  ero  allgemeiner  Weise  möglich 
sein  kann  wie  bei  Urteilen  über  Streitigkeiten  vermögens- 
rechtlicher Natur.  Vielmehr  fordern  ersteren  Falls  für  die 
Regel  das  Interesse  der  öffentlichen  Ordnung  und  dasjenige 
dritter  Personen,  deren  familienrechtlicher  Status  direkt  oder 
indirekt  auf  die  durch  das  Urteil  geschaffene  Rechtslage  sich 
gründet,  z.  B.  bei  Wiederverehelichung  des  geschiedenen  Ehe- 
gatten, in  gebieterischer  Weise  die  Aufrechthaltung  des  er- 
gangenen  Entscheides. 

Gestützt  auf  diese  Grundsätze  wurde  ein  Revisionsgesuch 
abgewiesen,  worin  der  Revisionskläger,  zu  dessen  Ungunsten 
in  der  Frage  der  Verschuldung  das  bundesgeriohtliche.  Schei- 
dungsurteil gelautet  hatte,  neue,  im  frühern  Prozess  nicht 
vorgebrachte  Thatsachen  und  damit  einen  neuen  Scheidungs- 
grund (Ehebruch  der  Ehefrau)  geltend  gemaoht  hatte.  (Entsch. 
v.  23.  Januar  1902  i.  S.  Häuseler  e.  Covi.) 


51.  Bundesgesetz  übe?-  die  Organisation  der  Bundesrechis- 
pfiege  vom  22.  März  1893,  Art  89  ff.  Gegen  welche  Urteile  ist 
die  Kassation  »beschwer de  in  Civilsachen  zulässig? 

Eine  Voraussetzung  der  Kassationsbesohwerde  in  Civil- 
sachen im  Sinne  des  Art.  89  ff.  Organisationsgesetz  ist,  dass 
sie  sich  gegen  ein  letztinstanzliches  kantonales  Urteil  richte, 
und  zwar  ist  hierunter  nach  feststehender  Praxis  des  Bundes- 
gerichts (Entscheid  vom  22.  Oktober  1898  i.  S.  Baum  und 
Mosbacher  c.  Stauber,  Amtl.Samml.24,11,  S.  933  und  dort  cit.) 
und  in  Anlehnung  an  den  französischen  und  italienischen 
Text  des  Gesetzes  ein  Haupturteil,  d.  h.  ein  Urteil,  das  über 
den  eingeklagten  Anspruch  selbst  materiell  entscheidet,  zu 
verstehen.  Einem  Urteile,  das  nur  über  Begründetheit  oder 
Unbegründetheit  eines  Rechtsmittels  entscheidet,  kommt  diese 
Eigenschaft  nicht  zu. 

In  casu  war  das  angefochtene  Urteil  ergangen  auf  Grund 
des  §  219  der  solothurnischen  C.  P.  0.,  der  von  der  „Appel- 
lation wegen  offenbarer  Gesetzesverletzung"  handelt,  und 
hatte  gelautet:  „Durch  das  vom  Amtsgericht  Solothurn-Lebern 
am  22.  November  1901  erlassene  Urteil  hat  keine  offenbare 
G e8etze8 Verletzung  stattgefunden  und  es  ist  genanntes  Urteil 
nicht  aufzuheben."  Das  Bundesgericht  trat  auf  die  hiegegen 
gerichtete  Kassationsbeschwerde  nicht  ein,  weil  sie  sich  nicht 
gegen  ein  letztinstanzliches  kantonales  Haupturteil  richte. 
<Entsoh.  vom  14.  Februar  1902  i.  S.  Misteli  c.  Ingold.) 


52.  Ehescheidung.  —  Verhältnis  der  sogen,  allgememen. 
Scheidungsgründe  der  ArU  45  und  47  Bundesgesetz  betr.  Civil- 
stand  und  Ehe  vom  24.  Dezember  1874  zu  den  speziellen  Schei- 
dungsgründen des  Art  46  eod.  —  Begriff  der  böswilligen  Ver- 
lassung, Art  46  litt,  d  leg.  cit. 

1.  Dario,  dass  ein  Gericht  eine  Ehe  ans  dem  generellen 
Grande  des  Art.  45  Bandesgesetz  betr.  Civilstand  and  Ehe 
scheidet;  obdohon  eine  Scheidungsklage  sich  auf  einen  speziellen 
Scheidungsgrund  stützt,  liegt  ein  Verstoss  gegen  den  klaren 
Sinn  des  genannten  Gesetzes  und  gegen  die  konstante  bundes- 
gerichtliche Praxis. 

2.  Der  Begriff  der  böswilligen  Verfassung  ist  in  Ueber- 
einstimmung  mit  der  Doktrin  (vergi.  Martin:  Commentaire 
de  la  loi  fédérale  concernant  le  mariage  pag.  164)  dahin  zu 
bestimmen,  dass  sich  ein  Ehegatte  wider  den  Willen  des 
andern  ohne  rechtmässigen  Grund  aus  der  ehelichen  Wohnung 
entfernt  und  sich  weigert,  dorthin  zurückzukehren.  Also  be- 
deutet nicht  schon  das  Verlassen  an  sich  nach  bestehendem 
Gesetz  ein  Vergehen  gegen  die  ehelichen  Pflichten,  sondern 
eine  Verletzung  derselben  liegt  nur  vor,  sofern  der  verlassene 
Ehegatte  unter  gegebenen  Verhältnissen  Ansprach  auf  das 
eheliche  Zusammenleben  zu  erheben  berechtigt  ist;  denn  nur 
in  der  Zuwiderhandlung  gegen  jenen  berechtigten  Ansprach 
kann  eine  Böswilligkeit  gefunden  werden.  Nun  ist,  wie  das 
Bundesgericht  schon  in  seinem  Urteil  vom  30.  Dezember  1886 
i.  S.  Räber  (vergi.  Amtl.  Samml.  der  bundesgerichtl.  Entscheide. 
Bd  XII,  S.  499),  wenigstens  indirekt,  ausgesprochen  hat,  das 
Recht  des  Ehemannes,  den  ehelichen  Wohnsitz  zu  bestimmen 
(das  ihm  in  casu  nach  §  37  des  Privatrechts  für  den  Kanton 
Graubünden  zusteht),  unzweifelhaft  nicht  absolut  zu  ver- 
stehen; denn  die  heutige  sittliche  Auffassung  der  ehelichen 
Gemeinschaft  verlangt,  dass  die  äusseren  Lebensverhältnisse 
in  derselben  soweit  möglich  der  Individualität  beider  Ehe- 
gatten entsprechen  sollen,  dass  daher  in  dieser  Hinsicht  nicht 
der  Wille  eines  Teils  schrankenlos  massgebend  sein  darf. 
Daraus  ergiebt  sich  die  Berechtigung  der  Frau,  gegenüber 
der  formellen  Bestimmungsgewalt  des  Gatten,  eine  der  sozialen 
und  ökonomischen  Stellung  der  Familie,  sowie  ihren  persön- 
lichen Verhältnissen  angemessene  Wohnung  zu  beanspruchen. 
Prinzipiell  und  theoretisch  mag  dieser  Anspruch  die  Gründung 
einer  separaten  ehelichen  Haushaltung  involvieren,  allein  das 
praktische  Leben  bietet  vielfach  Ausnahmen  hievon,  die  an 
sich  im  wohlverstandenen  Interesse  beider  Eheleute  liegen, 
so   dass   es   unbillig   erscheinen  würde,   wenn    ein  Teil  ohne 


8fr 

speziellen  Grand  die  Auflösung  des  gemeinschaftlichen  Haus- 
haltes von  Rechtswegen  fordern  könnte.  Anderseits  darf 
freilich  selbst  einem  ausdrücklichen  Einverständnis  der  Gatten 
über  die  Gestaltung  des.  ehelichen  Hauswesens  nicht  die  Be- 
deutung beigelegt  werden,  dass  dadurch  alle  später  ein- 
tretenden Verhältnisse  implicite  gebilligt  worden  wären;  eine 
solche  Ansohauung  würde  dem  Wesen  der  Ehe  durchaus 
widersprechen  und  sie  unter  Missaohtung  ihrer  ethischen 
Beziehungen  zur  rein  ökonomischen  Gemeinschaft  herabsinken 
lassen.  Vielmehr  muss  jedem  Ehegatten  das  Recht  gewahrt 
bleiben,  jederzeit,  wenn  die  Zustände  in  einer  gemeinschaft- 
lichen Haushaltung  derart  sind,  ein  eheliches  Zusammenleben 
unmöglich  zu  machen,  sich  diesen  Verhältnissen  zu  entziehen, 
und  es  ist  als  Pflichtverletzung  von  Seiten  des  andern  Gatten 
zu  betrachten,  wenn  er  nicht  zur  Aenderung  des  unerträg- 
lichen Zustandes  beiträgt.  (Entsch.  vom  22.  Januar  1902  i.  8. 
Luk  c.  Luk.) 


53.  Anfechtung  eines  Rechtsgeschäftes  wegen  Simulation. 
Art.  16  0.  R.  Beweislast.  —  That-  oder  Rechtsfrage  t  Art.  81 
Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege  vom 
22.  März  1893. 

1.  Die  Beweislast  dafür,  dass  das  mit  der  Einrede  der 
Simulation  angefochtene  Rechtsgeschäft  ein  simuliertes  sei, 
trifft  den,  der  diese  Einrede  erhebt  Mit  dem  Beweise  der 
Simulation  ist  es  streng  zu  nehmen,  da  dieser  Beweis  sich 
gegen  den  erklärten  Willen  der  Vertragsparteien  richtet,  und 
da  zudem  das  Reoht  noch  andere  Mittel  zur  Anfechtung  von 
Rechtsgeschäften  gewährt,  die  es  an  bestimmte  Fristen  und 
teilweise  auch  an  weitere  Voraussetzungen  zu  knüpfen  pflegt. 

2.  Es  erhebt  sich  die  Frage,  ob  die  Einrede  der  Vof- 
instanz,  die  Begründetheit  der  Einrede  der  Simulation  ergebe 
s  ich  aus  den  von  ihr  angenommenen  Thatsachen,  vom  Bundes- 
gericht überhaupt  überprüft  werden  kann  oder  ob  hierin  rein 
thatsächliche  Feststellungen  liegen,  an  welche  das  Bundes- 
gerioht  gemäss  Art.  81  Organisationsgesetz,  sofern  sie  nicht 
aktenwidrig  sind,  gebunden  ist;  es  fragt  sich  mit  andern  Worten: 
ist  die  Frage,  ob  aus  gewissen  Handlungen,  Worten  und  kon- 
kludenten Thaten  darauf  geschlossen  werden  könne,  dass  der 
von  den  Parteien  bei  einem  Rechtsgeschäft  erklärte  Wille 
nicht  der  wirkliche,  innere  Wille  der  Parteien  gewesen  sei, 
•vielmehr  die  Parteien  in  Wirklichkeit  übereinstimmend  eine 
-andere  Absicht  gehabt  haben,   als   der  erklärte  Wille   aus- 


90 

drückt,  That-  oder  Rechtsfrage?  Hierüber  ist  zu  bemerken: 
Wie  Danz  (Auslegung  der  Rechtsgeschäfte  S- 110)  sich  richtig 
ausdrückt,  besteht  das  Wesen  des  simulierten  Vertrages  daxin, 
da8s  die  Kontrahenten  „bezwecken,  nach  aussen  hin  den 
Schein  zu  erwecken,  als  hätten  sie  einen  ernstlichen  Vertrag 
abgeschlossen,  während  sie  einig  sind,  class  unter  ihnen  eine 
obligatorische  Bindung  nicht  entstehen  soll."  Bei  der  Frage, 
ob  eine  Willenserklärung  simuliert  sei,  handelt  es  sich  nicht  um 
eine  Auslegung  der  betreffenden,  nach  aussen,  Dritten  gegen- 
über, kundgegebenen  Willenserklärung,  sondern  darum,  ob 
diese  Willenserklärung  dem  wirklichen  Willen  der  Parteien 
entspreche,  ob  der  wahre  übereinstimmende  ParteiwiHe  nicht 
vielmehr  dahin  gegangen  sei,  dass  die  Erklärung  keinerlei, 
oder  doch  nicht  die  ihrem  Inhalte  entsprechende  Rechts- 
Wirkung  hervorbringen  solle.  Ein  derartiger  Parteiwille,  dass 
das  Dritten  gegenüber  kundgegebene  Geschäft  nicht  oder 
nicht  in  der  erklärten  Weise  gelten  solle,  der  Simulations- 
wille, mu88  natürlich,  um  rechtlich  erheblich  zu  sein,  unter 
den  Parteien  geäussert,  in  irgend  welcher  Weise,  durch 
Worte  oder  konkludente  Handlungen  gegenseitig  erklärt 
worden  sein.  Bei  der  Simulationseinrede  handelt  es  sich  also 
in  That  und  Wahrheit  darum,  ob  nicht  neben  der  nach  aussen 
kundgegebenen  Erklärung  zwischen  den  Parteien  durch  Worte 
oder  konkludentes  Verhalten  eine  andere  Vereinbarung  ge- 
troffen worden  sei,  wodurch  dem  nach  aussen  erklärten  Ge- 
schäfte die  ihm  scheinbar  beigelegte  rechtliche  Geltung  ent- 
zogen wird.  Die  Frage  nun,  welche  Erklärungen  oder  that- 
sächlichen  Verhältnisse  vorliegen,  die  den  Schiusa  auf  eine 
derartige  Vereinbarung,  den  Simulationswillen,  gestatten,  ist 
Thatfrage,  Frage  der  Beweiswürdigung,  und  als  solche  der 
Ueberprüfung  durch  das  Bundesgericht  entzogen;  die  weitere 
Frage  aber,  ob  sich  aus  den  so  festgestellten  Erklärungen, 
Verhältnissen  u.  8.  w.  der  Simulationswille  ergebe,  ist  Rechts* 
frage.  (A.  A.  allerdings  Danz  a.a.O.)  In  letzterer  Hinsicht 
ist  das  Bundesgericht  in  der  Ueberprüfung  des  vorinstanzlichen 
Urteils  frei.  (Entsch.  vom  25.  Januar  1902  i.  S.  Frau  Brup- 
bacher  c.  Konkursmasse  Brupbacher.) 


54.  Art  50  ff.  spez.  Art.  76  0.  R.  Verhältnis  der  Bestimmungen 
kantonaler  Prozessgesetze  über  Entschädigung  wegen  unbegründeter 
Strafklage  zu  den    Vorschriften  des  eidgen.  Rechts. 

Gegen  den  Beklagten  und  Widerkläger  H.  hatte  die  Glad- 
bacher Feuer  versicherungsgesell  schaft  s,  Zt.  Straf  klage  wegen 


91 

Versicherungsbetruges  erhoben.  Vor  Strafgericht  gestellt, 
verlangte  H.  neben  der  Freisprechung  Zusprechung  einer 
Entschädigung  von  5000  Franken  nebst  lOü  Franken  für 
Kosten  und  Umtriebe;  —  die  Givilklägerin  Bückvergütung 
der  von  ihr  s.  Zt.  bezahlten  Versicherungssumme.  Die  erste 
Instanz  (das  Eriminalgericht  des  Kantons  Schwyz)  sprach  den 
Angeklagten  von  Schuld  und  Strafe  frei  und  verpflichtete  die 
Civilklägerin  zu  einer  Entschädigung  von  600  Franken.  Vor 
Kantonsgericht,  an  welches  beide  Parteien,  jedoch  nur  im 
Civilpunkte,  appellierten,  beantragte  die  Civilklägerin  ledig- 
lich Abweisung  der  von  H.  erhobenen  Entschädigungsfor- 
derung; H.  erneuerte  sein  vor  erster  Instanz  gestelltes 
Begehren  auf  Zusprechung  einer  Entschädigung  von  5000- 
plus  100  Franken.  Das  Kantonsgericht  sprach  ihm  2000 
Franken  zu.  Auf  die  gegen  dieses  Urteil  von  der  Gladbacher 
Feuerversicherungsgesellschaft  ergriffene  Berufung  ist  das- 
Bundesgericht  nicht  eingetreten. 

Gründe:  Zur  Begründung  der  Kompetenz  des  Bundes- 
gerichts, die  nur  zweifelhaft  sein  kann  mit  Bezug  auf  das- 
anzuwendende  Recht,  beruft  sich  die  Civilklägerin  darauf 
dass  das  angefochtene  Urteil  die  gesprochene  Entschädigung 
rechtlich  auf  die  Art.  50  und  51  0.  R.,  also  auf  eidgenössisches» 
Recht,  gründe.  Das  ist  jedoch  unrichtig.  Die  Vorinstanz 
stützt  vielmehr  die  Pflicht  der  Civilklägerin,  den  Beklagten  zu 
entschädigen,  ausdrücklich  auf  §  6  der  St.  P.  0.  für  den  Kanton 
Schwyz  vom  Jahre  1848,  und  ruft  die  Art.  50  und  51  0.  R. 
nur  an  zur  Bestimmung  des  Masses  der  Entschädigung.  Jene 
Bestimmung  nun  lautet  im  Anschlüsse  an  die  in  §  5  eod. 
getroffene  Unterscheidung  zwischen  der  Anzeige  (Dennnciation) 
—  welche  darin  bestehe,  dass  dem  betreffenden  Beamten 
einfach  Kenntnis  von  einem  verübten  Verbrechen  oder  Ver- 
gehen gegeben  werde  —  und  der  Klage  —  welche  das  be- 
stimmte Begehren  enthalte,  dass  die  eingeklagte  strafbare 
Handlung  verfolgt  werden  solle  —  wie  folgt:  „der  Anzeiger 
(Denunciant)  haftet  daher  nicht  für  den  Erfolg  des  Prozesses, 
ausgenommen,  wenn  es  sich  ergiebt,  dass  er  wissentlich  un- 
richtige Angaben  sich  erlaubt  hat;  dagegen  haftet  der  Kläger 
dem  Staat  für  Prozesskosten,  sowie  dem  Angeklagten  für 
Genugthuung  und  Schadenersatz,  auf  den  Fall  hin,  dass  er 
die  Klage  nicht  zu  beweisen  vermöchte."  Auf  diese  Bestim- 
mung nimmt  auch  Bezug  §379  ibid.,  lautend:  „der  Privat- 
kläger, welcher  die  Untersuchung  verlangt  hat,  ist,  wenn  der 
Angeklagte  freigesprochen  wird,  und  nicht  selbst  durch  eigene 
. . . .  Handlungen  die  Einleitung  des  Strafrechtsverfahrens  veran- 


92 

laute,  in  die  Bezahlung  der  Prozesskosten  und  in  eine  billige 
Entschädigung  zu  verfallen."  Auf  Grund  dieser  Bestimmungen 
haben  die  kantonalen  Instanzen  die  Civilklägerin  sur  Be- 
zahlung einer  Entschädigung  an  den  Beklagten  verurteilt, 
und  es  muss  daher  für  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  das 
Bundesgericht  in  der  vorliegenden  Streitsache  kompetent  sei, 
nur  noch  untersucht  werden,  ob  diese  Bestimmungen  neben 
den  Vorschriften  des  eidgen.' 0.  B.,  insbesondere  denen  über 
unerlaubte  Handlungen,  überhaupt  noch  Raum  haben  oder 
ob  vielmehr  derartige  Bestimmungen  kantonaler  Prozessgeaetze 
als  durch  das  eidgen.  O.  B.  aufgehoben  anzusehen  sind,  die  vor- 
liegende Sache  also  auf  Grund  des  letztern  Rechtes  zu  beur- 
teilen ist.  Nun  ist  zunächst  richtig,  dass  derjenige,  gegen 
den  auf  Anzeige  oder  Klage  eines  andern  hin  eine  Straf- 
untersuchung eingeleitet  wird,  gegen  den  Anzeiger  oder  An- 
kläger dann  einen  Anspruch  auf  Schadenersatz  und  Genug- 
thuung  nach  eidgen.  O.  R.,  Art.  50  und  55,  hat,  wenn  dem 
Anzeiger  oder  Ankläger  ein  schuldhaftes,  arglistiges,  vor- 
sätzliches oder  fahrlässiges  Verhalten  zur  Last  fällt;  diesen 
Anspruch  aus  Art  50  und  55  0.  R.  kann  das  kantonale 
Recht  dem  Angeschuldigten  nicht  nehmen,  und  dieser 
Anspruch  wird  völlig  vom  eidgen.  Recht  beherrscht.  Da- 
gegen handelt  es  sich  vorliegend  nicht  um  einen  derar- 
tigen Anspruch  aus  unerlaubter  Handlung;  der  Beklagte 
stützt  seine  Forderung  nicht  auf  eine  Schuld  der  Civil- 
klägerin,  sondern  auf  die  Thatsachen  der  Strafklage  und 
der  Freisprechung;  die  citierten  Bestimmungen  der  schwy- 
zeri8chen  St.  P.  O.,  die  von  den  Vorinstanzen  angewendet 
worden  sind,  fussen  nicht  auf  dem  Verschuldungsprinzip, 
sondern  auf  dem  Veranlassungsprinzip  ;  sie  knüpfen  eine  Ent- 
8chädigungspflioht  der  Civilklägerin  an  die  blossen  Thatsachen 
der  Strafklage  und  der  nachherigen  Freisprechung  mangels 
Beweises  der  Begründetheit,  und  die  oben  aufgeworfene  Frage 
spitzt  sich  daher  dahin  zu,  ob  derartige  Bestimmungen 
neben  den  Bestimmungen  des  S.  0.  R.  über  unerlaubte  Hand- 
lungen noch  Geltung  haben  können.  Diese  Frage  ist  in  Anleh- 
nung an  das  Urteil  des  Bundesgerichts  vom  21. /22.  November 
1884  i.  S.  Rickenbacher  c.  eidgen.  Postfiskus,  Amtl.  Samml. 
X  S.  588  ff.,  speziell  S.  594  Erw.  4,  und  in  Uebereinstimmung 
mit  diesem  Urteile  zu  bejahen.  Es  handelt  sich  bei  derartigen 
Bestimmungen  nicht  sowohl  um  die  Aufstellung  einer  civil - 
rechtlichen  Schadensersatzpflicht,  —  wozu  allerdings  den 
Kantonen  angesichts  des  Art.  64  B.  V.  und  des  Bundesgesetzes 
über  das  S.  0.  R.,  speziell  Art.  50  ff.  und  Art.  64,  die  Gesetz- 


93 

gebungsgewalt  abgehen  würde,  —  als  vielmehr  um  eine  mit 
den  Bestimmungen  über  Tragung  der  Prozesskosten  im  Zu- 
sammenhang stehende  Vorschrift.  Es  fragt  sich,  ob  der  Staat, 
der  die  Mittel  sor  Durchführung  eines  Rechtsschutzanspruches 
gewährt,  auch  Bestimmungen  darüber  treffen  kann,  welche 
Folgen  die  Abweisung  eines  derartigen  Anspruches  für  das 
Verhältnis  zwischen  dem  Anzeiger  oder  Ankläger  und  dem 
Angeklagten  haben  soll.  Nun  kann  gar  keinem  Zweifel 
unterliegen,  da  es  die  Gesetzgebungsbefugnis  des  im  Gebiete 
des  Prozessrechtes  legiferier enden  Staates  (Kantons)  dahin 
geht,  den  Ersatz  der  Kosten  und  der  ausserordentlichen 
(Prozess-)  Entschädigung  zu  normieren;  fraglich  kann  nur 
sein,  ob  der  betreffende  Staat  (Kanton)  auch  über  eine  weiter- 
gehende Entschädigung  als  die  blosse  eigentliche  Prozess- 
entschädigung legiferieren  darf,  oder  ob  hierin  ein  Eingriff  in 
die  Sphäre  der  eidgen.  Gesetzgebungsgewalt  liegt.  Auch  diese 
Frage  ist  indessen  zu  gunsten  der  Gesetzgebungskompetenz 
der  Kantone  zu  entscheiden  ;  denn  auch  derartige  weitergehende 
Entschädigungsbestimmungen  finden  ihre  Quelle  nicht  in  den 
blossen  privatrechtlichen  Beziehungen  des  Anzeigers  oder 
Anklägers  zum  Angeklagten,  sondern  in  der  Gewährung  der 
staatlichen  Rechtshilfe;  es  handelt  sich  .also  dabei  um  Obli- 
gationen aus  öffentlichem  Rechte,  so  dass  gemäss  Art.  76 
O.  R.  die  Gesetzgebung  der  Kantone  hierüber  zu  bestimmen 
hat,  und  zwar  im  ganzen  Umfange.  Hieran  ändert  der  Um- 
stand, dass  die  Vorinstanz  auch  die  Bestimmungen  des  O.  R. 
über  unerlaubte  Handlungen  angerufen  hat,  nichts;  denn  diese 
Bestimmungen  finden  eben  nur  analoge  Anwendung,  und 
zwar  als  kantonales,  nicht  als  eidgenössisches  Recht,  und  nur 
zur  Bestimmung  der  Höhe  der  Entschädigung,  nicht  zur 
Festsetzung  des  Rechtsgrundes  derselben.  .  (Entsch.  vom 
17.  Januar  1902  i.  S.  Gladbacher  Feuerversicherungsgesell- 
schaft o.  Hahn.) 


55.  Verkauf  einer  Liegenschaft  mit  darauf  befindlichem 
Mobiliar.  Konkurs  des  Käufers  vor  Fertigung  des  Liegenschaften - 
kaufes.  Vindikation  der  Mobilieri  durch  den  Verkäufer  (bezw. 
dessen  Rechtsnachfolger).  Kompetenz  des  Bundesgerichts.  Art.  56 
Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechtspflege  vom 
22.  März  1893.     Verhältnis  des  Kaufvertrages  zur  Tradition. 

Durch  Vertrag  vom  6.  Oktober  1899  hatte  F.  B.  dem 
X.  Bm.  die  Liegenschaft  „Steinhalde"  in  L.  mit  Inbegriff  des 
landwirtschaftlichen  Inventars  laut  Verzeichnis  verkauft,  sich 


94 

auch  weiter  zur  Uebertragung  des  darauf  betriebenen  Fuhr- 
haltereigewerbes  mit  sämtlichen  Kunden'  verpflichtet,  alles 
zum  Kaufpreis  von  35,000  Franken.  Gleichzeitig  hatte  X. 
Bm.  an  F.  B.  die  Liegenschaft  „Dossenloh"  bei  Sina  um  den 
Preis  von  45,000  Franken  verkauft.  Diesem  Vertrag  war  ein 
Verzeichnis  von  Beweglichkeiten  der  „Steinhalde"  beigefügt, 
welche  gegen  die  Fahrhabe  auf  „Dossenloh"  in  Tausch  ge- 
geben wurden.  Durch  einen  „Kaufbrief  über  das  Inventar1* 
betitelten  Vertrag  vom  11.  Oktober  1899  wurden  die  im  Ver- 
zeichnis vom  8.  Oktober  1899  aufgeführten  Wagen  und  Pferde 
mit  Zubehör  im  Schätzungswerte  von  5300  Franken  an  Bm. 
veräussert.  Bm.  nahm  die  Liegenschaft  „Steinhalde"  am 
9.  November  1899  in  Besitz  und  machte  die  Uebernahme  der 
B.'schen  Fuhrhalterei  öffentlich  bekannt.  Am  20.  März  1900 
wurde  über  ihn  der  Konkurs  eröffnet,  bevor  die  Handände- 
rung der  „Steinhalde"  gefertigt  war.  In  diesem  Konkurs 
vindizierten  B.  und  nachher  dessen  Rechtsnachfolger  die  im 
Verzeichnis  vom  8.  Oktober  1899  aufgeführten  Vermögene- 
be8tandteile,  und  ihre  Klage  wurde  von  allen  Instanzen 
gutgehei8sen.  Ueber  seine  Kompetenz  sprach  sich  das 
ßundesgericht  hiebei  mit  Bezug  auf  das  anzuwendende  Recht 
folgenderma8sen  aus: 

Allerdings  geht  die  konstante  Praxis  des  Bundesgerichts 
dahin,  dass  für  Kaufverträge  um  Liegenschaften  mit  Ein- 
8chlu88  der  accessorisch  mitveräusserten  Mobilien  das  kan- 
tonale Gesetz  massgebend  sei.  Allein  diese  Feststellung  be- 
rührt nur  die  obligatorische,  nicht  auch  die  dingliche  Seite 
des  Veräus8erungsge6ohäftes.  Wie  sich  das  Bundesgericht 
schon  in  Sachen  Amberg  (Amtl.  Samml.  Bd  XIII,  Nr.  39, 
Erw.  5)  und  eingehender  im  Falle  Schelling  (Amtl.  Samml. 
Bd  XX,  No.  93,  Erw.  6)  ausgesprochen  hat,  muss  bei  solchen 
Rechtsgeschäften  zwischen  dem  auf  die  Debereignung  gerich- 
teten Vertrag  und  der  Uebereignung  selbst  unterschieden 
werden.  Diese  richtet  sich,  soweit  bewegliche  Sachen  in 
Frage  kommen,  stets  nach  den  Vorschriften  des  schwei- 
zerischen Obligationenrechts,  mag  auch  jener  dem  kantonalen 
Rechte  angehören.  Daraus  ergiebt  sich  für  den  vorliegenden 
Fall,  dass  die  Frage,  ob  das  Eigentum  an  den  vindizierten 
Mobilien  auf  den  Erwerber  übergegangen  sei,  nach  eidgenös- 
sischem Recht  zu  beurteilen  ist,  denn  wenn  auch  die  Auf- 
fassung der  Vorinstanz,  wonach  das  zu  Grunde  liegende 
Veräusserungsgeschäft  einen  einheitlichen  Liegenschaftskauf- 
vertrag darstellt,  zutreffend  sein  sollte,  so  würde  daraus  nur 
folgen,  dass  die  obligatorische  Verpflichtung  der  Kontrahenten 


95 

dem  kantonalen  Rechte  zu  entnehmen  ist,  während  das  für 
die  dingliche  Wirkung  der  Uebereignung  massgebende  Recht 
von  dieser  Peststellung  nicht  betroffen  wird,  sondern  sich 
nach  der  Natur  der  einzelnen  veräusserten  Objekte  bestimmt» 
Dem  widerspricht  nicht,  dass  in  oasu  die  rechtliche  Bedeu- 
tung des  Traditionsvorganges  aus  jenem  obligatorischen 
Rechtsgeschäft  interpretiert  werden  muss,  denn  der  bei  der 
faktischen  Uebergabe  der  streitigen  Objekte  wirksame  Wille, 
welcher  —  nach  dem  vom  Bundesgericht  in  Anlehnung  an 
die  herrschende  Doktrin  seinen  Entscheidungen  zu  Grunde 
gelegten  Rechtsbegriff  der  Uebereignung  als  eines  dinglichen 
Vertrages  —  den  Traditionsvorgang  rechtlich  qualifiziert,  ist, 
wie  dies  gewöhnlich  der  Fall,  nicht  in  einem  besonderen 
Rechtsakt  begründet,  sondern  ergiebt  sich  aus  dem  gesamten 
Inhalt  und  Zweck  des  Veräusserungsvertrages.  Dieser  Wille 
aber  empfangt,  soweit  er  sich  auf  die  Uebertragung  der  Mo- 
bilie n  richtet,  seine  Wirksamkeit  aus  dem  eidgenössischen 
Recht,  selbst  wenn  jener  Vertrag,  aus  welchem  er  entnommen 
wird,  dem  kantonalen  Rechte  unterstehen  sollte. 

Der  Vertrag  über  die  Liegenschaft  „Steinhalde"  erwähnt 
das  darauf  befindliche  Inventar  als  mitverkauft  unter  Vor« 
behalt  seiner  Verzeichnung  und  Schätzung,  und  statuiert 
ausdrücklich  die  Verpflichtung  des  Verkäufers  zur  Ueber- 
tragung der  Fuhrhalterei,  ebenso  nennt  die  Veräusserungs- 
urkunde  für  das  Gut  „Dossenloh,"  die  vom  gleichen  Tage  da- 
tiert, als  „Gegenwert"  die  Liegenschaft  und  Fuhrhalterei 
„Steinhalde."  Darnach  wird  unzweifelhaft  das  zur  Fuhrhalterei 
gehörige  Inventar  mitumfasst.  Wenn  nun  auch  später  ein 
Verzeichnis  desselben  aufgenommen  und  ein  erhöhter  Kauf* 
preis  angesetzt  wurde,  so  kann  darin  nicht  ein  neuer  Konsens 
von  selbständiger  rechtlicher  Bedeutung,  sondern  nur  der 
Vollzug  der  früheren  Vereinbarung  erblickt  werden.  Denn 
die  Würdigung  des  gesamten  Tatbestandes  ergiebt  zur 
Evidenz,  dass  die  Absicht  der  Kontrahenten  darauf  gerichtet 
war,  die  eine  Liegenschaft  gegen  die  andere  einzutauschen, 
dass  somit  die  äusserlich  auseinanderfallenden  Rechtshand- 
lungen als  Produkt  einer  einzigen  Willenseinigung,  als  ein- 
heitliches Rechtsgeschäft  zu  betrachten  sind.  Daraus  folgert 
die  Vorinstanz  zutreffend,  dass  die  Uebergabe  des  in  Frage 
stehenden  Kaufsobjekts  nicht  anders  als  im  Sinne  einheit- 
licher Rechtswirkung  für  alle  seine  Bestandteile  ausgelegt 
werden  kann.  Wenn  sie  daher  mit  Rücksicht  auf  die  Rechts- 
stellung der  Parteien  hinsichtlich  der  Liegenschaft  annimmt, 
die  Mobilien    haben    nur  suspensiv  bedingt  tradiert  werden 


wollen,  so  erscheint  dies  mit  der  oben  ausgeführten  Auffassung 
des  Bundesgerichts  über  die  rechtliche  Bedeutung  der  Tra* 
dition  im  Sinne  des  schweizerischen  Obligationenrechts  durch- 
aus vereinbar  und  den  Umständen  des  vorliegenden  Falles 
angemessen.  (Entsch.  vom  22.  Februar  1902  i.  S.  Konkurs- 
masse Bachmann  o.  Stocker  und  Lingg  und  Kons.) 


56.  Mietvertrag.  Art.  281  0.  R.  „Kauf  bricht  Mieter 
Rechtsstellung  der  Parteien  während  der  Räumungsfrist.  Wem 
steht,  bei  Nichtüberbindung  des  Mietvertrags  während  dieser 
Zeit  das  Recht  auf  den  Bezug  der  Mietzinse  zu,  dem  ursprüng- 
lichen  Vermieter  oder  dem  Erwerber  des  Mietobjektes? 

Mit  Vertrag  vom  30.  Dezember  1899  hatte  M.-G.  dem 
Beklagten  L.  eine  Liegenschaft  in  Basel  für  die  Zeit  vom 
1.  April  1900  bis  1.  April  1905  vermietet  zu  einem  jährlichen, 
vierteljährlich  mit  3000  Franken  vorauszahlbaren  Mietzinse 
von  12,000  Franken.  Am  6.  Februar  1901  wurde  über  den 
Vermieter  M.-G.  der  Konkurs  eröffnet.  In  diesem  erstand 
die  Klägerin,  Aktiengesellschaft  „Ba  varia",  die  Liegenschaft 
(am  13.  Juni  1901);  sie  kündigte  dem  Beklagten  den  Miet- 
vertrag am  29.  Juni  1901  auf  1.  Oktober  gleichen  Jahres 
gestützt  auf  Art.  281  0.  R.  Für  das  III.  Vierteljahr  (1.  Juli 
bis  1.  Oktober  1901)  klagte  sie  gegen  L.  den  Mietzins  von 
-3000  Franken  ein.  Der  Beklagte  bestritt  ihre  Aktivlegiti- 
mation, indem  er  sich  auf  den  Standpunkt  stellte,  nicht  die 
Klägerin,  sondern  der  ursprüngliche  Vermieter  M.-G.  (resp. 
nunmehr  dessen  Konkursmasse,  an  die  er  Gegenansprüche 
gestellt  hatte)  sei  zum  Bezüge  des  Mietzinses  berechtigt. 
Beide  kantonale  Instanzen,  sowie  das  Bundesgericht  haben 
diesen  Standpunkt  des  Beklagten  geschützt,  letzteres  mit 
folgender  Begründung: 

Indem  das  schweizerische  Obligationenrecht  den  Satz 
aufstellt,  —  Art.  281  Abs.  1  —  bei  Veräußerung  der  Miet- 
sache oder  Entzug  derselben  durch  Konkurs  u.  8.  w.  könne 
der  Mieter  die  Fortsetzung  des  Mietvertrages  von  dem  Dritten 
(d.  h.  dem  Erwerber)  nur  fordern,  wenn  dieser  sie  übernommen 
hat,  dagegen  könne  er  vom  Vermieter  die  Erfüllung  des 
Vertrages  oder  Schadenersatz  verlangen,  —  hat  es  sich  auf 
den  Boden  gestellt,  dass  der  Mietvertrag  für  den  Mieter  nur 
ein  obligatorisches,  dem  Vermieter  gegenüber  wirksames 
Recht,  nicht  aber  ein  dingliches  Recht,  ein  Recht  auf  die 
Sache,  das  auch  dem  dritten  Erwerber  gegenüber  wirksam 
wäre,  schafft;   es   hat  sich  mit  andern  Worten  dem  Grund« 


97 

satze  „Kauf  bricht  Miete"  angeschlossen,  der  besagen  will,, 
dass  der  neue  Erwerber  an  den  Mietvertrag  nicht  gebunden  ist, 
während  allerdings  gerade  die  Bestimmung,  dass  der  Mieter 
vom  Vermieter  Erfüllung  oder  Schadenersatz  fordern  kann, 
zeigt,  dass  der  Mietvertrag  nicht  aufgehoben  wird,  der 
Grundsatz  „Kauf  bricht  Miete"  also  nicht  wörtlich  in  diesem 
Sinne  ausgelegt  werden  darf.  (Vergi.  Stobbe,  Handbuch 
des  deutschen  Privatrechts,  III.  Bd  S.  334  [3.  Aufl.].)  Von 
dem  hieraus  sich  ergebenden  Grundsatze,  dass  der  Erwerber 
gar  keine  Rücksicht  auf  den  Mieter  zu  nehmen  hat,  schaffe 
Ab 8.  2  des  Art.  281  eine  Ausnahme  für  den  Fall  der  Miete 
unbeweglicher  Sachen:  hier  hat  der  Erwerber  dem  Mieter 
unter  Beobachtung  der  vertraglichen  oder  gesetzlichen  Kün- 
digungsfristen zu  kündigen.  Das  will  sagen,  dass  der  Er- 
werber den  Mieter  noch  während  der  Kündigungsfrist  im 
Mietbesitze  zu  belassen,  ihm  eine  Räumungsfrist  zu  gewähren 
hat;  diese  Vorschrift  enthält  eine  Abschwächung  des  Grund- 
satzes „Kauf  bricht  Miete"  zu  Gunsten  des  Mieters.  Der 
Erwerber  hat  also  dem  Mieter  den  vertragsgemässen  Gebrauch 
der  Sache  während  der  Räumungsfrist  zu  überlassen.  Hierin, 
in  dieser  passiven  Verpflichtung,  erschöpft  sich  aber  die  Ver- 
pflichtung des  Erwerbers  —  sofern  nicht,  was  hier  nicht  der 
Fall  ist,  Uebernahme  des  Mietvertrages  durch  den  Erwerber 
vorliegt  —  gegenüber  dem  Mieter.  Dagegen  tritt  hiedurch 
nicht  etwa  der  Erwerber  kraft  Gesetzes  an  Stelle  des  Ver- 
äU8serers  in  den  Mietvertrag  ein;  der  Grundsatz  des  Abs.  1, 
dass  der  Mieter  die  Fortsetzung  des  Mietvertrages  vom  Dritten 
nur  fordern  könne,  wenn  dieser  sie  übernommen  hat,  dass  der 
Mietvertrag  dagegen  dem  Veräusserer  gegenüber  bestehen 
bleibe,  ist  durch  die  zu  gunsten  des  Mieters  aufgestellte 
Räumungsfrist  bei  der  Miete  unbeweglicher  Sachen  nicht  auf- 
gehoben oder  durchbrochen.  Es  kann  seinerseits  der  Mieter, 
mangels  einer  dahinzielenden  gesetzlichen  Bestimmung,  nicht 
einseitig  vom  Mietvertrage  zurücktreten  (a.  A.  allerdings 
Janggen,  Sachmiete,  S.  53;  für  die  hier  vertretene  Ansicht 
dagegen  Heuberger,  Sachmiete,  S.  92  §  36  sub  4);  der 
Mietvertrag  bleibt  eben  zwischen  den  Vertragsparteien  weiter 
bestehen  und  für  beide  Teile  verbindlich.  Richtig  ist  sodann 
allerdings,  dass  das  Recht  auf  die  Mietzinse  erst  durch  die 
Bewirkung  der  Gegenleistung  des  Vermieters  erworben  wird 
(vergi.  Urteil  des  Bundesgerichts  vom  9.  Februar  1901  i.  S. 
Konkursmasse  Thommen  c.  Orell  Füssli  &  Cie,  Amtl.  Samml. 
Bd  27,  II,  S.  46  und  dort  citierte).  Allein  daraus  folgt 
nicht,    dass    im    Falle    der   Veräusserung   einer    vermieteten 


98 

Liegenschaft  der  Mieter  während  der  Räumungszeit  nicht 
nach  wie  vor  dem  Vermieter  (und  Veräusserer)  gegenüber 
zur  Zahlung  des  Mietzinses  verpflichtet  sei.  Denn  der  Grund, 
weshalb  er  im  Mietbesitze  bleibt,  liegt  immer  im  (ursprüng- 
lichen) Mietvertrage,  und  der  Vermieter  übt  seine  hieraas 
folgenden  Verpflichtungen  lediglich  aus  durch  den  Erwerber, 
nicht  übernimmt  dieser  gesetzlich  die  vertraglichen  Verpflich- 
tungen des  Veräusserers  aus. dem  Mietvertrage.  Daraus  folgt, 
dass  der  Erwerber  auch  nicht  in  die  Rechte  des  Vermieters 
eintritt,  und  dass  er  insbesondere  auch  dem  Mieter  gegen- 
über keinen  selbständigen  Anspruch  auf  den  Mietzins  hat. 
(In  diesem  Sinne  auch:  Janggen,  Sachmiete,  S.  53;  Hafner, 
Kommentar  2.  Aufl.  Art.  281  An m.  11;  Motive  zum  Ent- 
wurf des  deutschen  bürgerlichen  Gesetzbuches  8.  389  f.; 
H.  E.  V.  S.  308.)  Der  Mietzins  für  das  III.  Quartal  blieb  also 
der  Konkursmasse  des  (ursprünglichen)  Vermieters  geschuldet. 
Denn  der  Umstand,  dass  die  Klägerin  nicht  direkt  mit  dem 
Vermieter,  sondern  mit  dessen  Konkursmasse  den  Kauf  ab- 
geschlossen hat,  ändert  am  gewonnenen  Resultate  nichts. 
Nach  Art.  281  0.  R.  steht  der  Erwerb  einer  Sache  im  Kon- 
kursverfahren dem  Erwerbe  in  freihändigem  Kauf  völlig  gleich; 
alle  für  diesen  gefundenen  Rechtssätze  finden  daher  auch  auf 
jenen  Anwendung  (vergi.  Janggen  a.  a.  0.  S.  64).  (Entsch. 
vom  l.März  1902  i.  S.  „Bavaria"  c.  Lüdin.) 


