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Revue
der
Gerichtspraxis im Gebiete
des
BuiHlescivilreehts
XVI. Band
Revue
de la
Jurisprudence en matière
de
droit civil fédéral
XVIe Volume
Basel
R. Reich, vormals C. D e 1 1 o f f ' s Buchhandlung
1898.
Revue
der
Gerichtspraxis im Gebiet
des
Bundescivilrechts
XVI. Band
Revue
de la
Jurisprudence en matière
de
droit civil fédéral
XVIe Volume
Beilage zur Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folg« Band XVII.
Basel
R. Reich, vormals 0. Detloff's Buchhandlung
1898.
,../.n 8 1910
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
1. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 58 Abs. 2. UnStatthaftigkeit der Be-
rufung gegen Vor- oder Zwischenentscheide.
Art. 58 Abs. 2 0. G., wonach der Beurteilung des Bundes-
gerichts auch diejenigen Entscheidungen unterliegen, welche
dem Haupturteile vorausgegangen sind, hat keineswegs die
Bedeutung, dass gegen solche Vor* oder Zwischenentscheidungen
selbständig und gesondert die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen werden könnte, sondern besagt nur, dass die Be-
rufung gegen das Haupturteil auch diese Vor- und Zwischen-
entscheidungen ergreife. (Entsch. v. 1. Oktober 1897 i. S.
Konkursmasse Dörig c. Dörig.)
2. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893 , Art. 81. Rechts- und Thatfrage. Inwie-
weit ist die Auslegung von Willenserklärungen Rechts) 'rage t
Hierüber ist in einer Entscheidung des Bundeagerichts
bemerkt: Wie das Bundesgericht mehrfach ausgesprochen
hat, gehört allerdings zu den in Art. 81 Abs 1 0. Gr. der
Prüfung des Bundesgerichts entzogenen Feststellungen that-
sächlicher Verhältnisse nicht nur die Feststellung äusserer
Vorgänge, sondern auch diejenige innerer, psychischer, ins-
besondere diejenige des übereinstimmenden Vertragswillens
der Parteien; hiebei ist jedoch sofort zu unterscheiden, ob
diese Feststellung das Ergebnis einer Beweiswürdigung ist
— in welchem Falle das Bundesgericht gebunden ist (den
Fall, in welchem die Beweiswürdigung bundesgesetzliche Be-
stimmungen verletzt, ausgenommen) — , oder aber das Re-
sultat ein« r Auslegung nach juristischen Interpretationsregeln:
in letzterem Falle hat das Bundesgericht die Anwendung der
Interpretationsregeln durch die kantonalen Gerichte zur Fest-
stellung des Partei willens frei zu prüfen, eben weil es sich
hier um Anwendung von Rechtssätzen handelt; und zwar
steht ihm hiebei nicht nur die Prüfung zu, ob überhaupt
richtige oder unrichtige Interpretationsregeln angewandt wor-
den sind, sondern auch, ob zwar das kantonale Gericht von
richtigen Interpretationsregeln ausgegangen ist, dieselben in
casu aber falsch angewendet hat; denn auch im letzteren
Falle liegt dem Entscheide eine falsche rechtliche Würdigung
von Thatsachen zu Grunde (vgl. hierüber: Revue des Bundes-
civilrechtB Vili Nr. 50 Anni., S. 90). Gestützt hierauf ist
das Bundesgericht im konkreten Falle auf die bestrittene
Auslegung eines anlässlich einer Erbteilung von den ver-
tretenen Erben dem Gemeinderate ausgestellten schriftlichen
Garantieversprechens eingetreten, und hat, da es der Erklä-
rung einen anderen Sinn beilegte als die kantonale Instanz,
deren Urteil abgeändert. (Entsch. vom 15. Oktober 1897 i. S*
Erben Denzler und Erben Weber c. Rinderknecht.)
3. Art. 18, 19, 24, 505 0. fi. Wenn der Hauptschuldner
einen Vertrag genehmigt hat, so dass ihm die Einreden des
wesentlichen Irrtums und des Betrugs nicht mehr zustehen, so
kann auch der Bürge diese Einreden aus der Person des Haupl-
schuldners (mit Beziehung auf die Hauptschuld) nicht mehr
geltend machen, Anfechtung einer Bürgschaft für eine Kaufpreis-
schuld wegen wesentlichen Irrtums und Betrugs aus der Person
des Bürgen. Voraussetzungen.
G. K. hatte dem R. E. seinen Anteil an dem bisher
.unter der Firma G. K. & Cie gemeinsam betriebenen Aus-
steuer- und Dekorationsgeschäfte in B. um die Summe von
Franken 40,000 durch Kaufvertrag vom 18. Juli 1888 ver-
kauft. In dem Vertrage war angegeben, der Kauf stütze
sich im Wesentlichen auf das am 31. Januar 1888 aufgenom-
mene Inventar, und es verpflichtete sich der Verkäufer, auf
dem Platze B. und in einem Umkreise von drei Stunden kein
gleiches oder ähnliches Geschäft zu betreiben. Für einen
Teil des Kaufpreises verpflichteten sich die Beklagten A. E.
und D. R. als solidarische Bürgen. In der Folge bestritt
der Käufer seine Verpflichtungen aus dem Kaufvertrage. Der
Streit wurde indess nach Einleitung eines schiedsgerichtlichen
Verfahrens durch einen Vergleich beendigt, in welchem der
Verkäufer in eine Reduktion seiner Forderung einwilligte.
Auf Bezahlung ihrer Bürgschaft für die Kaufpreisschuld be-
langt, bestritten die Bürgen ihre Schuldpflicht, indem sie
die Einreden des wesentlichen Irrtums und des Betruges er-
hoben, und zwar sowohl aus der Person des Hauptschuldners,
als aus eigener Person. Das Bundesgericht hat diese Ein-
reden verworfen, indem es ausführte: Was die Anfechtung
ex persona débitons anbetrifft, so muss mit der Vorinstanz
Angenommen werden, dass dieselbe infolge Genehmigung des
angefochtenen Vertrages durch den Hauptschuldner verwirkt
ist. Der Hauptschuldner hat durch Vergleich, durch welchen
sämtliche Anstände der Kontrahenten bezüglich des Kauf-
vertrages erledigt werden sollten, auf die Geltendmachung
der in Rede stehenden Einreden verzichtet. Dieser Verzicht
ist auch gegenüber den Bürgen verbindlich. Denn die von
diesen geltend gemachten Mängel des Vertragsschlusses be-
wirkten nicht absolute Nichtigkeit des Vertrages; sie hinderten
nur die Verbindlichkeit desselben für den durch den Irrtum
oder Betrug beeinflussten Teil, erzeugten also für diesen eine
Einrede, welcher sich nach Art. 505 0. R. allerdings auch die
Bürgen bedienen konnten. Allein damit, dass der Haupt-
Schuldner durch Vergleich den Vertrag genehmigte, fiel diese
Einrede dahin, sie stand nunmehr dem Hauptschuldner nicht
mehr zu, und konnte deshalb auch von den Bürgen nicht
mehr aufgegriffen werden.
Es kann sich daher nur fragen, ob die Bürgschaft für
die Beklagten deshalb unverbindlich sei, weil sie selbst
bei Eingehung derselben in einem Irrtum befangen, oder
durch Betrug dazu verleitet worden seien. Die Berufung auf
den Anfechtungsgrund des Irrtums setzt voraus, dass der
Vertrag8abschluss auf einem wesentlichen Irrtum beruhe,
während bei der Anfechtung des Vertrages wegen Betruges
auch ein nicht wesentlicher Irrtum in Betracht fällt. Nun
ist der Vorinstanz beizutreten, dass von einem wesentlichen
Irrtum der Beklagten nicht die Rede sein kann. Der wesent-
liche Irrtum derselben soll darin liegen, dass sie sich über
den Wert des Kaufgegenstandes, für dessen Kaufpreis sie
sich verbürgt, geirrt haben. Es ist nicht zu leugnen, dass
unter Umständen ein solcher Irrtum als ein wesentlicher,
welcher die Unverbindlichkeit der Bürgschaft zur Folge haben
kann, anzusehen ist, namentlich dann, wenn er vom Gläubiger
verschuldet ist. Denn es ist klar, dass es für die Eingehung
der Bürgschaft von entscheidender Bedeutung sein kann, ob
der verbürgten Schuld eine Gegenleistung des Gläubigers
und zwar eine solche von gewissem Umfange gegenübersteht.
Allein in casu liegt ein solcher Fall nicht vor. Vorerst steht
nicht einmal fest, dass die Bürgen das Inventar gekannt und
auf dasselbe wesentliches Gewicht gelegt haben. Daraus,
dass im Kaufvertrage auf dasselbe Bezug genommen, und in
«der Bürgschaftsurkunde gesagt ist, dass die Bürgen den Kauf-
vertrag gelesen haben, folgt das Gegenteil keineswegs. In-
dessen ist auch noch folgendes zu sagen: Es steht zwar fest,
dass der Vermögensbestand des vom Hauptschuldner durch
den Vertrag vom 18. Juli 1888 übernommenen Geschäfts im
Inventar um wenigstens Fr. 16,660. 80 zu hoch angeschlagen
war, das Reinvermögen per 31. Januar 1888 also um
diese Summe niedriger zu berechnen ist. Allein die Vor-
instanz stellt andrerseits fest, dass dieses Inventar nicht die
einzige Grundlage des Kaufvertrages vom 18. Juli 1888 bildete,
und dass bei der Festsetzung des Kaufpreises auch der gute
Kredit des Geschäfts sowie der Umstand bestimmend ein-
gewirkt haben, dass der Verkäufer sich verpflichtet, dem
Käufer in B. und Umgebung keine Konkurrenz zu machen. . . .
Bei der Frage, ob die Beklagten durch betrügerische
Handlungen des Klägers zur Eingehung der Bürgschaft ver-
leitet worden seien, ist zunächst festzuhalten, dass die Akten
keinerlei Anhaltspunkte dafür aufweisen, und auch von der
Vorinstanz nicht angenommen wird, dass die Beklagten vom
Kläger um die Uebemahme der Bürgschaft angegangen wor-
den seien. Es ist daher, da die Stellung der Bürgen Sache
des Käufers war, davon auszugehen, dass die Beklagten durch
diesen zur Bürgschaftsleistung bewogen worden seien, von
diesem also auch diejenigen Aufklärungen erhalten haben,
gestützt auf welche sie sich zur Uebernahme der Bürgschaft
entschlossen. Von der Annahme, dass der Käufer den von
ihm gestellten Bürgen die sie interessierenden Verhältnisse
bezüglich der zu verbürgenden Schuld werde auseinanderge-
setzt haben, durfte auch der Kläger ausgehen. Zur Erteilung
einer Aufklärung war er diesen gegenüber aus eigenem An-
triebe somit nur verpflichtet, wenn er Gründe zu der An-
nahme hatte, dass der Käufer ihnen die Sachlage unrichtig
dargestellt habe, und Zweifel hegen musste, ob nicht die
Bürgen, bei Kenntnis der wirklichen Sachlage, die Eingehung
der Bürgschaft verweigern würden. Da nun nicht behauptet
wird, dass der Kläger den Bürgen direkt irgend welche An-
gaben über die Verhältnisse rücksichtlich des vom Haupt-
schuldner zu übernehmenden Geschäfts gemacht habe, kann
somit eine betrügerische Verleitung derselben zur Bürgschaft
dem Kläger nur insofern zur Last gelegt werden, als ange-
nommen werden muss, er habe Grund zur Vermutung gehabt,
dass die Bürgen nach der vom Hauptschuldner eingeholten
Erkundigung sich in einem Irrtum über die Richtigkeit des
mehrerwähnten Inventars befinden, und dass dieser Irrtum
für den Willen, die Bürgschaft einzugehen, von bestimmen-
dem Einflus8 sei, dass sie also die Bürgschaft nicht eingehen
würden, wenn sie von der Unrichtigkeit desselben Kenntnis
hätten. Für diese Annahme fehlen jedoch, nach den Akten
sowohl als nach den Feststellungen der Vorinstanz, genügende
Anhaltspunkte. (Entsch. v. 1. Oktober 1897 i. S. Konkurs-
masse Kohler c. Engel und Rüef.)
4. Bundesgeseiz betr. die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 60 Abs. 1. Bundesgesetz über polizeiliche
Massregeln gegen Viehseuchen vom 8. Februar 1872, Art. 3, 36,
37. 0. R. Art. 50, 62. Zusammenrechnung der Ansprüche findet
für die Berechnung der Berufungssumme in allen Füllen der
echten oder unechten Streitgenossenschaft in gleicher Weise statt.
Civürechtliche Haftung für den durch die Veröusserung verseuchter
Haustiere gestifteten Schaden.
Art. 60 Abs. 1 0. (j. geht nicht von einem bestimmten
Begriff der Streitgenossenschaft aus, sondern kommt in jedem
Falle der objektiven und subjektiven Klagenhäufung zur
Anwendung, d. h. in jedem Falle, wo vor den kantonalen
Gerichten nach Massgabe der kantonalen Gesetzgebung eine
Vereinigung mehrerer Rechtsansprüche resp. Klagen, sei es
eines, sei es mehrerer Kläger in einem Prozesse stattgefunden
hat, mag es sich um eine sog. echte oder unechte Streitge-
nossenschaft handeln. In allen Fällen der echten und un-
echten Streitgenossenschaft findet zu gleichem Zwecke und
mit gleicher Wirkung, wie bei der objektiven Klagen häuf ung,
eine Zusammenrechnung der Ansprüche statt, sofern nicht die
Einheit des StreitintereBses die Streitgenossen verbindet. Für
die Zusammenrechnung der Ansprüche, und damit für die
Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung ist daher ent-
scheidend, dass die Verbindung der Klagen der sämtlichen
Kläger in einem Prozess von den Vorinstanzen gestützt auf
die kantonale Prozessgesetzgebung zugelassen worden ist.
2. Wer ein mit der Maul- und Klauenseuche behaftetes
Stück Vieh oder ein mit einem solchen in Berührung ge-
kommenes Tier veräussert, macht sich gemäss Art. 3 und 36
des Bundesgesetzes über polizeiliche Massregeln gegen Vieh-
seuchen vom 8. Februar 1872 einer objektiv unerlaubten,
widerrechtlichen Handlung schuldig, und haftet deshalb, so-
fern ihm ein Verschulden zur Last fällt, gemäss Art. 50 resp.
62 O. R. für den aus seiner widerrechtlichen Handlung ent-
standenen Schaden. Die Bestimmung des Art. 37 des Bundes-
gesetzes vom 8. Februar 1872, welche die Haftung des Fehl-
B
baren auf schwere Fälle beschränkt, ist, soweit sie die civil-
rechtiichen Folgen der Uebertretung des Viehseuchengesetzes
beschlägt, durch das Bundesgesetz über das Obligationen-
recht ausser Kraft gesetzt worden, da sie mit dessen Be-
stimmungen, Art 50 ff., in Widerspruch steht und weder
in diesem besetze vorbehalten ist, noch innere Gründe für
eine besondere Regelung dieser Haftung und daher für die
Fortexistens; des cit. Art 37 vorhanden sind (vgl. auch Amtl.
Samml. der bundesger, Entsch. Bd XXII 8. 556 E.5). (Entsch.
vom 8. Oktober 1897 û S. Frey und Genossen c. Weil.)
5, Art. 50, 55 0. R. Inwiefern liegt darin, dass dem Drucke
übergebme Rectt tsschriftm oder Beilagen zu solchen, welche Ehren-
kr anhingen enthalten ì durch die Tagespresse reproduziert werden,
eine rechtswidrige Handlung?
En matière de divulgation par les journaux de pièces
de procédure imprimées (et de leurs annexes) dont la re-
production et la communication au public, soit à un certain
nombre de personne» dans le public n'ont pas eu lieu d'une
manière illicite, on doit appliquer les mêmes principes qu'en
ce qui concerne les comptes-rendus donnés par les journaux
de débats judiciaires publics, également accessibles en fait
à un nombre limité d'auditeurs seulement, lorsque ces comptes-
rendus renferment des injures entendues par leurs auteurs.
La responsabilité civile ou pénale de ces derniers n'est en-
gagée qu'en tant qu il est démontré que l'on n'a pas à faire
à un compte-rendu objectif, mais qu'il s'est agi essentielle-
ment de divulguer des propos injurieux et qu'ainsi l'auteur
du compte-rendu a agi avec dol ou intention malicieuse.
(Entsch. vom 18. September 1897 i. S. Héridier c. Journal de
Genève,)
6. Art. 55 0- IL Auf eine Entschädigungssumme aus Art. 55
0. K. iH dann nicht zu erkennen, wenn eine rechtswidrige Ehren-
krtinkung zwat vorliegt, dieselbe aber eine ernstliche Erschütterung
des Hufes und der Stellung des Angegriffenen weder bezweckte
noch zur Folge hattt ; dies zumal dann, wenn dem Angegriffenen
durch Bestrafung des Beleidigers eine Genugtuung bereits ge-
worden i$L
(Entsch. vom 29. Oktober 1897 i. S. Dénériaz c. Bioley.)
7. Art. 182 0. R. Konventionalstrafe. Richterliches Ermäs-
sigungsrecht. Voraussetzungen.
Die in Art. 182 0. R. dem Richter eingeräumte Befugnis,
übermässige Konventionalstrafen herabzusetzen, ist, wie das
Bundesgericht bereits in Sachen Gehrig c. Scheidegger (Amtl.
Samml. XXI S. 64 ff.) und Senn c. Oppliger (das. S. 1229)
ausgesprochen hat, nicht in der Weise aufzufassen, dass der
Richter schlechthin, in Würdigung der Umstände, zu bestim-
men hätte, in welcher Höhe die Strafe als angemessen und
daher zulässig erscheine; es ist vielmehr von diesem Er-
mässigungsrecht, weil es eine Ausnahme von der dem Obli-
gationenrecht zu Grunde liegenden Regel der Vertragsfreiheit
und des an der Spitze des Art. 182 0. R. stehenden Grund-
satzes, dass die Parteien die Konventionalstrafe in beliebiger
Höhe bestimmen können, bildet, nur dann Gebrauch zu
machen, wenn die Konventionalstrafe sich mit den Anforde-
rungen der Gerechtigkeit und Billigkeit in offenbarem Wider-
spruch befindet.
In Anwendung dieses Grundsatzes wurde vom Bundes-
gericht (im Gegensatze zu der Vorinstanz) die Ermässi-
gung einer Konventionalstrafe von Fr. 5000 abgelehnt, welche
dem technischen Direktor einer Fabrik für den Bruch eines,
auf die Dauer seiner Anstellung beschränkten, Konkurrenz-
verbotes auferlegt worden war. Es wurde ausgeführt, dass
die Strafe weder den Verpflichteten in einer allen Forde-
rungen der Billigkeit widersprechenden Weise beschwere
noch in einem offenbaren Missverhältnisse zu dem Interesse
des Berechtigten stehe, und dass gegen ihre Ermässigung
auch der Umstand spreche, dass der Verpflichtete dolos ge-
handelt habe. (Entsch. w 25. September 1897 i. S. Gygi c.
Hydraulische Kalk- und Gypsfabrik Bärschwyl.)
8. Art. 338, 346 0 R. Der Arbeitgeber ist aus dem Dienst-
Verträge nur zu der vertraglichen Gegenleistung, nicht aber zu
Annahme der Dienste des Dienstpflichtigen verpflichtet. Eigen-
mächtiges, nicht durch äusserste Dringlichkeit entschuldigtes, Nehmen
eines Urlaubs seitens eines Angestellten, insbesondere eines Werk-
führers einer Fabrik, qualifiziert sich als wichtiger Grund zu vor-
zeitiger Auflösung des Dienstvertrages.
Am 1. Januar 1889 kam zwischem dem Kläger L. A.,
welcher seit 1887 bei der Beklagten, Papierfabrik P., als
Werkführer angestellt war, ein schriftlicher Vertrag zu Stande,
io
wonach dem A. die Stelle eines Oberwerkfiihrers in der Pa-
pierfabrik übertragen wurde. Der Vertrag wurde auf fünf
Jahre abgeschlossen und sollte ein weiteres Jahr fortdauern,
sofern er nicht ein halbes Jahr zuvor, also jeweilen am
30. Juni desselben Jahres, gekündigt würde. Im übrigen ist
über die Auflösung wörtlich bestimmt (Art. 5 des Vertrages):
„Ein Austritt vor dem 31. Dezember 1893 kann seitens des
Herrn A. nur im Einverständnis mit der Papierfabrik P. er-
folgen, widrigenfalls derselbe den Verlust der hinterlegten
Kaution (von Fr. 4000) nach sich zöge; ebenso kann die
Papierfabrik P. Herrn A. nicht vor diesem Termin verab-
schieden, sofern nicht ein Zuwiderhandeln gegen die Inter-
essen der Gesellschaft in absichtlicher oder fahrlässiger
Weise oder ein Vernachlässigen derselben vorliegt und be-
wiesen werden kann. Erfolgte der Abschied ohne das er-
wiesene Vorhandensein dieser Gründe, so hat die Papierfabrik
Herrn A . eine Entschädigung von Fr. 4000 zu leisten."
Im Frühjahr 1893 stellte die Fabrik als technischen
Leiter einen L. K. an, und mit diesem scheint A. nicht gut
ausgekommen zu sein; er kündigte den Vertrag Ende Juni
1893 auf den 31. Dezember 1893. Am Ü. August 1893 zeigte
A. dem Direktor K. mündlich und am 8. desselben Monats
der Papierfabrik selbst, unter gleichzeitiger Mitteilung an den
Präsidenten des Verwaltungsrates, schriftlich an, dass er die
Geschäfte gesundheitshalber für vier Wochen verlassen müsse,
und am 10. August eine Ferienreise antreten werde; zugleich
legte er dem Prokuristen 0. ein ärztliches Zeugnis von Dr.
R. St. vor, d. d. 5. August 1893, des Inhaltes, „A. zeige eine
Anzahl nervöser Symptome, dass es als eine dringende Indi-
kation erscheine, ihn für mindestens vier Wochen von den
Geschäften des gänzlichen zu entfernen, damit er sich einiger-
massen erholen könne." Ohne die Bewilligung eines Ur-
laubes abzuwarten, verreiste A. dann wirklich am 10. August.
Als er, gemäss einem Schreiben an die Fabrik, vom 31. Au-
gust, am 11. September 1893 seine Arbeit in der Fabrik
wieder aufnehmen wollte, erfolgten Anstände mit der Direk-
tion und dem Verwaltungsrat, die dazu führten, dass die
Fabrik sich verpflichtete, ihm sein Salär bis Ende 1893 zu
bezahlen, unter Verzicht auf seine weitern Dienste. Infolge-
dessen verliess A. am 2. Oktober 1893 Fabrik und Wohnung.
Er glaubte indessen Anspruch auf mehr als auf das von der
Fabrik anerkannte Salär bis Ende Dezember 1893 zu be-
sitzen, und erhob, da die Fabrik weitere Ansprüche bestritt,
gegen sie Klage, in welcher er insbesondere Zahlung der
11
Konventionalstrafe von Fr. 4000 wegen ungerechtfertigter Ent-
lassung, Art. 5 des Vertrages, verlangte.
Dieser Klageanspruch wurde abgewiesen, aus folgenden
Gründen: Einmal hat die Beklagte im Prozesse schon von
vornherein anerkannt, dem Kläger das Salär bis Ende De-
zember 1893, mit welchem Zeitpunkte der Dienstvertrag so-
wieso infolge Kündigung des Klägers ein Ende nahm, zu
schulden, und diese Anerkennung im Prozesse steht durchaus
im Einklänge mit ihrem Verhalten nach der Rückkehr des
Klägers im September 1893; auch damals hat sie ihm Zah-
lung seines Gehaltes bis zum Ablaufe der Dienstzeit an-
geboten, unter Verzicht auf seine Dienste. Auf mehreres
aber, insbesondere auf weitere Annahme seiner Dienste, hatte
der Kläger keinen Anspruch, da es in der Natur des Dienst-
vertrages liegt, da8S der Arbeitgeber jederzeit auf die wirk-
liche Abnahme der Dienste verzichten kann, indem die Leis-
tung der Dienste die Pflicht, nicht ein Recht des Arbeit-
nehmers darstellt, sein Recht aus dem Dien st vertrage aber
einzig in dem Anspruch auf die vertragliche Vergütung be-
steht (Art. 338 0. R. und dazu das Urteil des Bundesgerichts
in Sachen Schou c. Dynamit Nobel, A. S. Bd XV, S. 317
Erw. 4). Unter diesen Umständen — da der Kläger die volle
Gegenleistung aus dem Dienstvertrage erhält — ist aber für
die Anwendung des Art. 5 des Vertrages kein Raum, indem
von einer vorzeitigen Entlassung gar nicht gesprochen werden
kann. Uebrigens müsste die Forderung auf Konventional-
strafe auch dann, wenn von einer vorzeitigen Entlassung des
Klägers durch die Beklagte gesprochen werden könnte, abge-
wiesen werden. In diesem Falle wäre es nach dem Vertrage —
in Uebereinstimmung mit dem Gesetze, Art. 346 0. R. (vgl.
Hafner, Komm. 2. Aufl. zu Art. 346 Anm. 4) — Sache der
Beklagten, als Arbeitgeberin, gewesen, das Vorhandensein
wichtiger Gründe zur vorzeitigen Entlassung, und zwar aus-
schliesslich der im Vertrage genannten Gründe, zu beweisen;
und nun hat sie diesen Beweis nicht nur angetreten, sondern
auch geleistet. In dieser Hinsicht hat nämlich die Beklagte
namentlich den eigenmächtigen Urlaub des Klägers vom
10. August bis 10. September 1893 als wichtigen Grund zur
Entlassung geltend gemacht; und nun muss ihrer Auffassung
in diesem Punkte durchaus beigetreten werden. Denn wenn
auch der Gesundheitszustand des Klägers im Sommer 1893
wirklich einen Urlaub erfordert hätte ■ — was nach der von
der Vorinstanz acceptierten Feststellung der ersten Instanz
aus dem Zeugnisse des Dr. St. keineswegs mit genügender
12
Klarheit hervorgeht — so wäre es doch seine Pflicht als An-
gestellter gewesen, die Bewilligung des Urlaubes von dem
zuständigen Vorgesetzten abzuwarten, eine Pflicht, von der er
höchstens im Falle äusserster Dringlichkeit hätte entbunden
werden können, welcher Fall hier gänzlich ausgeschlossen
ist. Darin nun, dass er diese Bewilligung nicht abwartete,
sondern sich eigenmächtig auf Urlaub begab, liegt ein so
schwerer Verstoss gegen seine Dienstpflichten, dass der Be-
klagten die weitere Annahme seiner Dienste nicht mehr zu-
gemutet werden konnte; und dieser Verstoss enthielt auch
ganz insbesondere ein Zuwiderhandeln gegen die Interessen
der Beklagten und ein Vernachlässigen derselben; der Gang
der Geschäfte musste notwendigerweise unter der plötzlichen
längern Abwesenheit des mit der wichtigen Stelle eines
Oberwerkführers betrauten Klägers leiden, und die Disziplin
in der Fabrik der Beklagten, eine der Grundsäulen eines
jeden Fabriketablissements, wurde durch das Vorgehen des
Klägers notwendigerweise erschüttert. Sonach könnte von
einem Anspruch auf die Konventionalstrafe eventuell auch
deswegen keine Rede sein, weil der Beklagten vertragliche
Gründe zur vorzeitigen Entlassung des Klägers zur Seite
standen. (Entsch. vom 22. Oktober 1897 i. S. Akesson c.
Papierfabrik Perlen.)
9. Art. 350 , 352 Abs. 1 , 358 Abs. 2 0. R. Begriff des
Werkvertrags. Haftung des Unternehmers für die Olite des von
ihm geliefertm Stoffes, wenn diestr der Art nach im Werkver-
träge bestimmt ist. Pflicht des Unternehmers, den {nicht sach-
verständigen) Bauherrn auf Mängel des gewählten Stoffes auf-
merksam zu machen.
Durch Vertrag vom 15. Juli 1895 übernahm der Be-
klagte, Steinhauermeister H., die Steinhauerarbeit für einen
Neubau, den der Kläger F. auf seinem Grundstücke in Enge
ausführen Hess, und zwar zum Einheitspreise von Fr. 150
per ni3 fertiger Arbeit mit Einschluss der Frankolieferung zur
Baustelle. In dem Vertrag ist bestimmt: „Es ist diese Ar-
beit, für Vorder- und Seitenfront vom oben erwähnten Neubau
von dem sog. „Muralt'schen" grauweissen fabrizierten Stein
in nur sauberer, solider und genau planmässiger Ausführung
zu liefern." Im Januar 1896 machten sich in dem vom Be-
klagten gelieferten Kunststeinmaterial Bisse und Sprünge be-
merkbar, die sich im Laufe der Zeit mehrten und einige
Reparaturarbeiten nötig machten. Das Bundesgericht hat die
13
vom Besteller gestützt auf Art. 358 Abs. 2 0. R. erhobene
Klage grundsätzlich gutgeheissen. Aus den Gründen ist her-
vorzuheben:
1. Auch der Vertrag über die Herstellung eines körper-
lichen Arbeitsprodukts, welches zur Fertigstellung eines an-
dern Werkes gehört, wie z. B. die Maurer- und Steinhauer-
arbeiten zu einem bestimmten Bau, qualifiziert sich als Werk-
vertrag, wenn nur Inhalt des Vertrages nicht die Arbeit als
solche, sondern das Resultat der Arbeit, die durch die Arbeit
hergestellte Sache, ist (s. Hafner, Komment, z. Oblig.-Recht,
2. Aufl., Art. 350 Anm. 3), und dies trifft im vorliegenden
Falle unbestreitbar zu.
2. Da der Beklagte die Lieferung der Steine übernommen
hat, haftet er nach Art. 352 O. R. für die Güte derselben, so-
weit nicht vertraglich etwas abweichendes bestimmt worden
ist. Eine Modifikation dieser gesetzlichen Haftung erblickt
nun der Beklagte darin, dass ihm im Vertrage die Art des
zu liefernden Stoffes vorgeschrieben worden sei. Nach dem
Vertrage habe er Muralt'sche Kunststeine zu liefern gehabt,
und dieser Verpflichtung sei er nachgekommen, für die Güte
dieser Kunststeine habe er keine Garantie übernommen. Hier-
über ist zu bemerken: Ist im Vertrage der zum Werke zu
verwendende Stoff bezeichnet, so gehört diese Bezeichnung
zur Bestimmung der Natur des Werkes; es wird damit eine
Eigenschaft des Werkes angegeben, deren Bestimmung Sache
des Bestellers ist und wobei der Unternehmer nur insoweit
mitzuwirken hat, als ihm nach den den Werkvertrag beherr-
schenden Grundsätzen der bona fides die Verpflichtung ob-
liegt, den nicht sachverständigen Besteller in seiner Wahl zu
leiten, ihn auf das mit der Wahl eines bestimmten Stoffes
alifällig verbundene Risiko aufmerksam zu machen. Die Ver-
wendung des im Vertrag bezeichneten Stoffes gehört dem-
nach zur Vertragserfüllung des Unternehmers, und dieser kann
für Nachteile, welche sich aus der Wahl desselben ergeben,
nur dann verantwortlich gemacht werden, wenn er es unter-
lassen hat, den Besteller über allfällige bedenkliche Konse-
quenzen seiner Wahl aufzuklären, während der letztere im
Vertrauen auf die Gewissenhaftigkeit und Sachkenntnis, die
von einem Unternehmer des betreffenden Faches verlangt
werden muss, sich auf eine solche Aufklärung gegebenen
Falls verlassen durfte. Demnach muss bei der Frage, in
welchem Masse der Beklagte für die Mängel, die sioh an dem
von ihm gelieferten Steinmaterial gezeigt haben, hafte, zu-
nächst geprüft werden, ob es sich bei diesen Mängeln um
14
Eigenschaften handle, die mit dem gewählten Kunststein
untrennbar verbunden sind, um Mängel, die dieser Art von
Baumaterial überhaupt anhaften, oder ob die Mängel ledig-
lich daher rühren, dass der Beklagte die vorgeschlagene Sorte
in zu geringer Qualität geliefert habe, ob also die Mängel auf
einem Fehler in der Auswahl der Art des zu verwendenden
Materials, der Sorte, oder auf einem Fehler in der Auswahl
der einzelnen Stücke dieser letztern beruhen. Im letzteren
Falle hattet der Beklagte, da er die Lieferung des Materials
übernommen hat, für die Mängel. Er ist gemäss Art. 352
0. R. für Lieferung des vorgeschriebenen Materials in guter
Qualität wie ein Verkäufer verantwortlich, und hat deshalb
für diejenigen Mängel einzustehen, die der vorgeschriebenen
Steinsorte nicht schon an und für sich eigen sind, sondern
ihre Ursache in der besonderen Beschaffenheit der gelieferten
Stücke, in mangelhafter Fabrikation derselben haben. Im
erstem Falle dagegen haftet er nur, wenn er pflichtwidrig
unterlassen hat, den Kläger auf die dem gewählten Kunst-
stein überhaupt immanenten Mängel aufmerksam zu machen.
(Entsch. vom 5. November 1897 i. S. Hellmann c. FürsO
10. Art. 403 0 R. Art. 207 B.-Ges. betr. Schuldbetreibung
und Konkurs. Wv/csamkeit der vom Anwalt? eines Konkur siten
nach Ausbruch des Konkurses eingelegten, von der Konkursmasse
genehmigten Berufungsei klärung.
in der Sache des Gr. K. gegen A. E. und D. R. hatte der
Anwalt St. namens des G. K. gegen ein am 5. April 1897
mitgeteiltes Urteil des Bernischen Appellations- und Kassa-
tionshofes am 25./26. April die Berufung an das Bundesgericht
erklärt. Am 26. April teilte das Betreibungs- und Konkursamt
Basel dem Bundesgerichte mit, dass K. am 17. gl. Mts. in
Basel in Konkurs geraten sei, und beantragte unter Berufung
auf Art. 207 des Betreibungs- und Konkursgesetzes Sistierung
des Prozesses bis zur zweiten Gläubigerversammlung, welchem
Begehren entsprochen wurde. Am 16. Juli 1897 beschloss
die zweite Gläubigerversammlung die Fortsetzung des Pro-
zesses, wovon das Betreibungs- und Konkursamt dem Bundes-
gerichte sofort Kenntnis gab. Bei der bundesgerichtlichen
Verhandlung beantragte der Anwalt der Berufungsbeklagten,
es sei auf die Berufung nicht einzutreten, weil dieselbe nicht
in der gesetzlichen Form eingelegt worden sei. Die vom An-
walte St. namens des K. eingelegte Berufungserklärung sei
nichtig, weil über K. damals bereits der Konkurs ausgebrochen
15
gewesen sei und daher St. nicht mehr als sein Bevollmäch-
tigter habe betrachtet werden können. Allerdings sei durch
den Konkursausbruch der Lauf der Berufungsfrist unter-
brochen worden; sie habe aber mit dem 16. Juli wieder zu
laufen angefangen, und seitens des Betreibungs- und Kon-
kursamtes sei vor Ablauf derselben keine den gesetzlichen
Erfordernissen entsprechende Berufungserklärung eingelegt
worden. Das Bundesgericht erklärte die Berufung als rich-
tig eingelegt, indem es ausführte: Es ist richtig, dass der
Kläger vor Ablauf der Berufungsfrist, und bevor die Beru-
fung durch Fürsprech St. erklärt worden war, in Konkurs
geraten ist. Damit war jedoch diese Berufungserklärung
nicht wirkungslos. Denn mangels entgegenstehender pro-
zessualer Vorschriften muss auch für die Vertretung in der
Prozesstührung Art. 403 0. R. Anwendung finden, wonach
zwar das Mandat durch den Konkurs des Auftraggebers er-
lischt, der Beauftragte jedoch, so oft durch das Erlöschen
des Auftrages eine Gefahr für das Geschäft eintritt, so lange
für die Fortführung des Geschäftes zu sorgen verpflichtet ist,
bis der gesetzliche Vertreter des Auftraggebers in der Lage
ist, es selbst zu thun. Hienach war Fürsprech St. als bis-
heriger Anwalt des Klägers in dieser Sache unzweifelhaft
bevollmächtigt, namens des Klägers, und mit rechtsverbind-
licher Wirkung, vorbehaltlich ihrer Ratifikation, auch für
dessen Konkursmasse die Berufung zu erklären. Einer er-
neuten Berufungserklärung durch die Vertretung der Konkurs-
masse bedurfte es somit nicht mehr, sondern lediglich, ge-
mä«s Art. 207 Schuldbetr.- und Konk.-Ges , der zehn Tage
nach der zweiten Gläubigerversammlung abzugebenden Er-
klärung, dass der Prozess fortgesetzt, die Berufung also ra-
tifiziert werde. (Entseh. vom U Oktober 1897 i. S. Konkurs-
masse Kohler c. Engel & Ruef.)
ii. Art. 392, 405 0. R. Wann ist der Maklerlohn ver-
dimtt
Wie das Bundesgericht wiederholt ausgesprochen hat,
gilt der Maklerlohn (abgesehen von abweichender Abrede der
Parteien) als verdient, wenn der beabsichtigte Endzweck der
Maklerthätigkeit, nämlich das Zustandekommen des Kaufver-
trages, durch diese Thätigkeit herbeigeführt worden ist. (S.
Entscheidung des Bundesgerichts in Sachen Blanchard & Oie
gegen Bony & Kons, vom 2. Dezember 1893, Amtl. Samnilg
Bd XIX S. 883, und in Sachen Fritschi c. Blinde vom 30. De-
16
zember 1895, Amtl. Sammig Bd XXI S. 1242 E. 4.) VergL
auch Staub, Komm. z. dtsch. H. G. B. 4. Aufl. S. 134 § 8 ff.
(Entsch. vom 16. Oktober 1897 i. S. Held c. Essig.)
12. Art. lì, 491 0. R. Afübürgschaft für einen und den-
selben Teil einer Schuld oder Mehrheit von Alleinbürgschaftent
Beweislast. Form der Mitbürgschaft.
U. K. hatte vertragsgemäss der klägerischen Gesellschaft
bei Uebernahme der Generalagentur derselben für das Gebiet
des Kantons Zürich für seine Geschäftsführung solvente Bürg-
schaft in Höhe von Fr. 5000 zu stellen. Als Bürgen ver-
pflichteten sich fur alle Forderungen, welche der Gesellschaft
gegen den Agenten erwachsen würden, bis zu diesem Betrage
(neben andern Personen) der Beklagte U. K. sowie K. W.r
und zwar durch zwei besondere, zu verschiedenen Zeiten aus-
gestellte Bürgscheine, in welchen auf das Vorhandensein von
Mitbürgen kein Bezug genommen ist. Nachdem der Agent
U. K. der Klägerin über Fr. 7000 schuldig geworden war,
bezahlte der Bürge K. W. den Betrag von Fr. 5000, worauf
er belangt worden war. Für den Rest der Schuld klagte die
Gesellschaft gegen den Bürgen U. K., welcher die Forderung
bestritt, weil die Schuld, für die er sich verbürgt habe, durch
die Zahlung des K. W. getilgt sei. Die kantonalen Instanzen
hiessen diese Einrede gut, indem sie ausführten, es ergebe
sich aus den Umständen, dass U. K. und K. W. sich als Mit-
bürgen für diejenigen Fr. 5000, für welche der Agent U. K.
Bürgschaft zu stellen verpflichtet gewesen sei, verbürgt haben.
Die Klägerin machte, bei ihrer Berufung an das Bundesge-
richt, u. a. geltend, diese Entscheidung Verstösse gegen Art. 11
und 491 0. R. Dieselbe könne sich nur darauf stützen, es
sei zwischen den Parteien mündlich die Vereinbarung ge-
troffen worden, der Beklagte hafte nur für eine bestimmt be-
grenzte Hauptschuld und zwar gemeinsam mit andern Bürgen»
Eine solche, mit dem klar verurkundeten Inhalte der an eine
Solennitätsform gebundenen Bürgschaftsverpflichtung unver-
einbare Uebereinkunft aber hätte rechtswirksam nur schrift-
lich, niemals aber bloss mündlich getroffen werden können.
Das Bundesgericht hat die Berufung abgewiesen, indem es
ausführte: Die streitige Frage lässt sich dahin präzisieren:
Hat sich der Beklagte für dieselbe Hauptschuld verbürgt,
für welche K. W. sich verbürgt hat und die von diesem be-
zahlt worden ist, liegt m. a. W. eine Mitbürgschaft für eine
und dieselbe Hauptschuld vor, oder hat sich jeder der beiden
17
Bürgen, der Beklagte und K. W., als Alleinbürge für den
Betrag von Fr. 5000 verbürgt? — . Mit Recht hat die erste
Instanz dem Beklagten den Beweis für die von ihm be-
hauptete Bedeutung des Bürgscheines auferlegt, da es sich
um den Beweis einer eigentlichen Einrede, eines selbstän-
digen Aufhebungsgrundes der von ihm eingegangenen Obli-
gation handelt. Fragt es sich nun, ob dieser Beweis ge-
leistet sei, so ist vorerst zu konstatieren, dass aus den Bürg-
scheinen allein, aus dem Wortlaute derselben, nichts be-
stimmtes gefolgert werden kann, weder zu Gunsten der einen
noch zu Gunsten der andern Auffassung; ganz besonders ist
nicht richtig, dass nur die Ansicht der Klägerin grammati-
kalisch und logisch möglich sei. Die Bürgschaftsurkunde
sagt lediglich, der Beklagte bürge für die Schulden, des
Agenten U. K. gegenüber der Klägerin, und zwar nur bis
zum Betrage von Fr. 5000; ob er als Allein- oder aber als
Mitbürge hafte, darüber sagt die Urkunde nichts, und nun
darf Art. 49t 0. R. nicht etwa in dem Sinne ausgelegt wer-
den, dass auch die Mitbürgschaft; ausdrücklich auf ein und
derselben Urkunde schriftlich erwähnt sein müsse, um (als
Mitbürgschatt) gültig zu sein. Die Vorinstanzen haben daher
mit vollem Recht bei der Auslegung des streitigen Bürg-
scheins nicht nur dessen Wortlaut, sondern die Gesamtheit
der Umstände zu Grunde gelegt. (Entsch. vom 9. Oktober
1897 i. S. Lebensversicherungsbank Teutonia c. Krebser.)
13. Art. 896 0. B. Lebensversicherungsvertrag. Inwiefern
zieht der Selbstmord des Versicherten die Verwirkung des An-
spruchs auf die Versicherungssumme nach sieht Beweislast.
1. Die Haftung des Versicherers beim Lebensversiche-
rungsvertrage kann gültig auch für den Fall einer in unzu-
rechnungsfähigem Zustande begangenen Selbstentleibung des
Versicherten ausgeschlossen werden. Wenn dies jedoch in
der Police nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, so ist die
Policeklausel, dass der Anspruch auf die Versicherungs-
summe im Falle des Selbstmordes des Versicherten dahin -
falle, nur auf die in zurechnungsfähigem Zustande be-
gangene Selbstentleibung zu beziehen. Der Anspruch auf die
Versicherungssumme bleibt daher bei einem in unzurechnungs-
fähigem Zustande begangenen Selbstmorde bestehen und zwar
mangels einer entgegenstehenden ausdrücklichen Bestimmung
der Police nicht nur dann, wenn der Versicherte, als er seinen
18
Tod herbeiführte, sich der todbringenden Folge seines Thuns
gar nicht mehr bewusst war, sondern auch dann, wenn er
zwar das Bewusstsein der Kausalität seiner Handlung hatte,
allein infolge einer geistigen Erkrankung der Freiheit des
Willens beraubt war; immerhin musa, um die Anwendbarkeit
der Verwirkungsklausel der Police auszuschliessen, die gei-
stige Erkrankung derart gewesen sein, dass sie die Freiheit
der Willensbestimmung völlig ausschloss und die entscheidende
Ursache des Selbstmordes war, nicht nur die Zurechnungs-
fähigkeit verminderte und nebensächlich neben andern Mo-
tiven dazu mitwirkte, den Entschluss der Selbsttötung her-
beizuführen.
2. Der Grundsatz, dass, mangels einer entgegenstehen-
den ausdrücklichen Bestimmung der Police, bei in unzurech-
nungsfähigem Zustande begangenem Selbstmorde die Ver-
sicherung bestehen bleibt, gilt auch dann, wenn die Unan-
fechtbarkeit der Police nach Ablauf einer bestimmten Anzahl
von Jahren stipuliert ist und der Selbstmord vor Ablauf dieser
Frist erfolgte.
3. Dagegen trifft die Beweislast dafür, dass die (unbe-
strittene oder nachgewiesene) Selbsttötung in unzurechnungs-
fähigem Zustande erfolgte und folglich nicht unter die Ver-
wirkungsklausel der Police fallt, denjenigen, der aus dem
Versicherungsvertrage Rechte für sich herleitet. (Entsch. vom
8. Oktober 1897 i. 8. Versicherungsgesellschaft La Genevoise
c. Huguenin.)
14. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 48, Ziffer 4. Bundesgesetz über das Ver-
fahren bei dem Bundesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeüen
vom 22. November 1850 7 Art. 41. Zulässigkeü der (positiven) Fest-
stellungsklage. Voraussetzungen derselben.
Die beklagten schweizerischen Rheinsalinen sind Inhaber
von drei Konzessionen, d. d. 20. Juni 1844, 31. August 1846
und 24. Juli 1863, durch welche ihnen, resp. ihren Rechts-
vorfahren, vom Kanton Aargau das Recht eingeräumt worden
ist, auf ihrem Grundeigentum das von ihnen entdeckte und
noch zu entdeckende Salz auszubeuten, und zu diesem Behufe
eine Saline zu errichten. Durch Verträge vom 19./20. Christ-
monat 1871 und 6./12. Oktober bezw. 24. November 1886
haben sie, bezw. ihre Rechtsvorgänger, sich gegenüber dem
Kanton zu erheblichen Mehrleistungen über die konzessions-
mä88ige Abgabe hinaus verpflichtet, mit der Massgabe indess,
19
dass diese Mehrleistungen dahinfallen sollen, wenn der Kanton
weitere Eonzessionen erteilt.
Am 20. Juni 1893 stellten C. V. in Z. und Z. & Cie in
A. beim aargauischen Grossen Rate das Gesuch, derselbe
wolle ihnen, ohne besondere Auflage, die übertragbare Eon-
zession erteilen, das von C. V. entdeckte Salzlager in seiner
ganzen Ausdehnung im Bezirke Z. lediglich zur technisoh-
industriellen Verwertung auszubeuten. Da jedoch die Be-
klagten für den .Fall der Erteilung dieser Eonzession die
Hinfälligkeit der dem Eanton Aargau durch die Verträge
vom 19./20. Dezember 1871 und 6./12. Oktober 1886 einge-
räumten Vorteile behaupteten, fand am 12. März 1894 in
Ölten eine Konferenz des aargauischen Finanzdirektors mit
Vertretern der Beklagten statt, welche indessen zu keiner
Verständigung führte; mit Zuschrift vom 16. März 1894 be-
stätigte die Direktion der Beklagten der aargauischen Finanz*
direktion auf ihren Wunsch noch schriftlich, dass die projek-
tierte Eonzession an die Herren V. und Z. als eine weitere
Eonzession im Sinne von § 5 des Vertrages vom Jahre 1886
betrachtet würde.
Gemäss einem Beschluss des Grossen Rates vom 6. Fe-
bruar 1895 reichte der Regierungsrat des Kantons Aargau
am 26. Juli 1895 dem Bundesgerichte Elage ein mit dem
Rechtsbegehren :
„Es sei gerichtlich zu erkennen, dass der Eanton Aargau
berechtigt sei, unbeschadet den Mehrleistungen, welche die
Verträge vom 19./20. Dezember 1871 und 6./12. Oktober 1886
mit Nachtrag vom 11. März 1887 den schweizerischen Rhein-
salinen auferlegen, zur Ausbeutung des Salzlagers bei Kob-
lenz-Elingnau einem Dritten eine übertragbare Eonzession zu
erteilen, nach weloher dem Konzessionär unter noch näher
zu bestimmenden Bedingungen:
a) die Erlaubnis erteilt wird, auf einem bestimmt be-
grenzten Grubenfeld Salz auszubeuten, jedoch nur in dem-
jenigen Umfange, welcher zur Herstellung chemischer Pro-
dukte in den an der Gewinnungsstelle zu errichtenden Fa-
briken erforderlich ist;
b) dagegen die Abgabe von Salz zum Genüsse, zur
Düngung oder zu gewerblichen und industriellen Zwecken,
sowie von Soole, Haierde und allen mit dem Salinenbetrieb
verbundenen Nebenprodukten untersagt wird."
Die Beklagten bestritten die Statthaftigkeit dieser Pest-
stellungsklage. Ueber deren Zulässigkeit ist in der bundes-
gerichtlichen Entscheidung bemerkt:
20
Die Voraussetzungen des Art. 48 Ziff. 4 O.-G., auf wel-
chen der Kläger die Kompetenz des Bundesgerichtes stützt,,
sind unbestritten und unbestreitbar nach allen Richtungen
vorhanden. Die Zuständigkeit des Sundesgerichtes ist also
begründet. Dass zu den civilrechtlichen Streitigkeiten im
Sinne dieser Gesetzesbestimmung auch Feststellungsklagen
gehören, und zwar sowohl positive als negative, ist vom Bun-
desgericht schon wiederholt anerkannt wurden (s. z. B. bun-
desgerichtl. Entsch., A mtl. Samml. Bd VI, S. 324; VII, 198;
XIII, 348 Erw. 3; XIV, 369 Erw. 4, und 718).
In casu handelt es sich um eine positive Feststellungs-
klage, indem das Rechtsbegehren des Klägers auf gerichtliche
Anerkennung, Feststellung seines Rechtes geht, die ihm durch
die Verträge mit den Beklagten vom Jahre 1871 und 1886
zugesicherten, über die konzessionsmässige Abgabe hinaus-
gehenden Vermögensvorteile von den Beklagten auch dann
verlangen zu können, wenn er den Herren V. und Z. die im
Rechtsbegehren bezeichnete Konzession erteile. Die Zulässig-
keit einer solchen Feststellungsklage ist nach der bundes-
gerichtlichen Praxis (s. die oben angeführten Entscheidungen)
anzuerkennen, sofern der Kläger ein rechtliches Interesse an
der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses darthun
kann. Mit Unrecht haben die Beklagten die Unstatthaftigkeit
derselben aus Art. 41 der eidgenössischen C.-P.-O. herleiten
wollen. Denn dieser Artikel enthält, wie sich schon aus der
Ueberschrift desselben klar ergiebt, nur das Verbot zu Auf-
forderung der Klage, und in casu liegt eine solche Aufforde-
rung nicht vor. Nicht zu erörtern ist hier die Frage, ob
nicht in der negativen Feststellungsklage eine Umgehung dea
in Art. 41 ausgesprochenen Verbotes zu erblicken sei, inso-
fern dieselbe sich nicht auf die Behauptung eines in der
Person des Klägers zu schützenden konkreten Rechtes grün-
det, sondern den Rechtsschutz durch Abwehr eines vom Be-
klagten angemassten Privatrechts bezweckt, und daher der
Beklagte allerdings in die Lage kommen kann, die Existenz
des von ihm behaupteten, vom Kläger aber verneinten sub-
jektiven Rechtes zu beweisen, sofern — was bekanntlich
streitig ist, in casu aber unerörtert bleiben kann — nicht
dem Kläger der Beweis des Nichtbestehens des vom Be-
klagten angesprochenen Rechtes aufzulegen ist. Denn hier
liegt, wie bemerkt, eine positive Festatellungsklage vor, und
bei dieser handelt es sich um ein subjektives Recht, welches
vom Kläger gegenüber den Beklagten beansprucht wird; mit
der positiven Feststellungsklage wird also Feststellung des
21
subjektiven Rechtes des Klägers verlangt, und kann daher
gegen deren Zulässigkeit Art. 41 cit. jedenfalls nicht ange-
rufen werden. Es kann sich also nur fragen, ob der Kläger
-ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des
fraglichen Rechtsverhältnisses besitze. Die Beklagten be-
streiten, dass diese Voraussetzung in casu vorhanden sei, in-
dem sie in erster Linie geltend machen, sie haben das ein-
geklagte Recht des Klägers bis jetzt weder verletzt noch
bestritten. Nun ist zwar richtig, dass die Beklagten kein
Recht des Klägers verletzt haben; allein die Peststellungs-
klage unterscheidet sich eben von der Leistungsklage gerade
•dadurch, dass sie nicht Rechtsschutz gegen eine vorausge-
gangene Verletzung bezweckt, sondern die Sicherung von
Rechten mittelst Feststellung des Rechtsbestandes. Die Fest-
stellungsklage setzt daher nur eine Bedrohung oder Gefähr-
dung, und nicht, wie die Leistungsklage, welche sich auf
Befriedigung eines Rechtes richtet, eine Verletzung desselben
voraus (s. z. B. Wach, Feststellungsanspruch, S. 52 ff; Kohler,
prozessrechtliche Forschungen, 8. 63 f.). Das rechtliche In-
teresse des Klägers an der Feststellungsklage ist gegeben,
sobald zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis besteht,
für welches das zu erlassende Urteil von Erheblichkeit ist,
und das trifft in casu unzweifelhaft zu. Mit Unrecht be-
haupten die Beklagten, es handle sich hier um ein zukünf-
tiges Rechtsverhältnis. Die Klage verlangt die Feststellung
der richtigen Auslegung der von den Litiganten in den Jahren
187 1 und 1886 abgeschlossenen Verträge, resp. einer einzel-
nen Bestimmung derselben, die Feststellung, dass der Kläger
nach diesen Verträgen berechtigt sei, die projektierte Kon-
zession zu erteilen, ohne die ihm vertraglich zugesicherten Ver-
mögensvorteile zu verlieren. In Frage stehen also die aus
diesen Verträgen für die Parteien resultierenden Rechtsfolgen,
und damit ist ohne weiteres das rechtliche Interesse des Klägers
an der Feststellung gegeben. Nun ist allerdings weiter er-
forderlich, dass der Kläger ein rechtliches Interesse nicht
bloss an der Feststellung überhaupt, sondern an alsbaldiger
Feststellung habe. Das Interesse muss also ein aktuelles,
präsentes sein. Dies ist aber der Fall, wenn einerseits
zwischen zwei Parteien eine rechtliche Meinungsdifferenz
darüber besteht, ob nach dem zwischen ihnen bestehenden
Rechts- bezw. Vertragsverhältnisse die eine Partei befugt sei,
eine Rechtshandlung vorzunehmen, ohne sich dadurch dem
Verluste vertraglicher Rechte auszusetzen, andererseits diese
Frage von gegenwärtiger praktischer Bedeutung ist, die prak-
22
tische Bedeutung derselben also nicht in unbestimmter Ferne
liegt. Die Erteilung der projektierten Konzession und deren
Folge zwischen Kläger und Beklagten sind nun in der That
gegenwärtig von praktischer Bedeutung. V. und Z. haben
dieselbe verlangt, und Regierungsrat und Grosser Rat des
Kantons Aargan dieselbe bereits zum Gegenstand einer
Schlu8snahme gemacht; sodann haben die Beklagten sowohl
vor Anhebung dieses Prozesses bei der Konferenz in Ölten
und in ihrer Zuschrift vom 16. Mai 1894, als auch in diesem
Prozesse ihre Auffassung der Verträge in dem Sinne, dass
der Kläger mit Erteilung der projektierten Konzession den
Anspruch auf die vertragliche Mehrleistung verliere, mit einer
Bestimmtheit und Deutlichkeit ausgesprochen, dass über deren
Ernstlichkeit kein Zweifel bestehen kann, vielmehr als sicher
anzunehmen ist, dass die Beklagten nach Erteilung der Kon-
zession die vertraglichen Mehrleistungen verweigern würden.
Dadurch ist aber in der That der Rechtsstand des Kläger»
in einer Weise unsicher gemacht und in Frage gestellt wor-
den, dass für denselben zur Zeit ein unbestreitbares Bedürf-
nis für Feststellung dieses Rechtsstandes besteht, damit er
seine Handlungsweise ohne Gefahr wesentlicher Verluste be-
stimmen kann. (Entsch. vom 2. Juli 1897 i. S. Kanton Aargau
c. Schweizerische Rheinsalinen.)
15. Bundesgesetz betr. die Haftpflicht der Eisenbahn- und
Dampf schifffahrt' Unternehmungen bei Tötungen und Verletzungen
vom 1. Juli 1875. 0. R. Art. '888.
Die Haftpflicht der Dampfschifffahrtsunternehmungen für
Tötungen und Verletzungen, die sich bei ihrem Betrieb er-
eignet haben, ist abschliessend in dem darüber erlassenen
Spezialgesetz geregelt, und daneben können die allgemeinen
Bestimmungen über Schadenersatzpflicht wegen unerlaubter
Handlungen keine Anwendung mehr finden. (Entsch. vom
29.September 1897 i.S. Dampfschifffahrtsgesellschaft des Vier-
waldstättersees c. Witwe Traxel.)
16. Bundesgesetz betr. Schuldbetreibung und Konkurs, Art 200,
260, 269, 285, 286—2X8. Inwieweit ist nach Schluss des Kon-
kursverfahrens die Erhebung der Anfechtungsklage durch die Masse
oder durch einzelne Konkursgläubiger an deren Stelle statthaft t
Im Konkursverfahren ist zur Erhebung der Anfechtungs-
klage in erster Linie die Konkursverwaltung berechtigt, die
einzelnen Konkarsgläubiger nur insoweit, als die Masse deren
Anhebung ihnen überlässt (Art. 260 und 269 Abs. 3 des Bun-
desgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs. Siehe auch
den Kommentar von Weber und Brüstlein zu diesem Bundes-
gesetz, Anmerkung 4 zu Art. 285). Da nun der Anspruch
auf Anfechtung der in Art. 286 — 288 des Bundesgesetzes be-
zeichneten Rechtshandlungen des Gemeinschuldners, wie in
Art. 200 ibid. ausdrücklich gesagt ist, zur Konkursmasse ge-
hört, so muss derselbe, wie alle andern Konkursaktiven, auch
im Konkursverfahren seine Erledigung finden, sei es durch
die Verfolgung oder durch Aufgeben desselben, und ist dessen
Geltendmachung nach Schluss des Konkursverfahrens seitens
der Masse oder der einzelnen Konkursgläubiger ausgeschlossen,
soweit nicht Art. 269 des Schuldbetreibungs- und Konkurs-
gesetzes Platz greift, der Anfechtungsanspruch also erst nach
Schluss des Konkursverfahrens entdeckt worden ist. (Entsch.
vom 16. Oktober 1897 i. S. Wyler c. Eidgenössische Bank,
Aktiengesellschaft, und Genossen.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
17. Verkauf einer Erbanwartschaft. Unsittliche
Le ist ungi Art. 17 0. R.
HU Gallen. Urteil des Xautonsgerichts v. 9. April 1896.
In ökonomischer Bedrängnis, von verschiedenen Gläubi-
gern betrieben, suchte der schon 1891 im Eonkurs gestandene
A. eine Geldaufnahme gegen Abtretung eines Teils seiner
Erbanwartsohaft an seiner 75 Jahre alten Tante X. Am
20. März 1895 erhielt er von B. Fr. 3000 gegen folgende
„Cession. Anmit cediere ich den mir von Seite meiner
„Tante X. eventuell zufallenden' Erbteil bis auf den Betrag von
„Fr. 6000 an B. und erkläre den Gegenwert mit Fr. 3000 heute
„bar durch den Cessionar erhalten zu haben. Gegenwärtige Ab-
tretung meiner bezüglichen Anwartschaftsrechte ist die erste.
„St. Gallen, 20. März 1895. (sig.) A."
Am 29. September 1895 starb die Tante X., worauf B.
dem betreffenden Bezirksamte, das die amtliche Teilung be-
24
sorgte, von dieser Cession Kenntnis gab und deren Vormerk
veranlasste.
Aus den Teil Verhandlungen ergab sich, dass auf À.'s
Erbteil etwas mehr als Fr. 10,000 entfielen. Dieser Erbteil
ward von B. für Fr. 6000 und von Verlustscheinsgläubigem
aus A.'s 1891er Konkurs für den Rest sequestriert. Aber A.
bestritt dem B. die Verbindlichkeit seiner Cession vom 20. März
1395 und anerkannte im Vermittlungsvorstande als Schuld
nur Fr. 3000, weil er nur diese Summe erhalten habe. Da-
rauf klagte B. auf Anerkennung der Cession in dem Sinn,
dass er berechtigt sei, die deponierten Fr. 6000 zu Händen
z\i nehmen. Der Beklagte verlangte Abweisung der Klage
über die anerkannten Fr. 3000 hinaus, aus mehreren Gründen,
von denen uns hier nur der angeht, der Vertrag sei ein un-
sittlicher gewesen.
Das Kantonsgericht hat die Klage begründet erklärt, in
Bezug auf die erwähnte Einrede mit folgender Motivierung:
Der Beklagte (Cèdent) will in der Abtretung vom 20. März
1805 eine unsittliche Leistung (Art. 17 0. R.) in dem Sinne
erblicken, dass der Cessionar (EJäger) sich durch die Abtre-
tung übermässige Vorteile habe verschaffen wollen. — Mit
Unrecht; denn der Cessionar (Kläger) hat bei seiner Barlei-
stung von Fr. 3000 am 20. März 1895 das Risiko übernom-
men, nicht bloss keinen Vorteil aus dem Rechtsgeschäfte zu
erhalten, sondern seine eigene Leistung von Fr. 3000 bar un-
wiederbringlich zu verlieren, und es mussten (wie oben aus-
geführt) mehrere Faktoren zusammenwirken und mehrere zu-
fällige Voraussetzungen eintreten, um ihm den nunmehr heute
eingeklagten Vorteil verschaffen zu können, während der aller
Miltei entblö8ste Cèdent (der Beklagte), der sich mit dem-
selben Anerbieten vergeblich an Dritte gewandt hatte, die
Fr. 3000 ohne jede Rückerstattungspflicht bei der Cession bar
erhielt. Schon aus diesem Gesichtspunkte kann daher mit
Kecht von einem Abkommen, bei welchem sich der Kläger
übermässige Vorteile hätte schaffen wollen, nicht die Rede
sein, und kann darin die Vereinbarung über eine unsittliche
Leistung nicht erblickt werden.
Allein selbst wenn der Kläger aus der mehrerwähnten
Abtretung übermässige Vorteile erzielt hätte, so könnte das
Rechtsgeschäft aus dem Gesichtspunkte des Ü. R. doch nicht
ungültig erklärt werden, weil dieses auf dem Boden unbe-
schränkter Vertragsfreiheit stehende Gesetz eine Vertragsan-
feclitung wegen Missverhältnisses von Leistung und Gegen-
leistung (laesio enormis) nicht kennt und dieses Missverhältnis
25
darnach auch nicht Voraussetzung für die Annahme einer un-
sittlichen Vertrags! eistung im Sinne des Gesetzes sein kann,
-wodurch der Vertrag ungültig erklärt würde (A. S. der Entsch.
des Bundesgeriohts, XX 8. 1087).
(Entsch. des Kanton sgerichte des K. St. Gallen i. J. 1896, S. 24 ff.)
18« Mise à l'interdit prononcée par un syndicat ouvrier
contre un patron. Art 50, 55 C. 0.
Jtf euch Atel. Jugement du Tribunal cantonal du 5 mars 1897 dans
Ja cause Pellet c. Robert et Wyas.
Il existe à la Chaux-de-Fonds, sous le titre d'„Union
syndicale des ouvriers faiseurs de ressorts," une société non
inscrite au registre du commerce et qui a pour but de lutter
contre l'abaissement des prix de la main d'oeuvre. Le prési-
dent de cette société est actuellement L. Robert et le secré-
taire est H. Wyss. Edouard Pellet, précédemment ouvrier fai-
seur de ressorts, est établi actuellement comme patron fabri-
cant de ressorts. Il était autrefois d'un usage général que
les ouvriers faiseurs de ressorts prissent pension chez leur
patron. Pellet a conservé cette coutume. Au mois de mars
1896, il a diminué un peu le salaire de ses ouvriers (deux à
quatre et deux apprentis) sur les parties du rognage, de l'a*
doucissage et des feux. La société prétend que l'obligation
pour les ouvriers de prendre pension chez Pellet est devenue
pour ce dernier une spéculation, qu'il paye irrégulièrement
ses ouvriers et* qu'il leur accorde un salaire insuffisant. Elle
a décidé de lui retirer ses ouvriers et l'a mis à l'interdit.
Elle a fait paraître à différentes reprises dans les journaux
l'Impartial et la Sentinelle, qui sont tous deux très répandus
dans la région horlogère, des annonces avertissant tous les
ouvriers faiseurs de ressorts qu'il leur est interdit d'accepter
du travail provenant de cet atelier et exprimant la conviction
que tous les collègues feront leur devoir et qu'aucun n'ac-
ceptera du travail sortant de cet atelier. Dès ce moment,
toutes les démarches de Pellet dans le but de se procurer
des ouvriers pour remplacer ceux qui l'avaient quitté sont
restées à peu près infructueuses. Les ouvriers engagés par
lui ont refusé, dès qu'ils ont su que P. était mis à l'interdit,
d'entrer chez lui. Un ouvrier qui avait demandé de l'ouvrage
à Pellet, a été de la part d'un membre de l'Union syndicale
l'objet de chi. ânes et même de menaces. Pellet a été mis
par là dans l'impossibilité de livrer les marchandises qui lui
26
étaient commandées et d'entrer en relations avec des maisons
qui lui transmettaient des commandes. Il a formé demande
oontre L. Robert et H. Wyss en leurs qualités de président
et de secrétaire de l'Union syndicale, demande fondée en
droit sur les art. 50 et 55 C. 0. et concluant à ce que R. et W.
soient condamnés solidairement à lui payer la somme de 1500 fr.
Le Tribunal cantonal a condamné solidairement L. R.
et H. W. à payer à Pellet la somme de 250 fr.
Motifs: L'Union syndicale ne jouit pas de la person-
nalité civile. Les défendeurs L. R. et H. W. sont recherchables
personnellement et solidairement, aux termes de l'art. 717
C. 0., en raison du dommage pouvant avoir été causé au de-
mandeur. La légitimation passive des défendeurs est ainsi
acquise au procès.
La mise à l'interdit prononcée contre Pellet ne paraît
pas constituer en elle-même un acte illicite pouvant donner
lieu de plein droit à l'application des art. 50 ss. C. 0. En
effet, qu'il s'agisse d'individus isolés ou d'un groupe de per-
sonnes, il est parfaitement licite, de la part de ces personnes;
de refuser de travailler pour le compte d'un patron dont elles
estiment avoir à se plaindre, et, en agissant ainsi spontané-
ment et de leur plein gré, elles ne portent atteinte à aucun
droit positif appartenant à celui qui est l'objet de ce refus,
lors même qu'il pourrait en résulter pour lui un préjudice ou
des inconvénients. Car la loi ne protège pas les individus
contre tout dommage qui peut leur être causé au cours de la
lutte réciproque de leurs intérêts, mais seulement contre le
préjudice qui leur est causé par la violation d'un principe
général du droit, ou par celle d'un droit individuel leur ap-
partenant. Or, il est certain que Pellet n'avait aucun droit
quelconque en vertu duquel il eût pu obliger des ouvriers
faisant ou ne faisant pas partie de l'Union à accepter de
l'ouvrage dans ses ateliers. Mais, d'autre part, il était en droit
d'exercer librement son industrie, et, en vertu de ce principe
de liberté, il n'était nullement tenu de souffrir que des tiers
vinssent entraver la marche de ses affaires en troublant les
conditions normales sur lesquelles elles reposent naturellement
et en ayant recours, pour l'empêcher de se procurer des ou-
vriers et de gagner sa vie, à la pression, à la contrainte ou
aux menaces. De pareilles mesures coercitives impliquent, de
la part de ceux qui les exercent, une atteinte à un droit dont
l'existence est reconnue en faveur de tout industriel, savoir
son droit d'exiger le respect de sa personnalité (Trib. féd»
Arrêt du 30 mars 1896, d. 1. c. Vögtlin c. Geissbühler).
27
Or, les défendeurs sont sortis de la légalité et ont agi
sans droit et à rencontre d'un droit positif appartenant à P.,
lorsque, dans le but évident de nuire à celui-ci, de le mettre
dans l'impossibilité d'exercer son industrie et de l'amener
par là à se soumettre aux conditions que prétendait lui im-
poser la société de l'Union à regard de laquelle il n'avait
cependant aucune obligation légale ou contractuelle, ils ont
employé comme moyen de contrainte:
a) la publication dans les journaux d'un avis invitant
les ouvriers qui recevraient des offres de travail de P. à
prendre des renseignements auprès du défendeur R., cela
évidemment afin de pouvoir exercer une pression sur eux et
arriver, par la persuasion ou l'intimidation, à les dissuader
d'accepter ces offres;
b) l'insertion, dans la Sentinelle, d'un communiqué aver-
tissant tous les ouvriers faiseurs de ressorts qu'il leur est
interdit d'accepter du travail provenant de l'atelier P. et an-
nonçant que J'Union s'est vue dans l'obligation de retirer les
ouvriers que P. occupe, et qu'elle a la conviction que tous
les collègues feront leur devoir et qu'aucun n'acceptera du
travail sortant de cet atelier aussi longtemps que P. n'aura
pas donné droit aux revendications si légitimes des ouvriers;
c) les démarches personnelles de membres de l'Union
auprès d'ouvriers pour chercher à les empêcher d'entrer
chez P.
En agissant comme ils l'ont fait, les défendeurs ont causé
au demandeur un préjudice matériel les faisant tomber sous
le coup de l'art. 50 C. 0. et ont porté à sa situation person-
nelle l'atteinte grave permettant l'application de l'art. 55 du
dit code. Par contre, rien dans cette cause n'autoriserait le
juge à faire bénéficier les défendeurs des dispositions de
l'art. 51 al. 2 du même code.
S'agissant de déterminer quelle a été l'importance du
préjudice pécuniaire subi et d'apprécier si et dans quelle me-
sure il y a lieu d'user de la faculté appartenant au juge d'ac-
corder des dommages-intérêts à teneur de l'art. 55, le tribu-
nal admet comme établi par la procédure que les affaires de
P. sont peu importantes, ensorte que le ralentissement mo-
mentané qu'elles ont subi ensuite des agissements de l'Union
n'a pas pu lui occasionner une perte considérable. L'adjudi-
cation d'une somme de 250 fr. paraît équitable pour indem-
niser P. du préjudice subi par lui. Quant à l'atteinte grave
portée à sa situation personnelle, il y a lieu, prenant en con-
sidération toutes les circonstances de la cause, de la consacrer
28
en principe en mettant à la charge des défendeurs tous les
frai 8 et dépens du procès, malgré l'exagération relativement
forte du chiffre de la demande.
(Jugements du Trib. cant. de Neuchâtel, IV p. 414 88.)
19, Dommages -intérêts. Responsabilité du patron. Notion
du mot maître ou patron dans le sens de l'art 62 C. 0.
Genève. Jugement du Tribunal de V" instance du 16 juillet 1897
<L 1. c. KiBter c. Schira et Isler, Dufour et Saulnier.
Schira et Isler ont loué à Kister un immeuble dont la
jouissance a été troublée par des réparations d'un immeuble
voisin. Kister a actionné Schira et Isler en concluant à la
résiliation du bail et au paiement de 1000 fr. à titre de
dommages-intérêts. Les défendeurs ont appelé en cause Du-
four et Saulnier, entrepreneurs et auteurs de ces troubles.
Saulnier conteste la recevabilité de l'action dirigée contre lui,
parce qu'il est l'employé du propriétaire de la maison voisine
et qu'il n'existe aucun lien de droit, ni de fait, entre lui et
Schira et Isler. Le Tribunal s'est exprimé comme suit sur
ee moyen exceptionnel :
Ce système ne saurait être admis,
Attendu que les employés ou ouvriers, mentionnés à
l'art. 62 C. 0. et dont le maître ou patron est responsable,
sont ceux dont oe dernier loue les services à la pièce, à la
journée, au mois ou à l'année, pour l'exercice d'une profession
ou d'un négoce, mais qu'on ne saurait comprendre, sous cette
dénomination, l'industriel auquel un particulier s'adresse pour
l'exécution d'un travail déterminé; qu'en effet, l'art. 62, en
obligeant le maître à prendre toutes les précautions néces-
saires dans l'exécution du travail, suppose une relation de
supérieur à subalterne, qui n'existe évidemment pas entre le
particulier et l'entrepreneur qu'il charge de démolir ou de
construire un bâtiment. (La Semaine judiciaire, XIX p. 716 «O
20. Dommages- in ter et s excédant la somme représentée
par les intérêts moratoires. Art 12Î C. 0.
Vand. Jugement du Tribunal cantonal du 1(5 mars 1897 d. 1. c.
Morier c. Wolf.
Le 9 septembre 1896, le cher al de L. Wolf a été blessé
par une faute du domestique de Ch. Morier; le 11 septembre,
2*
les parties convinrent d'un arrangement aux termes duquel
Morier s'est engagé à prendre le cheval de Wolf pour le
prix de 5uO fr., à payer les frais d'écurie et de vétérinaire,
plus 20 fr. à Wolf à titre de faux frais. Ensuite de cet ar-
rangement, Morier prit la bête le 12 septembre et paya les
frais d'écurie et ceux du vétérinaire, et dès cette date, il a
en en sa possession le cheval de Wolf et Ta utilisé, sans
payer la valeur convenue de 520 fr. Wolf lui a ouvert action
le 28 septembre, concluant à faire prononcer que Morier est
son débiteur, avec intérêt au 5 % dès le 26 septembre, de
520 fr. ainsi que d'une indemnité de 4 fr. par jour dès le
15 septembre jusqu'au jour où jugement sur le principal inter-
viendra et sera définitif. Morier a déclaré offrir à Wolf, à
son choix: pu de rendre au dit Wolf son cheval en lui payant
la dépréciation subie par cet animal à dire d'experts, ou de
garder le dit cheval moyennant paiement comptant de son
prix au jour de l'accident, à dire d'experts. Il lui offre, eu
outre, en tout état de cause, le paiement d'une somme de
20 fr. pour faux frais. Subsidiairement, et pour le cas où le
tribunal admettrait, contre attente, l'existence d'une conven-
tion de vente du cheval blessé, il conclut à oe que le prix
de cette vente est abaissé au chiffre fixé par experts comme
valeur de l'animal au 9 septembre. Le tribunal de 1" instance
a accordé au demandeur ses conclusions, en réduisant la se-
conde à une indemnité de 200 fr. Le Tribunal cantonal a
écarté le recours exercé par Morier contre ce jugement.
Motifs: Considérant qu'ensuite des faits acquis au
procès, Morier a acheté le cheval de Wolf, et en doit le prix
par 520 fr., y compris l'indemnité pour faux frais, avec in-
térêt au 5%.
Que Morier est du reste d'accord avec ce point de vue,
puisque son acte de recours ne vise que la seconde conclu-
sion du demandeur, reconnaissant ainsi le bien-fondé de la
réclamation principale adverse.
Qu'ainsi la seule question qui se pose est celle de sa-
voir si Wolf est en droit de réclamer une idemnité pour
dommage résultant de la privation de son cheval et des frais
de remplacement de cet animal.
Considérant que Part. 121 C. 0. dispose que dans le cas
où le dommage qu'éprouve le créancier excède la somme re-
présentée par les intérêts moratoires, le débiteur est tenu de
réparer ce dommage s'il est prouvé qu'il y a eu faute de
sa part.
Qu'aucune stipulation n'étant intervenue quant à la date
30
du paiement du prix du cheval, oe prix était exigible dès le
12 septembre 1896, date à laquelle le cheval a passé entre
les mains de l'acheteur, qui a été mis en demeure de payer
par la citation du 26 septembre.
Que ce dernier ayant succombé dans son système juri-
dique, alors que les débats ont démontré qu'il était intervenu
une vente ferme concernant le cheval, a évidemment commis
une faute en ne s' acquittant pas de son obligation de payer
le prix du cheval, ce qui a empêché Wolf de remplacer im-
médiatement cet animal et Ta forcé à louer des chevaux de-
puis le 15 septembre.
Qu'appréciant les circonstances de la cause, l'expert V.
a déclaré qu'un commerçant comme Wolf qui vient à être
privé temporairement de son cheval, subit de ce chef un dom-
mage de 3 fr. par jour.
Qu'ainsi Morier, se trouvant en faute au sens de l'art. 121
C. 0., doit à Wolf la réparation de ce dommage.
Que l'appréciation de ce dommage à la somme globale
de 200 fr. admise par le juge de première instance est pleine-
ment justifiée. (Journal des tribunaux, XLV p. 233 ss.)
21, Eigentumsvorbehalt. Constitutum possessorium.
Art. 202 0. R.
Thurgau. Crteil des Obergerichts v. 28. August 1897 i. S. A. Bäch-
ler & Cie c. Güttinger.
Unterm 24. November 1894 kaufte Paul Schmid, Stacker,
von Monteur Wepf ein Heimwesen samt Stickmaschine um
den Preis von Fr. 9000. Für die Summe von Fr. 800 behielt
sich der Verkäufer bis zur vollständigen Abzahlung das Eigen-
tumsrecht an der Stickmaschine vor. Im Jahre 1896 zahlte
Schmid die Fr. 800 ab, zu welchem Zwecke ihm Güttinger
Fr. 600 verabfolgte. Laut Vertrag vom 28. März/30. April
1896 verkaufte Schmid die Stickmaschine an Güttinger um
Fr. 600; gleichen Tages schloss er mit ihm einen Mietvertrag,
wonach die Stickmaschine gegen einen jährlichen Mietzins
von Fr. 40 dem Schmid wieder zur Benutzung überlassen
wurde. In der Folgezeit gieng die Stickmaschine bei einem
Brande zu Grunde, und es bezahlte die Feuerversicberungs*
gesellschaft „Helvetia" für dieselbe eine Entschädigung von
Fr. 530.
A. Bäohler & Gie haben an Schmid für Weinlieferungen
eine Forderung von Fr. 340. 20 Cts. Für diese hoben sie Be-
31
treibung an und verlangten, als sie eine ungedeckte Pfändung
erhielten, dass die Stickmaschine, bezw. die an deren Stelle
getretene und beim Betreibungsamte deponierte Assekuranz-
summe zu ihren Gunsten gepfändet werde. Güttinger wider-
setzte sich diesem Begehren, vindizierte im Wege gericht-
licher Klage die deponierten Fr. 530 für sich und wurde erst-
instanzlich mit seiner Klage geschützt. Das Obergericht be-
stätigte dieses Urteil.
Motive: Das Obergericht erblickt in dem zwischen Güt-
tinger und Schmid abgeschlossenen Kaufvertrage ein reelles
Geschäft; wenn auch der Zweck dieses Geschäftes auf die
Sicherung der von Güttinger dem Schmid verabfolgten Summe
von Fr. 600 gerichtet war, so schliesst dies nicht aus, dass
der Wille beider Parteien eben doch dahin gieng, das Eigen-
tum an der Stickmaschine auf Güttinger zu übertragen. War
aber dieser Wille vorhanden, so konnte nach Art. 202 0. R.
das Eigentum an der Stickmaschine auf Güttinger übergehen,
auch wenn dieselbe im Gewahrsam des Verkäufers Schmid
verblieb.
Der Kaufvertrag wäre sowohl nach Art. 202 0. R. als
auch nach Art. 288 des Betreibungsgesetzes nur dann un-
wirksam, bezw. anfechtbar, wenn eine Benachteiligung der
Gläubiger Schmids beabsichtigt worden wäre. Dies war aber
nicht der Fall; denn, hätte weder Güttinger noch ein anderer
dem Schmid die Fr. 600 gegeben, so wäre die fragliche Stick-
maschine auch jetzt noch mit dem Eigentumsvorbehalte zu
Gunsten des Wepf behaftet und somit dem Zugriffe der
Gläubiger Schmids entzogen. Dadurch, dass Güttinger die
Ablösung des Eigentumsvorbehalts des Wepf ermöglichte und
er selbst in dessen Eigentumsrechte eintrat, sind die Gläu-
biger Schmids in keiner Weise benachteiligt worden, weshalb
die VeräU8serung der Stickmaschine an Güttinger als zu Recht
bestehend erklärt werden muss.
22. Pacht. Kündigungsrecht. Art. 310 oder 313 O.R.t
Sol ot.hu m. Urteil des Obergerichts vom 13. Juni 1896.
Der Verpächter eines Gutes hatte dem Pächter den
Pachtvertrag aufgekündet, und letzterer klagte nun gegen
ihn Fr. 700 wegen vertragswidriger Auf kündung ein und
berief sich auf Art. 810 0. R. Der Verpächter wandte ein,
er sei berechtigt gewesen, ohne weiteres den Pachtvertrag
aufzuheben, weil der Pächter auf dem Pachtgute in vorsätz-
32
lieh rechtswidriger Weise mehrere Bäume teils umgehauen,
teils mit einer Säge eingeschnitten, teils durch Axthiebe be-
schädigt habe, und dafür auch zu einem Monat Gefängnis
verurteilt worden sei. Der Beklagte rief den Art. 313 0. R.
für sich an.
Das Obergericht erklärte den Art. 310 hier als nicht an-
wendbar. Zwar, sagt es, lege man dieser Bestimmung einen
zu engen Sinn bei, wenn man (Schneider und Fick, Comm»
Note 2 zu Art. 292, Janggen, Sachmiete, S. 155 fF., Rössel,
Manuel, p. 382) ihr Anwendungsgebiet auf die Fälle be-
schränkt, wo der wichtige, dem Kündigenden die Fortsetzung
des Pachtverhältnisses unerträglich machende Grund nicht
auf der Schuld desjenigen Teils beruht, dem gekündet wird.
Zur Begründung einer solchen Interpretation giebt der Art. 310
keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist er überall da anwendbar,
wo die von ihm geforderten Voraussetzungen gegeben sind
und zudem einer derjenigen Gründe nicht vorliegt, gestützt
auf welche der Verpächter, bezw. Pächter nach Art. 277 ff.
(297), 312, 313 und 315 vom Vertrage zurücktreten kann,
gleichviel ob das Vorliegen des Kündigungsgrundes dem Ver-
schulden desjenigen, dem gekündet wird, zuzurechnen ist oder
nicht. Darnach genügt es in casu nicht, darauf hinzuweisen,
dass der hierortige Vertragsauflösungsgrund (Sachbeschädi-
gung) auf der Arglist und Bösartigkeit des Pächters, dem
gekündet wird, beruht, um den Art. 310 als im vorliegenden
Fall nicht anwendbar zu erklären. Wohl aber folgt die Nicht-
anwendbarkeit des Art. 310 aus der Anwendbarkeit des Art. 313.
Art. 313 giebt dem Verpächter das Rücktrittsrecht vom
Vertrage, 1. wenn der Pächter seine aus dem Pachtvertrag
erwachsenden Pflichten in erheblicher Weise verletzt und 2.
wenn er innert angemessener Frist auf ergangene Aufforde-
rung hin nicht erfüllt. In casu fehlen diese beiden Requisite
des Art. 313, denn eine strafbare Beschädigung des Pacht-
objektes gehört nicht zu den Verletzungen der in Art. 303
und 304 genannten kontraktlichen Pflichten (wirklich nicht?
Die Red.), sondern zu den Verletzungen allgemein mensch*
licher Pflichten, die der Staat sogar unter Strafe stellt. Die
Verpächter gestehen auch zu, die in Art. 313 verlangte Er-
füllungsaufforderung nicht an den Pächter gerichtet zu haben.
Dennoch kommt Art. 313 zur Anwendung, denn:
1. Das Anwendungsgebiet des Art. 313, dessen Umfang
sich aus seinem Wortlaut ergiebt, ist durch Analogieschluss
auszudehnen. Nach dem Wortlaute steht dem Verpächter
das Rücktrittsrecht zu, wenn der Pächter die Obstbäume auf
33
dem Pachtgut aus Nachlässigkeit zu Grunde gehen lässt,
nicht aber auch dann, wenn er den gleichen Erfolg durch
dolo malo ausgeführtes Absägen derselben bewirkt. Beide
Fälle decken sich, nur ist in letzterem Falle der rechtsver-
letzende Wille des Pächters viel stärker als im ersteren. Nach
dem Wortlaut des Art. 313 ist demnach im leichteren Falle
das Rücktrittsrecht zu gewähren, im schwereren zu versagen.
Die Widersinnigkeit dieser Folgerung aus dem Wortlaut des
Art. 3! 3 deutet mit aller Bestimmtheit darauf hin, dass der
Wortlaut sich mit dem Sinne des Art. 313 nicht deckt, dass
der Gesetzgeber mehr wollte als er sagte. Das Prinzip, das
dem Art. 313 zu Grunde liegt, giebt dem Verpächter ein
Rücktrittsrecht, wenn der Pächter durch erhebliche Verletzung
seiner Pflichten schlechthin die Interessen des Verpächters
schädigt. Die eine Eonsequenz aus diesem Prinzip, dass
nämlich die Verletzung kontraktlicher Verpflichtungen
das Rticktrittsrecht des Verpächters zur Folge hat, zieht der
Art. 313. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum der
Gesetzgeber die andere Konsequenz, dass die nämliche Folge
sich auch an die Verletzung nicht kontraktlicher Pflich-
ten knüpft, nicht auch hätte anerkennen wollen. Demgemäss
ist anzunehmen, das Gesetz räume in beiden Fällen dem ge-
schädigten Verpächter das Rücktrittsrecht ein.
2. Trotzdem auch das zweite Requisit des Art. 313, d. h.
die Erfüllungsaufforderung durch den Verpächter, in casu
fehlt, ist Art, 313 anzuwenden. Dieses Requisit kann nur
da erfüllt werden, wo das erste fehlt, ist also nur die Be-
dingung, unter der die Pflichtverletzung des Pächters für den
Verpächter zum Rücktrittsgrunde wird. Ist diese Bedingung
nicht erfüllbar, so fällt sie dahin, ohne die Rechtserheblich-
keit der Pflichtverletzung im Sinne des Art. 313 auszuschliessen.
Die Vorschrift der Erfüllungsaufforderung will vernünftiger-
weise nur da gelten, wo sie überhaupt möglich ist. Eine
Erfüllungsaufforderung des Art. 313 ist überall da undenkbar,
wo eine Fortsetzung des pflichtwidrigen Verhaltens nicht er-
wartet werden kann. Die Aufforderung, ein Delikt innert
gewisser Frist nicht mehr zu begehen, ist rein widersinnig,
weil eine Wiederholung der Strafthat nicht erwartet werden
kann.
(Bericht des Obergeriehts des K. Solothurn über die Rechtspflege im
Jahre 1896, S. 39 ff.)
Anmerkung der Redaktion. Die falsche Grundanschau-
ung, als ob, was allgemein verboten ist (z. B. Sachbeschädigung),
nicht auch Verstoss gegen Vertragspflichten sein könne, hat in
84
diesem Falle nur die üble Folge gehabt, dass der Richter das richtige
Resultat auf einem grossen und nicht gerade geschmackvollen Um-
wege erreichen musate. Die falsche Anschauung kann aber in an-
deren Fällen leicht zu Fehlern in der Rechtsprechung führen, z. B.
zur Anwendung des Art. 67 statt des Art. 146, oder des Art. 62
statt des Art. 115.
23. Receptum cauponum. Haftpflicht des Wirts nur für
Verschulden bei Wertsachen, die ihm nicht zur Aufbewahrung
übergeben worden. Art. 486 0. R.
Bern. Urteil des Appellations- und Kansations-Hofes vom 30. Novem-
ber 1896 i. S. Münz c. Wegainger.
Beim Brande des Hôtel Viktoria in St. Beatenberg verlor
der mit seiner Frau dort in Pension befindliche Ingenieur
Münz seine Koffer und Effekten, worunter sich auch die
Schmucksachen der Frau in hohem Wertbetrage befanden.
Der Wirt wurde aus folgenden Gründen grundsätzlich als
haftbar erklärt.
Nach Art. 486 0. R. kann der Wirt nur mit der Ein-
rede gehört werden, dass der Schaden auf höhere Gewalt
oder auf die Beschaffenheit der Sache oder auf ein Verschul-
den des Gastes als Ursache zurückzuführen sei, und zwar
C68siert auch in diesem letztern Falle die Befreiung von der
Haftpflicht, wenn dem Wirte selbst oder seinen Dienstleuten
ein Verschulden zur Last fällt. Die Berufung auf blossen
Zufall genügt nicht, da der Wirt bis zur Grenze der höhern
Gewalt, also auch für Zufall, haftet. Dagegen wäre die Be-
rufung auf eigenes Verschulden des Klägers an und für sich
und abgesehen von der Schlussbestimmung des Art. 486 wohl
geeignet gewesen, eine Befreiung des Beklagten (Wirtes) von
seiner Haftung zu bewirken. Er behauptet nämlich, und es
ist dies auch plausibel, dass, falls Kläger die Wertsachen
auf dem Hotelbureau deponiert hätte, solche gerettet worden
wären, so gut wie die von ihm wirklich deponierte Geldsumme
von Fr. 1500, und laut Art. 486 Abs. 2 rauss die Unterlas-
sung, dem Wirte Sachen von bedeutendem Werte zur Auf-
bewahrung zu übergeben, dem Gaste zum Verschulden an-
gerechnet werden. Allein der Kläger macht seinerseits gel-
tend, der Brandausbruch müsse unmittelbar auf schuldhafte,
zum Teil grob fahrlässige Handlungen oder Unterlassungen
des Beklagten und seiner Angestellten zurückgeführt werden,
und falls der Beweis hiefür als erbracht anzusehen sein sollte,
35
so würde der Beklagte auf Grund von Art. 486 i, f. sich seiner
Haftung nicht entschlagen können.
(Zeitschr. des Bern. Jur.-Ver., XXXIV. S. 426 ff.)
24. Haftpflicht aus Fabrikbetrieb. Reduktion der
Ersatzpflicht im Sinne des Art. 5 des B.-G. betr. die Haftpflicht
aus Fabrikbetrieb.
Zürich. Urteil der Appella tionskaninier des Obergerichts vom 17. Au-
gust 1897 i. S. Sieger c. Stumpp.
Die erste Instanz war auf Grundlage einer Expertise dazu
gelangt; dem verunglückten Kläger eine gewisse Quote für
vorübergehende Erwerbsverminderung und eine solche für
bleibende Einbusse der Erwerbsfähigkeit zuzusprechen. So-
dann hatte sie von der ganzen sich ergebenden Summe die
üblichen Prozente für Zufall etc. abgezogen.
Der Kläger appellierte und behauptete, die Berechnungs-
art der ersten Instanz sei unzulässig, die Quote für Zufall
u. s. w. dürfe nicht von der ganzen Summe, sondern nur von
der für bleibenden Nachteil zu bezahlenden Entschädigung
abgerechnet werden.
Die Appellationskammer pflichtete der erstinstanzlichen
fierechnungsart bei.
Gründe: Die Richtigkeit der Behauptung 'des Klägers
ergiebt sich weder aus dem Wortlaut der in Betracht kom-
menden Art. 5 litt, a und Art. 6 des B.-G. betr. die Haft-
pflicht aus Fabrikbetrieb, noch aus der ratio legis und der
Gerichtspraxis. Die erwähnten Gesetzesstellen sprechen von
der Ersatzpflicht des Betriebsunternehmers im Allgemeinen
und machen keinen Unterschied zwischen den einzelnen An-
sprüchen eines Verletzten, wie sie speziell aus Art. 6 ersicht-
lich sind.
Der Sinn des Gesetzes geht dahin, dass die Ersatzpflicht
des Arbeitgebers unter gewissen Voraussetzungen, deren eine :
der Zufall, in concreto Unbestrittenermassen vorliegt, redu-
ziert werde, in der Ersatzpflicht ist aber offenbar auch die
Entschädigung für vorübergehenden Nachteil inbegriffen. Wäre
die Behauptung des Klägers richtig, so könnte in einem Falle,
wo überhaupt eine bleibende Erwerbseinbusse nicht, wohl
aber eine teilweise, eingetreten ist, ein Abzug, trotzdem die
Bedingungen des Art. ö erfüllt sind, nicht gemacht werden,
was weder dem Wortlaut, noch dem Sinn des Gesetzes ent-
sprechen würde. Das vi>m Kläger citierte Urteil de3 Bandes-
36
geriohts (B. E. Bd XVIII S. 359) vermag die Richtigkeit seiner
Behauptung nicht zu beweisen, die daselbst aufgestellte ße-
rechnung8art entbehrt jeder Begründung, sodann sprach sich
das nämliche Gericht auch schon im gegenteiligen Sinne aus.
(B. E. Bd XVII S. 541 Erw. 3, auch abgedruckt in Revue
Bd X Nr. 8, vergi, im weitern die auf den erwähnten Ent-
scheid sich stützende kantonale Rechtsprechung Handelsr.
Entsoh. Bd XI S. 90 Ziff. 6.)
(Schweizer Blätter für h.-r. Entsch., XVI S. 289 f.)
25. Markenschutz. Dessen Voraussetzungen bei Wort-
marken. Individuai {Phantasie-) Bezeichnung. Unredliche Kon-
kurrenz. Bundesgesetz betr. den Schutz der Fabrik- und Handels-
marken vom 26. September 1890, Art. 5. — Art. 50 ff. 0. R.
Aargau. Urteil des Handelsgerichtes vom 30. März 1897.
Die klägerische Gesellschaft besitzt das vertragliche Recht
des alleinigen Verkaufes der vom artistischen Institut Orell
Füs8li mittelst des sog. Photochromverfahrens hergestellten
Bilder. Sie hat den Namen „Photochrom" als Wortmarke
eintragen lassen. Sie klagt nun gegen die Beklagten wegen
Verletzung ihres Markenrechtes und wegen unredlicher Kon-
kurrenz, weil letztere das Wort Photochrom auf Bildern,
Reklamen u. s. f. angebracht haben, und illoyaler Weise die
Worte Photochrombilder, Photochromie, Photochromverfahren
verwenden. Die Beklagten bestreiten die Schutzfähigkeit
aller dieser Bezeichnungen, die in den Fachkreisen längst
bekannt und üblich seien. — Das Handelsgericht hat das
Wort Photochrom als schutzfähige Individualbezeichnung an-
erkannt, dagegen bezüglich der übrigen Bezeichnungen die
Klage abgewiesen.
Gründe: 1. Betreffend das Wort Photochrom.
Klägerin hat dieses Wort als Fabrik- und Handelsmarke
eintragen lassen. Als Marke, bezw. als originelle Bezeich-
nung überhaupt, können nicht solche Zeichen, bezw. Worte
angesehen werden, die bloss die Sache selbst oder Eigen-
schaften der Sache umschreiben, vielmehr soll durch das
Zeichen oder Wort die Beziehung der Ware zu einer be-
stimmten Person als Produzent, Eigentümer oder Verkäufer
hervorgehoben werden, so dass dem Publikum durch das
Zeichen erkenntlich gemacht ist, dass die Ware eben von
jener Person und von keiner anderen herrührt (vgl. A. S. d.
b.-g. Entsch. XXI S. 1055, XXII S. 92 f.). Wollte nun in
37
concreto auch angenommen werden, dass das Wort Photo-
chrom seinem Begriffe nach auf Eigenschaften der farbigen
Photolithographien hindeute, so wäre das gewiss nur in ent-
ferntem Mass der Fall und würde in den Hintergrund treten
vor der Thatsache, dass der Ausdruck einer toten Sprache
entnommen ist und folglich den grösseren Kreisen des Publi-
kums — wie die Beklagten übrigens anerkennen — unver-
ständlich sein mus8. Das Wort Photochrom darf unter solchen
Umständen unbedenklich als eine individuelle Bezeichnung,
ein Phantasiename bezeichnet werden (B.-Gr. Entsch. XXII
S. 93).
Der Name Photochrom ist auch nicht Gemeingut gewor-
den, er hat selbst in Fachkreisen kaum nennenswerte An-
wendung gefunden. In der Schweiz ist das Wort bis jetzt
nur von der Klägerin, bezw. deren Rechtsvorgängern ange-
wendet worden. Nach bundesgerichtlicher Praxis (B. -G.
Entsch. XXII S. 470) ist aber für die Frage, ob ein Zeichen
oder Wort als Herkunftsbezeichnung bezw. als Individual-
name schütz fähig sei, dessen Ueblichkeit in einein bestimmten,
örtlich begrenzten Gebiete nicht ohne Bedeutung. In den
Fachkreisen scheint zudem die Auffassung grossenteils dahin
zu gehen, das Wort Photochrom sei eine neue, von Orell
Füssli erfundene und zum ersten Mal auf ihr Verfahren an-
gewendete Bezeichnung. Klägerin hat somit einen rechtlich
begründeten Anspruch darauf, in dem Alleingebrauch dieser
Phantasiebezeichnung geschützt zu werden.
Der Einwand der Beklagten, dass eventuell die illoyale
Konkurrenz nur nach Massgabe des Markenschutzgesetzes
untersagt sei, die allgemeinen Bestimmungen (Art. 50 und
55 0. R.) neben dem Spezialgesetz nicht mehr zur Geltung
kommen können, ist nicht zutreffend. Das Markenschutzge-
setz verleiht dem Markeninhaber nur gegen eine bestimmte
Art des Missbrauchs der Marke durch Dritte einen Schutz,
nämlich nur gegen Verwendung des geschützten Zeichens auf
der Ware selbst, deren Verpackung oder Einrahmung. Mani-
pulationen anderer Art, die zu einer Täuschung über die Her-
kunft der Ware führen können und eine solche bezwecken,
sich daher auch als unlauterer Wettbewerb qualifizieren, fallen
nicht unter das Markenschutzgesetz (B.-G. Entsch. XI S. 53).
Soweit nun die illoyale Konkurrenz ein Recht verletzt bezw.
bedroht, dessen Wahrung durch das Markenschutzgesetz nor-
miert wird, ist natürlich dieses Spezialgesetz massgebend und
kann nur aus diesem geklagt werden; soweit aber rechts-
widrige, über den Ursprung der Ware täuschende Handlungen
38
anderer, nicht unter jene Spezialnormen fallender Art begangen,
bezw. beabsichtigt werden, finden die allgemeinen Grund-
sätze über illoyale Konkurrenz Anwendung. In concreto
müsste folglich ein unerlaubter Gebrauch des Wortes Photo-
chrom nicht nur in der Anbringung dieses Namens auf ihren
Bildern bezw. deren Verpackung oder Einrahmung erblickt
werden, sondern auch in der Verwendung auf Prospekten,
Reklamen, Briefköpfen und dgl., denn auch dieses Gebahren
wäre geeignet, das Publikum über den Ursprung des Fabri-
kates irre zu führen.
2. Betreffend die Worte Photochrombilder und Photo-
chromverfahren.
Diese Worte sind nicht im Markenregister eingetragen,
gemessen also auf keinen Fall markenrechtlichen Schutz.
Sie erscheinen aber auch nicht mehr als eigentliche Indivi-
dualbezeichnung, sondern deuten auf gewisse Eigenschaften
der Ware bezw. des Verfahrens hin und zwar in so unver-
kennbarer Weise, dass ihnen überwiegend, descriptiver Cha-
rakter zukommt. Sie wären demnach kaum mehr geeignet,
die Beziehung der Ware zum Produzenten, Eigentümer oder
Verkäufer wirksam zum Ausdruck zu bringen, überhaupt dein
Fabrikat ein individuelles Gepräge zu verleihen, und können
mithin auch nicht als Individualnamen der Klägerin betrachtet
und rechtlich geschützt werden.
3. Betreffend das Wort Photochromie.
Weil nicht hinterlegt, ist es ebenfalls nicht des Marken-
schutzes teilhaftig. Aus der Fachliteratur sodann geht her-
vor, dass in der photographischen und lithographischen Indu-
strie die Bezeichnung Photochromie seit langer Zeit bekannt
und allgemein üblich ist. Es ist also Gemeingut der Fach-
kreise geworden und kann daher nicht mehr als individuelle
Bezeichnung in Anspruch genommen werden. Wenn Klägerin
geltend macht, dass der Name in der Bedeutung, wie er von
ihr, bezw. von Orell Füssli verwendet werde, vorher noch
nie gebraucht worden sei, weil er bei ihr zur Bezeichnung
des eigenartigen, ein Geheimnis von Orell Füssli bildenden
Verfahrens diene, so ist hiegegen zu bemerken, dass in der
Schweiz ein Verfahrensschutz nicht gewährt wird, es also für
die Natur eines Wortes als originelle Bezeichnung irrelevant
ist, welchem Verfahren das betreffende Erzeugnis entspringe.
Abgesehen hievon aber ist es unzulässig, dass ein in Fach-
kreisen längst und allgemein üblicher technischer Ausdruck
dem allgemeinen Gebrauch entzogen und für einen einzelnen
Gewerbetreibenden monopolisiert werde dadurch, dass dieser
den Ausdruck den Produkten einer ihm eigenen Fabrikations-
methode beilegt, um ihn dann als individualisiert erklären
und dessen alleinigen Gebrauch für sich beanspruchen zu
können. Somit steht der Klägerin kein Recht auf den allei-
nigen Gebrauch des Wortes Photochromie zu.
(Bericht de« Aarg. Handelsberichts für die Jahre 1895 und 1890 an
den Grossen Rat de» K. Aargau, S. 54 AD
26« Reconnaissance de dette dans le sens de l'art. 82
Loi P. et F *)
Genève. Jugement de la Cour de justice civile du 10 novembre 1897
cl. 1. c. Jeanraonod c. Chesnelong:
Chesnelong a fait commandement à Jeanmonod d'avoir
à lui payer la somme de fr, 339. 20. Comme titre ou cause
de l'obligation il indiquait: „capital et frais de retour à une
traite tirée le 24 juillet 1897, impayée le 20 septembre 1897
(somme reconnue par lettre du 21 avril 1897)." Jeanmonod
ayant formé opposition à ce commandement, Chesnelong en
a demandé la main-levée. La traite mentionnée au commande-
ment est une traite non acceptée, tirée par Chesnelong sur
Jeanmonod, et protestée à son échéance. La lettre du 21 avril
est une lettre de Jeanmonod à Chesnelong ainsi conçue: „Je
viens de vérifier la facture ... je désire la disposition des
échéances comme suit: fr. 330. 70, fin mars; fr. 333, 20 juillet;
fr. 333, 20 septembre; fr. 333, 20 novembre." Chesnelong sou-
tient que ces deux pièces réunies constituaient, de la part
de Jeanmonod, la reconnaissance de dette prévue par l'art. 82
L. P., Jeanmonod ayant, par sa lettre, accepté d'avance la
traite au 20 septembre dont le recouvrement est poursuivi.
Jeanmonod n'a pas méconnu avoir autorisé Chesnelong à tirer
la traite en paiement des marchandises, soit caisses de sar-
dines, qui lui étaient fournies, mais il a exposé qu'aux termes
des arrangements intervenus, où il ne devait prendre livraison
qu'au fur et à mesure de ses besoins, de ces caisses, il avait,
lors de la prise de livraison de quelques-unes de ces caisses,
constaté le mauvais état de la marchandise et qu'en consé-
quence il avait laissé pour compte 50 caisses. — Le tribunal
de lr* instance a estimé que la lettre du 21 avril, mention-
nant le montant de la lettre de change à tirer, et son éché-
ance, et les causes de la dette y étant clairement exprimées,
') Vgl. Revue, XV Nr. 52. X11I Nr. 99 und die Citate daselbst.
40
constituait une reconnaissance de dette permettant de de-
mander la main levée. La Cour de justice a admis l'appel
formé par Jeanmonod et réformé le jugement.
Motifs: Considérant que si la lettre invoquée par Ches-
nelong contient bien Pautorisation donnée par Jeanmonod de
tirer sur lui la traite au 20 septembre, on n'en saurait cepen-
dant déduire que Jeanmonod soit nécessairement débiteur du
montant de cette traite; qu'il ne résulte pas de ce que Jean-
monod y déclare qu'il a vérifié les factures de Chesnelong,
qu'il ait vérifié également la qualité de la marchandise et
renoncé au droit qu'il avait de laisser pour compte cette
marchandise si, lors de la livraison, celle-ci se trouvait être
de mauvaise qualité, que la nature même de la marchandise
ne permettait pas de procéder à cette vérification avant la
livraison;
Considérant qu'en en décidant autrement les premiers
juges ont faussement interprété l'art. 82 L. P., car la recon-
naissance de dette, dont il est fait mention au dit article,
doit être une reconnaissance formelle de devoir,
ce qui n'est pas le cas des titres présentés par Chesnelong.
(La Semaine judiciaire, XIX p. 752 ss.")
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
27. Art. 57 B.-Ges betr. die Organisation der Bundesrechis-
pßege vom 22. März 1893. Art. 10, 523 0. R. Anwendbarkeit
eidgenössischen Rechtes als Voraussetzung der bundesgerichtlichen
Kompetenz.
Sowohl der Verpfründungsvertrag, als die Schenkung wird
durch das kantonale Recht geregelt. Gemäss Art. 57 Org.-
Ges. ist daher die Prüfung der Frage, ob der Thatbestand
des einen oder andern Rechtsgeschäfts gegeben sei und welche
rechtlichen Folgen sich daran knüpfen, dein Bundesgerichte
entzogen. (Entsch. v. 16. Oktober 1897 i. S. Erben Steiner c.
Eberhard.)
28. Art. 67 Abs. 2 B.-Ges. betr. die Organisation der Bundes-
rechtspflege vom 22. März 1893. Förmlichkeiten der Berufungs-
erklärung. Dieselbe muss die Abänderungen des angefochtenen
Urteils, welche der Berufungskläger beantragt, ausdrücklich ,
zum Mindesten durch Vorweisung auf die vor den kantonalen
Instanzen gestellten Anträge, angeben.
Aux termes de l'art. 67, 2e alinéa, de la loi sur l'organi-
sation judiciaire fédérale, la déclaration de recours doit indi-
quer dans quelle mesure le jugement est attaqué, et men-
tionner les modifications demandées. Or, dans l'espèce, la
déclaration en question mentionne seulement que le recours
est dirigé contre le jugement „dans son ensemble" et elle
remplit ainsi la première des conditions requises par la loi;
en revanche, elle n'indique pas d'une manière expresse quelles
modifications la recourante entend faire apporter au jugement
attaqué, ce qui est nécessaire pour que le recours puisse être
admis comme recevable. Il ne suffit pas qu'on puisse conclure
avec plus ou moins de vraisemblance, du contenu de la dé-
claration de recours et de l'état de la cause, quelles sont les
modifications au jugement que la partie recourante entend
proposer, mais il faut que les conclusions du recours soient
formulées expressément, soit par leur reproduction littérale
soit, tout au moins, par voie de référence aux conclusions
4
42
p ri s es devant les instances cantonales. C'est dans ce sens
que Part. 67 al. 2 de la loi sur l'organisation judiciaire fédérale
a été interprété par le Tribunal de céans dans de nombreux
arrêts et il y a lieu de maintenir cette interprétation, dans
l'intérêt de la continuité de la jurisprudence. (Entsch. v. 21.
Januar 1898 i. S. Orcellet c. Borel-Hunziker.)
29. Art. 59 B.-Ges. betr. die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893. Art. 630, 631 Abs. 1, 656 Ziff. 6 0. R.
Streitwertsberechnung bei Anfechtung von Beschlüssen der General-
versammlung einer Aktiengesellschaft durch einzelne Aktionäre
wegen Gesetz- oder Statutenwidrigkeit. — Recht des Einzel-
aktionärs zur Anfechtung, Voraussetzungen. — Die Anlage eines
Reservefonds ist nicht obligatorisch, vielmehr können die Statuten
frei darüber bestimmen, ob und zu welchen Zwecken ein Reserve-
fonds anzulegen ist. — Ist in den Statuten als Zweck des Reserve-
fonds {ausschliesslich oder neben einer anderen Zweckbestimmung)
einfach die Deckung allfälliger Verluste angegeben, so sind darunter
im Zweifel blos bilanzmäßige, nicht aber auch sog. Geschäftsver-
luste zu verstehen.
I. Für die Bemessung des Streitwertes einer von ein-
zelnen Aktionären gegen einen Generalversammlungsbesohluss
wegen Gesetz- oder Statuten Widrigkeit erhobenen Anfechtungs-
klage muse richtiger Weise das Gesamtinteresse der Gesell-
schaft, und nicht blos das Spezialinteresse der Kläger mass-
gebend sein. Denn das Urteil wirkt, wenn es auf Ungültig-
keitserklärung lautet, wie allgemein anerkannt wird, präjudi-
ziell, d. h. es hebt in diesem Falle den angefochtenen Beschluss
in toto, gegenüber der Aktiengesellschaft und sämtlichen Ak-
tionären, auf. Bei solchen Anfechtungsklagen ist also, auch
wenn dieselben nur von einzelnen Aktionären erhoben werden,
das Gesamt interesse der Gesellschaft im Spiel: mit der Er-
hebung der Anfechtungsklage verfolgt der einzelne Aktionär
in Wirklichkeit nicht ein ihm allein zustehendes Privatrecht,
sondern wirft sich kraft der ihm vom Gesetz erteilten Indi-
vidualbefugnis zur Vertretung des Gesamtinteresses der Ge-
sellschaft und der Aktionäre auf. Es zeigt sich dies nament-
lich, wenn der anfechtende Kläger vor erster Instanz obge-
siegt hat, und die Gesellschaft gegen den Entscheid das
Rechtsmittel der Berufung ergreift. In diesem Falle vertritt
dieselbe recht eigentlich das Interesse der Aktiengesellschaft
selbst, und würde es angesichts der Wirkung, welche die An-
fechtungsklage des einzelnen Aktionärs gegen die Gesamtheit
43
der Aktionäre, die Aktiengesellschaft selbst, hat, nicht an-
gehen, nur auf das Interesse des Anfechtungsklägers zu sehen,
und nur dieses als Wert des Streitgegenstandes zu betrachten,
vielmehr muss, in Fällen vorliegender Art, notwendig das
Interesse der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung des an-
gefochtenen Beschlusses massgebend sein, da eben der Streit-
gegenstand eigentlich in der Aufhebung oder Aufrechterhal-
tung des ttesellechaftsbeschlusses, für und gegen die Gesell-
schaft, nicht bloss für und gegen den Anfechtungskläger, be-
steht,1)
2. Wie das Bundesgericht wiederholt ausgesprochen hat,
ist jeder Aktionär berechtigt, die genaue Beobachtung von
Gesetz und Statut bei der Verwaltung der Aktiengesellschaft
zu verlangen, und insbesondere solche Beschlüsse der General-
versammlung anzufechten, durch welche unter Verletzung von
Gesetz und Statut in seine Rechte am Gesellschaftsvermögen
eingegriffen wird. Eine Frist zur Anfechtung von Gesell-
schaftsbeschlüssen kennt das eidg. 0. R. nicht, und es müssen
daher dieselben so lange als anfechtbar anerkannt werden,
als die Aktionäre, welche denselben nioht beigestimmt haben,
sie nicht ausdrücklich oder stillschweigend genehmigen. Von
einer ausdrücklichen Protestation gegen den ßeschluss an der
Generalversammlung selbst ist naoh dem eidg. 0. R. die Zu-
lä88igkeit der Anfechtungsklage nicht abhängig, ebensowenig
davon, dass der Aktionär wenigstens gegen den angefochtenen
Beschluss gestimmt habe. Es genügt vielmehr, dass er dem
Beschluss nicht zugestimmt hat, sei es, dass er sich der Ab-
stimmung ganz enthalten, oder einen leeren Stimmzettel ein-
gelegt, sei es, dass er der Generalversammlung überhaupt nicht
beigewohnt hat.
3. Im eidg. 0. R. ist eine gesetzliche Pflicht zur An-
legung eines Reservefonds nicht ausgesprochen, so wenig als
in dem deutschen Reichsgesetz betr. die Kommanditgesell-
schaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 1 1. Juni
1870, welches Reichsgesetz bekanntlich für die Gestaltung
des schweizerischen Aktienrechtes vorbildlich gewesen ist,
und welches in Art. 217 die Innehaltung eines Reservekapitals
als fakultativ betrachtet. Aus den Bestimmungen des 0. R.,
welche sich auf die „statutengemässe Ausstattung des Reserve-
fonds" (Art. 631 Abs. 1) und auf die Behandlung des Reserve-
fonds bei Aufstellung der Bilanz (Art. 656 Ziff. 6) beziehen,
kann ein Mehreres nicht gefolgert werden, als dass das Ge-
*) Vgl. dagegen Revue Bd XV Nr. 29.
44
setz von der Voraussetzung ausgehe, die Aktiengesellschaften
werden regelmässig einen Reservefond anlegen. Eine gesetz-
liche Pflicht zur Anlegung eines solchen Fonds ist nicht aus-
gesprochen, dazu hätte es einer ausdrücklichen Gesetzesbe-
stimmung bedurft, wie solche auch in andern Gesetzen, die
eine solche Pflicht statuieren, enthalten ist, und zwar hätte
eine solche Gesetzesvorschrift, um überhaupt einen Sinn zu
haben, selbstverständlich mindestens den Minimalbetrag der
jährlichen Einlage vorschreiben müssen. Mnss aber davon
ausgegangen werden, dass die Anlegung eines Reservefonds
gesetzlich nicht vorgeschrieben sei, so folgt hieraus einerseits,
dass es Sache der Aktiengesellschaften ist, in ihren Statuten
zu bestimmen, nicht nur, ob sie einen Reservefond gründen
wollen oder nicht, sondern auch, zu welchem Zweck sie
einen solchen Fond gründen wollen. Die Statuten können,
wie es z. B. nach den bei den Akten befindlichen Statuten
der Centralbahn (§ 44) und der Gotthardbahn (§ 18) geschehen
ist, demnach den allgemeinen oder einen speziellen Reserve-
fond dafür anlegen, dass nioht bloss bilanzmässige, . sondern
auch sonstige Verluste, welche im Laufe des Jahres einge-
treten sind, sog. Geschäftsverluste, aus demselben gedeckt
werden sollen, und sofern und soweit dies der Fall ist, be-
lastet der Verlust nicht oder nicht ausschliesslich die Ein-
nahme des Jahres, in welchem er sich ereignet hat. Es ist
daher rechtsirrtümlich, wenn die Vorinstanz aus Art. 630 0. R.
folgert, dass die Tilgung von Verlusten aus dem Reservefond
vor Aufstellung der Gewinnrechnung schlechthin unstatthaft
sei; vielmehr kommt es auf den durch die Statuten bestimm-
ten Zweck des jeweilen in Frage stehenden Reservefonds an,
ob Verluste des Rechnungsjahres ausschliesslich aus den Ein-
nahmen desselben, oder auch durch Mittel, welche im Laufe
der Jahre allmälig angesammelt sind, zu decken seien. Wenn
also Art. 630 vorschreibt, dass Dividenden und Tantiemen nur
aus dem reinen Gewinn, welcher sich aus der Jahresbilanz
ergiebt, bezahlt werden dürfen, so ist damit nicht schlecht-
hin ausgesprochen, das« diese Gewinnanteile nur von dem-
jenigen Betrage berechnet werden dürfen, der nach Abzug
aller Abschreibungen, Ausgaben und Geschäftsverluste des
Rechnungsjahres als Einnahmeüberschuss übrig bleibt, indem
der bilanzmässige Uewinn, den Art. 630 im Auge hat, nicht
identisch mit jenem Betrage zu sein braucht, sondern von
demselben differieren kann, insofern eben zur Deckung solcher
Geschäftsverluste des Rechnungsjahres statut en mass ig ein Re-
servefond besteht, derselbe bestimmungsgemäss hiefür ver-
45
wendet wird, und, soweit dies geschieht, eine Inanspruch-
nahme der Jahreseinnahmen also nicht stattfindet.
4. Der Entscheid über die vorliegende Anfechtungsklage
hängt somit davon ab, welchen Zweck die Statuten der Be-
klagten ihrem Reservefond gegeben haben ; und da kann aller-
dings einem begründeten Zweifel nicht unterliegen, dass nach
diesen Statuten der Reservefond (neben der Ergänzung der
Dividende) nur zur Deckung bilanzmässiger Verluste, also
nur zur Ausgleichung einer Unterbilanz, in Angriff genommen
werden kann. Art. 35 der Statuten spricht sich über den
Zweck des Reservefonds dahin aus, derselbe sei bestimmt zur
Verstärkung der Garantie für die Gläubiger, zur Deckung
allfälliger Verluste und nötigenfalls zur Ergänzung der ordent-
lichen Jahresdividende von 4%. Wo nun aber, nach den kon-
kreten Statuten, als Zweck des Reservefonds, sei es allein,
sei es neben einer andern Zweckbestimmung, einfach die
Deckung allfälliger Verluste angegeben ist, muss jedenfalls
im Zweifel angenommen werden, dass darunter nur ein bilanz-
mässiger, d. h. derjenige Verlust zu verstehen sei, welcher
sich aus der Vergleichung sämtlicher Aktiven und Passiven
ergiebt und einen bilanzmässigen Gewinn ausschliesst, sodass
also aus der Fassung des Art. 35, welcher einfach von De-
ckung allfälliger Verluste, ohne zwischen Geschäfts- und bi-
lanzmässigen Verlusten zu unterscheiden, spricht, nicht ge-
folgert werden kann, dass der Reservefond zur Deckung aller
Verluste verwendet werden dürfe. Von dieser Auffassung
gehen auch regelmässig die Statuten der Aktiengesellschaften
selbst aus, indem da, wo der Reservefond auch zur Deckung
von sog. Geschäftsverlusten, welche im Laufe des Jahres ein-
treten, bestimmt ist, dies in der Regel ausdrücklich gesagt
ist. In casu wird die Annahme, dass der Reservefond nur
zur Deckung bilanzmässiger Verluste bestimmt sei, noch
dadurch verstärkt, dass derselbe nach der ausdrücklichen
Statutenbestimmung zur Verstärkung der Garantie für die
Gläubiger dienen solle. Diesem Zweck wird er aber nicht
gerecht, wenn er neben der allfällig nötigen Ergänzung der
Minimaldividende von 4% noch zur Deckung von Geschäfts-
verlusten und damit zur Erhöhung der Tantiemen benutzt wird.
Demnach hat das Bundesgericht einen Beschluss der
Generalversammlung der Beklagten, zufolge dessen zum Zweoke
der Verteilung höherer Tantiemen ein Geschäftsverlust des
Jahres 1896 aus dem Reserveibnd gedeckt werden sollte,
aufgehoben. (Entsch. v. 17. Dezember 1897 i. S. Spar- und
Leihkasse Zofingen c. Graf und Genossen.)
46
30. Art. 50, 52 0. R. Pâicht des Dienstherrn, seine Arbeiter
vor Berufsgefahren zu schützen. Begriff von „ Versorger."
1. Der Arbeitsherr ist verpflichtet, die erforderlichen,
nach den Verhältnissen zu erwartenden Anstalten zu treffen,
um seine Arbeiter gegen Berufsgefahren zu sichern (siehe
bundesger. Entsch. Amtl. Samml. Bd XVI S.559 E. 3; Bd XX
S. 487 E. 2; Bd XXII S. 1224 E. 2). Er hat hiefür die durch
die Verhältnisse gebotene Sorgfalt aufzuwenden, und gegen-
über dieser gesetzlichen Anforderung geht es nicht an, sich
auf eine abweichende örtliche Uebung zu berufen.
2. Versorger einer Person oder Familie im Sinne des
Art. 52 0. R. ist nicht nur derjenige, welcher derselben den
gesamten Unterhalt gewährt, Bondern auch derjenige, welcher
zu ihrer angemessenen Subsistenz bloss beiträgt, und zwar ist
gleichgültig, ob der Unterhalt oder Unterhaltsbeitrag zufolge
rechtlicher Verpflichtung oder ohne solche gewährt wird.
(Entsch. v. 5. November 1897 i.S. Scherer c. Bühlmann.)
31. Art. 77, 296, 338, 524 0. R. Rechtliche Natur eines sog.
Annoncenpachtvertrages. Der Herausgeber einer Zeitung kann
(ohne Einwilligung des Gegenkontrahenten) seine Pflichten aus
einem solchen Vertrage (speziell die Herausgabe der Zeitung) nicht
durch einen Dritten (einen neuen Erwerber der Zeitung) erfüllen
lassen.
Das Merkmal des Pachtvertrages besteht in der Verpflich-
tung des einen Teils, dem andern eine unbewegliche Sache
oder ein nutzbares Recht zum Bezug der Früchte oder Er-
trägnisse gegen eine Vergütung zu überlassen, welche in Geld
oder einer Quote der Früchte oder Erträgnisse bestehen kann
(vgl. Art. 296 0. R.). Durch den mit der Firma 0. F. & Cie
abgeschlossenen Vertrag nun übertrug der Beklagte dieser
Firma die alleinige Entgegennahme und ausschliessliche Be-
sorgung aller Inserate und Reklamen des Intelligenzblattes,
wobei jedoch die Besorgung des Druckes ihm verblieb. Be-
züglich der Insertionseinnahmen, deren Inkasso Sache der
Annoncenfirma war, wurde vereinbart, dass diese letztere dem
Beklagten jeweilen anfangs eines Semesters zum voraus à conto
die Summe von 10,000 Franken, und ferner am Ende eines
Monats 1000 Franken ausbezahle. Als Vergütung für die Be-
sorgung der Annoncen sollte sie die ersten 6000 Franken,
welche über 20,000 Franken vereinnahmt werden, sowie einen
Viertel von dem Ueberschuss über eine Einnahme von 26,000
Franken hinaus erhalten. In Art. 5 ist noch bestimmt, der
47
Beklagte verpflichte sieb, für rechtzeitiges und pünktliches
Erscheinen der Inserate und Reklamen, sowie des Intelligenz-
blattes selbst, zu sorgen. Aus diesem Yertragsinhalt erhellt,
dass es sich keineswegs um Leistungen und Gegenleistungen,
welche dem Pachtvertrag eigen sind, handelte. Der Vertrag
ging nicht etwa dahin, dass der Beklagte der Firma O.F. & Cie
einen Teil seines Blattes zur selbständigen Ausnutzung zu
Annoncenzwecken überlassen, und ihm dieselbe dafür eine Ver-
gütung, bestehend in einer bestimmten Geldsumme, oder einer
Quote ihrer Erträgnisse, zu entrichten gehabt hätte. Der Be-
klagte wollte die Erträgnisse aus dem Inseratenteil seines
Blattes keineswegs der genannten Firma überlassen; die Aus-
beutung dieses Teils deB Blattes sollte nicht auf ihre Rech-
nung, sondern auf Rechnung des Beklagten gehen, wie auch
der Beklagte ohne besondere Gegenleistung den Druck der
Inserate zu besorgen hatte. Gegenstand des Vertrages war
also nicht sowohl die Ueberlassung eines Rechts des Beklagten
an die Firma zur Ausbeutung durch diese letztere, sondern
vielmehr in erster Linie die Uebernahme einer Arbeitsleistung
seitens der Firma, nämlich die Entgegennahme der Inserate
und deren Besorgung für den Druck, die Propaganda für den
betreffenden Teil des Blattes u. s. w. gegen einen bestimmten
Anteil am Gewinn. Das Vertragsverhältnis weist hienach nicht
sowohl die Merkmale eines Pachtvertrages, als vielmehr solche
des Gesellschafts- und des Dienstvertrages auf, ohne jedoch
unter eine bestimmte Kategorie der benannten, vom eidg.
Obligationenrecht besonders behandelten, Verträge zu fallen.
Bei der Frage, ob sich die Firma 0. F. & Cie die Uebertragung
des Blattes auf den Kläger gefallen lassen müsste, kommen
daher die allgemeinen Grundsätze des Obligationenrechts über
die Wirkungen der Obligationen zur Anwendung, und hängt
demnach die Befugnis des Beklagten, die weitere Erfüllung
seiner vertraglichen Leistungen gegenüber 0. F. & Cie von sich
aus dem Kläger zu übertragen, gemäss Art. 77 0. R. davon
ab, ob es bei der Erfüllung auf seine Persönlichkeit ankomme
oder nicht. Zu den Verpflichtungen, welche der Beklagte der
Firma 0. F. & Cie gegenüber durch den genannten Vertrag
einging, gehörte nun vor allem die Herausgabe des Blattes
selbst, und hier hatte die Firma jedenfalls ein erhebliches In-
teresse an der persönlichen Erfüllung durch den Beklagten.
Die Prosperität und Verbreitung eines Blattes hängt bekannter-
massen ganz wesentlich von den persönlichen Eigenschaften
des Verlegers, dessen Fähigkeit und Geschäftskenntnis ab,
und es ist klar, dass mit der Beliebtheit und der Verbreitung
48
des Blattes auch dessen Eignung als Publikationsorgan in
engem Zusammenhang steht; je grösser die Auflage des Blattes
ist, um so wirksamer wird sich seine Benutzung für Inserate
erweisen, und es kann daher einem Annoncenexpeditions-
geschäft, welches an dem Ertrag der Inserate anteilsberechtigt
ist, nicht gleichgiltig sein, von wem das Blatt herausgegeben
werde, ganz abgesehen davon, dass ein solches Geschärt, wenn
es mit einem Blatte in dauernde Verbindung tritt, vor allem
auch den allgemeinen Charakter desselben in Betracht zieht,
welcher ebenfalls je nach der Person des Herausgebers ändern
kann. Kam es demnach bei Erfüllung des in Rede stehenden
Vertrages mit 0. P. & Cie auf die Persönlichkeit des Beklagten
an, so konnte sich diese Firma, sobald der Beklagte den Verlag
des Blattes veräusserte, darauf berufen, dass der Vertrag nicht
mehr erfüllt werde, und auch ihrerseits von demselben zurück-
treten. Um dem Kläger seine Rechte aus dem Vertrag mit
0. F. & Cie zu wahren, bedurfte der Beklagte daher der Ein-
willigung dieser Firma. (Entsch. vom 10. Dezember 1897 i. S.
Ebersold c. Müller.)
32. Art. 231, Abs. 1 0. fi. Kaufpreitforderungen aus Liegen-
schaftskauf unterstehen hinsichtlich der Erlöschungsgründe, speziell der
Verjährung, dem eidgenössischen und nicht dem kantonalen Rechte.
Es ist kaum zu bezweifeln, dass Kaufpreisforderungen aus
Liegenschaftskäufen den Vorschriften des eidg. 0. R. über Ver-
jährung unterstehen. Freilich bestimmt Art. 231, Abs. 1 O. R.,
dass für Kaufverträge über Liegenschaften das kantonale Recht
gelte. Allein daraus folgt wohl, dass (wie zweifellos und in
der bundesgeriohtlichen Praxis konstant anerkannt ist) Vor-
aussetzungen und Wirkungen eines Liegenschaftskaufes in jeder
Hinsicht dem kantonalen Rechte unterworfen sind, nicht aber,
dass auch die nach dem massgebenden kantonalen Rechte giltig
begründeten Obligationen aus Liegen schaftskauf hinsichtlich
der für sie geltenden Erlöschungsgründe der Herrschaft des
eidg. 0. R. entzogen seien. In letzterer Beziehung ist viel-
mehr das kantonale Recht im eidg. 0. R. nirgends vorbehalten
und gilt daher nicht kantonales, sondern eidgenössisches Recht.
(Entsch. vom 24. Dezember 1897 i. S. Hauser c. Hauser.)
33. Art. 84, 233 0. R. Erfüllungsort und Ablieferungsort.
Uvbensenfiunyspflichl des Verkäufers beim Distanzgeschäft
Der Erfüllungsort ist (beim Distanzkaufei keineswegs ohne
weiteres zugleich Ablieferungsort. Eine gesetzliche Ueber-
49
Sendungspflicht des Verkäufers an einen andern als den Erfül-
lungsort besteht zwar nicht, dagegen ist dieselbe bei Distanz-
geschäften allgemein durch Uebung begründet (s. Hafner, Kom-
mentar zum Obligationenrecht, Anm. 3 zu Art. 233), und es
wird auch im Zweifel anzunehmen sein, dass die Versendung
an den Ort der Handelsniederlassung des Käufers zu geschehen
habe (s. Staub, Kommentar z. deutsch. H. G.B., § 9 zu Art. 344).
(Entsch. v. 24. Dezember 1897 i.S. Lehmann c. Schulze & Cie.)
34. Ait. 246, 247, 248 0. R. Frist zur Mängelrüge bei einem
in Ratenlieferungen zu erfüllenden Kaufe. Kriterium der bei
übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbaren Mängel. Wann
Hegt absichtliche Täuschung des Käufers durch den Verkäufer vor?
1. Nach Art. 246 0. R. hat der Käufer die Beschaffenheit
der empfangenen Ware zu prüfen, sobald das nach dem üb-
lichen Geschäftsgang thunlich ist, und dein Verkäufer vom
Vorhandensein allfälliger Gewährsmängel sofort Anzeige zu
machen, beim Distanzkauf überdies nach Art. 248 eodem
u. a. den Thatbestand unverzüglich feststellen zu lassen. Diese
Pflichten liegen dem Käufer beim Kauf in Raten nach kon-
stanter Praxis des Bundesgerichts bezüglich jeder einzelnen
Lieferung ob.
2. Unter nicht erkennbaren Mängeln versteht das Gesetz ver-
borgene Fehler, d. h. solche^Fehler, welche sich durch keinerlei
äussere Zeichen darthun, und die in keiner Weise entdeckt
werden können, oder deren Entdeckung Analysen, Speziai-
Studien, oder eine bedeutend eingehendere und langwierigere
Untersuchung verlangt, als eine solche, die von einem erfah-
renen und sorgfältigen Geschäftsmanne gefordert werden darf.
3. Die Thatsache der Lieferung mangelhafter Ware im
Bewusstsein der Mängel reicht zur Annahme eines dolus des
Verkäufers nicht aus, da sie das Recht und die Pflicht des
Käufers, die Ware zu prüfen, noch nicht illusorisch macht;
zu jener Lieferung und jenem Bewusstsein müssen vielmehr
noch Handlungen des Verkäufers kommen, wie Ueberredungen
des Käufers, Verbergungen der Mängel u. s. w.
In Anwendung dieser Grundsätze hat das Bundesgericht
die erst in der zweiten Hälfte Novembers 1895, nach Empfang
einer dritten Ratenlieferung erfolgte Mängelrüge, hinsichtlich
zweier am 29. Oktober und 7. November gelieferter (vom
Käufer bereits verwendeter) Partien Holzklötze, welche teil-
weise stock- oder rotfaul waren, und zwar in der Art, dass
die Fäulnis auch die äussern Teile des Holzes ergriffen hatte,
w
für verspätet erklärt. Es führte aus, von einem verborgenen
Mangel könnte nur dann die Rede sein, wenn es sich um
einen im Innern des Holzes befindlichen Fehler, der nur
beim Zerschneiden desselben, oder um einen Fehler, der nur
auf dem Wege der chemischen Analyse hätte entdeckt werden
können, gehandelt hätte. (Entsch. vom 12. Nov. 1897 i. S.
Schindler c. Durrer.)
35. Art. 276 0. H. Haftung des Vermieters eines als Material-
ablagerungsplatz vermieteten Grundstücks für dessen Tauglichkeit
zu diesem Gebrauche.
Die Beklagten, die Eisenbahnbauunternehmer C. & Cie,
hatten vom Kläger B., resp. dessen Rechtsvorgänger, eine
bei St. Adrian, an der (damals im Bau begriffenen) Bahnlinie
der Gotthardbahn Goldau-Zug gelegene, Landparzelle gemietet,
um dieselbe als Materialablagerungsplatz zu benutzen. Nicht
lange nachdem mit der Benutzung begonnen und bevor die
gernietete Parzelle ganz in Anspruch genommen worden war,
geriet das überschüttete Terrain in Rutschung, wahrscheinlich
weil der Druck des Ablagerungsraaterials eine Stauung de»
unterirdisch abfliessenden Wassers bewirkte, wodurch die über
der undurchlässigen Schicht liegende Erde aufgeweicht wurde
und ins Gleiten geriet. Durch diese Rutschung wurde an die
vermietete Parzelle anstossendes Land des Klägers beschädigt*
Dieser belangte die Beklagten afaf Ersatz dieses Schadens.
Das Bundesgericht hat die Klage abgewiesen, indem es im
Wesentlichen ausführte :
Ein vertragswidriges Verhalten kann den Beklagten nicht
zur Last gelegt werden. Ein solches soll nach Ansicht des
Klägers, welcher die Vorinstanz beigetreten ist, in einer Ueber-
lastung des klägerischen Terrains liegen. Dazu ist zu be-
merken: Ueber das Quantum von Ablagerungsmaterial, das
die Beklagten auf dem ihnen angewiesenen Platze deponieren
durften, enthielt der Vertrag keine besonderen Vorschriften.
Die Beklagten durften sich demnach als berechtigt betrachten,
soviel Material auf der genannten Parzelle abzulagern, als
innerhalb der Schranken eines sachgemässen Gebrauchs zu-
lässig war, und zwar durften sie hiebei von der Voraussetzung
ausgehen, dass das Mietobjekt zu dem bestimmungsgemässen
Gebrauch als Ablagerungsplatz vollkommen tauglich sei; denn
durch die Vermietung als Ablagerungsplatz hatte der Kläger
ihnen gegenüber gemäss Art. 276 0. R. die Verantwortlichkeit
für einen zu diesem Zweck geeigneten Zustand des Mietobjekts
übernommen. Wenn daher die Rutschungen bei einer Bela-
51
stung eintraten, welche den bestimmungsgemässen Gebrauch
des Ablagerungsplatzes nicht überschritt, so muss die Schuld
hieran nicht sowohl einer vertragswidrigen Benutzung des
Mietobjektes, sondern einer zum vertragsmäßigen Gebrauch
ungeeigneten Beschaffenheit dieses letztern beigemessen werden,
und trifft demnach der Schaden den Vermieter und nicht den
Mieter. Nun ist in keiner Weise dargethan, dass die Beklagten
die ihnen angewiesene Parzelle übermässig, d. h. in einem sol-
chen Masse belastet haben, dass von vertragswidrigem Ge-
brauch des Mietobjekts gesprochen werden könnte; die ihnen
zugewiesene Parzelle ist vielmehr nicht einmal im vollen Um-
fange zur Ablagerung benutzt worden; laut den Zeugenaus-
sagen sind denn auch die Rutschungen schon beim Beginn
der Ablagerungen eingetreten, und es steht ferner nach diesen
Aussagen fest, dass die Beklagten mit den Ablagerungen nicht
weiter fortgefahren haben, als der Boden ins Rutschen geriet.
Wenn der Kläger geltend macht, die Beklagten hätten als
Bauunternehmer erkennen sollen, dass das fragliche Terrain
als Ablagerungsplatz nicht geeignet sei, so ist hierauf zu er-
widern, dass gemäss Art. 276 0. R. der Kläger selbst, als
Vermieter, für die Eignung des Mietobjektes zum vertrags-
mässigen Gebrauch einzustehen hatte, und die Beklagten sich
demnach ihm gegenüber jedenfalls keine Vertragsverletzung
zu Schulden kommen Hessen, wenn sie diese Eignung einfach
als vorhanden voraussetzten. (Entsch. vom 28. Januar 1898
i. S. Catella & Cie e. Bava.)
36. Art. 64, 349 0. R.
1. Das Rechtsverhältnis zwischen öffentlichen Beamten
(insbesondere Lehrern öffentlicher Schulen) und dem Staate
oder der Gemeinde beruht nicht auf einem privatrechtlichen
Dienstvertrage, sondern gehört dem öffentlichen Rechte an.
Wenn das Beamtenverhältnis allerdings insofern eine privat-
rechtliche Seite hat, als dem Beamten ein im Civilprozesswege
verfolgbarer Anspruch auf Besoldung zusteht, so beruht doch
diese privatrechtliche Wirkung nicht auf einem Rechtsgeschäfte
des Civilrecht8, sondern ist ein Ausfluss des öffentlichen Rechtes.
Die Ansprüche, welche einem kantonalen oder Gemeindebe-
amten aus seiner Anstellung zustehen, werden daher nicht von
den Bestimmungen des eidgenössischen 0. R. über den Dienst-
vertrag beherrscht, sondern unterstehen ausschliesslich dem
kantonalen öffentlichen Rechte.
2. Das eidgenössische 0. R. statuiert eine ausserkontrakt-
liehe Haftung des Staates für die civilrechtlichen Folgen von
Handlungen, welche Staatsbeamte in öffentlich-rechtlicher
Stellung vorgenommen haben, nicht. (Entsch. vom 3. Dezem-
ber 1897 i. S. Schmid c. Kanton Aargau.)
37. Art. 348, 392, 398 0. fi. Grundsätze für Feststellung
des Advokatenhonorars, wenn dasselbe weder durch Tarif noch
durch Vertrag geregelt ist.
1. In Ermangelung eines Tarifes oder Vertrages ist das
Honorar eines Advokaten in billiger Weise gemäss den Grund-
sätzen des 0. R. (Art. 392 in Verbindung mit Art. 348) fest-
zusetzen.
2. Der Advokat hat dem Klienten gemäss Art. 398 0. IL
Rechnung zu stellen, insbesondere die Arbeiten, für welche
er eine Honorarforderung stellt, in der Weise klarzustellen
und nachzuweisen, dass eine Beurteilung der Natur und Be-
deutung derselben möglich ist. Eine Rechnung, welche ein-
fach lautet: „zahlreiche Konsultationen, Konferenzen, Sohritte
bei Bankhäusern u. s. f. 5000 Fr.," genügt nicht, um im Be-
streitungsfalle die gestellte Honorarforderung zu rechtfertigen.
3. Wenn es auch als billig erscheint, die Dienste der
Advokaten in wichtigeren Sachen in ausgiebiger Weise zu
honorieren, so rechtfertigt doch die Wichtigkeit einer Sache
nicht, ein Honorar zu gewähren, das mit der wirklich geleisteten
Arbeit in keinem Verhältnisse steht.
Der Advokat hat in Ermangelung eines besondern dahin
zielenden Vertrages keinen Anspruch auf einen Anteil an dem
durch seine Mitwirkung erzielten Gewinn, sondern nur auf
Vergütung seiner Arbeitsleistung. Günstige Vermögensver-
hältnisse des Klienten berechtigen den Advokaten nicht zu
aussergewöhnlichen übertriebenen Forderungen. (Entsch. vom
30. Dez. 1897 i. S. Wahli c. Zurlinden und vom 22. Jan. 1898
i. S. Binet c. Moriaud.)
38. Art. 426, 716 0. fi. Wenn ein Verein zu idealen Zwecken
nebenbei ein Gewerbe nach kaufmännischer Art betreibt, z. B. in
ausgedehntem Mass sich mit Verlagsgeschäften abgiebt, so ist er
hinsichtlich dieses Geschäftsbetriebes wie ein Gewerbetreibender zu
behandeln; es gelten daher hinsichtlich der Vollmacht der mit der
Führung des betreffenden Geschäftsbetriebes betrauten Personen die
Vorschriften des 0. R. über die Handlungsvollmacht.
(Entsch. vom 20. November 1897 i. S. Mittelschweizerische
geographisch-kommerzielle Gesellschaft c. Binkert.)
;->3
39, Art. 867 ff., 50 0. R. Firmenrecht und üloyale Konkurrenz.
Kann die Führung einer nicht gegen die speziellen Regeln des
Firmenrechts verstossenden Firma deshalb verbot™ werden, weil
dieselbe zum Zwecke illoyaler Konkurrenz gebildet worden isti
Verbot der Aufnahme eines Vornamens in die Firma.
In der, Revue Band XV Nr. 107 dargestellten, Sache
Naphtali Levy c. G. Naphtaly hat das Bundesgericht das Urteil
des Handelsgerichts des Kantons Zürich in der Hauptsache
bestätigt, indem es der Begründung dieses Urteils in grund-
sätzlicher Beziehung noch beifügte:
Es besteht eine Bestimmung des Firmenrechts, welche
die Berücksichtigung des Momentes, dass eine Firma zum
Zwecke unerlaubter Konkurrenz gewählt worden ist, verbieten
würde, nirgends; namentlich kann ein solcher Schhiss nicht
aus Art. 868 0. R. gezogen werden, welcher gegenteils die
deutliche Unterscheidung zweier Firmen — und zwar selbst-
verständlich für den Verkehr — verlangt. Umgekehrt würde
eine gegenteilige Entscheidung zu sehr bedenklichen Konse-
quenzen führen. Art. 867 ff. O.K. beziehen sich, wie aus der
Stellung und dem Inhalte derselben hervorgeht, nur auf die
im Handelsregister eingetragenen Firmen; da nun zwar jeder,
der sich durch Verträge verpflichten kann, zur Eintragung
berechtigt, aber nur gewisse Kategorien von Personen ein-
tragungspflichtig sind, entstehen zweierlei Arten von Firmen:
eingetragene und nicht eingetragene. Wie nun das Bundes-
gericht, gestützt auf Art. 50 0. R., ganz allgemein eine Klage
auf Schadenersatz und Unterlassung wegen illoyaler Konkur-
renz gegen alle täuschenden Manöver, durch welche ein Ge-
werbetreibender seinem Konkurrenten die Kunden zu ent-
ziehen, sich dessen Absatzgebietes zu bemächtigen sucht,
zugelassen hat, soweit solche Vorkehren nicht schon durch
Spezialgesetze verboten sind, z. B. gegen den Gebrauch täu-
schender Geschäftsbezeichnungen, nicht als Marken eingetra-
gener Etiquetten, gegen unlautere täuschende Reklame, — so
müssen konsequenterweise auch die Namen sowie die Firmen
nicht eintragungspflichtiger Geschäftsleute nach Massgabe der
durch die Praxis aufgestellten Grundsätze über concurrence
déloyale geschützt werden (vgl. den Entsch. des Bundesgerichts
i.S. Stahl c. Weiss-Boller, Amtl. Samml. Bd XVII, S. 7 10 ff.).
Die Rechtsordnung würde nun aber gewiss mit sich selbst in
Widerspruch geraten, wenn sie den Namen und den nicht
eingetragenen bezw. nicht eintragungspflichtigen Firmen einen
weitern Schutz gewähren wollte, als den eingetragenen. In
der That ist denn auch keine Rede davon, dass etwa die
54
Art. 867 ff. 0. R., insbesondere Art. 868 und 876, den einge-
tragenen Firmen einen geringeren Schutz angedeihen lassen
wollen, als den nicht eingetragenen, bezw. einen geringeren
als denjenigen Schutz, der ihnen nach allgemeinen Rechts«
gruTidaätzen, insbesondere denjenigen über concurrence délo-
yale, zukommen würde, sondern die Tendenz jener Bestim-
mungen geht gegenteils dabin, die eingetragenen Firmen mit
einem besonderen Schutz zu umgeben. Es ist gewiss nicht
einzusehen, warum das Postulat des Grundsatzes von Treu
und Glauben im Verkehr, dass Verwechslungen zwischen zwei
Gewerbegenossen vermieden werden sollen, auf die Inhaber
eingetragener Firmen keine oder nur eine beschränkte An-
wendung finden sollte.... Der Kläger und Widerbeklagte hat
eingewendet, dass eine Untersagung der Führung des Vor-
namens niemals stattfinden dürfe, indem er ein natürliches
und gesetzliches, ganz unbeschränktes Recht auch am Vor-
namen habe und denselben daher auch in der Firma benutzen
dürfe. Allein seine Auffassung ist unhaltbar. Allerdings bildet
der Familienname sowohl für sich wie in seiner Vervollstän-
digung durch Vornamen den Gegenstand eines Privatrechts,
das sich als ein besonderes Persönlichkeitsrecht von dem all-
gemeinen Rechte der Persönlichkeit abhebt (Gierke, deutsches
Privatrecht, Bd I, S. 720), und es wäre daher schon aus diesem
Grunde, wie auch deshalb, weil Art. 868 0. R. und das dem
Obligationenrecht zu Grunde liegende Prinzip der Firmen-
wahrheit die Aufnahme des Familiennamens in die Firma ver-
langen, eine Untersagung der Führung des letztern in der
Firma unstatthaft. Anders verhält es sich jedoch mit dem
Vornamen: dieser ist im Firmenrecht nur als ein Zusatz zum
Familiennamen anzusehen, und wenn er nun, entgegen dem
Zwecke des Institutes der Namengebung, anstatt zur Unter-
scheidung der einen Persönlichkeit von der andern zur Ver-
wechslung zweier Gewerbegenossen benutzt wird, ist die Un-
tersagung der Führung des Vornamens zulässig, als das einzig
wirksame Mittel zur Unterdrückung der auf diese Weise ge-
übten illoyalen Konkurrenz (vgl. Pouillet, Traité des marques
de fabrique et de la concurrence déloyale, Nr. 503; Köhler,
Markenrecht, S. 132 f. ; Schuler, die concurrence déloyale, S. 105,
Note 24; Valloton, la concurrence déloyale, §50, p. 69; Fuld,
Komment, zum Reichsges. betr. Bekämpfung des unlautern
Wettbewerbs, S. 141). (Entsch. vom 6. Nov. 1897 i. S. Naphtali
Levy c. G. Naphtaly.)
55
40. Art. SO ff.} 867 ff. 0. R. Firmenrecht und illoyale Konkur-
renz. Geschäftsbezeichnungen sind nur dann rechtlich geschützt,
wenn sie individueller, origineller Natur sind, nicht auch dann,
wenn sie lediglich die Art des Geschäftes in sprachüblicher Weise
bezeichnen.
Die Kläger, Gebr. S. (eine Kollektivgesellschaft), führen
als Uebernehmer des ältesten Basler Platzdroschkengeschäfts,
welches ursprünglich einer Aktiengesellschaft mit der Firma
„Basler Droschkenanstalt" gehört hatte, die (eingetragene)
Firma „Basler Droschkenanstalt Gebrüder S.u Die Be-
klagten, ebenfalls eine, das Droschkengeschäfc in Basel be-
treibende Kollektivgesellschaft, änderten im Jahre 189T (an-
scheinend um unter dem Stichworte „Bröschkenanstalt" in
das Telephonverzeichnis aufgenommen zu werden) ihre bis-
herige Firma „Gebrüder K." in „Allgemeine Droschken-
anstalt Gebrüder K." um. Die Kläger verlangten nun, es
sei den Beklagten die Bezeichnung „Allgemeine Droschken-
anstalt" gerichtlich zu untersagen und das Handelsregister
anzuweisen, dieses Wort aus dem Firmeneintrag der Beklagten
zu streichen. Die Klage wurde vom Civilgerichte des Kantons
Baselstadt gutgeheissen, vom Appellationsgerichte und vom
Bundesgerichte dagegen abgewiesen. Aus den Gründen des
bundesgerichtlichen Urteils heben wir hervor: Dass Art. 50 ff.
O. R. auch neben den Vorschriften der Art. 865 ff. über Firmen-
recht Anwendung finden, dass also die Frage zu prüfen ist,
ob nicht durch eine, nach den letztgenannten Bestimmungen
zulässige Firma ein unlauterer Wettbewerb verübt wird, ist
vom Bundesgeriohte, in Abweichung von seinem Urteile i. S.
Läpp & Cie c. Anglo-Swiss Condensed Milk Co., in dem Ent-
scheide Naphtali Levy c. G. Naphtaly, vom 6. November 1897,
ausgeführt worden. Nach den Grundsätzen über concurrence
déloyale nun gehört zum Begriffsmerkmal dieser Handlung
eine Widerrechtlichkeit, ein Eingriff in ein Individualrecht
des Klägers, wodurch dieser sich seine Stellung und Geltung
als Gewerbetreibender errungen hat. Ein solches Recht be-
anspruchen denn auch in casu die Kläger an dem Worte
„Droschkenanstalt," und die vor allem für den Ausgang des
Prozesses za entscheidende Frage ist somit die, ob ihnen ein
solches Recht zustehe. Diese Frage ist, in analoger Anwen-
dung der Grundsätze über Markenschutz, davon abhängig, ob
jene Bezeichnung als eine solche individualisierender, charak-
teristischer, origineller Natur, oder aber lediglich als Bezeich-
nung der Art des Geschäftes anzusehen ist; und dies wird
sich bei einer immerhin nicht allgemein gebräuchlichen und
56
überall bekannten Bezeichnung nicht nach dem abstrakten
Sprachgefühl, sondern nach den örtlichen Verhältnissen und
Gewohnheiten beurteilen. Es wird sodann ausgeführt, es er-
scheine als festgestellt, dass in Baselstadt „Droschkenanstalt*
eine für Droschkengesohäfte allgemein übliche Bezeichnung
sei, und im weitern bemerkt: Dem steht der Umstand nicht
entgegen, dass vielleicht gerade die Kläger dadurch, dass sie
zuerst jenen Ausdruck gebrauchten, zu dessen Generalisierung
beigetragen haben; sie haben dann eben eine Bezeichnung
gewählt, welche im Publikum als Bezeichnung nicht ihres
Geschäftes allein angesehen werden konnte. Dazu kommt die
allgemein gebräuchliche Verwendung des Wortes „Anstalt"
in Verbindung mit andern Worten zur Bezeichnung des Ge-
schäftsbetriebes. Und schliesslich ist, in Anlehnung an die
Grundsätze des Markenrechts, zu sagen, dass Bezeichnungen,
die an sich, ihrer Natur nach, als Geschäfts- oder Sachbezeich-
nungen leicht angesehen werden können, nicht leichthin zum
Monopolgut eines Gewerbetreibenden erklärt werden dürfen;
an solchen an sich generellen Bezeichnungen kann nur unter
ganz besonderen Umständen ein Individualrecht erworben
werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts i. S. Christen-Kessel-
bach c. Danioth, Amtl. Samml., Bd XVII, S. 518, und Weiss,
concurrence déloyale, S. 41 f.). (Entsch. vom 11. Dez. 1897
i. 8. Basler Droschkenanstalt Gebr. Settelen c. Allgemeine
Droschkenanstalt Gebr. Keller.)
II. Art. 204, 243 /f., 246, 890 0. R. Insoweit das kantonale
Recht keine besondern Bestimmungen über die Gewährleistung beim
Viehhandel enthält, gelten dafür die Grundsätze des 0. R. —
Rechtzeitigkeit der Untersuchung und Mängelrüge? — Beweislast
für das Vorhandensein d<r Mängel bei der Wandelungsklage,
wenn der Käufer die Kaufsache als vertragsmässigen Leistungs-
gegenständ in Empfang genommen hat.
Am 23. Juni 1895 verkaufte der Beklagte J. R., in Sch.( Bern),
dem Kläger J. Z., Wirt in F. (Aargau), einen Zuchtstier um den
Preis von Fr. 1 600. — nebst einem Trinkgeld von 5 Fr. Der Ver-
käufer garantierte dem Käufer schriftlich u. a. „für gute Zucht-
fähigkeit des verkauften Stieres." Feiner ist in Art. III des
Vertrages festgesetzt, dass der Verkäufer dem Käufer für den
Stier bei dessen Uebergabe ein gutes Abstammungszeugnis
verabreichen müsse. Die Uebergabe des Stieres an den Käufer
fand am 15. Juli gleichen Jahres statt, unter gleichzeitiger
Bezahlung des Kaufpreises nebst Trinkgeld. Mit Brief vom
57
14. August 1895 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er
habe den Stier am 9. August zu einer Kuh zugelassen; dabei
habe sich aber herausgestellt, dass eine Züchtung nicht mög-
lich gewesen sei, weil der Stier die Rute nicht genügend habe
ausschachten können; er bat zugleich um Rücknahme des
Stieres gegen Uebergabe eines andern, zuchtfähigen. Da der
Beklagte hierauf nicht eingehen wollte, und auch spätere am
1. September und 6. Oktober 1895 vorgenommene Züchtungs-
versuche erfolglos blieben, so erhob der Kläger die Wande-
lungsklage. Der Beklagte stellte der Klage u. a. die Einrede
der Verspätung der Mängelrüge entgegen und machte im
weitern geltend, er hafte nur dafür, dass der Stier die zuge-
sicherte Eigenschaft im Momente der Uebergabe besessen
habe, und das sei der Fall gewesen. Der App.- und Kass.-Hof
des Kantons Bern hat nach durchgeführtem Beweisverfahren
die Klage abgewiesen, indem er annahm, der Kläger habe
die Untersuchung und Mängelrüge verspätet vorgenommen
und habe den ihm obliegenden Beweis, dass der Stier im
massgebenden Zeitpunkte der Uebergabe die zugesicherte
Eigenschaft der Zuchtfähigkeit nicht besessen habe, nicht er-
bracht. Das Bundesgericht hat sich zur Beurteilung der Be-
rufung des Klägers kompetent erklärt, in der Sache selbst
dagegen das kantonale Urteil bestätigt, indem es immerhin
die Einrede der Verspätung der Mängelrüge, im Gegensatz zu
der kantonalen Instanz, als unbegründet verwarf. Aus den
Gründen der bundesgerichtlichen Entscheidung ist hervor-
zuheben: Das Bundesgericht hat den Art. 890 0. R. in kon-
stanter Praxis (A. S. XXII S. 867 Erw. 4; XXIII S. 178
Erw. 3, 813 ff. Erw. 2) dahin ausgelegt, das kantonale Recht
komme in der Materie des Viehhandels nur zur Anwendung,
soweit es Spezialbestimmungen hierüber — sei es bezüglich
Gewährleistung gesetzlicher Mängel, sei es betreffend Ge-
währleistung für vertraglich zugesicherte Eigenschaften —
enthalte. Eine solche Spezialbestiramung weist das — hier
unzweifelhaft als örtliches Recht in erster Linie zur An-
wendung kommende — bernische Recht lediglich auf in § 2
des Gesetzes vom 30. Oktober 1881, wonach beim Handel
mit Tieren aus dem Pferde- oder Rindviehgeschlecht Voraus-
setzung der Haftung für Mängel der Kaufsache ein schrift-
liches Garantie versprechen ist. Diese Spezialbestimmung steht
hier nicht in Frage, und daher müssen die Bestimmungen
dea 0. R. zur Anwendung kommen, und zwar als Bestandteile
des eidgenössischen, nicht des kantonalen Rechts, da eine
gegenteilige Auslegung des Art. 890 0. R. (welche übrigens
58
von der Vorinstanz in casu keineswegs vorgenommen worden
ist) der dieser Vorschrift vom Bundesgeriohte gegebenen Inter*
pretation widersprechen würde. Nach Art. 246 0. B. hat der
Käufer die Beschaffenheit der empfangenen Ware zu prüfen,
„sobald dieses nach dem üblichen Geschäftsgänge thunlich
ist." Hieb ei sind der Natur der Sache nach auch die Umstände
des einzelnen Falles in Berücksichtigung zu ziehen, also in
casu namentlich der Umstand, dass der Zeitpunkt der Untere
suchung, die hier nichts anderes als ein Züchtungsversuch
sein konnte, nicht lediglich im Belieben des Klägers lag, viel-
mehr dazu noch andere, von seinem Willen unabhängige Vor-
aussetzungen, wie namentlich das Vorhandensein geeigneter
weiblicher Tiere, notwendig waren. Erwägt man nun, dass
es im eigenen Interesse des Klägers lag, den Stier bald-
möglichst zu Zuchtzwecken zu verwenden, und dass im Wohn-
kreise des Klägers die Viehwirtschaft nicht den Haupt-
ernährungszweig der Bevölkerung bildet, so erscheint es als
in hohem Grade wahrscheinlich, dass dem Kläger vom 17. Juli
bis 9. August 1895 die Gelegenheit zu einem Züchtungsver-
suche gefehlt hat — eine Annahme, die durch den Umstand
bedeutend unterstützt wird, dass vom 9. August bis zum
1. September 1895" wiederum kein Zuohtversuch möglich war.
Sonach kann die Untersuchung nicht als verspätet angesehen
werden ; alsdann ist aber auch die Anzeige des vorhandenen
Mangels mit Brief vom 14. August 1895 rechtzeitig erfolgt.
Denn es kann, wie das Bundesgericht in feststehender Praxis
ausgesprochen hat (vgl. z. B. A. S. XVIII S. 352 f.), die zu-
lässige Rügefrist (gleich wie die Untersuchungsfrist) nicht ab-
strakt bestimmt werden, sondern es sind die konkreten Um-
stände zu berücksichtigen, insbesondere das Kaufobjekt wie
auch die Art des Geschäftsbetriebes des Käufers. Da nun
in casu einerseits das Kaufobjekt nicht zurWeiterveräusserung
bestimmt, also nicht Handelsware ist, andrerseits der Käufer
nicht dem Handelsstande angehört, sondern neben seiner
Wirtschaft offenbar die Landwirtschaft betreibt, so kann die
am fünften Tage nach der Untersuchung vorgenommene An-
zeige nicht als verspätet angesehen werden, indem einem
Landwirt nicht dieselbe Promptheit in Erledigung seiner Ge-
schäftssachen zugemutet werden darf wie einem Kaufmann.
Den Beweis für das Vorhandensein des Mangels der zuge-
sicherten Eigenschaft hat die Vorinstanz mit Recht dem
Kläger auferlegt; denn er hat den streitigen Stier als ver-
trag8gemässen Leistungsgegenstand in Empfang genommen
und macht nun den Wandelungsanspruch als selbständigen
59
Anspruch geltend; er hat daher das Vorhandensein der Grund-
lage dieses selbständigen Anspruchs zu beweisen (vgl. A. S.
-XV S. 800), und zwar das Vorhandensein derselben im mass-
gebenden Zeitpunkte. Als dieser massgebende Zeitpunkt aber
ist mit der Vorinstanz der Moment der Uebergabe des Stieres
an den Kläger anzusehen. Nach Art. 204 0. R. wäre freilich
massgebend der Moment des Vertragsabschlusses ; allein durch
Art. 3 des Garantiescheines ist zu jenem massgebenden Zeit*
punkte der Moment der Uebergabe gemacht worden. Nun
hat die Vorinstanz, auf die Würdigung der aufgenommenen
Beweise gestützt, den dem Kläger obliegenden Beweis nicht
als geleistet angenommen, und an diese Beweiswürdigung
ist das Bundesgericht gebunden, sofern sie nicht Verletzungen
bundesrechtlicher Bestimmungen enthält oder mit dem Inhalte
der Akten in Widerspruch steht. Weder das eine noch das
andere ist der Fall. Eine Verletzung einer bundesrechtlichen
Norm läge dann vor, wenn das 0. R. eine präsumtio juris des
Inhaltes aufstellen würde, dass Mängel, die sich eine gewisse
Zeit nach der Uebergabe zeigen, schon zur Zeit derselben
vorhanden gewesen seien ; eine solche Bestimmung findet sich
aber im 0. R., entgegen z. B. dem preussischen Landrecht, dem
sächsischen B. G. B. und der österreichischen Gesetzgebung,
nicht. Aber auch von einer Aktenwidrigkeit kann nicht ge-
sprochen werden. (Entsch. vom 11. Dezember 1897 i. S.
Zimmermann c. Rebmann.)
42. Art. 896 0. R. Versicherungsvertrag. Anzeigepflicht des
Versicherungsnehmers bei Eingehung des Versicherungsvertrages und
nach eingetretener Gefahr bei der Unfallversicherung. Unrichtige An-
gaben im Versicherungsvertrage machen den Vertrag dann für den
Versicherer unverbindlich, wenn nie objektiv, nach der Auffassung
des Verkehrs, für den Entschluss des Versicherers erhebliche Um-
stände beireffen und dem Versicherungsnehmer bezw. Versicherten
zu vorsätzlichem oder fahrlässigem Verschulden anzurechnen
sind. — Bedeutung der Fragebogen der Versicherungsanstalten.
G. L. in Ölten hatte den als Handlanger in seinem Dienste
stehenden A. Seh. bei der Beklagten gegen Unfälle, welche ihm
im Dienst zustossen sollten, versichert; die Versicherung war auf
den Nachfolger des Versicherten im Dienste des G. L. übertrag-
bar. Als nun A. Seh. aus dem Dienste des G. L. ausgetreten und
durch den gegenwärtigen Kläger M. G. ersetzt worden war,
zeigte G. L. dies der Beklagten am 28. Januar 1896 mit der
Bemerkung an, dass nun G. durch die Police versichert wer-
60
den solle; gleichzeitig bemerkte er mit Bücksicht auf die
Notiz im Anzeigeformular: „wenn der neu zu Versichernde
nicht gesund oder mit einem körperlichen Fehler oder Ge-
brechen behaftet ist, so ist solches genau anzugeben," M. GL
sei ebenfalls gesund und ohne körperliche Fehler oder Ge-
brechen. Am 31. Januar 1896 erlitt M. G., als er auf der
Fraise ein Stück Holz schneiden wollte, eine Verletzung an
der linken Hand, infolge welcher die Entfernung aller Finger
nötig wurde. In der Schadenanzeige, welche von K. erstattet
wurde, wurde die Frage, ob der Verletzte vor dem Unfälle
invalid, irgendwie verstümmelt, körperlich oder geistig ge-
brechlich oder mit einer schweren Krankheit (Bruch, Ver-
lust oder Steifheit von Fingern u. s. w.) behaftet gewesen sei,
mit Nein beantwortet. Es stellte sioh nun aber heraus, dass
AL G. bereits im Jahre 1887 ebenfalls an der linken Hand
einen Unfall erlitten hatte, wodurch ihm ein Teil der Nagel-
phalaux des Daumens weggerissen worden war. Die Be-
klagte verweigerte daher die Bezahlung der Versicherungs-
siimme, indem sie sich auf § 25 ihrer allgemeinen Versiche-
rungsbedingungen berief, wonach „falsche Angaben im An-
trag, in der Schadenanzeige und in den weitern Mitteilungen
über den Unfall den Versicherungsvertrag ungültig machen."
Das Bundesgericht hat die Klage abgewiesen, indem es in
grundsätzlicher Beziehung ausführte:
1. Wenn sowohl in der Uebertragungsanmeldung als in der
Schadenanzeige vom Versicherungsnehmer gesagt wurde, der
Kläger sei ohne körperliche Fehler und Gebrechen, so war diese
Angabe zweifellos objektiv falsch. Jedoch ist dieser Umstand
allein noch nicht genügend, um die Versicherung für den Ver-
sicherer unverbindlich zu machen; vielmehr muss dazu noch das
weitere Moment kommen, dass die verschwiegenen Thatsachen
für das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis
erheblich sind. In dieser Hinsicht ist nun zu unterscheiden
zwischen der Anzeige bei der Antragstellung zur Versiche-
rung bezw. beim Uebertragungsantrag und der Schadenanzeige:
von Einfluss auf den Abschluss des Vertrages kann von vorn-
herein nur die erstere Anzeige sein, während bei der Scha-
denanzeige lediglich von Bedeutung ist die rechtzeitige und
vollständig richtige, wahrheitsgemässe Angabe über den er-
littenen Schaden. Danach fallen die unrichtigen Angaben in
der Schadenanzeige in casu sofort ausser Betracht; denn die
Verneinung der Thatsache, dass der Kläger früher schon eine
Verletzung erlitten hatte, enthielt keine Verletzung der An-
zeigepflicht des Versicherungsnehmers nach eingetretener Ge-
61
fahr, war vielmehr für die Interessen des Versicherers nach
diesem Zeitpunkte durchaus unerheblich. Was dagegen die
unrichtigen Angaben bezw. Verschweigungen bei der Antrag-
stellung oder beim Vertragsabschlüsse betrifft, so sind nach
der neueren Theorie, welcher sich das Bundesgericht in seinem
Entscheide vom 4. Juli 1896 (Amtl. Sammig Bd XXII S. 802
ff., spez. 8. 807 Erw. 2) angeschlossen hat, als erbebliche That-
sachen diejenigen zu bezeichnen, die nach der Anschauung
des Verkehrs geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers,
den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen
einzugehen, einen Einfluss auszuüben (vgl. Rölli, Entwurf zu
einem Bundesgesetze über den Versicherungsvertrag, Art. 6,
und Motive dazu, S. 34 ff.; Ehrenberg, Handbuch des Ver-
sicherungsrechts, I, S. 335 ff.). Diese nicht unbestrittene An-
schauung steht freilich nicht im Einklang mit den allge-
meinen Prinzipien des Civilrechts, wonach die Kontrahenten
alles vereinbaren können, was möglich und nicht widerrecht-
lich oder unsittlich ist, und hieran gebunden sind, so dass
als erhebliche Thatsachen alle diejenigen zu bezeichnen wären,
welche in dem Antragsformular und dem Fragebogen Gegen-
stand der dem Versicherungsnehmer vom Versicherer vorge-
legten Fragen sind. Dagegen ergiebt sich jene Auffassung
aus dem Wesen des Versicherungsvertrages im allgemeinen
und aus der Natur und Bedeutung der Anzeigepflicht des Ver-
sicherungsnehmers bezw. Antragstellers im besondern. Denn
der Versicherungsvertrag beruht in ganz besonderem und un-
gewöhnlichem Masse auf der gegenseitigen Treue der Kon-
trahenten; diesem Erfordernis der Treue würde es aber nicht
entsprechen, dass eine Thatsache, die an und fur sich für
den Abschluss des Versicherungsvertrages gänzlich ohne Be-
deutung ist, dadurch zu einer erheblichen gemacht würde,
dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer über dieselbe
eine Frage stellt; diese Fragen können vielmehr höchstens
als Indizien für die Erheblichkeit in dem oben entwickelten
Sinne in Betracht kommen. Die Anzeigepflicht des Ver-
sicherungsnehmers hat daher auch nur den Zweck, dem Ver-
sicherer die Kenntnis derjenigen Thatsachen zu verschaffen,
welche für seine Erschliessung, ob und zu welchen Be-
dingungen er den Versicherungsvertrag eingehen wolle, von
Bedeutung sind, und eine Verletzung dieser Anzeigepflicht
liegt nur vor, wenn solche Thatsachen verschwiegen bezw.
die darauf bezüglichen Fragen unrichtig beantwortet werden.
Die Frage nun, ob die frühere Verletzung als in diesem Sinne
erheblich zu betrachten sei, ist zu bejahen. Zwar ist hiebei,
€2
wie bemerkt, der Umstand, dass die Beklagte in ihrem An-
meldungs- wie im Schadenanzeigeformular eine diesbezüg-
liche Anfrage stellt, noch nicht von entscheidendem Einfluss
(anders Röllis Entwurf Art. 8, Abs. 2); massgebend ist viel-
mehr der oben angeführte Grundsatz. Allein nach diesem
ist es klar, dass bei der Versicherung eines Handlangers,
dessen Hauptarbeit mit den Händen zu verrichten ist und
dessen kostbarstes Gut für die Verwendung seiner Arbeits-
kraft diese darstellen, der Umstand, dass eine Hand auch
nur teilweise verstümmelt ist, auf die Entschliessung des Ver-
sicherers, ob und zu welchen Bedingungen er den Unfall Ver-
sicherungsvertrag abschlies8en wolle, von ganz bedeutendem
Einfluss sein muss, da das Risiko auch bei nur teilweiser
Verstümmelung sofort ein anderes, schwereres wird, als bei
einer gesunden Hand.
2. Es entsteht weiterhin die Frage, ob die objektive
Unrichtigkeit und die Erheblichkeit der unrichtigen Angabe
zur Verwirkung der Rechte des Versicherungsnehmers bezw.
Versicherten aus dem Versicherungsvertrag genüge, oder ob
hiezu noch etwas weiteres, nämlich ein Verschulden des Ver-
sicherungsnehmers bezüglich der unrichtigen Angaben, erfor-
derlieh sei. Da diese Frage aus dem Inhalte der Police nicht
beantwortet werden kann, ist sie zu lösen an Hand der von
der Wissenschaft und der Rechtsprechung entwickelten Grund-
sätze. Danach herrscht nun hierüber freilich wiederum keine
Einigkeit, indem die eine Ansicht dahin geht, es genüge an
der objektiven Unrichtigkeit (vgl. Lewis, Lehrbuch des Ver-
sicherungsrechts S. 77 f.), eine zweite dagegen dolus des Ver-
sicherungsnehmers verlangt, während eine dritte sich mit je-
dem Verschulden desselben begnügt. Diese letztere (vom
R. 0. H. G. in Entsch. Bd IX, S. 286, Bd XI, S. 134, und
vom R. G. in Entsch. Bd X, S. 159, sowie von Ehrenberg a.
a. 0. S. 340 ff. vertretene) Auffassung erscheint als die dem
Wesen des Versicherungsvertrages angemessenste, indem auch
die fahrlässige Verletzung der dem Versicherungsnehmer ob-
liegenden Anzeigepfliehr, also die Verletzung der von ihm
zu erfordernden Sorgfalt und Aufmerksamkeit, dem dem Ver-
sicherungsvertrage in so hohem Grade immanenten Grund-
satze der gegenseitigen Treue widerspricht. Diese zu erfor-
dernde Fahrlässigkeit der Verletzung der Anzeigepflicht liegt
nun in casu vor. Es war offenbar Pflicht des Versicherungs-
nehmers, sich vor Ausfüllung des ihm eingehändigten Ueber-
tragung8formular8 genau zu informieren, ob er die Angaben,
die er machte, mit gutem Gewissen erstatten dürfe; und es
63
war ihm ohne die geringste Schwierigkeit möglich, sich die
Kenntnis des körperlichen Zustandes des zu Versichernden
zu verschaffen, um so mehr, als es sich nicht um eine innere
Krankheit oder um ein inneres Gebrechen, sondern um eine
äU88erliche Verstümmelung handelte. (Entsch. vom 12. No-
vember 1898 i. 8. M. Gross c. Schweizerische Unfallver-
sicherungsgesellschaft in Winterthur.)
43. Art. 896 0. R. Unfallver Sicherungsvertrag. — Die in
den allgemeinen V er sicherungsbf dingungen für die ärztliche Fest-
stellung des Unfalles und die Erstattung der Unfallsanzeige fest-
gesetzten Fristen beginnen nicht mit dein Tage dir Verletzung
schlechthin, sondern erst mit dem Momente zu laufen, wo die Ver-
letzung sich als Unfall im Sinne des Versicherungsvertrages er-
weist, welcher zeitweise oder dauernde Erwerbsunfähigkeit nach
sich zieht und also das Fundament eines Anspruches aus dem
Versicherungsvertrage bilden kann. Wenn daher aus einer an
sich ganz bedeutungslosen Hautabschürfung sich Blutvergiftung ent-
wickelt, so laufen die Fristen erst von dem Zeitpunkte der letzten
Erscheinung an. (Entsch. vom 18. Dezember 1897 i. S. Ver-
sicherungsgesellschaft Le Soleil e. Uhler.)
44. Art. 16 Abs. 2 B.-Ges. betr. den Bau und Betrieb der
Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872. Art. 50 ff., 719, 896 0. R.
Kantonalgesetzliche Bestimmungen, durch welche das Rückgriffs-
recht öffentlicher Brandversicherungsanstalten gegen die Verur-
sacher von Brand fällen beschränkt wird, sind nicht bundesrechts-
widrig. — Dem Versicherer steht ein eigener Schadenersatzan-
spruch gegen den Urheber des Brandes nicht zu, dagegen entspricht
die Subrogation des zahlenden Versicherers in die Ansprüche des
Beschädigten (bei der Sachversicherung) allgemeinen Grundsritzen
des Versicherungsrechtes. — Pflicht der Eisenbahnen^ Schädigungen
fremden Eigentums durch Funkenwurf zu verhüten. Mitver-
schulden des geschädigten Eigentümers?
Durch Funkenwurf einer Lokomotive der N. 0. B. war
ein dem A. W. in K. gehöriges Gebäude in Brand gesetzt
worden, und zwar war der Brand in einem Haufen frischer
Streue entstanden, welche W. einige Tage vorher (wie er
dies schon seit Jahrzehnten zu thun gewohnt war) hinter dem
Hause auf der der Bahnlinie zugekehrten Seite aufgeschichtet
hatte. Die Brandassekuranzanstalt des Kantons Zürich hat
dem W. den Gebäudeschaden mit Fr. 8001 bezahlt und klagte
64
sodann gegen die N. 0. B. auf Ersatz dieses Betrages. Nack-
dem die N. 0. B. zugegeben hatte, dass sie insofern ein
Verschulden treffe, als sie einen offenbar feuergefahrlichen
Zustand in der Nähe des Bahnkörpers geduldet habe,
wurde sie von der 2. kantonalen Instanz zur Bezahlung der
reduzierten Summe von Fr. 1000 verurteilt im wesentlichen
mit der Begründung: Die Klägerin als staatliche Anstalt sei
hinsichtlich der Geltendmachung derartiger Schadenersatz-
ansprüche an die Schranken der §§ 11 u. 12 des kantonalen
Brandversicherungsgesetzes gebunden, wonach im Falle der
fahrlässigen Brandverursachung die Ersatzpflicht des Urhebers
nach dem Grade der Fahrlässigkeit zu bestimmen sei, und
dieselbe nur in sehr schweren Fällen auf den ganzen Betrag
des Schadens ansteige; sie könne nicht lediglich die Anwendung
des 0. R. verlangen; das Verschulden der Beklagten bezw.
ihrer Organe sei nun aber kein schweres und es treffe den
Geschädigten W. ein nicht unerhebliches Mitverschulden, indem
auch er die Gefahren, die mit dem Aufhäufen von leicht
brennbaren Stoffen an der dem Bahnkörper zugekehrten
Seite der Scheune verbunden seien, sich hätte klar machen
sollen. Die Argumentation, dass er hiebei bloss ein ihm als
Eigentümer zustehendes Recht ausgeübt habe, sei nicht stich-
haltig, da man auch in Ausübung seiner Rechte fahrlässig
verfahren könne. Dieses Mitverschulden des W. müsse bei
Festsetzung der Ersatzpflicht im Sinne der Reduktion in Be-
tracht kommen. Die gegen dieses Urteil von der Klägerin
ergriffene Berufung machte wesentlich geltend: 1. Die Klägerin
habe hinsichtlich ihres Rückgriffes gegen den Verursacher des
Feuerschadens nicht, wie die kantonale Instanz dies annehme,
durch kantonales Gesetz ausser das gemeine Recht gestellt
werden können; sie verlange daher Anwendung des gemeinen
Rechtes. 2. Die Beklagte könne ihr gegenüber nicht darauf
abstellen, dass den Geschädigten W. ein Mitverschulden treffe.
3. Es liege ein solches Mitverschulden nicht vor. Hinsicht-
lich der beiden ersten Beschwerdepunkte hat sich das Bundes-
gericht der Auffassung der Vorinstanz angeschlossen, dagegen
hat es das Vorhandensein eines Mitverschuldens des W. ver-
neint (und aus diesem Grunde die Ersatzsumme auf Fr. 2000
erhöht). Aus den Gründen ist hervorzuheben:
1. Gemäss Art. 719 0. R. ordnet das kantonale Recht die
Entstehung und die Verhältnisse, insbesondere die Rechtsfähig-
keit, der juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Eine
solche juristische Person des öffentlichen Rechts ist die zürch.
Brandaasekuranzanstalt, . . . daraus folgt aber gemäss Art. 719
65
O. B., class der Kanton, welcher die Anstalt gegründet hat, be-
rechtigt ist, deren Rechtsverhältnisse nach seinem Ermessen zu
ordnen in dem Umfange, als ihm die Gesetzgebungsgewalt über-
haupt zusteht. Nun handelt es sich allerdings in casu nicht um
die Rechtsverhältnisse der Anstalt zu ihren Mitgliedern, den
Versicherten, sondern um das Verhältnis derselben zu einer
dritten Person, d. h. um eine Schadenersatzklage wegen uner-
laubter Handlung, und solche Schadenersatzklagen werden, wie
das Bundesgericht schon wiederholt ausgesprochen hat, erschöp-
fend durch die Art. 50 ff. 0. R. geregelt, soweit nicht Art. 6 üb,,
welcher hier jedoch nicht in Betracht kommt, eine Ausnahme
statuiert. Allein hieraus folgt nicht etwa, das« § 12 des
zürch. Brandassekuranzgesetzes, soweit er mit Art. 51 0. R.
in Widerspruch steht, unhaltbar wäre, und daher der kanto-
nale Gesetzgeber die kantonale Brandassekuranzanstalt nicht
ausser das durch die Art. 50 ff. begründete gemeine Recht
habe stellen können. Verhindert und beschränkt in der Auf-
stellung abweichender Grundsätze ist der kantonale Gesetz-
geber vielmehr nur insoweit, als er nicht in die durch das
Obligationenrecht begründeten Rechte Dritter eingreifen, be-
ziehungsweise die Dritten nicht nachteiliger stellen darf, als
es seitens des Bundesrechts geschieht. Soweit dies nicht der
Fall ist, hat der kantonale Gesetzgeber vollständig freie Hand,
die Rechte und Pflichten der öffentlich-rechtlichen Anstalten
and Korporationen auch gegenüber Dritten nach seinem Er-
messen zu regeln. In casu liegt nun offensichtlich ein Ein-
griff in die Rechte Dritter nicht vor, sondern handelt es sich
lediglich um eine Beschränkung der Rechte der Anstalt selbst.
2. Es ist klar, dass die Klägerin alle Einreden, welche
der Beklagten gegenüber einer Klage des Brandbeschädigten
zustehen würden, auch gegen sich gelten lassen muss, sofern
der Anspruch, den sie gegen die Beklagte geltend macht, ein
vom Brandbeschädigten abgeleiteter ist; denn sowohl im Falle
der Subrogation als der freiwilligen Abtretung gehen die
Rechte auf den Subrogierten resp. den Cessionar nur so über,
wie sie dem ursprünglichen Berechtigten zugestanden haben.
Nun geht die Vorinstanz davon aus, dass der Brandversiche-
rungsanstalt kein selbständiger Schadenersatzanspruch gegen
den dritten Verursacher des Feuerschadens zustehe, sondern
dass auf Grund des kantonalen G-esetzes betr. die Brandver-
sicherungsanstalt mit der Zahlung an den Brandbeschädigten
eine Subrogation der Rechte desselben auf die Anstalt statt-
finde. Die erste Frage ist keine Frage des Versicherungs-
rechts, sondern beurteilt sich auf Grundlage der Bestimmungen
des Obligationenrechts über die Haftung aus unerlaubten
Handlungen, Art. 50 ff. Danach ist aber ein selbständiger An*
Spruch des Versicherers gegen den dritten Urheber des Scha-
dens zu verneinen. Denn die Versicherungsanstalt erfüllt
durch Bezahlung der Entschädigungssumme nur eine eigene
gesetzliche Verpflichtung, und sodann ist klar, dass bei Annahme
eines eigenen Anspruchs der Versicherungsanstalt der dritte Ur-
heber des Schadens einerseits zu mehrfachem Ersätze desselben
Schadens angehalten werden und andrerseits ein Mitverschulden
des Versicherten gegenüber der Versicherungsanstalt nicht im
Sinne von Art. 51 Abs. 2 0. R. geltend machen könnte, was
keineswegs in der Absicht des Gesetzes liegen kann. Den
berechtigten Interessen des Versicherers wird durch den Eintritt
desselben in die Rechte des entschädigten Versicherten voll*
ständig Rechnung getragen. In casu hat nun die Vorinstanz
das kantonale Gesetz dahin ausgelegt, dass eine solche Sub-
rogation stattfinde, und es verstösst diese Auslegung dea
kantonalen Gesetzes überall nicht gegen Grundsätze des
Bundesrechts, sondern ist gemäss Art. 896 0. R. für das Bundes-
gericht verbindlich. Es darf auch in der That als ein bei
der Sachversicherung in Wissenschaft und Gerichtspraxis all«
gemein anerkannter Grundsatz angesehen werden, dass mit
der Zahlung der Entschädigungssumme an den Versicherten
eine Subrogation des Versicherers in die Rechte dieses letztern
stattfindet, und es war daher der kantonale Gesetzgeber gemäss
Art. 896 cit. jedenfalls befugt, einen solchen üebergang des
Entschädigungsanspruchs des Versicherten gegen den dritten
Urheber des Brandes auf die Brandversicherungsanstalt zu
statuieren. (Vgl. Rölli, Entwurf zu einem Bundesgesetz über
den Versicherungsvertrag, und Hiestand, der Schadenersatz-
anspruch des Versicherers gegen den Urheber der Körper-
verletzung und Tötung des Versicherten, S. 69 und die da-
selbst angeführte Litteratur.)
3. Es ist der Vorinstanz darin beizutreten, dass der Um-
stand, dass W. lediglich von seinen Eigentumsbefugnissen Ge-
brauch gemacht hat, für die Verneinung eines Mitverschuldens
desselben nicht unbedingt entscheidend ist. Allein in casu ist
doch ein Mit verschulden des W. nicht anzunehmen. Es steht
fest, dass W. schon seit der im Jahre 1864 erfolgten Eröffnung
der Bahn, wie schon früher, Streue auf dem gleichen Platz
aufgeschichtet hat, ohne dass die Beklagte hiegegen Ein*
spräche erhoben, bezw. den W. gewarnt hätte. Nun liegt aber
die Anwendung der nötigen Vorsichtsmassregeln zur Verhütung
der Entzündung des Eigentums Dritter demjenigen ob, der
67
sich des Feuers für seine Zwecke bedient, und es sind spe~
ziell die Eisenbahnunternehmungen gemäss Art. 16 Abs. 2 des
Bundesgesetzes betr. Bau und Betrieb der Eisenbahnen gesetzlich
verpflichtet, alle diejenigen Vorkehrungen auf ihre Kosten zu
treffen, welche zur öffentlichen Sicherheit nötig befunden
werden, wozu unter Umständen auch die Expropriation der
durch den Eisenbahnbetrieb gefährdeten Objekte gehört. Wer
in der Nähe einer Eisenbahnlinie stehende Gebäude besitzt,
darf daher darauf rechnen, dass die Eisenbahnunternehmung
in Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht sein Eigentum vor
Entzündung durch Funkenwurf sichere und alle diejenigen
Massregeln ergreife, welche zu dieser Sicherung notwendig
sind. Hievon ausgegangen, kann davon, dass den Gebäude-
eigentümer deshalb ein Verschulden treffe, weil er die Feuer-
gefahr nicht vorausgesehen habe, nur dann gesprochen wer*
den, wenn einerseits die Gefahr dem Eigentümer auch bei
nur gewöhnlicher Aufmerksamkeit nicht entgehen konnte,
und andrerseits demselben auch bekannt war, dass die
Eisenbahnunternehmung keine Massregeln zur Verhütung
von Entzündung getroffen habe, ohne dass er seinerseits die
Anordnung solcher Massregeln bezw. die Expropriation durch
Auflegung einer dinglichen Last auf sein Eigentum gegen
entsprechende Entschädigung begehrt hätte. Diese Voraus-
setzung trifft in ca9U, wo unbestritten der Eigentümer W.
schon seit 40 Jahren in gleicher Weise verfahren ist, offen-
bar nicht zu. (Entsch. vom 13. November 1897 i. S. Brand-
versicherungsanstalt des Kantons Zürich c. N. 0. B.)
45. Art. 50 Ziff. 1 B.-Ges. betr. die Organisation der Bundes-
rechtspflege v. 22. März 1893. Art. 7, 39 Abs. 2 B.-Ges. betr. den
Bau ani Betrieb der Eisenbahnen vom 22. Dezember 1872. Be-
schlüsse des Bundesrates betreffend die Genehmigung von Statuten
der Eisenbahngesellschaften können nicht im Wege der Civiiklage
beim Bundesgericht als gesetzwidrig angefochten werden.
Der Bundesrat erteilte durch Beschluss vom 12. März 1896
den zufolge des Bundesgesetzes betreffend das Stimmrecht der
Aktionäre von Eisenbahngesellschaften revidierten Statuten
der N. 0. B., vorbehaltlich der bestehenden und künftigen ge-
setzlichen Vorschriften, die Genehmigung, jedoch mit Aus-
schluss einiger Bestimmungen derselben und unter Anbringung
von Vorbehalten zu einer Reihe anderer.
Hierauf reichte die Nordostbahngesellschaft beim Bundes-
gericht gegen den Bund eine Klageschrift ein, und stellte das
68
Rechtsbegehren, das Bundesgerioht möge feststellen, dass die
Streichung der in Ziff. 2 der bundesrätlichen Schlussnahme vom
12. März 1896 erwähnten statutarischen Bestimmungen rechtlich
unzulässig gewesen sei, und dass diese Bestimmungen dem
Bundesrat neuerdings zur Genehmigung vorgelegt werden
können, — alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge für
die beklagte Partei.
Das Bundesgericht hat sich zur Beurteilung dieser Klage
inkompetent erklärt, indem es unter anderem ausführte: Da
das Bundesgericht als Civiigericht erster und letzter Instanz
angerufen ist, so hängt seine Kompetenz zur Beurteilung der
Klage gemäss Art. 39 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend
Bau und Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872
und Art. 50 Ziff. 1 Organis.-G es. davon ab, ob die Streitsache
civilrechtl icher Natur ist, oder aber dem öffentlichen Rechte
angehört. Nun kann keinem Zweifel unterliegen, dass der
Bundesrat, wenn er gemäss Art. 7 des Eisenbahngesetzes über
die Genehmigung von Statuten der Eisenbahngesellschaften
entscheidet, nicht in privatrechtlicher, sondern in öffentlich-
rechtlicher Stellung handelt. Die Beziehungen, welche zwi-
schen dem Staate und den Eisenbahngesellschaften hinsicht-
lich der staatlichen Statutengenehmigung bestehen, sind keine
privatrechtlichen, sondern öffentlich-rechtliche ; sie entspringen
nicht einem Rechtsverhältnisse, welches zwischen dem Staate
und den Eisenbahngesellschaften als gleichgestellten Rechts-
subjekten bestände, sondern aus einem Verhältnisse, welches
zwischen dem Staate als herrschender Gewalt, als Träger der
Eisenbahnhoheit einerseits, und den Eisenbahngesellschaften
als ihm untergeordneten Körperschaften andrerseits, begründet
ist. Indem daher die staatliche Verwaltungsbehörde die Sta-
tuten prüft und über deren Genehmigung entscheidet, übt sie
ein staatliches Hoheitsrecht aus, dessen Inhalt und Tragweite
durch das öffentliche Recht bestimmt und von der Verwal-
tungsbehörde, und nicht vom Civilrichter festzustellen ist
Die Verwaltungsbehörde und nicht der Civilrichter hat dem-
gemäss darüber zu entscheiden, inwieweit die Vorlage von
Statuten zur staatlichen Genehmigung gefordert ist und welche
Grundsätze für dieselbe gelten, ob die Behörde, wie die Klä-
gerin meint, die Statuten nur nach eisenbahnrechtlichen Ge-
sichtspunkten zu prüfen, oder aber dieselben überhaupt auf
ihre Gesetzmässigkeit hin zu untersuchen hat, oder endlich
befugt ist, dieselben auch vom Standpunkt des öffentlichen
Interesses aus einer ü eberprüf ung zu unterwerfen; einzig der
Verwaltungsbehörde und nicht dem Civilrichter steht es da-
6£>
nach zu, zu untersuchen und zu entscheiden, ob statutarischen
Bestimmungen die hoheitliche Genehmigung zu erteilen, oder
wegen Unvereinbarkeit mit dem bestehenden Rechte oder dem
öffentlichen Interesse zu versagen ist. Es handelt sich hiebei
eben tiberall nicht um einen Privatrechtsstreit, sondern um
öffentliches Recht und öffentlich-rechtliche Pflicht der Staats-
behörde ; einen privatrechtlichen Anspruch der Eisenbahn-
gesellschaften auf hoheitliche Genehmigung ihrer Statuten
giebt es nicht und kann es nicht geben, wie sich überdies
schon daraus deutlich zeigt, dass die civilprozessuale Voll-
streckung eines solchen auf Vornahme eines staatshoheitlichen
Aktes gerichteten Anspruches rechtlich unmöglich wäre... Das
Bundesgericht könnte sich mit dem Inhalte der Klage, d. h.
mit einer Prüfung der Gesetzmässigkeit der durch dieselbe
angefochtenen Schlussnahme des Bundesrates nur dann be-
schäftigen, wenn das Bundesrecht gegen derartige Schluss-
nahmen des Bundesrates eine verwaltungsrechtliche Be-
schwerde an das Bundesgericht statuierte. Dies ist indes
bekanntlich nicht der Fall und es geht nun nicht an, die
vom Gesetzgeber nicht gewollte Verwaltungsbeschwerde gegen
bundesrätliche Schlussnahmen in der Form der Civilklage zu-
zulassen. (Entscheid vom 30. Oktober 1897 i. S, Nordostbahn-
gesellschaft c. Bund.)
46. Art. 6 B.-Ges. betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb vom
25. Juni 1881. Neben dem gesetzlichen Entschädigungsmaximum
darf eine besondere Entschädigung für Erwerbsbeschränkung wäh-
rend der Heilungsperiode nicht gesprochen werden.
Dafür, dass die Beschränkung der Entschädigungspflicht
des Fabrikherrn auf das Maximum von Fr. 6000. — 7 bezw.
den sechsfachen Jahresverdienst des Geschädigten nur auf
den Schadenersatz für die bleibende Invalidität sich beziehe
und dass daneben für die vorübergehende Erwerbsunfähigkeit
voller Ersatz zu leisten sei, bietet der Text des Gesetzes
durchaus keine Anhaltspunkte ; und auch in der Natur der Sache
ist eine solche Scheidung nicht begründet. Wenn für die Ersatz-
pflicht des Unternehmers bestimmte Maxima aufgestellt wur-
den, so wollte damit doch offenbar die Haftung desselben in
ihrer Gesamtheit begrenzt werden, ohne Rücksicht darauf, wie
sich der entstandene Schaden auf die Heilungsperiode und
die Periode bleibender Verminderung der Erwerbsfahigkeit
verteilt. Eine nicht einzurechnende besondere Schadenskate-
gorie bilden einzig die Kosten für ärztliche Behandlung und
70
Verpflegung, sowie die Beerdigungskosten, die nach ausdrück-
licher Vorschrift des Gesetzes nicht in dem festgesetzten Maxi-
mum inbegriffen sind. (Entsch. vom 8. Dezember 1897 i. 8.
Pöllner c. ßrunner.)
47. Art. 1, 3, 4, 6, 7, 18, 19 B.-Qes. betr. den Schutz der
gewerblichen Musler und Modelle vom 21. Dezember 1888. Die
Hinterlegung eines gewerblichen Musters begründet die Vermutung
für dessen Neuheit. — Begriff der Neuheit.
1. Die Hinterlegung und Registrierung des Musters er-
zeugt für den Hinterleger die Vermutung, dass das Muster
schutzfähig,' also insbesondere auch, dass dasselbe neu sei,
weshalb derjenige, welcher einredeweise oder auf dem Weg
der Nichtigkeitsklage die Neuheit bestreitet, den Mangel die-
ses Erfordernisses darzuthun hat. (S. Entsch. des Bundesgerichts
in Sachen Angstmann c. Fischer Söhne vom 19. Juli 1897.) *)
2. Das Wesen des Musters liegt in seiner ästhetischen, auf
den Formensinn des Anschauenden gerichteten Wirkung. Der
Rechtsschutz, welcher ihm gegen Nachahmung gewährt wird,
ist an die Bedingung geknüpft, dass es diese Wirkung auf
individuelle Weise ausübe. Das Muster muss also in dem
ästhetischen Effekt, den es hervorbringt, eine Eigenart auf-
weisen, es muss sich von bereits Bekanntem so unterscheiden,
dass seine Wirkung eine originelle, eigentümliche genannt
werden kann. Darin besteht das Requisit der Neuheit. Da
nun die Wirkung durch den Gesarateindruck, den das Muster
ausübt, bestimmt wird, kann dasselbe als ein originelles,
neues, erscheinen, selbst wenn die einzelnen Elemente aus-
schliesslich in bereits Bekanntem bestehen, sofern nur die
Verwendung und Zusammensetzung dieser Elemente in einer
Art geschieht, dass eine besondere, originelle ästhetische Wir-
kung erzielt wird, und es kann umgekehrt, trotz einzelnen
Abweichungen von bereits Bekanntem, die Originalität fehlen,
wenn diese Abweichungen das Auge des Anschauenden nicht
in dem Masse auf sich ziehen, dass sie den Gesamteindruck
zu beeinflussen und die Individualität des Musters zu be-
stimmen vermögen. Bringt aber das Muster eine eigenartige
ästhetische Wirkung hervor, so kommt es für dessen Schutz-
fähigkeit nicht weiter darauf an, in welchem Grade dasselbe
das Schönheitsgefühl befriedige. Entscheidend ist einzig, ob
die ästhetische Wirkung eine originelle, eigenartige sei. Aus
") S. Revue Bd XV Nr. 101.
71
diesem Grunde bleibt denn auch für die Frage des Muster-
schutzes die Herstellungsart des Musters vollständig gleich-
gültig. (Entsch. vom 17. Dezember 1897 i. S. Gebr. Fischer
o. Schlatter.)
48. Art 5, 7 B.-Ges. betr. Schuldbeireibung und Konkurs vom
11. April 1889. Art. 154 0. R. Verjährung der Schadenersatz-
klage gegen Betreibungs- und Konkursbeamte wegen rechtswidriger
Amtshandlungen. Beginn derselben. Unlerbrechungsgründe.
1. Aux termes de Part. 7 de la loi sur la poursuite pour
dettes et la faillite, l'action en dommages-intérêts se pres-
crit par une année du jour où la partie lésée a eu connais-
sance du dommage. La prescription commence ainsi à courir
du jour où le lésé a eu connaissance qu'un dommage lui a
été causé par un acte de poursuite de l'office. Il n'est point
nécessaire, à cet effet, que le lésé ait connu exactement le
chiffre de ce dommage ou retendue de la faute commise par
le préposé, il suffit qu'il ait eu connaissance, d'une manière
générale, du préjudice né pour lui du fait d'un acte de pour-
suite du préposé. (Comparez en particulier le texte allemand
de l'art 7.)
2. La loi fédérale ne contenant aucune disposition spé-
ciale à cet égard, l'interruption de la prescription des actions
en dommages-intérêts basées sur l'art. 5 ibidem est régie par
les principes généraux du C. 0. (art. 154). Aux termes de cet
article, la prescription n'est interrompue que lorsque le cré-
ancier fait valoir ses droits, soit par voie de poursuites, soit
par voie d'action ou d'exception devant un tribunal ou devant
des arbitres, soit par voie de production ou d'intervention dans
une faillite. Il est évident que l'action civile en dommages-
intérêts prévue à l'art. 5 de la loi précitée ne peut être
intentée devant l'autorité de surveillance, et que par con-
séquent des plaintes adressées à cette autorité sont impuis-
santes à interrompre la prescription de cette action. (Entsch.
vom 22. Oktober 1897 i. S. Jaccard-Campiche o. Meylan.)
49. Art. 3 Abs. 2 B.-Ges. betr. den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken u. s. to. vom 26. September 1890. Begriff des
Gemeingutes oder Freizeichens.
Die einzig streitige Frage: ob die Wortmarke „Saccharin"
zulässig sei, ist zu beantworten auf Grund des Art. 3 Abs. 2
des eidgen. Markenschutzgesetzes vom 26. September 1890,
welches die Bestimmung enthält, dass als Gemeingut anzu-
sehende Zeichen den gesetzlichen Schutz nicht gemessen. Nach
der bundesgerichtlichen Praxis nun sind Gemeingut oder Frei-
zeichen neben den im Handelsverkehr für eine bestimmte
Branche allgemein verwendeten figurativen Zeichen (vgl. bun-
de8ger. Entsch. Bd XX S. 103 f.) solche Zeichen, welche nicht
das Verhältnis einer Person als Produzenten, Eigentümers oder
Verkäufers zu der Ware, sondern die Ware selbst oder ihre
Beschaffenheit bezeichnen, d. h. Sachbezeichnungen oder Be-
zeichnungen der Beschaffenheit der Ware. (S. bundesgerichtl.
Entsch. i. S. Compagnie Parisienne de Couleurs d'Aniline c.
Basler chemische Fabrik Bindschedler, Amtl. Samml. B. XXII,
S. 467, und i. S. Bonnet & Cie e. Grézier, eod. pag. 1108.)
Fragt es sich demnach, ob die klägerische Marke als Gemein-
gut in diesem Sinne zu betrachten sei, so fällt in Betracht:
dass in der wissenschaftlichen Fachliteratur das Benzoesäure-
8ulfinid längst allgemein als „Saccharin" bezeichnet wird, ist
von der Klägerin zugegeben. Wenn nun auch zweifelhaft sein
mag, ob die Thatsache der Bezeichnung eines Produktes mit
einem gewissen Namen in der wissenschaftlichen Welt, also
in immerhin engern Kreisen, dazu ausreicht, diesen Namen
auch im Handelsverkehr, in weitern Kreisen zum Gemeingut
zu machen, so kommt in casu jedenfalls hinzu, dass nicht
nur in jenem engeren Kreise der chemischen Facbgenossen,
sondern ganz allgemein in der Litteratur unter „Saccharin"
ein bestimmtes Produkt mit bestimmten Eigenschaften ver-
standen wird, ohne dass irgendwie eine Beziehung zu der
Klägerin dabei gefunden werden könnte. (Entsch. vom 27. No-
vember 1897 i. S. Fahlberg, List & Cie c. Aktiengesellschaft
Chemische Union.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
50. Vindikation gestohlener Sachen. Grenze des gut-
gläubigen Erwerbs. Pflicht des dritten Erwerbers auf Heraus-
gabe aus Art. 50 0. /?. Î Art. 206, 207 0. R.
St. Gallen. Entscheid der Kekarskoiumission vom 22. Juni 1897.
Dem A. wurde in der Nacht vom 1. auf den 2. Dezem-
ber 1893 eine Sammlung englischer 1887er Jubiläumsgold-
münzen entwendet. Darauf veröffentlichte am 2. Dezember
das st. gallische Landjägerkoromando den Diebstahl und ver-
73
abfolgte es ein bezügliches Fahndungsblatt an sämtliche Polizei-
organe behufs Nachforschung nach diesen Münzen, namentlich
auch bei Bankgeschäften. Der Landjäger X. händigte noch
am gleichen Tage ein solches Fahndungsblatt anch dem Kassier
der Bank B. ein. Am 7. Dezember 1893 bot ein Gasthof-
besitzer dem Kassier zwei diesem unbekannte Goldstücke zum
Ankaufe für Fr. 176, das eine sei 2, das andere 5 Pfd. Steri,
wert. Der Kassier anerbot Eintausch zum Kurswert; der Gast-
hofbesitzer gab sie nicht. Hernach kam der dem Kassier
persönlich nicht bekannte angebliche Eigentümer. Der Kassier
löste sie diesem für Fr. 175. 35 ein und sandte sie zum Kurs-
wert an eine Bank in Basel, wobei er nach Deckung seiner
Portospesen eine Nettoprovision von kaum 50 Rappen erzielte.
Nach Ermittlung der Diebe und ihrer Abnehmer ging A. die
Bank B. wiederholt brieflich um Herausgabe oder Ersatz
seiner beiden Goldmünzen an; immer ohne Erfolg. Seine erst
im April 1897 beim Bezirksgericht anhängig gemachte Klage
lautete auf unentgeltliche Herausgabe von zwei englischen
1887er Jubiläumsgoldmünzen von 2 und 5 Pfd. Steri., e vent,
auf Zuerkennung des Rechtes, solche Münzen auf Rechnung
der Bank B. anzuschaffen.
Das Bezirksgericht schützte die Klage, indem es aus-
führte, der Kassier der Beklagten habe nach der bestimmten
Aussage des Landjägers X. vom Diebstahl dieser Goldmünzen
durch Zustellung des Fahndungsblattes Kenntnis erhalten,
gleichwohl aber die entwendeten Goldstücke von einem ihm
Unbekannten gekauft und sie wieder weiter veräussert. Da-
durch habe er sich einer fahrlässigen Handlung schuldig ge-
macht, indem er — obwohl im Besitze des Fahndungsblattes —
gleichwohl die leicht erkennbaren Jubiläumsgoldstücke an-
kaufte. Die Beklagte sei haftbar nach Art. 50 0. R. für diese
fahrlässige Handlung ihres Kassiers; denn für die daherige
Schadenersatzpflicht genüge auch eine geringe Fahrlässigkeit
und Unachtsamkeit, wie hier eine vorliege; es bedürfe hiezu
nicht einer strafbaren Handlung, noch auch eines böswilligen
Erwerbes. Das Klagerecht sei auch nicht erloschen, da der
Kläger die Reklamation gegenüber der Beklagten alljährlich
seit der Diebstahlsanzeige gemacht habe. Die Beklagte habe
daher dem Kläger zwei gleichartige Jubiläumsmünzen von
1887 unbeschwert zuzustellen, oder dem Kläger die Berechti-
gung zu erteilen, solche auf Kosten der Beklagten anzuschaffen.
Gegen dieses Urteil legte die Bank B. die Nichtigkeits-
beschwerde ein, weil die Art. 207, 50,69 0. R. verletzt seien.
Zur Beurteilung dieser Vindikations- bzw. Schadenersatzklage
74
kämen einzig die Art. 206 und 207 O.K. in Anwendung; erst
subsidiär, d. h. für noch weitergehende Ansprüche (die hier
nicht gestellt seien) auch Art. 50 0. R. Der Kläger habe
seine Klage aus Art. 207 O.R. (bösgläubiger Erwerb) abgeleitet.
Da der Kläger den Beweis hiefür nicht erbracht habe, und
da auch das Gericht den Kassier als nicht bösgläubigen Er-
werber angesehen habe, so hätte die Klage ohne weiteres
abgewiesen werden sollen. Eine Schadenersatzklage wegen
gestohlener Sachen könne überhaupt nicht aus Art. 50 0. R.
abgeleitet werden; eventuell wäre sie hier nach Art. 69 0. R.
verjährt, denn der Kläger habe schon am 9. Februar 1894
Kenntnis davon erhalten, dass die Beklagte zwei seiner Gold-
stücke erworben. Eine Unterbrechung der Verjährung habe
durch die aussergerichtlichen Mahnungen des Klägers nicht
eintreten können (Art. 154 0. R.).
Die Rekurskommission hat die Nichtigkeitsbeschwerde
abgewiesen:
In Erwägung: Das Bezirksgericht hat in rechtsirrtüm-
licher Wçise den hier anwendbaren Art. 207 O. R. ausser
Anwendung gelassen, und statt dessen die hier nicht anwend-
baren Art. 50 und 69 0. R. in Anwendung gebracht, den
letzteren überdies in materiell unrichtiger Auslegung. Das
Gericht ist auf unrichtigem Wege doch zu einem materiell
richtigen Sachentscheide gelangt. In solchen Fällen wird die
Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen. (Entschdgen 1892 Nr. 30
Seite 72, 73.)
Da der Kassier vom Diebstahl der Goldmünzen durch
Zustellung des Fahndungsblattes Kenntnis erhalten, aber
gleichwohl die entwendeten leicht erkennbaren streitigen Gold-
stücke von einem ihm Unbekannten ankaufte und sie weiter
veräusserte, hat er dabei nicht als gutgläubiger Erwerber im
Sinne der Art. 205, 206 0. R., sondern als bösgläubiger Er-
werber im Sinne des Art. 207 O. R. gehandelt.
Nach Art. 205 0. R. wird der Richter den Erwerber
nicht als gutgläubig ansehen, wenn dieser bei gehöriger Auf-
merksamkeit sehen oder denken musste, dass der Yeräusserer
nicht Eigentümer sei. Vgl. die Ausfuhrungen im Kommentar
von Schneider (neu 1896) zu Art. 205 Anm. 2—4, u. a. S.
d. b.-g. Entsch., XIV Nr. 17, Erw. 5 (Revue, VI Nr. 67), wo-
nach in unserm Falle beim Kassier der Beklagten durch den
ihm — übrigens auch nach dem Urteil des Bezirksgerichtes —
zur Last fallenden Mangel an gehöriger Aufmerksamkeit, die
Annahme gutgläubigen Erwerbes ausgeschlossen ist. Damit ist
ohne weiteres die Annahme des bösgläubigen Erwerbes im
75
Sinne des Art. 207 0. R. gegeben. — Als bösgläubiger Er-
werber gilt jeder, der weiss oder wissen muss, bezw. bei An-
wendung der pâichtigen Aufmerksamkeit und Sorgfalt wissen
kann, dass die Sache dem nicht gehört, welcher sie ihm über-
trägt-Der Kassier hat die Goldmünzen — wenn auch nicht
in strafbarer Arglist, d. h. nicht im Yollbewusstsein, dass sie
wirklich entwendet seien — so doch mit einer, zivilrechtlich
der Arglist gleichstehenden Fahrlässigkeit erworben, die ihn
als böswilligen Erwerber erscheinen lässt und unter die Be-
stimmung des Art. 207 0. R. stellt. — Mit grober Fahrlässig-
keit, die zivilrechtlich hinsichtlich der Ersatzpflicht der Arg-
list gleichgehalten wird, ist der Umstand wohl vereinbar, dass
der Kassier die Münzen nioht unter dem Kurswert eingelöst
und mit nur minimem Gewinn weiter begeben hat.
Das Bezirksgericht ist bei Nichtannahme von bösgläubigem
Erwerb (Art. 207 0. R.) und Annahme von schuldhafter zu
Schadenersatz verpflichtender Fahrlässigkeit nach Art. 50 0. R.
offenbar von der rechtsirrtümlichen Auffassung ausgegangen,
es werde beim bösgläubigen Erwerber (Art. 207 0. R.) das
Yollbewusstsein, die wirkliche Ueberzeugung, dass die Sache
dem Veräusserer nicht gehöre — also eigentliche Arglist —
vorausgesetzt, und es könne hiefür die blosse Ausseracht-
lassung der gemäss den Regeln redlichen Verkehrs pfliohtigen
Aufmerksamkeit nicht auch genügen. Das Bezirksgericht ist
auf diesem Wege dazu gelangt, zwischen dem gutgläubigen
Erwerber (Art. 205 0. R.), welchem eine Ersatzpflicht für das
weiterbegebene gestohlene Gut nicht obliegt, und dem bös-
gläubigen Erwerber (Art. 207 0. R.), welchem eine solche
Ersatzpflicht obliegt, eine Zwischenstufe zu schaffen, nämlich
einen Erwerber, der, ohne bösgläubig zu sein, und ungeachtet
seines, guten Glaubens, einzig aus dem schuldhaften Mangel
von Pflichtiger Aufmerksamkeit beim Erwerbe doch ersatz-
pflichtig wird. Diese Konstruktion der Ersatzpflicht erscheint
bei richtiger Auslegung des Begriffes von bösgläubigem Er-
werb nicht notwendig und mit der Anlage des Gesetzes bzw.
der Art. 50 und folgender einerseits und der Art. 205—207
O. R. andrerseits auch nicht vereinbar.
(Entech. d. St. Galler Kantonsgeriehtes u. 8. w. im J. 1897, S. 84 ff.)
76
51. Faustpfandrecht. Die Anzeige von der Bestellung
eines nachgehenden Pfandrechtes muss an den ersten Pfand-
gläubiger von dem Besteller des Pfandes (Schuldner) erfolgen.
Art. 217 0. R.
Zttrich. Urteil der Appellationskammer des Obergerichte« vom
24. August 1897 in S. Weber c. Grossmann.
E. R. hatte zwei Kaufschuldbriefe, die ihm Weber für
Anfertigung eines Steuerinventars übergeben, bei der Leih-
kasse der Stadt Zürich verpfändet. Weber erhob gegen ihn
Strafklage wegen Unterschlagung, zog sie aber wieder zurück.
E. R. seinerseits verpfändete die Briefe weiter an Grossmann
für ein Darlehen von Fr. 1000. — und Grossmann zeigte dies
der Leihkasse an mit dem Ersuchen, auch für ihn den Pfand-
besitz auszuüben. Die Leihkasse lehnte das aber ab mit
Hinweis auf die zweifelhafte Berechtigung des R. zur Pfand-
bestellung. Später löste Weber die Titel bei der Leihkasse
aus, diese deponierte sie aber bei der Bezirksgerichtskasse,
um sich gegen allfällige Ansprüche des Grossmann zu sichern.
So klagte nun Weber gegen Grossmann auf unbeschwerte
Verabfolgung der Titel. Die Klage wurde gutgeheissen. Aus
der Motivierung heben wir nur folgenden Grund heraus:
Die Frage , ob der Beklagte durch die Anzeige an die
Leihkasse ein gültiges Pfandrecht an den Schuldbriefen er-
worben habe, ist zu verneinen. Zunächst mangelt es im vor-
liegenden Falle an einer gehörigen Beobachtung der Formen
des Art. 217 0. R., insofern als der Verpfänder R. seinerseits
die Leihkasse niemals angewiesen hat, die Pfänder nach ihrer
Befriedigung an den Beklagten als nachgehenden Faustpfand-
gläubiger herauszugeben. Die Leihkasse hat eine solche An-
weisung allerdings am 10. April 1896 erhalten, aber dieselbe
ging nicht von R., sondern von dem Beklagten selbst aus.
Nun schreibt Art. 217 leg. cit. allerdings nicht ausdrücklich vor,
dass der Verpfänder selbst den ersten Pfandgläubiger beauf-
tragen müsse, den Pfandbesitz auch für den nachgehenden
auszuüben. Allein es versteht sich das von selbst, wenn be-
rücksichtigt wird, dass es sich um ein Surrogat der eigent-
lichen Besitzesübertragung handelt, welch letztere bei der
Bestellung eines Faustpfandes natürlich von dem Verpfänder
des Gegenstandes vorgenommen werden muss. Auch darf auf
die analoge Vorschrift des Art. 201 0. R. verwiesen werden,
in der für die Eigentumsübertragung ausdrücklich bestimmt
wird, dass, wenn die zu veräussernde Sache sich in Händen
eines Dritten befinde, die Besitzesübertragung auch dadurch
erfolgen könne, dass der Dritte von dem Veräusserer beauf-
77
tragt werde, den Gewahrsam für den neuen Erwerber aus-
zuüben. (Schweizer Blätter f. h.-r. Entsch., XVI S. 275 ff.)
52, Kauf nach Muster. Weigerung der Annahme der
Ware bei Nichterkennbarkeü der Mängel aus dem Muster. Art.
243, 246, 267 0. R.
Bern. Urteil des App.- und Kass.-Hofes vom 21. Oktober 1896 i. S.
A. Lecoq & Cie c. Kneubünler.
Witwe Kneubühler kaufte von A. Lecoq & Cie 3000 kg.
Riesenspörgel nach einem ihr eingesandten Muster. Einen
Monat nach Empfang der Ware schrieb sie den Verkäufern,
laut Untersuchung der schweizerischen Samenkontrolstation
in Zürich betrage der Gebrauchswert der Ware 19,6%; nur
21°/o hätten gekeimt, sie stelle daher die Ware zur Ver-
fügung. Kläger stützten sich darauf, dass die Ware streng
musterkonform sei, und klagten auf Zahlung des Preises. Aus
der Parteikorrespondenz ergab sich, dass der Kaufvertrag auf
Grund eines Musters abgeschlossen worden, und aus der Ex-
pertise, dass die Lieferung musterkonform war; aber, führt
das Urteil nun aus: .
Aber bei dem Kaufe nach Muster ist das letztere nicht
unbedingt, sondern nur dann für alle Eigenschaften der Ware
massgebend, wenn dies dem Willen der Parteien entspricht
(Hafner, Komm, zum O.R. 2. Aufl., Art. 267, Note 1; Entsch.
aes B.-G. XVII Nr. 43 Erw. 5). Es kann sehr wohl geschehen,
dass nach dem Willen der Parteien das Muster nur solche
Eigenschaften der zu liefernden Ware bestimmen soll, welche
an ihm erkennbar sind. Zu den nicht erkennbaren Mängeln
gehören ausser den heimlichen im engeren Sinne auch die,
welche wegen der Kleinheit des Musters an diesem nicht
entdeckt werden können, und laut Expertise ist die Keim-
fähigkeit des Rie8en8pörgel8 nicht durch blosse Besichtigung,
sondern nur durch technische Untersuchung, die 8 — 10 Tage
in Anspruch nimmt, erkennbar, und war das von den Klägern
eingesandte Muster zu klein, um einer technischen Unter-
suchung unterworfen zu werden. Der Grad der Keimfähigkeit
des Samens war somit an dem Muster nicht erkennbar. Die
Kläger konnten also auch gar nicht annehmen, dass sich die
„Bestellung nach Muster" auch auf die Keimfähigkeit der
Ware bezog.
Somit schlie8st die Thatsache der Musterkonformität die
Gewährleistungspflicht der Kläger nicht aus, die nach Mass-
gabe des Art. 243 0. R. begründet ist, da die Mängel der
78
Ware ihren Wert und ihre Tauglichkeit zu dem voraus-
gesetzten Gebrauche erheblich mindern. Von einer Verwirkung
des Preisminderungsanspruchs der Beklagten durch Veraäu-
mung der Diligenzien, die der Art. 24G O. R. fordert, kann
auch nicht die Rede sein. Der Mangel wird nur durch tech-
nische Untersuchung erkennbar, die Beklagte hat sofort nach
Ankunft der Ware ein Muster davon der Kontroistation in
Zürich geschickt und deren Befund sofort nach Empfang dem
Kläger übermittelt. Danach hat Beklagte der ihr nach Gesetz
obliegenden Untersuchungs- und Rügepflicht vollauf genügt.
Demgemäss ist der Beklagten ein Abzug von */s des
Kaufpreises gestattet worden.
(Zeitachr. des Berner Jur.-Ver., XXX1I1 S. 385 ff.)
53. Vente par l'entremise d'un tiers. Payement en
mains de ce tiers. Art. 39, 429 C. 0.
Genève. Jugement de la Cour de justice civile du 13 février 1897
dans la cause Dechevrens & Cie c. Lacroix.
Dechevrens & Cie ont vendu à Lacroix une balle de riz
par l'intermédiaire de Jaquemot. Facture fut remise au moment
de la livraison. Lacroix paya le montant de la facture, soit
fr. 34.50, en mains de Jaquemot qui acquitta la facture en
signant „pour MM. Dechevrens & Cie" et ne remit pas la
somme aux vendeurs. Ceux-ci assignèrent Lacroix on paye-
ment du prix; le tribunal de lr* instance, estimant que le
payement fait à Jaquemot libérait Lacroix envers D. & Cie,
a débouté ceux-ci de leur demande. Là Cour a réformé ce
jugement et adjugé les conclusions des appelants.
Motifs: Considérant qu'il est constant que Jaquemot
n'était pas employé de D.&Cie; qu'il a agi en cette affaire
comme courtier, et qu'il n'était autorisé, ni généralement ni
spécialement, à toucher pour le compte de cette maison ;
Que la facture remise à Lacroix, lors de la livraison, ne
laissait aucun doute, et qu'il n'y en a jamais existé aucun
sur la maison venderesse;
Considérant que si l'art. 429 C. 0. pose, en principe, que
les voyageurs de commerce sont réputés avoir les pouvoirs
nécessaires pour toucher le prix des ventes conclues par eux,
il n'en est pas de môme des courtiers qui ne sont pas em-
ployés d'une maison, et qui, dans les ventes qu'ils peuvent
faire sur place, pour le compte de tel ou tel négociant, jouent
le rôle de simples intermédiaires.
79
Considérant que le jugement dont est appel, bien qu'il
ne vise pas expressément l'art. 429 C. 0., s'inspire du principe
qui y est énoncé, et qu'en l'appliquant au cas dont il s'agit,
il en fait une fausse application.
(La Semaine judiciaire, XIX p. 187 8.)
54. Betreibung für rückständige Gebäudeassekuranzbeträge.
Pfändung oder Pfandverwertung t Art. 41, 43 B.-Ges. betr.
Seh. u. K.
Lasern. Entsch. der Justizkoramission vom 23. Januar 1896.
Die Staatskasse des E. Luzern hob gegen J. K. Betreibung
auf Pfändung an für eine von dessen Gebäulichkeiten zu
leistende Versicherungsprämie im Betrage von Fr. 390. — .
J. K. beschwerte sich hiegegen, weil nur auf Pfandverwertung,
nicht auf Pfändung oder Eonkurs betrieben werden könne.
Der Gerichtspräsident wies die Beschwerde ab, weil die
Forderung als Annuität anzusehen sei und daher dem Gläu-
biger freistehe, diese oder jene Betreibungsart zu wählen (Art.
41 B.-G. betr. Seh. u. K.). Die Justizkommission hob auf Be-
schwerde des J. E. die Betreibung auf Pfändung als un-
zulässig auf.
Gründe: Die betreibende Partei behauptet, die Forderung
betreffe keine im öffentlichen Rechte begründete Leistung,
sondern basiere auf dem zivilrechtlichen Verhältnisse zwischen
der Versicherungsanstalt und dem Versicherten; sie sei daher
keine Steuer, und wenn sie auch gesetzlich den Vorteil des
Pfandrechtes im Liegenden geniesse, so könne sie doch nicht
als grundpfandversicherte Forderung angesehen werden ; daher
sei die Betreibung auf Pfandverwertung unzulässig, eventuell
liege immerhin eine Annuität vor, wofür Art. 41 des B.-Ges.
beide Betreibungswege zur Auswahl gebe. — Die Forderung
ist aber nach hierortiger Anschauung zweifelsohne als eine
im öffentlichen Rechte begründete Leistung an eine öffent-
liche Easse zu taxieren, indem gemäss Brandversicherungs-
gesetz die Versicherung aller im Eanton befindlichen Gebäude
obligatorisch wurde und dio Leitung dieser Anstalt durch die
Organe des Staates und die Dekretierung der Jahresbeiträge
durch den Regierungsrat erfolgt. Diese Beiträge gemessen
laut Gesetz Pfandrecht auf den Versicherungsobjekten und
von diesem Gesichtspunkte aus ist die Frage, ob es nach
dem Wortlaute des Art. 43 B.-Ges. dem Gläubiger anheim-
gestellt sei, diese oder jene Art der Betreibung zu wählen,
80
zu verneinen, vielmehr ist der Gläubiger, wenn die Forderung
so oder so pfandversichert ist, gehalten, die Betreibung auf
Verwertung des Pfandes zu führen.
(Auszüge aus den Verh.-Prot. des Obergerichte des K. Luzern für 1896, S. 6 ff.)
55. Aberkennungsklage des Art. 83 B.-G. betr. Schuld-
betreibung und Konkurs. Kompetenz des Gerichtes des Wohn-
ortes des Betriebenen, der diese Klage erhebt, auch wenn der
Betreibende (jetzt Aberkennungsbeklagte) Franzose ist. Art. 1 et 7
Traité franco-suisse du 15 juin 1869.
Ueber diese Frage folgen hier zwei verschieden motivierte,
auch im Resultate abweichende Urteile.
a) Base Ist a dl. Entscheid des Appellationsgerichtes vom 1. Novem-
ber 1897 i. S. Levaillant & Bollag c. L. & E. Bloch fils.
L. & E. Bloch fils in Paris erhoben gegen Levaillant & Bollag
in Basel vor Basler Betreibungsamt Betreibung für eine ver-
fallene erste Rate im Betrag von Fr. 200. — von einer For-
derung von Fr. 6000. — und erhielten gegen den von den Be-
triebenen erhobenen Rechtsvorschlag Rechtsöffnung, weil sie
für ihre Forderung eine den Erfordernissen des Art. 82 des B.-G.
über Schuldbetreibung und Konkurs entsprechende Schuld-
anerkennung vorlegten. Dadurch wurden die Betriebenen zur
Anstellung der Aberkennungsklage veranlasst. Die Gläubiger
(Beklagten) und das Civilgericht waren der Ansicht, das» diese
Klage in Paris erhoben werden müsse, und zwar nach der
Ausführung des Civilgerichts darum, weil es eine action en
nullité sei, die nach Art. 7 des französisch-schweizerischen
Gerichtsstandsvertrags vor das Gericht in Paris gehöre. Das
Appellationsgericht hat diese Auffassung verworfen, indem es
ausführt :
Es ist rein unerfindlich, wie die Ansicht vertreten werden
kann, die Aberkennungsklage müsse in Paris erhoben werden.
Diese sog. Klage ist ja keine Klage, demande, wie sie der
französisch-schweizerische Gerichtsstandsvertrag im Auge hat,
denn der Aberkennungskläger erhebt keinen Anspruch gegen
den Gegner und will nichts von ihm haben, sondern sie ist
ein Stück der Verteidigung des von dem Kläger auf dem
Wege der Betreibung angegriffenen Beklagten. Sie ist jeden-,
falls nicht die in Art. 7 jenes Vertrages genannte action en
nullité, die nach dem Zusammenhange und der Stellung dieses
Artikels zwischen Konkurs (Art. 6) und Nachlassvertrag (Art. 8)
die Anfechtungsklage wegen Benachteiligung der Gläubiger
ist. Heute handelt es sich um einen persönlichen Anspruch
81
des in Frankreich wohnhaften angeblichen Gläubigers gegen
den hier wohnhaften angeblichen Schuldner, dieser Anspruch
ist nach Art. 1 des genannten Vertrages hier geltend zu
machen und ist auch durch Betreibung hier anhängig ge-
macht worden. Gegen diese Betreibung ist nun Widerspruch
erhoben worden und der Widerspruch bezweckt den Anspruch
auf den Prozessweg und zu gerichtlicher Entscheidung zu
bringen. Es ist selbstverständlich, dass diese gerichtliche Ent-
scheidung durch das hiesige Gericht erfolgen musa und nicht
durch das französische, weil der hiesige Schuldner durch letz-
teres seinem natürlichen Richter entzogen würde. Der Art. 83
Abs. 2 des B.-G. über Betreibung und Eonkurs giebt aus-
drücklich das Gericht des Betreibungsortes als Forum für die
Aberkennungeklage an. Sollte dies, wie heute behauptet wird,
nur für schweizerische Gläubiger gelten, nicht aber für fran-
zösische, so wäre der Schweizer schlechter gestellt als der
Franzose und stände sogar nach der hier abgelehnten An-
sicht diese Bestimmung des Art. 83 im Widerspruch mit
Art. 59 der Bundesverfassung. Und übrigens hat das Bundes-
gericht in einem noch viel signifikanteren Falle, wo Zweifel
allenfalls denkbar wäre, in dem Falle einer Rückforderungs-
klage auf eine wegen Versäumung eines Rechtsvorschlages
bezahlte Summe, diese Klage am schweizerischen Betreibungs-
orte gegen einen betreibenden französischen Gläubiger zuge-
lassen (Cause Giron, a. S. d. b.-g. Entsch., XXI, S. 723 ff.).
b) Genève. Jugement de la Cour de justice civile du 27 février 1897
d. 1. e. Calandri er. e. Julliard.
Galandrier, propriétaire à Bonne sur Menoge (Haute-
Savoie), est porteur d'an commandement de payer la somme
de fr. 94.85, auquel le débiteur Julliard, laitier à Genève, a
fait opposition; mainlevée provisoire de cette opposition a
été donnée par jugement du Tribunal de lr* instance. Julliard
a alors, en application des dispositions de l'art. 83 de la loi
sur la poursuite pour dettes, formé contre Calandrier une
action en libération de dette qu'il a portée devant le tribunal
de Genève; il a soutenu que Calandrier était son créancier
en vertu du billet de change qui avait été la cause du com-
mandement, lui-même était, d'autre part, créancier de Calan-
drier de la gomme de fr* 76. — , pour fournitures et travaux, et
qu'il avait le droit d'exoiper de compensation entre les deux
créances. — Calandrier a méconnu devoir la somme réclamée
par Julliard; il a contesté, en outre, la compétence des tri-
bunaux genevois pour statuer sur cette demande reconven-
82
tionnelle et cela en raison de sa qualité de Français et de
son domicile en France.
Le tribunal a déclaré qu'il ne pouvait être appelé à se
prononcer sur l'action en libération de dette qui constituait,
en réalité, une demande personnelle et mobilière contre un
Français domicilié en France; que les dispositions de la loi
fédérale sur la poursuite pour dettes ne peuvent déroger à,
celles du Traité franco-suisse de 1869 sur la compétence qui
oblige à poursuivre les actions mobilières devant le juge na-
turel du défendeur; le tribunal, dans son dispositif, ne se dé-
clare pas incompétent, mais déboute Julliard de sa demande.
Appel a été formé par Julliard. La Cour a prononcé la
compétence du juge genevois, sauf à ce juge à renvoyer à
statuer jusqu'à ce que le demandeur ait obtenu du juge fran-
çais une décision sur la prétention base de Paction en libé-
ration.
Motifs: Il y a une contradiction, au moins apparente,
entre la disposition de Part. 83 Loi P. et F., qui dit que le
for de l'action en libération de dette est le même que le for
de la poursuite, et les dispositions de Part. 1" du Traité franco-
suisse de 1869, qui réserve au Français domicilié en Franoe
la compétence du juge de son domicile.
Admettre le système du premier juge, et déclarer la juri-
diction suisse incompétente, aurait pour conséquence de donner
une situation privilégiée au créancier français, domicilié en
France, poursuivant un débiteur suisse domicilié en Suisse,
puisque ce dernier serait en réalité privé de la faculté d'in-
tenter Paction en libération de dette, prévue par la loi sur
la poursuite, et que la main-levée provisoire prononcée en
faveur de son créancier serait fatalement transformée en main-
levée définitive au bout de dix jours. En effet, une action en
libération de dette ne pourrait que fort difficilement être
formée devant le juge français du domicile du débiteur, dans
le délai indiqué, et ce juge français, ignorant ce que c'est
cette action en libération de dette prévue par la loi suisse,
devra probablement refuser de s'en nantir sous cette forme.
Il convient plutôt d'admettre que la procédure spéciale
prévue par la loi sur la poursuite, sous le nom d'action en
libération de dette, doit, dans tous les cas, et même lors-
qu'elle est dirigée contre un Français domicilié en France, être
formée au for de la poursuite devant le juge suisse qui a
connu de Paction en main-levée, sauf à ce juge, s'il est in-
compétent pour connaître du fond de cette demande, à sur-
seoir à statuer jusqu'à ce que le demandeur ait obtenu du
83
juge du domicile en France, une décision judiciaire sur le
bien fondé de l'action sur laquelle il se base pour prétendre
être libéré de sa dette. Il appartient alors au juge suisse du
for de la poursuite de décider, d'après les règles de la pro-
cédure ordinaire, et sur le ru des décisions judiciaires rendues
en France, si, et dans quelle mesure le débiteur doit être
considéré comme libéré de sa dette, et de déterminer dans
quel délai ce dernier doit rapporter la preuve de sa libération
partielle OU totale. (La Semaine judiciaire, XIX p. 230 ss.)
Anmerkung. Gegen dieses letztere Urteil dürfte Folgendes
einzuwenden sein: Art. 1 des Staatsvertrages hindert nicht, dass
der Beklagte persönliche Ansprüche gegen den Kläger compen-
sando am Orte der Klage (also nicht am Wohnorte des Klägers)
vorbringen kann und dass über diese Ansprüche rechtskräftig ent-
schieden wird. Ist die Kompensationseinrede gegen Klagen zu-
lässig, so mus8 sie auch gegen Betreibungen zulässig sein. Wenn
der Schuldner (Betriebene) dann infolge bewilligter Rechtsöffnung
die Kompensation in der Form der Aberkennungsklage anbringen
mu8s, so bleibt doch das, was er verlangt, materiell immer noch
Kompensation. Sein Recht, die zur Kompensation gebrachte Gegen-
forderung an seinem (des Schuldners) Forum zur Entscheidung zu
bringen, kann nicht durch den zufälligen Umstand geschmälert
werden, dass der Kläger, statt mit der ordentlichen Klage, gleich
mit der Betreibung vorgehen kann.
56. Lettre de change acceptée. Poursuite; exception de
crainte inspirée sans droit par le tireur à l'acceptant; opposition
irrecevable. Art. 182, 185 L. P. et F.
Yand. Jugement da Tribunal cantonal du 14 décembre 1897 dans
la cause Fleury c. veuve Urfer.
G. Fleury est porteur d'une lettre de change tirée par
Ch. Bochat sur veuve Urfer et acceptée par cette dernière.
A Péchéance, veuve U. a refusé le 'paiement par le motif
qu'elle avait signé l'effet de change sous l'empire d'une crainte
que lui aurait inspirée sans droit le tireur. G. F. ayant fait
notifier un commandement de payer à veuve U., celle-ci a
opposé la cause susdite et invoqué l'art. 182 L. P. Elle expose
que son consentement a été vicié par les manœuvres de Bochat,
que l'obligation de change est donc radicalement nulle et
l'exception invoquée affecte la lettre de chance elle-même.
Le Président du tribunal d'Aubonne a déclaré 1 opposition de
veuve U. recevable, par les motifs suivants: Si dame U.,
84
comme elle F allègue, n'a signé son acceptation sur l'effet de
change que sous l'empire d'une crainte fondée que lui aurait
inspirée sans droit le sieur R., elle n'est point obligée; l'ex-
ception soulevée affecte la lettre de change elle-même.
Le Tribunal cantonal a réformé cette décision et déclaré
irrecevable l'opposition de veuve U.
Motifs: Considérant que 6. F. est fondé à invoquer les
dispositions de l'art. 185 L. P. pour recourir à l'instance supé*
rieure ;
Considérant que veuve U. fonde son opposition sur les
§§ 1 et 2 de l'art. 182 L. P. qui disposent que le juge déclare
l'opposition recevable lorsque le débiteur allègue la fausseté
du titre, et que son dire paraît vraisemblable, ou lorsqu'il
soulève une exception admissible en matière de lettre de change
et qu'elle paraît fondée.
Qu'en l'espèce, il ne saurait être question de l'application
de ce § 1, car veuve U., loin d'alléguer la fausseté du titre,
reconnaît expressément avoir revêtu de son acceptation et
signé la lettre de change dont F. est porteur.
Considérant que les exceptions de simulation et de fraude
ne rentrent pas parmi celles qui sont spéciales au droit de
change.
Que dès lors le débiteur ne peut les opposer à un tiers
que si elles lui compétent directement contre ce dernier.
Que veuve U. basant son opposition sur les dispositions
de l'art. 24 C. 0. concernant le dol, il y a là uniquement une
question de droit civil, complètement étrangère au porteur du
titre, à discuter uniquement entre le tireur Ch. R. et la débi-
trice veuve U.
(Journal des tribunaux, XL VI p. 134 §8.)
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
57. ArU57 B.-Ges. betr. die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893. Art. 10, 16 0. R. — B.-Ges. betr. die
civilrechüichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter
vom 25. Juni 1891. — Anwendbarkeit des eidgenössischen Rechts
als Voraussetzung der bundesgerichtlichen Kompetenz. Die Schen-
kung uniersteht nach Form und Inhalt dem kantonalen Rechte.
Die Einrede der Simulation beurteilt sich nach demjenigen Rechte,
welchem das erklärte Rechtsgeschäft untersteht. Inwieweit ist
wegen Verletzung des Bundesgesetzes betr. die dvürechtUchen Ver-
hältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter die Berufung
an das Bundesgericht statihaftt
Die erhobene Vindikationsklage gründet sich darauf, dass
der Rechtstitel, welchen die Beklagten für ihr Eigentumsrecht
geltend machen, nämlich die Schenkungen an A. S., in That
und Wahrheit gar nicht bestehen, indem diese Schenkungen
simuliert gewesen seien ; eventuell fechten die Kläger den be-
zeichneten Rechtstitel wegen mangelnder Form und wegen
Verletzung der gesetzlichen Beschränkung der Testierfreiheit
an. Die Entscheidung über die Vindikationsklage fällt somit
zusammen mit der Entscheidung über die Perfektion und
Rechtsbeständigkeit der von den Beklagten behaupteten Schen-
kungen. Hiefür ist aber, da die Regelung der Schenkung nach
Form und Inhalt dem kantonalen Rechte vorbehalten ist,
ausschliesslich kantonales, und nicht eidgenössisches Recht
massgebend. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der
behaupteten Simulation. Denn die Frage, ob die Parteien
die Rechtsfolgen des durch ihre übereinstimmenden Willens-
erklärungen deklarierten Rechtsgeschäftes wirklich gewollt
haben oder nicht, ob also das von ihnen deklarierte Rechts-
geschäft ernst gemeint oder simuliert sei, beurteilt sich nach
demjenigen Recht, dem dieses, d. h. das erklärte Rechtsge-
schäft, untersteht. Nachdem daher die Vorinstanz, gestützt
auf das hiefür massgebende kantonale Recht, angenommen
hat, dass der Thatbestand einer Schenkung vorliege, so ist
86
ihr Entscheid auch bezüglich der Simulation, als einer in casu
rein kantonalrechtlichen Frage, der Ueberprtifung durch das
Bundesgericht entzogen. Was sodann die Frage anbelangt,
welches kantonale Recht, ob das nidwaldensche oder das
luzernische, in casu anwendbar sei, so handelt es sich hier
allerdings um die Anwendung bundesrechtlicher Normen,
nämlich um die Anwendung des Bundesgesetzes betreffend
die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und
Aufenthalter, allein nach Art. 38 dieses Gesetzes sind die
Streitigkeiten, zu denen die Anwendung desselben Anlass
geben kann, nach dem für staatsrechtliche Entscheidungen
vorgeschriebenen Verfahren zu beurteilen; in seiner Stellung
als Berufungsinstanz gegenüber kantonalen Civilurteilen wäre
das Bundesgericht zur Entscheidung solcher Streitigkeiten
nur insoweit kompetent, als es sich dabei um Incidentpunkte
in einer Streitigkeit, die einen nach eidg. Recht zu beurteilen-
den Anspruch betrifft, handeln würde. Dies ist jedoch in
casu, wie bereits bemerkt, nicht der Fall. (Entsch. v. 29. April
1898 i. S. Siegwart c. Siegwart.)
58. Art. 17 0. R. Ein Vertrag, welcher bezweckt, ein (aus-
ländisches) Patent für ein wertloses, geschäftlich unvorteilhaftes
Verfahren zu erwerben, um unter dessen Schutz Waren nach
einem anderen, im Auslande bereits patentierten, geschäftlich vor"
teilhaften Verfahren fabrizieren und im Auslande verbreiten zu
können, ist nichtig. Derselbe verstösst, wenn auch das Recht
des Patentinhabers, dessen Verletzung beabsichtigt ist, bloss auf
ausländischem Rechtssatze beruht und im Inlande nicht geschützt
wird, doch wegen der mit Treu und Glauben im Widerspruch
stehenden Mittel gegen die guten Sitten.
(Entsch. vom 4. März 1898 i. S. Hefti c. F. Hoffmann-
LaRoche & Cie.)
59. Art. 58 B.-Oes. betr. die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893. Art. 50, 51, 61 0. R. Die Berufung
gegen das Endurteil ergreift Teilurteile über den Qrund des An-
spruches auch dann, wenn diese im Adhäsionsverfahren ergangen
sind. Präjudizialität des Strafurteils t Rechiewidrigkeit von Unter-
lassungen. — Mitwirkendes Verschulden der Eltern durch Ver-
nachlässigung der Aufsichtspflicht bei Verletzung eines Kindes.
1. Wenn in einem Strafurteile die Schadenersatzpflicht des
Verurteilten bloss prinzipiell ausgesprochen, die Feststellung
87
der Höhe der Entschädigung dagegen auf den Civilprozessweg
verwiesen wird, so qualifiziert sich das Urteil hinsichtlich des
Civilpunktes als blosses Teilurteil über den Grund des An-
spruches, gegen welches selbständige Berufung an das Bun-
desgericht nicht statthaft ist. Dagegen ergreift die Berufung
gegen das hernach im Civilprozesse ausgefällte Endurteil ge-
mäss Art. 58 Abs. 2 des Org.-Ges. auch das im Adhäsions-
verfahren ergangene Teilurteil, so dass das Bandesgericht
auch über den Grund des Anspruchs frei zu entscheiden hat.
Die Verurteilung im Strafpunkte ist für den Civilanspruoh
nicht präjudiziell.
2. Eine Unterlassung ist nur dann widerrechtlich, wenn
«ie gegen ein besonderes Gebot der Rechtsordnung, durch
welches jemand zu einem Thun verpflichtet wird, verstösst,
oder wenn dieses Thun durch vertragliche Pflichten geboten
ist. Nach der allgemeinen Rechtsordnung aber ist derjenige,
der einen Zustand herstellt, der in erkennbarer Weise die
Gefahr einer Schädigung anderer in sich trägt, aus dieser
Herstellung verpflichtet, das zur Abwendung dieser Gefahr
-erforderliche zu thun; die Unterlassung der die Gefahr ab-
wendenden Vorkehrungen erscheint somit als gegen diesen
Rechtssatz verstossend, d. h. als widerrechtlich (vgl. Amtl.
Samml. Bd XXI S. 625 und Bahr, Gegenentwurf zum Ent-
wurf eines bürgerl. Gesetzbuches, § 788, S. 165).
3, Wenn die Verletzung eines (unzurechnungsfähigen)
Kindes zwar durch fahrlässiges, schuldhaftes Verhalten eines
Dritten herbeigeführt worden ist, dabei aber auch schuldhafte
Vernachlässigung der elterlichen Aufsichtspflicht mitgewirkt
hat, so mindert letzterer Umstand die Ersatzpflioht des
Schädigers, da dessen Schuld nicht die alleinige rechtlich in
Betracht kommende Ursache des Unfalls ist, neben derselben
vielmehr als weiterer Causalfaktor die Schuld der aufsiohts-
pflichtigen Eltern steht. (Entsch. v. 19. März 1898 i. 8. Hör-
lâcher c. Horlacher.)
60. Art. 59 B.-Ges. betr. Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893. Art. 50, 67, 68 0. R. — Streitwert bei
Klagen auf Abwendung zukünftiger Schädigungen eines Grund-
stücks. Aus Art. 50 0. 12. kann nur auf Ersatz bereits ent-
standenen, nicht auf Abwendung erst drohenden künftigen Schadens
geklagt werden. Begriff des „Werkes" im Sinne der Art. 67 und
68 0. R. Bedeutung und Tragweite der letzteren Bestimmung.
1. Bei Klagen, welche auf die Abwendung zukünftiger
Beschädigungen eines Grundstückes gerichtet sind, ist als
K'
88
Streitwert im Zweifel der Wert des angeblich bedrohten
Grundstückes zu betrachten.
2. Art. 50 0. R. verleiht nur ein Elagreoht auf Ersatz
eines bereits entstandenen, nioht auf Abwehr eines erst
drohenden; künftig möglichen Schadens. Darüber, inwie-
weit der Grundeigentümer Arbeiten auf dem Nachbargrund-
stücke dulden muss oder sich denselben (schädlichen Bauten
u. dgl.) widersetzen und deren Einstellung oder Beseitigung
verlangen kann, entscheiden die Bestimmungen des kantonalen
Sachenrechts über Eigentums- und Besitzesschutz. Nur Art.
68 0. B. enthält eine hier einschlagende Bestimmung, welche
indes nicht auf den Schutz des Eigentums, speziell des Grund-
eigentums, sioh beschränkt, sondern auch den Schutz der
Personen im Auge hat.
3. Die Klage aus Art. 68 0. R. setzt voraus, dass der
Kläger (persönlich oder in einer Person, deren Rechte zu
K wahren er gesetzlich verpflichtet ist) oder dass sein beweg-
liches oder unbewegliches Eigentum von dem Gebäude oder
Werke eines anderen her mit Schaden bedroht sei ; dass der
Beklagte Eigentümer dieses Gebäudes oder Werkes sei; dass
der Schaden vom Beklagten durch angemessene Vorkehren
abgewendet werden könne. Dagegen ist (abweichend von
Art. 67 0. R.) nicht erforderlich, dass der drohende Schaden
die Folge mangelhafter Unterhaltung oder fehlerhafter An-
lage oder Herstellung des Gebäudes oder Werkes sei; es
genügt, dass letztere überhaupt Schaden drohen.
4. Als Werk im Sinne des Art 67 und 68 0. R. er-
scheinen nicht nur Anlagen, welche dauernd mit Grund und
Boden verbunden oder in demselben erstellt sind, sondern auch
andere körperliche Anlagen, welche zufolge mangelhafter Be-
schaffenheit in irgend welcher Weise mittelbar oder unmittel-
bar Sachen oder Personen beschädigen können (z. B. auch
ein einfacher Steinhaufen).
5. Dagegen findet Art. 68 0. R. keine Anwendung, wenn
ein Schaden nicht von einem Gebäude oder Werke her,
sondern durch Handlungen eines Dritten (in casu die Be-
seitigung des Abraumes eines Steinbruchs durch Hinunter-
werfen desselben in das Bett eines öffentlichen Flusses) droht.
Hier sind (civilrechtlich) einzig die kantonalen Vorschriften
über Eigentums- und Besitzessohutz anwendbar. (Entsch. v.
11. Februar 1898 i. S. Commune de Corbières c. Bellora.)
89
61. Art. 50, 62 0. R. Art. 1, 2, 4 B.Oes. betr. die Haft-
pflicht aus Fabrikbetrieb vom 25. Juni 1881. Art. 1, 3 B.-Qes.
betr. die Ausdehnung der Haftpflicht u. s. w. vom 26. Aprü 1887.
Begriff des Betriebsunfalles. Die Haftpflichtgesetzgebung normiert
4ie Verantwortlichkeit des Unternehmers für Betriebsunfälle er-
schöpfend. Konkurrenz des Haftpflichtanspruchs mit einem De-
Uktsanspruch. Verhältnis zwischen dem haftpflichtigen Unternehmer
und dem ex delicto Verantwortlichen.
Der in der Ziegelfabrik des Beklagten B. in E. als Ar-
beiter angestellte L. R. wurde, während er in einer zu Ma-
terialgewinnung für die Fabrik benutzten Lehmgrube arbeitete,
von einem stürzenden Baume erschlagen, welcher auf dem an
die Lehmgrube anstehenden Grundstücke des Landwirts D.
gefällt worden war. Der von D. mit dem Fällen des Baumes
betraute Taglöbner St. war dabei in sehr ungeschickter und
unvorsichtiger Weise verfahren. Die Hinterlassen en des
L. R. belangten nun den Ziegelfabrikanten B. und den Land-
wirt D. solidarisch auf Bezahlung eines Schadenersatzes von
12,000 Fr. Das Bundesgericht verurteilte die beiden Be-
klagten zu gleichen Teilen und solidarisch zu einer Ent-
schädigung von Fr. 5400, den Ziegelfabrikanten B. gestützt
auf das Gesetz betr. die erweiterte Haftpflicht, den Landwirt
D. (resp. dessen Erben) gestützt auf Art. 50 und 62 0. R.
Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Haftpfliohtgesetzgebung,
des Verhältnisses des Haftpflichtanspruches zu dem Delikts-
anspruche aus Art 50 ff. 0. R., der Solidarität und des Ver-
hältnisses der beiden Beklagten unter einander ist in den
Entscheidungsgründen bemerkt:
1. B. hat die Anwendbarkeit der Haftpflichtgesetzgebung
für den vorliegenden Fall aus dem Grunde bestritten, weil
es sich nioht um einen Betriebsunfall handle. Nun ist zwar
richtig, class die Haftpflicht aus Fabrik- und Gewerbebetrieb
nicht sohon dadurch begründet wird, dass anlässlich des Be-
triebs, bei einer zum Betrieb gehörenden Beschäftigung, den
Arbeiter eine Verletzung trifft, sondern es muss ein ursäch-
licher Zusammenhang zwischen Betrieb und Verletzung vor-
handen sein. Ein solcher Zusammenhang besteht aber im
vorliegenden Falle. Die Ausbeutung der Lehmgrube war,
mit Rückeicht auf die nächste Umgebung der Grube (das Be-
stehen des hohen Baums, den man zu fällen begonnen hatte)
eine gefährliche Arbeit. Es bestand eine in den örtlichen
Verhältnissen dieses Arbeitsplatzes begründete Gefahr, also
eine Gefahr, die mit dem Betriebe zusammenhing. Indem
sich nun diese Betriebsgefahr durch das Hereinfallen des
90
Baumes in die Grube verwirklichte, handelte es sich somit in
der That um einen Betriebsunfall, und es findet danach für
die Frage, ob und in welchem umfange B. für die Folgen
der Tötung des B. einzustehen habe, die Haftpflichtgesetz-
gebung Anwendung. . . . Diese normiert aber die Haftung des
Unternehmers für Betriebsunfälle in erschöpfender Weise,
weshalb gegenüber B. rücksichtlich des vorliegenden Falles,
auf welchen die Haftpflichtgesetzgebung Anwendung findet,
das gemeine Recht des Schadenersatzes für unerlaubte Hand-
lungen nicht Platz greift (s. bundesgerichtl. Entsch., Amtl.
Samml. Bd XIX S. 188 E. 3, und Entsch. in Sachen Viglia
c. Hitz & Cie, v. 14. Juli 1897).
2. Rücksichtlich der Haftung dritter Personen dagegen,
welche an dem Betriebsunfall ein Verschulden tragen, stellt
die Spezialgesetzgebung (abgesehen von dem in Art. 4 des
Fabrikhaftpflichtgesetzes vorgesehenen Regressrechte des Be-
triebsunternehmers) keine besonderen Bestimmungen auf; sie
unterstehen dem gemeinen Recht, und es berechtigt nichts
zu der Annahme, dass durch die Existenz eines Haftpflicht-
anspruchs der gemeinrechtliche Schadenersatzanspruch gegen
diese dritten Personen konsumiert werde. Vielmehr bestehen
beide Ansprüche konkurrierend neben einander und beeinflussen
sich nur insoweit, als sie das zu befriedigende rechtliche
Interesse gemeinsam haben, was zur Folge hat, dass der eine
Anspruch in dem Umfange als zwecklos d ah infällt, als mittels
Durchführung des andern die Befriedigung erlangt ist (vgl.
Regelsberger, Pand. I § 186). Die auf Art. 50 ff. 0. R. ge-
stützte Schadenersatzklage gegen die Erben D. ist also dadurch
nicht ausgeschlossen, dass den Klägern wegen des gleichen
Schadens die Haftpflichtklage offen stand und von ihnen er-
hoben worden ist.
3. Wenn die Beklagten sich schliesslich dagegen ver-
wahrt haben, dass eine Solidarhaft unter ihnen angenommen
werde, so ist dazu zu bemerken, dass es sich hier nicht um
einen gegen mehrere Mitverpflichtete gemeinsam gerichteten
Rechtsanspruch handelt, aus welchem jede der beiden beklagten
Parteien zu einer Quote verpflichtet wäre, sondern um eine
Mehrheit selbständiger, von einander verschiedener Rechts-
ansprüche, von welchen jeder, soweit er überhaupt reicht, auf
volle Befriedigung des klägerischen Interesses geht. Es haftet
danach jede der beklagten Parteien nach Massgabe des gegen
sie durchgeführten Rechtsanspruchs in solidum für den Schaden
der Kläger. Da jedoch die einmalige Befriedigung des kläge-
rischen Interesses alle zum Schutze desselben bestehenden
91
Rechtsansprüche tilgt, ist immerhin, nach den Grundsätzen
über ungerechtfertigte Bereicherung, ein Rückgriffsrecht unter
den mehreren Verpflichteten anzuerkennen, und somit zu
bestimmen, in welchem Verhältnisse dieselben unter einander
an die Entschädigung der Kläger beizutragen haben. In
Würdigung aller Umstände rechtfertigt es sich, die Anteile
unter den beiden beklagten Parteien, dem Beklagten B. einer-
seits und den Erben D. andrerseits, gleichmässig anzusetzen.
(Ent8ch. v. 25. Februar 1898 i. S. Bucheli u. Erben Degen c.
Riochetti.)
62, Art. 76 0. R. Verträge über die Veräusserung von Erb-
Schäften oder Erbschaftsanteilen unterstehen, auch wenn sie bereits
angefallene Erbschaften betreffen, wegen ihres nahen Zusammen-
hangs mit dem Erbrechte, dem kantonalen Rechte.
Les ventes de succession ou de parts de succession, sur-
tout lorsqu'elles ont trait à une succession déjà ouverte, ne
produisent pas à la vérité des effets de droit successoral, mais
uniquement de droit contractuel. Mais l'objet de ces ventes
est une hérédité et il faut dès lors que le droit cantonal,
auquel la législation en matière de droit de succession est
réservée, puisse également régler la question de savoir dans
quelle mesure une succession peut être aliénée, môme avec
effet purement contractuel, et quelles sont les conditions de
validité et d'efficacité de l'aliénation. De fait plusieurs légis-
lations cantonales renferment des dispositions particulières
concernant les aliénations d'hérédité, dispositions soumettant
celles-ci à des formes spéciales ou prévoyant que la vente à
un tiers, c'est-à-dire à une autre personne qu'un cohéritier,
d'une part à une succession non partagée est nulle ou peut
être rendue inefficace par les cohéritiers moyennant rem-
boursement à l'acheteur du prix payé par lui, ou enfin réglant
d'une manière spéciale la garantie due par le vendeur et la
responsabilité de l'acquéreur vis-à-vis des créanciers de la
succession (Voir Huber, Schweiz. Privatrecht II, page 344 et
suiv.). Les contrats d'aliénation de succession ont ainsi
avec le droit de succession des rapports tels que Ton doit
leur appliquer aussi la réserve du droit cantonal, contenue
dans l'art. 76 C. 0.7 relative à la formation des obligations
qui ont leur source dans le droit de succession. C'est dès
lors au droit cantonal qu'il appartient de décider si les
ventes de succession sont soumises, quant à leur validité,
aux principes généraux du G. 0. sur l'erreur, le dol et la
violence ou si des règles spéciales leur sont applicables; c'est
92
au droit cantonal à établir quelles sont les circonstances qui
peuvent vicier ces contrats et les rendre nuls. En tant que
les législations cantonales ne renferment pas de dispositions
particulières sur la matière, les principes généraux au G. O.
peuvent sans doute être appliqués; mais ils ne le sont pas
dans oe cas comme règles de droit fédéral, de par la volonté
du législateur fédéral, mais comme droit cantonal subsidiaire,
de par la volonté du législateur cantonal, qui n'a pas établi
de règles particulières pour les contrats en question, mais les
a soumis aux principes généraux du G. O. en vertu de sa
compétence législative propre. Ce n'est plus alors le droit
fédéral qui est appliqué, mais le droit cantonal. (Entsch. v.
23. April 1898 i. S. Ruegger c. Scheimbet.)
63. Art 192, 193, 198, 500, 507 O. R. Das Gewähr Leistung s-
versprechen des Cedenten für die Güte der abgetretenen Forderung
ist keine Bürgschaft, sondern begründet eine selbständige Ver-
pflichtung des Cedenten. Art. 500 O. R. findet auf dasselbe keine
Anwendung, Die Gewährleistungspflicht des Cedenten richtet sich
auch bei Abtretung grundversicherter Forderungennach dem eidg. 0. R.
1. Auf das Garantie versprechen des Cedenten für die
Güte der abgetretenen Forderung finden die Grundsätze der
Bürgschaft keine Anwendung. Denn trotzdem der wirtschaft-
liche Zweck, den das Garantieversprechen des Cedenten, wie
seine Gewährleistungspflicht überhaupt, verfolgt, mit demjenigen
der Bürgschaft grosse Verwandtschaft zeigt, ist die rechtliche
Natur beider Haftungen gänzlich verschieden: bei der Bürg-
schaft wird lediglich die akzessorische Haftung für eine fremde
Schuld übernommen, während das Garantieversprechen des
Cedenten, wie seine Gewährleistungspflicht überhaupt, eine
selbständige Verpflichtung des Cedenten begründet (vgl.
Schliemann, die Haftung des Cedenten S. 16 f.; Hafner, Komm,
z. Oblig.-Recht, 2. Aufl. S. 294 f.; Attenhofer, in Zeitschr. für
Schweiz. Recht, N. F. Bd IX S. 315 ff.). Art. 500 0. R. findet
daher auf das Gewährleistungsversprechen des Cedenten keine,
auch nicht analoge Anwendung, da diese Vorschrift ihren
Grund lediglich im Wesen der Bürgschaft als eines streng
akzessorischen Rechtsgeschäftes hat.
2. Die Gewährleistungspflicht des Cedenten fallt nicht
unter den Vorbehalt des Art. 198 0. R. Zwar lautet der
Vorbehalt des Art. 198 ganz allgemein zu Gunsten des kan-
tonalen Rechts, ähnlich demjenigen des Art. 231 für Liegen-
schaftenkäufe, und man könnte deshalb versucht sein, betreffend
93
-die Abtretung grundversicherter Forderungen ganz allgemein,
also auch in Bezug auf die Frage der Gewährleistungspflicht des
Abtretenden, das kantonale Recht als massgebend zu betrachten.
Hiefür spräche auch die Stellung des genannten Artikels am
Schlüsse des Titels über Abtretung der Forderungen. Allein
gleichwohl kann diese Folgerung nicht gezogen werden, wenn
auf den Grund und Zweck dieses Vorbehaltes zurückgegangen
wird. Der genannte Vorbehalt findet nämlich seine rationelle
Erklärung einzig in dem engen Zusammenhang, welcher
zwischen dem Rechte der grundversicherten Forderungen und
dem durch das kantonale Recht geregelten Immobiliarsachen-
recht besteht, wie insbesondere aus Art. 507 0. R. hervorgeht.
Ein solcher enger Zusammenhang wäre bezüglich der Frage
der Gewährleistungspflicht des Gedenten einer grundversicher-
ten Forderung nur dann vorhanden, wenn die Gewährleistungs-
pflicht unmittelbar aus der Thatsache der Abtretung folgen
würde. Dies ist aber nicht der Fall; vielmehr ist mit der
jetzt unbestritten herrschenden Theorie (vgl. Windscheid, Pand.
7. Aufl. Bd II S. 253 Anm. 3, und Attenhofer, a.a. 0.) zu sagen,
da88 diese Gewährleistungspflicht des Gedenten aus dem der
Cession zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfte, bezw. aus einem
besondern Garantieversprechen folgt; für das Schweiz. Obli-
gationenrecht ergiebt sich dies augenscheinlich daraus, dass
Art. 192 u. 193 zwischen der entgeltlichen und der unentgelt-
lichen Abtretung bei der Frage der Gewährleistungspflicht
des Abtretenden für den Bestand der Forderung unterscheiden
und somit auf den Grund der Abtretung zurückgehen (vgl.
auch Hafner, Komm. 2. Aufl. Art. 184 Anm. 1). Bezieht sich
demnach der Vorbehalt des Art. 198 0- R. schon im allge-
meinen nicht auf die Gewährleistungspflicht des Abtretenden,
auch nicht auf die gesetzliche für den Bestand der Forderung,
so ganz besonders nicht auf die hier in Betracht kommende
Gewährleistung für die Güte der Forderung aus einem be-
sonderen Garantieversprechen ; denn diese Haftbarkeit ist von
der Abtretung weit unabhängiger, als jene gesetzliche für den
Bestand der Forderung. (Entsch. v. 12. Februar 1898 i. S.
Frey-Wahli c. Kratzer.)
64. Art. 192, 493 0. R. Voraussetzungen für Belangung des
Hochburgen. Gewährsversprechen des Cedenten und Bürgschaft.
1. Wie die Konkurseröffnung über den Hauptschuldner
zur Belangung des einfachen Bürgen (vgl. Hafner, Komment.
ä. Oblig.-Recht, 2. Aufl. Art. 493 Anm. 5; Schneider u. Fick,
94
Komment, z. Oblig.-Becht, grosse Ausgabe, Art. 493 Anm. 3)^
so genügt zur Klagbarkeit des Anspruchs gegen den Nach-
bürgen (vgl. Hafner a. a. 0. Anm. 3 b) die Thatsaohe, dass
über Hauptschuldner und Vorbürgen der Konkurs eröffnet
worden ist..
2. Das Gewährleistungsversprechen des Cèdent en ist nicht
als Bürgschaft, sondern als selbständige Verpflichtung aufzu-
fassen, wie dies das Bundesgericht in seinem Urteile vom
13. Februar 1898 in Sachen Frei-Wahli c. Kratzer des nähern
ausgeführt hat. Der Satz sodann, der (Nach-)Bürge einer
mit Gewährleistung cedierten Forderung könne erst dann be-
langt werden, wenn der Cèdent erfolglos ausgeklagt worden
sei, ist in dieser Allgemeinheit entschieden unrichtig ; bezieht
sich doch die Gewährleistung in der Regel auf die ganze
Forderung mit allen ihren Sicherheiten ; regelmässig wird dann,
wenn die Bürgschaft vor der Cession eingegangen wurde, der
Bürge sogar vor dem Cedenten belangt werden müssen.
(Ent8ch. vom 5. März 1898 i. S. Steiger c. Geschw. Küchen-
mann.)
65. Art. 346 OR.
Art. 346 0. R. kommt zur Bestimmung der ökonomischen
Folgen der vorzeitigen einseitigen Aufhebung eines Dienst-
vertrages nur dann zur Anwendung, wenn wichtige Gründe
zur Auflösung des Dien st Vertrages vorlagen, und der Schluss-
satz dieses Artikels speziell regelt nur aen Fall, wo wichtige
Gründe vorhanden waren, aber keiner Partei ein vertrags-
widriges Verhalten zur Last fällt (vgl. Hafner, Komm. z.
Obl.-Recht, 2. Aufl. Art. 346 Anm. 7). (Entsch. v. 29. Januar
1898 i. S. Gebr. Schonlau c. Borgas/
66. Art 524, 531, 329 0. R. Begriff der Gesellschaft. Ge-
sellschaft oder rnodificiertes Darlehn f
Der Begriff des Gesellschattsv ertrages nach eidg. Obli-
gationenrecht setzt die Vertragsmeinung voraus, dass jeder
Gesellschafter nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust
(wenn auch nicht zu gleichen Teilen) zu partizipieren habe.
Eine Verabredung, dass ein Gesellschafter nur am Gewinn,
nicht aber am Verlust Anteil haben solle, ist nach Art. 531
0. R. nur dann zulässig, wenn der betreffende Gesellschafter
zum gemeinsamen Zwecke Arbeit beizutragen hat; daraus
ergiebt sich, dass eine Verabredung, wonach eine Partei, welche
sich an einem Unternehmen mit einer Vermögenseinlage
95
beteiligt, nur am Gewinn, nicht aber am Verlust beteiligt
sein soll, mit der Natur des G-esellschaftsverhältnisses im
Sinne des Gesetzes unverträglich, ein derartiger Vertrag also
nicht als Gesellschaftsvertrag zu betrachten ist. Wenn eine
Geldsumme eingeschossen wird, die unter allen Umständen
ungeschmälert zurückzuerstatten ist, und dem Einleger ein
Gewinnanteil zugesichert wird, so liegt ein modifizierter
Darlehnsvertrag vor, bei welchem der Gewinnanteil den Zins
vertritt. (Entsch. v. 11. Februar 1898 i. S. Böhler und Gen.
c. Stapfer.)
67. Art. 530 Abs. 3 0. R. Diese Bestimmung findet auf
Vereinbarungen über die Bedingungen des Austritts eines Gesell-
schafters und dessen Abfindung keine Anwendung.
Art. 530 Abs. 3 0. R. bezieht sich, wie aus dem Zu-
sammenhang, insbesondere mit Abs. 1 und 2 desselben Artikels,
deutlich erhellt, auf Vereinbarungen zum Zwecke der Be-
gründung, bezw. Fortsetzung eines Gesellschaftsverhältnisses;
sie stellt für dieselben die Präsumtion auf, dass mit Bezug
auf die Chancen des Gelingens oder Missltngens des Unter-
nehmens keine bevorzugte Stellung unter den einzelnen Ge-
sellschaftern geschaffen werden wolle, und daher, sofern die
Anteile derselben ungleich bestimmt worden seien, davon
auszugehen sei, dass das gleiche Verhältnis für Gewinn wie
für Verlust gelten solle. Dagegen findet Art. 530 Abs. 3
O. R. keine Anwendung auf Vereinbarungen, durch welche die
Bedingungen des Austritts eines Gesellschafters, speziell dessen
Abfindung normiert werden. Hier handelt es sich nicht, wie
bei der Begründung der Gesellschaft, um die Erreichung eines
gemeinsamen Zweckes mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln,
und es lässt sich deshalb bei dieser Vereinbarung auch nicht,
wie beim Gesellschattsvertrag, aus der Natur des Vertrages
selbst die Vermutung herleiten, dass eine vereinbarte Gewinn-
beteiligung ohne weiteres auch als Beteiligung an einem
eventuellen Verluste gemeint sei. Eine Vereinbarung des
Inhaltes, dass der ausscheidende Gesellschafter mit Rück*
nähme seines buchmässigen Guthabens und dem Recht auf
Anteil eines im laufenden Geschäftsjahre sich noch ergeben-
den Gewinns, ohne Beteiligung an einem eventuellen Verlust,
abgefunden sein solle, kann angesichts des Verzichts, den der
Austretende leistet, in den Verhältnissen sehr wohl als be-
gründet erscheinen. Die Annahme, dass mit der Beteiligung
des Beklagten an einem Gewinn des Jahres 1895 zugleich
auch dessen Beteiligung an einem Verlust ausgesprochen sei,
96
erscheint demnach nicht als selbstverständlich. (Im Weiteren
wird ausgeführt, dass in concreto eine solche Beteiligung am
Verlust überhaupt nicht als vereinbart gelten könne.) (Entsoh.
vorn 18. März 1898 i. S. Durand, Huguenin & Cie o. d'Ândiran.)
68. Art 545 Ziff. 1 ff., 547, 572 ff., 611 0. R. Klage auf
Auflösung einer Eommanditgeseüschaft Unmöglichkeit der Er-
reichung des Gesellschaftszweckest Wichtige Gründe zu vorzeitiger
Auflösung der Gesellschaft Der ausschliesslich oder hauptsäch-
lich schuldige Gesellschafter kann letztere nicht verlangen.
1. Die Klage auf Auflösung einer Kommanditgesellschaft
muse, wie sie jedem Gesellschafter, dem Kommanditär wie
dem Komplementär, zusteht, so auch gegen jeden Gesell-
schafter gerichtet sein, der nicht selber seine Zustimmung
zur Auflösung gegeben hat. Und zwar ist keineswegs not-
wendig, dass die Zustimmung vor Anstellung der Klage er-
teilt sei (vgl. Renaud, Kommanditgesellschaft S. 457) ; denn
da der Gesellschafter die Zustimmung ohne Zweifel im Prozesse
durch Anerkennung der Klage erklären kann, ist nicht ein-
zusehen, weshalb er sie nicht auch aussergerichtlich nach An-
hebung des Prozesses sollte erteilen können.
2. Der Zweck der Gesellschaft kann dann nicht mehr
erreicht werden, wenn das Handelsgewerbe, zu dessen Be-
treibung sie geschlossen wurde, überhaupt nicht mehr oder
doch nicht mehr mit Vorteil, mit Nutzen fiir die Gesellschafter
betrieben werden kann. In diesem Falle trifft Art. 545 Ziff. 1
O. R. zu; nicht dagegen schon dann, wenn infolge von Zer-
würfnissen zwischen einzelnen Gesellschaftern ein gedeihliches
.Zusammenwirken derselben ausgeschlossen ist. Dagegen kann
wegen eines derartig feindseligen oder unerträglichen Verhält-
nisses einzelner Gesellschafter nach Art. 547 O. R. die vor-
zeitige Auflösung einer Gesellschaft aus wichtigen Gründen
von einem der Gesellschafter verlangt werden. Dabei ist
indessen als leitendes Prinzip festzuhalten, dass der Teil, der
dieses Verhältnis allein oder doch hauptsächlich verschuldet
hat, daraus keine Rechte für sich herleiten kann, nach dem
allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass einem derartigen Ansprüche
die Einrede der Arglist entgegensteht (vgl. Urteil des Bundes-
gerichts i. S. Dürr c. Billeter, Amtl. Samml. Bd XII S. 199
Erw. 5). (Entsch. vom 19. März 1898 i. S. Senglet o. Mühle-
thaler.)
97
89. Art 576, 577, 578 0. R. Die Ausschliessung eines Kol-
lektivgesellsehafters kann nicht durch Beschluss der übrigen Teil-
haber, sondern nur durch richterlichen Entscheid ausgesprochen
werden.
Die Ausschliessung eines Kollektivgesellachafters kann
grundsätzlich nicht durch Mehrheitsbeschluss der Teilhaber,
sondern nur durch richterlichen Entscheid ausgesprochen werden.
Wenn Art. 576 0. R. bestimmt, es dürfe, unter den daselbst
bezeichneten Voraussetzungen, auf Ausschliessung erkannt
werden, die Ausschliessung somit, selbst wenn diese Voraus-
setzungen zutreffen, dem Richter nicht unbedingt vorgeschrieben,
sondern nur gestattet, also seinem Ermessen anheimgestellt
wird, so ist damit ausgesprochen, dass bei der Frage der
Ausschliessung eines Gesellschafters die richterliche Thätig-
keit nicht auf die Entscheidung über die Rechtmässigkeit
einer von den übrigen Teilhabern beschlossenen Ausschliessung
beschränkt, sondern dass die Verhängung dieser Massregel
selbst in die Hand des Richters gelegt sei. Damit stimmt
überein, dass die Gründe, aus welchen das Ausscheiden eines
Kollektivgesellschafters durch einfachen Beschluss der übrigen
Gesellschafter herbeigeführt werden kann, in Art. 577 Abs. 1
besonders aufgeführt sind, während in Art. 578 wiederum aus-
drücklich die Verfügung des Richters für den Fall vorgesehen
ist, dass die Auflösung wegen einer andern, vorwiegend in
der Person des einen Gesellschafters liegenden Ursache ge-
fordert wird. Diese Auffassung des Gesetzes entspricht denn
auch durchaus der Natur der Sache, indem ein Gesellschafter,
dessen Ausschliessung angestrebt wird, gegen Gewaltthätigkeit
seiner Mitgesellschafter nur dann wirksam geschützt ist, wenn die
Ausschliessung grundsätzlich dem Richterspruch anheimge-
stellt ist, und die übrigen Gesellschafter inzwischen zur
Wahrung ihrer Interessen auf die Erwirkung allfälliger vor-
sorglicher Massnahmen beschränkt bleiben. Auf dem gleichen
Standpunkt steht, wie beiläufig bemerkt werden mag, auch
das revidierte deutsche Handelsgesetzbuch, welches in § 133
diejenige Auslegung des Art. 125 des bisherigen Gesetzes
sanktioniert hat, nach welcher die vorzeitige Auflösung der
offenen Handelsgesellschaft nicht sohon durch das an die Ge-
sellschafter gestellte Verlangen auf Auflösung, sondern erst
durch den Richterspruch herbeigeführt wird. (Entsch. vom
18. März 1898 i. S. Noppel c. Stähli und Schild.)
98
70. Art. 890 0. R. Die kantonalen Gesetze können die Ge-
währsp flicht für Sachmängel beim Viehhandel von einem schrift-
lichen Gewährsversprechen abhängig machen.
Art. 890 0. B. behält bis zum Erlasse eines eidgenössischen
Gesetzes die Vorschriften der kantonalen Gesetzgebung hin-
sichtlich der Gewährleistang wegen Mängel beim Viehhandel
ganz allgemein vor. Der kantonalen Gesetzgebung ist danach
ohne Einschränkung anheimgegeben zu bestimmen , unter
welchen Voraussetzungen eine solche Gewährleistung Platz
greife, sie kann dieselbe also auch vom Vorhandensein eines
schriftlichen Gewährleistungs Versprechens abhängig machen.
Freilich ist nach dem eidg. O. B. der Mobiliarverkauf formlos
gültig und kann die kantonale Gesetzgebung auch für den
Viehhandel nicht das Gegenteil bestimmen, die Gültigkeit
des Kaufes nicht von Beobachtung einer bestimmten Form,
insbesondere der Schriftform, abhängig maohen. Denn in
dieser Hinsicht ist das kantonale Recht im eidg. 0. R. nirgends
vorbehalten. Allein um die Aufstellung einer zur Gültigkeit
des Vertrages erforderlichen Solennitätsform handelt es sich
nun bei Gesetzesbestimmungen, welche die kaufrechtliche Ge-
währspflioht des Verkäufers von einem schriftlichen Gewährs-
versprechen abhängig machen, nicht. Auch insoweit derartige
kantonale Gesetzesvorschriften bestehen, ist der Kauf an sich
formlos gültig, und nur eine einzelne bestimmte Verpflichtung
des Verkäufers, die Gewähr für Sachmängel, von deren
schriftlicher Vereinbarung abhängig. Hinsichtlich der Rege-
lung der Gewähr für Sachmängel nun aber ist ja in Art. 890
0. R. das kantonale Recht vorbehalten. Es ist denn auch,
nach dem Stande der kantonalen Gesetzgebungen zur Zeit
des Erlasses des Obligationenrechts, wohl ohne weiteres klar,
dass der eidgenössische Gesetzgeber, indem er den Vorbehalt
des Art 890 0. R. aufstellte, gerade die Frage nicht ent-
scheiden, sondern einstweilen der Lösung durch die kantonalen
Gesetze vorbehalten wollte, ob die Gewähr für Sachmängel
beim Viehhandel von einem schriftlichen Gewährsverspreohen
abhängig zu maohen sei oder nicht. (Entsoh. vom 23. April
1898 i. S. Gebr. Trachsel c. Bohny.)
71. Art. 2 B.Ges. betr. die Haftpflicht der Eisenbahn- und
Dampfschiffunternehmungen bei Tötungen und Verletzungen vom
1. JuU 1875. Einfiuss der besonderen Verhältnisse der Strassen-
bahnen auf ihre Haftpflicht.
Eisenbahnen, die zu ihrem an sich gefahrvollen Betrieb die
öffentliche Strasse benutzen, müssen beim Fahren eine ent-
99
sprechend grössere Vorsicht aufwenden, als diejenigen, deren
Fahrbahn auf eigenem, abgeschranktem Gebiet liegt. Sie müssen
damit rechnen, dass das Geleise von jedermann, der die öffent-
liche Strasse benutzen darf, betreten werden kann und dass
somit beständig eine, je nach den Orts- und Zeitumständen und
den Verkehrs Verhältnissen grössere oder geringere Gefahr einer
Kollision besteht. Und dabei dürfen sie nicht ausser Acht lassen,
dass nicht allen Personen, die das Geleise zu betreten befugt sind,
in gleichem Masse das Bewusstsein der Gefahr, die hiemit
verbunden sein kann, innewohnt, dass auch Kinder und Leute
mit beschränkter Einsicht sich auf der Strasse aufhalten und
mit der Bahn in Berührung kommen können und dass selbst
der mit solchen Verkehrsmitteln und ihren Gefahren Vertraute
allmählich durch die Gewöhnung dagegen abgestumpft wird,
oder auch nur im Augenblicke, weil seine Gedanken und
seine Aufmerksamkeit sonst in Anspruch genommen sind,
nicht darauf achtet, ob das Geleise, das er betritt, frei sei.
Diese erhöhte Gefahr nun hat gewiss nicht allein für das
Publikum eine erhöhte Diligenzpflicht zur Folge, sondern sie
ist in der Hauptsache durch vermehrte Vorsicht und gegebenen
Falls, wenn diese nicht beobachtet wird oder zur Verhütung
von Unfällen nicht hinreicht, durch die Haftpflicht der Bahn
auszugleichen. Dem entspricht die Anwendung besonderer
Warnungssignale und die Aufstellung spezieller Dienstvor-
schriften, wie derjenigen über die Maximalgeschwindigkeit
und der anderen in § 22 der Konzessionsbedingungen für die
Birsigthalbahn enthaltenen, dass bei drohender Gefahr für den
Zug oder die Passanten auf der Strasse (z. B. beim Scheu-
werden von Pferden) die Fahrgeschwindigkeit zu ermässigen
oder, wenn nötig, der Zug anzuhalten sei. Ueberhaupt folgt
aus der Art des Betriebes, dass das die Lokomotive be-
dienende Personal auf alle Vorkommnisse auf der Strasse
Obacht geben und namentlich darauf achten muss, ob das
Geleise nach vorne frei, oder ob die Gefahr eines Zusammen-
stosses vorhanden sei. Das Personal muss stets auf der Hut
und bereit sein, die nötigen Warnungssignale zu geben, und
je nach den Umständen auch mit andern Mitteln eine Kol-
lision zu vermeiden. In Anwendung dieser Grundsätze wurde
in einem Falle, wo ein elfjähriger taubstummer, sonst aber
gut entwickelter und intelligenter Knabe das Geleise einer
Strassenbahn einige Zeit vor Heranfahren des Zuges betreten
und trotz den gegebenen Warnungssignalen nicht verlassen
hatte und daher schwer verletzt worden war, die Bahngesell-
schaft trotz des angenommenen eigenen Verschuldens des Ver-
100
loteten, wegen wenn auch nicht groben Mitverschuldens de»
Bahnpersonals zu einer (reduzierten) Entschädigung verurteilt.
(Entscb. vom 24. März 1898 i. S. Stamm c. Birsigthalbahn-
ge8ell sohaft.)
72. Art. Ï, 2, 4 B.Ges. betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb
vom 25. Juni 1881. Art 79, 126, 168 0. R. Der Unternehmer,
der für einen Betriebsunfall hat einstehen müssen, tritt nicht in
die Rechte des Beschädigten gegen Dritte ein ; er hat kraft eigenen
Rechtes einen Regressanspruch gegen alle diejenigen, aber nur
gegen diejenigen Personen, welche den Unfall schuldhaft herbei-
geführt haben.
Der Arbeiter St. wurde, während er von der Besorgung
eines Transportes für seinen Dienstherrn, den Unternehmer F.,
mit einem leeren Handwagen zurückkehrte, beim Ueber-
schreiten der Geleise der Société des Tramways Lausannois
von einem herabgefallenen Telephondrahte berührt und erlitt
infolge dessen eine schwere körperliohe Beschädigung. Der
Fall des Telephondrahtes und dessen Gefährlichkeit war da-
durch verursacht worden, dass Arbeiter der Compagnie de
l'Industrie électrique à Genève bei Ausführung der von dieser
Gesellschaft übernommenen Arbeiten für die elektrische Be-
leuchtungsanlage der Central8tation der Société des Tramways
Lausannois den von ihnen nioht beobachteten Telephondraht
in Contact mit der Starkstromleitung des elektrischen Tram-
ways gebracht hatten. St. belangte seinen (der Haftpflicht-
gesetzgebung unterstellten) Dienstherrn, den Unternehmer F.,
gestützt auf die Haftpflichtgesetze, auf Schadenersatz. F.
bestritt die Klage, weil der Unfall nicht beim Betriebe seines
Gewerbes entstanden sei, und rief die Société des Tramways
ins Recht, welche ihm eventuell für die Entschädigung, die
er an St. zu bezahlen haben sollte, aufkommen müsse. Die
Cour civile des Kantons Waadt hat sowohl die Klage des
St. gegen F. als die Regressklage des F. gegen die Société
des Tramways gutgeheissen. Die Entscheidung über die Klage
des St. gegen F. ist in Rechtskraft erwachsen, dagegen ergriff
die Société des Tramways gegen die Entscheidung über die
Regressklage die Berufung an das Bundesgericht. Das Bundes-
gericht hat letztere Klage abgewiesen, indem es im Wesent-
lichen ausführte : Die Klage stütze sich auf Art. 4 des Fabrik-
haftpflichtgesetzes. Nun räume zwar diese Gesetzesbestimmung
dem haftpflichtigen Unternehmer einen Rückgriff nicht nur
gegen diejenigen Personen ein, für deren Verschulden er nach
Art. 1 des Fabrikhaftpflichtgesetzes einzustehen habe, sondern
101
überhaupt gegen alle Personen, welche einen nach Art. 2 des
Fabrikhaftpflichtgesetzes vom Unternehmer zu vertretenden
Betriebsunfall schuldhaft herbeigeführt haben. Dagegen be-
stimme Art. 4 cit. keineswegs, dass der Unternehmer in die
Rechte des Beschädigten gegen die diesem kraft des
gemeinen Rechtes oder kraft Spezialgesetzes haftenden Per-
sonen eintrete. Eine solche Subrogation ergebe sioh auch
weder aus anderweitigen Gesetzesbestimmungen (Art. 126,
79, 168 0. R.), noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. F.
könne sich daher zur Begründung seines Anspruchs gegen
die Société des Tramways nicht auf das Eisenbahnhaftpflicht-
ge8etz berufen, welches nur dem Verletzten einen Anspruch
gegen die Eisenbahnunternehmung gewähre, sondern es stände
ihm ein solcher nur dann, kraft eigenen Reohtes, zu, wenn
die Société des Tramways oder ihre Leute ein Verschulden
träfe. Das sei aber nicht der Fall, da der Unfall vielmehr
durch die Compagnie de l'Industrie électrique à Genève resp.
ihre Leute ohne Mitverschulden der Société des Tramways
herbeigeführt worden sei. (Entsch. vom 27. April 1898 i. S.
Société des Tramways Lausannois c. Ferrari.)
73. Art 1 B.Ges. betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb vom
25. Juni 1881. Art. 2 B.-6es. betr. die Ausdehnung der Haft-
pflicht u. s. v). vom 26. April 1887. Die Haftpflicht des Unter-
nehmers besteht nur gegenüber Angestellten und Arbeitern; zu diesen
gehören Unterakkordanten der Regel nach nicht
Haftpflichtberechtigt sind nach Art. 1 des Fabrikhaft-
pflichtgesetzes vom 21. Brachmonat 1881 nur die Angestellten
und Arbeiter des Unternehmers; und durch das erweiterte
Haftpflichtgesetz vom 26. April 1887 ist der Kreis der Be-
rechtigten in dieser Richtung nicht erweitert worden. Vor-
aussetzung der Haftpflicht ist somit, dass der Kläger in einem
persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse zu dem Beklagten stand,
dass er als Angestellter oder Arbeiter seine persönlichen
Dienste dem Betriebe desselben zu widmen hatte. Nur der-
jenige, der den Weisungen des Unternehmers oder seiner
Vertreter gemäss in einem Betriebe sich bethätigen und den
Gefahren desselben sich aussetzen muss, wurde vom Gesetz-
geber als eines besonderen Schutzes bedürftig erachtet, und
nur ihm gegenüber steht somit der Unternehmer in der durch
die Haftpflichtgesetze normierten, erhöhten Verantwortlichkeit,
die eben in jenen besondern Gefahren des auf Rechnung des
Gesohäftsherrn geführten und nach seinen Anordnungen or-
102
ganisierten Betriebes für die denselben besorgenden Personen,
sowie in dem Gedanken wurzelt, dass sich die zu persönlichen
Dienstleistungen verpflichteten Angestellten und Arbeiter diesen
Gefahren unterziehen müssen (vgl. hiezu Botschaft des Bun-
desrates zum Fabrikhaftpflichtgesetz, B. B. von 1880, Bd IV
S. 349 f.)» In einem solchen Verhältnisse zu dem Unter-
nehmer stehen nun aber die Unterakkordanten, die einen Teil
der Arbeiten auf eigene Rechnung auszuführen unternommen
haben, aller Regel nach nicht. Sie sind innerhalb ihres Be-
triebskreises selbständig und brauchen auch nicht ihre eigene
Person einzusetzen, sondern können sich bei der Besorgung
der von ihnen übernommenen Arbeiten ihrerseits fremder
Kräfte bedienen, wobei sie zu bestimmen haben, wie die-
selben ausgeführt und wie insoweit der Betrieb gestaltet
werden soll. Die Unterakkordanten sind somit, für gewöhn-
lich wenigstens, nicht Angestellte oder Arbeiter im Sinne
des Gesetzes, sondern selbst Unternehmer, die dem Haupt-
unternehmer gegenüber nicht haftpflichtberechtigt, vielmehr
unter Umständen ihrerseits innerhalb ihres Betriebs ihren
Angestellten und Arbeitern gegenüber haftpflichtig sind. Aus
Art. 2 des erweiterten Haftpflichtgesetzes kann etwas Gegen-
teiliges nicht hergeleitet werden. Wenn hier festgesetzt ist,
dass der Hauptuntern ehraer trotz der Vergebung der Arbeiten
an Unterakkordanten nach Haftpflichtrecht verantwortlich sei,
so bezieht sich diese Bestimmung offenbar nur auf das Ver-
hältnis des erstem zu den die Arbeiten ausführenden An-
gestellten und Arbeitern der letztern, nicht aber auf das der
beiden Unternehmer unter sich. (Entsch. vom 2. Februar 1898
i. S. Durrer c. Röthlin.)
74. Art. 57 B.- Ges. betr. die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893. Art. 111 B.Ges. betr. Schuldbetreibung
und Konkurs vom 11. April 1889. Anwendbarkeit des eidge-
nössischen Rechtes als Voraussetzung der bundesgerichtlichen
Kompetenz. Bundesrechtliche Zulässigkeit der Anschlusspfändung
ohne vorherige Betreibung für Muttergutsforderungen des aar-
gauischen Rechts.
Gemäss Art. 111 des Bundesges. über Schuldbetr. und
Konk. bleibt es den Kantonen vorbehalten, der Ehefrau, den
Kindern, Mündeln und Verbeiständeten des Schuldners das
Recht einzuräumen, für Forderungen aus dem ehelichen, elter-
lichen oder vormundschaftlichen Verhältnisse innerhalb be-
stimmter Frist auch ohne vorgängige Betreibung an einer
Pfändung teilzunehmen. Der Gesetzgeber des Kantons Aargau
103
hat nun von der ihm eingeräumten Befugnis Gebrauch ge-
macht und in § 57 des kantonalen Einführungsgesetzes zum
Bundesgesetze über Schuldbetreibung und Konkurs unter
anderm bestimmt, dass das Recht zur Anschlusspfändung ge-
mäss Art. 111 des genannten Bundesgesetzes auch zustehe
den Kindern gegenüber ihren Eltern für das in deren Ver-
waltung liegende Vermögen mit Inbegriff des Muttergutes,
bezüglich dieses letzteren jedoch nur für die Hälfte. Wenn
nun die Vorinstanz, gestützt auf diese Bestimmung des kan-
tonalen Einführungsgesetzes, die Kläger für berechtigt erachtet
hat, für den geltend gemachten Betrag ihres Muttergutes sich
der Pfändung ohne vorgängige Betreibung anzuschliessen, so
ist das Bundesgericht zur TIeberprüfang dieser Entscheidung
nicht kompetent, da dieselbe in Anwendung des kantonalen
Hechtes gefällt wurde, und gemäss Art. 111 des Bundesges. über
Schuldbetr. und Konk. auch auf Grund des kantonalen Rechts
zu fällen war. Denn nach Art. 57 Organis.-Ges. kann die
Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung
des kantonalen Gerichts auf einer Verletzung des Bundes-
rechts beruhe. Eine Anfechtung der genannten Entscheidung
wegen Verletzung des Bundesrechts wäre aber nur insofern
denkbar, als sich behaupten liesse, die Bestimmung des
kantonalen Einführungsgesetzes, auf welche die Vorinstanz
sich stützt, gehe über die der kantonalen Gesetzgebung in
Art. 111 des Betreib.-Gesetzes eingeräumte Befugnis hinaus,
und die Vorinstanz habe demnach, in Anwendung der be-
treffenden kantonalrechtlichen Bestimmung, ein Recht zur
Ansohlusspfändung in einem Falle gewährt, für welchen der
Vorbehalt des Art. 111 des Betreib.-Gesetzes nicht zutreffe,
Diese Annahme wäre jedoch durchaus unrichtig. Die Kläger
haben gestützt auf § 57 Ziff. b des kant. Einführungsgesetzes
die Anschlu88p fändung erklärt für die Hälfte ihres Mutter-
gutes; es handelt sich also um eine Forderung, die aus dem
ehelichen Verhältnisse des Schuldners herrührt, und es besteht
nach dem klaren Wortlaut des Art. 111 des Betreib. -Ges. kein
Zweifel, dass die Kantone berechtigt sind, der Ehefrau für
eine solche Forderung die Teilnahme an einer Pfändung auch
ohne vorgängige Betreibung zu gestatten. Nun setzt sich
aber nach aargauischem Recht das eheliche Güterrechtsver-
hältnis beim Tode der Ehefrau zwischen Vater und Kindern
unverändert fort, indem das eingekehrte Gut nach wie vor,
unter dem gleichen Rechtstitel, im Eigentum des Vaters ver-
bleibt, und die Rechte, welche der Ehefrau bezüglich desselben
gegenüber dem Ehemann zustehen, nach ihrem Tode auf ihre
104
Kinder übergehen. Die Ansprüche, welche die Kinder wegen
des Mattergutes an den Vater zu stellen haben, beruhen dem-
nach auf dem gleichen Rechtstitel wie diejenigen der Ehe-
frau selber, und die Kinder sind bezüglich derselben, und
zwar ohne Unterschied, ob sie volljährig oder minderjährig
seien, nicht günstiger gestellt als die Ehefrau, so dass kein
Grund ersichtlich ist, warum die Anschlusspfändung für solche
Ansprüche für den Fall ausgeschlossen sein sollte, dass sie
nach dem Tode der Ehefrau von den majorennen Kindern
geltend gemacht werden. Zu einer solchen Annahme zwingt
weder der Wortlaut noch die Absicht des Art. 111 des Schuld -
betreibungs- und Konkursgesetzes. (Entsch. vom 5. Februar
1898 i. 8. Kessler c. Straub.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
75. Haftbarkeit des Vertragsunfähigen für betrüge-
rische Täuschung des andern Kontrahenten über seine Vertrags*
fOhigkeü. Kollision von eidgenössischem und kantonalem Rechte.
Art. 33, 50 O.A.
Lasern. Urteil des Obergerichts vom 21. April 1896.
Johann Meier, 1890 vom Gemeinderat von Dagmersellen
unter Vogtschaft gestellt, inserierte 1895 im Luzerner Tagblatt
einen Heiratsantrag, und wusste der Klägerin, die auf das
Inserat hin mit ihm Bekanntschaft machte, unter der Vorgabe,
er sei ledig und erbe von seiner jüngst verstorbenen Mutter
bedeutend, ein Darlehen von 300 Fr. zu entlooken. Davon
zahlte er 80 Fr. zurück, das übrige erklärte er nicht erstatten
zu können. Die Strafuntersuohung führte zu einem von Meier
angenommenen Antrage auf Verurteilung zu acht Tagen Ge-
fängnis wegen Verheimlichung der Vogtschaft und zu Ent-
schädigung der Betrogenen und Zahlung der Kosten. Letztere
zwei Posten bilden den Gegenstand der von der Klägerin
auf dem Civilwege erhobenen Klage. Der Beklagte, bezw. dessen
Vogt, bestritt die Existenz eines Darlehens und die Verbind-
lichkeit des von Meier ausgestellten Schuldscheines, und berief
sich darauf, dass die Bevogtigung im Kantonsblatt publiziert
worden sei, somit eine Verheimlichung derselben im Gebiet
des Kantons Luzern rechtlich nicht habe stattfinden können.
Die erste Instanz hat die Haftbarkeit des Beklagten für den
105
Betrag der Schuldrestanz von Fr. 220 auf Grund des Art. 33
Abs. 3 0. R. ausgesprochen, dagegen die Kosten der Strafunter-
suchung, soweit sie Klägerin verlangt, nicht zugesprochen,
weil letztere ziemlich unüberlegt gehandelt habe. Eine Kas-
sationsklage des Beklagten hat das Obergericht abgewiesen.
Motive: Wenn der Beklagte in der Klaganstellung einen
direkten Verstoss gegen § 64 des Luzerner Vormundschafts-
gesetzes erblickt, so kann dieser Standpunkt nicht als richtig
anerkannt werden. Die B.-Verf. v. 1874 hat in Art. 64 dem
Bunde die Gesetzgebung über die persönliche Handlungsfähig-
keit und über alle auf den Handel und Mobiliarverkehr be-
züglichen Rechtsverhältnisse zugestanden und als Folge davon
sind die B.-Gesetze über Handlungsfähigkeit und Obligationen-
recht erlassen worden. Wenn letzteres Bestimmungen enthält,
die zugleich auch das Gebiet des Vormundschaftsrechtes be-
rühren, so gilt bei Widerstreit zwischen kantonalem und eid-
genössischem Bechte das letztere. Der § 64 des Vormund-
schaftsgesetzes sagt allerdings, dass wenn eine volljährige
bevogtete Person eine andere, der ihre Bevogtung nicht be-
kannt ist, zu einem Vertrag mit ihr verleitet, der Bevogtete
auch nicht aus dem Gesichtspunkte des Schadenersatzes ver-
pflichtet werde. Dagegen bestimmt Art. 33 Abs. 3 0. R., dass
wenn bei erfolgtem Vertragsabschluss der nicht gebundene
Teil die andere Partei zu der irrtümlichen Annahme seiner
Vertragsfähigkeit verleitet habe, er ihr für den verursachten
Schaden verantwortlich sei. Die Voraussetzung des Art. 33
Abs. 3 0. B. trifft in unserem Falle zu.
Im Uebrigen ist, von kontraktlichem Verschulden abge-
sehen, der Beklagte auch haftbar aus Art. 50 0. R., wonach
auch eine bevogtete Person wegen dolus oder culpa ohne Wei-
teres haftbar erscheint, wegen seines Vorgehens bei Erwirkung
des Darlehens, das als widerrechtliches und doloses im Sinne
eines Civilbetruges sich qualifiziert.
(Verhandl. des Obergerichte und der Justizkommiaaion v. J. 1896, S. 25 ff.)
76, Schadenersatz. Haftung des Geschäftsherrn. Begriff
von y,Geschäftsherr.u Art 62 0. R.
Bern. Urteil des App.- und Käse. -Hofe vom 14. Februar 1896 i. S.
Burkhardt c. Neukomm.
Das Urteil sagt: Wenn Art. 62 O.K. von der Haftung
des Geschäftsherrn für den durch seine Angestellten oder
Arbeiter in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrich-
tungen verursachten {Schaden spricht, so setzt er dabei einen
106
formlichen Geschäftsbetrieb voraus, und als Geschäfts-
herr in diesem Sinne ist einzig der Inhaber eines gewerbs-
mässig geführten Geschäftes zu betrachten, der sich zum
Betriebe desselben weiterer Personen als Gehilfen bedient.
Es ergiebt sich dies schon daraus, dass offenbar der Nach-
druck auf die Ausdrücke „Geschäft" und „geschäftliche Ver-
richtungen" und den in Abs. 2 gebrauchten Ausdruok „Ge-
werbe" zu legen ist, wodurch eben die in Art. 62 0. R. nor-
mierte Haftung des Prinzipals (franz. maître ou patron, ital.
padrone) für seine Untergebenen auf ein bestimmt begrenztes
Gebiet eingeschränkt werden wollte (vgl. dagegen Art. 115
0. R., der in kontraktlichen Verhältnissen den Schuldner fur
das Verschulden seiner Untergebenen schlechthin haften
lässt). Insbesondere aber spricht für die hier vertretene An-
sicht der Umstand, dass laut Art. 62 Abs. 2 0. R. auch eine
juristische Person als Geschäftsherr im Sinne von Abs. 1 nur
dann haftet, wenn sie ein Gewerbe betreibt. Man wollte da-
mit die Haftung einer juristischen Person als Greschäftsherro
in gleicher Weise umschreiben, wie die einer physischen Per-
son, und so wird denn auch in Art. 64 Abs. 2 0. R. erklärt,
mit Bezug aaf die gewerblichen Verrichtungen öffent-
licher Beamten oder Angestellten können die Kantone durch
ihre Gesetzgebung den Bestimmungen des betreffenden Titels
nicht derogieren. Es muss sich also, damit eine Person als
Geschäftsherr auf Grund von Art. 62 0. R. belangt werden
könne, um einen Schaden handeln, den ihr Untergebener bei
Ausübung von Verrichtungen verursacht hat, welche im Rah-
men eines gewerbsmässig geführten Geschäftsbetriebes liegen
(vgl. Bieder, in der Zeitschr. f. Schweiz. R., XXVII [N. P. V]
S. 327 ff., bes. S. 335 f.; Schneider und Eick, Kommentar, zu
Art. 62 ; Rössel, Manuel, p. 106). Dass aber in casu nicht derartige
Verrichtungen in Frage stehen, dass Witwe Gali, welche den
Gabriel Steiner als Taglöhner za den durch die Ausübung
ihrer bürgerlichen Holznutzungsberechtigung bedingten Ar-
beiten verwendete, nicht als G-eschäftsherr im angegebenen
Sinne angesehen werden kann, liegt auf der Hand, und ein
Zuspruch der Klage gegen Witwe Gali erscheint wegen man-
gelnder Passivlegitimation ausgeschlossen.
(Zeitschrift d. Bern. Jur.-Ver., XXXIII S. 31 f.)
107
77. Ungerechtfertigte Bereicherung. Art 70 0. R.
St. Gallen. Entsch. der Rekurskoramission vom 4. Dezember 1896.
A. hatte dem Metzger ß. in seinem Metzgerladen an die
Stelle seiner bisherigen defekten eine neue Korpusverkleidung
geliefert und ihm hierüber Faktura im Betrage von Fr. 261
erteilt. B. verweigerte die Zahlung, da er diese Arbeit nicht
bei A. bestellt habe. Nun verklagte ihn A. auf Zahlung,
eventuell auf Rückerstattung der Bereicherung im gleichen
Betrage. B. beantragte Abweisung, weil die Arbeit vom Bild-
hauer X., der sie dem Beklagten gegenüber zur Ausführung
auf seine (des X.) Rechnung als Ersatz für seine mangelhafte
Arbeit übernommen habe, auf seine (des X.) Rechnung bei
A. bestellt und von diesem auch für Rechnung des X. an B.
abgeliefert worden sei. Das Bezirksgericht wies die Klage
vollständig ab, da Kläger den ihm obliegenden Beweis nicht
geleistet habe; „von einer ungerechtfertigten Bereicherung
könne ebenfalls nicht gesprochen werden." Das letztere wurde
auf erhobene Nichtigkeitsbeschwerde von der Rekurskommis-
sion kassiert und B. zur Rückgabe der Bereicherung ver-
pflichtet erklärt, vorbehalten Entscheid des Richters über Art
und Betrag der Rückerstattung.
Motive: 1. Die Frage, ob beim Beklagten objektiv eine
Bereicherung vorliege, kann nicht aus dem Gesichtspunkte
beurteilt und verneint werden, dass er mit der von der Klä-
gerin gelieferten Korpus- Verkleidung nur das erhalten habe,
was er schon kraft seines anfänglichen Werkvertrages mit X.
und kraft seiner über die unentgeltliche Ersatznachlieferung
mit X. getroffenen Nachtragsvereinbarung von X. zu bean-
spruchen gehabt und wofür er seine Gegenleistung an X.
schon von Anfang an mit diesem verrechnet hatte.
Die Bereicherung liegt objektiv darin, dass B. — nachdem
er weder die ihm von X. geschuldete anfängliche Werkver-
tragsleistung, noch auch die ihm von X. zugesicherte Werk-
vertragsersatzleistung erhalten hatte, und bei der Zahlungs-
unfähigkeit des X. auch nicht mehr zu erhalten hoffen konnte —
die ihm aus seinem Vertragsverhältnisse mit X erwachsende
Vermögenseinbusse durch die Lieferung der Klägerin A. ersetzt
erhalten hat.
Die aus dem Vermögen eines andern erzielte Abwehr
einer drohenden, oder Vergütung einer wirklich eingetretenen
Einbusse am eigenen Vermögen ist objektiv einer Bereicherung
gleichzuachten.
Diese Bereicherung aus dem Vermögen der Klägerin ist
ungerechtfertigt, weil sie dem B. von der Klägerin A. ohne
108
rechtmässigen, bezw. ohne jeden, oder aus einem nicht ver-
wirklichten Grunde zugewendet worden ist.
Da die Klägerin die fakturierten Gegenstände und Lei-
stungen dem £. in der irrigen Meinung geliefert hat, dass
sie für seine Rechnung durch X. und dass sie durch B. selbst
bei A. direkt bestellt worden seien, und da B. die Zahlungs-
pflicht deswegen ablehnen kann, weil eine solche Bestellung
seinerseits weder in der einten noch in der andern Richtung
hat bewiesen werden können, so folgt daraus nicht, dass er
nun die nicht bestellten Gegenstände, die er zu bezahlen nicht
pflichtig ist — unentgeltlich behalten kann. Er hatte das
Recht, deren Annahme zu verweigern, und hätte sie nach Auf-
klärung des bei der Klägerin hinsichtlich der Bestellung wal-
tenden Irrtums zurückgeben sollen; er ist, nachdem er sie
behalten hat, aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereiche-
rang ersatzpflichtig für den Bereicherungsbetrag.
(Entsch. des Kantonsgerichts des Kt. St. Gallen i. J. 18%, S. 93 ff.)
78. Abtretung einer verbürgten Forderung mit Vor-
behalt selbständiger Geltendmachung der Bürgschaft Seitens des
Cedenten, wiefern zulässig Î Art. 190, 489 O.R.
Thurgau. Urteil des Obergerichts vom 27. November 1897 i. S.
Hanhart c. Hanhart.
Heinrich Hanhart klagte gegen den Bürgen seines im Konkurse
befindlichen Schuldners J. H., Albert Hanhart, die Schuldrestanz
von Fr. 8413. 29 ein. Der Beklagte schützte unter anderem
den Mangel der Aktivlegitimation vor, weil Kläger sein For-
derungsrecht an eine Frau Fischli abgetreten habe. Der Kläger
wandte ein, er habe nur sein Forderungsrecht an den Haupt-
schuldner und dessen Konkursmasse der Frau Fischli abge-
treten, nicht aber das an den Bürgen, das er sich ausdrück-
lich vorbehalten habe ; das habe er thun können, weil Art. 190
O.R. dispositives Recht enthalte. Beide Instanzen wiesen die
Klage mangels Aktivlegitimation des Klägers ab. Das Ober-
gericht begründete das Urteil folgendermassen :
Das Obergericht ist zwar der Ansicht, dass Art. 190 0. R.
nur dispositives Recht enthalte, und daher bei Abtretung einer
verbürgten Forderung der Vorbehalt gemacht werden könne, es
werde nur die Forderung selbst, nicht aberdas Recht aus der Bürg-
schaft abgetreten. Allein in einem solchen Falle würde eben die
Bürgschaft nach der Abtretung überhaupt nicht mehr selb-
ständig fortbestehen, sondern sie würde untergehen, denn laut
Ajt. 489 0. R. verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem
109
Gläubiger des Hauptschuldners, für die Erfüllung der Schuld
des letztern einzustehen. Die Bürgschaft ist ein Accessorium
der Forderung, nicht eine selbständige Schuldverpflichtung; es
geht nicht an, dass das Accessorium von der Hauptsache, su der
es gehört, getrennt werde. Die Forderung begründet aber
ein Rechtsverhältnis nur zwischen dem Gläubiger und dem
Sohuldner und giebt speziell ein E la gre cht nur dem Gläu-
biger, nicht einem Dritten. Da nun die Bürgschaft nur ein
Mittel zur Sicherung des Forderungsrechtes bildet, so können die
Rechte aus der Bürgschaft nur von dem Inhaber des Forderungs-
rechtes ausgeübt werden. Im vorliegenden Falle ist Kläger
nicht mehr Gläubiger, er kann daher, selbst wenn er sich die
Geltendmachung der Rechte aus der Bürgschaft bei der Ces-
sion vorbehalten hat, den Bürgen nicht mehr belangen.
79. Mandat. Provision, zahlbar auch bei Rücktritt eines
Kontrahenten. Ob auch, wenn der Rücktritt im Vertrag vorbe-
halten istt
Zurich. Urteil der Appellationskammer des Obergerichts v. 16. Mai
1896 i. S. Jacker e. Brupbacher.
Brupbacher erteilte dem Jucker Auftrag zum Verkauf einer
Liegenschaft und versprach ihm für den Fall, dass ein Kauf
zu Stande komme, eine Provision von 1 o/0 der Kaufsumme,
zahlbar auch wenn der eine Kontrahent vom Vertrage zurück-
treten sollte. Jucker brachte einen Kaufvertrag zu Stande,
aber in diesem Vertrage war noch beiden Parteien der Rück-
tritt gegen Reugeld freigestellt, und der Käufer machte in
der That von diesem Rechte Gebrauch. Jucker klagte den-
noch die Provision ein, wurde aber damit abgewiesen und
erhielt bloss 500 Fr. als verblümt vom Beklagten angebotenes
Honorar zugesprochen.
Motive: Es war nicht die Meinung der Parteien, dass
der Provisionsanspruch des Klägers schon dann zur Existenz
gelange, wenn durch seine Vermittlung überhaupt ein gültiger
Kaufvertrag zu Stande gekommen sei, sondern nur, wenn auf
Grund eines solchen Vertrages die Erfüllung erzwungen wer-
ben könne, worin eben erst der Erfolg liegt, für dessen Her-
beiführung der Kläger sich eine so bedeutende Summe hat
versprechen lassen. Nun war aber in dem Vertrage beiden
Parteien der Rücktritt freigestellt, und der Beklagte wäre
daher, so lange der Käufer nicht in schlüssiger Weise erklärt
hatte, den Kauf halten zu wollen, nicht in der Lage gewesen
110
Erfüllung zu fordern, und so lange war mithin der Erfolg, für
den dem Kläger ein Honorar versprochen wurde, nicht erreicht
Die Bestimmung des Provisionsvertrags, dass Kläger auch
bei Rücktritt des einen Kontrahenten vom Vertrage seine
Provision erhalten solle, hatte offenbar nur den Zweck, den
Kläger auch im Falle eines vertragswidrigen Verhaltens der
Vertragsparteien für seinen Anspruch sicher zu stellen ; keines«
falls aber darf sich der Kläger auf diese Bestimmung berufen,
wenn sich die Parteien den Rücktritt vom Vertrage von An-
fang an vorbehalten haben.
(Schweizer Blätter f. h.-r. Entgeh., XV S. 181 ff.)
80, Ehescheidungsklagen deutscher Reichsange-
höriger vor schweizerischen Gerichten. B.-Ges. betr. Civilstand
und Ehe vom 24. Dezember 1874, Art 56 und 43.
Zürich. Urteil der Appellatioaskammer des Obergerichts vom 14. April
1898 i. S. Eheleute Teisler.
Das Bezirksgericht Zürich II. Abt. hat am 4. Februar 1898
nach Anhörung der Ehescheidungsklage der Frau Emilie Teis-
ler geb. Bronner in Karlsruhe gegen ihren in Zürich wohn-
haften Ehemann Max Teisler von Küstrin, Kgr. Preussen, und
der Antwort des Beklagten beschlossen, die Klage von der
Hand zu weisen, weil der Nachweis nicht erbracht sei, den
Art. 56 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe verlange,
dass nämlich der Heimatsstaat der Parteien das zu erlassende
Scheidungsurteil anerkenne.
Die Klägerin hatte in der Verhandlung folgende Beschei-
nigung des k. preussischen Justizministeriums vom 25. August
1897 vorgelegt:
Der Ehefrau des Preussischen Staatsangehörigen, Kauf-
mann Max Teisler in Zürich, Emilie geb. Bronner , zur Zeit in
Karlsruhe, wird auf Antrag zum Zwecke der Erhebung der
Ehescheidungsklage bei dem zuständigen schweizerischen Ge-
richte hiedurch bescheinigt, dass zwar in Preussen keine Be-
hörde besteht, welche berechtigt wäre, über die Anerkennung
einer von schweizerischen Gerichten ausgesprochenen Ehetren-
nung eine die Behörden des Preussischen Staates und des
Deutschen Reiches bindende Erklärung abzugeben, dass jedoch
die allgemeine Frage,
ob, falls ein dem diesseitigen Staatsverbande angehöriger
Ehemann seinen Wohnsitz im Auslande hat, die von dem
Gerichte dieses Wohnsitzes erkannte Scheidung seiner Ehe
für das Inland als rechtswirksam anzusehen ist, bereits
Ili
wiederholt Gegenstand der richterlichen Beurteilung gewesen
und ausweislich des Justizministerialblattes für die Preus-
sische Gesetzgebung und Rechtspflege vom 30. März 1877
(Seite 55, 56 und 99) von den meisten damaligen Appel-
lationsgerichten der Monarchie bejaht worden ist; ferner,
dass insbesondere das Kammergerichl zu Berlin, dessen
Bezirk die Heimatprovinz des Kaufmanns Max Teisler um-
fasst, in einem neuerdings dem Freussischen Justizminister
über die gedachte Rechtsfrage erstatteten gutachtlichen
Berichte sich gleichfalls jener Rechtsauffassung angeschlos-
sen hat.
Die Klägerin erhob gegen den Entscheid des Bezirks-
gerichtes Rekurs; dieser wurde als begründet erklärt und die
Vorinstanz angewiesen, die Klage an Hand zu nehmen.
Gründe: 1 . Der Art. 56 des Civilstandsgesetzes verbietet
den schweizerischen Gerichten, Scheidungsklagen von Aus-
ländern an Hand zu nehmen, wenn nicht nachgewiesen wird,
dass der Staat, dem die Ehegatten angehören, das zu erlas-
sende Urteil anerkennen werde. Das Bundesgericht hat in
einem Fall (Entsch. Bd XV 8. 122) erklärt, dass zur Bei-
bringung dieses Nachweises nicht schlechthin die Beibringung
einer Erklärung der betreffenden Staatsregierung erforderlich
sei, dass es vielmehr genüge, wenn aus der Gesetzgebung oder
Gerichtspraxis des betreffenden Staates dargethan werde, dass
die von den schweizerischen Gerichten ausgesprochene Schei-
dung anerkannt werde. Es ist daher zu untersuchen, ob dieser
Nachweis in der einen oder andern Weise als geleistet be-
trachtet werden kann.
2. Nach der deutschen Civilprozessordnung findet die Voll-
streckung von Urteilen ausländischer Gerichte nur statt, wenn
ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreokungsurteil des zustän-
digen deutschen Gerichtes ausgesprochen ist (§ 660). In § 661
werden die Bedingungen festgesetzt, bei deren Vorhandensein
das Vollstreckungsurteil nicht zu erlassen ist. Davon kommen
hier hauptsächlich zwei in Betracht: wenn nach dem Rechte
des über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung urteilen-
den deutschen Richters die Gerichte desjenigen Staates nicht
zuständig waren, welchem das ausländische Gericht angehört
(Ziff. 3), und wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist
(Ziff. 5).
Ziffer 3 trifft im vorliegenden Falle offenbar nicht zu.
Nach § 568 Abs. 1 R. C. P. 0. ist für Streitigkeiten, welche
die Trennung einer Ehe zum Gegenstand haben, das Land-
gericht des Wohnsitzes des Ehemannes ausschliesslich zuständig.
112
Die Civilprozes8ordnung macht keinen Vorbehalt für den Fall,
dass der Wohnsitz im Ausland sich befindet; sie anerkennt
also, dass dann die Gerichte des betreffenden auswärtigen
Staates allein zuständig sind. Da der Rekursgegner seinen
Wohnsitz in Zürich hat, wäre die örtliche Zuständigkeit der
zürcherischen Gerichte begründet.
3. Zu dem gleichen Resultate gelangt man bezüglich der
Ziffer ô des § 661 C. P. 0. Allerdings haben Bundesgericht
und Bundesrat bisher konstant die Anschauung vertreten, dass
Art. 43 Abs. 2 des Cmlstandsgesetzes für Scheidungsklagen
von Schweizerbürgern, die ihren Wohnsitz im Auslande haben,
einen ausschliesslichen Gerichtsstand begründe und daher Schei-
dungsurteile auswärtiger Gerichte in der Schweiz nicht an-
erkannt und vollstreckt werden könnten. Daraus hat man
den weitern Schiuse gezogen, dass § 661 Ziff. ö der deutschen
Civilprozessordnung jedenfalls hinsichtlich der Ehescheidungs-
urteile zutreffe und daher der in Art. 56 des Civilstandsge-
setzes verlangte Nachweis nicht als erbracht betrachtet wer-
den könne.
Diese Argumentation kann indessen nicht als richtig an-
erkannt werden. In dem Begriffe der Gegenseitigkeit liegt, daas,
wie Struckmann und Koch (Komm, der C. P. 0. § 661 N. 10)
richtig sagen, die Voraussetzungen der Vollstreckung der bei-
derseitigen Urteile in beiden Staaten gleich, jedenfalls im
einen nicht strenger seien, als im andern. Die von § 661
Ziff. 5 verlangte Gegenseitigkeit kann nicht deshalb als nicht
vorhanden gelten, weil die zürcherischen Gerichte sich vor-
behalten, die Kompetenz des deutschen Richters nach ihrem
eigenen Rechte zu prüfen, da ja auch § 661 Ziff. 3 C. P. O.
dem deutschen Richter gegenüber zürcherischen Urteilen das-
selbe Recht vorbehält. (Vgl. in dieser Beziehung auch die
Ausführungen im Kreisschreiben des Obergerichtes an die Be-
zirksgerichte vom 25. Mai 1897, Handelsr. Entsch. Bd XVI
S. 205.)
4. Die Frage ist also einzig und allein die, ob im übri-
gen feststeht und auch von den Gerichten des Heimatsstaates
der Eheleute Teisler angenommen werden wird, dass rechts-
kräftige deutsche Urteile, bei denen die Zuständigkeit des
entscheidenden Richters nach zürcherischem Prozessrecht ge-
geben ist, im Kanton Zürich vollstreckt werden. Das trifft
nun gewiss zu. Allerdings sind Vollstreckungen vorübergehend
verweigert worden, aber nicht deshalb, weil in die Zuver-
lässigkeit der deutschen Rechtsprechung Zweifel gesetzt wur-
den, sondern nur mit Rücksicht darauf, dass in einem spe-
113
ziellen Fall von den deutschen Gerichten hinsichtlich eines
zürcherischen Urteils kein Gegenrecht gehalten worden war.
Seither hat sich die Praxis aber wieder auf den Standpunkt
gestellt, die Vollstreckung zu gewähren, wenn die Rechtskraft
des Urteils feststeht und die Kompetenz des erkennenden Rich-
ters durch die zürcherische Prozessordnung nicht ausgeschlossen
ist. Es wird daher für das deutsche Gericht, das über die
Vollstreckung eines in Sachen der Eheleute Teisler ergehen-
den Scheidungsurteils zu entscheiden haben wird, keine Ver-
anlassung vorliegen, an dem Zutreffen der Voraussetzung des
§ 661 Ziff. 5 der deutschen Civilprozessordnung zu zweifeln.
Uebereinstimmende Entscheidung vom 3. Februar 1898
in Sachen des im Grossh. Baden heimatberechtigten, in Zürich
wohnhaften Xaver Merkt, welcher hier gegen seine Ehefrau
Marie Merkt geborne Hanhart auf Ehescheidung klagte. —
Derselbe hatte eine Erklärung des grossh. badischen Mini-
steriums der Justiz, des Kultus und des Unterrichts vorgelegt,
worin bezeugt war: 1. dass die Vollstreckbarkeit eines
von einem schweizerischen Gericht erlassenen Ehesoheidungs-
urteils im Grossherzogtum Baden lediglich von den im § 661
der Reichscivilprozes8ordnung enthaltenen Voraussetzungen
abhängig sei; 2. dass nach der im Grossherzogtum Baden
herrschenden Gerichtspraxis die unter Ziff. 5 des cit. §661
der Reichsoivilprozessordnung erwähnte Gegenseitigkeit in
Bezug auf Urteile der Gerichte des Kantons Zürich als ver-
bürgt angesehen werde und 3. dass nach deutschem Prozess-
recht für Ehescheidungsklagen das Gericht des Wohnsitzes
des Ehemannes auch in dem Falle ausschliesslich zuständig
sei, wenn der Wohnsitz im Ausland liege.
(Schweizer Blätter f. h.-r. Entgeh., XVII S. 124 ff.)
81. Vente de meubles saisis; opposition par le bailleur
au bénéfice du droit de rétention. Art. 126, 127, 153, 154, 283
Loi P. et F.
Genève. Arrêt de la Cour de justice civile (Autorité de surveillance)
du 25 février 1897 d. I. c. Gonseth.
L'Office de poursuite a procédé, le 3 décembre 1896, à
la saisie du mobilier d'Albrecht, pour le compte de Gonseth,
créancier d'Albrecht, pour une somme de frs. 145. 65. Le mo-
bilier saisi a été évalué par l'Office à frs. 871. D'autre part,.
Coste, propriétaire, porteur d'un commandement notifié à Al-
fc
ÎU
brecht pour loyer, et créancier de ce dernier des loyers échos
\* depuis le 1" septembre 1896, à raison de 50 frs. par mois,
b a fait procéder, le 3 novembre 1896, à l'inventaire des ineu-
0 blés garnissant les lieux loués et estimés comme ci-dessus.
t Gonseth ayant requis, le 7 janvier 1897, la vente des meubles
r; s ai si s, Coste s'y est opposé en invoquant son droit de réten-
C tion ; l'Office a avisé Gonseth, le 2 février 1897, qu'il ne pou-
t vait procéder à la vente ensuite de cette opposition. Gonseth a
| recouru contre cette décision devant l'Autorité de surveillance;
£ il demande que celle-ci ordonne à l'Office de donner suite à
fc sa réquisition de vente, et invoque deux décisions du Conseil
E. fédéral (recours Gilli du 13 mars 1894 et recours Sütterlin
W du 21 août suivant), aux termes desquels, lorsqu'il s'agit de
r loyers échus, la règle des art. 126 et 127 ne trouve pas son
| application à l'égard du droit de rétention, attendu qu'en pa-
| reil cas le bailleur doit, lui aussi, être considéré comme créan-
cier poursuivant parce quìi résulte de l'art. 283 Loi P. et F.
que celui qui, étant créancier de loyers échus, requiert l'Office
de le protéger dans son droit de rétention, est tenu de réaliser
son droit, et, lorsqu'il s'agit de loyers non échus, l'Office doit
distraire de la saisie le nombre d'objets qu'il estime suffisant
pour garantir le droit de rétention et faire procéder à la vente
des autres à tout prix.