57.  Dienstvertrag.  Wichtige  Gründe  zur  sofortigen  Ent- 
lassung des  Angestellten.  Art.  346  0.  R. 

1.  Für  die  Berechtigung  einer  sofortigen  Entlassung  des 
Angestellten  durch  den  Dienstherrn  genügt  nicht  z.  B.  Un- 
regelmässigkeit oder  Inkorrektheit,  sondern  es  müssen  erheb- 
liche Mängel  in  der  Person  oder  in  Handlungen  des  Ange- 
stellten zu  Tage  treten,  die  eine  Fortsetzung  des  Vertrags- 
verhältnisses für  den  Dienstberrn  als  unerträglich  erscheinen 
lassen.  Ob  solche  wichtige  Gründe  zur  Auflösung  des  Ver- 
tragsverhältnisses vorliegen,  hat  der  zu  beweisen,  der  aus 
ihnen  einen  Aufhebungsgrund  des  Vertrages  ableitet. 

2.  Die  sofortige  Aufhebung  des  Dienstvertrages  ist  nach 
Art.  346  0.  B.  lediglich  abhängig  vom  Vorhandensein  wich- 
tiger Gründe.  Eine  Verpflichtung,  diese  Gründe  bei  der 
Entlassung  anzugeben,  kann  weder  aus  Art.  346  O.  R.  noch 
überhaupt  aus  dem  Obligationenrecht  abgeleitet  werden. 
(Vergi,  auch  Staub,  Kommentar  zum  deutschen  H.  G.  B.,  6. 
und  7.  Aufl.,  Anm.  1  zu  Art.  70.)     Der  Dienstherr,   der   den 


99 

Angestellten  vorzeitig  entlassen  hat,  ist  daher  im  Prozesse 
nicht  darauf  beschränkt,  nur  diejenigen  Gründe  geltend  zu 
machen,  die  er  dem  Angestellten  gegenüber  bei  der  Ent- 
lassung angeführt  hat.  (Entsch.  vom  18.  Januar  1902  i.  S. 
Schweizerische  Nordostbahn  c.  Sprüngli.)    . 


58.  Genossenschaft.  —  Wirkungskreis  der  Generalversamm- 
lungen von  Genossenschaften.  Tragweite  von  Statutenbestimmungen 
betr.  Beiträge  zur  Deckung  von  Betriebskosten.  Bedeutung  der 
Liquidation  der  Genossenschaft.  —  Bestimmung  der  Statuten 
betr.  Auferlegung  einer  Konventionalstrafe;  Voraussetzungen,  Um- 
fang.    Art.  678  ff.  0.  R.  —  Art.  122  eod. 

Im  Januar  1899  gründeten  eine  Anzahl  schweizerischer 
Kalkfabrikanten,  unter  ihnen  auch  der  Beklagte,  die  „Ge- 
nossenschaft schweizerischer  Kalkfabrikanten"  (Sitz  in  Zürich), 
deren  Zweck  darin  bestand,  „unter  Regelung  der  Produktion 
den  Absatz  von  hydraulischem  Kalk  in  der  Schweiz  in  dem 
von  der  Generalversammlung  zu  bestimmenden  Genossen- 
schaftsgebiet zwischen  den  Genossenschaftern  als  Kalkfabri- 
kanten und  der  Kundschaft;  zu  vermitteln. a  Die  Dauer  der 
Genossenschaft  war  vom  1.  Januar  1899  an  auf  vorläufig  3 
Jahre,  also  bis  zum  31.  Dezember  1901  festgesetzt.  Die  hier 
in  Betracht  kommenden  Bestimmungen  des  Genossenschafts- 
vertrages und  der  Statuten  sind  folgende: 

a)  Genossenschaftsvertrag:  Art.  7:  „Die  Genossen- 
schafter erhalten  monatlich  durch  die  Verkaufsstelle  eine  Zu- 
sammenstellung der  Lieferungen  jeder  Fabrik/ 

6)  Statuten  :  §  3  Abs.  1  :  „Jedem  Genossenschafter  steht 
der  Austritt  jederzeit  frei.  Geschieht  dieser  Austritt  jedoch 
vor  Ablauf  der  fixierten  Vertragsdauer,  so  verfallt  der  Betrag 
der  vom  austretenden  Genossenschafter  gemäss  §  19  der  Sta- 
tuten deponierten  Schuldscheine  der  Genossenschaftskasse; 
der  Austretende  verliert  überdies  alle  seine  Ansprüche  gegen- 
über der  Genossenschaft. " 

§  9  Abs.  1  :  „Die  Generalversammlung  fasst  bindende  Be- 
schlüsse über  Aenderungen  an  der  Zuteilung  und  den  Sta- 
tionspreisen und  fallt  Konventionalstrafen  aus  im  Maximum 
bis  zur  Höhe  der  von  den  Genossenschaftern  geleisteten 
Garantien.  Sie  entscheidet  über  alle  auf  diese  Statuten, 
deren  Revision,  den  Genossenschaftsvertrag  und  die  Verkaufs- 
stelle Bezug  habenden  Verhältnisse u 

§13  Abs.  3:  „Die  Genossenschaft  kauft  durch  ihre  Ver- 
kaufsstelle   den    Bedarf   ausschliesslich   von    den    Genossen- 


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schaftern  auf  eigene,  feste  Reobnung.  Spesen  und  Verluste 
der  Verkaufsstelle  werden  proportional  auf  alle  Lieferangen 
verteilt,  sofern  die  laut  §  18  der  Statuten  gemachten  Absage 
nicht  ausreichen." 

§  16  Abs.  1:  „Die  Beteiligung  der  Genossenschafter  bei 
der  Genossenschaft  wird  durch  Geschäftsanteile  bestimmt" 

§17:  „Das  Betriebskapital  für  die  Verkaufsstelle  der 
Genossenschaft  wird  von  allen  Verbandsfabriken  im  Ver- 
hältnis ihrer  Zuteilung  beschafft  oder  hiefür  Sicherheit  ge- 
leistet. Für  die  Verbindlichkeiten  der  Genossenschaft  haften 
die  Genossenschafter  im  Verhältnis  der  Kontingente,  und 
zwar  auf  der  Basis  von  10  Franken  per  zugeteilten  Wagen. 
Jede  weitere  persönliche  Haftbarkeit  der  Genossenschafter  ist 
ausgeschlossene 

§  18. 1.  und  2.  Satz  :  „  Die  Lieferungen  der  Verbandsfabriken 
werden  von  der  Verkaufsstelle  unter  Abzug  von  Fr.  5.  —  pro 
Wagen  regliert.  Dieser  Abzug  dient  der  Verkaufsstelle  vorab 
zur  Deckung  der  Unkosten  und  allfälligen  Verluste. .  .  .  ." 

§  19:  „Als  Sicherheit  für  die  genaue  Einhaltung  der 
Statuten,  des  Vertrages  und  der  sonstigen,  von  der  Genoasen- 
schaft aufzustellenden  Vorschriften  deponiert  jede  Genoseen- 
schaftsfabrik  eine  Garantiesumme  in  Schuldscheinen.  Die 
Höhe  dieser  Summe  wird  für  jede  Fabrik  auf  10  Franken  für 
jeden  ihr  nach  Vertrag  zugeteilten  Wagen  festgesetzt." 

Zur  Erfüllung  der  ihm  nach  §  19  der  Statuten  auferlegten 
Verpflichtung  hinterlegte  der  Beklagte  bei  der  Genossenschaft 
einen  auf  3500  Franken  lautenden  Schuldschein;  die  Höhe 
dieser  Garantiesumme  entspricht  dem  nach  Art.  9  des  Ge- 
nossenschaftsvertrages dem  Beklagten  zugeteilten  Kontingent 
von  350  Wagen.  Durch  Beschluss  der  Generalversammlung 
vom  7.  September  1900  löste  sich  die  Genossenschaft  auf  und 
trat  vom  1.  Oktober  1900  an  in  Liquidation.  Infolge  dieses 
Beschlusses  hob  die  Eidgenössische  Bank  den  der  Genossen- 
schaft seiner  Zeit  bewilligten  Blankokredit  auf.  Zur  Be- 
schaffung der  erforderlichen  Betriebsmittel  sah  sich  die  Ge- 
nossenschaft daher  veranlasst,  in  jener  Generalversammlung 
vom  7.  September  jedem  Genossenschafter  die  Einzahlung  von 
3  Franken  pro  Genossenschaftsanteil  aufzuerlegen.  Mit  der 
sofortigen  Einziehung  der  Beträge  von  den  Genossenschaftern 
wurde  die  Verkaufsstelle  beauftragt,  und  zugleich  beschlossen, 
dass  die  deponierten  Schuldscheine  solcher  Genossenschafter, 
welche  die  Einzahlung  verweigerten  oder  verzögerten,  schon 
vom  Tage  der  Generalversammlung  (7.  September)  als  ver- 
fallen  gelten   sollten  und  von    der   Verkaufsstelle,    eventuell 


101 

den  Liquidatoren  zu  realisieren  seien.  Da  der  Beklagte  den 
Aufforderungen,  seinen,  gemäss  diesem  Beschluss,  1050  Franken 
betragenden  Anteil  zu  entrichten,  nioht  nachkam,  teilte  ihm. 
die  Klägerin  am  27.  September  1900  mit,  dass  sein  Schuld- 
schein im  Betrage  von  3500  Franken  fällig  erklärt  worden- 
sei,  und  setzte  ihm  Frist  zur  Bezahlung  dieser  Summe.  Am 
30.  Oktober  1900  fand  abermals  eine  Generalversammlung 
der  nunmehr  in  Liquidation  sich  befindenden  Genossenschaft 
statt,  welche  zum  Zweck  der  Durchführung  und  Lösung  der 
eingegangenen  Verbindlichkeiten  die  Einzahlung  einer  zweiten 
Quote  von  5  Franken  pro  Kontingentswagen  beschloss. 
Dieser  neue  Beitrag  war  innerhalb  8  Tagen  zu  leisten  und 
renitente  Genossenschafter  sollten  ausdrücklich  auf  Art.  122  O.  B. 
und  seine  Folgen  aufmerksam  gemacht  werden.  Da  der  Be- 
klagte an  dieser  Generalversammlung  nicht  teilgenommen 
hatte,  so  übermittelte  ihm  die  Klägerin  deren  Beschluss  am 
2.  November  1900  schriftlich  und  ersuchte  ihn,  seinen  früheren 
Anteil  von  1050  Franken,  sowie  den 

neuen  von  1750         „     endlich  rück- 

ständige Posten  aus  dem  Liefe- 
rungsverkehr im  G  e8amtbet rag  von     1053. 50   „ 

total     3853.  50  Franken" 

bis  10.  November  1900  zu  bezahlen.  Da  dies  nicht  geschah, 
setzte  die  Klägerin  dem  Beklagten  mit  Schreiben  vom 
10.  November  1900  Nachfrist  bis  17.  November  1900.  „Sollten 
Sie  dieser  Aufforderung,"  fügte  die  Klägerin  bei,  „wider 
unser  Erwarten  nicht  nachkommen  bis  zu  dem  festgesetzten 
Termin,  so  müssen  wir  annehmen,  Ihre  Firma  sei  von  dem 
Genossenschaftsvertrage,  datiert  Januar  1899,  mit  allen  in 
diesem  Vertrage  und  den  Genossenschaftsstatuten  vorgesehenen 
Folgen  zurückgetreten,  gemäss  Art.  122  0.  R." 

Die  Klägerin  erhob  nun  Klage  mit  dem  Rechtsbegehren, 
der  Beklagte   sei   zu  verurteilen,   ihr  7355. 55  Franken   (in- 
begriffen   schon    bezahlte   663.25   Franken)   nebst  5°/o   Zins 
seit  27.  November  1900  zu   bezahlen.     Diese   Summe   setzte 
sie  aus  folgenden  Posten  zusammen: 
Rückständige  Posten  aus  dem  Lieferungs- 
verkehr im  Gesamtbetrage  von  1055.  55  Franken 
Beiträge    laut    Beschlüssen    der    General- 
versammlungen vom  7.  September  und 
30.  Oktober  1900                                      2800.  — 
Betrag  des  Schuldscheins  vom  13.Feb.  1899  3500.  —         „ 

Total     7355. 55~Franken 

8 


102 

Von  diesen  Klageposten  sprachen  die  kantonalen  Instanzen 
den  ersten  teilweise  und  den  zweiten  ganz  zu,  wiesen  dagegen 
•den  dritten  ab.  Gegen  das  obergerichtliche  Urteil  erklärten 
beide  Parteien  die  Berufung  an  das  Bundesgericht,  die  Klä- 
gerin mit  dem  Antrag  auf  völlige  Gutheissung,  der  Beklagte 
mit  dem  Antrag  auf  Abweisung  der  Klage.  Das  Bundes- 
gericht hat  beide  Berufungen  als  unbegründet  abgewiesen« 

Gründe:    Der   Beklagte    bestreitet  seine  Verpflichtung, 
die  von  der  Generalversammlung  den  Genossenschaftern  zur 
Deckung  der  Betriebskosten  auferlegten  Beträge  von  3  Franken 
und  5  Franken  pro  Kontingentswagen  entrichten  zu  müssen, 
mit  dem  Hinweis  darauf,  dass  einmal  keiner  dieser  Beschlüsse 
sich  auf  eine  den  Genossenschaftern  vorgelegte  Defizitrechnung 
stütze,  und  sodann  dass  speziell  die  Auferlegung  der  zweiten 
Quote  ungesetzlich  gewesen  sei,  da  die  General  versammlang 
hierzu   nach  Auflösung  der  Genossenschaft  kein  Recht  mehr 
gehabt  habe.     Entscheidend  für  die  Verbindlichkeit  des  Be- 
klagten,  diesen  von   der  Generalversammlung  der  Genossen- 
schafter gefassten  Beschlüssen  nachkommen  zu  müssen,  ist  die 
Beantwortung   der   Frage,    ob   der   Generalversammlung   das 
Recht  zustand,   den  Genossenschaftern  die  betreffenden  Bei- 
träge  aufzuerlegen.      Dagegen   hat   das   Bundesgericht  nicht 
zu   prüfen,   ob   diese   beiden  Beschlüsse  in  formell  rechtsgül- 
tiger  Weise  zu    stände  gekommen   seien,    da   der   Beklagte 
eine    formelle    Nichtigkeit    oder    Fehlerhaftigkeit    derselben 
prozessual  nicht  geltend  gemacht  hat,    Ueber  den  Wirkungs- 
kreis  der  Generalversammlung  von  Genossenschaften  spricht 
sich    das   Obligationenrecht  nur   bezüglich   des  Spezialfalles 
der    Abberufung    der    Genossenschaftsorgane    aus,    ohne    all- 
gemeine Regeln  aufzustellen.     Für  die  Befugnisse  einer  Ge- 
neralversammlung sind  also  in  jedem  einzelnen  Falle  in  erster 
Linie  die  Statuten  massgebend.    Nun  bestimmen  die  Statuten 
der  Genossenschaft  schweizerischer  Kalkfabrikanten  in  §  17, 
dass  für  Verbindlichkeiten  der  Genossenschaft  die  Genossen- 
schafter im  Verhältnis   ihrer  Kontingente   und  zwar  auf  der 
Basis  von  10  Franken  pro  zugeteilten  Wagen  haften.  Wenn 
es  sich  hierbei  um  die  Haftung  der  Genossenschafter  gegen- 
über Dritten  handelte,  so  käme  das  Resultat  der  Liquidation 
in    Betracht.     Dieses    aber    steht   nicht    in    Frage,    sondern 
streitig  ist,   in  welchem  Masse  und  zu  welcher  Zeit  die  Ge- 
nossenschafter  zur   Beschaffung    des   für   die  Verkaufsstelle 
nötigen   Betriebskapitals  herangezogen   werden   können,   mit 
andern  Worten,   ob  der  Generalversammlung   das  Recht  zu- 
steht,  auf  einen   bestimmten  Zeitpunkt  die  Genossenschafter 


103 

^ur  Leistung  eines  Beitrages  an  die  Genossenschaft  zu  ver- 
pflichten. Die  Höhe  dieses  Beitrages  als  solche  ist  nicht 
bestritten.  Aus  dem  in  den  Statuten  genannten  Zweck  der 
Genossenschaft  ergiebt  sioh,  dass  ein  Genossensohaftskapital 
nur  insoweit  geschaffen  wird,  als  die  Verkaufsstelle  eines 
solchen  zu  ihrem  Betriebe  bedarf.  Demgemäss  bestimmt 
§  18,  es  sei  von  jeder  Lieferung  einer  Verbandsfabrik  ein 
Abzug  von  5  Franken  pro  Wagen  durch  die  Verkaufsstelle 
zu  machen.  Allein  mit  diesem  Abzug  brauchen  die  Ver- 
pflichtungen des  einzelnen  Genossenschafters  gegenüber  der 
Genossenschaft  nicht  erschöpft  zu  sein.  Vielmehr  ist  aus 
§  17  und  13  Abs.  3  ersichtlich,  dass  die  Genossenschaft  ihren 
Mitgliedern  auch  Leistungen  aufzuerlegen  berechtigt  ist,  die 
darüber  hinausgehen,  und  deren  Effektuierung  nicht  schon 
von  vorneherein  bestimmt  ist.  §  17  nämlich  sagt  ganz  all- 
gemein, dass  das  Betriebskapital  für  die  Verkaufsstelle  von 
den  Verbandsfabriken  im  Verhältnis  ihrer  Zuteilung  beschafft 
werde,  und  §  13  Abs.  3  sieht  eine  proportionale  Verteilung 
der  Spesen  und  Verluste  auf  alle  Lieferungen  vor,  sofern  die 
regelmässigen  Abzüge  nicht  ausreichen.  Diese  Abzüge  sind 
sonach  mit  den  aus  den  §§  13  und  17  sich  ergebenden  Ver- 
pflichtungen der  Genossenschafter  nicht  identisch.  Das  Recht, 
über  die  Abzüge  hinausgehende  Leistungen  zu  beschliessen, 
steht  der  Generalversammlung  zu,  welohe  naoh  §  9  über  alle 
auf  die  Statuten  und  die  Verkaufsstelle  Bezug  habenden 
Verhältnisse  entscheidet.  Die  Statuten  beschränken  es  in 
skeiner  Weise,  und  machen  es  von  keinen  besondern  Voraus- 
setzungen, insbesondere  nicht  vom  Vorhandensein  eines  De- 
fizits abhängig.  Es  genügt,  dass  die  Generalversammlung 
die  regelmässigen  Abzüge  nicht  als  ausreichend  erachtet. 
Der  Einwand  des  Beklagten,  die  Klägerin  könne  von  ihm 
nicht  Erfüllung  der  beschlossenen  Leistung  verlangen,  da  sie 
selbst  die  nach  dem  Genossenschaftsvertrag  ihr  obliegenden 
Verpflichtungen,  den  Genossenschaftern  monatliche  Zusammen- 
stellungen einzusenden,  nicht  erfüllt  habe,  ist  unhaltbar. 
Denn  der  Genossenschaftsvertrag  ist  kein  zweiseitiger  Ver- 
trag, aus  dem  der  eine  Teil  den  andern  zur  Erfüllung  erst 
anhalten  kann,  wenn  er  selbst  schon  erfüllt  hat  oder  die  Er- 
füllung anbietet,  sondern  beim  Genossenschaftsvertrag  handelt 
es  sich  um  einen  Komplex  von  Verpflichtungen  und  Hechten, 
die  ihre  Zusammenfassung  im  Begriffe  des  Mitgliedschafts- 
vrechtes finden.  Auch  auf  die  Behauptung,  die  Generalver- 
sammlung vom  30.  Oktober  1900  sei  nicht  mehr  kompetent 
.gewesen,   die  zweite  Quote  von  5  Franken  zu  beschliessen, 


104 

da  sich  damals  die  Genossenschaft  bereits  in  Liquidation  be- 
funden habe,  kann  der  Beklagte  seine  Zahlungsverweigerung- 
nicht  stützen.  Denn  mit  der  Liquidation  verliert  die  Ge- 
nossenschaft ihre  rechtliche  Existenz  nicht,  sondern  sie  behält 
sie  zur  Abwicklung  der  schwebenden  Geschäfte.  Und  gerade 
zu  diesem  Zweok  wurde  ja  den  Genossenschaftern  abermals 
ein  Beitrag  auferlegt.  Die  von  der  Klägerin  geforderten 
2800  Franken  sind  demnach  als  begründet  zuzusprechen. 

Die  Erhebung  ihres  zweiten  Anspruches  von  3500  Franken 
stützt  die  Klägerin  auf  §  19  der  Statuten.  Es  fragt  sieb 
daher,  welcher  rechtliche  Charakter  den  durch  diese  Bestim- 
mung geschaffenen  Schuldscheinen  zukomme.  Nach  dem 
Wortlaut  des  Paragraphen  sollen  sie  der  Genossenschaft  eine 
Sicherheit  bieten.  Allein  durch  einen  Schuldschein  wird  noch 
keine  materielle  Sicherheit  geschaffen,  sondern  höchstens  eine 
prozessuale.  In  der  Vorschrift  des  §  19  der  Statuten  ist  auch 
nicht  die  Absicht  zu  erblicken,  an  Stelle  eventuell  nioht  ein- 
gezahlter Beiträge  der  Genossenschafter  eine  liquide  Schuld- 
verpflichtung derselben  zu  kreieren.  Dagegen  liegt  es  im 
Sinne  dieser  Vorschrift,  verglichen  mit  §  9  der  Statuten,  wo- 
nach die  Generalversammlung  berechtigt  ist,  den  Genossen- 
schaftern Konventionalstrafen  bis  zur  Höhe  der  Garantie- 
scheine aufzuerlegen,  in  diesen  Schuldscheinen  Verstärkungen 
der  den  Genossenschaftern  obliegenden  Verpflichtungen  zu 
sehen,  Konventionalstrafen  für  deren  Erfüllung.  Diese  Auf- 
fassung hat  allem  Anscheine  nach  bei  Errichtung  der  Vor- 
schrift obgewaltet,  und  es  fragt  sich  daher,  einerseits:  in 
welchem  Umfang  eine  Konventionalstrafe  auf  die  Nichterfül- 
lung statutarischer  Verpflichtungen  gesetzt  sein  wollte,  ferner 
nach  welchem  Modus  die  Genossenschaft  sie  fällig  zu  erklären 
berechtigt  sein  sollte,  und  andrerseits  :  ob  in  casu  die  Voraus- 
setzungen zu  ihrer  Auferlegung  vorhanden  waren.  Was  den 
ersten  Punkt  betrifft,  so  müssten,  wenn  die  Absicht  bestand, 
jede  einzelne  der  den  Genossenschaftern  obliegenden  Ver- 
pflichtungen durch  diese  schwere  Konventionalstrafe  zu  ver- 
stärken, entweder  der  allgemeine  §  19  der  Statuten,  der  die 
Höhe  der  Konventionalstrafe  festsetzt,  oder  jeder  einzelne 
Paragraph,  der  für  die  Genossenschafter  eine  Verpflichtung 
statuiert,  eine  solche  Absicht  unzweideutig  zum  Ausdruck 
bringen.  Keins  von  beiden  aber  ist  geschehen;  eine  Aus- 
nahme bildet  nur  §  3  der  Statuten,  der  vom  Austritt  der 
Genossenschafter  spricht  und  für  vorzeitigen  Austritt  den 
Betrag  des  Schuldscheins  als  verfallen  erklärt.  Allein  um 
einen  Austritt  des  Beklagten  handelt  es  sich  nioht,  weil  keine 


105 

.Austrittserklärung  desselben  vorliegt,  und  keine  Rede  davon 
«ein  kann,  dass  der  Klägerin  das  Recht  zustand,  dem  Beklagten 
wegen  seiner  Zahlungsverweigerung  zu  drohen,  sie  betrachte 
ihn  als  aus  der  Genossenschaft  ausgetreten;  daher  ist  der 
auf  Art.  687  O.  R.  sich  stützende  Einwand  des  Beklagten,  §  3 
der  Statuten  bestimme  mit  Unrecht  den  Verlust  der  An- 
sprüche an  der  Genossenschaft  für  den  austretenden  Genossen- 
schafter, nicht  zu  prüfen.  Auch  in  Bezug  auf  das  Verhältnis, 
in  dem  die  beabsichtigte  Konventionalstrafe  zu  den  Verpflich- 
tungen der  Genossenschafter  gegenüber  der  Genossenschaft 
stehen  soll,  geben  die  Statuten  keine  Aufklärung.  Es  ist 
aus  ihnen  nicht  ersichtlich,  ob  die  Genossenschaft  die  Kon- 
ventionalstrafe neben  der  Erfüllung  der  einzelnen  Verpflich- 
tungen fordern  darf,  oder  ob  sie  nur  das  Recht  hat,  zwischen 
beiden  zu  wählen.  Im  Interesse  des  Verkehrs  aber  ist  es 
billig,  dem,  der  auf  hohe  Konventionalstrafen  abstellen  will, 
die  Pflicht  genauer  Fixierung  des  Umfanges  und  Inhalts  der- 
selben aufzuerlegen.  Da  es  aber  hieran  im  vorliegenden 
Falle  fehlt  (abgesehen  von  der  Bestimmung  des  §  3  der 
Statuten),  so  kann  der  Genossenschaft  das  Recht  nioht  zu- 
stehen, von  einem  säumigen  Genossenschafter  bei  Nichterfül- 
lung irgend  welcher  ihm  auferlegter  Verpflichtungen  die 
Bezahlung  der  Konventionalstrafe  zu  fordern. 

Allein,  auch  wenn  man  an  die  Berechtigung  einer  Ver- 
tragspartei, eine  im  allgemeinen  wohl  beabsichtigte,  aber 
nicht  genau  redigierte  Konventionalstrafe  zu  verlangen,  nioht 
diesen  strengen  Masstab  anlegen,  sondern  die  nur  irgendwie 
ausgedrückte  Absicht  genügen  lassen  wollte,  so  mttsste  im 
vorliegenden  Falle  die  Klägerin  mit  ihrer  Forderung  von 
3500  Franken  doch  abgewiesen  werden,  weil  die  Voraus- 
setzungen zur  Auferlegung  der  Konventionalstrafe  beim  Be- 
klagten nicht  vorhanden  waren.  Zwar  fehlt  es  naoh  dem  in 
-der  vorhergehenden  Erwägung  Gesagten  nicht  am  Requisit 
-der  Nichterfüllung  statutarischer  Verpflichtungen,  für  welche 
eben  §  19  der  Statuten  den  Genossenschaftern  die  Deponie- 
rung der  Schuldscheine  auferlegt  ;  dagegen  liegt  kein  richtiger 
Beschluss  der  Generalversammlung  vor,  der  den  Beklagten 
-zur  Bezahlung  von  Konventionalstrafen  verpflichten  würde. 
In  der  gleichen  Generalversammlung  nämlich,  in  der  die 
-Genossenschafter  die  Einzahlung  einer  Quote  von  3  Franken 
pro  Kontingentswagen  beschlossen,  erklären  sie  auch  den 
^Schuldschein  renitenter  Genossenschafter  als  verfallen.  Damit 
^war  dem  Beklagten,  der  die  Zahlung  nicht  leistete,  die  Mög- 
lichkeit   benommen,    seine    Weigerung  zu   begründen.     Nun 


106 

kann  aber:  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  §  9  der  Statuten,, 
der  die  Befugnis  der  Generalversammlung  sur  Auferlegung- 
von  Konventionalstrafen  ausspricht,  auoh  zum  Schutze  des- 
einzelnen Genossenschafters,  der  sich  vor  der  Generalver- 
sammlung soll  verteidigen  können,  besteht*  Dieser  Schutz- 
wird missachtet,  wenn  die  Generalversammlung  in  dem  Mo- 
ment, wo  sie  eine  Verbindlichkeit  erst  schafft,  schon  deren 
Nichterfüllung  samt  Folgen  konstatiert  und  unter  eine  Kon- 
ventionalstrafe stellt,  für  die  Nichtleistung  der  ersten 
Quote  von  3  Franken  ist  also  die  Klägerin  nicht  berechtigt», 
vom  Beklagten  Zahlung  und  Konventionalstrafe  zu  fordern;, 
und  bezüglich  der  zweiten  Quote  von  5  Franken,  die  am 
30.  Oktober  1900  beschlossen  wurde,  hat  die  Generalversamm- 
lung gar  keine  Konventionalstrafe  auf  deren  Nichtbezahlung^ 
festgesetzt,  sondern  die  Liquidationskommission  ermächtigt,, 
gegen  renitente  Genossenschafter  Art.  122  0.  R.  anzuwenden. 
Dies  ist  aber,  wie  bereits  bemerkt,  rechtlich  unzulässig,  da 
der  Genossenschaftsvertrag  kein  zweiseitiger  Vertrag  ist.  Die 
Forderung  der  Klägerin  im  Betrage  von  3500  Franken  ist 
daher  als  unbegründet  abzuweisen.  (Entsch.  vom  8.  Februar 
1902  i.  S.  Genossenschaft  schweizerischer  Kalkfabrikanten  in 
Zürich  c.  Ziegler.) 


59.  Versicherungsgesellschaft  auf  Gegenseitigkeit;  juristische 
Natur:  Genossenschaft.  Art.  678  ff.  0.  R.  —  Pflicht  der  Ge- 
nossenschafter und  Versicherten  zu  Nachschüssen.  Rechtsgrund 
dieser  Pflicht.  Voraussetzungen  derselben.  —  Begriff  der  „Prä- 
mienreserve" und  der  „Schadenreserve" 

Die  im  Jahre  1894  gegründete  Klägerin,  eine  eingetragene 
Genossenschaft  im  Sinne  des  XXVII.  Titels  des  schweizeri- 
schen Obligationenrechts,  hat  die  Unfallversicherung  auf  Ge- 
genseitigkeit zum  Zwecke.  Aus  ihren  Statuten  vom  27.  Oktober 
1895  sind  folgende  Bestimmungen  hervorzuheben  :  Laut  §§  4  ff., 
speziell  §  7,  sind  Versicherte  und  Genossenschaftsmitglieder 
identisoh.  Die  Versicherten  haben  eine  Eintrittsgebühr  (§  5} 
und  eine,  je  weilen  vom  Verwaltungskomi  tee  festzusetzende 
Prämie  (§  9),  die  sich  nach  dem  Umfange  der  Gefahren  dea 
betreffenden  Genossenschafters  richtet,  zu  leisten.  Paragraph  IO 
bestimmt  über  die  Nachschussprätnien  :  „Reichen  die  für  ein 
Rechnungsjahr  eingenommenen  Prämien  selbst  mit  Inan- 
spruchnahme des  Reservefonds  (§  16)  zur  Deckung  der  im 
Rechnungsjahre  entstandenen  Verbindlichkeiten  nicht  aus,  so* 
sind   die  letztern   durch   sofort  zu   erhebende  Nachschüsse 


ÎOT 

der  Genossenschaftsmitglieder  zu  tilgen.  —  Der  Nachschuss 
wird  nach  Prozenten  der  letzten  Jahresprämie  jedes  Mitgliedes 
berechnet.  —  Diese  Nachschüsse  sind,  sobald  der  Reserve- 
fonds die  in  §  16  bestimmte  Höhe  überschritten  hat,  aus  dem- 
selben zurückzubezahlen,  bevor  eine  Prämienreduktion  ein- 
treten darf."  Nach  §  11  ist  die  persönliche  Haftbarkeit  der 
Genossenschafter  für  die  Verbindlichkeiten  der  Genossen- 
schaft ausgeschlossen.  „Die  Anordnung  eines  allfälligen 
Nachschusses"  liegt  laut  §  25  Ziff.  9  dem  Verwaltungsrat  ob. 

Die  Beklagten  waren  bei  der  Klägerin  mit  zwei  Policen 
versichert,  zusammen  für  22,950  Franken.  Bei  beiden  bezüg- 
lichen Versicherungsanträgen  haben  die  Beklagten  erklärt, 
dass  ihnen  „die  gedruckten  Statuten  und  das  Regulativ,  nach 
deren  Massgabe  die  Versicherung  abgeschlossen  wird  und 
bestehen  soll,  vollständig  bekannt  und  genehm  sind." 

In  seiner  Sitzung  vom  13.  Juli  1897  behandelte  der 
Verwaltungsrat  der  Klägerin  den  zweiten  Geschäftsbericht, 
umfassend  die  Gesohäftsperiode  vom  1.  Juli  1895  bis  31.  De- 
zember 1896.  In  diesem  Geschäftsbericht  schloss  die  Bilanz, 
pro  31.. Dezember  1896  mit  einem  Ueberschuss  der  Einnahmen 
von  nur  3245.  30  Franken  ;  in  der  betreffenden  Bilanz  waren 
unter  den  Aktiven  u.  a.  eingestellt  die  Posten  „PrämienreBerve"- 
51,392.  70  Franken,  und  „Schadenreserve"  170,000  Franken, 
der  Reservefonds  war  (mit  10,000  Franken)  unter  den  Ein- 
nahmen gebucht.  Gestützt  auf  dieses  Ergebnis  beschloss  der 
Verwaltungsrat  in  jener  Sitzung,  nach  Genehmigung  des- 
Geschäftsberichtes, die  Einziehung  einer  Nachschussquote  voi> 
17%  der  Prämiensumme.  Der  Verwaltungsrat  gab  den  Ge- 
nossenschaftern von  diesem  Beschlüsse  durch  Cirkular,  mit 
dem  er  auf  den  1.  August  1897  zar  Generalversammlung  ein- 
lud, Kenntnis;  er  hob  hiebei  hervor,  er  halte  einen  Nachschuss 
von  17°/o  der  auf  die  Betriebsperiode  1895/96  entfallenden 
Prämien  auf  Grund  eigener  Prüfung  der  Sachlage  und  gestützt 
auf  einen  eingehenden  Expertenbefund  für  unerlässlich.  In 
der  Generalversammlung  vom  1.  August  1897  wurde  die 
Rechnungsstellung  genehmigt,  laut  dem  betreffenden  Protokoll 
einstimmig,  unter  Décharge-Erteilung  an  die  Verwaltungs- 
organe. 