La Cour a écarté le recours.
Motifs: Dans l'espèce, la valeur du mobilier saisi étant
insuffisante pour couvrir les loyers garantis par le droit de
rétention, la dernière solution est impratiquable.
La première a contre elle le texte de la loi.
Il est vrai qu'aux termes de l'art. 283 l'Office doit assigner
au bailleur un délai pour requérir la poursuite en réalisation
de gage, mais cette disposition ne peut avoir pour effet de
transformer ipso facto le bailleur en un créancier qui a fait à
son débiteur un commandement, et qui a requis la vente.
Il faut qu'il exerce cette poursuite en réalisation de gages;
il a le droit de l'exercer lui-même dans les délais qui lui con-
viennent, pourru qu'il observe les limites prévues par la loi;
pour admettre le contraire, il faudrait admettre que la pour-
suite cesse de lui appartenir pour appartenir au créancier le
plus diligent; aucun texte de loi ne permet de croire que
telle ait été l'intention du législateur.
Or, aux termes de l'art. 154, une fois le commandement
de payer notifié par le créancier gagiste (art. 153), ce dernier
peut requérir la vente du gage mobilier un mois au plus tôt
et un an au plus tard après la notification de ce commandement.
115
S'il convient au créancier gagiste, dans l'espèce au pro-
priétaire, d'attendre un an pour requérir la vente, il en est
libre ; la vente ne peut donc pas être censée faite à sa requête.
C'est précisément ce qui se présente dans l'espèce. Con-
formément à l'art. 283, l'Office a imparti à Coste un délai de
dix jours pour exercer la poursuite en réalisation de gage;
Coste avait notifié un commandement à Albrecht le 26 sep-
tembre 1896; il n'a donc pas eu besoin d'en notifier un
second et il peut, si cela lui convient, attendre jusqu'au 26 sep-
tembre 1897 pour requérir à la vente du grage.
(La Semaine judiciaire, XIX p. 560 ss.)
82. Wirkung des Nachlassvertrages auf Bürg-
schaftsforderungen. Art. 300und 311 desB.-Ges. betr. Schuld-
betr. u. Konkurs.
Baselstadt. Urteil des Appellationsgerichts vom 11. Oktober 1897
i. S. Streif c. Aeberli.
H. Streiff hatte für eine Schuld des Heusser dem Gläu-
biger desselben, H. Aeberli, Bürgschaft geleistet. Er geriet
später in Zahlungsschwierigkeiten und erwirkte am 12. Juni
1896 eine Nachlassstundung, der am 8. Oktober die Bestäti-
gung des Nachlassvertrages durch die zuständige Behörde
folgte. Am 2. November 1896 sodann geriet der Hauptschuldner
Heusser in Konkurs, und in diesem kam die Forderung des
Aeberli vollständig zu Verlust. Aeberli betrieb nun den StreifF
auf Grund des Verlustscheines und der Bürgschaftsurkunde
und erhielt gegen den von Streiff erhobenen Rechtsvorschlag
die provisorische Rechtsöffnung. Streiff erhob die Aberkennungs-
klage in erster Linie für die ganze Forderung, eventuell für
den Mehrbetrag über 25% derselben; auf diese 25°/o war
nämlich der Nachlassvertrag abgeschlossen worden, und Streifi
behauptete, Aeberli sei auch daran gebunden, obschon er sich
bei der Nachlassauskündung nicht angemeldet hatte und seine
Bürgschaftsforderung daher nicht mitgezählt worden war.
Aeberli behauptete dagegen, er habe von der Auskündung
gar nichts gewusst, und übrigens sei seine Forderung an Streiff
damals noch gar nicht existent gewesen, sondern es erst durch
den nachfolgenden Eonkurs des Heusser geworden. Das Civil-
gericht wies die Aberkennungsklage ab, weil Bürgschaften
durch den Nachlassvertrag nicht berührt würden, die Nach-
lassauskündung nur ein Schulden-, nicht auch ein Bürgschafts-
ruf sei; der bestätigte Nachlassvertrag finde nur auf solche
Bürgschaftsforderungen Anwendung, für die der Nachlass-
116
Schuldner schon vor der Bestätigung des Nachlassvertrages
hätte belangt werden können. Das Appellationsgericht hielt
dagegen die Aberkennungsklage für den, 25 % der ganzen
Forderung übersteigenden Betrag für begründet und reduzierte
die Bürgschaft auf 25% ihres ursprünglichen Betrags, aus
folgendem Grunde:
Es ist wohl nicht zu bestreiten, dass Bürgschaftsforde-
rungen, auch noch nicht fällige, im Falle des Konkurses des
Bürgen mit andern Forderungen auf gleicher Linie stehen, dass
die Bürgschaftsberechtigten als Gläubiger gelten und unter den
Gläubigern schlechtweg mit inbegriffen sind. Es ist nicht ein-
zusehen, warum es bei Nachlassvertrag anders zu halten wäre.
Die gleichen Interessen, die im Eonkurse des Schuldners die
Liquidation seiner Bürgschaften fordern, sind auch beim Nach-
lassvertrag wirksam. Dass in dem Abschnitt des Gesetzes
über den letztern die Bürgschaftsgläubiger nicht ausdrücklich
genannt werden, kann nicht den Schluss rechtfertigen, dass
Bürgschaften durch den Nachlassvertrag nioht berührt wer-
den, sondern findet richtiger seine Erklärung darin, dass
mit dem Ausdruck Gläubiger auch die Bürgschartsberechtigten
umfa88t sind. Diese letzteren sind somit auch von der Aus-
kündung des Bürgen (Art. 300 Schuldbetreibungs- und Kon-
kursgesetz) betroffen und unterliegen ebenfalls der Bestim-
mung des Art. 311 (Rechtsverbindlichkeit des bestätigten Nach-
lassvertrages für sämtliche Gläubiger).
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
83. Art. 48 Ziff. 2 des Bundesgesetzes betr. die Organisation
der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893. Bundesgesetz über
Miktärpensionen vorn 13. November 187 r4, Art. 1 und Art 12. —
Ansprüche ans dem Bundesgesetze vom 13. November 1874 sind
nicht privatrechtlicher, sondein öffenüichrechtlicher Natur und
können daher nicht durch Civilklage beim Bundesgerichte geltend
gemacht werden.
Die gestützt auf das Bundesgesetz vom 13. November
1874 gegen den ßundesfiskus gerichtete Klage auf Gewährung
einer Pension oder Entschädigung wegen einer im Militär-
dienst erlittenen Gesundheitsschädigung macht allerdings eine
Geldforderung geltend ; allein diese Forderung wird nicht aus
privatreohtlichen Beziehungen der Parteien abgeleitet, sondern
aus einem Verhältnisse des öffentlichen Rechtes. Sie stützt sich
nicht etwa auf einen privatrechtlichen Thatbestand (Rechts-
geschäft oder Delikt), sondern auf einen Thatbestand des
öffentlichen Rechts. Das Bundesgesetz über Militärpensionen
und Entschädigungen vom 13. November 1874, auf welches
der klägerische Anspruch ausschliesslich gestützt wird, ist
kein privatrechtliches, sondern ein Verwaltungsgesetz. Aller-
dings gewährt es beim Vorhandensein der gesetzlichen Voraus-
setzungen einen festen Anspruch auf Pension oder Entschä-
digung; allein dieser Anspruch ist nichtsdestoweniger kein
privatrechtlioher, sondern ein öffentlichrechtlicher. Er ist ein
Ausflu88 öffentlicher Vorsorge fur die durch Erfüllung der
öffentliohrechtlichen, militärischen Dienstpflicht gesundheitlich
geschädigten Wehrmänner und deren Hinterlassene, deren
Lebensunterhalt durch die Gesundheitsschädigung und deren
Folgen beeinträchtigt wird. Dass dies in der That die dem
Gesetze zu Grunde liegende Auffassung ist, ergiebt sich un-
zweideutig aus den Bestimmungen des III. Abschnittes des-
selben über Geltendmachung und Untersuchung der Entschä-
digungsansprüche und Entscheid über dieselben, welcher die
Geltendmachung des Anspruchs bei der Verwaltungsbehörde
vorschreibt, das bei dessen Prüfung zu beobachtende Verfahren
118
regelt und in Art. 12 ausdrücklich bestimmt, dass alle Be-
schlüsse betr. die Bewilligung, Veränderung oder Zurück-
ziehung einer auf den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes
beruhenden Pension oder anderweitigen Entschädigung vom
Bundesrate gefasst werden. Diese Bestimmungen zeigen, dass
die Anwendung des Bundesgesetzes über Militärpensionen und
Entschädigungen, weil es sich eben nicht um privatrechtliche,
sondern um öffentlichrechtliche Ansprüche handelt, ausschliess-
lich der eidgenössischen Verwaltungsbehörde hat vorbehalten
und der Civilreohtsweg dafür hat ausgeschlossen werden wollen.
Daran ist selbstverständlich durch Art. 48 Ziff. 2 0. Gh, wel-
cher sich lediglich auf Civilrechtsstreitigkeiten bezieht, nichts
geändert worden. Das Bundesgerioht ist daher zur Beurteilung
der Klage sachlich nicht kompetent. (Entsch. vom 30. April
1898 i. S. Brisacher c. Bund.)
84. Art. 211 Abs. 1, 222, 223, 885 0. R. Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. Aprü 1889, Art. 38, 42,
151, 198, 232 Ziff. 4, 243 Abs. 2, 250. — Der Kollokationspkm
bezieht sich nicht auf Eigentumsansprachen. — Die Vereinbarung)
dass das Faustpfand durch privaten Verkauf verwertet werden
dürfe, ist gültig. Wirksamkeit derselben nach ausgebrochenem Kon-
kurse des Verpfänders oder gegenüber andern Pfandgläubigem ? —
Bedeutung und Tragweite des in Art. 211 Abs. 1 0. R. enthaltenen
Vorbehaltes des kantonalen Rechtes.
1. Der Kollokationsplan bezieht sich nach dem Gesetze
auf Eigentumsansprachen überhaupt nicht, sondern umfasst
ausschliesslich Forderungs- und Pfandanspraohen, weshalb auch
nur solche Ansprachen Gegenstand von Kollokationsstreitig-
keiten im Sinne von Art. 250 Schuldbetr. u. Konk.-Gesetz sein
können.
2. Das Obligation enreoht schliesst in dem Abschnitt über
das Faustpfandrecht eine Vereinbarung, dass der Gläubiger
sich ohne Betreibungsverfahren durch privaten Verkauf des
Pfandes aus demselben befriedigen könne, nicht ausdrücklich
aus, sondern erklärt in Art. 222 lediglich den Verfallsvertrag
als ungültig, und in Art. 223, dass die Realisierung des Faust-
pfandes nach den Gesetzen des Ortes geschehe, wo die Bache
sioh befinde. Dieses Gesetz ist nun seit 1. Januar 1892 das
Bundesgesetz betr. Schuldbetreibung und Konkurs. Die Frage
ist daher aus diesem Bundesgesetz und aus allgemeinen Reohts-
grundsätzen zu lösen. Aus den letzteren kann die Unzulässig-
keit derartiger Vereinbarungen nicht hergeleitet werden; denn
119
etwas Unsittliches enthalten dieselben nicht und als wider*
rechtlich können sie nur angesehen werden, sofern sie durch
das positive Reoht ausdrücklich ausgeschlossen sind. Aus all-
gemeinen Rechtsgrundsätzen folgt nur, dass der Gläubiger die
Realisierung des Faustpfandrechtes in den Formen der Zwangs-
vollstreckung bewerkstelligen muss, sofern ihm nicht duroh
Abrede mit dem Schuldner das Reoht eingeräumt ist, den
Verkauf aussergerichtlich vorzunehmen. Eine derartige Ab-
rede ist nun aber auch duroh das Bnndesgesetz über Schuld-
betreibung und Konkurs nicht ausgeschlossen. Bei Verpfändung
kurshabender Papiere sind sie ein Bedürfnis, um den Gläu-
biger wie den Schuldner vor Schaden zu bewahren, indem
sonst häufig die Versteigerung erst erfolgen könnte, wenn die
Papiere den tiefsten Kurs erreicht haben .... Vom Bundes-
gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs kommen in Be-
tracht die Art. 38, 41 und 151. Keine dieser Bestimmungen
enthält die Vorschrift, dass die Realisierung von Faustpfändern
nur auf dem Wege der Betreibung erfolgen dürfe, sondern
sie regeln lediglich einerseits die Voraussetzungen, unter wel-
chen die Betreibung als Art der Zwangsvollstreckung zulässig
ist, und andrerseits die Formen, in welchen sie durchgeführt
wird, ohne irgendwie den Schluss zu rechtfertigen, dass die
Betreibung auf Pfandverwertung die einzig zulässige Form
für die Realisierung von Faustpfändern sein solle. Ob solohen
Vereinbarungen auch rechtliche Wirkung gegenüber vorgehen-
den Pfandgläubigern zukommt, oder ob sie noch getroffen
werden können, nachdem nachgehende vertragliche Pfand-
rechte bestellt wurden, oder wo die Faustpfänder zu Gunsten
Dritter gepfändet worden sind, steht in casu nicht in Frage.
Ebenso kann hier unerörtert bleiben, ob sie nach Ausbruch
des Konkurses über den Schuldner, bezw. den Verpf ander,
noch geltend gemacht werden können, oder nicht vielmehr
sämtliche Faustpfander ohne Rücksicht auf vereinbarten Pri-
vatverkauf zur Konkursmasse gezogen resp. abgegeben werden
müssen, eine Frage, die angesichts der Art. 198, 232 Ziff. 4
(vergi, auch Art. 243 Abs. 2) Bundesges. betr. Schuldbetreibung
und Konkurs indes wohl eher im letzteren Sinne zu beant-
worten wäre (vergi, auch Hafner, schweizer. Oblig.-Recht,
2. Aufl., Art. 223 Anm. 2 Ziff. IV).
3. Der in Art. 211 Abs. 1 0. R. enthaltene Vorbehalt des
kantonalen Rechts bezieht sich nicht nur auf die zur Zeit des
Inkrafttretens des 0. R. bestehenden, sondern auch auf später
erlassene kantonale Gesetze. Die im deutsohen Gesetzestext
gewählte Fassung: „bleiben in Kraft/ ist nicht geeignet,
120
einen begründeten Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass
das Obligationenrecht den in Art. 211 bezeichneten Gegenstand
überhaupt der kantonalen Gesetzgebung, nicht bloss der bereits
bei Inkrafttreten des Bundesgesetzes bestehenden, überlassen
wollte. Denn es ist schlechterdings kein Grund dafür aufzu-
finden, warum nur die bei Inkrafttreten des Obligationenrechts
bestehenden, jenen Gegenstand betreffenden kantonalen Ge-
setze, und zwar unverändert, in Kraft bleiben sollten, und
daher eine Mitverpfandung von Zubehörden mit Liegenschaften
in Zukunft nur in denjenigen Kantonen, in welchen sie be-
reits vorher zulässig war, und in dem damals gesetzlich mög-
lichen Umfange sollte stattfinden können. Dadurch wäre nur
eine Rechtsungleichheit unter den Kantonen geschaffen worden.
Anders wäre es natürlich, wenn das Obligationenreoht nur
die vor seinem Inkrafttreten erfolgten Mitverpfandungen von
Zubehörden hätte anerkennen wollen, wie z. B. nach Art. 885
die vor dem 1. Januar 1883 ohne Besitzübertragung errich-
teten Mobiliarpfandrechte. Allein dies ist eben nicht der
Fall, vielmehr wollte unstreitig das Obligationenrecht die Mit-
verpfändung der Zubehörden mit den betreffenden Liegen-
schaften auch nach seinem Inkrafttreten noch zulassen, und
da hätte es der Gesetzgeber ausdrücklich sagen müssen, wenn
er nur die vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes bestehenden
kantonalen Gesetze hätte vorbehalten wollen. Dass letzteres
aber nicht die Absicht des Gesetzgebers war, ergiebt sich
auch aus dem französischen Text des Art. 211 Abs. 1, welcher
ganz allgemein dahin lautet, es werde den bezüglichen Vor-
schriften der kantonalen Gesetze nicht derogiert („Il n'est
pas dérogé .... aux prescriptions des lois cantonales. . . ,u).
4. Art. 211 O.B. fordert auch nicht, dass die Verpfändung
des Mobiliars gleichzeitig mit derjenigen der Liegenschaften
erfolgen müsse. Wenn Art. 211 Abs. 1 die kantonalen Ge-
setze vorbehält, wonach bewegliche Sachen als Zubehörde
eines Inimobiliarpfandes nach den für dieses geltenden Formen
mitverpfändet werden können, so bildet den Gegensatz hiezu
nicht die nioht zeitlich zusammenfallende Verpfandung von
Liegenschaft und Zubehörde, sondern die Verpfandung der
beweglichen Zubehörden ohne Mitverpfandung der Hauptsache,
d. h. der Liegenschaft, zu welcher jene beweglichen Sachen
im Verhältnis der Zubehörde stehen. Diese letztere Ver-
pfändung — ohne Verpfändung der Hauptsache — kann nur
auf dem in Art. 210 ff. O.R. vorgeschriebenen Wege der Faust-
pfandbestellung geschehen, während die Verpfändung der Zu-
behörde in Verbindung mit der Hauptsache nach Massgabe
121
-des kantonalen Rechts erfolgt. Dass die Mitverpfändung im
gleichen Zeitpunkt mit der Verpfändung der Hauptsache
erfolgen müsse, bestimmt Art. 211 0. It. nicht; das französische
Recht bedient sich allerdings der Wendung: „en même temps;"
allein abgesehen davon, dass diese Fassung, wie der deutsohe
Ausdruck gleichzeitig, nicht mit Notwendigkeit ein wirklich
zeitliches Zusammenfallen bedeutet, steht derselben derjenige
sowohl des deutschen als des italienischen Textes entgegen,
welche beide einfach von Mitverpfändung bezw. Einbeziehung
in die Verpfändung sprechen, und mit Rücksicht auf ihre
Uebereinstimmung dem in seiner Abweichung alleinstehenden
französischen Text vorgehen.
5. Art, 211 0. R. will für die Verpfändung der Zubehörde
in Verbindung mit dem Immobiliarpfand keine Formvorschrift
aufstellen, d. h. nicht die Form der Verpfändung resp. Mit-
verpfändung der Zubehörde bestimmen, sondern lediglich die
kantonalen Formvorschriften für diese Mitverpfändung vorbe-
halten. Dass aber allerdings die Verpfändung der Zubehörde
wesentlich in der gleichen Form wie die der Hauptsache
erfolgen muss, ergiebt sich daraus, dass es sich um Mitver-
pfändung, um die Bestellung eines einheitlichen Grundpfand-
rechtes handelt, das Immobiliarpfandrecht auch die Zubehörde
•ergreifen, seine Wirkung sich auch auf diese erstrecken soll.
Würde fur die Verpfändung der Zubehörde eine besondere,
von derjenigen für die Verpfändung der Hauptsache verschie-
dene Form vorgeschrieben, so läge eine Mitverpfändung der
Zubehörde mit der Hauptsache nicht mehr vor, sondern viel-
mehr eine selbständige Verpfändung der Zubehörde, welche
gültig nur in der in Art. 210 0. R. bestimmten Form erfolgen
könnte. (Es wird sodann ausgeführt, dass dies für das urne-
ri8che Gesetz vom 1. Mai 1892, um dessen Gültigkeit es sioh
in casu handelte, nicht zutreffe.) (Entsch. vom 30. Juni 1898
i. S. Kesselbach und Genossen c. Ersparniskasse Uri.)
85. Art. 224, 616 Ziff. 7, 649, 658, 676 OR. Die in Art.
658 O.R. vorgeschriebene Hinterlegung von Aktien durch die Mit-
glieder der Verwaltung einer Aktiengesellschaft hat nicht die Sicher'
Stellung der Gesellschaft für Ansprüche aus der Geschäftsführung
zum Zwecke. — Voraussetzungen des Retentionsrechtes nach Art.
224 O.R. — Erfordernis des Zusammenhangs der Forderung und
des Gegenstandes der Retention.
Der Direktor H. der Aktiengesellschaft Fabriken L. hatte
gemäss den Gesellschaftsstatuten und Art. 658 0. R. in seiner
122
Stellung als Direktor 25 Stück G e seil seh afta -Aktien bei der
Bank für Graubünden hinterlegt. Diese Aktien wurden von
Â. B., einem Gläubiger des Direktors H., gepfändet Dieaer
Pfändung gegenüber beanspruchte die Aktiengesellschaft an
den fraglichen Aktien klageweise ein Retentionsrecht, mit
der Behauptung, es stehe ihr an den Direktor H. eine For-,
derung aus seiner Amtsführung zu. Vom Bundesgerichte
wurde dieses Retentionsrecht anerkannt, sofern der Aktien*
gesell schaft eine fällige Forderung an den Direktor aus dessen
Anstellungsverhältnisse zustehe (und wurde die Sache zur
Verhandlung und Entscheidung hierüber an die kantonale
Instanz zurückgewiesen). Aus den Entscheidungsgründen ist
hervorzuheben: Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf Art. 658
O.R., indem sie ausführt, die daselbst den Mitgliedern der Ver-
waltung einer Aktiengesellschaft vorgeschriebene Hinterlegung
von Aktien habe vor allem den Zweck, die Gesellschaft für
Ansprüche an die Verwaltungsmitglieder aus der Geschäfts-
führung sicherzustellen. Wäre diese Auffassung der Klägerin
richtig, so könnte keinem Zweifel unterliegen, dass ihr ein
auf besonderer Gesetzesbestimmung beruhendes Speziai- Re-
tentionsrecht zustünde. Es ist danach der Sinn des Art. 658
0. R. zu untersuchen. Hierüber ist zu sagen: Gemäss Art. 649
0. R. kann die Verwaltung der Aktiengesellschaft nur von
Aktionären ausgeübt werden, und nach Art. 616 Ziff. 7 eod.
haben die Statuten die Anzahl der Aktien, welche von den
Mitgliedern der Verwaltung zu hinterlegen sind, zu bestimmen.
Daraus geht hervor, dass der nächste und erste Zweck der
Notwendigkeit der Hinterlegung der Aktien der ist, dass sich
die Mitglieder der Verwaltung über ihre Eigenschaft als Ak-
tionäre ausweisen. Diesem Zwecke würde indessen schon
genügt durch Hinterlegung einer einzigen Aktie, und es muas
daher da, wo (wie hier) die Statuten die Hinterlegung meh-
rerer Aktien verlangen, und zwar abgestuft je nach dem Masse
des Einflusses, den ein Mitglied der Verwaltung auf den Gang
des Geschäfts hat, noch ein weiterer Zweck hinzukommen:
und das ist offenbar der, die Verwaltungsmitglieder am Gang
der Geschäfte zu interessieren. Diese beiden Zwecke ergeben
sich klar und unzweideutig aus den angeführten Bestimmungen
des Obligationenrechts. Fragt es sich dagegen, ob der Aktien-
hinterlegung nach Gesetz noch die weitere Bedeutung einer
Sicherstellung der Gesellschaft zukomme, so fällt vorerst der
Unterschied im Wortlaute des Art. 658 gegenüber der ana-
logen Vorschrift über die Pflicht der Vorstandsmitglieder der
Kommanditaktiengesellschaft zur Hinterlegung von Aktien,
i2a
Art. 676 Ziff. 4, ins Auge: während Art. 658 vorschreibt, die
Aktien seien für die Dauer der Verrichtungen der Mitglieder
der Verwaltung zu hinterlegen, statuiert Art. 676 Ziff. 4, die
Mitglieder des Vorstandes der Kommanditaktiengesellscbaft
dürfen die hinterlegten Aktien nicht veräussern, so lange sie
der Gesellschaft verantwortlich bleiben. Bei letzterer Be-
stimmung kann keinem Zweifel unterliegen, das 8 die Aktien-
hinterlegung die Bedeutung der Sicherstellung der Gesell-
Schaft hat. Da die Verantwortlichkeit der Vorstands- und
Verwaltungsmitglieder sowohl der Aktiengesellschaft als der
Eommanditaktiengesell8chaft die gleiche ist, so ist zu prüfen,
ob der hervorgehobene Unterschied ein bewusster und ge-
wollter ist, und nicht etwa auf Versehen beruht. Wird zur
Lösung dieser Frage die Entstehungsgeschichte der betreffen-
den Bestimmungen des Obligationenrechts herangezogen, so
ergiebt «ich: Art. 676 Ziff. 4 wurde dem Art. 181 des D. H.
G. B. über die Komroanditaktiengesellschaft entnommen, und
zwar erst im Sohlussentwurfe des eidgen. Justizdepartements,
während sich eine dem Art. 658 analoge Bestimmung weder
im D. H. G. B. nooh in den Entwürfen fand, da diese nicht
forderten, dass die Verwaltungsmitglieder Aktionäre sein
müssen; das Erfordernis des Besitzes von Aktien, und zwar
von unveräusserlichen, für die Mitglieder der Verwaltung der
Aktiengesellschaft wurde erst von der nationalrätlichen Kom-
mission am 7. November 1880 vorgeschlagen (als Art. 668"*);
der Entwurf des Bundesrates über den Titel „Aktiengesell-
schaft" vom 29. Januar 1881 sah von diesem Erfordernis ab,
die Kommission des Ständerats dagegen stellte (5. Februar
1881) den Antrag, die Verwaltung habe aus Mitgliedern der
Aktiengesellschaft zu bestehen, und schlug einen Art. 664 vor,
der dem jetzigen Art. 658 im wesentlichen völlig gleichlautet,
und in dieser Gestalt blieb die Vorschrift von da an. Aus
dieser Entstehungsgeschichte nun kann nicht gefolgert wer-
den, dass der Aktienhinterlegung die Bedeutung der Sicher-
stellung habe gegeben werden wollen, gegen teils spricht die
Entstehungsgeschichte eher für ein bewusstes Abweichen von
den analogen Bestimmungen über die Kommanditaktiengesell-
schaft. Zu demselben Resultate gelangt man überdies auch
auf Grund folgender Erwägungen: Zunächst hätte dann, wenn
die Aktien zur Sicherstellung hinterlegt werden sollten, wohl
auch ihre Unveräusserlichkeit vorgeschrieben werden müssen
(vergi, das franz. Gesetz über die Aktiengesellschaften vom
24. Juli 1867, Art. 22; Ital. H. G. B. Art. 123), und sodann
müsste die Hinterlegung nicht nur für die Dauer der Ver-
124
richtungen der Verwaltungsmitglieder, sondern bis zu ihrer
Décharge gefordert sein; endlich hätte der Zweck überhaupt
deutlich ausgesprochen werden sollen; dies umso mehr, als
das Gesetz kaum ein grosses Interesse an einer derartigen
Vorschrift hat, indem es den Statuten der Aktiengesellschaften
freisteht, der Hinterlegung diesen weitergehenden Zweck zu
verleihen. (Dieser Ansicht auch Rössel, manuel du droit féd.
des obligations, n. 870 pag. 750; Haberstich II, S. 559; Hafner,
Komm. Art. 616 Anm. 11, Art. 658 Anm. 1, Art. 676, Anm 11;
a. A. Schneider u. Fick, Komm. z. 0. R. Art. 658, Anm. 2.)
Hat aber die Aktienhinterlegung nicht die Bedeutung der
Sicherstellung der Gesellschaft, so kann auch keine Rede
davon sein, dass dieser ein Spezial-Retentionsrecht an den
hinterlegten Aktien fur die Schadenersatzansprüche aus der
Verwaltung zustehe, und kann es sich daher nur noch fragen,
ob das beanspruchte Retentionsrecht nicht nach Art. 224 O. R.
zu schützen sei.
Bei der Beantwortung dieser Frage ist nun vorerst das
Requisit, dass die fraglichen Aktien eine retentionsfchige
Sache seien, gegeben, da sie als Wertpapiere anzusehen sind
(vergi. Urteil des Bundesgerichts in Sachen Banque populaire
suisse e. Crédit gruyérien & cons. (Amtl. Samml. Bd XX,
S. 928, Ë. 10). Ebenso ist erfüllt das Erfordernis der Ver-
fügungsgewalt der Klägerin über diese Aktien, und zwar der
Verfügungsgewalt mit dem Willen des Direktors Hämmerli;
denn die Bank in Graubünden, bei der die Aktien deponiert
sind, übt den Gewahrsam lediglich als Stellvertreter der
Klägerin aus und letztere kann über sie verfügen. Fraglicher
erscheint, ob die Forderung der Klägerin und der Gegenstand
der Retention in einem Zusammenhange stehen. Von einer
Anwendung des Art. 224 Abs. 2 0. R. kann keine Rede sein,
da der Direktor einer Aktiengesellschaft nicht als Kaufmann
anzusehen ist, sofern er nicht etwa sonst schon den Beruf
eines Kaufmanns betreibt (vergi. R. G. Entsch. in Civilsachen
Bd 19 S. 123 f.). Die Frage ist danach zu entscheiden auf
Grund des Abs. I des Art. 224 1. c, und hier ist nicht ge-
sagt, was unter „Zusammenhang" zu verstehen ist. Einen
Anhaltspunkt zur Entscheidung darüber giebt indes die Gegen-
überstellung des ersten und zweiten Absatzes: daraus ist
jedenfalls zu entnehmen, dass der „Zusammenhang" des Abs. 1
enger, näher sein muss, als derjenige des Abs. 2. Ein solch
näherer Zusammenhang ist nun unzweifelhaft und unbestrit-
tenermassen vor allem dann vorhanden, wenn die Sache, die
der Retinent in Gewahrsam hat, das passive Objekt ist, auf
125
welches der Retinent Verwendungen macht, die eine Forde-
rung gegenüber dem Eigentümer der Sache begründen, oder
wenn die Sache selbst die Urheberin der Forderung ist, in-
dem sie Schaden verursacht hat. (Vergi. Sträuli, das Reten-
tionsrecht nach dem Bundesgesetz über das Obligationenrecht,
S. 60; Hafner, Komm. 2. Aufl., Art. 224, Anm, 8.) Allein
hiemit sind die Fälle des Zusammenhangs noch nicht er-
schöpft. Vielmehr ist ein Zusammenhang auch da gegeben,
wo Forderung und Gegenstand der Betention auf einem und
demselben Rechtsverhältnisse in der Weise beruhen, dass der
Retentionsgegenstand kraft einer aus dem gleichen Verhält-
nisse, aus welchem die Forderung hervorgeht, entspringenden
gesetzlichen Verpflichtung in den Gewahrsam des Gläubigers
.gelangt ist. Dies trifft aber hier zu; die Pflicht des Direk-
tors H. zur Deposition der Aktien, bezw. der Gewahrsam der
Klägerin, beruht auf dem Dienstvertrag der letztern mit
ersterem gemäss Art. 658 0. R. und § 23 der Statuten; auf
denselben Dienstvertrag wird aber auch die Forderung der
Klägerin gegen H. gestützt. Dagegen ist aus den vorliegen-
den Akten nicht ersichtlich, ob das letzte Requisit, die Fällig-
keit der Forderung der Klägerin, in casu gegeben ist. (Im
weitern wird ausgeführt, dass nach der prozessualen Sachlage
•die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über diesen
Punkt an die kantonalen Gerichte zurückgewiesen werden
müsse») (Entscb. vom 30. April 1898 i. S. J. Bossard c. Fa-
briken Landquart.)
86. Art. 10,231 Abs. 1 0. R. Inwiefern für Ansprüche aus
Liegenschaftskäufen Realexekution Platz greife, beurteilt sich nach
kantonalem Rechte. Verträge über Begründung einer Grunddienst-
barkeit unterstehen (auch wenn sie bloss obligatorische Wirkung
haben) dem kantonalen Rechte.
1. Für Liegensohaftskäufe gilt nach Art. 231 Abs. 1 0. R.
und konstanter bundesgerichtlicher Praxis das eidg. Obliga-
tionenrecht überhaupt nicht, weder in seinen speziell auf den
Kaufvertrag bezüglichen, noch in seinen allgemeinen Bestim-
mungen, sondern gilt durchaus das kantonale Recht; es ist
also auch (insoweit als hiefür überhaupt privatrechtliche und
nioht lediglich prozessrechtliche Grundsätze zur Anwendung
kommen) nach kantonalem und nicht nach eidgenössischem
Privatrecht zu beurteilen, inwiefern für derartige Ansprüche
schlechthin Realexekution verlangt werden könne, oder nicht
vielmehr statt der Realerfüllung auf ein Geldäquivalent er-
kannt werden könne oder müsse.
126
2. Wie das Bundesgericht schon wiederholt, insbesondere
in der Entscheidung Steiner-Höhn c. Kälin vom 13. März 1897
( Am tl. Samml. Bd XXIII S. 147 ff.) ausgesprochen hat, gilt für,
auch bloss obligatorische, auf Begründung einer Dienstbarkeit
gerichtete Vereinbarungen, selbst wenn dieselben selbständig-
und nicht als Bestandteile eines Liegensohaftskaufes einge-
gangen worden sind, gemäss Art. 10 0. RÎ kantonales und nicht
eidgenössisches Recht. (Entsch. vom 18. Juni 1898 i. S. Meyer-
Fröhlich c. Ballmers Erben.)
87. Art 50 #., 53, 61, 69 0. R. Fabrikhaftpflichtgesetz Art.13.
Zulässigkeii des Vorbehalts der Nachklage, wenn in Körperver-
letzungsfallen die Folgen noch nicht zu übersehen sind. Verjährung
der DeUkLsklagen. Aufsichtspflicht des Vaters.
Der lo-jährige Progymnasialschüler A. S., welcher nach
dem Zeugnisse seiner Lehrer ein harmloser, nicht streitlustiger
Knabe, aber hochgradig nervös und gelegentlich epileptoformen
Anfällen unterworfen ist, geriet am 28. September 1897 auf der
Strasse mit andern Knaben, von denen einer ihn gehöhnt hatte,
in Streit. A. S. hielt damals in der rechten Hand ein nicht
versohliessbares Küchenmesser (sogen. „Schnitzer"), mit wel-
ohem er seinem Brüderchen Rosskastanien hatte schnitzen
wollen. Im Laufe des Streites versetzte er dem ca. 13-jährigen
F. R. einen Stich in die linke Lendengegend und zwar, wie
festgestellt ist, indem er auf denselben einhieb, ohne daran
zu denken, dass er ein offenes Messer in der Hand hatte.
Die Verletzung bestand in einer Perforation des Dünndarms,
welche eine Peritonitis zur Folge hatte. Der Verletzte war
während sieben Wochen arbeitsunfähig, ist seither zwar geheilt,
allein es sei ihm zu empfehlen, einen leichtern Beruf zu wählen,
und es liegt nach dem Expertengutachten die Möglichkeit
eines bleibenden Nachteils nahe, da sich erfahrungsgemäß
bei Bauchfellentzündungen häufig abnorme Verwachsungen mit
eventuellen schlimmen Folgen (z. B. Darmschluss) bilden und
zudem die Bildung eines Bauchbruches nahe liege.
Der Vater des Verletzten belangte als Vormund seines
Sohnes, des A. S., sowie als für diesen gemäss Art. 61 O.R.
verantwortlich dessen Vater auf eine Entschädigung von 5629
Franken, worunter 5000 Franken für bleibenden Nachteil. Das
Bundesgericht hat für bereits eingetretene Nachteile (Heilungs-
kosten, Schmerzengeld etc.) eine Entschädigung von 600 Fr.
gutgehei88en. Ueber die Entschädigungsforderung für bleibende
Nachteile hat es nicht definitiv erkannt, dagegen dem Ver-
127
letzten deren spätere Geltendmachung vorbehalten. Hinsicht-
lich der Zulässigkeit eines solchen Vorbehalts wird in den
Entscheidungsgründen bemerkt:
Nach dem Expertengutachten sind die Folgen der Ver-
letzung zur Zeit noch nicht abgeklärt, ist insbesondere noch
ungewiss, ob sich ein dauernder Nachteil einstellen wird.
Danach fragt sich, ob dieser Anspruch heute definitiv abzu-
weisen oder aber in irgend einer Weise dem Kläger vorzu-
behalten ist, letzteres um so mehr, als nach dem Gutachten
eine nahe Möglichkeit später eintretender Verschlimmerungen
vorliegt. Hierüber ist zu sagen: Dem Kläger standen zwei
Wege offen, um sich die Zusprechung einer Entschädigung
für bleibenden Nachteil zu sichern. Denn: entweder konnte
er mit einer Klage für Entschädigung wegen bleibenden Nach-
teils zuwarten, bis ein soloher eingetreten war. Eine solche
Klage müsste allerdings innert der zehnjährigen Frist des
Art. 69 Abs. 1 0. R. angestellt werden ; diese zehnjährige Frist
läuft vom Tage der Schädigung, d. h. hier vom Tage der
unerlaubten Handlung (vergi, den französischen Text: „du jour
où le fait dommageable s'est produit," und den italienischen :
„dal giorno del danno," die beide präziser gefasst sind als
der deutsche Text) an. Würde dann der bleibende Nachteil
innert dieser zehn Jahre eintreten, so begänne für den An-
spruch auf Entschädigung wegen bleibenden Nachteils die
einjährige Frist der genannten Gesetzesstelle vom Momente
des Eintrittes dieses bleibenden Nachteils zu laufen, da als
Schädigung in diesem Zusammenhang nicht die unerlaubte
Handlung, sondern der Nachteil zu verstehen ist (vergi, wie-
derum den französischen und den italienischen Text mit dem
deutschen). Oder er hätte jetzt schon Leistungsklage auf
Ersatz der Heilungskosten und Zahlung von Schmerzengeld
und daneben Feststellungsklage auf Bestehen des Anspruches
auf Entschädigung für bleibenden Nachteil erheben können,
welch letztere wohl gleichfalls hätte gutgeheissen werden
müssen, ähnlich einer Klage auf Feststellung der grundsätz-
lichen Schadenersatzpflicht. (Vergi, für das preussische Recht:
Entsch. des Reichsgerichts in Zivilsachen, Bd 30 S. 270 ff,,
ferner Wach, der Feststellungsanspruch, S. 61.) Der Kläger
hat nun freilich vorgezogen, heute schon eine Gesamtentschä-
digung, darunter inbegriffen ein Kapital von 5000 Fr« für
bleibenden Nachteil, einzuklagen. Allein nichts steht entgegen,
dass heute vom Geriohte nur über denjenigen Schaden ent-
schieden werde, der im Momente der Urteilsfällung klar vor-
liegt, und dass gleichzeitig dem Kläger vorbehalten werde,
128
Entschädigung für einen künftigen bleibenden Nachteil nach
dessen Eintritt einzuklagen, mit der Wirkung, dass die Ein-
rede der abgeurteilten Sache dieser spätem Klage nicht ent-
gegengehalten werden kann. Ein derartiger Vorbehalt bezw.
eine derartige Einschränkung der derzeitigen rechtskräftigen
Entscheidung entspricht der Natur der Verhältnisse und ist
duroh das eidgenössische Obligationenrecht keineswegs aus-
geschlossen. Denn nach Art. 53 O. B. hat der Verletzte bei
Körperverletzung Anspruch auf Entschädigung für die Nach-
teile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit, und wenn
nun schon im Momente der Urteilsfällung über einen der-
artigen Anspruch, weil er erhoben ist, auch definitiv ent-
schieden werden musate, wäre derselbe entweder abzuweisen,
da er eben in diesem Momente schlechterdings nicht begründet
erscheinen würde, oder es müsste eine rein willkürliche, nur
aufMutmassungen sich stützende Gutheissung erfolgen. Weder
das eine noch das andere entspräche den eigenartigen Ver-
hältnissen derartiger Fälle. Dagegen erscheint der Vorbehalt
einer Nachklage als die richtige Lösung. Derselbe ist im
Grunde identisch mit einer Abweisung des Anspruchs so, wie
er eingeklagt ist — mittelst Leistungsklage — zur Zeit, oder
mit einem Feststellungsurteil über den Grund des Anspruchs
unter Vorbehalt der Liquidation des Betrages in einem spätem
Prozesse .... — Gegen die Zulässigkeit des gedachten Vor-
behaltes spricht auch nicht die Vergleichung des eidgen. Obli-
gationenrechts mit den Haftpflichtgesetzen* Die in casu ge-
machte Einschränkung der Rechtskraft ist nicht genau das-
selbe Rechtsgebilde, wie der Rektifikationsvorbehalt dieser
Gesetze: bei letzterem kann es vorkommen, dass rechtskräftig
über den ganzen Anspruch entschieden und nur eine Klage
■auf Berichtigung bezw. Abänderung dieses rechtskräftigen
Urteils vorbehalten wird, und zwar mit der Wirkung, dass
auch die Einrede der Verjährung des ursprünglichen Schaden-
ersatzanspruchs gegenüber einer solchen Klage nicht erhoben
werden kann, vielmehr (wenigstens nach dem Fabrikhaftpflicht-
gesetz Art. 13) eine neue Verjährung für diese Klage läuft.
So weit nun erstreckt sich der heute zugelassene Vorbehalt
nicht; vielmehr ist die Nachklage verjährt mit dem Ablauf
der zehnjährigen Verjährungsfrist des Art. 69 Abs. 1 0. R. Das
Gesetz will kategorisch, dass nach zehn Jahren vom Tage
der Beibringung der Verletzung weg ein Anspruch aus der-
selben überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden kann.
Auch ist, falls — wie hier — der Thäter bekannt ist, vom
Momente der Schädigung, d. h. für Fälle, wie der vorliegende,
m
des eingetretenen bleibenden Nachteils, an, binnen einem Jahre
zu klagen.
Hinsichtlich der Haftung des Vaters S. wird in dem bun-
de8gerichtliohen Urteil bemerkt: Dem Vater liege nach Art. 61
0. R. der Entlastungsbeweis dafür ob, dass er das übliche und
durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Be-
aufsichtigung seines Knaben aufgewendet habe. Diesen Be-
weis habe er nun allerdings durch die Beibringung von
Schulzeugnissen dafür, dass sein Sohn ein durchaus nor-
maler, nicht jähzorniger oder bösartiger Knabe sei, der keine
besondere Ueberwachung erheische, angetreten. Allein der
Entlastungsbeweis sei nicht gelungen. Denn: „Das Herum-
laufen von Kindern auf der Strasse mit offenen Messern bringt
eine derartige Gefahr mit sich, dass alle Aufsichtspflichtigen
es möglichst verhindern und verbieten sollten; nun hat der
Beklagte, Vater S., nicht einmal behauptet, je ein solches
Verbot oder besondere Vorkehren zur Verhinderung des Er-
greifens des Messers getroffen zu haben. Und doch wäre er
hiezu und überhaupt zu einer äusserst weitgehenden Aufsicht
um so mehr verpflichtet gewesen, als ihm die nervöse, zu epi-
leptischen Anfällen neigende Natur seines Knaben bekannt
war und er voraussehen musste, dass sein Knabe, wenn er
auch nicht jähzornig ist, in gereizten Momenten leicht seine
volle Herrschaft über sich verlieren könne. Die Haftung des
Beklagten Vater S. ist somit anzuerkennen." (Entsoh. vom
18. Juni 1878 i. S. Ruchti c. Schulthess.)
88. Art. 113, 338, 350 0. R. Rechtsverhältnis zwischen
Bauherrn und Architekten. — Haftung des Architekten für den
durch mangelhafte Beaufsichtigung der Bauunternehmer entstandenen
Schaden.
1. Der Vertrag zwischen dem Bauherrn und dem Archi-
tekten, welcher die Entwerfung der Baupläne für einen Haus-
bau, den Ab8chlu8s der Verträge mit den Bauunternehmern
(als Vertreter des Bauherrn), die Bauleitung und Beaufsichti-
gung gegen Entgelt übernimmt, ist kein Werkvertrag, sondern
ein Dienstvertrag.
2. Der Architekt haftet aus demselben an sich nicht für
einen von den Unternehmern begangenen Fehler, dagegen
haftet er gemäss Art. 113 0. B. für jedes eigene Verschulden;
er ist insbesondere auch für pflichtgemässe Beaufsichtigung
der Bauunternehmer verantwortlich. Wenn nichts anderes aus-
bedungen ist, so ist der Architekt nicht verpflichtet, eine
130
ständige, ununterbrochene Aufsicht über die Unternehmer, wie
sie nur bei beständiger Anwesenheit auf dem Bauplatze möglich
ist, auszuüben oder ausüben zu lassen. Dagegen ist er immer-
hin verantwortlich, wenn er nicht darüber wacht, dass die
Arbeiten in richtiger Reihenfolge und zu geeigneter Zeit
ausgeführt werden, und es geschehen lägst, dass für Arbeiten,
welche längere Zeit in Anspruch nehmen und bei denen ihm
daher die Art und Weise der Ausführung bei gehöriger Auf-
merksamkeit anlässlich seiner periodischen Besuche des Baues
nicht entgehen kann, fortwährend erkenntlich ungeeignetes
Material verwendet wird.
3. Der Architekt haftet dem Bauherrn für den infolge
seiner mangelhaften Beaufsichtigung entstandenen Schaden in
vollem Umfange, ohne dass eine Teilung der Ersatzpflicht
zwischen ihm und dem fehlbaren Unternehmer Platz greift.
Dagegen ist er berechtigt, vom Bauherrn gegen Zahlung der
ihm schuldigen Entschädigung die Abtretung seiner Rechte
gegen den fehlbaren Unternehmer zu verlangen. (Entsoh. v.
14. Mai 1898 i. S. Delachaux o. Pittet.)
89. Art. 358 0. R. Der Besteller eines Werkes, welcher
dasselbe nach Entdeckung und Anzeige von Mängeln für sich
weiter braucht, verzichtet dadurch auf dessen Heimschlagung on
den Unternehmer wegen der betreffenden Mängel, nicht dagegen
auf das Recht, einen entsprechenden Abzug am Werklohn zu ver-
langen.
So lange der Betrieb des gelieferten Werkes zur Prüfung
seiner vertragsmässigen Beschaffenheit erforderlich ist, kann
in diesem Betrieb selbstverständlich eine Genehmigung nicht
erblickt werden. Nachdem aber die Mängel zu Tage getreten
sind, muss der Besteller sich darüber klar sein, ob das Werk
für ihn überhaupt brauchbar sei oder nicht, und er wegen
der Mängel genötigt sei, dasselbe dem Unternehmer zurück-
zubieten, oder ob zu seiner Schadloshaltung ein entsprechender
Lohnabzug hinreiche. Setzt er den Gebrauch trotz der kon-
statierten Mängel fort, so muss grundsätzlich darin der Ver-
zicht erblickt werden, dasselbe dem Unternehmer zurück-
zuweisen; denn der Besteller darf nicht selbst über dasselbe
verfügen, wenn er es dem Unternehmer zur Verfügung stellen
will. Dagegen liegt kein genügender Grund dafür vor, in
dem ferneren Gebrauch ohne weiteres auch die Erklärung zu
erblicken, dass der Besteller das mangelhafte Werk, dessen
Mängel er dem Unternehmer rechtzeitig und in gehöriger
131
Form angezeigt hat, als vertragsgemäss geliefert anerkennen
wolle. Soweit ihm also, auch wenn er das gelieferte Werk
behält, ein Anspruch wegen Mängel desselben gegen den
Unternehmer zusteht, verwirkt er denselben durch die weitere
Verfügung über dasselbe nicht, und bleibt danach in oasu
dem Beklagten, trotz des konstatierten Gebrauchs, zwar nicht
der Wandelungs-, wohl aber der Preisminderungsanspruch,
bezw. die Forderung auf einen entsprechenden Abzug am
Werklohn unbenommen. (Entscb. vom 16. Juli 1898 i. S.
Dannenberg und Schaper c. Renz.)
90. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art 58, 59. 0. R. Art. 678, 680
Ziff. 7, 703, 716, 717, 865 Abs. 3, 894. Begriff des Haupt-
urieils. Streitwertberechnung bei Anfechtungsklagen gegen Genossen-
Schaftsbeschlüsse. —• Begriff des wirtschaftlichen Vereines Rechts-
Verhältnisse wirtschaftlicher Vereine, welche bei Inkrafttreten des
O. R. das Recht der Persönlichkeit besagen. Einführung der
Schiedsgerichtsklausel durch Mehrheitsbeschluß einer Genossen-
schaft, wenn Statutenrevision durch Mehrheilsbeschluss zulässig ist.
1. Die angefochtene Entscheidung entscheidet darüber,
ob die Kläger verpflichtet seien, sich der Schiedsgerichts-
klausel der (neuen) Statuten der Genossenschaft Sparkasse Z.
zu unterwerfen, oder ob ihnen nicht vielmehr das Recht zu-
stehe, deren Aufhebung zu verlangen, weil dieselbe in Ver-
letzung der den Klägern als Mitgliedern der Genossenschaft
aus dem Genossenschaftsverhältnis zustehenden Rechte auf-
gestellt worden sei. Sie entscheidet also über subjektives
Privatrecht, über das von den Klägern behauptete genossen-
schaftliche Sonderrecht, sich einer ohne ihre Zustimmung
durch Mehrheitsbeschlus8 erfolgten Aenderung der frühern
Statuten in den streitigen Punkten zu widersetzen. Dass das
Urteil, nachdem es die Schiedsgerichtsklausel als für die
Kläger verbindlich erklärt hat, auf die übrigen Punkte sach-
lich nicht eintritt, sondern deren Erledigung dem statutarischen
Schiedsgerichte vorbehält, ändert an dessen Natur als Haupt-
urteil nichts. Denn es wird durch dasselbe ja nichts desto-
weniger der Rechtsstreit, soweit er nicht überhaupt nach der
vorinstanzlichen Entscheidung durch gültige Satzung den
ordentlichen Geriohten entzogen ist, endgültig erledigt.
2. Für die Streitwertberechnung bei Anfechtungsklagen
einzelner Mitglieder einer Aktiengesellschaft, Genossenschaft
u. s. w. gegen Beschlüsse der Generalversammlung, deren Zu-
132
spruch präjudiziell -wirkt und die angefochtene Sohlussnahme
in toto gegenüber allen Beteiligten aufhebt, ist nickt das
Spezialinteresse der Kläger, sondern das Gesammtinteresse der
beklagten Gesellschaft oder Körperschaft massgebend (Revue
Bd XVI No. 29).
3. Ein Verein, welcher als einzige oder Hauptthätigkeit
den Betrieb eines Handelsgewerbes ausübt (wie ein Spar-
kassen verein, welcher einen Zweig des Bankiergewerbes, die
Annahme von Depositen und deren Anlage betreibt), ist ein
wirtschaftlicher im Sinne des Gesetzes (Art. 678, 717 O. R.),
auch dann, wenn der Geschäftsgewinn nicht den Mitgliedern,
sondern gemeinnützigen Zwecken zukommen soll und über-
haupt der Gewerbebetrieb in erster Linie nicht um eines
Geschäftsgewinnes, sondern um des damit für das Gemein-
wohl verbundenen Nutzens willen geführt wird. Auch in
diesem Falle bewegt sich die Thätigkeit des Vereins, trotz
des zu Grunde liegenden gemeinnützigen Motivs, durchaus
und ausschliesslich auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Ver-
kehrs, und musB daher der Verein den für wirtschaftliche
Vereine geltenden Rechtsnormen unterstehen, wie dies auch
durch das Interesse des Publikums, das mit solchen Vereinen
in Beziehungen tritt, gefordert wird. Aus Art. 680, Ziff. 7
und 703 0. R. ergiebt sich denn übrigens, dass das Gesetz
als wirtschaftliche Vereine bezw. Genossenschaften jedenfalls
nicht nur solche behandelt wissen will, welche die Erzielung
eines verteilbaren Reingewinnes bezwecken.
4. Wirtschaftliche Vereine, welche das Recht der Persön-
lichkeit bereits nach dem frühern kantonalen Rechte besassen,
brauchten dasselbe nicht erst nach dem Inkrafttreten des
Obligationenrechts durch Eintragung in das Handelsregister
zu erwerben, wohl aber waren sie gemäss Art. 865 Abs. 3
und Art. 894 0. R., als Inhaber eines eintragspflichtigen Ge-
schäftes verpflichtet, sich in das Handelsregister eintragen
zu lassen.
5. Mu8S einmal das Mitglied einer Genossenschaft über-
haupt sich, gemäss statutarischer Bestimmung, die Abänderung
des Genossenschaftsstatuts durch Mehrheitsbeschluss gefallen
lassen, hat es sich derartigen Mehrheitsbeschlüssen zum vorn-
herein ganz allgemein unterworfen, so sind von dieser regel-
mässigen Verbindlichkeit des Mehrheitsbeschlusses jedenfalls
nur solche Aenderungen der korporativen Verfassung aus-
geschlossen, welche wesentliche Punkte betreffen, die Sonder-
rechte der Genossenschafter in ihrer Substanz und Wesenheit
berühren. Dazu gehört nun die Aenderung, welche durch
133
Einführung einer Schiedsgerichtsklausel herbeigeführt wird,
nicht. Dieselbe betrifft lediglich die prozessuale Behandlung
der Streitigkeiten zwischen Genossenschaft und Genossen-
schaftern, d. h. die Art und Weise, wie im Streitfalle das
Becht der Genossenschafter und der Genossenschaft zur recht-
lichen Anerkennung zu bringen ist, ohne den materiellen In»
halt, Bestand und Umfang der Herrschafts- oder Forderungs-
rechte, welche der Genossenschaft und den Genossenschaftern
zustehen, irgendwie zu berühren. Es kann auch nicht gesagt
werden, dass die Aufstellung einer Schiedsgerichtsklausel über
den Zweck einer Sparkassagenossenschaft hinausgehe. Denn
die Schiedsgerichtsklausel betrifft die Ordnung einer Ânr
gelegenheit des genossenschaftlichen Gemeinlebens, die Rege-
lung der Anstände, welche zwischen Genossenschaft und Ge-
nossenschaftern aus dem Genossenschaftsverhältnis entstehen
können, also die Regelung des letztern Verhältnisses in
streitigen Fällen, und bewegt sich daher innerhalb des Geltungs-
gebietes der Verfügungsgewalt der Genossenschaft. (Entsoh.
y. 18. Juli 1898 i. S. Fridlin-Galliker und Genossen c. Spar-
kasse Zug.)
91. Art. 813 Abs. 2 0. R. Rechtsverhältnis bei Erteilung einer
Wechselunterschrift aus „6efäUigkeil.u Voraussetzungen der
Wechselbereicherungsklage gegen den Trassaten*
Der Beklagte M. hatte auf J. Bl., welcher ihm für ge-
lieferte Arbeiten Fr. 4000 schuldete, zum Zwecke des Einzugs
dieser Forderung vier Wechsel an eigene Ordre über je
Fr. 1000, fällig Mitte Dezember 1896, gezogen, welche von
J. Bl. acceptiert worden waren. M. versah die Wechsel mit
seinem Blankoindossament, der Kläger mit seinem Vollindossa-
ment an die Schweiz. Volksbank. Der Acceptant löste die
Wechsel bei Verfall nicht ein, so dass der Kläger dieselben
im Regresswege einlösen musste. Dieser versäumte den Regress
gegen den Beklagten, erhob dann aber im ordentlichen Verfahren
Klage gegen den Beklagten auf Bezahlung von vier Mal
Fr. 1009.55 nebst Zins, indem er geltend machte: Er habe
sein Giro auf Ersuchen des Beklagten aus Gefälligkeit gegeben,
worauf dann die Volksbank die Wechsel angenommen und
der Beklagte von ihr direkt die Fr. 4000 ausbezahlt erhalten
habe. Der Beklagte sei ihm daher schadenersatzpflichtig, da
beim Gefälligkeitsgiro jejjer Schaden des Gefälligkeits-
indossanten wegbedungen sei. Zudem seien die Voraussetzungen
der Wechselbereicherungsklage gemäss Art. 813 Abs. 2 O. R.
gegeben, da der Beklagte gegenüber dem Kläger, welcher
10
134
weder ihm noch dem Bl. etwas sohulde, grundlos bereichert
sei. Das Bundesgerioht hat die Klage abgewiesen, im wesent-
lichen aus folgenden Gründen:
Das nicht in Schenkungsabsicht gegebene Gefälligkeits-
indossament wird allerdings, wie das Gef&lligkeitsaccept,
regelmässig nur gegeben unter der stillschweigend oder aus-
drücklich vorausgesetzten Verpflichtung desjenigen, für den
es gewährt wird, für die Einlösung des Wechsels besorgt zu
sein, bezw, den dem Gefälligkeitsindossanten allfällig aus der
gezwungenen Einlösung des Wechsels entstehenden Schaden
zu ersetzen. Allein es ist klar, dass aus dem Gefälligkeits-
indossament dem Indossanten ein oivilrechtlicher Anspruch
nur gegen Denjenigen erwächst, für den er das Indossa-
ment gegeben hat, und die entscheidende Frage ist daher die,
ob der Kläger sein Indossament aus Gefälligkeit für den
Beklagten oder für B. erteilt habe. Nun hat der Beklagte die
klägerische Darstellung, wonach der Beklagte den Kläger
ersucht hätte, sein Giro auf den Wechsel zu setzen, aus-
drücklich bestritten, und gegenteils behauptet, das Giro des
Klägers sei eine reine Gefälligkeit gegenüber Bl. gewesen.
Dem Kläger lag daher der Beweis für die Richtigkeit der
Klagethatsachen ob. Beide kantonalen Instanzen haben jedoch
übereinstimmend angenommen, derselbe sei nicht geleistet,
und diese Annahme ist fiir das Bundesgerioht verbindlich, da
sie offenbar nicht aktenwidrig ist
Da feststeht, dass der Beklagte auf J. Bl. eine fällige
Forderung von Fr. 4000 für geleistete Arbeiten hatte, und die
vier Wechsel behufs Zahlung ihrer Forderung von Bl. accep-
tiert worden sind, der Beklagte also dem Acceptanten den
vollen Gegenwert für sein Acoept geleistet hat, könnte von
einer Bereicherung desselben und somit von einer Wechsel-
bereicherungsklage gemäss Art. 813 Abs. 2 0. R. nnr insofern
die Rede sein, als ihm neben der infolge Diskontierung der
Wechsel empfangenen Valuta noch die ursprüngliche civile
Forderung auf den Acceptanten Bl. zustehen würde. Diese
Frage müsste ohne weiteres verneint werden, falls die Wechsel,
resp. die Accepte von Bl. an Zahlungsstatt gegeben worden
wären, indem in diesem Falle die Schuld mit der Weohsel-
resp. Acceptannahme seitens des Beklagten erloschen sein
würde. Die Vorinstanz hat jedoch angenommen, dass die
Wechsel hier offenbar nicht an Zahlungsstatt, sondern zahlungs-
halber von Bl. acceptiert worden seien, und von dieser An-
nahme hat auch das Bundesgericht auszugehen, da die Wechsel-
resp. Accepthingabe an Zahlungsstatt nicht zu vermuten,
135
sondern im Zweifel Geben zahlungshalber anzunehmen ist
{vergi. Amtl. Samml. der bundesger. Entsch. BdXIV, S. 311,
E. 6), und in casu keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, welche
zur Entkräftung der Vermutung für Hingabe und Annahme
zahlungshalber genügen würden. Was nun die Frage betrifft,
ob bei Hingabe von Wechseln oder Aocepten zahlungshalber
die zu Grunde liegende Schuld nur bei Einlösung des Wechsels
durch den Bezogenen resp. Acceptantes oder schon mit der
Weiterbegebung des Wechsels gegen Empfang der Valuta
erlösche, so kann dieselbe für die Entscheidung des vor-
liegenden Prozesses dahingestellt bleiben. Denn auch bei der
Annahme, dass die civile Forderung des Beklagten gegen BL
noch nicht erloschen sei, weil der Acceptant und Haupt-
wechselschuldner weder diese noch die Wechselforderung be-
zahlt, also keinerlei Aufwendung aus seinem Vermögen zur
Deckung der Wechsel und der civilen Schuld gemacht hat,
kann es sich richtiger Ansicht naoh um eine Bereicherung
des Beklagten um die empfangene Valuta (welche mit gegen-
wärtiger Klage vom Kläger herausverlangt wird) nicht handeln,
sondern es kann dessen Bereicherung nur in der civilen
Forderung liegen, welche er neben der empfangenen Valuta
noch hat. Auf Herausgabe dieser Bereicherung, d. h. auf
Ueberlassung der dem Beklagten gegenüber BL zustehenden
Civilforderung an den Kläger ist aber die Klage nicht ge-
richtet. Bezüglich der Frage, worin die Bereicherung des
Trassanten liege, und worauf daher die gegen ihn angestellte
Bereioherungsklage zu richten sei, ist nämlich zu bemerken:
Nach Art. 313 Abs. 1 u. 2 0. R. sind die weohselrecht-
lichen Verbindlichkeiten aus dem Wechsel durch Verjährung
oder durch Nichtbeachtung von wechselrechtliohen Fristen oder
Förmlichkeiten erloschen, und bleiben Aooeptant und Aus-
steller nur noch aus der Bereicherung verpflichtet: Dass nun
etwa der Anspruch aus der Bereicherung immer (wie aller-
dings überwiegend von deutschen Autoren angenommen wird)
auf Zahlung einer Geldsumme gehe, ergiebt sich aus dem
Gesetze nicht, und lässt sich lediglich damit, dass dieser An-
spruch ein Residuum des Wechselanspruchs sei, nicht be-
gründen. Durch das Wechselrecht wird derselbe allerdings
insofern normiert, als dieses seine Voraussetzungen feststellt,
die Personen, denen und gegen die der Anspruch zusteht, und
endlich dessen Inhalt bezeichnet. Allein der Umstand, dass
die Personen, gegen welche der Anspruch erhoben werden
kann, nach Art. 813 Abs. 3 nicht notwendig im Wechsel-
verband gestanden haben müssen, zeigt deutlich, dass derselbe
136
gegenüber dem untergegangenen Anspruch aus dem Wechsel-
recht auf selbständiger Grundlage beruht. Der Inhalt des-
Anspruchs besteht nun einfach in der Pflicht zur Herausgabe
der Bereicherung an den geschädigten Wechseleigentümer.
Besteht diese Bereicherung in etwas anderem als in einer
Geldsumme, so steht nach dem Gesetze nichts entgegen, als
Ziel der Bereicherungsklage die Verurteilung zur Herausgabe
desjenigen Gegenstandes zu bezeichnen, welchen der Beklagte
zum Schaden des Klägers ohne Grund inne hat. In Fällen
wie der vorliegende ist aber die Bereicherung des Trassanten
in nichts anderem als darin zu finden, dass die Civilforderung
an den Aooeptanten bei demselben zurückgeblieben ist. Denn
der Vorteil, den der Trassant in dem Falle, wo die Tratte
nicht bezahlt wird und das Regressrecht untergegangen ist,
hat, besteht darin, dass er zugleich die Deckung und die
Begresssumme erspart (vergi. Thöl, Wechselrecht 4. Auflage
S. 387), und dass der Bereioherungsanspruch nioht auf die
Begresssumme gerichtet sein kann, folgt mit Notwendigkeit
daraus, dass eben der Anspruch auf die Begresssumme infolge
der Verjährung erloschen ist, und es nicht die Meinung des
Gesetzes sein kann, denselben unter einem andern Namen
wieder herzustellen (vergi. Thöl, a. a. Orte). Bereichert
ist also der Trassant um den Wert der ersparten Deckung,
bezw. in casu um den Wert der zurückgebliebenen Civil-
forderung. Sofern man also auch annimmt, dass die Civil-
forderung nicht bereits durch die Weiterbegebung des Wechsels
gegen Empfang der Valuta erloschen sei, kann die Verpflich-
tung des Beklagten nach Art. 813 Abs. 2 0. B. nur in der
Abtretung dieser Civilforderung bestehen. Hierauf ist jedoch,
wie bereits bemerkt, nicht geklagt und es fehlte dem Kläger,
dem ja gegenüber dem Schuldner des Beklagten die Forderung
aus dem Acoept zusteht, auch das Interesse dazu. (Entsch.
vom 10. Juni 1898 i. S. Trüb o. Maillard.)
92. Bundesgesetz betr. die Verbindlichkeit zur Abtretung von
Privatrechten vom 1. Mai 1850, Art. 23. Die Bestimmung des
Art. 23, Abs, 2 findet auch bei blosser Verzögerung der Expro-
priation durch den Bauunternehmer Anwendung. — Kompetenz,
des Bundesgerichts. —
Das eidg. Expropriationsgesetz setzt dem Exproprianten
keine Frist, innert der er von dem ihm zuerkannten Expro-
priationsrechte Gebrauch machen inüsste. Es geht davon aus,
dass sioh das Verfahren nach der Planauflage ohne Unter-
187
T>ruch abwickeln werde, schafft aber kein Mittel, um den
säumigen Exproprianten zur ununterbrochenen Durchführung
der Expropriation anzuhalten; ja es ist der Expropriant über-
haupt duroh die Planauflage noch gar nicht gebunden, und
es steht ihm in der Regel frei, bis zur faktischen Uebernahme
bezw. bis zum Urteil über die Entschädigungsforderung von
-der Expropriation zurückzutreten. Da nun der Expropriât
«einerseits sohon von der Planauflage an in seiner Verfügungs-
befugnis beschränkt ist, so erfordert es die Billigkeit, dass
ihm für den daraus ihm entstehenden Schaden durch den
Exproprianten Ersatz geleistet, und dass dieser auf solche
Weise indirekt gezwungen werde, durch Ànhandnahme der
Ausführung oder Fallenlassen des Projekts eine klare Situation
zu schaffen. Dies ist im eidg. Expropriationsgesetz positiv
vorgeschrieben in Art. 23 Abs. 2, wonach der Bauunternehmer
fur den Schaden, der dem Expropriaten aus der in Absatz 1
aufgestellten Einschränkung des freien Verfügungsrechts er-
weislich hervorgegangen ist, Ersatz zu leisten hat.
Diese Bestimmung bezieht sich zweifellos nicht nur auf
-die Fälle, in denen der Expropriant, nachdem er die Be-
schränkung nach Art. 23, Abs. 1, das Interdikt, eine Zeit
lang hat andauern lassen, von der Expropriation gänzlich
zurücktritt, sondern auch auf diejenigen, in denen er die
Durchführung der Expropriation hinauszögert Denn die recht-
liche Lage des Expropriaten ist in beiden Fällen die nämliche:
er ist in der Zwischenzeit in der freien Verfügung über sein
Eigentum beschränkt. Die Beklagte wendet nun aber ein,
dass für den Fall einer blossen Verzögerung nicht ein selb-
ständiger Anspruoh direkt vor Bundesgerioht erhoben werden
könne, dass derselbe vielmehr anlässlich der Geltendmachung
der eigentlichen Expropriationsansprüche in dem für deren
Liquidation vorgesehenen, besondern Verfahren geltend zu
machen sei. Das ist unriohtig. Im eigentlichen Expropriations-
verfahren ist nur der Schaden zu liquidieren, der aus der
Abtretung entsteht, zu einer Abschätzung des Schadens, der
aus der Beschränkung der Verfügungsbefugnis seit der Plan-
auflage bis zur Anhandnahme der Expropriation bezw. bis
zum Fallenlassen derselben den Eigentümern von Expropriations-
objekten erwächst, ist die Schätzungskommission nicht kom-
petent, sondern es ist ein daheriger Anspruch direkt vor dem
Bundesgericht zu erheben (Art. 23, Abs. 3 1. c). Dies muss
jedenfalls dann möglich sein, wenn die Schätzungskommission
überhaupt noch nicht angerufen werden kann, wie dies hier
wegen der Unsicherheit über die definitive Gestaltung der
138
Expropriation der Fall ist. (Entsch. vom 29. Juli 1898 i. S~
Gebrüder Meyer o. Nordostbahngesellschaft.)
93. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundes-
rechtspfiege vom 22. März 1893, Art. 56. Bundesgesetz betreffend
Feststellung und Beurkundung des Civilstandes und die Ehe vom
24. Dez. 1874, Art. 46 lit b und c, 48, 40. 0. R. Art. 55. —
Das Bundesgericht ist zur Beurteilung der Nebenfolgen der Ehe-
scheidung, speziell der Entschädigungspflicht des schuldigen Teiles,
nur dann kompetent, wenn die Ehescheidung selbst, wenigstens
hinsichtlich des Scheidungsgrnndes, resp. des Verschuldens der
Ehescheidung, bestritten ist — Verhältnis des Art 55 0. R. zu
Art 49 des CivUstandsgesetzes und den kantonalen Bestimmungen
über die Entschädigungspflicht des schuldigen Ehegatten bei Ehe-
scheidung.
Durch Urteil des Obergerichts des Kantons Àargau vom
19. Mai 1897 war die zwischen den Parteien bestandene Ehe
gestützt auf Art. 46 lit. b und c des Bundesgesetzes über
Civilstand und Ehe getrennt worden, nachdem der Ehemann
wegen eines gegen seine Ehefrau begangenen Vergiftungs-
versuches zu krimineller Strafe verurteilt worden war. In
dem Urteile wurde der Ehemann als der (überwiegend) schul-
dige Teil erklärt und grundsätzlich zu einer, in besonderem
Verfahren festzusetzenden Entschädigung an die Ehefrau ver-
urteilt. Diese machte nun in besonderem Verfahren (in welchem
gleichzeitig über die Auseinandersetzung der ehelichen Güter-
verhältnisse verhandelt wurde), zwei verschiedene Entschä-
digungsforderungen geltend, 1. eine solche von Fr. 5000 oder
für den Fall, dass nicht anerkannt werden sollte, dass zwischen
den Litiganten Gütergemeinschaft bestanden habe, von Fr. 7500
auf Grund von Art. 55 0. R. 2. eine solche von Fr. 1000O
oder für den Fall der Nichtanerkennung der Gütergemein-
schaft von Fr. 15000 „wegen der Scheidung." Der Beklagte
trug auf Abweisung der Klage an. Durch Entscheidung vom
25. April 1898 hat das Obergerioht des Kantons Aargau (in-
dem es gleichzeitig anerkannte, dass zwischen den Eheleuten
Gütergemeinschaft bestanden habe) den Beklagten zu einer
Gesamtentschädigung von Fr. 4000 verurteilt. Auf Berufung
beider Parteien. hin hat das Bundesgericht erkannt, auf die
Berufungen der Parteien werde nicht eingetreten, sofern damit
das Urteil der Vorinstanz über den von der Klägerin aus
der Ehescheidung hergeleiteten Entschädigungsanspruch ange-
m
fochten werde. Im übrigen wurden die Berufungen abgewiesen»
Aus den Gründen ist folgendes hervorzuheben:
Das Bundesgesetz über Ci vils ta nd und Ehe überläset die
Peststellung der Polgen der Ehescheidung in Betreff der per-
sönlichen Verhältnisse der Ehegatten, ihrer Vermögensverhält-
nisse, der Erziehung und des Unterrichts der Kinder und der
dem schuldigen Teile aufzuerlegenden Entschädigung — ab-
gesehen von der Bestimmung in Art. 48 betr. die Wartefrist
bei gänzlicher Scheidung wegen eines bestimmten Grundes —
dem kantonalen Rechte (Art. 49). Das Bundesgericht, dem
als Berufungsinstanz nur die Ueberprüfung der riohtigen
Anwendung des eidgenössischen Rechts übertragen ist (Art.
56 0. G.), ist daher an sich nicht kompetent, über die nach
kantonalem Rechte zu beurteilenden Nebenfolgen der Ehe-
scheidung zu befinden. Nur da, wo die Präge der Scheidung
selbst an das Bundesgericht gezogen wird, hat sich dieses
für kompetent erachtet, soweit es in der Hauptsache zu einer
Abänderung des kantonalen Urteils gelangte, auch über die
Nebenfolgen abzusprechen, dies namentlich deshalb, weil in
Art. 49 Abs. 2 ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass das Gericht
über die Nebenfolgen von Amteswegen oder auf Begehren
der Parteien zu gleicher Zeit wie über die Scheidungsklage
entscheide. Stets aber muse, wenn das Bundesgericht auf
diese Prägen soll eintreten können, vor ihm noch die Haupt-
frage, die Präge der Scheidung, streitig sein. Diese Voraus-
setzung ist nun dann immer vorhanden, wenn die Scheidung
entgegen dem Antrag des einen Ehegatten ausgesprochen und
dieser dagegen die Berufung erklärt hat. Sie trifft aber auch
dann zu, wenn zwar darüber, dass die Ehe getrennt werden
solle, zwischen den Parteien kein Streit mehr herrscht, wohl
aber noch streitig ist, aus welchem Grunde die Scheidung
ausgesprochen werden soll, ob aus einem der bestimmten
Gründe, bezw. aus welchem, oder aus einem unbestimmten
Grunde, und, soweit dies damit zusammenhängt, wen das
Verschulden, bezw. das vorwiegende Verschulden, treffe. So
lange bezüglich der Scheidungsgründe ein rechtskräftiges Er-
kenntnis nioht vorliegt, ist ein rechtskräftiges Scheidungs-
urteil überhaupt nicht vorhanden. Das Scheidungsurteil ist
stets abhängig von den Scheidungsgründen, und das Bundes-
gericht kann selbst da, wo beide Parteien das die Scheidung
aussprechende kantonale Urteil anerkennen, aber nicht die
vom kantonalen Gerichte angenommenen Scheidungsgründe,
die Trennung der Ehe verweigern, und es wird dies da immer
thun müssen, wo es findet, dass gesetzliche Scheidungsgründe
140
nicht vorliegen ; denn die Scheidung gehört zu einem wesent-
lichen Teile dem öffentlichen Rechte an und ist insoweit von
dem Parteiwillen unabhängig. Im vorliegenden Falle ist nun
aber die Frage der Scheidung selbst nicht mehr streitig, auch
nicht mit Bezug auf den Scheidungsgrund bezw. die Schuld
an der Scheidung. Denn nicht nur ist das obergerichtliche
Urteil vom 19. Mai 1897, das die Scheidung gestützt auf
Art. 46 lit. b und c des Gesetzes aussprach und den Ehemann
als den überwiegend schuldigen Teil erklärte, nicht selbst-
ständig innert der Berufungsfrist angefochten worden, sondern
es bezieht sich auch die Berufung gegen das Urteil vom
25. April 1898 nach der schriftlichen Erklärung ausschliesslich
auf die Frage der Entschädigung, und es wird darin nirgends
verlangt, dass die Scheidungsfrage selbst als solche oder mit
Bezug auf die Frage des Scheidungsgrundes bezw. des Ver-
schuldens anders gelöst werde. Das Bundesgericht kann daher
auf die Berufung, soweit es sich um die Entsohädigungs-
forderung aus § 147 des aargauisch bürgert. Gesetzbuches
handelt, nicht eintreten, weil eine Frage eidgenössischen
Rechts, von der die Frage der Entschädigung abbienge, nicht
m ehi* zum Entscheide steht.
Dagegen unterliegt allerdings das Urteil, das die kan-
tonalen Instanzen über den von der Klägerin an den Beklagten
Gestützt auf Art. 55 0. R. erhobenen Anspruoh gefällt haben,
er Ueberprüfung des Bundesgerichts. In dieser Richtung
erhebt sich nun aber zunächst die Frage, ob auf diesem Ge-
biete für die vom schuldigen dem unschuldigen Ehegatten im
Falle der Scheidung zukommende Entschädigung nicht aus-
schliesslich kantonales Recht massgebend sei, oder ob daneben
auch das gemeine eidg. Recht angerufen werden könne. Art.
49 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe hat nun
offenbar den Sinn, dass alle aus dem ehelichen Leben her-
rührenden Entschädigungsansprüche nach kantonalem Rechte
zu beurteilen seien. Bezieht er sich aber auf die Gesamtheit
dieser Ansprüche, so kann eidg. Recht daneben nicht mehr
zur Anwendung kommen. Art. 55 0. R. könnte daher nur in
Betracht fallen, wenn Entschädigungsansprüche geltend gemacht
würden, deren Gründe ausserhalb der ehelichen oder Familien-
Verhältnisse liegen. Die Klägerin hat aber derartige Ansprüche
nicht geltend gemacht, folglich kann Art. 55 0. R. auoh nicht
zur Anwendung kommen, und die hierauf gestützte Ent-
schädigungsforderung mus8 abgewiesen werden. (Entsch. vom
8. Juni 1898 i. S. Trefeger c. Trefzger.)
141
94. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn-
and Dampfschilffahrtunternehmungen bei Tötungen und Verletz-
ungen vom 1. Juli 1875, Art. 2. Bundesgesetz betreffend die Aus-
dehnung der Haftpflicht u. s. to. vom 26. April 1887 Art. 3, 4. Wer
gehört zu den Hilfsarbeitern des Eisenbahnbetriebs? Begriff des
Unfalls. Erfrieren als Unfall.
Dem bei der Beklagten als Bahnwärter and Bahnarbeiter
angestellten Kläger erfroren, nach der thatsächlichen Fest-
stellung der Vorinstanz, am 12. Januar 1895, Nachmittags,
während er, bei herrschender heftiger Kälte in Wiederauf-
nahme einer am Vormittag begonnenen Arbeit, damit beschäftigt
war, die Schienenränder von ihrer Eiskruste zu befreien, die
Fusse. Er musste seine Arbeit unterbrechen, in der Folge
in das Spital verbracht werden und sich dort einer Ampu-
tation des ersten Gliedes der grossen und der zweiten Zehe
des rechten. Fusses unterwerfen. Die Haftpflichtklage des
Verletzten wurde vom Bundesgerichte, in Bestätigung der
Entscheidung des Appellations- undCassationshofes des Kantons
Bern, prinzipiell gutgeheissen im wesentlichen aus folgenden
Gründen :
1. Die Arbeit, mit welcher der Kläger am 12. Januar 1895
beschäftigt gewesen sei, qualifiziere sich als eine mit dem
Betriebe der Eisenbahn der Beklagten im Zusammenhange
stehende Hilfsarbeit im 8inne des Art. 4 des erweiterten
Haftpflichtgesetzes. Denn dazu sei nicht erforderlich, dass
die betreffende Arbeit den besonderen Gefahren des Eisen-
bahnbetriebs ausgesetzt sei, sondern es gentige, dass sie im
allgemeinen, in einem wenn auch mittelbaren, Zusammenhange
mit dem Eisenbahnbetrieb stehe. Dies treffe aber hier un-
zweifelhaft zu, da die Beseitigung der Eiskruste der Schienen
im Interesse der Betriebssicherheit nötig gewesen sei.
2. Es handle sich um einen, in kausalem, Zusammenhang
mit der vom Kläger verrichteten Arbeit eingetretenen Unfall.
Das Erfrieren der Zehen des Verletzten sei nicht die Folge
einer Krankheit, d.h. der allmäligen und langsamen Ent-
wicklung eines im Innern des menschlichen Organismus
steckenden Krankheitskeimes, sondern die Wirkung einer
äusseren Ursache, der aussergewöhnlich niederen Temperatur,
bei welcher der Kläger habe arbeiten müssen und welche in
verhältnismässig kurzer Zeit ihre schädigende Wirkung hervor-
gebracht habe. Dass die schädigende Einwirkung der Kälte
keine absolut plötzliche, augenblickliche gewesen sei, stehe
der Annahme eines Unfalls nicht entgegen, denn immerhin sei
diese Einwirkung in verhältnismässig kurzer Zeit und in
142
einem genau bestimmten Zeitpunkte (im Augenblick, wo der
Kläger seine Arbeit habe aufgeben müssen) eingetreten« Es
sei denn auch in Doktrin und Praxis des Unfallversicherungs-
rechts überwiegend anerkannt, dass Erfrieren als Betriebs-
unfall zu betrachten sei, wenn die Bedingungen des Betriebs
die gewöhnliche Gefahr erheblich erhöht haben, und die Ein-
wirkung der Kälte eine rasche und heftige gewesen sei,
mögen auch die Wirkungen nicht absolut augenblicklich und
plötzlich zu Tage getreten sein (Handbuch der Unfallver-
sicherung II. Aufl. Seite 30; Kaufmann, Handbuch der Unfall-
verletzungen 2. Aufl. S. 16 fg. 27,29). (Entsoh. vom 18. Mai 1898
i. 8. der Compagnie du chemin de fer régional Saignelégier-
Ohaux-de-Fonds o. Cattin.)
95. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn-
und Dampfschiffahrt- Unternehmungen bei Tötungen und Ver-
letzungen vom 1. Juli 1875, Art. 2. Haftpflicht der Strassenbahnen.
Höhere Gewalt t
Am 7. August 1897 wurde der mit einem Einspänner-
fuhrwerke auf der Staatsstrasse von Kronbühl nach St. Gallen
fahrende S. B. von einem ihm entgegenfahrenden Zuge der
elektrischen Strassenbahn getötet, weil sein, durch den ent-
gegenfahrenden Zug scheu gewordenes Pferd, unmittelbar vor
dem Zuge auf das Bahngeleise gesprungen war. Seine Erben
und Hinterla88enen belangten die politische Gemeinde St Gallen
als Inhaberin der Strassenbahnkonzession auf Entschädigung,
indem sie sich einerseits auf das eidg. Eisen bahnhaftpflicht-
gesetz, andrerseits auf Art. 12 der vom Grossen Rate des
Kantons St. Gallen mit Beschluss vom 23. November 1894
dem Initiativkomite für die elektrische Strassenbahn für die Be-
nützung der Staatsstrasse erteilten Konzession beriefen (welche
bezweckt, den Konzessionären eine über das eidgenössische
Haftpflichtgesetz hinausgehende Haftpflicht aufzuerlegen).
Das Bundesgericht hiess die Klage, indem es auf eine
Prüfung der Giltigkeit des Art. 12 der grossrätiichen Kon-
zession, weil unnötig, nicht eintrat, gestützt auf das eidg.
Eisenbahnhaftpflichtgesetz gut. In den Entscheidungsgründen
wird bemerkt, das Haftpflichtgesetz sei unzweifelhaft auch
auf Strassenbahnen anwendbar und die Einrede des Selbst-
verschuldens sei nach dem festgestellten Thatbestand unbe-
gründet. Hinsichtlich der von den Beklagten erhobenen Einrede
der höheren Gewalt sodann wird ausgeführt:
Ueber den Begriff der höhern Gewalt besteht in Theorie
und Praxis bekanntlich keine Einigkeit, und enthalten auch
143
weder das Eisenbahnhaftpflichtgesetz noch die andern, diesen
Begriff verwertenden, Bundesgesetze eine Definition derselben
(vergi, bandesger. Entsch. vom 10. Oktober 1884 i. S. Roth c.
N. 0. B., Amtl. Samml. Bd X S. 527 E. 6). Nun ist zu sagen,
dass das Scheuwerden eines Pferdes, das lediglich durch den
Bahnbetrieb selber, durch das mit ihm verbundene Geräusch,
durch den dem Pferde ungewohnten Anblick und dergl., und
nioht durch ein drittes, vom Bahnbetrieb unabhängiges Er-
eignis (wie z. B. Anbellen eines Hundes) verursacht wird,
nicht als von aussen kommender Zufall, sondern als eine dem
Bahnbetriebe und speziell dem Strassenbahnbetriebe imma-
nente Gefahr erscheint; derartige, im Wesen des Bahnbetriebes
selber liegende, mit ihm untrennbar verbundene und deshalb
auch stets zu gewärtigende und voraussehbare Ereignisse
aber können niemals als höhere Gewalt im Sinne der Hatt-
pflichtgesetze angesehen werden, da die Haftpflicht nach diesen
Gesetzen mit auf dem Rechtsgedanken beruht, dass derjenige,
welcher ein gefährliches Gewerbe für sich betreibt, das damit
verbundene Risiko tragen und daher für die ökonomischen
Folgen eintreten muss, wenn durch die gefahrliche Art seines
Betriebes, obschon ohne sein Verschulden, Leben, Gesundheit
oder Vermögen anderer geschädigt werden (vergi, bundesger.
Entsch. vom 20. Juni 1890 i. S. Meuli c. Graubünden, A. S.
Bd XVI S. 412). Um einen derartigen Unfall aber handelt
es sich in casu nach den Feststellungen der Vorinstanz.
(Entsch. vom 19. Juli 1898 i. S. Politische Gemeinde St. Gallen
c. Witwe Brühlmann und Genossen.)
96. Bundesgesetz beir. die Haftpflicht uus Fabrikhetrieb vom
25. Juni 1881, Art. 2, 5. Haftpflicht d<$ Fabrikherrn , wenn der
Unfall durch Zusammenwirken eines zufälligen Ereignisses mit
schuldhaftem Verhalten des Verletzten verursacht ist
Der Mechaniker J. F. in Neuhausen, welcher im Fabrik-
etablissement der Beklagten angestellt war, erlitt am 10. Ok-
tober 1896 eine erhebliche Verletzung an der linken Hand
dadurch, dass er mit derselben, als er an einer im Gang be-
findlichen Fraisma8chine einen Façonstahl probieren wollte,
ausglitschte und in die Fraise geriet. Der von ihm an-
gestellten Haftpflichtklage stellte die Beklagte die Einrede
des Selbstverschuldens entgegen. Das Bundesgericht hat die
Klage (in Bestätigung der Entscheidung des Obergerichtes
des Kt. Schaffhausen) zu dem reduzierten Betrage von Fr. 120O
gutgeheisBen. In den Urteilsgründen wird ausgeführt: Ein
144
Selbst verschulden des Verletzten liege darin, dass dieser die
fragliche Verrichtung vorgenommen habe, ohne die Maschine
abzustellen, während dies sich leicht und ohne nennenswerten
Zeitverlust hätte bewerkstelligen lassen. Sodann wird be-
merkt : Dagegen haben die beiden Vorinstanzen angenommen,
<lass der Unfall doch nur teilweise als selbstverschuldet zu
betrachten sei, weil neben dem Selbstverschulden auch noch
eine andere Ursache zum unglücklichen Erfolge mitgewirkt
iiabe, eine Ursache, für welche die Beklagte einzustehen
habe. Es kann sich dies nach dem äussern Verlauf der
Dinge nur auf das zufällige Moment beziehen, dass der Kläger
bei der fraglichen Arbeit mit der Hand ausglitschte, was erst
die Verletzung herbeiführte. Nach allgemeinen Rechtsgrund-
sätzen ist die Annahme, dass ein Verschulden und ein Zu-
fall als Ursachen eines bestimmten Ereignisses konkurrieren,
nicht ausgeschlossen. Denn als Ursache im Rechtssinne wird
im allgemeinen nicht nur ein einzelnes Glied der auf ein
schädigendes Ereignis hinführenden, natürlichen Kausalreihe,
sondern jedes Moment betrachtet, das in Abweichung vom
gewöhnlichen Verlauf der Dinge den Erfolg mitbedingt hat.
Immerhin lässt sich nicht ein für alle Rechtsmaterien in
gleicher Weise geltender Begriff der Ursache aufstellen. Viel-
mehr ist jeweilen, besonders wo es sich um die Auslegung
von Spezialgesetzen handelt, auf die positive Normierung des
Kausalitätsverhältnisses bezw. auf die gesetzgeberische Ab-
sicht zurückzugehen and somit auch im vorliegenden Falle
zu fragen, ob nach den positiven Bestimmungen oder nach
Sinn und Geist des Gesetzes ein Zufall neben einem Selbst-
verschulden des Verletzten oder Getöteten als Ursache eines
Unfalls in dem Sinne in Betracht fallen könne, dass die Haft-
pflicht in solchem Falle nicht gänzlich dahinfiele, sondern teil-
weise bestehen bliebe. Diesbezüglich ist zu bemerken: Der
Wortlaut des Art. 2 des Haftpfliohtgesetzes scheint der An-
nahme günstig zu sein, dass beim Vorhandensein eines Selbst-
verschuldens dieses insofern als einzig relevante Ursache habe
hingestellt werden wollen, als in einem solchen Falle die
Haftpflicht schlechthin ausgeschlossen sein solle. Diese An-
nahme wird aber sofort erschüttert durch die Bestimmung in
Art. 5 litt. b. Denn hienach ist soviel zweifellos, dass neben
-dem Selbst verschulden auch ein Verschulden des Arbeitgebers
oder seiner Repräsentanten etc. die Ursaohe eines Unfalls
sein kann, und dass dies insofern von rechtlicher Bedeutung
ist, als in diesem Falle nicht Befreiung von der Haftpflicht,
sondern bloss Reduktion des Anspruches eintritt. Das Gesetz
145
sieht also selbst einen Fall vor, in dein das für den Unfall
kausale Verschulden des Geschädigten doch nicht die Haft*
pflicht aufhebt deshalb, weil dasselbe nioht als die ausschliess-
liche Ursache des Unfalls betrachtet wird. Und wenn nun
auch Art. 5 litt, b sich wohl nach seinem Wortlaute nur auf
die Konkurrenz von Selbstverschulden und Verschulden des
Arbeitgebers bezw. seiner Repräsentanten etc. bezieht, so steht
doch, sofern wenigstens die schuldhafte Herbeiführung der
Möglichkeit eines Unfalles durch den Geschädigten als ur-
sächlich für denselben betrachtet wird, der Annahme nichts
zwingendes entgegen, dass nach der gesetzgeberischen Ord-
nung der Materie auch eine Konkurrenz von Selbstverschulden
mit einem Zufall möglich, und dass beim Vorliegen eines
solchen Thatbestandes auch ähnliche rechtliche Folgerungen
daran zu knüpfen seien, wie beim Vorhandensein der Vor-
aussetzungen von Art. 5 litt. b. Im Gegenteil entspricht es
dem Grundgedanken und dem Zwecke des Gesetzes, wenn
erklärt wird, dass der Geschädigte, wenn er auch durch ein
schuldhaftes Verhalten zu dem schädigenden Ereignis bei-
getragen hat, doch dann seinen Anspruch nicht vollständig
verliert, wenn auch noch ein zufälliger Umstand hinzugetreten
ist, ohne den der Unfall sich ebenfalls nicht ereignet hätte.
Das Gesetz will dem Arbeiter einen Ersatz für Schädigungen
gewähren, die die Ausübung gewisser Berufe notwendigerweise
wegen der Art des Betriebes mit sich bringt; es will ihn
hauptsächlich auch gegen die vielen Zufälligkeiten schützen,
die in einem solchen Betriebe sich ereignen und irgend einen
schadenbringenden Erfolg bewirken können. Es würde nun
dieser Tendenz nicht entsprechen, wenn jedesmal die Haftung
gänzlich ausgeschlossen sein sollte, wenn der Geschädigte in
schuldhafter Weise zu dem Erfolge beigetragen hat, auch
dann, wenn noch andere zufällige Momente hinzutreten mussten,
um diesen herbeizuführen, Momente, für die sonst, ohne das
Verschulden des Geschädigten, der Arbeitgeber zweifellos ein-
treten musate. Sondern es rechtfertigt sich auoh in einem
solchen Falle die Teilung der Verantwortlichkeit zwischen
dem Arbeiter, der für sein Verschulden einzustehen hat, und
zwischen dem Arbeitgeber, der die Zufälligkeiten des Be-
triebes auoh in diesem Falle vertreten soll. Nur ist zu be-
achten, dass eine solche Teilung nur da eintreten kann, wo
wirklich eine Ursaohenkonkurrenz vorliegt, nicht aber auch
in solchen Fällen, in denen der Zufall nicht als selbständige
Ursache betrachtet werden kann, wo vielmehr als solche nur
die Schuld des Geschädigten erscheint. Und dies wird dann
146
zutreffen, wenn das Verschulden des Geschädigten ein der-
artiges ist, das8 gesagt werden muss, er habe damit auch
das Risiko für einen hinzutretenden Zufall auf sich genommen;
also da, wo die Möglichkeit, dass ein solcher gefährdender
Zufall eintreten möchte, vorausgesehen werden konnte. Im
vorliegenden Falle nun steht fest, dass sich der Unfall nicht
ereignet hätte, wenn nicht der Kläger bei der fraglichen
Manipulation mit der Hand ausgeglitscht wäre. Diese Zu-
fäliigkeit ist nicht auf Rechnung des klägerischen Verschuldens
zu setzen, sondern als selbständige Ursache des Unfalls zu
betrachten, da der Kläger eine derartige Zufälligkeit, als er,
freilich unvorsichtigerweise, die Maschine, ohne sie abzustellen,
benutzte, nicht vorhersehen konnte. Soweit daher der Unfall
auf diesen Zufall zurückzuführen ist, kann nicht ein Ver-
schulden des Klägers als seine Ursache betrachtet werden,
und insoweit tritt dann auch nicht die an das Selbstver-
schulden geknüpfte Folge der Befreiung von der Haftpflicht
ein (vergi. Soldan, Responsabilité des fabricants, S. 32, und
ferner das Urteil des Bundesgerichts i. S. Hitz & Cie e. Viglia,
A mtl. Samml. Bd XXIH 8. 1176). (Entsoh. v. 15. Juni 1898
i. 8. Flury c. Schweiz. Industriegesellschaft in Neuhausen.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
97. Vindikation einer gestohlenen Sache. Beweislast
für den bösen Glauben des Beklagten bei Erwerb der Sache,
Art. 207 0. R.
Zürich. Urteil der Appellationskammer des Obergerichts vom 13. April
1897 i. S. Schweiz. Creditaastalt c. Bosshard.
Im September 1894 wurden der Frau Dr. B. in Zug u. a.
eine Anzahl Zürcher Staatsobligationen gestohlen. Letztere
wurden am 6. und 8. gl. Mts. behufs Amortisation durch die
Kantonsgerichtskanzlei Zug im Schweiz. Handelsamtsblatt
aufgerufen. Am 22. März 1895 erwarb nun die Schweiz.
Kreditanstalt in Zürich eine dieser Obligationen von der
Banca popolare in Lugano und verkaufte sie gleiohen Tages
an eine Frau Blumer in Seh.
Die be8tohlene Frau Dr. B. verlangte von der Schweiz.
Kreditanstalt alternativ die Herausgabe einer gleichartigen
Obligation oder Zahlung des Nominalbetrages derselben.
147
Die erste Instanz hiess die Klage gut, die zweite be-
stätigte den Entscheid.
In den zweitinstanzlichen Motiven wird zunächst fest-
gestellt, da8S Art. 206 0. R. nicht zur Anwendung komme,
da die Beklagte die Obligation an Frau Bl. veräussert habe,
die als gutgläubige Erwerberin nur gegen Vergütung des dafür
bezahlten Preises zu deren Herausgabe hätte angehalten
werden können. Die Klage könne daher nicht mit Erfolg als
eigentliche Vindikation — gerichtet auf Herausgabe der vin-
dicierten Sache in natura — gegen die Beklagte gerichtet
werden.
Dagegen, fahren die Motive fort, muss die Passivlegiti-
mation der Beklagten als früheren Erwerberin der Obligation,
die sich derselben entäussert hat, als begründet angenommen
werden, und ist dieselbe daher gemäss 0. R. Art. 207 zum
Ersätze ihres Wertes an die Klägerin zu verpflichten, sofern
dieser der Nachweis des bösgläubigen Erwerbes gelingt. —
Die Beklagte hat nämlioh durch ihren Vertreter vor erster
Instanz ausdrücklich vortragen lassen, sie habe die fragliche
Obligation am 22. März 1895 von der Banca popolare in
Lugano infolge eines ihr erteilten Verkaufsauftrages durch
Eintritt als Selbstkontrahent erworben, und habe dieselbe
noch am gleichen Tag an Frau Blumer in Seh. weiter ver-
äussert. Aus dieser Darstellung geht nun aber keineswegs
mit genügender Deutlichkeit hervor, dass die Beklagte, wie
dies heute geschehen, bestreiten wollte, dass sie die Obligation
jemals für sich erworben und besessen habe, bezw. dass sie
behaupten wollte, sie habe dieselbe gleichzeitig (uno aotu)
mit dem Ankauf von der Banca popolare resp. als deren
Mandatarin an Frau Blumer weiter verkauft und sei daher
gar nie Besitzerin derselben in eigenem Namen gewesen.
Auch aus den eingelegten Akten (spez. der Verkaufs- und
Ankaufsanzeige vom 22. März 1895) ergiebt sich dies keines«
wegs mit Sicherheit; vielleicht spricht auch der Umstand,
dass der Käuferin für 1 Tag (10 Cts.) mehr Zins belastet,
als der Verkäuferin gutgeschrieben wurde, gegen diese Auf-
fassung. — Bei dieser Sachlage und da eine Bestreitung der
Passivlegitimation aus diesem Grunde erstinstanzlich nie
erfolgt ist, kann die heute von der Beklagten erhobene Ein-
rede der mangelnden Passivlegitimation nicht mehr gehört
werden.
In der Hauptsache hängt somit die Entscheidung des
Prozesses davon ab, ob anzunehmen sei, die Beklagte habe
die Obligation in gutem Glauben erworben, oder ob dieselbe
148
als bösgläubige Erwerberin im Sinne des Art. 207 0. IL an-
gesehen werden müsse.
Der Beweis für letzteres liegt nach allgemeinen Rechts-
grundsätzen der Klägerin ob (vergi. Hafner, Komm. z. 0. R.
2. Aufl. z. Art. 206 Nr. 8). Hiefür ist aber nicht erforderlich,
dass der Beweis dafür geleistet werde, dass die Beklagte tod
der den rechtmässigen Erwerb ausschliessenden Thatsacbe
(i. c. der Entwendung) positives Wissen gehabt habe, sondern
es genügt, wenn dargethan werden kann, dass die Beklagte
beim Erwerbe die nach den Umständen und der Verkebrs-
sitte von ihr zu verlangende Sorgfalt und Aufmerksamkeit
ausser Acht gelassen und hierdurch den Irrtum über die
Redlichkeit ihres Erwerbs verschuldet habe. Gewöhnlich wird
dieser Rechtssatz so ausgedrückt, der gute Glaube werde
auch durch grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen, wobei jedoch
auf die sonst übliche gemeinrechtliche Abgrenzung von grober
und leichter Fahrlässigkeit wohl kaum das Hauptgewicht zu
legen ist (vergi. Goldschmidt, Zeitschrift f. Handelsrecht Bd IX
S. 32, Bürgerl. Ges.-B. § 932, Guggenheim, Art. 205 0. R.
S. 43, Hafner, Komm. z. 0. R. 205 Nr. 2 und Bundesgerichtl.
Entsch. Bd 14 Nr. 17 Erw. 5).
In dem cit. Entscheide des Bundesgerichts ist als analoge
Bestimmung, ausser Art. 790 — auch Art. 211 Abs. 2 0. R.
angeführt (dessen Fassung sich auch in Art. 294 Abs. 2
wieder findet), und es enthielt der Art. 205 in den frühern
Entwürfen die ausdrückliche Bestimmung, dass auch beim
Mangel der „gehörigen Aufmerksamkeit" die Berufung auf
den guten Glauben ausgeschlossen sein solle (vergi. Guggen-
heim a. a. 0.).
Die Klägerin erblickt nun ein den guten Glauben der
Beklagten aussohliessendes Verschulden derselben darin, dass
sie die im Schweiz. Handelsamtsblatt vom 6. und 8. September
1894 erschienene Publikation der Kantonegerichtskanzlei Zug,
worin die entwendeten Obligationen behufs Amortisation auf-
gerufen waren, nicht beachtet habe. Die Beklagte hat hie-
gegen zunächst mit Unrecht eingewendet, dass die fragliche
Publikation, weil von einer zur Einleitung des Amortisations-
verfahrens in concreto (gemäss 0. R. Art. 850) nicht zustän-
digen Behörde veranlasst und an ungewöhnlicher Stelle (auf
der 2. Seite statt im Eingang) des Handelsamtsblatts enthalten,
von ihr nicht habe beachtet werden müssen ; denn es genügte
durchaus, dass die Publikation überhaupt im amtlichen Teil
des Handelsamtsblattes erschien, um diejenigen Personen, von
denen das Halten und Lesen dieses Publikationsorgans ver-
149
langt und erwartet werden darf, zu deren Kenntnisnahme zu
veranlassen. — Dass die Beklagte, als handeltreibende Aktien-
gesellschaft, die sich speziell auch mit dem gewerbsmässigen
An- und Verkauf von Wertpapieren befasst, zu diesen Per-
sonen gerechnet werden darf, ist auch ohne eine hierauf
bezügliche positive Gesetzesvorschrift von ihr gewiss mit Un-
recht bestritten worden. — Sie hat denn auch heute selber
anerkannt, dass auch bei ihr ein besonderes Register über
die im Handelsamtsblatt aufgerufenen Werttitel geführt werde,
wie dies nach vom Gericht eingeholten Erkundigungen bei
den meisten Banken, die in grösserem Umfange Handel mit
Wertpapieren treiben, der Fall ist. — Existierte aber ein
solches Verzeichnis, so ist es als eine Nachlässigkeit zu be-
trachten, wenn dasselbe entweder nicht vollständig geführt
(was übrigens nicht ausdrücklich behauptet worden ist) oder
dessen Nachschlagen beim Ankauf der Obligation unter-
lassen wurde. — Es ist dies auch in wiederholten Entschei-
dungen des deutschen Reichsgerichts (vergi. Bd VI S. 18 und
88 und Bd XXVIII S. 113) ausgesprochen und anerkannt
worden. Gewiss ist es gerechtfertigt, in dieser Beziehung an
Bankinstitute von der Art der Beklagten einen strengern
Massstab anzulegen, als z. B. an gewöhnliche Private oder
kleinere Banken, die bloss gelegentlich Käufer von Wert-
papieren sind.
Wenn endlich die Beklagte für ihren guten Glauben sich
namentlich noch darauf berufen zu können glaubt, dass sie
ja selber die Obligation von einer Bank, die mit solchen
Papieren handelt (Art 206 0. R.), erworben habe, so vermag
ihr auch dies nicht zur Entschuldigung des Mangels der ge-
botenen Vorsicht zu gereichen; denn einmal begründet diese
Thatsache an sich — nach der Fassung des Gesetzes —
noch nicht unbedingt und ohne weiteres die Annahme des
guten Glaubens bezw. schliesst sie die gegenteilige Annahme
keineswegs aus; sodann aber hat die Beklagte nicht etwa
behaupten können, dass ihr bekannt gewesen sei, dass die
erforderliche Kontrolle beim Ankauf von Wertpapieren speziell
auch bei ihrer Rechtsvorfahrin (der Banca popolare in Lugano)
gehandhabt werde ; vielmehr musste sie wohl mit der Mög-
lichkeit rechnen, dass dies nicht oder nicht in genügender
Weise geschehen sei, und wenn sie trotzdem auch ihrerseits
die erforderliche und ihr zugegebenermassen ermöglichte
Kontrolle unterliess, so that sie dies eben auf ihre eigene
Gefahr, indem sie sich offenbar dabei beruhigte, dass ihr ja
— für alle Eventualitäten, der Regress auf die Verkäuferin
11
150
offen bleibe. In diesem Verhalten mass aber gerade das
erblickt werden, was das Bundesgericht in dem oben ange-
führten Entscheide als „leichtfertige Unbekümmertheit um
fremdes Recht" bezeichnet hat, und was deshalb gewiss nicht
als eine den guten Glauben begründende Thatsache ange-
nommen werden kann.
Naob dem Ausgeführten muss das klägerische Rechts-
begehren in der alternativen Fassung auf Rückerstattung der
Obligation in natura oder Ersatz ihres Wertes als begründet
erklärt werden. (Schweizer Blätter f. h.-r. Entech., XVI S. 148 ff/.
98« Bail à loyer. Droit de rétention du propriétaire. Meubles
déplacés clandestinement. Art. 294 C. 0.
Genève. Jugement de la Cour de justice civile du 7 mars 1896 d. 1. c.
Salomon c. Ulmer.
La veuve Ulmer, domiciliée à G ex, est propriétaire d'un
immeuble sis à Genève ; elle avait pour locataire un sieur
Téoule, ébéniste. Le 15 avril 1895, Téoule qui était en retard
de paiement de son loyer, écrivait au régisseur de dame Ulmer
de vouloir bien prendre patience, ajoutant que la valeur de
son mobilier et celle d'un meuble d'art en construction garan-
tissaient amplement la dette. Le 15 mai, Téoule n'ayant
rien payé, veuve U. lui fit notifier un commandement pour la
somme de 75 fr. Les 24 et 30 mai, la dame Téoule, se qua-
lifiant de veuve, a vendu à Salomon, marchand de meubles,
la totalité du mobilier garnissant son appartement pour la
somme de 790 fr. payée partie comptant et le solde le 3 juin.
Le 6 juin, la veuve TL, agissant en vertu de l'art 284 de la
loi fédérale sur la poursuite pour dettes, a requis l'Office de
procéder à l'inventaire de ce mobilier et à sa réintégration
dans l'appartement de Téoule. L'Office a inventorié un cer-
tain nombre de meubles retrouvés en mains de Salomon et
évalués à 150 fr., et les a fait transporter au local des ventes
juridiques, l'appartement Téoule ayant été évacué et fermé
par son locataire. Salomon a introduit une action contre la
veuve U. pour faire prononcer qu'il est seul propriétaire des
objets inventoriés et qu'ils lui seront restitués. Les deux in-
stances l'ont débouté de sa demande. Les premiers juges ont
admis qu'il était établi par l'instruction de la cause que les
objets inventoriés ont été soustraits clandestinement au droit
de rétention de la veuve U. et que oette clandestinité résul-
tait notamment de ce qu'ils ont été sortis du domicile de
Téoule sans l'assentiment et hors de la vue de la propriétaire ;
151
que, d'autre part, Salomon, n'ayant fait aucune démarche pour
s'assurer si le mobilier qu'il acquérait n'était pas soumis au
droit de rétention de la veuve U., ne peut arguer de sa bonne
foi. La Cour s'est prononcée sur ces deux questions comme suit:
Considérant ainsi que l'a décidé le Tribunal fédéral dans
la cause Hayoz c. Pontetet, du 19 juillet 1895, qu'il y a dé-
placement clandestin, lorsque des objets soumis au droit de
rétention du bailleur sont enlevés, à l'insu de celui-ci, dans
des circonstances qu'il n'a pas connues ni dû connaître et
alors que le locataire savait ou devait savoir que oe déplace-
ment était de nature à provoquer l'opposition du bailleur;
Que tel est bien le cas en l'espèce, puisque Téoule était
en retard de trois mois de loyer et qu'un commandement lui
avait été signifié.
Considérant, avec le Tribunal fédéral (ut supra), que la
bonne foi doit être réputée inexistante, quand l'acte d'acqui-
sition repose sur une négligence grave et inexcusable consis-
tant, soit dans un manque d'attention extraordinaire, soit dans
une insouciance coupable du droit d'autrui.
Or, Salomon savait — nul n'étant censé ignorer la loi —
qu'aux termes de l'art. 294 C. 0. le mobilier Téoule était
soumis au droit de rétention du propriétaire, et qu'en ache-
tant tout ce mobilier, il aidait le locataire à commettre un
véritable détournement au préjudice du propriétaire, et que
la prudence la plus élémentaire exigeait qu'il obtint le con-
sentement du propriétaire, tout au moins pour l'enlèvement
des meubles. (La Semaine judiciaire 18»« année, p. 303 sa.)
99. Dienstvertrag. G eschäftsliqui dation kein wichtiger Grund
/ür vorzeitige Entlassung. Art. 346 0. R.
Zürich. Urteil des Handelsgerichts vom 23. Dezember 1897 i. S. Hauser
c. J. H. Pestalozzi & Cie.
£. Hauser, seit 1877 als Lehrling, dann als Commis, seit
1890 als Prokurist im Hause J. H. Pestalozzi & Cie thätig,
8chloss 1897 mit diesem Hause einen neuen Anstellungsver-
trag, gültig bis 1901. Bald darauf kündigten ihm die Ge-
schäftsinhaber das Dienstverhältnis auf 31. Oktober 1897, weil
sie sich entschlossen hätten, das Geschäft zu liquidieren, und
zwar infolge eines seit Jahren andauernden Rückgangs des
Geschäfts in Verbindung mit familiären Gründen. Hauser
nahm diese Kündigung nicht an und verlangte schliesslich
10,000 Fr. Schadenersatz. Es handelte sich darum, ob die
152
von den Geschäftsinhabern beschlossene Liquidation ein wich-
tiger Grund für vorzeitige Entlassung sei. Das Handelsgericht
verneinte dies und sprach dem Kläger Fr. 3600 zu.
Motive: Die Auflösung des Geschäfts, für welches der
Dienstvertrag abgeschlossen wurde, wird unter gewissen Um-
ständen als „wichtiger Grund" zur Aufhebung des Vertrages
anerkannt werden müssen, und zwar regelmässig dann, wenn
sie durch Zufall oder höhere Gewalt bedingt ist (s. Hahn,
Komm, zum D. H. G. B. Art. 64, § 3), wie z. B. Tod des Trin-
zipals, wenigstens bei Unmöglichkeit einer Weiterfuhrung des
Geschäftes durch Rechtsnachfolger, oder etwa einer Monopoli-
sierung des betreffenden Geschäftsbetriebes, Schaffung unüber-
windlicher Zollverhältnisse u. dergl. Im übrigen muss aber
festgehalten werden, dass der Bücktritt nach Art. 346 O. R.
nur in guten Treuen geschehen darf und daher in der Regel
kein Teil einen Auflösungsgrund aus seinen eigenen Hand-
lungen wird herleiten können (Hafner, Komm. z. O.R. Art. 346
N. 3, Bundesger. Entsch. Bd XXTTT S. 656 und Staub, Komm,
z. D. H. G. B. zu Art. 62 Nr. 2), und zwar auch abgesehen
von einem Verschulden, das selbstverständlich fur den, welchem
es zur Last fällt, nicht zur Quelle von Rechten werden kann.
So ist beispielsweise vom Bundesgericht die Geschäftsaufgabe
als Entlassungsgrund in einem Falle negiert worden, wo das
Geschäft einem Nachfolger übertragen werden konnte (Bun-
desger. Entsch. Bd XV N. 92). Vorliegend war nun aber ein
absoluter Zwang zur Aufhebung des Geschäftes überhaupt
nicht gegeben, sondern es beruht dieselbe auf einer mehr oder
weniger freien EntSchliessung des Dienstherrn. Ueberhaupt
würde es den grössten Bedenken unterliegen, eintretende Ge-
schäftsdefizite als einen Grund zur vorzeitigen Entlassung von
Angestellten anzuerkennen, da dies alles zu den mit dem
Geschäftsbetriebe verbundenen Risiken gehört; im vorliegenden
Falle aber kann hievon vollends nicht die Rede sein, weil
Defizite schon seit Jahren vorhanden waren und daher beim
Abschluss des streitigen Anstellungsverhältnisses hätten mit
in Betracht gezogen werden sollen. Hiezu kommt, dass das
Geschäft überhaupt nur zum Teil, — wie nach der Dar-
stellung der Beklagten angenommen werden muss, allerdings
in der Hauptsache — liquidiert wird, so dass nicht einmal
die Möglichkeit, den Kläger weiterhin zu beschäftigen, als
ausgeschlossen erscheint.
(Schweizer Bl. f. h.-r. Entsch., XVII S. 63 ff.)
153
100. Differenzgeschäft. Die Einrede des Spiels nach Art.
■512 0. R. ist der actio pro socio gegenüber unzulässig.
Baselstadt. Urteil des Civilgerichts vom 30. August, and des Appel-
la tionsgerichts vom 10. Oktober 1898 i. S. Bodenehr c. Tobler.
Kläger Bodenehr kaufte Ende 1892 und Anfangs 1893
bei der Firma Thomas Barr & Cie in Newyork nach den
Usancen der dortigen Baumwollbörse 1100 Ballen Baumwolle
auf Termin, wofür er in Harre den nötigen Margenbetrag
hinterlegte. Vor Eintritt der Termine geriet die amerikanische
Firma in Eonkurs und es wurden ihre sämtlichen Forderungen
sofort liquidiert. Es ergab sich für den Kläger ein Verlust
von Fr. 19,500. — . An diesen Ankäufen hatte sich der Be-
sagte Tobler mit 300 Ballen beteiligt und Kläger berechnet
dessen Anteil am Verlust zu 3/n auf Fr. 5320. — , welche er, zu-
züglich Zinsen, im ganzen Fr. 6088. — , einklagt. — Beklagter
erhebt dagegen die Einrede des Spiels (Art. 5 12 0. R.): Kläger
iiabe des Beklagten finanzielle Lage (Fr. 200. — monatlichen
Verdienst bei sonstiger Vermögenslosigkeit) gekannt, habe daher
annehmen müssen, das 8 er nie im Falle sein werde, ein Geschäft
über 300 Ballen Baumwolle abzuschliessen. Das Geschäft sei
von Anfang an als reines Differenzgeschäft unter den Parteien
betrachtet worden. Auch die Vermögenslage des Klägers sei
nicht derart, dass effektive Lieferung habe beabsichtigt werden
können, wofür er sich auf die Bücher des Klägers beruft.
Die Höbe der klägerischen Forderung bestreitet Beklagter
nicht. — Replikando bestreitet Kläger, die behauptete Ver-
mögenslosigkeit des Beklagten gekannt zu haben; dieser sei
Hauptmann, aus einer gutsituierten Familie, und seine Frau
Inhaberin eines gutgehenden Modengeschäfts. Rechtlich hafte
Beklagter aus Gesellschaftsvertrag. Die Einrede des Spiels
sei der actio pro socio gegenüber unzulässig, wie auch das
Bundesgericht analog durch Entscheid vom 11. Oktober 1884
in Sachen Hasler bezüglich der Einrede des Lotteriespiels
entschieden habe.
Das Civilgericht verurteilte den Beklagten zu der einge-
klagten Summe, indem es sich in seinen Motiven darauf be-
schränkt, nachzuweisen, dass in vorliegendem Falle das Kri-
terium eines klaglosen reinen Differenzgeschäfts, nämlich dass
„die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend durch über-
einstimmenden Vertragswillen Recht und Pflicht wirklicher
Lieferung und Abnahme haben ausschliessen wollen," nicht vor-
liege. Die Korrespondenz zwischen den Parteien schon lässt
nicht den Schi u s 8 zu, dass ein reines Differenzgeschäft von
vornherein unter den Parteien Vertragswille war. Ueber die
154
Frage, ob die Vermögensverhältnisse des Beklagten die An-
nahme reeller Lieferungsabsicht zulassen, fährt das Civilgericht
aus: In wiederholter Anwendung hat das Bundesgericht ent-
schieden, das8 nicht das Unvermögen, den ganzen Kaufpreis
zu deoken, ein Indiz für den Charakter eines reinen Differenz-
geschäftes des betreffenden Kaufes sei. Vielmehr genüge es,
da der Käufer die Waren in der Zwischenzeit wieder ver-
kaufen könne, wenn er imstande sei, „die Gefahren von
ihm ungünstigen Preisänderungen" zu tragen. In dieser Hin-
sicht darf man mit dem Kläger ein Fünftel des Kaufpreises
als Maximum der möglichen Preisschwankung annehmen, und
so bliebe nur die Summe von 13,000 Fr., welche zu decken
das Vermögen der Käufer kräftig genug sein muss. Dass das
beim Kläger der Fall war, beweist die Thatsache, dass er
in Havre ein genügend grosses Depot hinterlegt hatte. Ein
weiterer Beweis aus seinen Büchern braucht daher nicht er-
hoben zu werden. Für den Beklagten ist es durch die oben
festgestellten Umstände erwiesen. Selbst wenn man von dem
Salair von Fr. 200. — monatlich ausgeht, so kommen doch
die Einnahmen der Frau dazu, und ist die gesellschaftliche
Stellung des Beklagten als Offizier und Sohn einer gut-
situierten Familie hinzuzurechnen, so dass es ihm möglich
war, nötigenfalls Mittel im Betrage von 13,000 Fr. flüssig
zu machen. Dass nur das bare Geld und direkt in Geld
umsetzbare Wertpapiere oder sonstiges Eigentum den Ver-
mögensbestand ausmachen, ist weder volkswirtschaftlich rich-
tig, noch auch vom Bundesgericht etwa ausgesprochen worden.
Das Fundament der beklagtischen Einrede, dass es sich
um ein reines Spielgeschäft handle, bleibt somit unerwiesen.
Das Klagfundament, dass der Beklagte mit dem Kläger
einen Gesellschaftsvertrag eingegangen habe, wurde nicht
bestritten, auch die Höhe der klägerischen Forderung nicht,
sodass das Klagbegehren in vollem Umfange zuzusprechen
ist unter voller Kostenfolge für den Beklagten.
Das Âppellation8gericht bestätigte das erstinstanzliche
Urteil mit folgender Motivierung:
Was die Natur des zwischen den Parteien und Thomas
Barr & Gie abgeschlossenen Geschäfts anbetrifft, so ist mit
der ersten Instanz anzunehmen, dass dasselbe kein klagloses
Differenzgeschäft sei ; den von ihr dafür angeführten Gründen,
abgesehen von dein der militärischen Stellung des Klägers,
ist durchaus beizutreten.
Aber für den heutigen Prozess ist dieser Umstand nicht
massgebend. Es handelt sioh zwischen den Parteien nicht um
155-
ein Lieferungsgesohäft, sondern um einen Gesellschaftsvertrag
zum Zweck von Lieferungsgeschäften. Wenn Art. 512 eine
Forderung nicht entstehen lässt aus Darlehen und Vorschüssen,
welche wissentlich zum Behufe des Spielens oder der Wette
gemacht werden, so darf dieser Satz, selbst wenn man ihn
auch auf klaglose Differenzgeschäfte anwenden wollte, doch
nicht eine so weite Ausdehnung erhalten, dass dem Darlehen
auch andere Verträge, speziell der Gesellschaftsvertrag, gleich-
gestellt werden. Man könnte vorkommenden Falles fragen,
ob ein Gesellschafter nicht die Pflicht hätte, im Interesse der
Gesellschaft die Spieleinrede gegenüber dem Kontrahenten der
Gesellschaft geltend zu machen; in unserm Falle war dies
schon dadurch ausgeschlossen, dass das Depot in Havre dem
Verkäufer haftete ; übrigens hat der Beklagte ein solches An-
sinnen an den Kläger niemals gestellt. Es ist wohl kein
Zweifel, dass wenn die Spekulation der Gesellschafter Gewinn
gebracht hätte, der Beklagte seinen Anteil gegenüber dem
Kläger beansprucht hätte, und sich mit Recht nicht mit der
Spieleinrede hätte abfertigen lassen.
101« Rechtsöffnung für eine, unter Geltendmachung der
Compensation mit einer Gegenforderung anerkannte Forderung.
Art. 82 B.-Ges. über Seh. u. K.
St. Gallen« Entscheid der Rekursinstanz (Kantonsgerichtspräeident)
vom 4./13. April 1896.
Gegen eine Betreibung für Fr. 94. — Kostgeldforderung
lautete der Reohtsvorschlag: „Fr. 57. — Gegenrechnung, nur
Fr. 37. — schuldig.4* Auch im Reohtsöffnungs verfahren wandte
der Betriebene gegen die Entstehung und den Rechtsbestand
der Eostgeldforderung nur ein, dass er fur Fr. 57. — eine
vom Gläubiger ausdrücklich bestrittene Gegenforderung geltend
mache, für die er aber keine Schuldanerkennung seitens des
Gegners besitze. Die Vorinstanz verweigerte die provisorisohe
Rechtsöffnung, weil die Forderung weder auf einer durch
öffentliche Urkunde festgestellten, noch durch Unterschrift
bekräftigten Schuldanerkennung im Sinne von Art. 82 B.-Ges.
über Seh. u. E. beruhe und es nicht im Sinne dieses Artikels
liege, aus einer blos unter Geltendmachung einer Gegenforde-
rung abgegebenen Anerkennung im Rechtsvorschlag die Rechts-
öffnung zu bewilligen, indem dadurch der Schuldner verhindert
würde, Compensation eintreten zu lassen.
Die Rekursinstanz gewährte die provisorische Rechts-
öffnung, in Erwägung: Der Wortlaut des Rechtsvorschlags
156
enthält eine genügende Grundlage zur Bewilligung der provi-
sorischen Rechtsöffnung bezw. eine duroh öffentliche Urkunde
(Rechtsvorschlag, protokolliert vom Betreibungsbeamten über
die an diesen ergangene sachbezügliche Erklärung des Be-
triebenen) festgestellte Sohuldanerkennung, welche dem Rechts-
öffnungsrichter gar keinen Zweifel darüber aufkommen lässt,
dass der Betriebene dem Gläubiger wirklich Fr. 94. — schuldig
geworden sei. Das genügt für die provisorische Rechtsöffnung,
sofern der Betriebene nicht Einwendungen, welche die Schuld-
anerkennung entkräften, sofort glaubhaft macht, Art. 82 Abs. 2
B.-G. Zur Entkräftung der Sohuldanerkennung soll der
Schuldner alles vorbringen können, was geeignet ist, den
Glauben des Richters an die Entstehung oder den Fortbestand
der Forderung zu erschüttern. Also auch die Einrede der
Kompensation, sofern sie sofort glaubhaft gemacht wird. Das
ist nun eben hier nicht der Fall. Für seine Gegenforderung
von Fr. 57. — kann sich der Betriebene nicht auf eine Aner-
kennung des Gläubigers berufen, da sie dieser bestreitet, und
es sieht sich der Betriebene auf Beweisanträge verwiesen,
die nur im ordentlichen Gerichtsverfahren gestellt und abge-
nommen werden können. Mit der provisorischen Rechtsöffnung
wird nun der Betriebene keineswegs um sein Kompensation-
reoht gebracht, wie die Vorinstanz rechtsirrtümlicherweise an-
nimmt, sondern lediglich auf das Aberkennungsverfahren ver-
wiesen, in welchem er als Kläger die Aberkennung der Fr. 94. — ,
bezw. der daran streitigen Fr. 57. — erwirken kann, wenn es
ihm gelingt, die Rechtmässigkeit des Gegenforderungspostens
von Fr. 57. — zu beweisen. Mit der provisorischeu Rechts-
-öffnung wird hier nur die Parteirolle gewechselt: Kläger im
Aberkennungsverfahren, anstatt Beklagter im ordentlichen
Prozessverfahren nach Art. 79 B.-G. Die Beweislast für die
zur Kompensation verstellten Gegenforderungen trifft den
Gegenforderer sowieso, im ordentlichen Prozess verfahren als
Beklagten, wie im Aberkennungsverfahren als Klägor.
(Entsch. des Kantonsgerichts des K. St. Gallen i. J. 1896, S. 103 f.)
102. Frist für Rückforderung der infolge Unterlas-
sung des Rechtsvorschlags bezahlten Nichtschuld. Vetjäh-
rungs- oder Verwirkungsfrist ? Art. 86 B.-Ges. betreffend Seh. und K.
H er ii. Urteil des Appell.- und Kass.-Hofs vom 15. Mai 1896 i. i>.
Tsehaggelar c. Altwegg.
Marianne Tschaggelar hatte sich für ihren Ehemann
Gottlieb bei dessen Gläubiger Altwegg verbürgt und bezahlte
157
infolge Zahlungsbefehls vom 23. April 1893 in mehreren Raten
diese Schuld. Arn 23. Februar 1894 lud Tschaggelar den
Altwegg durch den Friedensrichter zu einem Sühneversuch
über sein Rückforderungsbegehren vor, reichte aber erst am
11. März 1895 Klage ein. Der Beklagte erhob die Einrede
der Verwirkung, und das Gericht erklärte diese Einrede für
begründet.
Motive: Wenn Art. 86 desB.-Ges. über Seh. und K. wirklich
eine gesetzliche Klagebefristung enthält, so ist das Rückforde-
rungsreoht der Frau Tsch. erloschen, da in diesem Falle inner-
halb der festgesetzten Frist <Jie Klage selbst hätte erhoben wer-
den sollen und der Fristenlauf nicht, wie wenn es sich um eine
Verjährung handelte (Art. 154, Ziff. 2 0. R.), durch die Ladung
zum amtlichen Sühneversuch unterbrochen wurde. Nach dem
Wortlaute des Art. 86 muss angenommen werden, dass man
es hier in der That nicht mit einer Verjährung, sondern mit
einer gesetzlichen Klagebefristung zu thun hat, denn von Ver-
jährung ist darin nicht die Rede, es heisst einfach, derjenige,
der .... eine Nichtschuld bezahlt habe, könne innerhalb
eines Jahres nach der Zahlung auf dem ordentlichen Prozess-
wege den bezahlten Betrag zurückfordern, was so viel sagen
will als, er könne innerhalb dieser Frist auf dem ordentlichen
Prozesswege, im Gegensatz zum beschleunigten oder sum-
marischen Verfahren (Art. 25 B.-Ges.), Klage auf Rück-
erstattung erheben. Ein Klagerecht aber, das nur innerhalb
bestimmter Frist gegeben ist, unterliegt nicht nur den all-
gemeinen Grundsätzen über die Verjährung, sondern ist schon
bei seiner Entstehung zeitlich beschränkt, d. h. befristet, und
erlischt, wenn die Frist nicht eingehalten wird. (Zudem,
wird bemerkt, bewirkt nach bernischem Prozessrecht nicht
schon die Zustellung der Ladung zum amtlichen Sühneversuch,
sondern erst die Erhebung der Klage, und zwar die Ein-
reichung der Klage bei dem Gerichtspräsidenten, die Rechts-
hängigkeit des Streites.)
(Zeitschr. des Bern. Jur.-Ver., XXXIII S. 134 ff.)
I. Alphabetisches Sachregister.
Aberkennungsklage, forum bei Betreibung durch einen Franzosen,
Nr. 65.
Ablieferungsort, bei Kauf, Nr. 33.
Abtretung, grundversicherter Forderungen, wiefern nach eidg. Recht
zu beurteilen, Nr. 63; einer verbürgten Forderung ohne die
Bürgschaft, Nr. 78.
Advokatenhonorar, Grundsätze für dessen Feststellung, Nr. 37.
Aktiengesellschaft, Anfechtung von GeneralversammlungsbeBchlüssen,
Streitwert, Reservefonds, Nr. 29.
Aktienhinterlegung, Zweck, Nr. 8ö.
Amtshandlungen, rechtswidrige, der Betreibungsbeamten, Verjährung,
Nr. 48.
Anerkennung, im Sinne des Art. 82 B.-G. über Schuldb. u. Konk.,
Nr. 26.
Anfechtung, von Generalversammlnngsbeschlüssen einer Aktien-
gesellschaft, Nr. 29.
Anfechtungsklage, nach Schiuse des Konkursverfahrens, Nr. 16;
gegen Genossenschaftsbeschlüsse, Nr. 90.
Angaben, unrichtige, des Versicherungsnehmers, Nr. 42.
Annoncenpachtvertrag, rechtliche Natur, Nr. 31.
Anschlusspfändung, für Muttergutsforderungen, Nr. 74.
Anwalt, eines Konkursiten, wiefern zur Berufung berechtigt? Nr. 10.
Anwendbarkeit, eidgenössischen Rechts, als Voraussetzung bundes-
gerichtlicher Kompetenz, Nr. 27, 57, 74; betr. Erlöschung der
Kaufpreisforderung bei Liegenschaftskauf, Nr. 32 ; bei Vieh-
handel, Nr. 41 ; bei Gewährleistungsversprechen des Cedenten
grundversicherter Forderungen, Nr. 63 ; betr. Haftbarkeit eines
Vertragsunfähigen für Betrug, Nr. 75.
kantonalen Rechts, bei Verpfründung und Schenkung, Nr. 27;
auf Anstellung von Beamten, Nr. 36; betr. Rechtsfähigkeit
der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Nr. 44;
betr. Schenkungen, Nr. 57; auf Erbschaftsveräusserungsver-
träge, Nr. 62 ; betr. Erfordernis der Schriftlichkeit bei Gewähr-
159
Schaftsversprechen im Vieh han del, Nr. 70; betr. Anschluss-
pfändnng für Muttergut, Nr. 74 ; betr. kantonale Gesetze, die
erst nach Inkrafttreten des 0. R. erlassen worden, Nr. 84 ;
für Ansprüche ans Liegenschaftskänfen, Nr. 86 ; für Verträge
über Grunddienstbarkeiten, Nr. 86.
Anzeigepflicht, bei Mängeln, Rechtzeitigkeit? Nr. 41 ; des Ver-
sicherten bei Unfallversicherung, Nr. 42, 43.
Arbeitgeber, Schutz der Arbeiter vor Berufsgefahren, Nr. 30.
Architekt, Werk- oder Dienstvertrag? Haftpflicht, Nr. 88.
Aufsichtspflicht des Vaters, Nr. 87.
Auslegung von Willensänsserungen, ob Rechtsfrage ? Nr. 2.
Beamte, civilrechtliche Stellung, Nr. 36.
Bereicherung, ungerechtfertigte, Nr. 77.
Berulung, an das Bundesgericht, unstatthaft gegen Vor- und Zwischen-
entscheide, Nr. 1; gegen Teilurteile, Nr. 59; wieweit wegen
Verletzung des B.-G. über die civilrechtlichen Verhältnisse der
Niedergelassenen statthaft? Nr. 57; Rechts- und Thatfrage,
Nr. 2; Förmlichkeiten, Nr. 28; Streitwertberechnung, Nr. 29,
90 ; vom Anwalt eines Konkursiten nach der Eonkurserklärung
eingelegt, Nr. 10.
Berufungssumme, bundesgerichtliche, Zusammenrechnung der An-
sprüche, Nr. 4.
Besteller eines Werkes, Rechte und Pflichten bei Mängeln, Nr. 89.
Betriebsunfall, Begriff, Nr. 61.
Betrug, des Hauptschuldners oder des Bürgen? Nr. 3; eines Ver-
tragsunfähigen, Nr. 75.
Beweislast, bei Bürgschaft, Nr. 12; für Zurechnungs- oder Unzu-
rechnungsfähigkeit bei Selbstmord im Lebensversicherungs-
vertrag, Nr. 13; betr. Mängel bei Wandelungsklage, Nr. 41 ;
für bösen Glauben des Erwerbers einer gestohlenen Sache,
Nr. 97 ; bei Klage wegen Eltern aus Delikten der Kinder, Nr. 87 .
Boycottierung, Nr. 18.
Brandassekuranzbeträge, Betreibung dafür, Nr. 54.
Brandversicherungsanstalt, kantonale, Rückgriffsrecht gegen Brand-
verursacher, Nr. 44.
Bürge, Einrede des Irrtnms oder Betmgs aus der Person des Haupt-
schuldners oder seiner eigenen, Nr. 3.
Bürgschaft, Mehrheit solcher oder Mitbtirgschaf t ? Nr. 12; Unter-
schied von Gewährleistungsversprechen desCedenten, Nr. 63, 64.
Bürgschaftsforderung, selbständiger Fortbestand nach Abtretung
der Hauptforderung, Nr. 78; bei Nachlassvertrag, Nr. 82.
Bundesrat, Genehmigung von Statuten der Eisenbahngesellschaften,
Nr. 45.
160
-Concurrence déloyale, durch Verwendung von Warenbezeichnungen ?
Nr. 25 ; durch Verwendung täuschender Firmen, Nr. 39, 40.
-Constitutum possessorium, Nr. 21.
Courtier, nicht zu Einkassierungen ermächtigt, Nr. 53.
Darlehn (modificiertes) oder Gesellschaft? Nr. 66.
Deliktsklagen, Verjährung, Nr. 87.
Dienstbarkeit, s. Grunddienstbarkeit.
Dienstherr, Pflicht zu Schutz des Arbeiters, Nr. 30.
Dienst vertrag, Kündigung, Nr. 8; vorzeitige Auflösung, Nr. 65;
wichtiger Grund für Aufhebung, Nr. 99; des Architekten, Nr. 88:
von Beamten öffentlich-rechtlicher Natur, Nr. 36.
Differenzgeschäft, Nr. 100.
Distanzgeschäft, Erfüllungsort, Nr. 33.
Dolus, des Verkäufers, Nr. 34.
Ehescheidung, Nebenfolgen, Kompetenz des Bundesgerichts, Nr. 93.
Ehescheidungsklagen, deutscher Reichsangehöriger vor schweize-
rischen Gerichten, Nr. 80.
Ehrenkränkung, durch Abdruck von Rechtsschriften in der Presse,
Nr. 5; ohne üble Folgen für den Beleidigten, Nr. 6.
Eidgenössisches Recht, s. Anwendbarkeit.
Eigentumsansprachen, gehören nicht in den Kollokationsplan, Nr. 84.
Eigentumsvorbehalt, Nr. 21.
Einrede, des Zwangs gegen einen Wechsel, Nr. 56.
Eisenbahn, Haftpflicht für Schaden aus Funkenwurf, Nr. 44; für
Unfall, Nr. 94.
Eisenbahnbetrieb, Hilfsarbeiter, Nr. 94.
Eisenbahngesellschaft, Statuten, Genehmigung des Bundesrats, Nr. 45.
Eltern, Vernachlässigung der Aufsichtspflicht, Nr. 59, 87.
Erbanwartschaft, Verkauf ob unsittlicher Vertrag? Nr. 17.
Erbschaftsveräu88erung, nach kantonalem Recht beurteilt, Nr. 62.
Erfrieren, Unfall, Nr. 94.
Erfüllungsort, bei Distanzkauf, Nr. 33.
Erkennbare Mängel, Kriterium, Nr. 34.
Erwerb, gutgläubiger, Grenze, Nr. 50, 97.
Erwerbsbeschränkung, bei Fabrikunfall, Nr. 46.
Expropriation, Verzögerung, Schadenersatz, Nr« 92.
Fabrikhaftpflicht, gesetzliches Entschädigungsmaximum, Nr. 46; s.
auch Haftpflicht.
Fabrikmarken, Nr. 49.
Faustpfand, Vereinbarung privaten Verkaufs statthaft, Nr. 84.
Faustpfandrecht, Anzeigepflicht nachgehenden Pfandrechts an den
ersten Gläubiger, durch wen? Nr. 51; Verwertung im Betrei-
bungswege, Nr. 81.
161
Feststellungsklage, positive, Voraussetzungen, Nr. 14.
Firmenrecht und illoyale Konkurrenz, Nr. 39, 40.
Form, der Mitbürgschaft, Nr. 12; der Verpfändung von Zubehörden,
Nr. 84.
Förmlichkeiten, der Berufungserklärung an das Bundesgericht, Nr. 28.
Fragebogen der Versicherungsanstalten, Bedeutung, Nr. 42.
Freizeichen, im Markenschutzrecht, Nr. 49.
Frist, für Mängelrüge, Nr. 34 ; für Anzeige bei Unfallversicherung,
Nr. 43; für Pfandverwertung, Nr. 81 ; für Rückforderung einer
bezahlten Nichtschuld, Nr. 102.
Funkenwurf Brandursache, Haftpflicht der Eisenbahn, Nr. 44.
Oebäudeassekuranz, s. Brandassekuranz.
Gemeingut, im Markenschutzrecht, Nr. 49.
Genehmigung, eines bestellten Werkes, Nr. 89.
Genossenschaftsbeschlüsse, Anfechtung, Nr. 90.
Genugthuung, civilrechtliche, für Ehrenkränkung, Nr. 5, 6.
Gerichtsstand, vor Schweiz. Gericht bei Aberkenn ungsklagen gegen-
einen betreibenden Franzosen, Nr. 55.
Geschäftsherr, Begriff, Nr. 19; haftbarer, Nr. 76.
Geschäftsbezeichnungen in Firmen, wiefern wegen illoyaler Konkur-
renz zu verbieten, Nr. 40.
Gesellschaft, Begriff, Nr. 66; behufs Betrieb von Differenzgeschäften,
Nr. 100; Austritt eines Gesellschafters, Bedingungen, Nr. 67;
Auflösung kann der schuldige Socius nicht verlangen, Nr. 68 ;
Ausschliessung eines Gesellschafters nur durch richterlichen
Entscheid möglich, Nr. 69.
Gesetzwidrigkeit, von Bundesratsbeschlüssen? Nr. 45.
Gestohlene Sachen, Vindikation, Nr. 50, 97.
Gewährleistung, bei Viehhandel, Beweislast bez. des Mangels, Nr. 41.
G ewährleistungs versprechen, des Cedenten, keine Bürgschaft, Nr. 63,
64 ; schriftliches bei Viehhandel, kantonale Vorschrift, Nr. 70.
Gewalt, höhere, Begriff, Nr. 95.
Gewerbetreibender Verein zu idealen Zwecken, Nr. 38.
Grunddienstbarkeiten,Verträge darüber unter kantonalem Recht, Nr.86.
Gutgläubiger Erwerb, Grenze, Nr. 50, 97.
Haftpflicht, bei Veräusserung verseuchter Haustiere, Nr. 4 ; des
Arbeitgebers bei Verschulden Dritter, Nr. 72 ; des Geschäfts-
herrn, Nr. 76; des Vaters für Delikt des Kindes, Nr. 87; des
Architekten, Nr. 88; des Unternehmers des Baues, Nr. 88; des
Vertragsunfähigen für Dolus, Nr. 75; des Werk Unternehmer»
für die Güte des Stoffs, Nr. 9 ; des Wirts für recepta, Nr. 23.
der Eisenbahnen, bloss durch Spezialgesetz geregelt, Nr. 1 5 ;
162
bei Funkenwurf, Nr. 44; bei Erfrieren, Nr. 94; der Strassen-
bahnen, Nr. 71, 95.
aus Fabrikbetrieb, Konkurrenz mit Delikt, Nr. 61 ; nur gegen
Angestellte nnd Arbeiter, nicht gegen Unterakkordanten, Nr. 73 :
Reduktion der Ersatzpflicht, Nr. 24; Maximum Nr. 46; Kon-
kurrenz von Zufall und Schuld des Verletzten, Nr. 96.
s. auch Schadenersatz.
Handlungsvollmacht, auch für Gewerbebetrieb von Vereinen zu idealen
Zwecken, Nr. 38.
Haupturteil, Begriff, Nr. 90.
Hilfsarbeiter beim Eisenbahnbetrieb, Begriff, Nr. 94.
Hinterlegung, von Aktien, Zweck, Nr. *85.
Honorar, von Advokaten, Feststellung desselben, Nr. 37.
Individualbezeichnung, bei Wortmarken, Nr. 25.
Inserate, Pacht, Nr. 31.
Interpretation, s. Auslegung.
Irrtum, des Hauptschuldners oder des Burgen? Nr. 3.
Juristische Personen dee öffentlichen Rechts, unter kantonalem Rechte,
Nr. 44.
Kantonales Recht, s. Anwendbarkeit.
Kauf, von Liegenschaften, Kaufpreisforderung betr. die Erlöschungs-
gründe unter eidg. Rechte, Nr. 32; Distanzgeschäft, Ueber-
sendungspflicht des Verkäufers, Nr. 33; Ratenlieferung, Frist
zur Mängelrüge, Nr. 34; absichtliche Täuschung des Verkäufers,
Nr. 34 ; nach Muster, Nichterkennbarkeit der Mängel, Nr. 52.
Klage, auf Abwendung drohenden Schadens, Nr. 60.
Kollokationsplan, Inhalt, Nr. 84.
Kommanditgesellschaft, Auflösung, wichtige Gründe, Nr. 68.
Kompensation, für Rechtsöffnung angerufen, Nr. 101.
Kompetenz, bundesgerichtliche, Voraussetzungen, Nr. 27, 83; fur
Beurteilung der Nebenfolgen einer Ehescheidung, Nr. 93 ; des
schweizerischen Richters fur Aberkennungsklagen gegen einen
betreibenden Franzosen, Nr. 55.
Konkurrenz, des Haftpflichtanspruchs mit Deliktsanspruch, Nr. 61.
Konkursverfahren, Anfechtungsklage nach dessen Schluss, Nr. 16.
Kon kursver waltung, zur Anfechtungsklage berechtigt, Nr. 16.
Konventionalstrafe, richterliche Ermässigung, Nr. 7.
Kündigungsrecht bei Pacht, Nr. 22.
I^ebensversicherungs vertrag, wiefern gültig bei Selbstmord, Nr. 13.
Liegenschaf tskauf, Erlöschen der Kaufpreisforderung nach eidg.
Rechte, Nr. 32; Realexecution für Ansprüche daraus unter
kantonalem Recht, Nr. 86.
163
Liquidation des Geschäfts, kein Grand für vorzeitige Aufhebung
des Dienstvertrags, Nr. 99.
Maître, s. Geschäftsherr.
Maklerlohn, wann verdient? Nr. 11, 79.
Mandat, s. Maklerlohn.
Mangel, erkennbarer, Kriterium, Nr. 34; Nichterkennbarkeit an
Mustern, Nr. 52 ; eines bestellten Werks, Rechtsfolgen, Nr. 89.
Mangelrüge, Frist bei Ratenlieferungen, Nr. 34; Rechtzeitigkeit?
Nr. 41.
Markenschutz, Wortmarken, Nr. 25 ; Freizeichen, Nr. 49.
Maximum, der Entschädigung bei Fabrikunfall, Nr. 46.
Mehrheitsbeschluss, einer Genossenschaft, Nr. 90.
Miete, Haftpflicht des Vermieters für Tauglichkeit des Mietobjekts
zu dem beabsichtigten Gebrauche, Nr. 35; Retentionsrecht des
Vermieters, Nr. 81, 98.
Militärpensionen, öffentlich-rechtliche Natur, Nr. 83.
Mise à l'interdit, s. Boycott.
Jlitbürgschaft, oder Mehrheit von Alleinbürgschaften? Nr. 12.
Muster, gewerbliches, Neuheit, Nr. 47 ; Kauf nach M. Nichterkenn-
barkeit der Mängel, Nr. 52.
Mnttergutsforderung, nach kantonalem Rechte zur Anschlusspfän-
dung berechtigt, Nr. 74.
'S achbürge, Voraussetzung von dessen Belangbarkeit, Nr. 64.
Nachklage, Vorbehalt in Haftpflichtfällen, Nr. 87.
Nachlassvertrag, Wirkung auf Bürgschaftsforderungen, Nr. 82.
Neuheit, eines gewerblichen Musters, Nr. 47.
Nichtschuld, Frist für Rückforderung, Nr. 102.
Ort, der Ablieferung, der Erfüllung, bei Kauf, Nr. 33.
Pachtvertrag, Kündigungsrecht, Nr. 22; betr. Zeitungsannoncen,
Nr. 31.
Patron, s. Geschäftsherr.
Pfandrecht, nachgehendes, Anzeige an den ersten Gläubiger, Nr. 51.
Pfand Verwertung, Nr. 81 ; vereinbarte private zulässig, Nr. 84;
Pfandverwertung oder Pfändung für Brandassekuranzbeträge?
Nr. 54.
Phantasiebezeichnung, bei Wortmarken, Nr. 25.
Provision, wann zahlbar? Nr. 79.
Ratenlieferungskauf, Frist zur Mängelrüge, Nr. 34.
Realexekution für Ansprüche aus Liegenschaftskauf, Nr. 86.
Receptum cauponum, Nr. 23.
164
Recht, s. Anwendbarkeit.
Rechtsöffhung, bei Kompensation, Nr. 101.
Rechtsschriften, Ehrenkränkung durch deren Publikation in der
Presse, Nr. 5.
Rechts- und Thatfrage, bei Berufung an das Bundesgericht, Nr. 2.
Rechtsvorschlag, Unterlassung, Nr. 102.
Reduktion der Ersatzpflicht, bei Fabrikunfall, Nr. 24.
Regress, des haftpflichtigen Unternehmers gegen schädigende Dritte,
Nr. 72 ; des Versicherers gegen den Schadenverursacher, Nr. 44.
Reisende, Einkassierungsberechtigung, Nr. 53.
Reservefonds, bei Aktiengesellschaften, Verwendung, Nr. 29.
Retentionsrecht, Voraussetzungen, Nr. 45 ; des Vermieters, kon-
kurrierend mit Pfändung seitens Dritter, Nr. 81, 98.
Rückgriffsrecht, s. Re gres 8.
Schaden, drohender, wiefern Klage statthaft, Nr. 60.
Schadenersatz, bei Publikation von Rechtsschriften in der Tages-
presse, Nr. 5 ; ausgeschlossen bei Ehrenkränkung ohne üble
Folgen, Nr. 6; des Geschäftsherrn, Nr. 19; Verhältnis zu Ver-
zugszinsen, Nr. 20.
Schadenersatzklage, gegen Betreibungs- und Konkursbeamte, Ver-
jährung, Nr. 48.
Schadenersatzpflicht, des Exproprianten wegen Verzögerung der Ex-
propriation, Nr. 92; im Strafurteil ausgesprochen, nicht prä-
judicierlich, Nr. 59.
s. auch Haftpflicht.
Schenkungen, unter kantonalem Rechte stehend, Nr. 57.
Schiedsgerichtsklausel, in Genossen Schaftsstatuten, Nr. 90.
Schriftlichkeit, des Gewährschaftsversprechens bei Viehhandel, nach
kantonalem Recht zu beurteilen, Nr. 70.
Schuldanerkennung, im Sinne des Art. 82 B.-G. über Schuldb. und
Konk., Nr. 26.
Selbstmord, Wirkung auf den Lebens Versicherungsvertrag, Nr. 13.
Servituten, s. Grunddienstbarkeiten.
Simulation, bei Schenkungen, nach kantonalem Recht beurteilt,
Nr. 57.
Solidarität, der Haftpflicht, von Unternehmer und Schädiger, Nr. 61.
Spezialgesetz, über Haftpflicht, schliesst das 0. R. aus, Nr. 15.
Statuten, der Eisenbahngesellschaften, Genehmigung durch den
Bundesrat, Nr. 45.
Strafurteil, Präjudicialität, Nr. 59.
Strassenbahnen, Haftpflicht, Nr. 71, 95.
StreitgenoBsenschaft, Zusammenrechnung der Ansprüche bei Berufung,
Nr. 4.
165
Streitwert, bei Berufung an das Bundesgericht, Zusammenrechnung,
Nr. 4; Berechnung bei Anfechtungsklagen gegen Genossen-
schaftsbeschlüsse, Nr. 90; bei Generalversammlungsbeschlüssen,
Nr. 29; bei Klagen auf Abwendung zukünftigen Schadens,
Nr. 60.
Subrogation, des Versicherers in die Rechte des Versicherten gegen
den Schadenverursacher, Nr. 44; des haftpflichtigen Unter-
nehmers in die Rechte des Beschädigten gegen Dritte nicht
statthaft, Nr. 72.
Teilnrteile, Berufung dagegen an das Bnndesgericht, Nr. 59.
That- und Rechtsfrage, bei Berufung an das Bundesgericht, Nr. 2.
Tort moral, Nr. 5, 6.
Unfall, Begriff, Nr. 94.
Unfallversicherung, Anzeigepflicht, Nr. 42, 43.
Unsittlicher Vertrag, Kauf einer Erbanwartschaft ? Nr. 1 7 ; in Patent-
erwerbung, Nr. 58.
Unterakkordanten, nach Fabrikhaftpflichtgesetz nicht anspruchsbe-
rechtigt gegen den Fabrikanten, Nr. 73.
Unterlassungen, Rechtswidrigkeit, Nr. 59.
Unternehmer eines Baues, Haftpflicht neben dem Architekten, Nr. 88.
Vater, Aufsichtspflicht, Nr. 87.
Veränsserung von Erbschaften, unter kantonalem Rechte stehend,
Nr. 62.
Verein, zu idealen Zwecken, zugleich gewerbetreibend, Nr. 38; wirt-
schaftlicher, Rechtsverhältnisse, Nr. 90.
Verjährung, der Kaufpreisforderung aus Liegen schaftskauf, unter
eidg. Rechte stehend, Nr. 32; von Schadenersatzklagen gegen
Itetreibungs- und Konkursbeamte, Nr. 48; der Deliktsklagen,
Nr. 87.
Verjähmngs- oder VerwirknngsfristV Nr. 102.
Verkauf, privater, von Faustpfand durch Vereinbarung statthaft,
Nr. 84.
Versicherungsvertrag, Anzeigepfliclit des Versicherten, Nr. 42; un
richtige Angaben, Nr. 42.
Versorger, im Sinne von Art. 52 0. R., Nr. 30.
Vertragsunfähiger, Haftpflicht fur Betrug, Nr. 75.
Verzicht, des Hanptschuldners, wiefern für den Bürgen verbindlich,
Nr. 3.
Verzugszinsen, Verhältnis zu Schadenersatz, Nr. 20.
Viehhandel, bez. des Währschaftsversprechens unter kantonalem
Rechte, Nr. 70.
12
166
Viehwährschaft, s. Gewährleistung.
Vindikation, gestohlener Sachen, gutgläubiger Erwerb, Nr. 50, 97.
Vorbehalt kantonalen Rechts, Tragweite, Nr. 84; der Nachklage
in HaftpÜichtfällen, Nr. 87.
Vorentscheide, Unzulässigkeit der Berufung an das Bundesgericlit,
Nr. 1.
Vorname, Verbot der Aufnahme in die Firma behufs unredlicher
Konkurrenz, Nr. 39.
Wandelungskhige, Beweislast bez. des Mangels, Nr. 41.
Wechsel, Einrede der Furchterregung, Nr. 56.
Wechselbereicherungsklage, Voraussetzungen, Nr. 91.
Wechselunterschrift „aus Gefälligkeit/ Nr. 91.
Werk, Begriff in Art. 67 f. 0. R., Nr. 60.
Werkvertrag, Begriff, Nr. 9; oder Dienstvertrag, des Architekten?
Nr. 88.
Wirt, Haftpflicht für recepta, Nr. 23.
Wortmarken, Nr. 25.
Zahlung, an einen Courtier, ungültig, Nr. 53.
Zubehörden, Verpfändung, Nr. 84.
Zusammenrechnung der Ansprüche für die Berechnung der Berufungs-
sninme, Nr. 4.
Zwischenurteil, Unzulässigkeit der Berufung an das Bundesgericht,
Nr. 1.
IL Gesetzesregister.
Art.
I. Bundesgesetz über das Obligationenrecht
10
Nr. 27. 57. 86.
Art.
52
Nr
.30.
11
„ 12.
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53
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87.
16
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55
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5. 6. 18. 93
17
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59. 87.
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62
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4.19.61. 7H
33
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64
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90.
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13. 42
44.
43.
IL Bundesgesetz betreffend Feststellung und Beurkundung des
Civilstandes und die Ehe, vom 24. Dezember 1874.
Art. 43 Nr. 80. j Alt. 56 Nr. 80.
„ 46,48,49 „ 93.
168
III. Bundesgesetz betreffend die civUrechtlichen Verhältnisse
der Niedergelassenen und Aufenthalter, vom 25. Juni 1891.
Nr. 57.
IV. Bundesgesetz über die Verbindlichkeit zu Abtretung von
Privatrechten, vom 1. Mai 1850.
Art. 23 Nr. 92.
V. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken, vom 26. September 1890.
Art. 3 Nr. 49. | Art. 5 Nr. 25.
VI. Bundesgesetz betreffend die gewerblichen Muster md Mo-
delle, vom 21. Dezember 1888.
Art. 1, 3, 4, 6, 7, 18, 19 Nr. 47.
VIL Bundesgesetz über Bau und Betrieb der Eisenhahnen,
vom 23. Dezember 1872.
Art. 7 Nr. 45.
* 16 , 44.
Art. 39 Nr. 45.
VIII. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn-
and Dampfschiff Unternehmungen bei Tötungen und Ver-
letzungen, vom 1. Juli 1875.
Nr. 15. Art. 2 Nr. 71. 94. 95.
IX. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb,
vom 25. Juni 1881.
Art. 1 Nr. 61. 72. I Art. 4 ^r. 61. 72. 73.
73. ! , 5 „ 24.^96.
„2 ,61. 72. ' „6 „46.
73. 96. | „ 13 „ 87.
X. Bundesgesetz betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht
und die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1881,
vom 26. April 1887.
Art. 1 Nr. 61. I Art. 3 Nr. 61. 94.
* 2 „ 73. I „ 4 , 94.
XL Bundesgesetz über Militärpensionen und Entschädigungen.
vom 13. November 1874.
Art. 1. 12 Nr. 83.
XII. Bundesgesetz betreffend polizeiliche MassnaJimen gegen
Viehseuchen, vom 8. Februar 1872.
Art. 3. 36. 37 Nr. 4.
169
XIII. Bundesgesetz betreffend Organisation der Bundesrechts-
pflege, vom 22. März 1893.
Art. 48 Nr. 14. 83. ) Art. 59 Nr. 29. 60. 90.
„ 50 „ 45. „ 60 „ 4.
„ 56 , 93. , „ 67 28..
„ 57 „ 27. 57. 74. „ 81 2.
„58 „ 1. 59. 90. !
XIV. Bundesgesetz über das Verfahren bei dem Bundesgerichte
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, vom 2*2. November 1850.
Art. 41 Nr. 14.
XV. fywdesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs,
vom 11. April 1889.
lt.
5, 7
Nr.
, 48.
Art.
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81.
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V
56. \
XVI. Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich, vom
15. Juni 18Ò9.
Art. 1. 7 Nr. 55.
III. Register nach Kantonen geordnet.
Zürich. Nr. 24 (Haftpfl. aus Fabrikbetrieb). — Nr. 51 (Alt. 217
0. B.). - Nr. 79 (Mandat). — Nr. 80 (B.-G. betr. Civilstand
und Ehe Art. 43, 56). — Nr. 97 (Art. 206 f. 0. R.). — Nr. 99
(Art. 346 0. R.).
Born. Nr. 23 (Art. 486 0. R.Ì. — Nr. 52 (Art. 243, 246, 267
0. R.Ì. — Nr. 76 (Art. 62 0. R.). — Nr. 102 (Art. 86 B.G.
betr. Seh. u. K.).
Lnzern. Nr. 54 (Art. 41, 43 B.-G. betr. Seh. n. K.). — Nr. 75
(Art. 33, 50 0. R.).
170
Solothurn. Nr. 22 (Art. 310, 813 0. R.).
Baselstadt. Nr. 55 (Art. 83 B.-G. betr. Seh. n. K.). — Nr. 82
(Art. 300, 311 B.-G. betr. Seh. u. K.). — Nr. 100 (Art. 512
0. R.).
St. Gallen. Nr. 17 (Art 17 0. R.). — Nr. 50 (Art. 50, 206,
207 0. R.). — Nr. 77 (Art. 70 0. R.). - Nr. 101 (Art. 82
B.-G. betr. Seh. n. K.).
Aargan. Nr. 25 (Markenschntzgesetzi.
Thurgau. Nr. 21 (Art. 202 0. R.). — Nr. 78 (Art. 190, 489
0. R.).
Vaud. Nr. 20 (Art. 121 C. 0.). ~ Nr. 56 (Art. 182, 185 L. P.
et F.).
Neuchâtel. Nr. 18 (Art. 50 C. 0.).
Genève. Nr. 19 (Art. 62 C. 0.). — Nr. 26 (Art 82 L. P. et
F.). — Nr. 53 (Art, 39, 429 C. 0.). — Nr. 55 b (Art. 83
L. P. et F.). — Nr. 81 (Art 126 s., 153 s., 283 L. P. et F.».
Nr. 98 (Art. 294 C. 0.).
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Revue
der
Gerichtspraxis im Gebiete
des
Bundescivilrechts
XVII. Band
Revue
de la
Jurisprudence en matière
de
droit civil fédéral
XVIIe Volume
Basel
R. Reich, vormals C. Detloff's Buchhandlung
1899.
Revue
der
Gerichtspraxis im Gebiete
des
Bundescivilrechts
XVII. Band
Revue
de la
Jurisprudence en matière
de
droit civil fédéral
XVII« Volume
Beilage zur Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folge Band XVIII
Basel
R. Reich, vornial« (,\ I) etlo f F s Buchhandlung
1899.
MAR 8 * 1910
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
1 . Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 58. Begriff des Haupturteils; passive
Sireitgenossenschaft,
Solange bei einer passiven Streitgen osse nsohaft von der
letzten kantonalen Instanz wohl hinsichtlich einzelner, nicht
aber hinsichtlich aller Streitgenossen über den eingeklagten
Anspruch definitiv und endgültig entschieden worden ist, kann
•die Sache überhaupt nicht an das Bundesgericht gezogen
werden, sondern ist die Berufung an dasselbe gänzlich, nicht
nur für den von den kantonalen Instanzen noch nicht definitiv
beurteilten Teil des Prozesses, sondern für die ganze Streit-
sache, ausgeschlossen. Denn die Berufung an das Bundes-
gericht ist eben nur einmal, gegen das den Prozess vor
den kantonalen Instanzen definitiv beendigende Haupturteil
statthaft, ergreift dann aber selbstverständlich auch die dem-
selben vorangegangenen Teilurteile und Zwischenentschei-
dungen. (Vergi. Entsoh. i. S. Swift e. Degrange & Cie. Amtl. Slg
XVII S. 114, und die dort angeführten Entscheidungen; ferner
Entsch. i. S. Vincent c. Marcelin vom 5. Juli 1895, i. S. Jaque-
mot u. Genossen c. de Cottet u. Genossen.) (Entsoh. vom
19. November 1898 i. S. Schweizerisoher Typographenbund c.
Wull8ohleger u. Genossen.)
2. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 67, Abs. 1 u. 4.
In Fällen des schriftlichen Verfahrens müssen Berufungs-
erklärung und Berufungsschrift binnen der Berufungsfrist bei
der zuständigen Stelle (dem Gerichte, welches das angefochtene
Urteil erlassen hat) eingereicht werden. Wird zwar wohl die
Berufungserklärung rechtzeitig und am richtigen Orte einge-
reicht, die Berufungsschrift dagegen zwar rechtzeitig, aber
nicht bei der richtigen Stelle, sondern direkt bei dem Bundes-
gerichte, so ist die Berufung hinfällig. (Entsch. vom 14. Ok-
tober 1898 i. S. Strohmaier o. Ryf.)
3. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 58, 65, 89, 90. Beginn der Berufungs-
und Kassationsfrist. — Voraussetzungen der Kassationsbeschwerde.
— Tragweite des Satzes, dass die Kassationsbeschwerde gegen
das Haupturteü auch die demselben vorangegangenen Entschei-
dungen ergreift.
1. Für den Beginn der ßerufungs- und Kassationsfrist ist
nach dein klaren Wortlaute der Art. 65 u. 90 0. G. der Tag der
wirklich erfolgten Urteilsmitteilung, nicht der Tag der Postauf-
gabe der Urteilsausfertigung massgebend.
2. Die Kassationsbeschwerde kann nicht nur darauf gestützt
werden, es sei auf das streitige Rechtsverhältnis im ganzen zu
Unrecht kantonales statt eidg. Recht angewendet worden, son-
dern auch darauf, es sei dies hinsichtlich eines einzelnen für die
Saohent8cheidung massgebenden Präjudizialpunktes geschehen
(etwa hinsichtlioh der Frage der Handlungsfähigkeit bei einem
im übrigen kantonalrechtlichen Rechtsgeschäfte). Es macht auch
für die Zulässigkeit der Kassationsbeschwerde keinen Unter-
schied, ob die eidg. Rechtsnorm, an deren Stelle bei der Sachent-
scheidung kantonales Recht angewendet worden sein soll, mate-
riellrechtlicher oder aber prozessrechtlicher Natur ist. (Es wird
z. B. die Ka88ation8besohwerde unbedenklich darauf begründet
werden können, dass zu Unrecht, statt des § 11 des Eisenbahn-
haftpflichtgesetzes, eine kantonalreohtliche Beweisregel ange-
wendet worden sei.) Ebenso ist anzuerkennen, dass die Kas-
sationsbeschwerde gegen das Haupturteil (in gleicher Weise
wie die Berufung) die demselben vorangegangenen Entschei-
dungen ergreift. Dies ist zwar für die Kassationsbeschwerde
nicht, wie in Art. 58 Abs. 2 0. 6. für die Berufung, im Ge-
setze ausdrücklich ausgesprochen. Es folgt aber doch wohl
aus der Natur der Sache. Denn es ist nicht einzusehen, warum
die Kassationsbeschwerde z. B. nicht darauf sollte begründet
werden können, dass in einer dem Endurteile vorangegange-
nen besonderen Entscheidung eine peremtorische Einrede
(etwa diejenige der Verjährung) zu Unrecht nach kantonalem
Rechte beurteilt und deshalb verworfen worden sei, während
die Kassationsbeschwerde doch zweifellos statthaft ist, wenn
über die Einrede nicht abgesondert, sondern erst im Endurteil
erkannt wurde. Allein dieser Grundsatz, dass die Kassations-
beschwerde auch die dem Haupturteil vorangegangenen Ent-
scheide ergreife, kann doch nur insoweit gelten, als diese Ent-
scheide den Hauptstreit selbst, d. h. den Streit über den Be-
stand des eingeklagten materiellen Anspruches betreffen, also
sachlich einen Bestandteil des Haupturteils, des Urteils über
-diesen materiellen Anspruch, bilden, nicht auch insoweit, als
sie sich nicht auf den Hauptstreit selbst, sondern auf von
demselben verschiedene prozessuale Vorfragen darüber beziehen,
bei welchem Gerichte der Hauptstreit anhängig gemacht wer-
den könne oder müsse, ob die Partei verhalten werden könne,
den Hauptstreit durch Klageerhebung anhängig zu machen
u. dergl. Denn derartige Vorentsoheide betreffen nioht die Ver-
handlung und Entscheidung des materiellen Streitverhältnisses,
sondern die Begründung des Prozessrechtsverhältnisses über
dasselbe und gehören daher in keiner Weise zum Haupturteil,
gegen welches einzig das Rechtsmittel der Kassation (wie
der Berufung) gegeben ist. Gegen derartige Entscheidungen
ist, soweit überhaupt eine Beschwerde an eidgenössische Be-
hörden gegen sie gegeben ist, nioht die Kassation (oder Be-
rufung) gegen das Haupturteil, sondern der staatsrechtliche
Rekurs gegen den fraglichen Vorentscheid das zutreffende
Rechtsmittel. (Entsch. vom 17. September 1898 i. S. Ray c.
Joller.)
4. Art. 16 0. R. Simulation. Mentalreservaüon.
Um ein Rechtsgeschäft als simuliert zu bezeichnen, ge-
nügt es nicht, dass einer der beiden Kontrahenten dasselbe
nicht ernst genommen habe, sondern es muss beidseitig so
verstanden gewesen sein, dass dasselbe nur zum Scheine er-
klärt sein solle. Gieng der Vertragswille eines der Kontra-
henten dahin, dass das Erklärte gelte, bestand also ein Ein-
verständnis darüber, dass es sich um die Herbeiführung eines
Scheingeschäftes handeln solle, nicht, so greift die Einrede
der Simulation nicht Platz; das erklärte Geschäft besteht
vielmehr alsdann naoh Massgabe der als übereinstimmender
Willensausdruck abgegebenen Erklärungen zu Recht, sofern
es nicht etwa aus andern Gründen der Anfechtung unterliegt.
(Entsch. vom 17. September 1898 i. S. Bernhard c. Masse
Hagmann.)
5. Art. Î53 Ziff. 6 0. R. Nach welchem örtlichen Rechte
beurteilt eich die Verjährungl
Die Frage, nach welohem örtlichen Rechte die Verjährung
zu beurteilen sei, ist zwar in Dootrin und Praxis eine ausser-
ordentlich bestrittene. Allein das Bundesgerioht hat sioh be-
reits in seiner Entscheidung in Sachen Brunner c. Brunner
vom 13. November 1886 (Amtl. Slg Bd XII S. 682 1. 6) , in
Ui'bereinstimmung mit der in der deutschen Doktrin und
Praxis herrschenden Ansicht, grundsätzlich dahin ausgesprochen „
dass die Verjährung nach demjenigen örtlichen Rechte zu be-
urteilen sei, welchem die Obligation nach ihrem Wesen und
ihrer Wirkung untersteht, und an dieser (neuerdings wieder
von Müller, die Klageverjährung im internationalen Privat-
rechte, insbesondere S. 24 u. ff. vertretenen und näher begrün-
deten) Ansicht ist festzuhalten. Wenn der Kläger meint»
aus Art. 153 Ziff. 6 0. R., nach welchem die Verjährung nicht
beginnt oder stillesteht, so lange ein Anspruch vor einem
schweizerischen Gerichte nicht geltend gemacht werden kann,
ergebe sich, dass die Verjährung nach den Gesetzen des
Wohnsitzes des Schuldners zur Zeit der Klage zu beurteilen
sei, so ist dies nicht recht verständlich. Im Gegenteil dürfte
gerade aus dieser Norm des schweizerischen Gesetzes eher
Folgen, dass dieses nicht auf die Verjährung von Ansprüchen
aus Obligationen angewendet sein wolle, die nach Wesen und
Wirkung einem fremden Gesetze unterstehen. Denn so viel
ist doch jedenfalls klar, dass Art. 153 Ziff. 6 0. R., insbesondere
hinsichtlich des Beginnes der Verjährung, nicht angewendet
werden kann, wenn es sich um zwischen Ausländern im Aus-
lande begründete und dort zu erfüllende Obligationen handelt
und lediglich nachträglich eine Partei ihren Wohnsitz in die
Schweiz verlegt. (Entsch. vom 16. September 1898 i. S. Schmid
c. Salef8ky.)
6. Art. 183, 184 Abs. 2, 406 //*., 409, 412 0. R. Cession
oder Anweisung? Annahme der Anweisung gegenüber dem An-
Weisungsempfänger. Unwiderruflichkeit derselben. Was bedeutet
die Vorschrift, doss die Anweisung auf eine bestimmte Geldsumme
lauten müsset
1. Wenn zwischen einem Verkaufskommissionär, dem Kom-
mittenten und einem Gläubiger des letzteren vereinbart wird,
der Kommissionär solle den Betrag, der dem Kommittenten
aus dem Verkaufe des Kommissionsgutes zugute kommen
werde, nicht an den Kommittenten, sondern an den Gläubiger
bezahlen, so liegt nicht eine (zur Wirksamkeit gegenüber
Dritten der schriftlichen Beurkundung bedürftige) Cession
der Forderung aus dem Kommissionsgeschäft an den Gläubi-
ger, sondern vielmehr eine Anweisung vor. Der Kommittent
beauftragt einerseits den Kommissionär, dem Gläubiger eine
bestimmte Geldsumme zu bezahlen, andererseits den letzteren,
die Zahlung auf eigene Rechnung zu erheben. Da der an-
gewiesene Kommissionär die Annahme der Anweisung gegen-
über dem Anwei8ungsenipfânger, dem Gläubiger erklärt hat^
so ist die Anweisung gegenüber dem Angewiesenen unwider-
ruflich, wie sie es auch, da sie zu Tilgung einer Schuld des
Anweisenden an den Anweisungsempfänger erteilt ist, dem
letzteren gegenüber ist.
2. Art. 406 0. R. fordert allerdings, dass der Zahlungs-
auftrag auf eine „bestimmte Geldsumme" laute. Allein die
Geldsumme, auf welche die Anweisung lautet, kann bestimmt
sein, ohne dass sie in Ziffern angegeben ist; unzweifelhaft
kann die Anweisung nicht nur auf eine abstrakte Summe,
sondern auch, wie hier, auf eine bestimmte Forderung des
Anweisenden an den Angewiesenen lauten (s. Hafner , Kom-
ment, zu Art. 406 Anm. 3); in diesem Falle ist aber die Geld-
summe, welche den Gegenstand der Anweisung bildet, hin-
länglich bestimmt durch den Hinweis auf jene Forderung,
sofern es nur dieser letztern nicht an der erforderlichen Be-
stimmtheit mangelt. In casu bezog sich nun die Anweisung
auf den Saldo, weloher für den Kommittenten aus dem Ver-
kauf einer bestimmten Anzahl Käse resultierte, den der Be-
klagte für denselben kommissionsweise übernommen hatte,
also auf eine Forderung, deren Umfang zum vornherein ge-
nau umschrieben und fixiert war; dass die Parteien den Be-
trag der Forderung zur Zeit, als die Anweisung ausgestellt
wurde, noch nicht ziffermässig kannten, ändert an deren Be-
stimmtheit nichts. (Entsch. vom 1. Oktober 1898 i. S. Schärer
c. Sommer.)
7. Art. 183 (f., 637 Abu. 3 0. fi. Ari. 285 //'. B.-Ges. über
Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889. Natur des
Cession sgeschäfls. Uebertragung von Namenaktien durch Cession.
Rechtsverhältnis bei Ver ausser ungen} welche wegen Verkürzung
der Gläubiger anfechtbar sind.
1. Die Uebertragung von Namenaktien durch Indossa-
ment ist durch Art. 637 Abs. 3 0. R. nur gestattet, nioht ge-
boten, diejenige durch Cession also nioht ausgeschlossen.
2. Die Abtretung, ähnlich wie die Tradition, ist ein
formell selbständiges Rechtsgeschäft, durch welches das ab-
getretene Recht auf den Erwerber übertragen wird, auch
wenn das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft an einem civil-
reohtliohen Mangel leidet, ein Rechtsgrund der Cession also
nicht vorhanden ist, sofern nur der Uebereignungsakt, der
Cession8vertrag, sich in Ordnung befindet.
3. Die Anfechtbarkeit eines Veräusserungsgeschäftes
des Schuldners nach den Vorschriften der Art. 285 ff. des
Bandesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs hindert den
Rechtsübergang nioht ; so lange daher die anfechtbare Rechts-
handlung nicht rückgängig gemacht ist, sind die durch die-
selbe aus dem Vermögen des Schuldners veräusserten Ver-
mögensgegenstände nicht im Eigentum des veräussernden
Schuldners, sondern des dritten Erwerbers und unterliegen
daher auch nicht der Pfändung für Schulden des erstem.
Erst mit der Rückgewähr, welche bei Forderungen gemäss
Art. 185 0. R. mit dem richterlichen Urteil eintritt, ist deren
Pfändung statthaft. (Entsch. vom 8. Oktober 1898 i. S. Heng-
geler c. Bossard.)
8. Art 357 0. R. Garantiefrist und Rügefrist beim Werk-
verträge.
Die vertragliche Pestsetzung einer Garantiefrist in einem
Werkvertrage bewirkt nicht an sich schon ohne weiteres
eine Erstreckung der gesetzlichen Rügefrist des Art. 357 O. R.
in dem Sinne, dass die Mängelrüge rechtzeitig erhoben sei,
wenn schon sie nicht „sobald es nach dem übliohen Geschäfts-
gange thunlich ist," jedoch noch innert der Garantiefrist er-
hoben werde. Für diese Auffassung bietet das Gesetz keinen
Anhaltspunkt, und sie widerspräche auch dem Zwecke der
Mängelrüge. Denn der Zweck der kurzen Rügefrist besteht
darin, den Thatbestand unverzüglich festzustellen und so den
Lieferanten (Verkäufer resp. Unternehmer) gegen chikanöse
Zumutungen eines Kontrahenten zu schützen, und das zwi-
schen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis in der mög-
lichst kürzesten Zeit zu ordnen und klarzustellen ; das Er-
fordernis der sofortigen Mängelanzeige hat daher auch dann
seinen guten Grund, wenn der Verkäufer resp. Unternehmer
für einen längeren Zeitraum Garantie geleistet hat, da auch
in diesem Falle durch das Unterlassen sofortiger Mängelrüge
Unsicherheiten im Beweise und damit im ganzen Rechts-
verhältnisse unvermeidlich wären (vergi, in diesem Sinne
Art. 319 und 347 deutsches Handelsgesetzbuch. Entsch. des
Reichsoberhandelsgerichts, Bd 9 S. 12 ff.). Allerdings kann
durch die Parteien auch die gesetzliche Rügefrist vertraglich
erstreckt werden ; allein diese Willensmeinung der Parteien
inuss klar und unzweideutig aus ihren Erklärungen hervor-
gehen un<J liegt, wie gezeigt, in der Ueber nähme einer Garantie
an sich nioht. (Entsch. v. 24. September 1898 i. S. Gloor c.
Tschann.)
9. Art. 116, 830 ff. 0. B. Rechtliche Natur des Checkoer-
trages. Wer trägt die Gefahr bei Zahlungen auf gefälschte Checks t
Pflicht des Checkkunden zu sorgfältiger Verwahrung des Check-
bûches.
1. Als Mandat kann der Checkvertrag kaum betrachtet
werden ; denn ein Mandat erteilt der Checkkunde durch diesen
Vertrag dem Bankier noch nicht, sondern je weilen erst durch
die einzelnen, auf Grund des Checkvertrages stattfindenden
Zahlungsaufträge. Der Checkvertrag erscheint vielmehr als
ein eigenartiger Vertrag des modernen Rechts, als ein con-
tractas sui generis.
2. Sofern im Checkvertrage nichts anderes vereinbart
ist, trifft der Schaden aus der Einlösung eines gefälschten
Checks an sich nicht den Checkkunden, sondern den einlösenden
Banquier. Die Zahlung geschieht prinzipiell auf Gefahr des
letztern.
3. Dagegen ist der Checkkunde, welchem der Banquier
ein Checkbuch übergeben hat, nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben, auch ohne besondere ausdrückliche Ab-
rede, verpflichtet, die nach den Umständen erforderliche Sorg-
falt aufzuwenden, um zu verhüten, dass das Checkbuch in
die Hände Unberufener gelange, welche es zum Schaden des
Banquiers verwenden könnten, und er haftet für den aus
Verletzung dieser stillschweigend übernommenen Vertrags-
pflicht dem Banquier entstandenen Schaden nach Massgabe
des Art. 116 O.K.
Worin die Aufbewahrungspflicht des Checkkunden be-
stehe, und wie weit sie gehe, wird sich nicht allgemein, in
abstrakter Weise bestimmen lassen. Jedenfalls muss gesagt
werden, dass in casu der Chef der beklagten Firma, als er
für mehrere Tage ins Ausland verreiste, das Checkbuch ent-
weder hätte ein8chlie8sen, oder dem Prokuristen übergeben
sollen, und es içt der Vorinstanz beizutreten, wenn sie eine
Fahrlässigkeit und Verletzung der der Klägerin nach dem
Checkvertrage sohuldigen Diligenz in der Verwahrung des
Buches darin erblickt, dass der Chef der beklagten Firma
diese notwendigen Vorsichtsmassregeln unterliess, und das
Heft, zwar nicht offen, aber in einer unverschlossenen Schub-
lade, an einer dem Bureauangestellten Pf. bekannten und ihm
leicht zugänglichen Stelle liegen Hess. T. musste voraus-
sehen, dass der Angestellte Pf. während seiner Abwesenheit zeit-
weise allein auf dem Bureau sein werde, und wenn er auch
positiven Anhalt für einen Verdacht, dass Pf. eine Fälschung
begehen würde, nicht hatte, so muss ihm seine Sorglosigkeit
10
immerhin zum Verschulden angerechnet werden ; denn die
Erfahrung lehrt eben, dass derartige Vergehen schon oft be-
gangen worden sind, und der Umstand, dass Pf. im Besitze
günstiger Dienstzeugnisse war, bildete für T. keine genügende
Rechtfertigung, in diesen Angestellten ein unbedingtes Ver-
trauen zu setzen, der doch erst seit fünf Monaten in seinem
Dienste stand, und kurz vorher aus dem Auslände hergereist
war, von dessen Vorleben er, ausser jenen Zeugnissen, keiner-
lei Kenntnisse besass. (Entsoh. vom 23. September 1898 i. S.
Zürcher Kantonalbank c. Tennenbaura & Cie.)
10. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn-
und Dampfschifffahrtsunternehmungen vom 1. Juni 1875, Art. 2.
Bundesgesetz betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht ti. s. to.
vom 26. April 1887. Unfall oder Krankheit Î Wann erscheint der
Austritt eines Leistenbruchs ah Krankheit t
Ainsi que le Tribunal fédéral Ta déjà jugé, la sortie
d'une hernie peut être considérée comme un accident lors-
qu'elle est due à un événement déterminé, dont l'époque
peut être précisée, et qu'elle s'est produite subitement, par
exemple sous l'influence d'un effort extraordinaire du lésé.
Par contre, lorsqu'elle se développe petit à petit sous Fin-
fluence de l'activité professionnelle normale du lésé, elle ne
saurait constituer un accident proprement dit, mais doit être
considérée comme une maladie. (Voir arrêts Ree. off. XV1I1,
page 237, consid. 2; XIX, page 177, consid. 3.) Si la sortie
de la hernie est due aux efforts faits un jour déterminé par
le lésé au cours de son travail, elle doit néanmoins être con-
S|~ sidérée comme une maladie, si les efforts, cause de la sortie,
|v n'avaient rien d'extraordinaire, mais étaient tels que pouvait
$ même exiger normalement l'activité professionnelle du lésé.
(Entsch. vom 5. Oktober 1898 i. S. Janin c. Compagnie des
chemins de fer à voie étroite.)
h
R 11. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb
f vom 25. Juni 1881, Art 6 litt. a. Als Beerdigungskosten im Skme
Ü| dieser Gesetzesbestimmung erscheinen nur die Kosten der Beerdi-
h* gung im engeren Sinne, nicht auch Auslagen für Totenkran*
g- und Grabstein. (Entsoh. vom 6. Oktober 1898 i. S. Morandi e.
Société Terribilini frères.)
11
12. Bundesgesetz betr. die Erfindungspatente vom 29. Juni
1888, Art. ly 2, 10 Ziff. 4. Eine blosse neue Anwendung eines
bekannten Instrumentes oder Apparates ist nicht patentierbar. —
Notwendiger Inhalt der Patentschrift. — Neuheit der Erfindung t
1. Un simple procédé, un emploi nouveau d'un instrument
ou appareil connu, qui n'a pas pour condition une modification
matérielle de cet instrument ou appareil, n'est pas susceptible
d'être breveté en Suisse parce qu'il ne peut pas être repré-
senté par un modèle (art. l,r loi du 29 juin 1888).
2. Les particularités nouvelles de l'objet breveté doivent,
sous peine de nullité du brevet, résulter de l'exposé d'inven-
tion (description et dessin) déposé avec la demande, et cela
d'une manière suffisante pour que l'invention puisse être exé-
cutée par un homme du métier (art. 10 chiffre 4 de la loi).
3. Il n'est pas nécessaire pour qu'elle doive être consi-
dérée comme connue au sens de l'art. 2 de la loi du 29 juin 1888,
qu'une invention ait été exploitée dans un but industriel; il
suffit qu'elle ait reçu une publicité en Suisse par l'importa-
tion de l'objet breveté, par une conférence publique ou de
toute autre manière (voir message du Conseil Fédéral, Feuille
Fédérale loo. cit.). Quant à savoir ce qu'il faut entendre par
publicité, le Tribunal Fédéral a déjà jugé qu'il ne sulfit pas
que l'invention ait été portée à la connaissance de quelques
personnes, mais qu'il est nécessaire que, par suite de l'exécu-
tion ou de la description qui en a déjà eu lieu publiquement,
elle puisse être exécutée ou utilisée par un homme du métier
(Voir arrêt en la cause Schelling & Stäubli, Ree. off. XX
page 682 oonsid. 5). Or, les conditions dans lesquelles le de-
mandeur prétend avoir fait usage d'ampoules de verre pareilles
à celles des défendeurs ne .sont pas telles que l'on puisse
a priori décider qu'elles n'ont pas créé une publicité à ces
appareils.1) Il suffit d'observer ici, pour justifier ce point de
vue, qu'un cabinet de physique universitaire est un établisse-
ment publique et que les communications, les démonstrations,
les mises en œuvre d'appareils qui s'y font n'ont pas, dans la
règle, un caractère confidentiel. (Entsch. vom 4. Juni 1898-
i. S. Raoul Pictet c. Société chimique des usines du Rhône.)
l) Le demandeur prétend que la manipulation de ces ampoules a été
^bien antérieurement à la prise du brevet des défendeurs) d'un emploi jour«
nalier dans le cabinet de physique de l'Université de Genève et a servi de
base à l'étude de la fabrication de la glace.
12
13. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art 59. Bundesgesetz über Schuld-
betreibung und Konkurs vom 29. April 1889, Art. 88 f., 131, 285
/., 328. — Streitwertberechnung. — Die Frage, unter welchen
Voraussetzungen und in welcher Weise ein Gläubiger Rechte
seines Schuldners gegen Dritte geltend machen kann, ist eine Frage
des Schuldexekutionsrechtes und richtet sich daher nach Bundes-
recht. Nach diesem setzt diese Befugnis des Gläubigers eine Ein-
weisung desselben in Rechte des Schuldners auf Grund der
Zwangsvollstreckung voraus, und besteht daher jedenfalls nicht
vor der Pfändung des betreffenden Anspruchs. — Anfechtungs-
klage gegen ein den Schuldner enterbendes Testamenti
Der im Jahre 1890 in Konkurs gefallene B. W. war von
seinem Vater 8. W. zu Gunsten seiner beiden Söhne, der
gegenwärtigen Beklagten, enterbt worden ; er focht das Tes-
tament nicht an. Dagegen erwirkte nach dem Tode des
Testators der Kläger, welcher im Konkurse des B. W. mit
Fr. 1272.85 zu Verlust gekommen war, am 25. Februar 1897
für seine Verlustforderung einen Arrest auf den Erbteil de»
B. W. am Nachlasse seines Vaters und Hess am 11. März 1897
dem B. W. einen Zahlungsbefehl für diese Forderung zustellen.
Nachdem für einen Teil der Forderung Rechtsvorschlag
erhoben worden war, erhob der Kläger gegen die Beklagten,
die Söhne des B. W., Klage mit dem Antrage, das Testament
des J. W. sei aufzuheben, soweit dem Sohne B. W. ein Dritt-
teil des Gesamtnachlasses entzogen werde; die Beklagten
haben demgemäss anzuerkennen, dass B. W. einen Drittteil
des 6e8amtnachlasses des J. W. geerbt habe. Das Obergericht
des Kantons Aargau hat durch Entscheidung vom 20. Januar
1898 die Klage gutgeheissen mit der Begründung:
Der Pflichtteilsanspruch, welcher den Gegenstand der
vorliegenden Frage bilde, sei kein höchst persönlicher, sondern
«in vermögensrechtlicher Anspruch, mit der Eigenschaft der
Vererblichkeit und Veräusserliohkeit. Derselbe müsse daher
auch als Gegenstand der Zwangsvollstreckung angesehen
werden. Da nun weder das Erbrecht des Kantons Aargau,
noch das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs
eine gegenteilige Bestimmung enthalte, wonach dieser Ver-
mögensbestandteil des Pfliohtteilsberechtigten von der Zwangs-
vollstreckung ausgeschlossen wäre, so müssen die Gläubiger
dieses letztern als befugt angesehen werden, zur Befriedigung
ihrer Forderungen gegen denselben auf seinen Pflichtteils-
Anspruch zu greifen, und zur Erreichung dieses Zweckes müsse
den genannten Gläubigern auch das Hecht zustehen, die Auf-
Vò
hebung des Testamentes, ohne welche die Durchführung der
Zwangsvollstreckung nicht möglich wäre, zu verlangen.
Dagegen hat das Bundesgericht die Klage abgewiesen.
In den Entscheidungsgründen wird zunächst hinsichtlich des
Streitwertes bemerkt:
Für die Bestimmung desselben sei nicht der Betrag der
klägerischen Forderung an B. W. massgebend; denn nicht
diese Forderung bilde den Gegenstand der Klage, sondern
die Anfechtung des vom Vater des B. W. errichteten Testa-
ments; entscheidend für den Streitwert sei demnach der Wert
des Erbrechts, um welches bei dieser Anfechtung gestritten
werde, und dieses übersteige Fr. 2000.
Sodann wird ausgeführt: Es muss sich in erster Linie
fragen, ob der Kläger zur Anhebung der vorliegenden Klage
legitimiert sei. Es handelt sich um die Geltendmachung eine*
in der Person eines Dritten, des B. W., entstandenen Anspruchs,
und der Kläger hat nicht behauptet, dass dieser Anspruch
auf Grund eines mit B. W. abgeschlossenen Rechtsgeschäftes
oder von Todeswegen auf ihn übergegangen sei. Die Legiti-
mation zur Klage stützt der Kläger vielmehr einzig auf seine
Gläubigerqualität, d. h. auf die Thatsache, dass ihm vorn
Konkurs des B. W. her eine Verlustforderung auf diesen zu-
stehe Nun gehört die Frage, welche Mittel dem
Gläubiger behufs Realisierung seiner Rechtsansprüche zustehen,,
unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise er zu
dem Zwecke auf das Vermögen des Schuldners greifen und
Rechte desselben gegenüber Dritten geltend machen kann,
dem Rechte der Schuldexekution an. Die Berechtigung des-
Klägers, kraft seiner Eigenschaft als Gläubiger des pflichtteils-
berechtigten B. W., dessen Pflichtteilsanspruch gegenüber den
Beklagten geltend zu maohen, beurteilt sich demnach nach
den für die Zwangsvollstreckung massgebenden Rechtsnormen,,
also nach dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs. An der Anwendbarkeit dieses Bundesgesetzes ändert
der Umstand nichts, dass der Konkurs, ans welchem die Ver-
lustforderung des Klägers herrührt, noch vor dem Inkrafttreten
desselben durchgeführt wurde; denn nach Art. 328 des citierten-
Bundesgesetzes regeln sich die Rechte, welche sich an die
aus jenem Konkurs herrührende Verlustforderung knüpfen,
nach diesem Gesetz.
Es ist ohne weiteres klar, dass nach dein genannten
Bundesgesetze die Legitimation des Gläubigers, einen Anspruch
seines Schuldners gegenüber dem Drittschuldner geltend zu
machen, aus der blossen Thatsache, dass ihm ein Anspruch
14
auf jenen zusteht, unmöglich hergeleitet werden kann. Die
Legitimation zu einer solchen Klage setzt vielmehr eine Ein-
weisung des Gläubigers in die Rechte des Schuldners, auf
Grund der gegen diesen gerichteten Zwangsvollstreckung
voraus. Ob nun eine derartige, die Legitimation des Gläubigers
zur Klage gegen den Drittschuldner begründende Einweisung
schon durch die Pfändung des Anspruchs auf diesen, oder erst
dadurch stattfinde, dass der Gläubiger diesen Anspruch im
Verwertungsverfahren ersteigert, bezw. sich unter den in
Art. 131 des Bundesgesetzes genannten Voraussetzungen an
Zahlungsstatt anweisen lässt, bleibt sich für die Entscheidung
des vorliegenden Falles gleich; denn hier ist es überhaupt
nicht einmal zu einer Pfändung des Pflichtteilsrechts des
B.W. gekommen, indem der Kläger zwar am 11. März 1897
gegen diesen die Betreibung angehoben, dieselbe aber nicht
fortgesetzt hat. Durch die Anlegung des Zahlungsbefehls
werden aber noch keinerlei Rechte des betreibenden Gläu-
bigers an dem Vermögen de9 Betriebenen begründet. Es
könnte von einer Berechtigung des Erstem, Rechtsansprüche
des Schuldners gegenüber Drittschuldnern geltend zu machen,
jedenfalls erst von dem Momente an die Rede sein, wo diesa
Ansprüche von der Zwangsvollstreckung ergriffen werden,
d. h. frühestens vom Momente der Pfändung an. . . .
Wenn endlich der Kläger zur Begründung seiner Legiti-
mation zur vorliegenden Klage von der schädigenden Absicht
gesprochen hat, welche der Testamentserrichtung und der
Unterlassung der Testamentsanfechtung zu Grunde liege, so
ist hiezu zu bemerken, dass der Testator, der dem Kläger
nichts schuldig war, keinerlei rechtliche Verpflichtungen hatte,
bei der Disposition über sein Vermögen Interessen des Klägers
wahrzunehmen, und dem letztern daher unmöglich aus dem
Grunde ein Klagerecht auf Aufhebung des Testaments zu-
stehen kann, weil der Testator dasselbe in der Absicht
errichtet habe, um seinen Na chi as s dem Zugriff des Kläger*
zu entziehen. Von Verletzung von Gläubigerrechten des Klägers
kann daher mit Bezug auf die Testamentserrichtung gar nicht
gesprochen werden ; eine Anfechtungsklage wegen Verletzung
solcher Reohte ist selbstverständlich nur gegenüber Rechts-
handlungen des Schuldners möglich, und hätte daher in casu
nur gegen einen Verzicht des B. W. auf seinen Pflichtteil
also nur gegen die Unterlassung der Testamentsanfechtung,
bezw. gegen die Ueberlassung des Nachlasses an die Testaments-
erben seitens desselben gerichtet werden können. In diesem
Sinne ist jedoch die Klage von der Vorinstanz nicht aufgefasst
15
worden, und kann dieselbe nach ihrer Begründung auch nicht
aufgefa8st werden, indem sich der Kläger darauf stützt, dass
er als Gläubiger des B. W. berechtigt sei, in dessen Rechts-
ansprüche einzutreten, and somit gerade davon ausgeht, dass
der fragliche Pflichtteilsanspruch demselben noch zustehe, ein
Verzicht auf denselben also nicht stattgefunden habe. (Entsch.
vom 13. Mai 1898 i. S. Wohler c. Meier.)
14. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
29. AprÜ 1889, Art. 17, 106, 107, 109, 138 Ziff. 3, 140. Befug-
nis des Civügerichtes, zu entscheiden, ob zufolge des Betreibungsver-
fahrens eine Rechtsverwirkung wirklich eingetreten sei oder ob das
von den Betreibungsbehörden angeordnete Provokation sver fahr en
der gesetzlichen Grundlage ermangle. — Unter welchen Voraus-
setzungen sind Dienstbarkeiten in das Lastenverzeichnis aufzunehmen
und ist hinsichtlich derselben das Verfahren der Art. 140 Abs. 2,
106, 107 einzuleitend Wirkungen der Unterlassung rechtzeitiger
Klageerhebung.
1. Die Civilgerichte sind befugt zu überprüfen, ob die
gesetzliche Basis für einen im Betreibungsverfahren ausge-
sprochenen Rechtsverlust vorhanden gewesen sei, denn hiebei
handelt es sich um eine materiellrechtliche Wirkung des
Betreibungsverfahrens, um den Verlust eines Privatrechts als
Präklu8ivwirkung. Den Givilgerichten steht demnach die
Prüfung darüber zu, ob ein Fall, in welchem das Schuld-
betreibung8- und Konkursgesetz (Art. 106 bis 109 resp. 140
Abs. 2) eine Aufforderung zur Klage durch Fristansetzung
mit den im Gesetze angedrohten Rechtsfolgen zulässt, vor-
liege oder ob das bezeichnete Verfahren auf einen, nach dem
Gesetze demselben entzogenen, Thatbestand angewendet
worden sei, indem eben der Mangel der gesetzlichen Zulässig-
keit dem ausgesprochenen Rechtsverlust die gesetzliche Grund-
lage und damit auch die rechtliche Wirkung entzieht. Da-
gegen wird allerdings die Regelung des Verfahrens den
ßetreibungsbehörden zugestanden werden müssen und der ein-
getretene Rechtsverlust vor den Gerichten nicht aus dem
Grunde angefochten werden können, weil das gesetzliche Ver-
fahren nicht eingehalten worden sei, sofern wenigstens nur
die gesetzlichen Fristen gewahrt sind.
2. Nach Art. 140 Abs. 1 des Schuldbetreibungs- u. Konkurs-
gesetzes müssen alle dinglichen Lasten, welche aus den öffent-
lichen Büchern ersichtlich sind, in das Lasten Verzeichnis auf-
IG
genommen werden, also auoh diejenigen Dienstbarkeiten u. s.w.,
welche kraft Gesetzes auf die Erwerber übergehen. Es findet
also auch hinsichtlich solcher Dienstbarkeiten, soweit sie ein-
getragen sind, das Bereinigungs- bezw. Provokationsverfahren
nach Art. 140 Abs. 2, 106 und 107 des Gesetzes statt. Hin-
sichtlich der nicht eingetragenen Semtuten dagegen,
welche nicht zu einer aus dem Steigerungserlös nach Art. 138
Ziff. 4 zu befriedigenden Geldforderung Veranlassung geben,
stellt das Bundesgesetz weder eine Verpflichtung des Be-
treibungsbeamten, dieselben von Amteswegen zu ermitteln und
in das Lastenverzeichnis aufzunehmen, noch eine Anmeldungs-
pflicht des Berechtigten auf. Dasselbe schliesst aber die Auf-
nahme solcher nicht eingetragenen Dienstbarkeiten in da*
Lastenverzeichnis auoh nicht aus, sondern überlässt es nur
den Kantonen, eine Verpflichtung zur Anmeldung aufzu-
stellen. Werden solche nicht eingetragene Dienstbarkeiten,
auch ohne Bestehen einer kantonalgesetzlichen Anmeldungs-
pflicht, von dem angeblich Berechtigten selbst zur Aufnahme
in das Lastenverzeichnis angemeldet, so hat der Betreibungs-
beamte der Anmeldung Folge zu geben, und es greift dann
auch in Betreff solcher, freiwillig angemeldeter Lasten, das
in Art 140 Abs. 2, bezw. 106 und 107 des Bundesgesetzes
vorgeschriebene Verfahren Platz. Wenn alsdann die Dienst-
barkeit von einem hiezu legitimierten Gläubiger bestritten
wird und der Ansprecher binnen der ihm gesetzten Klagefrist
nicht klagt, so ist die Dienstbarkeit in den Steigerungs-
bedingungen als erloschen zu bezeichnen und dem Erwerber
nicht zu überbinden, so dass sie auf denselben nicht übergeht
Die Wirkung der Klageversäumnis ist, wenn die Betreibung
durchgeführt wird, die gleiche, wie wenn der Ansprecher die
Klage erhoben hätte, aber mit derselben unterlegen wäre.
(Entsch. vom 3. Juni 1898 i. S. Spinnerei Aegeri c, Iten.)
1 5. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art 56, 89. Bundesgesetz beireffend
Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889y Art 315.
Die Kassationsbeschwerde ist nur gegen Haupturteile statthaft.
Gegen Entscheidungen der Nachlassbehörden über Begehren eines
Gläubigers um Aufhebung eines Nachlassvertrages für seine Forde-
rung ist weder Berufung noch Kassationsbeschwerde an das
Bundesgericht statthaft. Rechtliche Natur solcher Entscheidungen*
1. Wie das Bundesgericht stets festgehalten hat, ist die
Kassationsbeschwerde gemäss Art. 89 Org. Ges. (ebenso wie
17
die Berufung) nur gegen letztinstanzliche kantonale Haupt-
urteile statthaft; es ist dies im französischen und italieni-
schen Gesetzestexte ausdrücklich ausgesprochen und folgt
übrigens aus dem Zusammenhange und Zweck des Gesetzes.
Sie ist daher nicht statthaft gegen zweitinstanzliche kan-
tonale Entscheidungen, welche lediglich aus prozessualischen
Gründen das gegen die erstinstanzliche Entscheidung ergrif-
fene Rechtsmittel für unzulässig erklären.
2. Begehren eines Gläubigers, den Nachlass mit Bezug
auf seine Forderung wegen Nichterfüllung der Bedingungen
des Nachlassvertrages aufzuheben, sind nach Art. 315 Schuld-
betr. und Konk.-Ges. von der Nachlassbehörde zu beurteilen 'r
sie sind also nicht den Gerichten, sondern einer besondern
Behörde zugewiesen, deren Funktionen allerdings durch die
kantonale Gesetzgebung gerichtlichen Behörden übertragen
werden können, aber keineswegs übertragen werden müs-
sen, vielmehr ebensowohl administrativen Stellen oder einer
für sie besonders gebildeten Behörde überwiesen werden
können. Daraus ist aber zu folgern, dass Streitigkeiten über
solche Begehren, ebenso wie Anstände betreffend die Ertei-
lung oder Verweigerung der Genehmigung des Naohlassver-
trages (vgl. hierüber Entscheidg. Amt). Samml. Bd XVIH,
S. 218 E.2; Bd XXIII, S. 613, E. 2), vom Gesetze nicht als
eigentliche Civilrechtsstreitigkeiten, sondern als Anstände im
Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrachtet werden.
Das Begehren ist denn auch nicht etwa dahin zu richten, es
sei (deklarativ) auszusprechen, der Gläubiger sei an den Nach-
lassvertrag wegen Nichterfüllung der Bedingungen desselben
nicht mehr gebunden, sondern dahin, es sei (konstitutiv) die
Aufhebung des Nachlassvertrages für seine Forderung zu
verfügen, Demgemäss muss folgerichtig das Begehren bei
der Behörde, welche den Naohlassvertrag durch Erteilung
ihrer Genehmigung zur Perfektion gebracht hat, nämlich der
Nachlassbehörde, gestellt werden. So lange diese Behörde
die Aufhebung des Nachlassvertrages nicht verfügt hat, bleibt
derselbe für den Gläubiger verbindlich, auch wenn dieser im
Prozesse nachweisen sollte, dass die gesetzlichen Bedingungen,
unter welchen er die Aufhebung des Nachlasses für seine
Forderung zu verlangen berechtigt ist, gegeben sind. Handelt
es sich aber demgemäss bei derartigen Entscheidungen der
Nachlassbehörde überhaupt nicht um gerichtliche Urteile in
einem Civilrechtsstreite, sondern um Akte der freiwilligen
Gerichtsbarkeit, so ist gegen dieselben gemäss Art. 56 Org.
Ges. weder die Berufung noch die Kassationsbeschwerde an.
18
<Us Bundesgericht statthaft, da diese beiden Rechtsmittel nur
gegen gerichtliche Haupturteile in Civilrechtsstreitigkeiten
gegeben sind. (Entsch. vom 22. Oktober 1898 i.S. Baum & Mos-
bacher c. Stauber.)
16. Bundesgesetz betreff end den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken u. s. w. vom 26. September 1890, Art. 1, 6y 11, 32
Abs. 2.
1. Die Fabrik- und Handelsmarken können nicht für sich
allein, sondern nur mit dem Geschäfte übertragen werden,
dessen Erzeugnissen sie zur Unterscheidung dienen. Ist indes
•eine Marke für eine Mehrheit von Waren eingetragen und
benützt worden, so kann sie bei einer Teilung des Geschäfts
unter mehrere Nachfolger, bei weloher jeder einen be-
stimmten, gewisse Erzeugnisse umfassenden, Geschäftszweig
übernimmt, jedem derselben für seinen Geschäftszweig über-
tragen werden, während dagegen zweifelhaft ist, ob auch eine
Teilung des Markenrechts nach geographischen Gebieten
(nach dem Verkehr mit den verschiedenen Ländern) zulässig
ist. Wenn freilich die geographische Teilung zugleich eine
«achliche involviert, weil die für die verschiedenen Länder
bestimmten Waren sachlich verschiedenartig sind (wie dies
bei der Uhrenindustrie tur den orientalischen und überseeischen
Verkehr im Gegensatze zum europäischen der Fall zu sein
scheint), so ist eine solche Teilung, welche dann eben keine
bloss lokale mehr ist, jedenfalls statthaft.
2. Die Klage auf Untersagung des Gebrauchs einer
Marke setzt kein Verschulden des Beklagten voraus; sie ist
begründet, wenn die beklagtische Marke objektiv, nach den
Vorschriften des Art. 6 des Markenschutzgesetzes, wegen
täuschender Aehnliohkeit mit dem klägerischen älterberech-
tigten Zeichen unzulässig ist. Das Verschulden ist nur für
die Straf- und Schadenersatzfolgen der Markenrechtsverletzung
von Bedeutung.
3. Bei Prüfung der täuschenden Aehnliohkeit zweier
Warenzeichen ist nicht vom Standpunkte eines gewiegten
Geschäftsmannes, sondern vom Durchschnittsstandpunkte des
kaufenden Publikumsauszugehen. Es kommt auch nicht darauf
an, ob eine Verwechslung der beiden Zeichen als unvermeidlich,
sondern darauf, ob sie als im ordentlichen Laufe der Dinge
möglich erscheint.
4. Hinterlegung und Gebrauch einer Marke geben ein
Recht auf dieselbe nur für die Warengattungen, für welche
19
sie stattgefunden haben. Das Recht auf den Gebrauch einer
Marke für eine bestimmte Warengattung hängt demnach von
der Priorität im Eintrag und Gebrauch der Marke für diese
Wareogattung ab. Wer eine Marke für „Corsets, Strümpfe,
Tasohentioher, Spiegel etc." hinterlegt und gebraucht hat,
kann sich somit der Verwendung dieser oder einer ähnliohen
Marke für eine gaia andere Warengattung wie Uhren nicht
widersetzen und darf das Zeiohen für Uhren nicht verwenden,
wenn ein Anderer dasselbe für diesen Artikel vor ihm in
(Gebrauch genommen hat.
5. Die Anordnung der in Art, 32 Abs. 2 des Marken-
schutzgesetzes vorgesehenen Massnahmen ist nicht von einem
Verschulden des Beklagten abhängig. (Entach. vom 3. Juni 1898
i. S. Etablissements Orosti Back c. Sandoz & Breitmeyer und
Genossen.)
17. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken u. s. w. vom 26. September 1890, Art. 6 Abs. 1
und 3, Art. 32. Das Verbietungsrecht des Markenberechtigten er-
streckt sich (auch wenn dieser die Marke nur für eine bestimmte
Warensorte gebraucht, und dies bei der Hinterlegung erklärt
hat) auf sämtliche Waren der gleichen Gattung. Tragweite des
Art. 32 cit.
Die Tabak- und Cigarrenfabrikanten E. & Cie in M.
hatten für ihre Cigarren u. a. eine Marke „Telephone" ein-
tragen lassen und gebrauchten dieselbe für Cigarren deut-
scher Façon (sog. Eopfoigarren). Später begannen die
Fabrikanten H. & Cie in R. die gleiche Marke für Cigarren
französischer Façon (bouts) zu gebrauchen und liessen sie
tur „Cigarren französischer Form" für sich eintragen. Gegen-
über der Markenrechtsklage der Firma E. & Cie machten
H. & Cie geltend, die Kläger hätten die Marke ausdrücklich
nur für Cigarren deutscher Façon angemeldet; sie, die Be-
klagten, seien daher nach Art. 6 Abs. 3 des Markenschutz-
gesetzes berechtigt, dieselbe für Cigarren französischer Façon
zu gebrauchen. — Das Bundesgericht hat diese Einwendung
verworfen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der laut Art. 6 Abs. 1 cit. des Markenschutzgesetzes den
eingetragenen Marken gegen Nachahmungen gewährte Schutz
versagt allerdings solchen Marken gegenüber, welche für Er-
zeugnisse oder Waren bestimmt sind, die ihrer Natur nach
von den mit jener versehenen gänzlich abweichen (Art. 6
Abs. 3 des cit. Gesetzes). Wenn nun aber die Beklagten
•20
behaupten, dass zwischen den Cigarren deutscher Façon, für
welche die Kläger ihre Telephonmarke verwenden, und den
Cigarren französischer Form, welche die Beklagten mit dieser
Marke in den Handel bringen, eine derartige Verschieden-
heit bestehe, dass es sich im Sinne des Marken Schutzgesetzes
um eine andere Ware, bezw. um eine Ware gänzlich ab-
weichender Natur handle, so kann diesem Standpunkt nicht
beigetreten werden. Das gemeinsame der beiden Fabrikate
ist gegenüber den Verschiedenheiten, die sie im Verhältnis
zu einander aufweisen, so überwiegend, dass der Typus einer
und derselben Ware durchaus gewahrt bleibt. Die von den
Beklagten hervorgehobenen Verschiedenheiten stellen sich
lediglich als Nuancen, wie sie ja bei vielen Verkehrsartikeln
vorzukommen pflegen, dar, ohne dass sie den Charakter der
Ware wesentlich zu ändern vermöchten. Denn trotz der an-
gegebenen Verschiedenheiten dienen beide Fabrikate dem
gleichen Gebrauchszwecke durch ihre im wesentlichen gleiche
Beschaffenheit und Fabrikation, und sie werden deshalb im
Verkehr mit dem gleichen Kollektivnamen benannt. Es sind
beides Cigarren, also Artikel einer gemeinsamen Warengat-
tung, und sie bilden auch Gegenstand eines und desselben
Fabrikations- und Handelszweiges.
In der gleichen Sache wurde im Weiteren ausgesprochen,
nach Art. 32 des Markenschutzgesetzes könne die Vernich-
tung nachgeahmter Marken nicht nur im Strafprozesse, son-
dern auch im Civilprozesse verfügt werden, dagegen beziehe
sich allerdings Art. 32 cit. nur auf diejenigen Gegenstände,
welche zu einer eigentlichen Markenrechtsverletzung geführt
haben, und fallen daher nur die Marken, d. h. die auf der
Umhüllung der Ware angebrachten Zeichen, darunter, und
nicht auch Plakate der Beklagten, auf welchen das kläge-
rische Warenzeichen nachgebildet sei. Denn als Marken-
rechtsverletzung im Sinne des Bundesgesetzes gelte, wie das
Bundesgericht in ständiger Praxis festgehalten habe, nur die
rechtswidrige Anfertigung oder Benutzung von Zeichen, die
zum Anbringen auf der Ware selbst oder ihrer Verpackung
verwendet werden, während Manipulationen anderer Art, die
zu einer Täuschung über den Ursprung der feilgebotenen
Ware führen können, wie Aeusserungen in Prospekten,
Reklamen und Plakaten, auch wenn sie rechtswidrig seien,
keine Verletzung des Rechts des Markeninhabers auf den
ausschliesslichen Gebrauch der Marke als solcher enthalten.
(Entscb. v. 15. Oktober 1898 i. S. Hediger & Cie c. Eichen-
berger & Cie.)
18. Bundesgesetz betreffend die civilrechtlichen Verhältnisse
der Niedergelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni 1891. Art.
22, 27. Bedeutung und Tragweite des Art. 27. Anwendbarkeit
desselben auf Schenkungen, die vor seinem Inkrafttreten nach dem
für sie geltenden kantonalen Rechte definitiv und unanfechtbar
geworden waren t
Xaver S. von Horw, Kanton Luzern, wohnhaft in Her-
giswyl (Nidwaiden), hatte im Jahre 1890 seinem Bruder
A. S. und dessen Kindern bedeutende sofort durch Uebergabe
der geschenkten Gülttitel vollzogene Schenkungen gemacht.1
Er starb am 6. Dezember 1892 an seinem Wohnort in Hergis-
wyl und wurde von seinen Geschwistern und Geschwister-
kindern beerbt. Seine übrigen Erben fochten nun durch Klage
gegen A. S. die Schenkungen an, indem sie u. a. geltend
machten, dieselben seien nach dem massgebenden nidwald-
ni8chen Rechte wegen Pflichtteilverletzung anfechtbar. Die
nidwaldnischen Gerichte wiesen die Klage ab, indem sie die
erwähnte Frage nach luzern ischem Rechte beurteilten.
Hiegegen ergriffen die Kläger den staatsrechtlichen Rekurs
an das Bundesgericht, indem sie ausführten, nach Art. 22 und
27 des Bundesgesetzes betr. die civilrechtlichen Verhältnisse
der Niedergelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni 1891 sei
die erwähnte Frage nach nidwaldnischem Rechte zu beurteilen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen, im wesent-
lichen aus folgenden Gründen:
Unbestritten ist, dass sich die Erbfolge des X. S., da
er nach dem 1. Juli 1892 (dem Zeitpunkte des Inkrafttretens
des Bundesgesetzes betreffend die civilrechtlichen Verhältnisse
der Niedergelassenen und Aufenthalter) gestorben ist, in An-
wendung dieses Gesetzes, Art. 22, nach Nidwaldner Recht
richtet. Nach dem nämlichen Recht bestimmt sich demnach
auch gemäss Art. 27 des Bundesgesetzes das Pflichtteilsrecht
bei Schenkungen. Obschon nun das Bundesgesetz hiebei aus-
drücklich nur das in örtlicher Beziehung anwendbare Recht
bestimmt hat, so lässt sich doch aus dem unzweifelhaften
Zwecke des Gesetzes, welcher dahin geht, die einheitliche
rechtliche Behandlung des Nachlasses zu sichern, der Schluss
ziehen, dass auch in zeitlicher Hinsicht die Einheit des an-
zuwendenden Rechts gewahrt werden soll.
Aber hiemit ist die vorliegende Frage noch nicht ent-
schieden. Es folgt aus dem eben gesagten nicht, dass alle
Schenkungen, welche der Erblasser S. in irgend einem Zeit-
punkte und unter der Herrschaft irgend eines Gesetzes vor-
genommen hat, nun ohne weiteres der Pflichtteilsanfechtung
22
Dach der Gesetzgebung von Nidwaiden unterliegen. Vielmehr
fragt sich, welche rechtliche Bedeutung diesen Schenkungen
nach der Gesetzgebung, unter welcher sie errichtet und voll-
zogen wurden, zukommt, und in welchem rechtlichen Ver-
hältnisse sie zu den Rechten der Pflichtteilserben des Sohenkers
standen.
In dieser Beziehung gingen die beim Inkrafttreten des
Bundesgesetzes bestehenden kantonalen Gesetzgebungen aus-
einander. Nach der Mehrzahl derselben waren Schenkungen
unter Lebenden den gleichen Pflichtteilsvorschriften unterstellt,
wie Verfügungen von Todeswegen. Solche Schenkungen ver-
mochten definitive Wirkungen nur zwischen dem Schenker
und dem Beschenkten zu begründen; gegenüber den Erben
blieb dagegen eine derartige Schenkung noch in der Schwebe,
und hing ihre schliessliche Wirkung von der Gestaltung der
Verhältnisse im Zeitpunkte des Todes des Schenkers ab.
Würde die materielle Dispositionsbefugnis des X. S. sich nach
einer dieser Gesetzgebungen richten, so würden sich gewichtige
Gründe für die Anwendbarkeit des neuen Rechts auf die vor-
liegenden Schenkungen anführen lassen, obschon diese Frage
anderwärts durch die Gesetzgebung und Rechtsprechung im
gegenteiligen Sinne entschieden worden ist (vergi. Einfuhrungs-
gesetz zum ital. Civilgesetzbuch von 1863, Art. 27, und die
Darstellung der Entwicklung der Controverse in der franzö-
sischen Gerichtspraxis und Wissenschaft bei Gabba, Teoria
della retroattività delle leggi, 2 ed. Ili p. 464 485, ferner
Aubry & Rau I § 30, Baudry, Précis I Nr. 63). Nach andern
kantonalen Gesetzgebungen hinwieder ist die Anfechtung von
Schenkungen unter Lebenden wegen Verletzung von Pflicht-
teilsrechten ganz ausgeschlossen oder beschränkt. . . .
Schenkungen unter Lebenden nun, welche von einem
Schenkgeber vorgenommen wurden, der hinsichtlich seiner
materiellen Dispositionsbefugnis unter einer dieser letzteren
Gesetzgebungen stand, vermögen für den Beschenkten Rechte
zu begründen, welche von den Pflichtteilsreohten der Erben
vollständig unabhängig sind. Mit dem Vollzüge der Schenkung
oder nach einer gewissen Frist tritt der Gegenstand derselben
definitiv und mit verbindlicher Wirkung für die Erben aus
dem Vermögen des Schenkgebers und aus dem Bereich der
erbrechtlichen Beziehungen desselben heraus. Auf derartige
Schenkungen findet, sofern sie vor dem Inkrafttreten des
Bundesgesetzes betreffend die civilrechtlichen Verhältnisse der
Niedergelassenen und Aufenthalter vorgenommen oder unan-
fechtbar geworden sind, Art. 27 desselben keine Anwendung.
>3
Sie bedürfen einer neuen Normierung durch eine neue Gesetz-
gebung nicht mehr; es sind definitiv abgeschlossene Rechts-
verhältnisse ; in der Anwendung des Art. 27 1. c. auf sie würde
eine Rückwirkung des Gesetzes liegen, welche sich in Er-
mangelung einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung nur
rechtfertigen liesse, wenn andere zwingende aus dem Inhalt
oder Zwecke des Gesetzes entnommene Gründe dafür sprechen
würden. Derartige Gründe sind jedoch nicht vorhanden. Der
Zweck der einschlägigen Vorschriften wird durch die Beur-
teilung dieser Schenkungen nach dem Rechte ihres Zustande-
kommens nicht beeinträchtigt; der Nachlass wird nicht
mehreren Gesetzgebungen unterstellt, sondern es kann nur
das vom Erblasser definitiv Verschenkte nicht mehr zurück-
gefordert werden und die P flieh tteilsbestimmungen des die
Erbschaft beherrschenden Rechtes finden darauf keine An-
wendung
Was nun die in Frage stehenden Schenkungen anbelangt,,
so gehören dieselben unter die definitiven, der Anfechtung
wegen Pflichtteilsverletzung nicht unterliegenden (wie an
Hand der Bestimmungen des luzernischen Civilgesetzbuches
(§ 565, 566) näher ausgeführt wird).
Es darf daher Art. 27 des Bundesgesetzes betreffend die
civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Auf-
enthalter auf diese Schenkungen nicht zur Anwendung gebracht
werden. (Entsoh. vom 28. April 1898 i. S. Erben Siegwart c.
Alois Siegwart, j
19. Bundesgesetz betreffend den Transport auf Eisenbahnen
und Dampfschiffen vom 29. März 1893, Art. 3, 14. 62, 63, Trans-
portreglement der schweizerischen Eisenbahn und Dampfschiff-
Unternehmungen vom 1 1. Dezember 1893 und III. Nachtrag zu
demselben vom 12. Dezember 1896, § 28 Abs. 1 und 2, §33 Abs. 3.
Begriff des Reisegepäcks. Befugnisse der Stationsvorsteher.
J. R. hatte auf der Nordostbahnstation B. eine Kiste mit
Marktwaren, die er auf dem Martinimarkt in Schaffhausen
feilhalten wollte, am Nachmittag vor dem ersten Markttage
zur Beförderung als Reisegepäck aufgegeben. Während die
Kiste bei regelmässiger Beförderung noch am gleichen Abend
um 11 Uhr nach Schaffhausen hätte gelangen sollen, langte
sie in Folge eines Versehens erst am folgenden Tage Nach-
mittags 3 Uhr dort an, immerhin noch innert der Lieferfrist
für Eilgut.
24
J. R. belangte nun die Nordostbahn auf Schadenersatz
wegen Versäumung der Lieferfrist, indem er sich auf die ge-
setzlichen und reglementarischen Bestimmungen über Beför-
derung des Reisegepäcks berief und überdem darauf abstellte,
•der Stationsvorstand in B. habe ihm erklärt, er lasse seine
Marktware am besten als Passagiergut befördern, da er bei
dieser Beförderungsweise sicher schon am gleichen Tage
Abends 11 Uhr wieder im Besitze seiner Ware sei.
Das Bundesgericht hat die Klage abgewiesen, im wesent-
lichen aus folgenden Gründen:
1. Das Eisenbahntransportgesetz bestimmt den Begriff
des Reisegepäcks nicht selbst, sondern behält in Art. 63
dessen Peststellung dem Transportregl emente vor. Nach § 28
des Transportreglements nun erscheinen als Reisegepäck,
welches die Eisenbahn gemäss Art. 62 Abs. 1 des Eisenbahn-
transportgesetzes zur Beförderung mit dem nämlichen Zuge
annehmen muss, nur die in Abs. 1 des § 28 des Reglements
bezeichneten Gegenstände (d. h. dasjenige, was der Reisende
zu seinem und seiner Angehörigen Reisebedürfnisse in Koffern,
Reisesäcken, Hutschachteln, kleinen Kisten u. s. w. mit sich
führt, ferner Musterkoffern) mit Ausnahme der in Abs. 3 ibid.
erwähnten (Geld, Wertpapiere, Kleinodien u. s. w.), und zwar
nur sofern sie nicht mehr als 100 Kilogramm Gewicht haben.
Andere als die in Abs. 1 des § 28 cit. erwähnten Gegenstände
kann die Eisenbahn zwar gemäss § 28 Abs. 2 zur Abferti-
gung wie Reisegepäck annehmen, sofern das Gewicht eines
einzelnen Stückes 100 Kilo nicht übersteigt, sie sind aber
auch, wenn sie zugelassen werden, nicht als Reisegepäck im
Sinne des Abs. I von § 28 des Transportreglements, bezw. des
Art. 62 des Eisenbahntransportgesetzes zu betrachten. Für
solche nicht zum eigentlichen Reisegepäck gehörige, wenn
auch zur Abfertigung wie solches zugelassene Gegenstände
gilt gemäss § 33 Abs. 3 des Transportreglements (in der
Fassung des III. Nachtrages vom 12. Dezember 1896) nicht
die Lieferfrist für eigentliches Reisegepäck, welches sofort
nach Ankunft des Zuges, zu welchem es autgegeben wurde,
herausverlangt werden kann, sondern die Lieferfrist für
Eilgut, und es sind für die Bemessung der zu leistenden
Entschädigung im Falle der Ueberschreitung dieser Liefer-
frist die für den Gütertransport bestehenden Bestimmungen
massgebend. Diese Bestimmung des Transportreglements ist
gültig, denn sie steht mit dem Transportgesetze nicht im
Widerspruche, sondern betrifft Verhältnisse, deren Regelung
vom Gesetze, wie sich aus den Art. 3, 63 und 14 desselben
25
ergiebt, dem Transportreglemente vorbehalten worden ist.
Das Transportreglement konnte den Eisenbahnen die (im In-
teresse des Publikums liegende) Befugnis vorbehalten, auch
nicht zum eigentlichen Reisegepäcke gehörige Gegenstände
wie solches zu befördern, dann aber für dieses nicht eigent-
liche Reisegepäck eine besondere Lieferfrist festsetzen. Eine
diese Befugnis ausschliessende Bestimmung ist im Eisenbahn-
transportgesetze nirgends enthalten, namentlich enthält dasselbe
nicht etwa die Vorschrift, dass jedes als Gepäck angenom-
mene und wie Reisegepäck transportierte Gut, auch wenn es
nicht zum eigentlichen Reisegepäck gehört, bezüglich der
Haftung der Eisenbahnen für Verspätung dem Reisegepäcke
gleichgestellt werden müsse.
2. Mögen die Eisenbahnstationen als Zweigniederlassung
der Eisenbahnunternehmung angesehen werden oder nicht,
so steht doch fest und ist allgemein anerkannt, dass die Sta-
tionen Frachtverträge u. s. w. nur nach Massgabe der be-
stehenden Gesetze und Verordnungen abzuschliessen befugt
sind, und ihnen die Berechtigung mangelt, von diesen ab-
weichende Vereinbarungen zu treffen. Ebensowenig gehört
es zu den dienstlichen Obliegenheiten der Stationen, resp.
ihrer Vorsteher, dem Publikum Auskunft über die beste und
richtigste Transportart von Gütern, über Abgang der Züge,
Lieferfristen u. s. w. zu geben, sondern hiefür sind die Trans-
portreglemente, Fahrpläne u. s. w. da, welche die Eisenbahnen
allerdings dem Publikum zugänglich zu machen, bezw. be-
kannt zu machen haben. Wenn sich daher Jemand an einen
Stationsvorstand mit dem Gesuch um Auskunft in der ge-
nannten Richtung wendet, und dieser sich hierauf einlässt,
so muss der Fragesteller wissen, dass der Stationsvorstand
lediglich als Privatmann handelt, der durch eine möglicher-
weise unrichtige Auskunftserteilung die Eisenbahn nicht ver-
pflichtet. (Entsch. vom 1. Oktober 1898 i. S. Reinhart c. Nord-
ostbahn.)
26
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
20. Contrai de transaction régi par le Code fédéral des
Obligations. Erreur essentielle. Art. 19, 881 C. 0.
Tand. Jugement de la Cour civile du 24 mai 1898 d. 1. e. Sognili
e. Guillod.
A. Sugnin, agent de polioe, fut victime de voies de fait
exercées sur sa personne par £. Guillod ; son visage était tumé-
fié au point qu'on ne voyait pas son œil droit. Le docteur
Jomini déclara que Sugnin s'en tirerait avec une incapacité
de travail de 8 à 10 jours, et qu'il n'en resterait pas de suites
permanentes. Sugnin, qui avait porté une plainte pénale, dé-
clara alors être disposé à se concilier et à retirer sa plainte,
moyennant le paiement de fr. 120. Guillod accepta ces con-
ditions et les parties convinrent d'une transaction, suivant la-
quelle Guillod payait à Sugnin la somme de 75 fr. Peu de
jours après, le docteur Jomini, après un nouvel examen de
Sugnin, déclara, pour la première fois, que l'œil droit parais-
sait gravement atteint et Sugnin fut transféré à l'asile des
aveugles, à Lausanne; le résultat définitif était que la vision
de l'œil droit était le cent cinquantième de la normale et celle
de l'œil gauche à la suite d'affections anciennes du dixième
à peine de la normale. Sugnin est donc dans l'incapacité de
se livrer à un travail quelque peu exact. Sugnin ouvrit alors
l'action actuelle contre Guillod en paiement de dommages-in-
térêts correspondant à la réduction de la capacité de travail
qu'il possédait au paravant. Guillod opposa le fait que la
transaction passée par lui avec Sugnin a force de chose jugée
et que dès lors il se trouve hors de cause par suite de la
transaction. La Cour civile écarta ce moyen exceptionnel de
Guillod et le condamna à payer à Sugnin la somme de 2500 fr.
Motifs: Considérant que, bien que le Code fédéral des
Obligations ne mentionne pas la transaction au nombre des
contrats spéciaux, il ne la réserve nulle part au droit can-
tonal, d'où il résulte que ce contrat doit être régi par les
principes généraux du droit fédéral en matière d'obligations,
lesquels sont seuls applicables dans ce domaine, aux termes
de l'art. 881 CO., à l'exclusion de toutes dispositions cantonales
contraires.
Que la circonstance que la loi vaudoise de coordination
du Code civil avec le Code fédéral des Obligations maintient*
en ce qui conoerne les preuves, le chapitre de la transaction
27
tel qu'il est contenu dans le Code civil, ne saurait rien changer
à ce qui précède.
Considérant qu'il n'y a contrat à teneur de l'article l#r C. 0.r
que si les parties ont manifesté d'une manière concordante leur
volonté réciproque, cette manifestation de volonté pouvant être
expresse ou tacite.
Considérant que l'intention des parties de transiger reposait
sur les faits connus lors de la première consultation du doc-
teur Jomini qui ne prévoyait pas de suites permanentes;
Que cette transaction a bien l'autorité de la chose jugée,
mais qu'elle se renferme strictement dans son objet.
Qu'ainsi, la transaction ne peut pas être opposée comme
fin de non recevoir à la contestation nouvelle élevée par l'une
des parties qui a transigé, si cette contestation nouvelle et
la transaction ne portent pas exactement sur le môme objet.
Que la contestation actuelle repose sur d'autres faits, soit
sur ceux résultant de la seconde déclaration du docteur Jomini.
Qu'ainsi Guillod ne saurait en aucune façon opposer ht
transaction, l'objet de sa réclamation n'étant point le même
que celui de la transaction.
Considérant, au surplus, que Sugnin pourrait à bon droit
invoquer les dispositions de l'article 19 (X 0., qui prévoient
la nullité du contrat lorsque la partie qui s'est obligée se
trouvait dans une erreur essentielle.
Qu'en effet, au moment de l'arrangement invoqué, Sugnin
ae plaçait sur le terrain de la première déclaration du docteur
Jomini, portant qu'il n'éprouverait qu'une incapacité de tra-
vail de 8 à 10 jours, sans que les voies de fait dont il avait
été victime laissassent de suites permanentes.
Qu'ainsi Sugnin entendait faire un contrat autre que celui
auquel il a déclaré consentir, et avait en vue une autre
chose que l'autre partie, car il paraît bien certain que si le
demandeur eût su, lors de la première consultation, que la
lésion qu'il avait éprouvée entraînerait la perte de son œil
droit, il n'eût jamais consenti à se déclarer satisfait au moyen
du paiement de la somme de 75 fr. par l'auteur du dommage.
Que cela étant, la transaction invoquée doit être envisagée
comme nulle au regard de la conclusion prise par Sugnin dans,
le procès actuel. (Journal de* Tribunaux, XLVI p. 535 s*.)
28
21. Femme mariée exerçant une profession. Com-
munauté de biens. Action dirigée contre la femme. Art. 35 C. 0.
Art. 38, 47, 67, 69 et 90 L. P. et F.
a) Genève. Jugement de la Cour de justice civile du H mai 1898 d. 1. c.
Reymermier c. époux Pfister.
Le 19 novembre 1897, Reymermier a fait commandement
it la dame Pfister, tailleuse, de lui payer la somme de 80 fr.
Ce commandement n'a pas été frappé d'opposition et l'Office
a saisi, au préjudice de la dame Pfister et à son domicile,
un bureau estimé 100 fr. Le sieur Pfister, mari commun en
biens de la débitrice, a revendiqué le meuble saisi, au nom
de la communauté dont il est le chef. Reymermier a intenté
action pour contester cette revendication; il soutient que la
•dame Pf. ayant, arec l'autorisation de son mari, une industrie
indépendante, a pris valablement un engagement obligeant la
communauté. Les maris Pf. soutiennent que, précisément, si
o'est la communauté qui est engagée, c'est contre le chef de
«ette communauté, c'est-à-dire le mari, que la poursuite doit
-être faite ; que, dans l'espèce, tous les actes de poursuite ayant
^té dirigés contre la femme seule, le mari a le droit de s'op-
poser à ce qu'une saisie soit exécutée sur les biens de la
communauté. Le Tribunal de 1" instance a débouté le sieur Pf.
<le sa revendication, considérant que, Pf. ne méconnaissant pas
avoir donné à sa femme l'autorisation d'exercer une industrie in-
dépendante, la dette est bien relative à l'exercice de cette indu-
strie; donc, aux termes de l'art. 35 C. 0., la communauté est en-
gagée et les biens de celle-ci sont saisissables. La Cour de
justice civile a réformé ce jugement et déclaré mal fondée la
revendication du mari Pf.
Motifs: Aux termes de l'art. 1421 du Code civil, le mari
est seul administrateur des biens de la communauté ; il peut
les aliéner sans le concours de sa femme ; il s'ensuit que toute
action pour une dette de la communauté doit être dirigée
contre le mari. Il s'ensuit également que tous les actes de
poursuite tendant à l'exécution forcée sur les biens de la com-
munauté doivent être faits contre lui.
Il se peut que des actes faits par la femme dans le cas
prévu par l'article 35 C. 0. engagent valablement la com-
munauté, mais cela ne dispense pas le créancier, s'il veut
agir contre la communauté, de diriger son action et sa pour-
suite contre le mari qui seul en est l'organe légal. En décider
autrement, ce serait réduire à néant les droits et le contrôle
•du mari sur la communauté et ouvrir la porte à tous les abus,
notamment en cas de collusion entre la femme et des créan-
29
eiere, vrais ou supposés. Lorsque, par un acte de la femme,
la communauté est valablement obligée, le mari devient dé-
biteur; il peut Tètre conjointement avec sa femme, mais il
Test et, si la poursuite est faite en vue de saisir les biens
de la communauté, elle doit être dirigée contre lui qui seul
représente légalement cette communauté. C'est pourquoi Pfister
peut soutenir, avec raison, qu'en saisissant un bien de la com-
munauté au moyen d'une poursuite qui n'est pas dirigée contre
lui, le créancier a méconnu les prescriptions des art. 38, 47,
67, 69 et 90 de la loi sur la poursuite. Et le jugement a
consacré cette violation de la loi.
Les droits du créancier existent peut-être contre la com-
munauté, mais aucune poursuite n'ayant été dirigée jusqu'ici
contre celle-ci, soit contre son représentant légal, la saisie
d'un bien de la communauté n'a pu être faite valablement,
et, en l'état, la revendication du mari apparaît comme fondée.
(La Semaine judiciaire, XX p. 458 88.)
b) Neuch&tel. Jugement du Tribunal cantonal du 9 mars 1898 d. 1. c.
Dietrich c. dame Bähler.
J. F. Dietrich a actionné dame Bähler, négociante aux
Verrières, à prendre livraison de la marchandise qu'elle a com-
mandée au demandeur et en payer le prix de fr. 661. 15. Dame
Bähler a demandé de renvoyer le demandeur à faire valoir
ses droits contre le chef de la communauté Bähler-Fraissard, le
mari J.F.Bähler. Elle fait valoir: les époux Bähler sont mariés
sous le régime de la communauté légale; le mari est seul
administrateur des biens de la communauté ; J. F. Bähler est
actuellement domicilié au Locle, il est solvable ; dame B. n'est
pas marchande publique, elle n'est pas inscrite au registre
du commerce ; elle a refusé de prendre livraison des marchan-
dises pour cause de liquidation d'un magasin qui avait été
dirigé par son père, puis par son frère, à Verrières. Le Tri-
bunal cantonal a écarté les moyens exceptionnels de dame B.
comme mal fondés et l'a condamnée au paiement de la somme
demandée.
Motifs: Attendu que, dans le système de la communauté
légale neuchâteloise, le mari administre seul tous les biens
qui composent la communauté (art. 1161 C. c), mais que ce
principe souffre exception dans le cas où la femme exerce in-
dépendamment avec l'autorisation expresse et tacite de son
mari une profession ou une industrie; qu'alors la femme s'ob-
lige sur tous ses biens pour les affaires qui rentrent dans
1
m
l'exercice régulier de cette profession ou de cette industrie
et, qu'en droit neuohâtelois, elle oblige en outre la com-
munauté (art. 34 et 35 C. 0. et 160 C. o. N.).
Qu'aux termes de l'art. 47, 3ms al., de la loi féd. sur la F.
et la F., lorsqu'il s'agit d'une dette contractée par une mar-
chande publique dans l'exercice de sa profession, la poursuite
doit être dirigée contre la débitrice elle-même au lieu où elle
«exerce sa profession.
Qu'en droit neuohâtelois, la femme commune en biens ne
peut ester en justice sans l'autorisation de son mari, mais que
ce principe aussi souffre des exceptions, notamment dans le
cas des art. 34 et 35 C. 0. et 160 C. o. N.
Attendu que dame Bähler exploite aux Verrières un ma-
gasin de toileries et nouveautés ; que son mari est contrôleur
au bureau des douanes du Locle et qu'il doit tout son temps
à ses fonctions ; que la défenderesse exerce donc bien elle-même,
et avec l'autorisation tout au moins tacite de son mari, une
industrie séparée ; qu'elle est donc marchande publique et qu'il
est indifférent pour qu'elle revête cette qualité qu'elle soit
inscrite ou non au registre du commerce.
Que le demandeur fonde son action sur un contrat qu'il
a conclu avec dame Bähler et dont la conclusion rentrait
dans l'exercice de la profession de celle-ci.
Qu'ainsi, il a correctement procédé en assignant direc-
tement dame Bähler et en portant la contestation devant le
tribunal civil du Val-de-Travers.
(Jugements du ïrib. cant. de Neuchâtel, IV p. 650 «O
22. Bail à ferme. Action en dommages-intérêts du
bailleur basée sur les articles 50 ss. C. 0.
4»enève. Jugement de la Cour de jaHtice civile du 19 novembre 18H8
d. 1. e. Con». Richard c. Degrange.
Les consorts Richard, propriétaires, ont formé contre De-
grange une demande en paiement de 1500 frs. de dommages-
intérêts, à l'appui de laquelle ils ont articulé les faits que leur
auteur, J. C. Richard, avait affermé à Degrange une pièce de
terre; que Degrange a enlevé une quantité considérable de
terre sur la propriété affermée, pour la transporter au dehors;
que mis en demeure de rapporter la terre déplacée, Degrange
uà pas obtempéré à cette mise en demeure. Les consorts
Richard ont, en outre, donné congé à Degrange pour le 1er oc-
tobre 1898. Degrange a soutenu que la demande était irrece-
31
vable avant l'expiration du bail. Le Tribunal de 1èr0 instance
a admis ce moyen exceptionnel et déclaré la demande irrece-
vable, par le motif que si le bailleur ne fait pas usage de la
faculté que lui donne l'art. 313 C. 0. de demander la résili-
ation du bail dans le cas où le fermier contreviendrait à ses
obligations, il ne peut agir qu'à l'expiration du bail, en vertu
de l'art. 317, si le fermier ne restitue pas la chose en bon
état. La Cour de justice civile a réformé ce jugement
Motif s: Considérant qu'en dehors des droits spéciaux
qui sont conférés au bailleur par l'art. 313 C. 0., celui-ci peut
toujours, lorsque le preneur lui cause un dommage par un acte
illicite, demander la réparation de ce dommage, en vertu des
art. 50 ss. C. 0.;
Considérant que les faits imputés à Degrange par les
appelants sont indépendants des rapports de droit résultant
du contrat de bail, mais constituent, à supposer qu'ils soient
établis, un acte illicite;
Que c'est à tort que les premiers juges ont déclaré la
demande irrecevable, et qu'il y a lieu, en réformant leur juge-
ment, de renvoyer la cause devant eux, pour être instruite au
fond. (La Semaine judiciaire, XX p. 781 *0
23. Eigentumsvorbehalt bei Verkauf. Statthaftigkeit.
Verhältnis zu Art. 264 0. R.
a) Zürich. Urteil der AppellationHkamnier des Obergeriehts vom
24. März 1898 i. S. Borner & Cie c Konkuremasne Hagmann.
Mit Vertrag vom 6. November 1894 verkauften Borner&Cie
dem Baumeister David Hagmann ein in Pieterlen, Kt. Bern
stehendes, mit dem Grund und Boden körperlich in einer ge-
wissen Verbindung befindliches Halblokomobil für Fr. 3500. —
mit Inbegriff der Montage nebst Transmissionen, letzterer zu
75 Fr. per 100 kg. Im Vertrag wurde bestimmt, dass die sämt-
lichen Kaufobjekte bis zur gänzlichen Abzahlung des Kaufpreises
samt Zins Eigentum des Lieferanten bleiben sollen. Später ge-
riet der Käufer Hagmann in Konkurs, und in diesem machten
Borner & Cie gestützt auf die erwähnte Vertragsbestimmung ein
Eigentumsrecht geltend, das aber von den Konkursgläubigern
bestritten wurde. Die Eigentumsansprache von Borner & Cie
wurde aber vom Einzelrichter im beschleunigten Verfahren
abgewiesen, davon ausgehend, dass sie sich lediglich die in
Art. 264 0. R. statuierten Rechte vorbehalten haben und von
32
einem wirklichen Eigentumsvorbehalt keine Rede sein könne.
Auf den Rekurs von Borner & Cie hat die zweite Instanz
deren Eigentumsanspruch am Halblokomobil geschützt.
Gründe: In derVertragsbestiminung, worauf Borner ACie
sich stützen, ist zwar auf Art. 264 0. R. Bezug genommen,
wonach der Verkäufer für den Fall, als der Verkaufgegen-
stand vor geleisteter Zahlung des Preises in den Gewahrsam
des Käufers übergeht, wegen Verzuges des letzteren nur dann
vom Vertrage zurücktreten und die Sache zurückfordern kann,
wenn er dieses Recht beim Kaufabschluß ausdrücklich vor-
behalten hat. Art. 264 0. R. gewährt lediglich einen obliga-
torischen Anspruch gegenüber dem Käufer auf Rückgabe des
Kaufgegenstandes, und nach Art. 212 Seh.- u. K.-Gr. wäre das-
selbe mit dem Konkursausbruch über den Käufer Hagmann
gefallen. Allein thatsächlich handelt es sich hier um einen
auch unter der Herrschaft des Schweiz. Obligationenrechts
zulässigen Eigentumsvorbehalt. Für die Interpretation der in
Frage kommenden Vertragsklausel ist nämlich nicht der Hin-
weis auf den dort angerufenen Art. 264 0. R., sondern viel-
mehr ihr ganzer Inhalt massgebend, und dieser zeigt mit
aller Deutlichkeit, dass sich die Klägerin an den sämtlichen
Kaufobjekten das Eigentum bis zur gänzlichen Abzahlung
von Kapital und Zins vorbehalten hat.*)
(Schweizer Blätter f. h.-r. Entsch., XVII S. 220 f.)
b) Bern. Urteil des App.- und Kassationshofes vom 17. »September
1897 i. S. Weil c. Konkursmasse Bahner.
Im Konkurse des Baimer vindizierte Weil zwei Kühe,
die er dem Baimer unter Eigentumsvorbehalt bis zur Zah-
lung des Kaufpreises von Fr. 1070 verkauft hatte. Die Kon-
kursmasse bestritt die Herausgabepflicht) weil es sich um
eine verkappte Pfandbestellung handle. Eventuell verlangte
sie Rückgabe der schon auf Rechnung bezahlten Fr. 377.
Der Gerichtspräsident wies die Klage ab, aber der App.-
und Kass.-Hof sprach dem Kläger die Vindikation zu und
wies auch die eventuelle Widerklage auf Zahlung der
Fr. 377 ab.
Auch das Urteil des App.- und Kass.-Hofes begnügt sich
damit, die Berechtigung eines Eigentamsvorbehaltes als
l) Mit dieser Berufuni; auf den Inhalt des Vertrages ist aber doch die
Fruire nicht erörtert, ob im Sinne des (). K. eine wlehe Vereinbarung über-
haupt zulässig sei.
83
selbstverständlich anzunehmen, ohne zu untersuchen, ob er
mit dem 0. R., speziell dessen Art. 202, harmoniere. Es sagt:
„Der Eigentumsvorbehalt ist nicht in Art. 264 O.K. ge-
regelt, der nur vom Vorbehalt des Rücktrittes des Verkäufers
vom Vertrage bei Verzug des Käufers redet, sondern stellt
sich lediglich als eine vom Gesetz nicht verpönte und infolge
dessen gesetzlich zulässige Parteivereinbarung dar (b.-g.
Entsch., XIV Nr. 19 S. 116, XX Nr. 93 8. 540).u
Weiter sagt das Urteil bezüglich der schon bezahlten
Fr. 377: „Der Verkäufer soll durch den Eigentumsvorbehalt
für seine ungedeckte Kaufpreisforderung nebst Zins sicher ge-
stellt werden.1) Soweit also der dermalige Wert des Kauf-
gegenstandes den soeben umschriebenen Anspruoh des Ver-
käufers dem Betrage nach übersteigt, hat der letztere aller-
dings dem Käufer bezw. seiner Konkursmasse das daherige
Betreffnis zurückzuerstatten, da er sich sonst ungerechtfertigt
bereichern würde. Daraus folgt aber andrerseits, dass der
Verkäufer allfallig bereits erhaltene Abschlagszahlungen dann
nicht zurückzuerstatten braucht, wenn der Kaufgegenstand
seit Annahme desselben durch den Käufer einen deren Be-
trag mindestens erreichenden Minderwert erlitten hat, denn
in diesem Falle erhält der Verkäufer, auch wenn ihm die ge-
leisteten Abzahlungen verbleiben, keine weitergehende als
die ihm gebührende Deckung für den ausstehenden Kaufpreis
nebst Zins (Seuffert, Archiv, XXV Nr. 242 und 243, Schw. ßl. f.
h.-r. Entsch., VI S. 311 f., Revue der Gerichtspraxis, IX S. 21,
Rössel, Manuel, p. 340, 3). Vorliegend ist durch Expertise
festgestellt, dass die beiden Kühe zusammen gegenüber dem
Kaufpreis von Fr. 1070 einen Minderwert von mehr als Fr. 377
aufweisen, und für den Kläger besteht mithin bezüglich dieser
Summe eine Rückerstattungspflicht nicht.
Unzutreffend ist im Hinblick auf Art. 204 0. R. die Be-
hauptung des Beklagten, wenn der Kläger Eigentümer der
Kühe geblieben, hätte er auch den Zufall einer Wertvermin-
derung an sich selbst zu tragen, denn es liegt ein unbedingter
Kaufvertrag vor, mit dessen Abschluss Nutzen und Gefahr
der Sache auf den Käufer überging."
(Zeitschr.d.Bern. Jur.-Ver., XXXIV S. 210 ff.)
') Sollte dies nicht dafür sprechen, dass der Eigentumsvorbehalt als ver-
kappte Pfandbestellung za behandeln sei? Die Redaktion.
..-- ^yc-^r^
34
24. Kauf nach Typenmuster, Mmterkonformität.
Mängelrüge nach teilweisem Verbrauch der Ware.
Aargan. Urteil des Handelsgerichts v. J. 1897/8.
Infolge eines Lieferungsvertrages fakturierte der Kläger
dem Beklagten unter anderm 15 Ballen Hanf, Spundito II à
85,5 Fr. jfrach Empfang der Sendung reklamierte der Be-
klagte, dass Spundito II nicht musterkonform sei, und stellte
die Ware zur Verfügung. Der Kläger weigerte sich, die
Ware zurückzunehmen, weil er nur nach Typenmuster ver-
kauft habe. Der Beklagte dagegen behauptete, das Rechts-
geschäft sei ein „Kauf nach Muster", und die Ware sei nicht
musterkonform. Das Handelsgericht hat den Beklagten zur
Bezahlung verurteilt.
Gründe: Bei der Aktenlage muss angenommen werden,
dass der Kauf nach Typenmuster abgeschlossen wurde. Nun
werden im Handelsverkehr unter Typenmustern allgemein
Muster verstanden, welche nur die Durchschnittsqualität der
zu liefernden Ware zur Anschauung bringen sollen, ohne dass
also der Käufer verlangen könnte, dass die Ware in allen
Teilen genau dem Muster entspreche. Den Verkäufer trifft
lediglich die Pflicht, mittleres Handelsgut von der Waren-
gattung, welche durch das Muster repräsentiert wird, zu
liefern, d. h. es können einzelne Teile eventuell unter der
vom Muster repräsentierten Durchschnittsqualität stehen, so-
fern nur nicht die Ware als Ganzes durchschnittlich schlechter
ausfällt al 8 das Muster.
(Bezüglich der Mängelrüge wurde gesagt :) Der Beklagte
hat sieben Ballen Spundito II bereits verbraucht. Wollte er
aber die Ware beanstanden und sich das Rügerecht wahren,
so musste er die Ware unversehrt lassen. Darin, dass er
einen Teil davon verbrauchte, d. h. über die Ware verfügte,
muss der Verzicht auf die Mängelrüge und die nachträgliche
Genehmigung der Sendung erblickt werden. Er hat aber da-
durch auch die thatsächliche Möglichkeit, die Ware auf ihre
Musterkonformität zu prüfen, ausgeschlossen. Denn da die-
selbe nicht mehr vollständig vorhanden ist, lässt sich natur-
gemäss auch nicht mehr feststellen, ob sie ihrer durchschnitt-
lichen Qualität nach dem Typenmaster entsprochen hätte.
(Bericht de» Aarg. Handelsgerichts für 1897/8 an den Gr. Rat
des K. Aargau, S. 14 ff.)
35
25. Engagement personnel de payer pour un tiers.
Prétendu cautionnement. Novation. Art. 142, 489, 491 C. 0.
Genève. Jugement de la Cour de justice'civile <fu*25 juin 1898 d. 1. c.
demoiselle Bernardet c. Scherer.
Scherer, négociant à Zurich, avait vendu et livré des mar-
chandises à veuve Bernardet pour la somme de fr. 330. 85.
Lorsqu'il en réclama le paiement, la demoiselle Bernardet, fille
de la débitrice, lui répondit, que sa mère ne pouvait payer parce
qu'elle n'avait plus rien ; sur l'observation de Sch., qu'elle devait
prendre à sa charge le passif de sa mère puisqu'elle avait repris
son actif, elle s'engagea à payer la somme totale de fr, 330. 85,
à raison de 10 fr. par mois. Comme elle ne payait rien,
Scherer l'a assignée en paiement de fr. 330. 85. Elle a fait
valoir qu'elle était poursuivie en qualité de caution et que
son cautionnement, pour être valable, aurait dû être fait en
la forme écrite (art. 491 C. 0.), et elle a conclu au déboutement
de Scherer. Celui-ci a fait remarquer qu'il n'avait invoqué
aucun cautionnement de la part de la défenderesse, mais un
engagement personnel de payer sa créance. Les deux instances
ont adjugé à Scherer ses conclusions, la Cour par les motifs
suivants :
Aux termes de l'art. 489 C. 0., le cautionnement est un
contrat par lequel une personne s'engage envers le créancier
à satisfaire à une obligation si le débiteur n'y satisfait pas
lui-même.
Il est établi qu'au moment où demoiselle Bernardet a pris
l'engagement de payer à Scherer ce qui était dû par sa mère,
elle n'ignorait pas que celle-ci était hors d'état de satisfaire
elle-même à son obligation.
L'éventualité du paiement de la créance par la veuve B.
ne pouvait donc pas être envisagée par les parties contrac-
tantes et, par conséquent, l'intention de demoiselle Bernardet
a dû être nécessairement de s'engager à payer, non à titre de
caution, mais à titre de débiteur principal.
Cette manière de voir est confirmée par la circonstance
qu'au moment même ou la demoiselle B. s'obligeait à payer
la somme réclamée, il était convenu entre elle et Sch. que le
paiement serait fait à raison de 10 fr. par mois.
Ce caractère d'obligation à terme que revêt l'obligation
contractée par la défenderesse, caractère que ne présentait pas
l'obligation de la veuve B., montre qu'il ne s'agit pas dans
l'espèce d'un simple cautionnement.
Enfin, la défenderesse s'est engagée à payer sur l'obser-
36
vation qui lui était faite que puisqu'elle avait pris l'actif de
sa mère, elle devait prendre le passif à sa charge.
Cette circonstance montre que le contrat intervenu n'a
pas le caractère d'un cautionnement, mais plutôt celui d'une
novation par la substitution d'un nouveau débiteur à l'ancien
(art. 142, 2°. C. 0.). (La Semaine judiciaire, XX p. 621 ss.)
26. Pflichten des Aktionärs gegenüber der Aktiengesell-
schaft aus semer Eigenschaft als Aktionär. Art. 633 O. Ä.
Baselstadt. Urteil des Civilgerichts vom 9. September, des Apj*l-
Iationsgerichtg vom 10. Oktober 1898 i. S. Gesellschaft schweizerischer Metzger-
meister für Haut- und Talgverwertung c. Brüder Leuenberger.
Die in das Handelsregister von Zürich eingetragene
Aktiengesellschaft schweizerischer Metzgermeister für Haut-
und Talgverwertung, mit einem Aktienkapital von 300,000 Fr.,
eventuell 200,000 Fr., hat in ihren Statuten die Bestimmung,
dass die Aktionäre in der Regel zur Lieferung von Talg,
Fellen und Häuten gemäss einem von der Generalversammlung
festzustellenden Réglemente und ihrer besonderen Verpflich-
tungssoheine verpflichtet seien. Dieses Reglement bestimmt u. a.,
dass Zuwiderhandlungen gegen die in den Verpflichtungsscheinen
eingegangenen Lieferungsverpflichtungen mit einer vom Ver-
waltungsratsausschusse auszusprechenden Strafe von minde-
stens Fr. 100 belegt werden. Die Brüder Leuenberger, die
in Ölten als Kollektivgesellschaft eine Metzgerei betrieben,
verpflichteten sich durch Unterzeichnung eines gedruckten
Formulars unter Hinweis auf die Statuten und Anerkennung
derselben zur Abnahme einer Aktie und zur Lieferung aller
ihrer Häute, Felle und Talge an die Gesellschaft. Nachher
siedelten sie nach Basel über und sistierten von da an ihre
Lieferungen, weil in Basel die Häute und Felle im Schlacht-
haus gewogen und direkt an die Abnehmer abgegeben wür-
den, der Bezug und die Versendung zn teuer käme. Die
Gesellschaft erwiderte ein Jahr nach dem Empfang dieser
Anzeige, die Verpflichtung bestehe solange als der Aktionär
ein Metzgereigeschäft betreibe, und büsste die Leuenberger
pro 1895 mit 400 Fr. Schliesslich klagte die Gesellschaft aui
fernere Lieferung und Bezahlung der Bussen. Die Beklagten
beriefen sich auf Art. 633 0. R., der verbiete, dem Aktionär
mehr als den statutengemäss festgesetzten Betrag aufzuer-
legen. Sie träten aus der Gesellschaft aus und seien be-
37
reit, ihre Aktie der Klägerin oder einem Aktionär zu ver-
schenken; mit Hinfall der Aktie erlösche auch die Lieferungs-
pflicht, die nur auf der Eigenschaft als Aktionär beruhe. Die
Pflicht könne auch nicht für alle Zeiten und ohne Rücksicht
auf einen Domizilwechsel verbindlich sein; sie (die Beklagten)
hätten sie als für ihre Oltener Verhältnisse passend einge-
gangen.
Das Civilgericht wies die Klage ab, im wesentlichen mit
der Motivierung, dass bei der ganzen Sachlage eine abstrakte
Lieferungspflicht eines Subskribenten für die ganze Dauer
seiner Bethätigung als Metzger von keiner Partei gewollt
und gemeint sein konnte. Die klägerische Association ent-
spreche den Interessen der Metzger nur unter ganz bestimmten
lokalen Voraussetzungen; ob diese vorlägen, ob sie nicht,
wie in Basel, anderweitige Verwertung als günstiger, Lieferung
an Klägerin als unbequem erscheinen Hessen, diese mass-
gebende Frage habe sich jeder, der den Beitritt erwog, vor-
legen und aus seinen eben damals bestehenden Verhältnissen
heraus beantworten müssen. Die örtliche Begrenzung der
Verpflichtung sei durch die Verhältnisse von selbst als Gegen-
stand des Parteiwillens gegeben, und mit dem Wegzug von
Ölten sei die Verpflichtung, wenn sie überhaupt je und noch
zu Recht bestand, erloschen.
Das Appellationsgericht bestätigte das erstinstanzliche
Urteil mit folgender Motivierung:
Das erstinstanzliche Urteil nimmt an, es könne nicht der
Wille der Parteien gewesen sein, dass bei einer so wesent-
lichen Veränderung der Verhältnisse, wie sie bei den Beklag-
ten vorliegen, ihre Verpflichtung fortdauern solle, und weist
aus diesem Grunde die Klage ab. Wenn es sich auf eine
Erörterung der weiteren vorliegenden Rechtsfragen nicht ein-
läset, so war das Civilgericht dazu vollständig berechtigt.
Das Appellationsgericht tritt der Auflassung der ersten
Instanz bei, dass die Verpflichtung der Beklagten nicht eine
unter allen Umständen und an jedem Orte fortdauernde habe
sein können, und dass die Verlegung ihres Geschäftes von
Ölten nach Basel und die hier bestehenden verschiedenen Ein-
richtungen es rechtfertigen, dass sie ihre Verpflichtung als er-
loschen ansahen. Sie durften das um so mehr, als sie auf
ihre Erklärung an die Kläger, dass sie nicht mehr liefern
können und ob denn ihre Verpflichtung eine ewige sein solle,
ein Jahr lang keine Antwort erhielten, und daher mit Recht
annehmen konnten, Kläger seien mit ihrer Auffassung ein-
verstanden.
38
Aber auoh wenn man dieser Ansicht nicht folgen wollte,
ist die Klage abzuweisen. Nicht zwar deshalb, weil die Be-
klagten in Ölten eine Kollektivgesellschaft gebildet haben,
und in Basel nicht, und deshalb die Verpflichtung mit dem
Verpflichteten erloschen sei; denn die Kollektivgesellschaft
ist keine von den Gesellschaftern getrennte juristische Person.
Sondern die Abweisung ist begründet durch Art. 633 0. R.
Diese Frage ist eine Rechtsfrage, und kann vom Appella-
tionsgericht entschieden werden, ohne dass es sie an das
Civilgericht zurückweisen müsste; aus eben diesem Grunde
kommt es auch nicht darauf an, dass sie nicht schon in der
Klagbeantwortung, sondern erst in der Duplik erörtert worden
ist. Nach Art. 633 cit. ist der Aktionär nicht schuldig, zu
den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Ver-
bindlichkeiten mehr beizutragen als den für die Aktien sta-
tutenmä8sig festgesetzten Betrag. Es fragt sioh daher, ob
die Lieferungspflicht der Beklagten eine solche ist, die ihnen
als Aktionären obliegt, oder ob sie auf einem vom Gesell-
schaftsvertrag verschiedenen Vertrage beruht. Das erstere ist
nun nach den Bestimmungen der Gesellschaftsstatuten ohne
Zweifel der Fall; diese setzen sowohl die aktienrechtlichen
Pflichten als die Lieferungspflicht der Aktionäre fest. Nach
Art. 12 verpflichtet der Besitz von Aktien regelmässig zur
Lieferung von Talg, Häuten und Fellen. Der Preis für diese
wird nicht fest bestimmt, sondern es werden nach §8 50%
des Reinertrags auf die Lieferanten als Lieferungsvergütung
verteilt. Das Lieferungsreglement wird nach § 18 durch die
Aktionärversammlung, d. h. die Mehrheit der anwesenden Ak-
tionäre, festgestellt. Aktionären mit 1 — 2 Aktien und Lie-
ferungspflicht soll nach § 6 auf ihren Wunsch vom Verwal-
tung8rat gestattet werden, 50 °/o des Aktienbetrages in regle-
mentsmässigen Lieferungen einzubezahlen. Nach § 8 des
Lieferungsreglements werden Zuwiderhandlungen gegen die
eingegangenen Lieferungsverpflichtungen mit einer vom Ver-
waltung8au88chuss auszusprechenden Busse von mindestens
100 Franken belegt, und haftet dafür bei Aktionären in erster
Linie der Betrag des einbezahlten Aktienkapitals. Alle diese
Bestimmungen sind unvereinbar mit der Vorschrift des Ar-
tikels 633. Dass die deutsche Praxis mit Bezug auf den ent-
sprechenden Art. 219 des deutschen Handelsgesetzbuches teil-
weise im Interesse einer verbreiteten Industrie zu einem
andern Resultate gelangt ist, kann für unsere Verhältnisse
nicht in Betracht kommen. Das Dispositiv des erstinstanzlichen
Urteils ist daher auch aus diesem Grunde^zu^bestätigen.
39
27. Weibergutsvindikation im Konkurs. Begriff der
ehemännlichen „ Verwaltung" im Sinne des Art. 219 des B.-Ges.
betr. Seh. u. K.
Zürich, Urteil der Appellationakammer des Obergericht« vom 10. No-
vember 1898 i. S. Wipf.
Der Rechtsstreit der Parteien dreht sich um die Frage,
ob bei der Kollozierung des Weibergutes im konkursrecht-
lichen Verfahren auf dem gesetzlich privilegierten Teile der
Frauengutsforderung auch der Wert der, der Ehefrau ge-
hörigen, Liegenschaften anzurechnen sei, m. a. W. ob auch
die laut Grundbuch im Eigentum einer Ehefrau verbliebenen
Liegenschaften als Vermögensstücke zu betrachten seien, die
sie im Falle des Eonkurses des Ehemannes „zurücknimmt"
(vergi. Betreibungs- u. Konkursgesetz Art. 219, IV. Kl. Abs. 3).
Die Berufungsinstanz sprach sich folgendermassen aus:
1. „Zugebrachtes Frauengut" sind auch die einer Ehe-
frau gehörigen Immobilien, soweit sie nicht als Sondergut
im Sinne von § 597 des privatrechtlichen Gesetzbuches der
Verwaltung des Ehemannes entzogen sind (vergi, hiezu Kom-
mentar von Weber und Brüstlein und die Abhandlung von
Heusler in der Zeitschrift für schweizerisches Recht, N. F. I,
S. 45 u. 46). Sind aber Liegenschaften, die eine Ehefrau ein-
bringt und während der Ehe als Eigentum behält, „kraft ge-
setzlich anerkannten Güterrechtes," d. h. nach dem Privat-
rechte des Kantons Zürich, der Verwaltung des Ehemannes
unterworfen? Die Frage ist mit Heusler zu bejahen; doch
unterschied dieser in seiner genannten Abhandlung zwischen
„Verwaltung" und „Verfügung," und der von ihm verfasste
Entwurf für die Normierung des Frauengutsprivilegiums
(jetziger Abs. 1 des Art. 219 Kl. IV) brauchte bezeichnender-
weise die Worte „Verwaltung und Verfügung des Mannes."
Wäre der Heusler'sche Entwurf ganz nach seinem Wortlaute
Gesetz geworden, so müsste wohl der Rechtsstandpunkt, den
die Rekur rentin einnimmt, als richtig bezeichnet werden. Aber
die Worte „und Verfügung" sind bei der definitiven Gestal-
tung des Gesetzes weggelassen worden, und man wird nicht
sagen können, dass man damit nur eine Tautologie habe be-
seitigen wollen, dass in der Verwaltung die Verfügung schon
inbegriffen sei, dass also bei mangelndem Verfügungsrecht von
einer Verwaltung überhaupt nicht gesprochen werden könne,
2. Nach dem Kommentar von Weber und Brüstlein zu
der Klasse IV des Art. 219 des Betreibungs- und Konkurs-
gesetzes könnte man allerdings zu der Annahme gelangen,
dass in einzelnen Kantonen, wie St. Gallen, Appenzell A.-Rh.
40
und Uri, eine Anrechnung des Wertes der Liegenschaften
der Ehefrau auf ihrem Privilegium nicht stattfinde, sondern
nur eine Anrechnung der zurückerhaltenen beweglichen Ver-
mögensstücke. Aber die zu entscheidende Streitfrage beurteilt
sich offenbar nicht nach den verschiedenen Kantonalgesetz-
gebungen, ist vielmehr eidgenössischen Rechtes: das schwei-
zerische Bundesgericht kann als oberste Instanz angerufen
werden, um eine für die ganze Schweiz massgebende Ent-
scheidung darüber zu erlangen, wie der Begriff der ehemänn-
lichen „Verwaltung" im Sinne des Art. 219 zu umschreiben sei.
(Schweizer Blätter für h.-r. Entsch., XVII S. 321 f.)
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
28. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art 56. Gegen Entscheidungen, welche
in einem kantonalen Expropriationsverfahren gefällt worden sindr
ist die Berufung an das Bundesgericht unstatthaft, auch dannr
wenn richtigerweise nicht das kantonale, sondern das eidge-
nössische Expropriationsverfahren hätte eingeleitet werden sollen*
Im vorliegenden Falle handelt es sich um eine Expro-
priationsstreitigkeit, die im kantonalen Expropriationsverfahren
auf Grund des kantonalen Rechts entschieden worden ist, und
es ist klar, dass die kantonalen Gerichte ihrem in diesem Ver-
fahren erlassenen Entscheide einzig das kantonale Recht und
nicht etwa die materiellrechtlichen Bestimmungen des eidgen.
Expropriationsgesetzes zu Grunde zu legen hatten. Demnach
trifft also die in Art. 56 Organis.-Ges. aufgestellte Voraus-
setzung für die Zulä8sigkeit des eingelegten Rechtsmittels
nicht zu. Eine andere Frage ist, ob mit Recht statt des eid-
genössischen, das kantonale Expropriations verfahren einge-
schlagen worden sei. Allein diese Frage kann unmöglich auf
dem Wege der Berufung gegenüber der im kantonalen Ex-
propriationsverfahren erlassenen Sachentscheidung ausgetragen
werden. Um eine Entscheidung auf Grund des eidgen. Ex-
propriationsgesetzes herbeizuführen, hätten die Expropriâtes
die Einsetzung einer eidgen. Schätzungskommission verlangen,
und nötigenfalls gegenüber dem Eingreifen der kantonalen
Behörden den staatsrechtlichen Rekurs erheben müssen. Die
Berufung gegen das im kantonalen Expropriationsprozess er-
gangene Urteil bildet kein Mittel hiezu, da die Berufung
lediglich eine Ueberprüfung der materiellen Erledigung der
Streitsache und nicht etwa auch eine Ueberprüfung der Kom-
petenz des urteilenden kantonalen Gerichts bezweckt. (Entsch.
vom 23. Dezember 1898 i. S.Blatter u. Konsorten c. Obwalden.)
29. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art 222.
Wenn eine Partei zu Bezahlung der Parteikosten des
Gegners verurteilt worden ist, so ist (in Ermanglung einer
besondern vertraglichen Vereinbarung) in der Regel die Fest-
stellung des Kostenbetrags im Urteil auch für das Verhältnis
4
42
-der obsiegenden Partei zu ihrem An walte massgebend.
Immerhin kann unter Umständen der Anwalt der obsiegen-
-den Partei (auch abgesehen von einer besondern vertraglichen
Vereinbarung) dieser einen höhern Kostenbetrag in Rechnung
bringen, als ihr gegenüber der Gegenpartei zugesprochen wor-
den ist. Nämlich dann, wenn entweder der Anwalt Handlungen
vorgenommen hat, welche zwar im Interesse seines Klienten
lagen, aber immerhin nicht unbedingt nötig waren und daher
^von der Gegenpartei nicht entschädigt werden mussten, oder
wenn seiner Partei vom Richter aus Rücksicht auf die Um-
stände des Falles nicht derjenige volle Kostenersatz zuge-
standen worden ist, auf welchen der Anwalt seinem Klienten
gegenüber Anspruch hat. (Entsch. vom 4. November 1898 i. S.
Moriaud c. Götschel.)
30. 0. R. Art. 17. Unsittlicher Vertrag; Verkauf eines Bor-
-dellgeschäfts.
Am 25. Oktober 1893 verkaufte der Kläger F. G. M. der
Beklagten J. M. die Besitzung „Rosengarten" in B. und am
gleichen Tage schlössen die Parteien einen zweiten Kaufver-
trag ab, durch welchen F. G. M. der J. M. sein „Geschäft laut
aufgenommener Schätzung" zum Preise von Fr. 19,000 ver-
kaufte. Auf Bezahlung einer Kaufpreisrate aus letzterem Ver-
trage belangt, bestritt die J. M. ihre Schuldpflicht, indem sie
geltend machte, das verkaufte Geschäft sei ein Bordellgeschäft,
-der Vertrag sei daher ein unsittlicher und als solcher nichtig.
Diese Einrede wurde vom Bundesgericht für begründet erklärt,
indem grundsätzlich ausgeführt wurde: Die Vorinstanz fuhrt
aus, für den Fall, als wirklich das Bordellgeschäft als solches
verkauft worden sei (was sie dann im weitern als erwiesen
annimmt), erscheine der Kaufvertrag schon in objektiver Hin-
sicht, mit Bezug auf den Inhalt der Leistung, als unsittlich;
und dieser Auffassung ist beizutreten. Zwar kann in einem
solchen Falle nicht von einem eigentlichen „Verkaufe der
Kundschaft" gesprochen werden, der „Verkauf des Geschäftes
mit Kundschaft," der im kaufmännischen Verkehre häufig vor-
kommt, bedeutet vielmehr juristisch nur, dass der Verkäufer
dem Käufer ermöglicht, das Geschäft auf die bisherige Weise
fortzuführen, und insbesondere sich verpflichtet, kein Kon-
kurrenzgeschäft zu errichten (vergi. Vallotton, concurrence
•déloyale, § 117). Allein bei einem derartigen Kaufe bildet der
Kaufpreis zu einem Teile ein Aequivalent für die aus der
genannten Verpflichtung des Verkäufers zu erwartenden Vor-
teile; die vom Verkäufer zu bewirkende Leistung ist alsdann
■ ^*??*
43
nicht nur der Verkauf der Räumlichkeiten, des Geschäftsmo-
biliars u. 8. w., sondern auch das Unterlassen jeder Störung
des Geschäftsbetriebes, und es kann daher, wenn das Ge-
schäft als solches den Moralgesetzen zuwiderläuft, nicht mehr
nur von einem unsittlichen Beweggrunde gesprochen werden,
sondern es liegt ein unsittlicher Verpfliohtungsgrund vor, die
Leistung selber ist unsittlicher Natur. Dass nun das Bordell-
gewerbe als solches nach den moralischen Volksanschauungen
der Gegenwart als unsittliches zu bezeichnen ist, braucht nicht
näher erörtert zu werden ; es bleibt dies auch dann, wenn es
aus höheren Gründen sittenpolizeilicher Natur vom Staate ge-
duldet sein sollte; um so zweifelloser muss es als unsittlich
-da angesehen werden, wo es, wie im Kanton Bern, als ge-
werbsmässige Kuppelei mit Strafe bedroht ist. Damit ist die
Frage nicht entschieden, inwiefern jedes mit dem Bordell-
betriebe irgendwie im Zusammenhange stehende Rechtsgeschäft
im Sinne des schweizer. 0. R. als unsittlich nicht geschützt
werden darf (vergi, hierüber: Kass.-Hof Paris 15. Februar 1873,
Arch. für bürgerl. Recht S. 359, u. Badisches 0. L. G. 27. März
1888, daselbst; vergi, überhaupt Kohler in diesem Archiv V
S. 149 ff. ; vergi, ferner Urteil der Appellationskammer
des Obergerichts Zürich in Blätter für handelsrecht-
liche Entsch. VUE S. 286, u. Entsch. d. R. G. in Civil-
sachen Bd 38 S. 199 ff., und Semaine judiciaire 1886 p. 409 s.).
Danach ist einzig noch zu untersuchen, ob der Vertragswille
der Parteien in der That, wie die Vorinstanz annimmt, auf
den Verkauf des Bordellgeschäftes als solchen ging, was an
Hand der Vertragsbestimmungen untersucht und bejaht wird.
(Entsch. vom 10. Dezember 1898 i. S. Müller c. Mettauer.)
3t. 0. R. Art. 56, 59. Begriff der Notwehr im Sinne des 0. R.
Das Obligationenrecht giebt eine Definition der Notwehr
nicht, so dass sich fragt, was in seinem Sinne darunter zu
verstehen sei: der Notwehrbegriff des jeweiligen kantonalen
Strafrechts, derjenige des Bundesstrafrechts (Art. 29), oder
ein allgemein in der Wissenschaft anerkannter Begriff. Für
erstere Lösung spräche der Umstand, dass die Notwehr vor-
zugsweise ein Begriff des Strafrechts ist und nun das Straf-
recht im allgemeinen noch den Kantonen überlassen ist, so-
wie die Erwägung, dass für den kantonalen Richter die An-
wendung zweier verschiedener Begriffe von Notwehr für den
Straf- und den Cirilanspruch aus einem und demselben That-
bestand mit praktischen Schwierigkeiten verbunden sein
44
dürfte ; für die zweite Alternative der Grundsatz, dass Lücken
in Bundesgesetzen nicht aus dem kantonalen, sondern aus
dem eidgenössischen Rechte za ergänzen sind (so Stooss in
den Verhandlungen des Schweiz. Juristenvereins pro 1886,
S. 89 f.). Indessen ist kaum anzunehmen, dass der Gesetz-
geber bei £rlas8 der Bestimmung über Notwehr im Obliga-
tionenrecht an die betreffende Bestimmung im Bundesstraf-
recht gedacht habe. Als die richtigste Lösung erscheint wohl
die dritte, welche auch am ehesten aus dem in Art. 09 O. R.
ausgesprochenen Grundsatze der Nichtgebundenheit des Civil-
richters an die Freisprechung durch das Strafgericht gefolgert
werden kann, obschon es nahe gelegen hätte, zu sagen, der
Givilrichter sei nicht an die strafrechtliche Definition der Not-
wehr gebunden. Nach diesem, hienach zur Anwendung kom-
menden allgemein-wissenschaftlichen Begriffe der Notwehr ist
dieselbe zu definieren als Abwehr, welche erforderlich ist,
um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder
einem andern abzuwenden. (Entach. vom 3. Februar 181*9
i. S. Brunner c. Bühlmann und Genossen.)
32. 0. H. Art. 61. Verantwortlichkeit des Inhabers eines Er-
ziehungsinstituts für Beaufsichtigung seiner Zöglinge sowohl gegen-
über Dritten als gegenüber den Zöglingen selbst, bezw. deren
Eltern. Delikts- und Vertragsklage.
Der Beklagte ist Inhaber einer, auf die Aufnahme von
15 bis 20 Knaben berechneten Erziehungsanstalt in R„ deren
Zöglinge teils den Unterricht in der Anstalt selbst empfangen,
teils die öffentlichen Schulen der ca. l/* Stunde entfernten
Stadt Solothurn besuchen. Als der ca. 13 Jahre alte Joseph V.r
Sohn des Klägers, welcher (zum Pensionspreise von Fr. 800,
worin Wäsche, Schreibmaterialien, Musikunterricht und Arz-
neien inbegriffen sein sollten) als Zögling in der Anstalt
untergebracht war, am 22. April 1896 abends 6 Uhr mit zwei
ungefähr gleichaltrigen Kameraden aus der Turnstunde in der
Kantonsschule zu S. unbegleitet zurückkehrte, wurde er beim
Spielen mit einer Steinschleuder, die er selbst seinem ebenfalls
in der Anstalt untergebrachten älteren Bruder heimlich wegge-
nommen und mitgebracht hatte, von seinem Kameraden P. S.
(aus Ungeschick) so unglücklich in das linke Auge getroffen,
dass dieses herausgenommen und durch ein künstliches ersetzt
werden musste. Der Kläger klagte wegen des hiedurch seinem
Sohne entstandenen Schadens gegen den Beklagten auf Schaden-
ersatz von Fr. 50,000, indem er sich einerseits auf Art. til
45
O. R., andrerseits darauf berief, der Beklagte habe ihm durch
seinen beim Vertragsabschlüsse vorgelegten Prospekt zuge-
sichert, da8s die Zöglinge sowohl in der Klasse als ausser-
halb des Unterrichts beaufsichtigt werden ; er habe aber dieses
Versprechen nicht erfüllt, da er seinen Sohn und die übrigen
Zöglinge den ca. lj\ Stunde weiten Schulweg unbegleitet
habe machen lassen. — Die Klage wurde abgewiesen, indem
im wesentlichen ausgeführt wurde: Die Klage erscheine einer-
seits, insoweit sie sich darauf stütze, dass der Beklagte die
ihm rechtlich obliegende häusliche Aufsicht über den Schä-
diger P.S. nicht mit der durch die Umstände gebotenen
Sorgfalt ausgeübt und dadurch den Unfall verschuldet habe,
als Deliktsklage; andererseits, insoweit sie darauf begründet
werde, der Beklagte habe die vertraglich übernommene, über
das übliche Mass hinausgehende Beaufsichtigung des ver-
letzten Jos. V. nicht prästiert, als Vertragsklage. Dem Be-
klagten sei nun aber zunächst der Beweis gelungen, dass er
-die übliche und durch die Umstände gebotene Sorgfalt in der
Beaufsichtigung des Schädigers P. S. beobachtet habe. Es
sei bewiesen, dass er seinen Zöglingen den Besitz von Stein-
schleudern untersagt und dieses Verbot auch durch von Zeit
zu Zeit in den Zimmern der Zöglinge vorgenommene Nach-
forschungen und Konfiskationen gehandhabt habe. Besondere
Urnstände, welche eine spezielle Aufsicht über P. S. hinsicht-
lich des Besitzes einer Steinschleuder gefordert hätten, haben
nicht vorgelegen, der Beklagte habe überhaupt keine beson-
dere Veranlassung gehabt, sich zur Zeit des Unfalls vor den
Ausgängen seiner Zöglinge jeweilen zu versichern, dass sie
keine Steinschleudern mit sich führen. Es sei auch bewiesen,
dass der Beklagte seine Zöglinge angewiesen habe, jeweilen
nach dem Unterrichte sofort nach Hause zurückzukehren,
und dass er die Beobachtung dieses Gebotes kontrolliert habe.
Zöglinge des hier in Frage stehenden Alters auf dem Schul-
wege zu begleiten oder begleiten zu lassen, sei weder üblich
noch durch die Umstände geboten. Den meisten Eltern wäre
es ja auch gar nicht möglich, ihre Kinder im Alter des P. S.
von und zu der Schule zu begleiten oder begleiten zu lassen;
einem Erziehungsinstitute aber könne, sofern nichts anderes
ausgemacht sei oder nach den Verhältnissen sich als ausge-
macht ergebe, keine grössere Diligenz zugemutet werden, als
sorgsamen Eltern.
Auch die besondere vom Beklagten vertraglich übernom-
mene Pflicht zur Beaufsichtigung des verletzten Jos. V. sei
nicht verletzt.
46
Die Frage, ob der Aufsichtspflicht genügt worden sei,,
sei mit Rücksicht aut Treu und Glauben und die Umstände-
und konkreten Verhältnisse zu beurteilen. Nach den Ver-
hältnissen der beklagtischen Erziehungsanstalt aber (ange-
sichts des Umstandes, dass bekanntermassen eine grössere
Anzahl von Zöglingen derselben verschiedene Kurse der
öffentlichen Schulen zu verschiedenen Stunden besucht haben,
des bescheidenen Pensionspreises u. s. f.), habe der Kläger
nicht erwarten dürfen, dass die Zusage des Prospektes, die
Zöglinge werden in der Klasse und ausserhalb der Unterrichts-
stunden beaufsichtigt, die Meinung habe, dass die Zöglinge
auch auf dem Wege zu und von der öffentlichen Schule be-
gleitet werden: Im Gegenteil habe ihm nicht entgehen können,
und sei ihm auch gewiss nicht entgangen, dass dies nicht
geschehe, ohne dass er deshalb jemals reklamiert hätte.
(Entsch. vom 9. Dezember 1898 i. S. Vittonatti c. Misteli.)
33. 0. R. Art. 52, 65. Voraussetzungen der Anwendbarkeit
des Art 65 0. R. Begriff des „ Versorger s.u
1. Art. 65 0. R. beschlägt nur den Schaden, den ein
Tier aus eigenem Antriebe verursacht hat. Ist das Tier
durch eine Person zur Anrichtung des Schadens angetrieben,
bezw. der Schaden durch die Art und Weise, wie das Tier
von einer Person benutzt worden ist, verursacht worden, so
haftet diese Person, sofern ihr ein Verschulden zur Last fällt,
gemäss Art. 50 ff. als Thäter, und eventuell, nach Massgabe
von Art. 62 0. R. deren Geschäftsherr. In oasu gehen nun
die Parteien darin einig, dass die Pferde des Beklagten nicht
etwa durchgegangen sind, oder durch Ausschlagen den P.
verletzt haben, sondern mit der vom Kutscher gewollten
Schnelligkeit gelaufen sind. Art. 65 0. R. kommt daher nicht
zur Anwendung.
2. Wenn man auch nicht einfach jeder faktisch vom Ge-
töteten unterhaltenen Person einen Ersatzanspruch gewähren
wollte, so mu88 doch angesichts des allgemeinen Wortlautes
des Art. 52 0. R. und der Entstehungsgeschichte desselben
die Ersatzberechtigung derjenigen Personen anerkannt wer-
den, deren Unterhalt durch die bestehende Sitte geboten und
vom Getöteten thatsächlich übernommen war. Allgemeine
Sitte ist aber unzweifelhaft, dass der Stiefvater die mit ihm
in gleicher Haushaltung lebenden Kinder aus einer frühern
Ehe seiner Frau, soweit sie bedürftig sind, aus seinen Mitteln
unterhält. (Entsch. vom 17. Dezember 1898 i. S. Pur c. Lang.)
47
34. Ö. ß. Art. 183. Das Recht aus einein in einem Dienst-
vertrage vereinbarten Koukurrenzverbote geht in der Regel mit
denn Geschäfte, in dessen Interesse es aufgestellt wurde, auf einen
neuen Erwerber über; dies ist insbesondere dann unzweifelhaft
der Fall, wenn bei der Veräusserung des Geschäftes ausdrücklich
vereinbart worden ist, dass die Rechte aus den für das Geschäft
abgeschlossenen Dienstverlrägen mit Angestellten, Reisenden u. s. w»
auf den Erwerber übergehen.
(Entsch. vom 5. November 1898 i. S. Soc. anon. des EtabL
Jules Perrenoud et Cie c. L. Perrenoud.)
35. 0. R. Art 338, 449, 457. Begriff des Frachtvertrags
Schleppschiffahrtsvertrag. Frachtvertrag oder Dienstvertrag Ì
Der Führer der, der beklagten Gesellschaft gehörigen,.
Dampfschwalbe l'Abeille hatte, mit Bewilligung der Direktion-
seiner Gesellschaft, bei einer dienstlichen Fahrt die dem.
Kläger gehörige Segelschaluppe Ondine im Hafen von Ouchjr
ins Schlepptau genommen, um sie nach Genf zu schleppen.
Die Schaluppe blieb mit einem Matrosen des Klägers be-
mannt, der für die irötige Steuerung derselben sorgen sollte^
Für das Schleppen war ein Entgelt zu entrichten, das indes
erst nach der Ankunft in Genf festgesetzt werden sollte. Auf
der Fahrt fasste die Schaluppe, aus Gründen, die nicht mit
vollkommener Sicherheit haben festgestellt werden können,,
bei bewegtem See, Wasser und begann zu sinken. Der Führer
der Abeille suchte daher das Ufer zu erreichen ; da sich aber
die Gefahr zu ergeben schien, dass bei weiterem Sinken die
Schaluppe auch die Dampfschwalbe mit sich reissen könnte,.
so Hess er unterwegs, nachdem der klägerische Matrose die
Schaluppe verlassen hatte, etwa 700 Meter vom Ufer ent-
fernt, die Schlepptaue durchschneiden, worauf die Schaluppe
sofort auf den Grund ging. Dieselbe konnte nicht mehr ge-
hoben werden. Der Kläger verlangte nun von der beklagten
Gesellschaft Ersatz des Wertes der Schaluppe und der mit
derselben versunkenen Gegenstände, indem er in erster Linie
darauf abstellte, die Beklagte hafte ihm als Frachtführer.
Das Bundesgericht hat in dieser Richtung ausgeführt: Als
Frachtvertrag könne der zwischen den Parteien abgeschlossene
Vertrag kaum betrachtet werden, denn dem F rächt vert rage
sei die Uebergabe des Frachtgutes in Gewahrsam und Obhut
des Frachtführers wesentlich, während im vorliegenden Falle
Gewahrsam und Obhut der Schaluppe wohl bei dem Eigen-
tümer, dessen Matrose für deren Steuerung u. s. w. hätte
48
sorgen sollen, zurückgeblieben sei und die Beklagte nur die
Fortbewegung durch Schleppen zu bewirken übernommen
habe. Dieser Vertrag sei eher als Dienst vertrag denn als
Frachtvertrag za betrachten. — Da es als erwiesen annahm,
dass bei Ausführung des Vertrages von beiden Parteien bezw.
deren Leuten Versehen begangen worden seien, die zusammen-
wirkend den Verlust der Ondine herbeigeführt haben, hat das
Bundesgericht den entstandenen Schaden zwischen den Parteien
hälftig geteilt. (Entsch. vom 21. Oktober 1898 i. S. Vaotier
c. Compagnie générale de Navigation sur le Lac Léman.)
36. 0. R. Art. 341, 346. „Wichtiger Grund* zu vorzeitiger
Aufhebung eines Dienstoertragest Verhältnis des Art. 346 zu
Art. 341 0. R. ♦
Der Kläger war von der Beklagten auf 1. Mai 1898 als
Steuermann ihrer Dampfjacht angestellt worden. Bei einer
vor dem für Antritt seines Dienstes bestimmten Termin vor-
genommenen Probefahrt erlitt er einen Anfall von delirium
tremens, infolgedessen er der Polizei übergeben und nachher
in eine Irrenanstalt verbracht werden musate, aus welcher er
indes bald wieder entlassen wurde. Von der Beklagten so-
fort seines Dienstes entlassen, belangte der Kläger diese wegen
vorzeitiger Aufhebung des Dienstvertrages auf Schadenersatz.
Aus den Gründen der die Klage abweisenden Entscheidung
<les Bundesgerichts ist hervorzuheben:
Es kann kein begründeter Zweifel darüber obwalten,
dass die Beklagte gemäss Art. 346 0. R. zur sofortigen Ent-
lassung des Klägers als Steuermann ihrer Dampfjacht be-
rechtigt war. Denn es liegt auf der Hand, dass, sofern nicht
die (erst auf Grund der Erfahrung einer längern Zeit mög-
liche) Garantie gegeben war, dass derartige Anfälle sich
nicht wiederholen, die Beklagte ihr Fahrzeug dein Kläger
nicht mehr anvertrauen konnte.
Der vom Kläger angerufene Art. 341 0. R. kommt hier
nicht in Betracht. Denn es handelt sich nicht darum, ob
der Kläger infolge des Anfalles längere oder kürzere Zeit an
der Ausübung der übernommenen Dienste gehindert gewesen
sei; entscheidend ist vielmehr, dass der Vorfall derart war,
•dass die Beklagte seine Dienste vorsichtigerweise überhaupt
nicht mehr annehmen durfte, und damit die Voraussetzungen
persönlicher Art, unter welchen der Vertrag abgeschlossen
worden war, sich als hinfällig erwiesen.
Unerheblich ist, dass das Dienstverhältnis bei dem Vor-
fall, welcher den Entlassungsgrund bildete, noch nicht be-
49
gönnen hatte. Der Dienstherr ist eben immer zur Aufhebung
berechtigt, wenn seit dem Abschlüsse des Vertrages sich
Dinge ereignen, die geeignet sind, die persönlichen oder sach-
lichen Voraussetzungen des Vertragsabschlusses als hinfällig
-erscheinen zu lassen. (Entsch. vom 24. Dezember 1898 i. S.
iSch warzer c. Drucker.)
37. 0. R. Art. 392 ff. Auftrag bezw. VoUmactit beurteilen
sich auch bei Liegenschafl&käufen ausschliesslich nach eidgenös-
sischem Rechte.
(Entsch. vom 3. Dezember 1898 i. S. Erben Grenier c.
Dumont.)
38. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundes-
rtchtspflege vom 22. März 1893, Art. 81. 0. R. Art. 512, Abs. 2.
Einrede des Spiels inwieweit Thatfragel
Das Bundesgericht hat stets angenommen, dass die Wil-
lensmeinung der Parteien, Recht und Pflicht wirklicher Ab-
nahme und Lieferung der gekauften Waren auszuschliessen,
aus den Umständen des einzelnen Falles beim Vertragsab-
schlüsse gefolgert werden könne, und als solche Umstände
namentlich bezeichnet: die ökonomische Stellung des einen
Teils oder beider Teile, die Kenntnis des einen Teils von
dieser finanziellen Situation des andern Teils, und das Ver-
hältnis dieser ökonomischen Stellung zu der Höhe der ein-
gegangenen Verpflichtungen. Dabei ist die Frage, wie es
sich mit dieser finanziellen Situation, der Kenntnis des andern
Teils davon und dem Verhältnisse derselben zu den einge-
gangenen Verpflichtungen handle, Thatfrage, und ist das
Bundesgericht an die hierauf bezüglichen Feststellungen der
kantonalen Instanzen gebunden, sofern sie nicht aktenwidrig
sind. Dagegen ist die Frage, welche Bedeutung diesen Um-
ständen im einzelnen Falle beizumessen sei, — eine Frage,
die nur auf dem Wege der logischen Schlussfolgerung zu
lösen ist, wobei als Obersatz der Begriff des Differenzgeschäftes,
als Untersatz die einzelnen konkreten Umstände figurieren, —
Rechtsfrage und daher vom Bundesgerichte selbständig zu
prüfen, denn gerade in dieser Schlussfolgerung liegt die An-
wendung des Rechtsbegriffs des sog. reinen Differenzgeschäftes
auf den einzelnen Fall (vergi, hiezu : Danz, Auslegung der
Rechtsgeschäfte, S. 109). (Entsch. vom 10. Dezember 1898
i. S. Tobler c. Bodenehr.)
~**3J
50
39. 0. fi. Art. 552 ff., 590 //., 557. ReclitUche Natur der
Kollektiv' und Kommanditgesellschaft. — Bedeutung des Art 557
0. fi. — Forderungen der Gesellschaft an einzelne Gesellschafter
als Dritte und gesellschaftliche Ansprüche der Gesellschafter unter
einander. Verschiedenheit dtr Behandlung hei Konkurs der (Korn-
mandit-) Gesellschaft.
1. Wenn auch das Vermögen der Ko in mandit- (wie
der Kollektiv-) Gesellschaft vom Privatvermögen der Gesell-
schafter ausgeschiedenes Sondergut ist, so ist doch die Kom-
mandit- (wie die Kollektiv-) Gesellschaft keine juristische
Person, sondern eine vertragliche Vereinigung bestimmter
Personen.
2. Die zwischen den Gesellschaftern als solchen beste-
henden Beziehungen begründen nicht Rechte und Pflichten
der Kommanditgesellschaft gegenüber den einzelnen
Gesellschaftern, sondern solche der letzteren unter ein-
ander. Wenn die unbeschränkt haftenden Teilhaber einer
Kommanditgesellschaft sich gegenseitig (stillschweigend) Be-
züge aus der Gesellschaftskasse gestattet haben, welche über
das in Art. 557 0. fi. bezeichnete Mass hinausgehen, so stellt
der Passivsaldo des über die Bezüge der einzelnen Gesell-
schafter geführten Kontokorrents keine Forderung der Ge-
sellschaft an die Gesellschafter dar, sondern es handelt sich
dabei um die gesellschaftlichen Beziehungen der einzelnen
Gesellschafter unter einander. Während der Dauer der Ge-
sellschaft kann unter Umständen ein Gesellschafter, der solche
Bezüge gemacht hat, von den Mitgesellschaftern mit der
actio pro socio zur Ergänzung seiner Einlage angehalten
werden, und bei Auflösung der Gesellschaft sind die Bezüge
bei der Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern zu
berücksichtigen. Dagegen kann im Konkurse der Gesell-
schaft der Passivsaldo einer derartigen Rechnung der ein-
zelnen Gesellschafter nicht als Forderung der Gesellschaft
an diese (gleich den Forderungen der Gesellschaft an Dritte)
versteigert werden. Eine sach bezügliche Abtretung ist viel-
mehr ungültig, da eben der Passivsaldo nicht eine Forderung
der Gesellschaft darstellt, sondern nur einen Faktor für die
Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern bildet.
Art. 557 0. R.f welcher nur auf das Rechtsverhältnis der Ge-
sellschafter unter einander Bezug hat, ist nicht zwingender
Natur. Da für die Schulden der Kommanditgesellschaft die
Komplementare solidarisch haften, so können sie sich gegen-
seitig beliebige Bezüge aus dem Gesellschaftsvermögen be-
willigen, sofern diese nicht etwa auf fraudulöse Benachteili-
51
gung der Gesellschaftsgläubiger abzwecken. (Entsch. vom
21. Oktober 1898 in S. Cavin- Grandjean c. Kurz-Manz.)
40. 0. K. Art. 627, Abs. 3, 678 ff. Durch eine, auf die
Genossenschaftsfirma und die Erweiterung des genossenschaft-
lichen Geschäftsbetriebes bezügliche Statutenrevision wird die Iden-
tität der Genossenschaft nicht berührt. Sonderrecht des Genossen-
schafters auf Aufrechthaltung des Genossenschaftszweckes.
Dasselbe berechtigt den Genossenschafter zu Anfechtung von Ge-
nossenschaftsbeschlüssen, welche ihm zuwiderlaufen, nicht aber
dazu, seinen Beitritt zu der Genossenschaft rückgängig zu machen.
Die Beklagte hatte Anteile der Genossenschaft „Kurhaus
L." mit Sitz in A. a./A., welche zum Zwecke des Ankaufes, Aus-
baues und Betriebes des Kurhauses L. in A. gegründet worden
war, im Betrage von Fr. 10,000 gezeichnet. Am 25. November
1897 nahm die Generalversammlung der Genossenschaft eine*
Statutenrevision vor, zufolge welcher die Firma in „Kuran-
stalten A. a./A." umgeändert und als Zweck der Genossen-
schaft angegeben wurde: „Der Ankauf und Betrieb von
Liegenschaften, die sich zu Kurzwecken eignen." Sie kaufte
gleichzeitig, ausser dem von Anfang an in Aussicht genom-
menen Kurhause L., noch eine andere in A. a./A. gelegene
Kuranstalt an. Die Beklagte verweigerte nun die Einzah-
lung ihrer Genossenschaftsanteile. Sie wurde indes vom
Bundesgeriohte zu derselben verurteilt. Aus den Gründen
dieser Entscheidung ist hervorzuheben:
Die Klage musate allerdings abgewiesen werden, wenn
die als Klägerin auftretende Genossenschaft nicht mehr iden-
tisch wäre mit derjenigen, für welche die Anteilscheine ge»
zeichnet worden waren. Allein dies ist nicht der Fall. Von
einer Umwandlung der bisherigen Genossenschaft in eine
neue könnte nur di« Rede sein, wenn die bisherige auf-
gelöst und ein neuer Personenverband an deren Stelle kon-
stituiert worden wäre. Dahin gingen aber die Beschlüsse
der Generalversammlung vom 25. November 1897 Unbestrit-
tenermassen nicht. Dieselben berührten nicht die Existenz,
sondern lediglich den Zweck der bestehenden Genossenschaft.
Durch die Abänderungen, die in dieser letztern Richtung gegen-
über den ursprünglichen Statuten getroffen wurden, wurde nicht
die bisherige Genossenschaft aufgelöst und eine neue ins Leben
gerufen, sondern die Genossenschaft blieb ihrem Bestände nach
dieselbe. Es steht also ausser Zweifel, dass die Beklagte-
Mitglied der Klägerin geworden ist. Damit ist aber ohne
52
weiteres ihre Pflicht zur Einzahlung des von ihr übernommenen
Anteils am Genossenschaftskapital gegeben. Denn nachdem
die Beklagte einmal in rechtsgültiger Weise Mitglied der
Genossenschaft geworden ist, kann sie ihren Beitritt nicht
nachträglich aus dem Grunde wieder rückgängig machen,
dass infolge einer Aenderung des Zweckes der Genossenschaft
die Voraussetzung, unter welcher sie beigetreten war, dahin-
gefallen sei. Allerdings schliesst der Beitritt zu einer Ge-
nossenschaft nicht in sich, dass der Beitretende mit Bezug
auf seine Rechte und Pflichten als Genossenschafter unbe-
dingt dem Mehrheitswillen der übrigen Mitglieder unter-
worfen wird. Gewisse Rechte der einzelnen Genossenschafter
können denselben durch Gesellschaftsbeschliisse nicht ent-
zogen werden und zu diesen, den sogen. Sonderrechten der
Korporationsmitglieder, gehört unstreitig auch der Ansprach
des einzelnen Genossenschafters darauf, dass der Gesellschafts-
zweck nicht gegen seinen Willen umgewandelt werde. Wenn
dieses Sonderrecht im ei dg. Obligationenrecht bezüglich der
Genossenschaft auch nicht ausdrücklich, wie bei der Aktien-
gesellschaft (Art. 627, Abs. 3) hervorgehoben ist, so folgt dar-
aus nicht etwa, dass der Gesetzgeber es hier nicht habe an-
erkennen wollen. Denn bei der rechtlichen Natur der Ge-
nossenschaft ist offenbar das Bedürfnis eines Schutzes des
einzelnen Mitgliedes gegen einseitige Bestimmung des wirt-
schaftlichen Charakters des Unternehmens durch Mehrheits-
beschlüsse in noch höherem Grade vorhanden, als bei der
Aktiengesellschaft. Allein die Folge der Verletzung eines
Sonderrechts durch die Generalversammlung kann unmöglich
darin bestehen, dass die in ihren Rechten beeinträchtigten
Mitglieder nun befugt wären, unter Zurückziehung ihrer Ein-
lagen aus der Genossenschaft auszutreten. Es steht ihnen
vielmehr nur das Recht zu, solche Beschlüsse anzufechten
und zu verlangen, dass dieselben als ungültig erklärt werden,
wie denn auch ihre rechtmässigen Interessen nicht weiter
gehen als darauf, dass die begangene Verletzung ihrer Sonder-
rechte wieder aufgehoben werde. Wenn also die Beklagte
den gezeichneten Beitrag bereits eingezahlt hätte, könnte
demnach keine Rede davon sein, dass sie denselben etwa
deswegen wieder zurückzufordern berechtigt wäre, weil durch
den Generalversammlung8beschlus8 vom 25. November 1897
eine für sie unverbindliche Umwandlung dieses Genossenschafts-
zweckes vorgenommen wurde, sondern sie wäre, wenn sie
sich diesem Beschluss nicht fügen wollte, darauf angewiesen
gewesen, auf dem Wege der gerichtlichen Anfechtung dessen
53
Ungültigerklärung zu erwirken. Dass sie nun die Einzahlung
noch nicht geleistet hat, ist aber offenbar für die Frage,
welche Rechte ihr rücksichtlich der beanstandeten Statuten-
änderung gegenüber der Genossenschaft zustehen, ohne alle
Bedeutung, (fintsoh. vom 26. November 1898 i. S. Blatter c.
Kuranstalten Affo Iter n.)
41. 0. B. Art. 674, 675. Verantwortlichkeit der Mitglieder
der Verwaltung der Aktiengesellschaft gegenüber einzelnen Aktio-
nären (und Gläubigem). — Beweislast dafür, dass der klagende
Aktionär einem Entlastungsbeschlusse der Generalversammlung zu-
gestimmt habe. — Begriff der absichtlichen Pflichtverletzung.
1. L'article 674 C. 0. pose la règle que les membres de
l'administration sont responsables envers chacun des action-
naires. Les administrateurs qui opposent à l'action en respon-
sabilité de ces derniers la décharge qu'ils ont reçue de l'as-
semblée générale font valoir une exception au droit de l'ac-
tionnaire résultant de l'art. 674. Mais la décision de l'assem-
blée générale n'étant opposable à l'actionnaire que dans certains
cas expressément prévus par l'art. 675, il s'ensuit que les ad-
ministrateurs, auxquels il incombe d'établir le bien fondé de
leur exception, doivent dans ce but faire la preuve que l'ac-
tionnaire se trouve dans l'un des cas prévus. C'était dono
aux défendeurs, s'ils entendaient se prévaloir du fait que les
demandeurs auraient adhéré à la décision de l'assemblée
générale du 4 juin 1896, à en rapporter la preuve.
2. L'art. 674 G. 0. n'est pas une application spéciale de
l'actio doli réglée d'une manière générale par les art. 50 et
auiv., mais il accorde aux actionnaires et créanciers indivi-
duellement un droit d'action contre les membres de l'admini-
stration et les contrôleurs de la société par actions pour ob-
tenir la réparation du dommage que ceux-ci leur ont causé
en violant, dans certaines circonstances, les obligations con-
tractuelles qui leur incombaient vis-à-vis de la société. Il
rompt le principe d'après lequel les contrats ne produisent
des droits et des obligations qu'entre parties, en donnant
une action pour cause de violation d'obligations contractuelles
non seulement à la partie contractante, la société par ac-
tions, mais aussi à des tiers, les actionnaires et créanciers.
Mais cette action est limitée au cas où le dommage est le
résultat d'une violation volontaire (absichtliche Verletzung)
des obligations imposées aux membres de l'administration ou
contrôleurs par leurs fonctions respectives. Elle ne naît pas
de tout manquement conscient aux prescriptions légales ou
S4
réglementaires concernant l'administration ou le contrôle de
la société, de toute infraction consciente aux dispositions
légales ou statutaires réglant, par exemple, les attributions
des organes de la société; il faut, de plus, pour caractériser
la violation volontaire, au sens de Tart. 674 C. 0., des obli-
gations incombant à un administrateur ou contrôleur, que ce-
lui-ci ait eu conscience du dommage qui pouvait résulter de
«es actes ou de son abstention; il faut qu'il ait prévu la aur-
venance d'un dommage comme une conséquence de sa con-
duite et qu'il ait ainsi eu la volonté, l'intention que ce dom-
mage se produise, ne fût-ce qu'éventuellement. Il n'est pas
nécessaire que le dommage ait été le but de la conduite de
la personne intéressée, auquel cas il y aurait évidemment
dol, mais il faut qu'elle Tait prévu et par conséquent voulu
comme résultat de sa conduite.
A n m. Im konkreten Falle wurde als festgestellt angenommen,
dass die beklagten Mitglieder der Verwaltung, trotzdem ihnen be-
kannt geworden sei, der Direktor der Bank mache mit den Mitteln
der Gesellschaft auf eigene Rechnung Börsenspekulationen in hohen
Summen und verschleiere diese (verbotenen) Geschäfte durch Buch-
iialtungsmanipulationen, nicht sofort eingeschritten seien, sondern
(wohl im Vertrauen auf das finanzielle Geschick und die vermeint-
lich günstige finanzielle Lage des Direktors und um kein Aufsehen
zu erregen) während längerer Zeit Stillschweigen beobachtet haben.
Durch dieses Verhalten der Beklagten wurde der ThatbeStand der
absichtlichen Pflichtverletzung im Sinne des Art. 674 0. R. als
hergestellt erachtet.
(Entsch. vom 25. November 1898 i. S. Borei u. Richard
c. Renaud u. Genossen.)
42. 0. R. Art. 190, 727, 811. Pfandklausel im Wechsel. —
Cession und Indossament. — Einrede aus der Pfandklausel gegen-
über dem Indossatar 1
Die Beklagte, Frau A., hatte dem Geschäftsagenten W.
am 8. März 1895 gegen ein Darlehen von 18,000 Fr. Gülten
im Betrage von über 13,000 Fr. faustpfändlich verschrieben.
Ueberdem stellte sie Eigenwechsel an die Ordre des W. aus.
Diese Wechsel tragen den gedruckten Vermerk: „Wert bar
erhalten unter Hinweisung auf Faustpfandverschreibung von . ."
Während in früheren Wechseln die auf diesen gedruckten
Vermerk folgende Zeile mit dem Datum des 8. März 1895
ausgefüllt war, ist sie in dem streitigen Wechsel über
4000 Fr. vom 8. Dezember 1896 leer geblieben. W. indos-
sierte diesen Wechsel in bianco an die klägerische Volks-
55
baiik in H. ; die ihm übergebenen Faustpfander hat er, wie
sich nachträglich in seinem Konkurse herausstellte, und zwar
schon vor Ausstellung des Weohsels vom 8. Dezember 1896,
rechtswidrigerweise an Dritte verkauft oder verpfändet. Als
die Klägerin die Beklagte nach Verfall auf Bezahlung der
Wechselsumme samt Folgen belangte, bestritt die Beklagte die
Forderung, indem sie vorbrachte: sie habe nur gegen Heraus-
gabe der dem W. verpfändeten Wertpapiere bis zum Betrage
der Klageforderung zu zahlen. Das Bundesgericht hat die Klage
gutgeheissen. In der Begründung wird wesentlich ausgeführt:
Die — in der Theorie und Praxis streitige — Frage,
ob eine sogenannte Pfandklausel einem Wechsel überhaupt
rechtsgültig beigefügt werden könne, möge dahingestellt
bleiben, da es sioh bei dem fraglichen Vermerk auf dem
streitigen Wechsel, der als selbständiger Wechsel aus sich
selbst zu interpretieren sei, gar nicht um eine wirkliche Pfand-
klausel handle. Für diese Auffassung spreche, dass lediglich
ein gedruckter Vermerk vorliege, während die daneben und
darunter befindliche Linie, die offenbar zum Zwecke der
Pfandverschreibung hingesetzt sei, unausgefüllt geblieben sei,
und nicht einmal, wie bei den früheren Wechseln, das Datum
der VerSchreibung trage dass ferner W. erwiesenermassen
Wechselformulare mit dem in Frage stehenden gedruckten
Vermerk auch in Fällen habe unterzeichnen lassen, wo von
einer Verpfändung keine Rede gewesen sei, endlich der Um-
stand, dass W. im Zeitpunkte der Ausstellung des streitigen
Wechsels die Pfander nicht mehr besessen habe, was wohl den
Schluss zulasse, er habe absichtlich von einem Hinweis auf
die Verpfändung Umgang nehmen wollen.
Wollte man übrigens auch in dem fraglichen Vermerke
eine wirkliche Pfandklausel erblicken und dieselbe überdies
als zulässig und rechtswirksam erklären, so könnte doch die
von der Beklagten erhobene Einrede der Klägerin gemäss
Art. 811 0. R. nicht entgegengehalten werden. Das in der
Pfandklausel erwähnte Pfandrecht sei nicht für die aus dem
Wechsel hervorgehende, wechselrechtliche Verpflichtung, son-
dern für die daneben bestehende Darlehensschuld begründet
worden. Die Darlehensschuld habe durch Pfand und Wechsel
gesichert werden sollen, nicht seien die Pfänder zur Sicherung
der Wechselforderung gegeben worden. Dies erhelle nament-
lich auch aus dem Umstände, dass die Pfandklausel der Va-
lutaklausel eingefügt sei und damit auf das der Wechselaus-
stellung zu Grunde liegende Rechtsgeschäft verweise. Eine
Veränderung dieses für das Darlehen bestellten Pfandrechts
56
habe durch die Ausstellung der Wechsel nicht stattgefunden,
da diese weder eine Novation der ursprünglichen Forderung,
noch einen Uebergang des Pfandrechtes auf die Wechselfor-
derung bewirkt habe. Die Einrede aus der Pfandklausel sei
also nicht eine „aus dem Wechselrecht selbst hervorgehende u
Einrede. Die neben der Ausstellung und der Begebung des
Wechsels eingegangene Verpfandung für das dein Wechsel zu
Grunde liegende Schuldverhältnis habe mit den den Wechsel
und dessen Zirkulation normierenden Rechtssätzen nichts zu
thun; diese, für das der Wechselausstellung zu Grunde lie-
gende Rechtsverhältnis geschehene Pfandverschreibung sei
dem Wechselrecht durchaus fremd. Könne es sich danach
nur um eine nicht aus dem Wechselrechte, sondern aus dem
gemeinen bürgerlichen Rechte herzuleitende Einrede han-
deln, so wäre dieselbe nach Art. 811 0. R. nur zulässig,
wenn sie der Beklagten unmittelbar gegen die Klä-
gerin zustände. Dies sei aber nicht der Fall, da das
Pfandrecht nicht auf die Klägerin übergegangen sei. Denn
diese erscheine nicht etwa als Cessionarin, sondern als Li-
dossatarin des W. Während allerdings auf den Cessionar die
der Forderung zustehenden Nebenrechte übergehen (Art. 190
0. R.), dafür dem Cessionar vom debitor cessus aber auch
alle gegen den Cedenten zustehenden Einreden entgegenge-
halten werden können (Art. 189 eodem), der Cessionar somit
lediglich und in allen Punkten als Rechtsnachfolger des Ce-
denten erscheine, verhalte es sich mit dem Indossamente nach
schweizerischem Rechte anders: der Indossatar sei nicht
Rechtsnachfolger des Iudossanten mit der Wirkung, dass alle
diesem zustehenden Rechte durch das Indossament auch auf
ihn übergehen würden, sondern er erwerbe mittelst des In-
dossamentes ein selbständiges, aus dem Wechsel hervor-
gehendes Recht. . . . Das Pfandrecht wäre daher, da das In-
dossament als solches die Uebertragung nicht bewirke, auf die
Klägerin nur übergegangen durch besonderes Rechtsgeschäft,
mit dazu kommender Besitzübergabe; ein solches Rechtsge-
schäft liege aber nicht vor. Der Klägerin könne daher auch nicht
die dem Pfandgläubiger entgegenstehende, aus der actio pig-
noraticia directs, entspringende Kompensationseinrede entgegen-
gehalten werden, da diese Einrede dem Wechselschuldner
nicht gegen den Indossatar als solchen zustehe. (Entsch.
vom 29. Oktober 1898 i. 8. Volksbank in Hochdorf c. Arnet.)
43. O.R. Art. 803. Wenn nach Unterzeichnung eines (ausgefüll-
ten) billet à ordre durch einen Bürgen der Name des ursprünglichen
57
Remittenten (weil dieser das Billet, da er das darauf begehrte*
Darlehen nicht gewähren will, zurückweist) ohne Einwilligung de»
Bürgen durchgestrichen und an dessen Stelle ein anderer Remit-
tent eingesetzt wird, so ist diese Abänderung des Wechsels für
den Bürgen gemäss dem in Art. 803 0. R. ausgesprochenen Grund-
sätze unverbindlich. Der Bürge haftet also dem nachträglich ein-
gesetzten Remittenten und dessen Nachmännern nicht.
(Entsch. vom 17. Dezember 1898 i. S. Banque de l'Etat
de Fribourg o. Leu.)
44. 0. R. Art. 867, 868, 873, 876 Abs. 1. Der Grundsatz
der Ausschliesslichkeit der Firma gilt nach schweizerischem Rechte
nicht nur für die am gleichen Orte bestehenden Firmen, sondern
ohne örtliche Beschränkung. — Verhältnis des Art. 876, Abs. 1
zu Art. 868 0. R. — Deutliche Unterscheidbarkeit bei Sachfirmen.
Am 21. Mai 1889 bildete sich unter der Firma „Schwei-
zerische Hypothekenbank11 (Banque hypothécaire suisse) eine
Aktiengesellschaft mit Sitz in Solothurn, welche die „Pflege
des Hypothekengeschäfts in der Schweiz in allen seinen
Formen" zum Zwecke hatte und am 29. gleichen Monats ins
Handelsregister eingetragen wurde. Im Mai 1897 gründeten
mit Sitz und Gerichtsstand in der Stadt Bern sieben Personen
eine Genossenschaft unter der Firma „Schweizerische Hypo-
thekenbank in Bern" („Crédit foncier suisse à Berne"), wel-
che am 6. gleichen Monats ins Handelsregister der Stadt
Bern eingetragen wurde. Nach § 2 der Statuten bezweckt
diese Genossenschaft „die Durchführung von Hypothekar- und
Bankgeschäften aller Art, insbesondere die Förderung des
Hypothekarkredites. " Die von der Schweizerischen Hypo-
thekenbank in Solothurn gegen diese Genossenschaft erhobene
Klage: es sei der Beklagten zu untersagen, in ihre Firma
die Bezeichnung „Schweizerische Hypothekenbank" aufzu-
nehmen, ist vom Bundesgericht für begründet erklärt worden,
im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Eine allgemeine auf alle neuen Firmen bezügliche Be-
stimmung, wonach eine neue Firma sich nur von einer an
demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits beste-
henden, eingetragenen Firma unterscheiden müsse (wie das
deutsche Handelsgesetzbuch sie in Art. 20, Abs. 1 aufstellt),
enthält das schweizerische Obligationenrecht nicht, sondern
einerseits unmittelbar hinter der Vorschrift über die Be-
schaffenheit der Firma des einzelnen Geschäftsinhabers (Einzel-
kaufmanns) und vor den Vorschriften über die Beschaffen-
heit der Gesell8chaft8firnia in Art. 868 die Bestimmung, dass.
58
-eine im Handelsregister eingetragene Firma an demselben
Orte selbst dann nicht von einem Änderen als Firma benutzt
werden dürfe, wenn dieser denselben bürgerlichen Namen
hat, mit welchem die ältere Firma bezeichnet wird — und
anderseits in Art. 876, Abs. 1, am Schluss des Kapitels
über die Geschäftsfirmen, den Grundsatz, dass die Firma
eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Gesellschaft,
welche vorschriftsgemäss in das Handelsregister eingetragen
und im Handelsamtsblatt veröffentlicht ist, dem Berechtigten
zu ausschliesslichem Gebrauche zusteht. Nach Stellung und
Inhalt des Art. 868 0. R. kann einem begründeten Zweifel
nicht unterliegen, dass derselbe sich direkt nur auf die
Einzel firma bezieht, während dagegen Art. 876, Abs. 1 aus-
drücklich sowohl für die Einzelfirma als die Gesellschafts-
firma massgebend ist. Nun ist es aber dieser letztere Ar-
tikel, welcher im schweizerischen Obligationenrecht den
Grundsatz der Ausschliesslichkeit der Firma aufstellt, und
da derselbe diesen Grundsatz nicht nur zu Gunsten der am
gleichen Orte bestehenden Firmen ausspricht, so kann es für
die Anwendung des Art. 876, Abs. 1 nicht als erforderlich
betrachtet werden, dass die Firmen am gleichen Orte be-
stehen. Daneben enthält Art. 868 lediglioh eine Spezialvor-
schrift für die Einzelfirmen, welche sich einfach daraus er-
klärt, resp. deshalb notwendig war, weil in Art. 867 dem
einzelnen Geschäftsinhaber der Gebrauch seines Familien-
namens mit oder ohne Vornamen gestattet, bezw. nach dem
im Obligationenrecht adoptierten Grundsatz der Firmenwahr-
heit vorgeschrieben ist. Ohne die Vorschrift des Art. 868
wäre es möglich, dass bei gleichen bürgerlichen Familien-
und Vornamen zweier oder mehrerer Geschäftsinhaber sogar
am gleichen Orte zwei oder mehrere ganz gleichlautende Ge-
schäftsfirmen hätten entstehen und eingetragen werden können,
was natürlich zu Verwechslungen geführt hätte, und um dies
zu verhindern, schreibt Art. 868 unbedingt vor, dass der neue
Geschäftsinhaber am gleichen Orte seinem Namen in der
Firma einen Zusatz beifügen müsse, durch welchen dieselbe
deutlich von der altern Firma unterschieden wird. Diese Vor-
schrift trifft gewiss, wie das Bundesgericht schon in seinem
Urteile in Sachen Hediger & Söhne c. Hediger & Comp.
(Amtl. Samml., Bd XVII, S. 647) ausgesprochen hat, auch fur
diejenigen Gesellsohaftsfirmen zu, welche Personenfirmen
«ind, bezw. sein müssen; allein angesichts der allgemeinen
Vorschrift des Art. 876, Abs. 1 muss weiter gegangen, und
insbesondere der Gesellschaftsfirma gegenüber allen neuen
59
Firmen Schutz gewährt werden, welche geeignet sind, Ver-
wechslungen herbeizuführen, auch wenn sie nioht am gleichen
Orte bestehen. Vollends kann hierüber bezüglich der Sach-
firmen ein begründeter Zweifel nicht obwalten, indem bezüg-
lich dieser Firmen überall keine gesetzliche Bestimmung be-
steht, welche den Schutz derselben nur gegenüber den am
gleichen Orte entstehenden neuen Firmen gewähren würde.
-Gegenteils schreibt Art. 873 0. R. allgemein und ohne ört-
liche Beschränkung vor, dass sich die neuen Firmen von
Aktiengesellschaften und Genossenschaften von jeder bereits
eingetragenen Firma deutlich unterscheiden müssen, und es
liegen auch keine innern Gründe vor, diese Vorschrift nur
auf die am gleichen Orte bereits eingetragenen Sachfirmen
zu beschränken. Im Gegenteil muss aus der bezeichneten,
offenbar absichtlichen Abweichung des schweizerischen Ge-
setzes von seinem deutschen Vorbilde geschlossen werden,
dass dasselbe die in diesem aufgestellte örtliche Schranke
•des Grundsatzes der Ausschliesslichkeit rücksichtlioh dieser
Firmen nicht habe aufnehmen wollen, wie übrigens auch
kaum zu leugnen ist, dass für Gesellschafts- und besonders
für Sachfirmen wegen deren häufig sehr ausgedehnten Ver-
kehrs mit Zweigniederlassungen u. s. f. die Gefahr der Ver-
wechslung mit gleichlautenden, an anderen Orten bestehenden
Finnen wesentlich grösser ist, als bei Einzelfirmen.
Hievon ausgehend kann also die Klage nicht deshalb
abgewiesen werden, weil die Firmen der beiden Parteien nicht
am gleichen Orte bestehen, bezw. eingetragen sind, sondern
es muss untersucht werden, ob dieselben sich deutlich von
«inander unterscheiden, und dies ist nun nicht der Fall. Wenn
auch allerdings die Bemerkung der Beklagten, dass die Klä-
gerin auf die Worte „Schweizerisch" und „Hypothekenbank"
kein Monopol besitze, richtig ist, und jedes dieser zwei
Worte für sich allein ungeeignet wäre als Saohfirma zu
dienen, so bilden sie doch unzweifelhaft zusammen, in Ver-
bindung mit einander, weder eine allgemeine, noch eine not-
wendige Bezeichnung, sei es der Banken überhaupt oder
einer speziellen Art derselben, insbesondere der Hypotheken-
banken, sondern besitzen einen eigentümlichen, unterschei-
denden Charakter, so dass demnach die Firma der Klägerin
als Sachfirma ebenso gut zulässig ist, wie z. B. die Bezeich-
nungen „Eidgen. Bank," „Schweizer. Kreditanstalt," „Bank in
.Zürich," „Bank in Luzern" u. s. f.' Im fernem ist festzu-
halten, dass es sich beidseitig um deutsche Firmen handelt,
und daher für die Frage, ob sie sich deutlich von einander
60
unterscheiden, nichts darauf ankommt, wie es sich in dieser
Hinsicht mit den französischen Uebersetzungen verhalte ; denn
nicht diese Uebersetzungen stehen hier im Streit, sondern
einzig die deutschen Firmen, und es ist auch nicht etwa ge-
setzlich vorgeschrieben, nooh allgemein üblich, die Firmen
in beiden Sprachen neben einander zu gebrauchen. Non
unterscheiden sich die Firmen der Parteien lediglich dadurch,
dass die Beklagte den Worten „Schweizerische Hypotheken-
bank" beigefügt hat: „in Bern," und sodann durch die Ver-
schiedenheit des Ortes, wo sie eingetragen sind und existieren.
Allein diese Verschiedenheiten sind zu unbedeutend, als dass
dadurch, zumal bei der Gleichheit des Geschäftszweiges, Ver-
wechslungen aasgeschlossen würden. (Entsch. vom 29. De-
zember 1898 i. S. Schweizerische Hypothekenbank in Solo-
thurn c. Schweizerische Hypothekenbank in Bern.)
45. 0. R. Art. 896. Versicherungsvertrag ; Verhältnis des
eidgenössischen zum kantonalen Rechte. Auslegung von Versiche-
rungsbedingungen, welche (bei der Hagehersicherung) für die Ab-
Schätzung des Schadens ein Schatzungsverfahren (unter Ausschluss
des Rechtsweges) vorschreiben. Unterscheidung zwischen den
schädlichen und nützlichen Polgen des Hagelschlages. Zulässig
keil des Abzuges der ersparten Erntekosten vom Ertragsschaden.