Gestützt  hierauf  stellte  die  Klägerin  den  Beklagten  Ab- 
rechnung über  die  von  diesen  zu  entrichtende  Nachschuss- 
prämie,  die  sie  auf  den  Betrag  von  4313. 10  Franken  bezifferte. 
Die  Beklagten  verweigerten  die  Bezahlung  dieser  Summe  zur 
Zeit  —  Das  Bundesgericht,  an  welches  die  Klage  gemäss 
Art.  52  f.  des   Org.-üesetzes   gelangte,   hat  die  Klage   gut- 


108 

gekernten.     Aus    den  Entscbeidungsgründen    ist    hervor- 
zuheben: 

Die  Klage  ist  gerichtet  auf  Zahlung  von  Nachschusa- 
prämien  für  die  Betriebsperiode  1895/96  und  stützt  sich  ani 
§  10  in  Verbindung  mit  §  25  Ziff.  9  der  Statuten  der  Klägerin 
vom  27.  Oktober  1895.  Die  Beklagten  bestreiten  an  sich 
ihre  Pflicht  zur  Leistung  von  Nachschüssen  nicht,  nehmen 
aber  den  Standpunkt  ein,  die  Voraussetzungen,  an  welche 
diese  Pflicht  geknüpft  ist,  seien  gegenwärtig  nicht  vorhanden  ; 
sie  unterscheiden  also  zwischen  dem  Bestände  der  Forderung 
und  den  Voraussetzungen  ihrer  Geltendmachung,  —  ein 
Standpunkt,  der  gewiss  (entgegen  einer  Behauptung  in  der 
Replik)  keinen  logischen  Widerspruch  enthält.  Nach  der  von 
Lab  and  (Rechtsgutachten  in  Goldschmidts  Zeitschrift  für 
Handelsrecht  Bd  24  S.  64  ff.,  speziell  S.  74  f.)  vertretenen 
Ansicht  würde  es  sich  bei  der  Nachschußpflicht  um  eine  be- 
dingte Verpflichtung  handeln,  die  zu  erfüllen  ist  beim  Eintritt 
der  in  den  Statuten  vorgesehenen  Voraussetzungen;  danach 
läge  in  der  Stellungnahme  der  Beklagten  eine  Bestreitung 
des  Eintrittes  der  Bedingungen  der  Nachschusspflicht.  Nach 
der  Stellungnahme  der  Beklagten  hängt  nun  die  Entschei- 
dung des  Prozesses  in  erster  Linie  von  der  Frage  ab,  auf 
welchem  Rechtsverhältnis  die  Nachschußpflicht  beruhe:  ob 
sie  ihren  Rechtsgrund  habe  in  der  Mitgliedschaft  der  Ver- 
sicherten, in  ihrer  Eigenschaft  als  Genossenschafter;  oder 
aber  im  Versicherungsvertrag.  Von  der  Entscheidung  dieser 
Frage  hängt  insbesondere  die  Frage  der  genügenden  Sub- 
8tanziierung  der  Klage  und  der  beidseitigen  Behauptunga-  und 
Beweispflicht  ab.  Ist  ersteres  der  Fall,  so  sind  die  geaetz- 
und  statutenmässigen  Beschlüsse  der  Organe  der  Genossen- 
schaft für  die  Mitglieder  verbindlich,  und  ist  die  Klage  ge- 
nügend 8ubstanziiert  durch  die  Darlegung,  dass  der  Yerwal- 
tung8ratsbe8chlu88  betreffend  Nachschussprämien  formell  gesets- 
und  statutengemä8s  gefasst  worden  sei,  und  haben  alsdann 
die  Beklagten  darzuthun,  dass  er  materiell  nicht  dem  Gesetze 
oder  den  Statuten  entspricht;  im  andern  Falle  dagegen  haben 
die  betreffenden  Beschlüsse  nur  den  Charakter  von  Hand- 
lungen der  einen  Vertragspartei,  und  müssen  von  dieser  — 
also  von  der  Klägerin  —  die  Thatsachen  dargelegt  werden, 
aus  denen  sich  ergiebt,  dass  diese  Beschlüsse  gesetz-  und 
statutengemä8s  sind.  Jene  in  der  Doktrin  streitige  Frage 
nun  (siehe  hierüber  Ehrenberg,  Handbuch  des  Ver- 
sicherungsrechts Bd  I,  S.  318  ffM  und  dort  oitierte)  kann 
im  vorliegenden  Falle  nicht  zweifelhaft  sein.   Nach  unbestrit- 


109 

tener  Praxis  unterstehen  die  Versicherungsgesellschaften  auf 
Gegenseitigkeit  den  Bestimmungen  über  Genossenschaften, 
Art.  678  ff.  0.  IL;  in  den  Statuten  der  Klägerin  wird  übrigens 
diesen  Bestimmungen  ausdrücklich  gerufen.  Diese  Bestim- 
mungen erwähnen  der  Beiträge  der  Genossenschafter  nur  an 
einem  Orte,  bei  den  Vorschriften  über  die  Voraussetzungen 
der  Eintragung  (Art.  680  Ziff.  5);  danach  gehört  die  Fest- 
setzung von  Beiträgen  zum  Wesen  des  Genossen  Schafts  Ver- 
trages, bestimmt  sich  aber  im  übrigen  die  Art  und  Grösse 
derselben  nach  dem  Genossenschaftsstatut.  Im  vorliegenden 
Falle  haben  die  Beklagten  bei  Stellung  des  Versicherungs- 
antrages ausdrücklich  erklärt,  die  Statuten  und  das  Regulativ 
zu  kennen,  und  in  der  Versicherungspolice  Nr.  298  ist  speziell 
auf  die  Statuten  und  das  Regulativ  verwiesen.  Nach  diesen 
Statuten  nun  wird  jeder  Versicherungsnehmer  Mitglied  der 
Genossenschaft,  und  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
die  Verpflichtung  zur  Leistung  von  Nachschüssen  auf  der 
Stellung  eines  Genossenschaftsmitgliedes  als  solchen  beruht, 
dass  diese  Verpflichtung  also  eine  genossenschaftliche,  aus 
der  Mitgliedschaft  entspringende  Pflicht  ist.  Die  Genossen- 
schaft hat  zum  Zwecke,  »ihre  Mitglieder"  zu  versichern 
(§2);  §  5  spricht  von  der  „Eintrittsgebühr";  nach  §  6  Ziff.  1 
erlischt  die  Mitgliedschaft  durch  freiwilligen  Austritt,  der  nur 
mittels  bestimmter  Kündigung  auf  den  Zeitpunkt  des  Ab« 
laufes  der  Police  stattfinden  kann;  nach  Ziff.  3  eod.  ist  eine 
Ausschliessung  speziell  wegen  Vergehen  mit  Bezug  auf  die 
mit  dem  Versicherungsverhältnis  bestehenden  Pflichten  mög- 
lich ;  nach  §  7  fallen  mit  dem  Erlösohen  der  Mitgliedschaft 
alle  Rechte  und  Ansprüche  des  Ausscheidenden  an  das  Ge- 
nossenschaftsvermögen dahin.  Im  Regulativ,  welches  die 
sogen.  Versicherungsbedingungen  enthält,  ist  nur  bestimmt, 
welchen  Einfluss  die  Zahlung  oder  Nichtzahlung  der  Prämien 
oder  Naoh8chüsse  auf  den  Bestand  der  Versicherung  hat. 
Mit  Bezug  auf  die  Festsetzung  der  Nachsohüsse  ist  daher 
der  einzelne  Genossenschafter  den  Organen  der  Genossen- 
schaft unterworfen.  Nach  §  25  Ziff.  9  der  Statuten  steht  nun 
die  Anordnung  eines  Nachsohusses  und  —  was  unmittelbar 
daraus  folgt  —  die  Feststellung  der  Höhe  desselben  in  der 
Kompetenz  des  Verwaltungsrates.  Die  Pflicht  zur  Leistung 
von  Nachschüssen  wird  daher  durch  die  Statuten  und  den 
darauf  gerichteten  Verwaltungsratsbeschluss  begründet;  die 
Genehmigung  durch  die  Generalversammlung  ist  zur  Begrün- 
dung dieser  Pflicht  nicht  notwendig.  Indem  sich  die  Klage 
auf  den   Beschloss   des  Verwaltungsrates   vom  13.  Juli  1897 


110 

stützt,  der  sich  in  den  Schranken  der  Kompetenz  des  Ver- 
waltungsrates hält;  ist  sie  daher  genügend  fundiert  und  sub- 
stanziiert  ;  Saohe  der  Beklagten  ist  es,  darzuthun,  dass  der 
Beschlu88  entweder  an  formeUen  Mängeln  leidet,  formell  nicht 
in  gesetz-  oder  statutenmässiger  Weise  zu  stände  gekommen 
ist,  oder  dass  er  materiell  anfechtbar  ist,  d.  h.  dass  materiell 
die  Voraussetzungen  zur  Anordnung  von  Nachschüben  nicht 
vorhanden  waren.  Und  da  gegen  die  formelle  Gültigkeit 
des  betreffenden  Beschlusses  keine  Einwendungen  erhoben 
wurden,  ist  davon  auszugehen,  er  sei  formell  gesetz-  und 
8tatutengemäs8  zu  stände  gekommen  und  die  Prüfung  auf  die 
von  den  Beklagten  vorgebrachten  materiellen  Einwendungen 
zu  beschränken..  In  formeller  Beziehung  rügen  die  Beklagten 
lediglich,  das  Protokoll  der  Verwaltungsratssitzung  vom 
13.  Juli  1897  erweise  nicht,  dass  das  Rechnungsergebnis 
wirklich  als  so  schlecht  angesehen  worden  sei,  dass  sich  ein 
Nachschuss  rechtfertige.  Es  muss  jedoch  genügen,  dass  das 
Protokoll  auf  den  Geschäftsbericht,  welcher  die  Rechnung 
enthält,  Bezug  nimmt,  und  das  ist  der  Fall. 

Zu  den  einzelnen,  grundsätzlich  wichtigen  materiellen 
Einwendungen  des  Beklagten  ist  bemerkt:  Die  Nachschuss- 
prämien  wollen  zur  Bildung  einer  Schaden-  und  Prämien- 
reserve  verwendet  werden  ;  das  sei  statutenwidrig  und  deshalb 
unzulässig.  Aus  den  Akten  ergiebt  sich  nun,  dass  diese 
Einwendung  der  Beklagten  auf  einer  irrtümlichen  Auffassung 
des  Wesens  der  sogen.  Prämien-  und  der  sogen.  Schaden  reserve 
beruht.  Die  sogen.  „Prämienreserve**  würde  richtiger  den 
Namen  „Prämien- Ueberträge"  führen;  sie  nmfasst  „die  sur 
Erfüllung  der  künftigen  Verpflichtungen  bestimmten  Prämien- 
teile"  (so  die  österreichische  Ministerialverordnung  vom 
5.  März  1896  betreffend  die  Errichtung  etc.  von  Versicherungs- 
anstalten, §28,  §  33  Ziff.  8;  vergi,  ferner  Simon,  die  Bilanzen 
der  Aktiengesellschaften,  2.  Auflage,  S.  190  fi.);  sie  umfasst 
die  sogen,  unverdienten  Prämien,  stellt  Summen  dar,  die  sich 
in  der  Kasse  der  Gesellschaft  befinden  und  für  welche  diese 
erst  in  der  Zukunft  noch  das  entsprechende  Risiko  zu  tragen 
hat;  sie  ist  also  naturgernäss  als  Passivum  zu  buchen.  Die 
sogen.  „Schadenreserve"  sodann  ist  angelegt  für  angemeldete, 
aber  noch  nicht  liquidierte  Schäden  (vergi.  Bundesgesetz  be- 
treffend Beaufsichtigung  der  Privatversicherungen,  Art.  2 
Ziff.  2  sub  b,  Art.  ö  Ziff.  3);  sie  enthält  den  zur  Deckung 
bereits  falliger  Leistungen  aus  Versicherungsverträgen  erfor- 
derlichen Betrag  (öster.  V.  0.  §  30  Ziff.  9),  und  ist  anzulegen 
„nach    mutmasslicher  Schätzung   und   mit  Bücksicht  auf  die 


Ili 

gepflogenen  Erhebungen"  (eod.).  Auch  diese  noch  nicht 
liquidierten  Schäden  aber  geboren  zweifellos  zu  den  Verbind- 
lichkeiten der  Genossenschaft,  und  die  Einwendung,  die  Nach- 
schüsse wollen  zu  etwas  anderem  verwendet  werden  als  zur 
Deckung  der  im  Rechnungsjahre  entstandenen  Verbindlich- 
keiten, ist  daher  unstichhaltig.  (Entscb.  vom  1.  Februar  1902 
i.  S.  Schweizerische  Gewerbe-Unfallkasse  e.  Galli  &  Cie.) 


60.  Gegenstand  eines  Vertrags.  Kauf  einer  körperlichen 
Sache  oder  Kauf  einer  Erfindung  bezw.  eines  Erfinderrechts  t 
Verkauf  des  Erfinderrechtes  bezw.  dés  Rechts  auf  ein  Patent.  Um- 
fang der  G  ewährlnslungsp  flicht  des  Verkäufers-  —  Nichtigkeit 
des  Patentes  (Art.  10  des  Bundesgesetzes  betretend  die  Erfin- 
dungspatente  vom  29.  Juni  1888)  kann  im  Prozesse  betreffend 
Zahlung  der  Kauf  summe  einredeweise  geltend  gemacht  werden.  — 
Stellung  des  Bundesgerichts  gegenüber  Expertisen  betreffend  Patente. 

Am  2.  November  1898  ist  zwisohen  dem  Erblasser  dea 
Beklagten,  A.  G.-Z.  und  dem  Kläger  A.  Gr.  folgender  „vor- 
läufiger Vertrag"  zu  stände  gekommen  : 

„1.  Für  die  Konstruktionskosten  eines  Apparates  für  Re- 
gulierung des  Quantums  „Gasolin"  oder  einer  verwandten 
Flüssigkeit  zur  Erstellung  von  Aerogen-Gas,  das,  welches  auch 
immer  die  Anzahl  der  Flammen  unter  der  vorgesehenen  Maximal - 
zahl  sei,  immer  den  nämlichen  Höhestand  im  Carburatum  Com- 
presseur haben  soll,  macht  Herr  G.  Herrn  Gr.  einen  Vorschuss 
▼on  1000 Franken,  wovon  er  500  Franken  sofort,  den  Rest  Ende 
Dezember  1898  erhält;  von  diesem  Betrage  ist  nichts  mehr 
zurückzuerstatten,  auch  wenn  die  Versuche  misslingen  sollten. 

2.  Falls  der  neue  Régulateur  sich  nach  allen  Richtungen 
als  völlig  leistungsfähig  erweist,  hat  Herr  Gr.  denselben  um 
die  Summe  von '20,000  Franken  an  Herrn  G.-Z.  abzutreten  und 
für  denselben  die  Patente  in  Bern  eventuell  auch  in  andern 
Ländern,  aber  auf  dessen  alleinige  Kosten  zu  lösen,  um  sie 
später  nach  Wunsch  des  Herrn  G.  auf  ihn  zu  übertragen. 

3.  Nach  Vollendung  des  Apparates  und  Eintragung  des 
schweizerischen  Patentes  hat  Herr  G.Herrn  Gr.  10,000  Franken 
zu  bezahlen,  den  Rest  sechs  Monate  später. 

4.  Sofern,  die  Sache  nicht  reüssieren  sollte,  allein  später 
mit  Hilfe  anderer  und  unter  Benutzung  der  Grundidee  Gr.'s 
der  Régulateur  dennoch  zum  richtigen  Funktionieren  käme  und 
sich  praktisch  vollkommen  bewährte,  so  erhielte  Herr  Gr. 
nachträglich  15,000  Franken   durch  Herrn  G.-Z.  ausbezahlt." 


■  'F* 


112 

Nach  Erbalt  des  Vorschusses  von  1000  Franken  kon- 
struierte der  Kläger  verschiedene  Regulateure,  die  sich  al» 
leistungsfähig  erwiesen.  Am  29.  Dezember  1899  erwirkte  er 
die  Erteilung  des  soheizerischen  Tat  entes  Nr.  16976  für  eine 
„Vorrichtung  zur  automatischen  Regulierung  des  Niveaus 
eines  entsprechend  dem  Konsum  mit  Flüssigkeit  zu  speisenden 
Gelasses."  Er  erwarb  ferner  eine  Reihe  ausländischer  Patente 
für  diese  Vorrichtung.  Dagegen  wurde  ihm  die  Erteilung 
des  deutschen  Patents  durch  Beschluss  der  Beschwerdeabtei- 
lung des  kaiserlichen  Patentamtes  vom  2.  Januar  1900  ver- 
weigert mit  der  Begründung,  es  handle  sich  nicht  um  eine 
neue  Erfindung. 

Nach  dem  Tode  G.-Z.'s  erhob  der  Kläger  gegen  dessen 
Erben  Klage  auf  Bezahlung  der  im  Vertrage  vom  21.  No- 
vember 1898  festgesetzten  Summe  von  20,000  Franken.  Die  Be- 
klagten stellten  sich  auf  den  Standpunkt,  es  habe  sich  beim  ge- 
dachten Vertrage  um  den  Kaufeiner  Erfindung  gehandelt;  nun 
stelle  sich  aber  der  Apparat  des  Klägers  weder  als  Erfindung  noch 
als  neu  dar,  weshalb  die  Klage  abzuweisen  sei.  Der  Kläger 
dagegen  nahm  den  Standpunkt  ein,  nicht  das  Patent  als 
solches,  sondern  lediglich  der  Apparat  sei  der  eigentliche 
Gegenstand  des  Vertrags -gewesen;  es  habe  sich  entweder 
um  den  Kauf  des  Apparates  oder  einen  Werkvertrag  oder 
Dienstvertrag  mit  Bezug  auf  diesen  Apparat  gehandelt.  Alle 
Instanzen  haben  in  diesem  Punkte  die  Auffassung  der  Beklagten 
geteilt,  das  Bundesgericht  mit  folgender  Begründung: 

Nach  Art.  1  des  Vertrages  erhält  der  Kläger  vom  Erb- 
lasser der  Beklagten  den  Auftrag,  einen  Apparat  für  Regu- 
lierung der  näher  genannten  Flüssigkeit  herzustellen;  die 
Kosten  der  Konstruktion  werden  vom  Auftraggeber  (oder 
Besteller)  vorgeschossen.  In  dieser  Bestimmung  fur  sich 
kann  also  wohl  ein  Werkvertrag  oder  ein  Dienstvertrag  er- 
blickt werden.  Damit  ist  aber  der  Inhalt  des  Vertrages 
keineswegs  erschöpft:  Art.  2  stellt  die  weitern  Verpflichtungen 
auf,  dasß  der  Apparat,  falls  er  sich  als  leistungsfähig  erweise, 
an  G.-Z.  für  den  Betrag  von  20,000  Franken  abgetreten 
werden  solle,  und  dass  der  Kläger  die  „Patente"  zu  lösen 
und  auf  Wunsch  G.-Z.'s  auf  diesen  zu  übertragen  habe. 
Art.  8  trifft  alsdann  nähere  Bestimmungen  über  die  Fällig- 
keit des  Betrages  von  20,000  Franken.  Art.  4  endlich  sieht 
den  Fall  des  nicht  vollständigen  Gelingens  „der  Sache"  vor. 
Nach  diesen  Vertragsbestimmungen  ist  allerdings  der  weitere 
Inhalt  des  Vertrages  nicht  ohne  weiteres  klar  und  unzwei- 
deutig.   Allein  es  ergiebt  sich  daraus  doch,  dass  der  Erwerb 


HS 

und    die  Ueb  er  tragung  von    Patenten   an   6.-Z.   in    Aussicht 

fenommen  war.  In  Berücksichtigung  nun  des  speziell  von 
er  ersten  Instanz  hervorgehobenen  wirtschaftlichen  Zweckes, 
den  die  Vertragsparteien  mit  dem  Vertrage  verfolgten;  in 
Anbetracht  des  hohen  Preises,  der  die  Konstruktionskosten 
bei  weitem  überstieg  und  auch  für  einen  Arbeits-  oder  Werk« 
lohn  unverhältnismässig  hoch  erscheint  ;  endlich  in  Erwägung 
des  Um  Standes,  dass  der  Vertrag  von  einem  neuen  Regu- 
lator und  der  Grundidee  des  Klägers  spricht,  erscheint  die 
dem  Vertrage  von  den  Beklagten  und  den  kantonalen  In- 
stanzen gegebene  Auslegung  als  die  richtige.  Danach  war 
das  Wesentliche  des  Vertrages  die  Verschaffung  des  Erfin- 
derrechts am  neuen  Regulator  gegen  Entgelt.  Die  Herstel- 
lung des  ersten  Apparates  erscheint  diesem  Hauptzweck  des 
Vertrages  gegenüber  nicht  etwa  als  ein  mit  ihm  auf  gleiche 
Linie  zu  stellender  Vertragszweck,  sodass  der  Vertrag  zwei 
Bestandteile:  einen  Dienst-  oder  Werkvertrag  oder  Kauf 
über  den  Apparat,  und  die  entgeltliche  Uebertragung  des 
Erfinderrechts,  in  sich  schliessen  würde;  vielmehr  erscheint 
die  Herstellung  des  Apparates  gegenüber  dem  Hauptzweck 
nur  als  Accessorium;  es  sollte  damit  das  Modell  für  den  zu 
patentierenden  Gegenstand  geschaffen  werden;  nicht  sollte 
eine  selbständige  Forderung  auf  Arbeits-  oder  Werklohn 
(oder  Kaufpreis)  für  den  Apparat  entstehen.  Und  zwar  sollte 
nach  dem  Inhalte  des  Vertrages  jene  Uebertragung  eine  voll- 
ständige, unbeschränkte  sein. 

Hieran  anschliessend  fährt  das  Bundesgericht  fort:  Da- 
nach ergiebt  sich  als  die  rechtliche  Natur  des  mehrgedachten 
Vertrages  die  entgeltliche,  unbeschränkte  Uebertragung  des 
Erfinderrechts  an  dem  im  Vertrage  erwähnten  Apparat,  und 
zwar  speziell  des  im  Erfinderrecht  enthaltenen  Rechts  auf 
ein  Patent.  Gegenstand  des  Vertrages  war  darnach  nicht 
eine  körperliche  Sache,  sondern  ein  Recht,  und  zwar  das 
Erfinderrecht,  vor  allem  das  aus  diesem  fliessende  Recht  auf 
ein  Patent.  Diese  entgeltliche  Uebertragung  des  Patentrechts 
ist  zu  qualifizieren  als  Kauf,  nicht  etwa  als  Cession  (vergi. 
Munk,  Patentrechtliche  Lizenz,  8.  10  f.;  Gierke,  Deutsches 
Privatrecht  Bd  I  §  57  S.  887  ff.,  speziell  S.  888  Anm.  8); 
letzteres  nicht,  weil  das  Patentrecht  sich  nicht  als  Forderungs- 
recht darstellt;  wohl  aber  liegt  ein  Kauf  vor,  weil  der  ge- 
samte vermögensrechtliche  Inhalt  des  Patentes  aus  dem  Ver- 
mögen des  Eigentümers  ausgeschieden  und  in  jenes  des  Er- 
werbers aufgenommen  wird  (Munk  a.  a.  0.).  Die  Klage  stellt 
sich  demgemä88  dar  als  Klage   des  Verkäufers  des  Patentes 


114 

auf  Zahlung  des  Kaufpreises.  Dieser  Klage  gegenüber  wenden 
die  Beklagten  ein,  der  Kläger  habe  den  Vertrag  nicht  gehörig 
erfüllt  bezw.  könne  ihn  nicht  gehörig  erfüllen,  da  die  abge- 
tretene sogen.  Erfindung  weder  eine  Erfindung  noch  neu  sei. 
Mit  der  Feststellung  der  juristischen  Natur  des  Vertrages 
fällt  vorab  die  Einwendung  des  Klägers  dahin,  die  darin  be« 
steht,  der  Erblasser  der  Beklagten  habe  den  Apparat  still- 
schweigend angenommen  und  genehmigt,  die  Mängelrüge  also 
verwirkt:  da  es  sich  nicht  um  den  Kauf  einer  körperlichen 
Sache,  sondern  um  den  Kauf  eines  Rechtes  handelt,  kommen 
die  Bestimmungen  des  schweizerischen  Obligationenrechtes 
über  Mängelrüge  beim  Kauf  überhaupt  nicht  zur  Anwendung. 
Im  weitern  fragt  sich  nunmehr,  gemäss  der  Stellungnahme 
der  Beklagten,  wie  weit  bei  einer  entgeltlichen  Patentver- 
äusserung  (einen  Patentverkauf)  die  gesetzliche  Gewährleis- 
tungspflicht des  Verkäufers  geht,  ob  der  Verkäufer,  wie  der 
Kläger  behauptet,  nur  für  die  formelle  Patentierung  haftet, 
oder  ob  die  Gewährleistung  sich  auf  den  Bestand  des  Pa- 
tentrechts und  auf  dessen  Unanfechtbarkeit  erstreckt.  Diese 
Präge  ist  im  letztern  Sinne  zu  beantworten.  Das  folgt  daraus, 
dass  der  Verkäufer  eines  Rechts  dem  Käufer  den  Bestand 
des  Rechts  zu  gewährleisten  hat  (vergi.  Art.  235  0.  IL).  Zum 
Bestände  des  Patentrechtes  gehört  aber,  dass  das  Patent 
nicht  aus  den  in  Art.  10  des  Patentgesetzes  angeführten 
Gründen  mit  der  Nichtigkeitsklage  anfechtbar  sei;  der  Be- 
stand des  Patentrechtes  setzt  darnach  unter  anderem  voraus, 
dass  es  sich  wirklich  um  eine  Erfindung  handle,  und  dass 
die  Erfindung  neu  sei;  der  Verkäufer  des  Patentrechtes  hat 
also  dem  Käufer  für  das  Vorhandensein  dieser  Erfordernisse 
einzustehen.  Diese  Haftung  kann  nun  allerdings  vertraglich 
wegbedungen  werden,  und  ein  weiterer  Standpunkt  des  Klä- 
gers ist  der,  das  sei  im  Vertrage  vom  21.  November  1898 
geschehen  ;  nach  dessen  Bestimmungen  habe  er,  der  Kläger, 
nur  dafür  einzustehen,  dass  das  Patent,  und  zwar  das  schwei- 
zerische Patent,  wirklich  erworben  worden  sei  ;  diese  vertrag- 
liche Pflicht  habe  er  erfüllt.  Allein  nichts  berechtigt  dazu, 
den  Vertrag  in  diesem  Sinne  auszulegen.  Das  Wegbedingen 
der  gesetzlichen  Haftung  müsste  ausdrücklich  geschehen, 
und  das  ist  hier  nicht  der  Fall.  Musa  der  Vertrag  so,  wie 
geschehen,  ausgelegt  werden,  so  ist  vielmehr  ohne  weiteres  auch 
die  gesetzliche  Gewährleistungspflicht  des  Verkäufers  als 
darin  enthalten  anzunehmen.  Eine  andere  Frage  wäre  so- 
dann die,  ob  nicht,  da  der  Verkäufer  seiner  Gewährleistung»- 
pflicht  insoweit  genügt  hat,  als  das  Patent  erworben  ist  und 


115 

formell  zu  Recht  besteht,  die  Einrede,  es  bestehe  materiell 
wegen  Nichtigkeit  nicht  zu  Recht,  in  besonderem  Prozesse, 
mit  der  Nichtigkeitsklage,  durchzuführen  sei  (wie  denn  auch 
die  Beklagten  ursprünglich  Frist  zur  Anstellung  der  Nichtig- 
keitsklage und  Sistierung  des  gegenwärtigen  Prozesses  bis 
nach  deren  Durchführung  verlangt  hatten).  Auch  dieses  Be- 
denken gegen  die  Zulässigkeit  der  von  den  Beklagten  erho- 
benen Einwendung  im  vorliegenden  Prozesse  ist  jedoch  un- 
begründet. Wie  im  Prozesse,  wenigstens  unzweifelhaft  im 
Cirilprozesse,  betreffend  Patentnachahmung  die  Nichtigkeit 
des  Patentes  des  Nachahmungsklägers  einredeweise  geltend 
gemacht  werden  kann  (vergi.  Urteil  des  Bundesgerichts  vom 
15.  Mai  1896  i.  S.  Salquin  c.  Bund,  Aiuti.  Samml.  Bd  22 
S.  639,  und  vom  16.  März  1900  i.  S.  Gegauf  c.  Nähmaschinen- 
fabrik, Bd  26,  I.  Teil,  S.  109  Erw..  2),  .so  muss  auch  der 
Käufer  eines  Patentes,  der  auf  die  Zahlung  des  Kaufpreises 
belangt  wird,  dem  Verkäufer  in  diesem  Prozesse  die  Ein- 
rede der  Nichtigkeit  des  Patentes  entgegensetzen  können; 
eine  Abweichung  von  diesem,  aus  allgemeinen  Gründen  fol- 
genden Grundsatz  müsste  gesetzlich  vorgeschrieben  sein,  und 
das  ist  nicht  der  Fall. 

Die  Klage  wurde  darum  abgewiesen,  da  gestützt  auf  die 
von  der  kantonalen  obern  Instanz  aufgenommene  Oberexper- 
tise und  entgegen  der  von  der  ersten  Instanz  bestellten  Ex- 
pertise die  Frage  der  Neuheit  der  Erfindung  und  der  Erfindungs- 
qualität verneint  werden  musate.  Ueber  die  Stellung  des  Bundes- 
gerichts den  Expertisen  in  patentrechtlichen  Streitigkeiten  gegen- 
über ist  im  Urteil  bemerkt:  Nun  hat  das  Obergericht  seinem 
Urteile  die  zweite,  von  ihm  bestellte  Expertise  zu  Grunde  ge- 
legt, und  es  könnte  sich  fragen,  ob  nicht  darin,  welche  Expertise 
vorzuziehen  sei,  eine  reine  Beweiswürdigung  liege,  so  dass  das 
Bundesgericht  von  vornherein  die  Expertisen  nicht  mehr  zu  über- 
prüfen hätte.  Diese  Auffassung  würde  jedoch  den  Begriff  der 
Beweiswürdigung  zu  weit  ziehen  und  dem  Bundesgericht  in  der 
Beurteilung  von  Patentstreitigkeiten  eine  zu  enge  Stellung  ein- 
räumen. Das  Bundesgericht  muss  vielmehr  überprüfen  können, 
ob  die  Gründe,  welche  die  Experten  zu  ihren  Schlüssen  ge- 
führt haben,  auf  richtigen  Rechtsgrundsätzen  beruhen  (vergi, 
das  Urteil  des  Bundesgerichts  i.  S.  Honer  c.  Schatz  vom 
15.  Dezember  1899,  Amtl.  Samml.  Bd  25,  IL  Teil,  S.991  ff.); 
es  hat  ferner  namentlich  zu  prüfen,  ob  die  Gründe,  welche 
die  Vorinstanz  zur  Annahme  des  einen  (in  oasu  des  ober- 
instanzlichen)  Gutachtens  und  zur  Ablehnung  des  andern  ge- 
führt haben,  stichhaltig  und  rechtlich  begründet  seien.     Nun 


116 

ist  der  Vorinstanz  vor  allem  darin  beizustimmen,  dass  die 
rechtliche  Auffassung  der  erstinstanzlichen  Experten  vom 
Begriffe  der  Erfindung  nach  dem  schweizerischen  Patentgesetze 
und  über  dessen  Verschiedenheit  vom  Begriffe  des  deutschen 

Patentgesetzes  rechtsirrtümlich  ist Sodann  ist  weiter 

richtig,  dass  gerade  diese  unrichtige  Rechteansicht  die  erst- 
instanzlichen Experten  (deren  Gutachten  im  übrigen  allerdings 
weit  eingehender  und  überzeugender  begründet  ist  ala  das- 
jenige der  zweitinstanzlichen  Experten)  dazu  geführt  hat,  der 
Abweisung  des  klägerischen  Patentgesuches  durch  da«  deutsche 
Patentamt  nicht  die  entscheidende  Bedeutung  beizumessen, 
die  ihr  zukommen  muss.  Diese  Abweisung  namentlich,  die 
durch  die  Heranziehung  der  deutschen  Patentschrift  15129 
überzeugend   begründet   ist,   muss  dazu  führen,   der  zweiten 

Instanz  beizutreten (Entsch.  vom  28.  Februar  1902  i.  S. 

K.  Gross wyler  c.  Erben  Guyer-Zeller.) 


B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


61.  Wechselfähigkeit  der  Handelsfrau  auch  im  Ver- 
hehr mit  dem  Ehemann.     Art.  35  0.  R. 

Bern.  Entsch.  des  Appellations-  und  Kassationshofs  vom  21.  De- 
zember 1901  i.  S.  Fran  Fischer  c.  Bank  in  Langenthai. 

Frau  Fischer-Achermann  eröffnete  nach  dem  Konkurse 
ihres  Ehemanns  mit  des  letzteren  Einwilligung  ein  Magasin 
für  Wollenwaren  und  Bonneterie  auf  ihren  eigenen  Namen  und 
kaufte  von  ihrem  Ehemann  die  hiezu  notwendigen  Waren 
im  Fakturawerte  von  6008.  30  Franken,  Für  diesen  Betrag 
zog  der  Ehemann  auf  die  Ehefrau  drei  Tratten  zu  Gunsten 
der  Bank  in  Langenthai,  und  die  Frau  acceptierte  dieselben, 
verweigerte  aber  bei  Verfall  die  Zahlung,  weil  es  sich  nicht 
um  ein  zum  regelmässigen  Betriebe  des  Gewerbes  gehörendes 
Geschäft,  sondern  um  ein  Gefälligkeitsaccept  handle,  das 
wegen  mangelnder  Wechselfähigkeit  ungültig  sei.  —  Der 
Appellations*  und  Kassationshof  erklärte  das  Accept  als  fur 
die  Frau  verbindlich. 

Gründe:  Wechselfähig  ist  nach  Art.  720  0.  K.  jeder, 
der  vertragsfähig  ist.  Impetrantin  ist  Handelsfrau  im  Sinne 
des  Art.  35  0.  R.  und  in  dieser  Eigenschaft  Vertrags-  und 
somit  wechselfähig,  jedoch  nur  in  Bezug  auf  solche  Rechts- 


117 

geschälte,  die  zum  regelmässigen  Betriebe  des  Gewerbes  ge- 
hören. Dies  ist  hier  der  Fall.  Fraglich  ist  bloss  im  Hinblick  auf 
das  kantonale  Ehegüterrecht,  ob  die  Wechselfähigkeit  der  Ehe- 
frau auch  da  anzunehmen  ist,  wo  es  sich,  wie  hier,  um  Ver- 
träge handelt,  die  sie  mit  dem  Ehemanne  abgeschlossen  hat. 
Dies  ist  jedoch  zu  bejahen.  Denn  durch  Art.  35  0.  R.  ist 
für  die  Handelsfrau  eine  besondere  Stellung  geschaffen  worden, 
die  durch  kantonale  Vorschriften  nicht  beeinflusst  werden 
kann  und  somit  auch  nicht  nach  den  Grundsätzen  des  kan- 
tonalen Ehegüterrechts,  sondern  nach  eigenen  Gesichtspunkten 
zu  beurteilen  ist.  Die  Handelsfrau  muss  demnach  gegenüber 
ihrem  Ehemann  wie  gegenüber  jedem  andern  mit  Bezug  auf 
Rechtshandlungen,  die  in  den  Rahmen  des  regelmässigen 
Gewerbebetriebes  passen,  als  handlungs-  und  wechselfähig 
angesehen  werden.      (Zeitachr.  d.  Bern.  Jur.-Ver.,  XXXVIII  S.  172  f.) 


62.  Besitz-  und  Eigentums  er w  erb  an  einer  in  dritter 
Hand  befindlichen  Sache.     Art.  201  0.  R. 

Zürich.   Urteil  der  I.  Appel  lationskammer  vom  25.  Januar  1902. 

A.  hat  an  B.  Fahrhabe  unter  Eigentumsvorbehalt  ver- 
kauft und  darauf  seine  Kaufpreisforderung  an  C.  abgetreten. 
Als  dann  die  Fahrhabe  in  einer  gegen  B.  gerichteten  Be- 
treibung gepfändet  wurde,  sprach  C.  dieselbe  zu  Eigentum 
an,  indem  er  sich  auf  jene  Abtretung  sowie  darauf  stützte, 
dass  er  nach  der  Abtretung  zu  B.  gegangen  sei  und  diesem  er- 
klärt habe,  die  Fahrhabe  sei  nun  sein  (des  C.)  Eigentum. 
Die  erste  Instanz  hiess  darauf  die  Eigentumsklage  des  C.  gut, 
die  I.  Appellationskammer  dagegen  wies  sie  mit  folgender 
Begründung  ab: 

Nach  den  Akten  muss  davon  ausgegangen  werden,  dass 
die  zum  Eigentumsübergang  nach  den  Vorschriften  des  0.  R. 
notwendige  Besitzesübertragung  an  den  Kläger  G.  in  rechts- 
gültiger Weise  nicht  erfolgt  ist.  Dass  der  Kläger  nie 
eigenen  Besitz  ausgeübt  hat  an  den  Objekten,  die  A.  an  B. 
verkaufte,  sondern  dass  dieselben  immer  in  der  von  B.  be- 
worbenen Liegenschaft  sich  befanden,  ist  unbestritten.  Nun 
gestattet  Art.  201  des  0.  R.  für  den  Fall,  dass  die  zu  Eigen- 
tum zu  übertragenden  Gegenstände  sich  in  Händen  eines 
Dritten  befinden,  eine  erleichterte  Form  der  Besitzesüber- 
tragung, indem  die  letztere  dadurch  erfolgen  kann,  dass  der 
Veräusserer  den  Dritten  beauftragt,  die  Sache  fortan  für  den 
neuen  Erwerber  zu  besitzen.    Dieses  Erfordernis  ist  aber  im 


uè 

vorliegenden  Falle  nicht  vorhanden.  Allerdings  ist  durch 
das  Zeugnis  des  B.  als  nachgewiesen  zu  betrachten,  dass 
naoh  der  Fertigung  der  Liegenschaft  und  nach  Abschluss 
des  Abtretungsvertrages  zwischen  A.  und  dem  Kläger  C. 
der  letztere  sioh  zu  B.  begeben  hat  und  ihm  Anzeige  machte, 
dass  die  Gegenstände  ihm  gehören;  allein  im  Gegensatz  zu 
der  ersten  Instanz  ist  davon  auszugehen,  dass  diese  Anzeige 
nicht  genügt.  Denn  Art.  201  schreibt  ausdrücklich  vor,  dass 
der  Auftrag  an  den  Dritten,  für  den  neuen  Eigentümer  den 
Besitz  auszuüben,  von  dem  Veräusserer  auszugehen  hat  (vergi. 
H.-K  17,  S.  105).  Die  in  Art.  201  vorgesehene  Anzeige  ist 
ein  Surrogat  der  Besitzesübertragung,  die  nur  vom  Veräusserer, 
d.  h.  vom  bisherigen  Eigentümer  geschehen  kann,  für  den  der 
Dritte  besitzt,  und  welcher  daher  einzig  in  der  Lage  ist, 
dem  den  Besitz  ausübenden  Dritten  Vorschriften  zu  erteilen, 
wie  er  mit  der  Saohe  zu  verfahren  hat.  Die  Anzeige  des 
neuen  Erwerbers  kann  den  Mangel  des  Auftrages  von  Seite  des 
Veräusserers  nicht  ersetzen.  Eine  Anzeige  im  Sinne  des  Art.  201 
ist  aber  nach  der  Deposition  des  B.  nicht  erfolgt.  Allerdings 
bezeugt  B.,  dass  bei  der  Verhandlung  über  den  Kaufabschluß 
zwischen  A»  und  B.  der  erstere  dem  Käufer  mitgeteilt  habe, 
die  Fahrhabe  gehöre  dem  Kläger  C;  allein  darauf  kann 
nichts  ankommen;  denn  zur  Zeit,  da  diese  Mitteilung  geschah, 
war  ein  Verausserungsvertrag  zwischen  A.  und  G.  noch  gar 
nicht  abgeschlossen.  Der  Vertrag,  durch  welchen  dem  C. 
die  Forderung  auf  B.  und  angeblich  auch  das  Eigentum  der 
an  letzteren  verkauften  Sachen  abgetreten  wurde,  ist  erat 
später  abgeschlossen  worden  ;  es  kann  aber  die  in  Art.  201 
geforderte  Anzeige  erst  nach  Abschluss  des  Veräusserungs- 
vertrages  in  rechtsgültiger  Weise  vorgenommen  werden.  Es 
ist  sehr  wohl  möglich,  dass  damals  schon  der  Verkauf  der 
Gegenstände  an  C.  ins  Auge  gefasst  wurde;  allein  das  ist 
für  die  Frage,  ob  die  Anzeige  des  Art.  201  richtig  erfolgt 
sei,  ohne  Bedeutung;  zur  Zeit,  da  eine  Willenseinigung 
zwischen  A.  und  G.  über  die  Abtretung  des  Eigentums  noch 
nicht  zu  stände  gekommen  war,  konnte  eben  ein  Auftrag  des 
A.anR,  die  Sachen  für  0.  zu  besitzen,  der  Natur  der  Sache 
nach  noch  nicht  erteilt  werden.  Ein  Nach  weis  dafür,  dass  naoh 
Abschluss  des  Veräuaserungsvertrages  eine  Anzeige  von  Seite 
dea  A.  erfolgte,  ist  nicht  erbracht.  Mit  dem  Beweis  dafür, 
das«  die  Besitzesübertragung  richtig  erfolgt  sei,  kann  es  nicht 
leicht  genommen  werden,  insbesondere  in  einem  Falle,  wie 
der  vorliegende,  wo  es  sich  ganz  offenbar  um  eine  Macben- 
schaft handelte  zwischen  A.  und  seinem  Schwiegervater  C, 


119 

zum   Zwecke,    den    Gläubiger    W.    au    Verlust   kommen   zu 
lassen. 

Ist  aber  davon  auszugehen,  dass  der  Kläger  nie  Eigen- 
tum an  den  versteigerten  Gegenständen  erworben  hat  aus 
Mangel  an  einer  Besitzesübertragung,  so  ist  die  Eigentums- 
ansprache des  Klägers  an  dem  Erlöse  der  versteigerten  Ge- 
genstände zu  verwerfen.  (Blätter  f.  Zürcher.  Rechtsprechung,  t  S.  113.) 


63.  Pactum  reservati  dominii.  Interprétation  de t*art.  264  CO. 

Genève»  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  80  novembre  1901 
d.  1.  c.  Walter  c.  Taxe  municipale. 

Walter- Biondetti  a  revendiqué  des  marchandises  et  un 
agencement  de  magasin,  saisis  au  préjudice  d'un  sieur 
Haselbock,  à  la  requête  du  percepteur  de  la  Taxe  municipale. 
II  se  fonde  sur  un  acte  passé  entre  lui  et  Haselbock,  aux  termes 
duquel  il  avait  vendu  à  ce  dernier  les  objets  saisis  sous  la 
réserve  que  lui,  Walter,  aurait  seul  droit  sur  le  magasin 
jusqu'au  paiement  complet.  La  cour  Ta  débouté  de  sa  re* 
vendication  des  marchandises. 

Motifs:  Walter  soutient  que  les  marchandises  étaient, 
malgré  la  vente,  demeurées  sa  propriété,  en  vertu  d'un  pactum 
reservati  dominii  contenu  dans  le  contrat. 

La  clause  de  ce  contrat  sur  laquelle  il  se  base  est  ainsi 
conçue: 

„M. Haselbock  reprend,  par  achat,  pour  en  faire  comtneroe, 

les  articles  de  santé que  C.  Walter  avait  dans  «on 

dépôt.  M.  Haselbook  paiera  oette  marchandise  par  acomptes 
mensuels,  etc. 

M.  Walter  seul  a  droit  sur  le  magasin,  jusqu'au  paiement 
complet  et  ce  magasin  sera  restitué  à  M.  Walter  en  cas  d'in- 
solvabilité de  M.  Haselbook  (art.  264  G.  0.).« 

Il  en  résulte,  que  le  droit  que  Walter  s'est  réservé  n'est 
pas  un  droit  de  propriété  opposable  aux  tiers,  mais  seulement 
une  action  personnelle  en  répétition  de  la  chose  vendue. 

Il  existe  une  différence  essentielle  entre  le  pactum  re« 
servati  dominii  soit  la  clause  de  réserve  de  propriété  à  la- 
quelle prétend  Walter,  clause  par  laquelle  le  vendeur  se 
réserve  un  droit  réel  sur  la  chause  vendue,  et  la  clause 
prévue  à  l'art.  264  C.  0.  par  laquelle  le  vendeur  d'une  chose 
mobilière  se  réserve,  en  cas  de  non  paiement,  le  droit  de 
répéter  la  chose  contre  l'acheteur. 

Dans  le  premier  cas,  le  vendeur  a  une  action  opposable 
aux  tiers  et  peut,  s'il  7  a  saisie,  revendiquer  la  propriété;  dans 


120 

le  second,  le  vendeur  n'a  d'action  que  vis-à-vis  de  l'acheteur, 
action  en  résiliation  da  contrat  et  restitution  de  ce  qu'il  lui 
a  livré,  mais  son  action,  purement  personnelle,  ne  peut  s'exercer 
contre  les  tiers  étrangers  au  contrat. 

La  convention  passée  entre  W.  et  H.  ne  mentionne  pas 
de  réserve  de  propriété,  mais  seulement  la  réserve  d'un  droit, 
et  la  nature  de  ce  droit  est  précisée  par  renvoi  à  Fart.  264  C.O. 
Dans  ces  conditions,  W.  ne  peut  soutenir  qu'il  s'est  réservé 
la  propriété  des  marchandises  vendues,  mais  seulement  qu'il 
s'est  réservé,  en  cas  de  non  paiement,  le  droit  de  répéter, 
vis-à-vis  de  H.,  les  marchandises  (en  application  del'art.  264  U.O.). 

(La  Semaine  judiciaire,  XXIV  p.  44  8a.). 


64.  Pachtvertrag.  Rückgabe  der  Geschäftekundsame  frei 
Endigung  der  Pacht,  wiefern  möglich  ?    Art.  317  0.  R. 

St«  Gallen.    Urteil  des  Kantonsgericht»  vom  13.  November  1901. 

Der  Wirt  B.  verpachtete  dem  Milchler  L.  sein  Milchgeschäft 
(Milchbuch,  Kunden,  Lieferanten,  Utensilien)  auf  zwei  Jahre 
für  200  Franken  mit  der  Verpflichtung  des  L.,  nach  Ablauf 
der  Fachtzeit  dem  B.  „das  Geschäft  in  solchem  Zustande 
wieder  abzutreten,  wie  er  es  angetreten  habe  laut  Milch- 
buch." Als  B.  dann  das  Milchgeschäft  wieder  an  sich  nahm, 
erhielt  er  von  seinen  alten  Kunden  kaum  mehr  ein  Drittel.  L. 
hatte  seinen  Kunden  gesagt,  er  fange  ein  eigenes  Geschäft 
an,  wer  von  ihnen  die  Milch  fortan  wieder  von  B.  beziehen 
wolle,  möge  es  thun;  wer  dies  nicht  wünsche,  könne  sie 
auch  künftighin  von  ihm  (L.)  haben«  Als  B.  die  Kunden 
besuchte,  Hess  ihn  L.  vorausgehen  und  fragte  die  Kunden 
erst  nachher,  ob  sie  die  Milch  von  ihm  oder  von  B.  beziehen 
wollen. 

L.  fing  nun  wirklich  ein  eigenes  Milchgeschäft  an,  wurde 
aber  von  B.  für  1600  Franken  Schadenersatz  belangt,  da  er 
vertragswidrig  das  Geschäft  nicht  mit  den  früheren  Kunden 
zurückgegeben,  das  im  Pachtvertrag  implicite  enthaltene 
Konkurrenzverbot  übertreten  und  sich  der  illoyalen  Konkurrenz 
schuldig  gemacht  habe. 

Die  Klage  wurde  abgewiesen. 

Gründe:  Durch  die  im  Vertrage  enthaltene  Verweisung 
auf  das  Milchbuch  ist  allerdings  auf  das,  was  man  unter  Ab- 
tretung der  Kundschaft  versteht,  hingewiesen.  Eine  solche 
Abtretung  ist  nun  aber  nicht  eine  Abtretung  von  Rechten 
auf  die  Kundschaft,  weil  der  Abtretende  selber  keine  Rechte 
auf  die  Kundschaft  als   solche  bat,   es  wäre  denn,  dass  ein 


121 

privatreohtlioher  Vertrag  des  Abtretenden  mit  den  einzelnen 
Kunden  bestände,  was  hier  nicht  zutrifft.  Wenn  mit  einem 
Geschäfte  die  Kundschaft  mit  veräussert  wird,  so  kann  dies 
nur  die  Bedeutung  haben,  dass  der  Veräusserer  dein  Erwerber 
die  Kundschaft,  das  Kundenbuch,  die  Korrespondenz  mit  der- 
selben, die  Art  des  Verkehrs,  die  Preise,  den  Bedarf  und 
dergl.  zur  Kenntnis  zu  bringen  sich  verpflichtet 

Nun  geht  aber  aus  der  Sachdarstellang  beider  Parteien 
und  den  Akten  hervor,  dass  L.  den  B.  am  Tage  der  Auf- 
lösung des  Pachtverhältnisses  bei  der  Kundschaft  vorsprechen 
Hess  und  dieselbe  nicht  verheimlichte.  Eine  weitergehende 
Verpflichtung  hatte  L.  nicht;  speziell  ist  ihm  mit  dem  Pacht- 
verträge weder  ausdrücklich  noch  nach  den  Verumständungen 
verboten  worden,  den  Kunden  des  B.  Milch  zu  liefern. 

Aus  der  Ueberlassung  eines  entsprechenden  Entgeltes 
könnte  zwar  auf  ein  Konkurrenzverbot  geschlossen  werden; 
ein  Entgelt  hat  aber  hier  nicht  der  angeblich  durch  ein  Kon- 
kurrenzverbot verpflichtete  L.,  sondern  umgekehrt  B.  erhalten, 
der  überdies  weder  behauptet  noch  beweist,  dass  der  Pacht- 
zins von  200  Franken  etwa  mit  Rücksicht  auf  ein  Konkur- 
renzverbot für  L.  niedriger  als  sonst  gestellt  worden  sei.  Aus 
diesen  Gesichtspunkten  kann  auch  von  illoyaler  Konkurrenz 
nicht  die  Rede  sein. 

(Entoch.  d.  Kantonsgerichts  d.  Kt.  St.  Gallen  i.  J.  1901,  S.  41  f.) 


65.  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb.  Ob  Arbeit  im  Zu- 
sammenhange mit  dem  Fabrikbetriebe  1  Art.  3  und  4  des  0.-6. 
über  Ausdehnung  der  Haftpflicht  vom  26.  April  1887. 

Basel-Stadt.  Urteil  des  Appellationsgerichta  vom  12.  Mai  1902 
i.  S.  Wwe.  Haller  c.  Manger. 

Joseph  Haller,  von  Beruf  Maler,  war  bei  £.  Manger  in 
dessen  Butter  siederei  zum  Anstreichen  der  Töpfe,  worin  die 
Erzeugnisse  der  Buttersiederei  gefüllt  wurden,  angestellt. 
Als  Manger  die  Fassade  seines  auf  dem  gleichen  Areal  mit 
dem  Fabrikgebäude  stehenden  Wohnhauses  neu  anstreichen 
lassen  wollte,  verwendete  er  zu  dieser  Arbeit  (nach  seiner 
Angabe  auf  Gesuch  des  Haller  selbst)  diesen  seinen  Ange- 
stellten, der  dabei  von  einer  Leiter  herabfiel  und  den  Tod 
fand.  Die  Witwe  klagte  auf  Grund  des  erweiterten  Haft- 
pflichtgesetzes auf  Schadenersatz.  Ein  Verschulden  des  Be- 
klagten hat  sie  selbst  nicht  behauptet,  sondern  bloss  Zufall 
als  Ursache  des  Unfalls  angenommen.  Der  Beklagte  bestritt 
die  Anwendbarkeit  des  Haftpflichtgesetzes.    Die  erste  Instanz 


122 

hielt  dieses  Gesetz  fur  massgebend,  weil  das  Wohnhaus  auch 
die  Geschäftsbureaux  enthalte  und  mit  dem  Fabrikgebäude 
eine  einheitliche  Liegenschaft  bilde,  und  der  Verunglückte 
zu  allen  in  den  Bereich  des  Malerberufes  fallenden  Arbeiten 
irgendwelcher  Art,  Reparaturen,  Ausbesserungen  an  Immo- 
bilien und  Mobilien  des  Geschäftsinventars  und  dergl.  stets 
verwendet  worden  sei,  und  unter  diesen  Umständen  auch 
der  für  einen  ordentlichen  Geschäftsbetrieb  notwendige  An- 
strich der  Fassade  eines  die  Bureaux  bergenden  Wohnhauses 
des  Dien8therm  unter  Art.  3  des  Gesetzes  falle.  Das  Appel- 
lationsgericht hielt  diese  Auffassung  für  nicht  zutreffend  und 
wies  die  Klage  ab. 

Gründe:  In  erster  Linie  ist  von  dem  Beklagten  bean- 
standet, dass  der  Unfall  dem  Verunglückten  in  Ausübung 
des  unter  dem  Haftpflichtgesetze  stehenden  Gewerbes  oder 
auch  nur  in  einer  mittelbar  mit  dem  Fabrikbetriebe  in  Zu- 
sammenhang stehenden  Dienstverrichtung  oder  bei  einer 
Hilfsarbeit  (Art.  3  und  4  des  erweiterten  Haftpflichtgesetzes) 
zuge8tossen  sei.  Die  Gründe,  die  für  die  Anwendung  der 
Haftpflichtgesetze  auf  den  heutigen  Fall  angeführt  und  auch 
im  erstinstanzlichen  Urteile  adoptiert  worden  sind,  können 
nicht  als  stichhaltig  gelten.  Die  ungleiche  Behandlung  von 
Arbeitern,  die  den  gleichen  Gefahren  ausgesetzt  sind,  die  das 
Urteil  der  ersten  Instanz  vermeiden  will,  ist  eben  im  Gesetze 
begründet,  und  derselbe  Unfall,  der  einem  Arbeiter  im  Fabrik- 
betrieb und  einem  gewöhnlichen  Dienstboten  in  seinen  Dienst- 
verrichtungen zustösst,  hat  eben  für  beide  ganz  entgegen- 
gesetzte Wirkung.  Das  Fabrikhaftpfliohtgesetz  gewährt  keine 
Entschädigung  für  alle  Unfälle,  die  den  Arbeiter  in  irgend 
welcher  Dienstverrichtung  treffen,  sondern  nur  für  die  aus 
dem  speziellen  Fabrikbetrieb  entstehenden,  und  zwar  wegen 
der  damit  verbundenen  speziellen  Betriebsgefahren.  Das 
Bundesgesetz  über  Ausdehnung  der  Haftpflicht  hat  den  Kreis 
der  Dienstverrichtungen,  die  dieses  besonderen  Schutzes  teil- 
haftig sind,  wohl  erweitert,  aber  es  ist  doch  dabei  innerhalb 
der  Schranken  des  Prinzips  geblieben,  dass  es  sich  nur  um 
Schutz  des  Arbeiters  gegen  Betriebsgefahren  handelt,  denen 
er  in  dem  Gewerbe  mittelbar  oder  unmittelbar  ausgesetzt 
ist,  und  die  bundesgerichtliche  Praxis  hat  auch  demzufolge 
immer  daran  festgehalten,  dass  die  Arbeit,  bei  der  das  Un- 
glück erfolgt  sei,  einen  wenn  auch  entfernten  Rapport  zum 
Fabrikbetrieb  haben  müsse.  Vergi,  bes.  bundesger.  Entsch. 
XVI  S.  829  ff.  i.  S.  Burkhalter.  Nach  diesem  Masstabe  musa 
die  Dienstleistung,  bei  der  Haller  verunglückt  ist,  als  ausser- 


12$ 

halb    einer  Beziehung  zum  Fabrik  betrieb  stehend  angesehen 
werden*     Zwei  Beziehungen  wären  höchstens  denkbar: 

1.  dass  die  Arbeit  an  einem  Gebäude  erfolgt  ist,  das 
dadurch,  dass  es  ein  Bureau  für  das  Geschäft  in  sich  schliesst, 
dem  Geschäftsbetrieb  selbst  dient  und  zu  diesem  gehört 

2.  dass  die  Arbeit  derselben  Arbeitsgattung  angehört, 
für  die  er  im  Fabrikgeschäfte  angestellt  war. 

Aber  die  erste  Beziehung  ist  so  wenig  vorhanden  als 
die  zweite,  die  erste  nicht,  weil,  auch  wenn  der  kaufmännische 
Bureaubetrieb  im  Wohnhause  des  Beklagten  zu  dessen  Fa- 
brikbetriebe gehören  sollte,  was  sich  doch  kaum  sagen  lässt, 
doch  Anstreicharbeiten  an  diesem  Hause  nicht  ohne  Weiteres 
als  Betriebsarbeiten  oder  Hilfsarbeiten  des  Fabrikbetriebes 
oder  als  mittelbar  mit  ihm  zusammenhängend  erklärt  werden 
können;  die  zweite  nicht,  weil  das  Durchschlagende  nicht 
ist,  ob  die  dem  Verunglückten  aufgetragene  Arbeit  eine 
gleichartige  mit  der  ist,  für  die  er  angestellt  worden  war, 
sondern  ob  sie  dem  Geschäftsbetrieb,  für  den  die  Haftpflicht 
besteht,  direkt  oder  indirekt  dient.  Das  kann  man  in  vor- 
liegendem Fall  nicht  sagen.  Der  erforderliche  Connex  zwischen 
Fabrikbetrieb  und  Unfall  ist  somit  nach  keiner  Richtung  vor- 
handen, und  damit  ist  die  Anwendung  der  Haftpflichtgesetze 
ausgeschlossen.  Die  Klage  ist  nur  auf  das  Fabrikhaftpflicht- 
ge8eta,  bezw.  das  Gesetz  über  Erweiterung  der  Haftpflicht 
gestützt  worden;  sie  erklärt,  ein  Verschulden  des  Beklagten 
werde  nicht  geltend  gemacht,  sondern  bloss  Zufall  ange- 
nommen; von]  dem  dann  doch  gemachten  Vorbehalte,  auf 
die  Frage  des  Verschuldens  je  nach  dem  Standpunkt  der 
Klagbeantwortung  zurückzukommen,  ist  kein  Gebrauch  ge- 
macht worden;  es  liegt  somit  die  Frage  der  Haftpflicht  aus 
Art.  50  ff.  0.  ß.  ausser  Betracht,  und  daraus  folgt  die  gänz- 
liche Unhaltbarkeit  der  Klage.  (Direkte  Mitteilung.) 


66.  Ein  Verlustschein  ist  keine  die  Rechtsöffnung  recht- 
fertigende Urkunde,  wenn  keine  Anerkennung  der  Forderung 
durch  den  Schuldner  vorliegt.  Art.  82  B.  Ges.  über  Seh.  und  ff. 
Lasern.  (Entsch.  der  Justiz-Kommission  vom  27.  Mai  1899.) 
F.  B.  betrieb  den  V.  B.  für  eine  Forderung  von  412.  76 
Franken  und  verlangte  gegen  den  Rechtsvorschlag  des  V.  B. 
die  provisorische  Rechtsöffnimg  auf  Grund  einer  Bescheinigung 
der  Gerichtskanzlei  Seh.,  gemäss .  welcher  er  im  Konkurse 
des   V.  B.   mit   dieser   Summe   zu   Verlust   gewiesen  wurde. 


Ì24 

Der  Gerichtspräsident  von  W.  bewilligte  die  Rechtsöffnung, 
die  Justizkommis8ion  hob  sie  aber  auf  Beschwerde  des  V.  B.  auf. 
Gründe:  Der  Rekurrent  behauptet,  jene  Forderung  sei 
getilgt,  und  bestreitet  ausserdem,  dass  durch  die  aufgelegte 
Urkunde  die  Schuldanerkennung  festgestellt  sei.  Aus  der  Be- 
scheinigung der  Gerichtskanzlei  Seh.  geht  nicht  hervor,  das« 
der  Betriebene  bei  Durchführung  des  s.  Zt.  über  ihn  eröffneten 
Konkurses  die  jetzt  in  Betreibung  gesetzte  Forderung  anerkannt, 
d.  h.  nicht  bestritten  hat,  folglich  ist  in  derselben  keine  ur- 
kundliche Feststellung  der  Schuldanerkennung  enthalten  und 
deshalb  kann  auf  Grund  dieses  Aktes  die  provisorische  Rechts- 
öffnung nicht  bewilligt  werden. 

(Verhandl.  d. Obergerichts  u.  d. Jnstizkomm.  d.  Kt.  Lnzern  v.  J.  1899,  S.  71  f.) 


67.  Rechtsvorschlag  durch  Telephon  zulässig.  Art.  74  B.-G. 
vom  11.  Aprü  1889  über  Seh.  und  K. 

Bern«  Entgeh,  der  kantonalen  Aufsichtsbehörde  in  Scholdbetreibungs- 
und  Konknrssachen,  vom  2.  März  1901  i.  S.  Kaisner. 

Nach  Art.  74  des  B.-G.  über  Seh.  und  K.  ist  der  Rechts- 
vorschlag dem  Betreibungsamte  mündlich  oder  schriftlich  su 
erklären.  Ob  ein  durch  das  Telephon  erklärter  Rechtsvor- 
schlag  als  rechtsgültig  zu  betrachten  sei,  muss  prinzipiell 
bejaht  werden.  Denn  das  Telephon  übermittelt  die  Stimme 
auf  mechanischem  Wege  von  einem  Orte  an  den  andern  und 
es  ist  daher  eine  telephonische  Erklärung  einer  mündlichen 
gleichzuhalten.  Hieran  ändert  der  Umstand,  dass  bei  dem 
telephonischen  Gespräche  die  Feststellung  der  Identität  der 
Personen  bis  zu  einem  gewissen  Grade  erschwert  wird,  nichts, 
da  dies,  wenn  es  sich  um  eine  Person  handelt,  die  dem  Be- 
treibungsbeamten nicht  näher  bekannt  ist,  bei  deren  persön- 
lichem Erscheinen  auf  dem  Betreibungsamte  unter  Umständen 
ebenfalls  der  Fall  sein  kann.  Dagegen  muss  allerdings  dem 
Betreibungsbeamten  für  den  Fall,  dass  er  sich  über  die 
Identität  der  telephonierenden  Person  infolge  der  Schallüber- 
mittlung allein  nicht  vergewissern  kann,  das  Recht  zustehen, 
die  Annahme  einer  solchen  Mitteilung  von  der  Hand  zu 
weisen,  wie  es  ihm  überhaupt  nicht  zugemutet  werden  kann, 
am  Telephon  dem  Publikum  zur  Verfügung  zu  stehen«  Vor- 
liegend trifft  die  Befürchtung  des  Beschwerdeführers  nicht  zn, 
da  über  die  Identität  desjenigen,  der  den  Rechtsvorschlag 
telephonisch  erhoben  hat,  mit  dem  Schuldner  kein  Zweifel 
obwaltet.  (Zeitscbr.  d.  Bern.  Jur.-Ver.,  XXXVII  S.  543  f.) 


A.  Grundsätzliche  Entscheidungen  des  Bundesgerichts. 


68.  Bundesgesetz  über  die  Organisation  der  Bundesrechts- 
pflege vom  22.  März  1893,  Art.  59  Abs.  1.  Form  der  Berufung. 
Angabe  des  Streitwertes. 

Mit  Klage  vom  13»  September  1901  stellten  die  Kläger 
(Krau8s  und  Konsorten)  vor  dem  Handelsgericht  des  Kantons 
Zürich  das  Rechtsbegehren:  Es  sei  die  Beklagte  verpflichtet 
zu  erklären,  die  Bezeichnungen  „ Kinderwagenfabrik  Zürich44 
oder  „Aelteste  Kinderwagenfabrik  der  Schweiz"  in  ihren 
Firmaschildern,  Briefköpfen,  Annoncen  u.  s.  w.  wegzulassen, 
und  die  im  Handelsregister  eingetragene  Firma  „Kinder- 
wagenfabrik Zürich"  zu  löschen.  Die  Beklagte  Assfalg  be- 
antragte Abweisung  der  Klage,  und  stellte  eventuell,  für  den 
Fall  der  Gutheissung  der  Hauptklage,  im  Wege  der  Wider- 
klage das  Reohtsbegehren  :  Die  Kläger  und  Widerbeklagten 
seien  verpflichtet  zu  erklären,  auch  ihrerseits  die  Bezeichnung 
„Kinderwagenfabrik,"  wo  sie  immer  vorkomme,  in  ihren  ge- 
schäftlichen Reklamen,  Annoncen,  Plakaten,  Firmenschildern, 
Briefköpfen  und  dergl.  wegzulassen  und  wo  eine  solche  im 
Handelsregister  /eingetragen  sei,  sie  dort  zu  löschen.  Durch 
Urteil  vom  8.  November  1901  wies  das  Handelsgericht  des 
Kantons  Zürich  die  Klage  ab. 

Gegen  dieses  Urteil  ergriffen  die  Kläger  die  Berufung 
an  das  Bundesgericht  mit  dem  Antrag  auf  Gutheissung  ihrer 
Klage  und  Abweisung  der  Widerklage.  Ihrem  Rechtsbegehren 
fügten  sie  bei,  der  Streitwert  betrage  mehr  als  Fr.  2000. — , 
erreiche  aber  den  Betrag  von  Fr.  4000. —  nicht.  In  ihrer 
Antwort  auf  die  Berufungsschrift  beantragte  die  Beklagte 
Abweisung  der  Berufung,  eventuell  Gutheissung  auch  der 
Widerklage.  Sie  bestritt  die  Kompetenz  des  Bundesgerichts, 
da  der  von  den  Klägern  einseitig  auf  mehr  als  Fr.  2000.—, 
aber  weniger  als  Fr.  4000. —  angegebene  Streitwert  rein 
willkürlich  und  durch  nichts  begründet  sei. 

Das  Bundesgericht  ist  auf  die  Berufung  nicht  ein- 
getreten, im  wesentlichen  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Art.  59  Abs.  1  des  Org.-Ges.  bestimmt,  dass  die  Berufung 
in  Rechtsstreitigkeiten  über  vermögensrechtliche  Ansprüche 
nur  dann    zulässig  sei,    wenn  der  Streitwert  nach  Massgabe 

10 


126 

der  von  den  Parteien  in  Klage  und  Antwort  vor  dem  erst- 
instanzlichen kantonalen  Gericht  angebrachten  Rechtsbegehren 
mindestens  Fr.  2000.  —  betrage.  Schon  nach  dem  Wortlaut 
dieser  Bestimmung  ist  also  zur  formellen  Gültigkeit  einer 
Berufung  erforderlich,  dass  die  Parteien  in  ihren  vor  der 
ersten  kantonalen  Instanz  gestellten  Rechtsbegehren  die  Höhe 
des  Streitwertes  angeben.  Nur  wenn  dies  geschieht,  ist  der 
Präsident  des  Bundesgerichtes  in  die  Lage  versetzt,  sofort 
die  Zulässigkeit  der  Berufung  nach  dieser  Richtung  hin  prüfen 
zu  können  (Org.-Ges.  Art.  71  Abs.  1).  Bei  Schadensersatz  und 
ähnlichen  Ansprüchen  (wie  im  vorliegenden  Fall)  ist  es  aller- 
dings nicht  nötig,  den  Streitwert  genau  in  Ziffern  festzusetzen, 
allein  Art.  63  Ziff.  1  des  Org.-Ges.  schreibt  vor,  dass  dann 
in  der  Klage  schon  anzugeben  sei,  ob  der  geforderte  Höchst- 
betrag mindestens  Fr.  2000.  —  erreiche.  Auch  dies  haben  die 
Kläger  nicht  gethan. 

2.  Die  vom  Org.-Ges,  für  die  Form  einer  Berufung  auf- 
gestellten Vorschriften  sind  zwingenden  Rechts,  sie  sind  auch 
begründet  im  Interesse  einer  geordneten  Prozessfuhrung. 
Stünde  es  im  Willen  der  Parteien,  schon  in  der  Klage  einen 
Streitwert  anzugeben  oder  nicht,  so  wäre  ihnen  damit  die 
Freiheit  gegeben,  einer  Rechtsstreitigkeit,  die  ihrem  Streitwert 
nach  zur  Berufung  nicht  zulässig  ist,  je  nach  den  ihrer  Ansicht 
nach  bestehenden  Chancen  dadurch  die  Berufungsfähigkeit  zu 
erteilen,  dass  sie  erst  in  der  bundesgerichtlichen  Instanz 
den  Streitwert  auf  mindestens  Fr.  2000. —  festsetzen.  Und 
ausserdem  träte  nach  dem  Belieben  der  Parteien  das  münd- 
liche oder  schriftliche  Verfahren  vor  Bundesgericht  ein,  je 
nachdem  diese  als  Streitwert  Fr.  2000. —  bis  Fr.  4000. —  oder 
einen  höhern  Betrag  in  der  Berufungsschrift  festzusetzen  sich 
entschlössen.  Ein  solches  Prozessverfahren  steht  aber  mit  der 
Notwendigkeit  einer  geordneten  und  raschen  Abwicklung  der 
Berufungen  nicht  im  Einklang  und  liegt  am  allerwenigsten 
im  Interesse  der  Parteien  selbst.  (Entsch.  v.  19.  April  1902 
i.  S.  Kraus8  und  Konsorten  c.  Assfalg.) 


69.  Art.  16  0.  R.  Vertragsauslegung.  Bedeutung  der  lieber- 
bindung  des  Eides  über  den  Sinn  eines  Vertrages  mit  Schadlos- 
hallungsver sprechen.  Folgen  für  die  Stellung  des  BundesgerichU. 
Bedeutung  des  Ausdruckes  „Haßung  für  Verluste  dei'  Gesellschaft*; 
bezieht  er  sich  auch  auf  die  Einlage  des  Geseüschaflerst 

Am  18.  August  1898  stellte  der  Beklagte  Alois  Benz 
folgende  Erklärung  aus:    „Le  soussigné  Alois  Benz  père  co- 


127 

Jone!  demeurant  à  St-Gall,  Suisse,  déclare,  par  ces  présentes, 
se  porter  garant  et  répondant  solidaire  de  Monsieur  Jean  Benz 
-fils  envers  M.  Sutter,  qui  accepte,  tant  dés  marchandises  qui 
seront  envoyées  par  ce  dernier  à  la  maison  de  Taris  pour  le 
compte  de  la  société  J.  Benz  &  Cie,  formée  entre  M.  Sutter 
et  M.  Benz  fils,  —  pour  le  commerce  de  broderies  mé- 
caniques, —  que  du  mobilier  et  du  matériel  de  cette  maison, 
mais  seulement  jusqu'à  concurrence  de  cinq  mille  francs.  — 
U  se  porte  en  outre  garant  envers  M.  Sutter  de  la  part  que 
<se  dernier  pourrait  avoir  à  supporter  dans  les  pertes  de  la 
société  constatées  par  l'inventaire  social  suivi  de  la  dissolution 
de  la  société,  toujours  aussi  jusqu'à  concurrence  de  oinq  mille 
francs.  Les  sommes  qui  pourraient  être  dues  par  Monsieur 
Benz  père,  en  vertu  des  présentes,  seraient  payées  à  Monsieur 
Sutter,  aussitôt  qu'elles  seraient  déterminées."  (Datum  und 
Unterschrift.)  Der  Erklärung  ist,  mit  Unterschrift  des  Be- 
klagten, beigefügt:  „Bon  pour  cautionnement,  mais  seulement 
jusqu'à  concurrence  de  cinq  mille  francs  en  Umt.u  Der  Ge- 
sellschaftsvertrag, auf  welchen  diese  Erklärung  Bezug  nimmt, 
datierte  vom  19.  August  1898  und  enthielt  folgende  hier  we- 
sentliche Bestimmungen:  Die  aus  J.  Benz  Sohn  und  dem 
Kläger  F.  Sutter  gebildete  Gesellschaft  war  eine  Kollektiv- 
Gesellschaft  (Art.  1).  Das  G esel  Isohaftskapital  war  auf 
Er.  18,000.  —  festgesetzt,  wovon  Er.  12000.  —  die  Einlage  des 
Klägers,  Fr.  6000. —  diejenige  von  J.  Benz  bildeten  (Art.  6). 
Gemäss  Art.  11  war  jährlich  am  15.  Juli  ein  Inventar  über 
die  Aktiven  und  Passiven  der  Gesellschaft  aufzunehmen.  An 
Gewinn  und  Verlust  sollten  die  Gesellschafter  je  zur  Hälfte 
beteiligt  sein  (Art.  12  Abs.  1  und  2).  Art.  13  bestimmte 
unter  der  Ueberschrift  :  „dissolution  à  défaut  de  bénéfices 
ou  en  cas  de  pertes  :  Si  deux  inventaires  successifs  constataient 
qu'il  n'y  a  pas  de  bénéfices  ou  si  un  seul  inventaire  constatait 
une  perte  de  plus  de  trois  mille  francs,  chacun  des  associés 
pourrait  demander  la  dissolution  de  la  société,  mais  seulement 
dans  le  mois  de  la  clôture  de  l'inventaire.  —  Passé  ce  de- 
lai,  la  dissolution  de  la  société  ne  pourra  avoir  lieu  que  du 
consentement  des  deux  associés.  En  cas  de  dissolution  la 
liquidation  commencerait  immédiatement  et  serait  faite  par 
les  deux  associés."  Das  erste  Inventar,  das  am  31.  August 
1899  aufgenommen  wurde,  ergab,  unter  Einstellung  der  Ein- 
lagen der  Gesellschafter  (oder  des  Gesellschaftskapitals)  in 
die  Passiven,  einen  Ueberschuss  der  letztern  über  die  Aktiven 
im  Betrage  von  Fr.  19,160.55.  Unter  dem  11.  Januar  1900 
^vereinbarten  die  beiden  Gesellschafter  die  Auflösung  der  Ge~ 


128 

Seilschaft  unter  Bestellung  eines  Liquidators.  Das  Geschäft 
dar  Gesellschaft  J.  Benz  &  Gie  wurde  vom  Liquidator  au> 
gleichen  11,  Januar  1900  an  den  Gesellschafter  J.  Benz  ver- 
kauft, unter  Uebernahme  der  Aktiven  und  Passiven  der  Ge- 
sellschaft mit  privativer  Wirkung  betreffend  die  Passiven  für 
die  Gesellschaft,  und  unter  Festsetzung  des  Kaufpreises  auf 
den  Ueberschuss  der  Passiven  über  die  Aktiven  der  Gesell- 
schaft, festgestellt  auf  Er.  1112.85.  Das  vom  Liquidator  am 
31.  Januar  1900  aufgenommene  Inventar  zeigte  an  Aktiven 
Fr.  49,840.23,  an  Passiven,  unter  Einstellung  des  Gesellachafts- 
kapitals,  Fr.  68,953.10,  mithin  einen  Ueberschuss  der  Passiven 
von  Fr.  19,112.87.  Am  Tage  der  Inventuraufnahme  gründete 
J.  Benz  mit  M.  D.  Alusse  eine  neue  Kollektivgesellschaft 
unter  der  früheren  Firma  J.  Benz  &  Cie,  welche  das  frühere 
Geschäft  fortführte.  Infolge  dieser  Vorgänge  klagte  der 
Kläger  gegen  den  Beklagten  die  Fr.  5000. — ,  gestützt  auf  die 
Erklärung  vom  18.  August  1898,  ein. 

Der  Hauptstreit  im  Prozesse  beschlug  die  Auslegung  des 
Versprechens  des  Beklagten  vom  18.  August  1898.  Der 
Kläger  fasste  dasselbe  dahin  auf,  es  solle  auch  für  allfallig 
verloren  gehende  Kapitaleinlagen  gelten;  der  Beklagte  da- 
gegen machte  geltend,  es  sei  nicht  wahr,  dass  er  das  Ver- 
sprechen so  aufgefasst  habe,  dass  es  auch  fur  allfällig  ver- 
loren gehende  Kapitaleinlagen  des  Klägers  gelten  solle,  und 
bot  hierüber  den  Eid  an.  Ebenso  schob  der  Kläger  ihm  den 
Entlastungseid  hierüber  zu.  Das  Kantonsgericht  St.  Gallen 
(als  2.  Instanz)  überband  dem  Beklagten  den  ihm  vom  Kläger 
zugewiesenen  Entlastungseid  und  wies  nach  Leistung  des- 
selben die  Klage  ab.  Auf  Berufung  des  Klägers  hin  hat 
das  Bundesgericht  dieses  Urteil  aufgehoben  und  die  Klage 
gutgeheissen. 

Aus  den  Gründen:  Die  erste  ernstlich  zweifelhafte 
Frage  betrifft  die  Auslegung  der  Worte  „pertes  de  la 
société"  im  fraglichen  Garantieversprechen.  Ueber  den 
Sinn  dieser  Worte  streiten  sioh  die  Parteien,  indem  der 
Kläger  geltend  macht,  die  Haftung  des  Beklagten  habe 
sich  bezogen  auf  alle  Verluste,  die  ihn,  den  Kläger, 
treffen  können,  also  namentlich  auch  auf  die  Verluste  mit 
seiner  Gesellschaftseinlage,  —  der  Beklagte  dagegen  den 
Standpunkt  einnimmt,  die  Haftung  beziehe  sich  nur  auf  den 
die  Gesellschaftseinlage  bezw.  das  Gesellschaftskapital  über- 
steigenden Verlust.  Ueber  diese  Vertragsauslegung  hat  die 
Vorinstanz  auf  Antrag  des  Klägers  dem  Beklagten  den  so- 
genannten Entlastungseid  auferlegt  und  nach  Leistung  dieses 


129 

lEides,  einzig  gestützt  auf  ihn,  die  Klage  abgewiesen.  Bei 
«dieser  Sachlage  fragt  sich  nun  vor  allem,  inwieweit  diese 
Eidesleistung  das  Bandesgericht  zu  binden  vermag.  Und 
zwar  könnte  hier  vorerst  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob 
■nioht  wegen  der  dem  sogenannten  Schiedseid  innewohnenden 
Vergleichsnatur  die  Sache  als  weil  vom  Kläger  in  das  Ge- 
wissen des  Beklagten  gestellt  erledigt  angesehen  werden 
müsse.  Diese  Frage  bedarf  jedoch  keiner  weiteren  Erörterung, 
weil  der  sogenannte  Entlastungseid  der  st.  gallisohen  C.  P.O. 
gar  nicht  ein  Schiedseid,  sondern  eiri  Noteid,  der  allerdings 
-äusserlich  Aehnliohkeit  mit  dem  Schiedseid  hat,  ist;  denn 
seine  Rückschiebung  ist  unstatthaft,  und  er  ist  an  die  dem 
Schiedßeid  durchaus  fremde  Voraussetzung  des  Vorhanden- 
seins eines  halben  Beweises  geknüpft  (vergi,  über  die  Natur 
dieses  Eides:  Schur  ter,  Grundzüge  des  materiellen  Beweis- 
rechtes in  der  schweizer.  Civilprozessgesetzgebung,  S.  382  f.); 
als  Noteid  aber  wohnt  diesem  Entlastungseid  die  Vergleichs- 
natur, die  dem  Schiedseid  eigen  ist,  nicht  inne.  Im  weitern 
ist  sodann  das  Bundesgericht  allerdings  gebunden  an  das, 
was  der  Beklagte  beschworen  hat.  Das  ist  aber  einzig  die 
Meinung  oder  der  innere  Willen  des  Beklagten  bei  Aus- 
stellung des  Garantieversprechens,  und  nicht  mehr.  Das 
Bundesgericht  hat  also  davon  auszugehen,  dass  der  Beklagte 
in  der  That  die  von  ihm  beschworene  Meinung  über  die 
Tragweite  des  Garantieversprechens  gehabt  hat.  Damit  ist 
jedoch  das  Schicksal  des  Prozesses  nocht  nicht  entschieden; 
damit  dies  der  Fall  wäre,  müsste  vielmehr  dieser  Meinung 
des  Beklagten,  oder  seinem  inneren  Willen,  entscheidende 
Bedeutung  für  die  Auslegung  des  Garantieversprechens  zu- 
kommen. Diese  Bedeutung  kann  nun  der  genannten  That- 
saohe  nicht  beigelegt  werden;  auszulegen  ist  vielmehr  der 
erklärte  Wille,  und  auf  den  inneren  Willen  darf  nicht  ab- 
gestellt werden.  Und  zwar  ist  diese  Willensauslegung  nach 
der  neuern,  jetzt  durchaus  feststehenden  Praxis  des  Bundes- 
gerichts Rechts-  und  nicht  Thatfrage;  Thatfrage  ist  nur, 
was  auf  den  objektiven  Bestand  einer  Willenserklärung  Be- 
zug bat,  während  alles,  was  die  Tragweite,  den  Inhalt  des 
erklärten  Willens  betrifft,  zur  Rechtsfrage  gehört.  Indem  nun 
■die  Vorinstanz,  anstatt  selbständig  den  Inhalt  der  Urkunde 
auszulegen,  die  Meinung  des  Beklagten  über  diesen  Inhalt 
als  entscheidend  erklärt  und  somit  der  Eidesleistung  eine 
den  Prozess  entscheidende  Bedeutung  beigelegt  hat,  hat  sie 
-die  dem  eidgenössischen  Obligationenrecht  innewohnenden 
-Auslegungsgrundsätze  (vergi.  Art.  16  0.R.)  verletzt.     Sie  hat 


180 

ferner  damit  den  Grundsatz  verletzt,  dass  Eide  nur  über 
Thatsachen,  nicht  über  Rechtsverhältnisse  auferlegt  werden 
dürfen,  und  auoh  damit  einen  Eingriff  in  das  Gebiet  des 
eidgenössischen  Privat reohts  begangen. 