Nach den Statuten der schweizerischen Hagelversiche-
rungsgesellschaft (insbesondere §§41, 42, 43, 46, 49, 51) ist
für die Abschätzung des Schadens zunächst ein Vergleichs-
verfahren vorgesehen, dessen Ergebnis als genehmigt gilt,
wenn nicht binnen bestimmter Frist von der Gesellschaft
dessen Revision angeordnet oder vom Versicherten die „formelle
Taxe" durch zwei neue Sachverständige beantragt wird. Der
Rechtsweg ist für die Abschätzung des Schadens ausgeschlos-
sen, dagegen ausdrücklich vorbehalten für die Frage, ob
überhaupt oder in wie weit eine Entschädigungsverpflichtung
der Gesellschaft bestehe. Bei Abschätzung des den Klägern
durch Hagelschlag verursachten Schadens brachten die Schätzer
im Vergleichsverfahren 10 °/o für ersparte Erntekosten an
dem (abgesehen von diesem Abzüge für die meisten der
Kläger auf 100 °/o taxierten) Schaden in Abzug. Die Kläger
trugen nicht auf 9 formelle Taxe" an, wurden aber gegen
diesen Abzug, dessen Berechtigung sie grundsätzlich bestritten,
während sie im übrigen die Schätzung nicht bemängelten,
bei den Gesellschaftsorganen vorstellig und machten, als sie
von diesen abgewiesen worden waren, ihre Ansprüche gericht-
61
lieh anhängig. Im Prozesse machte die Gesellschaft wesent-
lich geltend, da die Kläger nicht rechtzeitig die formelle
Taxe verlangt haben, so sei das Ergebnis des Vergleichsver-
fahrens für sie verbindlich. Eventuell wäre auf dem Wege
des statutarischen Taxationsverfahrens eine neue Entscheidung
über die Höhe des Schadens zu treffen ; bei dieser könnte
«ber nur der effektive Schaden in Betracht kommen, und
dieser sei eben identisch mit dem Bruttowerte der Trauben,
nicht mit demjenigen des Weines, da letzterer erst durch
Aufwendung der Erntekosten gewonnen werden müsste.
Das Bundesgericht hat dahin entschieden, über den strei-
tigen Abzug sei nicht in dem statutarisch für Abschätzung
des Schadens vorgesehenen Verfahren, sondern im Rechts-
wege von den Gerichten zu entscheiden. Der Abzug für er-
sparte Erntekosten sei jedoch grundsätzlich statthaft, und es
müsse daher über den Betrag der den Versicherten durch
Ersparung der Erntekosten entstandenen Vorteile Beweis er-
hoben werden. Aus den Gründen dieser Entscheidung ist
hervorzuheben :
1. Nach Art. 896 0. R. bleiben allerdings bis zum Er-
lass eines eidgenössischen Gesetzes über den Versicherungs-
vertrag die bestehenden besondern Bestimmungen des kan-
tonalen Rechts über den Versicherungsvertrag in Kraft und
nun enthält das zürcherische privatrechtliche Gesetzbuch nicht
bloss allgemeine Bestimmungen über den Versicherungsver-
trag, sondern auch solche, welche speziell die Hagelversiche-
rung betreffen. Nach Art. 896 0. R. sind jedoch nur die ge-
schriebenen Sonderrechtsregeln des kantonalen Rechts über
den Versicherungsvertrag vorbehalten, nicht auch die allge-
meinen Regeln des kantonalen Privatreohts, welche nicht
speziell für den Versicherungsvertrag gesetzt sind, so dass
bezüglich der Auslegung von Versicherungsverträgen, soweit
das kantonale Recht nicht einschlagende ausdrückliche Be-
stimmungen enthält, die allgemeinen Bestimmungen des eid-
genössischen Obligationenrechts, bezw. die allgemeinen, dem-
selben innewohnenden Rechtsgrundsätze Platz greifen. Letz-
teres ist aber unzweifelhaft der Fall hinsichtlich der hier zu
entscheidenden Fragen, ob nach den Versicherungsbedin-
gungen der Abzug der Erntekosten statthaft oder ausge-
schlossen sei, und eventuell durch wen, und in welchem Ver-
fahren der Abzug, bezw. der Ertrag der ersparten Ernte-
kosten, nach den Versicherungsbedingungen festzustellen sei,
ob durch die in Art. 41 und 44 der Versicherungsbedingungen
-erwähnten Vertreter der Gesellschaft (Experten), bezw. die
62
von beiden Parteien zu ernennenden Taxatoren oder im Streit-
fall durch die Gerichte. Bei der Entscheidung dieser Fragen
hat denn auch die Vorinstanz die Bestimmungen des zürch.
Priv. Ges. B. über den Versicherungsvertrag mit keinem Worte
berührt und hiedurch zu erkennen gegeben, dass sie denselben
für die Entscheidung der genannten Fragen keine Bedeutung
beimass.
2. Von selbst versteht sich, dass, soweit die Parteien nicht
vertraglich die Erledigung von Streitigkeiten in gültiger Weise
den ordentlichen Gerichten entzogen haben, diese letztern zu
deren Entscheidung kompetent sind. Nun haben nach dem
klaren Wortlaute der Versicherungsbedingungen die Taxa-
toren nur über die Grösse der verhagelten Fläche, den Er-
trag der versicherten Bodenerzeugnisse ohne den Eintritt des
Hagelschadens und über den durch den Hagelschaden ver-
loren gegangenen Teil dieses Ertrages zu entscheiden and
kann folgerichtig von den Versicherten auch nur hinsichtlich
dieser Fragen die sogen, formelle Taxe verlangt werden. Be-
züglich aller Punkte, welche den Taxatoren nach den er-
wähnten Versicherungsbedingungen entzogen sind, ist weder
der Rechtsweg ausgeschlossen, noch die Anrufung der „for-
mellen Taxe" seitens der Versicherten vorgeschrieben, oder
auch nur zulässig. Handelt es sich also darum, festzu-
stellen, ob die Frage der Zulässigkeit eines Abzuges wegen
ersparter Erntekosten eine Frage der Schadensabschätzung
sei, mit der sich die Taxatoren nach § 49 der Versicherungs-
bedingungen zu befassen haben, so ist zu bemerken, dass ja
allerdings der Begriff des Schadens so aufgefasst werden
kann, dass die Frage, ob aus einer Thatsache ein Schaden
entstanden sei, nach dem Gesamtergebnis beantwortet wird,
die Feststellung des Schadens somit neben den schädigenden
Folgen dieser Thatsache zugleich auch die Berücksichtigung
der damit verbundenen nützlichen Folgen in sich schliesst.
Allein anderseits ist es weder faktisch unmöglich, noch recht-
lich von vornherein ausgeschlossen, Vorteil und Nachteil aus-
einander zu halten, also unter dem Schaden zunächst ledig-
lich die nachteiligen Folgen der schädigenden Thatsache zu
verstehen, und die Aufrechnung von Vorteil und Nachteil,
welche aus ihr entstanden sind, als eine Sache für sich zu
betrachten; gegenteils erscheint diese Unterscheidung recht-
lich nicht nur zulässig, sondern auch erheblich, insofern als
zu untersuchen ist, ob der behauptete Vorteil mit der schä-
digenden Thatsache wirklich im Kausalzusammenhangim Rechts-
sinne stehe, und als die Aufrechnung von Vor- und Nach-
63
teilen unter Umständen als unstatthaft erscheinen kann (vergi-
li o ti ve z. deutsch, bürg. Ges. B. Bd II, S. 18 und 783). Ii>
welchem Sinne nun die Schadensfeststellung gemeint sei,
welche § 49 der Versicherungsbedingungen den Taxatoren»
zuweist, ist eine von den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über
die Interpretation von Willenserklärungen beherrschte Frage
der Vertragsauslegung ; es handelt sich dabei also um eine^
Rechtsfrage, bezüglich deren das Bundesgericht an die Ent-
scheidung des kantonalen Gerichts nicht gebunden ist. Nun-
ergiebt sich ganz klar aus den §§ 45, 46, 49 der Versiche-
rungsbedingungen und § 7 der besondern Bestimmungen für
die Versicherung von Wein und Obst, dass die Vertragsbe-
dingungen der Beklagten in der That zwischen den nützlichen
und schädlichen Folgen des Hagelschlages unterscheiden»
Nach den erstem Bestimmungen (insbesondere §§ 46 und 49}
haben nämlich sowohl die von der Versicherungsgesellschaft
für das Vergleichsverfahren bezeichneten Schätzer, als die
Taxatoren bei der formellen Taxe, sich lediglich damit zu be-
fassen, welcher Teil des mutmasslichen Ertrages durch den«
Hagelschaden verloren gegangen sei. Ihnen ist also aus-
schliesslich die Feststellung der schädigenden Folgen des*
Hagelschlages anheimgegeben, während die Versicherungsbç-
dingungen ihnen mit keinem Worte auch die Feststellung
der ersparten Erntekosten überbinden und gestatten. Damit
stimmen auch die von der Beklagten den Experten zugestellte
und gedruckte Instruktion und die Sciiatzungstabellen. In
dieser Instruktion ist keine Rede von einem Abzug der Ernte-
kosten, bezw. einem Auftrag und einer Anleitung an die Ex-
perten, diese Kosten zu ermitteln, und auch die Schatzungs-
tabellen enthalten eine Rubrik für solche Kosten nicht. . . ..
In Betracht kommt ferner, dass nach § 7 der besondern Be-
stimmungen die Grundlage für die Feststellung des Schadens,
bezw. die Beantwortung der in § 49, Ziff. 2 und 3 aufge-
stellten, hierauf gerichteten Fragen, die Vergleichung des
vom Hagelschlag betroffenen Grundstücks mit einem andern,,
davon nicht betroffenen gleicher Kultur und gleicher Ver-
hältnisse bildet, und die Differenz zwischen dem Ertrag beider
den Massstab für den Verlust bildet, welcher durch den
Hagelschlag entstanden ist. Es liegt auf der Hand, dass
diese Vergleichung nur die Grundlage bilden kann für die
Ermittelung der schädigenden Folgen des Hagelschlages,.
nicht auch für die Ermittelung der Vorteile, soweit diese in
der Ersparung von Erntekosten bestehen sollen. . . . Die Ver-
sicherungsbedingungen lassen daher nur die Wahl zwischen
64
zwei Annahmen : Entweder ist als versicherter Schaden im
♦Sinne des konkreten Versicherungsvertrages nur der durch
den Hagelsohlag verloren gegangene Ertrag, ohne Abzug
der ersparten Erntekosten, zu betrachten — oder die Fest*
Stellung dieser Kosten hat, sofern die Parteien sich nicht
gütlich über dieselben einigen, durch die Gerichte zu er-
folgen. Eine andere Annahme ist schlechterdings ausge-
schlossen; insbesondere geht es nicht an, diese Feststellung
den Taxatoren anheimzugeben.
3. Dagegen ist allerdings anzuerkennen, dass der Abzug
der Erntekosten an dem ermittelten Ertragsschaden grund-
sätzlich zulässig ist. ... In Ermangelung einer entgegen-
stehenden besondern Bestimmung der Versicherungsbedin-
gungen und eines allgemeinen Geschäftsgebrauches, dass auch
bei Totalschaden ein Abzug für ersparte Erntekosten nicht
gemacht werde, muss das, auch in § 13 der konkreten Ver-
sicherungsbedingungen aufgestellte allgemeine Prinzip des
Versicherungsrechts entscheiden, dass die Versicherung nie-
mals zu einem Gewinn führen dürfe, Beklagte also verlangen
kann, dass wenigstens aus der von ihr gewährten Versiche-
rung dem Versicherten ein Gewinn nicht erwachse (vergi.
Ehrenberg, Versicherungsrecht, Bd I, S. 450). Mit un-
recht haben die Kläger in dieser Hinsicht darauf abgestellt,
dass der Hagel in der Regel nicht nur an den Früchten,
sondern auch an den Rebstöcken Schaden verursacht, der den
Versicherten nicht vergütet werde. Denn nach dein klaren
Wortlaut des § 1 der besondern Bestimmungen für die Ver-
sicherung von Wein und Obst übernimmt die Gesellschaft
keine Garantie für den Schaden, welchen der Hagel an den
Rebstöcken anrichtet; sondern sie versichert nur die Früchte
in Bezug auf ihre Quantität. Die Versicherung gilt also nur
für die angesetzten Früchte, nicht für die Reben, und es
geht daher nicht an, der Ersparung der Erntekosten für
Trauben den Charakter eines Vorteils deswegen abzusprechen,
weil auch die Rebstöcke durch den Hagelschlag geschädigt
worden seien. (Entsch. vom 12. November 1898 i 8. G ugola
und Genossen c. Schweizerische Hagel Versicherungsgesellschaft.)
46. 0. R. Art. 896. Auslegtmg von Versicherungsbedingungen,
welche den Ausschluss von der Unfallversicherung wegm „(?r-
brechen" festsetzen. — Was ist unter einem von der Unfallver-
sicherung abschliessenden Gebrechen zu verstehent
Il y a lieu de partir du point de vue qu'à teneur de
Part. 3, al. 3 des conditions générales de la police, notamment
«5
de la clause excluant de l'assurance „les salariés atteints de
surdité, ceux âgés de plus de 70 ans, ou atteints d'une in-
firmité affaiblissant la vue ou causant une gêne dans la fonc-
tion normale d'un bras ou d'une jambe," Ton ne doit consi-
dérer comme excluant la responsabilité de la Compagnie que
des infirmités dont les effets se manifestent d'une manière
sensible et gênante dans la vie de tous les jours, dans les
rapports de l'infirme avec les autres hommes, ou dans l'accom-
plissement de son travail, et non point une infirmité pure-
ment scientifique ou théorique, qui n'est point accompagnée
des inconvénients susmentionnés. Une semblable interpré-
tation est seule compatible avec la bonne foi, qui doit pré-
sider notamment aux contrats d'assurance, ce que le Tribunal
fédéral a reconnu en termes exprès dans son arrêt du 22 juillet
1895 dans la cause Compagnie d'assurance „Le Soleil-Sécu-
rité générale" c. Cosandey et consorts (Ree. off. XXI, page 862).
Admettre toute infirmité, au sens scientifique du terme, comme
une cause de déchéance à teneur du contrat, équivaudrait à
frustrer la presque universalité des souscripteurs de polices
des bienfaits de l'assurance, puisqu'il n'existe peut-être aucun
individu, chez lequel on ne puisse constater, à un degré quel-
conque, un principe morbide ou une imperfection organique,
<jni empêche de le considérer comme en possession de la
plénitude de la santé, dans le sens idéal et absolu.
Gestützt auf diese Ausführungen hat das Bundesgericht
(bei einem gegen Unfall versicherten Maurerarbeiter) eine
Schwächung der Sehkraft des einen Auges, welche, Holange
das andere Auge intakt blieb, ohne jede praktische Wirkung
war und daher jedermann, auch dem Versicherten selbst un-
bekannt blieb und nur durch besondere augenärztliche Unter-
suchung hätte entdeckt werden können, nicht als ein von
der Versicherung ausschliessendes Gebrechen anerkannt.
(Entsch. vom 11. November 1898 i. S. La Préservatrice c.
Chamorel.)
47. Bundesgesetz betreffend Bau und Betrieb der Eisenbahnen
vom 23. Dezember 1872, Art. 33. Bundesgesetz betreffend Orga-
nisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893, Art 50. Kom-
petenz des Bundesgerichtes zu Beurteilung von Streitigkeiten aus
Art. 33 Abs. 4 des Eisenbahngesetzes. Zur Auslegung des Art. 33
Abs. 4 cit. Was ist unter einer besondern Leistung einer Bahn-
verwaltung zu verstehen, die ihr bUligerioeise nicht allein zugemutet
werden kannt Wer kommt als beitragspflichtiger Dritter in Be-
tracht? Grundsätze für Bemessung der Beitragspflicht.
66
Die N. 0. B. ist auf ein Gesuch der Südostbahngesell-
schaft, welchem sich auch die beteiligten Kantonsregierungen
angeschlossen hatten, vom Bundesrate gestützt auf Art 3£
des Eisenbahngesetzes angehalten worden (in Verbindung mit
den V. S. B.), zwei neue Züge von und nach Zürich zum An-
schluss an Züge der Südostbahn auszuführen. Sie belangte
nunmehr die Südostbahn vor Bundesgericht, unter Berufung
auf Art. 33 Abs. 4 des Eisenbahngesetzes, auf Ersatz des ihr
durch die Führung dieser Züge entstehenden Ausfalles. Das
Bundesgericht hat die Klage (tinter Beschränkung der Ent-
scheidung auf die bereits abgelaufene Zeit) für die Hälfte den
durch Expertise für diese festgestellten Ausfalles (von im
Ganzen annähernd 5000 Pr.) als begründet erklärt. In der
Begründung dieses Urteils wird im wesentlichen ausgeführt:
1. Die Kompetenz des Bundesgerichts zur Beurteilung
der vorliegenden Klage ergiebt sich aus Art. 33 Abs. 4 des
Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen
vom 23. Dezember 1872; dass die in dieser Gesetzesbestim-
mung genannten Streitigkeiten in Art. 50 des Organisations-
gesetzes betreffend die Bundesrechtspflege nicht aufgeführt
sind, ist ohne Bedeutung, da die daselbst enthaltene Aufzäh-
lung nur eine beispielsweise sein soll, und es sich im gegen-
wärtigen Falle unzweifelhaft um eine Streitigkeit der in
Alinea 1 dieses Artikels aligemein bezeichneten Art, nämlich
um eine durch besondere bundesgesetzliche Vorschrift der
ausschliesslichen Beurteilung durch das Bundesgerioht unter-
stellte Streitigkeit handelt.
2. In erster Linie setzt eine Klage der vorliegenden Art
voraus, dass die Entschädigung verlangt werde für eine „be-
sondere Leistung" der klagenden Bahnverwaltung. Dies trifft
im konkreten Fall zu. Unter besondern Leistungen im Sinne
des Gesetzes sind, wie das Bundesgericht in seinem Urteile
in Sachen N. 0. B. und S. C. B. gegen Bund vom 27. Fe-
bruar 1891 (Amtl. Sammig Bd XVII Nr. 33) ausgesprochen
hat, offenbar solche Leistungen zu verstehen, welche nicht
allen Eisenbahngesellschaften kraft Gesetzes gleichmässig ob-
liegen, und zu welchen auch die einzelne belastete Gesell-
schaft nicht besonders, kraft ihrer Konzession oder eines son-
stigen Rechtstitels schon ohnehin, abgesehen von der auf
Grund des Art. 33 getroffenen bundesrätlichen Anordnung,
verpflichtet ist. Nun ist die Nordostbahn unbestrittenermassen
nicht auf Grund ihrer Konzession oder eines sonstigen Recbts-
titels zur Führung der beiden Züge angehalten worden, son-
dern ausschliesslich nur auf Grund des Art. 33 E. G. Es
67
kann also nicht zweifelhaft sein, dass es sich hier um eine
besondere Leistung im Sinne von Art. 33 £. G. handelt.
3. Fragt es sich weiter, ob der Nordostbahn diese besondere
Leistung billigerweise nicht allein zuzumuten sei, so muss
hiebei in erster Linie in Betracht kommen, ob die Vorteile
dieser besondern Leistung, zu welcher die Nordostbahn ver*
pflichtet worden ist, wesentlich ihr selbst, oder Dritten zu gute
gekommen seien. Hierauf wird ausdrücklich auch in der Bot-
schaft zum Eisenbahngesetz abgestellt, wo betont ist, man
dürfe unmöglich, um gerecht zu sein, dem einen Teil die
Lasten überbinden und dem andern Teile alle Vorteile zu-
kommen lassen, sondern es habe in diesen Fällen eine billige
Ausgleichung stattzufinden. Da nun, wie sich aus der Ex-
pertise ergiebt, der Nordoslbahn aus der Führung der beiden
Züge Nachteile, der Südostbahn dagegen Vorteile erwachsen
sind, behauptet die Nordostbahn gewiss mit Recht, dass es
unbillig wäre, ihr die Tragung jener Nachteile allein zuzu-
muten. Sie ist daher nach Art. 33 Abs. 4 E. G. berechtigt,
einen angemessenen Beitrag von Dritten zu verlangen. Dar-
über, wer diese Dritten seien, spricht sich das Gesetz des
nähern nicht aus. Indessen kann nach der Natur der Sache,
wie auch nach der in dem citierten bundesgerichtlichen Ent-
scheide v. 27. Februar 1891 (Amtl. Sammig Bd XVII, Nr. 33>
dargelegten Entstehungsgeschichte des Art. 33 E. G. einem
begründeten Zweifel nicht unterliegen, dass es sich dabei
hauptsächlich um die Beiziehung anderer Bahngesell-
schaften zu den Kosten handelt, welche der mit der neuen
Einrichtung belasteten Bahn billigerweise nicht allein zuge-
mutet werden können. Dem Art. 33 E. G. liegt unverkenn-
bar der Gedanke zu Grunde, es liege den für eine bestimmte
Gegend konzedierten Eisenbahngesellschaften ob, den Ver-
kehrsinteressen dieser Gegend gerecht zu werden, soweit ea
ihnen ohne unverhältnismässige, ihre Kraft übersteigende
Opfer möglich ist; wenn der Verkehr der betreffenden Gegend,
resp. dessen Beziehungen zu andern Verkehrszonen es er-
fordern, habe daher die für diese Gegend konzedierte Bahn
innerhalb der angegebenen Grenzen neue Verbindungen her-
zustellen, und es haben diejenigen Bahnen, welche ihrer Lage
nach an dem Verkehr dieser Gegend interessiert sind, an die
Opfer beizutragen, weil ihnen eben gemeinsam die Pflicht
obliege, die Verkehrsinteressen der Gegend zu befriedigen.
Die Beklagte macht geltend, dass auch die Kantone, welche
im Interesse ihrer Bevölkerung, oder eines Teils derselben,,
im Verein mit ihr beim Bundesrat das Begehren auf Ein-
68
richtung der beiden Züge gestellt haben, zu den Dritten, von
denen Art. 33 AI. 4 E. G. spricht, gehören. Darüber ist za
bemerken: Art. 33 Abs. 2 E. Gr. verpflichtet die Eisenbahn-
verwaltungen, die für den durchgehenden Verkehr und zur
Herstellung ineinandergreifender Fahrtenpläne nötigen Per-
sonenzüge einzuführen. Ans dieser Pflicht folgt, dass in erster
Linie ihnen die hieraus entstehenden Lasten auffallen, und
Ausnahmen nur anzunehmen sind, soweit das Gesetz solche
erweislich statuiert. Aus der Entstehungsgeschichte des Eisen-
bahngesetzes geht hervor, dass der Gesetzgeber bei der Ord-
nung dieser Verhältnisse allerdings, neben der Mitbelastung an-
derer Bahngesellschaften, auch die Heranziehung von Staats-
anstalten, wie die Post, im Auge gehabt hat. Für eine wei-
tere Ausdehnung lässt jedoch die durch das Gesetz aufgestellte
Verpflichtung der Eisenbahnverwaltungen zur Einlegung solcher
vom Verkehr geforderter Züge keinen Raum; denn die Zu-
mutung, dass die Eisenbahnen die allgemeinen Verkehrsbe-
dürfnisse befriedigen, ist nicht unbillig. Vollends kann da,
wo den beteiligten Eisenbahnverwaltungen aus der betreffen-
den Einrichtung so viele Vorteile erwachsen, dass damit die
Nachteile völlig ausgeglichen werden können, dem Staate
billigerweise ein Beitrag, der ja eine Bereicherung der Bahn-
gesellschaften bedeuten würde, nicht zugemutet werden. Dieser
Fall liegt aber, wie die Expertise ergeben hat, gerade hier
vor, und es kann daher von einer Beiziehung der genannten
Kantone als beitragspflichtige Dritte nicht die Rede sein.
Die Beklagte ist es somit allein, welche den Schaden,
der der Klägerin durch die beiden Züge erwachsen ist, mit-
zutragen hat, soweit derselbe der Klägerin billigerweise nicht
allein zugemutet werden darf Die Frage nun, was anter
solchen Umständen einer Bahngesellschaft billigerweise nicht
allein zugemutet werden dürfe, ist offenbar gleichbedeutend
mit der andern, was billigerweise von dem, resp. den ins
Recht gerufenen Dritten verlangt werden könne, da auf beider
Seiten mit dem Masse der Billigkeit, gemessen werden mnss.
In dieser Beziehung muss zunächst die Erwägung, dass zu
den Dritten nur diejenigen Bahngesellschaften gehören, welche
bei der Vermittlung der betreffenden Verkehrsinteressen be-
teiligt sind, und dass hiebei wiederum nur diejenigen Teile
ihres Bahnnetzes in Betracht fallen, welchen speziell diese
Vermittlung zukommt, dazu führen, bei der Repartition de?
Schadens billige Rücksicht auf die Grösse der Interessen zu
nehmen, welche die Bevölkerung der beteiligten Gegenden
an den neuen Zügen hat; denn innerhalb des betreffenden
Rayons haben die Bahngesellschaften die gemeinsame Pflicht,
diesen Interessen gerecht zu werden. Ferner verlangt die
Billigkeit, dass die Beitragspflicht nach Verhältnis der Grösse
der Vor- und Nachteile der betreffenden Bahnen bemessen
werde. Die Quote des Beitrages wird, wenn die beitrags-
pflichtige Bahn aus der betreffenden Verkehrseinrichtung nur
Vorteile zieht, relativ grösser sein müssen, als wenn sie solche
Vorteile nicht hätte, und grösser, wenn das Verhältnis der
Vorteile zu den Nachteilen derart ist, dass die erstem die
letztern erheblich übersteigen, als wenn das Verhältnis ein
weniger günstiges sein würde. Endlich mag auch billige
Rücksicht auf die finanziellen Kräfte der betreffenden Bahn«
gesellschaften zu nehmen sein; denn da es sich um Leistun-
gen zur Förderung öffentlicher Interessen handelt, erscheint
es angezeigt, es damit ähnlich zu halten, wie mit der Bei-
tragspflicht an die öffentlichen Lasten überhaupt.
(Entsch. vom 16. November 1898 i. 8. Nordostbahn c.
Südostbahn.)
48. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundes-
rechtspflege vom 22. März 1893, Art. 81. Bundesgesetz betreffend
die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffahrtunternehmungen
bei Tötungen und Verletzungen, Art. 2, 11. Verhältnis des Art 11
des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes zu Art. 81 des Organisationsge-
setzes. Begriff der Aktenwidrigkeit. Aussteigen aus einem fahren-
den Tramwagen als Selbstver schulden.
1. Die in Art. 81 Organis. Ges. der Ueberprüfungsbefugnis
des Bundesgerichts gesetzte Schranke bindet dasselbe auch
in Eisenbahnhaftpflichtsachen, trotz der Bestimmung in Art. 11
des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1875, dass bei Streitigkeiten
über die daraus entstehenden Schadenersatzansprüche das
Gericht über die Höhe des Schadenersatzes und die Wahr-
heit der tbatsäohlichen Behauptungen nach freier Würdigung
des gesamten Inhalts der Verhandlungen zu entscheiden habe,
ohne an die Beweisgrundsätze der einschlagenden Prozess-
gesetze gebunden zu sein. Denn diese Anordnung wendet
sich an diejenigen Gerichtsbehörden, denen nach den ein-
schlägigen gerichtsorganisatorischen Bestimmungen die Fest-
stellung des Thatbe8tandes obliegt, d. h. zunächst an die kan-
tonalen Gerichte, und es werden dadurch in erster Linie die
entgegenstehenden kantonalreohtlichen Beweisregeln als un-
anwendbar erklärt, während die für das Bundesgericht auf-
gestellten speziellen Vorschriften des Organisationsgesetzes,
wodurch ihm in der Regel eine Ueberprüfung des durch die
70
kantonalen Gerichte festgestellten Thatbestandes untersagt
ist, dadurch nicht berührt werden.
2. Aktenwidrigkeit liegt nicht schon dann vor, wenn die
durch das Prozessmaterial gelieferten thatsächlichen Elemente
auch eine andere, als die vom Vorderrichter daraus gezogene
fSchlussf olger ung zulassen, wenn man je nach der Würdigung,
die man diesen Elementen zu teil werden lässt, unter Um-
ständen auch zu einem andern Ergebnis gelangen kann. Die
Würdigung des thatsächlichen Prozessmaterials nach seinem
Beweiswert und seiner Beweiskraft ist gerade die den kan-
tonalen Gerichten ausschliesslich überlassene Thätigkeit, und
das Bundesgericht ist an deren Feststellungen auch dann ge-
bunden, wenn es sich um solche thatsächliche Schlussfolge-
rungen handelt, zu denen es selbst vielleicht bei eigener Wür-
digung des Prozessstoffes nicht gelangt wäre. Von Akten-
widrigkeit kann vielmehr erst dann gesprochen werden, wenn
der kantonale Richter das vorhandene Prozessmaterial gar
nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, sei es, dass
er die thatsächlichen Annahmen auf Material stützt, das nicht
Prpzes8material ist, oder dass der Richter wirkliches Beweis-
material übergangen und nicht in Betracht gezogen hat, und
deshalb im einen oder andern Falle zu einer tatsächlicher.
Annahme gelangt ist, zu der er unter Berücksichtigung des
Aktenmaterials nicht hätte gelangen sollen.
3. Wenn auch vielleicht nicht für jedermann das Ab-
steigen von einem fahrenden Tramwagen den Vorwurf eige-
nen Verschuldens begründet, und wenn auch wohl mit Rück-
sicht hierauf, wie die erste Instanz berichtet, durch Anschläge
in den Tram wagen das Absteigen von fahrenden Wagen nicht
verboten, sondern nur davor gewarnt ist, so muss doch ge-
sagt werden, dass eine 54-jährige Frau, wenn sie von einem
fahrenden Tramwagen absteigt, eine Unvorsichtigkeit begeht,
und dass die daraus sich ergebenden Folgen von ihr selbst
zu tragen sind. Abgesehen davon, dass die Bekleidung der
freien Bewegung einigermassen hinderlich ist, ist jedenfalls
bei Frauen vom Alter der Klägerin nicht mehr die Gewandt-
heit und Rüstigkeit vorhanden, die unter Umständen bei Jün-
gern Personen ein derartiges Unterfangen als gefahrlos er-
scheinen lassen mögen. (Entsch. vom 28. Dezember 1898
i. S. Kuhn- Jäger c. Zürcher Strassenbahnaktiengesellschaft.
49. Bundesgeselz betreffend die Haftpflicht, aus Fabrikbetritb
vom 25. Juni 1881y Art. 2. Bundesgesetz betreffend die Ausdeh-
71
nnng der Haftpflicht u. s. f. vom 26. April 1887, Art. 3, 4. Begriff
des Betriebsunfalls. Höhere Gewalt?
Der als Fahrknecht bei dem Beklagten, Bierbrauer Z.,
angestellte W. K. hatte, da eines der ihm anvertrauten Pferde
wegen Platzmangels im eigenen Stalle der Brauerei in einem
fremden Stalle hatte untergebracht werden müssen, dasselbe
jeweilen morgens dort abzuholen und abends dorthin zurück-
zubringen und zu futtern. Als er am Abend des 24. No-
vember 1897 von letzterer Beschäftigung zurückkehrte, um
in dem Stalle der Bierbrauerei die übrigen seiner Obhut an-
vertrauten Pferde zu besorgen, wurde er auf der öffentlichen
Strasse von einem Fuhrwerke, dessen Pferde aus unbekannter
Ursache scheu geworden waren, überfahren und getötet. Die
von seinen Hinterlassenen gestützt auf das erweiterte Haft-
pflichtgesetz gegen seinen Dienstherrn erhobene Schaden-
ersatzklage wurde vom Bundesgerichte gutgeheissen, im wesent-
lichen mit der Begründung:
1. Der Gedanke, das Kriterium des Betriebsunfalles liege
darin, dass die besondere Gefährlichkeit des Betriebes den
Unfall verursacht haben müsse, ist vom Gesetzgeber im Fabrik-
haftpflichtgesetze selbst nicht durchgeführt und im erweiter*
ten Haftpfiichtgesetze jedenfalls nur in beschränktem Umfange
festgehalten worden. Zunächst verlangt das Fabrikhaftpflicht-
gesetz selbst nicht, dass der Betrieb die unmittelbar wirkende
Ursache des Unfalls sei, dass sich dieser aus dem Betriebe
heraus entwickelt haben müsse, und es erscheint die Haft-
pflicht auch nach diesem Gesetze nicht schlechthin als aus-
geschlossen, wenn eine äussere, dem Betriebe an sich fremde
Ursache hinzutreten musste, um den Erfolg herbeizuführen.
Es ergiebt sich dies ohne anderes daraus, dass höhere Gewalt
und Verbrechen und Vergehen dritter Personen als Haft-
befreiungsgründe aufgeführt sind. Seitdem ferner die
Haftpflicht gesetzlich auf bloss mittelbar mit dem Betrieb des
Unternehmens im Zusammenhang stehende Dienst Verrichtungen
und auf blosse Hilfsarbeiten (Art. 3 und 4 des erweiterten Haft-
pflichtgesetzes vom 26. April 1887) ausgedehnt worden ist, kann
dieselbe überhaupt nicht mehr davon abhängig gemacht werden,
dass die Gefahr als solche, aus der der Unfall entstand, eine
außergewöhnliche, nur eine in dem betreffenden Gewerbe-
betriebe sich bietende sei, sondern es genügt unter allen Um-
ständen, um den Arbeiter des besondern Schutzes der Haft-
pflichtgesetze teilhaftig werden zu lassen, wenn er infolge
seiner Dienstverrichtungen einer an sich gewöhnlichen, nicht
ausserordentlichen Unfallsgefahr in höherem Masse ausgesetzt
1
72
ist, als wenn er nicht im Dienste des betreffenden Unter-
nehmens stünde, und wenn sich dann während der Arbeit
diese Gefahr verwirklicht. Dieser Fall liegt hier vor. K. war
für einen Teil seiner Dienstverrichtungen auf die öffentliche
Strasse angewiesen. Er war deshalb infolge seiner Anstellung*
im Geschäfte der Beklagten den gewöhnlichen Gefahren der
Strasse, wozu namentlich auch die Gefahr einer Kollision mit
Fuhrwerken gehört, in höherem Masse ausgesetzt, als die
meisten andern Leute, die die Strasse benutzen. Der Unfall,
der ihn auf seinem Dienstgange betroffen hat, ist deshalb als
Betriebsanfall anzusehen, auch wenn man die bloss zeitliche
und örtliche Goincidenz nioht genügen lassen, sondern noch
eine nähere Beziehung des Betriebs zu der Gefahr, aus der
der Unfall entstand, verlangen will.
2. Mit der Einrede der höhern Gewalt vermag der An-
spruch der Kläger auf Ersatz des ihnen duroh den Unfall er-
wachsenen Schadens nicht beseitigt zu werden. Wenn das
Ereignis auch für die Beklagten als schlechthin unabwendbar
sich darstellt, so lag es doch, wie die Vorinstanzen richtig
ausführen, innerhalb menschlicher Berechnung und Voraus-
sicht. Die Gefahr, der K. erlegen ist, war seiner Beschäfti-
gung im Dienste der Beklagten gleichsam inhärent, und es
können sich deshalb letztere nicht mit der Einrede der höhern
Gewalt von der Haftung befreien (vergi, den Entscheid des
Bandesgerichts in Sachen Meuli c. Graubünden, A.S. Bd XVII
S. 412 f.). (Entsch. vom 2. Februar 1899 i. S. Gebrüder Zeller
c. Krieger.)
50. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 58. Bundesgesetz betreffend Schuld-
betreibung und Konkurs vom 11. April 1889, Art. 85. Natur der
gemäss Art. 85 cit. erlassenen gerichtlichen Entscheidungen über
Einstellung oder Aufhebung der Betreibung, ob Haupturteilet
Durch Art. 85 cit. des Schuldbetreibungs- und Konkurs-
gesetzes wird dem Gerichte (und zwar offenbar dein Gerichte
des Betreibungsortes) die Aufgabe gestellt, auf Grund sum-
marischer, auf bestimmte Beweismittel (Urkunden) beschränk-
ter Prüfung, nicht über den Bestand des geltend gemachten
Anspruchs, sondern über Aufhebung oder Einstellung der Be-
treibung, also über eine rein prozessrechtliche Frage zu ent-
scheiden. Eine Entscheidung, durch welche auf Grund desArt.85
cit. die Aufhebung der Betreibung angeordnet ist, steht also
einer spätem Geltendmachung des betreffenden Anspruchs im
ordentlichen Verfahren nicht entgegen; es kann auf eine
Ï3
solche Entscheidung, welcher materiell nicht die Natur eine«
Urteils, sondern eines blossen Beschlusses zukommt, die Ein-
rede der abgeurteilten Sache nicht gestützt werden. Sie er-
scheint demgemäss nicht als Haupturteil und es kann gegen
sie die Berufung an das Bundesgericht nicht ergriffen werden.
(Entsch. vom 25. Januar 1899 i. S. Müller c. Ebersold.)
51. Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs
vom 11. April 1889, Art. 219, Klasse IV. Soweit (wie dies nach
zürcherischem Rechte der Fall ist) die Liegenschaften der Ehe-
frau in die Verwaltung des Ehemannes übergehen, gehören sie
zu dem zugebrachten Frauengute auch dann, wenn dem Ehemanne
ein Verfügungsrecht über dieselben, speziell das Recht, sie zu
veräussern, nicht zusteht. Im Konkurse des Ehemannes, in wel-
chem die Ehefrau sie als Eigentümerin zurücknimmt, ist ihr Wert
einerseits bei Feststellung der Frauengutsansprache mitzuberechnen,
andererseits auf den privilegierten Teil des letztern anzurechnen.
(Entsch. vom 24. Dezember 1898 i. S. Wipf c. Masse
Wipf.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
52. Verjährung von Deliktsansprüchen. Möglichkeit
der Belangung vor schweizerischen Gerichten. Art. 69, 153 Ziffer 6
0. R.
Zürich. Urteil des Bezirksgerichts W. und der App. -Kammer des Ober-
gerichts vom 1. März 1898 in S. Wegmann c. Büchi.
Am 15. Dezember 1876 entdeckte Frau Wegmann in
Neftenbach, dass in der ihr gehörigen Bergtrotte von bös-
williger Hand durch Herausnahme der Thürzapfen an den
Fässern sämtlicher Wein ausgelassen worden war. Auf ihre
Veranlassung wurde Straf Untersuchung wegen böswilliger
Eigentumsschädigung eingeleitet, zuerst gegen Küfer St.,
nachher im März 1878 gegen Jakob Büchi (den heutigen
Beklagten), aber beide Untersuchungen wurden Mangels
genügender Indicien sistiert. Auf neue Verdachtsgründe hin
wurde im November 1883 die Untersuchung gegen Büchi
wieder eingeleitet. Derselbe wurde verhaftet, dann gegen
Kaution auf freien Fuss gesetzt (Dezember 1883) und ver-
schwand darauf, ohne dass man erfuhr, wo er sich befinde.
1897 starb sein Bruder Albert Büchi und wurde von seinen
Geschwistern beerbt. Frau Wegmann erwirkte einen Arrest
74
auf die Erbquote des Jakob Büchi und betrieb dann den-
selben, resp. den ihm bestellten Vormund, Heinrich Buchi,
der aber Recht vorschlug. Die darauf von Frau W. erhobene
Klage wurde vom Bezirksgericht W. abgewiesen.
Gründe: Der Klage wird die Einrede der Verjährung
entgegengestellt. Sowohl nach dem alten Priv. Ges.-B. § 1064,
als nach Art. 69 0. R. in Verbindung mit § 52 litt, o und
§ 181 litt, b des Straf-G.-B. wäre die Verjährung in 10 Jahren
vollendet gewesen; da sie indess nach den Bestimmungen
des zürcherischen Rechtes im Zeitpunkt des Inkrafttretens
des eidgen. 0. R. (1. Januar 1883) noch nicht eingetreten war,
so richtet sie sich von da an nach den Vorschriften des
letztgenannten Gesetzes, insbesondere auch mit Rücksicht
auf die Frage, ob sie seither geruht habe, oder unterbrochen
worden sei. Die Klägerin macht geltend, die Verjährung sei
stillgestanden gemäss Art. 153 Ziff. 6 0. R., wonach dieselbe
ruht, so lange ein Anspruch vor einem schweizerischen Ge-
richte nicht geltend gemacht werden kann. Der Beklagte
wendet aber ein, es komme gar nicht darauf an, ob ein Öi-
8tierungsgrund an und für sich vorliege oder nicht, denn die
Verjährung trete jedenfalls in 10 Jahren ein, weil nach Art. 69
Abs. 2 die Verjährungsfrist für das betreffende Vergehen
massgebend sei, die nach § 52 litt, c des Str.-G.-B. 10 Jahre
betrage, und das Strafrecht das Ruhen der Verjährung nicht
kenne.
Nun ist richtig, dass dem zürcherischen Strafrecht eine
Hemmung der Verjährung im Sinne des Art. 156 Ziff. 6 0. R.
unbekannt ist, und da auch eine Unterbrechung der straf-
rechtlichen Verjährung nicht stattgefunden hat, so ist die
Strafklage in der That als verjährt zu betrachten und damit
auch die Ci vil klage, soweit nicht etwa nach Massgabe des
ersten Absatzes des Art. 69 die civilrechtliche Verjährung
noch nicht vollendet ist. Denn die strafrechtliche Verjährung
(Abs. 2 des Art. 69) kommt nur zur Anwendung, wenn die
civilrechtliche Verjährung (Abs. 1 des Art. 69) eine kürzere
ist. Nach Art. 69 Abs. 1 0. R. verjährt die Civilklage aus
unerlaubter Handlung in einem Jahre vom Tage an, wo der
Geschädigte Kenntnis von der Schädigung und der Person
des Thäters erlangt hat. Nun erlangte die Klägerin erst
durch die dritte Strafuntersuchung, die im Juli 1884 abge-
schlossen wurde, Kenntnis von der Person des Thäters, da-
mals erst fing also die einjährige Frist zu laufen an, und so-
fern die Verjährung durch die Flucht des Thäters und dessen
unbekannte Abwesenheit gehemmt war, wäre also selbst die
rfo
einjährige Verjährung noch nicht vollendet. Nun bestimmt
aber der zweite Satz von Art. 69 1. 1, dass jedenfalls die
Verjährung in 10 Jahren vom Tage der Schädigung eintrete.
Es fragt sich nun, ob diese Bestimmung auch die Hemmung
der Verjährung im Sinne des Art. 153 habe ausschliessen
wollen, oder ob diese Gesetzesstelle lediglich dahin auszu-
legen sei, dass die Ci vil klage nach 10 Jahren auch dann ver-
jähre, wenn der Geschädigte von der Schädigung und der
Person des Thäters keine Kenntnis gehabt habe, vorbehalt-
lich aber der Frage, ob die Verjährung unterbrochen worden
sei, oder geruht habe.
Der innere Zusammenhang des ersten und zweiten Satzes
des Art. 69 1. 1 spricht eher für die letztere Auffassung, über-
haupt will der Art. 69 wohl nur die Verjährungsfristen an
und für sich festsetzen, im übrigen aber speziell auch hin-
sichtlich der Unterbrechung und Hemmung der Verjährung
die allgemeinen Vorschriften des Art, 146 ff. angewendet wis-
sen. Es ist also eher anzunehmen, dass auch nach dem
zweiten Satz des Art. 69 1. 1 die Verjährung durch Ablauf
von 10 Jahren nicht vollendet ist, wenn ein Hemmungsgrund
im Sinne des Art. 156 0. R. vorhanden war. Demnach ist
zu untersuchen, ob ein Hemmungsgrund, speziell derjenige
des Art. 153 Ziff. 6 zutreffe.
Unter der Möglichkeit der Belangung vor einem schweize-
rischen Gericht im Sinne des Art. 153 Ziff. 6 0. K. ist aber,
wie der Beklagte mit Recht hervorhebt, wohl nur die recht-
liche Möglichkeit der Geltendmachung verstanden, und es
kann nicht darauf abgestellt werden, ob die Belangung einen
praktischen Erfolg hätte, d. h. darauf, ob exequierbares Ver-
mögen vorhanden sei oder nicht.
Inwiefern ein Anspruch vor einem schweizerischen Gericht
geltend gemacht werden kann, entscheiden die kantonalen
Prozessgesetze (vergi. Hafners Kommentar, Art. 153, Note 4).
Nach dem Gesetz betr. die Rechtspflege standen der .
Klägerin verschiedene Wege offen, um ihren Anspruch gel-
tend zu machen. So konnte sie den Beklagten gemäss § 209
Rpfl.-Ges. beim Gericht des letzten Wohnsitzes (Neftenbach)
belangen, da ja ein anderer Wohnsitz nicht bekannt war.
Ebenso konnte sie den Beklagten gestützt auf § 216 cit.,
wonach Klagen aus unerlaubten Handlungen und Vergehen
auch selbständig da angebracht werden können, wo diese be-
gangen worden sind, bei den hiesigen Gerichten verklagen.
Die Replik der Hemmung erscheint somit unbegründet und es
muse daher die Klage wegen Verjährung abgewiesen werden.
76
Die Appellationskammer des Obergerichtes bat diesen
Entscheid bestätigt, im wesentlichen aus den erstinstanz-
lichen Gründen, mit Zusätzen, die hier weggelassen werden
können. (Schweizer Blätter für h.-r. Entech., XVII S. 290 ff.)
53. Verjährung eines durch Strafurteil festgesetzten Civil"
anspruches. Auslegung von Art 69 0. R.
Zürich. Urteil der Appellationskammer des Obergerichts vom 15. Ok-
tober 1898 i. S. Erben Signer.
Der Beklagte wurde ira Jahre 1880 vom Obergericht des
Kantons Appenzell a./Rh. des Totschlags schuldig erklärt, zu
zwei Jahren Zuchthaus verurteilt und zugleich verpflichtet,
die Hinterla8senen des Getöteten mit 2500 Fr. zu entschädigen.
Nach Verbüs8ung der Strafe lebte der Beklagte bis zur heu-
tigen Stunde stets im Kanton Zürich. Seit dem Erlass des
Urteils war die Civilforderung dem Beklagten gegenüber bis
zum Frühjahr 1898 in keiner Form geltend gemacht worden.
Die Kläger stützen ihre Forderung auf Art. 44 des ap-
penzellischen Strafgesetzbuches, wonach bei einer rechtskräftig
erkannten Strafe eine Verjährung nicht eintrete, sowie auf
Art. 69 Abs. 2 0. R.
Der Beklagte hielt der Klage die Einrede der Verjäh-
rung entgegen.
Die erste und zweite Instanz erklärten die Einrede als
begründet; die letztere aus folgenden
Gründen: 1. Es kann sich in erster Linie fragen, ob
hinsichtlich der Verjährung der klägerischen Forderung, nach-
dem dieselbe s. Zt. durch rechtskräftiges Urteil des zustän-
digen Richters festgestellt worden ist, noch überhaupt etwas
auf den ursprünglichen Entstehungsgrund des Anspruchs an-
komme. Die Frage müsste selbstverständlich verneint wer-
den, wenn in dem eine Forderung schützenden gerichtlichen
Urteile eine Novation derselben zu erblicken wäre. Das ist
indessen keineswegs der Fall, vielmehr kann dem Urteil nur
eine deklaratorische Bedeutung beigemessen werden, so dass
es 8 ich nach wie vor um den nämlichen, nunmehr allerdings
rechtskräftig konstatierten Anspruch handelt. Wenn nun
Alt. 157 0. R. vorschreibt, dass mit jeder Verfügung oder
Entscheidung des Richters „die Verjährung von neuem be-
ginne," so kann das nicht anders verstanden werden, als da-
hin, dass dem Anspruch mit der gerichtlichen Feststellung
desselben wieder die gleiche Verjährung wie die ursprüng-
liche, seiner Natur entsprechend, laufe. (Vergi, in dieser Be-
ziehung die Ausführungen des Bundesgerichts im Entscheide
i. S. Erzinger, Bd XX, S. 1020 Erwägung 2.)
2. Der Auffassung des Vorrichters, dass Art. 69 AI. 2
0. R. die Geltendmachung des aus einer strafbaren Handlung
hergeleiteten Civilanspruchs nur für so lange sichern wolle,
als die Möglichkeit der Strafverfolgung bestehe, bezw. das
Recht zur letztern nicht konsumiert sei, kann zweitinstanzlich
nicht beigetreten werden. Nach dem klaren Wortlaut der
Bestimmung soll in den Fällen, in denen der Strafanspruch
des Staats in einer längern Zeit als der in Art. 69 AI. 1 0. ß.
vorgesehenen verjährt, die gleiche längere Verjährungsdauer
auch für den aus der betreffenden Handlung resultierenden
Schadenersatzanspruch gelten, ohne dass dabei irgendwie Ge-
wicht darauf gelegt wird, ob die Strafverfolgung bereits statt-
gefunden hat oder nicht. Für eine Behandlung der Sache
im letztern Sinne hätten auch keine inneren Gründe vorge-
legen, da ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Civil-
anspruch und dem Recht zur Strafverfolgung nicht besteht.
Allerdings liess sich der Gesetzgeber bei der Vorschrift wohl
von dem Gedanken leiten, dass es richtig sei, eine gewisse
Uebereinstimmung zwischen der civilrechtlichen und der straf-
rechtlichen Verjährung zu schaffen. Diese Erwägung konnte
aber naturgemäss nicht dazu führen, das Bestehen des Straf-
anspruchs irgendwie zur Voraussetzung für die Fortexistenz
des Civilanspruchs zu machen, sondern es konnte sich nur
darum handeln, die Verjährungsdauer für die Schadenersatz-
forderung nicht kürzer als da, wo strafbare Handlungen in
Frage kommen, angemessen zu erstrecken.
. 3. Dass Art. 69 AI. 2 0. R. nicht nur da Anwendung
finden will, wo das kantonale Strafrecht eine „längere" Ver-
jährung vorschreibt, sondern auch in den Fällen, in denen
die Strafthat überhaupt nicht verjährt, darf ohne weiteres
angenommen werden. Es wäre daher an sich nach dem Ge-
sagten davon auszugehen, dass der klägerische Schadener-
satzanspruch nach den Bestimmungen des schweizerischen
Obligationenrechts keiner Verjährung unterworfen gewesen
sei, da § 4 des appenzellischen Strafgesetzbuches für alle Ver-
brechen — zu denen auch der Totschlag gehöre — die Un-
verjährbarkeit ausspricht. Allein nun darf nicht ausser Acht
gelassen werden, dass Art. 6i) AI. 1 0. R. zwei Verjährungs-
fristen statuiert. Einmal soll der Schadenersatzanspruch durch
die gewöhnliche zehnjährige Verjährung beseitigt werden,
deren Beginn einfach mit der Schädigung zusammenfällt; so-
dann aber geht der Anspruch auch innerhalb dieser Verjäh-
rungszeit unter, wenn der Geschädigte ihn nicht binnen eines
Jahres von dem Tage, an welchem ihm die Schädigung und
78
die Person des Thäters bekannt geworden sind, geltend macht.
Es kann nun nicht als Meinung des Gesetzes angesehen wer-
den, da8s auch diese letztere einjährige Verjährung durch die
Bestimmung des Art. 69 AI. 2 berührt werde. Aus dein Wort-
laut desselben ergiebt sich das nicht, da der ganze zweite
Absatz des Art. 69 grammatikalisch sehr wohl nur auf den
Schiusa des ersten Absatzes („jedenfalls aber mit dem Ablauf
von 10 Jahren etc.a) bezogen werden kann, und da man ea
bei der für die Ansprüche aus strafbaren Handlungen aufge-
stellten Vorschrift mit einer Ausnahmebestimmung zu thun
hat, wird man das Gesetz hier nach allgemeinen Grundsätzen
enge interpretieren müssen. Dazu kommt, dass der Beginn
der strafrechtlichen Verjährung (an die „Verwirkung" des
Strafantrages ist hier offenbar nicht zu denken) zwar der
nämliche ist, wie bei der zehnjährigen Verjährung des Art. 69
AI. 1, keineswegs aber mit demjenigen der einjährigen Ver-
jährung zusammentrifft. Man konnte also, wenn es sich ledig-
lich darum handelte, die Zeitdauer der Verjährung zu er-
strecken (eine „längere" Frist zu bestimmen), nur die im
Strafrecht vorgesehene Zeit und die zehnjährige Periode des
Art. 69 AI. 1 einander gegenüberstellen. Uebrigens ist auch
zu beachten, dass, wenn man die beiden Verjährungsbestiui-
mungen dieses ersten Absatzes von Art. 69 zusammennehmen
wollte, die strafrechtliche Verjährung — man denke z. B. an
die fünfjährige des § 52 litt, d des zürcherischen Strafgesetz-
buches — zugleich kürzer und länger sein könnte als die
der Regel nach für Forderungen aus Art. 50 ff. 0. R. vorge-
sehene, kürzer mit Bezug auf die zehnjährige, länger hin-
sichtlich der einjährigen Verjährung. In solchen Fällen wäre
dann gar nicht zu entscheiden, ob die Frist des Strafrechts
gelten oder an den allgemeinen Grundsätzen des Art. 69 AI. 1
festgehalten werden solle. Höchstens könnte man annehmen,
dass dann neben der zehnjährigen Verjährung die einjährige
mit der Modifikation zur Anwendung komme, dass sie vor
Ablauf der strafrechtlichen Verjährung nicht zu Ende gehe.
Allein für eine solche Kombination der drei Verjährungen
bietet das Gesetz doch keine Anhaltspunkte, vielmehr ist die
natürliche Auslegung die, dass einfach die zehn Jahre des
Art. 69 AI. 1 durch die längere Frist des Strafrechts ersetzt
werden sollen. Für diese Interpretation, — die auch in der
Doktrin (vergi. Martin in der Zeitschrift für Schweiz. Recht
N. F. Vili S. 43) verfochten wird — lässt sich schliesslich
auch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung heranziehen.
In der früheren Fassung statuierte der erste Absatz des Ar-
T9
likel8 nämlich nur eine, mit der Begründung des Anspruchs
beginnende Verjährung von zwei Jahren, und es war hier
natürlich ganz klar, dass sich der Vorbehalt des zweiten Ab-
satzes einzig und allein auf die dem Schadenersatzanspruch
von Anfang an — ohne Rücksicht auf das Bekanntsein der
Schädigung und des Thäters — laufende Verjährung bezog.
Es liegt nun nichts dafür vor, dass der Sinn dieses zweiten
Absatzes später ein anderer geworden ist, wenn auch im
ersten Teil der Bestimmung neben der Umänderung der zwei-
jährigen Fri st in eine zehnjährige noch die Festsetzung einer
zweiten, sich von der ersten in den Voraussetzungen ganz
unterscheidenden Verjährung erfolgte; man wird daher an-
nehmen können, dass sich die Modifikation nach wie vor nur
auf die erste Art der Verjährung (die vom Moment der
Schädigung an laufende) bezieht, mit dem alleinigen Unter-
schiede, dass das Strafrecht nunmehr nur in Betracht kommt,
wenn die von ihm vorgesehene Verjährung der Strafthat 10
(statt 2) Jahre übersteigt.
4. Trifft das Gesagte zu, so ist das erstinstanzliche, die
Klage abweisende Urteil zu bestätigen. Denn da die Kläger
bereits im Jahre 1880 von der Schädigung und der Person
des Thäters Kenntnis hatten, ist die Verjährung ihrer Schaden-
ersatzansprüche mit dem 1. Januar 1884 eingetreten (vergi. Art.
883 AI. 2 0. B.). (Schweizer Blätter f. h.-r. Entech., XVII S. 306 ff.)
54. Cautionnement. Diminution des sûretés garantissant
la dette. Faute du créancier ou de ta caution t Art. 508 C. 0.
Genève. Jugement de la Cour de justice civile du 19 novembre 1898
d. 1. c. Compagnie industrielle c. Permezel.
Permezel est propriétaire d'un immeuble loué à la Com-
pagnie industrielle et sous- loué par celle ci à Feldmann. Par
un acte sous seing privé passé entre ces trois parties il a été
convenu que la location était transmise à Feldmann et que
la Compagnie industrielle so portait fort et garante solidaire
de Feldmann tant pour le paiement du loyer que pour la
pleine et entière exécution des clauses contenues dans le bail.
Le 3 février 1898, Permezel a assigné Feldmann et la Com-
pagnie industrielle pour s'entendre condamner solidairement
à lui payer 885 fr. pour un semestre de loyer, du 1er janvier
au 1er juillet 1898. La Compagnie industrielle a opposé qu'étant
liée comme caution solidaire elle pourait se prévaloir de
l'art. 508 C. 0., en vertu duquel le créancier ne peut, sans
engager sa responsabilité à l'égard de la caution, diminuer,
au préjudice de celle-ci, les sûretés qui garantissaient la dette,
80
car il avait négligé d'exercer son droit de rétention sur les
meubles qui garnissaient les locaux et les avait laissé en-
lever par Feldmann. A l'appui de ce moyen de défense, la
Compagnie industrielle a offert de prouver que Feldmann avait
garni les locaux de meubles suffisants pour garantir le paie-
ment de son loyer et que, par suite de la négligence de Per-
mezel, celui-ci avait pu sortir ces meubles des locaux.
Le Tribunal de lre instance a condamné la Compagnie in-
dustrielle au paiement de la somme réclamée; quant au moyen
de défense proposé par la Compagnie, il se prononce ainsi:
la preuve qu'elle offre n'est pas pertinente, car la disposition
de l'art. 508 prévoit le cas où le créancier, par un acte vo-
lontaire, diminuerait les sûretés qui garantissaient la dette,
mais elle est inapplicable au cas où cette diminution de sûretés
n'est pas le fait du créancier. La Cour a confirmé ce juge-
ment tout en modifiant ce motif. Elle dit:
La Compagnie industrielle s'est portée fort et garante
solidaire de Feldmann pour la pleine et entière exécution des
clauses du bail;
Parmi ces clauses figure l'obligation du locataire de garnir
les emplacements loués en quantité suffisante d'objets mobi-
liers pour garantir les loyers courus et à courir.
11 lui incombait donc la charge de veiller à ce que Feld-
mann se conformât à cette obligation.
Dès lors, quoiqu'il soit inexact de dire, comme les pre-
miers juges, que la disposition de l'art. 508 n'est applicable
que lorsque le créancier a, par un acte de volonté, diminué
les sûretés qui garantissaient la dette, et non lorsqu'il les a
laissé diminuer par une simple négligence, toutefois, dans
les circonstances de la cause, l'appelante (Comp, ind.) ne peut
pas se prévaloir de cette négligence, puisqu'il lui incombait,
en première ligne, de veiller à ce que Feldmann garnisse
les emplacements loués de meubles suffisants pour garantir
le paiement des loyers. (La Semaine judiciaire, XXI p. 12 sa.)
55. Verzinsung der durch Verluste verminderten
Kommanditsumme. Tragweite des bezüglichen Verbotes in
Art. 605 0. Ä.
Battelstadt. Urteil des Appellationsgeriehts vom 20. Februar 1899
in S. Merian c. Beutel & Cie.
Ein Kommanditär klagte gegen die Gesellschaft auf Zah-
lung der Zinsen aus seinem Kommanditkapital. Die Beklagte
verweigerte die Bezahlung, weil dadurch die Kommandit-
summe vermindert würde, gestützt auf Art. 605 O. R. Das
81
Civilgericht spraoh dem Kläger die verlangten Zinsen zu,
weil „dieses Verbot des Art. 605 nicht so zu verstehen sei,
dass dem Kommanditär bei der erwähnten schlechten Finanz-
lage der Gesellschaft überhaupt nicht gestattet wäre, Zinsen
zu beziehen; der auf das Verbot folgende Absatz 3 von
Art. 605, wonach der Kommanditär für die Verbindlichkeiten
der Gesellschaft haftet, wenn und soweit er dem Verbote
entgegen Zahlungen von ihr empfangen hat, weise vielmehr
darauf hin, dass auf die Gefahr der Haftung hin die Zinsen
bezogen werden dürfen, dass also im Grunde gar kein striktes
Verbot gegen den Zinsbezug vorliege."
Das Appellationsgericht erwog zunächst die Frage, ob
die Klage richtigerweise gegen die Gesellschaft angestellt
worden sei, oder ob sie nicht vielmehr gegen den Komple-
mentär hätte erhoben werden sollen. Es liess die Frage un-
beantwortet, da in casu, wo nur ein Komplementär und nur
ein Kommanditär vorhanden, das Resultat das gleiche ge-
wesen wäre, lieber das Prinzip des Art. 605 aber war es
entgegengesetzter Ansicht und wies die Klage auf die Zins-
zahlung ab.
Motive: Aus dem Umstände, dass der Art. 605 0. R.
unter der Rubrik „Verhältnis der Kommanditgesellschaft zu
Dritten" steht, scheint allerdings auf den ersten Blick ge-
schlossen werden zu müssen, dass dieser Artikel sich nicht
auf das interne Verhältnis der Gesellschafter unter sich
beziehe, sondern nur die Gläubiger der Gesellschaft betreffe,
der Komplementär daher sich nicht auf diese Bestimmung
berufen könne, sondern die Kommanditsumme verzinsen
müsse, auch wenn dieselbe geschmälert sei. Dies könnte da-
durch noch seine Bestätigung finden, dass für das innere Ver-
hältnis unter den Kommanditgesellschaften! der Art. 594 auf
die Art. 556—558 verweist, dort aber (in Art. 557, Abs. 2)
vorgeschrieben ist, dass ein Kollektivgesellschafter im Falle
der durch Verluste eingetretenen Verminderung seines Ein-
lagekapitals bis zu dessen Wiederergänzung keinen Anspruch
auf Auszahlung seines Gewinnanteils habe, dagegen von den
Zinsen nicht gesprochen wird.
Das Appellationsgericht kann aber dieser Auffassung
des Art. 605 trotzdem nicht beipflichten. Schon die absolute
Fassung dieses Artikels, das absolute Verbot an den Kom-
manditär, Zinsen zu beziehen, spricht dagegen, dass der Kom-
plementär von ihm dazu genötigt werden könnte. Ja man
mu88 sogar sagen, gerade der Umstand, dass der Gesellschaft
dieses Verbot gegenüber Dritten, nach aussen, unbedingt auf-
82
erlegt ist, schliesse mit Notwendigkeit auch dessen unbe-
schränkte Geltung unter den Gesellschaftern selbst in sich,
weil es sonst, wenn die Gesellschafter es unter sich nicht be-
obachten, auch für die Dritten illusorisch werden könnte.
Denn offenbar würde der vom Gesetz beabsichtigte Zweck
eines Schutzes der Gläubiger nur sehr unvollkommen er-
reicht, wenn man den Artikel bloss in obiger Beschränkung
anwendbar erklären würde, indem die Haftbarkeit des Kom-
manditär8 für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Falle
widerrechtlich bezogener Zinsen unter Umständen, z. B. bei
Insolvenz des Kommanditärs, den Gläubigern nichts nützt
und die Gläubiger erst dann gesichert sind und erst dann
des Art. 605 sich getrösten können, wenn sie darauf ver-
trauen dürfen, dass auch der Komplementär daran gebunden
ist und sich gegenüber Zumutungen des Kommanditärs dar-
auf berufen kann, dass er keine Zinsen auszahlen dürfe.
Hauptsächlich aber wäre es ein auffallender Widerspruch,
dass der Komplementär von dem Kommanditär sollte ge-
zwungen werden können, eine Handlung vorzunehmen, die
gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ein Unrecht ist. Der
Komplementär hat das erste Recht und die erste Pflicht,
darüber zu wachen und dafür zu sorgen, dass die Gesell-
schaft den Gläubigern gegenüber korrekt handle, und er
käme mit seinem Gewissen und seiner kaufmännischen Red-
lichkeit in einen seltsamen Konflikt, wenn er an den Kom-
manditär Zinsen zahlen müsste, wo er weiss, dass er damit
die Gläubiger beeinträchtigt.
56. Ehescheidung. Gänzliche Scheidung auf Begehren
des schuldhaften Ehegatten gegen den Willen des beleidigten Ehe-
gatten, wiefern statthaft ? Art. 46, 47 B.-Oes. betr. Civilstand und
Ehe vom 24. Dezember 1874.
St. Gallen. Urteil des Kantousgerichts vom 21. /22. März 1898.
Die im Kanton St. Gallen heimatberechtigten, in Neapel
wohnhaften Eheleute X. haben vor dem zuständigen italie-
nischen Civilgerichte jedes gegen das andere die in Art. 148
des C. c. ital. vorgesehene Klage auf separazione personale
(lebenslängliche Trennung von Tisch und Bett unter Fortbe-
stand des Ehebandes) anhängig gemacht. Während der Pro-
zess vor dem italienischen Gerichte noch anhängig war, klagte
der Ehemann in St. Gallen auf gänzliche Scheidung, wogegen
die Ehefrau die Rechtshängigkeit der Sache vor fremdem
Gerichte geltend machte. Mit dieser Einwendung zurückge-
wiesen, erklärte sie, dass sie sich der gänzlichen Scheidung
83
widersetze, aber mit einer lebenslänglichen Trennung von Tisch
und Bett einverstanden sei, alles das ausschliesslich aus religiösen
Gründen. Sie motivierte das so : der Ehemann hat mich durch
^den von ihm verübten Ehebruch dergestalt entehrt, que vivre
auprès de cet homme serait impossible pour moi. Si je ne
consens pas au divorce, ce sont uniquement mes sentiments
religieux qui me le défendent. Das Kantonsgericht hat dem
Antrag des Klägers entsprechend die definitive Scheidung
ausgesprochen. Aus der Begründung teilen wir das Wesent-
liche mit:
Durch die bestimmten Erklärungen der Beklagten er-
scheint jegliche Aussicht auf Versöhnung und auf nachherige
Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens von vorne-
herein als ausgeschlossen. — Die Gewissheit einer Nicht-
wiederaufnahme seitens der Beklagten nach Ablauf einer
eventuellen Trennung auf 2 Jahre, oder nach einfacher Ab-
weisung der Scheidungsklage des Mannes ergiebt sich aber
auch aus der Thatsache, dass die Beklagte, gleichzeitig neben
dem Prozessverfahren vor ihrem heimatlichen ßiohter über
Scheidung, vor ihrem Wohnsitzrichter in Italien als Klägerin
auf lebenslängliche separazione personale Klage angehoben
hat und diese Klage nötigenfalls durch alle Instanzen durch-
zuführen entschlossen scheint, so dass, wenn sie dabei ge-
schützt wird, an eine Wiederaufnahme der ehelichen Gemein-
schaft gar nicht zu denken ist.
Es entsteht nun die Frage, ob der Mann mit seiner
Klage aus Art. 47 nicht dennooh abgewiesen werden müsse,
da er als der schuldhafte Teil anerkannt werden muss.
Das B.-Gericht hat zu wiederholten Malen (amtl. Samml. IT,
-S. 274, Erw. 3; III, S. 380, Erw. 3; S. 397, Erw. 4; IX, S. 549,
£rw. 2, 3) die Rechtsauffassung als unrichtig erklärt, „als ob
der Art. 47 auch denjenigen Ehegatten, welcher die Zerrüt-
tung des ehelichen Verhältnisses ganz oder doch hauptsäch-
lich verschuldet hat, zur Scheidungsklage berechtige." Aber
in allen diesen Fällen hat der schuldlose, beleidigte Gatte,
-dem seinerseits ein Anspruch auf gänzliche Scheidung nicht
hätte aberkannt werden können, die Zustimmung zu der vom
schuldhaften Gatten nachgesuchten Soheidung nur in dem
Sinne verweigert, entweder um das eheliche Zusammenleben
fortzusetzen, oder um — in den in Art. 63 B.-Ges. vorge-
sehenen Fällen — eine vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes
gerichtlich erkannte dauernde oder zeitliche Scheidung von
Tisch und Bett fortbestehen zu lassen. Von diesen beiden
Voraussetzungen liegt hier keine vor.
84
Die Beklagte, ihrerseits zur Klage auf Scheidung zweifei*
los berechtigt, erklärt sich mit der vom Kläger nachgesuchten
Scheidung nicht einverstanden, aber nicht um das eheliche
Zusammenleben wieder aufzunehmen und fortzusetzen, son-
dern einzig aus religiösen Rüoksichten, im Sinne und behufs
einer lebenslänglichen Trennung von Tisch und Bett unter
Fortbestand des Ehebandes.
Die Gewissheit, dass bei Abweisung der Scheidungsklage
die eheliche Gemeinschaft unter diesen Gatten jedenfalls nicht
wieder aufgenommen, sondern auf Lebenszeit gelöst bleiben,,
dass dadurch ein Zustand geschaffen wird, der mit dem Fort-
bestande, mit dem Wesen der Ehe unvereinbar ist, muss da-
zu führen, den Kläger bei seiner Klage auf Scheidung zu
schützen, wiewohl er am ehelichen Zerwürfnis, an der daraus
für die Beklagte entstandenen Unmöglichkeit, die eheliche
Gemeinschaft wieder herzustellen, die Hauptschuld trägt.
Der Art. 44 B.-Ges. über Civilstand und Ehe lässt dar-
auf schlie8sen, dass es nach gerichtlicher Abweisung einer
vom schuldhaft erklärten Ehemanne angestrengten Klage auf
Scheidung nicht in das einseitige Belieben der Ehefrau, wel-
che die Scheidung bekämpft hat, gelegt sein könne, die
Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens zu ver«
weigern.
Da die durch Ehebruch des Mannes beleidigte Ehefrau,
die von ihrem gesetzlichen Anspruch auf Scheidung wirklich
Gebrauch machen will, erst nach Anhebung der Klage und
nur kraft richterlicher Bewilligung das Recht erwirbt, ge-
sondert vom Manne zu leben, so kann dieses Recht derjenigen
nicht zukommen, die sich durch Ehebruch seitens des Mannes
beleidigt glaubt, aber, anstatt auf Scheidung zu klagen, es
vorzieht, ohne richterliche Bewilligung vom Manne eigen-
mächtig fortzugehen und ihm die eheliche Folge zu verwei-
gern ; noch auch kann dieses Recht, dem Manne die eheliche
Folge und Gemeinschaft zu verweigern, derjenigen zukommen,
die (wie die Beklagte) gegenüber dem Scheidungsbegehren
des schuldhaften Ehemannes am Fortbestande des Ehebandes
festhalten wollte und dabei gerichtlich geschützt würde.
Daran vermögen auch die spezifisch katholischen Gesichts-
punkte und Bedenken nichts zu ändern, von denen sich die
Beklagte gegenüber dem Scheidungsbegehren des Klägers hat
leiten lassen.
(Entsoh. des Kantonagericht» St. Gallen i. J. 1898, S. 29 ff.)
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichtes.
57. Bundesgesetz betr. die Organisafion der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 58 Abs. 1. Bundesgesetz betreffend
Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889, Art. 265. Ent-
scheidungen darüber, ob ein in Konkurs gefallener Schuldner seit-
her zu neuem Vermögen gekommen sei, sind auch dann, wenn sie
im ordentlichen Prozesse ausgefällt wurden, keine Haupturteile
und unterliegen daher der Berufung an das Bundesgericht nicht.
(Entsch. vom 29. April 1&99 i. 8. Hintze c. Gebr. Reich-
stein.)
58. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 62. Bundesgesetz betr. die Er-
findungspatente vom 29. Juni 1888, Art. 30 Abs. 2. Voraussetz-
ungen der Berufung an das Bundesgericht in Patentstreitigkeiten
und Verfahren bei solchen.
Nach Art. 30 Abs. 2 des Patentgesetzes und Art. 62 des
Organisationsgesetzes findet in civilrechtlichen Streitigkeiten
betreffend die Erfindungspatente die Berufung an das Bundes-
gericht ohne Rücksicht auf den Streitwert statt, und diese
Vorschrift findet ganz allgemein, also auch dann Anwendung,
wenn eine (bezifferte) Entschädigungsforderung gestellt wird,
nicht nur bei Nichtigkeitsklagen und sonstigen Klagen, bei
denen der Streitwert nicht ziffer massig festgestellt werden
kann. Auch ist in solchen Fällen das mündliche Verfahren,
als das regelmässige, auch bei einem Streitwerte von unter
2000 Franken anzuordnen. (Entsch. vom 28. Januar 1899
i. 8. Baumann c. E. Oederlin & Cie.)
59. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 81. 0. R. Art. 24, 346. Inwie-
fern ist die Frage des Kausalzusammenhangs Thatfragei Kausa-
lität des dolus; Beweislast. — Bedeutung falscher Angaben, welche
ein Arbeiter bei Abschluss eines Dienstvertrages über seine bis-
7
86
herigen Lohnverhältnisse macht. — Wichtige Gründe für vor-
zeitige Aufhebung eines Dienslvertrages.
Die beklagte Firma hat den Kläger durch Vertrag vom
22. August 1897 als Sertisseur in ihrer Uhrenfabrik für die
Dauer von sechs Jahren vom 11. September 1897 an gegen
einen Taglohn von Fr. 8, bezw. gegen einen nachher zu ver-
einbarenden, jedoch nicht unter Fr. 8 betragenden Stücklohn
angestellt. Sie entliess ihn jedoch bereits auf l. November
1897. Der auf Bezahlung einer Entschädigung von Fr. 6000
samt Zins gerichteten Klage desselben stellte die Beklagte
in erster Linie die Einrede des Betrugs entgegen, indem sie
behauptete, der Kläger habe ihr beim Vertragsabschlüsse
wissentlich falsche Angaben einerseits über seine beruflichen
Fähigkeiten, andererseits über den von ihm bisher bezogenen
Lohn (den er auf Fr. 8 per Tag angegeben habe, während
er thatsächlich höchstens Fr. 6.50 im Tag verdient habe)
gemacht; sie sei durch diese falschen Angaben zum Vertrags-
abschlüsse bestimmt worden und der Vertrag sei daher für
sie unverbindlich. Eventuell machte die Beklagte geltend,
sie sei zu vorzeitiger Entlassung des Klägers aus wichtigen
Gründen gemäss Art. 346 0. R. berechtigt gewesen. Das
Obergericht des Kantons Solothurn hat die Klage abgewiesen,
da es die Einrede des Betrugs für begründet erachtete. Hin-
sichtlich seiner beruflichen Fähigkeiten zwar habe der Kläger
keine falschen Angaben gemacht, da er die bei dem Vertrags-
abschlüsse zugesicherten technischen Fähigkeiten wirklich be-
sitze; wohl aber hinsichtlich seiner frühern Lohnverhältnisse,
und diese falschen Angaben seien für den Vertragsabschluss
kausal gewesen. Die Beklagte habe, indem sie sich zur Ge-
währung eines Taglohnes von wenigstens Fr. 8 und einem
Engagement auf sechs Jahre entschloss, einen ganz vorzüg-
lichen Sertisseur engagieren wollen. Hätte der Kläger bei
Eingehung des Vertrages wahrheitsgetreu gesagt, er habe bis
dahin bloss Fr. 6. 50 im Maximum verdient, so sei wohl an-
zunehmen, dass er von der Beklagten gar nicht angestellt
worden wäre. Denn gerade in den Spezialbranchen der Uhr-
macherei könne aus der Höhe des Lohnes auf die Qualität
des Arbeiters geschlossen werden.
Das Bundesgericht hat auf Gutheissung der Klage in
dem (mit Bücksicht auf das nicht vorwurfsfreie Verhalten
des Klägers reduzierten) Betrage von Fr. 1000 erkannt. Aus
den Gründen seiner Entscheidung ist hervorzuheben:
Wenn der Vertreter der Beklagten sich in seinem heu-
tigen Vortrag in erster Linie auf den Standpunkt gestellt
87
hat, dass das Bundesgericht an die Entscheidung der Vor-
instanz, dass die falsche Angabe des Klägers über seine
frühern Lohn Verhältnisse für den Vertragsschi uss kausal ge-
wesen sei, als eine thatsächliche Feststellung, gemäss Art. 81
Organisations-Gesetzes gebunden sei, so kann ihm hierin nicht
beigetreten werden. Es ist zwar richtig, dass die Frage, ob
zwei Thatsachen zu einander in einem ursächlichen Zusam-
menhang stehen, an sich nicht rechtlicher, sondern rein that-
sächlicher Natur ist, und sofern es sich bei der Entscheidung
darüber, ob in concreto ein Kausalzusammenhang anzunehmen
sei oder nicht, lediglich darum handelt, die Kausalität einer
bestimmten Thatsache mit Bezug auf eine andere festzustellen,
ist daher das Bundesgericht an das Erkenntnis des kantonalen
Gerichts gebunden. Vielfach ist jedoch die Frage, ob eine
bestimmte Thatsache einer andern als deren Wirkung zuge-
schrieben werden dürfe, von Erwägungen rechtlicher Natur
beeinäusst, so insbesondere soweit sich die thatsächlichen
Schlüsse bloss auf Vermutungen gründen lassen und es sich
daher fragen muss, welche Partei die Beweislast trägt. In
dieser Beziehung, hinsichtlich der Rechtsanwendung, ist aber
der kantonalrichterliche Entscheid der Ueberprüfung des
Bundesgerichts unterstellt, auch wenn es sich bloss um Prä-
judizialfragen handelt, sofern dieselben nur dem eidgenössi-
schen Rechte angehören. Nun ist das Bundesgericht stets
davon ausgegangen, dass dem Betrogenen ein besonderer
JBeweis dafür, dass er durch die betrügerische Vorspiegelung
zum Geschäftsabschlüsse verleitet worden sei, d. h. nicht auch
ohne dieselbe den Vertrag abgeschlossen hätte, dann nicht
aufgebürdet werden könne, wenn die Täuschung sich auf eine
für den Geschäftsabschluss nach allgemeiner Verkehrsanschau-
ung erhebliche Thatsache bezieht. (Bundesgerichtl. Entsch.
Bd XII S. 637 E. 3; Bd XV S. 834 E. 5.) Daraus folgt,
dass im gegenteiligen Falle, wenn die vorgetäuschte That-
sache nach allgemeiner Verkehrsanschauung für den Ge-
schäftsabschluss nicht als erheblich zu betrachten ist, der-
jenige den Kausalzusammenhang nachzuweisen hat, der den-
selben behauptet, also der Anfechtungskläger.
Hievon ausgegangen lag in casu der Beklagten der Be-
weis dafür ob, dass sie durch die Erklärung des Klägers,
dass er bisher Fr. 8 im Tag verdient habe, zur Anstellung
desselben bewogen worden sei. Denn was der Arbeiter bisher
verdient habe, interessiert den Dienstherrn, der denselben
anzustellen beabsichtigt, in der Regel offenbar nur insoweit,
als daraus auf dessen Tüchtigkeit zu der betreffenden Arbeits-
88
Stellung geschlossen werden kann. Nun hat dei* Kläger der
Beklagten über seine Befähigung zu der Arbeit, für welche
er bei ihr angestellt werden sollte, direkte Auskunft gegeben,,
indem er versicherte, dass er allen Anforderungen eines Ser-
tisseurs vollkommen entspreche, insbesondere auch die Plaggen
auf der Sertiermaschine selbst anfertigen könne, und die Vor-
instanz stellt für das Bundesgericht verbindlich fest, dass der
Kläger diesen Anforderungen wirklich entspreche und die an-
gegebene Fähigkeit besitze. Soweit also die Erheblichkeit
der Angaben des Klägers über seine bisherigen Lohnverhält-
nisse darin besteht, dass diese Angaben die Zusicherungen
über seine Fähigkeit als Sertisseur bestärkten, fallen dieselben
hier ausser Betracht, da die Beklagte hinsichtlich dieser
Fähigkeit des Klägers gar nioht in Irrtum versetzt «worden
ist, sondern der wirkliche Sachverhalt den Annahmen der
Beklagten durchaus entsprach. Um den Dienstvertrag wegen
der unrichtigen Angaben über den bisherigen Lohn gemäss
Art. 24 0. B. anfechten zu können, müsste demnach die
Beklagte nachweisen, dass sie bei Abschluss des Dienstver-
trages auf die Höhe des vom Kläger bezogenen Lohnes noch
aus einem andern Grunde Gewicht gelegt habe, als wegen-
seiner Bedeutung für die Beurteilung der Tüchtigkeit des
Klägers als Sertisseur. Ein solcher Nachweis ist aber nicht
erbracht. Darüber, was unter den Parteien beim Vertrags-
Schlüsse in dieser Richtung verhandelt worden sei, hat die
Beklagte nichts näheres vorgebracht, als die Behauptung, dass
der Kläger ihr die mehrerwähnten Angaben gemacht, und
die Beklagte auf dieselben hin, indem sie ihnen Glauben
schenkte, den schriftlichen Vertrag abgeschlossen habe.
Zweifelhafter ist allerdings die Frage, ob nicht die That-
sacbe, dass der Kläger der Beklagten mit Bezug auf seinen«
bisherigen Lohn die Unwahrheit gesagt hat, der Beklagten
einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Auflösung des Dienst*
Vertrages gegeben habe. Dies lässt sich nicht allgemein ent-
scheiden, da es dabei wesentlich auf die Verhältnisse des
einzelnen Falles ankommt. Insbesondere werden, je nachdem
durch den Dienstvertrag mehr oder weniger ein gegenseitiges
Vertrauensverhältnis begründet werden sollte, unrichtige An-
gaben der Art strenger oder milder beurteilt werden müssen.
Nun ist in casu einerseits nicht dargethan, dass der Kläger
durch die Stellung, die er im Geschäft der Beklagten einzu-
nehmen hatte, in ein besonderes Vertrauensverhältnis zur
Beklagten getreten wäre, und anderseits darf auch das sub-
jektive Verschulden des Klägers nicht zu hoch angeschlagen.
rsrr^'
89
-werden mit Rücksicht darauf, dass derselbe kaum annehmen
konnte, dass die Beklagte auf die Angaben über seine Lohn»
Verhältnisse ein erhebliches Gewicht legen, sondern dieselben
mit derjenigen Vorsicht und Zurückhaltung aufnehmen werde,
•welche Berühmungen derart im Geschäftsleben entgegengesetzt
zu werden pflegen, und sich jedenfalls selbst erkundigen
werde, sofern es ihr wirklich auf diesen Punkt wesentlich
ankommen sollte. Aus diesen Gründen würde es zu weit
.gehen, in den unrichtigen Angaben des Klägers einen wich-
tigen Grund zur vorzeitigen Vertragsauflösung zu erblicken.
'(Entsch. vom 21. April 1899 i. S. Leutwyler c. Roth Mayer
& Cie.)
60. 0. R. Art. 67. Begriff des Werkes. Ein dem Publikum
geöffnetes Gfisschen, das dem Verkehre mehrerer Häuser dient,
ist ein Werk y für dessen (infolge des Aufwerfens von Gräben
t*. s. w.) mangelhaften Unterhalt der Eigentümer einzustehen hat.
Il n'est pas douteux qu'un passage ouvert au public,
destiné à desservir deux maisons et leurs dépendances soit
un ouvrage au sens de l'art. 67 C. 0. Il n'est pas douteux non
plus que l'entretien régulier d'un tel passage exige qu'il soit
•maintenu dans un état tel que la circulation y soit possible
sans danger. C'est dès lors un défaut d'entretien que d'y
accumuler des matériaux, d'y creuser des fouilles sans prendre
en même temps les précautions nécessaires pour prévenir les
dangers qui en résultent. Il est indifférent que l'omission
-de ces précautions soit j>u non imputable à faute au proprié-
taire. Dans l'un comme dans l'autre cas il y a défaut d'entre-
tien, et le propriétaire est responsable en vertu de l'art. 67
du dommage qui en est la conséquence. (Entsch. vom 17. März
.1899 i. 8. Blanc c. Mercier et Baud.)
61. 0. R. Art. 127, 231. Das Versprechen der Leistung eines
Dritten ist auch dann nach eidgenössischem Rechte zu beut teilen,
wenn die versprochene Leistung des Dritten ein Liegenschafts-
kauf ist.
Une stipulation, portant promesse du fait d'un tiers,
même si ce fait consiste dans l'achat d'un immeuble, est sou-
mise par sa nature au droit fédéral, aussi bien que, p. ex.,
le mandat donné pour vendre ou acquérir un immeuble. En
effet, l'objet direct du contrat ne consiste pas dans la con-
clusion entre parties d'un achat ou d'une promesse d'achat
«d'immeuble, mais dans l'engagement que prend Tune d'elles
90
d'obtenir d'an tiers qu'il achète un immeuble. U s'agit ainsi
d'une convention à part complètement différente d'un contrat
de vente ou de promesse de vente, et régie par les règles
générales du C. 0. (Entsch. vom 25. Februar 1899 i. S. Cie
du gaz de St-Imier c. Commune municipale de St-Imier.)
62. 0. R. Art. 130, 183 ff., 189 Abs. 1, 542 Abs. 2. Zu-
lässigkeil der Abtretung eines allfälligen Gewinnanteils an einer
Gesellschaft* — Abtretung zukünftiger Forderungen. — Inwieweit
ist für die Verrechnung mit grundversicherten Forderungen kan-
tonales, inwieweit eidgenössisches Recht massgebend? — Der
Schuldner der abgetretenen Forderung kann dem Cessionar die
Einrede der Verrechnung aus einer ihm an den Cedenten zu-
stehenden Gegenforderung auch dann entgegenhalten, wenn die
letztere zur Zeit der Anzeige der Abtretung noch nicht fällig war,
aber vor (oder gleichzeitig mit) der abgetretenen Forderung fällig
wird, nicht aber auch dann, wenn die Gegenforderung später
fällig wird als die abgetretene Forderung.
1. Dass die Cession eines allfälligen Gewinnanteiles an
einer Gesellschaft gültig ist, geht aus Art. 542 Abs. 2 0. R.
unmittelbar hervor; die einzige dort aufgestellte Beschränkung
ist die, dass der Cessionar durch die Cession nicht zum Ge-
sellschafter wird.
2. Nach der in der heutigen Doktrin und Praxis unbe-
stritten herrschenden Anschauung ist auch die Cession von
zukünftigen Forderungen insbesondre dann zulässig, wenn
ein Rechtsverhältnis, aus dem eine bestimmte Forderung ent-
stehen kann, besteht (vergi. Attenhofer in Zeitschrift für
»chweiz. Recht, N. F., IX S. 223 ff.).
3. Wenn es sich um die Kompensation mit einer grund-
versicherten Forderung handelt, bestimmt, nach den vom
Bundesgericht in seinem Entscheide vom 1. Juni 1895 in
Sachen Beck c. Heuer & Cie, Amtliche Sammlung, Bd XXI
S. 544 £. 2, ausgesprochenen Grundsätzen, gemäss Art. 130
0. R. das kantonale Recht, inwieweit die Verrechnung über-
haupt zulässig ist; dagegen wird, wenn diese Zul&ssigkeit
einmal anerkannt ist, die Frage, ob in einem gegebenen Falle
eine nicht grund versi cherté Forderung durch Verrechnung mit
einer grundversicherten erlösche, vom eidgenössischen Recht
beherrscht.
4. Es fragt sich, ob in dem Falle, wo Forderung und
Gegenforderung erst nach Mitteilung der Abtretung an den
Schuldner fällig werden, die Fälligkeit der abgetretenen For-
91
derung jedoch vor derjenigen der Gegenforderung eintritt,
der Schuldner dem Cessionar die Einrede der Kompensation
wirksam entgegenhalten könne. Die Beantwortung dieser
Frage kann nicht unmittelbar aus Art. 189 Abs. 1 0. R. ge-
schöpft werden, da die hier gebrauchten Ausdrücke „Einreden,
welche . . . entgegengestanden" und „vorhanden
waren," nicht ohne weiteres klar sind; die Frage ist daher
aus dem Wesen der Cession und der Kompensation und ge-
mäss den praktischen Grundsätzen, die diese Institute be-
herrschen, sowie an Hand der Wissenschaft zu lösen. Nun
folgt zunächst aus dem Wesen der Cession als einer Sonder-
nachfolge in ein Vermögensrecht des Abtretenden, dass dieses
Vermögensrecht nur abgetreten werden kann mit allen ihm an-
haftenden Mängeln, dass der Cessionar daher auch nur mit diesen
Mängeln Gläubiger wird; und zwar ist für die Entstehung dieser
Mängel massgebend der Zeitpunkt der Anzeige an den Schuld-
ner, da erst von diesem Momente an die Cession dem Schuld-
ner gegenüber wirksam wird. Es sind daher dem Schuldner
gegen den Cessionar jedenfalls alle Einreden zu gestatten,
die bis zu diesem Momente entstanden waren (vergi. Wind-
scheid Pand. 7. Aufl. II S. 240 f.). Allein die praktischen
Bedürfnisse des Lebens und die Rücksichtnahme auf den
Schuldner nötigen, weiter zu gehen. Es ist nämlich weiter-
hin al 8 Rechtsgrundsatz anzuerkennen, dass die Lage des
Schuldners durch die Cession, diesen einseitigen Akt des
Gläubigers, nicht verschlechtert werden darf; eine solche Ver-
schlechterung fände nun aber nicht nur dann statt, wenn schon
vor der Abtretung, bezw. deren Mitteilung entstandene Ein-
reden gegen den Cedenten dem Cessionar nicht entgegen-
gehalten werden dürften, sondern auch dann, wenn der Schuld-
ner die Aussicht hatte, dereinst, bei der Fälligkeit der For-
derung, eine Einrede erheben zu können, insbesondere also
dann, wenn er selber zu jener Zeit eine Gegenforderung hat,
die im Momente der Fälligkeit der Hauptforderung fällig und
daher kompensationsfähig ist. In solohen Fällen ist ihm daher
die Einrede der Kompensation auch gegen den Cessionar zu
gestatten. Der Wortlaut des Art. 189 Abs. 1 0. R. steht
dieser Auslegung keineswegs entgegen. Allerdings ist richtig,
dass die Einrede der Kompensation in einem solchen Falle
dem Schuldner zur Zeit der Anzeige von der Abtretung noch
nicht zusteht; allein die Gegenforderung hat er schon, und
damit die Möglichkeit der dereinstigen Geltendmachung
jener Einrede. Das Gesetz kann aber unter „entgegenstehen"
und „Vorhandensein" sehr wohl auch diese Möglichkeit ver-
92
stehen. (Vergi, in diesem Sinne: Dem bürg, Geschichte und
Theorie der Kompensation; Hafner, Kommentar zum 0. K.
2. Aufl. Art. 189 Anni. 2; Schneider und Fick, Komm.
Art. 189 Anm. 1; vergi, auch § 406 des deutschen B. G. B.
gegenüber § 303 des I. Entw.) Dagegen verhält es sich an-
ders da, wo die Gegenforderung des Schuldners erst nach der
(abgetretenen) Hauptforderung fällig wird: hier konnte er
niemals erwarten, die Einrede der Kompensation gegenüber
dem ursprünglichen Gläubiger erheben zu können: er kann
sie daher auch dem Cessio nar nicht entgegenstellen. (Entsch.
vom 22. April 1899 i. S. Geismar c. Moos u. Piccard.)
63. 0. R. Art. 70 ff., 183 /f., 215, 224. Rechtliche Natur
von Sparkassabüchlein mit der Legitimationsklausel. — Abtretung
und Verpfändung der durch solche Büchlein verbrieften Forderun-
gen. — Was gehört zu der durch Art. 215 0. R. vorgeschriebe-
neu schriftlichen Beurkundung der Verpfändung f — Retentions-
recht an Sparkassabüchlein?
Der damalige Pfarrer E. trat am 5. Juli 1894 mit der
beklagten Kreditanstalt St. Gallen in Geschäftsverbindung
durch Erhebung eines Darlehens von Er. 7000 gegen Hinter-
legung von Wertpapieren, welchem bald weitere gleiche Ge-
schäfte folgten. Am 23. August 1894 stellte er, auf ge-
drucktem Formular der Beklagten, für ein empfangenes Dar-
lehen ein Schuldanerkenntnis von Fr. 12,000 aus mit der Be-
merkung, er hinterlege ihr als Sicherheit für diese, sowie
allfällig übrige Verbindlichkeiten in Faustpfandrechten diverse
Papiere laut Verzeichnis. Am 24. August 1894 übergab E:
der Beklagten als Hinterlage 21 Werttitel im Nominalbetrage
von Fr. 38,818. 65 und sodann am 9. Oktober ein auf den
Namen der Klägerin ausgestelltes Depositenbüchlein Nr. 4997
der Handwerkerbank Basel, welches ein Guthaben der Klä-
gerin von Fr. 3210. 85, und ein Guthabenbüchlein Nr. 7523
der Hypothekenbank in Basel, ebenfalls auf den Namen der
Klägerin lautend, welches ein Guthaben von Fr. 6817 auswies.
Beide Büchlein enthalten die Bestimmung, dass bei ganzen
oder teilweisen Rückzahlungen die Verwaltung berechtigt sei,
den Vorweiser als von dem rechtmässigen Eigentümer zum
Rückzug des Guthabens bevollmächtigt zu betrachten, und
sich somit der Verantwortlichkeit für allfälligen Missbrauch
des Büchleins entschlage. Sie waren dem E., der übrigens,
nach der Behauptung der Klägerin, deren baldige Rückgabe
versprochen habe, von der Klägerin zu dem Zwecke über-
93
4; eben worden, dass er sich durch dieselben Geld beschaffen
•könne. Am 2. November 1894 gab die Beklagte der Hypo-
thekenbank Basel und am 3. Dezember gleichen Jahres der
Handwerkerbank in Basel von der Verpfändung der beiden
Büchlein Kenntnis. Ende Mai 1897 wurde über Pfarrer E.
-der Konkurs eröffnet. In demselben meldete die Beklagte
eine Forderung von Fr. 21,625 an, und machte dafür u. a.
auch ein Faustpfandrecht an den beiden Büchlein geltend.
Dieselben wurden von der Konkursverwaltung durch Inkasso
vom 1. und 3. Dezember 1897 liquidiert und ergaben einen
Vorerlös von Fr. 695. 75, welcher der Klägerin in bar be-
händigt wurde. Die Klägerin hatte im Konkurse E. das
Eigentum an den beiden Büchlein resp. an dem einkassierten
Betrag angesprochen, und das Pfandrecht der Beklagten be-
stritten, war aber vom Konkursgericht wegen Inkompetenz
abgewiesen worden, weil der Gerichtsstand da begründet sei,
wo das Pfandrecht konstituiert worden. Die Klägerin erhob
hierauf in St. Gallen gegen die Kreditanstalt St. Gallen Klage
mit dem Rechtsbegehren: Es sei gerichtlich zu erkennen, die
Klägerin sei Eigentümerin der beiden auf ihren Namen lau-
tenden Guthabenbüchlein Nr. 7523 der Hypothekenbank in
Basel und Nr. 4997 der Handwerkerbank in Basel, die Be-
klagte sei daher pflichtig, die genannten Guthabenbüchlein
-oder deren Wert unbeschwert an die Klägerin herauszugeben.
Die Klage ist vom Bundesgericht gutgeheissen worden. Aus
den Gründen seiner Entscheidung ist hervorzuheben :
Die Klage stellt sich als condictio sine causa, Klage aus
ungerechtfertigter Bereicherung, dar. Denn die Klägerin ver-
langt von der Beklagten Bückerstattung der von dieser bei
der Handwerkerbank und der Hypothekenbank Basel erhobe-
nen Beträge, weil die Beklagte zu diesem Bezüge nicht be-
rechtigt gewesen sei, und ihr kein Rechtsgrund, wonach sie
die bezogenen Beträge behalten dürfe, zur Seite stehe, die
Beklagte also durch Rückhaltung jener Beträge ohne Grund
bereichert wäre, und zwar auf Kosten der Klägerin, da die-
selben ihr gehören... Wie nun das Bundesgericht in seinen
Entscheidungen in Sachen Appenzeller c. Brandt und Hof-
mann c. Wüthrich (Amtl. Sammlung der bundesgerichtlichen
Entsch. Bd XXIII S. 786 E. 2 und S. 1650 E. 3) ausgeführt
»hat, verkörpern Urkunden von der Art der in Rede stehenden
"Sparhefte das Forderungsrecht nicht derart, dass es in seinem
Inhalt, seiner Ausübung und Uebertragung an dieselben ge-
bunden wäre, sondern sie sind, wie einfache Schuldscheine,
bloss Beweisurkunden, auf welche die besondern Bestimmun-
94
gen über Inhaberpapiere und indossable Papiere (welche das-
Obligationenrecht einzig als eigentliche Wertpapiere anerkennt)
keine Anwendung finden, insbesondere nicht die sachenrecht-
lichen Bestimmungen über Abtretung (Uebertragung) und Ver-
pfandung der beweglichen Sachen und Inhaberpapiere. Viel-
mehr kommen für die Uebertragung und Verpfändung der in
solchen Heften oder Büchern verurkundeten Forderungsrechte
einfach die Bestimmungen über Abtretung und Verpfändung
gewöhnlicher Schuldscheinforderungen zur Anwendung und
ist daher zu untersuchen, ob denselben in casu Genüge ge-
leistet sei.
Was nun zunächst die von der Beklagten behauptete
Cession der beiden Sparkassaguthaben an £. anbetrifft, so
ist der Beweis dafür, dass eine solche Cession erfolgt sei,
nicht erbracht worden. Denn es liegt nichts weiteres vor,
als dass die Klägerin dem E. die beiden Hefte mit der Er-
klärung und zu dem Zwecke übergeben hat, damit er sich
durch dieselben Geld verschaffe. Die Uebergabe erfolgte also
allerdings zum Zwecke der Geldbeschaffung durch E. Die
Klägerin hat aber ausdrücklich bestritten, dass sie demselben
das Recht eingeräumt habe, die beiden Guthaben bei der
Handwerkerbank und der Hypothekenbank einzuziehen, wozu
er selbstverständlich im Falle einer wirklichen Abtretung
ohne weiteres berechtigt gewesen wäre. Es ist auch die An-
nahme unbedenklich, dass E., wenn ihm die beiden Guthaben
wirklich cediert worden wären, nicht unterlassen hätte, die-
selben zu realisieren, statt sich durch deren Verpfändung
teureres Geld zu verschaffen, so dass auch das Verhauten E.'s
für die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin spricht, dass
eine Abtretung nicht stattgefunden habe. Damit steht in
Uebereinstimmung, dass auch die Konkursmasse E. die beiden
Guthaben nicht für sich, als Aktivum E.'s, in Anspruch ge-
nommen, sondern den Ueberschuss über die Pfandforderung
der Beklagten hinaus, der Klägerin zugestellt hat. Es kann
auch nicht etwa gesagt werden, dass der Zweck, zu dem die
beiden Büchlein dem E. übergeben worden sind, nämlich die
Geldbeschaffung, nur durch Abtretung habe erreicht werden
können, und daher die Klägerin wegen dieses Zweckes die
Abtretung habe wollen müssen. War der Zweck der Ueber-
gabe der beiden Büchlein, dem E. die Beschaffung von Geld
durch Verpfändung derselben, bezw. der darin verurkundeten
Forderungen zu ermöglichen, so konnte dieser Zweck ohne
Zweifel dadurch erreicht werden, dass die Klägerin den E.
bevollmächtigte, die Forderungen in ihrem Namen, als ihr
^r* - ' ■ *
9fr
Stellvertreter, zu verpfänden. Gewiss können gewöhnliche
Sohuldforderungen nicht wie Wertpapiere, speziell Inhaber-
papiere, und bewegliche Sachen zum Zwecke der Verpfän-
dung verliehen, sondern nur vom Gläubiger selbst verpfändet
werden, und ist eine andere Person, als der Gläubiger, nicht
in der Lage, ein Pfandrecht an solchen Forderungen zu be-
stellen. Allein der Gläubiger braucht die Verpfändung nicht
persönlich vorzunehmen, sondern er kann eine andere Person
ermächtigen, dieselbe als sein Stellvertreter zu bewerkstelli-
gen. Im Gegensatz zu der Annahme der Vorinstanz muss
in der Uebergabe der beiden Sparkassabüchlein zu dem von
der Klägerin (wie sie anerkennt) dem E. gegenüber erklärten
Zweck eine solche Ermächtigung gefunden werden, indem
nur bei dieser Auslegung der Erklärung der Klägerin ein
vernünftiger Sinn zukommt. Es fragt sich daher, ob E. von
der ihm erteilten Vollmacht Gebrauch gemacht, und die in
den beiden Büchlein verurkundeten Forderungen wirklich der
Beklagten rechtsgültig verpfändet habe.
Diese Frage muss verneint werden. Für die Beantwor-
tung derselben ist Art. 215 0. B. massgebend, und nun ist
allerdings zwei Erfordernissen, welche diese Gesetzesbestim-
mung aufstellt, Genüge geleistet, nämlich der Benachrichti-
gung des Schuldners und der Uebergabe der Sohuldurkunde
an den Pfandgläubiger, dagegen ist das dritte Erfordernis,,
die schriftliche Beurkundung der Verpfandung, nicht erfüllt.
Die Beklagte beruft sich für ihre gegenteilige Behauptung
auf die Pt'andklausel des Obligos vom 23. August 1894, in-
dem sie in derselben eine generelle Verpfandung erblickt,,
welche sich auf alle diejenigen Papiere erstrecke, welche ihr
damals oder später von E. übergeben und von ihr auf das
Hinterlagenverzeichnis aufgetragen worden seien. Für diese
Interpretation stellt sie namentlich ab auf ihren Verkehr mit
E., wie derselbe sich nach der Ausstellung des Obligo that-
sächlich gestaltet bat. Allein diese Beweisführung geht fehl,
indem sie einfach darauf hinausläuft, dass die Pfandklausel
in dem Obligo vom 23. August 1894 deshalb auf die Ver-
pfändung der beiden Guthaben bezogen werden müsse, weil
die Parteien versäumt haben, deren Verpfändung besonders
schriftlich zu bekunden. Nach ihrem klaren Wortlaut be-
zieht sich nämlich die erwähnte Pfandklausel nur auf die
damals der Beklagten übergebenen „diversen Papiere," welche
allerdings nicht bloss für das damals von E. erhobene Dar*
lehen, sondern auch für dessen übrige — ohne Zweifel auch
später entstehenden — Verbindlichkeiten als Sicherheit haften
96
sollten, und nun steht fest, dass die Ueb ergäbe und Ver-
pfandung der beiden Büchlein, erst viel später, im Oktober
und November 1894 erfolgt ist, E. die Büchlein am 24. Au-
gust noch gar nicht besessen, und damals keine Partei an
deren Verpfändung gedacht hat. Wollte man übrigens die
Pfandverscnreibung vom 23. August 1894 nicht bloss auf die
damals der Beklagten übergebenen Papiere beschränken, son-
dern auch auf solche Papiere beziehen, welche später mit
dem Willen E.'s in den Gewahrsam der Beklagten gelangen
würden, so wäre es gleichwohl unmöglich, darin auch eine
rechtsgültige Verpfändung der beiden Guthaben der Klägerin
auf die Hypothekenbank und Handwerkerbank in Basel zu
erblicken, indem die, diese Guthaben verurkundenden Büch-
lein keine Wertpapiere, sondern lediglich Legitimationspapiere
sind, welche, abgesehen von der Legitimationsklausel, die
rechtliche Natur gewöhnlicher Schuldscheine haben, die Ver-
pfändung solcher Forderungen, welche nicht in Urkunden ver-
körpert sind, aber unbedingt die Errichtung einer Verpfän-
dungsurkunde voraussetzt, in welcher die verpfändete Forde-
rung deutlich bezeichnet ist, zumal die Benachrichtigung des
Drittschuldners nach Obligationenrecht nioht vom Verpfänder
ausgehen muss, sondern auch vom Pfandgläubiger geschehen
kann. Dass die Abschrift des Hinterlegungsverzeichnisses,
welches die Beklagte dem E. zugestellt hat, die Verpfän-
dungsurkunde nicht zu ersetzen vermag, liegt auf der Hand,
da dasselbe der Unterschrift E.'s entbehrt.
Die blosse Möglichkeit der Einkassierung der beiden
Guthaben auf Seite der Beklagten ist für den Entscheid des
vorliegenden Prozesses ganz ohne Einfluss. Daraus, dass sich
die Schuldner der Guthaben das Recht vorbehielten, an den
Vorweiser des Büchleins zu leisten, können nur sie Rechte
gegen den Gläubiger herleiten, dagegen kann ein Dritter,
welcher die Forderung eingezogen hat, sich darauf gegenüber
dem wahren Gläubiger nicht berufen. Sein Bezugsrecht kann
sich vielmehr nur daraus ergeben, dass ihm an der betreffen-
den Forderung ein solches Recht eingeräumt worden ist,
welches ihn zum Bezüge rechtlich befugt erscheinen lässt,
also entweder ein Gläubigerrecht, oder ein Pfandrecht mit
der Befugnis zur Einkassierung der Forderung, oder ein
Mandat, eine Anweisung, wonach der Dritte, sei es im In-
teresse des Gläubigers, sei es im eigenen Interesse zum Ein-
zug bevollmächtigt wurde. Von alledem ist in casu keine
Rede; vielmehr hat die Beklagte die Forderungen lediglich
als vermeintlicher Pfandgläubiger eingezogen, während
* yV)L "
97
ihr in Tbat und Wahrheit ein solches Pfandrecht nicht zu-
stand.
Das von der Beklagten eventuell geltend gemachte Re-
tentionsrecht ist von der Vorinstanz mit Recht verworfen
worden. Denn Art. 224 0. R. kennt nur ein Retentionsrecht
an beweglichen Sachen und Wertpapieren, und zu den letz-
tern gehören nun eben die beiden Sparkassabüchlein nicht.
Allerdings sind dieselben bewegliche Sachen, aber sie haben,
da sie blosse Beweisurkunden sind, keinen Vermögenswert,
weshalb sie nicht Gegenstand des Retentionsrechts im Sinne
des Art. 224 0, R. sein können. (Vergi, ßundesger. Entsch.
Bd XI S. 384 E. 6 und Bd XX S. 376 E. 8.) (Entsch. vom
28. April 1899 i. S. Kreditanstalt St. Gallen c. Eckert.)
64. 0. R. Art. 140, 489 ff. ünstatthaftigkeit einer einseitigen
Kündigung der Bürgschaft durch den Bürgen. Liegt in dem
Stillschweigen des Gläubigers auf eine solche Kündigung eine An-
nahme derselben, bezw. die Entlassung des Bürgen t
Der Beklagte W. hatte sich gemeinsam mit einem Mit-
bürgen F. gegenüber dem Kläger für eine Hypothekarschuld
des G. verbürgt. Nachdem der Hauptschuldner G. in finan-
zielle Schwierigkeiten geraten war, Hess W. dem Kläger am
30. Januar 1896 ein „Amtsbot" zustellen, wodurch er die
Bürgschaft gemäss 0. R. auf sechs Wochen a dato kündigte.
Der Kläger Hess daraufhin durch Amtsbot vom 31. Januar
1896 den Hauptschuldner G. auffordern, binnen sechs Wochen
einen annehmbaren Ersatzbürgen zu stellen, da W. „die Bürg-
schaft auf diesen Termin gemäss 0. R. gekündigt habe." G.
gab dieser Aufforderung keine Folge und es wurde am 20. Juni
1898 der Konkurs über ihn eröffnet. Als darauf der Gläu-
biger den Bürgen W. aus der Bürgschaft belangte, wendete
dieser ein, er sei aus derselben entlassen worden. Diese Ein-
wendung ist von allen Jnstanzen zurückgewiesen worden, vom
Bundesgericht im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Dem schweizerischen Obligationenrecht ist, in Ueberein-
8timmung mit dem gemeinen Recht (vergi, auch deutsche»
B. G. B. § 776 f.), eine einseitige Kündigung der Bürgschaft
durch den Bürgen unbekannt, wie dies denn auch ihrem
Wesen als Vertrag entspricht. Dagegen kann sie allerdings,
unter Wahrung der Rechte allfälliger Mitbürgen, durch Ueber-
einkunft zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger aufgehoben
werden, und gerade eine solche Aufhebung behauptet der
Beklagte; diese Cebereinkunft will er folgern zunächst aus
98
-der Thatsache des Stillschweigens des Klägers auf die An-
zeige der Kündigung der Bürgschaft, und sodann aus dem
Inhalte des Rechtsbotes an den Hauptschuldner GL Allein
jenes Stillschweigen kann an sich durchaus nicht als Zustim-
mung zu der Kündigung, als Annahme derselben, angesehen
werden; dies schon deshalb nicht, weil die Kündigung, wie
gesagt, gesetzlich unzulässig war und daher keine rechtliche
Wirkung haben konnte, und ein Stillschweigen auf derartige
rechtlich völlig irrelevante Anzeigen nicht als Zustimmung
zu denselben angesehen werden kann, da eine Rechtspflicht,
sie zu beantworten, nicht besteht (vergi. Regelsberger, Pand. I
5. 505). Dazu kommt, dass es sich bei der Entlassung des
Beklagten aus der Bürgschaft für den Kläger nicht um den
Erwerb eines Rechtes handelte, sondern um die Aufgabe eines
schon bestehenden; hiezu wäre aber ein Verzicht notwendig
gewesen, und ein solcher darf nach bekanntem Rechtsgrund-
satze nicht vermutet werden. Gegen die Annahme eines Ver-
zichtes spricht nun entscheidend der Umstand, dass der Bürg-
schein nach wie vor in Händen des Klägers blieb, ohne dass
dem Beklagten W. eine schriftliche Erklärung, er sei ent-
lassen, zugestellt wurde. Zwar konnte der Bürgschein als
solcher dein Beklagten W. nicht wohl zurückgegeben werden,
da auf demselben auch F. als Bürge gezeichnet hatte und
dieser jedenfalls noch weiter haftete; allein die Parteien hätten
sicherlich, wenn der Beklagte W. wirklich entlassen worden
wäre, zur Sicherung der Rechtsbeziehungen darüber eine Ur-
kunde ausgestellt. Ueberdies wäre eine Entlassung des Be-
klagten W. ohne Mitteilung an den Mitbürgen F. wohl kaum
erfolgt, so dass der Umstand, dass diesem keine Mitteilung
gemacht wurde, wiederum gegen die Annahme der Entlassung
spricht. Was sodann das Rechtsbot an den Hauptschuldner
6. betrifft, so kann dahingestellt bleiben, ob es aus der
rechtsirrtümlichen Auffassung des Klägers, die Kündigung sei
gültig, geflossen sei; jedenfalls stellt diese Anzeige an den
Hauptschuldner nicht eine Willenserklärung an den Beklagten
W. dar und war danach die Entlassung des letztern zudem
an eine Bedingung geknüpft, die nicht eingetreten ist, so dass
deshalb W. daraus für sich nichts herleiten kann. (Entsch.
vom 4. Februar 1899 i. S. Wirth c. Bischofberger.)
65. 0. R. Art. 531, 590 ff.
Es besteht kein gesetzliches Hindernis, dass mehrere Per-
sonen sich in der Weise zu einer Kommanditgesellschaft ver-
99
binden, class die Ko mm and i täre nur Dritten gegenüber für
den Verlust einstehen und also im Gesellschaftskonkurse nicht
als Gesellschaftsgläubiger mit ihrer Einlage konkurrieren, da-
gegen das Verhältnis nach innen anders, z. B. so gestaltet
wird, dass der Komplementär den Komraanditären für den
Verlust aufzukommen hat. (Entsch. vom 11. März 1899 LS.
Borner c. LaRoche.)
66. 0. R. Art. 524, 678 ff., 717. Rechtsverhältnis der Mit-
glieder einer nicht eingetragenen und daher des Rechtes der Per-
sönlichkeit entbehrenden Genossenschaft unter einander.
Si la conséquence du défaut d'inscription de la société
des cochers au registre du commerce doit être de lui enlever
l'existence légale comme association, celle-ci n'en conserve
pas moins, en ce qui concerne les rapports des associés entre
eux, une existence légale comme société, dans le sens général
du terme, c'est-à-dire comme contrat, comme lien de droit
(C. 0. 524). Cette société sera régie avant tout par les clauses
du contrat, et, dans le silence de celui-ci, par les principes
généraux du G. 0. en matière de sociétés. L'on doit aussi pré-
sumer, ensuite de la volonté nettement exprimée par les con-
tractants de former une association, qu'ils ont entendu sou-
mettre leurs rapports réciproques aux règles spéciales con-
cernant les associations (C. 0. Titre 27), et Ton pourra dès lors
appliquer ces règles, à titre de droit conventionnel, à l'inter-
prétation du contrat. (Entsch. vom 9. Dezember 1898 i. S.
Genoud et Cons. c. Giroud et Cons.)
67. 0. R. Art. 612 ff.7 633. Clausula rebus sic stantibus?
Nach schweizerischem Rechte können den Aktionären als solchen
(durch die Statuten) andere Verpflichtungen als die Pflicht zur
Einzahlung eines festbestimmlen Beitrages an das Grundkapital
der Gesellschaft (wie Verpflichtungen zu Warenlieferungen u. dergl.)
gültig nicht auferlegt werden.
Die im Jahre 1889 gegründete Aktiengesellschaft „Gesell-
schaft schweizerischer Metzger m eister für Haut- und Talgver-
wertung" verfolgt den Zweck des fabrikmässigen Betriebes
einer Talgschmelzerei, sowie des Handels in Häuten und
Fellen. Nach § 12 der ursprünglichen Statuten derselben
von 1889 verpflichtet der Besitz von Aktien regelmässig zur
Lieferung von Talg, Häuten und Fellen, „gemäss den Be-
stimmungen des von der Generalversammlung festzustellenden
100
Reglements und der besondern Verpflichtungsscheine." (Durch
eine Statutenrevision vom Jahre 1893 wurde dies dahin ab-
geändert, da88 Aktien „nur an solche und im Verhältnis ihrer
Lieferungszusicherung ausgegeben werden sollen, welche zu-
gleich Lieferanten seien.") Die Aktien sind nach § 5 der
Statuten persönlich und dürfen, den Fall des Erbgangs aus-
genommen, nur mit Einwilligung des Verwaltungsrates an
Dritte übertragen werden. Von dem Reingewinn ist, nach-
dem das Aktienkapital eine Dividende von 5 °/o erhalten hat,
ein Teil an die Lieferanten von Häuten, Fellen und Talg im
prozentualen Verhältnis ihrer Lieferungen als Lieferungsver-
gütung zu verteilen. Aktionären mit 1 — 2 Aktien und Liefe-
rungsverpflichtung soll auf ihren Wunsch vom Verwaltungs-
rate gestattet werden, 50 °/o des Aktienbetrages in règlement-
massigen Lieferungen einzubezahlen. Nach § 5 eines von der
Generalversammlung aufgestellten Lieferungsreglements stellt
der Au88chus8 des Verwaltungsrates jeweüen die Preise für
Häute, Felle und Talg nach Massgabe der allgemeinen Markt-
verhältnisse fest, und nach § 8 desselben Reglements sind
Zuwiderhandlungen gegen die Lieferungsverpflichtungen vom
Verwaltung8rat8ausschus8e je weilen mit einer Konventional-
strafe von mindestens Fr. 100 zu belegen. Auf Grund der
Statuten von 1889 waren die Beklagten, welche damals in
0. unter der Firma Gebr. L. als Kollektivgesellschaft eine
Metzgerei betrieben, unter Uebernahme einer Aktie und mit
der unterschriftlichen Erklärung, „der Gesellschaft nach Mass-
gabe von Statuten und jeweiligen Reglementen zu liefern:
ihre Häute und Felle und das Fett (Talg),u der Gesellschaft
beigetreten. Nachdem die Beklagten jedoch im Jahre 1894
nach B. übergesiedelt waren, wo sie als einfache Gesellschaft
das Metzgereigewerbe fortführten, verweigerten sie weitere
Lieferungen. Die Gesellschaft klagte daher gegen sie dahin,
sie seien gehalten, sämtliche Häute und Felle und den Talg
der in ihrem gemeinsamen Geschäfte geschlachteten Tiere an
die Klägerin nach Massgabe des Lieferungsreglementes ab-
zuliefern, und sie seien hiefür solidarisch haftbar zu erklären
und seien jeder für das Ganze zu verurteilen, der Klägerin
eine Konventionalstrafe (von Fr. 1692) zu bezahlen. Die Be-
klagten trugen auf Abweisung der Klage an, indem sie we-
sentlich geltend machten: Die Lieferungspflicht Verstösse
gegen den Art. 633 0. R. und bestehe daher nicht zu Recht.
Jedenfalls könnte die Verpflichtung nur mit der stillschwei-
genden Klausel rebus sie stantibus verstanden werden, und
da nun die Verhältnisse in B. durchaus andere seien als in
101
0. (da in B. der Handel mit den Fellen u. s. w. direkt von
der Schlachthausverwaltung besorgt werde), so könne die Ver-
pflichtung nicht mehr zu Recht bestehen.
Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen. In der
bundesgerichtlichen Entscheidung wird zunächst der Einwand
der Beklagten, dass ihre Lief e rangs Verpflichtung, wenn sie je
zu Recht bestanden habe, jedenfalls mit ihrer Uebersiedelung
von 0. nach B. dahingefallen sei, als unbegründet zurück-
gewiesen; der Verpflichtungsschein der Beklagten sowie die
Statuten der Klägerin, auf welche in diesem Schein verwiesen
werde, enthalten keine derartige Beschränkung, trotzdem es,
wenn wirklich der Vertragswille dahin gegangen wäre, dass
die Lieferungspfiicht mit der Uebersiedelung des Lieferanten
nach einem andern Ort erlöschen solle, ausserordentlich nahe
gelegen hätte, dies auszusprechen. Da dies nicht geschehen
sei, könne eine solche Bestimmung nicht in die Statuten
hinein interpretiert werden. Eine derartige Ausdehnung der
stillschweigenden Klausel rebus sie stantibus widerspräche
der Rechts- und Verkehrssicherheit und werde übrigens in
der neuern Doktrin mit Recht zurückgewiesen. Eine Befrei-
ung der Beklagten könnte nur dann zugelassen werden, wenn
ihnen die Erfüllung der Verpflichtung durch veränderte Ver-
hältnisse gänzlich verunmöglicht, nicht aber schon dann, wenn
sie ihnen nur erschwert würde.
Im weitern wird dagegen ausgeführt: Die Pflicht der
Aktionäre der klägerischen Gesellschaft zur Lieferung von
Häuten, Talg u. s. w. an die Gesellschaft qualifiziere sich
nach dem Inhalte der Statuten als eine aus dem Gesellschafts-
verhältnisse entspringende Verpflichtung, als Gesellschafts-
beitrag, nicht etwa als eine Verpflichtung aus einem zwi-
schen der Gesellschaft und den einzelnen Aktionären ohne
Rücksicht auf deren Aktionäreigenschaft abgeschlossenen
Nebenvertrage. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass
50 % des Aktienkapitals in reglementsgemässen Lieferungen
einbezahlt werden können, was zeige, dass die Lieferungs-
pflicht der Aktieneinzahlung gleichstehe; dass ferner die
Lieferungsvergütung sich nach dem jedesmaligen jährlichen
Reingewinne richte, dass die Statuten ausdrücklich bestimmen,
der Besitz von Aktien verpflichte regelmässig zur Lieferung
von Talg u. 8. w., und endlich die Uebertragung von Aktien
unter Lebenden an die Zustimmung des Verwaltungsrates ge-
bunden sei. Somit müsse sich fragen, ob diese Lieferungs-
verpflichtung als aktienrechtliche, aus der Stellung als Ak-
tionär entspringende, mit der in Art. 612 ff. 0. R. der Aktien-
102
gesellschaft gegebenen Rechtsnatur vereinbar sei. Hierüber
wird bemerkt:
Nach Art. 612 0. R. gehört zum Wesen der Aktiengesell-
schaft ein zum voraus bestimmtes Kapital, die Zerlegung
desselben in Teilsummen (Aktien) und der Ausschluss der
persönlichen Haftung der Gesellschafter (Aktionäre) für die
Verbindlichkeiten der Gesellschaft. In Art. 633 wird dann
die Beitragspflicht des Aktionärs näher dahin umschrieben,
er sei nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und
zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten mehr beizutragen als
den für die Aktie statutengemäss festgesetzten Betrag. In
dieser letztern Bestimmung liegt offenbar zweierlei: eine
Regelung des Verhältnisses des Aktionärs gegenüber den
Gläubigern, bezw. den Schulden der Gesellschaft, und eine
Feststellung der Verpflichtungen des Aktionärs gegenüber der
Gesellschaft zur Erreichung des Gesellschaftszweckes (vergi,
den Munzingerschen Entwurf, Art. 134 und 135, wo diese
beiden Seiten getrennt waren). Für beides, wird gesagt, hat
der Aktionär nur den für die Aktie statutenmässig festge-
setzten Betrag zu leisten. In casu unterscheiden nun die
Statuten der Klägerin diese beiden Verpflichtungen der Ak-
tionäre in §§11 und 12 in der Weise, das s der Aktionär
gegenüber den Gesellschaftspassiven lediglich für den Betrag
seiner Aktie haftet, dagegen gegenüber der Gesellschaft zu
mehr als zur Einzahlung seiner Aktie (oder seiner Aktien)
verpflichtet wird, nämlich zur Lieferung der für den Gesell-
schaftszweck benötigten Rohstoffe. Dass eine andere Fest-
setzung der Haft des Aktionärs für die Gesellschaftsschulden
dem Wesen der Aktiengesellschaft widerstreiten würde, ist
ohne weiteres klar. Nicht so zweifellos ist dagegen, ob auch
die statutenmässig bei der Konstituierung der Aktiengesell-
schaft festgesetzte Verpflichtung der Aktionäre zu weiterem,
als zur Einzahlung ihrer Aktien, insbesondere zu gewissen
periodisch wiederkehrenden, nicht in Geld bestehenden Lei-
stungen dem Art. 633 0. R. gegenüber rechtsungültig sei.
Diese Bestimmung des Gesetzes bezweckt doch gewiss zu-
nächst und in erster Linie nur den Schutz des Aktionärs
einmal gegen die weitere Inanspruchnahme durch die Gläu-
biger und sodann gegen die Möglichkeit einer späteren, nach
der Konstituierung beschlossenen Verpflichtung zu weiteren
Beiträgen, wie z. B. im Falle der Erhöhung des Aktienkapi-
tals gegen die Verpflichtung zur Abnahme weiterer (neuer)
Aktien; dagegen erscheint durch diese Bestimmung an sich
nicht ohne weiteres ausgeschlossen, dass schon bei der Kon-
103
stituierung die Verpflichtung der Aktionäre weiter gefasst
werden könne. Auch kann wohl nicht gesagt werden, eine
derartige weitere Verpflichtung Verstösse gegen das Wesen
der Aktiengesellschaft als solcher; hat doch das neue deutsche
Handelsgesetzbuch in § 212 (bekanntlich gerade mit Rück-
sicht auf die Prozesse der Rübenzuckeraktiengesellschaften)
eine derartige Verpflichtung ausdrücklich anerkannt und näher
geregelt, ohne dass deshalb solche Gesellschaften nun nicht
jnehr als Aktiengesellschaften zu bezeichnen wären (vergi,
für die Rechtsgültigkeit der Rübenlieferungspflicht der Ak-
tionäre nach dem frühern deutschen Recht Lippmann, a.a.O.
S. 192 ff.). Dagegen mangelt allerdings nach dem schwei-
zerischen Obligationenrecht die gesetzliche Grundlage für eine
derart gestaltete Aktiengesellschaft und damit für eine der-
artige weitergehende Lieferungspflicht der Aktionäre. Die
Bestimmungen des Obligationenrechts über die Aktiengesell-
schaften gehen ganz offenbar, wie aus ihren Einzelheiten er-
hellt, davon aus, dass der Aktionär nur seinen Aktienbetrag
einzuwerfen hat; nur die Folgen der Unterlassung dieser
Pflicht sind geregelt (Art. 634 und 635) und nur die Haft
der Zeichner für die Einzahlung überhaupt ist berücksichtigt;
-dagegen sieht das Gesetz nirgends weitere Verpflichtungen
der Aktionäre vor, während doch darüber, speziell betreffend
die dafür allfällig zu entrichtende Gegenleistung und für
deren Nichterfüllung Vorschriften gegeben sein müssten (vergi.
•§§ 212 und 216 des neuen deutschen Handelsgesetzbuches).
Hieraus muss der Ausschluss derartig gestalteter Gesellschaften
um so eher geschlossen werden, als der Munzingersche
Entwurf eines schweizerischen Handelsrechts in Art. 113 aus-
drücklich für gewisse Aktiengesellschaften, namentlich für
solche mit landwirtschaftlichem Charakter, speziell für Aktien-
käsereien, die Befreiung von einzelnen Bestimmungen über
die Aktiengesellschaften vorsah. Aus dieser Vorschrift, in
Verbindung mit der ganzen geschichtlichen Entwicklung des
Aktiengesellschaftswesens geht hervor, dass das schweizerische
Gesetz unter einer Aktiengesellschaft nur eine solche Gesell-
schaft verstanden wissen will, bei welcher der einzelne Ge-
sellschafter nur für einen fest bestimmten Geldbetrag haftet,
und die Eingehung weiterer Verpflichtungen der Aktionäre
gegenüber der Gesellschaft ausgeschlossen wissen will. (Entsch.
vom 27. Januar 1899 i. S. Gesellschaft schweizerischer Metz-
germei8ter für Haut- und Talgverwertung c. Gebr. Leuen-
berger.)
104
68. 0. R. Art 619 Abs. 1, 654 (f., 671 Abs. 2, 673. Ver-
antwortlichkeU der Verwaltung einer Aktiengesellschaft und Grün-
derverantwortUchkeit. — Gründervorteil.
1. Indem Art. 673 0. R. die Mitglieder der Verwaltung*
einer Aktiengesellschaft dieser gegenüber verantwortlich er-
klärt für den Schaden, den sie infolge Verletzung oder Ver-
nachlässigung der ihnen obliegenden Pflichten erleidet, ver-
steht das Gesetz unter diesen Pflichten die speziellen aus-
der Stellung als Verwaltungsmitglted erwachsenden Pflichten r
aUo die Pflichten der Vertretung, der Geschäftsführung und
der Aufsicht, wie sie in den Art. 654 ff. 0. R. geregelt sind.
Eine Verletzung dieser Pflichten kann nun in der Annahme
eines Gründervorteils und der Verschleierung dieser Annahmer
also in der Verletzung des Art. 619 Abs. 1 0. R., auf keinen
Fall erblickt werden; vielmehr ist hiefür lediglich der Scha-
denersatzanspruch des Art. 671 Ziff. 2 eod. gegeben.
2. Damit von einem Gründervorteil im Sinne der Art. 61ï>
Abs. 1 und 671 Abs. 2 die Rede sein könne, ist vor allein
erforderlich, dass dieser Vorteil festgesetzt werde auf Kosten
der Gesellschaft, dass dem Gründer Rechte gegen die Gesell-
schaft eingeräumt werden. Diese Einräumung kann begriffs-
gemäss nur stattfinden durch die bei der Gründung Mitbetei-
ligten, weshalb das Gesetz von einer „Mitwirkung" spricht.
Diese Mitbeteiligten müssen also im Einverständnis handeln,
und es ist undenkbar, dass ein einzelner Gründer allein ohne
Mitwirkung der Mitgründer sich einen Vorteil auf Kosten
der Gesellschaft verschaffen könne. (Entsch. vom 24. Februar
1899 i. S. Walliser Industriegesellschaft c. Trost.)
69. 0. R. Art. 669, 898. Fusion von Aktiengesellschaften.
Dieselbe kann sowohl in der Weise geschehen, dass eine Gesell-
schaft in ihrer Rechtspersönlichkeit erhalten bleibt und das Ver-
mögen der andern sich auflösenden erwirbt und deren Mitglieder
in sich aufnimmt, als auch in der Art, dass beide Gesellschaften
sich auflösen und zu einer neuen Gesellschaft vereinigen.
1. Art. 898 0. R. hat nur die innere Organisation der
Aktiengesellschaften und Genossenschaften, und nicht die vor
dem 1. Januar 1883 begründeten Beziehungen zu Dritten im
Auge.
2. Die Fusion mehrerer Aktiengesellschaften kann auf
zweierlei Weise stattfinden: entweder so, dass alle Gesell-
schaften sich auflösen und zu einer neuen Gesellschaft ver-
einigen, oder so, dass die eine Gesellschaft die andern mit
105
dem gesamten Vermögen und den Mitgliedern in sich auf-
nimmt. Nun sind bei jeder Fusion zwei Elemente, entspre-
chend der Natur der Aktiengesellschaften, zu unterscheiden:
das wirtschaftliche und das rechtliche. Im erstem Falle findet
ein Untergang aller sich vereinigenden Gesellschaften statt
und tritt ein neues Rechtssubjekt an deren Stelle; hier ist
die Vereinigung nicht bloss eine wirtschaftliche, sondern auch
eine juristische. Anders verhält es sich dagegen im zweiten
FaUe: hier geht die aufzunehmende Gesellschaft unter, sie
verliert ihre Vermögensgrundlage und damit ihre rechtliche
Existenz; sie überträgt ihr Vermögen an die aufnehmende
-Gesellschaft auf dem Wege der Universalsuccession. Die
aufnehmende Gesellschaft dagegen verändert lediglich ihre
wirtschaftliche Struktur, in der Regel unter Aenderung ihrer
Firma; allein ein Untergang ihrer juristischen Persönlichkeit
findet nicht statt; die Aufnahme einer oder mehrerer anderer
Gesellschaften berührt ihre juristische Existenz in keiner Weise,
sie bleibt nach wie vor als Rechtssubjekt bestehen. Der Ver-
treter der Beklagten hat nun freilich den Standpunkt einge-
nommen, und die kantonalen Instanzen haben diese Auffas-
sung geteilt, dass bei der Fusion zweier oder mehrerer Ak-
tiengesellschaften nach den Bestimmungen des schweizerischen
Obligationenrechts immer ein Untergang sämtlicher Gesell-
schaften stattfinde und dass daher diejenige Gesellschaft, die
die Rolle des weiter bestehenden und aufnehmenden Vereins
spiele, sowohl wirtschaftlich als rechtlich ein neues Gebilde
sei. Wenn der Vertreter der Beklagten fur diesen Stand-
punkt geltend gemacht hat, dass die Fusion von Aktiengesell-
schaften unter dem Abschnitt „Auflösung" behandelt sei, und
dass Art. 669 Ziff. 2 0. R., im Gegensatze zu dem im übrigen
gleichlautenden Art. 247 Ziff. 2 D. H. G. B., sage, die Ver-
waltung werde von der „neuen" — nicht von der „an-
dern" — Gesellschaft geführt, so ist dem entgegenzuhalten:
.Zunächst kann der erstere Umstand für die Auffassung des
Klägers nicht schlüssig sein, weil eine Gesellschaft notwen-
digerweise bei jeder Fusion sich auflösen muss, und sich die
Aufnahme der Bestimmungen über Fusion unter das Kapital
der Auflösung aus diesem Grunde ungezwungen erklärt, dies
um so mehr, als Art. 669 0. R. die Fusion von Aktiengesell-
schaften (wie auch Art. 247 D. H. G. B.) nicht in erschöpfen-
der Weise behandelt, sondern nur eine Anzahl von Bestim-
mungen zum Schutze der Gläubiger trifft. Und jener Ab-
weichung vom Wortlaute des Vorbildes, des deutschen Han-
delsgesetzbuches, kann wohl kaum eine entscheidende Be-
106
deutung beigemessen werden angesichts des Unistandes, das»
in den Materialien zum Gesetze von dieser Abweichung nir-
gends die Rede ist, und dass Ziff. 4 und 5 des Art. 669 immer
nur von einer aufgelösten Gesellschaft sprechen. Wenn der
fraglichen Redaktionsänderung eine sachliche Bedeutung über*
haupt zukommt, so kann dieselbe jedenfalls nur darin gefun-
den werden, dass dadurch die unter der Herrschaft des deut-
schen Handelsgesetzbuches in der Doktrin vertretene Ansicht,
die Fusion durch Auflösung beider Gesellschaften sei über-
haupt unstatthaft, hat abgelehnt werden wollen. Hieraus er-
hellt, dass auch das schweizerische Obligationenrecht gleich
wie das deutsche Handelsgesetzbuch die Fusion zweier Ak-
tiengesellschaften in der Weise der Aufnahme der einen in
die andere als das Normale ansieht (vergi, auch Hafnerr
Komment., 1. Aufl., Art. 669, Ziff. 4), wie dieser Fall denn
wohl auch im Leben der Normalfall sein wird. Bei der Fu-
sion der letztern Art geht nun, wie bereits bemerkt, die auf-
nehmende Gesellschaft als Rechtssubjekt nicht unter. Aller-
dings verändert sich die wirtschaftliche Struktur des aufneh-
menden Vereins: das Grundkapital wird vergrössert, die Mit-
gliederzahl vermehrt sich, Statuten und Firma werden in der
Regel geändert; allein die aufnehmende Gesellschaft bleibt
nach wie vor juristisch das alte Gebilde. (Entsch. v. 25. Mars
1899 i. S. Dreyfus und Genossen c. Schweizerischen Bank-
verein.)
70. 0. R. Art 873, 876. Deutliche Unterscheidbarkeit bei
Sachfirmen: Grundsätze.
Bei der Frage, ob sich zwei Firmen von Aktiengesell-
schaften deutlich unterscheiden, ist von nachfolgenden Grund-
sätzen, die sich insbesondere in der bundesgerichtlichen Praxis
entwickelt haben, auszugehen. Zweck der Firma soll sein
die Unterscheidung eines Gewerbetreibenden als solchen im
Verkehr, seine Individualisierung den Gewerbegenossen und
sonstigen Gewerbetreibenden gegenüber. Zunächst sind nun
allerdings zwei streitige Firmen als Ganzes ins Auge zufassen,
und ist die Frage der deutlichen Unterscheidbarkeit nach
diesem Massstabe zu beurteilen. Dabei ist jedoch su berück-
sichtigen, dass die Aktiengesellschaften (wie auch die Ge-
nossenschaften), überhaupt die sog. Sachfirmen, im Gegensatz
zu den Personenfirmen, in der Wahl ihrer Firma (mit den
in Art. 873 0. R. gegebenen Einschränkungen) durchaus frei
sind, und daher im Verkehre erfahrungsgemäss bei solchen
Firmen nicht so genau auf einzelne unterscheidende Merk-
107
male geachtet wird, wie bei Personenfirmen, daher auch bei
Wahl einer altern, ähnlich lautenden Firma die Vermutung
des bösen Glaubens nahe liegt; es ist deshalb bei der Be-
urteilung der Frage, ob sich eine neue Firma von einer alten
deutlich unterscheide, ein strengerer Massstab anzulegen, wenn
es sich um Sachfirmen handelt, als wenn Personenfirmen im
Streite liegen (s. Urteil des Bundesgerichts vom 16. März
1895 i. 8. Konsumverein Zürich-Oberstrass c. Konsumverein
Zürich, A mtl. Samml. BJ XXI S. 230).
Auch können gewisse Bestandteile einer Firma derart
charakteristisch sein, dass sie allein oder doch vorzugsweise
in Auge und Ohr des Publikums fallen und im Gedächtnis
haften bleiben, so dass allein sie als das wesentliche erscheinen,
und nur mit Rücksicht auf sie die Frage der deutlichen Unter-
scheidung zu entscheiden ist.
In Anwendung dieser Grundsätze hat das Bundesgericht
auf Klage der Aktiengesellschaft „Artistisches Institut Orell
Füssli" in Zürich der Aktiengesellschaft „Bibliograph, art.
Institut Zürich A. G." den Gebrauch der Bezeichnung „Art.
Institut0 in ihrer Firma untersagt, indem es u. a. ausführte:
Die Bezeichnung „Art. Institut" sei (in der Anwendung auf
ein Unternehmen für Herstellung von Werken der verviel-
fältigenden Künste) eine durchaus eigenartige, welche als
wesentlicher charakteristischer Bestandteil der klägerischen
Firma erscheine, insbesondere für den Verkehr mit dem Aus-
lande, in welchem die Personennamen Orell Füssli nach der
Feststellung der kantonalen Instanz in ihrer Bezeichnungskraft
hinter der sachlichen Bezeichnung „Art. Institut" vollständig
zurücktreten. Der Umstand, dass ein bestimmter Bestandteil
einer Firma auch nur für einzelne Abnehmerkreise als das
allein Charakteristische und Wesentliche erscheine, genüge
aber, um die Aufnahme einer gleich oder ähnlich lautenden
Bezeichnung in eine andere Firma zu verbieten, jedenfalls
dann, wenn es sich um Konkurrenzgeschäfte handle, die am
gleichen Platze in derselben Gesellschaftsform niedergelassen
seien. (Entsch. vom 10. Februar 1899 i. S. Aktiengesellschaft
Bibliograph. Art. Institut Zürich in Zürich c. Aktiengesell-
schaft Art. Institut Orell Füssli in Zürich.)
71. 0. R. Art 18 ff., 76 ff., 896. Wirkung der Anfechtung
eines (Lebens-) Versicherungsvertrages durch den Versicherer wegen
wesentlichen Irrtums. Umfang des Bereicherungsanspruchs des
Versicherten.
108
Der am 3. November 1819 geborene Landwirt H. in U.
hatte sich im Jahre 1885 bei der beklagten Versicherungs-
gesellschaft gegen eine jährliche Prämie von Fr. 564 auf sein
Ableben hin für Fr. 10,000 versichert. In seinem Versiche-
rungsantrage hatte H. als seinen Geburtstag richtig den
3. November 1819 angegeben. Der Versicherungsagent L.,
welcher den Antrag der Beklagten zu übermitteln hatte,
fälschte jedoch dieses Datum, indem er die Jahreszahl 1819
in 1830 umänderte, und die beklagte Gesellschaft genehmigte
den Versicherungsantrag auf Grund dieser falschen Alters-
angabe. Als nach Jahren durch einen Zufall die Fälschung
des L. aufgedeckt wurde, entstand zwischen den Parteien
Streit. Landwirt H. behauptete in erster Linie, die Beklagte
habe den Versicherungsvertrag als verbindlich anzuerkennen;
eventuell verlangte er Rückerstattung der sämtlichen von ihm
bezahlten Prämien samt Zins und Zinseszins. Die Gesell-
schaft wollte den Versicherungsvertrag nur bei Reduktion der
Versicherungssumme auf Fr. 5407 fortsetzen, andernfalls ver-
langte sie Aufhebung des Vertrags wegen wesentlichen Irr-
tums, wobei sie sich bereit erklärte, dem Kläger das auf seine
Versicherung entfallende D e ckungs kapital herauszugeben.
Im Laufe des Prozesses liess der Kläger seinen auf Auf-
rechterhaltung des Versicherungsvertrages gerichteten Haupt-
antrag fallen und hielt nur seinen eventuellen Antrag fest.
Dieser wurde vom Bundesgericht grundsätzlich gutgeheissen,
im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Kläger fordert von der Beklagten dasjenige zurück,
was dieser durch die Leistungen zugekommen ist, welche er
ihr gegenüber im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des
wegen Irrtums der Beklagten für sie unverbindlichen Ver-
sicherungsvertrages gemacht hat. Es handelt sich also um
die Pflicht zur Rückerstattung von Zuwendungen, welche eine
Partei aus einem nicht verwirklichten Grunde erhalten hat.
Die Beklagte bestreitet nun aber, dass eine Bereicherung in
dem Umfange, wie die Klage behauptet, überhaupt eingetreten
sei, indem sie geltend macht, die Annullierung des Versiche-
rungsvertrages könne nicht zur Folge haben, dass dieser Ver-
trag ab initio aufgelöst werde; denn derselbe sei für die Be-
klagte trotz ihrem Irrtum, wenn auch nicht für den gesamten
Betrag von Fr. 10,000, so doch für die dem wirklichen Alter
des Versicherten entsprechende Versicherungssumme, im Be-
trage von Fr. 5407, verbindlich gewesen. Sie habe somit bis
zu diesem Betrage vom Tage des Vertragsschlusses an das
Risiko getragen und insoweit dem Kläger für dessen ver-
109
trag8mäs8ige Leistung eine Gegenleistung gewährt, deren
nachträgliche Zurückziehung unmöglich sei. Dieser Argumen-
tation ist in erster Linie entgegenzuhalten, dass nach eid-
genössischem Obligationenrecht der von der Beklagten gel-
tend gemachte Mangel beim Vertragsschlnss das Zustande-
kommen eines für den Anfechtungsberechtigten verbindlichen
Vertrages überhaupt hindert, so dass also, wenn die Anfech-
tung begründet ist und auf derselben beharrt wird, der Ver-
trag als von Anfang an ungültig zu betrachten ist (von Tuhr,
Mängel des Vertragsschlusses, Zeitschrift für Schweiz. Recht,
N. F. Bd 17 S. 42/45). Demnach könnte die Behauptung der
Beklagten, dass sie auf Grund des mit dem Kläger abge-
schlossenen Versicherungsvertrages ein Risiko getragen und
somit für die bezogenen Prämien eine Gegenleistung gemacht
habe, nur dann richtig sein, wenn es sich bei der Anrufung
des bezeichneten Mangels beim Vertragsschlusse nicht sowohl
um die Ungültigerklärung des Vertrages in seiner Gesamt-
heit, sondern nur rücksichtlich einzelner Bestimmungen des-
selben handelte. Allein dies ist nicht der Fall. Die Behaup-
tung der Beklagten, dass der Versicherungsvertrag für eine
reduzierte, dem wirklichen Alter des Versicherten entspre-
chende Versicherungssumme in Kraft geblieben sei, würde
dazu führen, dass der Kläger an einen Vertrag wesentlich
anderen Inhaltes gebunden wäre, als denjenigen, zu welchem
er seine Zustimmung erteilt hatte. Für eine derartige Wir-
kung der Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäftes wegen Mängel
beim Vertragsschluss bietet das Gesetz keinen Anhalt. Der
Beklagten blieb daher nur die Wahl, entweder ihre Anfech«
tung gegen das Rechtsgeschäft als Ganzes za richten, und
damit die Ungültigkeit desselben in seinem ganzen Inhalte
herbeizuführen, oder dann auf die Anfechtung überhaupt zu
verzichten.
Besteht, nach dem Gesagten, die Wirkung der Anfech-
tung darin, dass der Versicherungsvertrag als von Anfang an
ungültig betrachtet werden muss, so erweist sich auch die
Behauptung der Beklagten, dass sie für die Prämienzahlungen
des Klägers eine Gegenleistung gemacht habe, als unhaltbar.
Denn das Risiko, welches den Gegenstand des Versicherungs-
vertrages bildete, berührte sie in diesem Falle überhaupt
nicht, weil sie eben dasselbe durch den für sie unverbind-
lichen Vertrag nicht übernommen hatte; und wenn es in einem
Zeitpunkt zur Auszahlung der Versicherungssumme gekommen
wäre, zu welchem der Irrtum der Beklagten noch fortgedauert
hätte, so wäre sie wegen dieser Leistung in gleicher Weise
110
zur Rückforderung wegen Mangels eines rechtmässigen Grun-
des befugt gewesen, wie der Kläger wegen seiner Prämien-
zahlungen. Hieraus folgt, dass die Beklagte den gesamten
Betrag der vom Kläger empfangenen Prämien als Bereiche-
rung herauszugeben hat, und zwar mit Zins und Zinseszins
bis zum Zeitpunkt der Klageanhebung; denn bei der Natur
ihres Geschäftes ist ohne weiteres davon auszugehen, dass
die eingegangenen Prämien zinsbar angelegt worden seien,,
und die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass dies nicht
der Fall gewesen sei. (Entsch. vom 25. März 1899 i. S. Hänggi
c. Urbaine.)
72. 0. R. Art. 896. Versicherungsagenten (auch General-
agenten! sind in der Regel, und sofern ihnen diese Vollmacht
nicht ausdrücklich erteilt ist, nicht befugt, die Voraussetzungen,
unter welchen die Ausdehnung der (Unfall- und Haftpflicht-) Ver-
sicherung auf andere Gewerbearten als die im Versicherungsver-
träge genannten zu bewirken ist, von sich aus festzusetzen oder
über diese Voraussetzungen verbindliche Erklärungen abzugeben.
Wenn daher ein Versicherter im Vertrauen auf Erklärungen eines
Generalagenten es dabei bewenden lässt, von seinem Vorhaben,
einen neuen Gewerbebetrieb zu beginnen^ einfach dem Lokalagenten
Anzeige zu machen, ohne sich zu vergewissern, ob die Versiche-
rungsgesellschaft der Ausdehnung der Versicherung auf diesen
Betrieb beistimmt, so handelt er auf seine Gefahr:
(Entsch. vom 11. März 1899 û S. Le Soleil e. Egloff.)
73. 0. R. Art. 896. Unfallversicherung. Die Beweislast dafür,
dass der Tod des Versicherlen durch Unfall {nicht durch Selbst-
mord) herbeigeführt wurde, trifft denjenigen, der aus der Ver-
Sicherung Rechte für sich herleitet. Eine Rechtsvermutung gegen
den Selbstmord besteht nichtt dagegen genügt für die Annahme
eines unfreiwilligen gewaltsamen Todes ein blosser Wahrschein-
lichkeitsbeweis.
(Entsch. vom 30. März 1899 i. 8. Erben Voneschc. Schweizer.
Unfallversicherungsaktiengesellschaft in Winterthur.)
74. Bundesgesetz betr. Feststellung und Beurkundung de*
Civilstandes und die Ehe vom 24. Dezember 1874, Art. 28 Ziff. 3,
26. Fähigkeit zur Eingehung einer Ehe. Begriff des Blödsinns.
Partant du principe que le mariage ne peut être valable-
ment conclu sans le consentement libre des époux, le Tribu-
Ili
nal fédéral a jugé qu'il doit en tout cas être interdit pour
cause d'imbécillité au sens de l'art. 28, chiffre 3 de la loi
fédérale sur l'état civil, aux personnes atteintes d'une faib-
lesse d'esprit telle qu'il leur est impossible de comprendre
la nature et la portée du mariage et d'avoir une volonté libre
(Voir arrêt du 3 mai 1879, Ree. off. V, page 260, consid. 3;
voir aussi Ree. off. I, page 97, consid. 1 et 2). Les personnes
qui se trouvent dans ce cas ne sont toutefois pas les seules
auxquelles puisse s'appliquer l'interdiction édictée par l'art. 28,
chiffre 3, leg. cit., car sans cela on ne comprendrait pas l'utilité
de cette disposition, qui ne ferait que confirmer le principe,
déjà énoncé à fart. 26, que le mariage n'est pas valable sans
le consentement libre des époux. Mais il est évident, d'autre
part, que le législateur n'a pas entendu interdire le mariage
à toute personne qui, à raison d'un développement incomplet,
ou d'un affaiblissement des facultés mentales, peut être con-
sidérée en une mesure quelconque comme faible d'esprit.
L'imbécillité (Blödsinn), au sens de l'art. 28, chiffre 3 de la
loi sur l'état civil, doit s'entendre d'une faiblesse d'esprit
accentuée excluant la possibilité de remplir d'une manière
suffisante les devoirs moraux et les obligations juridiques qui
naissent du mariage. Il se justifie également de tenir compte
des conséquences possibles de la faiblesse d'esprit au point
de vue de l'état mental des enfants qui pourraient naître du
mariage. En revanche, on ne saurait considérer comme carac-
téristique de Timbécillité, au sens de la disposition légale
précitée, le fait de n'être pas capable d'administrer soi-même
sa fortune. Une personne peut parfaitement être placée sous
tutelle pour cause d'incapacité de gérer elle-même ses intérêts
matériels, et cependant ne pas appartenir à la catégorie des
imbéciles. (Entsch. vom 30. März 1899 i. S. Blancpain c. Au-
torité tutélaire de Courtelary.)
75. Bundesgesetz betr. die Organisation der Bundesrechls-
pflege vom 22. Mär» 1893, Art 58. Bundesgesetz betr. Feststellung
und Beurkundung des Civilstandes und die Ehe com 24. Dezember
1874, Art. 35. — 1. Eine Entscheidung, durch welche ein Ehe-
einspruch wegen verspäteter Klagerhebung zurückgewiesen wird,
ist ein Haupturteil, so dass gegen dieselbe die Berufung an de»
Bundesgericht statthaft ist. 2. Wenn das kantonale Recht vor-
schreibt, dass der eigentlichen Klagerhebung ein Sühneversuch
voranzugehen tobe, so ist die in Art. 35 des B.-Ges. betr. Civil-
stand und Ehe für die Erhebung der Eheeinspruchsklage vor-
112
geschriebene zehntägige Frist gewahrt, sofern binnen derselben
das Begehren um Abhaltung des Sühneversuches gestellt worden ist.
(Entsch. vom 8. Februar 1899 i S. Faucherre c. Faucherre.)
76. Btmdesgesetz betr. dte Haftpflicht der Eisenbahn- und
Dampfschiffahrtunternehmungen bei Tötungen und Verletzungen
vom 1. Juli 1875, Art. 4. Wenn der Verunglückte sich mit wissent-
licher Ueberschreitung polizeilicher Vorschriften mit der Trans-
porianstalt in Berührung gebracht hat, so ist der Schadenersatz-
anspruch desselben ausgeschlossen, auch wenn der Unfall un-
mittelbar durch ein Verschulden von Bahnangeslellten verursacht
sein sollte.
(Entsch. vom 8. März 1899 i. S. Erben Lacroix c. Jura-
Simplon-Bakn.)
77. Bundesgesetz betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb vom
25. Juni 1881, Art. 12. Verjährung der Schadenersatzansprüche
aus demselben; Beginn und Unterbrechnngsgründe.
Nach Art. 12 F. H. G. verjähren die Schadenersatzan-
sprüche aus demselben nach einem Jahre von dem Tage der
^Tötung oder) Verletzung. Es wird also hier ausdrücklich
aieser Tag, und nicht etwa der Moment, wo sich die Folgen
der Verletzung zeigen, zum Anfangspunkte der Verjährungs-
frist genommen, was denn auch der Tendenz des Fabrikhaft-
pflichtgesetzes, dass die aus ihm entspringenden Ansprüche
möglichst rasch zu erledigen seien und der Unternehmer nicht
lange im Ungewissen sein müsse, ob noch Haftpflichtforde-
rungen gegen ihn gestellt werden könnten, entspricht. Die
Gründe der Unterbrechung dieser Verjährung sind nach kon-
stanter bundesgerichtlicher Praxis die im 0. R. Art. 154 auf-
gestellten. (Entsch. vom 4. Februar 1899 i. S. Wagenmann
c. Aktiengesellschaft der Maschinenfabrik von Theodor Bell
& Cie.)
78. Bundesgesetz betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb vom
25. Juni 1881, Art ö litt. a. Bundesgesetz betr. die Ausdehnung
der Haftpflicht u. s. w. vom 26. April 1887, Art 2 Abs. 1. Wenn
ein der Haftpflichtgesetzgebung untersteliter Gewerbetreibender
Arbeiten als Unterakkordant übernommen hat, so haftet er seinen
Arbeitern als Betriebsunternehmer für die ihnen bei deren Aus-
führung zugestossenen Betriebsunfälle; seine Haftpflicht wird da-
durch nicht ausgeschlossen, dass neben ihm auch der Haupt-
na
Unternehmer gemäss Art .2 Abs. 1 cit. verantwortlich ist. Wenn in
einem solchen Falle den Unierakkordanten keine Schuld an dam Un-
fälle trifft, so erscheint dieser ihm gegenüber als ein zufälliger T
auch wenn den Hauptunternehmer ein Verschulden treffen sollte.
(Entsch. vom 1. März 1899 i. S. Mann c. Béguin.)
79. Bundesgesetz betr. Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art. 287 Ziffer 3, 288, 290. Wesen des Konto-
korrentverhältnisses. Einzahlungen in einen Kontokorrent während
laufender Rechnungsperiode qualifizieren sich nicht als Zahlung
im Rechtssinne und können daher nicht ab Zahlung einer nicht
verfallenen Schuld angesehen werden. Begriff der Benachteiligungs-
absicht im Sinne des Art. 288 leg. cit., Erkennbarkeit dieser Ab-
sicht für den Gläubiger. — Voraussetzungen der Anfechtungsklage
gegen den Bürgen, wenn der zahlungsunfähige Hauptschuldner
zu dessen Entlastung Leistungen an den Gläubiger gemacht hat,
welche diesem gegenüber nicht anfechtbar sind.
Dem 8ch., Säger in L., war von der Aargauischen Bank
gegen Bürgschaft verschiedener naher Verwandter ein Kredit
in laufender Rechnung von Fr. 30,000 eröffnet worden. Am
18. Oktober 1897 fiel Seh., nachdem er im Juni gl. J. sein
Geschäft an eine Aktiengesellschaft verkauft hatte, in Kon-
kurs. Während der Kontokorrent mit der Aargauischen Bank
am 30. Juni 1897 mit einem Saldo zu Lasten des Seh. von
Fr. 30,724 abgeschlossen hatte, betrug dieser Saldo im Zeit-
punkt des Konkursausbruchs nur noch Fr. 4789. Seh. hatte
inzwischen in zwei Malen erhebliche Einzahlungen gemacht,
am 5. Juli Fr. 20,000 und am 3. August Fr. 15,000, wogegen
hinwiederum die Bank im Juli und sodann noch am 13. Au-
gust verschiedene Zahlungen, im Gesamtbetrage von Fr. 8894. 15
für ihn leistete. Die Konkursmasse des Seh. klagte nun
gegen die Aargauische Bank und die Kreditbürgen des Seh.
dahin :
1. Es haben die Beklagten anzuerkennen, dass die Zah-
lungen des Gemeinschuldners an die Aargauische Bank, d. d.
5. Juli 1897 im Nettobetrage von Fr. 11,105. 85 und d. cL
3. August 1897 im Betrage von Fr. 15,000 anfechtbar seien.
2. Die Beklagten seien zu verurteilen, unter solidarischer
Haftbarkeit diese Beträge mit Zins zu 5 °/o vom 5. Juli bezw.
3. August 1897, eventuell vom Tage der Klage hinweg in die
Konkursmasse des Seh. einzubezahlen.
3. Eventuell seien diese Beträge von der Aargauischen
Bank, eventualissime von den beklagten Bürgen unter soli-
IH
darischer Haftbarkeit zu bezahlen, alles unter Kosten- und
Eutsehädigung8folge.
Sie stützte diese Klage auf Art. 287 Ziff. 3 und 288 des
Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, indem
sie behauptete: Als Seh. der Aargauischen Bank die in Rede
stehenden Zahlungen gemacht habe, sei er gewaltig über-
schuldet gewesen. Da seine Schuld bei der Aargauischen
Bank im Momente jener Zahlungen nicht fällig gewesen sei,
liege somit der in Art. 287 Ziff. 3 des Schuldbetreibungs- und
Konkursgesetzes vorgesehene Fall vor. Ueberdies treffe der
Anfechtungsgrund des Art. 288 des gleichen Gesetzes zu.
Nach der Veräusserung seines Geschäftes habe Seh. seine
Vermögenslage genau gekannt. Die Zahlungen an Gläubiger,
denen seine Verwandten als Bürgen hafteten, seien in der
Absicht erfolgt, diese Gläubiger bezw. die Bürgen auf Kosten
der übrigen Gläubiger zu begünstigen, und diese rechtswidrige
Absicht sei dein andern Teile erkennbar gewesen ; die Zahlungen
seien sogar auf das Drängen der Bürgen hin gemacht worden.
Das Obergericht des Kantons Aargau hat die Klage
gegenüber der Aargauischen Bank abgewiesen, gegenüber den
Bürgen dagegen gutgeheissen. Das Bundesgericht dagegen
hat die Klage auch gegenüber den Bürgen abgewiesen. Hin-
sichtlich der Klage gegen die Aargauische Bank wird in den
Gründen des bundesgerichtlichen Urteils ausgeführt:
Es ist nicht bestritten, dass der Gemeinschuldner zur
Zeit, als er die beiden Einzahlungen von Fr. 20,000 und von
Fr. 15,000 machte, überschuldet war, und da diese Zahlungen
innerhalb der letzten sechs Monate vor der Konkurseröffnung
erfolgt sind, findet der von der Klägerin in erster Linie an-
gerufene Art. 287 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes
in der That Anwendung, sofern in denselben eine der daselbst
näher bezeichneten Rechtshandlungen zu erblicken ist. Dabei
kann es sich einzig fragen, ob die in Ziffer 3 genannte Rechts-
handlung, nämlich die Zahlung einer nicht verfallenen Schuld,
hier vorliege. Dies ist jedoch zu verneinen. Wie nicht be-
stritten ist, hatte die Aargauische Bank dem Soh. den Kredit
von Fr. 30,000 in Form eines Kontokorrentvertrages, in lau-
fender Rechnung, eröffnet, und es hat sich auch thatsächlich
der beidseitige Geld verkehr in dieser Form abgewickelt. Nun
besteht aber das Wesen des Kontokorrentverhältnisses darin,
dass erst der durch periodischen Rechnungsabsohluss zu er-
mittelnde Saldo die Forderung des einen oder des anderen
Teils bildet, die gegenseitigen Leistungen also, so lange die
Rechnung läuft, zunächst weder eine Schuld noch eine For-
115
derung, sondern blosse Rechnungsposten, d. h. blosse arith-
metische Faktoren für das Schlussergebnis begründen (siehe
Ooldschmidt, System § 111; Grünhut, in Zeitschrift für
Privat- und öffentliches Recht, Bd III, S. 505 und Levi, Konto-
korrentvertrag S. 104). Die Einlieferung eines Geldbetrages
während der Rechnungsperiode tilgt demnach ebensowenig
eine Schuld, bedeutet ebensowenig Zahlung im Rechtssinne,
als die Empfangnahme dem anderen Teil eine Forderung
schafft. Sind daher die beiden Einzahlungen von Fr. 20,000
und Fr. 15,000 als in laufende Rechnung geleistet zu be-
trachten, so kann davon, dass sie unter die in Ziffer 3 von
Art. 287 Schuld betreibungs- und Konkursgesetzes genannten
Rechtshandlungen fallen, nicht die Rede sein, indem sie sich
«ben überhaupt nicht als Zahlung einer Schuld darstellen.