Das  Bundesgericht  führt  sodann  aus,  dass  eine  Bückweisung 
der  Saohe  an  die  Vorinstanz  zur  Auslegung  der  fraglichen  Ur- 
kunde nicht  notwendig  sei,  da  das  betreffende  Material  vollstän- 
dig vorliege,  und  nimmt  diese  Auslegung  selbst  wie  folgt    vor: 

Diese  Auslegung  hat  auszugehen  von  dem,  was  der  er- 
klärte Wille  seinem  Sinne  im  allgemeinen  nach  und  für  den 
Kläger  und  den  Beklagten  im  speziellen  bedeuten  murate; 
dabei  ist  vorauszuschicken,  dass  besondere  Abmachungen 
über  einen  speziellen  Sinn  nicht  erwiesen  sind.  Im  allge- 
meinen Geschäftsverkehr  und  nach  der  juristischen  Natur  der 
Kollektivgesellschaft  und  des  Verhältnisses  der  Gesellschafter 
zu  ihr  und  zu  Dritten  ist  nun  unter  „Verlust  der  Gesell- 
schaft" auch  der  Verlust,  der  die  einzelnen  Gesellschafter 
mit  ihren  Vermögensbeiträgen  betrifft,  verstanden;  vergi.  Art.  549 
Abs.  2  0.  R.,  wonach  die  Gesellschafter  dann,  wenn  das  ge- 
meinschaftliche Vermögen  nach  Tilgung  der  Schulden  und 
Ersatz  der  Auslagen  und  Verwendungen  nicht  ausreichend 
ist,  um  die  geleisteten  Vermögensbeiträge  zurückzuerstatten, 
das  fehlende  als  Verlust  zu  tragen  haben.  Der  Ausdruck 
^Verluste  der  Gesellschaft",  „pertes  de  la  société",  kann  nicht 
als  Gegensatz  zu  „Verluste  der  Gesellschafter",  „pertes  des 
associés",  verstanden  werden;  auch  der  Verlust  der  Vermögens- 
einlagen,  des  Gesellschaftsvermögens,  bedeutet  eben  einen 
Verlust  der  Gesellschaft.  Hätte  die  Haftung  auf  den  die 
Vermögenseinlage  übersteigenden  Verlust  beschränkt  werden 
wollen,  so  hätte  das  ausdrücklich,  durch  einen  Zusatz,  ge- 
sagt werden  sollen.  Auch  wäre  dann  die  Garantie  für  den 
Kläger  ohne  grosse  Bedeutung  gewesen;  als  das  natürliche 
ersoheint  vielmehr,  dass  er  sich  gerade  für  einen  Teil  seiner 
Einlage  sicher  stellen  wollte.  Mag  auoh  der  tiefere  Grand 
dieser  Regelung  in  Umständen  liegen,  die  aus  den  Akten 
nicht  hervorgehen,  so  ist  doch  jedenfalls  soviel  sicher,  das» 
nur  diese  Auslegung  dem  allgemeinen  Sprachgebrauch  und 
der  juristischen  Natur  der  Kollektivgesellsohaft  und  des  Ver- 
hältnisses der  Gesellschafter  zu  ihr  und  zu  Dritten  entspricht^ 
und  da 88  auch  diese  Regelung  ihren  guten  Grund  und  ver- 
nünftigen Sinn  hat,  während  die  entgegengesetzte,  rom  Be- 
klagten vertretene,  als  höchst  künstlioh  erscheint  und  für 
den  Kläger  von  geringer  Bedeutung  wäre.  (Entsch.  ron* 
16.  Mai  1902  i.  S.  Sutter  o.  Benz.) 


181 

70.  Handlungsfähigkeit  der  (verheirateten)  Handelsfrau. 
Art.  34  und  35  0.  R.  „Geschäfte,  welche  zu  dem  regelmässigen 
Betriebe  dieses  Berufes  oder  Gewerbes  gehören11. 

Durch  Kaufvertrag  vom  24.  Januar  1901  verkaufte 
J.  Salberg  an  die  Firma  J.  Stapfer,  Bauunternehmer,  in  Alt- 
8tettenr  einen  Schuldbrief  im  Kapitalbetrage  von  Fr.  10,000 
samt  laufenden  Zinsen  auf  Th.  W.  in  Zürich.  Dieser  Schuld- 
brief war  ausgestellt  worden  für  einen  Kaufschillingsrest, 
welchen  W.  dem  J.  Salberg  aus  dem  Verkaufe  einer  Bau- 
parzelle an  der  Waffenplatzstrasse  in  Zürich  II  schuldete, 
und  war  durch  Pfandrecht  zweiten  Ranges  unter  Vorgang  von 
Fr.  37,000  auf  diese  Bauparzelle  sichergestellt.  Als  Kaufpreis 
war  festgestellt  worden  eine  Summe  von  Fr,  2500.  Inhaberin 
der  Firma  J.  Stapfer  ist  Frau  Josephine  Stapfer-Studhalter  ; 
der  Ehemann  der  Firmainhaberin,  J.  H.  Stapfer,  ist  Prokurist 
dieser  Firma  und  als  solcher  im  Handelsregister  eingetragen. 
Bei  dem  Kaufvertrag  über  den  fraglichen  Schuldbrief  handelte 
namens  der  Firma  J.  Stapfer  der  genannte  Prokurist  und  Ehe- 
mann der  Firmainhaberin,  J.  H.  Stapfer,  welcher  den  Kauf- 
vertrag auch   unterzeichnete. 

Als  nach  Eintritt  des  vertraglichen  Fälligkeitstermin» 
(1.  Oktober  1901)  der  Verkäufer  Salberg  Zahlung  des  Kauf- 
preises  von  Fr.  2500  für  den  Schuldbrief  von  Fr.  10,000  ver- 
langte, bestritt  die  Beklagte  Stapfer  die  Verbindlichkeit  des 
Kaufvertrages  vom  24.  Januar  1901,  da  der  Prokurist  zum 
Ab8ohlus8  eines  solchen  Geschäftes  nicht  berechtigt  gewesen 
sei.  Beide  kantonalen  Instanzen  wiesen  die  Klage  ab.  Das 
Bundesgericht,  an  welches  der  Kläger  die  Berufung  er- 
griff, hat  sie  dagegen  gutgeheissen  mit  wesentlich  folgender 
Begründung: 

Im  Gegensatz  zur  ersten  Instanz  hat  das  Obergericht 
angenommen,  dass  der  Prokurist  den  Firmainhaber  bei  dem 
hier  in  Frage  stehenden  Geschäfte  reobtsgültig  vertreten 
konnte  ohne  besondere  Vollmacht,  da  eine  Vereinbarung,  wie 
sie  hier  in  Frage  stehe,  nach  Lage  der  Verhältnisse  zu  den- 
jenigen Geschäften  gehöre,  welche  der  Zweck  eines  Bau- 
geschäftes mit  sich  bringen  könne.  Dagegen  hätte  die  Be- 
rufungsbeklagte in  ihrer  Eigenschaft  als  Handelsfrau  ein 
solches  Geschäft,  da  dasselbe  nicht  zum  regelmässigen  Be- 
triebe eines  Baugeschäftes  gehöre,  nach  Massgabe  des 
zürcherischen  Rechtes  nur  mit  Mitwirkung  eines  ausserordent- 
lichen Vormundes  abschliessen  können,  und  da  eine  solche 
Mitwirkung  nicht  erfolgt  sei,  und  der  Prokurist  sie  nur  so- 
weit vertreten   konnte,   als  sie  selbst  handlungsfähig  sei,   so 


132 

müsse  das  Geschäft  aus  diesem  Grunde  für  sie  unverbindlich 
erklärt  werden. 

Was  vorab  die  Frage  betrifft,  ob  die  Berufangs- 
beklagte  selber  —  von  der  Vollmacht  ihres  Prokuristen  ganz 
abgesehen  —  sich  durch  den  Kaufvertrag  vom  24.  Januar 
1901  binden  konnte,  so  ist  von  dem  in  Art.  7  des  Bundes- 
gesetzes betreffend  die  persönliche  Handlungsfähigkeit  vor- 
behaltenen Art.  35  in  Verbindung  mit  Art.  34  0.  R.  aus- 
zugehen, wonach  eine  Ehefrau,  die  mit  Einwilligung  ihres 
Ehemannes  einen  Beruf  oder  ein  Gewerbe  selbständig  be- 
treibt, aus  denjenigen  Geschäften,  welche  „zu  dem  regel- 
mässigen Betriebe  dieses  Berufes  oder  Gewerbes" 
gehören,  mit  ihrem  ganzen  Vermögen  haftet. 

Bei  der  Interpretation  dieser  Bestimmung  ist  zunächst 
festzustellen,  was  unter  dem  Ausdruck  „dieses  Berufes  oder 
Gewerbes"  zu  verstehen  sei:  ob  nämlich  der  Betrieb  des  von 
der  Handelsfrau,  um  die  es  sich  in  concreto  handelt,  geleiteten 
Geschäftes  ins  Auge  gefasst  werden  müsse,  oder  aber  der 
Normalbetrieb  aller  derjenigen  Geschäfte,  die  mit  dem  Ge- 
schäfte der  betreffenden  Handelsfrau  in  eine  und  dieselbe 
Rubrik  zu8ammengefa8st  werden  können,  mit  andern  Worten 
ob  es  im  vorliegenden  Falle  auf  den  Normalbetrieb  eines 
Bauge8ohäftes  oder  aber  auf  den  Betrieb  des  von  der 
Berufungbeklagten  geleiteten  Baugeschäftes  an- 
komme. 

Diese  Frage  ist  zweifellos  in  dem  Sinne  zu  beantworten, 
das8  auf  die  besondern  Verhältnisse  der  betreffenden  Firma 
Rücksicht  zu  nehmen  ist.  Denn  alle  Rubrioierungen  der  ver- 
schiedenen Berufe  und  Gewerbe  würden,  weil  stets  mehr  oder 
weniger  konventionell,  in  die  Interpretation  des  hier  anzu- 
wendenden Gesetzesartikels  Elemente  hineinbringen,  die  dem 
Gesetze  fremd  sind.  Was  z.  B.  die  Baugeschäfte  betrifft,  so 
würde  die  Gesetzesanwendung  davon  abhängig  gemacht  wer- 
den, ob  man  einen,  zwei  oder  mehrere  Typen  von  Bau* 
geschäften  annehmen  wollte,  was  natürlioh  nicht  im  Sinne 
des  Gesetzgebers  kann  gelegen  haben. 

Ist  demnach  zu  untersuchen,  was  für  Operationen  und 
Transaktionen  in  den  Rahmen  des  von  der  Berufungs- 
beklagten betriebenen  Baugeschäftes  gehören,  so  er- 
giebt  sich,  dass  sie  Eigentümerin  mehrerer  Liegenschaften 
ist  und  daher  ihr  Gewerbe  auf  spekulativem  Fusse  betreibt. 
Sie  hatte  auf  die  Erwerbung  der  hier  in  Betracht  kommen- 
den Liegenschaft  nur  deshalb  verzichtet,  weil  sie  bereits 
genug  Liegenschaften    besitze,    weil    die  Finanzierung   nicht 


133 

gesiohert  war  und  weil  eine  Geldkrisis  bestand,  deren  Ende 
damals  noch  nicht  abzusehen  war.  In  Anbetracht  dieser  Um- 
stände ist  es  klar,  dass  die  Berafungsbeklagte  ihr  Bau- 
geschäft auf  einem  Fusse  betreibt,  bei  dem  z.  B.  der  An- 
und  Verkauf  von  Liegenschaften  nichts  aussergewöhnliches 
ist.  Es  sind  daher  diese  Operationen  —  wenn  auch  nicht 
als  zum  normalen  Betriebe  aller  Baugeschäfte  oder  des 
Baugewerbes  in  abstracto  gehörig  —  so  doch  jedenfalls 
als  innerhalb  des  Rahmens  des  von  der  Berufungs- 
beklagten betriebenen  Baugeschäftes  liegend  zu  eraohten. 
Gehört  aber  der  An-  und  Verkauf  von  Liegenschaften  in 
•das  Ressort  der  beklagten  Firma,  so  kann  es  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  in  gleicher  Weise  auch  alle  diejenigen 
Transaktionen  in  dasselbe  gehören,  welche  bei  gewerbsmässiger 
Ausführung  solcher  Liegenschaften-  und  verkaufe  häufig,  vor- 
kommen und  oft  nicht  zu  umgehen  sind,  wie  Ausstellung, 
Uebernahme  und  Cession  von  Schuldbriefen,  Bürgschaften 
und  dergleichen. 

Das  der  Klage  zu  Grunde  liegende  Rechtsgeschäft, 
<ier  Ankauf  des  der  Hypothek  der  Käuferin  vorgehenden 
Schuldbriefes  von  nominell  Fr.  10,000  zum  Preise  von  Fr«  2500, 
kann  einerseits  als  zweckmässige  Vorbereitungshandlung  zu 
-einem  Ankaufe  der  noch  nicht  fertig  überbauten  und  daher 
für  ein  Baugeschäft  Interesse  bietenden  Liegenschaft  be- 
trachtet werden,  und  anderseits  war  dieser  Titelkauf  mit 
Rücksicht  auf  die  Fr.  48,000  betragende  amtliohe  Schätzung 
der  Liegenschaft  geeignet,  der  Berufungsbeklagten  für  ihre 
dem  angekauften  Schuldbriefe  nachstehende  Bauvertrags- 
forderung Deckung  zu  verschaffen.  Von  beiden  Gesichts- 
punkten aus  betrachtet  stellt  sich  der  Vertrag  vom  24.  Januar 
1901  als  eine  durch  den  gewöhnlichen  Betrieb  des  Baugeschäftes 
der  Beklagten  herbeigeführte  Transaktion  dar. 

Dass  nun  aber  auf  eine  solche  durch  den  gewöhnlichen 
und  regelmässigen  Betrieb  eines  Baugesohäftes  herbei- 
geführte Operation  die  Bestimmungen  der  Art.  34  und  35 
0.  R.  anwendbar  sind,  mit  andern  Worten,  dass  von  der- 
selben gesagt  werden  kann,  sie  gehöre  zu  dem  regel- 
mässigen Betriebe  dieses  Geschäftes,  ergiebt  sich,  wenn 
auch  nicht  ohne  weiteres  aus  dem  Wortlaut  des  angeführten 
Art.  84,  so  doch  jedenfalls  aus  der  nicht  zu  verkennenden 
ratio  legis.  Denn  bei  der  Bestimmung  des  Urafanges  der 
ehemännlichen  Einwilligung  zum  Geschäftsbetrieb  sollte  es 
offenbar  nicht  auf  die  numerisohe  Frequenz  einer  bestimmten 
Art  von  Rechtsgeschäften,  sondern  auf  ihre  ökonomische  oder 


134 

kaufmännische  Bedeutung  und  ihre  Beziehungen  zum  Haupt* 
geschäftsbetriebe  ankommen.  Damit  also  ein  Rechtsgeschäft 
als  ein  berufliches  oder  gewerbliches  im  Sinne  des  Art.  34  cit. 
erscheine,  ist  nicht  nötig,  dass  dasselbe  regelmässig 
wiederkehre,  sondern  bloss,  dass  es  ein  durch  den  regel- 
massigen  Betrieb  des  betreffenden  Berufes  oder  Gewerbes 
herbeigeführtes  sei. 

Diese  Auffassung  findet  eine  fernere  Stütze  in  dem  fran- 
zösischen und  namentlich  im  italienischen  Text  des  mehr- 
erwähnten Art.  34  O.E.  (vergi,  die  Ausdrucksweise:  per  le 
obbligazioni  derivanti  dal  regolare  esercizio  etc.),  sowie 
auoh  in  der  Entstehungsgeschichte  der  Art.  34  und  35. 

In  Eioks  Entwurf  von  1875,  und  ebenso  im  Kommissions- 
entwurf von  1876/7  hatte  die  betreffende  Stelle  gelautet 
(Art.  8):  „  . .  .  diejenigen  Geschäfte,  welche  jene  Person  mit 
Rücksicht  auf  den  Beruf  oder  das  Gewerbe  abschliesst." 
Dafür,  dass  bei  der  Ersetzung  dieses  Wortlautes  durch  den 
heute  vorliegenden  die  Haftbarkeit  der  Handelsfrau  habe 
eingeschränkt  werden  wollen,  fehlen  jegliche  Anhaltspunkte. 
Im  Gegenteil  ist  hier  auf  die  Botschaft  des  Bundesrates 
vom  27.  November  1879  zu  verweisen,  woselbst  ausgeführt 
wurde:  „Duroh  diese  Bestimmungen  der  Art.  40  und  41  (heute 
34  und  35)  wird  sehr  tief  in  das  kantonale  Recht  einge- 
schnitten       Dessenungeachtet  glauben  wir  die  Annahme 

der  Art.  40  und  41  dringend  empfehlen  zu  sollen Auch 

kann  nur  durch  einen  derartigen  tiefgreifenden  Einschnitt 
in  das  kantonale  Recht  Täusohungen  und  Beschwindelungen 
derjenigen  wirksam  entgegengetreten  werden,  welche  mit 
solchen  Personen,  auf  die  Zustimmung  des  Ehemannes  oder 
Vertreters  vertrauend,  sich  in  geschäftliche  Beziehungen  ein- 
lassen« (vergi.  BB1.  1880,  Bd  I  S.  49).  Da  sonach  die  Be- 
klagte persönlich  die  Fähigkeit  zum  Abschlüsse  der  der  Klage 
zu  Grunde  liegenden  Kaufverträge  besitzt,  ist  die  Klage  gut 
zuheissen.  (Entsch.  v.  26.  April  1902  i.  S.  Salberg  cStapfer.)1) 


71.  Haltung  des  Staates  für  schuldhafte  Handlungen  ron 
Beamten  und  Behörden.  Bandesrecht  und  Kantonalrecht.  Art.  64 
Abs.  1,  Art.  76  0.  R. 

Ueber  das  Verhältnis  des  Bundesrechts  zum  Kantonal- 
recht in  der  angedeuteten  Materie  hat  sich  das  Bundesgericht 
in  seinem  Entscheide  ausgesprochen: 

»)  Kritik  dieses  Urteils  (von  Wä.)  in  Bl.  f.  zürch.  Rspr.  I,  S.  260. 

(Die  Red.) 


135- 

Bezüglich  der  von  Amts  wegen  zu  prüfenden  Frage,  ob 
das  Bundesgericht  zur  Beurteilung  des  vorliegenden  Rechts- 
streites kompetent  sei,  ist  davon  auszugehen,  dass  nach 
Art.  76  O.  R.  die  Entstehung  von  Schuldverpflichtungen  au* 
Gründen  des  öffentlichen  Rechtes  nicht  durch  das  Bundes- 
gesetz über  das  Obligationenreoht,  sondern  duroh  kantonale 
oder  diesbezügliche  andere  Bundesgesetze  geregelt  wird. 

Im  vorliegenden  Falle  ist  nicht  bestritten,  dass  es  sioh 
um  die  Entstehung  einer  Schuldverpflichtung  aus  Gründen  de* 
öffentlichen  Rechtes  handelt,  und  dass  die  Frage,  ob  der 
Staat  für  Schaden,  den  seine  Beamten  in  Ausübung  ihrer 
amtlichen  Verrichtungen  verursachen,  verantwortlich  sei,  nach 
Massgabe  des  kantonalen  Rechtes  zu  beurteilen  ist.  Dagegen 
wird  geltend  gemacht,  es  sei  —  von  dieser  Frage  abgesehen  — 
in  allen  übrigen  Punkten,  insbesondere  für  die  Beurteilung 
des  Verschuldens  und  des  Kausalzusammenhangs,  sowie  für 
die  Bemessung  des  Schadens,  das  schweizerische  Obligationen- 
recht massgebend.  Denn  die  in  einem  kantonalen  Gesetze 
enthaltene  Bestimmung,  durch  welche  der  Staat  für  die  Amts- 
handlungen seiner  Beamten  verantwortlich  erklärt  wird,  sei 
lediglich  eine  von  den  Bestimmungen  des  schweizerischen 
Obligationenrechts  „abweichende  Bestimmung"  im  Sinne  von 
Art.  64  O.R.  ;  von  dieser  abweichenden  Bestimmung  abgesehen,, 
bleibe  es  bei  den  Bestimmungen  des  Obligationenrechts. 

Dieser  Auffassung  kann  nicht  beigetreten  werden.  Das 
schweizerische  Obligationenrecht:  enthält  über  die  Verant- 
wortlichkeit des  Staates  für  nichtgewerbliche  Verrichtungen 
seiner  Beamten  gar  keine  Bestimmung,  so  dass  weder  von 
„abweichenden"  kantonalen  Bestimmungen,  noch  von  einer 
Anwendung  des  Obligationenreoht«  in  Ermangelung  solcher 
abweichenden  Bestimmungen  des  kantonalen  Rechtes  ge- 
sprochen werden  kann.  Vielmehr  wird  die  Verantwortlich- 
keit des  Staates  für  seine  Beamten,  weil  auf  Gründen  dea 
öffentlichen  Rechtes  beruhend,  nach  Art.  76  0.  R.  ausschliess- 
lich durch  das  kantonale  Recht  oder  allfällige  spezielle  Be- 
stimmungen anderer  Bundesgesetze  geregelt.  Art.  64,  welcher 
von  „abweichenden  Bestimmungen u  des  kantonalen  Rechtes 
spricht,  bezieht  sich  denn  auch  keineswegs  auf  die  Haftpflicht 
des  Staates,  sondern,  wie  namentlich  aus  dem  französischen  Text 
dieses  Artikels  unzweideutig  hervorgeht,  lediglich  auf  die  Ver- 
antwortlichkeit der  fehlbaren  Beamten  und  Angestellten  selber. 

Giebt  es  somit  in  Bezug  auf  die  Frage,  ob  und  in  welchem 
Umfange  ein  Kanton  tür  eine  bestimmte  fehlerhafte  Amts- 
handlung eines  seiner  Beamten  oder  Angestellten  ausserkon- 


136 

traktlich*  in  Anspruoh  genommen  werden  könne,  keinerlei  eid- 
genössisches Recht,  sondern  untersteht  diese  ganze  Materie 
dem  kantonalen  Hechte,  so  ist  das  Bandesgericht  als  Be- 
rufungsinstanz zur  Behandlung  einer  gegen  den  Staat  gerich* 
teten  Verantwortlichkeitsklage  sogar  dann  nicht  kompetent, 
wenn  die  prinzipielle  Haftpflicht  des  Staates  für  schuldhafte 
Amtshandlungen  seiner  Beamten  und  Angestellten  mit  Rück- 
sicht auf  die  kantonale  Gesetzgebung  unbestritten  ist.  (Entsch. 
v.  26.  April  1902  i.  S.  Stöckli  c.  Baselstadt.) 


72.  Klage  nuf  Verurteilung  des  Beklagten  zu  denjenigen  Mass- 
nahmen hinsichtlich  Anlage,  Unterhalt  und  Betrieb  in  seinen  Fabri- 
JcatioHseinrichtungen,  welche  erforderlich  seien  y  um  weitere  Störungen 
des  Klägers  in  der  Benutzung  seines  der  Fabrik  benachbarten 
Grundstückes,  sowie  weitere  Beschädigungen  desselben  abzuwen- 
den, —  und  auf  Ersatz  des  bisher  entstandenen  Schadens.  Art.  67 
u.  68  0.  A.  Verhältnis  dieser  Bestimmungen  zum  (kantonalen) 
Nachbarrecht;  Tragweite. 

Der  Kläger  R.  ist  Eigentümer  eines  Grundstückes  in 
Thuo,  auf  dem  sich  ein  Wohnhaus  und  eine  Schreinerwerk- 
.statte  befinden.  Der  Beklagte  S.  betreibt  auf  einem  dem 
-Grundstücke  des  Klägers  benachbarten  Grundstück  ein  Fabrik- 
etablissement, dessen  hauptsächlichste  Teile  ein  Walzwerk 
und  Drahtziehereien  sind.  Der  Kläger  stellt  nun  in  seiner 
Klage  das  Rechtsbegehren:  „1.  Der  Beklagte  sei  schuldig, 
hinsichtlich  Anlage,  Unterhalt  und  Betrieb  seiner  Fabrika» 
tionseinrichtungen  diejenigen  Massnahmen  zu  treffen,  welche 
erforderlich  sind,  um  weitere  Störungen  des  Klägers  in  der 
Benutzung  seines  der  Fabrik  benachbarten  Grundstückes,  so- 
wie weitere  Beschädigungen  desselben  abzuwenden.  2.  Der 
Beklagte  sei  ferner  schuldig,  dem  Kläger  sämtlichen  Schaden 
2U  ersetzen,  der  ihm  infolge  fehlerhafter  Anlage,  mangel- 
haften Unterhalts,  sowie  duroh  die  Art  und  Weise  des  Betriebes 
seines  Fabrikationsgeschäftes  entstanden  ist."  Diese  Klage 
stützt  sich  vorab  auf  Art.  67  u.  68  0.  R.,  wie  auf  Satz.  380 
<les  bern.  G.  G.  B.,  in  Verbindung  mit  Art.  50  0.  R.  Ueber 
diese  Klage  erkannte  der  Appell.-  und  Kassationshof  des 
Kantons  Bern  als  2.  Instanz  : 

„I.  Dem  Kläger  wird  sein  erstes  Klagbegehren  dahin 
zugesprochen,  dass  der  Beklagte  verurteilt  wird:  1«  Die  Ver- 
stärkung der  Walzwerkfundamente  in  der  von  den  Experten 
angeführten  Weise  vorzunehmen  und  zwar  innert  einer  Frist 
von  6  Monaten«    2.  Den  Betrieb  der  Walzwerke  vom  1.  April 


IST 

1902  an  von  10  Uhr  Abends  bis  5  Uhr  Morgens  einzustellen- 
unter  Androhung  der  in  §  391  C.  P.  vorgesehenen  Strafen. 
II.  Dem  Kläger  wird  sein  zweites  Bechtsbegehren  zuge- 
sprochen für  einen  Betrag  von  Fr.  700." 

Gegen  dieses  Urteil  ergriffen  beide  Parteien  die  Berufung 
an  das  Bundesgerioht,  der  Beklagte  mit  dem  Antrag  auf  Ab- 
weisung der  Klage,  während  der  Kläger  (anschlussweise)  für 
den  Fall,  dass  das  erste  Bechtsbegehren  der  Klage  ganz  oder 
teilweise  abgewiesen  und  demgemäss  das  erste  Dispositiv  des 
Entscheides  abgeändert  werden  sollte,  beantragte,  die  durch 
das  zweite  Dispositiv  gesprochene  Entschädigung  sei  auf 
Er.  7000  zu  erhöhen. 

Das  Bundesgerioht  ist  auf  die  Berufung  nicht  ein- 
getreten, soweit  sie  sich  auf  Disp.  I  2  des  angefochtenen  Ur- 
teils bezog,  und  hat  sie  im  übrigen  als  unbegründet  abge- 
wiesen und  das  angefochtene  Urteil  bestätigt.  Die  Begrün- 
dung des  Urteils  lautet  im  wesentlichen: 

Das  erste  Klagbegehren  hat  seiner  Natur  nach  seinen 
Becht8grund  in  allererster  Linie  im  (kantonalen^  Nachbar- 
recht,  wie  denn  auch  der  Kläger  eine  nachbarrecntliche  Be- 
stimmung angerufen  hat;  durch  das  Sachenrecht  wird  be- 
stimmt, inwieweit  der  Eigentümer  eines  Grundstückes  einer- 
seits aus  Gründen  des  Nachbarrechts  in  dessen  Benutzungs- 
fähigkeit beschränkt  wird,  und  inwieweit  der  Nachbar  sich 
anderseits  Immissionen  gefallen  lassen  muss.  Mit  diesen  nach- 
barrechtlichen  Bestimmungen  haben  nun  die  von  der  Schädi- 
gung durch  Werke  handelnden  Art.  67  u.  68  O.  B.  gewisse 
Berührungspunkte;  sie  greifen  in  gewissem  Masse  in  jene 
Bestimmungen  ein,  und  es  ist  daher  das  Verhältnis  dieser 
Vorschriften  zu  jenen  Bestimmungen  zu  untersuchen.  Hiebei 
springt  zunächst  in  die  Augen,  dass  nach  Art.  67  u.  68  0.  B- 
jedem  Beschädigten  oder  Bedrohten  ein  Anspruch  zusteht,, 
ganz  abgesehen  von  seiner  Eigenschaft  als  Eigentümer  eines 
Grundstückes  und  speziell  eines  Naohbargrundstückes,  wäh- 
rend das  (kantonale)  Sachenrecht  allein  den  Eigentümer  im 
Auge  hat.  Ferner  bezieht  sich  Art.  67  0.  B.  auf  den  infolge 
mangelhafter  Unterhaltung  oder  fehlerhafter  Anlage  oder  Her- 
stellung eines  Gebäudes  oder  eines  andern  Werkes  entstehen- 
den Schaden,  während  das  Nachbarrecht  die  Schranken  der 
Benützung  des  Grundstückes  regelt.  Alles  was  die  letztere- 
betrifft, muss  daher  als  zum  Sachenrecht  gehörend  angesehen 
werden;  speziell  auch,  soweit  Vorschriften  über  den  Betrieb 
von  Gewerben  in  Betracht  kommen  (vergi.  Huber,  Schweiz. 
Priv.  B.,  lu  S.  277  f.);  alle  diese  Bestimmungen  sind  durch 


138 

-das  eidgen.  Obligationenrecht  nicht  berührt  und  können  von 
ihm  nicht  berührt  werden,  da  es  sich  hiebei  nicht  um  Be- 
ziehungen von  Person  su  Person,  sondern  um  solche  von 
•Sache  zu  Sache  (Grundstück  zu  Grundstück)  handelt  Soweit 
daher  im  vorliegenden  Falle  der  Fabrikbetrieb  in  Frage 
kommt  und  dessen  allfällige  Beschränkung,  so  kann  von  einer 
Anwendung  von  Art.  67  u.  68  0.  B.  keine  Bede  sein.  Diese 
Bestimmungen  setzen  voraus,  dass  —  Art.  67  —  die  mangel- 
hafte Beschaffenheit  oder  die  fehlerhafte  An- 
lage oder  Herstellung  eines  Gebäudes  oder  eines  andern 
Werkes  einen  Schaden  verursacht,  allerdings  ohne  Bücksicht 
darauf,  ob  der  Schaden  durch  unmittelbare  körperliche 
Einwirkung  des  Werkes  auf  Personen  oder  Sachen  oder  in 
ariderer  Weise  gestiftet  wurde  (Urt  des  B.-G.  v.  20.  Dez,  1890 
i.  S.  Liechti  c.  Bürgergemeinde  Aarberg ,  AmtL  Slg  XVL 
S.  814  f.  Erw.  4);  bezw.  —Art.  68—  dass  ein  Gebäude  oder 
ein  Werk  Schaden  droht.  Der  Betrieb  einer  Fabrik  kann 
nun  jedenfalls  weder  unter  Art.  67  noch  unter  Art.  68  O.B. 
subsumiert  werden;  der  Betrieb  einer  Fabrik  hat  an  sich 
mit  diesen  Gesetzesbestimmungen  nichts  gemein,  wie  ohne 
weiteres  klar  ist.  Indem  nun  die  Vorinstanz  in  Disp.  I,  2 
die  Einstellung  des  Fabrikbetriebes  zur  Nachtzeit  verfugt 
hat,  hat  sie  das  gethan  und  nur  thun  können  gestützt  auf 
kantonales  Recht,  nämlich  die  vom  Kläger  angerufene  Satzung 
380  bern.  C.  Diesen  Punkt  hat  daher  das  Bundesgericht  nicht 
zu  überprüfen,  so  dass  es  hier  beim  angefochtenen  Urteil  sein 
Bewenden  hat. 

Soweit  sich  dagegen  das  erste  Rechtsbegehren  auf  An- 
lage und  Unterhalt  des  Fabriketablissements  des  Beklagten 
bezieht,  kann  allerdings  die  Anwendbarkeit  des  Art  68  O.B. 
nicht  von  vorneherein  in  Abrede  gestellt  werden.  Allerdings 
mag  bemerkt  werden,  dass  es  jedenfalls  genügt  hätte  und 
auch  einfacher  gewesen  wäre,  wenn  die  Vorinstanz  auch  in 
diesem  Punkte  lediglich  auf  Satz.  380  bern.  G.  abgestellt 
hätte,  auf  Grund  deren  ganz  zweifellos  die  ganze  im  Streite 
liegende  Frage  hätte  entschieden  werden  können.  Nachdem 
nun  aber  die  Vorinstanz  einmal  Art.  68  0.  B.  zur  Anwendung 
gebracht  hat,  sind  die  Voraussetzungen  seiner  Anwendbar- 
keit auch  vom  Bundesgerichte  zu  untersuohen.  In  dieser  Hin- 
sicht ist  zu  bemerken  :  Indem  das  S.  0.  R.  in  Art.  68  dem- 
jenigen, der  von  dem  Gebäude  oder  dem  Werke  eines  andern 
mit  Schaden  bedroht  ist,  einen  gegen  den  Eigentümer  gerich- 
teten Anspruch  auf  Vornahme  der  erforderlichen  Massregeln 
zur  Abwendung   der  Gefahr  giebt,    hat   es  eine  Bestimmung 


189 

getroffen,  die  sich  in  dieser  Allgemeinheit  annähernd  nur  im  alten 
Züroher  P.  G.  B.,  §  1888,  findet,  das  jedoch  dem  durch  eine 
Baute  oder  eine  andere  Sache  eines  andern  ernstlich  Be- 
drohten nur  den  Anspruch  gab,  den  Eigentümer  der  Schaden 
drohenden  Sache  amtlich  aufzufordern,  für  Abwendung  des 
Schadens  zu  sorgen,  unter  Verantwortlichmachung  für  den 
eintretenden  Schaden  im  Falle  der  Unterlassung.  Diese  Be- 
stimmung hat  offenbar  dem  heutigen  Art.  68  0.  R.  zum  Vor- 
bilde gedient.  Von  den  Entwürfen  zum  0.  R.  enthielten  Ent- 
wurf I,  Munzinger,  1871,  Entw.  H,  Fick,  1875,  und  der  Kom- 
missionsentwurf von  1876,  in  der  ganzen  Materie  nur  eine 
Bestimmung  (Art.  106  bezw.  102)  betr.  Schadenersatzpflicht 
des  Eigentümers  eines  Gebäudes  oder  Werkes  für  den  durch 
Einsturz  infolge  mangelhafter  Unterhaltung  oder  eines  Fehlers 
der  Bauart  desselben  verursachten  Schaden.  Erst  in  den  Be- 
schlüssen der  Redaktionskommission  vom  September  1877, 
Januar,  März  und  September  1878  wurde  diese  Bestimmung 
dahin  erweitert,  dass  der  Eigentümer  eines  Gebäudes  oder 
eines  andern  Werkes  für  allen  Schaden  Ersatz  zu  leisten 
habe,  der  durch  das  Gebäude  oder  Werk  angerichtet  werde 
infolge  mangelhafter  Unterhaltung  oder  fehlerhafter  Anlage 
oder  Herstellung  desselben  (Art.  71  bezw.  78),  —  also  die 
jetzige  Fassung  des  Art.  67  eingeführt  — ,  und  folgende  neue 
Bestimmung,  aus  der  dann  der  heutige  Art.  68  geworden  ist, 
beigefügt:  „Wenn  von  dem  Gebäude  oder  dem  Werk  eines 
Andern  Schaden  droht,  so  ist  der  Bedrohte  berechtigt,  von 
dem  Eigentümer  zu  verlangen,  dass  er  die  erforderlichen 
Massregeln  zur  Abwendung  der  Gefahr  treffe.  —  Vorbehalten 
bleiben  die  Anordnungen  der  Polizei  zum  Schutze  von  Per- 
sonen und  Eigentum  gegen  eine  solche  Gefahr"  (Art.  72 
bezw.  79).  Dieser  Artikel  ist  dann  seinem  Wesen  nach  un- 
verändert geblieben  (Art.  75  des  Entw.  d.  Justizdep.  vom 
Juli  1879).  Die  Bestimmung  des  §  343  des  Oesterr.  B.  G.  B.: 
„Kann  der  Besitzer  eines  dinglichen  Reohtes  beweisen,  dass 
ein  bereits  vorhandener  fremder  Bau  oder  eine  andere  fremde 
Sache  dem  Einsturz  nahe  sei,  und  ihm  offenbarer  Schaden 
drohe,  so  ist  er  befugt,  gerichtlich  auf  Sicherstellung  zu 
dringen,  wenn  anders  die  politische  Behörde  nicht  bereits  hin- 
länglich für  die  öffentliche  Sicherheit  gesorgt  hat"  (die  sich 
im  Abschnitt  „Sachenrecht"  unter  „Besitz"  findet),  geht  offen- 
bar nicht  so  weit  wie  die  angeführte  Norm  des  zürch.  P.G.B., 
die  Entwürfe  der  Redaktionskommission  und  der  jetzige  Text 
des  Art.  68  O.R.  Geht  nun  auch  der  gegenwärtige  Art.  68  O.R. 
in  seiner  Wurzel  auf  die  römisch-rechtliche  oautio  damni  infecti 


140 

zurück  (die  freilich  nur  einen  Anspruch  auf  Sicherstellung 
und  eventuellen  Schadenersatz  gab),  so  hat  er  doch  den 
Grundsatz  der  Pflicht  des  Eigentümers  eines  Gebäudes  oder 
andern  Werkes  zur  Abwendung  drohenden  Schadens  ganz 
bedeutend  ausgedehnt,  indem  er  ihn  anwendet  auf  jede» 
„Werk",  und  indem  er  ferner  direkt  einen  Anspruch  auf  Vor- 
nahme der  erforderlichen  Massnahmen  zur  Abwendung  dea 
drohenden  Sohadens  giebt.  Vorerst  kann  nun  nicht  bezwei- 
felt werden,  dass  das  Walzwerk  des  Beklagten,  das  hier  als 
schadendrohendes  Werk  in  Frage  steht,  als  „Werk"  im  Sinne 
des  Art.  68  0.  R.  anzusehen  ist.  Streitig  könnte  dagegen 
sein,  ob  auch  Art.  68,  wie  Art.  67,  mangelhafte  Unterhaltung 
oder  fehlerhafte  Anlage  oder  Herstellung  des  Werkes  zur 
Voraussetzung  habe.  Der  Entscheid  des  Bundesgerichtes  vom 
14.  Jan.  1893  i.  S.  Fleck-Meili  und  Genossen  o.  Hermann  und 
Bader  (Amtl.  Slg  XIX  S.  263  ff.)  scheint  das  zu  bejahen, 
indem  er  (in  Erw.  2  Seite  269)  Art.  67  u.  68  0.  R.  auf  den 
betreffenden  Fall  nicht  anwendbar  eraohtete,  weil  der  Schaden, 
dessen  Ersatz  verlangt  wurde,  nicht  duroh  ein  Gebäude  oder 
Werk  des  Beklagten  infolge  mangelhafter  Unterhaltung  oder 
fehlerhafter  Anlage  und  Herstellung,  sondern  durch  Hand- 
lungen des  Beklagten,  durch  die  Art  und  Weise,  wie  dieser 
sein  Eigentum  ausgeübt  hatte,  verursacht  worden  war.  In 
seinem  Entscheide  vom  11.  Februar  1898  i.  S.  Commune 
de  Corbières  c.  Bellora  (Amtl.  Slg  Bd  XXIV,  H,  S.  96  ff.) 
dagegen  hat  das  Bundesgericht  (Erw.  4  S.  102)  ausgeführt, 
zur  Anhebung  der  Klage  aus  Art.  68  sei  die  Behauptung  oder 
der  Nachweis,  dass  der  drohende  Sohaden  die  Folge  einer 
mangelhaften  Unterhaltung  oder  fehlerhatten  Anlage  und  Her- 
stellung des  Werkes  sei,  nicht  erforderlich;  und  darin  weiche 
Art.  68  von  Art.  67  ab.  Für  die  letztere  Auffassung  würde, 
neben  dem  Wortlaute  des  Gesetzes,  auch  der  Umstand  sprechen, 
dass  §  1888  des  alten  zürch.  P.  G.  B.,  dem,  wie  gesagt, 
Art.  68  0.  B.  im  wesentlichen  entnommen  ist,  bestimmte, 
wenn  der  aufgeforderte  Eigentümer  die  Sorge  für  Abwendung 
des  Schadens  versäume,  so  werde  er  für  den  nachherigen 
Schaden  verantwortlich,  auch  wenn  die  Voraussetzungen  des 
§  1885  nicht  vorhanden  seien,  d.  h.  auch  wenn  der  Sohaden 
nicht  als  Folge  einer  fehlerhaften  Anlage  oder  einer  mangel- 
haften Unterhaltung  zu  betrachten  sei.  Indessen  kann  die 
Entscheidung  dieser  Streitfrage  im  vorliegenden  Falle  dahin- 
gestellt bleiben.  Denn  die  Vorinstanz  stellt  fest,  dass  das 
Walzwerk  ungenügend  fundamentiert  sei,  und  diese  Fest- 
stellung   ist    nicht    aktenwidrig.     Dagegen    erhebt   sich    ein 


141 

weiteres  Bedenken  gegen  die  Anwendbarkeit  des-  Art.  68: 
Die  Erschütterungen,  welche  durch  das  Walzwerk  verursacht 
werden,  sind  eine  Folge  nicht  des  Werkes  als  solchen,  son- 
dern nur  der  Inbetriebsetzung  desselben  ;  und  es  könnte  frag* 
lieh  erscheinen,  ob  auch  eine  derartige  nicht  unmittelbar  vom 
Werke  selbst,  sondern  von  dessen  Inbetriebsetzung  drohende 
Gefahr  unter  Art.  68  0.  R.  falle.  Dieses  Bedenken  ver- 
schwindet jedoch  im  Hinblick  auf  den  oben  citierten  Ent- 
scheid, des  Bundesgerichts  i.  S.  Liechti  c.  Burgergemeinde 
Aarberg.  Es  muss  denn  auch  gesagt  werden,  dass  eben  die 
Zweckbestimmung  eines  derartigen  Werkes  die  Inbetrieb- 
setzung ist,  dass  es  seine  Thätigkeit  nur  im  Betriebe  erfüllt, 
im  ruhenden  Zustande  dagegen  eine  latente  Kraft  darstellt, 
bei  der  eine  Schädigung  überhaupt  nicht  wohl  denkbar  ist» 
Soweit  nun  der  Schaden,  —  die  Erschütterungen,  —  der  durch 
das  Werk  droht,  eine  Folge  der  fehlerhaften  Herstellung  ist> 
kann  Art.  68  0.  R.  angerufen  werden,  auch  wenn  der  Schaden- 
nur  eintritt  durch  den  Betrieb  des  Werkes,  nicht  unmittelbar 
vom  Werke  selbst  droht;  denn  der  Schaden  ist  dann  immer- 
hin vom  Werke,  von  dessen  Zustande,  verursacht.  Der  Kläger 
ist  daher,  und  zwar  auf  Grund  des  Art.  68  0.  R.,  berechtigt, 
zu  verlangen,  dass  der  Beklagte  die  erforderlichen  Massnahmen 
zur  Abwendung  der  Gefahr  treffe,  d.  h.  die  Verstärkung  der 
Walzwerkfundamente  vornehme.  Sonach  ist  Disp.  I  1  dea 
angefochtenen  Urteils  zu  bestätigen. 

Das  zweite  Klagebegehren  stellt  sich  dar  als  Schaden- 
ersatzbegehren, das  einerseits  auf  Art,  67,  anderseits  auf 
Art.  50  0.  R.  gestützt  wird. 

a)  Soweit  das  Schadenersatzbegehren  fehlerhafte  Anlage 
und  mangelhafte  Unterhaltung  des  Walzwerkes  geltend  macht, 
trifft  Art.  67  0.  R.  zu.  Wie  die  Vorinstanz  in  nicht  akten- 
widriger Weise  feststellt,  war  der  grösste  Teil  der  Er- 
schütterungen und  des  Lärms  früher  durch  die  fehlerhafte 
Herstellung  und  Anlage  des  beklagten  Werkes  herbeigeführt, 
und  sind  ferner  auch  die  dermalen  noch  vorkommenden  Er- 
schütterungen zum  Teil  auf  die  nicht  hinreichend  starke 
Fundamentierung  des  Werkes  zurückzuführen.  Dabei  ist,  im 
Anschlüsse  an  das  citierte  bundesgerichtliche  Urteil  i.  S. 
Liechti  c.  Burgergemeinde  Aarberg  (Amtl.  Slg  XVI,  S.  816 
Erw.  4  i.  f.),  der  Kausalzusammenhang  des  Schadens  mit 
dem  fehlerhaften  Zustande  des  Werkes  als  vorhanden  anzu- 
nehmen. 

b)  Soweit  dagegen  der  Schadenersatzanspruch  gestützt 
wird  auf  den  Gewerbebetrieb,  ist  mit  der  Vorinstanz  zu  sagen, 

11 


142 

dass  Art.  67  0.  B.  nicht  zur  Anwendung  kommt,  wohl  aber 
Art.  50.  Dabei  ist  allerdings,  wie  die  Vorinstanz  ebenfalls 
richtig  ausfährt,  die  Frage,  ob  und  inwieweit  der  Gewerbe- 
betrieb objektiv  widerrechtlich  sei,  präjudiziell  durch  das 
kantonale  Recht,  Satz.  380  bern.  C;  das  schliesst  jedoch  die 
Kompetenz  des  Bundesgerichts  zum  Entsoheid  über  das  be- 
treffende Schadenersatzbegehren  nicht  aus,  nur  ist  dasselbe 
hinsichtlich  jener  Präjudizialfrage  an  die  Entscheidung  des 
kantonalen  Gerichts  gebunden  (vergi.  B.  G.  E.  XIX,  S.  269); 
zu  prüfen  hat  es  nur,  ob  auch  subjektive  Widerrechtlichkeit 
vorliege,  dem  Beklagten  also  Schuld  zur  Last  falle.  Die 
Vorinstanz  bejaht  dies,  indem  sie  feststellt,  dass  mehrfach 
beim  Beklagten  wegen  des  Lärms  und  der  Erschütterungen 
reklamiert  worden  sei  und  dieser  trotzdem  die  bezüglichen 
Handlangen  vorgenommen  habe.  Dieser  Auffassung  ist  bei- 
zutreten.    (Entsch.  v.  13.  Juni  1902  i.  S.  Selve  o.  Rychiger.) 


73.  Schadenersatzpflicht  des  das  Mietobjekt  ohne  Ueber- 
bindung  des  Mietvertrags  veräussernden  Vermieters.  Art  281  0. 22. 
Verhältnis  des  Art.  292  0.  R.  zu  dieser  Gesetzesbestimmung. 

Zur  Begründung  und  Festsetzung  des  aus  Art  281  O.R. 
entspringenden  Schadenersatzes  des  Mieters  hat  die  Vorin- 
stanz Art.  292  das.  herangezogen,  wenn  auch  nur  per  ana- 
logiam. Diese  analoge  Anwendung  der  genannten  Gesetzes- 
bestimmung auf  den  Fall  des  Art.  281  0.  R.  kann  nicht  ge- 
billigt werden.  Art.  292  O.  R.  handelt  vom  Falle  der  vor- 
zeitigen Beendigung  der  Miete  aus  wiohtigen  Gründen,  die 
der  einen  oder  andern  Partei  die  Festsetzung  des  Mietver- 
hältnisses unerträglich  machen.  Für  diesen  vom  Falle  des 
Verkaufes  der  Mietsache  ohne  Ueberbindung  des  Mietver- 
trages durchaus  verschiedenen  Fall  stellt  das  Gesetz  singu- 
lare Bestimmungen  über  Ersatz  und  speziell  für  den  Fall, 
als  die  Miete  für  ein  Jahr  oder  längere  Zeit  abgeschlossen 
ist,  über  die  Höhe  des  Ersatzes  auf.  Wenn  für  den  letzteren 
Fall  speziell  vorgesehen  ist,  dass  der  Ersatz  mindestens  einem 
halben  Jahreszinse  gleichkommen  müsse,  so  ist  damit  eine 
gesetzliche  Verpflichtung  desjenigen,  der  die  Auflösung  ver- 
langt hat,  festgestellt,  und  zugleich  vom  Erfordernisse  des 
Nachweises  des  Schadens  Umgang  genommen.  Diese  auf 
einen  speziellen  Fall  zugeschnittene,  singulare  Bestimmung 
darf  nient  auf  den  davon  ganz  verschiedenen  Thatbestand  des 
Art.  281  angewendet  werden;  wäre  dies  der  Wille  des  Ge- 
setzes,   so    hätte    eine  Verweisung    auf  Art.  292    oder    eine 


143 

ähnliche  Bestimmung  in  das  Gesetz  aufgenommen  werden 
müssen.  Bei  Art.  281  handelt  es  sich  darum,  dass  dem  Ver- 
mieter die  Erfüllung  aus  in  seiner  Person  und  in  seinen  Ver- 
hältnissen liegenden  Gründen  unmöglich  wird  ;  danach  haben 
die  allgemeinen  Bestimmungen  über  Nichterfüllung  von  Ver- 
trägen, Art.  110  ff.  0.  R.,  zur  Anwendung  zu  gelangen.  Und 
zwar  kann  hiebei  von  vornherein  von  einem  Beweise  des 
Vermieters  (des  Schuldners),  dass  ihm  kein  Verschulden  an 
der  Nichterfüllung  zur  Last  falle,  keine  Rede  sein,  da  eben 
die  Unmöglichkeit  der  Erfüllung  durch  ihn  selber,  durch  seine 
Handlung,  herbeigeführt  wurde  und  das  Gesetz  an  die  That- 
sache  des  Verkaufes  und  die  daduroh  herbeigeführte  Been- 
digung der  .  Miete  den  Schadenersatzanspruch  des  Mieters 
knüpft.  Der  Vermieter  hat  allerdings  das  Recht,  das  Miet- 
objekt während  der  Dauer  des  Mietvertrages  zu  veräussern; 
er  hat  aber  in  diesem  Falle  gleichzeitig  auch  die  vertrag- 
liche Pflicht  gegenüber  dem  Mieter,  für  Ueberbindung  des 
Mietvertrages  oder  für  Entschädigung  des  Mieters  zu  sorgen. 
Diese,  aus  dem  Mietvertrage  entspringende  Pflicht  hat  der 
Widerbeklagte  verletzt,  indem  er  sich  sorglos  über  die  In- 
teressen und  Reohte  des  Mieters  hinweggesetzt  hat,  und  darin 
liegt  ein  vertragliches  Verschulden.  (Entsch.  v.  30.  Mai  1902 
i.  S.  Eidg.  Bank  St  Gallen  c.  Graf.) 


74.  Verantwortlichkeit  der  Aufsichtsorgane  einer  Aktien- 
gesellschaft. Art.  673  u.  674  0.  R.  Verhältnis  der  beiden  An- 
sprüche (der  Aktionäre  und  Gesellschaftsgläubiger  einerseUsy  der 
Gesellschaft  anderseits)  zu  einander.  Fundament  der  Klage  aus 
Art.  674  l.  c.  Behauptete  Verwirkung  gemäss  Art.  675  0.  R. 
Beweislast 

Es  ist  das  Verhältniss  des  den  einzelnen  Aktionären  (und 
den  Gesellschaftsgläubigern)  gemäss  Art.  674  eingeräumten 
Klagerechtes  zu  dem  der  Gesellschaft  nach  Art.  673  zustehen- 
den Klagerechte  zu  untersuchen.  Gemeinsam  ist  beiden  An- 
sprüchen die  Solidarhaft  der  schuldigen  Gesellschaftsorgane. 
Von  einander  unterschieden  sind  sie  darin,  dass  die  Gesell- 
schaftsorgane der  Gesellschaft  für  jede  schuldhafte  Pflicht- 
verletzung oder  -Vernachlässigung  haften,  den  einzelnen  Ak- 
tionären (oder  Gesellschaftsgläubigern)  hingegen  nur  für  den 
durch  absichtliche  Pflichtverletzung  herbeigeführten  Schaden  ; 
das  Ellagerecht  aus  Art.  674  ist  also  subjeetiv  an  engere  Vor- 
aussetzungen geknüpft,  als  jenes  aus  Art.  673.  Ferner  hat 
Art.  673  den  Schaden,  den  die  Gesellschaft  erleidet,  im  Äuge, 


144 

Art.  674  dagegen  den  den  einzelnen  Aktionären  (und  Gesell- 
schaftsgläubigern) zugefügten  Schaden.  Letzterer  Schade» 
nun  kann  ein  doppelter  sein:  der  einzelne  Aktionär  (und  Ge- 
sellschaftsgläubiger) kann  einerseits  dadaroh  geschädigt  sein, 
da88  der  Schaden,  den  die  Gesellschaft  erleidet,  auch  ihn 
trifft;  in  diesem  Falle  handelt  es  sich  um  einen  mittelbaren, 
sekundären  Schaden  des  einzelnen  Aktionärs  (und  Gesell- 
schaftsgläubigers). Der  Aktionär  (und  Gesellschaftsgläubiger) 
kann  aber  auch  einen  vom  Schaden  der  Gesellschaft  unab- 
hängigen, oder  über  ihn  hinausgehenden  Schaden  erleiden, 
er  kann  unmittelbar,  primär,  geschädigt  sein.  Beide  Fälle 
werden  im  Klagrecht  des  Art.  674  0.  R.  zusammengefasst^ 
für  beide  hat  der  einzelne  Aktionär  (und  Gesellschaftsgläubiger) 
einen  besondern  Anspruch;  und  zwar  kann  nicht  mit  Recht 
gesagt  werden,  dieser  Anspruch  sei  ein  von  der  Gesellschaft 
codierter.  Dagegen  geht  dieser  Anspruch  allerdings  teilweise 
auf  dasselbe,  auf  das  der  Anspruch  der  Gesellschaft  selbst 
aus  Art.  673  hinzielt,  und  wird  daher,  insoweit  dies  der  Fall 
ist,  durch  Befriedigung  dieses  Anspruches  der  Gesellschaft 
konsumiert  (vergi,  auch  Lehmann,  Recht  der  Aktiengesell- 
schaften, I,  S.  464;  Wächter  in  Zeitschr.  für  Schweiz. 
Recht,  N.  F.  Vu,  S.  396).  Daraus  folgt,  dass  allerdings  dann, 
wenn  die  Organe  der  Gesellschaft  für  allen  Schaden  auf- 
gekommen sind,  den  diese  erleidet,  die  Aktionäre  einen  An- 
spruch auf  Deckung  des  mittelbaren,  sekundären  Schadens 
nicht  mehr  haben  können,  da  sie  ja  hiefür  durch  die  Leistung 
an  die  Gesellschaft  gedeckt  sind.  Dagegen  folgt  anderseits 
aus  der  besondern,  selbständigen  Natur  des  Klagerechtes  aua 
Art.  674,  dass  die  Generalversammlung  nicht  durch  für  alle 
Aktionäre  verbindlichen  Mehrheitsbeschluss  festsetzen  kann, 
wie  hoch  sich  die  jedem  einzelnen  Aktionär  zukommende 
Vergütung  belaufen  soll  ;  es  handelt  sich  vielmehr  bei  diesem 
Anspruch  auf  Verantwortlicherklärung  der  Verwaltungsorgane 
um  ein  dem  Aktionär  gesetzlich  gewährleistetes  Sonderrecht, 
das  ihm  nicht  durch  Mehrheitsbeschluss  entzogen  werden 
kann;  ein  Vergleich  über  die  Höhe  der  Vergütung  und  der 
Verzicht  auf  alles  übrige  ist  daher  für  die  Aktionäre  nicht 
ohne  weiteres  verbindlich,  schliesst  dasElagreoht  nicht  ohne 
weiteres  aus.  Wohl  aber  steht  der  besondern  Klage  des 
einzelnen  Aktionärs  ein  Besohluss  der  Generalversammlung, 
wonach  die  Verwaltung  ganz  oder  teilweise  von  ihrer  Haft- 
barkeit entbunden  wird,  dann  entgegen,  wenn  der  Aktionär 
der  Beschlussfassung  zugestimmt  oder  nicht  binnen  sechs 
Monaten  nach  erlangter  Kenntnis  dagegen  Einsprache  erhoben 


145 

liât  (Art.  675,  Abs.  1  O.  R.).  Gerade  diese  Bestimmung  zeigt, 
«inmal,  dass  der  dem  einzelnen  Aktionär  erwachsende  Schaden 
von  dem  die  Gesellschaft  treffenden  unabhängig  sein  kann, 
und  weiter,  dass  dem  Schicksal  des  Anspruches  des  einzelnen 
Aktionärs  nicht  notwendig  präjudiziell  wird  durch  dasjenige 
des  Anspruches  der  Gesellschaft:  dieser  kann  ganz  oder  teil- 
weise untergegangen  sein,  und  jener  trotzdem  weiter  bestehen. 
Zum  Fundament  der  Klage  des  einzelnen  Aktionärs  aus 
Art.  674  0.  R.  gehört  nun  ein  den  Kläger  persönlich  treffen- 
der Schaden,  eine  absichtliche  Verletzung  der  Verwaltungs- 
und Aufsichtspflichten  der  ins  Recht  gefassten  Personen,  und 
der  Kausalzusammenhang  zwischen  jenem  Schaden  und  dieser 
Verletzung;  dieser  Thatbestand  ist  vom  Kläger  nachzuweisen. 
Dagegen  liegt  der  Nachweis,  dass  das  Klagrecht  des  einzelnen 
Aktionärs  aus  dem  in  Art.  675,  Abs.  1  0.  R.  erwähnten 
Grunde  verwirkt  sei,  den  Beklagten  ob,  die  diese  besondere 
Bestimmung  zu  ihrem  Schutze  anrufen.  Im  vorliegenden 
Falle  ist  dieser  Nachweis  nicht  geleistet.  Es  kann  nicht 
etwa  mit  den  Beklagten  gesagt  werden,  die  Teilnahme  des 
Klägers  A.Girard  an  der  Generalversammlung  vom  11.  März 
1897  *)  und  die  Thatsache,  dass  er  der  Aufforderung  durch 
den  Vorsitzenden,  diejenigen,  die  mit  „Nein"  gestimmt  haben, 
sollen  sich  zu  Protokoll  melden,  nicht  nachgekommen  sei, 
beweise,  dass  er  dem  Beschluss  zugestimmt  habe  und  dass 
«ein  Klagreoht  verwirkt  sei.  Jene  Aufforderung  war,  soweit 
sie  Verwirkung  des  Verantwortliohkeitsanspruches  androhte, 
rechtsunwirksam,  da  das  Gesetz  eine  derartige  Verwirkung 
nicht  kennt;  und  da  thatsächlich  feststeht,  dass  zwar  der 
Kläger  A.  Girard  an  der  genannten  Versammlung  teilgenommen 
hat,  dass  aber  der  Kompromiss  nicht  einstimmig  angenommen 
wurde,  so  dass  die  Möglichkeit,  dass  A.  Girard  dem  Kom- 
promisse nicht  beigestimmt  hat,  sehr  wohl  besteht,  kann  der 
den  Beklagten  obliegende  Beweis  nicht  als  erbracht  angesehen 
werden,  um  so  mehr,  als  die  Kläger  noch  innert  der  sechs- 
uionatlichen  Frist  ihre  NichtZustimmung  zum  Kompromiss 
erklärt  haben;  diese  Erklärung  wäre  nur  dann  ohne  Bedeu- 
tung,   wenn  feststünde,    dass  A.  Girard  dem  Kompromiss  in 


l)  In  dieser  Generalversammlung  war  ein  Vergleich  der  Gesellschaft 
mit  dem  Verwaltungsrat  abgeschlossen  worden,  wonach  die  Aktionäre  gegen 
Zahlung  einer  Aversalsumme  auf  ihr  Elagrecht  verzichteten  und  der  Ver- 
waltung Décharge  erteilten.  Der  Kläger  G.  hatte  an  dieser  Generalver- 
sammlung teilgenommen  und  trotz  der  Aufforderung  des  Vorsitzenden,  das 
Nichtein Verständnis  solle  zu  Protokoll  erklärt  werden,  sich  nicht  gemeldet. 
Das  Kompromiss  wurde  nicht  einstimmig  angenommen. 


146 


der  Generalversammlung  selbst  zugestimmt  hätte;  denn  da- 
mit hätte  er  sein  Klagrecht  aufgegeben,  so  dass  es  durch 
nachherige  Erklärung  nioht  wieder  aufleben  könnte.  (Entsch. 
v.  25.  April  1902  i.  S.  Girard  o.  Hirt  u.  Genossen.) 


75.  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb.  Körperverletzung;  Pflicht: 
des  Verletzten,  sich  einer  Operation  zu  unterziehen.  Bemessung 
der  Unfallversicherung  auf  Grund  des  Zustandes  des  Klägers 
ohne  Vornahme  der  Operation,  oder  auf  Grund  der  Annahme, 
der  Kläger  sei  operiert?  BGes.  betr.  die  Haftpflicht  aus  Fabrik- 
betrieb  v.  25.  Juni  1881,  Art  6,  Abs.  1  litt.  6,  Abs.  2. 

Hierüber  hat  sich  das  Bundesgericht  wie  folgt  aus- 
gesprochen : 

Streitig  ist  zwischen  den  Parteien  lediglich  das  Maas  der 
dem  Kläger  zukommenden  Entschädigung.  Und  zwar  dreht 
sich  der  Streit  einzig  um  die  Frage,  ob  es  dem  Kläger  su* 
zumuten  sei,  sich  das  Nagel-  und  unter  Umständen  auch  das 
Mittelglied  des  verletzten  Zeigefingers  der  rechten  Hand  durch 
einen  operativen  Eingriff  entfernen  zu  lassen  oder  nicht 

Die  streitige  Frage  hat  die  Vorinstanz  (Appk.  d.  Ober- 
geriohts  des  Kantons  Zürich,  8.  oben  Nr. 47),  ausgehend  von  all- 
gemeinen Erwägungen  über  den  Umfang  der  Schadenersatzpflicht 
und  von  dem  auch  für  die  gesetzliche  Haftpflicht  geltenden  Satze, 
dass  derjenige  Schaden  nicht  zu  ersetzen  sei,  der  bei  gehöriger 
Sorgfalt  vom  Beschädigten  hätte  abgewendet  werden  können, 
im  Ânschlu88  an  die  Rechtsprechung  des  deutschen  fieiohs- 
geriohts  und  unter  Berufung  auf  zwei  die  Frage  streifende 
Urteile  des  Bundesgeriohts,  sowie  auf  die  vorherrschend  in 
der  Wissenschaft  vertretene  Ansicht,  dahin  beantwortet,  dass 
dem  Verletzten  eine  Operation  dann  zuzumuten  sei,  wenn 
unter  Würdigung  aller  Verhältnisse  nach  richterlichem  Er- 
messen für  einen  vernünftigen  Menschen  kein  erheblicher 
Grund  vorliege,  sich  der  Operation  zu  widersetzen,  was  auch 
gelte,  wenn  ea  sich  um  eine  nach  vollzogener  Heilung  vor- 
zunehmende Operation  handle.  Es  kann  dahingestellt  bleiben, 
ob  dieses  Ergebnis  einem  alle  Fälle  der  Schadenersatzpflicht 
beherrschenden  Prinzip  entspringe  und  ob  insbesondere  nach 
dem  gemeinen  schweizerischen  Schadenersatzrecht  die  Frage 
in  diesem  Sinne  zu  beantworten  sei.  Jedenfalls  ersoheint 
auf  dem  Boden  des  schweizerischen  Fabrikhaftpflichtrechts, 
von  dem  aus  der  vorliegende  Fall  zu  beurteilen  ist,  das  Er- 
gebnis als  richtig.  Der  Kläger,  dessen  Auffassung  die  untere 
kantonale  Instanz  gebilligt  hat,  geht  von  vorneherein  fehl,  wena 


147 

er  den  Streitpunkt  auf  das  Gebiet  des  rechtlichen  Schutzes  der 
körperlichen  Integrität  hinüberspielen  will.  Es  handelt  sioh  nicht 
um  die,  übrigens  durchaus  nicht  abgeklärte  Frage,  ob  zur 
Vornahme  einer  Operation  stets  die  Einwilligung  des  zu  Ope- 
rierenden erforderlich  sei,  um  die  Rechtswidrigkeit  des  Ein- 
griffs au8zuschliessen.  Der  Kläger  wird  ja  keineswegs  ge- 
zwungen, die  Operation  gegen  seinen  Willen  zu  dulden;  es 
steht  ihm,  auch  wenn  der  Auffassung  des  Beklagten  und  der 
Vorinstanz  beizutreten  ist,  vollständig  frei,  die  Operation  vor- 
nehmen zu  lassen  oder  nicht.  Vielmehr  stellt  sich  die  Frage 
so,  ob  die  Festsetzung  der  Entschädigung  wegen  dauernder 
Verminderung  der  Erwerbsföhigkeit,  die  der  Kläger  an  den 
Beklagten  zu  fordern  hat,  auf  Grund  seines  gegenwärtigen 
körperlichen  Zustandes  zu  erfolgen  habe,  oder  auf  6  rund  des 
bessern  Zustandes,  den  er  nach  dem  Urteil  Sachverständiger 
erlangen  kann,  wenn  er  sich  der  Operation  unterzieht,  in 
welch  letzterem  Falle  der  Beklagte  dann  selbstverständlich 
für  die  Kosten  der  Operation  und  den  Erwerbsausfall  wäh- 
rend der  neuen  Heilungsperiode  aufzukommen  hat.  Diese 
Frage  kann  nicht  aus  dem  Gesichtspunkte  des  straf-  und 
ci  vil  rechtlichen  Schutzes  der  körperlichen  Integrität  beant- 
wortet werden,  sondern  ist  einfach  an  Hand  der  einschlägigen 
spezialgesetzlichen  Normen  über  den  Umfang  der  Schaden- 
ersatzpflicht im  Falle  der  Verletzung  durch  einen  Betriebs- 
unfall zu  lösen.  Dass  die  Frage  sich  so  stellt,  scheinen  auch 
das  deutsche  Reichsversicherungsamt  (vergi,  das  Handbuch 
der  Unfallversicherung,  II.  Aufl.  S.  149  und  Rosin,  das  Recht 
der  Arbeiterversicherung,  S.  313  f.),  sowie  Endemann  in  der 
Schrift  über  die  Rechtswirkungen  der  Ablehnung  einer  Ope- 
ration (s.  auch  seine  Einführung  in  das  Studium  d.  bürgerl. 
Gesetzt).  S.  589)  zu  wenig  zu  beachten,  wenn  sie  ausführen, 
dass  der  Verletzte  niemals  gebunden  sei,  sich  einer  Opera- 
tion zu  unterziehen  oder  die  Einwilligung  dazu  zu  geben  und 
dass  in  keiner  Rechtslage  die  Verweigerung  der  Einwilligung 
als  Unterlassung  angesehen  und  mit  Rechtsnachteilen  belegt 
werden  dürfe.  Es  handelt  sich  nicht  darum,  dem  Verletzten 
wegen  seiner  Weigerung  einen  Rechtsnachteil  aufzuerlegen; 
und  allgemein  gesprochen  kann  ebensogut  gesagt  werden, 
dass  dem  Verletzten  nicht  die  Möglichkeit  gegeben  sein  soll, 
durch  grundlose  Ablehnung  der  Operation  sich  einen  unge- 
rechtfertigten Vorteil  zu  verschaffen.  Uebrigens  können  die 
Entscheidungen  des  deutschen  Reichsversicherungsamtes  auch 
des8halb  nicht  ohne  weiteres  beigezogen  werden,  weil  sie  auf 
einer  andern  positivrechtlichen  Grundlage  und  auf  dem  Boden 


148 

der  Zwangsversicherung,  nicht  der  gesetzlichen  Haftpflicht 
beruhen.  Mehr  Beachtung  verdienen  die  von  der  Vorinstanz 
angeführten  Entscheidungen  des  deutschen  Reichsgerichts,  die 
die  streitige  Frage  auf  dem  Boden  der  Bestimmungen  des 
preussischen  Landrechts  über  die  Schadenersatzpflicht  bei 
aquilischem  Verschulden  in  abweichendem  Sinne  lösen  (Seuffert 
Ar  eh.  Bd  46  Nr.  189).  Vom  Standpunkt  der  schweizerischen 
Spezi algesetzgebung  über  die  Haftpflicht  aus  Fabrik-  und 
Gewerbebetrieb  nun  ist  zu  bemerken:  Wenn  in  Art.  6  litt,  b 
des  Fabrikhaftpflichtgesetzes,  vom  25.  Juni  1881,  bestimmt 
ist,  dass  der  zu  leistende  Schadenersatz  im  Falle  von  Ver- 
letzung alle  Heilungs-  und  Verpflegungskosten,  sowie  den 
Schaden  umfasse,  welchen  der  Verletzte  infolge  gänzlicher 
oder  teilweiser,  dauernder  oder  vorübergehender  Erwerbs- 
unfähigkeit erlitten  hat,  so  ist  klar,  dass  sowohl  hinsichtlich 
des  Ersatzes  der  Heilungs-  und  Verpflegungskosten,  als  hin- 
sichtlich der  Entschädigung  für  Erwerbsausfall  nicht  das  sub- 
jektive Belieben  des  Verletzten  massgebend  sein  kann,  dass 
vielmehr  in  beiden  Richtungen  derjenige  Schaden  zu  ersetzen 
ist,  der  nach  objektiver  Abschätzung  aller  Umstände  als  er- 
satzbedürftige Folge  des  schädigenden  Ereignisses  sich  dar- 
stellt. So  wenig  es  darauf  ankommen  kann,  ob  der  Ver- 
letzte nach  der  Heilung  trotz  eines  bleibenden  Mangels  in- 
folge besonderer  günstiger  umstände  durch  seine  Arbeits- 
leistung gleich  viel  oder  gar  mehr  verdient  als  vorher,  so 
wenig  kann  ein  seiner  effektiven  Arbeitsfähigkeit  nicht  ent- 
sprechender, bloss  auf  seine  Unthätigkeit  oder  Nachlässigkeit 
zurückzuführender  Ausfall  dem  Haftpflichtigen  in  Rechnung 
gebracht  werden.  Und  wie  einerseits  der  Verletzte  die  Kosten 
einer  völlig  unangemessenen  Heilungsmethode  und  offenbar 
übertriebene  Aufwendungen  fur  die  Verpflegung  nicht  ersetzt 
verlangen  kann,  so  befreit  sich  anderseits  der  Haftpflichtige, 
wenn  er  dasjenige  ersetzt  hat,  was  für  eine  richtige  Behandlung 
zur  Wiedererlangung  der  Gesundheit  und  Erwerbstüchtigkeit 
dem  Verletzten  erforderlich  ist,  von  der  Haftung  für  solche 
Folgen,  die  sich  aus  der  Anwendung  eines  andern,  nach 
fachmännischer  Beurteilung  nicht  zweckmässigen  Heilver- 
fahrens ergeben.  Das  Gesetz  geht  davon  aus,  dass  es  im 
Interesse  des  Verletzten  selbst  liege,  womöglich  die  frühere 
Erwerbsfähigkeit  wieder  zu  erlangen  und  sich  zu  diesem 
Zwecke  der  ihm  durch  die  ärztliche  Wissenschaft  und  Kunst 
gebotenen,  von  ihm  erreichbaren  Hilfsmittel  zu  bedienen.  Die 
Aufwendungen,  die  erforderlich  sind,  um  diesem  Interesse  zu 
genügen,    hat    der  Haftpflichtige  zu  ersetzen,    und    dazu  das 


149 

A  équivalent  für  die  vorübergehende  und  die  nach  der  Heilang 
noch  vorhandene  bleibende  Verminderung  der  Erwerbsfähig- 
keit. Eratere  sind  somit  danach  zu  bemessen,  was  der  Ver- 
letzte zweckmässiger  und  vernünftiger  Weise  thun  oder  lassen 
würde,  wenn  er  sich  für  den  Schaden  nicht  an  einem  Dritten 
erholen  könnte,  und  der  nämliche  Gesichtspunkt  ist  mass- 
gebend bei  der  Beantwortung  der  Frage,  wie  die  Entschä- 
digung für  die  vorübergehende  und  dauernde  Verminderung 
der  Brwerbsfähigkeit  zu  bemessen  sei.  Wenn  daher  der  Ver- 
letzte ohne  zureichenden  Grund,  aus  blosser  Laune  oder  aus 
unbegreiflichem  Unverstand,  nicht  ein  richtiges  Heilverfahren 
befolgt,  so  ist  für  den  Ausfall  an  Erwerbsfahigkeit,  der  sich 
.gegenüber  dem  Zustande  ergiebt,  der  bei  einem  den  eigenen 
Interessen  desselben  besser  entsprechenden  Verfahren  zu  er- 
reichen gewesen  war,  nicht  der  Haftpflichtige  verantwortlich, 
sondern  es  hat  dieses  Mehr  des  Schadens  der  Verletzte  an 
■sich  selbst  zu  tragen.  Man  kann  sagen,  es  sei  in  diesen 
Verhältnissen,  wo  von  Gesetzes  wegen  den  Unternehmern 
gewisser  Betriebe,  teilweise  aus  Gründen  eines  sozialen  Aus- 
gleiches, eine  gesetzliche  Haftung  für  die  Betriebsgefahren 
auferlegt  ist,  die  Pflicht  des  Entschädigungsberechtigten  dem 
Haftpflichtigen  gegenüber,  dasjenige  zu  thun  und  zu  lassen, 
was  er  vernünftiger  Weise  zur  Wiedererlangung  der  Erwerbs- 
fahigkeit zu  thun  oder  zu  lassen  hat,  und  es  stelle  sich  die 
Verletzung  dieser  Pflicht  als  ein  von  ihm  zu  vertretendes 
Verschulden  im  weitern  Sinne  dar,  durch  welches  die  Haft- 
pflicht vermindert  wird.  Oder  man  kann  die  Herabsetzung 
der  letztern  aus  den  Grundsätzen  über  den  Kausalzusammen- 
hang und  die  Unterbrechung  desselben  herleiten.  Jedenfalls 
liegt  eine  solche  Beschränkung  der  Haftpflicht  im  Sinne  des 
Gesetzes,  das,  wenn  es  in  Abs.  2  des  Art.  6  den  Richter  an- 
weist, die  Entschädigung  unter  Berücksichtigung  aller  Um- 
stände festzusetzen,  darunter  gewiss  auch  das  Verhalten  des 
Verletzten  nach  dem  Unfall  in  Hinsicht  auf  die  Folgen  des- 
selben verstanden  wissen  will.  Diese  Erwägungen  führen  für 
<len  Fall,  dass  zur  Wiedererlangung  eines  grösstmöglichen 
Masses  von  Erwerbsfähigkeit  nach  fachmännischem  Urteil 
eine  Operation,  ein  „mechanischer  kunstgerechter  Eingriff  in 
den  menschlichen  Organismus",  geboten  erscheint,  dazu,  dass 
der  Haftpflichtige  sich  durch  die  Erlegung  der  Kosten  der 
Operation  und  des  dadurch  bedingten  Heilverfahrens  dann 
der  Haftung  für  die  weitergehenden  Folgen  entziehen  kann, 
die  ohne  diese  Operation  eintreten,  wenn  unter  Berücksich- 
tigung aller  Umstände  zu  sagen  ist,    dass  der  Verletzte  ver- 


150 

nünftiger  Weise  die  Operation  in  eigenem  Interesse  vornehmen 
lassen  sollte  und  vornehmen  lassen  würde,  wenn  er  sich  für 
den  Schaden  nicht  an  einen  Dritten  halten  könnte.  Als 
Regel  wird  dabei  aufzustellen  sein,  dass  eine  schwere,  ge- 
fährliche oder  sehr  schmerzhafte  Operation  oder  eine  solche,, 
die  nur  einen  verhältnismässig  geringen  Erfolg  verspricht, 
dem  Verletzten  nicht  zuzumuten  ist  und  dass  auf  die  per- 
sönlichen, insbesondere  auch  die  psychischen  Verhältnisse  des 
Verletzten  gebührend  Rücksicht  genommen  werden  muss.  Da- 
gegen kann  die  Möglichkeit  einer  Verbesserung  des  Zustande» 
durch  eine  Operation  der  Schadensbestimmung  dann  unbe- 
denklich zu  Grunde  gelegt  werden,  wenn  der  Eingriff  nach 
fachmännischem  Befinden  einen  sichern  Erfolg  verspricht  und 
nicht  mit  besondern  Gefahren  oder  Schmerzen  verbunden  ist. 
Dies  trifft  auch  zu,  wenn  sich  die  Frage  der  Operation  nicht 
gleich  von  Anfang  an,  sondern  erst  dann  stellt,  wenn  nach 
erfolgter  Heilung  von  einem  operativen  Eingriff  eine  weitere 
Besserung  zu  erwarten  ist.  Es  fällt  in  Betracht,  dass  auf 
dem  Boden  des  Haftpflichtrechts  der  Zweck  des  Heilverfahrens 
nicht  so  wohl  in  der  Wiederherstellung  des  frühern  anatomischen 
ZuStandes,  als  in  der  Wiedererlangung  der  physiologischen 
Funktionen  liegt  und  dass,  wenn  ein  erster  Heilversuoh  in 
dieser  Richtung  nicht  den  gewünschten  Erfolg  hat,  ein  zweiter, 
der  einen  bessern  verspricht,  nicht  von  vorneherein  d esshalb 
als  ausgeschlossen  betrachtet  werden  darf,  weil  der  erste, 
vom  anatomischen  Standpunkt  aus  betrachtet,  zu  einem  ge- 
wissen Abschlu8S  gelangt  ist.  Werden  diese  Erwägungen  auf 
das  That8ächliche  des  vorliegenden  Falles  angewendet,  so  ist 
der  Vorinstanz  ohne  weiteres  beizustimmen,  dass  dem  Kläger 
die  fragliche  Operation  zuzumuten  und  dass  die  Entschädigung 
auf  Grundlage  des  Thatbestandes  zu  berechnen  ist,  der  sieh 
ergeben  würde,  wenn  dieselbe  vorgenommen  würde.  (Entsch. 
v.  16.  April  1902  i.S.  Villiger  c.  Gauger.) 


76.  Bundesgesetz  betr.  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb,  von* 
25.  Juni  1881  Art.6,  Abs.  1  litt.  6,  Abs.  2,  Abs.  3.  -  Wegfall  des 
Maximums  wegen  Herbeiführung  des  Unfalls  durch  eine  strafrecht- 
lich verfolgbare  Handlung  von  Seite  des  Betriebsunternehmers.  — 
Einstellungsbeschluss  der  Strafbehörden  mit  Bezug  auf  eine  An- 
klage wegen  fahrlästiger  Tötung.  NichlpräjudiziuliUU  für  den 
Civilrichter.  Verurteilung  wegen  Uebertrelung  von  Réglementent 
Stellung  des  Civilrichters  spec.  zur  Frage  des  Kausalzusammen- 
hangs. 


151 

In  der  unter  dem  eidgenössischen  Fabrikgesetze  stehenden, 
von  Johann  Häni  in  Schönenwegen  betriebenen  Bleicherei 
der  H.  Ignaz  Merhart'sohen  Erben  daselbst  barst  am  23.  Au- 
gust 1900  gegen  Mittag  ein  im  Gebrauche  befindlicher  Bleiche- 
kessel infolge  eines  schon  vorhandenen  Bruches  unter  dem 
Drucke  des  aus  einem  Dampfkessel  eingeführten  Dampfes. 
Dabei  wurde  der  seit  dem  Monat  Juni  1896  von  Johann  Häni 
als  Bleichergehülfe  angestellte  Heinrich  Tanner  von  Wald- 
statt von  der  aus  dem  Bleiohekessel  ausströmenden  heissei> 
Lauge  derart  verbrüht,  dass  er  am  26.  August  starb. 

Wegen  des  Vorfalls  wurde,  ausser  den  amtlichen  Er- 
hebungen betreffend  die  Vergütung  des  durch  die  Explosion 
verursachten  Schadens  an  Gebäude  und  Mobiliar  und  der 
administrativen  Unfalluntersuchung,  gegen  Johann  Häni  ein 
Strafverfahren  eingeleitet  wegen  fahrlässiger  Tötung  und 
wegen  Uebertretung  der  bundesrätlichen  Verordnung  betreffend 
Aufstellung  und  Betrieb  von  Dampfkesseln  und  Dampfgefassen^ 
vom  16.  Oktober  1897,  und  der  vom  Regierungsrat  dea 
Kantons  St.  Gallen  am  4.  März  1898  hiezu  erlassenen  Voll- 
ziehungsverordnung. Nachdem  die  Untersuchung  durchgeführt 
war,  be8ohlos8  die  Anklagekammer  des  Kantons  St.  Gallen 
am  30.  Mai  1901  gemäss  Antrag  der  Staatsanwaltschaft,  ea 
werde  das  gegen  den  Beklagten  wegen  fahrlässiger  Tötung 
(Explosionsverursachung)  geführte  Strafverfahren  mangels- 
strafrechtlichen  Thatbestandes  aufgehoben,  dagegen  werde  der 
Beklagte  dem  Bezirksgericht  Gossau  überwiesen  zur  Beur- 
teilung gemäss  Art.  1,  2  und  18  der  bundesrätl.  Verordnung* 
betr.  Aufstellung  und  Betrieb  von  Dampfkesseln  und  Dampf- 
gefässen  vom  16.  Oktober  1897  und  Art.  6  der  bezüglichen 
kantonalen  Verordnung  vom  4.  März  1898.  Woraufhin  das- 
Bezirksgericht  Gossau  am  24.  Juni  1901  in  Anwendung  von 
„Art.  1,  2  und  18  der  bundesrätlichen  Dampfkesselverordnung 
und  Art.  6  der  bezüglichen  kantonalen  Verordnung"  erkannte  : 
„Beklagter  ist  wegen  Nichtanmeldung  fraglicher  Dampfgefäss& 
zur  Revision  der  Uebertretung  genannter  Verordnung  sohuldig 
erklärt  und  wird  mit  Fr.  20  gebüsst." 