Dass aber jene Einzahlungen wirklich in den Kontokorrent
gemacht worden sind, unterliegt keinem Zweifel. Das Konto-
korrentverhältnis war zu der Zeit, als dieselben erfolgten,
von keiner Seite gekündet; nachdem am 30. Juni 1897 eine
Abrechnung stattgefunden hatte, wurde das Verhältnis durch
Uebertragung des Saldos auf neue Rechnung fortgesetzt, und
eine weitere Abrechnung hatte nicht stattgefunden. Und da
ferner bei den beiden Zahlungen nichts anderes bedungen
war, muss davon ausgegangen werden, dass dieselben nach
der Meinung der Parteien gleich wie die übrigen, während
der Dauer des Kontokorrentverhältnisses von Seh. an die
Aargauische Bank geleisteten Zahlungen in den Kontokor-
rentnexus aufgenommen, und demnach lediglich als Faktoren
für die dereinstige Saldoberechnung behandelt werden sollten.
Aus dem Umstände, dass Seh. am 28. Juni die Einzahlung
von Fr. 20,000 als eine grössere Zahlung der Bank angekün-
digt hatte, kann ebensowenig auf eine abweichende Verein-
barung geschlossen werden, wie daraus, dass er am 30. Juli
1897, bevor er die Fr. 15,000 einbezahlte, die vollständige
Abzahlung des Kredites in Aussicht stellte. Entscheidend
ist, dass auch bei dieser letzten Zahlung die Rechnung that-
4sächlich noch nicht abgeschlossen war, sondern weiter lief,
so dass auch diese Zahlung, wie die früheren, da sie nicht
ausdrücklich zu einem besondern Zwecke, insbesondere
nicht zum Zwecke der Tilgung und Ausscheidung bestimmter
Kontokorrentposten gemacht wurde, die Erfüllung der durch
das Kontokorrent Verhältnis begründeten gegenseitigen Obli-
gationen in suspenso liess. Wenn th a t sächlich die Einzahlungen
«Seh. zwar dessen Guthaben aus dem Kontokorrent vermehrten, so
bewirkten sie doch, so lange die Rechnung nicht abgeschlossen
116
war, in keiner Weise eine Schuldentilgung, wie sie denn auch
jederzeit durch Bezüge paralysiert werden konnten, soweit
Seh. infolge derselben gegenüber dem Betrage des gewährten
Kredites im Vorschusse war.
Es kann sich daher nur fragen, ob die genannten Zah-
lungen aus dem allgemeinen Gesichtspunkt des Art. 288 dea
Schuldbetreibung8- und Konkurs-Gesetzes, d. h. deshalb der
Anfechtung unterliegen, weil der Gemeinschuldner sie in der,
dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen habe,
seine Gläubiger zu benachteiligen, oder einzelne Gläubiger
zum Nachteil anderer zu begünstigen. Die Absicht der Be-
nachteiligung bezw. der Begünstigung Einzelner zum Nachteil
Anderer ist gemäss der konstanten Praxis des Bundesgerichts
(vergi. Amt). Samml., Bd XXI, S. 1277 E. 6) schon dann an-
zunehmen, wenn die Begünstigung bezw. Schädigung vom
Schuldner überhaupt als die natürliche Folge seiner Rechts-
handlung vorausgesehen werden konnte, so dass es zur An-
wendung von Art. 288 cit. eines besondern Nachweises, dass
dieser Erfolg gerade den Zweck des Rechtsgeschäftes gebildet
habe, nicht bedarf. Nach den aktenmässigen thatsächlichen
Feststellungen der Yorinstanz besteht nun kein Zweifel, dass
der Gemeinschuldner vollständig darüber im klaren war, dass
die angefochtenen Rechtshandlungen eine Begünstigung ein-
zelner seiner Gläubiger enthalten und zum Nachteil der übrigen
ausschlagen werden. Dass jedoch der Aarg. Bank bei der
Entgegennahme der beiden Einzahlungen vom Juli und August
1897 diese Absicht ihres Kunden bekannt gewesen sei, ist
unerwiesen, und es lässt sich auch nicht sagen, dass die Bank
bei der in dieser Richtung von ihr zu erwartenden Aufmerk-
samkeit dieselbe hätte erkennen können. Eine besondere
Veranlassung, sich im eigenen Interesse über die finanziellen
Verhältnisse Seh. stets genau auf dem Laufenden zu erhalten,
hatte sie nicht, da sie für den ihm gewährten Kredit durch
die Bürgschaft, wie nicht bestritten ist, hinlänglich gedeckt
war ; und im Interesse allfällig gefährdeter dritter Gläubiger
brauchte sie, solange dasjenige, was ihr über seine Verhältnisse
wirklich bekannt war, keinen begründeten Anlass zu Verdacht
gab, besondere Erkundigungen nicht einzuziehen.
Hinsichtlich der Klage gegen die Bürgen wird in dem
bundesgerichtlichen Entscheide bemerkt:
Gegenüber den Bürgen hat die Vorinstanz die Klage gut-
geheis8en, indem sie sich auf den Standpunkt stellte, dass
dieselben als bösgläubige Dritte im Sinne des Art. 290 Schuld -
betreibungs- und Konkurs- Gesetzes zu behandeln seien, und
117
deshalb mit der Anfechtungsklage belangt werden können,
obschon aie das anfechtbare Rechtsgeschäft mit dem Schuldner
nicht selbst abgeschlossen haben. Dieser Auffassung kann
nicht beigetreten werden. Wenn Art. 290 cit. bestimmt, die
Anfechtungsklage könne gegen diejenigen Personen angestellt
werden, die mit dem Schuldner die anfechtbaren Rechtsgeschäfte
abgeschlossen haben, oder von ihm in anfechtbarer Weise
befriedigt worden sind, gegen ihre Erben und gegen bösgläubige
Dritte, so unterliegt keinem Zweifel, dass unter diesen Dritten
einfach die Singularsuccessoren des Anfechtungsgegners ge-
meint sind, die gleich den Universalsuccessoren desselben von
der Klage erreicht werden, sofern ihr Rechtserwerb in bösem
Glauben erfolgt war. Nun ist zwar richtig, dass die beklagten
Bürgen infolge der Einzahlungen, welche der Gemeinschuldner
in seinen Kontokorrent bei der Aarg. Bank gemacht hat, einen
Vorteil erlangt haben, indem ihre Verpflichtungen als Bürgen in
dem Masse, als diese Einzahlungen reichten und nicht wieder
durch Bezüge wettgemacht wurden, gegenstandslos geworden
sind. Allein diesen Vorteil haben sie nicht durch Succession
in die Rechte der Aarg. Bank, d. h. desjenigen Rechtssubjektes,
mit welchem das angefochtene Rechtsgeschäft abgeschlossen
worden ist, erlangt, sondern derselbe war lediglich die Folge
der accessorischen Natur jener Verpflichtung. Der von der
Vorinstanz für die Passivlegitimation der beklagten Bürgen
angeführte Grund trifft demnach nicht zu. Damit ist freilich
die Möglichkeit der Anstellung einer Anfechtungsklage ihnen
gegenüber nicht von vornherein ausgeschlossen. Wenn fest-
gestellt wäre, dass die Leistung der Einzahlungen an die Aarg.
Bank auf einer Verabredung zwischen den Bürgen und dem
Gemeinschuldner beruhte, dass dieser den Kontokorrent nach
Kräften solle auszugleichen suchen, um die Bürgschaft gegen-
standslos zu machen oder wenigstens zu erleichtern, der
Gemeinschuldner also sich den Bürgen gegenüber zu jenen
Einzahlungen und zur Unterlassung weiterer Bezüge verpflichtet
hätte, so würden offenbar diese Bürgen die Rechtmässigkeit
jener Einzahlungen nach Massgabe der Grundsätze über die
paulliani8che Klage zu vertreten haben, indem sie sich als-
dann als Erfüllung einer zwischen dem Gemeinschuldner und
ihnen selbst abgeschlossenen Rechtshandlung darstellen würden.
Dieser Thatbestand liegt jedoch nach den Akten in den für
das Bundesgericht verbindlichen thatsächlichen Feststellungen
der Vorinstanz nicht erweislich vor. (Entsch. vom 3. März 1899
i. S. Masse Schneider c. Aargauische Bank und Schneider und
Genossen.)
118
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
80. Off er le. Gebundenheit des Offerenten. Schadenersatz-
pflicht. M 5 und 116 0. R.
Luxer n. Urteil des Obergerichts vom 12. Februar 1897.
Kläger belangen den Beklagten auf Sehadenersatz, weil
letzterer eine Partie Käse, die er den Klägern durch Brief
vom 18. Juni 1896 offeriert hatte, vor dem ordnungsmässig
erfolgten Eintreffen der klägerischen Annahmeerklärung an
einen Dritten weiter verkauft hatte. Es wurde im Prozesse
festgestellt, dass die Zusage der Kläger dem Beklagten inner-
halb der durch Art. 5 0. R. vorgesehenen Zeit zugekommen
sei. Damit war grundsätzlich die Schadenersatzpflicht des
Beklagten statuiert. Ueber die Höhe der Ersatzpflicht sprach
sich das Urteil dahin aus:
Ist ordentlicherweise der ersatzpflichtige Schuldner nach
Art. 116, Abs. 1, 0. R., nur gehalten, denjenigen Schaden zu
ersetzen, der bei Eingehung des Vertrages als unmittelbare
Folge der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung
des Vertrages vorhergesehen werden konnte, so bleibt doch
dem richterlichen Ermessen vorbehalten, ob bei schwerem
Verschulden in einem weiteren Umfange Schadenersatz zu
leisten sei. Nach Massgabe der schon von der ersten Instanz
angeführten Thatsachen, wonach der Beklagte in unverant-
wortlicher Weise von seiner Offerte abgegangen ist und inner-
halb der Zeit, während der er noch gegenüber den Klägern
gebunden war, einen anderweitigen Kaufvertrag abgeschlossen
hat, gelangt der hierortige Richter dazu, den Beklagten für
den mittelbaren Nachteil, das Spekulationsinteresse der Kläger,
haftbar zu erklären.
(Verhantll. d. Obergericbts u. d. Justizkommission v. J. 1897, S. 5 f.)
81. Vindikation. Erfordernisse des sogen. Eigentums-
Vorbehalts bei Kauf im Falle des Art. 264 0. R.
Zürich. Urteil der Appellationskammer des Obergerichtes vom
25. März 1899.
Die Firma R. erstellte den Brüdern J. & H. G. anfangs
1898 eine elektrische Beleuchtungsanlage. Das Gebäude,
worin diese Anlage errichtet war, ging im Sommer 1898 in
das alleinige Eigentum des H. G. über, und dieser geriet im
September in Konkurs. Die Beleuchtungsanlage wurde, da
sie noch nicht bezahlt war, von der Firma R. vindiziert, und
119
die Konkursverwaltung bestritt diesen Anspruch. Die Appel-
lationskammer wies die Vindikation ab. Nachdem die Motive
zuerst die Frage, ob es sich um Kauf- oder Werkvertrag
handle, dahin entschieden haben, dass Kauf vorliege, fahren
sie fort:
Die Vindikantin stützt ihren Anspruch wesentlich auf
den im Bestellungsvertrage enthaltenen Passus „Zahlung bei
Inbetriebsetzung" und auf den in ihrer Faktur vom 11. Mai
1898 enthaltenen Vormerk: „zahlbar netto per comptant."
Damit soll dokumentiert sein, dass der Eigentumsübergang
an die Gebrüder G. von der Zahlung des Preises abhängig
gemacht worden sei. Allein dieser Auffassung kann nicht
beigepflichtet werden ; diese Bestimmungen enthalten eine
Zahlungsbedingung, die keineswegs den Sinn haben kann,
dass, wenn dieselbe nicht erfüllt werde, das Eigentum nicht
an den Erwerber übergehe. Mit der Fertigstellung der An-
lage war auch der Kaufpreis fällig, es war der Verkäufer
berechtigt, sofort gütlich, oder rechtlich auf Zahlung zu
dringen. Die im kaufmännischen Verkehr häufig vorkommende
Bestimmung „netto per comptant" bildet lediglich den Gegen-
satz zu dem ebenso häufigen Fall der Gewährung von Ziel.
Hätte die Firma R. wirklich die Absicht gehabt, sich das
Eigentum an den gelieferten Objekten vorzubehalten, so wäre
alle Veranlassung vorgelegen, dies im Bestellungsvertrage
klar zu sagen; bei solchen von den Usanzen des Verkehrs
abweichenden Bestimmungen muss eine präzise, klare Fassung
gefordert werden. — Art. 264 0. R. bestimmt, dass der
Eigentumsvorbehalt ausdrücklich vereinbart werden müsse,
es genügt die blosse Verabredung des Barkaufs zu einer er-
folgreichen Vindikation nicht. Das gemeine Recht allerdings
ist in diesem Punkte vom Schweiz. Obligationenrecht ver-
schieden. (Schweizer Blätter f. h.-r. Entseh., XVIil S. 103 f.)
82. Contrat de louage de services. Les justes motifs
de résiliation doivent être recherchés dans l'exécution même du
contrat. Art 346 C. 0.
Cieuève. Jugement de la Cour de justice civile du 18 février 1899
d. 1. c. Compagnon c. Imprimerie centrale.
Emmel, agissant pour le compte de l'administration de
l'Imprimerie centrale, a donné à Compagnon la représentation
exclusive, à Genève, comme courtier d'annonces du journal
Le Genevois, moyennant une remise de 15°/o sur le prix des
annonces. Compagnon a accepté ces conditions et le contrat
120
est devenu définitif. Douze jours après, le 30 mars 1897,
Eramel a écrit à Compagnon, qu'à la suite de renseignements
qu'il a reçus, le Conseil d'administration le prie de ne pas
s'occuper du courtage d'annonces pour le journal. Ensuite
de cette rupture du contrat, Compagnon a formé contre l'Im-
primerie centrale une demande de 1500 fr. de dommages-
intérêts. L'intimée a répondu que l'usage, en ce qui concerne
les courtiers d'annonces, est que le maître peut se passer des
services du courtier du jour au lendemain, et que Compagnon
a une réputation déplorable sur la place de Genève, qui l'au-
rait exposée à perdre la plus grande partie de sa clientèle.
Le Tribunal de première instance a débouté Compagnon
de sa demande, en se fondant sur ce que l'art. 346 C. O.
autorise la résiliation du contrat de louage de services avant
le terme fixé lorsqu'il y a de justes motifs, et que la circon-
stance que Compagnon aurait été condamné, à réitérées fois,
pour délits contre la propriété, circonstance qu'il aurait laissé
ignorer au représentant de l'intimée, constitue un juste motif
de résiliation.
La Cour a réformé ce jugement et adjugé à Compagnon
100 fr. de dommages -intérêts.
Motifs: Considérant que l'intimée ne justifie nullement
du prétendu usage qu'elle invoque et d'après lequel, en matière
de courtage d'annonces, le maître et l'employé pouvaient
mettre fin au contrat réciproquement, sans aucun avertisse-
ment préalable;
que le contrat conclu est un contrat de louage de ser-
vices soumis comme tel aux dispositions des art. 338 ss. C. 0.
Attendu que l'interprétation donnée par les premiers
juges de Part. 346 C. 0. et l'application qu'ils en ont faite
ne doivent pas être admises par la Cour;
que les justes motifs de résiliation du contrat dont parle
l'art. 346 doivent être rechercbés, non dans des circonstances
qui sont sans rapport avec le contrat dont il s'agit, mais dans
l'exécution même de ce contrat, telle que la désobéissance
constante de l'employé, la maladresse, son incapacité, ou la
grossièreté et la brutalité du maître;
qu'il appartient au maître avant de louer les services
d'un employé, de se renseigner sur ses antécédents, et qu'il
est inadmissible qu'un maître qui a engagé les services d'un
employé puisse le renvoyer immédiatement parce qu'il aurait
appris que chez son maître précédent il se serait montré
incapable ou désobéissant, alors que lui-même n'a rien à lui
reprocher;
121
qu'il a été jugé dans ce sens par le Tribunal fédéral
(arrêt Deschaux c. Brunner et Perrot, du 25 avril 1896) . . .
que, dans l'espèce, il appartenait à l'intimée d'établir que
Compagnon était incapable de rendre les services qu'elle
attendait de lui et que la connaissance de son passé écartait
réellement la clientèle;
que, non seulement elle ne fait pas cette preuve, mais
qu'au contraire Compagnon justifie qu'avant de conclure le
contrat il avait déjà fonctionné, en qualité de courtier d'an-
nonces, pour le compte de l'intimée, pendant trois mois, à la
satisfaction de cette dernière.
(Pour fixer le montant de l'indemnité la Cour a pris en
considération que l'intimée pouvait résilier le contrat dont la
durée n'était pas déterminée, pour le 30 juin, soit au bout de
trois mois, et qu'en prenant pour base le compte que Com-
pagnon fournit lui-même des opérations qu'il a faites pour
l'intimée pendant les mois de décembre 1896, janvier et
février 1897, il y a lieu d'allouer à Compagnon 100 fr.)
(La Semaine judiciaire, XXI p. 272 sa.)
83. Ehescheidung. Mariage civil et religieux. Art. 40 B.-
Oes. über Civilstand und Ehe vom 24. Dezember 1874.
Bern« Urteil des App.- und KftBsationßhofes vom 3. Dezember 1897
i. S. Eheleute Simonin.
Das Amtsgericht F. hatte in einem Ehescheidungsurteil
gesagt:
Considérant que le Tribunal étant composé exclusivement de
juges catholiques qui, d'après leurs convictions religieuses et les
principes de l'Eglise catholique qui en sont la base, reconnaissent
l'indissolubilité du mariage religieux, prononce, aux torts du dé-
fendeur, la dissolution par le divorce du mariage civil contracté
entre parties le 15 avril 1875.
Die obere Instanz bestätigte das Scheidungsurteil mit
folgender Erklärung:
Toutefois, il convient de remarquer que les considérants
du jugement de première instance qui font des réserves for-
melles au point de vue du soi-disant mariage religieux des
époux S. sont absolument déplacés. Le mariage civil, en effet,
est le seul légal; ce que le Tribunal de première instance
qualifie de mariage religieux n'est qu'une cérémonie qui doit
toujours être précédée du mariage civil (art. 40 L. féd. 24 déc.
1874), de sorte qu'il n'appartenait pas à une autorité judi-
122
ciaire, chargée d'appliquer la loi, de formuler des réserves
en ce qui concerne une formalité n'ayant par elle-même au-
cun effet juridique aux yeux de cette même loi.
(Zeitschx. d. Bern. Jur.-Ver., XXXIV S. 427.)
84. Betreibung auf einen Verlustschein aus früherem
Konkurse des Schuldners. Geltung des Art. 265, Abs. 2,
B.-Ges. über Seh. u. K. im internationalen Verkehr. Begriff des
)yneuen Vermögens."
Bat» eis ladt, Urteile des Civilgerichts vom 24. Februar und des
AppellntionsgerichtB vom 5. April 1899 i. S. Keichsteiu c. Hintze.
E. Hintze war im Jahre 1889 in Hannover in Konkurs
geraten. Jetzt betreibt er in Basel ein Fahrrad- und Näh-
maschine figeschäft, hält ein grosses Warenlager und preist in
auffälligen Eeklameannoncen sein Geschäft als das vielseitigste
und reichhaltigste an. Die Gebr. Reichstein, die in dem Kon-
kurse des Hintze mit Mk. 4597.81 zu Verlust gekommen
waren, betreiben ihn nun in Basel für diese Summe. Hintze
wendet mit Berufung auf Art. 265, Abs. 2, B.-Ges. über
Seh. u. K. ein: er könne nicht betrieben werden, da er seit
jenem Konkurs noch nicht zu neuem Vermögen gelangt sei;
das Warenlager gehöre nicht ihm, sondern einer Gesellschaft
Hintze & Cie, bestehe übrigens grösstenteils aus Kommissions-
gut; sein eigenes Vermögen könnte höchstens im Anspruch
auf Gewinn u. dergl. bestehen, solcher sei aber bis jetzt nicht
erzielt worden. Die Kläger replicierten in erster Linie, die
Vorschrift des Art. 265, Abs. 2, leg. cit., cessiere in casu
gänzlich, da sie sich nicht auf die im Auslande eröffneten
Konkurse und die in solchen festgestellten Forderungen
beziehe.
Das Civilgericht hat die Klage nach den beiden in Be-
tracht kommenden Fragen gutgeheissen.
Gründe: 1. Die Frage, ob ein Konkursit nur dann von den
Konknrsgläubigern wieder in Anspruch genommen werden kann,
wenn er wieder zu neuem Vermögen gekommen ist, ist eine solche
nach Inhalt und Umfang des Beschlagsrechtes der Konkursgräubiger.
Bestimmend für den Umfang des Beschlagßrechtes der Konkurs-
gläubiger und speziell für die Frage, ob dasselbe nur das gegen-
wärtige oder auch das zukünftige Vermögen ergreife, und mit
welchen Beschränkungen das letztere ergriffen werde, ist das Ge-
setz des Konkursgerichtes massgebend (Kohler: Lehrbuch des Kon-
kursrechtes, S. 647; v.Bar: intern. Privatrecht, Bd II, S. 591).
Die Bestimmung unseres Konkursrechtes, welche einen Zugriff der
123
Konknrsgläubiger gegen den Falliten nach Schluss des Konkurses
nur beschränkt zulässt, kann nicht als eine Bestimmung öffentlicher
Ordnung bezeichnet werden, welche notwendigerweise auf alle
Einwohner der Schweiz anzuwenden wäre. Diese Vorschrift ist
nur im Zusammenhang mit den anderen Bestimmungen unseres
Rechtes über die Art des Zugriffs der Konkursgläubiger zu ver-
stehen. Während auf der einen Seite dem Konkursgläubiger, der
zu Verlust gekommen ist, das Recht gewährt wird, während sechs
Monaten nach Zustellung des Verlustscheines ohne neuen Zahlungs-
befehl zur sofortigen Exekution zu schreiten, und das Zugriffsrecht
des Konknrsgläubigers nicht verjährt, ist auf der andern Seite das
Zngriffsrecht auf den Fall neuen Vermögens eingeschränkt. Es
könnte nun offenbar auf Grund eines Verlustes im auswärtigen
Konkursverfahren keine unverjährbare Forderung gegen den hier
wohnenden Falliten geltend gemacht werden, da sich die Festsetzung
der Unverjährbarkeit nicht auf Verlnstforderungen aus ausländischen
Konkursen bezieht; damit würde man aber in unzulässiger Weise
dazu gelangen, nur die dem Konkursgläubiger ungünstige Bestim-
mung auf ihn anzuwenden, während die zum Ausgleich hiefür die-
nende günstige Vorschrift nicht anwendbar wäre. Es handelt sich
hier nicht um eine Bestimmung des Verfahrens, für das das Terri-
torialrecht ohne weiteres anzuwenden wäre, sondern um den mate-
riellen Inhalt des Zugriffsrechts eines Gläubigers und die Wirkung
der Konkursverteilung auf dieses Zugriffsrecht, und dafür kann
nur das Recht des Konkursgerichts anwendbar sein.
Das Recht des Konkursgerichtes kennt jedoch keine Beschrän-
kung des Zugriffs der Konkursgläubiger (Deutsche Konkursord-
ordnung § 152).
2. Wollte man übrigens auch Art. 265, Abs. 2 des eidg. Be-
treibungs- und Konkursgesetzes zur Anwendung bringen, so müsste
dem Gläubiger dennoch das Exekutionsrecht gewährt werden.
Wenn das Gesetz nämlich verlangt, dass der Schuldner zu neuem
Vermögen gekommen sein müsse, so ist darunter nicht, wie der
Beklagte annimmt, ein Reinvermögen, d. h. der Ueberschuss der
Aktiven über die Passiven verstanden. Das Gesetz will das Zu-
griffsrecht des Gläubigers vielmehr schon dann gewähren, wenn
die für Dritte erkennbare äussere Vermögenslage des Schuldners
Anlass zu neuer Exekution bietet. Es wäre ganz unmöglich, zu
konstatieren, ob wirklich ein Aktivüberschuss vorhanden sei; es
bedürfte für diese Feststellung ja geradezu eines vorgängigen
Liquidationsverfahrens. Das Vermögen im Sinne des Art. 265,
Abs. 2 des cit. Gesetzes ist daher als Aktivvermögen aufzufassen,
ohne Rücksicht auf allfällig vorhandene Passiven. Die gleiche
Erwägung führt auch dazu, im vorliegenden Falle anzunehmen,
124
der Beklagte sei zu neuem Vermögen gekommen, obschon Aie Ver-
mögensstücke Eigentum der vom Beklagten und seiner Koraman-
ditärin gebildeten Kommanditgesellschaft sind. Es kann sich auch
hier nicht darum handeln, zu eruieren, ob für den Beklagten aus
dem Betrieb der Gesellschaftsgeschäfte ein Aktivüberschuss resul-
tiere, sondern die vorhandenen Aktiven der Gesellschaft, an denen
der Beklagte anteilsberechtigt ist, sind als Vermögen im Sinne
des Art. 265 cit. anzusehen. Dass die Gesellschaft Hintze & Cie
solche Aktiven besitzt, ist gerichtsbekannt. Sie führt ein bedeu-
tendes Warenlager. Dass dasselbe Kommissionsgut sei, ist unrichtig,
denn sie hat auch schon erhebliche Bestellungen auf eigene Rech-
nung effektuieren lassen, wie sich aus einer früheren Verhandlnng
vor Dreiergericht ergeben hat Es wäre übrigens Sache des Be-
klagten gewesen, die der normalen Geschäftslage widerstreitende
Thatsache, dass er nur Kommissionsgnt besitze, zu beweisen, was
er. nicht gethan hat.
Das Appellationsgericht hat sich der Motivierung sub 2
angeschlossen und darum das Urteil bestätigt, über die erste
Frage aber hat es folgende abweichende Ansicht geäussert:
Die erste Instanz nimmt an, dass der Beklagte sich nicht
auf die Wohlthat des Art. 265, Abs. 2, Bundesgesetzes über
Schuldbetreibung und Konkurs berufen könne gegenüber der
Klage auf Grund eines Verlustscheines aus einem im Aus-
lande über ihn ausgebrochenen und durchgeführten Konkurse,
falls das Gesetz des Konkursortes diese Wohlthat nicht kennt.
Sie stützt sich dafür auf die in der Doktrin vorherrschende
Ansicht, die hinwiederum darauf zu beruhen scheint, dass
angenommen wird, es handle sich hierbei um eine Frage
über Bestand und Umfang der Forderung. Dieser Anschau-
ung kann das Appellationsgericht nicht beitreten. Um eine
solche Frage handelt es sich nicht, sondern ausschliesslich
darum, ob der Schuldner gegenüber der Exekution (Be-
treibung) die Wohlthat einer Stundung bis zum Erwerbe
neuen Vermögens anrufen könne, und dies berührt das Wesen
der Forderung nicht, diese Wohlthat ist kein der Forderung
inhärierendes Element, keine Beschränkung des Forderungs-
rechts in privatrechtlicher Hinsicht, sondern eine Beschränkung
des Exekutionsrechts aus öffentlich-rechtlichem Motive einer
Schonung des Schuldners ; es liegt eine reine Executionsfrage
vor, für die somit auch das Recht des Exekutionsortes mass-
gebend ist.
■v:v-
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts,
85. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundes-
rechtspßege vom 22. März 1893, Art 63 Ziffer 4; 65. Die Be-
rufung kann auch vor der schriftlichen Mitteilung des angefoch-
tenen Urteils, nachdem dasselbe bloss mündlich eröffnet worden
ist, rechtswirksam eingelegt werden.
(Entßch. vom 8. Mai 1899 i. 8. Glanzmann o. Vielle.)
86. 0. R. Art 17. Ungültigkeit einer zeitlich nicht beschrankten
Verpflichtung, für ein Geschäft Waren zu liefern und zu be-
ziehen.
Zur Gültigkeit einer in einem Vorvertrage übernommenen
Verpflichtung, für ein Geschäft Waren zu liefern und abzu-
nehmen, ist eine zeitliche Beschränkung notwendig, da andern-
falls die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Kontrahenten
in einem solchen Masse gehemmt ist, dass das Geschäft als
ein im Sinne des Art. 17 0. R. ungültiges bezeichnet werden
inuss. (Entsch. v. 16. Juni 1899 i. S. Mühle c. Balsiger.)
87. 0. R. Art. 5, 6, 7, 896. Vertragsschluss unter Abwesen-
den beim Versicherungsvertrag. Beweislast
1. Wer aus einem (unter Abwesenden verhandelten) Ver-
trage Rechte herleiten will, hat nachzuweisen, dass ein gül-
tiger vorbehaltloser Vertrags an trag gestellt und binnen der
gesetzlichen Annahmefrist angenommen worden ist. Dagegen
braucht er nicht zu beweisen, dass der Antrag nicht recht-
zeitig widerrufen worden sei, vielmehr hat derjenige, welcher
einen solchen rechtzeitigen Widerruf behauptet, denselben
nachzuweisen.
2. Beim Vertragsschlusse unter Abwesenden wird der
(vorbehaltlos gestellte) Antrag nicht erst durch seine An-
nahme, sondern schon durch sein Eintreffen beim Adressaten
unwiderruflich (sofern nicht der * Widerruf spätestens gleich-
10
126
zeitig mit ihm eingetroffen ist). Als eingetroffen gilt der
Antrag (wie dessen Widerruf) nicht erst dann, wenn der
Adressat davon thatsächlich Kenntnis genommen hat, sondern
schon dann, wenn er (z. B. durch Ablieferung des betreffen-
den Briefes in seiner Wohnung oder seinem Geschäftslokale
oder durch Niederlage desselben in seinem Postfache oder
Briefeinwurfe) in die Möglichkeit versetzt worden ist, diese
Kenntnis zu erlangen.
3. Beim Versicherungsvertrage wird der Versicherungs-
nehmer nicht schon durch das Eintreffen seines Antrages bei
dem (zum Vertragsabschlüsse nicht bevollmächtigten) Agen-
ten, sondern erst durch Eintreffen desselben bei dem Ver-
sicherer selbst gebunden.
4. Der Versicherungsagent, der seiner Gesellschaft einen
Versicherungsantrag übersendet hat, ist verpflichtet, einen bei
ihm eintreffenden Widerruf dieses Antrags der Gesellschaft
unverzüglich brieflich mitzuteilen; dagegen ist er nicht ver-
pflichtet, dies telegraphisch zu thun, selbst dann nicht, wenn
der Widerruf bei ihm telegraphisch eingegangen ist. (Entach.
vom 10. Juni 1899 i. S. Assurance mutuelle suisse contre les
accidents c. Gebr. Reichenbach.)
88. 0. /?. Art. 10, 104, Ml, 882 Abs. 3. Anwendung der
Hechtsvermutung des Art 104 in zeitlicher Beziehung. Art 104
derogiert dem Grundsätze des Art. 141 , wonach für den schen-
kungsweisen Nachlasse insbesondere für dessen Form, das kanto-
nale Hecht massgebend ist, nicht.
1. Axt. 104 0. K., wonach die Rückgabe des Schuld-
scheins an den Schuldner die Vermutung, dass die Schuld
getilgt sei, begründet, gilt auch für unter der Herrschaft des
kantonalen Rechts begründete Forderungen, sofern nur die be-
hauptete Rückgabe des Schuldscheins unter der Herrschaft des
0. R. stattgefunden hat. Denn die gedachte Rechtsvermutung
ist eine rechtliche Wirkung der letzteren Thatsache, beurteilt
sich also nach den im Obligationenrechte ausgesprochenen
Grundsätzen über zeitliche Rechtsanwendung nach dem zur
Zeit ihres Eintrittes geltenden Rechte.
2. Art. 104 0. R. derogiert unzweifelhaft dem Grundsatze
des Art. 141 0. R., wonach der schenkungsweise gewährte
Nachlass durch das kantonale Recht bestimmt wird, nicht;
es folgt aus der Rechtsvermutung des Art. 104 0. R. speziell
nicht etwa, dass zum sehe nkungs weisen Nachlasse die Rück-
gabe des Schuldscheins an den Schuldner genüge, sondern
127
die Form des schenkungs weisen Nachlasses regelt sich gemäss
Art. 10 0. R., ungeachtet des Art. 104 0. R., nach kantonalem
Rechte. Wenn daher feststeht, dass der Rückgabe des Schuld-
scheins jedenfalls ein anderer Tilgungsgrund der Forderung
als derjenige des schenkungs weisen Nachlasses nicht
zu Grunde liegt, so beurteilt sich die weitere Frage, ob ein
gültiger schenkungsweiser Nachlass vorliege, nach kanto-
nalem Rechte. (Entsch. vom 14. Juli 1899 i. S. Schlosser c.
Läng.)
89. 0. R. Art. 122, 124, 370. Rücktritt des Unternehmers
vom Werkvertrage wegen Verzugs des Bestellers in Bezahlung des
Werklohnes. Wirkungen desselben, wenn es sich um ein auf Grund
und Boden des Bestellers (teilweise) ausgeführtes Werk handelt.
Da das eidgenössische Obligationenrecht in dem Abschnitt
über den Werkvertrag den Rücktritt des Unternehmers wegen
Verzugs des Bestellers nicht besonders regelt, so bleiben
hiefür die in Art. 122 ff. enthaltenen allgemeinen Normen
massgebend. Darnach unterliegt keinem Zweifel, dass, wo
es sich nicht um eine aur' beiden Seiten teilbare Obligation
handelt, der Vertrag durch den Rücktritt von Anfang an auf-
gehoben wird, der vom Vertrag Zurücktretende demnach für
das von ihm bereits Geleistete nicht mit der Vertragsklage
Vergütung fordern kann, sondern auf die in Art. 124 0. R.
gewährte condictio sine causa, unter Umständen verbunden
mit einer Schadenersatzklage, beschränkt ist. Nun ist in
casu die Rückerstattung des vom Kläger bereits Geleisteten
in natura nicht möglich, da es sich um ein auf dem Grund
und Boden des Bestellers errichtetes Werk handelt. Es ist
klar, dass das Gesetz den Unternehmer, der mit Recht wegen
Verzugs des Bestellers in Bezahlung des Werklohnes vom
Vertrage zurückgetreten ist, in diesem Falle nicht schlechter
gestellt wissen will, als wenn die Rückerstattung in natura
möglich ist; allein das Gesetz spricht sich darüber, worin der
Ersatz für den undurchführbaren Rückerstattungsanspruch be-
stehen soll, nicht ausdrücklich aus. Die Frage muss daher
nach allgemeinen Rechtsregeln, und unter Berücksichtigung
der Rechtsstellung, welche das Obligationenrecht dem Unter-
nehmer in anderen Fällen, wo die Vollendung des Werkes
verunmöglicht wird, einräumt, gelöst werden. Ihre Lösung
ergiebt sich unmittelbar aus Art. 124 selbst, wenn den Be-
steller ein Verschulden trifft. Denn beim Nachweis eines
Verschuldens des Bestellers giebt Art. 124 0. R. dem Unter-
nehmer das Recht, für die Vermögenseinbusse, die er infolge
128
der Aufhebung des Vertrages erleidet, Ersatz zu verlangen;
der Unternehmer kann also, soweit ihm der Wert des von
seiner Seite Geleisteten durch Rückgabe in natura nicht ver-
gütet wird, vom Besteller dafür Schadenersatz verlangen, dass
er diese Vergütung nicht auf dem Weg der Vertragsklage,
welche durch Aufhebung des Vertrages dahingefallen ist, be-
anspruchen kann. Im vorliegenden Falle besteht nun kein
Zweifel, dass den Besteller ein Verschulden trifft, da nichts
dafür vorliegt, dass sein Verzug auf einer, von ihm nicht zu
vertretenden Ursache beruhe. Der Beklagte ist demnach dem
Kläger schadenersatzpflichtig für die Folgen des Rücktrittes,
und hat daher denselben auch für das Interesse an der unter-
gegangenen Forderung auf Vergütung der geleisteten Arbeit
gemäss dem Vertrage schadlos zu halten. Hieraus ergiebt
sich aber ohne weiteres, dass die Höhe der Forderung, die
dem Kläger an Stelle der Rückerstattung des Geleisteten in
natura zusteht, nach dem im Vertrage bestimmten Lohne be-
messen werden muss. Denn das Interesse, das ihm der Be-
klagte zu vergüten hat, reicht gerade so weit, als der An-
spruch, den derselbe mit der Vertragsklage hätte geltend
machen können.
Das gleiche Resultat würde sich übrigens auch dann er-
geben, wenn die in Art. 124 0. R. bezeichnete Schadenersatz-
klage nicht Platz greifen würde. In diesem Falle musate
Art. 370 0. R. analoge Anwendung finden, wonach der Unter-
nehmer, wenn die Vollendung des Werkes durch einen beim
Besteller eingetretenen Zufall unmöglich wird, Anspruch auf
Vergütung der geleisteten Arbeit, und der im Lohne nicht
inbegriffenen Auslagen hat. Denn es ist kein hinreichender
Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber dem Unternehmer
nicht die gleichen Rechte auch dann hätte einräumen wollen,
wenn die Vollendung des Werkes dadurch verunmöglicht
wird, dass der Unternehmer wegen Verzuges des Bestellers
zum Rücktritt vom Vertrag genötigt ist, und den Wert der
bereits geleisteten Arbeit nicht zurückfordern kann, weil die
Rückgabe in natura sich als unmöglich erweist. Dass aber
nach Art. 370 0. R. die dem Unternehmer zustehende For-
derung auf Vergütung der geleisteten Arbeit nach Massgabe
des vereinbarten Lohnes bemessen werden muss, ergiebt sich
schon daraus, dass hier der Vertrag lediglich bezüglich des
noch nicht Geleisteten, also ex nunc und nicht ex tuno, auf-
gehoben wird. (Vergi. Hafner, Komment zu Art. 370, Anm.3.)
(Entsch. vom 20. Mai 1899 i. S. Rutishauser c. Kläusli.)
129
90. 0. R. Art 163, 167, 407. Besteht zwischen dem Aus-
steller einer (zahlungshalber gegebenen) Anweisung und dem An-
gewiesenen, welcher die Anweisung gegenüber dem Assignatar an-
genommen hat, ein SolidarschuldverhäUnis gegenüber letzter emt
Die Allgemeine Kreditbank in Basel hatte die Bernische
Bodenkreditanstalt angewiesen, eine ihr obliegende Schuld
<an die Bank in Zofingen zu bezahlen, und die Bernische
Bodenkredi tan stai t hatte diese Anweisung gegenüber der Bank
in Zofingen angenommen. In der Folge bezahlte die Ber-
nische Bodenkreditanstalt, nachdem der Konkurs über die
Allgemeine Kreditbank ausgebrochen war, 80 °/o der Forde-
rung an die Bank in Zofingen. Letztere verlangte nichts-
destoweniger im Konkurse der Allgemeinen Kreditbank für
den vollen Betrag ihrer ursprünglichen Forderung (von
Fr. 153,281. 10) kolloziert zu werden, indem sie sich u. a.
auf Art. 167 0. R. berief, während die Massakuratel sie nur
mit 20 % zuliess, für 8 J % dagegen die Bernische Boden-
kreditanstalt, resp. einen Cessionar derselben, kollozierte.
Das Bundesgericht hat die Berufung der Bank in Zofingen
auf Art. 167 0. R. als unzutreffend zurückgewiesen, indem
es ausführte:
Allerdings enthält der von der Klägerin angerufene
Art. 167 0. R. eine Vorschrift konkursrechtlicher Natur, in-
-dem derselbe vorschreibt, dass der Gläubiger im Konkurse
jedes Solidarschuldners die ganze Forderung geltend machen
kann, und die auf ihn entfallenden Beträge in jedem einzelnen
Konkurse so lange nach der ganzen Forderung zu berechnen
sind, als sich dabei nicht ein seine ganze Forderung über-
steigender Betrag ergiebt, und es muss sich daher fragen,
ob die Voraussetzungen dieser bundesgesetzlichen Bestimmung
in casu zutreffen, d. h. ob die Allgemeine Kreditbank in Basel
und die Bernische Bodenkreditanstalt mit Bezug auf die von
der Klägerin angemeldete Forderung als Solidarschuldner zu
betrachten seien. Dies ist jedoch zu verneinen. Die Forde-
rung der Klägerin an die Bernische Bodenkreditanstalt gründet
sich auf die von der Allgemeinen Kreditbank erteilte, und
von der Bernischen Bodenkreditanstalt angenommene Anwei-
sung, der Klägerin die Summe, welche die Allgemeine Kredit-
bank dieser schuldete, zu bezahlen. Es sollte also allerdings
mit der Anweisung an die Bernische Bodenkreditanstalt eine
Schuld der Allgemeinen Kreiitbank an die Klägerin getilgt
werden; allein das zu diesem Zwecke gewählte Rechtsgeschäft,
die Anweisung, begründete kein gemeinsames Schuldverhältnis
zwischen der Allgemeinen Kreditbank und der Bernischen
130
Bodenkreditanstalt im Sinne der Solidarobligation. Infolg©
der Anweisung standen der Klägerin nicht zwei Schuldner
für eine und dieselbe Forderung gegenüber; denn durch die
Annahme der Anweisung trat die Bodenkreditanstalt nicht
etwa neben der Allgemeinen Kreditbank als Schuldnerin für
die bisherige Forderung ein, sondern sie begründete damit
ein neues Schuldverbältnis für sich, und wenn die Klägerin
nicht nebeneinander die Erfüllung der einen und der andern
Obligation verlangen konnte, sondern die von der Bodenkredit-
anstalt, d. h. der Angewiesenen, geleistete Zahlung die Til-
gung der Obligation der Allgemeinen Kreditbank bewirken
mu88te, so ergab sich diese Wirkung nicht sowohl daraus,
dass der Klägerin für einen und denselben Anspruch zwei
Mit verpflichtete gegenüber gestanden wären, sondern lediglieh
aus der Identität des wirtschaftlichen Interesses, dem beide
Obligationen dienten, indem die Schuldverpflichtung der
Bodenkreditanstalt eben zu dem Zwecke eingegangen worden
war, dieses Interesse durch Erfüllung einer andern Obligation,
als der ursprünglichen, zwischen der Klägerin und der Allge-
meinen Kreditbank begründeten, zu befriedigen. Demnach
könnte denn auch keine ßede davon sein, dass der Klägerin
zwischen den beiden Schuldnern etwa ein Wahlrecht zuge-
standen wäre, wie es der Gläubiger gegenüber Solidarschuld-
nern nach Art. 163 0. R. besitzt; sondern sie war, gemäss
Art. 407 daselbst, zunächst auf die Geltendmachung der An-
weisung beschränkt, und konnte die Forderung gegen die
Allgemeine Kreditbank erst wieder aufgreifen, wenn und so-
weit sie von der Bodenkreditanstalt, als der Angewiesenen,
vergeblich Zahlung gefordert hatte. (Entsch. vom 12. Mai
1899 i. S. Bank iti Zofingen c. Masse der Allgemeinen Kredit-
bank in Basel.)
91. 0. R. Art. 202, 206, 482. Zulässiykeit der Eigentums-
klage gegen den blossen Detentor. — Constitutum possessoriumt
Wenn die verkaufte Sache nach Abschluss d?s Kaufes bis zu
vollständiger Zahlung des Kaufpreises in Händen des Verkäufers
zurückbleiben soll, so liegt ein gültiges constitutum possessorium
nicht vor.
Die Beklagten, Basler Wechsel- Komptoir Gl. & Cie,
haben am 26. September 1898 drei der Klägerin gestohlene
Inhaberobligationen der Zürcher Kantonalbank zu je Fr. 1000
um Fr. 2833.80 dem Diebe im guten Glauben, dass derselbe
zur Veräusserung berechtigt gewesen sei, abgekauft. Am
30. gleichen Monats haben sie die Titel dem Handelsmann
131
N. 6. um Fr. 2899.20 weiter verkauft. G. bezahlte gleiche»
Tages an den Kaufpreis den Betrag von Fr. 2803.35 und
Hess die Titel in den Händen der Beklagten, mit der Er-
klärung, er werde dieselben in 14 Tagen abholen und den
Rest des Kaufpreises bezahlen. Die Beklagten stellten ihm
eine Quittung für den bezahlten Betrag aus, und vermerkten
am Fusse derselben: „Les titres restent déposés chez nous.
61. & Cie." Sie legten die Titel in ein als „Depot von N. G.a
überschriebenes Couvert.
Die von der Klägerin gegen die Beklagten erhobene
Klage auf unbeschwerte Herausgabe der Obligationen ist
vom Bundesgerichte gutgeheissen worden. Aus den Gründen
seines Urteils ist hervorzuheben:
Die Ansicht, dass nach eidgen. Obligationenrecht die Vin-
dikation gestohlener oder verlorener Sachen nur gegen den
juristischen Besitzer, und nicht auch gegen den blossen De-
tentor angestrengt werden könne, ist nicht richtig. Nach
gemeinem Recht kann der Eigentümer seine ihm abhanden
gekommene Sache bekanntlich von jedem herausfordern, der
sie inné hat und zur Restitution fähig ist (s. Dernburg,
Pandekten I, § 225), also nicht bloss vom juristischen Be-
sitzer, sondern auch vom Detentor in fremdem Namen, wie
z. B. vom Depositar, Kommodatar, Mieter u. s. w. Nun aner-
kennt allerdings das eidgen. Obligationenrecht dasVindikations-
recht des Eigentümers bezüglich beweglicher Sachen nicht in
dem ausgedehnten Umfange wie das gemeine Recht; allein
die Beschränkung, welche es gegenüber diesem letztern sta-
tuiert, betrifft lediglich den Schutz des gutgläubigen Erwerbers,
bezw. den Grundsatz: Hand muss Hand wahren. Mit der
Durchführung dieses Grundsatzes hat aber die Frage, ob die
Eigen tum8k läge nur gegen den juristischen Besitzer der vin-
dizierten Sache, oder auch gegen den blossen Detentor der-
selben angestrengt werden könne, nichts zu thun. Aus der
grundsätzlichen Stellung, welche das eidgen. Obligationenrecht
im allgemeinen mit Bezug auf die Vindikation beweglicher
Sachen einnimmt, kann demnach nichts zu Gunsten der von
den Beklagten vertretenen Ansicht hergeleitet werden. Eben-
sowenig aus dem Wortlaut des Gesetzes. Dasselbe steht
dieser Ansicht vielmehr ausdrücklich entgegen. Art. 206 O.R.
besagt, gestohlene oder verlorene Sachen können binnen fünf
Jahren vom Tage des Abhandenkommens an gerechnet „jedem
Inhaber" abverlangt werden. „Jeder Inhaber" (oder wie die
welschen Texte sagen: „tout détenteur," „qualsiasi detentore")
ist aber nicht bloss derjenige, welcher den juristischen Besitz
132
an der Sache ausübt, den animus sibi possidendi besitzt,
sondern im Gegensatz dazn jeder, der die Sache thatsächlioh
inne hat, ohne Rüoksicht auf die juristische Qualifikation des
Innehabens. Nach Art. 206 0. R. kann somit kein begrün-
deter Zweifel obwalten, dass die Eigentumsklage auch gegen
den blossen Detentor, der die vindizierte Sache für einen
Dritten in Gewahrsam hat, angestrengt werden kann. Dieser
Standpunkt des Obligationenrechts kommt übrigens noch in
einem speziellen Anwendungsfalle zum Ausdruck, indem
Art. 482 den Depositar einerseits der Verpflichtung zur Rück-
gabe an den Hinterleger enthebt und andrerseits zur Benach-
richtigung desselben verpflichtet, wenn gegen ihn (d. h. den
Depositar) die Eigentumsklage anhängig gemacht worden ist,
also gerade den Fall ins Auge fasst, wo die Vindikation
gegen den blossen Detentor und nicht gegen denjenigen ge-
richtet wird, in dessen Namen er die Sache in Händen hat.
Ob der Detentor zur Wahrung der Rechte seines Autors
auf die Streitverkündung an denselben beschränkt sei, oder
ob er auch von sich aus die Einreden, welche diesem zu-
stehen würden, dem Vindikanten gegenüber erheben könne,
kann dahingestellt bleiben, denn die Behauptung der Beklagten,
sie hätten die vindizierten Titel einem dritten Käufer, dem
N. G., tradiert, und übten lediglich als Depositare für diesen
<len Gewahrsam an denselben aus, erscheint jedenfalls als
unbegründet. Eine körperliche Debergabe hat unbestrittener-
massen nicht stattgefunden, sondern der Besitzerwerb G.'s
könnte sich nur auf ein constitutum possessorium gründen;
zum Nachweis eines solchen hätten die Beklagten darzuthun,
dass der beidseitige übereinstimmende Vertragswille der Par-
teien auf Besitzübertragung an den Erwerber gerichtet ge-
wesen, und die körperliche Uebergabe an diesen auf Grund
eines besonderen Rechtsverhältnisses unterblieben sei, dem-
zufolge die Titel noch im Gewahrsam der Veräusserer bleiben
sollten. Allein dieser Nachweis ist nicht erbracht. Die Be-
klagten behaupten, aus dem dem G. ausgestellten Bordereau,
in welchem gesagt sei, die Titel seien ihm cediert und folgen
mit, ergebe sich, dass sie demselben die Uebergabe angeboten
hätten, und die Uebergabe sei sodann dadurch wirklich zu
stände gekommen, dass sie die Titel fortan als Depositare
G.'s aufbewahrt hätten. Als Depositare wären die Beklagten
jedoch verpflichtet gewesen, demselben die Titel auf jeder-
zeitige Aufforderung hin herauszugeben, ohne sich darauf be-
rufen zu können, dass der Kaufpreis noch nicht völlig bezahlt
war. Die Annahme eines zwischen den Parteien abgeschlos-
133
seilen Hinterlegungsvertrages würde danach voraussetzen, dass
die Beklagten dem G. den noch nicht bezahlten Kaufrest von
Fr. 95. — kreditiert hätten. Dies ist nicht zu vermuten, viel-
mehr mangels Beweises für das Gegenteil anzunehmen, dass
nach der beidseitigen Parteimeinung die Titel dem G. nur
gegen Bezahlung des Kaufrestes sollten herausgegeben werden.
(Entsoh. vom 8. Juli 1899 i. S. Kuhn c. Basler Wechselkomptoir
Gloor & Cie.)
92. 0. R. Art 338, 346. Der Arbeitnehmer ist zu Annahme
der Diensie des Dienstpflichtigen nicht verpflichtet, sondern nur
zu Gewährung der versprochenen Gegenleistung.
D'après la jurisprudence constante du Tribunal fédéral,
confirmée encore dans l'arrêt Akesson c. Papeterie de Perlen
(Ree. off. XXIII, page 1730, consid. 3), le maître peut renoncer
en tout temps aux services de son employé, qui ne peut les
lui imposer; le seul droit de l'employé consiste à exiger la
rémunération prévue par le contrat, sauf au maître à prouver
que le dommage réellement subi par l'employé dont il a re-
fusé d'accepter les services alors que le contrat était en vi-
gueur, est inférieur à la rémunération stipulée parle dit contrat.
(Entsch. v. 29. April 1899 i. S. Reuche o. Dupont et Cie.)
93. 0. R. Art. 346. Wichtige Gründe zu vorzeitiger Auf-
hebung eines Dienstvertrages. Ein Lokomotivführer kann wegen
Betrunkenheit im Dienste sofort entlassen werden.
l.Dass der gemäss Art. 346 ü. R. vom Vertrag Zurück-
tretende zur Rechtfertigung seines Rücktritts auf diejenigen
Gründe beschränkt sei, auf welche er sich bei der dem andern
Teil erstatteten Mitteilung vom Rücktritte berufen hat, kann
nicht als Meinung des Bundesgesetzes über das Obligationen-
recht angesehen werden, da dieses, wenn es eine solche Be-
schränkung gewollt hätte, dieselbe ausdrücklich hätte aus-
sprechen müssen. Es könnte «ich daher nur fragen, ob nicht
in der Hervorhebung jenes einzelnen Grundes ein stillschwei-
gender Verzicht darauf zu erblicken sei, neben demselben noch
weitere Gründe geltend zu machen. Ein solcher Verzicht ist
jedoch nicht zu vermuten.
2. Erfahrungsgemäss kann bei der grossen Gefährlichkeit
des Eisenbahnbetriebs schon ein leichtes Versehen des Loko-
motivführers hinreichen, um eine schwere Katastrophe herbei-
zuführen, und es bedarf somit keiner weiteren Erörterung
darüber, dass die Führung der Züge nur solchen Personen an-
134
vertraut werden darf, die im vollen Besitze der geistigen Kräfte
sind. Ein Lokomotivführer, der seinen Zug in betrunkenem
Zustande führt, legt demnach eine solche Missachtung der
auf ihm lastenden schweren Verantwortlichkeit an den Tag,
welche mit seiner Dienststellung absolut unvereinbar ist, und
die Bahnverwaltung mit Rücksicht auf ihre eigene Verant-
wortlichkeit für die Sicherheit des Betriebs nicht nur be-
rechtigt, sondern sogar verpflichtet, ihn dieser Stellung un-
verzüglich zu entheben. (Entsch. v. 9. Juni 1899 i. S Simmen
c. Vereinigte Schweizerbahnen.)
94. 0. «. Art. 338 ff., 50 ff. Wenn ein vertragliches Verbot
nicht vereinbart worden ist, so ist der ehemalige Angestellte eines
Handelshauses nach seinem Austritte berechtigt, die von ihm wäh-
rend seiner Anstellung in erlaubter Weise erworbenen Kenntnisse
betreffend die Kundschaft, die Fabrikationsmethode u. 8. w. zu seinem
eigenen Vorteile auszunutzen.
La doctrine et la jurisprudence sont unanimes à admettre
qu'un employé qui quitte une maison de commerce peut mettre
à profit, dans son intérêt personnel, toutes les connaissances
qu'il y a acquises, y compris celle de la clientèle et des pro-
cédés de vente et de fabrication. En France, ce principe subit
une restriction en ce qui concerne les secrets de commerce et
de fabrication, dont l'utilisation ou la communication à des
tiers de la part d'anciens employés est considérée comme un
délit et punie comme telle. Cette manière de voir a été aban-
donnée dans la récente loi allemande sur la concurrence dé-
loyale. D'après l'art. 9 de cette loi, la divulgation de secrets
de commerce par les employés et apprentis n'est considérée
comme illicite que pendant la durée du louage de services.
Après la cessation du contrat, l'utilisation et la divulgation
ne sont illicites que si remployé a contracté rengagement de
s'en abstenir. Une obligation légale n'existe pas à cet égard.
Il doit en être de même en Suisse, vu l'absence de toute
disposition spéciale analogue à celle du droit français. L'em-
ployé qui quitte son patron reprend donc sa liberté et peut,
sauf engagement contraire, utiliser à son profit ou communi-
quer à des tiers les secrets de commerce ou de fabrication
que son service lui a fait connaître. Ce principe n'est cepen-
dant applicable qu'à la condition que la connaissance du se-
cret ait été acquise d'une manière licite. Ainsi que le Tri-
bunal fédéral l'a reconnu dans Parrêt Orell-Füssli c. Müller
& Trueb (Ree. off. XXIII, page 205), un commerçant ou
135
industriel a incontestablement un droit personnel sur les se-
crets relatifs à l'organisation intérieure de son commerce ou
de son industrie, à sa clientèle ou à certains procédés de
rente ou de fabrication. Celui qui, contre sa volonté, par des
moyens déloyaux, s'empare d'un tel secret pour l'utiliser à
son profit, commet un acte contraire au droit. (Ëntsch. v.
30. Juni 1899 in S. Champion & Cie c. Moneda.)
95. 0. R. Art. 400. Haftung des Mandanten für den dem
Mandatar durch Ausführung des Auftrags entstandenen Schaden.
Nach Art. 400 0. R. haftet der Mandant dem Mandatar
auch für den durch die Ausführung des Auftrags (ex causa
und nicht nur occasione mandati) entstandenen Schaden nicht
unbedingt, sondern nur dann, wenn er nicht beweist, dass ihn
keinerlei Verschulden trifft. (Entsch. v. 27. Mai 1899 in S.
Schaub-Müller c. Meier-Gaugler.)
96. 0. R. Art. 409. Wirkung einer an Vorbehalte geknüpften
Annahme der Anweisung durch den Angewiesenen.
Aus Art. 409 0. R. folgt keineswegs, dass der Ange-
wiesene dem Anweisungsempfänger nur dann zur Zahlung ver-
pflichtet werde, wenn er die Annahme ohne jeden Vorbehalt
erklärt hat; sondern dieser Artikel will, wie aus dem Nach-
satz hervorgeht, lediglich sagen, dass der Angewiesene an
seine Annahme in der Weise gebunden ist, dass er dem Em-
pfanger gegenüber keine Einreden aus seinem Verhältnis zum
Anweisenden, die nicht zugleich aus dem Inhalte der An-
weisung hervorgehen, entgegenstellen kann. Dies schliesst
aber nicht aus, dass der Angewiesene, welcher die Annahme
an Vorbehalte knüpft, dadurch gemäss dem Inhalte seiner
Annahmeerklärung dem Anweisungsempfänger gegenüber ge-
bunden werde. (Entsch. vom 1. Juli 1899 i. S. Reiser c.
W. Schöffer & Cie.)
97. 0. R. Art. 10, 12, 128, 518.
1. Zur Gültigkeit des Leibrentenvertrags ist nur die
Unterschrift der vertragschliessenden Parteien, nicht aber die-
jenige eines durch den Vertrag begünstigten Dritten erforder-
lich. — Sofern in der Zuwendung an den Dritten eine
Schenkung liegt, so entscheidet das kantonale Recht darüber,
ob und welche bestimmte Form zu deren Gültigkeit erforder-
lich ist.
13G
2. Der Dritte, welcher einen ihm durch einen zu seinen
Gunsten abgeschlossenen Vertrag zugedachten Vorteil nicht
annehmen will, ist nicht berechtigt, deshalb den Vertrag an-
zufechten, hiezu sind nur die vertragschiiessenden Parteien
legitimiert.
3. Wenn in einem Leibrenten vertrage der Rentengläubiger
stipuliert, dass nach seinem Tode die Rente an einen Dritten
bis zu dessen Ableben zu entrichten sei, so erwirbt der Dritte
dadurch noch kein (auch nur bedingtes) Recht. Die ver-
tragschiiessenden Parteien können bis zum Tode des Renten-
gläubigers den Vertrag in beliebiger Weise abändern, und
der Dritte hat erst nach dem Tode des Rentengläubigers sich
über Annahme oder Ablehnung des ihm zugedachten Vorteils
zu erklären. (Entsch. v. 5. Mai 1899 i. S. Eheleute Lecoultre
und Eheleute Frey e. Héridier.)
98. 0. jR. Art. 582, 583, 666, Abs. 2, 676. Die unbeschränkt
haftenden Teilhaber der Aktienkommanditgesellschaft haften nur
den Gesellschaftsgläubigern, nicht aber der Gesellschaft gegenüber
auf Bezahlung der Gesellschaftsschulden. Der Liquidator einer
solchen Gesellschaft vertritt die Gesellschaft und nicht die Gläu-
biger und ist daher nicht berechtigt, die Complementare auf Be-
zahlung eines Schuldenüberschusses zu belangen.
Les associés gérants (d'une société en commandite par
actions) sont sans doute responsables du déficit de la société
en commandite, mais vis-à-vis des créanciers sociaux seulement
(art. 676, chiffre 2 C. 0.). En revanche, la société en liquidation,
soit le liquidateur, n'a pas qualité pour exercer contre eux
l'action en responsabilité, ni pour réclamer d'eux pour le
compte de la société ou pour le compte de tiers créanciers
le paiement du déficit de la liquidation. Cela résulte tout
d'abord des termes mêmes de l'art. 676, al. 2 C. 0. et, en outre,
du contenu du mandat des liquidateurs, tel qu'il est défini
par l'art. 582 C. 0., applicable aussi en matière de liquidation
de sociétés en commandite par actions (art. 676, al. 1er et 666,
al. 2 C. 0.). Ce mandat comprend, il est vrai, l'exécution des
engagements, c'est-à-dire le paiement des dettes de la société.
Mais cette exécution ne peut avoir lieu que dans les limites
d'une liquidation, c'est-à-dire au moyen et jusqu'à concurrence
de l'actif social. Or la responsabilité personnelle des associés
gérants vis-à-vis des créanciers sociaux n'est pas un élément
de l'actif social; ce n'est pas une créance de la société; le
liquidateur ne peut donc pas faire exécuter cette obligation
137
au nom de la société. Si l'actif social ne suffit pas à couvrir
le passif, c'est affaire aux créanciers impayés de faire valoir
leurs droits contre les associés gérants. Ce rôle ne saurait
appartenir au liquidateur, qui représente la société et non
les créanciers de celle-ci. (Voir Schneider & Pick, Comment.
duC. 0. ad art. 582, note 6, et 583, note 7; Rössel, Droit des
oblig., page 671; Revue de jurisprudence suisse, vol. IV,
n° 135; arrêts du Tribunal fédéral, vol. XVII, page 322 et
suiv., chiffre 4 et 6.) (Entsch. v. 19. Mai 1899 i. S. Niemeyer
c. Brentano & Cie in Liquidation.)
99. Bundesgesetz betreffend die Verbindlichkeit zu Abtretung
von Privatrechten vom 1. Mai 1850, Art. 12, 14. Bundesgesetz
über das Verfahren bei dem Bundesgerichte in bürgerlichen Rechts-
Streitigkeiten vom 22. November 1850, Art. 63, 69. Gegen Ver-
säumnisse der Frist des Art. 12 des Exproptiationsgesetzes giebt
es keine Wiedereinsetzung.
Nach Art. 12 des eidgenössischen Expropriationsgesetzes
vom 1. Mai 1850 müssen die Forderungsanmeldungen wegen
Expropriation innerhalb 30 Tagen von der öffentlichen Be-
kanntmachung des Expropriationsplanes an gerechnet, ge-
schehen, widrigenfalls die in Art. 14 daselbst näher bezeich-
neten Säumnisfolgen, sofortiger Uebergang der abzutretenden
Rechte an den Unternehmer, und Verlust des Rekursrechts
gegen den Entscheid der Schätzungskoramission für den Ex-
propriaten mit Bezug auf das Mass der Entschädigung, ein-
treten. Die hier festgesetzte Frist ist keine Prozessfrist,
sondern eine Frist in einem Aufgebotsverfahren, auf welches
die prozessualen Restitutionsgründe nicht ohne weiteres an-
gewendet werden können. Die Art. 63 f. und 69 f. der eid-
genössischen Civilproze8S-Ordnung finden deshalb hier
keine Anwendung, vielmehr sind die Folgen der Versäumung
der Anmeldungsfrist ausschliesslich nach dem Inhalt des
Spezialgesetzes, welches das Aufgebotsverfahren regelt, d. h.
des Bundesgesetzes über die Verbindlichkeit zur Abtretung
von Privatrechten, zu bestimmen. Nun setzt Art. 14 des Ex-
propriationsgesetzes nicht nur die Folgen der Fristversäumung
fest, sondern bestimmt auch darüber, unter welchen Voraus-
setzungen dieselben ausnahmsweise nicht eintreten sollen, und
da dabei die Restitution gegen den Ablauf der Frist nicht
vorgesehen ist, muss angenommen werden, dass der Gesetz-
geber dieses Rechtsmittel nicht habe gewähren wollen. (Entsch.
vom 29. Juni 1899 i. S. Witwe Hartmann c. Schweiz. Central-
bahn.)
138
100. Bundesgesetz betreffend Feststellung und Beurkundung
dfs Civilstandes und die Ehe vom 24. Dezember 1874, Art 45 ff.
Bedeutung der Schuldfrage im Ehescheidungsverfahren.
Der Satz, dass die Frage des Verschuldens beim Ehe-
scheidungsurteile nicht nur eine motivierende, sondern eine
den Charakter und den Sinn des Urteils mitbestimmende Be-
deutung habe, ist, wenn auch nicht eine ausdrücklich im
Bundesgesetze betreffend Civilstand und Ehe ausgesprochene,
so doch eine daraus sich ergebende Rechtsnorm. In der That
haben die Parteien im Ehescheidungsprozesse ein wesentliches
Interesse nicht nur an dem die Scheidung als solche betref-
fenden Dispositiv, sondern auch an der Lösung der Verschul-
dungsfrage, und es kann, so lange über den letzteren Punkt
noch Streit waltet, von einem definitiven Scheidungsurteile
nicht die Rede sein. Dies ergiebt sich sowohl daraus, dass
von der Beantwortung der Schuldfrage im Scheidungsurteile
wichtige die Parteien beschlagende Rechtsfolgen abhängig
sein können, so bezüglich des Eheverbotes des Art. 48, des
Zuspruches der Kinder und der Prozesskosten, als andrerseits
daraus, dass unter Umständen die persönliche Ehre, das
äussere Ansehen und mit diesem die künftige Lebensstellung
der Ehegatten in hervorragender Weise hiebei in Frage steht,
so besonders, wenn es sich um die Anwendbarkeit der be-
stimmten Scheidungsgründe des Art. 46 handelt. (Vergi. Ur-
teil des Bundesgerichts i. S. Eheleute Fretzer, A. S. Bd XXIV,
S. 303 ff.) (Entsch. vom 14. Juni 1899 i. S. Eheleute Haldi.)
101. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn
und Dampfschiff Unternehmungen bei Tötungen und Verletzungen
vom 1. Juli 1875, Art. 2. Begriff des Betriebsunfalls. Verletzung
durch Scheuwerden von Zugtieren infolge Herannahem eines Eisen-
bahnzuges.
Das Gesetz beschränkt die strengere Haftbarkeit der
Tra nsportan stalten, wenn es sie in Art. 2 davon abhängig
macht, dass die Tötung oder Verletzung „beim Betriebe" der
Unternehmung sich ereignet habe, nicht auf die Fälle, in
denen eine körperliche Kollision des Verletzten oder Getöteten
mit den Betriebsanlagen oder den übrigen Betriebsmitteln
der Bahn stattgefunden hat. Der Ausdruck „beim Betriebe"
umfasst vielmehr alle Fälle, in denen sich eine dem Bahn-
betriebe eigentümliche, besondere Gefahr für das Leben oder
die körperliche Integrität eines Menschen verwirklicht hat,
ohne Unterschied, ob die Gefahr unmittelbar oder nur mittel-
139
bar, durch ein Zwischenglied, den menschlichen Körper be-
drohte. Der Betrieb kann auch über das Gebiet hinaus, auf
dem sich die äusseren Vorgänge desselben abspielen, Kräfte
in Bewegung setzen und Wirkungen ausüben, die geeignet
sind, Körperverletzungen oder Tötungen herbeizuführen, und
soweit derartige Einwirkungen dem Eisenbahnbetrieb eigen
sind, hat für ihre körperachädigenden Folgen der Betriebs-
unternehmer nach Haftpflichtrecht einzustehen. Danach kann
denn keinem Zweifel unterliegen, dass eine Verletzung, die
dadurch herbeigeführt wurde, dass Zugtiere ob einem heran-
fahrenden Zuge scheu werden, als beim Betriebe der Bahn
erfolgt zu betrachten ist und dass für den daraus entstan-
denen Schaden die Bahn Unternehmung, auch ohne dass es
des Nachweises eines Verschuldens bedarf, aufzukommen hat.
Der Eisenbahnbetrieb birgt die Gefahr in sich, dass Zugtiere,
die sich in der Nähe eines heranfahrenden Zuges befinden,
scheu werden, sei es, dass sie durch den ungewohnten An-
blick oder durch die rasche Bewegung oder durch das rol-
lende Geräusch erschreckt werden. Diese Gefahr ist ferner
eine dem Bahnbetriebe eigentümliche. Denn wenn sie auch
nicht ausschliesslich dem Eisenbahnbetrieb anhaftet, so ist
sie doch mit keinem andern Gewerbe-, speziell Transport-
gewerbebetrieb in gleicher Weise und in gleichem Masse
verbunden. Es ist deshalb auch der Einwurf hinfällig, dass
andere Ursachen das Scheuwerden von Zugtieren ebenfalls
bewirken können und dass sich so der Unfall eigentlich als
eine Folge des Fuhrwerkbetriebes darstelle. (Vergi, hiezu
Eger, Kommentar zum deutschen Reichshaftpflichtgesetz,
4. Aufl., S. 7, und die dort angeführten Urteile.) (Entsch. v.
24. Mai 1899 i. S. Schweizerische Seethalbahngesellschaft c.
G-eisseler.)
102. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb
vom 25. Juni 1881, Art. 1 //., 5, 6, Abs. 3. 0. R. Art. 552.
1. Die Haftung des Inhabers eines der Haftpflichtgesetz-
gebung unterstellten Gewerbes für Betriebsunfälle seiner An-
gestellten oder Arbeiter beurteilt sich ausschliesslich nach
den Bestimmungen der Spezialgesetze; das gemeine Recht
betreffend die Schadenersatzpflicht aus unerlaubter Handlung
kommt daneben nicht zur Anwendung. Wenn der Unfall
durch ein strafrechtlich verfolgbares Verschulden des Betriebs-
unternehmers herbeigeführt worden ist, so hat dies lediglich
zur Folge, dass das für gewöhnliche Fälle aufgestellte Ent-
schädigungsmaximum wegfällt; ein selbständiger Anspruch
140
auf Zubilligung einer über den eigentlichen Schaden hinaus-
gehenden Summe wird dadurch nicht begründet.
2. Ist Betriebsunternehmer eine Kollektivgesellschaft, so
gelten, da die Kollektivgesellschaft kein von den einzelnen
Teilhabern losgelöstes Rechtssubjekt ist, als Handlungen und
Unterlassungen des Betriebsunternehmers die Handlungen und
Unterlassungen der einzelnen Gesellschafter. (Entsch. vom
8. Juni 1899 i. S. Schmid c. Schlatter und Hauser in Liq.)
103. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb
vom 25. Juni 1881, Art 1 ff. Bundesgesetz betreffend die Aus-
dehnung der Haltpflicht u. s. w. vom 26. Aprit 1887. 0. R. Art 50 ff.
Die Haftpflicht besteht nur gegenüber Angestellten und Arbeitern,
nicht gegenüber Personen, welche als selbständige Unternehmer
eine Arbeit in einem gewerblichen Etablissement ausführen. Haf-
tung aus Art 50 ff. 0. ß., wenn einem offenbar Unkundigen eine
gefährliche Arbeit zur Ausführung ohne Aufsicht übertragen wird.
Dem im Dorf e K. als selbständigen Schmiedmeister
niedergelassenen J. W. war vom Beklagten die Montierung
eines gusseisernen Kessels in seiner Kunstseidenfabrik in Spr.
übertragen worden. J. W. führte die Arbeit mit einem Ge-
sellen und einem oder zwei Lehrlingen aus. Als er den
Kessel einer Festigkeitsprobe unterwerfen wollte und zu
diesem Zwecke aus dem Kompressor der Fabrik, mit dem
der Kessel in Verbindung stand, in letzteren gespannte Luft
einströmen Hess, sprang der Kessel, und J. W., der sich in
der Nähe befand, wurde getötet. Der Kessel hätte seiner
Zweckbestimmung gemäss bloss auf einen Druck von drei
Atmosphären erprobt zu werden brauchen; der Kompressor
der Fabrik dagegen, mit dem er in Verbindung gesetzt wurde,
erzeugt in normalem Betrieb einen Druck von vierzig At-
mosphären. Die Witwe des J. W. klagte gegen den Be-
klagten eine Entschädigung von Fr. 6089. 90 ein, indem sie
sieb in erster Linie auf die Haftpflichtgesetze, in zweiter
Linie auf Art. 50 ff. 0. R. berief. — Das Bundesgericht hat
die Klage, soweit sie auf die Haftpflichtgesetze begründet
wurde, abgewiesen, dagegen den Anspruch aus Art. 50 ff. 0. R.
in dem (mit Bücksicht auf das Mitverschulden des Getöteten
reduzierten) Betrage von Fr. 3000 gutgeheissen. In ersterer
Hinsicht wird in der bundesgerichtlichen Entscheidung grund-
sätzlich ausgeführt:
Die Haftpflicht der Inhaber industrieller und gewerb-
licher Geschäfte ist eingeführt zu Gunsten des darin verwen-
141
deten Personals derjenigen, welche ihre persönliche Arbeits-
kraft, gewöhnlich ihr einzig verwertbares Gut, in den Dienst
des Unternehmers stellen, der darüber nach seinen Bedürf-
nissen und Interessen verfügt. So bezeichnet denn auch das
Haftpflichtgesetz vom 25. Brachinonat 1881, das in dieser
Beziehung durch dasjenige vom 26. April 1887 nicht erweitert
worden ist, die „Arbeiter" und „ Angestellten u als die
der besondern Vorteile der Spezialgesetzgebung teilhaftigen
Personen, womit der Ereis der Haftpflichtberechtigten nicht
nur gegenüber Dritten beim Betriebe nicht beteiligten Per-
sonen, sondern auch gegenüber denjenigen abgegrenzt wurde,
die in selbständiger Stellung, gemäss eigener EntSchliessung
und Entscheidung, oder gar als Vorsteher eines eigenen in-
dustriellen und gewerblichen Betriebes, ihre, bezw. ihrer Leute
produktive Kraft einsetzen. Dafür nun, ob jemand zum Ge-
schäftsherrn in dem die Voraussetzung der Anwendbarkeit
der Haftpflichtgesetze bildenden Arbeiter- oder Angestellten-
verhältnis gestanden sei oder nicht, kann nicht ein allgemein
gültiges Kriterium aufgestellt werden, sondern es muss die
Frage unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles be-
antwortet werden, wobei zu beachten ist, dass derjenige,
welcher Rechte aus den Haftpflichtgesetzen herleitet, die
thatsächlichen Elemente zu behaupten und zu beweisen hat,
aus denen sich das Vorhandensein der Voraussetzung ihrer
Anwendbarkeit ergiebt. Im vorliegenden Falle nun ist nicht
dargethan, dass sich W. der beklagten Firma gegenüber bei
der Besorgung der Arbeit, bei der er verunglückte, in der
Stellung eines „Arbeiters" oder eines „Angestellten" befunden
habe. (Dies wird im einzelnen ausgeführt, wobei namentlich
hervorgehoben wird: Dafür dass W. bei der Montierung des
Kessels nioht als Angestellter oder Arbeiter des Beklagten,
sondern als selbständiger Unternehmer gehandelt habe, spreche,
dass soweit ersichtlich W. hinsichtlich der Reihenfolge, der Art
und Weise der einzelnen Verrichtungen u. s. w. nicht an Be-
fehle und Instruktionen des Beklagten gebunden gewesen sei,
überhaupt keine solche erhalten habe, dass er die Arbeit
nicht allein verrichtet, sondern seine Gesellen und Lehrlinge
beigezogen habe, dass er sich nicht an die Fabrikordnung
speziell hinsichtlich der üblichen Arbeitszeit gehalten habe,
dass er überhaupt im übrigen seinen Erwerb als selbständiger
Meister gefunden und auch grössere Arbeiten, wie die Ein-
richtung der Wasserversorgung für eine Ortschaft unternommen
habe. Dem gegenüber könnte der Umstand, dass die Ent-
schädigung für die Montierungsarbeiten (wie für andere von
11
142
W. für den Beklagten ausgeführte Arbeiten) nach Taglöhnen
bemessen worden sei, selbst wenn er erwiesen wäre, nicht
entscheidend ins Gewicht fallen.)
In Bezug auf die Haftung des Beklagten aus Art. 50 ff.
0. R. wird bemerkt: W. konnte die technischen und physika-
lischen Kenntnisse, die zur sachgemässen und sichern Durch-
führung der Festigkeitsprobe erforderlich waren, nach dem
Gang und Stand seiner beruflichen Ausbildung nicht besitzen.
Wenn nun auch in der Regel derjenige, der eine Arbeit über-
nimmt, die Gefahren der Ausführung zu tragen hat und die
Verantwortlichkeit nicht durch die Behauptung auf den Ver-
geber der Arbeit abwälzen kann, es haben ihm die nötigen
Fähigkeiten oder Kenntnisse gefehlt, so muss doch im vor-
liegenden Falle gesagt werden, dass die Beklagte dem W.
die Festigkeitsprobe nicht hätte übertragen oder aber dass
sie ihn dann genauer hätte instruieren und durch ihre sach-
verständigen Organe hätte überwachen lassen sollen. Sie
konnte voraussehen, dass W. sich zu der Probe der Luft be-
dienen werde, die in dem mit dem neuen Kessel durch eine
Leitung in Verbindung stehenden Kompressor der Fabrik
gespannt wurde. Sie wusste, dass der Kessel nur auf höchstens
den zehnten Teil des Druckes berechnet war, der regelmässig
in dem Kompressor erzeugt wurde. Andrerseits kannte sie den
W. und war nach den vielen Geschäftsbeziehungen, in denen
sie mit ihm gestanden war, in der Lage, die Grenzen seines
Wissens und Könnens zu beurteilen. Sie mnsste danach
Zweifel darüber tragen, ob er die Möglichkeit des Entstehens
einer zu hohen Spannung und deren Gefahren richtig zu
würdigen verstand, und sie hätte unter solchen Umständen
entweder ihm die Probe nicht übertragen oder dann dooh
den W. instruieren und kontrollieren sollen. Keinenfalls durfte
aie ihm ohne weiteres und ohne sich zu vergewissern, ob die
gebotenen Vorsichtsmassregeln getroffen seien, den hohen
Druck des Kompressors zur Verfügung stellen. Ihr Verhalten
zeugt von einer gewissen Leichtfertigkeit, die sie nach
Art. 50 0. R. für den daraus entstandenen Schaden verant-
wortlich erscheinen lässt, trotzdem W. kraft eigenen Ent-
schlusses die Arbeit übernommen hatte. (Entsch. vom 12. Juli
1899 i. S. de Coral c. Wwe Widmer.)
104. 0. R. Art. 122, 264. Bundesgesetz betreffend Schuld-
betreibung und Konkurs vom 29. April 1889, Art. 211, 212.
Bedeutung und Tragweite des Art. 212. Anwendung desselben
auf Tauschverträge.
r
143
1. Art. 212 des Bandesgesetzes über Schuldbetreibung
und Konkurs findet nicht bloss auf eigentliche Kaufverträge,
sondern auch auf Tauschverträge Anwendung; denn beim
Tausch ist jeder Kontrahent bezüglich der von ihm verspro-
chenen Leistung gleich einem Verkäufer, bezüglioh der ihm
zugesicherten Leistung gleich einem Käufer zu beurteilen,
und es wäre nicht einzusehen, warum der Umstand, dass
beim Kaufe Geld um Sache, bei dem Tausche dagegen Sache
um Saohe gegeben wird, eine verschiedene Behandlung im
Konkurse begründen, insbesondere die Anwendung des Art. 212
auf den Tauschvertrag ausschliessen sollte.
2. Art. 212 des Bundesgesetzes betreffend Schuldbetreibung
und Konkurs will nioht ein Vindikationsreoht, das nach den
Grundsätzen des einschlägigen eidgenössischen oder kantonalen
Privatrechts besteht, ausschliessen, sondern setzt lediglich
fest, dass wenn ein solches nicht besteht, es auch nicht für
den Fall einer duroh die Konkurseröffnung herbeigeführten
Nichterfüllung des Kaufvertrages anerkannt werde. Art. 212
befasst sich also überhaupt nicht mit der Vindikation bezw.
dem Eigentumsvorbehalt an der übergebenen Sache und deren
Wirkungi sondern behandelt ausschliesslich das Rücktritts-
recht des Käufers nach übergebener Kaufeaohe vom Vertrage,
indem er dasselbe unbedingt, und abweichend von Art. 264
0. R., auch für den Fall ausschliesst, als sich der Verkäufer
dasselbe ausdrücklich vorbehalten hat. Demnach ist klar,
dass Art. 212 gerade und lediglich die Fälle im Auge hat,
wo ein Kauf- oder Tauschvertrag vom Verkäufer, bezw. dem
nicht in Konkurs geratenen Kontrahenten eines Tauschver-
trages ganz oder teilweise erfüllt ist, während der Gernein-
schuldner seine aus dem Vertrag fliessenden Verpflichtungen
zur Zeit der Konkurseröffnung noch nioht erfüllt hat. In
solchen Fällen hat der Konkursverwalter nach Art. 211 Abs. 2
B.-G. über Schuldbetreibung und Konkurs das Recht, in den
Vertrag einzutreten, und die Verpflichtung des Gemeinschuld-
ners zu erfüllen. Macht er aber von diesem Rechte keinen
Gebrauch, so kann nach Art. 212 der Verkäufer, bezw. beim
Tausohvertrage der andere Teil, nicht vom Vertrage zurück-
treten, auoh wenn ihm dieses Recht sonst, nach den Grund-
sätzen des Priratreohts, z. B. Art. 122 f. u. 264 0. R. zustände.
Das Obligationsverhältnis besteht vielmehr trotz der Konkurs-
eröffnung fort. Der Konkurs befreit weder den Gemein-
schuldner noch den andern Teil von seiner Verpflichtung;
sondern es ändert sich lediglich die Art der Erfüllung, indem
der Verkäufer seine Kaufpreisforderung nicht als Masseschuld,
144
sondern nur als Konkursforderung geltend machen kann und
beim Tauschrertrag der Anspruch des andern Teils sich ge-
mäss Art. 211 Abs. 1 in eine Geldforderung, d. h. Entschädi-
gung8forderung wegen Nichterfüllung von entsprechendem
Werte umwandelt, welche ebenfalls nur als Konkursfor-
derun g geltend gemacht werden kann.
3. Art. 212 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung
und Konkurs bezieht eich nicht bloss auf den Fall, wo der
Verkäufer vertragsgemäss zur Vorleistung verpflichtet war,
sondern begreift alle Fälle, wo eine solche Vorleistung statt-
gefunden hat, also auch denjenigen, wo der Verkäufer dem
Käufer ohne vertragliche Verpflichtung kreditiert hat. (Entsch.
vom 9. Juni 1899 i. S. Allg. Aktienbaugesellschaft Zürich
c. Masse Egloff.)
105. Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs
vom 29. Aprü 1889, Art. 287, 288. Für die sechsmonaüiche
Frist des Art. 287 fällt auch diejenige Zeit in Berechnung, welche
zwischen einem vom Schuldner erwirkten Rechtsvorschlage und
dessen gerichtlicher Beseitigung verstrichen ist.
Aux termes de l'article 287 L. P., la présomption de
nullité que cette disposition établit en faveur du créancier à
l'égard de certains actes du débiteur, ne s'applique qu'à
ceux des aotes énumérés au dit article, qui ont été faits par
un débiteur insolvable „dans les six mois avant la saisie
ou l'ouverture de la faillite." L'ouverture de la faillite
est le prononcé du juge prévu aux articles 171, 189 et
190 à 192 L. P., et la saisie est l'opération faite par l'office
des poursuites conformément aux artioles 89 et suiv., 112,
114, ilo et 158 de la même loi, étant entendu que cette
opération doit aboutir à un acte de défaut de biens, provi-
soire ou définitif, puisque le créancier doit être porteur d'un
tel acte pour être autorisé, en conformité de l'article 285
chiffre 1, à intenter l'action révocatoire. Le terminus a quo
du délai, soit point de départ à partir duquel celui-ci doit
se compter en remontant en arrière, est donc parfaitement
déterminé, ainsi que la durée du délai lui-même (6 mois),
et il s'agit uniquement de savoir si dans certains cas ce délai
peut être étendu, en ce sens qu'on ne compterait pas le temps
pendant lequel le créancier, qui devient plus tard demandeur
à l'action révocatoire, a été empêché de poursuivre utilement
le débiteur. Or il est incontestable que c'est là un point
qui dépend avant tout de la volonté du législateur, et que
si celui-ci n'a pas expressément autorisé une pareille déduction,.
145
la présomption est qu'il n'a pas voulu l'autoriser; cette manière
de voir s'impose d'autant plus que, dans le cas ou le Légis-
lateur a estimé qu'il était équitable de prolonger les délais
légaux à raison de l'opposition du débiteur, il n'a pas manqué
-de le dire d'une manière expresse. C'est le cas entre autres
en ce qui touche le délai de réquisition de saisie (L. P. art. 88),
le délai de réquisition de vente d'un gage (ibidem art. 154),
le délai de réquisition de la déclaration de faillite dans la
poursuite ordinaire (ibidem art. 166), le délai de réquisition
de la faillite dann la poursuite pour effets de change (ibidem
art. 188). (Voir aussi, dans le même sens, l'arrêt de la
Chambre des poursuites et faillites, du 26 avril 1899, en la
cause Maag c. Wölffing.)
A ces arguments de texte viennent s'en ajouter d'autres
tirés de la nature particulière de l'action révocatoire prévue à
l'article 287, action instituée par des considérations d'équité
et non de droit strict. Par ce motif le législateur a dû fixer
arbitrairement le point de départ de la période suspecte, ainsi
que sa durée, et il ne pouvait tenir compte de toutes les
circonstances diverses qui, dans un cas particulier, peuvent
militer en faveur d'une durée plus longue ou plus courte du
dit délai; il a dû se borner à admettre une moyenne équi-
table, 8'impo8ant à tons les intéressés et à tous les cas par
la raison même qu'elle était consacrée par la loi.
En outre d'autres considérations s'opposent à ce que le
délai de 6 mois fixé à l'article 287 soit prolongé dans le cas
où le créancier a été empêché par l'opposition du débiteur
de formuler plus tôt la réquisition de saisie.
La dite disposition consacre en effet une dérogation au
droit commun. Tandis que d'après les principes généraux,
respectés aussi par l'article 288, la preuve du caractère frau-
duleux de l'acte attaqué incombe au demandeur à l'action
révocatoire, l'article 287 crée au préjudice du défendeur une
présomption de nullité en ce qui concerne certains actes passés
en sa faveur par un débiteur insolvable, dans les 6 mois qui
ont précédé la saisie ou la faillite. Le fardeau de la preuve
est ainsi renversé, et c'est au défendeur qu'il incombe d'établir,
pour faire valider l'acte, qu'au moment de celui-ci il a ignoré
la situation du débiteur. Or cette dérogation aux règles gé-
nérales concernant le fardeau de la preuve ne doit pas être
étendue, et le délai de suspicion ne doit pas être prolongé
au-delà du terme expressément fixé par la loi, quelles que
soient les circonstances fortuites qui peuvent avoir retardé le
moment de la saisie. (Entsch. vom 15. Juli 1899 i. S. Fantoli
et Cie c. Comte frères.)
146
106. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken u. *. tc. vom 26. September 1890, Art. 6.
Bei einem aus verbalen und figurativen Teilen zusammen-
gesetzten Warenzeichen kann allerdings der verbale Teil,,
auch wenn er für das dem Äuge sich darbietende Gesamt-
bild des Zeichens nicht entscheidend ist, als das Wesent-
liche erscheinen, sofern nämlich dargethan ist, dass die
Käufer hauptsächlich auf das Wort Gewicht legen. Die»
ist aber schlechthin ausgeschlossen, wenn der verbale Teil
einer Marke (wie die Bezeichnung: chocolat des ménages)
Gemeingut ist. In diesem Falle kann als das Wesentliche
und Charakteristische des Zeichens nur dessen Gesamtbild,
wie es sich dem Auge darbietet, betrachtet werden, und
erscheint ein dem figurativen Gesamteindruck nach ähn-
liches, jüngeres Zeichen auch dann als unzulässig, wenn in
demselben die im Gemeingut befindlichen verbalen Bestandteile
des älteren Zeichens durch andere Worte ersetzt sind. (Entsch.
vom 10. Juni 1899 i. S. Russ-Suchard & Cie c. Chevrette.)
107. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken u. s. w. vom 26. September 1890, Art 24 ff.
0. ß. Art 50. Rechtliche Natur der Schadenersatzklage des Marken-
inhabers.
Die in den Art. 24 ff. des Markenschutzgesetzes dem
Markeninhaber u s. w. gegebene Civilklage ist dort, mit
Ausnahme der Bestimmungen über Legitimation, Verjährung
und Gerichtsstand, nicht näher geregelt. Sie ist nichts anderes,
als eine Klage aus unerlaubter Handlung, und es kommen
daher für sie, soweit das Markenschutzgesetz nicht besondere
Bestimmungen trifft (von denen hier keine in Frage steht),,
die allgemeinen Grundsätze des Obligationenrechts über
Schadenersatz aus unerlaubten Handlungen, insbesondere also
Art. 51 0. R., zur Anwendung', wonach der ßichter Art und
Grösse des Schadenersatzes nach freiem Ermessen in Würdi-
gung der Umstände, insbesondere der Grösse der Verschul-
dung bemi8st. (Entsch. vom 4. Mai 1899 i. S. Lever Brothera
Lim. c. Schuler.;
147
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
108. Dommages-intérêts. Action intentée contre le père de
V en foni auteur du dommage. Art 61 C. 0.
Genève. Jugement de la Cour de justice civile du 22 octobre 1898
d. 1. c. Bichet c. Détruche.
Lina Bichet, qui jouait dans la rue des Eaux- Vives, Ih
2 octobre 1897 vers raidi, a été renversée violemment par le
jeune F. Détruche monté sur un bicyclette et a eu la jambe
droite cassée. Le père Bichet a actionné le père Détruche
tant en sa qualité de tuteur de son fils mineur que comme
civilement responsable des actes de ce dernier selon l'art. 61
C. 0. Le Tribunal de 1** instance a trouvé que le père D. était
responsable du dommage causé par son fils mineur, aux termes
de l'art. 61 C. 0., parce qu'il n'aurait pas dû autoriser celui-ci
à circuler à bicyclette sans s'être assuré qu'il était suffisam-
ment expérimenté et prudent. La Cour a réformé ce jugement
et mis hors de cause le père D. en tant que responsable per-
sonnellement.
Motifs. Détruche père ne saurait être rendu person-
nellement responsable . . . que s'il était constant qu'il n'a pas
exercé sur son fils mineur la surveillance qui lui incombe
légalement (art. 61 CO.).
Or, il n'a jamais été établi que Détruche fils fût un garçon
généralement imprudent ou maladroit. Il est âgé d'environ
dix-sept ans.
On ne saurait, dans ces conditions, considérer Détruche
père comme personnellement responsable des conséquences de
l'accident; la faute de Détruche fils n'a été, en effet, qu'une
faute légère et momentanée, la conséquence d'un moment d'in-
attention que son père n'a pu prévenir, et on ne saurait faire
grief au père D. d'avoir autorisé son fils, déjà grand, à cir-
culer seul à bicyclette, pour ses affaires ou son agrément.
En ce taisant, le père D. n'a pas manqué au devoir de
surveillance qui lui incombe; il est d'usage constant, en effet,
de laisser circuler seuls en bicyclette des jeunes gens de cet
âge, et ce seul fait ne suffit pas pour rendre un père respon-
sable des accidents survenus si, d'ailleurs, l'imprudence com-
mise a été légère et si elle n'est pas la conséquence d'une
maladresse ou d'une imprudence habituelles de la part du
mineur. (La Semaine judiciaire, XX p. 791 sa.)
Anmerkung der Redaktion. Die zweite Instanz scheint uns
eine für die Velozipedisten zu nachsichtige Anschauung zu ver-
148
treten. Halbwüchsige Bürscblein gefährden mit ihrem leichtfertigen
Fahren in der That den Verkehr auf belebten Strassen ungemein,
und dein Vater läge die erste Pflicht der Verhinderung ob; statt
dessen schafft er selber dem Herrn Sohn ein Zweirad an und lässt
ihn damit Unfug treiben. Der Spruch der ersten Instanz hat das
Richtigere getroffen.
109. Verjährung der Forderung oder des Klagrechts f
Art. 72, 159, 160 0. R.
Zürich. Urteil der Appellationskammer des Obergerichts vom 17. Sep-
tember 1898 i. S. Bezirkssparkasse Hin weil c. Peter.
Wenn der Betriebene eine verjährte Forderung anerkennt,
also der Betreibung durch den Gläubiger nicht opponiert,
obgleich er das thun könnte, so kann nicht die so anerkannte
Forderung von andern Gläubigern bestritten und ihre Ent-
fernung aus dem Kollokationsplan verlangt werden. Die Ent-
scheidung der Frage, ob eine solche Bestreitung möglich sei
oder nicht, hängt von der Art der rechtlichen Wirkungen ab,
die das Gesetz an die eingetretene Verjährung knüpft. In der
gemeinrechtlichen Theorie stehen sich zwei Ansichten gegen-
über, diejenige, nach welcher die Folge der Verjährung der
Untergang der Forderung selbst ist, und diejenige, nach
welcher die Forderung trotz eingetretener Verjährung be-
stehen bleibt, aber nicht mehr die Kraft hat, die Rechts-
mittel behufs ihrer Geltendmachung zu erzeugen. (Vergi,
einerseits Windscheid, Pandekten Bd I § 112, andrerseits
Dernburg, Pandekten Bd I § 150.) Ist die zweite Anschau-
ung die richtige, dann bleibt die Forderung bestehen ; der
Schuldner, der sie bezahlt, tilgt eine Schuld; er macht dem
Gläubiger nicht eine Schenkung (Windseheid a. a. 0. Bd II
§ 289, Kohler, Konkursrecht S.228); er hat auch nicht die
condictio indebiti. Dann kann aber sicherlich auch ein dritter
Gläubiger die Rechtsbeständigkeit einer anerkannten, wenn
auch an sich verjährten Forderung nicht anfechten. Das
Obligationenreoht steht nun auf dem Standpunkte dieser
zweiten Rechtsanschauung und hat ihn konsequent durch-
geführt: Auf die Verjährung kann nach ihrer Vollendung
Verzicht geleistet werden (Art. 159), der Richter kann sie
nicht von Amtes wegen berücksichtigen (Art. 160), für eine
bezahlte verjährte Schuld ist die Rückforderung ausgeschlossen
(Art. 72). Demnach hat der betriebene Schuldner J. J. Peter,
indem er der Betreibung seiner Schwester auch für verjährte
Forderungen nicht opponierte, eine naturalis obligatio an-
149
erkannt und einem Gebote der Moral gemäss gehandelt. Ein
anderer Gläubiger kann diese Forderungen nicht mit Erfolg
anfechten. (Schweizer Blätter f. h.-r. Entech., XVIII S. 46.)
110. Verjährung. Unterbrechung durch Klaganstellung
vor einem inkompetenten Richter in einem Einspruchsverfahren.
Art 158 0. R. und Art. 107 des Bundesgesetzes über Schuldbe-
treibung und Konkurs.
Lasero. Urteil des ObergerichtB vom 13. April 1897.
Klägerin hatte Anerkennung ihres Eigentumsanspruches
auf verschiedene Objekte, welche bei ihrem Ehemann auf
Betreibung des Beklagten hin hätten gepfändet werden sollen,
verlangt, und zwar vor dem Bezirksgerichte Serapach, das
sich aber, unter Zustimmung des Obergerichts infolge Rekurses,
als inkompetent erklärte. Als dann Klägerin ihre Klage bei
dem Bezirksgerichte Rothenburg einlegte, beantragte der Be-
klagte Abweisung wegen Verjährung, die durch Erhebung
der Klage vor einem inkompetenten Gerichte nicht unter-
brochen worden sei. Das Obergericht wies diese Einrede zurück.
Motive: Für das gemeine Recht ist die Frage, ob die
Klagestellung bei einem unzuständigen Richter die Verjährung
zu unterbrechen vermöge, eine streitige, wobei immerhin die
herrschende Meinung dahin geht, dass einer derartigen Klage-
erhebung eine unterbrechende Wirkung nicht zugeschrieben
werden könne (Schneider & Fick, Komment, zum 0. R. gr. A.
Note 1 zu Art. 158). Für das Gebiet des 0. R. gewährt
Art. 158 eine neue Frist von 60 Tagen zur Geltendmachung
eines Anspruches, falls eine Klage oder eine Einrede wegen
Inkompetenz des angesprochenen Richters zurückgewiesen
worden und unterdessen die Verjährungsfrist abgelaufen ist.
Eine gleiche Bestimmung kennt das Bundesgesetz über Schuld-
betreibung und Konkurs nicht, soweit die Klagewirkung, wie
sie hier in Frage steht, in Betracht kommt, und es darf als
ein Mangel des Gesetzes bezeichnet werden, dass sein Text
über die Behandlung der vorwürfigen Frage keine bestimmte
Auskunft giebt. Allein nachdem der eidgenössische Gesetz-
geber für das Gebiet des Obligationenrechts allgemein jene
Nachfristgewährung ausgesprochen hat und hier auch An-
sprüche in Frage stehen, die der Regelung durch Bundesrecht
unterliegen, kann kein Hindernis bestehen, die durch die
Bundesgesetzgebung für das Gebiet der materiellen Verjährung
der Klage eingeführte Nachfrist grundsätzlich analog auf das
Gebiet der in einem Spezialgesetz vorfindlichen formellen
150
Verwirkung der Klage za übertragen, wobei bezüglich der
Anwendbarkeit eidgenössischer Bestimmungen darauf ver-
wiesen werden darf, dass Art. 106 u. 107 des Bundesgesetzes
über Schuldbetreibung und Eonkurs sich auch über die Wir-
kungen der Versäumnis aussprechen. Freilich kann diese
Uebertragung nicht ohne Restriktion stattfinden in dem Sinne,
dass nun ohne Weiteres jene 60tägige Frist auch hier Platz
griffe. Vielmehr muss sich die Institution der Naohfristge-
währung dem Rahmen des hier zur Anwendung gelangenden
Spezialgesetzes anbequemen, so dass, wenn das Bundesgesetz
über Schuldbetreibung und Konkurs in Art. 107 eine Klage-
frist von zehn Tagen aufstellt, auch die Nachfrist eine solche
von zehn Tagen ist; es würde gewiss der ratio legis nicht
entsprechen, wollte man bei einer ersten und Hauptfrist von
nur zehn Tagen für den hier vorliegenden Fall der jBelangung
des Qegners vor einem inkompetenten Richter eine Nachfrist
von sechsmal so langer Dauer geben. Die Klägerin hat aber
diese Nachfrist von zehn Tagen eingehalten.
(Verhandl. des Oberger. u. der Justizkomm. v. J. 1897, S. 31 ff.)
111. Cession d'une créance. Droit du cessionnaire de
continuer les poursuites, Art. 190 C. 0.
Tand. Jugement du Tribunal cantonal du 6 Décembre 1898 d. 1. c.
Laurent c. Jaccoud et Laurent.
La Banque cantonale Vaudoise, créancière de la société
Jaccoud & Laurent pour une somme de frs. 6201. 50, a fait
notifier à la débitrice, le 28 septembre 1898, une commina-
tion de faillite, puis, le 21 octobre, elle a cédé à Eugène
Laurent, caution de l'associé Jules Laurent, tous ses droits,
ayant reçu de lui le solde de sa créance. La cession a été
notifiée le 25 octobre à Jaccoud & Laurent. Le 27 octobre
Eugène Laurent a requis la faillite de la société qui s'est
opposée à cette réquisition par le motif que le cessionnaire
n était subrogé qu'à la créance et non aux poursuites exercées
par la Banque, et devait ainsi en commencer de nouvelles.
Les deux instances ont repoussé cette opposition et prononcé
la faillite. Le Tribunal oantonal a motivé:
Considérant que la cession d'une créance comprend, sauf
convention contraire, les privilèges et autres droite» accessoires,
à l'exception seulement de ceux qui sont attachés exclusivement
à la personne du cédant (art. 190 C. 0.).
Que les droits résultant pour le cédant d'actes de pour-
suite par lui effectués sont des accessoires de sa créance.
151
Qu'aucune disposition légale ne limite à la personne du
créancier qui les a effectués le bénéfice en résultant.
Que dès lors Eugène Laurent, subrogé aux droits de la
Banque cantonale, a été mis par la cession en lieu et place
de la cédante aussi bien en ce qui concerne la poursuite
commencée que relativement au capital du compte de crédit,
aux intérêts et autres accessoires.
(Journal des Tribunaux, Droit cantonal, XL VII p. 88 8.)
112. Wechselbürgschaft. Unterschrift auf der Rückseite
des Wechsels ohne einen die Bürgschaft andeutenden Zusatz ist
nicht Wechselbürgschaft Art. 808 f., 827 Ziff. 11 0. R.
Bern, Urteil des Appellations- und Kassationsfaofes vom 29. April
1898 i. S. Droz & Cie c. Marti.
Droz & Cie fordern von Marti Fr. 1510. 17 als die Hälfte
einer von ihnen als Bürgen für H. Amstutz aus einem Eigen-
wechsel an die Kantonalbank bezahlten Summe von Fr. 3000
plus Zins und Kosten. Beklagter bestreitet das Vorhanden-
sein irgend eines Zusammenhangs zwischen der für ihn aus
der Beisetzung seiner Unterschrift auf der Rückseite des
(nicht indossierten) Wechsels entstandenen Verbindlichkeit
mit der Wechselbürgschaft der Kläger. Der Wechsel trägt
auf der Vorderseite unter der Unterschrift des Ausstellers
H. Amstutz die Worte: „pour aval p. Droz et Oie Läuchli,"
und auf der Bückseite die Worte „Jakob Marti." Ueber
diesen Namen ist geschrieben, aber wieder durchgestrichen
worden: „ Payez à l'ordre de la Banque cantonale de Berne,
valeur en compte. St-Imier, le 4 Février 1897." Marti be-
hauptet, seine Unterschrift bloss als Bürgschaft für einen
eventuellen ersten Indossanten gegeben zu haben. Der Appel-
lations- und Kassationshof hat die Klage abgewiesen, im
wesentlichen aus folgenden Gründen:
11 s'agit de savoir si c'est en qualité de donneur d'aval
du souscripteur A. que le défendeur a apposé sa signature
sur le billet. A cet égard, il y a lieu de rappeler qu'en règle
générale le donneur d'aval du tireur d'une lettre de change
ou du souscripteur d'un billet de change, doit joindre sa
signature à celle de ce dernier (art. 808 C. 0.) et dès lors
signer comme lui et près de son nom sur le recto de l'effet;
exceptionnellement, il peut apposer son nom à une place
quelconque de l'effet, pourvu qu'il l'accompagne d'une mention
indiquant, pour qui il donne son aval (cfr. Deutsche Wechsel-
ordnung art. 81, dont l'art. 808 C. 0. est la reproduction tex-
152
tuelle; voir v. Wächter, Encycl. d. Wechselrechts, p. 107, et
Wechselrecht, p. 440). Mais lorsque, comme au cas particu-
lier, la signature d'une personne figure au verso de l'effet
sans autre indication, la difficulté est de savoir si cette per-
sonne a voulu donner son aval pour le souscripteur dont la
signature figure au recto. Pour apprécier son intention, on
ne peut tenir compte que des énonciations de l'effet de change
et non des circonstances qui n'y sont pas exprimées, car l'effet
de change est un écrit à formes solennelles. ... La signature
de Marti figurant au dos de l'effet, on ne saurait admettre
qu'il ressort du texte même du billet que le défendeur a
entendu donner son aval pour le souscripteur A. On ne sau-
rait l'admettre, d'après la jurisprudence et la doctrine alle-
mandes, que s'il résultait indubitablement du billet que M.
a voulu s'engager comme le souscripteur; il en serait ainsi
dans le cas où l'état matériel de l'effet ne permettrait pas à
l'avaliseurde signer au recto (Reichsoberhandelsgericht, Entsch.
XII p. 25, XIX p. 89, v. Wächter, Encycl. d. Wechselrechts
p. 107 u. a). — En France, où d'après l'art. 142 C. d. coram.,
l'aval peut être donné par acte séparé, on est en général
moins rigoureux, . . . mais le Code des obligations se rattache
étroitement, en ce qui concerne le droit de change, à la
législation allemande et non à la législation française. On
doit donc adhérer ici aux principes reproduits ci-haut de la
doctrine et de la jurisprudence allemandes. Or, l'état matériel
du billet ne nécessitait nullement l'apposition au verso de la
signature de Marti s'il avait voulu signer comme donneur
d'aval du souscripteur. On ne saurait donc admettre que la
signature du défendeur au dos de l'effet sans autre mention,
indique d'une manière suffisante sa volonté de donner un
aval pour le souscripteur A.
Il ne saurait être question de considérer la présente
action comme basée sur un cautionnement de droit civil.
Indépendamment du fait que la demande n'en parle pas, il y a
lieu de remarquer qu'une simple signature sans autre mention
ne suffit pas pour constituer un cautionnement oivil (art. 491
CO.). (Aaszug au» der Zeitachr. d. Bern. Jur.-Vereins, XXXV S. 243 ff.)
113. Pfändungsanschluss von geschiedenen Ehefrauen,
ohne vorgängige Betreibung unzulässig. Art 111 des Bundes-
gesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs.
Basel -Lau dach* lt. Entsch. der Aufsichtsbehörde (Obergericht)
vom 5. November 1898 i. S. Fritschin c. Betreibungsamt Arlesheiin.
153
Der Marie Fritschin, geschiedene Jeissy, verweigerte das
Betreibangsamt Ariesheim den Anschluss an eine Pfändung
gegen ihren gewesenen Ehemann, die bei diesem zu Gunsten
der Geschwister Fritschin vorgenommen worden war. Sie
beschwerte sich hiegegen, weil die Forderung, die sie gegen
ihren geschiedenen Ehemann geltend mache und für die sie
die Anschlusspfändung verlange, noch aus der Zeit des Be-
stehens der Ehe herrühre, daher sie sich ohne vorausgegangene
Betreibung der Pfändung anschliessen könne. Die Beschwerde
wurde abgewiesen.
Gründe: Nach Art. 111 des Betreibungsgesetzes können
die Kantone der Ehefrau des Schuldners das Recht einräumen,
fur Forderungen aus dem ehelichen Verhältnisse während der
dreissigtägigen Frist auch ohne vorgängige Betreibung an
einer Pfändung teilzunehmen. Der Kanton Basellandschaft
hat in seinem Einführungsgesetz zum Bundesgesetz von der
Befugnis, der Ehefrau das Recht der Anschlusspfändung ein-
zuräumen, Gebrauch gemacht. Das Recht zur Anschluss-
pfändung kommt aber nach der Intention des Betreibungs-
gesetzes und des kantonalen Einführungsgesetzes einer Ehe-
frau nur so lange zu, als sie durch das Band der Ehe mit
ihrem Ehemann verbunden ist, und als güterrechtliche Be-
ziehungen zwischen ihr und dem Ehemann bestehen. Wo
wie im vorliegenden Falle die Ehe schon seit Jahren aufge-
löst ist und alle güterrechtlichen Beziehungen zwischen den
Geschiedenen erloschen sind, kann sich die Beschwerdeführerin
ohne vorausgegangene Betreibung einer Pfändung nioht an-
schliessen, sondern sie muss, wenn sie noch Ansprüche an
ihren geschiedenen Ehemann hat, selbst wenn diese Ansprüche
von der Ehe her datieren, diese durch Anhebung der Betrei-
bung zu realisieren suchen.
(Amteber, des Obergerichts vom Jahre 1898, S. 92 f.)
114. Condamnation civile renfermée dans un
jugement pénal d'un tribunal français. Demande en
exequatur en Suisse. Manque de caractère d'un jugement rendu
„en matière civüeu dans le sens de l'article 15 du traité franco-
suisse du 15 juin 1869.
Neueh&tel. Jugement da Tribunal cantonal du 11 novembre 1898
d. 1. c. Japy frères & Cie c. Sandoz.
Le 5 mai 1893, le tribunal de première instance dé
Belfort, siégeant en matière de police correctionnelle, a con-
damné par défaut, et sur intervention de partie civile Japy
154
frères & Cie, A. Sandoz à deux ans de prison et, sur l'action
civile, à fr8. 250,000. — de dommages-intérêts, pour révélation
à des étrangers ou à des français résidant en pays étranger
de secrets de la fabrique où il était employé. Japy frères & Cie
ont requis devant le tribunal de Neuchâtel, domicile de Sandoz,
l'exequatur de ce jugement en tant qu'il prononce la condam-
nation civile. Sandoz a opposé : le jugement n'est pas un
jugement en matière civile et commerciale dans le sens de
l'art. 15 du traité franco-suisse du 15 juin 1869, c'est un
jugement pénal statuant accessoirement sur des conclusions
civiles.
Le tribunal a refusé l'exécution.
Motifs : Attendu que si ce jugement revêt à plusieurs
égards le caractère d'un jugement de droit civil et privé, en
particulier par la nature civile de la réclamation et par la
qualité privée du demandeur, il n'en est pas moins vrai qu'il
a été rendu par un tribunal pénal dont la compétence civile
n'a pu exister qu'à cause et comme une conséquence de sa
compétence pénale;
Qu'il est incontestable en effet que, aux termes des pre-
miers articles du traité de 1869, le tribunal civil de Belfort
n'aurait pu rendre contre Sandoz, citoyen suisse, domicilié
en Suisse, un jugement civil semblable à celui rendu par
le tribunal correctionnel;
Qu'il faut reconnaître que, dans le cas particulier, l'action
civile n'a été qu'une annexe de l'action pénale dont elle tenait
son existence, et que le fait seul que la sentence émane d'une
juridiction répressive imprime au prononcé tout entier un carac-
tère pénal indélébile.
Attendu que ce caractère pénal résulte aussi du fait qu'en
France, comme dans le canton de Neuchâtel, la libération du
prévenu sur l'action publique rend le tribunal pénal incom-
pétent pour statuer sur l'action civile;
Que ce qui vient d'être dit indique suffisamment déjà que
le jugement de Belfort n'a pas été rendu „en matière civile
et commerciale," mais qu'il s'agit d'une sentence pénale con-
tenant une sentence civile accessoire.
Attendu que rien dans le traité de 1869 ne permet de
supposer que les hautes parties contractantes, en statuant
l'exécution réciproque des jugements rendus en matière civile,
aient entendu englober dans cette disposition les prononcés
pécuniaires accessoires d'une condamnation pénale ;
Qu'il y a lieu de présumer, au contraire, que l'assimi-
lation n'a pas été voulue à cause des différences profondes
155
qui existent entre ces deux genres de condamnations pécu-
niaires ;
Attendu que ces différences résident non seulement dans
la procédure en usage en matière de partie civile, procédure
essentiellement rapide et exclusive d'une administration mé-
thodique des preuves, mais aussi dans le fait que la partie
poursuivie pénalement n'est souvent pas en mesure de se dé-
fendre contre les conclusions civiles du plaignant et qu'ainsi
les parties ne se trouvent pas placées sur un pied d'égalité
absolue ;
Que cette dernière considération est particulièrement im-
portante, en l'espèce, Sandoz ayant dû faire défaut devant le
tribunal de Belfort par suite du mandat d'arrêt lancé contre
lui et qui l'exposait à une incarcération immédiate.
Attendu que, de tout ce qui précède, il résulte que le
jugement du tribunal de Belfort „siégeant en matière de police
correctionnelle" n'est pas un jugement rendu „en matière
civile" dans le sens de l'art. 15 du traité.
Attendu, au surplus, que si Sandoz a été cité à la re-
quòte du procureur de la république près le tribunal de pre-
mière instance de Belfort, à comparaître devant le dit tribunal
comme prévenu des délits prévus et punis par les art. 418
et 417 du Code pénal français, il est certain qu'il n'a pas
été cité pour avoir à se défendre contre les conclusions civiles
prises contre lui, conclusions dont il ne lui a pas été donné
connaissance;
Qu'on voit par les procès- verbaux des audiences du tri-
bunal de Belfort que c'est au cours de l'audience du 28 avril,
après l'audition des témoins et sans notification préalable,
que Japy frères & Cie sont intervenus et ont été reçus en
qualité de partie civile et qu'ils ont conclu contre Sandoz
à fra. 450,000. — de dommages-intérêts, somme réduite à
frs. 250,000.— par le jugement du 5 mai;
Qu'il y a lieu d'admettre, dans ces circonstances, que
/ Sandoz n'a pas été régulièrement cité, ni défaillant, et que,
pour ce motif encore, l'exequatur doit être refusé aux termes
de l'art. 17, chiffre 2, de la convention de 1869.
(Jugements du Trib. cant. de Neuchâtel, V p. 142 sa.)
I. Alphabetisches Sachregister.
Absichtliche Pflichtverletzung (der Verwaltungsräte einer Aktien-
gesellschaft), Begriff, Nr. 41.
Abtretung, oder Anweisung? Nr. 6; von Namenaktien, Nr. 7; eines
Gewinnanteils an einer Gesellschaft, Nr. 62 ; zukünftiger For-
derungen, Nr. 62 ; von Sparkassaforderungen, Nr. 63 ; von
Privatrechten (Expropriation), Fristversäumnis, Nr. 99 ; Recht
des Cessionars auf Fortsetzung der Betreibung, Nr. 111.
Abwesende, Vertragsschluss unter A., Annahme und Widerruf, Nr. 87.
Agenten, einer Versicherungsgesellschaft, Umfang ihrer Vollmacht,
Nr. 72, 87.
Aktenwidrigkeit, Begriff in Art. 81 B.-G. über Org. d. B.-R. -Pflege,
Nr. 48.
Aktiengesellschaft, Verantwortlichkeit der Verwaltungsräte, Nr. 41 ;
der Verwalter und Gründer, Nr. 68 ; Fusion, Nr. 69.
Aktienkommanditgesellschaft, Haftung der Komplementare, Stellung
des Liquidators, Nr. 98.
Aktionäre, Pflichten gegen die Gesellschaft, Nr. 26 ; Pflichten wie-
weit statutengemä88 bestimmbar, Nr. 67.
Anfechtbarkeit, von Veräusserungen in fraudem creditorum, Nr. 7.
Anfechtung, eines Lebensversicherungsvertrages wegen Irrtums,
Nr. 71.
Anfechtungsklage, des Gläubigers gegen ein den Schuldner ent-
erbendes Testament, Nr. 13; betr. Contocorrenteinzahlungen,
Nr. 79; Frist des Art. 287 B.-G. über Seh. u. K., Nr. 105.
Antrag, Gebundenheit, Nr. 80; bei Vertrag inter absentes, Nr. 87.
Anwaltkosten, s. Parteikosten.
Anweisung, Annahme, Unwiderruflichkeit, Nr. 6 ; Solidarverhältnis
des Anweisenden und des Angewiesenen gegenüber dem As-
signatar? Nr. 90; unter Vorbehalt angenommen, Wirkung,
Nr. 96.
157
Anwendbarkeit, eidgenössischen Hechts, auf Vergleich, Nr. 20 ; auf
Vollmacht (Auftrag) zu Liegenschaftskauf, Nr. 37 ; bei Ver-
sicherungsvertrag, Nr. 45 ; auf Versprechen des Kaufs einer
Liegenschaft durch einen Dritten, Nr. 61 ; fur Verrechnung
mit grundversicherten Forderungen, Nr. 62.
des Bundesge8. über die civilrechtl. Verh. der Niedergel. auf
Schenkungen, Nr. 18.
kantonalen Rechts, im kantonalen Expropriations verfahren, Nr. 28 ;
bei Versicherungsvertrag, Nr. 45 ; auf schenkungsweisen Nach-
lass, Nr. 88 ; auf Leibrentenverträge zu Gunsten Dritter, Nr. 97.
örtlichen Rechts, der Verjährung, Nr. 5.
Aufforderung' zur Klage, nach Betreibungsgesetz, Nr. 14.
Auftrag, Schadenersatzpflicht des Mandanten gegenüber dem Man-
datar, Nr. 95.
Auskunftserteilungen von Stationsvorständen, rechtlicher Wert, Nr. 19.
Auslegung, der Versicherungsbedingungen, Nr. 45.
Beerdigungskosten, Umfang im Sinn der Haftpflichtgesetze, Nr. 11.
Bereicherungsanspruch, des Versicherten, bei Aufhebung des Ver-
sicherungsvertrages, Nr. 71.
Berufung an das Bundesgericht, Voraussetzungen, Streitwertberech-
nung, Nr. 13; bei Patentstreit, Nr. 58; gegen Entscheide von
Nachlassbehörden, Nr. 15; gegen Entscheide über Expropria-
tion nach kantonalem Rechte statt eidgenössischen Expropria-
tionsverfahrens, Nr. 28 ; schon vor der schriftlichen Mitteilung
des angefochtenen Urteils zulässig, Nr. 85. s. auch Haupturteil.
Berufungserklärung, Nr. 1.
Berufungsfrist, Nr. 1 ; Beginn, Nr. 2.
Beruf nng88chrift, Nr. 1.
Betreibung, auf Verlustschein im internationalen Verkehr, Nr. 84 ;
Fortsetzung durch den Oessionar, Nr. 111.
Betriebsunfall, Begriff, Nr. 49, 101.
Betrügerische Angaben, Nr. 59.
Beurkundung der Verpfändung, Nr. 63.
Beweislast, bei Klage gegen Verwaltungsräte einer Aktiengesell-
schaft, Nr. 41 ; des Widerrufs bei Vertrag inter absentes,
Nr. 87 ; für dolus, Nr. 59 ; bei Selbstmord, Nr. 73.
billet à ordre, spätere Veränderung des Remittenten, Nr. 43.
Blödsinn, Begriff (für Eheschluss), Nr. 74.
Bürge, auf einem Wechsel, befreit durch spätere Veränderung des
Remittenten, Nr. 43; Haftbarkeit mit der actio Paulliana bei
Unanfechtbarkeit, der Leistung gegenüber dem Empfänger, Nr. 79.
Bürgschaft, oder Schuldübernahme? Nr. 25 ; Verminderung der Sicher-
heit durch den Gläubiger, Nr. 54 ; einseitige Kündigung, Nr. 64.
12
158
Cession, s. Abtretung.
Check vertrag, rechtliche Natur, Nr. 9.
Civilurteil, Begriff im Gerichtsstandsvertrage mit Frankreich, Nr. 1 14.
Clausula rebus sie stantibus, Nr. 67.
Compensation, s. Verrechnung.
Constitutum possessorium, gültig bei Verbleiben der verkauften Sache
in der Hand des Verkäufers bis zu voller Bezahlung, Nr. 91.
Dienstbarkeiten, Aufnahme in das Lastenverzeichnis, Nr. 14.
Dienstvertrag, Pflicht des Dienstherrn zu Bezahlung des Salärs,
nicht zu Annahme der Dienste, Nr. 92; Verwendung der im
Dienst erworbenen Kenntnisse durch den Angestellten nach
Entlassung zu eigenem Vorteile, Nr. 94 ; wichtiger Grund zu
Auflösung, Nr. 36, 59, 82, 93.
dolus, Causalität, Nr. 59.
Dritte, im Sinn von Art. 33 B.-G. über Bau und Betrieb der Eisen-
bahnen, Nr. 47 ; Versprechen der Leistung eines Dritten, unter
eidg. Recht stehend, Nr. 61.
s. auch Vertrag zu Gunsten Dritter.
Eheeinspruch, rechtzeitiger, Nr. 75.
Ehefrau, geschiedene, Pfiindungsanschluss, Nr. 113.
Ehescheidung, auf Begehren des schuldhaften Ehegatten, Nr. 56 ;
bloss der civilen Ehe? Nr. 83 ; Schuldfrage, Nr. 100.
Eheschluss, Fähigkeit, Nr. 74 ; Unterscheidung von civilem und
kirchlichem ? Nr. 83.
Eheschulden, bei Handelsfrauen, Nr. 21.
Eigentumsklage, gegen den blossen detentor, Nr. 91.
Eigentumsvorbehalt, Erfordernisse, Nr. 81 ; Zulässigkeit bei Verkauf,
Nr. 23.
Einrede, aus der Pfandklausel eines Wechsels gegen den Indossatar,
Nr. 42.
Erfindungspatente, Neuheit der Erfindung, Nr. 12; Verfahren, Be-
rufung an das Bundesgericht, Nr. 58.
Erntekosten, Abzug vom Ertragsschaden bei Hagelversicherung,
Nr. 45.
Erzieher, s. Haftpflicht.
Expropriations verfahren, kantonales oder eidgenössisches ? Nr. 28.
s. auch Abtretung von Privatrechten.
Fabrikmarken, s. Markenrecht, Marke.
Fähigkeit, zur Eheschliessung, Nr. 74.
Fälligkeit, der zu verrechnenden Forderung, Nr. 62.
Firma, Ausschliesslichkeit ohne örtliche Beschränkung, Nr. 44 ;
Unterscheidbarkeit, Nr. 70.
159
Frachtvertrag, Begriff, Nr. 35.
Frauengut, s. Weibergut.
Frist, für Berufung an das Bundesgericht, Nr. 3 ; für Garantie und
Rüge bei Werkvertrag, Nr. 8 ; für Anfechtungsklage, wie
berechnet^ Nr. 105.
Fristversänmnis, bei Expropriation, Nr. 99.
Fusion, von Aktiengesellschaften, Modalitäten, Nr. 69.
©arantiefrist, bei Werkvertrag, Nr. 8.
Gebrechen, von der Unfallversicherung abschliessendes, Begriff,
Nr. 4o.
Gefahr, der Checkfälschung, von wem zu tragen? Nr. 9.
Genossenschaft, Statutenrevision, wiefern die Identität der G. be-
rührend, Nr. 40; Anfechtnng von Genossenschaftsbeschlüssen,
Nr. 40 ; nicht eingetragene, Rechtsverhältnis der Mitglieder
unter einander, Nr. 66.
Gerichtsstands vertrag mit Frankreich, Begriff des Civilurteils, Nr. 114.
Gesellschaft, Forderungen an einzelne Gesellschafter, Nr. 39.
Gewalt, höhere, Begriff, Nr. 49.
Gründer, einer Aktiengesellschaft, Vorteil, Verantwortlichkeit, Nr. 68.
Gütergemeinschaft, eheliche, Einflnss auf Haftung für Schulden der
Handelsfrau, Nr. 21.
Haftpflicht, der Eisenbahnen, Nr. 10, 48, 76, 101.
ans Fabrikbetrieb, Begriff des Betriebsunfalls, Nr. 49 ; Verjäh-
rung, Nr. 77; des Unterakkordanteu, Nr. 78; bloss durch die
Spezialgesetze normiert, Nr. 102 ; nur gegenüber Angestellten
und Arbeitern, nicht Dritten, Nr. 103; der Kollektivgesellschaft,
Nr. 102 ; Beerdigungskosten, Nr. 1 1 .
des Vaters für Beaufsichtigung des Kindes, Nr. 108 ; des Er-
• ziehers für Beaufsichtigung der Zöglinge, Nr. 32.
des Ehemannes für Schulden der Handelsfrau, Nr. 21.
für Schaden von Tieren, Nr. 33.
der Komplementare einer Aktienkommanditgesellschaft, gegen
wen ? Nr. 98.
s. auch Schadenersatz.
Hagelversicherung, Schatzuugsverfahren, Nr. 45.
Handelsfrau, Nr. 21.
Handelsmarke, s. Markenrecht, Marke.
Haupturteil, Voraussetzung für Berufung an das Bundesgericht,
Nr. 1, 3, 57; für Kassationsbeschwerde, Nr. 15; ob Urteil
über Einstellung oder Aufhebung einer Betreibung ein solches V
Nr. 50; über Verspätung eine» Eheeinspruchs? Nr. 75.
Indossament, eines Wechsels mit Pfandklausel, Nr. 42.
Irrtum, wesentlicher, Nr. 20; bei Lebensversicherung, Nr. 71.
160
Kassation, Frist für Kassationsbeschwerde an das 6. -Gericht, Nr. 3;
Voraussetzungen, Nr. 3, 15.
Kauf, Rücktritt wegen Konkurses des Käufers, Nr. 104 ; von Liegen-
schaften, Vollmacht dazu nach eidg. R. beurteilt, Nr. 37 ; nach
Typenmuster, Nr. 24.
Kausalzusammenhang, That- oder Rechtsfrage? Nr. 59.
Kollektivgesellschaft, rechtliche Natur, Nr. 39 ; Haftpflicht aus Fa-
brikbetrieb, Nr. 102.
Kommanditgesellschaft, rechtliche Natur, Nr. 39; Modalitäten, Nr. 65.
Kommanditsumme, Verzinsung, Nr. 55.
Kompetenz des Bundesgerichts für Streit aus Art. 33 B.-G. über
Bau und Betrieb der Eisenbahnen, Nr. 47 ; nach franz.- Schweiz.
Gerichtsstandsvertrag, Nr. 114.
Konkurrenzverbot, mit dem Geschäfte auf dessen neuen Erwerber
übergehend, Nr. 34.
Konkurs, Weibergutsprivileg, Nr. 27 ; der Kommanditgesellschaft,
Forderungen der Gesellschaft an einzelne Gesellschafter, Nr. 39.
Kontokorrentverhältnis, während laufender Rechnungsperiode, Nr. 79.
Krankheit oder Unfall? Nr. 10.
Kündigung der Bürgschaft, Nr. 64.
tasten Verzeichnis, im Konkurse, Nr. 14.
Legitimationsklausel, bei Sparkassabüchlein, Nr. 62.
Leibrentenvertrag, Bedingungen der Gültigkeit, Wirksamkeit zu
Gunsten eines Dritten, Nr. 97.
Leistenbruch, Unfall oder Krankheit? Nr. 10.
Leistung, besondere, einer Eisenbahn im Sinn von Art. 33 des B.-G.
über Bau und Betrieb der Eisenbahnen, Nr. 47.
Lieferfrist, bei Reisegepäck, Nr. 19.
Liegenschaften, der Frau, Behandlung im Konkurse des Mannes,
Nr. 27.
Liegenschaftskauf, Auftrag dazu nach eidg. R. beurteilt, Nr. 37;
Versprechen der Leistung eines Dritten, ebenfalls unter eidg.
R., Nr. 61.
Liquidator, einer Aktienkommanditgesellschaft, rechtliche Stellung,
Nr. 98.
Mandat, s. Auftrag.
Mangelrüge, Frist, Nr. 8 ; verspätet, Nr. 24.
Marke, Uebertragung, Nr. 16 ; Verwechslung von M., Nr. 16 ; Ver-
nichtung, Nr. 1 7 ; Wort- und Figurmarken, das Wesentliche?
Nr. 106; Schadenersatzklage, rechtliche Natur, Nr. 107.
Markenrecht, Teilung, Nr. 16; Umfang, Nr. 17.
Mentalreservation, Nr. 4.
Musterkonformität, bei Typenmuster, Nr. 24.
161
Ifachlassvertrag, Entscheidungen darüber, rechtliche Natur, Nr. lö.
Namenaktien, Cession, Nr. 7.
neues Vermögen, s. Vermögen.
Neuheit^ der Erfindung, Nr. 12.
Notwehr, Begriff, Nr. 31.
Novation, bei Schuldübernahme, Nr. 25.
Offerte, s. Antrag.
Pacht, Klage des Verpächters aus Art 50 0. R., Nr. 22.
Parteikosten, Verurteilung auch für die Kosten des eigenen An-
walts massgebend, wieweit? Nr. 29.
Patent, s. Erfindungspatente.
Pfandklausel auf einem Wechsel, Einrede gegen den Indossatar,
Nr. 42.
Pfändung von Pflichtteilsansprucb, Nr. 13.
Pfändungsanschluss der geschiedenen Ehefrau, Nr. 113.
Pflichtteilsanspruch, Pfändbarkeit? Nr. 13.
Provokationsverfahren, s. Aufforderung.
Pro zes8k osten, s. Parteikosten.
Recht, eidgenössisches, kantonales, örtliches, s. Anwendbarkeit.
Rechts- oder Thatfrage? Nr. 59.
Rechtsvermutung des Art. 104 0. R., Nr. 88.
Reisegepäck, Begriff, Lieferfrist, Nr. 19.
Rekurs, staatsrechtlicher, gegen kantonales Expropriations verfahren
statt eidgenössischen, Nr. 28.
Retentionsrecht, an Sparkassabüchlein, Nr. 63.
Rügefrist, bei Werkvertrag, Nr. 8.
Sachfirmen, deutliche Unterscheidbarkeit, Nr. 44, 70.
Schadenersatz, bei Eisenbahnunfall, s. Haftpflicht ; bei Nichthaitang
eines Angebots, Nr. 80; des Pächters auf Grund von Art. 50
0. R., Nr. 22; aus Unfall, Verjährung, Nr. 77 ; des Mandanten
an den Mandatar, Nr. 95. s. auch Haftpflicht.
Schenkung, wiefern unter B.-G. über die civilr. Verh. d. Niedergel.
stehend, Nr. 18; in Form Leibrentenvertrags zu Gunsten eines
Dritten, Nr. 97 ; schenkungsweiser Nachlass unter kant. R.,
Nr. 88.
Schleppschiffahrtsvertrag, Fracht- oder Dienstvertrag? Nr. 35.
Schriftliche Beurkundung der Verpfändung, Erfordernisse, Nr. 63.
Schuldfrage, Bedeutung im Ehescheidungsurteile, Nr. 100.
Schuldübernahme oder Bürgschaft ? Nr. 25.
Schweigen des Gläubigers zur Kündigung der Bürgschaft, Nr. 64.
Selbstmord, Rechtsvermutung dagegen (bei Unfallversicherung) exi-
stiert nicht, Nr. 73.
162
Selbstverschulden, bei Eisenbahnunfall, Nr. 48, 76.
Servituten, s. Dienstbarkeiten.
Sicherheitsverminderung bei Bürgschaft, Nr. 54.
Simulation, Nr. 4.
Solidar Verhältnis des Anweisenden und des Angewiesenen gegen
den As8ignatar? Nr. 90.
Sparkassabüchlein, rechtliche Natur, Nr. 63.
Spiel, Einrede, wieweit Thatfrage? Nr. 38.
Stationsvorstand, Ausknnfterteilmig, rechtlicher Wert, Nr. 19.
Statutenrevision, bei Genossenschaften, Nr. 40.
Stiefvater, wiefern Versorger seiner Stiefkinder, Nr. 33.
Strafurteil, Civilanspruch daraus, Verjährung, Nr. 53.
Streitgenossenschaft, passive, Nr. 1. ,
Streitwertberechnung, bei Berufung an das B. -Gericht, Nr. 13.
Sühnversuchbegehren, gleichwertig mit Klagerhebung, Nr. 75.
Tausch vertrag, unter Art. 212 B.-G. über Seh. u. K. fallend?
Nr. 104.
Thatbestand, Feststellung in kantonalen Urteilen, Nr. 48.
Thatfrage oder Rechtsfrage, Nr. 59 ; bei Spieleinrede, Nr. 38.
Tiere, Haftpflicht für Schaden, Nr. 33.
Typenmuster, Kauf nach T., Nr. 24.
Uebergang der Forderungen, Nr. 34.
Uebertragnng, s. Abtretung.
Unfall oder Krankheit? Nr. 10.
Unfallversicherung, ausschliessendes Gebrechen, Nr. 46; Beweislast
für Zufall, Nr. 73.
Unsittlicher Vertrag, Nr. 30, 86.
Unterakkordanten, Haftpflicht für Unfall, Nr. 78.
Verantwortlichkeit, der Verwaltung und der Gründer einer Aktien-
gesellschaft, Nr. 68.
Vergleich, unter eidg. R. stehend, Nr. 20.
Verjährung, der Forderung oder des Klagrechts? Nr. 109; ört-
liches Recht dafür, Nr. 5 ; von Delikt* an sprach en, Nr. 52, 53 ;
von Unfallentschädigungsansprüchen, Nr. 77; Unterbrechung,
Nr. 110; Klagemöglichkeit vor schweizerischen Gerichten,
Nr. 52.
Verlustschein aus Konkurs, Betreibung darauf, Nr. 84.
Vermögen, neues, Begriff im Sinne von Art. 265 B.-G. über Seh.
u. K„ Nr. 84.
Verpfandung von Sparkassaforderungen, Beurkundung, Nr. 63.
163
Verrechnung, Fälligkeit der Forderung, Nr. 62 ; mit grund versicher-
ten Forderungen, Nr. 62.
Versäumnis von Fristen im Expropriationsverfahren, Nr. 99.
Versicherung gegen Unfall, Beweislast für Zufall, Nr. 73.
Versicherungsagenten, Umfang ihrer Vollmacht, Nr. 72.
Versicherungsvertrag, Verhältnis von eidg. und kant. R., Auslegung
der Bedingungen, Nr. 45; gegen Unfall, Nr. 46; Anfechtung
wegen Irrtums, Bereicherungsanspruch des Versicherten, Nr. 71 ;
in ter absentes wann abgeschlossen ? Nr. 87.
Versorger/ Begriff, Nr. 33.
Vertrag zu Gunsten Dritter, von letzteren nicht anfechtbar, Nr. 97;
wann für sie wirksam? Nr. 97.
Verwaltung, ehemännliche, Begriff, Nr. 27.
Verwaltungsräte, Verantwortlichkeit, Nr 41.
Verzinsung, der Kommanditsumme, Nr. 55.
Verzug, des Bestellers eines Werkes in Zahlung des Werklohnes,
Wirkungen, Nr. 89.
Vindikation, gegen den blossen Detentor, Nr. 91 ; auf Grund Eigen-
tumsvorbehaltes, Nr. 81 ; von Weihergnt im Konkurse, Nr. 27.
Vollmacht, der Versicherungsagenten, Nr. 72.
Vorbehalt, bei Anweisung, Wirkung, Nr. 96.
Wahrscheinlichkeitsbeweis, bei Selbstmord, Nr. 73.
Wechsel, mit Pfandklausel, Nr. 42.
Wechselbürgschaft, Requisite, Nr. 1 1 2 ; aufgehoben durch spätere
Veränderung des Remittenten, Nr. 43.
Weibergut, Pfändungsanschlnss, Nr. 113; Vindikation im Konkurse,
Nr. 27, 51.
Werk, im Sinne des Art. 67 0. R., Nr. 60.
Werkvertrag, Garantie- und Riigefrist, Nr. 8 ; Rücktritt des Ueber-
nehmers des Werkes, Gründe, Nr. 89.
Widerrechtliche Verpflichtung, Nr. 86.
Widerruf, bei Vertrag inter absentes, wann gültig? Nr. 87.
Zahlung im Rechtssinne, nicht Einzahlung in einen laufenden Konto-
korrent, Nr. 79.
Zinsen, der Kommanditsumme, Nr. 55.
Zwangsvollstreckung, auf Pflichtteilsanspruch, Nr. 13.
iti
IL Gesetzesregister.
I. Bundesgesetz iïbei' dus
Art.
5
6, 7
10
12
16
17
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24
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183
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Nr. 80. 87.
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109.
90.
6. 7. 34. 62. 63.
6.
62.
Obligationenrecht.
Art. 190 Nr.
„ 202, 206 „
n 215, 224 „
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Art.
637
Nr. 7.
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Nr. 112.
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87.
V
898
„ 69.
IL Bundesgesetz betreffend Feststellung und Beurkundung des
Civästandes und die Ehe, vom 24. Dezember 1874.
Art. 26, 28 Ziffer 3 Nr. 74.
. 35 „ 75.
■ 40 „ 83.
Art. 45 ff.
„ 46, 47
Nr. 100.
. 56.
III. Bundesgesetz betreffend die civilrechtlichen Verhältnisse
der Niedergelassenen und Aufenthalter, vom 25. Juni 1891.
Art. 22, 27 Nr. 18.
IV. Bundesgesetz über die Verbindlichkeit zu Abtretung von
Privatrechten, vom 1. Mai 1850.
Art, 12, 14 Nr. 99.
V. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken, vom 26. September 1890.
Art. 1,6, 11, 32 Nr. 16. I Art. 24 Nr. 107.
, 6 „ 17.106. I „ 32 „ 17.
VI. Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente, vom 29. Jnni
1888, revidiert den 13. März 1893.
Art. 1, 2, 10 Nr. 12. | Art. 30 Nr. 58.
VII. Bundesgesetz über Bau und Betrieb der Eisenbahnen,
vom 23. Dezember 1872.
Art. 33 Nr. 47.
Vili. Bundesgesetz betreffend den Transport auf Eisenbahnen,
vom 29. März 1893.
Art. 3, 14, 62, 63 Nr. 19.
IX. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahnen
und Dampf schiffunternehmungen bei Tötungen und Ver-
letzungen, vom 1. Juli 1875.
Art. 2 Nr. 10. 48. 101.
4 77
I
Art. 11 Nr. 48.
166
X. Transportreglement für die schweizerischen Eisenbahnen,
vom 11. Dezember 1893.
§ 28, 33, III. Nachtrag Nr. 19.
XL Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb,
vom 25. Juni 1881.
Art. Iff. Nr. 102. 103.
,2 „49.
„ 5 „ 78.102.
Art. 6
. 12
Nr. 11. 102
, 77-
XII. Bundesgesetz betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht
u. s. w., vom 26. April 1887.
Nr. 10. 103. Art. 2 Nr. 78. Art. 3, 4 Nr. 49.
XIII Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundes-
rechtspflege, vom 22. März 1893.
Art. 50 Nr. 47.
Art. 65
Nr. 3. 85.
, 56 , 15.28.
, 67
. 2.
„ 58 „ 1.3.50.57.75
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» 62 „ 58.
. 90
, 8.
» 63 , 85.
, 222
» 29.
XIV. Bundesgesetz über das Verfahren bei dem Bundesgerichte
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, vom 22. November 1850.
Art. 63, 69 Nr. 99.
XV. Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs
vom 11. April 1889.
Art. 138, 140 Nr. 14.
rt.17
Nr. 14.
■ 38, 47,
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315
n
15,
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13.
XVI. Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich be-
treffend Gerichtsstand, vom 15. Juni 1869,
Art. 15 Nr. 114.
167
III. Register nach Kantonen geordnet.
Zürich. Nr. 23a (Art. 264 0. R.). — Nr. 27 (Art. 219 B.-G.
betr. Seh. u. K.). — Nr. 52 (Art. 69, 153 0. R.). — Nr- 5^
(Art. 69 0. R.). — Nr. 81 (Art. 264 0. R.). — Nr. 109
(Art. 72, 159,160 0. R.).
Bern. Nr. 23b (Art. 264 0. R.). — Nr. 83 (Art. 40 B.-G. betr.
Civilst. u. Ehe). — Nr. 112 (Art. 808, 827 0. R.).
Luzern. Nr. 80 (Art. 5, 116 CR.). — Nr. 110 (Art. 158 O.R.,
Art. 107 B.-G. betr. Seh. n. K.).
Basel-Stadt Nr. 26 (Art. 633 0. R.). - Nr. 55 (Art. 605 O.R.).
Nr. 84 (Art. 265 B.-G. betr. Seh. u. K.).
Basel-Landschaft Nr. 113 (Art. Ili B.-G. betr. Seh. u. K.).
St Gallen. Nr. 56 (B.-G. betr. Civilst. u. Ehe Art. 46, 47).
Aargau. Nr. 24 (Kauf nach Typenmnster).
Vaud. Nr. 20 (Art. 19, 881 C. 0.). — Nr. 111 (Art. 190 C. 0.).
Neuchfitel. Nr. 21b (Art. 35 C. 0.). - Nr. 114 (Art. 15 Traité
tran co- suis se de 1869).
Genève. Nr. 21a(Art. 35 CO.). — Nr. 25 (Art. 142, 489,
491 C. 0.). — Nr. 54 (Art. 508 C. 0.). — Nr. 82 (Art. 346
C. 0.). — Nr. 108 (Art. 61 C. 0.).
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Bévue
der
Gerichtspraxis im Gebiete
des
Bund esci vil rechts
XVIII. Band
Revue
de la
Jurisprudence en matière
de
droit civil fédéral
XVIII« Volume
Beilage zur Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folge Band XIX.
Basel
R. Reich, vormals C. Detloffs Buchhandlung
1900.
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A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
1 . Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 95. Bundesgesetz über das Verfahren
bei dem Bundesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom
22. November 1850, Ari. 192 ff.
Wenn das Bundesgericht als Berufungsinstanz in der
Sache selbst entschieden hat, so ist ein Revisionsbegehren
nur noch gegen das bundesgerichtliche Urteil, nicht
mehr gegen die demselben vorhergegangene kantonale Ent-
scheidung zulässig, und es sind für das Revisionsbegehren in
.allen Beziehungen (sowohl hinsichtlich der Revisions grün de
als auch hinsichtlich der Form und Fristen des Rechts-
mittels) ausschliesslich die Bestimmungen der eidgenössischen
Oivilprozessordnung und nicht diejenigen des kantonalen Civil -
Prozessrechts massgebend. Wenn behauptet wird, es sei auf
die dem bundesgerichtlichen Urteile zu Grunde liegende kan-
tonale Entscheidung verbrecherisch eingewirkt worden,
so kann dies, nach Massgabe der Vorschriften der eidge-
nössischen Civilprozessordnung, als Revisionsgrund gegen das
bundesgerichtliche Urteil geltend gemacht werden, da in einer
derartigen Einwirkung auf die kantonale Entscheidung mit-
telbar auch eine solche auf diejenige des Bundesgerichtes liegt,
da diese ja auf den thatsächlichen Feststellungen des kantonalen
Urteils beruht. (Entsch. v. 15. Juli 1899 i. S. Schweitzer c.
Härtsch.)
2. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 57, 74 Abs. 3, 81. 0. R. Art.
110 — 1129 426, 715. Voraussetzungen, unter welchen das Bundes-
-gericht die thatsächlichen Feststellungen kantonaler Entscheidungen
auf ihre Aktenwidrigkeit hin zu prüfen hat. — Verantwortlich-
Jceitsklage gegen Mitglieder der Direktion einer Genossenschaft;
Beweislast. Umfang der Handlungsvollmacht.
1. Die Mitglieder der Direktion einer Genossenschaft
«tehen zu dieser in einem Vertragsverhältnisse, das als Man-
dat oder als Dienstvertrag aufgefasst werden kann, richtiger
aber wohl in die letztere Kategorie gehört. Eine gegen sie
von der Gesellschaft wegen mangelhafter Pflichterfüllung ge-
richtete Schadenersatzklage ist daher eine solche aus Vertrag,
und das hat bezüglich der Beweislaat gemäss Art. 110 — 112,
715 0. R. zur Folge, dass nicht die klagende Genossenschaft
das Verschulden des beklagten Vorstandsmitgliedes, sondern
dieses sein Ni cht verschul den bezw. die Erfüllung seiner Pflichten
oder die Unmöglichkeit der Erfüllung zu beweisen hat; die
Klägerin hat ihrer Beweispflicht genügt mit dem Nachweise,,
dass ihr ein Schaden entstanden sei und zwischen demselben
und den Pflichten des belangten Vorstandsmitgliedes ein
Kausalzusammenhang bestehe, d. h. dass nach der Art des
dargethanen Ereignisses, durch welches der Schaden bewirkt
worden ist, die Annahme an sich begründet sei, er habe durch
Erfüllung der Obliegenheiten der Gesellschaftsorgane verhütet
werden können, die Verhütung sei also in den Kreis ihrer
Obliegenheiten gefallen.
2. Für den Umfang der Handlungsvollmacht ist diejenige
Willensmeinung des Prinzipals massgebend, die aus seinem
äussern Verhalten zu erkennen ist, d. h. es kommt darauf
an, wie die Bevollmächtigung in die Erscheinung tritt.
3. Kantonalen Urteilen in Bezug auf den Entscheid von
Thatfragen nachzugehen, ist für das Bundesgericht nur inso-
weit Veranlassung vorhanden, als von einer Partei ausdrück-
lich Aktenwidrigkeit geltend gemacht und unter Bezeichnung
der Aktenstücke oder Aktenstellen, aus denen sie hervorgehen
soll, begründet worden ist. Allerdings ist die Begründung der
Berufungsanträge für den Erfolg des Rechtsmittels insoweit
nicht erforderlich, als es sich um die Frage handelt, ob eine
Norm des eidgen. Rechts nicht oder nicht richtig angewendet
worden sei; vielmehr wird der Rechtsstreit durch die einfache
Ergreifung der Berufung innerhalb des Rahmens der gestellten
Abänderungsanträge zur freien rechtlichen Nachprüfung des
Bundesgerichts gebracht, derart, dass dasselbe jede in dem
kantonalen Urteil wirklich vorliegende Verletzung des eidg.
Rechts, auch wenn sie vom Berufungskläger nicht einmal
geltend gemacht worden ist, berücksichtigen muss. Dies er-
giebt sich aus Art. 57, Art. 74 Abs. 3 und Art. 81 Org.-Ges.
Dagegen folgt aus der Bestimmung des Art. 81 eod., wonach
das Bundesgericht an die thatsächlichen Feststellungen des
vorinstanzlichen Urteils gebunden sein soll, sofern nicht Akten-
widrigkeit oder Verletzung eidgenössischer Beweisvorschriften
vorliegen, dass die Thatfrage beim Bundesgericht nur dann
^u verhandeln und zu entscheiden ist, wenn diese Voraus-
setzungen erfüllt sind. Es kann unmöglich die Meinung des
Gesetzes sein, dass das Bundesgericht jede thatsächliche Fest-
stellung von Amtswegen, also ohne dass eine Partei dieselbe
anficht, auf ihre Akten Widrigkeit nachzuprüfen habe. Nur
bei dieser Auslegung des Org.-Gesetzes wird auch die Rechts-
stellung des Berufungsbeklagten gehörig gewahrt, der ein
rechtliches Interesse daran hat, über die behauptete Akten-
widrigkeit thatsächlicher Feststellungen gehört zu werden.
(Entsch. v. 15. Juli 1899 i. S. Schweizerische Handelsgesell-
schaft c. Stauffer.)
3. 0. R. Art. 17, 75, 181. Der Ehemaklervertrag ist, wenn
nicht überhaupt, so doch jedenfalls dann ein unsittliches Rechts-
geschäft, wenn dadurch der Eheabschluss zum Gegenstände der
4}eldspekulation gemacht wird.
Der im römischen und gemeinen Recht anerkannte Grund-
satz, dass Verträge, die gegen die Sittlichkeit Verstössen,
ungültig sind (vergi. Windscheid Pand.II, §314 undRegels-
b erger, Pand. § 147), gilt auch für das schweizerische Obli-
gationenrecht. Er gelangt in verschiedenen Bestimmungen
des Bundesgesetzes zum Ausdruck, so z. ß. in Art. 17, wel-
cher rücksichtlich des Gegenstandes der Verträge bestimmt,
dass dieser nicht in einer unsittlichen Leistung bestehen
könne, in Art. 75, welcher voraussetzt, dass das auf Herbei-
führung eines unsittlichen Erfolges gerichtete Rechtsgeschäft
keine Verbindlichkeit erzeuge, und in Art: 181, wo einer
Konventionalstrafe, durch die ein unsittliches Versprechen
-bekräftigt werden sollte, die Klagbarkeit versagt ist. Als
gegen die Sittlichkeit Verstössen d muss ein Geschäft nicht
bloss dann angesehen werden, wenn es zu einer unsittlichen
Handlung verpflichtet, sondern auch dann, wenn der Abschluss
desselben eine verwerfliche, den guten Sitten widerstreitende
Gesinnung zum Ausdruck bringt. Ob nun grundsätzlich jeder
Ehemaklervertrag, weil mit dem Wesen und der Würde der
Ehe im Widerspruch stehend, als ein unsittliches Rechts-
geschäft zu bezeichnen sei, kann bei der Entscheidung des
Tor liegenden Falles dahingestellt bleiben. In der gemein-
rechtlichen Rechtsprechung, wie auch in derjenigen der
schweizerischen Gerichte, ist der Grundsatz, dass Ehemakler-
verträge schlechthin klaglos sein sollen, nicht durchgedrungen,
wohl aber in der französischen und euglisohen Jurisprudenz-,
auch ist er in der Doktrin nachdrücklich vertreten worden
{vergi. Kohl er, im Archiv für bürgerl. Recht, Bd 5, S. 168,
Bd 12, S. 317 ff.; Seuffert, Archiv,Bd 13, Nr. 14; 14, Nr. 124;
33, Nr. 125; 48, Nr. 23 und Revue der Gerichtspraxis im Ge-
biete des ßundescivilrechts, Bd 2, Nr. 87; 4, Nr. 119; 7, Nr. 41),
und hat nunmehr bekanntlich im deutschen bürgerlichen Ge-
setzbuch § 656 die gesetzliche Sanktion erlangt. Wenn man
aber auch davon ausgehen will, dass in dem Versprechen
eines Lohnes für Dienste, die Einer dem Andern zum Zwecke
der Herbeiführung einer Ehe leistet, für sioh allein noch keine
unsittliche Handlung liege, und annimmt, dass sich das Ver-
sprechen einer Vergütung für solche Mithilfe unter Umständen
mit einer anständigen Auffassung der Ehe vereinbaren lasse,,
so kann doch darüber ein Zweifel nicht bestehen, dass der
Ehemaklervertrag dann als ein unsittliches Geschäft erscheint,
wenn dadurch der Eheabschluss zum Gegenstand d.er Geld-
spekulation gemacht wird; und h ietur bietet gerade der vor-
liegende Fall ein eklatantes Beispiel. Der Kläger und sei»
Mitbeteiligter begnügten sich nicht etwa mit einer Vergütung,
die dem Umfang ihrer Bemühungen angemessen gewesen
wäre; ihr Lohn war von vorneherein von der Erzielung eines
Heiratsgutes in einem bestimmten Betrage abhängig gemacht,
und zwar in der Weise, dass ihnen zufallen sollte, was der
Beklagte über 20,000 Fr. hinaus erheiraten würde. Die Par-
teien betrachteten somit die projektierte Heirat des Beklagten
mit der M. Z. als ein reines Geldgeschäft, bei welchem beide
Teile, die Vermittler einerseits und der Beklagte andrerseits-
sich zum Voraus ihren Gewinnanteil ausbedangen. In gleicher
Weise wurde die Angelegenheit auch gegenüber dem Bruder
der M. Z. behandelt, dessen Parteinahme der Beklagte gleich-
falls dadurch zu gewinnen hatte, dass er ihm einen Teil dea
Frauengutes preisgab. Eine derartige Behandlung einer Ehe-
vermittlung verrät eine empörende Missachtuhg des idealen
Wesens der Ehe, als eines im eminentesten Sinne auf sitt-
licher Grundlage beruhenden Lebensverhältnisses; sie bedeutet
eine Unsittlichkeit und kann daher vor dem Recht nicht be-
stehen. (Ent8ch. v. 10. November 1899 i. 8. Schüpbach c. Bur-
ger-Zingg.)
4. 0. R. Art. 18, 19 Ziffer 1, 21, 24, 489 ff. Wesentlicher
Irrtum oder Irrtum im Motive (beim Bürgschaftsvertrage)? Ein-
rede des Betrugs, Voraussetzungen.
Witwe E. P. hatte dem R. W. laut Darlehensvertrag vom
25. April 1892 ein Darlehen von Fr. 10,000 verzinslich zu
5% gewährt, wobei bestimmt war, dass Witwe E. P. „da&
Kapital vorläufig auf die Dauer von fünf Jahren im Geschäfte
des R. W. lasse." Als Bürgen verpflichteten sich (durch Mit-
unterzeichnung des Darlehns Vertrages) der Bruder JE. W., der
Vater Oh. W. und der Schwiegervater E. L. des Hauptschuld-
ners. Am Tage der Unterzeichnung des Darlehnsvertrages
stellte der Hauptschuldner der Gläubigerin überdem eine
Erklärung aus, wodurch er ihr bestätigte, dass er ihr ausser
dem Zins von 5% für ihre „Kapitaleinlage" von Fr. 10,000
noch von seinem Geschäfts Umsätze (Fakturenbetrag) V8%
vergüte und zwar so lange als ihr Kapital in seinein Ge-
schäfte sei. Der Hauptschuldner fiel im Jahre 1894 in Kon-
kurs und in demselben geriet die Forderung zum grössten
Teile in Verlust.
Als daraufhin der Bürge Ch. W. aus seiner Bürgschaft
belangt wurde, bestritt er die Forderung, indem er geltend
machte, der Bürgscbaf tsvertrag sei für ihn wegen wesentlichen
Irrtums und Betrugs unverbindlich. Diese Einwendungen
wurden von allen Instanzen verworfen. Aus den Entscheidungs-
gründen des Bundesgerichts ist hervorzuheben:
In erster Linie hat der Beklagte der Klage die Einrede
des wesentlichen Irrtums entgegengehalten, und zwar will er,
wie es scheint, einen Irrtum im iSinne des Art. 19 Abs. 1
0. R., einen Irrtum in negotio behaupten. Er behauptet, der
Hauptvertrag, dem er als Bürge akzessorisch beigetreten sei,
sei ein anderer Vertrag gewesen, als derjenige, für den er
sich habe verbürgen wollen. Nun wird zuzugeben sein, dass
der Bürge, welcher sich für eine konkrete, dem Schuldgrunde
nach bestimmte Schuld verbürgt, sich auf wesentlichen Irr-
tum berufen kann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass
die causa der verbürgten Schuld eine ganz andere ist, als
der Bürge nach den ihm gemachten Angaben glaubte; z. B.
wird, wenigstens regelmässig, der Bürge, welcher nach dem
Inhalte des Bürgscheins glaubte, sich für eine Kaufpreisschuld
zu verbürgen, seine Verpflichtung wegen wesentlichen Irrtums
bestreiten können, wenn sich ergiebt, dass die Schuld gar
nicht aus Kauf, sondern aus Darlehen herrührt u. dergl. Denn
in derartigen Fällen ist allerdings, weil der Hauptvertrag ein
anderer ist, als derjenige, dem der Bürge bei Eingehung der
Bürgschaft beitreten will, auch der akzessorische Bürgschafts-
vertrag ein anderer, als derjenige, den der Bürge abschliessen
wollte (vergi. Urteil des Appellations- und Kassationshofs des
Kantons Bern vom 11. Dezember 1886, Zeitschr. des bernisch.
Juristenvereins, Bd XXIII, S. 241 ff.). Ein Fall dieser Art
liegt nun aber in concreto nicht vor. Der Beklagte behauptet
zwar, er habe sich für eine reine Darlehensschuld verbürgen
wollen, während sich nun aus dem ihm bei Eingehung der
Bürgschaft unbekannten Nebenvertrag zwischen Gläubigerin
und Hauptsohuldner ergebe, dass das Schuldverhältnis zwischen
Gläubigerin und Hauptschuldner gar nicht ein Darlehens-, son-
dern vielmehr ein Kommanditgesellschaftsverhältnis gewesen
sei. Allein dies ist nicht richtig. Davon, dass wegen des Neben-
vertrages zwischen der Klägerin und dem Hauptschuldner ein
Gesellschafts- und nicht ein Darlehensverhältnis bestanden
habe, kann gar keine Rede sein. Die Klägerin wurde am
Geschäfte des Hauptsohuldners in keiner Weise gesellschaft-
lich beteiligt; sie war weder am Verluste, noch auch nur (wie
die Vorinstanz unrichtig annimmt) am Gewinne beteiligt.
Denn die vom Hauptschuldner versprochene Abgabe von '/* /o
des Geschäftsumsatzes stellt, da sie vom Umsätze schlechthin,
ohne Rücksicht darauf, ob das Geschäft mit Gewinn oder
Verlust arbeitet, geschuldet wird, keine Gewinnbeteiligung
dar; sie ist vielmehr einfach eine für das dem Hauptschuldner
gegebene Darlehen neben dem festen Zins versprochene ver-
änderliche, nach dem Geschäftsumsatze sich richtende Mehr-
leistung. Das Nebenabkommen zwischen Klägerin und Haupt-
schuldner ist also in keiner Weise geeignet, zu beweisen, dass
zwischen Hauptschuldner und Gläubigerin nicht ein Darlehens-,
sondern ein Gesellschafts vertrag bestanden habe.