Infolge  des  Todes  ihres  Versorgers  haben  die  Ehefrau, 
und  die  Kinder  des  Tanner  eine  Haftpflichtklage  erhoben,  in 
der  diese  in  erster  Linie  Bezahlung  einer  Entschädigung  von 
12,000  Franken  verlangen.  Das  Bundesgericht  hat  sich  über 
die  streitige  Frage:  ob  die  Haftpflicht  des  Beklagten  gemäss 
Art.  6  Abs.  2  des  Fabrikhaftpflichtgesetzes  vom  25.  Juni  1881 
auf  den  Betrag  des  6fachen  Jahresverdienstes  des  Verun- 
glückten bezw.  die  Summe  von  Fr.  6000  beschränkt  sei,  oder 


152 

ob  dieses  Maximum  keine  Anwendung  finde,  folgenderinassen 
ausgesprochen  : 

Die  Klage  erblickt  eine  strafrechtlich  verfolgbare  Hand- 
lung des  Beklagten  im  Sinne  dieser  Bestimmung  darin,  dass 
derselbe  es  entgegen  den  bestehenden  Vorschriften  unter- 
lassen habe,  das  explodierte  Dampfge&ss  zu  regelmässiger 
amtlicher  Kontrolle  anzumelden,  una  sie  beruft  sich  hiefür 
•auf  das  Strafurteil  des  Bezirksgerichts  Gossau  vom  24«  Juni 
1901.  Der  Beklagte  erhebt  in  erster  Linie  die  Einrede,  eine 
böse  Absicht  werde  ihm  von  der  Klägerschaft  selbst  nicht 
imputiert,  es  fehle  aber  auch  der  Thatbestand  einer  fahr- 
lässigen Verursachung  der  Explosion,  weshalb  die  Strafklage 
wegen  fahrlässiger  Tötung  von  der  Anklagekammer  ad  acta 
gelegt  worden  sei.  Hiezu  ist  zu  bemerken:  Der  Besohluss 
der  Anklagekammer  des  Kantons  St.  Gallen,  wodurch  die 
Untersuchung  wegen  fahrlässiger  Tötung  gegen  den  Beklagten 
aufgehoben  wurde,  kann  nicht  einem  Urteile,  durch  das  der- 
selbe von  der  Anklage  freigesprochen  worden  wäre,  gleich- 
gestellt werden.  Derselbe  stellt  sich  lediglich  als  eine  Ver- 
fügung der  Untersuchungsbehörde  dar,  durch  welche  die  weitere 
Verfolgung  des  Strafanspruches  gehemmt  wird,  und  nicht  als 
lin  gerichtliches  Urteil,  durch  das  rechtskräftig  über  das 
Bestehen  oder  Nichtbestehen  eines  Strafanspruches  entschieden 
worden  wäre.  Wenn  deshalb  auch  daran  festgehalten  wird, 
•dass  der  Civilrichter,  der  einen  Anspruch  aus  dem  Fabrik- 
haftpflichtgesetz zu  beurteilen  und  dabei  zu  entscheiden  hat, 
ob  das  Maximum  von  Art.  6  Abs.  2  des  Gesetzes  nach  Mit- 
gabe von  Abs.  3  in  Wegfall  komme,  an  ein  Urteil  des  Straf- 
richters gebunden  sei,  durch  das  der  Beklagte  der  ihm  zur 
Last  gelegten  strafbaren  Handlung  schuldig  erklärt  oder  von 
der  Anklage  freigesprochen  worden  ist  (vergi.  A.  S.  Bd  XXII 
S.  602  und  Bd  XXVI  27  S.  174),  so  trifft  dies  hier  mit  Be- 
^ug  auf  die  Anklage  wegen  fahrlässiger  Tötung  deshalb  nicht 
zu,  weil  man  es  eben  nicht  mit  einem  gerichtlichen  Urteil 
über  den  Strafanspruch,  sondern  lediglich  mit  einem  Be- 
schlüsse der  Anklagebehörde  betreffend  Aufhebung  der  Unter- 
suchung zu  than  hat  (s.  hiezu  A.  S.  Bd  XVI  8.  156).  Es 
stünde  deshalb  an  sich  nichts  entgegen,  dass  der  Civilrichter 
selbständig  die  Frage  prüfen  würde,  ob  sich  der  Beklagte  der 
fahrlässigen  Tötung  schuldig  gemacht  habe.  Hierauf  braucht 
jedoch  im  vorliegenden  Palle  deshalb  nicht  näher  eingetreten 
zu  werden,  weil  in  anderer  Richtung  die  Voraussetzungen 
als  vorhanden  angenommen  werden  müssen,  unter  denen  nach 
Art.  6  Abs.  3   des    Fabrikhaftpflichtgesetzes    das    in  Abs.  2 


153- 

vorge8ehene  Maximum  in  Wegfall  kommt.  Der  Beklagte  ist 
nämlich  nicht  nur  wegen  fahrlässiger  Tötung,  sondern  auch 
wegen  Missachtung  von  Vorschriften  der  Verordnung  des 
Bundesrates  betreffend  Aufstellung  und  Betrieb  von  Dampf- 
kesseln und  Dampfgefössen,  vom  16.  Oktober  1897,  in  Unter- 
suchung gezogen,  und  diese  Untersuchung  ist  nicht  aufgehoben 
worden,  vielmehr  führte  sie  zu  einem  Strafgericht  Höh  en 
Erkenntnis.  Auf  diese  Vergehung  stellt  denn  auch  die 
Klage  einzig  ab.  Der  Beklagte  wendet  hiegegen  ein,  das 
Verschulden  sei  vorliegend  nicht  ein  derartiges,  dass  von 
einer  strafbaren  Handlung  gesprochen  werden  könne.  Allein 
das  Gesetz  stellt  nicht  auf  die  Art  und  den  Grad  des  Ver- 
schuldens ab,  sondern  lässt  die  unbeschränkte  Haftbarkeit 
jedesmal  dann  eintreten,  wenn  der  Unfall  auf  eine  strafbare 
Handlung  des  Betriebsunternehmers  zurückzuführen  ist.  Unter 
diesen  Begriff  fallen  aber  nicht  nur  solche  Delikte,  die  sich 
wegen  ihrer  Schwere  als  Verbrechen  oder  Vergehen  im  engern 
Sinne  qualifizieren,  sondern  auch  die  leichteren  Fälle  straf- 
baren Unrechts,  die  sog.  Uebertretungen,  mag  immerhin  die 
Frage  der  Rechtswidrigkeit  und  der  Schuld  sich  etwas  anders 
stellen,  als  dort  (vergi,  hiezu  A.  S.  Bd  XVI  S.  116  und  Urteil 
des  Bundesgerichts  in  Sachen  Müller  c.  Société  anonyme  de 
Filatures  de  Schappe  und  H.  Munk  vom  5.  Dezember  1900). 
Grundsätzlich  kann  sonach  auch  die  Missacbtung  der  in  der 
bundesrätlichen  Verordnung  vom  16.  Oktober  1897  aufge- 
stellten Vorschriften,  soweit  dieselbe  mit  Strafe  bedroht  ist, 
dazu  führen,  dass  die  Beschränkung  der  Haftpflicht  des  Be- 
triebsunternehmers, wie  sie  in  Art.  6  Abs.  2  des  Fabrikhaft- 
pflichtgesetzes aufgestellt  ist,  nicht  Platz  greift.  Im  vorlie- 
genden Falle  hat  sich  in  der  That  der  Beklagte  einer  solchen 
Uebertretung  schuldig  gemacht.  Es  ist  dies  durch  das  straf- 
gerichtliche Erkenntnis  des  Bezirksgerichts  Gossau  vom 
24.  Juni  1901  festgestellt,  und  hieran  ist  der  Givilrichter  bei- 
der Beantwortung  der  Frage,  ob  eine  strafbare  Handlung 
vorliege,  wie  das  Bundesgericht  in  den  bereits  erwähnten 
Fällen  ausgeführt  hat,  ohne  weiteres  gebunden.  Dagegen  ist. 
allerdings  durch  das  strafgerichtliche  Erkenntnis  eine  Beziehung 
des  strafbaren  Verhaltens  des  Beklagten  zu  dem  Unfall  nicht 
hergestellt.  In  dieser  Richtung  ist  dem  Urteile  des  Civil- 
richters,  der  über  einen  Haftpflichtanspruch  an  den  Betriebs- 
unternehmer zu  entscheiden  hat,  durch  das  Straferkenntnis 
nicht  präjudiziert,  und  es  hat  derselbe  frei  zu  prüfen,  ob  der 
nach  dem  Gesetz  erforderliche  Kausalzusammenhang  zwischen 
der  strafbaren  Handlung  und  dem  Unfall  bestehe.     Die  Vor- 


154 

instanz  (das  Kantonsgericht  St.  Gallen)  nimmt  diesen  Zu- 
sammenhang als  gegeben  an,  mit  folgender  Begründung:  Es 
könne  nicht  eingewendet  werden,  dass  die  Niohtanmeldung 
des  Dampfgefasses,  weil  eine  blosse  Unterlassung,  keine  aktive 
Handlung,  den  eingetretenen  Erfolg  nicht  verursachen  konnte. 
Der  Betriebsunternehmer  sei  nicht  nur  pflichtig,  selbst  drohende 
Gefahr  abzuwenden,  sondern  auoh  pflichtig,  die  auf  die  Er- 
kenntnis und  die  Abwendung  von  Gefahren  aus  dem  Betrieb 
von  Dampfkesseln  gerichtete  Thätigkeit  der  Prüfungsbeamten 
zu  veranlassen.  Da  nun  nach  dem  Gutachten  des  technischen 
Experten  angenommen  werden  müsse,  dass  eine  fachgemässe 
periodische  Revision  die  Fehler  und  Defekte  des  Kessels 
rechtzeitig  hätte  erkennen  lassen,  und  da  laut  einem  Nach- 
trag desselben  Experten  nur  die  Gewissheit  ausgeschlossen 
sei,  dass  der  Beklagte  und  seine  Arbeiter  (im  Gegensatz  za 
den  Prüfungsbeamten)  den  Bruch  am  Dampfgefass  rechtzeitig 
wahrnehmen  konnten,  so  habe  der  Beklagte  duroh  Nichtan- 
meldung  der  Dampfgefasse  zur  periodischen  Revision  die  im 
normalen  Lauf  der  Dinge  mit  Sicherheit  zu  erwartende  Ab- 
wendung der  Gefahr  vermittelst  der  amtlichen  Prüfung  und 
der  damit  in  Zusammenhang  stehenden  Sicherungsmassnahmen 
geradezu  verhindert.  Daher  habe  der  Beklagte  durch  sein 
Verhalten  eine  Ursache  zum  eingetretenen  Erfolge  gesetzt. 
Diese  Ausführungen  sind,  soweit  sie  tatsächlicher  Natur 
sind  oder  thatsächliche  Schlussfolgerungen  enthalten,  für  das 
Bundesgericht  ohne  weiteres  verbindlich,  da  sie  mit  den  Akten 
nicht  im  Widerspruch  stehen.  Muss  aber  als  feststehend  an- 
genommen werden,  dass  das  Gefäss  aller  Voraussicht  nach 
nicht  gesprungen  wäre,  wenn  der  Beklagte  gethan  hätte,  was 
zu  thun  in  seiner  Pflioht  lag,  so  kann  auoh  der  rechtliche 
Schiuse,  es  habe  derselbe  durch  sein  Verhalten  den  Unfall 
herbeigeführt,  und  es  seien  somit  die  sämtlichen  Voraus- 
setzungen des  Art.  6  Abs.  3  des  Fabrikhaftpflichtgesetzes 
vorhanden,  nicht  abgelehnt  werden.  Objektiv  betrachtet  hat 
die  pflichtwidrige  Nachlässigkeit  des  Beklagten  bewirkt,  dass 
die  vorhandenen  Fehler  am  Kessel  nicht  entdeckt  wurden, 
was  naoh  der  Expertise  hätte  der  Fall  sein  müssen,  wenn 
die  Untersuchung  veranlasst  worden  wäre;  und  es  stellt  sich 
dieselbe  somit  nicht  nur  als  eine,  sondern  geradezu  als  die 
Ursache  des  Unfalles  im  Sinne  des  Gesetzes  dar.  Damit  ist 
gegeben,  dass  der  Richter  bei  der  Schadensarbitrierung  an 
das  Maximum  von  Art.  6  Abs.  2  des  Fabrikhaftpflichtgesetzes 
nicht  gebunden  ist.  (Entsch.  v.  11.  Juni  1902  i.  S.  Häni  c. 
Tanner.) 


155 

77.  Bundesgesetz  betr.  Erfindungspalente  vom  29.  Juni 
1888/13.  März  1893,  Art  10.  Voraussetzungen  der  Patent- 
nichtigkeitsklage. 

In  einem  Strafprozesse  wegen  Patentnachahmung  setzte 
das  Obergericht  des  Kantons  Luzern  der  Beklagten,  welche 
u.  a.  die  Einrede  der  Nichtigkeit  des  klägerischen  Patentes 
erhoben  hatte,  Frist  von  einem  Monat  zur  Anhebung  der 
Nichtigkeitsklage  im  Sinne  des  Art.  10  Pat.-Gee.  beim  zu- 
ständigen Gericht  an.  Die  Beklagte  erhob  die  Klage  zwar 
innert  der  angesetzten  Frist  beim  Gerichte  des  Strafprozesses  ; 
dieses  erklärte  sich  jedoch  unzuständig,  und  die  Nichtigkeits- 
klage wurde  erst  nach  Ablauf  jener  Frist  beim  (zuständigen) 
Gerichte  des  Wohnortes  des  Nichtigkeitsbeklagten  (u.  Straf- 
klägers) eingereicht.  Dieses  Gericht  erklärte  die  Nichtig- 
keitsklage als  verwirkt,  weil  nicht  innert  der  angesetzten 
Frist  angehoben.  Das  Bundesgericht,  an  welches  die 
Niohtigkeitsklägerin  auf  dem  Wege  der  Berufung  gelangte, 
hob  dieses  Urteil  auf  und  wies  das  kantonale  Gericht  an,  auf 
das  Materielle  der  Sache  einzutreten,  mit  folgender  Be- 
gründung: Die  Voraussetzungen  der  Patentnichtigkeitsklage 
sind  durch  Artikel  10  des  Bundesgesetzes  betreffend  die  Er- 
findungspatente vom  29.  Juni  1888  in  Verbindung  mit  dem 
Bundesgesetz  vom  13.  März  1893  (enthaltend  Abänderungen 
zu  erstgenanntem  Bundesgesetz)  in  erschöpfender  und  aus- 
schliesslicher Weise  normiert.  Da  nun  für  die  Einreichung 
der  Klage  die  Einhaltung  irgend  einer,  sei  es  einer  gesetz- 
lichen oder  einer  richterlichen,  Frist  in  diesem  Artikel  nicht 
verlangt  wird,  und  auch  kein  Verjährungs-  oder  sonstiger 
Vorbehalt  darin  enthalten  ist,  so  ist  es  unzulässig,  wegen 
Nichteinhaltung  einer  allfälligen  im  Urteile  des  Luzerner 
Obergerichts  enthaltenen,  auf  die  Civilklage  bezüglichen 
peremptorischen  Frist  die  Verwirkung  der  Klage  auszu- 
sprechen. Das  vorliegende  Urteil  des  Bezirksgerichts  Steck- 
born mÜ88te  daher  auch  dann  aufgehoben  werden,  wenn,  was 
jedoch  keineswegs  der  Fall  ist,  sowohl  die  örtliche  und  sach- 
liche Zuständigkeit  des  Luzerner  Obergerichts  zur  Nichtig- 
erklärung des  Patentes  feststünde,  als  auch  die  Absicht  dieses 
Gerichtes,  die  Verwirkung  der  Civilklage  —  nioht  nur  die- 
jenige der  Einrede  im  Strafprozess  —  anzudrohen,  angenom- 
men werden  raüsste.  (Entsoh.  v.  2.  Mai  1902  i.  S.  Schweiz. 
Nähmasohinenfabrik  Luzern  c.  Qebr.  Gegauf.) 


156 

78.  Bundesgesetz  betreffend  den  Schutz  der  Fabrik-  und 
Handelsmarken  u.  s.  w.  vom  26. September  1890,  Arti,  3,  24  a 
und  b.  Markennachahmung.  Zulüssigktü  einer  Wortmarke. 
Phantasie-  (und  Herkunfts-)  Bezeichnung,  oder  Sach-  beztc.  Eigen- 
Schaftsbezeichnung  t 

Die  Kläger,  Ch.,  N.  &  Cie,  Fabrikanten  chemischer  Pro- 
dukte in  Genf,  sind  Inhaber  der  eidgenössischen  Wortmarke 
Nr.  12840  (ursprünglich  Nr.  9597,  datierend  vom  16.  Oktober 
1897),  lautend  „Vanillette,*  die  bestimmt  ist  für  „sucre  à  la 
vanilline."  Auf  die  Verpackung  dieser  Ware  bringen  die 
Kläger  das  Wort  „Vanillette"  mit  grossen  roten  Lettern  an, 
darunter  in  kleineren  schwarzen  Buchstaben  die  Worte,  „Sucre  à 
la  vanilline",  und  weiter  unten  ihre  Firma.  Ferner  findet  sich 
auf  der  Verpackung  ein  Bild,  bestehend  aus  einer  Blume, 
mit  dem  Wort  „Vanilline"  auf  einem  durchgehenden  Band, 
und  den  Worten  :  „Chuit-N»f,  Genève"  auf  einem  peripheren 
Streifen  ;  unter  dem  Bilde  befindet  sich  die  Erwähnung, 
„Marque  déposée."  Am  17.  März  1900  traten  die  Kläger 
dem  Beklagten  K.  ab  „une  des  branches  de  leur  industrie,, 
savoir  le  commerce  des  produits  chimiques-pharmaceutiques." 
Gemäss  Art.  6  des  Vertrages  verzichteten  die  Kläger  nicht 
auf  die  Fabrikation  und  den  Verkaut  ohemisch-pharmaceu- 
tischer  Produkte.  Am  25.  Juni  1900  liess  der  Beklagte  beim 
eidgenössischen  Amt  für  geistiges  Eigentum  unter  Nr.  12335 
eine  Marke  für  „Produits  chimiques  et  pharmaceutiques"  ein- 
tragen. Diese  Marke  hat  die  Form  eines  runden  Siegels, 
zeigt  die  Produkte  an,  für  die  sie  bestimmt  ist,  trägt  ferner 
die  Firma  des  Beklagten,  sowie  eine  Figur,  die  einen  sitzenden 
Knaben,  umgeben  von  verschiedenen  Werkzeugen,  über  denen 
sich  eine  lateinische  Devise  befindet,  darstellt.  Der  Beklagte 
brachte  in  der  Folge  Vanillin-Zucker  in  den  Handel  in  einer 
Verpackung,  die  seine  Fabrikmarke  mit  der  Angabe  „marque 
déposée",  darunter  aber,  in  grossen  roten  Lettern,  die  immer- 
hin von  den  von  den  Klägern  angewandten  etwas  verschieden 
waren,  das  Wort  „Vanilletta"  und  weiter  unten  die  Bezeich- 
nung „Sucre  à  la  vanilline"  trug.  Die  Kläger  erblickten 
hierin  eine  Verletzung  ihrer  Marke  „Vanillette"  und  erhoben, 
gestützt  auf  das  Markenschutzgesetz,  Klage  auf  Unterlassung» 
des  Weitervertriebes  der  mit  der  Aufschrift  „Vanilletta"  ver- 
sehenen Marke  und  Schadenersatz.  Der  Beklagte  erhob  drei 
Einwendungen:  Die  Marke  „Vanillette"  sei  ihm  von  den 
Klägern  abgetreten  worden  ;  sodann  unterscheide  sich  das 
Wort  „Vanilletta"  genügend  von  „ Vanillette",  bilde  also 
keine    Nachahmung    ihrer    Marke;    endlich    sei    „Vanillette" 


15T 

keine  des  Markenschutzes  fähige  Phantasiebezeichnung,  son- 
dern eine  Sach-  oder  Eigenschaftsbezeichnung  für  Vanillin- 
zucker und  als  solche  Gemeingut.  Während  der  Genfer 
Justizhof  die  Klage  im  Prinzip  guthiess,  hat  das  Bundes- 
gericht sie  abgewiesen.  In  seiner  Entscheidung  legt  es  zu- 
nächst die  Unbegründetheit  der  Behauptung  des  Beklagten, 
die  Kläger  hätten  ihm  die  Marke  „Vani  11  ette"  abgetreten, 
dar.  Ueber  die  Frage,  ob  sich  die  Bezeichnung  „Vanilletta" 
von  „Vanillette"  genügend  unterscheide,  führt  das  Urteil  aus: 
La  dénomination  „vanillette"  a  été  déposée  par  les  de- 
mandeurs comme  marque  littérale;  elle  a  ensuite  été  employée, 
sans  modification  essentielle,  par  le  défendeur  pour  désigner 
un  produit  de  sa  fabrication.  Le  changement  apporté  à  cette 
dénomination  en  remplaçant  la  voyelle  finale  e  par  un  a  est 
si  peu  important  que  non  seulement  il  ne  fait  pas  dis- 
paraître l'identité,  soit  la  ressemblance  trompeuse  des  deux 
marques,  mais  rend  simplement  manifeste  l'intention  du  défen<~ 
deur  de  provoquer  la  confusion  entre  elles.  Il  est  vrai  que 
le  défendeur  n'a  pas  fait  enregistrer  le  mot  vanilletta  comme 
marque  et  ne  l'emploie  pas  non  plus  seul  pour  désigner  se» 
produits.  La  marque  n°  12335  qu'il  a  déposée  pour  des  pro- 
duits chimiques- pharmaceutiques  est  au  contraire  une  marque 
combinée,  composée  de  mentions  verbales  et  d'éléments  fi- 
guratifs, laquelle  n'a  rien  de  commun  avec  la  marque  littérale 
„vanillette";  en  fait  aussi  le  défendeur  ne  s'est  pas  servi 
pour  désigner  ses  produits  de  la  désignation  vanilletta  seule^ 
mais  y  a  ajouté  sa  marque  de  fabrique  n°  12335,  avec  la 
mention  „marque  déposée",  ainsi  que  l'indication  „Sucre  à 
la  vanilline"  ;  il  est  vrai  également  que  le  mot  vanilletta  est 
imprimé  en  caractères  un  peu  différents  de  ceux  du  mot 
vanillette;  de  plus  les  encadrements  qui  entourent  les  men- 
tions verbales  et  signes  figuratifs,  bien  qu'ayant  une  ressem- 
blance générale,  offrent  cependant  des  particularités  de  forme 
et  de  couleur.  Mais  cela  ne  change  rien  à  la  réalité  de  Timi* 
tation  de  la  marque  des  demandeurs,  pour  autant  qu'elle  est 
susceptible  d'être  protégée.  En  admettant  que  les  demandeur» 
aient  acquis  le  droit  à  l'usage  exclusif  du  mot  vanillette 
pour  désigner  le  sucre  à  la  vanilline  de  leur  fabrication,  il 
est  certain  que  ce  droit  est  lésé  lors  même  que  l'imitateur 
joint  à  la  marque  verbale  des  éléments  figuratifs.  Le  mot 
employé  comme  marque,  qui  est  destiné  à  se  graver  dans  la* 
mémoire  non  seulement  par  la  vue,  mais  aussi  par  l'ouïe,  et 
qui  forme  le  nom  sous  lequel  le  public  demande  la  marchan- 
dise, apparaît  comme  la  chose  essentielle;  dès  lors,  un  signe 

12 


158 

•qui  reproduit  une  dénomination  de  marchandise  protégée 
comme  marque  littérale,  même  lorsque  cette  dénomination 
est  accompagnée  d'éléments  figuratifs,  constitue  une  imitation 
illicite  de  la  marque  littérale,  ni  plus  ni  moins  qu'un  signe 
qui  reproduit  celle-ci  sans  y  joindre  de  tels  éléments.  Il  en 
serait  tout  au  plus  autrement  si  le  mot  protégé  comme  mar- 
que était  combiné  avec  d'autres  éléments  figuratifs  ou  ver- 
baux de  telle  manière  qu'il  ne  formât  dans  cette  nouvelle 
combinaison  qu'un  élément  tout  à  fait  accessoire  et  n'apparût 
pas  comme  la  dénomination  distinotive  de  la  marchandise. 
Mais  on  n'a  pas  affaire  in  concreto  à  un  cas  de  ce  genre. 
Dans  la  marque  employée  en  fait  par  le  défendeur,  la  dé- 
nomination vanii  letta  apparaît  aussi  comme  l'élément  essentiel, 
comme  le  signe  distinctif  qui  reste  dans  le  souvenir  de  l'ache- 
teur et  sous  lequel  il  recherche  la  marchandise. 

Ueber  die  letzte  entscheidende  Frage,  diejenige  der 
<Schutzfähigkeit  der  Bezeichnung  „Vanillette"  endlich,  sagt 
-das  Bundesgericht: 

D'après  la  doctrine  et  la  jurisprudence,  et  ainsi  que  le 
Tribunal  fédéral  Ta  jugé  à  plusieurs  reprises,  en  particulier 
dans  son  arrêt  du  5  octobre  1901  en  la  cause  Cailler  c. 
Tobler  &  Oie,  pour  qu'un  mot  puisse  être  employé  comme 
marque  pour  désigner  une  marchandise  ou  une  catégorie  de 
marchandises  déterminée,  il  faut  qu'il  constitue  une  dénomi- 
nation de  fantaisie,  c'est-à-dire  que  la  notion  qu'il  éveille 
«dans  l'esprit  du  public  n'ait  aucun  rapport  avec  la  marchan- 
dise ou  la  nature,  les  qualités,  la  destination,  etc.  de  la 
marchandise  pour  laquelle  il  est  destiné  à  être  employé. 
Dans  le  cas  particulier,  le  mot  vanillette  a  été  enregistré 
pour  du  sucre  à  la  vanilline,  c'est-à-dire,  comme  cela  est 
établi  par  les  „Recettes  pratiques"  du  professeur  Maillard, 
employées  comme  réclame  par  les  demandeurs,  pour  un  mé- 
lange de  sucre  très  fin  avec  de  la  vanilline,  qui  est  la  sub- 
stance aromatique  de  la  vanille  produite  artificiellement  par 
des  procédés  chimiques.  Or,  tandis  que  les  mots  vanille  et 
vanilline,  appartiennent  à  la  langue  usuelle  et  désignent  des 
choses  connues,  le  mot  vanillette  n'est  pas,  d'après  la  con- 
statation de  l'instance  cantonale,  un  mot  français  usuel,  mais 
se  caractérise  comme  une  dénomination  nouvelle  créée  par 
les  demandeurs  pour  désigner  un  produit  de  leur  fabrication, 
savoir  le  sucre  à  la  vanilline.  Cette  dénomination,  malgré  sa 
con8onnance  avec  les  mots  vanille  et  vanilline,  serait  assez 
originale  pour  différencier  le  dit  produit,  parce  qu'elle  ne 
suffit  pas  pour  désigner  tous  les  produits  semblables  ou  ana- 


159 

logues  qui  peuvent  sortir  d'une  autre  fabrique.  L'instance 
«cantonale  admet  en  conséquence  que  le  mot  vanillette  est 
susceptible  d'être  enregistré  comme  marque  littérale  parce 
qu'il  ne  constitue  pas  une  désignation  générique  de  chose 
ou  de  qualité.  La  question  de  savoir  si  cette  manière  de  voir 
est  fondée  ne  laisse  pas  d'être  douteuse,  comme  o'est  souvent 
le  cas  lorsqu'il  s'agit  de  savoir  si  une  dénomination  de  mar- 
chandise constitue  un  nom  de  fantaisie  protégeable  comme 
marque  ou  si  elle  comporte  une  notion  en  rapport  avec  la 
chose  elle-même,  sa  nature  ou  ses  qualités.  A  cet  égard,  la 
Jurisprudence  a  fréquemment  varié  (Voir  entre  autres  Kent, 
Reichsgesetz  zum  Schutze  der  Warenbezeichnung, 
page  824  et  passim;  Pouillet,  Traité  des  marques  de  fa- 
brique, n°  45  et  suiv. ;  Kohler,  Markenschutz,  page  177 
et  suiv.).  Dans  le  cas  particulier  on  peut  invoquer  en  faveur 
de  l'opinion  que  vanillette  est  une  dénomination  de  fantaisie, 
susceptible  de  protection  comme  marque,  la  circonstance,  re- 
levée par  l'instance  cantonale,  que  ce  mot  n'est  pas  une  ex- 
pression consacrée  par  l'usage  pour  désigner  un  produit  ayant 
des  qualités  ou  une  composition  déterminées,  mais  apparaît 
comme  un  mot  nouveau.  Cette  circonstance  ne  suffit  toute- 
fois pas  pour  autoriser  à  conclure  que  les  demandeurs,  en  le 
faisant  enregistrer  comme  marque,  ont  pu  lui  donner  et  lui 
ont  valablement  donné  la  signification  d'une  indication  d'ori- 
gine pour  un  produit  de  leur  fabrication,  soit  pour  leur  sucre 
à  la  vanilline.  S'il  est  vrai  que  le  mot  est  nouveau,  il  a  ce- 
pendant été  formé  d'après  certaines  régies  de  la  langue 
française  et  n'est  qu'une  modification  du  mot  vanille,  qui 
^appartient  à  la  langue  usuelle.  La  terminaison  eue  s'ajoute, 
dans  la  règle,  aux  substantifs  pour  en  former  des  diminutifs, 
mais  parfois  aussi  pour  désigner  un  produit  préparé  exclusi- 
vement ou  en  partie  à  l'aide  de  la  chose  désignée  par  le 
substantif  (p.  ex.  anisette,  cerisette,  vinaigrette  etc.).  Même 
si  son  adjonction  à  un  substantif  déterminé  n'est  pas  usuelle, 
elle  évoque  néanmoins  dans  l'esprit  du  public  l'idée,  d'une 
forme  réduite,  d'un  dérivé  ou  composé  de  la  chose  que  ce 
substantif  désigne.  Lors  donc  que  le  mot  vanillette  est  ap- 
pliqué comme  marque  pour  du  sucre  à  la  vanilline,  c'est-à- 
dire  pour  un  produit  dans  la  préparation  duquel  entre  la 
substance  aromatique  de  la  vanille  produite  chimiquement, 
il  n'est  pas  douteux  qu'il  éveille  une  notion  en  rapport  avec 
la  chose  ou  les  qualités  de  la  chose  à  laquelle  il  est  appliqué, 
«en  d'autres  termes  qu'il  doit  être  compris  et  est  compris 
•comme  désignant  un  produit,  du  sucre  à  la  vanilline,   posse- 


160 

dant  les  qualités  spéciales  et  les  effets  de  la  vanille.  Ce 
rapport  avec  la  chose  ou  ses  qualités  ne  résulte  pas  du  mot 
vanillette  d'une  manière  éloignée  seulement,  mais  il  ressort 
clairement  de  son  étymologie  et  de  son  application  à  du 
sucre  à  la  vanilline. 

A  ces  arguments  s'ajoutent  encore  les  suivants:  Il  résulte 
des  pièces  du  dossier,  bien  que  les  parties  n'aient  pas  discuté 
ce  point,  que  les  demandeurs,  soit  leurs  prédécesseurs  se  sont 
servis  à  l'origine  du  mot  vanillette  non  comme  marque  de  fabri- 
que, comme  indication  d'origine,  mais  bien  comme  désignation 
de  la  marchandise  elle-même.  La  preuve  en  est  fournie  par  le 
fait  que  sur  les  paquets,  soit  enveloppes  de  Ch.  A  N.,  qui  sont 
au  dossier,  on  voit  figurer,  à  côté  du  mot  „vanillette/'  de  la 
mention  „sucre  à  la  vanilline"  et  de  la  raison  sociale  des 
fabricants,  la  marque  combinée  représentant  une  fleur  tra- 
versée par  une  bande  avec  le  mot  vanilline,  et  au-dessous  de 
laquelle  sont  placés  les  mots  „marque  déposée."  Les  deman- 
deurs ou  leurs  prédécesseurs  n'employaient  donc  pas  le  mot 
vanillette  comme  marque,  comme  indication  de  provenance, 
mais  comme  désignation  du  produit  lui-même  ou  de  ses  qua- 
lités, à  côté  du  signe  figuratif  et  verbal  indiquant  sa  pro- 
venance. 

De  ces  considérations  il  résulte  que  le  mot  vanillette  ne 
saurait  être  reconnu  comme  marque  littérale  ayant  droit  à  la 
protection  de  la  loi.  Cette  manière  de  voir  est  en  harmonie 
avec  la  jurisprudence  adoptée  par  le  Tribunal  fédéral  notam- 
ment dans  son  arrêt  relatif  à  la  marque  „saccharine/'  du 
27  novembre  1897,  dans  la  cause  Fahlberg,  List  &  Cie  c. 
Chemische  Union  (Ree.  off.  XXIII,  2m#  partie,  page  1630  et 
suiv.)  et  dans  l'arrêt  déjà  cité  relatif  à  la  marque  „Crémant," 
rendu  dans  la  cause  Cailler  c.  Tobler  &  Cie  le  5  octobre  1901. 
L'argument  que  les  demandeurs  cherchent  à  tirer  du  fait  que 
les  tribunaux,  et  en  particulier  le  Tribunal  fédéral,  ont  re- 
connu la  validité  comme  marque  verbale  de  la  dénomination 
Chartreuse,  appliquée  à  la  liqueur  connue  sous  ce  nom,  est 
sans  valeur,  attendu  que  le  mot  Chartreuse,  à  la  différence 
du  mot  vanillette,  n'avait,  d'après  sa  signification  usuelle, 
aucun  rapport  quelconque  avec  le  produit  pour  lequel  il  a 
été  choisi  comme  marque  et  constituait,  par  conséquent,  une 
dénomination  de  fantaisie  susceptible  d'être  protégée  comme 
marque.  (Entsch.  vom  21.  Februar  1902  i.  S.  Klein  c  Chuit^ 
N»f  &  Cie.) 


161 

B.  Entscheide  kantonaler  Gerichte. 


79.    Haftpflicht   der    Gastwirte.     Selbstverschuldet*   des 
Gastes.     Art.  486  0.  ß. 

Basel-Stadt.  Urteil  des  Civilgerichts  vom  25.  Juli  1902  i.  S.  Ritter 
«.  Flück. 

F.  Ritter,  Reisebegleiter  der  Firma  Th.  Cook  and  Son  in 
London,  kam  am  23.  August  1901  mit  einer  Reisegesellschaft 
von  fünf  Personen  in  den  Gasthof  zu  den  Drei  Königen  in 
Basel  und  wurde  in  der  Dépendance  des  Hotels,  Spiegel- 
gasse 2,  in  einem  Part  errez  im  mer  untergebracht.  Er  erzählt 
nun  selbst  weiter:  an  diesem  Tage  habe  er  um  9  Uhr  Abends 
in  sein  Zimmer  zurückkehren  wollen,  aber  die  Hausthüre 
nicht  öffnen  können;  da  sei  ein  Mann  von  der  Strasse  her 
gekommen,  habe  ohne  ein  Wort  zu  sprechen  die  Hausthür 
durch  Drehen  eines  Knopfes  geöffnet  und  habe  sich  hierauf 
wieder  entfernt.  In  sein  Zimmer  eingetreten,  habe  er  (Ritter) 
unter  andern,  seiner  Weste  entnommenen  Gegenständen  auch 
eine  Brieftasche  mit  Noten  der  Bank  von  England  auf  den 
Tisch  gelegt.  Am  andern  Morgen  sei  diese  Brieftasche  ver- 
schwunden gewesen.  Er  klagte  nun  auf  Erstattung  des  ihm 
widerfahrenen  Schadens  (Fr.  657.50)  gegen  den  Eigentümer 
des  Hotels,  gestützt  auf  Art.  486  0.  R.  Der  Beklagte  wandte 
ein,  der  Besitz  der  Brieftasche  mit  angegebenem  Inhalt  bei 
dem  Kläger  sei  vorab  nicht  bewiesen  und  der  letztere  sei 
eventuell  wegen  Selbstverschuldens  abzuweisen,  da  er  unter- 
lassen habe,  die  Wertsachen  dem  Beklagten  zur  Aufbewahrung 
zu  übergeben  und  sein  Zimmer  abzuschliessen,  was  er  um  so 
notwendiger  hätte  thun  sollen,  als  er  gesehen  hatte,  dass  die 
Hausthür  nicht  geschlossen  sei.  An  der  Zimmerthüre  befinde 
sich  ein  Nachtriegel,  der  hätte  vorgeschoben  werden  sollen. 
Der  Kläger  war  dagegen  der  Meinung,  dass  das  Nichtver- 
scbliessen  der  Hausthür  eine  grössere  Negligenz  des  Wirtes 
involviere.  Das  Civilgericht  hat  aber  den  Kläger  abgewiesen. 
Es  erachtete,  dass  wenn  man  auch  annehme,  er  habe  die  er- 
wähnten Wertsachen  in  das  ihm  angewiesene  Zimmer  ver- 
bracht, doch  die  Klagsumme  wegen  Selbstverschuldens  nicht 
zugesprochen  werden  könne.  Dasselbe  liege  darin,  dass  er, 
trotzdem  vor  seinen  Augen  ein  Mann  die  Hausthür  durch 
blosses  Drehen  des  Knopfes  geöffnet,  die  Brieftasche  nicht 
in  seinem  Koffer  oder  sonst  versteckt,  sondern  offen  auf  den 
'Tisch  gelegt  und  die  Thür  nicht  verriegelt  habe.  „Dieses 
.Benehmen,   das    vielleicht,    wenn   der  Kläger  ein  Zimmer   in 


162 

einem  oberen  Stockwerk  des  Gasthofs  zu  den  Drei  Königen* 
selbst  bewohnt  hätte,  weniger  streng  beurteilt  werden  könnte, 
qualifiziert  sich  angesichts  des  Umstandes,  dass  das  Zimmer 
des  Klägers  im  Parterre  einer  nicht  verschlossenen,  vom  Hotel 
getrennten  Dépendance  sich  befand,  als  Selbstverschulden  des 
Klägers  an  dem  ihm  erwachsenen  Schaden." 

Das  Urteil   ist   appellationsgerichtlich   bestätigt   worden. 

(Direkte  Mitteilung.) 


80.  Frachtvertrag.  Vergütung  für  verlorenes  Passagier- 
gut.  Unzuläs&igkeit  des  Beweises  von  Minderwert  gegenüber  der 
gesetzlichen  Ersatzsumme.  B.-Ges.  betreffend  den  Transport  auf 
Eisenbahnen  vom  29.  März  1893,  Art.  62. 

Zürich.   Urteil  der  Appellationskammer  II  vom  14.  Mai  1902. 

Der  Maurer  L.  6.  benützte  die  Eisenbahn  von  Arbon 
nach  Romanshorn  und  gab  ein  Handköfferchen  im  Gewicht 
von  15  Kg.  als  Passagiergepäck  auf.  Dieses  ging  verloren» 
6.  verlangte  zuerst  als  Schadenersatz  Fr.  83.85  und  klagte, 
nachdem  ihm  dieser  Betrag  als  zu  hoch  verweigert  worden 
war  und  er  einen  Anwalt  konsultiert  hatte,  15X15  =  Fr.  22a 
ein,  gestützt  auf  Art.  62  des  Transportgesetzes,  wonach  die 
Entschädigung  Fr.  15  per  Kg.  beträgt.  Das  Bezirksgericht 
Zürich  hies8  die  Klage  nur  in  einem  reduzierten  Betrage  gut, 
weil  auch  nach  Art.  62  der  Bahn  der  Nachweis  offen  stehen 
müsse,  dass  der  Wert  des  verlorenen  Guts  die  Normalent- 
schädigung nicht  erreiche;  es  folge  dies  per  argumentum  e 
contrario  daraus,  dass  auch  der  Eigentümer  des  verlorenen 
Passagierguts  den  Nachweis  eines  grösseren  Wertes  erbringen 
dürfe.  In  casu  sei  der  Beweis  des  Minderwertes  geleistet. 
Auf  erhobene  Nichtigkeitsbeschwerde  verpflichtete  die  II.  Appel- 
lationskammer die  Bahn  zur  Bezahlung  der  geforderten  Fr.  225. 
Aus  den  Gründen  teilen  wir  mit: 

Die  Botschaft  des  Bundesrats  spricht  sich  njit  Bezug  aar 
die  betreffende  Bestimmung  des  Art.  62  mit  aller  Deutlichkeit 
dahin  aus,  dass  die  Transportunternehmung  mit  einem  solchen 
Nachweise  des  Minderwertes  ausgeschlossen  sein  solle  (B.  B. 
1874  S.  863).  Diese  Thatsache  genügt  aber  für  sich  allein 
noch  nicht  zur  Kassation  des  Urteils.  Denn  der  Richter  hat 
durch  die  Interpretation  einer  Gesetzesbestimmung  nicht  die 
Absicht  des  Gesetzgebers  klar  zu  stellen,  sondern  nur  den 
Sinn  des  Gesetzes  selbst,  und  dieser  muss  aus  dessen  Inhalt 
gefolgert  werden  können;  deshalb  sind  auch  die  Botschaften 
und  Motive    für    den   Kichter  nicht  massgeblich,    wenn   die* 


16a 

darin  enthaltene  Absicht  nicht  im  Gesetze  selbst  ihren  Aus- 
druck gefunden  hat. 

Aus  dem  Umstand  nun,  dass  in  Ziff.  2  des  Art.  62  aus- 
drücklich zu  Gunsten  des  Reisenden  die  Möglichkeit  eines 
Mehrwertsbeweises  eingeräumt  wurde,  muss  geschlossen  werden, 
dass,  wenn  das  Gesetz  im  Sinne  der  Annahme  des  Bezirks- 
gerichtes auch  der  Unternehmung  einen  entsprechenden  Nach- 
weis für  einen  allfälligen  Minderwert  hätte  gestatten  wollen, 
dies  ebenfalls  expresses  verbis  gesagt  worden  wäre.  Dadurch, 
dass  dies  nicht  geschehen  ist,  findet  auch  .im  Gesetze  die  in 
der  Botschaft  erwähnte  ratio  ihren  Ausdruck,  dass  in  Berück- 
sichtigung der  besonderen  Natur  solchen  Passagierguts,  welches 
in  den  meisten  Fällen  die  für  den  unmittelbaren  Gebrauch  des 
Reisenden  unumgänglich  notwendigen  Gegenstände  enthält, 
deren  Nichtbesitz  am  Bestimmungsort  ihn  in  die  grösste  Ver- 
legenheit setzt,  da,  wo  diese  Fr.  15  den  wirklichen  Wert 
übersteigen,  darin  zugleich  eine  Inkonvenienzentschädigung 
erblickt  werden  soll. 

Für  diese  Absicht  des  Transportgesetzes  vom  29.  März  1 893 
(dessen  Art.  62  wörtlich  mit  dem  Art.  51  des  Gesetzes  vom 
20.  März  1875  übereinstimmt),  die  Bahn  mit  einem  allfälligen 
Minderwert8bewei8e  auszuschliessen,  spricht  endlich  ganz 
deutlich  die  Thatsache,  dass,  wie  dies  ebenfalls  aus  der  Bot- 
schaft erhellt,  schon  im  Jahre  1875  die  Bestimmung  des 
früheren  Eisenbahntransportreglementes,  wonach  der  Bahn 
diese  Lizenz  eingeräumt  war,  mit  Bewusstsein  fallen  gelassen 
wurde.  Somit  liegt  in  der  eingangs  erwähnten  Annahme  des 
Bezirksgerichtes  Zürich  in  der  That  eine  Verletzung  klaren 
Rechtes. 

Am  Schluss  beantwortet  das  Gericht  die  Frage,  ob  der 
Beschwerdeführer  das  Recht,  die  Normalentschädigung  zu  ver- 
langen, nicht  dadurch  verwirkt  habe,  dass  er  zuerst  den  Wert 
seines  Gepäckes  auf  Fr.  83.  85  bezifferte.  Es  verneint  die 
Frage,  weil  das  eine  Offerte  seinerseits  war,  die  durch  Ab- 
lehnung der  Eisenbahnverwaltung  dahingefallen  ist  (doch  wohl 
eine  schiefe  Auffassung  der  Sache!  Die  Red.).  Es  könnte 
höchstens  aus  dem  Grunde  unrechtmässiger  Bereicherung  die 
Beschwerde  ungerechtfertigt  erscheinen,  aber  auch  das  gehe 
nicht  an,  denn  wer  nur  fordere,  wozu  ihn  das  Gesetz  be- 
rechtige, verlange  nichts  Unrechtmässiges,  und  das  Klage- 
begehren sei  auch  materiell  nicht  ungerechtfertigt,  weil  eben 
in  der  Normalentschädigung,  wo  sie  den  gemeinen  Wert  des 
Gutes  übersteigt,  zugleich  eine  Inkonvenienzentschädigung  er- 
blickt werden  müsse.    (Blätter  f.  Zürch.  Rechtsprechung  I,  S.  243  ff.) 


164 

81.  Poursuite  contre  un  ancien  associé  d'une  société  en 
faillite.  Opposition  pour  manque  de  retour  à  meilleure  fortune. 
Art.  265  Loi  féd.  P.  et  F. 

Genève,  Jugement  de  la  Cour  de  justice  civile  du  31  mai  1902 
4. 1.  c.  Meissner  c.  Wiegang. 

Wiegang,  ancien  associé  de  la  société  Mugnier,  Wiegang 
&  Cie,  a  été  cité  par  Meissner  en  paiement  de  250  fr.  montant 
d'un  acte  de  défaut  de  biens  à  lai  délivré  par  la  faillite  de 
la  société  M.  W.  et  Cie.  Il  a  opposé  à  la  demande  que  la 
société  aurait  été  déolarée  en  faillite  et  qu'il  ne  serait  pas, 
dès  lors,  revenu  à  meilleure  fortune.  Le  tribunal  de  1™  instance 
a  admis  cette  fin  de  non  recevoir,  estimant  que  l'art.  265 
L.  P.  et  F.  s'appliquait  aussi  aux  associés  d'une  société  en 
nom  collectif,  en  cas  de  faillite  de  cette  société,  puisqu'ils  sont 
tenus  pour  tous  leurs  biens  des  dettes  de  la  société.  La  Cour 
■a  réformé  ce  jugement, 

Considérant  qu'aux  termes  de  l'art.  573  C.  0.  la  faillite 
de  la  société  en  nom  collectif  n'entraîne  pas  de  plein  droit 
la  faillite  personnelle  des  associés; 

Quela  loi  sur  la  poursuite  pour  dettes  n'a  rien  modifié 
à  ce  principe  et  prévoit,  à  l'art.  39,  la  faillite  distincte  de  la 
société  et  de  ses  associés; 

Qu'il  suit  de  là  que  l'associé  qui  est  poursuivi  pour  une 
•dette  de  la  société  en  faillite,  ne  saurait,  s'il  n'a  pas  été  mis 
personnellement  en  faillite,  se  retrancher  derrière  la  disposition 
de  l'art.  265  L.  P.  et  P.  ; 

Que  le  C.  0.  art.  564  prescrit  expressément  que  l'associé 
peut  être  recherché  pour  une  dette  sociale,  lorsque  la  société 
a  été  dissoute  ou  qu'elle  a  été  l'objet  de  poursuites  restées 
infructueuses.  (La  Semaine  judiciaire,  XXIV  p.  494  as.) 


82.  Bürgschaft  für  pfandversicherte  Forderung.  Be- 
treibung des  Bürgen  auf  dem   Wege  der  Pfändung. 

Bern,  Entscheid  der  kantonalen  Aufsichtsbehörde  in  Schuldbetreibungs- 
und Konkurssachen  vom  2.  März  1901  i.  S.  Neuhaus. 

Der  Bürge  einer  pfand versicherten  Forderung  widersetzte 
sich  der  ordentlichen  Betreibung,  weil  seine  Bürgschaftsschuld 
auch  an  der  Pfandversicherung  Teil  habe.  Diese  Ansioht 
wurde  verworfen: 

„Der  Beschwerdeführer  befindet  sich  im  Irrtum,  wenn 
er  annimmt,  seine  Bürgschaftsschuld  sei  deswegen  ohne 
weiteres  pfand  versichert,  weil  dies  hinsichtlich  der  Haupt- 
schuld zutreffe,  und   ebenso   ist   die   Auffassung   des   Verant- 


165 

worters  eine  rechtsirrtümliche,  dass  bei  pfandversicherter 
Hauptschuld  eine  Solidarbürgschaft  ohne  weiteres  auch  pfand- 
versichert sei.  Vielmehr  ist  davon  auszugehen,  dass  die  Bürg- 
schaft ein  Vertrag  ist,  der  zwar  das  Vorhandensein  einer 
Hauptschuld  voraussetzt,  aber  abgesehen  hievon  eine  selb- 
ständige, mit  der  Hauptschuld  nicht  identische  Verpflichtung 
konstituiert.  Wie  die  Hauptschuld  pfandversichert  sein  kann, 
so  kann  es  auch  die  Bürgschaft  sein,  jedoch  ist  das  letztere 
nicht  die  notwendige  Folge  des  ersteren.  Da  nun  die  Be- 
treibung auf  Pfandverwertung  nur  gegen  den  Pfandschuldner, 
d.  h.  denjenigen  Schuldner,  welcher  für  eine  pfandversicherte 
Forderung  haftet,  gerichtet  sein  kann,  so  greift  diese  Be- 
treibungsart gegen  den  Bürgen  auch  nur  dann  Platz,  wenn 
die  Bürg8chaftsf orderung  selbst  pfandversichert  ist.  Die  Zu- 
lassung der  Betreibung  auf  Pfandverwertung  gegenüber  dem 
Bürgen  nur  deshalb,  weil  die  Hauptschuld  pfandversichert  ist, 
würde  der  Betreibung  einer  Person  für  eine  Schuld  (die  pfand- 
versicherte Hauptschuld)  gleichkommen,  für  welche  dieselbe 
gar  nicht  haftet,  und  es  würde  dadurch  die  Realisierung  des 
vom  Hauptschuldner  bestellten  Pfandes  bewirkt  werden 
können,  ohne  ihn  selbst  zu  belangen  und  ihn  in  die  Mög- 
lichkeit zu  versetzen,  seine  Schuld  durch  Erhebung  eines 
Rechtsvorschlages  zu  bestreiten.  Im  vorliegenden  Fall  ist  die 
Bürgschaftsschuld  nicht  pfandversichert  und  es  musa  daher 
auf  dem  Wege  der  gewöhnlichen  Betreibung  auf  Pfändung 
vorgegangen  werden."     (Zeitschr.  d.  Bern.  J.  V.,  XXX Vil  S.  542  f.) 


I.  Alphabetisches  Sachregister. 


Abtretung,  der  Kundsame  eines  Geschäfts,  Bedeutung;  Garantie 
für  Zahlungsfähigkeit  des  debitor  cessus,  Nr.  25. 

Aktiengesellschaft,  Befugnisse  der  Generalversammlung  betr.  Be- 
wertung der  Bilanzposten,  Nr.  *7  ;  Verantwortlichkeit  der  Ver- 
waltungsorgane, Nr.  74. 

Anfechtung,  eines  Drittmannsrechtes  an  einer  gepfändeten  Sache, 
Verwirkung,  Nr.  41  ;  eines  Rechtsgeschäftes  wegen  Simulation, 
Nr.  53. 

Anfechtungsklage,  Wesen,  Streitwertberechnung,  Nr.  1  ;  des  Aktio- 
närs gegen  Generalversammlungsbeschlüsse,  Nr.  7. 

Anwendbarkeit,  eidgenössischen  Rechts  auf  Schadenersatzpflicht 
aus  Delikt,  Nr.  4;  auf  Gesellschaftsaufhebung  mit  Liegen- 
schaftsabtretung, Nr.  6  ;  auf  Maklerauftrag  bei  Liegenschafts- 
kauf, Nr.  31;  betr.  Rangordnung  des  Frauenguts  im  Konkurse, 
Nr.  42;  auf  Mobiliarvindikation  aus  einer  verkauften  Liegen- 
schaft, Nr.  55. 

kantonalen  Rechts  auf  Strafgeding  in  einem  Liegenschafts- 
kaufvertrag, Nr.  6  ;  auf  Qualifikation  eines  Rechtsgeschäfts  als 
eines  wucherlichen,  Nr.  19;  auf  Fund  und  Recht  und  Pflicht 
des  Finders,  Nr.  24  ;  betr.  Weibergutsforderung  im  Eonkurse, 
Nr.  42  ;  auf  Haftung  des  Staats  für  Delikte  der  Beamten,  Nr.  71. 
eidgenössischen  oder  kantonalen  Rechtes  bei  Schadenersatz- 
klagen wegen  unbegründeterStrafklage?Nr.54;  bei  Schädigung 
aus  Nachbargrundstücken?  Nr.  72. 

Arrestort,  auch  Betreibungsort?  Nr.  14. 

Ausfall,  bei  einer  zweiten  Gant  nach  Nichthaltung  der  ersten  durch 
den  Ersteigerer,  Nr.  40. 

Auslegung  eines  Vertrages,  nicht  dem  Parteieide  zu  unterstellen^ 
Nr.  69. 

Berufung,  an  das  Bundesgericht,  Antrag  bloss  auf  Aufhebung  des 
angefochtenen  Urteils  unstatthaft,  Nr.  49;  Form  der  Berufung, 
Nr.  68;  Frist,  Ende,  Nr.  23. 

Beruf ungsurteile,  bandesgerichtliche,  Revision,  Nr.  50. 

Besitz-  und  Eigentumserwerb  an  Sachen  in  Händen  Dritter,. 
Nr.  62. 

Betrieb  einer  Eisenbahn,  Begriff,  Nr.  8. 

Betrug,  Thatbestand  des  civürechtlichen  B.,  Nr.  20. 


167 

Beweis,  des  Wertes  von  verlorenem  Passagiergut,  Nr.  80. 

Beweislast,  des  Cessionars  für  Insolvenz  des  debitor  cessas  zur 
Zeit  der  Abtretung,  Nr.  25  ;  bei  behaupteter  Simulation  eines 
Rechtsgeschäftes,  Nr.  53  ;  betr.  Vçrwirkung  des  Klagrechts 
gegen  Verwaltungsräte  einer  Aktiengesellschaft,  Nr.  74. 

Beweismittel,  „neue  entschiedene41,  als  Revisionsgrund  für  bundes- 
gerichtliche Urteile,  Nr.  50. 

Bienen,  Schaden  durch  solche,  Haftpflicht  des  Eigentümers,  Nr.  10. 

Bieten,  bei  Gant,  vertragsmässiger  Ausschluss  wiefern  unsittlich? 
Nr.  46. 

Bilanz,  einer  Aktiengesellschaft,  Anfechtungsklage  gegen  bezügliche 
Generalversammlungsbeschlüsse,  Nr.  7. 

Böswillige  Verlassung,  Begriff,  Nr.  52. 

Bürge,  einer  pfandversicherten  Forderung,  wie  zu  betreiben? 
Nr.  82. 

Bürgschaft,  oder  unverbindliche  Hoffnungserregung?  Nr.  32. 

Cession,  s.  Abtretung. 

Concurrence  déloyale,  s.  Wettbewerb. 

.Darlehen,  Begriff,  Nr.  29. 

Dienstvertrag,  wichtiger  Entlassungsgrund,  Nr.  30;  57. 
Domizil,  s.  Wohnort« 

Drittmannsrecht,  im  Betreibungs verfahren,  an  einer  gepfändeten 
Sache,  Nr.  41. 

Ehescheidung,  wegen  Ehrenkränkung,  Nr.  2;  Verhältnis  der  all- 
gemeinen und  der  speziellen  Scheidungsgründe,  Nr.  52. 

Ehescheidungsurteile,  Revision,  Nr.  50. 

Ehrenkränkungen,  tiefe,  Begriff,  Nr.  2;  gegenseitige,  wiefern  im 
Ehescheidungsprozesse  kompensierbar,  Nr.  2. 

Eid,  Zuschiebung  über  den  Sinn  eines  Vertrags,  Nr.  69. 

Eigenschaftsbezeichnung,  oder  schutzfähige  Wortmarke?  Nr.  39;  78. 

Eigentumserwerb  an  Sachen  in  Drittmanns  Hand,  Nr.  62. 

Eigentumsvorbehalt,  Nr.  63. 

Einrede,  aus  Wechselrecht  oder  nach  Art.  811   0.  ß.?  Nr.  15. 

Ein8tellungsbe8chlu8S  der  Strafbehörde  betr.  Anklage  auf  fahr- 
lässige Tötung,  Wirkung  auf  die  Haftpflichtfrage,  Nr.  76. 

Eisenbahn,  Haftpflicht,  Begriff  von  „ Betrieb*,  Nr.  8;  Selbstver- 
schulden, Nr.  9;  verlorenes  Passagiergut,  Wertbestimmung, 
Nr.  80. 

Erfinderrecht,  Verkauf,  Nr.  60. 

Erfindungspatent,  Nichtigkeit  einredeweise  geltend  gemacht,  Nr.  60; 
Voraussetzungen  der  Nichtigkeit,  Nr.  77. 

Expertisen,  Ueberprüfung  durch  das  Bundesgericht,  Nr.  60. 


168 

^Fabrik-  and  Handelsmarken,  s.  Marken. 

Faustpfand,  Erfordernisse  der  Uebergabe,  Nr.  26. 

Firma,  in  mehreren  Sprachen,  deutliche  Unterscheidbarkeit  bei 
Sachfirmen,  Nr.  34. 

Firmenrecht  und  unlauterer  Wettbewerb,  Nr.  34. 

Form,  Vorbehalt  einer  besonderen  Form  für  einen  Vertrag,  Be- 
deutung, Nr.  17. 

Frachtvertrag,   bei  Eisenbahnen,  verlorenes  Passagiergut,    Nr.  80. 

Frauengut,  s.  Weibergnt. 

Frist,  der  Berufung  an  das  Bundesgericht,  Nr.  23. 

Fund,  Begriff;  nach  kantonalem  Recht  zu  beurteilen,  Nr.  24. 

CJant,  wiefern  Vertrag  nicht  bieten  zu  wollen,  unsittlich?  Nr.  46. 

Gantkauf,  Klagberechtigung  wessen  gegen  den  vom  Kauf  abstehenden 
Ersteigerer?  Nr.  40. 

Gattungsschuld,  Unmöglichkeit  der  Erfüllung?  Nr.  5. 

Genehmigung  eines  wegen  Irrtums  u.  s.  w.  anfechtbaren  Vertrags, 
Nr.  33. 

Generalversammlung  einer  Aktiengesellschaft,  Befugnisse  betr.  Be- 
wertung der  Bilanzposten,  Nr.  7. 

Genossenschaft,  Tragweite  der  Statuten,  Liquidation,  Nr.  58;  Ver- 
sicherungsgesellschaft auf  Gegenseitigkeit,  Nr.  59. 

Genossenschaftsanteilscheine,  rechtliche  Natur,  Verpfandung,  Nr.  23. 

Gerichtsstand  des  Mündels,  8.  Wohnort. 

Geschädigter,  bei  Nichthaltung  eines  Gantkanfs,  Nr.  40. 

Gesellschaft,  fallite,  Schulden  derselben,  inwiefern  für  die  Frage 
des  Erwerbes  neuen  Vermögens  durch  den  Gesellschafter 
massgebend,  Nr.  81. 

Gesellschaftsvertrag,  mit  Liegenschaftsabtretung,  uuter  eidgen.  Rechte 
stehend,  Nr.  6. 

s.  auch  Aktien-  und  Kollektivgesellschaft. 

Gewährleistungspflicht  bei  Verkauf  einer  Erfindung,  Umfang,  Nr.  60. 

Gewinn,  entgangener,  Nr.  21. 

Haftpflicht,  der  Eisenbahn,  Begriff  von  „ Betrieb*,  Nr.  8;  Selbst- 
verschulden, Nr.  9;  des  Eigentümers  von  Bienenstöcken,  Nr.  10; 
aus  Fabrikbetrieb,  Hülfsarbeiten,  Nr.  65;  Konkurrenz  mit 
Deliktsanspruch  gegen  den  schuldhaften  Urheber  der  Be- 
schädigung, Nr.  36;  Pflicht  des  Verletzten,  sich  operieren 
zu  lassen,  Nr.  47;  75;  strafrechtlich  verfolgbare  Handlung 
des  Fabrikherrn,  Nr.  76;  des  Liegenschaftseigentümers  fur 
Schädigung  durch  sein  Gebäude,  Nr.  72;  für  Verluste  der 
Gesellschaft,  Bedeutung  dieses  Ausdrucks,  Nr.  69  ;  des  Staats 
für  schuldhafte  Handlungen  der  Beamten,  Nr.  71;  der  Wirte, 
Nr.  79.     Siehe  auch  Schadenersatz. 


Handelsfrau,    Wechselfähigkeit  gegenüber   dem  Ehemann,    Nr.  6 1  ; 

Geschäfte  ihres  Gewerbes,   Nr.  70. 
Handlungsfähigkeit,  der  (verheirateten)  Handelsfrau,  Nr.  70. 
Herkunftsbezeichnung,  bei  Fabrikmarken,  Nr.  78. 

Irrtum,  wesentlicher,  bei  Vergleich,  Nr.  18;  Genehmigung  nach  der 
Entdeckung,  Nr.  33. 

Kassationsbeschwerde,  in  Civilsachen  bei  Bundesgericht,  Zulässig- 
keit,  Nr.  51. 

Kauf,  nach  Muster  oder  mit  Zusicherung  bestimmter  Eigen- 
schaften ?  Nr.  28  ;  bricht  Miete,  Nr.  56  ;  einer  Sache  oder 
eines  Erfinderrechts?  Nr.  60;  über  Liegenschaften,  Kompe- 
tenz des  Bundesgerichts,  Nr.  6;  55;  Verhältnis  zur  Tradition, 
Nr.  55;  Schadenersatz  bei  Nichterfüllung,  Preisschwankungen 
der  Ware,  Nr.  21. 

Kausalzusammenhang,  von  Selbstverschulden  und  Unfall,  Nr.  9; 
von  strafbarer  Handlung  des  Fabrikherrn  und  Unfall,  Nr.  76. 

Kollektivgesellschaft,  Einrechnung  der  Einlagen  in  die  Passiven, 
Nr.  69. 

Kompensation ,  gegenseitiger  Ehrenkränkungen  im  Scheidungs- 
prozess,  wiefern  zulässig?  Nr.  2;  unter  Konkursgläubigern, 
Nr.  43. 

Kompetenz,  des  Bundesgerichts  bei  Vindikation  von  Mobilien,  die 
mit  einer  Liegenschaft  mitverkauft  sind,  Nr.  55;  für  Ent- 
schädigungsklagen wegen    unbegründeter   S  traf  klage,   Nr.  54. 

Konkurrenz,  von  Haftpflichtanspruch  gegen  den  Dienstherrn  und 
Deliktsanspruch  gegen  den  Schädiger,  Nr.  36;  der  Klage  aus 
unlauterem  Wettbewerb  mit  einer  solchen  aus  Markenrechts- 
verletzung, Nr.  38. 

Konkurrenzverbot,  ob  unsittlich?  Nr.  22;  persönliche  Natur,  ohne 
Haftung  an  einer  Liegenschaft,  Nr.  48. 

Konkursgläubiger,  Kompensation  ihrer  Forderungen  mit  solchen  der 
Konkursmasse,  Nr.  43. 

Konkursprivileg  der  Ehefrau,  Nr.  42. 

Konventionalstrafe,  Begriff,  richterliches  Ermässigungsrecht,  Nr.  22;. 
in  Genossenschaftsstatuten,  Wirkung,  Nr.  58. 

Kundsame,  eines  Geschäfts,  Bedeutung  von  deren  Abtretung, 
Nr.  25;  Verpachtung,  Nr.  64. 

JLiegenschaftskauf,  auch  betr.  das  im  Vertrag  enthaltene  Straf- 
geding  unter  kantonalem  Rechte  stehend,  Nr.  6;  Kompetenz, 
des  Bundesgerichts  bei  Vindikation  der  mitverkauften  Mo- 
bilien, Nr.  55. 

Liquidation,  von  Genossenschaften,  Nr.  58. 


170 

M  aklerauftrag,  auch  für  Liegenschaften  nach  eidgen.  Recht  za 
beurteilen,  Nr.  31. 

Maklerlohn,  wann  verdient?  Nr.  31. 

Marken,  Wortmarke,  Phantasie-  und  Herkunft*-  oder  Sach-  und 
Eigenschaftsbezeichnung  ?  Nr.  78. 

Markenrechtsverletzung  oder  unlauterer  Wettbewerb?  Nr.  11  ;  Kon- 
kurrenz beider,  Nr.  38. 

Maximum  der  Entschädigung  in  Haftpflichtfallen,  Nr.  76. 

Miete,  Retentionsrecht,  Beginn  desselben,  Nr.  12;  Räumungsfrist, 
Kauf  bricht  Miete,  Nr.  56  ;  Schadenersatzpflicht  des  Ver- 
mieters bei  Veräusserung  des  Mietobjekts,  Nr.  73. 

Mobilien,  mit  einer  Liegenschaft  mitverkauft,  Kompetenz  des 
Bundesgerichts,  Nr.  55. 

Mündel,  Wohnort  ausserhalb  des  Vormundschaftsitzes,  Nr.  16. 

Machbarrecht,  kantonales,  Verhältnis  zu  Art.  67,  68  0.  R.,  Nr.  72. 

Nachdruck,  gewinnsüchtige  Absicht  nicht  zum  Thatbestand  ge- 
hörig, Nr.  73. 

Nachlassvertrag,  Begünstigung  einzelner  Gläubiger,  Nr.  44. 

Nachschusspflicht,  von  Genossenschaftern,  Nr.  58  ;  59. 

Neues  Vermögen,  bei  Gesellschaftern  einer  falliten  Gesellschaft, 
Nr.  81. 

Nichtigkeit,  eines  Erfindungspatents,  einredeweise  geltend  gemacht, 
Nr.  60. 

Operation,    chirurgische,   wiefern    dem  Verunglückten  zuzumuten? 

Nr.  47;  75. 
Ort,  der  Betreibung,  am  Domizil  des  Schuldners  oder  am  Arrestort? 

Nr.  14. 

Pachtvertrag,  über  Geschäftskundsame,  Nr.  64. 

Pactum,  de  non  licitando,  wiefern  unsittlich?  Nr.  46;  reservati 
domina,  Nr.  63. 

Passagiergut,  verlorenes,  Wertermittlung,  Nr.  80. 

Patent,  s.  Erfindungspatent. 

Pfandbetreibung  oder  ordentliche  Betreibung  gegen  den  Bürgen 
einer  pfandversicherten  Forderung?  Nr.  82. 

Pfandrecht  an  Genossenschaftsanteilscheinen,  Nr.  23. 

Phantasiebezeichnung ,  schutzfähige ,  bei  Wortmarken ,  Nr.  39  : 
Phantasie-  oder  Eigenschaftsbezeichnung?  Nr.  78. 

Präjudicialität  des  Strafurteils  für  den  Civilrichter,  Nr.  76. 

Prämienreserve,  Begriff,  Nr.  59. 

Preisminderung,  richterliche  Befugnis  auf  solche  statt  auf  Wande- 
lung zu  erkennen,  Nr.  28. 


171 

Receptuin  cauponum,  Nr.  79. 

Recht,  eidgen.,  kant.,  s.  Anwendbarkeit. 

Rechts-  oder  Thatfrage?  Nr.  53;  69. 

Rechtsvorschlag,  durch  Telephon,  Nr.  67. 

Remontenanstalt,  eidgen.,  kein  gewerblicher  Betrieb,  Nr.  4. 

Reportgeschäft,  rechtliche  Natnr,  Nr.  27. 

Retentionsrecht,  des  Vermieters,  Beginn,  Nr.  12;  an  Genossen- 
schaftsanteilscheinen, Nr.  23. 

Revision  bandesgerichtlicher  Berufungsurteile,  bei  Ehescheidungs- 
urteilen, Nr.  50. 

Sachbezeichnung  bei  Fabrikmarken,  Nr.  78. 

Schaden,  durch  Preisschwankung  der  Ware,  Nr.  21. 

Schadenersatz,  für  unbegründete  Strafklage,  Nr.  54  ;  des  Vermieters 
bei  Veräusserung  des  Mietobjekts,  Nr.  73  ;  bei  verlorenem  Pas- 
sagiergut, Nr.  80;  aus    Delikt,  unter  eidgen.  Recht,  Nr.  4. 

Schadenreserve,  Begriff,  Nr.  59. 

Schuldbetreibung,  am  Wohnort  des  Schuldners  oder  am  Arrestort? 
Nr.  14;  gegen  den  Bürgen  einer  pfandversicherten  Forderung, 
Nr.  82  ;  s.  auch  Wechselbetreibung. 

Seeversicherung,  Nr.  35. 

Selbstverschulden,  bei  Eisenbahnhaftpflicht,  Nr.  9. 

Simulation,  Anfechtung  eines  Rechtsgeschäfts,  Nr.  53. 

Stellvertreter,  vollmachtloser,  Verantwortlichkeit,  Nr.  3. 

Strafgeding,  in  einem  Liegenschaftskaufvertrage,  unter  kantonalem 
Rechte  stehend,  Nr.  6. 

Strafklage,  unbegründete,  Schadenersatz  nach  eidgen.  oder  kant. 
Rechte  zu  beurteilen?  Nr.  54. 

Strafurteil,  ob  präjudiciell  für  den  Civilrichter  ?  Nr.  76. 

Streitwert,  Berechnung  bei  Anfechtungsklage,  Nr.  1;  bei  der  Be- 
rufung anzugeben,  Nr.  68. 

Subrogation,  des  Käufers  in  die  Rechte  des  Bestellers  eines  Werkes, 
Nr.  45. 

Telephonischer  Rechtsvorschlag,  Nr.  67. 
That-  oder  Rechtsfrage?  Nr.  53;  69. 
Tradition,  Verhältnis  zum  Kaufvertrag,  Nr.  55. 

Uebergabe,    der    Pfandsache    an    den    Gläubiger,    Erfordernisse, 

Nr.  26. 
Unfallhaftpflicht,     wiefern  Weigerung    eine    Operation    zu    leiden, 

Befreiungsgrund?  Nr.  47;  75. 
Unmöglichkeit,  der  Vertragserfüllung,  Nr.  5. 
Unsittlichkeit,  eines  Konkurrenzverbotes,  Nr.  22. 
Urheberrecht,    litterarisches,    an    Schriften    zum    Schulgebrauch, 

Nr.  37. 


172 

Vergleich,  Grundsätze  über  Auslegung,  Nr.  18. 

Verjährung,  s.  Wechselverjährung. 

Verlust  schein,  ob  Anerkennung  der  Forderung  im  Sinn  von  Art.  64 
Betr.-Ges.?  Nr.  66. 

Vermögen,  neues,  bei  Gesellschaftern  einer  falliten  Gesellschaft, 
'   Nr.  81. 

Verpfändung,  von  Genossenschaftsanteilscheinen,  Nr.  23;  Erforder- 
nisse fur  Pfandübergabe,  Nr.  26. 

Verrechnung,  s.  Kompensation. 

Versicherungsgesellschaft  auf  Gegenseitigkeit,  juristische  Natur, 
Nr.  59. 

Versicherungsvertrag  (Seeversicherung),  Perfektion,  Nr.  35. 

Versteigerung,  s.  Gant. 

Verwaltungsorgane  einer  Aktiengesellschaft,  Verantwortlichkeit, 
Nr.  74  ;  gegen  Aktionäre,  Gläubiger  und  Gesellschaft,  Nr.  74. 

Verwirkung  des  Klagerechts  gegen  Verwaltungsräte  von  Aktien- 
gesellschaften, Beweislast,  Nr.  74. 

Vindikation,  der  Mobilien  bei  Liegenschaftskauf,  Nr.  55. 

Vollmachtloser  Stellvertreter,  Verantwortlichkeit,  Nr.  3. 

Vorbehalt  einer  gewillkürten  Vertragsform,  Nr.  17. 

Wandelung,  oder  Preisminderung  ?  richterliches  Ermessen  wieweit  ? 
Nr.  28. 

Wechselbetreibung,  Einrede  aus  Wechselrecht  oder  nach  Art.  811 
0.  R.?  Nr.  15. 

Wechselfähigkeit  der  Handelsfrau  gegenüber  dem  Ehemann,  Nr.  61. 

Wechsel  Verjährung,  Unterbrechung  durch  Zahlungsbefehl,    Nr.  13. 

Weibergut  im  Konkurse,  wiefern  kantonales  und  eidgenössisches 
Recht  anwendbar?  Nr.  42. 

Werkvertrag,  Subrogation  des  Käufers  in  die  Rechte  des  Bau- 
herrn? Nr.  45. 

Wettbewerb,  unredlicher,  oder  Verletzung  des  Markenschutz- 
gesetzes? Nr.  11;  Konkurrenz  beider,  Nr.  38;  W.  and 
Firmenrecht,  Nr.  34. 

Wirte,  Haftpflicht,  Nr.  79. 

Wohnort,  des  Mündels  ausserhalb  des  Vormundschaftssitzes,  Nr.  16. 

Wortmarke,  schutzfâhige,  täuschende  Aehnlichkeit,  Nr.  38;  39; 
Zulässigkeit,  Nr.  78. 

Wucherhaftes  Rechtsgeschäft,  nach  kantonalem  Recht  zu  ent- 
scheiden, Nr.  19. 

Zahlungsbefehl,  unterbricht  die  Wechselverjährung,  Nr.  13. 


IL  Gesetzesregister. 


173 


I  Obligationenrecht 


Art.  1 


9,  12 

14 

16 

17 

18 

24 

28 

34 

35 

48 

50 

62 

64 

67,  68 

76 

83 
116 
122 
127 
145 
179 

180,  182 
183,  192 
199 
201 
205 
210 

213,  215, 
225 


Nr.  35. 
.  23. 


17. 

18.  53. 
46. 


69. 


70. 


19. 

18. 

20. 

33. 

70. 

61. 

3. 

4.  10.11.  34. 

36.38.54.72. 

4.  36. 

71. 

72. 

54 

19. 

21. 

58. 

3. 

5. 

6.  22 

22. 

25. 

23 

62 

24 

23 


71. 


24. 


26. 


23. 


Art.  229 
,  231 

•  243,  249, 
250 

»  257 
,  264 
,  267 
„  281 
n  292 
,  294 
.  317 
»  329 
.  346 
»  362 

■  392 
»   405 

■  469 
„  486 

•  489 

•  605 

■  627,  643, 
656 

„  673—675 
„  678 
.  694 
,  805 
.  811 
„  867,  876 
.  896 


Nr.  25. 

,  31. 

»  28. 

,  6. 

„  63. 

„  28. 

.  56. 

.  73. 

.  12. 

„  64. 

„  29. 

»  30. 

„  45. 

.  27. 

„  31. 

.  24. 

,  79. 

.  32. 

.  43. 


27. 


73. 


57. 


31. 


7. 

74. 

23.   58.  59. 

23. 

13. 

15. 

34. 

35. 


IL  Biiiidesgesetz  betreffend  Feststellung  und  Beurkioidang  des 
Civüstandes  und  die  Ehe,  vom  24  Christmonat  1874. 


Art.  45 — 47  Nr.  52 
«     46,b  .     2. 


Art.  47  Nr.  2. 


III  Bundesgesetz  betreffend  die  civärechtlichen  Verhältnisse  der 
Niedergelassenen  und  Aufenthalter,   vom  25.  Juni   1891. 
Art.  3  Nr.  16. 


■^TC^ 


te-1 


174 
IV. 


VI 


VII 


Vili 


IX. 


XI. 

Art. 


Bundesgesetz  betreffend  das  UrJìeberrecht  an  Werten  der 
Litteratur  und  Kumt,  vom  23.  April  1883. 
Art.  11,   12  Nr.   37. 

Bundesgesetz    betreffend    den    Schutz    der  Fabrik-    und 
Handelsmarken,  vom  26.  September  1890. 
Nr.  11.  Art.  1,  3,  6  Nr.  38.  39.  78. 

,     24  „    78. 

Buìidesgesetz  betreffend  die  Erfindung$patente,  vom  29.  Juni 
1888,  revidiert  den   13.  März  1893. 
Art.  10  Nr.  60.   77. 

Bundesgesetz  betreffend  den  Tramport  auf  Eisenbahnen, 
vom  29.  März  1893. 
Art.  62  Nr.  80. 

Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  der  Eisei&ahn-  und 
DampfschiffahrtrUnternehmungeti  bei  Tödtungen  und  Ver- 
letzungen,  vom  1.  Juli  1875. 
Art.  2  Nr.  8.   9. 
,4,9. 

Bundesgesetz  betreffend  die  Haftpflicht  aus  Fabrikbetrieb, 
vom  25.  Juni   1881. 

Art.  2  Nr.   36.   |  Art.  6,  Nr.  47.  75.  76. 

Bundesgesetz  betreffend  die  Ausdehnung  der  Haftpflicht 
und  die  Ergänzung  des  Bmidesgesetzes  vom  25.  Juni  1881, 
vom  26.  April  1887. 

Art.  1  ff.  Nr.  36  |  Art.  3,  4  Nr.  65. 

Bundesgesetz  über  Organisation  der  Bwidesreehtspflege, 
vom  22.  März  1893. 


41       Nr.  23. 
53  ff.     „    1. 

56  n    24.  35.  42.  55. 

57  „    42. 
59  ff.     „    1.  68. 
65         „    23. 


Art.  67 
,     80 
.     81 
„     89ff. 
.     95ff. 


Nr.  49. 

,  28. 
*  53. 
■  61. 
,     50. 


XII 


Bundesgesetz  über  das  Verfahrm  bei  dem  Bundesgerichte 
in  bürgerlichen  Rechtsstreitigkeiten,  vom  22.  November  1850. 
Art.  31  Nr.   23  I  Art.  192  ff.  Nr.  50. 


175 


^^^^^ffl^H 


XIII.  Buìide&gesetz   über  Schuldbetreibung   und   Konkurs,   vom 
11.  April  1889. 


Art.  62        Nr.  14 

Art. 

219     Nr.  42/ 

„74          ,67 

» 

240      „  40. 

»  82         „66 

0 

250,  260  „  43. 

„  106-109,127  ,  41 

1» 

265      „  81. 

»  143        ,  40 

» 

285  ff.     „  1. 

,  182         ,  15 

» 

314      „  44. 

.  188        ,  13 

III.  Register  der  kantonalen  Entscheide. 


Zürich.  —  Nr.  12  (Art.  294  0.  R.).  —  Nr.  47  (Unfallhaft- 
pflicht). —  Nr.  62  (Art.  201  0.  R.).  —  Nr.  80  (Eisenbahn- 
tran8portge8etz). 

Bern.  —  Nr.  14  (Art.  52  B.-G.  über  Seh.  und  K.).  —  Nr.  46 
(Art.  17  O.R.).  —  Nr.  61  (Art.  35  0.  R.).  —  Nr.  67  (Art.  74 
B.-G.  über  Seh.  und  K.).    —    Nr.  82  (Pfandungsbetreibung). 

Luzern.  —  Nr.  48  (Konkurrenzverbot).  —  Nr.  66  (Art.  82  B.-G. 
über  Seh.  und  K.). 

Basel-Stadt  —  Nr.  16  (B.-G.  über  die  civilr.Verh.  der  Nieder- 
gelassenen). —  Nr.  65  (B.-G.  über  Ausdehnung  der  Haftpflicht, 
Art.  3  and  4).  —  Nr.  79  (Art.  468  0.  R.). 

St  Gallen.  —  Nr.  15  (Art.  811  0.  R.  Art.  182  B.-G.  über  Seh. 
und  K.).  —  Nr.  64  (Art.  317  0.  R.). 

Vaud.  —  Nr.  13  (Art.  805  C.  0.  Art.  188  L.  P.  et  F.). 

Neuch&tel.  —  Nr.  10  (Art.  50  C.  0.). 

Genève.  —  Nr.  Il  (Art.  50  C.  0.  Loi  sur  les  marques  de  fa- 
brique). —  Nr.  45  (Art.  362  C.  0.).  —  Nr.  63  (Art.  264 
C.  0.).   —  Nr.  81  (Art.  265  L.  P.  et  F.). 


sät. 


■ 


I