Die Behauptung des Beklagten, dass er sich für einen
andern Vertrag verbürgt habe, als er sich habe verbürgen
wollen, ist also unbegründet, und ein wesentlicher Irrtum
im Sinne des Art. 19 Ziff. 1 0. R. liegt nicht vor. Der Sach-
verhalt ist vielmehr in That und Wahrheit folgender: Der
Bürge hat sich für ein verzinsliches Darlehen verbürgen wol-
len und auch thatsächlich, innerhalb der von ihm gewollten
Schranken, verbürgt. Willen und Erklärung decken sich also
vollständig. Dagegen macht nun der Bürge geltend, die Haupt-
schuld sei infolge des zwischen Gläubigerin und Hauptschuldner
getroffenen Nebenabkommens grösser, für den Hauptschuldner
lästiger gewesen, als er bei Eingehung der Bürgschaft an-
genommen habe, mit andern Worten, er macht geltend, ne-
ben dem verbürgten Teile der Hauptschuld habe noch ein
weiterer ihm unbekannter unverbürgter Teil derselben, noch
eine weitere ihm unbekannte Verpflichtung des Hauptschuld-
ners bestanden, und da er, wenn er von dieser weitern Ver-
pflichtung Kenntnis gehabt hätte, die Bürgschaft überhaupt
nicht eingegangen wäre, sei diese für ihn unverbindlich. Der
Irrtum, auf welchen der Bürge sich bei dieser Einrede beruft,
sein Nichtwissen um die unverbürgte vom Hauptsohuldner mit
Bezug auf das verbürgte Darlehen durch den Nebenvertrag
übernommene weitere Verpflichtung, ist kein wesentlicher,
sondern ein blosser Irrtum im Beweggrunde ; er bezieht sich
nicht auf den Inhalt oder Umfang der Rechte und Pflichten
aus dem Bürgschaftsvertrage, sondern auf einen ausserhalb
dieses Vertrages liegenden Umstand, das Bestehen einer,
durch den Bürgschaftsvertrag nicht betroffenen, wenn auch
auf das gleiche Geschäft wie dieser, bezüglichen vermögens-
rechtlichen Verpflichtung des Hauptschuldners. Gemäss Art. 21
und 24 0. K. macht derselbe also den Bürgschaftsvertrag nur
dann für den Bürgen unverbindlich, wenn er durch betrüge-
rische, vom Gläubiger zu vertretende Handlungen ist herbei-
geführt worden.
Dies wird denn auch in der That in zweiter Linie vom
Beklagten geltend gemacht. Hierüber ist zu bemerken: Nach
den Entscheidungsgründen des obergerichtlichen Urteils ist
wohl (was das erstinstanzliche Urteil nicht als erwiesen be-
trachtet hatte) als feststehend anzunehmen, dass der belangte
Bürge von dem Nebenabkommen zwischen Hauptschuldner
und Gläubigerin nicht nur von letzterer, sondern auch vom
Hauptschuldner nicht war unterrichtet worden, sondern von
demselben überhaupt keine Kenntnis hatte. Rechtlich nun
aber ist festzuhalten, dass dem Gläubiger im allgemeinen
•eine rechtliche Pflicht, den Bürgen beim Vertragsschlusse über
die ihm bekannten finanziellen Verhältnisse des Hauptschuld-
ners, und zwar über dessen Schulden an ihn sowohl, wie an
andere Gläubiger, zu unterrichten, durchaus nicht obliegt.
Es ist vielmehr Sache des Bürgen, sich hierüber selbst zu
erkundigen, wie ja auch regelmässig die Eingehung einer
Bürgschaft auf einem Vertrauensverhältnisse zwischen dem
Bürgen und dem Hauptschuldner beruht. Darin also, dass der
Gläubiger dem Bürgen bei Âbschluss der Bürgschaft nicht
von sich aus mitteilt, dass der Schuldner neben der Schuld,
für welche die Bürgschaft verlangt wird, noch andere Schul-
den ihm gegenüber besitzt oder eingehen wird, liegt eine
rechtswidrige Handlung an sich durchaus nicht. Nur dann
liegt eine unerlaubte Handlung, ein Betrug des Gläubigers
allerdings vor, wenn dieser in täuschender Absicht dahin
wirkt, oder dazu mitwirkt, den Bürgen durch Verheimlichung
oder Entstellung erheblicher Umstände zur Eingehung der
Bürgschaft, die er ohne diese Täuschung nicht eingehen würde,
zu verleiten. Wenn nun, wie im vorliegenden Falle, vom
Hauptschuldner neben der in der Bürgschaftsurkunde erwähnten
und verbürgten Verpflichtung gleichzeitig und mit Rücksicht
10
auf das gleiche Geschäft, durch eine dem Bürgen nicht mit-
geteilte Nebenabrede, noch weitere unverbürgte Verpflich-
tungen übernommen werden, so liegt der Thatbestand eines
vom Gläubiger begangenen Betruges dann vor, wenn dieser
im Bewusstsein, dass der Bürge bei Kenntnis des wahren
Sachverhalts und des danach dem vom Hauptschuldner ab-
geschlossenen Geschäfte zukommenden Charakters, eine Bürg-
schaft überhaupt nicht eingehen würde, in täuschender Absicht,
d. h. in der Absicht gehandelt hat, in dem Bürgen die Mei-
nung hervorzurufen, die diesem einzig vorgelegte Urkunde
fixiere die Verpflichtung des Hauptschuldners in ihrem ganzen
Umfange, gebe den vollständigen Sachverhalt wieder. In
diesem Falle liegt allerdings ein durch Unterdrückung wahrer
Thatsachen begangener Betrug vor. Der Beklagte behauptet
nun auch wirklich, dieser Thatbestand sei im vorliegenden
Falle gegeben. Allein dies trifft nun aber, nach den that-
sächlichen Feststellungen der Vorinstanzen, nicht zu. Denn
diese stellen ausdrücklich fest, dass die Gläubigerin bei Ein-
gehung des Nebenvertrages und dessen Nichtmitteilung an
die Bürgen eine arglistige täuschende Absicht nicht gehegt
habe, dass ihr eine absichtliche Verheimlichung nicht zur Last
falle, sie sich vielmehr darauf werde verlassen haben, der
Hauptschuldner, welcher den Verkehr mit den Bürgen und
die Redaktion der Vertragsurkunde besorgt habe, werde den
Bürgen das Erforderliche mitteilen, oder es sei eine Mittei-
lung des Separatabkommens an die Bürgen nicht nötig, weil
dieses für sie ohne Bedeutung sei. (Entsch. v. 1. Juli 1899 in
S. Chr. Wirz c. Witwe E. Panchaud.)
5. 0. R. Art. 50 ff. Darin, dass ein Verein seinen Mitgliedern
Kreditinformationen erteM, deren säumige Schuldner seinerseits zur
Zahlung mahnt und sie, wenn sie der Mahnung nicht Folge leisten,
den sämtlichen Vereinsmitgliedern in einer zu diesem Zwecke auf-
gestellten Liste als säumige Zahler bekannt giebt, liegt an sichy
sofern die betreffenden Mitteilungen der Wahrheit entsprechen
und in unmissver ständlicher, vollständiger Weise erfolgen, nichU
Rechtswidriges.
Der „Schweizerische Verband Kreditreform," eine Genos-
senschaft im Sinne des 27. Titels des 0. R., bezweckt nach § 1
seiner Statuten: „c) Die Mitglieder der Sektionen durch ver-
trauliche Mitteilungen und Informationen vor geschäftlichen
Verlusten zu schützen, d) Durch den Druck der Vereinigung,
mittelst des Mahn Verfahrens zweifelhafte Ausstände einzu-
II
bringen, e) Durch die Herausgabe von Listen, die durch das
Mahnverfahren ermittelten saumseligen oder böswilligen, so-
wie die rechtlich fruchtlos betriebenen Schuldner (mit unge-
deckten Pfandscheinen) den Mitgliedern zur Kenntnis zu
bringen." Nach § 8 der Geschäftsordnung des Verbandes-
werden Schuldner, welche eine zweimalige Mahnung des
Bureaus unbeachtet lassen oder die Schuld nicht mit Be-
gründung bestreiten, in die Liste der säumigen Zahler (Abt. A)
aufgenommen. Nach § 13 ibid. können auf Antrag eines Mit-
gliedes Schuldner, über deren erfolglose Betreibung der Aus-
weis durch Vorlage der ungedeckten Pfand ungsurkunde ge-
leistet wird, auf die Liste der zahlungsunfähigen Schuldner
(Abt. B) genommen werden. Die Listen sind nur zum per-
sönlichen Gebrauche der Vereinsmitglieder bestimmt und dürfen^
Nichtmitgliedern nicht mitgeteilt werden. Der Kläger schul-
dete nun dem Beklagten St. seit 1895 eine Summe von
Fr. 163.30; er wurde im Jahre 1896 auf Begehren des St.
von W.-Pf. als Sektionsgeschäftstührer des Verbandes „Kredit-
reform" zweimal vergeblich an die Zahlung dieser Schuld
gemahnt, worauf er in der auf Ende Dezember 1896 heraus-
gegebenen sogen, roten Liste sub A unter den „säumigen
Zahlern " aufgeführt wurde. Im Juni 1897 erhob dann der
Gläubiger St. Betreibung auf Bezahlung seiner Forderung und
erhielt im Verlaufe Bezahlung. Der Kläger belangte nun die
Beklagten (St. u. W.-Pf.) wegen Kreditschädigung und ernst-
licher Verletzung seiner persönlichen Verhältnisse solidarisch
auf eine Entschädigung von Fr. 10,000. — . Die Klage wurde
vom Bundesgerichte im reduzierten Betrage von Fr. 200. — gut-
geheis8en. In den Gründen des Urteils wird prinzipiell ausge-
führt: Es musa sich fragen, ob- eine Widerrech tlichkeit zu
finden sei in dem vom Verbände „Kreditreform" verfolgten.
Zwecke, oder in den zu diesem Zwecke angewandten Mitteln,
oder in beiden zusammen. Was den Zweck betrifft, ist zu
bemerken: der nächst liegende besteht im Schutz vor ge-
schäftlichen Verlusten, im Eintreiben von Forderungen, und
im Bekanntmachen säumiger und zahlungsunfähiger Schuldner;
dadurch soll eine Reform des Kreditwesens im allgemeinen
hervorgerufen werden. Dieser letztere, höhere, allgemeine
Zweck verstö8st jedenfalls in keiner Weise gegen die Rechts-
ordnung, ist gegenteils vom wirtschaftlichen Standpunkte aus
zu begrüssen. Allein auch jene näher liegenden Zwecke sind
rechtlich durchaus erlaubt: Dass die Bewahrung vor geschäft-
lichen Verlusten gesetzlich erlaubt ist, ist klar; das Eintreiben
von Forderungen ist an sich nur die Ausübung eines Gläu-
12
bigerrechte8 ; und die gegenseitige Warnung vor säumigen
oder zahlungsunfähigen Schuldnern ist, sofern sie im Rahmen
der privaten Mitteilung unter den Verbandsmitgliedern bleibt,
durchaus nicht widerrechtlich, vorausgesetzt, dass die betref-
fenden Mitteilungen der Wahrheit entsprechen. Zu den Mitteln
nun, die der Verband zur Erreichung dieser Zwecke anwendet,
ist zu sagen: Die Information auf dem Wege der Gegen-
seitigkeit ist offenbar ebenso erlaubt wie diejenige durch
Vermittlung spezieller Informationsbureaux. Das Mahnver-
fahren sodann ist dann nicht unberechtigt, wenn Forderung
und Verzug bestehen; denn es stellt sich an sich lediglich
dar als ein Selbsthilfeverfahren zum Zwecke des Eintriebes
der Forderungen. Der Kläger hat freilich geltend gemacht —
und die Vorinstanz ist ihm hierin beigetreten — es liege in
diesem Verfahren die Anmassung einer Judikatur über die
Gemahnten, die sich die Betreffenden nicht gefallen lassen
mü88ten, und die um so unberechtigter sei, als der Staat ja
dem Gläubiger das gesetzliche Rechtstriebsverfahren mit den
dazu gehörigen Einrichtungen zur Verfügung stelle, um seinen
Schuldner zur Zahlung zu zwingen. Allein diese Auffassung
geht fehl. Allerdings sind gewisse Arten der Selbsthilfe, wie
z. B. die Selbstpfändung, durch das Bestehen eines gesetzlichen
Betreibungsverfahrens ausgeschlossen und nur unter den vom
Gesetze selbst gestatteten Ausnahmen (vergi, z. B. §§ 401 und
402 des zürch. P.G.B., Selbstpfändungsrecht der Gast- und
Schenkwirte) zulässig; aber in diesen Fällen liegt ein direkter
Eingriff in die Rechtssphäre, in die Verfügungsgewalt des
Schuldners über zu seinem Eigentum gehörende Gegenstände,
vor, die bei den bestehenden staatlichen Einrichtungen nur
bei ausdrücklicher Gestattung durch das Gesetz als erlaubt
angesehen werden kann. Einen derartigen Eingriff enthält
nun das in Frage stehende Mahnverfahren nicht; es enthält
eine Mahnung durch eine Kollektivität, die wirksamer er*
scheint, als die Mahnung durch den Einzelnen, aber ebenso-
wenig unerlaubt ist wie diese. Unerlaubt wird sie auch nicht
durch die in ihr enthaltene Drohung, da dasjenige, was an-
gedroht wird, nicht widerrechtlich ist, sofern es der Wahrheit
entspricht, und der durch die Drohung zu erreichende Zweck
lediglich in der Befriedigung des Gläubigerrechts, also in
etwas durchaus erlaubtem, besteht. Wenn die Vorinstanz
hiegegen ausführt, die Aufnahme der Namen säumiger Schuldner
auf die „rote Liste" sei deshalb unerlaubt, weil diese Liste
in einer sehr grossen Auflage erscheine und eine enorme Ver-
breitung habe, so dass die Mitteilung der Namen nicht mehr
îa
als konfidentiell erscheinen könne, sondern als eigentliche
Publikation aufgefasst werden müsse, so ist dem entgegen-
zuhalten: Erstens kann die Zahl der Verbandsmitglieder, an
welche die Mitteilung gelangt, keinen Einfluss ausüben auf
die Frage, ob die Mitteilung erlaubt oder unerlaubt sei; die
Mitteilung ist immer konfidentiell, so lange sie auf die Ver-
bandsmitglieder, seien es nun deren 10 oder 1000, beschränkt
bleibt, und die Zahl kann nur von Relevanz sein für die
Wirksamkeit der Mahnung. Zweitens tritt eine ernstliche
Verletzung der persönlichen Verhältnisse dadurch nicht ein,,
dass der säumige Schuldner auch in ihm unbekannten Kreisen
als solcher gekennzeichnet wird; für solche ist sein Name
eben gänzlich irrelevant und wird erst von Bedeutung, wenn
sie mit ihm in Geschäftsverkehr treten wollen.
Erscheinen sonach im allgemeinen weder der Zweck des
Verbandes „Kreditreforra" noch die zu dessen Erreichung an-
gewandten Mittel als widerrechtlich, so muss doch das be-
merkt werden, dass die Mitteilung der Namen der Schuldner
in der Weise erfolgen sollte, dass einmal die Möglichkeit
einer Verwechslung zwischen den beiden Kategorien „säumige"
und „zahlungsunfähige" Schuldner bei Beobachtung der von
den Interessenten zu verlangenden Sorgfalt ausgeschlossen
erscheint, und sodann auch die Motive, die zur Aufnahme
eines Namens geführt haben, daraus ersichtlich sind. An
beidem hat der Schuldner ein berechtigtes Interesse. Dieses
Interesse erscheint nun in casu nicht genügend gewahrt.
Allerdings darf wohl gesagt werden, dass die „rote Liste"
für die Verbandsmitglieder genügende Unterscheidbarkeit bietet.
Allein aus den Akten geht hervor, dass diese Liste im Volks-
mund als „Lumpenliste" bezeichnet wird, und da nun, namentlich
bei der grossen Mitgliederzahl des Verbandes, Missbräuche
mit der Liste, Verwendung derselben durch Unberufene u. dergl.
kaum zu verhindern sind, ist es Aufgabe des Verbandes, die
Mitteilungen in der Art zu machen, dass die Möglichkeit
einer Unterscheidung allgemein vorhanden ist. Sodann hat
der Schuldner insbesondere ein Recht darauf, dass die Motive,
die ihn zur Zahlungsweigerung geführt haben, bekannt ge-
geben werden, bezw. überhaupt eine nähere Darstellung der
Umstände, unter denen die Aufnatune in die Liste erfolgt ist,
aufgenommen werde. Die Ausserachtlassung dieser Rück-
sichtnahme auf den Schuldner qualifiziert sich als widerrecht-
lich. (Entsch. vom 29. September 1899 i. S. Vogelsanger c.
Weber- Pfeiffer u. Stierlin.)
14
6. 0. R. Ari. 50 ff. Ist die Verhängung der Sperre (des
Boykot) über ein gewerbliches Etablissement (durch eine Gewerk-
schaft) und deren Veröffentlichung an sich rechtswidrig t
La mise à l'index ou mise à l'interdit, tend à empêcher
île patron de recruter le personnel dont il a besoin en détour-
nant les ouvriers de se laisser embaucher par lui.
Une telle mesure est évidemment de nature à apporter
une perturbation plus ou moins grande dans le fonctionnement
de l'établissement qui en est l'objet, et à causer, par conséquent,
un préjudice au patron. Il est non moins évident que ce
résultat est voulu par les auteurs de la mise à l'index, puis-
que c'est précisément là-dessus qu'ils comptent pour amener
le patron à accepter leurs conditions ou à supprimer les
motif 8 de plainte invoqués contre lui.
De ce que la mise à l'index est de nature à entraîner
un préjudice pour celui qui en est l'objet et que ce préjudice
est voulu, il ne suit cependant pas encore qu'elle soit illicite.
Toute contrainte morale exercée par la menace d'un préjudice
ou par l'application d'une mesure préjudiciable n'est pas illi-
cite. On doit au contraire admettre, d'une manière générale,
que la contrainte morale est parfaitement permise lorsqu'elle
s'exerce par des moyens conformes au droit et en vue d'un
but licite. (Voir arrêt du Tribunal fédéral du 29 septembre
1899 dans la cause Vogelsanger c. Weber-Pfeiffer et Stierlin.)
Or la mise à l'index, abstraction faite des moyens d'exé-
cution, qui peuvent varier dans chaque cas, est un moyen
parfaitement licite d'exercer une contrainte morale en vue
d'obtenir des conditions de travail meilleures. Tout individu
a, en effet, un droit incontestable à louer ou à ne pas louer
ses servioes à tel ou tel patron ou à déclarer qu'il ne con-
sentira à s'engager que sous certaines conditions. C'est là
une conséquence évidente du principe de la liberté indivi-
duelle, conséquence qui implique à elle seule la légalité de la
mise à l'index d'un ou de plusieurs patrons de la part d'un
ou de plusieurs ouvriers isolés.
Licite comme mesure individuelle, la mise à l'index ne
saurait devenir illicite lorsqu'elle est adoptée par une collec-
tivité organisée. Le fait de l'union des ouvriers ne modifie
pas la nature de l'acte; il n'a d'influence que sur sa portée
économique et ne touche en rien à son caractère juridique.
C'est ce que la jurisprudence française a reconnu à maintes
reprises. (Voir arrêt de la Cour d'appel de Paris, du 13 jan-
vier 1887: Dalloz, 1887, II, page 151; id. de la Cour de Gre-
noble, du 28 octobre 1890: Dalloz, 1891, II, page 241.) Seule
15
une disposition du droit positif, comme il en a longtemps
existé, pourrait déclarer que ce qui est permis à un individu
ne l'est pas à une association. Dans l'espèce, il n'a pas même
été allégué que la législation genevoise renferme des dispo-
sitions contraires au droit de coalition des ouvriers et le droit
fédéral ne connaît en cette matière aucune restriction au prin-
cipe général de la liberté d'association.
La mise à l'index étant ainsi un acte licite, ne saurait
être considérée comme de nature à porter atteinte à un droit
du patron qu'elle vise, bien que l'atteinte aux intérêts de
celui-ci soit voulue et évidente. Tout industriel a sans doute
un droit individuel à faire valoir sa personnalité dans le com-
merce et à en exiger le respect. C'est une conséquence du
principe de la liberté de commerce et d'industrie. Mais ce
principe peut aussi être invoqué par les consommateurs et
ouvriers, et le droit de ces derniers limite nécessairement
celui du patron et vice-versa. Le droit de l'industriel de
faire valoir sa personnalité et d'en exiger le respect ne l'au-
torise donc à réagir que contre les atteintes qui excèdent les
limites du droit concurrent. Tant que les ouvriers n'excèdent
pas leur droit, et ils ne le font pas en refusant de travailler
pour un patron et en rendant par leur coalition ce refus plus
efficace, le droit du patron n'est nullement atteint.
Quant aux moyens employés pour l'exécution de la mise
à l'index, le demandeur s'est borné à alléguer dans ses écri-
tures que les membres du syndicat auraient cherché par l'in-
timidation et les menaces, à empêcher les ouvriers d'entrer
à son service; mais ce fait a été contesté et le demandeur
n'en a pas fourni la preuve. . . .
Le fait, en particulier, que la mise à l'index a été rendue
publique par la voie de la presse, ne saurait lui donner un
caractère illicite. On peut dire de la publication ce qui a
été dit plus haut de la coalition. Un acte licite en lui-même
ne change pas de nature par le fait qu'il est rendu public.
Le droit de la chambre syndicale de publier dans les jour-
naux la mesure adoptée par elle ne saurait d'ailleurs être
contesté. Lorsqu'une association nombreuse, dont les mem-
bres sont disséminés dans tout le pays, croit devoir, pour la
sauvegarde de ses intérêts, adopter une mesure de combat,
elle a incontestablement le droit de la porter à la connaissance
de ses membres par la voie de la presse. Elle a de même
le droit d'invoquer, par cette voie, l'appui des travailleurs non
syndiqués, en les invitant à se solidariser avec le syndicat
et à ne pas se laisser embaucher par le patron mis à l'index.
16
Chaque citoyen est libre de faire appel au public pour l'in-
téresser à sa cause, lors même-que son appel serait de nature-
à nuire à d'autres citoyens ou classes de citoyens.
Les deux instances cantonales ont considéré comme im-
portante, au point de vue du caractère illicite qu'elles ont at-
tribué à la mise à l'index, la circonstance que cette mesure
n'était pas justifiée en fait.
Cette manière de voir ne saurait être admise. La mise
à l'index étant l'exercice d'un droit, elle n'a pas besoin d'être
justifiée. Le droit porte en lui-même sa justification et celui
qui veut en user peut le faire avec ou sans raison, peu importe.
Toutefois la conscience juridique moderne tend à modérer
l'application du principe qui suo jure utitur neminem laedit
en ce sens que le droit, étant la première condition de l'ordre
social, ne saurait être employé dans la seule intention de
nuire à autrui, c'est-à-dire pour accomplir un acte antisocial.
(Voir Regelsberger, Pandekten, page 230; Windsoheid, Pan-
dekten, I page 387; Dernburg, Pandekten, I page 92; Gierke,
Deutsch. Privatrecht, I page 320.) Pour que cette restriction
du droit puisse être appliquée, il faut toutefois qu'il soit
établi d'une manière certaine que le seul mobile de Pacte
incriminé est la malveillance et l'intention de nuire. Or tel
n'est pas le cas dans l'espèce
.... Le but de la mise à l'index était en lui-même
licite. Il est parfaitement loisible à un groupe d'ouvriers,
conformément aux principes rappelés plus haut, de déclarer
qu'ils ne consentiront à travailler pour un patron qu'à la
condition qu'il embauche ou n'embauche pas tel ou tel de
leurs compagnons. C'est au patron à choisir, au mieux de
ses intérêts et de sa conscience, entre la résistance et l'accep-
tation des conditions qui lui sont posées
Im Weiteren wird ausgeführt, dass dagegen darin eine
unerlaubte, zum Schadenersatze verpflichtende Handlung liege,
dass die Beklagten zur Rechtfertigung der beschlossenen
Sperre in einem Zeitungsartikel, für welchen sie verantwort-
lich seien, eine Reihe falscher, dem geschäftlichen Rufe des
Klägers nachteiliger Behauptungen aufgestellt haben. (Entsch.
vom 14. Oktober 1899 i. S. Boujon et Cons. c. Stucker-Book.)
7. 0. R. Art. 60. CivürechÜiche Haftbarkeit für im Raufhandel
zugefügte Körperverletzungen. Begriff des Gehilfen im Sinne des
Art. 60 cit.
Massgebend in Betreff der civilrechtlichen Haftung für
die in einem Raufhandel zugefügten Körperverletzungen ist
17
Art. 60 0. R., wonach mehrere, die einen Schaden gemeinsam
verschuldet haben, solidarisch für den Ersatz haften, ohne
Unterschied, ob sie als Anstifter, Urheber oder Gehilfen thätig
gewesen sind. Danach ist Cur die Haftbarerklärung in dem
Falle, wo ein Verschulden mehrerer vorliegt, notwendig die
Teilnahme an der schädigenden Handlung, ein Verschulden
des Belangten, und ein Kausalzusammenhang zwischen der
schuldhaften Thätigkeit des Belangten und dem eingetretenen
Schaden. Letzteres Erfordernis folgt sowohl aus aligemeinen
Grundsätzen wie auch aus dem Wortlaute des Art. 60, wo-
nach eben der Schaden „gemeinsam verschuldet," d. h. durch
eine gemeinsame schuldhafte Handlung verursacht sein musa.
Dagegen ist in Anwendung des Art. 60 0. R. nicht von
einem bestimmten strafrechtlichen Begriff der Gehilfenschaft
auszugehen (z. B. demjenigen des § 29 des Str. G. B. f. d. Kt.
Baselstadt), sondern von dein allgemein-juristischen Begriffe,
wonach insbesondere auch fahrlässige Gehilfenschaft denkbar
und möglich ist. In diesem Sinne erscheint auch derjenige
als Gehilfe zu der im Raufhandel beigebrachten Körperver-
letzung oder Tötung (die übrigens selber auch fahrlässig bei-
gebracht werden kann), der durch seine Teilnahme am Rauf-
handel den Thäter unterstützt; auch er hat alsdann unmittel-
bar eine Bedingung zu dem eingetretenen Erfolg gesetzt, so
da8s er den Erfolg mitverursacht hat. Und zur Schuld zu-
zurechnen ist ihm dieser Erfolg dann, wenn er voraussehen
mii88te, da8S durch seine Thätigkeit, durch seine Teilnahme
am Raufhandel, dieser Erfolg eintreten konnte.
In Anwendung dieser Grundsätze wurden für die in einem
Raufhandel einem der Angegriffenen zugefügte schwere Körper-
verletzung, deren unmittelbare Urheber nicht hatten entdeckt
werden können, alle diejenigen als Gehilfen solidarisch ver-
antwortlich erklärt, welche sioh an der Rauferei auf Seiten
der Angreifer beteiligt hatten, auch soweit ihnen eine un-
mittelbar gegen den Verletzten geriohtete Thätigkeit nicht
nachgewiesen werden konnte. (Entscb. vom 4. November 1899
i. S. Häfliger c. Iten u. Genossen.)
8. 0. R. Art. 143. In der Prolongation eines Wechsels liegt
in der Regel keine Novation.
Die Prolongation eines Wechsels stellt sioh in der Regel
lediglich als eine Verlängerung der Zahlungsfrist dar, und
ist die Novation des ursprünglichen Schuldverhältnisses dabei
2
18
nicht zu vermuten (Art. 143 0. R. ; vergi, auch E. G. E. IX,
S. 65). (Entsch. v. 14. Juli 1899 i. S. Konkursmasse Bach &
Cie c. Gebrüder Gegauf.)
9. 0. A. Art 154, 157 Abs. 1 und 2. Verjährung: Die La-
dung zu einem amtlichen Sühnversuohe unterbricht nach dem 0.
R. die Verjährung schlechthin und es fällt diese Wirkung nicht
deshalb dahin, weil das durch die Ladung eingeleitete Verfahren
nicht rechtzeitig, binnen din durch das kantonale Prozessrecht
vorgeschriebenen Fristen fortgesetzt worden ist, so dass später
durch eine neue Ladung ein neues Sühnverfahren hat eingeleitet
werden müssen.
La prescription en matière de droit fédéral est exclu-
sivement régie par les dispositions du G. 0., en particulier
par les art. 154 et suivants relatifs à l'interruption de la
presoription.
D'après l'art. 154, chiffre 2 in fine, la citation en conci-
liation „équivaut," au point de vue de l'effet interruptif de
la presoription, „à une action en justice. u Cette disposition a
été évidemment dictée par la considération que oertaiues lois
cantonales admettent que la citation en conciliation constitue
l'ouverture de l'action en justice, tandis que d'autres ne l'ad-
mettent pas; elle a pour but d'uniformiser l'effet de la cita-
tion quant à l'interruption de la prescription.
Le fait seul de la citation en conciliation suffit, aux
termes de la disposition citée, pour interrompre la prescrip-
tion. La circonstance que d'après la procédure cantonale —
dans le cas particulier les articles 59, 62 et 128 Code de pro-
cédure civil vaudois — un délai péremptoire est assigné à
l'instant pour donner suite à son action, ne saurait, en cas
d'inobservation de ce délai, faire considérer le fait de la cita-
tion comme non avenu ni supprimer l'effet que la loi fédérale
lui attribue.
Le législateur fédéral n'a pas admis le système d'après
lequel l'action en justice cesserait de déployer son effet in-
terruptif de la presoription lorsqu'il n'y serait pas donné suite
dans les délais légaux (art. 2247 Code civil français; § 1070
Code civil zurichois). Il résulte au contraire de l'art. 157, al. 1
et 2 C. 0. que l'interruption ne déooule pas seulement de l'ac-
tion en justice (ou de la poursuite en paiement), envisagée
comme une opération complexe, mais de chacun des actes du
procès (ou de la poursuite), puisque, aux termes du dit ar-
ticle, la prescription recommence à courir à partir de ohaque
19
aote juridique des parties, de chaque ordonnance ou décision
du juge (et de chaque acte de poursuite). Au point de vue
du droit fédéral, la citation en conciliation, soit 1 acte de non
•conciliation, apparaît comme un acte de la procédure qui,
même s'il n'y est pas donné suite dans les délais légaux,
interrompt la prescription. L'objection consistant à dire que
ce système aurait pour résultat d'éterniser les litiges en per-
mettant au oréancier d'interrompre la prescription par de
simples citations en conciliation (ou des commandements de
payer) non suivis d'autres procédés, pourrait avoir de l'im-
portance de lege ferenda, mais elle ne trouve auoun point
d'appui dans les dispositions du C. 0. (Entsch. v. 22. Sep-
tember 1899 i. S. Glauser c. von Auw frères et Cie.)
10. 0. R. Art. 184. Bedeutung der schriftlichen Beurkundung
der Abtretung; was gehört zu derselben?
Nach Art. 184 0. R. ist die Abtretung für die Kontra-
henten auch ohne besondere Form verbindlich; wirksam ge-
Ciiber Dritten wird sie jedoch erst durch schriftliche Beur-
dung; und zu diesen Dritten gehört nach der bundes-
Î eri entliehen Praxis auch der Schuldner der Forderung (vergi,
[afner, Komm., 2. Aufl. Art. 184, Nr. 3). Die schriftliche Be-
nachrichtigung des Schuldners durch den Cedenten oder den
■Cessionar von der geschehenen Abtretung kann die vom Ge-
setze geforderte schriftliche Beurkundung der Abtretung
nicht ersetzen, da unter dieser die Erklärung des Cedenten
an den Cessionar, er trete ihm seine Forderung ab, verstan-
den ist. (Entsch. v. 16. September 1899 i. S. Minder c. Fischer.)
11. 0. R. Art. 243. Der Verkäufer haftet im allgemeinen
dafür y dass Sachen, die er unter einem, einen bestimmten Gebrauch
anzeigenden Namen verkauft hat, zu diesem Gebrauche thatsäch-
Uch tauglich seien, nicht aber ohne weiteres auch dafür, dass sie
zu diesem Gebrauche nach den am Orte des Käufers geltenden
polizeilichen Vorschriften verwendet werden dürfen.
Es ist im allgemeinen anzuerkennen, dass der Verkauf
von Sachen, die einen den Gebrauch anzeigenden Namen
tragen (Insektenpulver, Zahnwasser, Kopiertinte etc.), impli-
zite die Zusicherung in sich schliesst, dass die betreffende
Sache für den durch den Namen angedeuteten Gebrauch taug-
lich, geeignet sei (ausgenommen natürlich den Fall blosser
Phantasiebezeichnungen). Nun gehört allerdings die Bezeich-
20
nung „Kaminsteine" zu dieser Kategorie; hieran ändert der
Umstand nichts, dass diese Steine nach der Feststellung der
Vorinstanz auch zu andern Zwecken (z. B. für Gewölbe) ver-
wendet werden können; ihr erster und hauptsächlichster Ge-
brauch, wie er durch den Namen angezeigt wird, ist die
Konstruktion von Kaminen. Die Klägerin haftet daher dafür,,
dass die fraglichen Steine für diesen Gebrauch tauglich, ge-
eignet seien. Allein dieser Haftung hat die Klägerin roll*
ständig genügt; diese Steine wurden bis zum Inkrafttreten
der neuen Feuerpolizeiordnung in Zürich anstandslos zum
fraglichen Gebrauche verwendet und werden es auch jetzt
noch an Orten, wo ihr Gebrauch nicht verboten ist . . . Difr
Wandelungs-Einrede des Beklagten könnte daher nur dann
geschützt werden, wenn die Klägerin auch dafür garantieren
mü8ste, vermöge des einfachen Verkaufes von Sachen, die
einen den Gebrauch anzeigenden Namen tragen, dass dieser
Gebrauch am Orte des Käufers nun auch wirklich möglich,,
gestattet sei. Allein es leuchtet ein, dass dies eine unzulässige
Ausdehnung der Gewährspflicht des Verkäufers wäre; es
braucht hiefür nur an die Mannigfaltigkeit der Gesetzge-
bungen und Verordnungen, die von Land zu Land, von Ort
zu Ort, wechseln, erinnert zu werden, um einzusehen, dass
die gesetzliche Gewährspflicht des Verkäufers nicht derart
ausgedehnt werden kann. Vielmehr ist es Sache des Käufers,,
der den Genuss von der verkauften Sache haben will, zu
wissen, ob sie nach der Gesetzgebung seines Landes und
Ortes zu dem von ihm beabsichtigten (aus dem Namen her-
vorgehenden) Zwecke auch wirklich gebraucht werden darf.
(Entsch. vom 29. September 1899 i. S. Wolff c. mechanische
Ziegelfabrik Albishof.)
12. 0. R. Art. 338 ff., 348. Süllschweigende Vereinbarung*
einer Vergütung für begehrte Dienste; Dienst- (Honorar-) Vertrag?
oder blosse Aufforderung zur Stellung einer Offerte bezw. zur
Beteiligung an einem Wettbewerbet
Der Beklagte beabsichtigte einen an der Façade eines-
von ihm neu erstellten Gebäudes angebrachten Fries künstle-
risch ausschmücken zu lassen. Er teilte durch Brief vom
16. Dezember 1896 dem Kläger, dem Bildhauer K. in Z.f
mit, dass er ihn und gleichzeitig den Bildhauer M. in B.
bitte, dafür eine Skizze in Gips (2 m breit und 20 cm hoch,,
also V10 der natürlichen Grösse) bis zum 15. Februar 1897
auszuarbeiten. Beide Entwürfe werden für einige Zeit im-
Künstlerhause ausgestellt. „Ausführung in weissem Marmor,.
21
Angabe des Preises, der Lieferungszeit u. s. w.,tf über alles
«das bitte er den Kläger, falls er mit Bildhauer M. in Kon-
kurrenz zu treten gedenke, sich mit dem bauleitenden Archi-
tekten Sch.-K. ins Einvernehmen zu setzen. K. fertigte die
verlangte Skizze, das Gipsmodell einer Reliefgruppe, in zwei
Varianten an. Im Frühjahr 1897 wurden diese Entwürfe
.gleichzeitig mit dem Entwürfe des Bildhauers M. öffentlich
ausgestellt. Der Beklagte entschloss sich jedoch keinen die-
ser Entwürfe ausführen zu lassen. Sowohl der Kläger als
Bildhauer M. führten nun neue Skizzen über andere Sujets
aus. Am 15. Oktober 1897 schrieb Architekt Sch.-K. dem
Kläger, er ersuche ihn im Auftrage des Beklagten, diesem
in den näohsten Tagen die Skizze einzusenden und zugleich
seine Offerte für Ausführung in Marmor beizulegen. Der Be-
klagte traf nun unter den neu eingereichten Entwürfen seine
Wahl dahin, dass er denjenigen des M. zur Ausführung be-
stimmte. Als daraufhin der Kläger dem Beklagten Rechnung
für seine Bemühungen im Betrage von Pr. 4000. — (für jeden
Entwurf 2000 Fr.) stellte und ihn anfragte, wohin er ihm die
Entwürfe senden solle, beanstandete der bauleitende Archi-
tekt Sch.-K. mit Schreiben vom 4. Dezember 1897 das ge-
forderte Honorar als zu hoch: der Bauherr halte eine Hono-
Tierung von Fr. 1000. — für angemessen; er halte an dieser
-Offerte fest und lasse den Kläger ersuchen, über seine Skizzen
nach Gutdünken zu verfügen.
Als nunmehr der Kläger seine Honorarforderung von
Fr. 4000. — gerichtlich einklagte, beantragte der Beklagte in
•erster Linie gänzliche Abweisung der Klage, indem er be-
hauptete, es habe sich bei dem Schreiben an den Kläger vom
16. Dezember 1896 lediglich um die Einladung zur Beteili-
fung an einem Wettbewerbe zum Zwecke der Vergebung
er Ausführung eines Kunstwerkes nach vorzulegendem Ent-
würfe gehandelt. Für diesen Entwurf sei ein besonderes und
selbständiges Honorar nicht vereinbart und auch nicht voraus-
gesetzt gewesen.
Die Klage wurde in allen Instanzen grundsätzlich gut-
geheissen. Aus den Gründen des bundesgerichtlichen Urteils
ist hervorzuheben:
Wenn anzunehmen ist, der Beklagte habe dem Kläger
«einen Auftrag zur Herstellung der Entwürfe erteilt, so steht
der Umstand, dass über eine hiefür zu leistende Vergütung
unter den Parteien nichts ausgemacht worden ist, der Klage-
forderung nicht entgegen. Denn alsdann liegt ein Honorar-
vertrag vor, für welchen nach eidg. Obligationenrecht die
22
gleichen Grundsätze gelten, wie für den in Art. 338 ff. ge-
regelten Dienstvertrag; und es greift daher auch hier die
Bestimmung Platz, das s eine Vergütung für die geleisteten
Dienste gefordert werden kann, wenn diese nach den Um-
ständen nur gegen eine solche zu erwarten waren (Art. 338 G.R.).
Ein Zweifel daran, dass es sich in dem Schreiben dea
Beklagten vom 16. Dezember 1896 wirklich um einen solchen
Auftrag gehandelt habe, wäre von vorneherein ausgeschlossen,
Wenn dasselbe lediglich die Aufforderung zur Anfertigung der
daselbst näher bezeichneten Skizze enthielte, alsdann könnte
in der Erklärung des Beklagten überhaupt nichts anderes-
erblickt werden, als die Offerte zur Begründung eines Rechts-
verhältnisses im Sinne des Art. 348 bezw. 338 0. R. Nun er-
folgte die Aufforderung zur Anfertigung der Skizze im Zu-
sammenhang mit derjenigen zur Offerte für die Uebernahme
des ganzen Werkes, und der Beklagte zieht hieraus, in Ver-
bindung mit der Annahme, dass die Einreichung einer Skizze
der Natur der Sache nach zu einer Offerte der fraglichen
Art gehört, den Schluss, dass die Ausarbeitung der verlangten
Skizze im eigenen Interesse des Klägers, um als Bewerber
für das eigentliche Werk mit einer richtigen Offerte auftreten-
zu können, erfolgt sei, und der Beklagte ihm demnach für
jene ebensowenig, wie für allfällige Bemühungen, welche
etwa die Anstellung seiner Berechnungen für die Offerte er-
fordert haben mochte, eine Entschädigung schulde. Diese
Schlussfolgerung des Beklagten hält jedoch nicht Stich. Es
ist zwar richtig, dass die Einladung zur Stellung einer Offerte
an sich keineswegs die Zusage in sich schliesst, den Offerenten
für Bemühungen und Auslagen, welche mit der Offerte ver-
bunden sind, zu entschädigen ; wenn dieser, um sein Angebot
machen zu können, z. B. erst noch Berechnungen anzustellen
hat, so ist dies grundsätzlich seine Sache, und geht den an-
dern Teil nichts an. Ebenso steht z. B. demjenigen, welcher
sich an einem Wettbewerb auf Grund einer Preisausschrei-
bung beteiligt, wie sie speziell für Entwürfe zu architekto-
nischen Werken und deren Ausschmückung üblich sind, kein
Anspruch auf Honorierung seiner Arbeit, sondern lediglich
auf gehörige Berücksichtigung bei der Entscheidung über
die zu erteilenden Preise zu. Um einen Wettbewerb dieser
Art handelt es sich jedoch nicht, da der Beklagte eine Prä-
mierung der eingereichten Entwürfe überhaupt nicht in Aus-
sicht gestallt hat. Andrerseits geht die Leistung, welche der
Kläger mit der Ausführung der vom Beklagten verlangten
Skizze auf sich nahm, weit über denjenigen Aufwand hinaus,.
23
der zur Stellung einer Offerte für das ganze Kunstwerk an
eich erforderlich war. Wenn der Beklagte die Berücksichti-
gung einer Offerte hiefür von der Einreichung einer solchen
Skizze abhängig machen wollte, so konnte ihm nicht ent-
gehen, dass er damit vom Offerenten mehr verlange, als
was gemäss allgemeiner Verkehrsregel zu Lasten des Offe-
renten fällt. Der Beklagte hat denn auch seine Einladung
an den Kläger nicht etwa so gefasst, dass er denselben er-
suchte, ihm eine Offerte für die Ausführung des Kunstwerkes
zu machen, und beifügte, dieselbe müsse von einer Skizze
begleitet sein, sondern er stellt in seinem Schreiben vom
16. Dezember 1896 das Ersuchen um die Anfertigung einer
Skizze an die Spitze und spricht erst in zweiter Linie von
dem Angebot für Uebernahme des ganzen Werkes. Daraus
erhellt, dass auch der Kläger selbst die Anfertigung der
Skizze nicht als eine blosse, unumgängliche Vorarbeit für
die Stellung eines Angebots, sondern als selbständige Arbeits-
leistung betrachtete, und da diese Arbeitsleistung eine ver-
hältnismässig bedeutende war, und der Natur der Sache nach
sein musate, so konnte sich der Beklagte auch nicht ver-
hehlen, dass sich der Kläger nur in der Erwartung eines
Honorars dazu verstehen werde, ihm zu entsprechen. Dass
sich der Beklagte auch wirklich dieser Einsicht nicht ver-
schlossen hat, ergiebt sich übrigens unzweideutig aus dem
Schreiben vom 4. Dezember 1897, das der bauleitende Archi-
tekt in seinem Auftrag au den Kläger richtete, und welches
die Antwort auf die Rechnungsstellung des Klägers enthält.
In diesem Schreiben findet sich kein Wort davon, dass die
vom Kläger prätendierte Pflicht zur Honorierung seiner Ar-
beit überhaupt abgelehnt werde, sondern es wird lediglich
die Höhe des geforderten Honorars beanstandet. (Entsch. v.
13. Oktober 1899 i. S. Kissling c. Henneberg.)
1 3. 0. R. Art. 406 (f., 412, 720 ff., 811, 813 Abs. 1 und 2, Die
Bestimmungen des 0. R. über die Anweisung finden auf #en ge-
zogenen Wechsel keine Anwendung, insbesondere nicht Art. 412
Abs. 3. Der Wechselnehmer ist daher auch nach dem Ausbruche
des Konkurses über den Trassanten zu Erhebung der Wechsel-
summe beim Bezogenen berechtigt. — In der Wechselbegebung
liegt an sich keine Abtretung der Rechte des Trassanten aus dem
Deckungsverhältnisse .
Die Firma A. K. & Cie trat im Oktober 1898 mit den
Beklagten in Wechseldiskontoverkehr. Die Beklagten eröffneten
ihr eine laufende Rechnung, nahmen die Kundenwechsel von
A. K. & Gie zu den Ansätzen ihres Inkassotarifes entgegen,
schrieben dieselben, Eingang vorbehalten, dem Konto von
K. & Gie gut und ermächtigten K. & Gie über den Gegenwert
sofort nach Uebergabe der Wechsel zu verfügen. K. & Gie
erhielten jeweilen auf Verlangen runde Summen in bar aus-
bezahlt, die den Gegenwert der jeweilen übergebenen Wechsel
nahezu erreichten. Die Aooepteinholung wurde zwischen den
Kontrahenten wegbedungen. Am 12. Januar 1899 wurde über
Ad. K. & Gie Konkurs eröffnet. Seit Konkurseröffnung bis zum
6. April zogen die Beklagten Wechsel im Totalbetrage von
Fr. 4857.90 ein.
Die Konkursmasse der Firma A. K. & Cie klagte nun
gegen die Beklagten auf Erstattung der von letzteren seit
der Konkurseröffnung eingezogenen Wechselbeträge. Die
Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen, vom Bundes-
gerichte wesentlich aus folgenden Gründen :
Die Klage beruht darauf, dass die Beklagten, als Wechsel-
nehmer und Anweisungsempfänger, nicht befugt gewesen
seien, nach Ausbruch des Konkurses über den Aussteller, den
Anweisenden, von der Anweisung Gebrauch zu machen und
also die Wechselsummen beim Bezogenen, dem Angewiesenen,
einzuziehen; sie stützt sich auf Art. 412, insbesondere Abs. 3,
0. R., und stellt sich rechtlich als Klage aus ungerechtfer-
tigter Bereicherung oder auch aus Geschäftsführung ohne
Auftrag dar. Würde nun in der Tratte schlechthin nichts
anderes als eine nach Art. 406 ff. 0. K. geregelte Anweisung
liegen und somit auch Art. 412 eod. auf dieselbe zutreffen, so
müsste die Klage geschützt werden. Denn alsdann wäre (ent-
gegen der Argumentation der ersten Instanz) zu sagen:
Durch die Konkurseröffnung über den Anweisenden wird die
Anweisung gemäss Art. 412 Abs. 3 0. R. ipso jure wider-
rufen, und dieser Widerruf wirkt sowohl gegenüber dem An-
gewiesenen wie auch gegenüber dem Anweisungsempfänger,
allerdings beiden gegenüber nur in den in Abs. 1 und 2 eod.
aufgestellten Schranken, ist also dem Angewiesenen gegen-
über nur zulässig, sofern dieser dem Empfänger die Annahme
nicht erklärt hat. Liegt aber diese Voraussetzung vor, ist
also der Widerruf gegenüber dem Angewiesenen zulässig, und
macht der Anweisende davon Gebrauch bezw. wird der Wider-
ruf durch Eröffnung des Konkurses über ihn herbeigeführt,
so wirkt der Widerruf auch gegenüber dem Anweisungs-
empfänger, indem dann die Anweisung hinfällig wird, und es
bleibt dem Anweisungsempfänger, zu dessen Vorteile die An-
25
Weisung erteilt wurde, nur ein Schadensersatzanspruch gegen
-den Anweisenden übrig (vergi. Hafner, Kommentar z. 0. R.,
2. Aufl., Art. 412, Anm. 3 u. 6). Nun trifft aber jene recht-
liche Prämisse, auf welche die Klage gestützt wird, nicht zu.
Allerdings liegt in der Tratte, ihrem Wortlaute nach, eine
Anweisung. Daneben enthält sie aber mehr, und anderes:
sie enthält seitens des Ausstellers gegenüber dem Wechsel-
nehmer und dessen Nachmännern nicht nur eine einfache
Anweisung zur Zahlungserhebung, sondern zugleich die Ueber-
uahme einer wechselrechtlichen Verpflichtung zur Annahme
und Einlösung des Wechsels durch den Bezogenen, ein Ga-
rantieversprechen; und sie verschafft somit dem Wechsel-
nehmer ein eigenes, unmittelbares, vom Rechte des Ausstellers
gänzlich unabhängiges Recht auf Präsentation des Wechsels
zur Annahme und auf Einziehung der Wechselsumme, sowie
auf den Regress gegen den Aussteller. Die Bestimmungen
-des 0. R. über die Anweisung finden daher, dieser eigenartigen
Natur der Tratte gemäss, auf diese keine Anwendung, sondern
«s gelten für dieselbe einzig und allein die Vorschriften des
29. Titels des 0. R., für den Wechsel gilt demnach auch
nicht die Bestimmung, dass die Eröffnung des Konkurses über
den Anweisenden — den Aussteller — ohne weiteres als Wider-
ruf der Anweisung gelte. Wohl steht dem Wechselnehmer
gegen den Bezogenen kein wecbsehnässiges Recht zu, so lange
dieser nicht Aoceptant ist, und kann der Aussteller den dem
Bezogenen gegebenen Auftrag widerrufen, so lange dieser den
Wechsel noch nicht acoeptiert oder eingelöst bat: allein gegen-
über dem Wechselnehmer kann der Aussteller das einmal ge-
schaffene Weohselreoht, das nicht aus einem einfachen Auftrag
entspringt, nicht widerrufen, dieses ist unwiderruflich, und tritt im
«ben angedeuteten Falle der Widerruf des Auftrages an den
Bezogenen als Regressanspruch gegen den Aussteller in die Er-
scheinung (vergi. Seuffert Archiv Bd 45 Nr. 244, S. 405).
Der Widerruf gegenüber dem Bezogenen, der nach dein ge-
sagten ausdrücklich hätte stattfinden müssen, und nicht durch
die Eröffnung des Konkurses über den Aussteller ersetzt wird,
hat nun nicht stattgefunden, und es waren daher die Beklagten
berechtigt, die Wechselsumme bei den Bezogenen zu erheben.
Hiemit ist die Hinfälligkeit der Klage gegeben, und erscheint
es nicht nötig, zu untersuchen, ob in der Begebung der Wechsel
in casu, wie die Vorinstanz annimmt, eine Zession der ihrer
Ausstellung zu Grunde liegenden Zivilforderungen des Aus-
stellers gegen den Bezogenen zu finden ist. Die Vorinstanz
folgert das offenbar nur aus den begleitenden Umständen und
26
will wohl nicht allgemein auesprechen, dass in der Uebergabe-
sogenannter Kundenwechsel im Wechseldiskontoverkehr stets
oder in der Regel eine Abtretung der Zivil Forderung (in der
Regel Kaufpreisforderung u. dgl.) des Ausstellers gegen den
Bezogenen liege. Ein derartiger Rechtssatz würde mit der
Natur des Wechsels, wie er im Schweiz. 0. R., im grossen
Ganzen in Nachbildung des deutschen Wechselrechts und ent-
gegen französisch- rechtlichen Anschauungen, geregelt ist, nioht
im Einklänge stehen. Danach ist strenge zu unterscheiden
zwischen dem dem jeweiligen Wechselinhaber aus dem Wechsel
selbst zustehenden Rechte und dem zu Grunde liegender»
Rechtsgeschäft, wie das insbesondere aus Art. 810 0. R. her-
vorgeht (vergi, auch die Bestimmungen über die Bereicherungs-
klage, Art. 813 Abs. 2 u. 3). Es ist also auch zu unterschei-
den zwischen dem wechselmässigen Rechte des Wechselneh-
mers sowie des Ausstellers gegen den Acceptanten einerseits,
dem Rechte auf die beim Bezogenen befindliche Deckung
andrerseits. Nur ersteres wird durch die Wechselbegebung
übertragen, nicht letzteres; zur üebertragung des letztern
gehört eine eigentliche Abtretung nach Art. 183 ff. 0. R., die
in der blossen Wechselbegebung als solcher nicht liegt (vergi.
Staub, Komm. z. Wechselrecht Art. 838; Lehmann, Lehrb.
u. Wechselrechts S. 445; Grün h ut, Wechselrecht II S. 149
und dort citierte Urteile). (Entsch. vom 23. September 1899
i. S. Konkursmasse Adolf Kaufmann & Gie c. Gebrüder Oswald.)
14. O.R. Art. 561, 582, 863. Durch die Auflösung einer
Koüektivgesellschaft und die Bestellung eines Liquidators verlieren
zwar die (von der Liquidation ausgeschlossenen) Gesellschafter
die Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft es kann dies aber
gutgläubigen Dritten, mit welchen sie nichtsdestoweniger Rechts-
geschäfte für die Gesellschaft abschliessend nicht entgegengehalten*
werden, so lange nicht dtr darauf bezügliche Handelsregisterein-
trag, weil die amtliche Bekanntmachung desselben zu deren Kennt-
nis gelangt sein konnte, den Dritten gegenüber wirksam geworden ist.
(Entsch. vom 21. Oktober 1899 i. S. Boveyron c. Spinedi
et Grassi und Quiblier et Gailloud in Liquidation.)
15. Bundesgesetz betr. die Haftpflicht der Eisenbahnen und
Dampfschiffunternehmungen bei Tötungen und Verletzungen vom
l.Juli 1875, Art. 2, 8, 9. Beschädigung oder Zerstörung von Sachen
durch den Bahnbetrieb ohne gleichzeitige Verletzung eines Menschen*
27
Dans l'espèce,1) la responsabilité rigoureuse établie par
les art. 2 et 8, al. 1" de la loi fédérale du V juillet 1875 sur
la responsabilité des entreprises de chemins de fer et de ba-
teaux à vapeur ne saurait être invoquée contre la Société
défenderesse, les dispositions en question ayant trait seule-
ment aux accidents, qui ont entraîné la mort d'homme ou dea
lésions corporelles.
Mais l'alinéa 2 de l'article 8 dispose qu'en dehors des
cas visés à l'alinéa 1", l'entreprise doit indemnité pour les
objets perdus, détruits ou avariés, non consignés comme mar-
chandises ou bagages de voyageurs, lorsqu'une faute est établie
à sa charge.
L'art. 9 dispose de plus que dans les cas mentionnés à
l'art. 8 le dommage est déterminé sur la base de la valeur
réelle des objets perdus, détruits ou avariés, une indemnité
supérieure ne pouvant être allouée que dans les cas de dol
ou de négligence grave de l'entreprise de transport.
Ces dispositions doivent trouver leur application dans le
cas actuel, ainsi que dans tous les cas du même genre à l'ex-
clusion des art. 50 et suiv. 0. O. (Voir arrêt du Tribunal fé-
déral en la cause Stähelin c. Jura-Simplon, Ree. off. XIX,
page 188, consid. 3, et arrêt du 8 juin 1899 en la cause
Wendler iß. Jura-Simplon). (Entsch. vom 28. September 1899
i. S. Degrange c. Société genevoise des chemins de fer à voie
étroite.)
16. Bundesgesetz betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb vom
25. Juni 1881, Art. 6. Begriff der Heilungskosten.
Bezüglich der Heilungskosten ist nur streitig die Ent-
schädigung für Anschaffung und Unterhalt des künstlichen
Beines. Nun gehört zu den Heilungskosten alles, was zur
Hebung der gesundheitsschädigenden Folgen des Unfalls und
zur Wiedererlangung der Gesundheit des Verunglückten an-
gemessenerweise aufgewendet wird. Jenem Zwecke dienen
aber in Fällen wie der vorliegende nicht nur die Kosten für
die Anschaffung künstlicher Gliedmassen, sondern, da ja das
dadurch erlangte Mass von Erwerbsfähigkeit nur bewahrt
wird, wenn die künstlichen Gliedmassen in Stand gehalten
werden, auch die Kosten für Reparatur derselben (vergi. AmtL
Samml. der bundesger. Entsch. Bd XVIII S. 262). Es wird
v) Durch einen Zag der beklagten StrasHenbahngcsellschaft waren Pferd
nnd Wagen de» Klägers beschädigt "worden, ohne das« gleichzeitig ein Mensch
verletzt wurde.
26
denn auch der Schaden wegen Verminderung der Erwerbs-
fähigkeit in derartigen Fällen in der Kegel unter der Voraus-
setzung berechnet werden, dass das künstliche Glied vorhan-
den sei. Auch aus diesem Gesichtspunkte sind die Kosten
für Beschaffung und Instandhaltung der künstlichen Glied-
in asse n regelmässig zu den Heilungskosten zu rechnen, und
somit besonders zu ersetzen. (Entsoh. vom 2. November 1899
i. 8. Jura-Cementfabriken o. Gehrig.)
1 7. Bundesgesetz betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb vom
25. Juni 1881, Art. 6 letzter Abs. Bundesgesetz betr. die Aus-
dehnung der Haftpflicht u.s.f. vom 26. April 1887, Art. 9, Abs. 2.
Wenn in einer Haftpflicht sache, nachdem die Parteien
sich verglichen haben, auf Veranlassung des Haftpflichtigen
gleichwohl der Form nach ein gerichtliches Urteil herbeige-
führt wird, durch welches der Haftpflichtige, auf seine An-
erkennung hin und ohne eigene Prüfung der Sache durch das
Gericht, zu Bezahlung der Vergleichssumme verurteilt wird,
so kommt einem solchen Urteile die in Art. 6 letzter Abs.
des Fabrikhaftpflichtge8etzes dem definitiven Urteilsspruche
beigelegte Wirkung nicht zu; es bleibt vielmehr trotz des-
selben das Recht des Geschädigten bestehen, den .Vergleich
gemäss Art. 9 Abs. 2 des erweiterten Haftpflichtgesetzes an-
zufechten, wenn die durch denselben gewährte Entschädigung
eine offenbar unzulängliche ist. (Entsch. vom 28. September
1899 i. S. Janutulo c. Streit frères.)
18. Bundesgesetz betr. das Urheberrecht an Werken der
Litteratur und Kunst vom 23. Aprü 1883, Art. 1, 9, 18.
1. Die Vervielfältigung eines Kunstwerkes (ohne Bewil-
ligung des Berechtigten) ist, abgesehen von den im Gesetze
ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen, auch dann unerlaubt,
wenn sie durch ein anderes Kunstverfahren als dasjenige des
Originalwerkes geschieht. Dies gilt auch für geschützte Pho-
tographien, welche also nicht nur gegen Nachbildung durch
die Photographie, sondern auch gegen solche durch die zeich-
nenden Künste (Zeichnung, Lithographie, Malerei u. s. w.)
.geschützt sind.
2. Die Konfiskation des nachgebildeten Werkes, deren
Anordnung dem freien Ermessen des Richters anheimgestellt
ist, qualifiziert sich (wie im Gebiete des Markenrechts) nicht
-als Strafe, sondern als eine, wesentlich auf die Verhinderung
2S
zukünftiger Urheberrechtsverletzungen durch den Verkauf von
Nachbildungen gerichtete Präventivwassregel. Sie ist,
sofern dies nicht materiell unmöglich ist, streng auf die un-
erlaubte Nachbildung zu beschränken. Sofern daher z. B. in«
einem illustrierten Druckwerke sich einzelne nachgebildete
Illustrationen befinden, so ist die Konfiskation auf diese zu
beschränken und nicht auf das ganze Werk auszndehnen.
(Entsch. vom 15. September 1899 i. S. Burkhardt c. Char-
naux frères et Cie.)
19. Bundesgesetz betr. Schuldbetreibung und Konkurs vom
29. Aprü 1889, Art. 197, 204, 205, 269 Abs. 1. ht der Gemein-
Schuldner nach Schluss des Konkursverfahrens ohne weiteres be-
fugt, eine zur Konkursmasse gehörige, aber nicht zu derselben
gezogene Forderung gegen den DriUschuldner geltend zu machen ^
Durch Verpflichtungsschein vom 8. Dezember 1891 ver-
pflichteten sich die Beklagten, Gebrüder GL, dem Kläger E.
auf sämtlichen von diesem Tage an auf die Firma P. u. Cie
in St. Gallen ausgestellten Fakturen eine Kommission von
10 % zu vergüten. Der Kläger erhob hierauf gestützt im
Frühjahr 1899 gegen die Beklagten Klage auf Bezahlung
von Fr. 4391, indem er behauptete, dass dieselben seit 8. De-
zember 1891 an P. u. Cie Waren im Gesamtbetrage von
Fr. 43,909. 70 geliefert hätten. Die Beklagten bestritten zu-
nächst die Aktivlegitimation des Klägers: Er sei im März
1892 in Konkurs gekommen, d. h. zu einer Zeit, da der An-
spruch auf sie bestanden habe; nach Art. 269 ß. G. sei dem-
nach nicht der Kläger, sondern dessen Konkursmasse forde-
rungsberechtigt Auf Grund dieser Einwendung ist die Klage
vom Bundesgericht zur Zeit abgewiesen worden, im wesent-
lichen aus folgenden Gründen:
Es steht fest, dass E. nach Ausstellung des fraglichen
Verpflichtungsscheines in Konkurs gefallen ist, und es be-
hauptet der Kläger selbst nicht, dass der Konkurs in seinen
civilrechtlichen Folgen dahingefallen sei, dass ein Widerruf
desselben stattgefunden habe. Wenn er sich nämlich darauf
berufe, dass er rehabilitiert und der Konkurs ausgetragen sei,
so will er mit letzterer Bemerkung offenbar nur sagen, dass
das Verfahren durchgeführt sei, und was die Rehabilitation
betrifft, so bezieht sich diese nur auf die öffentlich-rechtlichen
Folgen des Konkurses und ist für die heute streitige civil-
rechtliohe Frage völlig unerheblich. Durch die Konkurs-
eröffnung nun ist der Kläger den Konkursgläubigern gegen-
über in seiner Dispositionsbefugnis über die Vermögensstücke,.
30
-die in die Masse fielen, gemäss Art. 204 Abs. 1 B. G. einge-
stellt worden. Insbesondere konnte er auch über Forderun-
gen, die zur Masse gehörten, nicht mehr frei verfügen, d. h.
er durfte solche weder abtreten oder in seinein persönlichen
Interesse zur Kompensation verwenden, noch durfte er sich
dafür zu seinen Händen Zahlung leisten lassen. In letzterer
Hinsicht ist zum Sohutze der Gläubiger in Art 205 Abs. 1
B. Gr. ausdrücklich bestimmt: „Forderungen, die zur Kon-
kursmasse gehören, können nach Eröffnung des Konkurses
nicht mehr durch Zahlung an den Gemein Schuldner getilgt
werden; eine solche Zahlung bewirkt den Konkursglänbigern
gegenüber nur insoweit Befreiung, als das geleistete in die
Konkursmasse gelangt ist." Daraus folgt denn, dass der
Schuldner eines Gemeinschuldners, der von diesem auf Be-
zahlung einer zur Masse gehörenden Forderung belangt wird,
den Nachweis verlangen kann, dass die Gefahr, doppelt be-
zahlen zu müssen, nicht besteht, und dass er die Zahlung
verweigern kann, so lange dieser Nachweis nicht geleistet
ist. Dadurch nun, dass der Konkurs verpflogen ist, erscheint
die Gefahr für den Drittschuldner, doppelt bezahlen zu müssen,
und damit die daraus hergeleitete sogenannte Einrede der
mangelnden Aktivlegitimation nicht als beseitigt. Die Dis-
positionsbesohränkung des Gemeinschuldners bezieht sich auf
alles Vermögen, das in die Konkursmasse gehört. Dasselbe
ist den Gläubigern verstriokt, ihrem Besohlagsreoht verfallen,
ob dieses thatsächlich ausgeübt werde oder nioht. Es ergiebt
sich dies nicht nur aus der allgemeinen Fassung von Art. 197
B. G., wonach sämtliches Vermögen, das dem Gemeinsohuld-
ner zur Zeit der Konkurseröffnung angehört, gleichviel wo
sich dasselbe befindet, die Konkursmasse bildet, sondern auch
aus Art. 269 Abs. 1 1. c. Die aus Art. 205 B. G. herge-
leitete Einrede steht somit der Klage auch nach Durchfüh-
rung des Konkurses noch entgegen, d. h. es brauchen sich
die Beklagten auf dieselbe auch jetzt und so lange nicht ein-
zulassen, bis der Kläger den Nachweis erbringt, dass die
Gefahr, doppelt bezahlen zu müssen, nioht mehr besteht.
Fraglich kann darnach nur noch sein, ob die Forderung, die
den Gegenstand der Klage bildet, in die Konkursmasse ge-
hörte. Dies ist aber zu bejahen. Der Rechtsgrund, auf welchen
«ich die Forderung stützt, liegt in dem Verpflichtungsschein
vom 8. Dezember 1891. Nach diesem bedurfte es keiner wei-
tern Thätigkeit des Berechtigten mehr, um die in ihrem
Rechtsgrund vorhandene Forderung zu einer existenten zu
machen. Dieselbe war allerdings in ihrer Höhe unbestimmt
31
-und deren realer Inhalt abhängig von zukünftigen Thatsachen.
Wenn jedooh diese eintraten, so gewann damit ohne weiteres,
ohne dass es irgend einer andern Thätigkeit des Klägers be-
durfte, sein Forderungsreoht nach Massgabe des Verpflich-
tungsscheines eine feste Gestalt. Zur Konkursmasse gehören
aber nicht nur ihrem Betrage nach bestimmte oder fest be-
stimmbare Forderungen, sondern auch bedingte und solche,
die in ihrer Höhe erst durch spätere, vom Willen des Be-
rechtigten unabhängige Thatsachen bestimmt werden. (Entsch.
vom 19. Oktober 1899 i. 8. Eisenhut- Geisaberger c. Gebr.
Gegauf.)
20. Bundesgesetz betr. Schuldbetreibung und Konkurs vom
29. Apr'd 1889, Art 219 ff., 250 Abs. 3. Rechtsverhältnis,
wenn durch einen nach Ausbruch des Konkurses abgeschlossenen
Nachlassvertrag der Konkurs aufgehoben, aber die Liquidation
des schuldnerischen Vermögens nach Vorschrift des Gesetzes
der Konkursverwaltufig und dem Gläubigerausschusse überl<issen
wird. — Rechtsstellung desjenigen, welcher eine vom Gemein-
schuldner errichtete und verpfändete (luzernische) Gült an der
konkursrechtlichen Versteigerung erworben hat. — Art 250 Abs. 3
ist auf die Anfechtung der Verteilungsliste nicht anwendbar.
Im Konkurse der Gesellschaft S. & Gie auf Rigi-Kaltbad
war am 25. Februar 1893 ein gerichtlich bestätigter Nachlass-
vertrag zu Stande gekommen, wonach die schuldnerische Ge-
sellschaft „den Konkursgläuhigern ihr sämtliches liegendes
und fahrendes Guthaben laut konkursamtlicher Aufstellung
freiwillig zur Liquidation mittelst öffentlicher Steigerung und
Verteilung naoh Vorschrift des Gesetzes" abtrat, wogegen
die Kreditoren erklärten, sich mit dieser Güterabtretung unter
Verzichtleistung auf den nicht gedeckten Rest ihrer Forde-
rungen zu begnügen. Die Liquidation wurde auch nach Ab-
8chlus8 des Nachlassvertrages und Widerruf des Konkurses
durch die im Konkurse bestellte Konkursverwaltung in Ver-
bindung mit dem Gläubigerausschusse im allgemeinen in den
Formen und gemäss den Vorschriften des Bundesgesetzes
betr. Schuldbetreibung und Konkurs durchgeführt.
Für ein von der schuldnerischen Gesellschaft aufgenom-
menes Partialobligationenanleihen (dessen Inhaber im Kollo-
kationsplane mit Fr. 1,082,147.90 Kolloziert wurden), waren
eine Anzahl (147) auf dem Hoteletablissement der Gesell-
schaft und dem sogenannten Vorlande errichtete Gülten faust-
pfändlich hinterlegt worden. Die verpfändeten Gülten wurden
am 16. März 1893 öffentlich versteigert, wobei nach den
32
Steigerungsbedingungen jede Nachwährschaft seitens de»
Gläubigerausschusses und der Konkurs -Verwaltung weg-
bednngen war; sie wurden zum grössten Teile von der Be-
klagten, einer Aktiengesellschaft, zu welcher die grosse Mehr-
zahl der Obligationäre zusammengetreten war und der sie
ihre Rechte abgetreten hatten, versteigert; die Beklagte er-
warb übrigens nach der Gültsteigerung auch die an dieser
von dritten erworbenen Gülten.
An der an» 13. April 1895 stattgefundenen Steigerung-
über das Hoteletablissement und Vorland ergab sich auf dem
Nominalbetrage der Gülten der Beklagten ein Verlust von
Fr. 276,410.37.
In der am 5. November 1895 von der Konkursverwaltung
aufgestellten Verteilungsliste wurde die Beklagte in V. Klasse
einerseits mit dem Betrage ihrer Obligationsforderung, der
durch den Faustpfand erlös nicht gedeckt worden war
(Fr. 510,175.06), andrerseits aber auch mit dem Verluste
(von Fr. 276,410.37), welchen sie als Gültinhaberin auf den
Liegenschaften erlitten hatte, berücksichtigt; für letzteren
Verlust wurden ihr Fr. 59,060.60 fruchtbar angewiesen und
in der Folge ausbezahlt. Die Kläger, welche in der Liquida-
tion der Gesellschaft S. & Cie mit anerkannten Forderungen
teilweise in Verlust geraten waren, erhoben nun gerichtliche
Klage gegen die Beklagte, indem sie verlangten, a) dieselbe
habe eine Abänderung der Verteilungsliste dahin anzuerkennen,
dass die Beklagte in V. -Klasse nur mit der Summe von
Fr. 510,175.06 zur Partizipation am Massagute zugelassen,,
dagegen mit der weitergehenden Partizipationsquote von
Fr. 276,410.37 von der darauf zugeteilten Liquidations-
dividende von Fr. 59,060.60 wegzuweisen sei, eventuell
letztere in die Masse zu restituieren habe, samt Zins à 5 °/<k
seit Empfang, b) Dass die obgenannte zu viel zugeteilte und
eventuell zu restituierende Liquidations- Dividende von
Fr. 59,060.60 den Klägern soweit nötig zur Deckung ihrer
zur Repartition zugelassenen und ungedeckt gebliebenen An-
sprachen im Gesamtbetrage von Fr. 42,523.23 zuzuteilen sei-
Das Bundesgericht hat die Klage in der Beschränkung
gutgeheissen, dass es die Beklagte verurteilt hat, den Klägern
einen Betrag von Fr. 4904.93 nebst Zins zu 4 °/o vom
29. November 1895 bis 20. November 1896 und Zins zu 5%
seit 20. November 1896 zu erstatten.
In den Gründen dieses Urteils wird im wesentlichen
ausgeführt: Die Kläger können eine Abänderung der Teilungs-
liste nur insoweit verlangen, als sie daran interessiert seien,.
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33
auch nur dasjenige herausverlangen, was ihnen nach den
massgebenden Teilungsgrundsätzen von dem den Beklagten
zu viel Zugeteilten zukomme; dagegen seien sie nicht be-
rechtigt, für andere Teilnehmer an der Liquidation klagend
aufzutreten und Restitution der diesen zukommenden Beträge
an die Masse zu verlangen. In dieser Beschränkung sei die
Klage statthaft und prinzipiell nach eidgenössischem Rechte,
dem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetze, zu beurteilen,
dessen Vorschriften auf die Liquidation seit dem Abschlüsse
des Nachlassvertrages und dem Widerrufe des Konkurses
kraft des Parteiwillens als lex contraotus zur Anwendung
kommen. Zwischen den an der Liquidation beteiligten Gläu-
bigern bestehe eine Gemeinschaft zum Zwecke der Liquida-
tion der Aktiven des Schuldners nach Konkursrecht, mit
deren Durchführung die Konkursverwaltung und der Gläubiger-
ausschuss beauftragt worden seien, die aber hiebei nicht mehr
in amtlicher Stellung (unter Kontrolle der staatlichen Auf-
sichtsbehörden), sondern kraft privatrechtlichen Auftrages zu
handeln haben.
Den einzelnen Teilnehmern an dieser Gemeinschaft müsse
(ausser der Mandatsklage gegen die Beauftragten) auch eine
Klage gegen ihre Genossen jedenfalls insoweit zustehen, als
es sich um die Feststellung der gegenseitigen aus dein Ge-
meinschaftsverhältnisse sich ergebenden Rechte und Ver-
pflichtungen handle. Die Kläger können daher ihre Ansprüche
an der Teünngsraasse gegenüber den kollidierenden An-
sprüchen der Beklagten auf dem Wege der gerichtlichen
Klage gegen letztere geltend machen. Die Verteilungsliste
der Liquidationsorgano enthalte lediglich einen vorläufigen
Bescheid, während die endgültige Festsetzung der gegen-
seitigen Ansprüche einem gerichtlichen Verfahren zwischen
den interessierten Parteien vorbehalten bleiben müsse. In der
Sache selbst sei einzig die Anweisung bestritten, welche die
Beklagte als Inhaberin einer Anzahl Gülten auf die liqui-
dierte Liegenschaft als Kurren tgläubigerin in Klasse V für
denjenigen Betrag ihrer Gülten erhalten habe, der durch den
Liegenschaftserlös nioht gedeckt worden sei. Der Liquidator
habe diese Anweisung gestützt auf § 36 des luzernisohen
Eiiiführungsgesetze8 zum Bundeegesetze über Schuldbetreibung
und Konkurs erteilt, wonach der nicht gedeckte Betrag grund-
versicherter Forderungen nach Art. 219 Abs. 4 B.-Ges. kollo-
ziert werde. Dem gegenüber führen die kantonalen Gerichte
aus: im Momente des Konkursausbruches habe eine grund-
versioherte Forderung zu Gunsten der Faustpfandgläubiger
34
nicht bestanden; die blosse Pfandgabe der Gülten begründe
noch keine persönliche Haftbarkeit des Pfandgebers für die
Güte der Gült, und das s vorliegend eine solche kraft Partei-
willens hätte begründet werden können, sei um so weniger
anzunehmen, da ja die Pfandgeberin ohnehin Schuldnerin des
Obligationenkapitals gewesen sei, zu dessen Sicherstellung
die Pfandbestellung erfolgt sei. Durch das Konkursverfahren
hätten neue Forderungen an den Gemeinschuldner nicht be-
gründet werden können, 'somit habe auch die konkursrecht-
liche Versteigerung der Gülten nicht diese Folge haben können.
Diese auf der Auslegung des kantonalen Rechtes beruhende
Schlussfolgerung der kantonalen Instanzen sei vom Bundes-
ferichte als richtig hinzunehmen, sofern sie nicht mit den
undesrechtlichen Vorschriften über die Zwangsliquidation in
Widerspruch gerate. Dies sei aber nicht der Fall, im Gegen-
teil könnte sich fragen, ob nicht eine gegenteilige Auffassung
als mit dem eidgenössischen Rechte unverträglich bezeichnet
werden müsste.
Art. 219 Abs. 4 B.-Ges., auf welchen die Beklagte sich
berufe, treffe wohl soweit zu, als nach demselben die Be-
klagte für den Ausfall an ihrer Obligationsforderung, den sie
bei der Versteigerung ihrer Faustpfänder erlitten habe, in
Klasse V in Konkurrenz mit den übrigen Gläubigern anzu-
weisen gewesen sei. Dagegen könne sich die Beklagte auf
Art. 219 Absatz 4 in ihrer Eigenschaft als .Ersteigerer der
Gülten nicht berufen. Wenn überhaupt für die Erwerber der
liquidierten Gülten eine persönliche Forderung an die Ge-
meinschuldnerin entstanden sei, so sei dies jedenfalls erst
mit der Versteigerung geschehen. Eine solche Forderung ge-
höre aber nicht zu denjenigen, die im Konkurse zu berück-
sichtigen seien, da dieser als einheitliche Operation die Be-
friedigung der im Zeitpunkte der Konkurseröffnung bestehen-
den Forderungen bezwecke. Die konkursrechtliche Versteige-
rung von Gülten, die von ihrem Errichter zu Pfand gegeben
worden seien, müsste zudem, nach dem Wesen des Konkurses
als einer Gesamtliquidation, notwendigerweise zu der Steige-
rung der belasteten Liegenschaften in Beziehung gebracht
werden. Das Gültenrecht könne daher dem Gemeinschuldner
bezw. der Masse gegenüber nur auf die Liegenschaften
und deren Erlös gehen und es können diesen gegenüber nach
der Versteigerung nicht mehr Rechte aus den Gülten her-
geleitet werden als vorher damit verknüpft waren. Es sei
daher auch vom Standpunkte des eidgenössischen Konkurs-
rechtes aus richtig, dass die Vorinstanzen die Beklagte für
/
y
•den (nominellen) Verlust, den sie als Gültinhaberin durch die
Verwertung der verhafteten Liegenschaften unter dem Nenn-
werte der Gülten erlitten habe, nicht zur Partizipation an
der Liquidationsmasse zugelassen und die Berichtigung der
Verteilungsliste in diesem Sinne angeordnet haben. Zu Un-
gunsten der Kläger sei nun aber der Beklagten nur ein Be-
trag von Fr« 4904.93 zu viel zugeteilt und ausgezahlt worden.
Der Anspruch der Kläger, dass ihnen auch derjenige Teil des
von der Beklagten zu Unrecht Bezogenen zugeteilt werde,
der andern am Prozesse nicht beteiligten Gläubigern hätte
zugeschieden werden sollen, sei unbegründet. Art. 250 Abs. 3
des Schuld betreibung8- und Konkursgesetzes, auf welchen sie
«ich berufen, sei eine singulare Bestimmung, welche sich nur
auf die Anfechtung des Kollokationsplanes beziehe, nicht aber
auf die Anfechtung der Verteilungsliste anzuwenden sei. Bei
Anfechtung der Verteilungsliste treffen, da hier die Rechts-
stellung der Parteien durch den Kollokationsplan schon fest-
gestellt sei, die Gründe, welche die singulare Norm des Art.
250 Abs. 3 für die Kollokationsstreitigkeiten rechtfertigen,
nicht zu. (Ent8oh. v. 12. Oktober 1899 i. S. Erben Segesser-
Faaden und Paul Segesser c. Aktiengesellschaft Hôtel Rigi-
Kaltbad.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
21. Irrtum ausgeschlossen durch notwendig vorausgesetzte
Geschäftskenntnis des Käufers. Art. 19 0. R.
Aargau. Urteil des Handelsgerichts v. J. 1897/98.
Ein Käufer von 300 Liter Rhum verweigerte die An-
nahme der Ware mit der Einrede, er habe sich über
deren Preis geirrt und insbesondere nicht gewusst, dass eine
Alkoholmonopolsteuer von Fr. 360. 90 dafür bezahlt werden
müsse. Diese Einrede wurde aber verworfen.
Gründe: Nach dem Eintrag ins Handelsregister betreibt
der Beklagte eine Branntweinbrennerei und Wirtschaft. Der
Richter muss daher annehmen, dass der Beklagte, ohne dass
er besonders darauf aufmerksam gemacht wurde, wusste oder
doch wissen konnte, dass für den streitigen Rhum eine nicht
unbedeutende Alkoholmonopolsteuer bezahlt werden müsse.
Als Branntweinbrenner und Wirt ist der Beklagte zweifellos
36
mit den diesbezüglichen Verhältnissen vertraut; jedenfalls
durfte der Reisende der Klägerin voraussetzen, dass der Käufer
die Bestimmungen betreffend die Alkoholmonopolgebühren
kenne, so dass er nicht schlechthin verpflichtet war, denselben
ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen. Andrerseits
mu8ste der Beklagte aus der Preisofferte notwendig schliessen,
dass die Bezahlung sämtlicher Spesen und Gebühren dem
Käufer auffalle und dass die Gebühren nicht geringe sein
können. Rhum mittlerer Qualität wurde im Dezember 1896
und wird auch heute mit Fr. 1. 80 bis Fr. 2. 30 per Liter
bezahlt. Der Beklagte musste das wissen; er hatte also*
keinen Grund anzunehmen, dass ihm der Reisende des Klä-
gers Rhum zu dem ausnahmsweise billigen Preis von 80 Cts.
bezw. Fr. 1.20 offeriere. Ein Irrtum im Sinne des Art. 19
0. R. war daher bei diesen Verhältnissen ausgeschlossen.
(Bericht des A arg. Handelsgerichts für 1897/98 an den Gr. Rat des
Kt. Aargau, S. 16/)
22. Betrug, berechtigt bloss zu Vertragsaufhebung, nicht
zu Schadenersatz für den aus Haltung des Kaufes resultierenden*
Nachteil. Minderungsklage t Art. 28, 50, 243 0. R.
Zürich. Urteil der Appellationskammer des Obergerichts vom 2. Mai
1899 in S. Schmid c. Bolliger.
Am 6. Januar 1898 kam zwischen den Parteien ein Ver-
trag zu stände, wonaoh der Beklagte Bolliger dem Kläger
Schmid ein an der Rieterstrasse Zürich II gelegenes Wohn-
haus mit Umgelände zum Preise von Fr. 105,000. — verkaufte..
Der Verkäufer Bolliger machte dabei dem Käufer die Zu-
Sicherung, dass die Mietzinserträgnisse des Hauses die Summe
von im ganzen Fr. 4320. — erreichen. Nach «1er Fertigung
stellte es sich nun aber heraus, dass dieser Betrag vom Be-
klagten um Fr. 320. — zu hoch angegeben worden war, und
es verlangte daher der Kläger eine Entschädigung von
Fr. 8000.—. Das Bezirksgericht Zürich III. Abtl. hiess die
Klage im Betrage von Fr. 7000. — gut. Die Appellations-
karomer des Obergerichtes dagegen hat den Entschädigungs-
anspruch des Klägers verworfen.
Gründe: 1. Hinsichtlich der Schadenersatzforderung
von 8000 Fr. hat die erste Instanz als bewiesen angenommen,,
dass der Beklagte dein Kläger doloser Weise unrichtige An-
gaben bezüglich der Mieterträgnisse der verkauften Liegen*
Schaft gemacht habe.
37
Es fragt sieb, ob der Kläger, der nicht gemäss Art. 24
"O. R. den Kaufvertrag als unverbindlich erklärt, sondern ihn
halten will, dennoch den ihm entstandenen Schaden einklagen
könne. Wenn in dieser Beziehung das Bezirksgericht auf
•die Bestimmung des Art. 28 abstellt, so ist zu sagen, dass
diese Gesetzesbestimmung nicht etwa eine neue Grundlage
für eine eigenartige Schadenersatzforderung schafft (was aller-
dings ein in der Revue jud. 1894 S. 261 enthaltenes Urteil
anzunehmen scheint), sondern lediglich bestimmt, dass die
Genehmigung des Vertrags nicht die Geltendmachung einer
«llfälligen, auf Art. 50 zu basierenden Klage ausschliesse.
Als Schaden, der demnach in Betracht fällt, kann nun
aber nicht der Nachteil betrachtet werden, der dem Käufer
infolge der Haltung des Kaufvertrages erwächst. Denn diesen
Schaden hätte er durch Bestreitung der Gültigkeit des Kauf-
vertrags abwenden können. Das Gesetz würde offenbar dies
•ausdrücklich sagen, wenn es den Grundsatz hätte aufstellen
•wollen, dass der Käufer im Falle des Art. 24 entweder den
Vertrag nicht gelten lassen oder den Nachteil einklagen
könne, der ihm bei Nichtanfechtung desselben entstehe. In
Präge kann also nur ein weiterer Schaden kommen, den der
Käufer auch einklagen könnte bei Nichthalten des Kaufes,
das negative Vertragsinteresse. Die Meinung des Art. 28 ist
lediglich die, dass ein solcher Schaden auch dann, wenn der
Kauf gehalten wird, dennoch einklagbar sei. Dooh ist dies
-weiter nicht auszuführen, da der Kläger einen solchen Scha-
den gar nicht behauptet hat.
Die Motive zum Entwurf für das deutsche bürgerliche
Gesetzbuch (Bd II S. 756) beantworten allerdings die vor-
würfige Frage in entgegengesetztem Sinne, davon ausgehend,
dass durch den Yertragsabschluss der Schaden entstanden sei,
so dass er nun entweder infolge Anfechtung des Vertrags
oder durch Einklagung einer Entschädigungssumme seine
Wirkung übe. Allein nach dem durch die Theorie und Praxis
der einschlägigen Bestimmungen des 0. R. gegebenen Aus-
legung (vergi, v. Tuhr in der Zeitschrift f. Schweiz. R., N. F.,
XVII S. I f.) ist der Vertrag, bei dem der eine Teil durch
betrügerische Handlungen des andern zum Abschlüsse be-
stimmt wurde, nicht nur anfechtbar wie nach dem deutschen
bürgerlichen Gesetz § 124, sondern unverbindlich für den
Betrogenen. Geht man hievon aus, so kann also auch nicht
gesagt werden, dass dieser nichtige Vertrag eine schädigende
Wirkung dem gegenüber ausüben könne, der ihn nicht zu
.genehmigen braucht.
38
Von einem andern Gesichtspunkte aus kommt allerdings
v. Tuhr, 1. c. Seite 19 dazu, dem betrogenen Teile eine Scha-
densersatzklage einzuräumen, indem er unterscheidet zwischen
dem Falle, wo der eine Teil ohne die Vorspiegelungen des
andern überhaupt einen Vertrag nicht abgeschlossen hätte
(hier soll der Vertrag ungültig sein), und dem Falle, wo der
Dolus des einen Kontrahenten den andern lediglich zur Ac-
ceptieruog weniger günstiger Bedingungen veranlasst, — hier
soll dieser den Schaden einklagen, dagegen nicht den Vertrag
als unverbindlich erklären können. Allein für eine solche
Unterscheidung bietet der Wortlaut des Gesetzes durchaus
keine Anhaltspunkte. Auch würde die Durchführung des-
selben das Resultat haben, dass der betrogene Teil durch
seine Klage thatsächlich bessere Vertragsbedingungen er*
zweoken und erreichen würde als die vereinbarten. Mit Recht
hat daher die Gerichtspraxis den Vertrag für den betrogenen
Teil in allen Fällen als unverbindlich erklärt, in denen der
Irrtum, in dem er sich beim Abschlüsse befand, durch be-
trügerische Handlungen des andern Teiles erregt wurde.
2. Wenn die Klage nach den gemachten Ausführungen
nicht auf Art. 50 gestützt werden kann, so kommt weiter in
Frage, ob der Kläger seine Forderung auf Art. 243 begründen,
also die Minderungsklage anstellen könne. Doch ist dies zu
verneinen. Die Angabe des Verkäufers eines Gebäudes, es-
trage eine bestimmte Summe von Mietzinsen ein, ist nicht
die Zusicherung einer dem Objekte innewohnenden Eigen-
schaft. Der Mietwert bestimmt sich vielmehr aus den vor-
handenen Eigenschaften der Sache, die hier nioht fraglich»
sind, und über die der Verkäufer, unrichtige Angaben nicht
gemacht hat. Behauptungen, die der Eigentümer aufstellt
und die zwar auf die verkaufte Sache Bezug haben, aber
nicht Eigenschaften derselben betreffen, können daher wohl
im Falle ihrer Unrichtigkeit zur Anwendung des Art. 24,
nicht aber zur Geltendmachung des Art. 243 führen. (Vergi.
Rech.-Ber. 1888 Nr. 118 und Handelsr. Entsch. Bd XVI S. 122.>
(Schweizer Blätter f. h.-r. Entsch., XVIII S. 237 f.)
29. Action en dommages-intérêts, fondée sur les en-
quêtes du tribunal pénal et la condamnation pénale. Inadmissi-
bilité de la preuve contraire devant le juge civil. Art. 59 C. 0-
Genève. Jugement de la Conr de justice civile du 29 avril 1899 d.
1. c. Dreyfus c. Lacombe.
Lacombe a assigné Dreyfus en paiement de 300 fr., à
titre de dommages-intérêts, et a articulé que D. l'avait, 1&
39
28 inai 1898, sans droit, roué de coups, jeté à terre, puis lui
avait donné de* coups de pied dans le ventre et qu'il en
était résulté, pour lui, une incapacité de travail et la perte
de ses vêtements; que ces faits avaient été établis par le
jugement du Tribunal de police qui a condamné D. à 40 fr.
d'amende. Dreyfus soutient qu'il avait agi en état de légitime
défense, ce qu'il offre à prouver, et que le juge civil n'était
pas lié par les appréciations du juge pénal. Sur cette excep-
tion la Cour, en confirmant le jugement de première instance,
se prononce comme suit:
Attendu qu'en admettant que l'art. 59 C. 0. doive être
étendu aux dispositions de l'art. 50, alors qu'il ne vise ex-
pressément que les art. 56, 57 et 58, il dispose seulement
que le juge n'est pas lié par l'acquittement prononcé au pé-
nal et ne fait aucune mention du cas où l'auteur du dom-
mage a été condamné;
Considérant que la condamnation prononcée au pénal lie
nécessairement le juge civil, au moins en ce qui concerne la
preuve de l'existence de l'acte illicite;
Que les tribunaux civils saisis d'une demande en dom-
mages-intérêts à raison d'un acte illicite pour lequel son au-
teur a été condamné au pénal ne peuvent pas davantage en
méconnaître l'existence, que ne le pourrait le juge pénal lui-
même, si la victime de l'acte illicite avait formé devant lui
une demande de dommages-intérêts après le verdict de cul-
pabilité ;
Que la seule chose qui puisse être discutée devant le
juge civil est l'étendue du dommage causé;
Qu'il suit de là que la preuve offerte par Dreyfus n'est
pas admissible. (La Semaine judiciaire, XXI p. 623 sh.>
24. Haftpflicht des Eigentümers von Tieren für Ver-
letzung durch diese. Art. 65 0. R.
HU Gallen. Urteil des Kantonsgeriehts vom 10./18. November 1899.
Der während zwölf Jahren bei Pferdehändler ß. als
Pferdekneoht in Dienst stehende A. wurde beim Füttern der
Pferde im Stalle des B. von einem Pferde in die Kniekehle
geschlagen und erlitt eine schwere Verletzimg. Das Geschäft
des B. ist der Haftpflicht aus Fabrikbetrieb nicht unterstellt.
A. klagte gegen B. eine Entschädigung ein auf Grund von
Art. 65 0. R., dessen Voraussetzungen hier vorlägen, weil
das Pferd ein bösartiges gewesen sei und der Eigentümer die
40
nötige Aufsicht schuldhaft unterlassen habe. Das Kantons-
gericht hat die Klage abgewiesen. Aas der Begründung ist
hervorzuheben :
Der Art. 65 knüpft die Haftpflicht des Pferdehalters fur
Schaden, den sein Tier anrichtet, an eine sohuldhafte Un-
terlassung. Eine solche setzt die Möglichkeit einer Handlung
voraus, womit dem Sohaden hätte vorgebeugt werden können.
Wenn z. B. der Pferdehändler ein Tier, das er als bösartig
kennt, ankauft, in seinen Stall verbringt und seinem Pferde-
wärter in Pflege und Besorgung giebt, ohne diesen, der das
Tier noch nicht kennt, auf dessen Bösartigkeit und gefahr-
liche Untugenden aufmerksam zu machen, so begeht er
zweifellos dem Wärter gegenüber eine schuldhafte Unterlas-
sung, für deren Folgen er ihm nach Art. 50 O. R. aufzu-
kommen hätte. Nun hat aber A. von Ende September bis
zum 28. Dezember 1898, d. h. von der Rückkehr des Pferdes
aus dem Militärdienst bis zur Verletzung des A. Gelegenheit
gehabt, die Bösartigkeit des Pferdes kennen zu lernen. Er
hat auch gar nicht behauptet, sie nioht gekannt zu haben,
und sein Nebenknecht hat ausdrücklich bezeugt, dass ihnen
beiden das Pferd als bösartiger Baisser und Schläger bekannt
gewesen sei.
Unter den heutigen Parteien aber erscheint die Anwen-
dung des Art. 65 0. R. auf die dem A. am 28. Dezember 1898
zugestossene Verletzung grundsätzlich und gänzlioh ausge-
schlossen durch die freiwillige und dienstvertragliche Ueber-
nahrae der Pflege und Wartung des ihm als bösartig be-
kannten Pferdes seitens des A. Wer sich bei einem Pferde-
händler als Pferde wärter und Stallknecht verdingt, und
diesen Dienst schon so lange versehen hat wie A., der weiss
aus eigener Erfahrung, dass er sich auf öftern Wechsel im
Pferdebestand gefasst zu machen hat, und dass dabei neben
gutartigen auch recht bösartige Tiere in seine Besorgung
geraten. Er kennt also die Gefahren, denen er ausgesetzt sein
wird. — Aber mit der Pflege und Wartung hat er auch
diese damit verbundenen Gefahren und die daraus sich etwa
ergebenden Schädigungen zu tragen übernommen. Zu deren
Abwehr ist er daher nach der Natur der Sache vornehmlich
auf seine eigene Vorsicht und Umsicht, auf seine persönliche
Kraft und Gewandtheit verwiesen.
(Eiltech, des Kantonegerichts St. Gallen i. J. 1899, S. 77 ff.)
41
25. Holschuld oder Bring schul dì Art. 84 0. R.
Ben. 'Urteil des Appellations- and KaBsationshofes vom 25. Juni
1898 i. S. Blau c. Bächler.
Blau hatte an Bächler aus Milchlieferungen noch Fr. 1570.28
zu fordern und liess ihn zur Zahlung dieses Betrags hinnen
fünf Tagen auffordern. Bächler antwortete, er solle das Geld
'bei ihm abholen. „Aber," wie es ira Protokoll des Friedens-
richters heisst, „der Kläger will den Betrag nicht holen und
der Beklagte solchen dem Kläger nicht bringen." Da wurden
.nun zwei Instanzen mit der Bache behelligt. Die zweite sprach:
Massgebend für die Entscheidung dieser Frage ist Art. 84
O. R., wonach für Geldschulden als Regel gilt, dass sie am
Wohnsitze des Gläubigers, den dieser am Erfüllungstage
hatte, zu zahlen sind, welche Regel aber dahin&llt, wenn
durch Parteivereinbarung ein anderer Erfüllungsort bestimmt
ist. Es fragt sich zunächst, ob die erstere Vorschrift wört-
lich zu nehmen sei, so dass es genügen würde, wenn die
Geldschuld überhaupt in dem Orte des Wohnsitzes des Gläu-
bigers angeboten wird, wie sich der französische Text des
Gesetzes ausdrüokt (dans le lieu où le créancier a son do-
micile). Wäre die Frage zu bejahen, so hätte im vorliegenden
Falle, wenn man von allfälligen Vereinbarungen der Parteien
absieht, der Beklagte die geschuldete Leistung unter allen
Umständen am richtigen Orte angeboten, da sowohl der Kläger
als der Beklagte am nämlichen Orte, in Rüegsauschachen,
ihren Wohnsitz haben. Indessen ist klar, dass wenn man
nicht zu absurden Eonsequenzen gelangen will, die erwähnte
Bestimmung dahin ausgelegt werden muss, dass die Zahlung
in das Haus, das Gesohäftslokal, die Wohnung des Gläubi-
gers zu effektuieren ist (vergi. Schneider und Fiok, 2. Aufl.
der grössern Ausgabe, Anm. 2 zu Art. 84). — Und so geht
es in behaglicher Breite unendlich lang weiter; man weiss
nicht, so 11 man sich mehr über die Trölerei der Parteien
oder über die Ernsthaftigkeit, mit der das Gerioht diese Lap-
palie behandelt, verwundern.
(Zeitsohr. des Bern. Jur.-Ver., XXXV S. 215 ff.)
26. Prescription. Transaction postérieure à la prescription.
Prétendue novation. Art. 142, 146 C. 0.
Genève. Jugement du Tribunal de première instance du 7 décembre
1897 d. 1. c. dame Dupuis c. Tiasot.
Dame Dupuis conolut à la condamnation de Tissot à la
somme de 575 fr. Tissot excipe de prescription, invoquant
42
qu'il s'est reconnu débiteur de la demanderesse d'une somme
totale de fr. 6295.— les 2 octobre 1876 et 15 juillet 1879,
et que dono toute action, en vertu de ces titres, est prescrite.
Dame Dupuis offre de prouver qu'en mars 1897, Tissot au-
rait consenti, malgré la prescription acquise, et à titre de
transaction acceptée par elle, à lui payer une somme de
800 fr. pour solde, soit 500 fr. comptant et 25 fr. par mois,
dès le 1er juillet 1897, jusqu'à extinction de ce solde de 800 fr.
De l'aveu de la demanderesse, il s'agirait de sa créance pri-
mitive, mais qu'elle aurait consenti, en mars 1897, à réduire
à fr. 800. — pour solde, à titre de transaction.
Le Tribunal a rejeté l'offre de preuve de la demanderesse
comme inadmissible en présence de l'art. 187 loi de proc. civ.
et a débouté la demanderesse de ses conclusions, en se pro-
nonçant comme suit:
Attendu qu'il ne peut s'agir, en l'espèce, d'une novation
(Art. 142 C. 0.), c'est-à-dire d'une nouvelle dette substituée
à l'ancienne, car (ainsi que le dit Rössel, Manuel, p. 187 s.),
la novation suppose deux obligations, l'une qu'elle est des-
tinée à éteindre et l'autre qu'elle crée en remplacement de
cette dernière, mais il est une condition indispensable en-
matière de novation, c'est que celle-ci ne peut se produire
si l'une des obligations est inexistante ou frappée de nullité
absolue ;
Or, dans l'espèce, la créanoe primitive de dame Dupuis,
suivant reconnaissances des 2 ootobre 1876 et 15 juillet 1879,
étant prescrite, ne constitue qu'une obligation qui a cessé
d'exister de par la loi et ne peut, dès lors, faire l'objet d'une
novation, cai* une dette nouvelle ne peut être substituée à
Une dette qui n'existe plu8. (La Semaine judiciaire. XX p. 684 m.1
27. Assurance contre les accidents. Réticence ou dé-
claration fausse de l'assuré sur la nature de ses occupations
ordinaires. Annulation du contrat d'assurance.
Neneh&tel. Jugement du Tribunal cantonal da 14 novembre 1898
d. 1. c. Eckert c. Compagnie „La France industrielle. u
Pierre Eckert, maître d'hôtel et voiturier à Saint-Biaise,
a souscrit une proposition d'assurance individuelle contre les
accidents auprès de la Compagnie „La France industrielle.*
La proposition renfermait les deux questions:
„Sa profession?"
„Ses occupations accessoires l'exposent-elles plus parti-
culièrement à des accidents ?"
43-
A la première, il répondit: „maître oThôtel," et à la
seconde: „non."
Sur la foi des déclarations contenues dans la proposition,,
la Compagnie rangea Eckert dans les deux premières classes
comprenant les personnes ayant une profession sédentaire,
resp. ayant une profession non sédentaire, mais ne se livrant
à aucun travail manuel, c'est-à-dire elle admit en faveur de
l'assuré, au lieu de le ranger uniquement dans la deuxième
classe, une combinaison un peu plus favorable et fixa la prime
à fr. 43.95 (au lieu de la prime de fr. 45. — de deuxième-
classe). C'est sur cette base que le contrat d'assurance fut
signé par les parties, le 29 novembre 1880. Le 16 juin 1897,
Eckert conduisit le juge d'instruction dans les environs de
Saint-Biaise. Revenu devant son éourie, il se disposait à des-
cendre de son siège; mais son cheval ayant fait un brusque
mouvement, il tomba à califourchon sur une des roues de la
voiture et subit des lésions corporelles diminuant sa capacité
de travail de moitié au moins. Il introduisit contre la Com-
pagnie une action en payement de la somme de fr. 5430. — .
La Compagnie opposa les moyens suivants: Si Eckert avait
annoncé qu'il était voiturier, il rentrait dans la 4me classe et
aurait payé annuellement fr. 77.50; la Compagnie a donc été
induite en erreur par l'indication inexacte de l'assuré sur la
nature de ses occupations habituelles. La responsabilité qu'elle
assumait aux termes du contrat était tout autre que celle
qu'elle pouvait prévoir et il y avait désaccord entre le risque
réel de l'assuré et la prime payée. L'art. 5 des conditions de
la police dit: „Toute réticence, toute déclaration fausse ou
inexacte sur la nature du travail ou des occupations ordi-
naires de l'assuré donnent lieu, de plein droit, à l'annulation-
de l'assurance. u Or, la Compagnie se voit obligée de demander
l'annulation du contrat. Le demandeur contesta d'avoir com-
mis une faute: à la question „sa profession ?a il a répondu
l'exacte vérité; comme tous les hôteliers campagnards d'une
certaine importance, il avait chevaux et voitures, et cela os-
tensiblement au vu et au su des agents de la Compagnie.
Le formulaire de la proposition est extrêmement sommaire et
ne renferme aucune question concernant les occupations ac-
cessoires de l'assuré. Eckert ne pouvait fournir d'autres ré-
ponses que celles qu'il a données. Si quelqu'un a commis une
faute, c'est la Compagnie ou ses agents.
Le Tribunal a déclaré fondée la demande de la défen-
deresse en annulation du contrat.
Motifs: D'après les principes généraux qui régissent le.
44
droit civil, les parties sont libres de se lier par toutes sortes
de conventions ... Si on s'en tenait uniquement à ce prin-
cipe, on devrait, à teneur de l'art. 5 de la police, prononcer
l'annulation de l'assurance pour toute réticence etc.
Mais il serait contraire à la bonne foi d'annuler l'assu-
rance pour le motif d'une indication inexacte, lorsque cette
inexactitude porte sur un fait qui était sans importance pour
la conclusion du contrat. On ne doit attribuer cet effet qu'aux
inexactitudes qui ont trait k des circonstances importantes,
c'est-à-dire les circonstances qui sont généralement envisagées
comme de nature à influer sur la volonté de l'assureur de
souscrire à l'assurance aux conditions stipulées.
D'autre part, il n'est pas nécessaire que la fausseté de
la déclaration provienne du dol ; une simple faute du preneur
d'assurance suffit pour faire prononcer la déchéance de la po-
lice (Trib. féd. XXIII, Nr. 234, Gross c. Winterthour).
En juin 1897, Eckert avait deux professions, sans qu'on
puisse dire quelle était la plus importante. Il tenait avec
l'aide de sa femme l'hôtel-café de la Croix fédérale, à Saint-
Biaise. Il avait en outre une entreprise de voiturage-camion-
nage. Il avait l'habitude de conduire lui-même ses clients.
Eckert n'était donc pas un hôtelier de oampagne qui aurait
un cheval et une voiture pour les besoins de son établisse-
ment, mais il tenait ses chevaux et voitures à la disposition
du public. Au commencement de l'année, il fit des publica-
tions danB les journaux annonçant qu'il avait cédé à son
gendre „son commerce de voiturage et de camionnage."
Le demandeur ne prétend pas que son entreprise de
voiturage soit de date récente. Cette situation, telle qu'elle
se présentait au moment de Paooident, existait déjà lors de
la conclusion du contrat«
L'indication fournie par Eckert à la Compagnie n'était
donc pas conforme à la réalité. Elle devait nécessairement
induire en erreur la Compagnie, qui ne pouvait pas supposer
que P. Eckert exerçât, concurremment avec la profession d'hô-
telier, la profession de voiturier-camionneur.
Cette inexactitude portait sur une circonstance très im-
Sortante. C'était en effet la nature des occupations ordinaires
e l'assuré qui, dans un pareil contrat, permet de déterminer
le risque de la Compagnie et, par conséquent, les primes
qu'elle doit exiger pour se couvrir de ce risque.
Or, il est évident que les dangers professionnels sont,
pour un voiturier-camionneur ou même un simple voiturier,
tout autres que pour un hôtelier. Si donc la Compagnie avait
45
connu la vérité, elle aurait probablement rangé Eckert dans
sa 4me classe et loi aurait réclamé la prime de fr. 77.50. Et
réventualité n'est pas exclue qu'elle ait envisagé Eokert aussi
comme un camionneur et qu'elle ait exigé, pour rassurer,
une prime plus considérable. Ce qui est dans tous les cas
certain, c'est que la Compagnie n'aurait pas consenti au con-
trat du 29 novembre dans les conditions où il a été conclu.
Dans le contrat d'assurance, l'assuré a le devoir de ré-
pondre exactement aux questions qui lui sont posées par la
proposition. En l'espèce, on ne peut prétendre que Eckert n'a
pas violé ce devoir, ne serait-ce que par négligence ou inat-
tention. C'est en vain que le demandeur prétend qu'il ne
pouvait répondre autrement, étant donnée la rédaction du for-
mulaire de 1880. Si Eckert estimait, d'ailleurs faussement,
que ses occupations de voiturier ne constituaient pas une
„profession, u il devait alors les considérer comme des „occu-
pations accessoires." Dans ce oas, son attention aurait dû
ótre attirée par la question où on lui demandait si ses occu-
pations accessoires l'exposaient plus particulièrement à des
accidents. Or, chacun connaît les accidents de la profession
qu'il exerce ou des occupations auxquelles il se livre habi-
tuellement. Eokert ne pouvait ignorer que ses occupations de
voiturier et, cas échéant, de camionneur, l'exposaient à plus
de dangers que sa profession d'hôtelier.
(Quant à l'allégation du demandeur, que les agents de
la Compagnie ont eu connaissance de ses occupations comme
voiturier, le Tribunal constate que ce fait n'a pas été établi
par la procédure.)
(Jugements du Trib. cant. de Neuchâtel, V p. 150 88.)
28. Kompetenz ausländischer Gerichte für Ehe-
scheidungsklagen von Schweizerbürgern. Vollstreckbar-
keit in der Schweiz. B.-Ges. betr. Civilstand und Ehe vom 24. Dez,
1874, Art. 43.
Basel Stadt. Orteil des Civilgericht« vom 17. Mai 1899 i. S. Ebe-
lente Zäslin.
Die Eheleute Z., Basler Bürger, haben in Württemberg
gewohnt, wo auch die Frau her ist, und ihre Ehe ist durch
Urteil des Landgerichts zu Stuttgart auf Klage des Ehe-
mannes geschieden worden. Diese Ehescheidung ist im Civil-
standsregister der Stadt Tübingen eingetragen worden. Der
geschiedene Ehemann stellte nun an das Civilstandsamt seines
46
.Heimatortes Basel das Begehren um Eintragung der duroh
rechtskräftiges Urteil erfolgten Ehescheidung in das Basler
Civilstandsregister. Dies lehnte das Civilstandsamt ab, weil
das Scheidungsurteil vom Standpunkte des eidgenössischen
Eherechtes gemäss der Interpretation des Art. 43 des Ehe*
gesetzes durch den Bondesrat in der Schweiz nicht als gel-
tend angesehen werden könne. Der geschiedene Khemann
reichte nun bei dem Civilgerichte eine Exekutionsklage ein,
«flit dem Antrag, das Stuttgarter Urteil als vollstreckbar zu
erklären und das Civilstandsamt zum Eintrag desselben im
Eheregister gemäss Art. 57 B.-Ges. betr. Civilstand und Ehe
anzuweisen. Die Beklagte, die geschiedene Ehefrau, erklärte
schriftlich, keine Einwendung zu erheben. — Das Civilgericht
hat gemäss dem klägerischen Begehren entschieden. Aus den
-Motiven ist Folgendes hervorzuheben:
Da die Bestimmungen des Art. 43 des Schweiz. Ehe*
:gesetzes zwingenden Rechtes sind, muss ex officio geprüft
werden, ob das ausländische Gericht in Sachen kompetent
war oder nicht. Bei dieser Prüfung ist für den zur Exeku-
tion angerufenen Richter massgebend sein heimatliches Recht.
Es bandelt sich deshalb darum, zu entscheiden, ob das Stutt-
garter Landgerioht nach schweizerischem und nach Basler
Prozessrecht zum Erlass des Urteils kompetent war.
Ganz ohne allen Zweifel stellt nun Art. 43 des Schweiz.
.Ehegesetzes als Grundprinzip auf, dass der Gerichtsstand des
Wohnortes des Ehemannes für Ehescheidungsklagen das
-alleinige forum legale sein soll. Die schweizerische Gesetz-
gebung befindet sich hierin in Uebereinstimmung mit der-
jenigen des deutschen Reiches. Nur ein einziges forum wird
in Ehescheidungssachen anerkannt, das generelle des Ehe-
mannes, und es fragt sich nun nur, ob der zweite Abschnitt
des Artikels 43 diese Regel aufheben will für den Fall des
Eehlens eines Wohnsitzes des Ehemannes in der Schweiz, ob
er an Stelle des forum generale für diesen Fall ein exklu-
sives forum speciale vorschreiben will oder ob er nur zur
Erleichterung der Ehescheidungsklage auswärts wohnender
Staatsangehöriger neben dem forum domicilii das forum ori-
ginis gestatten will, ob der Art. 43 II einen Geriohtszwang
dekretiert, da nur dem einheimischen Richter die Möglichkeit
gegeben ist, die Exekution des Urteils zu vollziehen, oder
ob der ausländische Richter am Wohnorte des Ehemannes als
kompetent zu betrachten ist, während dem einheimischen
Richter dann nur die Prüfung der Vollstreckbarkeit und die
Anordnung der Vollstreckung des Urteils als Aufgabe zufällt.
47
Gegen die erstere Auffassung, diejenige des h. Bundes-
rates, spricht aber schon der Wortlaut des Gesetzes. Hätte
•der Gesetzgeber einen Gerichtszwang vorschreiben wollen,
so würde er nicht das Zeitwort „können" sondern „müssen"
gewählt haben. Der im Auslande befindliche Schweizer kann
die Scheidungsklage an seinem Heimatorte oder seinem letzten
schweizerischen Wohnorte anbringen, er muss aber nicht.
Es ist ihm ein Wahlrecht eingeräumt. Der Gesetzgeber be-
zweckte offensichtlich, dem Schweizerbürger im AusTande auf
alle Fälle die notwendig gewordene Ehescheidung zu ermög-
lichen. Deshalb räumte er ihm das Eecht ein, falls er die
Scheidung im Auslande nicht herbeiführen kann, jedenfalls
in der Heimat zu diesem Ziele gelangen zu können. Das
forum domicilii für alle Fälle als alleiniges oder für im Aus-
lande befindliche Schweizer auch nur elektiv im Gesetze auf-
zustellen, ging nicht an, da ein schweizerisches Gesetz über
die Grenzen hinaus nicht Wirkung haben, und der auslän-
dische Richter nicht angehalten werden kann, die Scheidungs-
klage eines Fremden annehmen zu müssen. Damit ist aber
nicht gesagt, dass, wenn er die Klage annimmt und einen
Entscheid fällt, dadurch etwas Unzulässiges und Ungültiges
geschaffen werde. Der einheimische Richter kann den Ent-
scheid prüfen und sich damit begnügen, nach dem Grundsatze
ne bis in idem denselben gutzuheissen.
Es besteht keinerlei Nachweis und auch kein zwingender
Grund für die Annahme, dass das Gesetz ein forum exclusi-
vum vorschreibe. Es stünde ein solches auch im Widerspruch
mit dem Geiste der Bundesverfassung und der ratio legis des
schweizerischen Ehegesetzes, welche in Art. 54 bezw. Art. 25
den Grundsatz aufstellen, dass die im Auslande nach der
dort geltenden Gesetzgebung abgeschlossene Ehe von Schweizer-
bürgern im Gebiete der Eidgenossenschaft voll und gültig
anerkannt werden soll. Diese Gesetzesbestimmung, worin
das Inland auf alle in seinem Gebiete für den Eheschluss
vorgeschriebenen Förmlichkeiten und rechtlichen Kautelen,
ja selbst auf den Grundsatz der Giviltrauung verzichtet, ist
von viel grösserer Tragweite als die Anerkennung einer
Scheidung, die zwischen Schweizerbürgern im Auslande erst
nach Durchführung einer gründlichen richterlichen Prüfung
durch das Urteil eines ausländischen Gerichtes ausgesprochen
worden.
Dieser Widerspruch wird sofort klar, wenn man in Be-
tracht zieht, dass die durch das rechtskräftige Urteil des
Landgerichts zu Stuttgart geschiedenen Parteien im deutschen
48
Reiche wieder sich andererseits rechtsgültig verehelichen kön-
nen, auch wenn das Scheidungsurteil in ihrer Heimat nicht
anerkannt wird, und dass dann derselbe Civilsiandsbeamte
ihrer Heimatgemeinde, der sich weigerte, am Rande seines
Registers die Soheidung einzutragen, genötigt wäre, zwei
neue Ehen der nicht geschiedenen Eheleute rechtsgültig ein-
tragen zu müssen. Ja die Konsequenzen könnten noch leicht
eigenartigere werden, da der Kläger nun in Frankreich Do-
mizil genommen und daselbst die Anerkennung des Stutt-
garter Scheidungsurteils erreichen und sich in Frankreich
wieder rechtsgültig verehelichen könnte. Die Scheidung würde
dann von zwei grossen Staaten als rechtsgültig anerkannt»,
vom kleinen Heimatlande nicht.
Da das deutsche Reoht für Ehescheidungen ebenfalls den
Gerichtsstand des Wohnortes des Ehemannes vorschreibt, ent-
spricht es dem Schweizer Recht, und war somit das Stutt-
garter Landgericht zum Urteile kompetent. Das Basler
Prozessrecht schreibt eine Ueberprüfung des ausländischen
Urteils nicht vor, verlangt auch nicht den Nachweis der Re-
oiprocität. Einwendungen gegen die Gerechtigkeit und Bil-
ligkeit des Urteils schliesst es sogar aus. Immerhin ist doch
in Betracht zu ziehen, ob das Urteil, das nach dem Gesetze
des Prozessortes gefällt worden, nicht gegen die im öffent-
lichen Interesse liegenden Grundsätze des einheimischen Ehe-
rechtes Verstösse. Es ist dies nicht der Fall; der im Urteil
festgesetzte Thatbestand entspricht den auch im schweizeri-
schen Rechte aufgestellten Scheidungsgründen, sowohl des
Art. 46 d als auch des Art. 45.
Es steht somit der Vollstreckbarerklärung des Urteils»
nichts entgegen.
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
29. Bundesgesetz über die Organisation der Bundes-
rechlspßege vom 22. März 1893, Art. 58 Abs. 2, 59, 81. Bundes-
gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom li. April 1889 1
Art. 285 ff., 289. Streitwert bei der Anfechtungsklage. — Ver-
hältnis des Art 289 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes
zu Art. 81 0. ö. — Mit der Berufung gegen das Haupttuteil
können nur solche Vor- oder Zurischenentscheide angefochten
werden, welche von der letzten kantonalen Instanz ausgehen.
1. Bei der Anfechtungsklage ist für den Streitwert
nicht die Höhe der Forderung des Anfechtungsklägers,,
sondern der Wert der für die Masse verlangten Rück-
leistung massgebend.
2. Art. 289 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung
und Konkurs schränkt die Wirksamkeit des Art. 81 des
Organisationsgesetzes nicht ein. Das Bundesgericht ist daher
in Anfechtungsstreitigkeiten in gleicher Weise wie in allen
andern Berufungssachen an die tatsächlichen Feststellungen
der kantonalen Gerichte gebunden.
3. Allerdings unterliegen auch die von den kantonalen
Instanzen gefällten Vor- und Zwischenentscheide mit dem
Haupturteil der Beurteilung des Bundesgerichtes, allein doch
nur insofern, als mit Bezug auf dieselben auch die übrigen
Voraussetzungen für die bundesgerichtliche Ueberprüfung ge-
geben sind. Dazu gehört aber, dass der angefochtene Vor-
oder Zwischenentscheid von der letzten dafür zuständigen kan-
tonalen Instanz ausgehe. Wenn es daher eine Partei unter-
lassen hat, einen der Weiterziehung fähigen Vor- oder
Zwisohenentscheid der untern kantonalen Instanz vor die
obere zu bringen, so hat sie sich damit auch des Rechts
begeben, denselben vor dem Bundesgerichte anzufechten.
(Entsch. vom 22. November 1899 i. S. Levy-Sonnebom c. IL
Hess & Cie.)
30. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 58, 60, 65. — Wenn die For-
derungen mehrerer Mitkläger (die sich nicht gegenseitig aus-
50
schUessen) zusammengerechnet den Betrag von Fr. 2000 erreichen,
so ist nach Art. 60 0. 0. die Bemfung an das Bundesgericht für
und gegen jeden einzelnen Mitkläger statthaft, ohne Rücksicht dar-
auf, ob nach der kantonalen Prozessgesetzgebung die Berufung
an die obere kantonale Instanz statthaft ist oder nicht. Die
Berufung an das Bundesgericht ist aber (für und gegen alle Mit
klnger) erst dann statthaft, wenn der Prozess vor den kantonalen
Gerichten vollständig erledigt, d. h. wenn Über sämtliche streitige
Ansprüche von der letzten dafür zuständigen kantonalen Instanz
entschieden ist. Ist also für die Ansprüche einzelner Mitkläger die
Berufung an die zweite kantonale Instanz zulässig, für diejenigen
anderer dagegen nicht, so kann auch hinsichtlich der letzteren
die Berufung an das Bundesgericht erst dann ergriffen werden,
wenn hinsichtlich der er&teren die Sache in der obern kantonalen
Instanz erledigt ist; es läuft demgemäss auch die Frist zur Ein-
legung der Berufung für und gegen alle Mitkläger erst von letz-
terem Zeitpunkte an.
(Entsch. vom 11. November 1899 i. S. Savoy u. Genossen
c. Colliard.)
31. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 67 Abs. 2. Bei Schadenersatz-
oder ähnlichen Ansprüchen gehört es zu der Form der Be-
rufungserklärung, dass in derselben ziffermässig der Umfang
und das Mass dessen angegeben werde, was in Abweichung vom
angefochtenen Urteile verlangt wird. Wird nur 9 angemessene*
Herabsetzung (oder Erhöhung) der Entschädigung verlangt, so
ist die Berufungserklärung unwirksam.
In einer Haftpflichtsache war der Beklagte vom Appel-
lations- und Kassationshofe des Kantons Bern zu Bezahlung
einer Aversalsumme samt Zins seit 19. Dezember 1897 und
einer lebenslänglichen Rente verurteilt worden.
In seiner Berufungserklärung gegen die kantonale Ent-
scheidung stellte der Beklagte folgende Anträge:
1. Es sei der Betrag der restanzliohen Aversalsumme an-
gemessen herabzusetzen und jedenfalls die Verpflichtung zur
Verzinsung dieses Betrages seit 19. Dezember 1897 ab-
zuändern.
2. Es sei die lebenslängliche Rente, welche dem Kläger
auszurichten sein wird, angemessen herabzusetzen.
Das Bundesgericht ist auf die Berufung nicht eingetreten
aus folgenden Gründen: Nach Art. 67 Abs. 2 Organis. Ges.
ist in der Berufungserklärung anzugeben, inwieweit das kan-
tonale Urteil angefochten wird und welche Abänderungen be-
51
antragt werden. Das Gesetz will, dass das Gericht von vorn-
herein wisse« und dass auch die Gegenpartei schon durch die
Berufungserklärung in den Stand gestellt werde, zu beurteilen,
was in der bundesgerichtlichen Instanz noch streitig ist, ins-
besondere, wie hoch sich bei vermögensrechtlichen Anständen
das noch streitige Interesse beläuft. Die Berufungsanträge
müssen deshalb möglichst bestimmt und genau lauten. So
genügt es bei Schadenersatz- und ähnlichen Ansprüchen nicht,
dass bloss allgemein die Richtung bezeichnet werde, in der
der Berufungskläger die Abänderung eines Urteils anbegehrt,
sondern es muss ziffermässig der Umfang und das Mass dessen
angegeben sein, was in Abweichung vom angefochtenen Urteile
verlangt wird. Abgesehen vom Zweck der Bestimmung ist
diesbezüglich auch auf den französischen Text zu verweisen,
der lautet: „Cette déclaration indique dans quelle mesure
le jugement est attaqué et mentionne les modifications de-
mandées1' (vergi, auch Amtl. Samml. der bundesger. Entsch.
Bd XXI, S. 424, Bd XX, S. 394). Dem Erfordernisse mög-
lichster Bestimmtheit und Genauigkeit der Berufungsanträge
entspricht nun eine Fassung, wie sie hier vorliegt, nicht, in-
dem es an einer ziffermässigen Angabe über den Umfang und
das Mass der gewünschten Abänderungen gebricht. Es ist
auch nicht etwa prinzipaliter ein bestimmtes Begehren for-
muliert und bloss eventuell auf Reduktion nach richterlichem
Ermessen angetragen, sondern die Begehren lauten einzig auf
angemessene Herabsetzung der gesprochenen Entschädigung.
Dies hat zur Folge, dass die Berufung, weil ihr ein wesent-
liches gesetzliches Erfordernis mangelt, als rechtlich unwirk-
sam erklärt werden muss. Mit Bezug auf einen Punkt, das
Datum des Beginns des Zinsenlaufs, ist die Berufungserklärung
allerdings bestimmter formuliert. Allein es ist klar, dass auf
diesen rein accessorischen Punkt nicht eingetreten werden
kann, wenn die Berufung in der Hauptsache den Vorschriften
des Gesetzes nicht entspricht (vergi. Art. 54 Organis« Ges.).
(Entsch. vom 6. Dezember 1899 i. S. Wüthrich & Cie c. Rhyn).
32. 0. R. Art 17, 179 ff. Grundsätze betreffend Gültigkeit
von Konkurrenzverboten. — Auslegung eines beim Verkaufe eines
Zeitungsunternehmens vereinbarten Konkurrenzverbotes.
Die Beklagte, Frau M. B., welche in Z. eine Verlags-
handlung betreibt, verkaufte dem Kläger 0. K. am 13. Ja-
nuar 1896 die in ihrem Verlage erscheinende „Schweizerische
Modezeitung" für den Preis von Fr. 16,000. Dabei ver-
52
pflichtete sie sich, „weder eine Modezeitung noch ein ahn*
Hohes Unternehmen zu gründen oder zu betreiben, gegen
eine Konventionalstrafe von Fr. 10,000." Seit Herbst 1897
wurde in Zürioh auf den Namen des Liegenschaftsagenten
J. E. F. und seiner Schwägerin Fräulein B. eine Zeitung
„Neue Schweizer Mode" herausgegeben. Dass diese Zeitung:
in That und Wahrheit auf Rechnung der Beklagten be-
trieben worden sei, hat nicht sicher festgestellt werden
können. Dagegen steht fest, dass die Beklagte teils in
eigener Person, teils durch Zustimmung zu den Handlungen
ihres Ehemannes und in Mitbethätigung bei denselben zu
der Gründung der „Neuen Sohweizer Mode" Veranlassung^
gegeben, dem F. das erforderliche Betriebskapital vorgeschossen
und ihm die nötigen Instruktionen sowie einen sachkundigen
Li8eratenpäohter zugeführt, dem Fräulein B. mit Rat bei-
gestanden und im August 1898 durch Hingabe eines weiteren
Kapitals die Fortsetzung des Unternehmens ermöglicht hat.
Die Klägerin klagte auf Zahlung der Konventionalstrafe
von Fr. 10,000 und diese Klage wurde sowohl vom Handels-
gerichte des Kantons Zürioh als vom Bundesgerichte in vollem
Umfange gutgeheissen.
In den Gründen der Bundesgerichtsentscheidung wird
über die Gültigkeit und Tragweite des Konkurrenzverbotea
im wesentlichen ausgeführt: Das Bundesgericht hat in stän-
diger Praxis den Grundsatz ausgesprochen, dass ein Kon-
kurrenzverbot oder ein Konkurrenzverzicht dann unsittlich
sei, wenn dadurch die wirtschaftliche Freiheit des sich Ver-
pflichtenden geradezu aufgehoben, oder doch in dem Masse
beschränkt werde, dass er von derselben nicht mehr gehörigen
Gebrauch machen könne, und eine solche Beschränkung ins-
besondere dann angenommen, wenn die Verpflichtung nach
Gegenstand, Zeit und Ort unbeschränkt, oder zeitlich und
örtlich zu ausgedehnt war (vergi, zuletzt Urteil des Bundes-
gerichts vom 19. Februar 1898 in Sachen Ackermann contra
Hünerwadel & Cie, Amtl. Samml. Bd XXIV 2. Tl. S. 123 f.,
Erw. 2). Allerdings sind diese Grundsätze bis anhin nur be-
züglich der bei Dienstverträgen vorkommenden Konkurrenz-
klauseln aufgestellt worden; aber sie haben, da sie sich auf
den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Art. 17 0. R., dass un-
sittliche Rechtsgeschäfte nichtig seien, stützen, auch auf alle
übrigen Konkurrenz verböte und -Verzichte, wie überhaupt auf
jede vertragliche Beschränkung der Gewerbefreiheit Anwen-
dung zu finden (vergi. Lemberg, Yertragsmässige Beschrän-
kungen der Handels- und Gewerbefreiheit, Breslau 1888,.
öd
S. 1 fi.); dabei werden allerdings jeweilen die Verhältnisse im
einzelnen geprüft werden und wird man in der Regel bei
Dienstverträgen, wo der wirtschaftlich schwächere dem wirt-
schaftlich stärkeren gegenübersteht, in der Auslegung strikter
verfahren, als bei Kaufverträgen, wo es sich um wirtschaft-
lich gleich starke Parteien handelt. Im vorliegenden Falle
nun ist der Konkurrenzverzioht schon nach seinem Gegen-
stände ganz bestimmt begrenzt; er betrifft eine Modezeitung
oder ein „ähnliohes Unternehmen." Diese Beschränkung würde
bei der Natur des Geschäftes der Beklagten eine unzulässige
Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Freiheit selbst dann
nicht bilden, wenn sie, was nach dem Wortlaute der Kon-
kurrenzklausel allerdings der Fall ist, zeitlich und örtlich un-
begrenzt wäre; denn die Beklagte betreibt ganz allgemein
«in Verlagsgeschäft und kann sich in diesem Gewerbe nach
mannigfachen Richtungen hin bethätigen ; ihre wirtschaftliche
Freiheit ist nur bezüglich eines bestimmten, genau begrenzten
Gebietes eingeschränkt, und hiefür hat sie überdies einen
Gegenwert erhalten. Von einer Unsittlichkeit des fraglichen
Konkurrenzverbotes kann demnach schon aus diesem Grunde
keine Rede sein . . . Das Konkurrenzverbot ist nun unbedenk-
lich in dem Sinne auszulegen, dass nicht nur die Gründung
und der Betrieb eines Konkurrenzunternehmens auf eigene
Rechnung, sondern auch die n achgewiesener massen von der
Beklagten entwickelte Thätigkeit (die Ermöglichung und Unter-
stützung der Gründung und des Betriebs des Konkurrenz-
unternehmens durch Hingabe der nötigen Mittel und durch
Förderung mit Rat und That) als Verletzung desselben auf-
zufassen ist. Zweck des Konkurrenzverbotes war, dem Kläger
den Betrieb der von ihm gekauften Zeitung zu ermöglichen,
soweit es in den Mitteln der Beklagten lag, d. h. wenigstens
diesem Betrieb nicht hindernd in den Weg zu treten. Unter
diesem Gesichtspunkte aber durfte die Beklagte auch nicht
durch Dritte dem Kläger Konkurrenz bereiten, Dritte in den
Stand setzen, dem Kläger als Konkurrenten gegenüberzn treten;
schon dieses Gebahren verstiess gegen die dem Kläger von
der Beklagten geschuldete Treue; und nach den Grundsätzen
von Treu und Glauben, nach denen jedes Konkurrenzverbot,
namentlich ein solches, das der Käufer eines Unternehmens
mit dem Verkäufer zum ungestörten Genüsse des gekauften
Unternehmens abschliesst, beurteilt werden muss, liegt daher
in der That eine Verletzung des Konkurrenzverbotes durch
die Beklagte vor. Zu diesem Ergebnisse führt übrigens noch
eine weitere Erwägung: der Verkauf eines Zeitungsunter-
54
nehinens umfasst in der Hauptsache nicht bestimmte körper-
liche Gegenstände — diese erscheinen nur als Accessori en — , •
sondern er betrifft die Möglichkeit des Gewerbes durch das
Zeitungsunternehmen, hiefür hauptsächlich, für den Vermögens-
wert des Unternehmens als solchen — wofür namentlich in
Betracht fallen die Zahl der Abonnenten und die Möglich-
keit der Verwertung der Zeitung durch Inserate — wird der
Kaufpreis bezahlt; es verhält sich sonach hier ähnlich, wie
beim sogenannten Verkauf eines Geschäftes „mit der Kund-
schaft" : Wie bei letzterem die Verpflichtung des Verkäufer»
darin besteht, nichts zu thun, was den Uebergang seiner
Kundschaft auf den Käufer hindern könnte, also namentlich
nicht ein Konkurrenzunternehmen in derartiger Lage zu
gründen, dass es geeignet wäre, dem Käufer Kunden zu ent-
ziehen (vergi. A m ti. Samml. der bundesg. Entsch. Bd XXIV,
2. Tl. S. 864) — , so . besteht schon die vertragliche Verpflich-
tung des Verkäufers eines Zeitungsunternehmens darin, dein
Käufer den Fortbetrieb des Unternehmens zu ermöglichen und
ihm nicht hindernd in den Weg zu treten (vergi. Entsch. des
Reichsgerichts in Givilsachen Bd 37, S. 176 fi.)* Auch aus
diesem Gesichtspunkte gelangt das Bundesgerioht zu einer
weitgehenden Auslegung des Konkurrenzverbotes und damit
zu dem Ausspruche, dass die Beklagte ihre vertragliche Ver-
pflichtung in der That verletzt habe. (Entsch. vom 22. De-
zember 1899 i. S. Brehse c. Knape.)
33. 0. R. Art. 179 ff. Grundsätze betreffend die Auslegung
von Pönalstipulationen, speziell von unter Konventionalstrafe ge-
stellten Konkurrenzverboten.
Nach anerkanntem Rechtsgrundsatz (vergi. Entsch. des
Reichsgerichts, Bd 26, S. 165) sind Pönalstipulationen, wie
eine solche in Vereinbarung eines unter Konventionalstrafe
gestellten Konkurrenzverbotes liegt, nicht ausdehnend aus-
zulegen, ihr Inhalt darf somit nicht über den gewählten
Willensausdruck hinaus aus dem Zwecke ergänzt werden,
welcher der Vereinbarung zu Grunde liegt. Die Erklärung
des F. L. ist also strikte nach ihrem Wortsinn zu interpre-
tieren, und es darf eine Bethätigung, welche von diesem Ge-
sichtspunkt aus nicht unter das Konkurrenzverbot fällt, dem-
selben auch dann nicht als zuwiderlaufend bezeichnet werden,
wenn in Anbetracht des mit der Stipulation verfolgten Zweckes
anzunehmen wäre, dass die Parteien sie ebenfalls würden
eingeschlossen haben, wenn sie daran gedacht hätten.
56
In Anwendung dieses Grundsatzes hat das Bundesgericht
in Auslegung einer bei Ausscheiden aus einer Kollektiv-
gesellschaft von F. L. gegebenen Erklärung, dass er sich bei
Vermeidung einer Konventionalstrafe von Fr. 15,000 ver-
pflichte, während fünf Jahren (in der Schweiz und in Deutsch-
land) „weder in eine Konkurrenzfirma einzutreten noch
eine zu gründen oder sich selbst dabei zu beteiligen," aus-
gesprochen, das in derselben enthaltene Konkurrenzverbot sei
dadurch nicht übertreten worden, dass F. L. seinem Bruder,
welcher ein Konkurrenzgeschäft betrieb, dabei, ohne ständig
in dem Geschäfte thätig zu sein oder sich an demselben
finanziell zu beteiligen, zeitweise mit Hat und That an die
Hand gegangen sei. (Entsch. vom 26. Januar 1900 i. S.
Bock & Cie c. Frau M. Lutz.)
34. 0. K. Art. 46, 48, 127, 231 Abs. 1. Die Haftung
des vollmachtlosen Stellvertreters richtet sich nach eidgenössischem
Rechte auch dann, wenn die Stellvertretung sich auf einen Liegen-
schaftskauf bezog. Darin allein, dass jemand ohne Ermächti-
gung im Namen eines Dritten handelt, liegt nicht das stillschwei-
gende Versprechen der Genehmigung des Dritten. Der vottmaeht-
lose Stellvertreter haftet auf das negative Vertragsinteresse, nicht
auf das Erfitilunysinteresse.
1. Wie Ansprüche aus Auftrag durch das eidgenössische
0. ß. beherrscht werden, gleichviel ob das Rechtsgeschäft,
worauf sich der Auftrag bezieht, dem eidgenössischen oder
dem kantonalen Rechte untersteht, und also namentlich z. B.
die Provisionsansprücbe aus der Vermittlung von Liegen-
schaftskäufen unter das eidg. 0. R. fallen (s. Amtl. Samml.
XXIII, S. 1062 f., Erw. 2), so auch Ansprüche aus Stellver-
tretung und aus vollmachtloser Stellvertretung, auch wenn
sich die Stellvertretung auf den Abschluss eines Liegenschafts-
kaufes bezieht; mit dem Liegensohaftskaufe selber, mit dessen
Form und Inhalt, hat ein derartiger Anspruch nichts zu thun.
2. Wenn der Kläger darauf abstellt, jeder, der ohne Er-
mächtigung für einen Dritten handle, verspreche damit still-
schweigend die Genehmigung dieses Dritten und hafte somit
für diese, so ist dem mit der Vorinstanz entgegenzuhalten,
dass dies nicht der Sinn des Gesetzes sein kann, wie eine
Vergleichung des Art. 127 mit Art. 46 ff., speziell Art. 48
0. R. ohne weiteres ergiebt: nach der Auffassung des Klägern
wäre die Haftung des vollmachtlosen Stellvertreters schon aus
Art. 127 0. R. vollständig begründet, und bedürfte es der
06
Vorschrift des Art. 48 eod. nicht, so dass diese gänzlich über-
flüssig wäre — ein Resultat, das nach den allgemeinen Aus-
legungsregeln wo immer möglich zu vermeiden ist. Voraus-
setzung des Art. 127 0. B. ist immer, dass jemand im eigenen
Namen, und nicht bloss als Stellvertreter eines Dritten handle,
und also eine eigene Verpflichtung begründen wolle (vergi.
Schneider u. Fick, Komm. gr. Ausg. Art. 127, Anm. 1). Aller-
dings kann das in Art. 127 0. B. vorgesehene Versprechen der
Leistung eines Dritten auch stillschweigend geschehen; allein
dieses Verspreohen liegt nicht schon in der Thatsache des
Handelns für einen Dritten.
3. Ueber die Art und das Mass der Haftung des voll-
machtlosen Stellvertreters bestimmt Art. 38 0. B. lediglich,
er hafte für „Schadenersatz," ohne näher auszufuhren, was
unter Schadenersatz zu verstehen sei, also ohne zu der in
der Doktrin sehr streitigen Frage der Haftung des falsus pro-
curator ausdrücklich Stellung zu nehmen; ausgesprochen ist
damit nur, dass der vollmachtlose Stellvertreter jedenfalls
nicht auf Erfüllung belangt werden kann. Dagegen ist die
Frage offen gelassen, ob unter Schadenersatz das Erfftllungs-
oder das negative Vertragsinteresse zu verstehen sei. Wird
zur Entscheidung dieser Frage die Entstehungsgeschichte der
betreffenden Bestimmung herangezogen, so ergiebt sich, dass
sowohl der Fiok'sche Entwurf als der Kommissionalentwurf
von 1877, beide in Art. 459, Abs. 4, dem Dritten einen alter-
nativen Anspruch auf Erfüllung oder auf Schadenersatz gaben;
erst der Entwurf von 1879, Art. 54, gewährt dem Dritten nur
noch das Becht auf Schadenersatz. Aus jener Gleichstellung
des Anspruches auf Schadenersatz mit demjenigen auf Er-
füllung, in Verbindung mit der analogen Bestimmung des da-
maligen D. H. G. B. § 55, folgt wohl, dass die damaligen Ent-
würfe unter Schadenersatz das Erfüllungsinteresse verstanden,
sich sonach derjenigen Theorie anschlössen, welche in der
Thatsache des Abschlusses eines Vertrages als vollmachtloser
Stellvertreter einen Garantie vertrag erblickt (vergi, nament-
lich Windscheid Pand. I, § 74, Note 7'). Die Aenderung
der Bestimmung im Entwürfe von 1879, welchem die heutige
Fassung des Gesetzes entspricht, kann wohl ebensogut zur
Unterstützung der einen wie der andern Ansicht verwertet
werden, und jedenfalls ergiebt sich daraus ein zwingender
Schlus8 darauf, dass nunmehr unter Schadenersatz das ne-
gative Vertragsinteresse verstanden werden wollte, nicht.
Die Entstehungsgeschichte der fraglichen Gesetzesbestimmung
ergiebt sonach keine unzweifelhafte Lösung der Frage. Allein
57
jene Theorie des Garantievertrages, die die Voraussetzung
der Haftung auf das Erfüllungsinteresse bildet, kann für das
O. ß. nicht als zutreffend erachtet werden. Einmal ist nicht
einzusehen, weshalb unter jener Voraussetzung dem Dritten
nicht auch der Anspruch auf Erfüllung gegeben sein sollte,
-wie das nach den ersten Entwürfen konsequenterweise der
Fall war. Sodann sohliesst die Vergleiohung des Art. 48 mit
Art. 127 0. ß. die Annahme eines stillschweigenden Garantie-
Vertrages geradezu aus, wie oben näher ausgeführt worden.
Endlich steht der Annahme eines Garantievertrages der Nach-
satz des Art. 48 entgegen, wonach die Haftung des voll-
machtlosen Stellvertreters ausgeschlossen ist bei Kenntnis oder
Eennenmüs8en des Hangels der Vollmacht (vergi. Melliger,
Culpa in contrahendo, 2. Aufl., S. 75). Danach haftet der
vollmachtlose Stellvertreter, da somit seine Haftung nicht auf
Vertrag gestützt werden und folgerichtig nicht das Erfüllungs-
interesse verlangt werden kann, nur für das negative Ver-
tragsinteresse, d. h. dafür, dass der Dritte in die Lage ver-
setzt werde, in der er wäre ohne den Abschluss des —
nichtigen — Vertrages; der vollmachtlose Stellvertreter haf-
tet für denjenigen Schaden, den er dem Dritten durch seine
Handlungsweise verursacht hat. (Entsoh. vom 25. November
1899 i. S. Wagner c. Ineichen.)
35. 0. R. Art. 70 f., 72. Die Ansprüche wegen ungerecht-
/ertigter Bereicherung beurteilen sich nach eidgenössischem Rechte.
Beweislast bei condictio indebiti.
1. Die Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung
sind Ansprüche eidgenössischen Rechts; Voraussetzung und
Inhalt derselben bestimmen sich nach dem eidg. Obligationen-
recht, und zwar auch in den Fällen, bei denen die in Frage
kommende causa der Bereicherung von diesem Bundesgesetz
selbst nicht beherrscht wird.
2. Da in der freiwilligen und vorbehaltlosen Zahlung
einer geltend gemachten Schuld an sich eine Anerkennung
derselben liegt, und diese Anerkennung einen rechtmässigen
Grund für die mit der Zahlung bewerkstelligte Vermögens-
zuwendung bildet, so hat der die condictio indebiti anstellende
Kläger ausserdem die in der Zahlung liegende Anerkennung
au entkräften. Er hat zu dem Zwecke, sofern nicht die Zah-
lung unter Vorbehalt geschah, darzuthun, dass er sich über
seine Zahlungspflicht im Irrtum befunden habe. (Entsch. vom
9. Dezember 1899 i. S. Nordostbahn c. Kummer.)
58
36. 0. R. Art. 205, 206, 208 Abs. 2. Bedeutung und Troff-
weite des Art 208 Abs. 2. Was ist zum guten Glauben de*
Erwerbers, speziell im Verkehre mit Inhaberpapieren gefordert?
Die Beklagten, Gebrüder K., Bankiers in Freiburg i. Br.r
erwarben am 9. Janaar 1895 im Umtausch gegen andere
Wertpapiere von einem ihnen persönlich unbekannten, aber
in seinem Auftreten unverdächtigen Manne (der sich in ihrem
Bureau als 6. M. aus Neu- Breisach vorstellte) zwei Inhaber-
obligationen auf die schweizerische Eidgenossenschaft von
Fr. 1000, Serie A, Nr. 14093 und 14094. Diese Obligationen
waren (was den Beklagten unbekannt geblieben war) der
Klägerin Frau E. B. in Zug durch Einbruch in ihre Woh-
nung gestohlen und in Nr. 201 des schweizerischen Handels-
amtsblatts vom Jahre 1894 als gestohlen ausgekündigt wor-
den. In der Folge leitete die Klägerin in Bern das Amorti-
sationsverfahren hinsichtlich der gestohlenen Titel ein. Auf
eine vom Gerichtspräsidenten von Bern gemäss Art. 851
0. R. erlassene Bekanntmachung legten die Beklagten die
Titel dem Richteraint Bern vor. Klägerin verlangte darauf-
hin eine provisorische Verfügung, das 8 die Titel vorläufig auf
der Amtsschreiberei Bern deponiert bleiben und ihr Frist zu
Anhebung eines Yindikationsprozesses angesetzt werde, und
erhob binnen der ihr angesetzten Frist wirklich die Vindi-
kationsklage. Diese wurde indes sowohl vom Appellations-
und Kassationshofe des Kantons Bern als auch vom Bundes-
gerichte abgewiesen. Aus den Gründen der bundesgericht-
lichen Entscheidung ist hervorzuheben:
Da die beiden Inhaberobligationen der Klägerin gestohlen
worden sind, und gemäss Art. 206 0. R. beim Erwerb ge-
stohlener (und verlorener) Sachen der in Art. 205 ausge-
sprochene Grundsatz, Hand muss Hand wahren, nicht Platz,
greift, solche Sachen vielmehr binnen fünf Jahren, vom Tage
des Abhandenkommens an gerechnet, jedem Inhaber abver-
langt werden können, so besteht kein Zweifel, dass die Be-
klagten an den genannten Papieren kein Eigentum erworben
haben, wenn für den von ihnen behaupteten Eigentumserwerb
das eidgenössische Recht massgebend ist. Nun haben aber
die Beklagten die Papiere im Auslande gekauft, und sie
stützen sich darauf, dass sie nach dem am Erwerbungsorte
geltenden Hecht Eigentümer geworden seien. In der That
geht das deutsche Handelsgesetzbuch, welches hier als Recht
des Erwerbungsortes in Betracht kommt, in der Beschrän-
kung der Vindikation von Inhaberpapieren weiter als das
schweizerische Obligationeurecht, indem es den redlichen Er-
5fr
werber solcher Papiere auch dann Eigentümer derselben werden
lässt, wenn sie gestohlen oder verloren waren (Art. 306 und
307 des Dtsch. allg. H. G. B.). Es muss sich demnach vor
allem fragen, nach welchem Recht, ob nach dem Bundes-
gesetz über das Obligationenrecht, oder nach dem deutschen
Handelsgesetzbuche, der Streit über das von beiden Parteien
behauptete Eigentumsrecht zu entscheiden sei. Hiefür sind in
erster Linie die im inländischen Recht selbst niedergelegten
Grundsätze über die örtliche Herrschaft der Rechtsnormen
massgebend; eventuell, soweit das inländische Reoht hierüber
nichts besonderes bestimmt, müssen die allgemeinen in Wissen-
schaft und Praxis des internationalen Privatrechts anerkannten
Regeln Platz greifen. Nun ist aber die vorwürfige Frage im
eidgenössischen Obligationenrecht speziell geregelt, indem es
in Art. 208 Ziff. 2 das in einem Lande, dessen Gesetzgebung
die Eigentumsklage nicht zulässt, erworbene Eigentum an
Inhaberpapieren anerkennt, sofern der Erwerb gegen Entgelt
und in gutem Glauben stattgefunden hat. Denn diese Ge-
setzesbestimmung erklärt die Vindikation als ausgeschlossen
bei Inhaberpapieren, welche gegen Entgelt und in gutem
Glauben aus Ländern erworben wurden, deren Gesetzgebung
die Eigentumsklage nicht zulässt. Mit Unrecht behauptet die
Klägerin, dass Art. 208 sich nur auf diejenigen Fälle beziehe,
in welchen der Erwerber in der Schweiz wohnt. Allerdings
bestand nach der von der Klägerin citierten bundesrätlichen
Botschaft zu einem Gesetzesentwurf, enthaltend schweizerisches
Obligationen- und Handelsrecht (B. Blatt von 1880, I. Bd,
S. 206), das Motiv für die Aufnahme der in Rede stehenden
Bestimmung in der Erwägung, man müsse die Interessen des
schweizerischen Verkehrs mit Ländern, in welchen das Prin-
zip des deutschen Handelsgesetzbuches Anwendung findet,
billig berücksichtigen. Allein die in den gesetzgeberischen
Vorarbeiten niedergelegten Motive können nicht als eine dem
Gesetzestext koordinierte Grundlage für die Interpretation des
Gesetzeswillens anerkannt werden. Massgebend für den In-
halt des gesetzgeberischen Willens ist der im Gesetze ent-
haltene Willensausdruck. Nach diesem besteht aber keine
Berechtigung, hinsichtlich der Vindikation von Inhaberpapieren
zwischen inländischen und ausländischen Erwerbern einen Unter-
schied zu machen. Der Umstand, dass Art. 208 Abs. 2 0. R.
von Inhaberpapieren spricht, die aus andern Ländern er-
worben wurden, deutet zwar darauf hin, dass der Gesetz-
geber in der That zunächst an eine Erwerbung vom Ausland
ins Inland gedacht hat. Aus dem Ausland erworben sind je-
'60
<loch offenbar die dort angekauften Papiere auch dann, wenn
der Erwerber zur Zeit des Ankaufs selbst im Auslande wohnte,
und da Art. 208 Ziff. 2, weil er eine grundsätzliche Frage des
internationalen Privatrechts regelt, nicht einschränkend, son-
dern in Anwendung des ihm zu Grunde liegenden Prinzips
zu interpretieren ist, so geht die von der Klägerin geltend
.gemachte Unterscheidung nicht an. Denn Art. 208 Ziff. 2
geht von dem Grundsatze aus, dass für die Vindikation von
Inhaberpapieren das Recht des Erwerbungsortes entscheidend
sei, und aus diesem Grundsatze folgt die Berechtigung, einen
Unterschied zwischen inländischen und ausländischen Erwer-
bern zu machen, nicht (vergi, v. Bar, Theorie und Praxis des
internationalen Privatrechts I, S. 634, insbesondere Note 24
daselbst).
Fragt es sich somit, ob die Voraussetzungen, unter
-welchen Art. 208 Ziff. 2 das Recht des im Ausland liegenden
Erwerbungsortes als massgebend anerkennt, in casu gegeben
seien, so ist unbestritten, dass die Beklagten die Obligationen
.gegen Entgelt erworben haben. Dagegen macht die Klägerin
.geltend, die Erwerbung sei nicht in gutem Glauben erfolgt.
Gutgläubig war die Erwerbung dann, wenn sie in der red-
lichen Ueberzeugung des Erwerbers geschah, durch die An-
eignung der Sache kein fremdes Recht zu verletzen. Dazu
.genügt aber nicht ohne weiteres, dass der Erwerber von dem
entgegenstehenden fremden ßecht keine Kenntnis besass, son-
dern er darf auch nicht diejenigen Vorkehren unterlassen
haben, die unter den obwaltenden Umständen gemäss den
Regeln eines redlichen Verkehrs in Rücksicht auf ein solches
.allfällig bestehendes Recht geboten erschienen (siehe Hafner,
Komm. z. eidg. 0. R., Anm. 2 zu Art. 205; Guggenheim, der
Art. 205 des Schweiz. O.R., 8. 42 f.; Deutsch, bürgerl. Ges. B.
§ 932, Abs. 2). Im vorwürfigen Fall liegt nun nichts da-
für vor, dass die Beklagten gewusst hätten, dass es sich um
gestohlene Papiere handle: es fragt sich daher bloss, ob sie
es nicht, bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Auf-
merksamkeit und Besonnenheit, hätten wissen oder vermuten
sollen. Nach den von ihnen dargelegten Umständen ihres Er-
werbes der streitigen Titel kann nun aber nicht gesagt werden,
dass die Beklagten gegründeten Anlass gehabt hätten, Ver-
dacht in die Rechtmässigkeit des Besitzes ihres Verkäufers
zu setzen. Da die Beklagten ein Bankgeschäft betreiben,
sich also gewerbsmässig mit dem Ankauf und Verkauf von
Wertpapieren befassen und die fraglichen Obligationen zu
-den im Bankverkehr gangbaren Wertpapieren gehören, so lag
61
darin, dass den Beklagten die beiden Obligationen in der von
ihnen angegebenen Weise zum Ankauf bezw. Umtausch an»
geboten wurden, nichts auffälliges, und die Beklagten befanden
sich auch nicht im Widerspruch mit den allgemeinen beim
Bankgeschäft herrschenden Verkehrsanschauungen, wenn sie,
ohne nähern Ausweis über die Identität und den Rechtetitel
des Yeräu8serers zu verlangen, auf dessen Angebot eingingen.
Besondere Umstände, welche geeignet gewesen wären, eineiv
Verdacht in die Rechtmässigkeit seines Besitzes zu begründen,
lagen nicht vor. Nun sind freilich die beiden Obligationen,
bereits bevor die Beklagten dieselben angekauft hatten, im
schweizerischen Handelsamtsblatt als gestohlen ausgekündigt
worden; wäre eine amtliche Auskündigung auch in Deutsch»
land erfolgt, so müsste deren Nichtbeachtung den Beklagten
allerdings zum groben Verschulden angerechnet werden, so-
dass sie sich nicht auf ihren guten Glauben berufen könnten
(vergi, fintsch. d. dtsch. Reichsgerichts Bd 28, S. 113, Bolze 8,
Nr. 60). Denn nach allgemein anerkannter Verkehrsanschauung
legt die mit der erleichterten Umlaufsfähigkeit der Wert-
papiere für den rechtmässigen Besitzer verbundene Gefahr den
Bankiers, die sich mit dem gewerbsmässigen An- und Ver-
kauf solcher Papiere befassen, die Pflicht auf, sich die amt-
lichen Bekanntmachungen über Entwendungen zu merken, und
es mus8 ihnen als grobe Nachlässigkeit angerechnet werden,
wenn sie die hiezu erforderlichen Listen entweder unvoll-
ständig führen, oder deren Nachschlagung im einzelnen Falle
unterlassen (vergi. Schweiz. Blätter für handelsrechtl. Entsch.
Bd XVI, S. 149, Erw. 5). Allein diese Pflicht kann doch
billigerweise nur rücksichtlich der im Inland erfolgten Aus-
schreibungen aufgestellt werden, so dass der Umstand, dass
die Beklagten die im schweizerischen Handelsamtsblatt er-
lassene Auskündigung nicht beachtet haben, ihrer gutgläu-
bigen Erwerbung nicht entgegen steht.
Ist aber davon auszugehen, dass die Beklagten die beiden
streitigen Obligationen in gutem Glauben erworben haben, so
ist nach der Gesetzgebung des Erwerbungsortes (Art. 306
und 307 des dtsch. H. G. B.) die Eigentumsklage nicht zu-
lässig. Danach sind somit alle Voraussetzungen, unter welchen
Art. 208 Abs. 2 die Eigentumsklage ausschliesst, in casu vor-
handen, so da 83 die Vindikation der Klägerin nicht geschützt
werden kann. (Entsch. vom 24. November 1899 i. 8. Bossard
c. Gebrüder Kapferer.)
37. 0. R. Art. 231 Âbs. ï, 78 ff.y 50. Die Willenmängel
und ihre Wirkungen werden für die Liegenschaftskauf- oder
Tauschverträge durch das kantonale und nicht durch das eid-
genössische Recht normiert. Das kantonale Recht bestimmt dem-
gemäss auch darüber, ob bei solchen Verträgen der Betrogene
-den Vertrag durch seine Genehmigung aufrecht erhalten und da-
neben Entschädigung für den durch dessen Haltung entstandenen
Schaden verlangen kann oder nicht.
In dem Revue XVIII, Nr. 22 abgedruckten Falle ergriff
der Kläger mit der Behauptung, die obergerichtliche Ent-
scheidung verletze Art. 00 ff. 0. R., die Berufung an das
Bundesgericht. Das Bundesgericht ist auf dieselbe nicht ein-
getreten aus folgenden Gründen:
Es kann einem Zweifel nach der in Anwendung des
Art. 231 Abs. 2 0. R. erwachsenen konstanten bundesrecht-
lichen Praxis nicht unterliegen, dass der zwischen den Par-
teien am 6. Januar 1898 abgeschlossene Vertrag als Kauf-
(oder Tausch-)vertrag über Liegenschaften in allen Bezieh-
ungen nicht dem eidgenössischen, sondern dem kantonalen
Rechte untersteht, so dass für denselben sowohl die speziellen
den Kauf betreffenden, als auch die allgemeinen Vertrags-
rechtsnormen des eidgenössischen Obligationenrechts als solche,
als Normen des eidgenössischen Rechts, nicht gelten.
Darnach ist denn in erster Linie klar, dass sich die Frage,
ob der Beklagte vertraglich für die Richtigkeit seiner An-
gaben über den bisherigen Mietertrag des verkauften Hauses
einzustehen habe, nach kantonalem und nioht nach eid-
genössischem Rechte beurteilt. Das Bundesgericht ist daher
nicht kompetent zu untersuchen, ob nicht allfällig die ge-
dachte Angabe als dictum proraissum zu betrachten sei, so
dass der Beklagte dem Kläger ex contractu auf sein Interesse
an der Richtigkeit derselben hafte, sondern es ist in dieser
Hinsicht die angefochtene, diese Frage verneinende Entschei-
dung der Vorinstanz ohne weiteres massgebend.
Im weitern aber ergiebt sich aus dem erwähnten Grund-
sätze, dass für Liegenschaftskauf- oder Tauschverträge das
kantonale Recht auch die Willensmängel, welche deren Gül-
tigkeit affizieren, und die Wirkung derselben regelt, während
die Bestimmungen des eidgen. 0. R. über „Mängel des Ver-
tragsabschlusses^ wie sie in Art. 18—28 0. R. niedergelegt
sind, als solche, als Normen des eidgenössischen Rechts, auf
die Liegenschaftskauf- oder Tauschverträge keine Anwendung
finden. Das kantonale Recht bestimmt demgemäss z. B.
•darüber, welcher Irrtum bei Liegenschaftskäufen als wesent-
63
licher zu betrachten sei und welche Wirkung dem wesent-
lichen Irrtum zukomme, ob derselbe das Geschäft (wie im
Obligationenrecht) nur für den Irrenden unverbindlich, oder
zu einem absolut nichtigen, für beide Teile unverbindlichen,
mache. Demgemäss bestimmt denn auch das kantonale Recht
darüber, welche Wirkung ein bei dessen Âbschluss geübter
Betrug auf die Gültigkeit des Liegenschaftskaufes ausübe.
Zwar kann das kantonale Recht selbstverständlich die Schaden-
ersatzpflicht des Betrügers nicht ausschliessen, denn der Be-
trug ist zweifellos eine unerlaubte Handlung im Sinne des
Art. 50 0. R., so dass aus derselben ein Schadenersatzanspruch
kraft eidgenössischen Rechts entsteht, welchen das kantonale
Recht, da in dieser Hinsicht ein Vorbehalt für dasselbe nicht
gemacht ist, nicht beseitigen kann. Dagegen steht dem kan-
tonalen Rechte, da es eben das Vertragsrecht des Liegen-
schaftskaufes in vollem Umfange normiert, in thesi frei, zu
bestimmen, dass Betrug den dadurch herbeigeführten Liegen-
schaftskauf nichtig, für beide Teile, nicht nur für den Be-
trogenen, sondern auch für den Betrüger, vorbehaltlich der
Schadenersatzpflicht desselben, unverbindlich mache; es kann
daher folgeweise auch bestimmen, dass zwar der Betrüger an
den Vertrag, bei Genehmigung desselben durch den Betro-
genen, gebunden sei, bezw., dass der Betrogene den Betrüger
durch seine Genehmigung des Vertrages bei demselben fest-
halten könne, allein bloss in dem Sinne, dass er nur die
Wahl habe, entweder bei der Erfüllung des Vertrages, so wie
derselbe abgeschlossen ist, zu beharren, oder aber den Ver-
trag abzulehnen und Schadenersatz zu verlangen, dass er
aber nicht den Vertrag aufrechterhalten und daneben Ent-
schädigung für die schädigenden Wirkungen des Bestehen-
bleibens desselben verlangen dürfe. Auch hiebei handelt es
sich eben um die Wirkungen des Willensmangels auf die ver-
tragliche Rechtsstellung der Parteien, speziell darum, in wel-
chem Sinne der betrogene Teil den Gegner bei dem Vertrage
festhalten könne, bezw. welche Wirkungen sich an seine Ge-
nehmigung des Vertrages, welche denselben erst zu einem
rechtsbeständigen macht, knüpfen. Im wesentlichen in dem
letztangegebenen Sinne nun hat die Vorinstanz die Bestim-
mungen des Obligationenrechts über den Einfluss des Willens-
mangels des Betrugs auf Gültigkeit und Wirkungen des Ver-
trages aufgefasst und auf den Liegenschaftskauf angewendet,
wenn sie ausführt, dass der Betrogene, wenn er den für ihn
unverbindlichen Vertrag durch seine Genehmigung aufrecht-
erhalte, zu einem gültigen mache, nicht gleichzeitig Ersatz
64
de s durch die Haltung des Vertrages ihm entstandenen Scha-
dens, sondern nur eines (nicht näher definierten) „negativen
Vertragsinteresses" verlangen könne. Ob nun diese Auf-
fassung richtig ist, mag zweifelhaft erscheinen ; allein es ent-
zieht sich deren Nachprüfung der Kompetenz des Bundes-
gerichts, da eben die Dezügliohen Bestimmungen des 0. R.
im vorliegenden Falle in ihrer Anwendung auf den Liegen-
sohaftskauf nicht als Normen des eidgenössischen, sondern
des subsidiären kantonalen Rechts in Betracht kommen. Ist
dem aber so, so ist durch die Entscheidung über eine prä-
judizielle Frage des kantonalen Rechts der Deliktsklage des-
Klägers die Grundlage von vornherein entzogen. (Entach.
vom 19. Januar 1900 i. S. Schmid c. Bolliger.)
38. 0. R. Art. 3b7, 360, 367. Ablieferung des Werkes bes.
Gebäuden; Beginn der Rügefrist.
Wenn der Besteller ein für ihn (auf seinem Grund und
Boden) ausgeführtes Gebäude vor Vollendung der verdungenen
Bauarbeiten bezieht, so liegt hierin nicht die Ablieferung des
Werkes im Sinne des Art. 357 0. R. Diese kann vielmehr
erst nach gänzlicher Vollendung der Arbeiten stattfinden.
Die Rügefrist läuft darnach nicht schon vom Tage des Be-
zuges der unvollendeten Gebäude an. (Entsch. vom 2. De-
zember 1899 i. S. Gastl c. Wirz.)
39. 0. fi. Art 398, 431, 436, 444, 473. Das SelbsteirUritts-
recht des Kommissionärs ist auf die im Gesetz (Art. 444) ge-
nannten Fälle beschränkt. Bei Aufträgen zum Kaufe oder Ver-
kaufe von Waren u. s. f., die keinen Börsen- oder Marktpreis
haben, kann (Mangels entgegenstehender besonderer Vereinbarung)
der Selbsteintritt gültig nicht geschehen. Meldet der Verkaufs
kommissionär in einem derartigen Falle in der Meinung, als
Selbstkäufer eintreten zu wollen, einen Verkauf, trotzdem er einen
solchen mit einem Dritten nicht abgeschlossen hat, so wird er da-
durch nicht Eigentümer des Kommissionsgutes f dieses bleibt viel-
mehr Eigentum des Kommittenten, und die Kommission ist nicht
ausgeführt. Veräussert der Kommissionär das Kommissionsgui
später zu höherem als dem von ihm gemeldeten Preise an einen
Dritten, so ist der Kommittent berechtigt, die Herausgabe des vom
Kommissionär Bezogenen (nach dem Rechte des Mandali oder
der Geschäftsführung ohne Auftrag bezw. ungerechtfertigter Be-
reicherung) zu verlangen.
(Entsch. vom 19. Januar 1900 i. S. E. Probst ACiec. Simeon.)
65
40. 0. i). Art. 16, 627, 640 Abs. 2. Der Einwand der
Simulation beurteilt sich nach demjenigen Rechte, welchem das
erklärte Rechtsgeschäft untersteht, bei Abtretungen auf Rechnung
künftigen Erbes also nach kantonalem Rechte. Wann liegt eine
Umgehung des Art 640 Abs. 2 vor? Umwandlung des GeseU-
schaflszweckes oder blosse Erweiterung des Geschäftsbereiches der
Gesellschaft 7
1. Art. 640 verbietet dem Grossaktionär nur, von den
sämtlichen vertretenen Stimmrechten mehr als den fünften
Teil in sich zu vereinigen; er hindert ihn nicht, sich seiner
überschüssigen Aktien zu entäussern, selbst wenn die Ver-
äusserung lediglich zu dem Zwecke geschieht, damit das mit
den veräusserten Aktien verbundene Stimmrecht nunmehr von
den neuen Eigentümern in dem vom Veräusserer gewünschten
Sinne geltend gemacht werden könne. Wenn daher der Vater
B. seinen Kindern die Aktien, mit welchen diese gestimmt
haben, wirklich abgetreten hat, so kann von einer unstatt-
haften Umgehung von Art. 640 0. R. nicht die Rede seinr
auch wenn er die Abtretung in der Absicht vornahm, um
dadurch mit seinen Kindern zusammen die Mehrheit bei der
Abstimmung zu besitzen. Es muss sich also fragen, ob die
Abtretungen ernst gemeint oder, wie die Kläger behaupten,
bloss simuliert gewesen seien. Die erste kantonale Instanz
hat in ersterem Sinne entschieden, die zweite dagegen in
letzterem, indem sie ausführte, es müsse zwar zugegeben*
werden, dass Vater B. sich bei den streitigen Abtretungen
offenbar von der Absicht habe leiten lassen, die nun ange-
fochtenen Beschlüsse zu ermöglichen, welche er selber im
Hinblick auf Art. 640 0. R. nicht hätte herbeiführen können.
Allein die hiefür sprechenden Momente vermögen immerhin
die Ueberzeugung nicht zu begründen, dass es sich bei diesen
Abtretungen wirklich um blosse Scheingeschäfte gebandelt
habe; der strikte Nachweis für das Vorhandensein des Gegen-
teils eines reellen Geschäftes fehle. Nun beurteilt sich die
Frage, ob die Parteien die Rechtsfolgen des durch ihre über-
einstimmenden Willenserklärungen deklarierten Rechtsgeschäf-
tes wirklich gewollt haben oder nicht, ob also das von ihnen
deklarierte Rechtsgeschäft ein ernstgemeintes oder ein blosses
Scheingeschäft sei, nach demjenigen Recht, dem das er-
klärte Geschäft untersteht (s. bundesger. Entsch. Bd XXIV,
S. 356, Erw. 2). Bei den beiden Abtretungen an Joseph und
Anna B. (von welchen einzig die Anfechtbarkeit der streiti-
gen Beschlüsse nach Art. 640. 0. R. abhangen kann), handelt
es sich aber laut der Erklärung in der Abtretungsurkunde
66
um Vorempfänge auf Rechnung künftigen Erbes; die Rechts-
geschäfte, welche die causa der Eigentumsübertragung bilden,
sind somit nicht obligationenrechtlicher, sondern erbrechtlicher
Natur, und unterstehen demnach dem kantonalen Recht.
Daraus folgt nach dem Gesagten, dass auch die Frage, ob
sie simuliert seien, nach kantonalem Recht zu beurteilen ist
und daher die Entscheidung der Vorinstanz in diesem Punkt
sich der Ueberprtifung des Bundesgerichts entzieht. Nach
eidgenössischem Recht zu entscheiden wäre bloss die Frage
nach der Realität der Eigentumsübertragung selbst, der Tra*
dition; allein diese ist, nachdem gemäss der Entscheidung
der Vorinstanz das Grundgeschäft als ernstgemeintes betrachtet
werden muss, ohne weiteres zu bejahen, und übrigens even-
tuell auch nicht bestritten.
2. Nach den Statuten bestand der Gesellschaftszweck
der beklagten Aktiengesellschaft in der Erwerbung und dem
Fortbetrieoe der früher von A. B. betriebenen Dampfziegelei
und Cementwarenfabrik. Durch die angefochtene Statuten-
änderung ist nun der Verwaltungsrat ermächtigt worden, auch
über Grunderwerb zu Bauzwecken und Ausführung von
Bauten auf eigene Rechnung zu beschliessen (sofern solche
Massnahmen keine grössere Ausgabe als je Fr. 60,000 [ein-
mal zu leisten] zur Folge haben). Hierin kann eine gemäss
Art. 627 Abs. 3 0. R. unzulässige Umwandlung des Gesell-
schaftszweckes nicht erblickt werden. Eine Umwandlung des
Gesellschaftszweckes läge nur vor, wenn die Generalversamm-
lung beschlossen hätte, statt der Ziegel- und Cementwaren-
fabrik ein anderes Geschäft zu betreiben; allein dies ist nicht
der Fall. Die vorgenommene Statutenänderung enthält viel-
mehr lediglich eine Erweiterung des bisherigen Geschäftsbe-
triebes, indem sie darauf abzielt, den Gesellschaftszweck noch
auf andere Weise als wie bis anbin zu fördern, nämlich da-
durch, da 88 die Produkte der Fabrik zur Herstellung von
eigenen auf Spekulation hin erstellten Bauten verwendet wür-
den. Eine solche Erweiterung des Geschäftsbereiches kann
nach Massgabe der Statuten von der Mehrheit gültig be-
schlossen werden, sofern nur die nach Art. 627 Abs. 2 für
derartige Beschlüsse geltenden Vorschriften beachtet werden,
was hier nicht bestritten ist. (Entsch. vom 24. November
1899 i. S. Pfyffer und Genossen c. Aktiengesellschaft Dampf-
ziegelei und Cementwarenfabrik Kriens.)
67
41. 0. B. Art. 725, 759, 762, 814, 815, 818 Abs. 2, 827
Ziffer 7. Wechselprotest: Die Erfordernisse eines gültigen Pro-
testes sind in Art 815 (und Art 818 Abs. 3) erschöpfend auf-
gezählt. — Präsentations- und Protestfrist fallen zusammen; die
ktatere umfasst stets zwei volle Werktage nach dem Zahlungstage-
1. Zur Erhaltung des Wechselrechtes gegen den In-
dossanten bedarf es gemäss Art. 762 und 827 Ziff. 7 O.E.
der Präsentation und Protesterhebung immer.
2. Die in Art. 815 0. R. enthaltene Aufzählung der Er-
fordernisse eines gültigen Protestes ist eine erschöpfende
(vergi, in diesem Sinne für den analogen Art. 88 der deut-
schen Wechselordnung: Grünhut, Wechselrecht, Bd II
S. 48 f. u. 62 Anm. 41; Berschardt, Komm., 8. Aufl.,
S. 488, Zusatz 864; Bernstein, Komm. S. 384; dagegen
Staub, Komm. z. W. 0. Art. 88 § 1), mit Ausnahme des
im Gesetze selber noch aufgezählten Falles des Art. 818
Abs. 3. Dieses Resultat folgt zunächst aus der allgemeinen
Erwägung, dass die neuere Gesetzgebung, und so auch die
schweizerische, den Protest seines früheren feierlichen Cha-
rakters entkleiden und aus ihm eine, allerdings noch in be-
stimmtem Grade solenne Beweisurkunde darüber, dass der
Wechsel zur Zahlung präsentiert und welche Antwort vom
Protestaten gegeben worden sei, machen wollte; für das
schweizerische Wechselrecht trifft diese Erwägung umso mehr
zu, als hier, Art. 814, entgegen der deutschen Wechselord-
nung, Art. 87, der Protest nicht notwendig durch einen Notar
aufgenommen werden rnuss. Dazu kommt, dass das Gesetz
selber die Ungültigkeit des Protestes wegen des Mangels aus-
drücklicher Erwähnung der Präsentation des Wechsels
nicht ausspricht, während es sonst überall Sorge trägt, die
Nichtigkeit oder Ungültigkeit eines wechselrechtlichen Aktes
ausdrücklich hervorzuheben (s. Art. 725 und dazu Art. 827
Ziff. 2 0. R.). Aus dem Mangel der ausdrücklichen Erwäh-
nung der Präsentation des Wechsels zur Zahlung kann so-
nach die Ungültigkeit des Protestes nicht gefolgert werden.
3. Die Behauptung, dass die Präsentation zur Zahlung
immer am Verfalltage erfolgen müsse, ansonst sie verspätet
und damit der Regress mangels Zahlung gegen den Aussteller
und Indossanten verwirkt sei, kann nicht als richtig aner-
kannt werden. Nach Art. 762 Abs. 2 0. R. ist die Erhebung
des Protestes am Zahlungstage nicht zulässig, sie muss je-
doch spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungs-
tage geschehen. Nun erscheinen Präsentation zur Zahlung
und Protestaufnahm e mangels Zahlung im Grunde nur als
68
zwei Seiten eines und desselben Aktes, bezw. Präsentation
zur Zahlung und Aufnahme des Protestes haben gleichzeitig
zu erfolgen; der Protest hat gerade den Zweck, die Präsen-
tation zur Zahlung und die Nichterlangung der Zahlung fest-
zustellen. Danach muss notwendigerweise die Frist zur Prä-
sentation zur Zahlung mit der Protestfrist zusammenfallen —
ein Satz, der in der deutschen Doktrin und Praxis unbestrit-
ten ist (vergi. Thöl, Handelsrecht, 4. Aufl., Bd II S. 358 j
Rehbein, Komm. S. 72; Bernstein a. a. O. S. 197 Art. 41
§ 1 Ziff. 1 sub b); Grünhut a. a. 0. Bd II S. 394; Staub
a. a. 0. Art. 40 § 7 u. Art. 41 § 8; s. auch Schneider u.
Fiok, Komm. z. 0. R. Art. 762 Anm. 7). Dieses Resultat
erscheint um so richtiger, als der Verzug des Wechselgläu-
bigers gemäss Art. 759 0. R. erst nach Ablauf der für die
Protesterhebung mangels Zahlung bestimmten Frist beginnt.
4. Art. 762 0. R. gewährt als Protestfrist in allen Fällen
zwei volle Werktage nach dem Zahlungstage, so dass ein an
einem Samstag verfallener Wechsel noch am darauffolgenden
Dienstag gültig präsentiert und protestiert werden kann (vergL
bes. Grünhut a. a. 0. Bd II S. 394, spez. Anm. 9, u. Staub
a. a. 0. Art. 41 § 14 u. dort zitierte; ferner vergi. Zeitschr.
d. bern. Jur.-Ver. Bd I (1865) S. 395 ff., sowie das Gut-
achten von Favey u. Cérésole an den Vorstand der Börse
von Lausanne „du délai de protêt faute de paiement" Lau*
sänne (1897). (Entsch. vom 22. Dezember 1899 i. S. Frau
Althaus-Höfer c. Ersparniskasse Ölten.)
42. Bundesgesetz betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung
von Privatrechten vom 1. Mai 1850, Art 5. Das in Art. 5 cit.
statuierte Recht des Exproprianten auf Ausdehnung der Enteig-
nung greift dann Platz, wenn die zu bezahlende Minderwerts-
und Inkonvenienzentschädigung ein Viertel des Wertes des nach
der Enteignung verbleibenden Restgrundstückes, nicht
erst dann, wenn sie ein Viertel des Wertes des ganzen Grund-
stücks übersteigen würde. Die Entscheidung des Bundesgerichts
i. S. Thoman $ Cie gegen Nordostbahn (amtl. Samml. XIX S. 144 ff.
Erw. 2) will keineswegs das Gegenteil aussprechen.
(Entsch. vom 14. Dezember 1899 i. S. Baud c. Jura*
Simplon.)
43. Bundesgesetz betreffend den Bau und Betrieb der Eisen-
bahnen vom 23. Dezember 1872, Art. 30 Abs. lu 3. Die Kosten
der Einführung ihrer Linie hat grundsätzlich die Anschlussbahn
69
zu tragen. Dagegen ist dieselbe nicht verpflichtet, sich in das Mit-
eigentum der bestehenden, von ihr mitbenutzten Anlagen der Haupt-
bahn durch eine Kapitalzahlung einzukaufen, sondern hat für die
Mitbenutzung regelmässig lediglieh eine Zinsvergütung zu leisten.
Der Thatbestand, welchen Art. 30 des Eisenbahngesetzes
nach seiner Fassung voraussetzt, ist der, dass eine Eisen-
bahnuntemehmung an eine andere, bereits vorhandene Anlage
anzuschlies8en wünscht. Dies ergiebt sich, wenn nicht schon
aus dem Wortlaut von Abs. 1, dann doch daraus, dass in
dem den Abs. 1 ergänzenden Abs. 3 nur von der Mitbenutzung
bestehender Bahnhofanlagen und Bahnstrecken die Rede
ist. In der bundesrätlichen Botschaft zum Eisenbahngesetz
wurde denn auch die Frage, die in Art. 30 ihre Regelung
fand, dahin formuliert: „Kann eine neue Bahn verlangen, dass
ihr die schon bestehende die Mitbenutzung ihres Bahnhofes
und der Zufahrtsstrecke für die Einmündung gestatte?" (vergi.
B. B. v. 1871 II S. 682.) lieber die Kosten der Einführung
als solcher, des technischen Anschlusses, enthält das Gesetz
keine Vorschrift. Es setzt voraus, dass die Anschlussbahn
•diesen Anschluss bewerkstellige, und legt der Hauptbahn nur
die passive Verpflichtung auf, denselben zu gestatten.
Hieraus folgt, dass grundsätzlich die Anschlussbahn tür die
Kosten der Einführung aufzukommen und demgemäss auch
der Hauptbahn für die mit dem Anschlüsse verbundenen Ein-
griffe in ihre Rechte Entschädigung zu leisten hat. es er-
giebt sich dies auch aus der Erwägung, dass der Anschluss
3er Hauptbahn nicht zum Nachteil gereichen soll (vergi, die
erwähnte bundesrätliche Botschaft, a. a. 0.). Die Hauptbahn
ist aber nicht nur gehalten, den baulichen Anschluss zu ge-
statten, sondern sie hat auch die Ueberleitung des Verkehrs
von der Anschlussbahn auf ihr Gebiet, die Herstellung eines
Zusammenhangs der beiden Unternehmungen in betriebstech-
nischer Beziehung zu dulden und zu diesem Zwecke, immer-
hin wiederum bloss gegen angemessene Entschädigung, der
Anschlussbahn die Mitbenutzung ihrer Anlagen und Einrich-
tungen zu gewähren und ihr insofern auch ihr Betriebspersonal
zur Verfügung zu stellen. Läge somit der Fall vor, wie ihn
Art. 30 voraussetzt, so wäre nicht zweifelhaft, dass die An-
schlussbahn für die durch den baulichen Anschluss verursach-
ten Kosten selbst aufzukommen und daneben nach Abs. 3
jenes Artikels der Klägerin für die Mitbenutzung der vor-
handenen Anlagen angemessene Entschädigung zu leisten
hätte. Nun ist aber im vorliegenden Falle die Sachlage eine
andere. Als nämlich die Beklagte der Klägerin ihr Anschluss-
70
begehren eröffnete, war die Station Sihlbrugg noch nicht er*
stellt, sondern es bestand nur ein lediglich die Bedürfnisse
der Nordostbahn berücksichtigendes Projekt. Die Klägerin
hat nun nicht etwa den Standpunkt eingenommen, dass sie
einfach ihr Projekt ausführe und es der Beklagten überlasse,
nachher den Anschlug anf ihre Kosten zu suchen. Sondern
sie hat gemäss dem Wunsch der Beklagten neue Pläne aus-
gearbeitet, in denen die Einführung der Sihlthalbahn berück-
sichtigt und die ganze Anlage nach den gemeinsamen Be-
dürfnissen beider Bahnen eingerichtet wurde. Naohdem dann
diese Pläne von der Beklagten genehmigt waren, hat sie das
Projekt selbständig und mit eigenen Mitteln ausgeführt. Sie
hat auf ihren Namen die nötigen Landerwerbungen gemacht
und die sämtlichen Bauten und Einrichtungen erstellt. Dabei
wurde weder technisch, noch administrativ oder auch nur
rechnerisch eine Ausscheidung danach getroffen, ob die ein-
zelnen Objekte oder Einrichtungen der Klägerin oder dem
Zwecke des Anschlusses der Beklagten dienen. Es wäre dies
übrigens, nachdem sich die Nordostbahn einmal entschlossen
hatte, ein den Bedürfnissen beider Bahnen entsprechendes
Projekt auszuführen, kaum möglich gewesen. Ist aber in der
von der Nordostbahn erstellten Anlage die Einführung der
Sihlthalbabn und die Mitbenutzung derselben bereits in einer
Weise vorgesehen, dass es weiterer Anschlussvorkehren hie-
für nicht mehr bedarf, so kann auch nicht mehr von eigent-
lichen Anschlusskosten, noch davon gesprochen werden f
dass die Klägerin solche von der Beklagten ersetzt verlangen
könne.
Die Klägerin hat denn auch selbst im Prozesse ein solches
Begehren nicht gestellt. Sie verlangt vielmehr von der Be-
klagten einen Beitrag an die gesamten Erstellungs-
kosten, wobei sie allerdings diesen Beitrag auf die Diffe-
renz der mutmasslichen Kosten ihres ursprünglichen und der
effektiven Kosten des ausgeführten Projektes beziffert. Dass
dieses Begehren unter den obwaltenden Verhältnissen nicht
mit dem Satz begründet werden kann, dass die Anschluss-
bahn die Anschlossko8ten an sich zu tragen hat, geht schon
aus dem bereits Gesagten hervor. Die Nordostbahn hat that-
sächlich den Erwägungen, die sie in der Klage dafür anführt,
dass es ihr nicht zugemutet werden könne, den für die Aus-
führung des Gemeinschaftsprojektes erforderlichen Mehrbedarf
zu decken, selbst keine Rechnung getragen und kann diese
nun nicht zur Begründung eines Anspruches auf Ersatz jenes
Mehrbedarfes verwenden. Es kommt überdies dazu, dass
71
nach den Experten das ursprüngliche Projekt aller Voraus-
sicht nach schon für die Bedürfnisse der Nordostbahn, sei es
zufolge der behördlichen Eonzessionsvorbehalte oder zu-
folge eigener Entschliessung der Klägerin, wesentliche Er*
Weiterungen erfahren hätte, so dass auch aus diesem
Grande jedenfalls nicht die sämtlichen Mehrkosten, als im
Interesse der Beklagten erfolgt, auf ihre Rechnung gesetzt
werden könnten. Die Klägerin leitet denn auch ihren An-
sprach nicht aus jenem Rechtsgrund ab, sondern sie verlangt
den Beitrag an die Anlagekosten als die ihr nach Art. 30
Abs. 3 des Gesetzes gebührende angemessene Entschä-
digung. Sie stellt sich also, und zwar offenbar mit Recht,
selbst auf den Boden, dass die Station, wie sie erstellt
ist, als eine bestehende Anlage zu betrachten sei,
welche die Beklagte mitzubenutzen gesetzlich berechtigt ist,
und dass es sich vorliegend einfach darum handle, die Be-
dingungen dieser Mitbenutzung zu regeln.
In dieser Beziehung fällt grundsätzlich in Betracht:
Zweifellos ist gegenwärtig die Nordostbahn Eigentümerin des
Areals und sämtlicher Einrichtungen der Station Sihlbrugg.
Sie giebt demgemäss zu, dass eine Kapitalbeteiligung der
Sihlthalbahn zur Folge hätte, dass diese im Verhältnis ihrer
Beteiligung Miteigentümerin der Anlage würde. Eine solche
Einräumung von Miteigentum verlangt aber die Beklagte selbst
nicht. Auch ist nicht ersichtlich, aus welchem rechtlichen
Gesichtspunkte sie verpflichtet sein sollte, sich gleichsam in
das Miteigentum der Station Sihlbrugg einzukaufen.
Der Wortlaut des Art. 30 Abs. 3 E. G. beruht im Gegen-
teil auf dem Gedanken, dass die Anschlusspflicht eine Zwangs*
gemein8chaft nur im Sinne eines Mitbenutzungsrechts, nicht
aber im Sinne eines Miteigentums an den beiden Bahnen
dienenden Anlagen und Einrichtungen begründe, was weiter
dazu führt, dass als normale Form der Entschädigung nicht
eine Kapitalbeteiligung, sondern eine Verzinsung zu be-
trachten ist.
Für die Festsetzung der Höhe des Zinses ist davon aus-
zugehen, dass von der Ansohlussbahn derjenige Betrag zu
entrichten ist, der bei freier Konkurrenz für die Mitbenutzung
von ihr gefordert werden könnte (vergi, das Urteil des Bundes-
gerichts in Sachen der N. 0. B. gegen die V. S. B. betreffend
die Station Gossau, Amtl. Slg. Bd XIX, S. 751 f.). (Entsch.
v. 29. November 1899 i. S. Nordostbahn c. Sihlthalbahn.)
72
44. Bundesgesetz betr. das Urheberrecht an Werken der
Läteratur und Kunst vom 23. Aprü 1883, Art. 1, 12. Begriff
der Vervielfältigung. — In einer (in einem TheateranzeigeblatU
veröffentlichten), auf die Wiedergabe der Umrisse der Handlung
beschränkten, blossen Inhaltsangabe eines Bühnenwerkes liegt
keine Vervielfältigung dieses Werkes und daher kein unerlaubter
Nachdruck.
Der Beklagte giebt in Genf unter dem Titel „Genève-
Théâtre" ein Programmblatt fur das Theater heraus, welches
am allen Spieltagen erscheint; jede Nummer, welche zu
10 Cts. verkauft wird, enthält die Angabe des am betreffenden
Abend gespielten Stückes mit der Rollenbesetzung und so-
dann eine kurze, das Gerippe der Handlung enthaltende
Inhaltsangabe des Stückes, daneben Biographien und Por-
träts von Schauspielern, und Reklamen aller Art. In einzelnen
Nummern waren auch die Texte der hauptsächlichsten, in den
betreffenden Stücken gesungenen Couplets, Lieder oder Arien
abgedruckt. Der Kläger C. L., als Verleger einer Anzahl
von Theaterstücken (Schauspielen und Opern), deren Inhalts-
Angabe der Beklagte in dem erwähnten Blatte publiziert
hatte, verbot dem Beklagten, diese Publikationen fortzusetzen,
und erhob, als derselbe das Verbot nicht beachtete, gegen
ihn gerichtliche Klage dahin, es sei dem Beklagten die Fort-
setzung der erwähnten Publikation bei einer Strafe von
500 Fr. für jede Zuwiderhandlung zu untersagen und derselbe
überdem zu 5000 Fr. Schadenersatz zu verurteilen. Die
kantonalen Instanzen untersagten dem Beklagten den Abdruck
irgend eines Teiles des Textes der vom Kläger verlegten
Theaterstücke, wiesen dagegen im Uebrigen die Klage ab.
Auf Berufung des Klägers hin hat das Bundesgericht diese
Entscheidung bestätigt, weil in den vom Beklagten publizierten
Inhaltsangaben eine Vervielfältigung der vom Kläger verlegten
Bühnenwerke nicht liege. In den Entscheidungsgründen wird
hierüber u. a. ausgeführt: x
Sous le nom de reproduction, la loi fédérale du 23 Avril
1883 n'a pas voulu entendre seulement la reproduction
textuelle ou mécanique d'un ouvrage littéraire, mais aussi
celle du travail intellectuel de l'auteur, quoique revêtu d'une
autre forme ; c'est en effet le résultat de ce travail intellectuel,
de la création due à l'effort de l'auteur, que la loi a voulu
protéger. A cet égard les pièces dont il s'agit, et dont le
„Genève -Théâtre" a publié des résumés, ne se présentent
pas toutes, au point de vue du droit d'auteur, soit de la pro*
priété sur leur contenu littéraire, d'une manière identique.
73
Tandis que les unes, comme par exemple Faust, Roméo et
Juliette, Carmen etc., ont été conçues sur des données déjà
existantes, contenues dans des pièces ou des romans d'auteurs
plus anciens, les autres apparaissent comme dues plus ou
moins exclusivement à l'imagination, à l'invention personnelle
de leur auteur.
Si, en ce qui concerne la première de ces deux catégories,
il ne saurait être fait grief au défendeur d'avoir indiqué
brièvement, dans son journal, le contenu très résumé de
données dramatiques de pièces dont les auteurs les avaient
«ux-mêmes empruntées ailleurs, il faut reconnaître qu'en ce
qui touche les pièces absolument d'imagination, produit de
l'invention de leurs auteurs, une appropriation, ou reproduction,
même non servile, de semblables œuvres, pourrait fort bien
rentrer, selon les circonstances, dans la catégorie des repro-
ductions illicites, contre lesquelles la loi a voulu protéger les
.auteurs ou leurs ayants cause. Il va de soi que la limite est
difficile à tracer, ce qui explique le silence du législateur en
ce qui a trait à la définition de la reproduction interdite, et
«'est au juge qu'il appartient, dans chaque cas particulier, de
décider si les infractions poursuivies sont restées en deçà de
la dite limite, ou si elles l'ont dépassée.
On peut cependant admettre, comme critère général, que
pour qu'âne reproduction non textuelle puisse être considérée
comme illicite, il faut qu'elle soit de nature à remplacer
totalement ou partiellement l'ouvrage imité, car c'est dans ce
cas seulement que le droit de l'auteur de cet ouvrage subit
une atteinte préjudiciable. En ce qui touche en particulier
les œuvres dramatiques ou littéraires, une reproduction totale
ou partielle serait incontestablement illicite, et devrait donc
être interdite, si elle était de nature à produire, sur le lecteur,
la même émotion psychique ou esthétique que celle résultant
de la pièce originale, et si, notamment, elle reproduisait les
éléments constitutifs de cette pièce de manière à en rendre
la lecture ou l'audition superflues. Dans l'espèce, toutefois,
l'on ne se trouve en présence de rien de pareil ; les analyses
ou autres indications incriminées publiées par le „Genève-
Théâtre" ne sont autre chose qu'un compte-rendu des plus
succinctes, se bornant à reproduire la charpente, le squelette
de la pièce dont il s'agit, afin de guider successivement le
spectateur à travers les diverses situations de l'œuvre ; mais
ces esquisses, souvent vagues et toujours incomplètes, n'ont
aucune prétention ni portée littéraire, et elles ne sauraient
remplacer en aucune façon, pour le lecteur ou pour le spec-
74
tateur, la lecture ou l'audition de l'œuvre originale elle-
même ; la représentation scénique seule peut initier le public
à cette dernière, et il n'est nullement vraisemblable que, dans
ces conditions, la vente d'un journal d'entr'acte à 10 cts.
ait pu porter un préjudice à celle des textes originaux com-
plets, édités par le demandeur. (Entsch. v. 3. November 1899
i. S. Calmann-Levy c. Moriaud.)
45. Bundesgesetz betr. die Erfindungspatente vom 29. Juni
1888, Art. 1, 10. Wesen der Erfindung ; Unterschied derselben
von der blossen Konstruktion. — Als Nichtigkeitsgrund eines
Patentes kann auch geltend gemacht werden, dass dessen Gegen-
stand sich überhaupt nicht als Erfindung qualifiziere.
1. Wie das Bundesgericht in seinen Urteilen vom
12. Juli 1890 i. S. Müller c. Goar (A. 8. XVI, S. 595 L
Erw. 3) und vom 16. Juli 1894 i. 8. Schelling u. S täub li
c. ßüegg u. Boiler (A. S. XX S. 681 Erw. 4) ausge-
sprochen hat, kann das Nichtvorhandensein einer Erfindung
in der That als Nichtigkeitsgrund geltend gemacht werden,
obsohon Art. 10 Pat. Ges. diesen Mangel nicht unter den
Nichtigkeitsgründen aufzählt (s. dagegen Simon, Patent-
schutz, S. 100). Es folgt dies ausser aus der Erwägung, dass
die Anfechtbarkeit eines Patentes wegen Nichtneuheit der Er-
findung a fortiori zur Zulässigkeit der Anfechtbarkeit wegen
Mangels einer Erfindung führe und also dieser Nichtigkeits-
grund implicite in Art. 10 Ziff. 1 Pat. Ges. enthalten sei, —
auch aus dem Zwecke des schweizerischen Patentgesetzes
und dem von ihm angenommenen Patentsystem: Zweck des
Gesetzes ist der Schutz von Erfindungen; das System der
Patenterteilung ist das sog. Ajimeldungssystem, wonach das
Patentamt keine Prüfung des Vorhandenseins der Erfindung
übernimmt und dafür keine Gewähr leistet (Art. 18 Abs. 1
Pat. Ges.); bei gerichtlichen Streitigkeiten aus Patenten sind
daher die Gerichte nach allen Richtungen frei in der Beur-
teilung, und es muss ihnen namentlich auch die oberste Frage:
ob eine Erfindung überhaupt vorliege, zur Beurteilung zu-
stehen, da andernfalls diese Frage überhaupt nicht aufge-
worfen und damit unter Umständen auch Nicht- Erfindungen
der Schutz erteilt, der Zweck des Gesetzes also vereitelt
werden könnte. Alsdann aber kann der Mangel dieses obersten
Requisite 8 gewiss auch als Nichtigkeitsgrund geltend gemacht
werden.
2. Das Wesen der Erfindung, das im Gesetze nicht de-
finiert ist, besteht nach der in der bundesgerichtlichen Praxis
75-
angenommenen Definition in einem schöpferischen Gedanken,
durch welchen ein neues technisches Ergebnis, eine neue tech-
nische Wirkung geschaffen wird (A. S. XVI S. 596 Erw. 4).
Eine Erfindung kann danach bestehen in einer Kombination
von Naturkräften, die einen neuen technischen Nutzeffekt
hervorbringt; sodann aber auch im Schaffen einer neuen Funk-
tion zur Erzielung eines schon bekannten technischen Re-
sultates, sofern die neue Funktion einen technischen Fort-
schritt bedeutet. Somit wird das Vorhandensein einer Er-
findung nicht dadurch ausgeschlossen, dass bloss einzelne,
schon bekannte Elemente kombiniert werden; in einer solchen
Kombination liegt vielmehr eine Erfindung dann, wenn die
Korabination selbst eine neue technische Funktion ausübt
oder einen neuen technischen Effekt hervorbringt, sowie dann,
wenn nicht ledi gli oh eine Uebertragung vorliegt, sondern
eine neue technische Schwierigkeit überwunden werden muss
(s. Kohler, Forschungen aus dem Patentrecht, S. 30); durch
letzteres insbesondere unterscheidet sich die Erfindung von
der Konstruktion. (Entsch. v. 15. Dezember 1899 i. S. Honer
c. Schatz.)
46. Bundesgesetz betr. den Schutz der Fabrik- und Handels-
marken vom 26 September 1890, Art 1, 3, 5. Recktsvermutung
zu Gunsten des ersten Hinterlegers. — Freizeichen. — Ein im
Auslande zum Gemeingut gewordenes Zeichen kann im Inlande
nicht mehr als Schutzmarke appropriiert werden.
1. Das Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik-
und Handelsmarken vom 26. September 1890 bestimmt in
Art. 5, bis zum Beweise des Gegenteils werde angenommen,
dass der erste Hinterleger einer Marke auch der wahre Be-
rechtigte sei. Es stellt also zu Gunsten des Handels- oder
Gewerbetreibenden, welcher ein Zeichen hat eintragen lassen,
die Präsumption auf, dass er berechtigt sei, dasselbe für seine
Ware als Unterscheidungszeichen ausschliesslich zu ver-
wenden. An dem Gegner, der dieses Recht nicht gelten
lassen will, ist es, den Nachweis dafür zu erbringen, dasa
dasselbe nicht bestehe, sei es, weil er selbst oder ein Dritter
der wahre Berechtigte ist, sei es, weil es sich um ein Zeichen
handelt, das seiner Natur nach, oder in Anbetracht der Ver-
kehrsgewobnheit, nicht als Merkmal einer bestimmten Her-
kunft der Ware gelten kann, und daher in der betreffenden
Branche jedermann zum Gebrauche freisteht.
2. Auch einem Phantasiezeichen, das seiner Beschaffen-
heit nach durchaus geeignet wäre, als Herkunftszeichen in
76
4er betreffenden Handelsbranche (Cigarrenbandel) verwendet
zu werden, kann gleicbwobl die individualisierende Kraft
fehlen, sofern nämlich die beteiligten Verkehrskreise sieh be-
reits daran gewöhnt haben, in ihm eine gebräuchliche Aus-
schmückung der Verpackung zu erblicken; ist dies der Fall,
hat das kaufende Publikum sich daran gewöhnt, die Etikette
als eine blosse Ausschmückung anzusehen, die von verschie-
denen Produzenten oder Händlern auf der Verpackung ihrer
Ware verwendet zu werden pflegt, so ist sie zum Freizeichen
.geworden und dadurch der ausschliesslichen Herrschaft eines
Einzelnen entzogen.
3. Das Markenrecht ist ein Bezeichnungsrecht für den
Universalverkehr, nicht bloss für den inländischen Verkehr
{s. Ko hl er, Das Recht des Markenschutzes S. 190). Mit
diesem Charakter des Markenrechtes ist es aber unvereinbar,
<lass ein und dasselbe Zeichen in dem einen Lande als Frei*
zeichen, in dem andern als schutzfähige Marke gelte; dies
würde notwendig dazu führen, dass dasselbe auch im Inlande
je nach der Provenienz der damit bezeichneten Ware ver-
schieden behandelt werden müsste, was nicht angeht. Die
Thatsache, dass ein Zeichen im Auslände zum Gemeingut ge-
worden ist, reicht daher hin, um die Aneignung desselben
zur Herkunftsbezeichnung auch im Inlande auszuschliessen.
(Entsch. v. 17. November 1899 i. S. Hediger Söhne c. Cigarren-
fabrik Union Aktiengesellschaft.)
47. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art. 216, 217. Die Bestimmung des Art. 217 M
nicht spezifisch konkursrechilicher Natur, sondern sie enthält einen
materiellen, aus dem Wesen der Solidarf orderung abgeleiteten
RechtssaU, sie findet daher nicht nur im Konkurse, sondern auch
im Nachlassverfahren eines Mitverpflichteten Anwendung.
Der Kläger hatte dem Beklagten an dessen Ordre ge-
stellte Gefälligkeitswechsel unterzeichnet. Da der Beklagte,
der die Wechsel weiter begeben hatte, für deren Deckung
nicht sorgte, wurde nach Verfall der Kläger von den Wechsel-
inhabern belangt und in der Folge gegen ihn der Konkurs
erkannt. Es gelang ihm, einen Nachlassvertrag abzuschliessen,
in dem die Wechselgläubiger 30 °/o ihrer Wechsel forderun gen
erhielten. ungefähr gleichzeitig brachte der Beklagte
seinerseits einen Nachl ass vertrag ausser Konkurs mit
seinen Gläubigern zu stände, nach welchem diese ebenfalls
30°/o ihrer Forderungen erhielten. In diesem Nachlass-
77
verfahren wurden die Inhaber der Gefälligkeitswechsel des
Klägers mit ihren ganzen ursprünglichen Forderungen zu-
gelassen. Dagegen anerkannte der Sachwalter den von*
Kläger für die von ihm bezahlten 30% der Wechsel-
forderungen geltend gemachten Deckungsanspruch nicht. Der
Kläger machte den Anspruch daher gerichtlich geltend, indem
er sich darauf berief, es handle sich um eine selbständige,,
civilrechtliche Mandatsklage und nicht um eine wechsel-
rechtliche Kegres8klage ; sein Antrag ging dahin, es sei zu
erklären, der Beklagte sei schuldig anzuerkennen, dass der
Kläger gegen ihn eine Forderung (von Fr. 2129.50) und bie-
ftir Anspruch auf Nachlassdividende habe.
Das Bundesgericht hat die Klage abgewiesen. Aus-
den Gründen seiner Entscheidung ist hervorzuheben:
Die erste Instanz hat die Klage geschützt, weil dem
Kläger ein auf einem selbständigen Rechtsgrund beruhender
Anspruch auf Erstattung der zu teilweiser Bezahlung der
Wechselforderungen ausgelegten Beträge zur Seite stehe und
es sich nicht um die Geltendmachung des bezahlten Teils der
Wechselforderungen an Stelle und gemäss den Rechten der
ursprünglichen Gläubiger handle. Diese an sich richtige Er-
wägung entscheidet jedoch, was schon die Appellations-
kammer erkannt hat, den Rechtsstreit nicht. Die Klage zielt,,
wie der Anlass zur Klageerhebung und die Formulierung des
Klagebegehrens in der Berufungserklärung zeigen, darauf ab,
den Kläger mit der eingeklagten Forderung an dem Nachlass-
vertrag des Beklagten teilnehmen zu lassen. Der Nachlass-
vertrag ist nun aber eine Auseinandersetzung des Schuldners
mit der Gesamtheit seiner Gläubiger. Der Kläger steht so-
mit, wenn er auf Zulassung zum Nachlassvertrag des Be-
klagten dringt, nicht nur diesem, sondern auch den übrigen-
Gläubigern desselben gegenüber, und es fragt sich, ob nicht
mit Rücksicht auf die Rechte dieser letzteren der Schuldner
sich der Teilnahme des Klägers widersetzen könne. . . .
Unter normalen Verhältnissen könnten die Gläubiger
der Wechselforderungen vom Beklagten nur den Rest ihrer
Forderungen verlangen, und stände dem Kläger für seine
Teilzahlungen das Rückgriffsrecht auf denselben neben den
ursprünglichen Gläubigern zu (Art. 166 0. R.). Nun befindet
sich aber der Beklagte in einer anormalen Vermögenslage,
indem er ebenfalls einen Nachlassvertrag abgeschlossen hat,
nach welchem seine Gläubiger nur 30 °/o ihrer Forderungen
erhalten. Und da uiuss es sich denn fragen, ob die Teil-
zahlungen des Klägers auch für einen solchen Fall für den
78
Beklagten befreiend wirkten, ob nicht vielmehr trotz der-
selben im Nachlassverfahren die Wechselgläubiger die ganzen
ursprünglichen Forderungen geltend machen können und ob
nicht infolgedessen die Forderung des Klägers davon aus-
zuschliessen sei
Würde über den Beklagten der Konkurs eröffnet wor-
den sein und es sich um die Teilnahme des Klägers an seiner
Konkursmasse handeln, so könnte die Lösung der ent-
scheidenden Fragen nach Art. 216 und 217 des Bundesgesetzes
über Schuldbetreibung und Konkurs nicht zweifelhaft sein.
Während Art. 210 voraussetzt, dass mehrere Mitver-
pflichtete gleichzeitig im Konkurse sich befinden, und schon
auf den analogen Thatbestand successiver Konkurse nicht
mehr passt, bezieht sich Art. 217 auf alle Fälle, in denen ein
Mitverpflichteter vor der Konkurseröffnung oder während des
Konkurses über einen andern Mit verpflichteten dem Gläubiger
eine Teilzahlung geleistet hat. Offensichtlich verfolgen beide
Bestimmungen den Zweck, zu verhindern, dass ein Mitver-
pflichteter aus dem Konkurse eines anderen Mitverpflichteten
etwas erhalte, bevor der Gläubiger gänzlich befriedigt ist.
Das Gesetz will den Gläubiger, für dessen Forderungen
mehrere haften, insofern begünstigen, als er in der Geltend-
machung seines Anspruches gegen jeden einzelnen Mitver-
pflichteten auch dann nicht durch die anderen beschränkt
werden soll, wenn er aus deren Vermögen teilweise Befrie-
digung erhalten hat. Daneben liegt den Art. 216 und 217
auch in Hinsicht auf die Interessen des Schuldners und der
übrigen Gläubiger ein gemeinsames Moment zu Grunde.
Diesen gegenüber stellen sich die Forderung des ursprüng-
lichen Gläubigers und die des Mitverpfliohteten, der eine
Teilzahlung geleistet hat, als eine materiell dem Inhalte nach
einheitliche Verpflichtung dar. Wie nun vom Schuldner
ausser Konkurs nicht mehr als die einfache Befriedigung
einer solchen Forderung verlangt werden kann, so soll die-
selbe auch in seinem Konkurse nicht mehrfach geltend ge-
macht und es soll seiner Masse nicht mehr entnommen
werden dürfen, als die dem Betrag der ursprünglich ein-
heitlichen Schuld entsprechende Dividende. Es wird insoweit
die konkur8mäS8ige Befriedigung der effektiven Befriedigung
gleichgestellt und als Erfüllung betrachtet. Gemeinsam ist
den beiden in Frage stehenden Bestimmungen nun aber weiter
auch der formale, rechtliche Mechanismus, mittelst dessen sie
den erwähnten gemeinsamen Zwecken zu genügen suchen.
Dem Gläubiger wird das Recht zugestanden, nicht nur ohne
79
Rücksicht auf seine Eingabe im gleichzeitigen Eonkurs eines
Mitverpflichteten, sowie auf die Dividende, die er aus diesem
zu erwarten hat, sondern auch ohne Rücksicht auf allfällig
schon vorher von einem Mitverpflichteten an ihn geleistete
Teilzahlungen im Konkurse eines anderen Mitverpflichteten
seine ganze Forderung anzumelden und dafür die darauf ent-
fallende Konkursdividende zu verlangen bis zu seiner vollen Be-
friedigung; erst dann und nur mit Bezug auf einen allfälligen
Ueberschu8s, den jene Dividende ergiebt, kann es zu einer
Auseinandersetzung zwischen den Mitverpflichteten über ihre
gegenseitigen Ansprüche kommen, wenn solche überhaupt be-
stehen. In dieser Richtung unterscheidet sich die gegen-
wärtig geltende Fassung des Art. 217 von derjenigen, die in
sämtlichen Entwürfen bis zur letzten sog. redaktionellen Be-
reinigung erscheint. Dort lautete die Bestimmung: „Hat
jemand, welchem mehrere Personen für die gleiche Schuld
verpflichtet sind, eine Teilzahlung erhalten, so kann er im
Konkurse eines Schuldners nur für den Rest seiner Forderung
als Gläubiger auftreten. Dagegen wird ein Mitschuldner oder
Bürge, welcher die Teilzahlung geleistet hat, für den Betrag
derselben unter die Konkursgläubiger aufgenommen. Es hat
jedoch der Gläubiger das Recht, Anweisung auf den dem Mit-
schuldner oder Bürgen zukommenden Anteil an der Verteilungs-
masse bis zur vollständigen Deckung der Forderung für sich
zu verlangen. Der Mitschuldner oder Bürge wird bei der Ver-
teilung erst nach dem Gläubiger und nur insoweit berücksich-
tigt, als die von ihm geleistete Zahlung seinen Anteil an der
Schuld übersteigt." Auch mit dieser Fassung wurde dem Gläu-
biger vor dem Mitverpflichteten, der eine Teilzahlung geleistet
hatte, im Konkurs eines anderen Mitverpflichteten ein Vorrecht
eingeräumt. Während jedoch nach den Entwürfen der Gläubiger
im Konkurse des Mitverpflichteten nur den nach Abzug der
geleisteten Teilzahlung verbleibenden Rest anmelden durfte,
hat er nach dem Gesetz das Recht, für den ganzen ursprüng-
lichen Betrag der Forderung Anweisung zu verlangen, und
während nach dem System der Entwürfe das Vorrecht des
Gläubigers vor dem Mitverpflichteten in der Weise gewahrt
wurde, dass derselbe den Anteil des letzteren beanspruchen
konnte, schliesst das Gesetz die Mitverpflichteten von vorn-
herein von der Teilnahme an der Masse aus, so lange der Gläu-
biger nicht volle Befriedigung erlangt hat. Die Bestimmung
der Entwürfe stammt, wie die Botschaft des Bundesrates vom
6. April 1886 (S. 71) ausdrücklich erwähnt, aus dem franzö-
sischen Rechte (Art. 542 — 544 des Code de commerce), dem
80
übrigens in dieser Beziehung auch die Reohte anderer Länder
gefolgt sind. Und wenn darin dem Gläubiger in Ergänzung
der vorbildlichen Bestimmungen des Code de commerce ein
Vorrecht auf die auf den Mitverpflichteten für die geleistete
Teilzahlung entfallende Eonkursdividende anerkannt ist, so
ist die Wurzel einer solchen Vorschrift wohl ebenfalls im
französischen Recht, speziell in dem Satze des Art. 1252 des
Code civil zu suchen, dass die Subrogation dem Gläubiger,,
der nur zum Teil befriedigt worden ist, nicht schaden dürfe.
Die Bestimmung geht somit von dem Verhältnis des Gläu-
bigers zu dem Mitverpflichteten aus, der die Teilzahlung ge-
leistet hat, und es liesse sich von diesem Gesichtspunkte aus-
an Hand der Lehre über die Subrogation die Anschauung be-
gründen, dass das Vorrecht des Gläubigers nur dann platz-
greifen dürfe, wenn der Mitverpflichtete, der die Teilzahlung
geleistet hat, dem Gläubiger gegenüber noch verpflichtet ist
und gemäss dieser Verpflichtung die Dividende, die er aus
dem Konkurse eines anderen Mitverpflichteten erhält, doch
wieder dem Gläubiger bis zu seiner vollen Befriedigung her-
ausgeben mü88te (vergi. Vis eh er, Der Rückgriff des Bürgert-
nach Schweiz. Obi. Recht, Zeitschrift für schweizerisches
Recht Bd XXIX S. 48 bis 52). Nach der zum Gesetz ge-
wordenen Fassung ist eine solche Beschränkung des Vorrechts
des Gläubigers nicht mehr möglich. Der Ausgangspunkt ist
demnach nicht mehr das Verhältnis des Gläubigers zu dem
Mitverpflichteten, der die Teilzahlung geleistet hat, sondern
das Verhältnis desselben zu dem anderen Mitverpflichteten,,
der in Konkurs gefallen ist. Diesem gegenüber ist der Gläu-
biger unter Umständen berechtigt, trotzdem er von einem
anderen Mitverpflichteten eine Teilzahlung erhalten hat, die
ganze ursprüngliche Forderung geltend zu machen, wobei da»
Gesetz ausdrücklich bemerkt, „gleichviel, ob der Mit ver-
pflichtete gegen den Gemeinsohuldner rückgriffsberechtigt ist
oder nicht." Damit ist gegeben, dass auf die Art der Mit-
verpflichtung desjenigen, der die Teilzahlung geleistet hat, ob
Bürgschaft oder Selbstschuldnerschaft u. s. w., und auf den
Grund, weshalb sie geleistet und angenommen wurde, ob dies
gezwungen oder freiwillig geschah, nichts ankommen kann.
Dann darf aber auch, wenn der Mitverpflichtete rückgriffs-
berechtigt ist, nicht unterschieden werden, ob man es mit
einem auf den Eintritt in die Rechte des ursprünglichen
Gläubigers sich stützenden eigentlichen Regressanspruch oder
mit einem auf selbständiger, rechtlicher Grundlage beruhenden
Anspruch zu thun habe. Und endlich ist es bei einer solchen.
81
Regelung des Verhältnisses durchaus gleichgültig, ob der Mit-
verpfliohtete, der die Teilzahlung geleistet hat, noch Schuld-
ner des Gläubigers sei oder nicht. Der Gläubiger geht ihm
unter allen Umständen kraft der ihm durch das Gesetz dem
Gemeinschuldner gegenüber eingeräumten Rechte vor. . . .
Der rechtliche Gesichtspunkt hiebei ist der, dass eine
von einem Mitverpflichteten geleistete Teilzahlung für die
anderen Mitverpflichteten nicht absolut befreiend wirkt und
dass die unter normalen Verhältnissen mit einer Teilzahlung
verknüpften Folgen der teilweisen Tilgung der Forderung und
eventuell der Erzeugung eines Regressanspruches einem Mit-
verpflichteten gegenüber, der in Konkurs gerät, erst eintreten,
wenn die Forderung ihre gänzliche materielle Befriedigung
gefunden hat (vergi. Goldschmidt, Ueber den Einfluss von
Teilzahlungen eines Solidarschuldners auf die Rechte des
Gläubigers gegen andere Solidarschuldner, insbesondere nach
eröffnetem Eonkurs u. s. w., in der Zeitschrift für das ge-
samte Handelsrecht, Bd XIV, S. 397 ; dernämliche, Haupt-
und Naohbürge u. s. w, in den Jahrbüchern für Dogmatik,
Bd XXVI S. 345, sowie insbesondere Köhler, Xonkursrecht,
S. 355 ff. u. S. 366 ff.). Hieraus würde für den vorliegenden
Fall, wenn der Beklagte sich im Konkurs befände, folgen,
dass die Wechselgläubiger berechtigt wären, ihre ganzen ur-
sprünglichen Forderungen anzumelden und bis zu ihrer vollen
Befriedigung zu liquidieren, und dass es andrerseits dem
Kläger nicht zustände, seine Forderung neben denjenigen
der Wechselgläubiger geltend zu machen, dass derselbe viel-
mehr nur dann und nur insoweit an Stelle der Gläubiger an
der Liquidation teilnehmen könnte, als die denselben zu-
kommende Dividende den vollen Betrag ihrer Forderungen
übersteigen würde.
Aus den bisherigen Ausführungen über die rechtliche
Grundlage, auf der Art. 217 Betr. Ges. beruht, ergiebt sich
nun aber weiter, dass man es dabei nicht mit einem spezi-
fisch konkursrechtlichen Satze, sondern mit einer aus dem
Wesen der Solidarforderung herzuleitenden, materiellrecht*
liehen Schlussfolgerung zu thun hat. Diese Auffassung wird
dadurch unterstützt, dass schon vor Erlass des eidgenössischen
Betreibungsgesetzes das Obligationenrecht Bestimmungen über
die Rechte des Gläubigers im Konkurse mehrerer Solidar-
schuldner aufstellte und dieselben unter die Vorschriften
über die materiellen Wirkungen der Solidarität einreihte
(s. Art. 167 u. 810 0. R.). Wird hievon ausgegangen, so
mu88 Art. 217 nicht nur im Konkurse, sondern auch im Nach-
82
lassverfahren eines Mitverpflichteten angewendet werden. Auch
hier ist die Vermögenslage des Mitverpfliohteten eine ab*
normale und findet mit Rücksicht darauf ein concursus cre-
ditorom statt. Auch hier besteht für den Gläubiger, der
eine Teilzahlung erhalten hat, die Gefahr, trotz des Vor*
handenseins mehrerer Mitverpflichteter nicht ganz gedeckt zu
werden, wenn er nur mit dem Best seiner Forderung am
Verfahren teilnimmt. Es muss ihm daher hier ebenfalls das
Recht eingeräumt werden, seine ganze Forderung geltend zu
machen. Der Umstand, dass die Art der Liquidation im
Nachlassverfahren eine andere ist als im Eonkurs, vermag
hieran nichts zu ändern. Massgebend ist, dass der Abschluss
eines Nachlas8vert rages aller Regel nach, wie der Eonkurs,
eine ökonomische Situation des Schuldners zur Voraussetzung
hat, die es ihm verun möglicht, seine Verpflichtungen gänzlich
zu erfüllen. Allerdings sind ferner die Wirkungen des Nach-
lassvertrages für die Forderungen der Gläubiger andere als
im Eonkurse, indem dieselben gegenüber dem Naohlass-
schuldner untergehen, oder dooh nicht mehr geltend gemacht
werden können. Um so eher aber muss es dem Gläubiger
gestattet werden, von diesem, trotz einer von einem anderen
Mitverpflichteten erhaltenen Teilzahlung, für seine ganze ur-
sprüngliche Forderung die Nachlassdividende zu verlangen.
Fraglicher ist allerdings mit Rücksicht auf die besonderen
Wirkungen des Nachlasevertrages, ob es dem Mitschuldner,
der die Teilzahlung geleistet hat, nicht billigerweise gestattet
werden sollte, neben der Forderung des Gläubigers seinen
durch die Teilzahlung erworbenen Anspruch im Nachlassver-
fahren ebenfalls zu liquidieren. Allein einer solchen Lösung
steht die rechtliche, und zwar materiellrechtliche Erwägung
zwingend entgegen, dass sich dem Schuldner und seinen
übrigen Gläubigern gegenüber die Regressforderung des Mil-
verpfiiohteten doch nur als Teil der ursprünglich einheitlichen
Forderung darstellt und dass er sich dadurch, dass er sich
dem Gläubiger gegenüber von der ganzen Forderung befreit,
auch von der durch die Teilzahlung einem Mitverpflichteten
entstandenen Teilforderung löst. Uebrigens giebt der Eläger
selbst zu, dass beim Naohlassverfahren im Eonkurs Art. 217
zur Anwendung zu kommen habe, weil die Rechtsstellung
der Gläubiger dieselbe bleibe, wie sie durch die Eonkurs-
eröffnung geschaffen wurde. Allein da die Lage, in welche
die Gläubiger infolge der Eonkurseröffnung unter sich ge-
raten, durchaus ähnlich ist derjenigen, in der sie sich in einem
ausser Eonkurs vom Schuldner eingeleiteten Nachlassverfahren
befinden, so muas sich hier die Frage, in' welchem Umfange
die Gläubiger im Verhältnis zu einander zur Liquidation zu-
zulassen seien, ebenso nach den allerdings ausdrücklich nur
für das Konkursverfahren aufgestellten Grundsätzen beant-
worten, wie sich ihr Rang nach den konkursrechtlichen
Segeln bestimmt. Und andrerseits ist es dem Schuldner auch
bei dieser Art der Liquidation, bei der er meistens alle ver*
iügbaren Mittel zu teilweiser Befriedigung seiner Gläubiger
verwenden wird, nicht zuzumuten, dass er für eine materiell
einheitliche Forderung mehr ausrichte, als die auf den ur-
sprünglichen Betrag derselben fallende Quote. Die Auffas-
sung, dass Art. 217 im Nachlasse er fahr en ausser Eonkurs
nicht zur Anwendung komme, ist zudem nicht nur mit den
allgemeinen Betrachtungen über den rechtlichen Gehalt und
die rechtliche Tragweite der Bestimmung als solcher unver-
einbar, sondern es stehen ihr auch die von der Vorinstanz
hervorgehobenen, speziell aus dem Wesen und Zweck des
Naohlassvertrages ausser Eonkurs geschöpften Argumente
entgegen. Es ist diesbezüglich namentlich hervorzuheben,
dass die Natur des Nachlassvertrages, als eines Surrogats des
Eonkurses, und die Tendenz des Gesetzes, den Abschluss von
Nachlassverträgen ausser Konkurs zu erleichtern, auf die An-
wendbarkeit des Art. 217 hinweist und dass es eine Ver-
kennung jener Momente bedeuten würde, wenn erklärt werden
wollte, dass im Nachlassverfahren ausser Konkurs der Gläu-
biger, der von einem Mitverpflichteten eine Teilzahlung er-
halten hat, nur mit dem Restbetrag zugelassen werde, oder
dass derjenige, welcher die Teilzahlung leistete, neben dem
mit der ganzen Forderung partizipierenden Gläubiger teil-
nehme (vergi, hierzu Entscheidung des deutschen Reichsgerichts
in Civilsachen Bd II S. 182, Bd XIV S. 172 ff. ; Kohler,
Konkursrecht S. 464 f.). (Entsch. v. 6. Dezember 1899 i. S.
Böget c. Braunschweig.)
48. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art. 285 ff., 287. Rechtliche Natur und Voraus-
setzungen der Anfechtungsklage aus dem Art. 287 leg. cit. („Ueber-
schuldungspauliana"). — Begriff der Deb er schul düng; An-
forderungen an den Beweis des Anfechtungsbeklagten, dass er die
Vermögenslage des Schuldners nicht gekannt habe.
1. Art. 287 Betr.- Ges. nimmt unter den positiven Normen
des schweizerischen Anfechtungsrechts nicht nur äusserlich,
sondern auch seinem Inhalte nach eine Mittelstellung ein.
84
Während Art. 286* sich einerseits nnr auf Schenkungen und
unentgeltliche Verfügungen des Schuldners bezieht, denen*
gewisse, ähnliche Zwecke verfolgende Rechtsgeschäfte gleich-
gestellt werden, und während hier andrerseits die Anfecht-
barkeit rein von dem objektiven Moment abhängig ist, das»
die Verfügung innerhalb der letzten 6 Monate vor der Pfändung
oder Konkurseröffnung vorgenommen wurde, erklärt Art. 288
alle Rechtshandlungen des Schuldners, ohne Rücksicht auf
den Zeitpunkt ihrer Vornahme als anfechtbar, wenn gewisse
subjektive Voraussetzungen vorhanden sind, wenn nämlich
der Schuldner beabsichtigte, seine Gläubiger zu benach-
teiligen, oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu
begünstigen, und wenn für den andern Teil diese Absicht
erkennbar war. Zwischen die Sohenkungspauliana des Art. 286-
und die Deliktspauliana des Art. 288 schiebt sich nun die
in Art. 287 normierte Anfechtungsklage — die Uebersohuldungs-
pauliana — als Mittelding ein. Es werden hier, ähnlich wie
in Art. 286, einzelne bestimmte Rechtshandlungen des Schuld-
ners, nämlich solche, durch welche einem Gläubiger Sicherung
oder Befriedigung gewährt wird, auf die er nicht oder noch
nicht oder nicht in der Art Anspruch hatte, als anfechtbar er-
klärt, wenn sie innerhalb der letzten 6 Monate vor der Pfändung
oder Konkurseröffnung vorgenommen wurden; immerhin nur für
den Fall, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme
bereits überschuldet war. Mit dem Nachweis dieser Erforder-
nisse hat dann aber der Anfechtungskläger seiner Behauptungs-
und Beweispflicht genügt. Der Nachweis einer Benachteiligungs-
oder Begünstigungsabsicht des Schuldners, sowie der Collusion
des Dritten wird nicht verlangt. Ob das Gesetz auf dein
Gedanken beruhe, dass die fraudulöse Absicht bei den in
Art. 287 genannten Rechtshandlungen vermutet werde, oder
ob der Grundgedanke nicht vielmehr der sei, dass durch
gewisse Geschäfte, die erfahrungsgemäss häufig vor dem
ökonomischen Zusammenbruch des Schuldners vorkommen
und dann regelmässig zum Nachteil der übrigen Gläubiger
ausschlagen, wenn sie thatsächlich erst innert bestimmter
Frist vor der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen
worden sind, das Recht der Gläubiger auf gleich- bezw.
gesetzmässige Befriedigung aus dem Vermögen des Schuldners
nicht beeinträchtigt werden dürfe, kann dahingestellt bleiben.
Denn wenn man auch — wofür aus der Entstehungsgeschichte
der Bestimmung schwerwiegende Argumente gewonnen
werden könnten — annehmen wollte, es handle sich um einen
speziell normierten Anwendungsfall des Art. 288, um eine
Unterart der Deliktspauliana, so ist doch nicht zu bestreiten,
dass in der zum Gesetz gewordenen Fassung, die in erster
Linie massgebend sein muss, die Bestimmung sich dem zweiten
System, auf welchem Art. 286 beruht, nähert. Insbesondere
ist der Gedanke einer Präsumtion der bösen Absicht des
Schuldners nirgends zum Ausdruck gelangt, auch nicht in
der Weise, dass dem Anfechtungsbeklagten die Möglichkeit
eröffnet wäre, die Klage durch den Beweis unwirksam zu
dachen, dass eine solche Absicht beim Schuldner nicht vor-
gewaltet habe. Es genügt nach dem Gesetz der objektive
Nachweis, dass die Handlung innert 6 Monaten vor der
Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen wurde und
•dass damals der Schuldner bereits überschuldet war. Aller-
dings hat nun das Gesetz in diese sonst rein auf objektiven
Thatbe8tandsmerkmalen aufgebaute Regelung der Anfechtungs-
klage nach Art. 287 auch ein subjektives Moment hinein-
getragen, indem nach dem Sohlusssatz dieses Artikels die
Anfechtung ausgeschlossen ist, wenn der Begünstigte beweist,
dass er die Vermögenslage des Schuldners nicht gekannt hat.
Insofern enthält die Klage des Art. 287 in ihrer positiven
Normierung auch ein der Deliktspauliana des Art. 288 ent-
nommenes Element. Allein es ist zu beachten, dass das Ge-
setz nicht von einem Nachweis des guten Glaubens oder von
•der Unkenntnis der Benachteiligungs- oder Begünstigungs-
absicht spricht, sondern das Beweisthema des Beklagten da-
hin formuliert, dass er die Vermögenslage des Schuldners,
d. h. einen objektiv feststellbaren Zustand nioht gekannt habe.
Daraus folgt, dass die Frage der fraudulösen Absicht in den
Fällen des Art. 287 nur bei der Feststellung des Kreises der
danach der Anfechtung unterworfenen Rechtshandlungen eine
Bolle spielen, dass aber sonst weder von einer Präsumtion
dieser Absicht, noch davon gesprochen werden kann, dass
«1er letzte Absatz des Artikels dem Beklagten die Möglich-
keit gebe, eine solche Präsumtion, soweit sie sich gegen ihn
richten würde, zu zerstören. Vielmehr kann nach der Fassung
des Gesetzestextes der Sinn der letztern Bestimmung nur
der sein, dass demjenigen, welcher mit seinem Schuldner
•eines der in dem Artikel genannten, eigenartigen und ausser-
.gewöhnlichen Geschäfte abscbliesst, zugemutet wird, dass er
mit Rücksicht auf die möglicherweise damit verbundene
Schädigung der Gläubiger die Vermögenslage des Schuldners
ins Auge fasse, und dass das Geschäft mit dem Mangel der
Anfechtbarkeit behaftet ist, wenn es eingegangen wurde,
•trotzdem der Begünstigte schon beim Abschluss wusste, dass
der Schuldner schlecht stand. Dabei wird die Wirksamkeit
der Anfechtungsklage, die durch die Einführung dieses sub-
jektiven Elementes wesentlich geschwächt ist, faktisch da-
durch wiederum gestärkt, dass dem Begünstigten die Beweis-
last für die Unkenntnis der raisslichen Lage des Schuldners
auferlegt ist.
2. Das Wort „überschuldet" in Art. 287 des Schuldbe-
treibungs- und Konkursgesetzes bezeichnet denjenigen Zustand
des Schuldners, in dem die in seinem Vermögen befindlichen
Aktiven die daraus zu befriedigenden Passiven nicht erreichen..
Ob dieser Zustand vorhanden sei, muss sich offenbar nach
den Verhältnissen beurteilen, wie sie objektiv im kritischen»
Momente vorlagen, und subjektive Gesichtspunkte können da-
bei nicht in Betracht fallen. Allerdings formulieren der fran-
zösische und der italienische Text des Gesetzes das Erfordernis
der Ueberschuldung dahin, dass sie sagen, es seien die frag-
lichen Rechtshandlungen anfechtbar, wenn sie von einem
débiteur insolvable, debitore in stato d'insolvenza vorgenommen
worden sind, woraus geschlossen werden könnte, dass es auf die
mehr von subjektiven Momenten abhängige Zahlungsunfähigkeit
oder Zahlungseinstellung ankomme. Allein bis zu der letzten,
dem ursprünglichen Zweck nach eigentlich bloss redaktionellen
Bereinigung der Gesetzesvorlage lauteten der französische und
der italienische Text mit dem deutschen übereinstimmend
dahin, dass die Rechtshandlungen desjenigen Schuldners an*
fechtbar seien, „qui était au-dessous de ses affaires," bezw.
dass der Beweis genüge „che il debitore era già oberato. "•
Es ist danach unbedenklich auf den deutschen Text abzu-
stellen (vergi, auch Amtl. Samml. Bd XXII S. 210 f. und
Bd XIX S. 568). Da ferner eine Rechtshandlung nach Art. 287
nur angefochten werden kann, wenn eine Pfändung oder der
Konkurs nachfolgt, die Anfechtbarkeit somit in gewissem
Sinne eine Rückdatierung der Wirkungen der Pfändung oder
des Konkurses bedeutet, so muss unter Ueberschuldung der-
jenige Zustand des Schuldners verstanden werden, der durch
die nachfolgende Pfändung oder Eonkurseröffnung manifest
wurde, d. h. es muss die Bilanz, in der Hauptsache wenigstens,
in gleicher 'Weise aufgestellt werden, wie im darauffolgenden
Liquidationsverfahren der Etat der Aktiven und Passiven er-
richtet wird. Es ist deshalb einerseits, wenn es sich fragte
ob der Schuldner bei der Vornahme einer der in Art. 287
Betreib.- Ges. aufgezählten Rechtshandlungen überschuldet ge-
wesen sei, nicht zu untersuchen, ob derselbe seine finanzielle
Lage gekannt habe oder habe kennen können oder sollen, noch
87
ob er habe annehmen können, dass er sich noch werde halten
können ; sondern es ist einfach zu prüfen, ob er damals anter
seinen Sachen stand. Andrerseits müssen dabei unter die
Passiven alle Schulden aufgenommen werden, die im folgen-
den Pföndungs- oder Konkursverfahren geltend gemacht werden
können, bezw. geltend gemacht worden sind, insbesondere
auch solche, für die aller Wahrscheinlichkeit nach selbständig
keine Betreibung eingeleitet und keine Zwangsliquidation an-
begehrt worden wäre, die aber, wenn diese von anderer Seite
herbeigeführt wird, doch daran teilnehmen, wobei es sich
höchstens fragen kann, ob die durch die Liquidationseröfinung
als solche herbeigeführten Aenderungen im Stande der Passiven
zu berücksichtigen seien oder nicht. Yon diesem Gesichts-
punkte aus müssen, entgegen der Ansicht der Vorin stanz,
die Frauengutsforderung der Ehefrau des Schuldners und die-
Forderung seiner Mutter bei der Aufstellung der Vermögens-
bilanz auf den Tag des Abschlusses des angefochtenen Ge-
schäfts als Schulden mitgerechnet werden, wie sie auch int
nachfolgenden Konkurs unter die Passiven aufgenommen?
worden sind und ihren verhältnismässigen Anteil an den.
Aktiven bezogen haben, und kann hieran der Umstand nichts
ändern, dass vom geschäftlichen Standpunkt aus unter nor-
malen Verhältnissen derartige Schulden eher als Aktiven
denn als Passiven angesehen werden und auch vorliegend
vom Schuldner angesehen worden sein mögen.
3. Mit dem Beweis, dass der Anfeohtungsbeklagte die-
Vermögenslage des Schuldners nicht gekannt habe, ist es, da
die Anfechtbarkeit wegen Ueberschuldung gemäss der ersicht-
lich strengen Tendenz des Gesetzes nicht zu leicht illusorisch
gemacht werden darf, ernst zu nehmen. Und wenn auch der
Natur der Sache nach in der Regel ein direkter Nachweis-
der Unkenntnis nicht geführt und nicht verlangt werden kann,
so muss es dann doch dem Anfechtungsbeklagten obliegen^
Momente geltend zu machen und nachzuweisen, aus denen
sioh ergiebt, dass er die missliche ökonomische Lage seine*
Schuldners nicht kennen konnte. Derselbe muss Umstände
darthun, die ihn der Pflicht, die Vermögenslage des Schuld-
ners näher zu besehen, enthoben, oder dann glaubhaft
machen, dass er dieser Pflicht genügt, dabei aber von den
bedrängten Verhältnissen des Schuldners keine Kenntnis er-
langt habe. (Entsch. vom 22. November 1899 i. S. Levy-
Sonneborn o. È. Hess & Cie.)
88
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
49. Clause pénale. Interdiction de reprendre un éta-
blissement analogue dans un certain rayon; calcul de ce rayon.
Art 178 s. C. 0.
Genève. Jugement de la Cour de justice civile du 6 janvier 1900
d. 1. c. Bonfantini c. xexier.
Bonfantini, oafetier, a vendu à Texier son café et s'est
engagé à ne pas créer ou reprendre un établissement simi-
laire à une distance moindre de 300 mètres; une dédite de
mille francs a été stipulée payable par la partie qui ne se
conformerait pas ou voudrait renoncer à la dite convention.
Bonfantini ayant repris d'un sieur Briffod un café situé dans
le voisinage, Texier Ta cité devant le tribunal pour s'ouir
faire défense d'en continuer l'exploitation et être condamné
Jt payer mille francs. Texier soutient que le café repris par
Bonfantini était à moins de 300 mètres de celui qu'il lui
avait cédé et que, par le seul fait de sa contravention aux
engagements par lui contractés, Bonfantini était tenu de lui
payer la dédite stipulée au contrat de vente. Bonfantini a
contesté que l'établissement par lui repris fût situé à une
distance inférieure à 300 mètres de celui qu'il avait vendu,
vu que la distance devait être calculée, non à vol d'oiseau,
mais en suivant les détours des rues conduisant de l'un à
l'autre. Le Tribunal de 1™ instance a estimé que la distance
était donnée par la projection horizontale de la ligne droite
reliant les deux établissements et que cette distance n'était
que de 260 mètres, que la dédite stipulée était bien une clause
pénale, et, qu'en conséquence, il devait être adjugée à Texier
sa conclusion. La Cour de justice civile a confirmé ce jugement.
Motifs: Considérant que c'est à bon droit que les
premiers juges ont choisi non la distance telle qu'elle peut
être calculée en suivant les rues et ruelles qui relient les deux
cafés, mais la distance mesurée en ligne droite par une pro-
jection à vol d'oiseau, que c'est ce mode de mensuration qui
a dû être entendu par les parties et non un autre soumis à
tous les aléas des changements qui peuvent être apportés au
tracé des rues et des allées;
Considérant que c'est également à bon droit que le Tri-
bunal a considéré la clause du contrat qui stipule une dédite
<le 1000 fr. comme contenant, non seulement le délit prévu
à l'art. 178 C. 0., mais encore la clause pénale prévue à
Tart. 179 du .même Code;
Que cela résulte des termes de cet acte qui prévoit ce
paiement, non seulement pour le cas où l'une des parties re-
noncerait au bénéfice de la convention, mais encore pour
celui où elle ne s'y conformerait pas;
Que la place occupée dans le contrat par cette stipu-
lation, immédiatement après celle qui interdit à Bonfantini
de reprendre un établissement similaire à celui par lui cédé,
indique bien qu'il s'agit d'une clause pénale prévue dans cette
éventualité. (La Semaine judiciaire, XXII p. 103 S8.)
50. Dienstvertrag. Anspruch auf Lohn bei Arbeits-
Verhinderung. Art 341 0. R.
Thargaa. Urteil des Obergerichts vom 27. Mai 1899 i. S. Ehren-
sperger c. A. Sauer.
H. E. war bei A. 3. als Vorarbeiter angestellt. Am
1. April 1897 wurde er verhaftet und bis zum 24. April in
Untersuchungshaft gehalten, dann aber entlassen, ohne dem
Gerichte überwiesen zu werden. Er verlangte nun unter Be-
rufung auf Art. 841 0. R., da der ihn an der Dienstleistung
verhindernde Grund von ihm nicht verschuldet sei, den Lohn
von Fr. 260 für den Monat April. Beide Instanzen wiesen
diesen Anspruch ab. Das Obergericht sagt:
Der Art. 341 0. R. kann in vorliegendem Falle nicht zur
Anwendung kommen. Er enthält eine Ausnahmebestimmung.
Während sonst als Grundsatz gilt, dass jemand nur für effek-
tive Dienstleistungen Entschädigung beanspruchen darf, werden
hier einzelne Fälle aufgeführt, in welchen auch ohne diese
Voraussetzung Vergütung zu leisten ist. Nach allgemeinen
Rechtsgrundsätzen sind aber derartige Gesetzesbestimmungen
strikte und nioht extensiv zu interpretieren. Art. 341 zählt
zwei Kategorien auf, Krankheit einerseits, Militärdienst und
ähnliche Gründe andrerseits. Bei der ersteren Kategorie
wollte der Gesetzgeber aus Rücksichten der Humanität, bei
der anderen aus öffentlich -rechtlichen Gründen den Be-
diensteten seines Lohnes nioht verlustig gehen lassen. Zu
diesen ähnlichen Gründen gehört nun wohl die Arbeitsbe-
hinderung in der Eigenschaft als Feuerwehrmann, Zeuge oder
Geschworener, nicht aber wegen unverschuldeter Inhaftierung.
Der Kläger stützt sich zwar auf Art. 60 des deutschen
Handelsgesetzbuchs, wo ganz allgemein der Behinderungsgrund
7
90
des unverschuldeten Unglücks angeführt ist, als welches sich
auch seine Inhaftierung qualifiziere. Allein mit Unrecht.
Wenn auch das deutsche Handelsgesetzbuch dem schweize-
rischen Obligationenrechte in vielen Beziehungen als Muster
•diente und eine Reihe von Bestimmungen desselben in dem
letzteren unveränderte Aufnahme gefunden haben, so bat doch
gerade hier der schweizerische Gesetzgeber eine Ausnahme
gemacht und ist seine eigenen Wege gegangen. Er wollte
offenbar im Gegensatze zum deutschen Rechte nicht eine der-
artige allgemeine Fassung eintreten lassen, sondern zog es
vor, die Fälle genauer zu präzisieren, in welchen ein An-
gestellter, der in unverschuldeter Weise an der Verrichtung
seiner Dienste gehindert ist, gleichwohl Anspruch auf Ent-
schädigung haben soll.
51. Unpfändbare Gegenstände. Entschädigung für
Heilungskosten fällt nicht unter die Regel der Entschädigung für
Körperverletzung. Art 92 Ziff. 10 ß.-G<?*. über Seh, u K.
Bern. Urteil des App.- und Kass. -Hofes vom 9. Juni 1899 i. S.
In sel s pi tal c. Kopp.
J. G. Kopp hatte von der Schweiz. Centralbahn für einen
schweren Eisenbahnunfall eine Haftpflichtentschädigung von
Fr. 13,258.52, inbegriffen Fr. 1138. 12 für Heilungskosten,
ausbezahlt erhalten. Auf Rechnung des Inselspitals Bern
entfielen von letzterer Summe Fr. 198, und das Spital be-
trieb den Kopp hietür, aber vergeblich, da das Betreibungs-
amt erklärte, Kopp besitze kein pfändbares Vermögen, weil
die Unfallentschädigung nach Art. 92 Ziff. 10 B. 6. unpfändbar
sei. Auf Beschwerde des Spitals erklärte die kantonale
Aufsichtsbehörde die von der Centralbahn an Kopp verab-
folgte Entschädigung, soweit sie für Heilungskosten zuge-
sprochen worden, als pfändbar.
Motive: Der Bestimmung von Art. 92 Ziff. 10 B. G.
liegt der Gedanke zu Grunde, dass das für menschliche
Arbeitskraft dem Verletzten durch die Gesetzgebung gewährte
Aequivalent nicht pfandbar sein soll (vergi. Bundesgerichtl.
Urteil im Arch. f. Soh. V Nr. 52). Daraus folgt, dass die
Entschädigungsbeträge für Heilungskosten nicht unter Art. 92
Ziff. 10 B. G. fallen, da diese Kosten offenbar nicht ein
Aequivalent für verlorene Arbeitskraft sind.
(Ein hiegegen von Kopp an das Bundesgericht gerichteter
Rekurs ist von letzterem abgewiesen worden. In den Motiven
Tvird ausgeführt, die fur Heilung zugesprochenen Beträge seien
91
gerade dazu bestimmt, aus dem Vermögen des Verletzten
wieder auszuscheiden, können darum auch nach dem Willen
•des Gesetzgebers dem Zugriffe der Gläubiger nicht entzogen
werden.) (Zeitschr. d. Bern. Jor.-Ver., XXXV 8. 659 ff.)
52. Betreibung auf Verlustschein. Neues Vermögen
im Sinne des Art 265 Abs. 2 B. 0. über Seh. u. K.1)
Zürich. Urteil der Appellationskammer des Obergerichts vom
24. Juni 1899 i. S. Zellweger c. Morf.
M. betrieb den Z. auf Grund eines Konkursverlustscheines
für Fr. 675.75. Der Betriebene bestritt diese Betreibung, ge-
stützt auf Art. 265 B. G. über Seh. u. E., da er seit seinem
Konkurse kein neues Vermögen erworben habe. Thataächlich
steht fest, dass er trotz Eonkurs ein Einkommen von 3000 Fr.
versteuert, die er als Prokurist seiner mit An- und Verkauf
von Liegenschaften und Werttiteln sich befassenden Ehefrau
verdient. Streitig war unter den Parteien, ob unter „neuem
Vermögen u lediglich neue Aktiven oder neues Beinvermögen
zu verstehen sei. Die Appellationskammer, in Ueberein-
stimmung mit der ersten Instanz, hielt die Betreibung aufrecht
unter Reproduktion folgender Gründe aus einem am 11. April
1893 i. 8. Hauser c. Murbach gefüllten Urteil.
Unzweifelhaft sind im Sinne des Betreibungsgesetzes
unter neuem Vermögen lediglich neue Aktiven verstanden.
Eine Interpretation im Sinne des Beschwerdeführers würde in
der That zu ganz absonderlichen Eonsequenzen führen. Der
Nachweis, dass der Schuldner neues „Reinvermögen" er-
worben, könnte vernünftigerweise vom Gläubiger nur dann
gefordert werden, wenn er auch lediglioh auf dieses Bein-
vermögen Anspruch hätte, denn wenn er einfach auf die
Aktiven greifen kann, unbekümmert um die Belastung mit
neuen Schulden, so ist kein Grund erfindlich, warum er ein
Mehreres zu beweisen brauoht, als dass überhaupt Aktiven
vorhanden seien.
Nun finden sich im Bundesgesetz über Seh. u. E. keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass ein in einem frühern Eonkurse zu
Verlust gekommener Gläubiger nur auf das Beinvermögen
greifen dürfe. Diese Idee widerspricht überhaupt schon dem
Begriff der Zwangsvollstreckung an sich, da Gegenstand der-
selben nicht ein ideelles Vermögen, sondern lediglich aktive
Vermögensstücke sein können.
*) Vergi. Revu« XVII Nr. 84.
92
Könnte der Gläubiger den Nachweis eines reinen Ver-
mögens nicht leisten, so wäre die Konsequenz der Theorie
des Beschwerdeführers die, dass der Gläubiger selbst dann,
wenn der Schuldner seine Aktiven nicht zur Bezahlung der
neuen Gläubiger, sondern in seinem eigenen Interesse ver-
wenden würde, kein Mittel hätte, um dem Schuldner bei-
zukommen. Der Schuldner hätte es überhaupt völlig in der
Hand, jeweilen im gegebenen Augenblick selbst nooh bei An-
hebung der Betreibung ein allfälliges „ Rein vermögen a (durch
Aufnahme von Schulden u. s. f.) sofort verschwinden zu lassen.
Dass das Betreibungsgesetz den Ausdruck „Vermögen"
im Sinne des Art. 265 Abs. 2 Seh.- u. K.-G. unmöglich im
Sinne des Rekurrenten verstehen kann, ergiebt sich auch,
daraus, dass auch ein Verlustschein aus einem Konkurse
den Gläubiger zu jeder Zeit berechtigt, auf Vermögensstücke
des Schuldners Arrest zu legen (Art. 265 Abs. 2, 149 Abs. 2,
271 Ziff. 5). Die Anwendung des allgemeinen Ausdruckes
„Vermögen" beweist überhaupt für die Auffassung des Re-
kurrenten gar nichts, da das Betreibungsgesetz an einer Reihe
von Stellen den gleichen Ausdruck gebraucht, wo ganz un-
zweifelhaft nur Aktivvermögen gemeint ist (vergi. Art. 9öy
115, 197, 221 Abs. 1 u. s. w.).
(Schweizer Blätter f. h.-r. Entgeh., XVIII S. 302 f.)
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
53. 0. R. Art. 17, 7 b, 181. Unsittliche Verträge sind schlecht-
hin (nicht nur dann, toenn der unmittelbare Leistungsgegenstand
in einer unsittlichen Handlung besteht) ungültig. Verträge, welche
bloss gegen von den Vertragschtiessenden gegenüber Dritten über-
nommene vertragliche Verpflichtungen Verstössen, sind nicht unsittlich.
Die Beklagte hat die Erfüllung eines von ihr resp. ihrem
Rechtsvorgänger als Verkäufer mit der Klägerin abgeschlos-
senen Kaufvertrages über bestimmte Quantitäten Flusseisen-
walzdrahtes verweigert Von der Klägerin deshalb auf Schaden-
ersatz (von Fr. 9375) belangt, wendete die Beklagte ein, das
Geschäft sei naoh Art. 17 0. R. als ein unsittliches ungültig.
Beiden Parteien sei nämlich durch Verträge mit Dritten ver-
boten gewesen, derartige Geschäfte abzuschliessen. Denn die
Klägerin sei einem in Deutschland bestehenden Syndikat bei-
getreten, dessen Mitglieder sich verpflichtet hätten, Walzdraht
deutscher Herkunft nur von Syndikatsmitgliedern zu beziehen,
und die Beklagte habe sich ihrerseits diesem Syndikat gegen-
über verpflichtet, die ihr zum Export unter Syndikatspreisen
gelieferten Waren nicht nach Deutschland zurückzuführen.
Die Klägerin habe beim Abschluss der fraglichen Kaufver-
träge gewusst, dass die beklagte Firma die vereinbarte Ware
nicht nach Deutschland liefern dürfe. Die Klägerin bestritt,
zur Zeit der Vertragsabschlüsse dem bezeichneten Syndikat
angehört und gewusst zu haben, dass die Beklagte mit ihm
in Beziehung gestanden, speziell, dass ihr verboten gewesen
sei, das vom Syndikat für den Export bezogene Eisen in
Deutschland zu verkaufen.
Die kantonalen (baselstädtischen) Instanzen haben die
Klage ohne Beweisaufnahme über die Einredethatsachen der
Beklagten gutgeheissen, und das Bundesgericht hat diese Ent-
scheidung bestätigt, im wesentlichen aus folgenden Gründen :
Nach allgemein anerkanntem Rechtsgrundsatze sind Ver-
träge, die gegen die Sittlichkeit Verstössen, nichtig (Wind-
scheid, Pand. II § 314; Dem bürg, Pand. II § 16). Ein
unsittlicher Vertrag liegt nicht bloss dann vor, wenn sein un-
94
mittelbarer Gegenstand in einer unsittlichen Handlung besteht,
sondern auch dann, wenn der Vertrag indirekt auf Hervor-
rufung oder Beförderung des Verbotenen oder auf Hinderung
des Gebotenen gerichtet ist, sowie überhaupt, wenn er durch
die Verwerflichkeit der Gesinnung, die sich in ihm kundgiebt,
das sittliche Gefühl verletzt. Im eidgenössischen Obligationen-
recht ist zwar die Ungültigkeit nur für den erstgenannten
Fall ausdrücklich ausgesprochen, nämlich in Art. 17, welcher
bestimmt, class eine unsittliche Leistung nicht Gegenstand
des Vertrages bilden könne. Allein hieraus darf nicht ge-
folgert werden, dass das Bundesgesetz Verträge, die von einem
andern Gesichtspunkt aus als unsittlich erscheinen, als gültig
anerkenne. Denn Art. 17 handelt nicht von der Gültigkeit
oder Ungültigkeit der Verträge im allgemeinen, sondern er
beschlägt lediglich die Frage nach dein möglichen Gegenstand
des Vertrages. Die Bestimmung, dass eine unsittliche Leistung
nicht Gegenstand des Vertrages bilden könne, enthält somit
nur eine spezielle Anwendung des allgemeinen Satzes, dass
für unsittliche Verträge kein Recht gehalten werden solle;
derselbe Satz liegt auch andern Bestimmungen zu Grunde,
in welchen nicht besonders auf den Gegenstand der Obliga-
tion abgestellt ist, sondern der unsittliche Erfolg (Art. 75)
oder überhaupt der unsittliche Charakter des Rechts-
geschäftes (Art. 181) als verpönt erscheint, so dass die An-
nahme, dass nach eidgenössischem Obligationenrecht unsittliche
Verträge schlechthin ungültig seien, keinem Bedenken unter-
liegt. Diese Auffassung hat denn auch das Bundesgericht in
konstanter Praxis vertreten (vergi, bundesger. Entsch. Bd XX
S. 232 Erwäg. 6, S. 611 Erwäg. 5; Bd XXI S. 845 Erwäg. 7;
Revue der Gerichtspraxis im Gebiete des Bundesoivilreohts
Bd XVIII No. 3).
Die Leistung, welche die Beklagte durch die Verträge
12./14. Februar und 30. April 1898 versprochen hat, ist nun
selbstverständlich an sich keine unsittliche. Es kann sich
vielmehr bloss fragen, ob diese Verträge nicht deswegen als
nichtig betrachtet werden müssen, weil sie indirekt auf die
Herbeiführung eines den guten Sitten widerstreitenden Er-
folges gerichtet gewesen seien. Dies wäre jedoch mit den
kantonalen Gerichten selbst dann zu verneinen, wenn die
von der Beklagten aufgestellten Behauptungen über die Be-
ziehungen beider Parteien zu dem fraglichen Syndikat als
erwiesen angenommen werden sollten. Allerdings lief nach
der Darstellung der Beklagten die Erfüllung der zwischen
den Litiganten abgeschlossenen Verträge vertraglichen Ver-
95
pflichtungen zuwider, welche die Litiganten jenem Syndikat
gegenüber eingegangen waren. Die zwischen den Litiganten
abgeschlossenen Verträge waren also, nach dieser Darstellung,
auf die Herbeiführung eines Erfolges gerichtet, dessen Er-
zielung ihnen, kraft Vertrags mit einem Dritten, verboten
war. Es würde jedoch zu weit gehen, wenn man die Ver-
letzung derartiger geschäftlicher Abmachungen, sofern damit
nicht etwa ein betrügliches Verhalten verbunden ist, schlecht-
hin auch als Verstoss gegen die Gebote der Sittlichkeit be-
zeichnen und hierauf gestützt ein Rechtsgeschäft schon um
•deswillen als ungültig erklären wollte, weil die eine oder
andere Vertragspartei bei dessen Erfüllung mit anderweitig
eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen notwendig in
Konflikt gerät. Dies geht schon deshalb nicht an, weil die
Rechtsordnung selbst zwischen blossen Vertragsverletzungen
und unerlaubten Handlungen unterscheidet und unter die
letztern nur solche Handlungen oder Unterlassungen zählt,
welche, abgesehen von besondern, vertraglich übernommenen
Verpflichtungen, gegen allgemeine Gebote der Rechtsordnung
Verstössen. (Entscb. v. 23. März 1900 i. S. Sommer c. Eisen-
und Drahtwerk Erlau.)
54. 0. R. Art. 26, 27 Abs. I 198, Für die Abtretung grund-
eersicherter Forderungen ist nur hinsichtlich des Abtretungsaktes
selbst, nicht hinsichtlich des demselben zu Grunde liegenden Rechts-
geschäftes, das kantonale Recht durch Art. 198 vorbehalten. —
Anwendbarkeit des 0. R. auf den Vergleich. — Voraussetzungen
der Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Furchterregung;
widerrechtliche Drohung Ì — Beweislast dafür, dass die durch
einen wegen Furchterregung angefochtenen Vergleich eingeräumten
Vorteile übermässige seien.
Gegen den Beklagten J. H. war von seiner Ehefrau und
seinem Sohne Strafanzeige wegen Diebstahls — die Anzeiger
behaupteten, J. H. habe sich ihr ganzes Vermögen angeeignet —
und Ehebruchs erstattet worden. J. H. wurde deshalb am
15. Mai 1897 verhaftet, am 17. gl. Mts. indes gegen Kaution
der Haft entlassen. Am 31. Mai 1897 trat nun J. H. seiner
Ehefrau verschiedene Gülten im Werte von ca. Fr. 10,000
ab, wogegen dieselbe ihm eine Erklärung ausstellte, dass sie
ihre Strafklage zurückziehe und die erlaufenen Kosten über-
nehme. Daraufhin wurde die Strafuntersuchung aufgehoben.
Im März 1898 erhob J. H. Klage auf Nichtigerklärung der
Gültabtretung vom 31. Mai 1897 und Rückerstattung der
"" VT^-.
96
Gülten, indem er behauptete, er sei durch widerrechtlich»
Drohung, insbesondere durch Erhebung der Strafklage, die
eine wissentliche Falschklage gewesen sei, zum Vergleiche
und zur Abtretung bestimmt worden.
Das Bundesgericht hat, in Bestätigung der Entscheidung^
des Obergerichts des Kantons Luzern, die Klage abgewiesen»
Aus den Gründen seines Urteils ist hervorzuheben:
Seinen heutigen Hauptantrag: das Bundesgericht möge
sich inkompetent erklären, begründet der Vertreter der Be-
klagten damit, in der vorliegenden Sache komme nicht eid-
genössisches, sondern kantonales Recht zur Anwendung, da
es sioh um die Abtretung grundversicherter Forderungen
handle, welche gemäss Art. 198 O. R. dem kantonalen Rechte
vorbehalten sei. Nun untersteht aber die Abtretung grund-
versi eher ter Forderungen, trotz des allgemeinen Wortlaute»
des Art. 198 0. R., nur insoweit dem kantonalen Recht, ala
die Abtretung selber, der Uebereignungsakt, in Frage kommt^
nicht aber bezüglich des zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfte»
(sofern dieses nicht schon anderweitig vom kantonalen Rechte
beherrscht ist) (s. Urteil des Bundesgeriohts vom 12. Fe-
bruar 1898 i. S. Frey-Wahli o. Kratzer, A. S. XXIV, II. Teil
S. 117 f. E. 2). Der vom Kläger erhobene Anspruch aus Furcht-
erregung (actio quod metus oausa) bezieht sich nun nicht
auf die Abtretung der Gülten als solche, auf den der Tradi-
tion zur Seite zu stellenden Uebereignungsakt, sondern auf
das der Abtretung zu Grunde liegende Rechtsgeschäft (die
causa ces8ionis); nicht die Abtretung als solche wird an-
gefochten, sondern der Vergleich, der den Rechtsgrund der
Abtretung gebildet hat. Dieser Vergleich aber, gegen welchen
allein die Anfechtung sich richtet, ist offenbar ein Rechts-
geschäft obligationenrechtlicher Natur und daher, da das eidgen.
Obligationen- Recht diesbezüglich keinen Vorbehalt zu Gunsten
des kantonalen Rechts enthält, vom eidgenössischen Rechte
geregelt, so dass also für die Beurteilung der Klage eid-
genössisches Recht zur Anwendung kommt
Der Kläger stützt seine Anfechtung des Vergleiches vom
31. Mai 1897 auf Art. 26 und 27 Abs. 1 0. R., d. h. darauf, er
sei durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung de»
genannten Rechtsgeschäftes bestimmt worden. Und zwar soll
die Furchterregung in zwei Thatsachen bestanden haben: in
der Erhebung der Strafklage, die eine wissentliche Falsch-
klage gewesen sei, und nach der Erhebung dieser Strafklage
in der Bearbeitung des Klägers durch die Beklagte und ihre
Helfershelfer, insbesondere durch Drohungen wegen Fort-
97
Setzung des Strafverfahrens. Nun wird allerdings richtig sein,
dass der Kläger durch jene Strafklage in Furcht versetzt
worden ist, und zwar in gegründete Furcht, da er annehmen
konnte, eine grössere Strafe, vielleicht sogar Zuchthausstrafe,
erleiden zu müssen, zumal die Strafklage keineswegs von
vornherein ganz unbegründet erscheinen musate. Zum That-
bestande des Art. 26 0. R. gehört aber weiterhin, dass die ge-
gründete Furcht hervorgerufen sei durch eine widerrechtliche
Drohung. Eine solche läge nun allerdings zunächst ohne
weiteres in der Erhebung einer wissentlich falschen Straf-
Jklage. Allein dass die gegen den Kläger erhobene Strafklage
wegen Diebstahls und wegen Ehebruchs eine wissentlich falsche
oder auch nur eine von vornherein und bei auch nur einiger
Prüfung des Thatbestandes unbegründete gewesen sei, kann
nach dem Resultat des Zeugenbeweises in der Strafunter-
suchung, sowie im gegenwärtigen Prozesse nicht gesagt werden
(wie des nähern ausgeführt wird). Es waren jedenfalls Momente
vorhanden, die eine Strafklage gegen den Kläger als gerecht-
fertigt erscheinen Hessen, und war die Strafklage nicht wider-
rechtlich; alsdann konnte aber auch nicht von einem wider-
rechtlichen Zwang des Klägers durch dieselbe die Rede sein,
da sich der Kläger eben selber in die Notlage versetzt hatte
{vergi. K ohi er in den Jahrb. f. d. Dogm. Bd 25 S. 31). Und
was sodann die angeblichen Drohungen und Massregeln gegen
den Kläger nach Einleitung der Strafklage betrifft, so fällt
vorab in Betracht, dass die Verhaftung wohl kaum von ent-
scheidendem Einüuss auf den Willen des Klägers zum Ab-
schlüsse des Vergleichs sein konnte, da ja dieser Abschluss
erst zirka 14 Tage nach der Haftentlassung stattfand. Im
übrigen aber ist von den Vorinstanzen an Hand des Zeugen-
beweises in für das Bundesgerioht verbindlicher Weise fest-
gestellt, dass nicht die Beklagte den Kläger zum Abschlüsse
des Vergleichs bestimmt hat, ihm wegen desselben nachge-
gangen ist, sondern dass gegenteils e r den Vergleich gesucht,
auch den Zeugen X. mehrfach zur Vermittlang desselben auf-
gesucht (das letzte Mal eines Morgens um 31/» Uhr) und ihm
nach dem Abschlüsse eine Provision von 300 Fr. bezahlt hat.
Sonach kann nur noch in Frage kommen, ob der Klag-
anspruch nach Art. 27 Abs. 2 0. B. zu schützen sei, was der
Kläger in zweiter Linie behauptet. Dazu wäre notwendig,
dass die Beklagte durch die Erhebung der Strafklage den
Kläger bestimmt hätte, ihr übermässige Vorteile einzuräumen.
Die Beweisiast hiefür, und speziell auch für die Uebermässig-
keit der eingeräumten Vorteile, liegt dem Kläger ob, da jene
Thatsachen zum Klagefundament gehören. (Im weitern wird
dann ausgeführt, das« dieser Beweis nicht erbraobt sei.)
(Entsch. vom 3. Februar 1900 i. S. Haas o. Haas.)
SS. Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der
Lüteratur und Kunst vom 23. April 1883. 0. R. Art 50. — Rechi
am Büchertitel. Am Titel eines literarischen Werkes besteht
kein Urheberrecht^ sondern derselbe ist nur nach den Grund-
sätzen über concurrence déloyale geschützt, und auch dies nur
dann, wenn er eigenartig ist, nicht lediglich den Inhalt des
Werkes in sprachgebräuchlicher Weise anzeigt. An Titeln letzterer
Art kann ein ausschliessliches Recht nicht erworben werden.
1. Conformément à la jurisprudence du Tribunal de céans,
il y a lieu d'admettre que le titre d'un ouvrage ne constitue
pas une propriété littéraire, un objet du droit d'auteur, et
qu'il ne peut par conséquent être mis au bénéfice des dispo-
sitions de la loi spéciale sur la protection de la propriété
littéraire, mais que le titre d'un ouvrage est simplement une
désignation, une marque distinctive, qui est protégée, à défaut
de loi spéciale, par les règles générales du droit contre la
concurrence déloyale (voir arrêts du Tribunal fédéral dans
les causes Orell Füssli et Gie, Beo. off. XVII page 755;
Tribune de Genève c. Tribune de Lausanne, ibid. XXI
page 161 et suiv.; Stampfli c. Steffen, ibid. XXIV, II page 716
consid. 2).
2. Pour que l'auteur et l'éditeur d'un ouvrage puissent
posséder un droit individuel et privatif au titre d'un livre,
il faut conformément à la jurisprudence adoptée par le Tri-
bunal de céans, que ce titre présente un caractère particulier,
original (eigenartig) et ne se borne pas à désigner en la forme
usuelle et d'une manière générale le sujet traité ou la nature
de la publication (voir arrêt du Tribunal fédéral dans la oause
Stämpfli c. Steffen, Ree. off. XXIV, II page 714).
Or le titre adopté par le demandeur G. „Flore coloriée
de poche à l'usage du touriste dans les montagnes de la Suisse,
de la Savoie etc." n'apparaît point comme une désignation de
fantaisie, comprenant un élément Imaginatif et caractéristique
spécial, qui seul pourrait donner lieu à un monopole exclusif.
Ce titre n'est autre chose qu'un intitulé tout général, qui
s'impose naturellement, comme dénomination pour ainsi dire
nécessaire à tout auteur ou éditeur qui veut écrire ou publier
un ouvrage sur la matière dont il s'agit. La désignation de
„Flore coloriée à l'usage du touriste dans les montagnes etc.*
99
est ainsi un titre nécessairement indiqué pour tonte publication
se présentant dans les circonstances et avec le contenu en
question, et ce titre ne présente aucun élément original, dont
le choix pourrait créer, en faveur de celui qui l'a fait en
premier Heu, un droit d'appropriation privative. En parti-
culier les mentions „de poche à l'usage du touriste" n'appa-
raissent pas comme pouvant communiquer au titre litigieux
ce caractère original, qui seul pourrait justifier la prétention
du demandeur à un usage exclusif. Ces désignations n'ont
d'autre effet que de spécifier le cercle plus restreint des
lecteurs auxquels l'ouvrage est destiné, et le format portatif
de ce dernier
Sans doute qu'une confusion est possible entre les titres
des deux ouvrages de Sch. et de C, mais cette possibilité
existe dans tous les cas où deux auteurs ont écrit chacun sur
la même matière, d'après le même système, et se sont bornés,
comme c'est le cas dans l'espèce, à indiquer le contenu de
leurs ouvrages respectifs d'une manière générale, en se servant
dans le titre uniquement de mots usuels, dans leur signifi-
cation ordinaire. Le danger de confusion cesse dès le moment
où l'acheteur indique, lors de son achat, le nom de l'auteur
de l'ouvrage qu'il se propose d'acquérir; si par contre il se
contente de demander un ouvrage sur la matière dont il s'agit,
sans indiquer le nom d'auteur, c'est qu'il lui est indifférent
de faire l'acquisition de l'une ou de l'autre des publications
concurrentes, l'une aussi bien que l'autre pouvant lui rendre
les services qu'il en attend. Le seni fait de la coexistence,
sous un titre identique ou très semblable, mais non susceptible
d'appropriation privative, de deux ouvrages traitant le même
objet, ne saurait être considéré comme impliquant, à la charge
de l'un des auteurs et au préjudice de l'autre, un acte de
concurrence déloyale, un quasi-délit tombant sous le coup des
art. 50 et suiv. 0. 0. Comme les titres génériques de „ Pan-
dectes" ou de „Grammaire allemande à l'usage des écoles, tf
par exemple, ne constituent évidemment pas, par eux-mêmes,
un privilège exclusif en faveur de celui qui en a fait usage
le premier, mais doivent apparaître comme étant du domaine
public, le titre des deux ouvrages en litige ne saurait pas
non plus fonder un monopole, un privilège au bénéfice ex-
clusif de l'un ou de l'autre de leurs auteurs. (Entsch. vom
10. Februar 1900 LS. Burkhardt c. Correvon et Klincksieck.)
100
56. 0. R. Art 65. Die Anwendung des Art. 65 wird
durch ein zwischen dem Verletzten und dem Tierhalter bestandenes
Dienstoertragsverhälinis nicht ausgeschlossen; die Haftung des
Tierhalters nach 0. R. beruht auf dem Verschuldensprinzip. In
der blossen Thaisache des Haltens eines bösartigen Tieres (eines
als Beisser und Schläger bekannten Pferdes) liegt kein Ver-
schulden, welches ohne Weiteres zum Ersätze des durch das
Tier gestifteten Schadens verpflichten würde.
Der ursprüngliche (im Laufe des Prozesses verstorbene)
Kläger ß. S. K. war bei dem Beklagten, Pferdehändler und
Fuhrhalter E. als Knecht angestellt gewesen. Er wurde am
28. Dezember 1898 im Stalle des Beklagten beim Füttern
der Pferde durch eines derselben, welches allgemein, speziell
auch dem Kläger wie dem Beklagten, als Schläger und
Beisser bekannt war, in die Kniekehle geschlagen und da-
durch schwer verletzt. Näheres über den Hergang ist nicht
ermittelt. Die von dem Verletzten angehobene, nach dessen
Tode von seinen Erben aufgenommene Schadenersatzklage
gegen E. wurde vom Bundesgerichte (in Bestätigung der Ent-
scheidung des Kantonsgerichts des Kantons St. Gallen) ab-
gewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Es kann sich nur fragen, ob der Kläger seinen Anspruch
auf Art 65, in Verbindung mit Art. 50, 51, 53 und 54 0. R.,
stützen könne. Ausser Zweifel steht hiebei, dass der Be-
klagte als „Tierhalter" im Sinne des Art. 65 1. o. anzusehen
ist. Wenn der Beklagte gegen die Anwendbarkeit dieser
Bestimmung einwendet, sie komme nur Dritten, nicht dem
Angestellten des Tierhalters gegenüber zur Anwendung, und
der Dienstpflichtige habe mit Uebernahme der Wartung der
Tiere auch die damit verbundene Gefahr, soweit sie im ge-
wöhnlichen, vorauszusehenden Verlaufe der Dinge liege, über-
nommen, — so kann dem nicht beigestimmt werden. Gegen-
teils erwächst dem Dienstherrn, wie das Bundesgericht schon
mehrfach auszusprechen Gelegenheit hatte (s. zuletzt Urteil
vom 20. Mai 1899 in S. Wartmann c. Hirschi, Amtl. Samml.
Bd XXV, 2. Teil, S. 402 ff., spez. 404 f. Erw. 2), aus dem
Dienstvertrage die Pflicht, diejenigen Vorrichtungen zu treffen,
die den Dienstnehmer vor den Gefahren des Betriebes sicher
stellen, soweit es die Natur der dem Dienstnehmer über-
tragenen Dienstleistungen erfordert und der Dienstberechtigte
dadurch nicht unbillig belastet wird (vergi, jetzt die Be-
stimmung des § 618 D. B# G. B.); eine Verletzung dieser
Verpflichtungen enthält zunächst eine Verletzung des Dienst-
vertrages, daneben auch, dann, wenn dadurch Rechtsgüter,
101
•die durch allgemeine Reohtssätze geschützt sind, wie nament-
lich Leben und Gesundheit, beschädigt werden, eine Ver-
letzung dieser allgemeinen Rechtsnormen und damit eine
unerlaubte Handlung im Sinne des Art. 50 0. R. Das Vor-
handensein eines Dienstvertrages und die Möglichkeit einer
Kontraktsklage schliesst also die Möglichkeit einer Delikts-
klage oder einer Klage aus Haftung für Zustände (z. B.
.gemäss Art. 67 0. R. als Eigentümer eines Werkes) nicht
aus, sondern beide Ansprüche bestehen konkurrierend neben-
einander (vergi. Amt!. Samml. Bd XVHI S. 340 Erw. 4,
8. 861 f., Erw. 5). Darnach war der Kläger, obschon Ange-
stellter des Beklagten, allerdings befugt, den Beklagten auf
Grund des Art. 65 0. R. als Tierhalter in Anspruch zu
nehmen. Nach dieser Gesetzesbestimmung nun beruht die
Haftung des Tierhalters für Schädigungen durch Tiere auf
dem Verschuldungsprinzip und erscheint also als Unter-
art der Haft aus unerlaubter Handlung und nicht etwa, wie
die Haft des Eigentümers eines Werkes, als Haft aus einem
Zustand, sog. obligatio ex lege. Dagegen weicht die Be-
stimmung des Art. 65 darin von den allgemeinen Normen
über Schadenersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen ab,
das8 sie eine Umkehrung der Beweislast aufstellt, indem hie-
nach der Tierhalter haftet, „wenn er nicht beweist, dass er
alle erforderliche Sorgfalt in der Verwahrung und Beauf-
sichtigung angewendet habe." Die Thatsacbe des Schadens
genügt daher nach Schweiz. Obligationenrecht zur Gutheissung
des Anspruches gegen den Tierhalter nicht, sondern es inuss
noch ein Verschulden des Tierhalters dazukommen; nur hat
nicht der Beschädigte dieses Verschulden, sondern der Tier-
halter die Anwendung aller erforderlichen Sorgfalt in der
Verwahrung und Beaufsichtigung zu beweisen (vergi. Amtl.
Samml. Bd XVII S. 639; Bd XVIH S. 331 ; Bd XIX S. 322,
Erw. 2). Allein die Darstellung des Beschädigten von der
schädigenden Handlung muss wenigstens eine derartige sein,
dass der dem Tierhalter aufgebürdete Entlastungsbeweis
überhaupt notwendig wird. Vorliegend nun soll das Ver-
schulden des Beklagten nach der Klagebegründung einzig
und allein im Halten des Tieres, das als Beisser und Schläger
allgemein bekannt war, liegen; das Halten eines bösartigen,
-gefährlichen Tieres allein soll sich nach der Auffassung der
Kläger als Verschulden darstellen. Allein dieser Satz wider-
spricht dem Sinne des Art. 65 0. R., wie er sich sowohl
■aus dessen Wortlaut, als aus der Rechtsentwicklung der
Haftung für Schädigung durch Tiere überhaupt und der Ent-
102
8tehungsgeschichte der genannten Bestimmung insbesondere
ergiebt. Allerdings kennen einige Rechte eine unbedingte
Haftung des Eigentümers (oder Halters) eines Tieres ohne
Rücksicht auf Verschulden ; so schon (mit gewissen Einschrän-
kungen) das römische Recht, sowie das germanische Volks-
recht (über letztere: Stobbe-Lehmann, Handbuch des deutsohen
Privatrechts, III. Bd, 3. Auflage, S. 537 ff.); in manchen
Rechten wurde zwischen wilden und Haustieren unterschieden
(so Zürcher Privatrechtl. Ges. B. von 1855 §§ 1875 ff.,
Preuss. L. R. I, 6 §§ 70—72, Sachs. B. G. B. § 1560), in,
der Weise, dass der Eigentümer für erstere unbedingt haftete,,
fur letztere dann, wenn ihn irgend ein Verschulden (speziell
versäumte Aufsicht und Verwahrung) traf; andere Rechte
gehen und gingen weiter, indem sie unbedingte Haftung de*
Eigentümers (und Halters) für alle Fälle aufstellen (Sachs.
B. G. B. § 1561, C. civ. français Art. 1385); so auch das
neue D. B. G. B. § 383. Was das Schweiz. Obligationen-
recht speziell betrifft, so enthielten der Munzinger'sche Ent-
wurf (Art. 103), der Fick'sche Entwurf (Art- 99) und der
Eomraissionsentwurf von 1875 die Haftung des Tierhalters
im Falle des Verschuldens, jedoch unter Aufstellung der
Schuldpräsumtion; der Eomraissionsentwurf von 1876 da-
gegen (Art. 99) Hess den Tierhalter unbedingt, ohne Rück»
sieht auf sein Verschulden, haften. Der Entwurf des eidgen.
Justiz- und Polizeidepartements von 1879 (Art. 72) aber
stellte dem Sinne nach die früheren Bestimmungen wieder
her, und dabei ist es dann geblieben. Hieraus geht klar
hervor, dass der eidgen. Gesetzgeber die Haftung des Tier-
halters ohne Rücksicht auf Verschulden nicht aufnehmen
wollte, und dieser klare Rechtszustand kann nicht dadurch
umgestossen werden, dass etwas als Verschulden bezeichnet
wird, was hienach als solches nicht angesehen werden kann.
Ist aber darnach das Halten eines bösartigen Tieres für sich
allein nicht geeignet, beim Eintritt eines Schadens den An-
spruch aus Art. 65 0. R. zu begründen, so kann in diesem
Halten auch nicht eine unerlaubte, widerrechtliche Handlung
im Sinne des Art. 50 eod. erblickt werden; die Haftung des
Tierhalters für Schädigung durch Tiere ist in Art. 65 0. R.
geregelt und umschrieben, und was nach dieser Bestimmung
nicht als Verschulden anzusehen ist, kann es auch nicht nach.
Art. 50 sein. Sonach fehlt es dem Ansprüche der Kläger an
einem notwendigen Fundament, und die Klage muss daher in
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils abgewiesen werden.
(Entsch. vom 24. Februar 1900 in S. Knecht c. Eigenmann.}
103;
57. 0. R. Art. 12t. Zulässigkeü der abstrakten Schaden-
berechnung, sofern es sich um Warm handelt, die den Gegen-
stand des Handelsverkehrs bilden.
Dass der Käufer bei Waren, die den Gegenstand des
Handelsverkehrs bilden, auf Grund von Art. 124 0. R. seinen
Schaden abstrakt, d. h. auf Grund des Unterschiedes zwischen
dem vereinbarten Kaufpreise und dem Preise der gekauften
Ware zur Zeit des Erfüllungstermins berechnen kann, hat
das Bundesgerioht bereits in seiner Entscheidung in Sachen
Dreyfus frères c. Egli-Reininann & Co. (A mtl. Samml. Bd 19,.
S. 932, Erw. 8) ausgesprochen, und es ist hieran festzuhalten.
(Vergi, auch Hafner, Komment, z. Oblig.-Recht, Anm. 2
und 3 zu Art. 124, und Anm. 7 zu Art. 234.) Darnach setzte
die Schadenersatzforderung der Klägerin nicht notwendig den
Nachweis eines konkreten, z. B. aus einem Deckungskauf
resultierenden Schadens voraus, sondern die Klägerin war
berechtigt, so wie sie es gethan hat, einfach die Differenz
zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Marktpreise
zur Zeit und am Orte der schuldigen Lieferung als den ihr
nach Art. 124 0. R. zu vergütenden Schaden zu fordern.
(Ent8ch. vom 17. März 1900 i. S. Fabrique de presses et
lacets Torley c. Aktiengesellschaft Chardonnet-Seidenfabrik
in Spreitenbach.)
58. 0. R. Art 179. Wahlrecht des Gläubigers zwischen
dem Ansprüche auf Erfüllung und auf Konventionalstrafe. Das-
selbe greift in der Regel auch dann Platz, wenn zwischen Dienst-
herrn und Angestellten ein Konkurrenzverbot unter Pestsetzung
einer Konventionalstrafe für dessen Uebertretung vereinbart wor-
den ist.
Nach Art. 179 0. R. kann der Gläubiger dann, wenn
eine Konventionalstrafe für den Fall der Nichterfüllung eines
Vertrages versprochen ist, nach seiner Wahl entweder die
Erfüllung oder die Strafe fordern; dagegen bleibt dem
Schuldner der Nachweis vorbehalten, dass ihm gegen Er-
legung der Strafe der Rücktritt freistehen sollte. Darnach ist
das Wahlrecht des Gläubigers auf Erfüllung oder auf Strafe
die Regel, und liegt es dem Schuldner ob, zu beweisen, dass
dieses Wahlrecht ausgeschlossen und der Gläubiger auf die
Einforderung der Konventionalstrafe beschränkt ist. Dieser
Nachweis wird insbesondere geführt werden können durch
die Berufung auf den Wortlaut der eingegangenen Verpflich-
tung, auf die Umstände, unter denen sie abgeschlossen ist,.
104
und auf die Höhe der Konventionalstrafe, dies namentlich in
-dem Sinne, class die Konventionalstrafe in einem derartigen
Verhältnisse zum Erföllungsinteresse des Berechtigten steht,
•dass anzunehmen ist, dieses Interesse werde durch die Kon-
ventionalstrafe gedeckt (vergi. R. G. B. Bd 33 8. 141). Vor-
liegend nun fehlt es an diesem Nachweis; die stipulierten
Konventionalstrafen erscheinen eher gering als hoch, und
namentlich ist in keiner Weise erstellt, dass sie in dem an-
gedeuteten Verhältnis zum Erfüllungsinteresse des Beklagten
stehen. Auch kann nicht etwa gesagt werden, schon der
Umstand, dass es sich um eine zwischen Angestellten und
Arbeitgeber für den Fall der Uebertretung eines Konkurrenz-
Terbotes durch den Angestellten vereinbarte Konventional-
strafe handle, berechtige zu der Annahme, dass es sich um
eine Wandelpön handle. Allerdings hat das neue D. H. 6. B.
in § 75 Abs. 2 im Verhältnisse von Prinzipal and Handlungs-
gehilfen beim Versprechen einer Konventionalstrafe seitens
«der letztern das Wahlrecht des erstem ausgeschlossen und
ihn auf die Forderung der Strafe beschränkt, und zwar mit
zwingender Kraft. Allein das Schweiz. Oblig.-Recht kennt
eine derartige Vorschrift nicht, und ihr Hineininterpretieren
in einen Vertrag widerspräche nicht nur dem Art. 179 0. R„
sondern dem dem ganzen Gesetze zu Grunde liegenden Prin-
zipe der Vertragsfreiheit überhaupt.
Der Beklagte kann daher vorliegend die Erfüllung des
Vertrages fordern oder, anders ausgedrückt, den Klägern die
Ausübung des untersagten Berufes verbieten. Inwieweit ihm
hiebei Zwangsmittel zu Gebote stehen, ist im gegenwärtigen
Verfahren nicht zu untersuchen. (Entsch. vom 9. März 1900
i. S. Bachmann und Genossen c. Gerber.)
59. 0. R. AH. HO, 303, 308, 317. Haftung des Pächter*
für Verschlechterung der Pachtsache. — Beweislast. — Recht-
diche Natur des Rftniasiofisanspruchs des Pächters und Voraus-
Setzungen desselben.
1. Nach Art. 303 0. R. ist der Pächter verpflichtet, den
gepachteten Gegenstand seiner Bestimmung gemäss ordentlich
zu bewirtschaften, insbesondere für nachhaltige Ertragsfähig-
keit desselben zu sorgen, und nach Art. 317 hat er bei Be-
endigung der Pacht für solche Verschlechterungen des Pacht-
gegenstandes Ersatz zu leisten, welche bei gehöriger Bewirt-
schaftung zu vermeiden waren. Der Verpächter nun, welcher
•einen derartigen Entschädigungsanspruch erhebt, hat seiner-
105*
8eits die Verschlechterungen, durch welche er geschädigt zu
sein behauptet, anzuführen und zu beweisen, während, sofern
dieser Beweis erbracht ist, der Pächter schadenersatzpflichtig
ist, sofern er nicht darthut, das* ihn an denselben kein Ver-
schulden trifft, d. b. dass die Verschlechterungen auch bei
gehöriger Bewirtschaftung nicht zu vermeiden waren. Diese
Verteilung der Beweislast folgt aus dem allgemeinen, in
Art. 110 O.K. niedergelegten Grundsatz über die Haftung
des- Schuldners bei Nichterfüllung oder nicht gehöriger Er-
füllung vertraglicher Verbindlichkeiten. Dabei ist aber zu
bemerken, dass der Beweis dafür, dass der Pachtgegenstand,,
so wie er zurückgegeben wird, Verschlechterungen erlitten
habe, dadurch aliein noch nicht erbracht wird, dass bewiesen
wird, der Pächter habe im Laufe der Pachtzeit einzelne-
Fehler in der Bewirtschaftung begangen; denn soweit diese
Fehler eine dauernde, über das Ende der Pachtzeit hinaus*
reichende Schädigung nicht verursachen, schädigen sie einzig
den Päohter und nicht den Verpächter, und berechtigen da-
her diesen natürlich nicht zu einer Entschädigungsforderung.
Es mu88 vielmehr, wie gesagt, bewiesen werden, dass die
Pachtsache, so wie sie zurückgegeben wird, Verschlechte-
rungen erlitten habe.
2. Der Anspruch des Pächters auf verhältnismässigen
Nachlass am Pachtzinse gemäss Art. 308 0. R. qualifiziert
sich nicht als Entschädigungsanspruch. Der Pächter hat ge-
mäss Art. 308 0. R. nicht Anspruch darauf, dass ihn der
Verpächter für den durch ausserordentliche Unglücksfälle
entstandenen Schaden entschädige, sondern lediglich darauf,
dass er ihm mit Rücksicht auf den entstandenen Schaden»
einen verhältnismässigen Nachlass am Pachtzins gewähre.
Der Anspruch aus Art. 308 0. R. ist auch von dem Gewähr-
leistungsanspruch auf Reduktion des Pachtzinses wegen that-
sachlicher Mängel der Pachtsache, wie er in Art. 277 (297)
0. R. normiert ist, seiner rechtlichen Natur nach verschieden;,
er basiert nicht darauf, dass der Verpächter die Verpflichtung
übernommen hätte, für irgend ein Ertragsergebnis der Pacht-
sache einzustehen, sondern vielmehr darauf, dass die Rechts-
ordnung aus Gründen der Billigkeit eine zu grosse und von
den Parteien nicht vorauszusehende Ungleichheit des Wertes
von Leistung und Gegenleistung ausschliessen will.
3. Die Frage, ob ein Schadensereignis sich als ausser-
ordentlicher Unglücksfall im Sinne des Art. 308 0. R. quali-
fiziere, kann nicht abstrakt, sondern nur mit Rücksicht auf
die Verhältnisse einer bestimmten Gegend beantwortet wer-
106
den; sodann ist klar, dass einem Ereignis, welches ausser-
gewöhnlioherweise Schaden gestiftet hat, die Natur eines
aussergewöhnlichen Unglücksfalles nicht deshalb abgesprochen
werden kann, weil gleichartige Ereignisse häufig oder regel-
mässig vorzukommen pflegen, ohne in gleicher Weise Schaden
zu stiften. Nun stellen im vorliegenden Falle die kantonalen
Instanzen an Hand des Expertengutachtens fest, dass in der
Gegend des Pachtgrundstückes Engerlingsfrass, der die Kul-
turen stark und offenkundig schädige, allerdings zu -den
ausserordentlichen Ereignissen gehöre, und es kann daher der
Remissionsanspruch des Pächters nicht schon deshalb abge-
wiesen werden, weil der Engerlingsfrass überhaupt, im all-
gemeinen nicht als ausserordentlicher Unglücksfall zu be-
trachten sei. Dagegen musa sich fragen, ob aus der ange-
gebenen Ursache der gewöhnliche Ertrag 4es Pachtobjektes
einen beträchtlichen Abbruch erlitten habe. Nun macht das
eidgen. Obi. - Recht den Remissionsanspruch des Pächters
nicht (wie andere Gesetze, z, B. der franz. C. civ. 1769 — 73)
davon abhängig, dass durch den ausserordentlichen Unglücks-
fall ein bestimmter Prozentsatz der Ernte vernichtet worden
sei, sondern es stellt dem richterlichen Ermessen anheim, mit
Rücksicht auf die Umstände des konkreten Falles zu ent-
scheiden, ob der Ertragsausfall als ein beträchtlicher zu er-
achten sei. Dabei ist indessen immerhin festzuhalten, dass,
um von einem beträchtlichen Abbruche von dem gewöhnlichen
Ertrag sprechen zu können, welcher einen Remissionsanspruch
begründet, die Ertragsverminderung eine grössere sein muss,
als diejenige, welohe sich ordentlich erweise auch ohne jedes
Dazwischentreten eines ausserordentlichen Unglücksfalles durch
die gewöhnlichen Schwankungen des Ertrages zwischen guten,
mittleren und ungünstigeren Jahren ergeben kann. Ist dies
nicht der Fall, bewegt sich die Ertragsverminderung in den
angegebenen Grenzen, so liegt kein ausserge wohnlich es, der
Berechnungsich entziehendes Missverhältnis zwischen Leistung
und Gegenleistung vor, und ist daher ein Remissionsanspruch
nicht begründet. Hieran ist um so eher festzuhalten, als die
Erträgnisse ausnahmsweise günstiger Jahre dem Pächter ver-
bleiben, ohne dass der Verpächter einen Pachtzinszuschlag
fordern könnte. Im vorliegenden Falle nun kann in der
Verminderung des gewöhnlichen Ertrages um l/i ein beträcht-
licher Abbruch an demselben im angegebenen Sinne nicht
erblickt werden; denn nach dem Expertengutachten ist für
ungünstige Jahre, ohne alle Einwirkung ausserordentlicher
Unglücksfälle, ein Sinken des Gutsertrages in gleichem Masse
107
anzunehmen. (Entsch. vom 16. Februar 1900 i. S. Lisibach
o. Heini.)
60. 0. R. Art. 50, 338 ff. Pflicht des Dienstherrn, seine
Arbeiter (insbesondere auch Lehrlinge und Lehrkinder) nach
Möglichkeit gegen Berufsgefahren zu schützen. Beweislast.
Die 14jährige M. Gr. war in die Haushaltung ihres
Vetters, des Beklagten eingetreten; sie half auf dem Heim-
wesen bei den Arbeiten in und ausser dem Hause mit, wo-
für sie ausser dem Logis, Kost und Kleidern auch etwas
Sackgeld erhielt. So wurde sie auch am 17. September 1897
beigezogen, als beim Beklagten mit einer Dreschmaschine
gedroschen wurde. Bei diesem Anlass erlitt sie einen Un-
fall, indem ihr beim Hineinschieben von „Güsel" in die
Maschine die linke Hand von dieser erfasst und zermalmt
wurde, so dass sie drei Finger, den Mittelfinger, den Ring-
finger und den kleinen Finger verlor. Die wegen dieser
Verletzung vom Vater der M. Gr. für dieselbe erhobene Schaden-
ersatzklage ist vom Bundesgericht (in Bestätigung der Ent-
scheidung des Obergerichtes des Kantons Luzern) bis zum
Betrage von Fr. 1500 gutgeheissen worden. In dem bundes-
gerichtlichen Urteile wird grundsätzlich u. a. ausgeführt:
Die Klage stützt sich sowohl auf ein kontraktliches Ver-
schulden, als auf eine dem Beklagten zur Last fallende,
gemäss Art. 50 0. B. ff. zu Schadenersatz verpflichtende,
Verletzung der Gebote der allgemeinen .Rechtsordnung. Nun
hat das Bundesgericht in ständiger Praxis daran festgehalten,
dass dem Arbeitgeber aus dem Dienstvertrag die Pflicht zur
Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erwachse, damit seine
Angestellten bei Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen
gegen Gefahren für Leben und Gesundheit nach Möglichkeit
geschützt seien, und dass die Nichterfüllung dieser Pflicht
dem Geschädigten Anspruch auf Schadenersatz gemäss Art. 1 10
0. R. gebe. Es ist unrichtig, wenn der Vertreter des Be-
klagten in seinem heutigen Vortrage behauptet hat, diese
Haftbarkeit gehe über die Anforderungen hinaus, welche das
Bundesgesetz über das Oblig.-Recht an den Dienstherrn stelle.
Allerdings spricht das 0. R. eine Verpflichtung der Art nicht
ausdrücklich aus (wie dies z. B. beim deutsch, bürgerl. Ges.»
Buche § 618 der Fall ist), allein dieselbe folgt, wie auch in
der Praxis des gemeinen Rechts anerkannt ist (vergi. Entsch.
des dtsch. Reichgerichts Bd VIII S. 151, XII S. 45, XV
S. 52, XVni S. 176, XXI S. 79, Seuffert Archiv Bd XL
Nr. 231 und XXXXVIII Nr. 255), nach den Regeln der
108
guten Treue von selbst aus der Natur des gedachten Ver-
tragsverhältnisses (vergi. Bundesger. Entsch. A. S. Bd XVI
S.560, XX S. 1129, XXI S. 894 Erw. 3, XXII S. 1221, XXIII
S. 1740 f. und XXV S. 404 E. 2)
Diese Verpflichtung des Arbeitsherrn, seine Dienstunter-
gebenen gegen Gefahren für Leib und Leben bei Ausfährung
ihrer Dienstverrichtangen zu sichern, besteht auch seinen
Lehrlingen oder Lehrkindern gegenüber; sie stellt hier in
Anbetracht der Unselbständigkeit dieser Personen sogar noch
höhere Anforderungen bezüglich Anleitung und Ueberwachung*
an ihn (vergi. Bundesger. Entsch. A. S. Bd XXII S. 1224,
Erw. 2).
Fragt es sich demnach, ob der Beklagte den Beweis Mir
die Anwendung der ihm nach der angegebenen Richtung hin-
obliegenden Sorgfalt geleistet habe, so kann ihm nun aller-
dings nicht ohne weiteres schon daraus ein Vorwurf gemacht
werden, dass er die M. G. überhaupt zur Handreichung bei
der Drescharbeit herbeigezogen hat. Wie die gedachte Ver-
pflichtung des Arbeitsherrn aus der Natur des Dienstvertrages,
als eines in allen Richtungen getreulich, unter geziemender
Rücksichtnahme auf die Interessen des andern Teils, zu er-
füllenden Vertragsverhältnisses hervorgeht, so ist umgekehrt
auch bei der Frage, welche Anforderungen im einzelnen Fall
rücksichtlich der Gefahrsverhütung zu stellen seien, von den
Grundsätzen über Treu und Glauben auszugehen, und daher
den obwaltenden Umständen, insbesondere der Natur der zu
leistenden Dienste, billige Rechnung zu tragen (vergi. Entsch.
des B. G. i. S. Wartmann c. Hirschi vom 20. Mai 1899, A. S.
Bd XXV S. 404, E. 2 f.). Es muss deshalb darauf Rücksicht
genommen werden, dass die Verhältnisse des landwirtschaft-
lichen Betriebes es allerdings mit sich bringen, auch Kinder
im Alter der M. G. zu den gewöhnlichen, bei diesem Betriebe
sich bietenden Arbeitsleistungen zu verwenden, und es ist
auch nicht anzunehmen, dass die blosse Anwesenheit und
eine untergeordnete Hilfeleistung der M. G. bei der Dresch-
arbeit für sie eine Gefahr in sich geschlossen hätten, wenn
ihr die Gefährlichkeit der Maschine gehörig vor Augen ge-
führt, und sie bei ihrer anfänglichen Thätigkeit, die eine
Berührung mit der Maschine nicht erheischte, sorgsam überwacht
worden wäre. Die Anwendung dieser Sorgfalt lag aber dem
Beklagten jedenfalls ob, und zwar um so mehr, als der von
ihm selbst geschilderte Charakter der M. G., als eines noch
sehr kindischen, zudem nervösen Mädchens, die Möglichkeit
voraussehen liess, dass sie sich vor der Gefahr, die mit dem
109
Betriebe der Maschine verbunden war, nicht genügend in
Acht nehmen werde. Nun hat aber der Beklagte nioht ein-
mal geltend gemaoht, dass er die M. 6. auf die Gefährlich-
keit der Dreschmaschine aufmerksam gemaoht habe, und auch
nicht darthun können, dass er sie bei der Arbeit gehörig
überwacht habe, vielmehr geht aus den Umständen, unter
welchen sich der Unfall zugetragen hat, mit Sicherheit her-
vor, dass dies nicht geschehen ist, und dass der Unfall bei
gehöriger Ueberwachung nicht eingetreten wäre.
Da somit der Beklagte den ihm obliegenden Beweis, dass
ihn an der eingetretenen Schädigung kein Verschulden treffe,
nicht geleistet hat, ist seine Schadenersatzpflicht nach Art. 110
0. R. grundsätzlich gegeben. (Entsch. vom 2. Februar 1900
i. S. Grüter c. Felder.)
61. 0. R. Art. 312 Abs. 1; 502, 503, 508. Das Retentions-
recht des Vermieters oder Verpächters gehört zu den Sicherheiten,
für deren Verminderung der Gläubiger dem Bürgen verantwortlich
ist. Dagegen wird der Gläubiger dadurch nicht verantwortlich,
dass er, ohne das Retentionsrecht preiszugeben, mehr Zinse auf-
laufen lassi, als durch dasselbe gedeckt werden. — Eine Pflicht
des Gläubigers gegenüber dem Bürgen, verfallene Pacht zinse ein-
zutreiben, besteht nur nach Massgabe der Art. 502 und 503, d. h.
(bei auf unbestimmte Zeit eingegangener Bürgschaft) nur dann,
wenn der Bürge es verlangt
(Entsch. vom 5. April 1900 i. S. Wernli c. Ackermann.)
62. 0. R. Art. 499. Die Bürgschaft erstreckt sich (mangele
einer besonderen, ausdrücklichen oder stillschweigenden* darauf
gerichteten Vereinbarung) nicht auf die gesetzlichen Folgen der
vom Gläubiger wegen Verzugs des Hauptschuldners herbeigeführten
Aufhebung des verbürgten Vertrages.
Il est hors de doute que le cautionnement destiné à
garantir l'exécution d'un contrat peut aussi être étendu aux
obligations légales résultant de sa résolution si les parties
en manifestent expressément ou tacitement la volonté dans
l'acte
En revanche cette extension ne résulte pas de la loi
elle-même.
De prime abord on peut être tenté d'admettre qu'elle
résulte en effet de l'art. 499 G. 0., qui dispose que la caution
est tenue du montant de la dette principale, ainsi que des
9
110
suites légales de la faute ou de la demeure du débiteur. Tel
n'est cependant pas le cas. Le cautionnement est un rapport
de droit accessoire, qui ne peut exister qu'en tant que l'obli-
gation principale qu'il est destiné à garantir existe et qui
s'éteint avec elle (art. 487 et 501 C. 0.). L'art. 499 ne vise
nullement à déroger à ces principes fondamentaux. Or on y
dérogerait si l'on admettait que ce cautionnement des engage-
ments résultant d'un contrat s'applique aussi aux obligations
légales qui dérivent de sa résolution, car ces obligations sont
par leur nature et leur contenu absolument différentes des
obligations contractuelles auxquelles la résolution met fin. Le
cautionnement survivrait ainsi à l'obligation principale. On ne
saurait attribuer un pareil effet à l'art. 499 ; cet article a
simplement pour but de déterminer l'étendue du cautionnement
quant à l'exécution de l'obligation garantie et de statuer que
la caution n'est pas tenue seulement du montant de cette
obligation, mais aussi des dommages et intérêts dus par suite
de la demeure ou de la faute du débiteur.
Il est à remarquer, d'ailleurs, que la résolution du contrat
n'est pas à proprement parler une suite légale de la demeure
ou de la faute du débiteur. Elle est une conséquence de la
volonté du créancier, auquel la loi donne simplement le droit
de choisir entre l'exécution et la résolution du contrat. Dans
le premier cas, il peut invoquer le cautionnement; dans le
second il ne le peut pas, puis qu'il annule lui-même le contrat
principal et, avec celui-ci, le cautionnement qui en est l'acces-
soire. En admettant l'opinion contraire, on arriverait dans
bien des cas à des conséquences tout à fait défavorables pour
les cautions. (Entsch. vom 26. Januar 1900 i. S. Stampai c.
Veuve Chollet und Konsorten.)
63. 0. R. Art. 531. Ein Vertrag, wonach ein Gesellschafter,
der sich mit Kapital beteiligt, mr am Gewinn, nicht aber am
Verluste beteiligt sein soll, ist als Gesellschaftsvertrug ungültig.
In einer derartigen Vereinbarung kann aber eine gültige Schenkung
oder ein modifiziertes Darlehen liegen.
Da Art. 531 0. B. eine Gestaltung des Gesellschaftsver-
hältnisses, wonach ein Gesellschafter nur am Gewinn, nicht
aber an einem allfälligen Verluste teil nehmen soll, ausdrück-
lich für den Fall als zulässig erklärt, wo der so begünstigte
Gesellschafter zu dem gemeinsamen Zweck Arbeit beizutragen
hat, ist der Sçhluss geboten, dass sie, wie z. B. nach fran-
zösischem Recht (C. civ. 1855), nicht statthaft sei, wenn der
Ili
bloss mit einer Kapitaleinlage beteiligte Gesellschafter nur
am Gewinn, nicht aber am Verlast partizipieren soll. Dieser
Fall liegt hier vor, indem der Kläger zu dem geineinsamen
Zweck nicht mit Arbeit, sondern lediglich mit Geld beizu-
tragen hatte. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Ver-
trag ist somit als Gesellschaf tsvertrag ungültig; daraus folgt
indessen nur, dass dieser Vertrag keine gesellschaftlichen
Rechte für den Kläger begründete; es folgt daraus nicht ohne
weiteres, dass er in keiner Hinsicht Rechte und Verbindlich-
keiten erzeugt habe und es deshalb so zu halten sei, als ob
«r überhaupt nicht abgeschlossen worden wäre. Dass in einer
Vereinbarung, wonach die Beteiligung des einen an einem
Geschäfte des andern sich nur auf den Gewinn, nicht auch
auf einen Verlust erstrecken, ihm also seine Einlage unter
allen Umständen unverkürzt zurückerstattet werden soll, z. B.
«ine gültige Schenkung liegen kann, ist wiederholt anerkannt
worden (vergi. Schneider und F ick, grossen Komment, z.
Obi. -Re cht Anm. 1 zu Art. 531 ; und für das französische
Recht: Zachariä-Crome, Handbuch des franz. Civilrechts II
S. 598 Anm. 4). Eine solche Vereinbarung kann sich aber auch
als entgeltliches Rechtsgeschäft darstellen, insofern die
Einräumung eines Gewinnanteils nicht auf Liberalität zu be-
ruhen braucht, sondern auch zu dem Zweck versprochen sein
kann, um den Betreffenden zur Leistung seines Geldbeitrages
zu bewegen, und alsdann als Aequivalent für diese Leistung
erscheint. In einem solchen Falle hat das Bundesgericht an-
genommen, es liege ein modifiziertes Darlehen vor (Amtl.
Sammig. der Bundesger. Entsch. Bd 24 S. 113 f.). Die gleiche
Qualifikation trifft auch hier zu. Der Kläger gewährte dem
Beklagten zur Durchführung der von diesem ins Werk ge-
setzten Land Spekulation einen Kapitalbeitrag, der, weil auf
alle Fälle rückzahlbar, gemäss Art. 531 0. R. nicht als Ge-
sellschaftseinlage behandelt werden kann und sich demnach
als Darlehen qualifiziert, wogegen der Beklagte ihm statt der
beim Darlehen üblichen Zinsen einen Gewinnanteil im Minimal-
betrag von Fr. 100,000.— zusicherte. (Entsch. v. 15. April 1900
i. S. Merke c. Fiechter.)
64. 0. R. Art. 536, 537 Abs. 3, 555, 556 Abs. 2, 590, 594.
Anspruch der Komplementäre auf Salär für ihre Thäügkeül
Nach den die Bestimmungen über die Kommanditgesell-
schaften beherrschenden Grundsätzen des schweizerischen Obli-
gationenrechts — Art. 590, 594 in Verbindung mit Art. 536,
112
555 und 537 Abs. 3 0. B. — haben die Komplementäre für
ihre der Gesellschaft gewidmete Arbeit einen Honoraranspruch
gesetzlich nicht; gegenteils soll der Natur der Sache nach
die Thätigkeit der Komplementäre ihren Lohn im Anteil am
Gesellschaftsgewinn finden; ein Honorar ist speziell zu ver-
abreden (Art. 556 Abs. 2 0. R., welcher nach Art. 594 Abs. 2
auf die Kommanditgesellschaft Anwendung findet), und zwar
muss eine bezügliche vertragliche Vereinbarung unter allen
Gesellschaftern (auch den Komm and itären) getroffen werden»
(Entsch. vom 7. April 1900 i. S. Mühlethaler c. Witwe Senglet.)
65. 0. R. Art. 722, 823, 830, 836. Für die Form einet
Checke (oder Wechsele) ist das Recht des im Check oder Wechsel
angegebenen Ausstellungsortes massgebend9 auch wenn dieser
nicht der wirkliche Ausstellungsort ist. Ein zwar in der Schweiz
ausgestellter, aber von London datierter Check ist daher form-
gültig, wenn er den Vorschriften des englischen, wenn auch
nicht denjenigen des schweizerischen Rechtes entspricht.
Frau E. G. in -Lausanne hatte von einem gewissen D. in
Annemasse eine angebliche Guadagninigeige zum Preise von
2200 Fr. gekauft. Sie berichtigte den Kaufpreis durch eine
Anweisung über j& 87.10 sh. auf ihr Londoner Bankhaus.
Diese Anweisung ist auf einem gedruckten Formular des
Londoner Bankhauses ausgestellt und trägt (obschon sie that-
sächlich in Lausanne ausgestellt wurde) das gedruckte Orts-
datum London; sie enthält weder die Bezeichnung der An-
weisung als Check noch die Angabe des Monatstages der
Ausstellung in Worten, lautet aber an Ordre. Sie wurde
noch an dem Tage der Ausstellung von D. bei dem Bankhause
D. frères in Lausanne, welches ihm den Gegenwert be-
zahlte und an welches er die Anweisung indossierte, diskon-
tiert. D. frères begaben die Anweisung weiter. Dieselbe
kam indessen nach einiger Zeit unbezahlt zurück, da die
Ausstellerin, welche zu vermuten begann, sie sei bei dem
Geigenkaufe von D. betrogen worden, dem bezogenen Bank-
hause die Bezahlung untersagt hatte. Gebr. D. erhoben nun
gegen die Ausstellerin Regressklage, welcher diese die Ein-
wendung entgegensetzte, nach schweizerischem Rechte, welches
als Recht des wirklichen Ausstellungsortes massgebend sein
müsse, sei die Anweisung wegen mangelnder Form kein
gültiger Check, sondern könne nur als gewöhnliche civilreoht-
liche Anweisung betrachtet werden, und aus einer solchen
sei ein Regressanspruch nicht begründet.
113
Das kantonale Gericht erachtete zwar schweizerisches
Recht für anwendbar und anerkannte, dass nach diesem die
Anweisung kein gültiger Check sei, hiess aber die Klage aas
anderweitigen Gründen gut. Das Bundesgericht hat die kan-
tonale Entscheidung im Dispositive bestätigt, in der Begrün-
dung dagegen wird ausgeführt:
Au fond, la question se pose de savoir quel est le droit
qui doit faire règle pour décider si le titre litigieux revêt le
caractère d'un chèque.
Les parties sont d'accord que cette question doit être
résolue en conformité des art. 836 et 823 C. O., au termes des-
quels les conditions essentielles d'un chèque tiré d'un pays
étranger sont déterminées par la loi du lieu où l'acte a été fait.
Mais les demandeurs soutiennent que le titre dont il
s'agit doit être considéré comme fait à Londres et que son
caractère juridique doit s'apprécier au regard du droit anglais,
parce qu'il est fait en la forme anglaise, daté de Londres et
que l'on ne peut exiger du banquier qui escompte des titres
de cette nature qu'il recherche si le lieu d'émission indiqué
dans le texte est bien celui où le titre a été réellement créé.
La défenderesse fait valoir, au contraire, qu'il n'est pas
contesté que le titre a été créé à Lausanne, qu'ainsi l'indi-
cation de Londres dans le texte n'est pas conforme à la réalité
et que c'est, par conséquent, le droit suisse et non le droit
an gl ai 8 qui est applicable.
En revanche, elle ne conteste pas que la qualification de
chèque n'est pas une condition de validité du chèque en droit
anglais et que le titre en question est bien un chèque au
point de vue de ce droit Les parties reconnaissent,
d'autre part, que la mention du mot „chèque" étant exigée
par le Code fédéral des obligations, on n'est pas en présence
d'un chèque au point de vue de cette loi.
La question soulevée doit être résolue en faveur de
l'application du droit anglais par les considérations suivantes.
Il est de principe en matière d'effets de change et de
chèques que la validité du titre doit s'apprécier d'après la
teneur de celui-ci et ne dépend pas de la vérité matérielle
des énonciation8. Lorsque la teneur de l'écrit n'est pas d'accord
avec la vérité matérielle, c'est la première qui l'emporte,
parce que la nature du titre ne souffre pas que chaque acquéreur
successif 8'enquière préalablement si les énonciations qu'il
porte correspondent à la réalité (Voir Grünhut, Wechselrecht,
X Page 277 et II, page 572; Goldschmidt, Zeitschr. für
das ge8. Handelsrecht, T. XV, page 574). La fausseté
114
des énonciations peut seulement donner lieu, suivant les
circonstances, à une exception de dol de la part du débiteur
à l'égard du porteur.
. Cette manière de voir est celle du droit fédéral des obli-
gations et ressort, entre autres, en ce qui concerne l'indication
du lieu de création, des dispositions des art. 722 et 830,.
rapprochées de celles de« art. 823 et 836 C. 0.
Tandis que, sous chiffre 8, l'article 722 exige l'indication
du lieu où doit s'effectuer le paiement et dispose qu'à défaut
d'indication spéciale, le lieu désigné à côté du nom ou de la
raison de commerce du tiré est réputé être le lieu de paiement
en même temps que le domicile du tiré, il exige simplement
sous chiffre 6 „l'indication du lieu, du jour, du mois et de
Tannée où la lettre est créée." La loi ne dit donc pas que
le lieu de création de la lettre doit être considéré comme le
domicile du tireur; si, néanmoins, elle exige l'indication de
ce lieu comme essentielle, cela s'explique uniquement par le
fait de la corrélation de cette indication avec l'art. 823, d'après
lequel les éléments essentiels de la lettre de change, au point
de vue de la forme, sont déterminés par la loi du lieu de
sa création, lieu qui, pour ce motif, doit être indiqué dans
le texte de la lettre.
Les prescriptions sous chiffre 4 et 6 de l'art. 830, rappro-
chées des art. 836 et 823, provoquent la même observation
touchant le chèque.
La doctrine et la jurisprudence allemandes admettent
également que les indications de la lettre de change relatives
au lieu et à la date de sa création ne doivent pas nécessaire-
ment être conformes à la vérité matérielle, mais que la lettre
est censée créée au lieu indiqué dans son texte (Voir arrêts
du Tribunal de l'Empire allemand XXXII, page 115 et suiv.;
Grtinhut, Wechselrecht I, page 403 etil, page 572; Thöl,
Handelsrecht, § 16, rem. 6; Canstein, Wechselrecht, page 99).
On doit repousser l'opinion soutenue par Grtinhut (Op.
cit. II, page 572, note 14), d'après laquelle le texte de l'acte
ne ferait règle que vis-à-vis de l'acquéreur qui a ignoré, mais non
vis-à-vis de celui qui a connu le lieu réel de la création de l'acte.
Cette distinction est inconciliable avec la nature de la lettre de
change et du chèque, auxquels on enlèverait leur caractère propre
et leur valeur particulière si l'on devait distinguer entre les ac-
quéreurs successifs selon qu'ils ont connu ou pas connu le lieu
réel de la création de l'effet, et autoriser à l'égard de chacun la
preuve de la connaissance ou de l'ignorance de ce lieu. La
lettre de change et le chèque ne sauraient être considérés.
115
comme régis, au point de vue de la forme, tantôt par le droit
du Heu d'émission indiqué dans l'acte, tantôt par celui du
lieu d'émission réel, suivant que la question se pose à l'égard
d'un porteur ayant ignoré ou d'un porteur ayant connu ce
lieu. C'est ou bien le lieu de création indiqué par le titre on
bien le lieu où ce titre a été réellement créé qui doit faire
règle à l'égard de tous les porteurs successifs. Pour les motifs
exposés plus haut on doit admettre que c'est le lieu de création
indiqué par l'écrit qui est décisif. (Entsch. vom 6. April 1900
i. S. Dame Gade c. Dubois frères.)
66. 0. R. Art. 896. Gültigkeit der Police kiau sel, welche auf
wissentlich unwahre Schadensangaben die Verwirkung des Ver-
sicherungsanspruches setzt. — Bedeutung der Versicherungssumme
bei Feuerversicherung.
1. Eine Klausel, wonach der Versicherte seinen Ver-
8icherung8anspruch verliert, wenn er dem Versicherer wissent-
lich unwahre Angaben über die Höhe seines Schadens macht,
ist nicht nur nicht unsittlich (etwa, weil sie eine zu grosse
Härte gegen den Versicherten enthalten würde), sondern wird
im Gegenteil durch die Natur der Beziehungen des Versicherers
zum Versicherten, wonach jener in weitem Umfange auf die
Angaben dieses letztern angewiesen ist, gefordert; ihre Gültig-
keit ist denn auch in Doktrin und Praxis allgemein anerkannt
(vergi. Amtl. Samml. der bdg. Entsch. Bd XV, S. 612 E. 4;
Ehrenberg, Handb. I, S. 489 f. sub 3; Entw. zu einem Ge-
setz über den Versicherungsvertrag, Art. 38 Schlussabsatz).
2. Für die Frage, ob eine übertriebene Schadensaufstellung
vorliege, ist die Versicherungssumme ohne Bedeutung. Ab-
gesehen davon, dass der Kläger bei seiner Aufstellung offenbar
selber nicht von dieser Auffassung ausgegangen ist, ist über-
haupt im allgemeinen zu sagen, erstens, dass bei der Sach-
versicherung die Versicherungssumme nicht zugleich den Ver-
sicherungswert darstellt, sondern im Zweifel nur eine Maximal -
grenze bilden soll, bis zu welcher der Versicherer zu haften
hat (vergi. Entwurf zu einem Versicherungsgesetz Art. 59
Abs. 1 und Ehren b erg, Handb. S. 358), und zweitens, dass
nur der wirklich eingetretene Schaden zu ersetzen und dieser
nach dem Ersatz wert zu bestimmen ist (vergi, a. a. 0. Art. 44,
43, 54 f.). (Entsch. vom 6. April 1900 i. S. Schweizer c. Basler
Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden.)
116
67. Bundesgesetz betreffend Handhabung der Bahnpolizei vom
18. Februar 1878, Art. 1. Inwieweit gilt für die sachenrechtlichen
Verhältnisse der Eisenbahngrundstücke eidgenössisches Rechtt Der
Verjährungserwerb von (Wege-) Dienstbarkeiten am Bahnkörper
einer dem Betriebe übergebenen Eisenbahn ist bundesrechtlich
(durch das Bahnpolizeigesetz) ausgeschlossen.
Es geht zu weit, wenn die Vorin8tanz annimmt, das 8
das Gebiet einer dem Betrieb übergebenen Eisenbahn der
Herrschaft des kantonalen Privatreohts schlechthin entzogen
sei. Die eidgenössische EisenbahngeBetzgebung enthält aller-
dings Bestimmungen, die in die sachenrechtlichen Verhältnisse
der Eisenbahngrundstücke eingreifen, allein soweit dies nicht
der Fall ist, bleiben die Bestimmungen des kantonalen Sachen-
rechts uneingeschränkt in Kraft. Es kann sich demnach bloss
fragen, ob nicht speziell der Ersitzung einer Dienstbarkeit
am Bahnkörper bundesgesetzliohe Vorschriften hindernd im
Wege stehen, und deshalb die Bestimmungen des kantonalen
Sachenrechts keine Anwendung finden, und in dieser Frage
ist in der That der Vorinstanz beizutreten, wenn sie ausführt,
da8s angesichts der Vorschrift des Art. 1 des Bundesgesetzes
betreffend die Handhabung der Bahnpolizei eine Erwerbung
einer Wegservitut durch Ersitzung unmöglich gewesen sei.
Art. 1 des genannten Gesetzes verbietet aus Gründen der
öffentlichen Sicherheit allen nicht zum Bahndienst gehörenden
Personen, ohne Erlaubnis der Bahnverwaltung oder ohne eine
auf privatrechtlichem Titel beruhende Berechtigung an andern,
als den ihrer Bestimmung nach dem Publikum geöffneten
Stellen, das Gebiet einer dem Betriebe übergebenen Eisen-
bahn oder ihrer Zugehörden zu betreten. Dieser Artikel setzt
allerdings die Möglichkeit voraus, dass gestützt auf privat-
rechtlichen Titel die Berechtigung erworben werden könne,
das Gebiet der Bahn auch an andern, als den ihrer Bestim-
mung nach dem Publikum geöffneten Stellen zu betreten.
Einen privatrechtlichen Titel zur Erwerbung einer solchen
Berechtigung würde an sich nach den allgemeinen Grund-
sätzen des Sachenrechts auch die Ersitzung bilden. Allein
der Sinn und Zweck des Artikels zwingt zu der Annahme,
dass derselbe ausschliesslich die Erwerbung eines derartigen
privatrechtlichen Titels auf Grund rechtsgeschäftlicher Ein-
räumnng durch die Bahngesellschaft im Auge habe, und eine
Erwerbung durch Ersitzung ausseht iesse. Wäre nämlich eine
Ersitzung von Wegservituten über den Bahnkörper schlechthin
nach Massgabe der verschiedenen kantonalen Gesetzgebungen
möglich, so würde dies zur Folge haben, dass das unbefugte
117
Betreten der Bahn ohne Erlaubnis der Bahnverwaltung und
ohne privatrechtlichen Titel je nach den kantonalen Bestim-
mungen über Ersitzung über kurz oder lang zu einer auf
privatrechtlichem Titel beruhenden und daher erlaubten Hand-
lung werden könnte, sobald die Ersitzungsfrist abgelaufen
wäre. Ein solcher Zustand würde aber offenbar die Sicherung
vor Gefahren des Bahnbetriebes, die Art. 1 cit. bezweckt, in
erheblichem Masse illusorisch machen, und es muss daher
eine Interpretation des Gesetzestextes, welche denselben
sanktionieren würde, verworfen und mit der Vorinstanz an-
genommen werden, dass die Berechtigung zum Wegübergang
über den Bahnkörper durch Erhitzung nicht erworben werden
könne. (Entgeh, vom 2. März 1900 i. S. Einwohnergemeinde
Rheinfelden c. Nordostbahn.)
68. BundesgcseU betr. die Erfindungspatenle vom 29. Juni 1888,
Art. 1. Begriff der Erfindung.
Den Begriff der Erfindung definiert das Bundesgesetz be-
kanntlich nicht, sondern überläset dessen Feststellung der
Wissenschaft und Praxis. Nach allgemein anerkannter Auf-
fassung, der sich auch das Bundesgericht angeschlossen hat,
gehört dazu die Erreichung eines wesentlichen Fortschrittes
der Technik, eines technischen Nutzeffekts, durch neue, ori-
ginelle Kombination von Naturkräften (s, z. B. G ierke, Deutsch.
Privatrecht I S. 849, 863; Ko hl er, Patentrecht S. 32, For-
schungen aus dem Patentrecht S. 3). Keine Erfindungen sind
daher Konstruktionen, die nicht auf einer eigenartigen, schöpfe-
rischen Idee ihres Urhebers beruhen, sondern lediglich das
Erzeugnis technischer Geschicklichkeit bilden (Kohler, For-
schungen 8. 29). Ebenso ist keine Erfindung die Entdeckung,
die nicht neues hervorbringt, sondern bereits vorhandenes ent-
hüllt (Gierke, a. a. 0. 8. 863)
Die Erkenntnis, dass ein bestimmter Stoff sich zur Her-
stellung eines bestimmten Fabrikates eignet, wozu er bisher
noch nicht verwendet worden ist, kann für sich allein nicht
als Erfindung betrachtet werden. Es handelt sich hiebei um
eine blosse Entdeckung, nicht um ein Produkt schöpferischer
Geistesthätigkeit. Anders ist es dagegen, wenn der Heran-
ziehung dieses Stoffes zu dieser Fabrikation bisher gewisse
Schwierigkeiten entgegengestanden haben, die dessen Verwen-
dung ausschlössen, und wenn nun ein Mittel gefunden wird,
um die Schwierigkeiten zu überwinden, und so die zwar be-
118
kannten, aber bisher für diese Fabrikation als nicht verwert-
bar scheinenden Eigenschaften eines bestimmten Stoffes nutz-
bar gemacht werden. Hier handelt es sich in der That um
die Lösung eines der Eombinationsthätigkeit des menschlichen
Geistes gestellten Problems, weder um blosses Wahrnehmen
von bereits Vorhandenem, noch um blosse geschickte Anwen-
dung und Ausführung von bereits Bekanntem, sondern um ein
Resultat produktiver Geistes thätigkeit, als welches sich die
Erfindung im Gegensatz zur Entdeckung oder der blossen
Handfertigkeit charakterisiert. (Entsch. vom 30. März 1900
i. S. Gut und Biedermann c. Kanzelmann und Genossen.)
69. Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der Verbindungs-
geleise vom 19. Dezember 1874, Art. 6, 33. Bundesgesetz betreffend
die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen
bei Tötungen und Verletzungen vom 1. Juli 1875, Art. 1, 2, 3, 7,
8, 10. Das Eisenbahnhaftpflichtgesetz findet auch auf den Betrieb
von Verbindungsgeleisen Anwendung. Haftpflichtiges Subjekt ist
hiebet nicht notwendig der Besitzer des Anschlussgeleises, sondern
vielmehr derjenige, welcher den Transport auf dem Geleise auf
seine Rechnung besorge also wenn dies die Hauptbahn ist, diese.
(Entsch. vom 28. März 1900 i. S. Märki c. Nordostbahn.)
70. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahnen
und Dampf Schiffahrtsunternehmungen bei Tötungen und Vei letzungen
vom 1. Juli 1875, Art. 1. Bundesgesetz betreffend die Ausdehnung
der Haftpflicht u. s. w. vom 26. April 1887, Art. 2 Abs. 3. Art. 1
des Etsenbuhntiaßpflichtgesetzes bezieht sich auch auf Arbeiten,
die zum Unterhatte und zur Erneuerung des Bahnkörpers dienen;
daran ist durch das erweiterte Haftpflichtgesetz nichts geändert
worden.
Art. 1 des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes bezieht sich nicht
nur auf solche Unfälle, die vor der Betriebseröffnung sich er-
eignen. In der That wurde schon mehrfach entschieden, dass
zum Bau einer Eisenbahn im Sinne der genannten Gesetzes-
bestimmung auch die zum Unterhalt und zur Erneuerung des
Bahnkörpers dienenden Arbeiten gehören (vergi. Amtl. Samml.
Bd Vili S. 334, Bd X S. 133). Die Beklagte wendet ein, dass
das erweiterte Haftpflichtgesetz in dieser Richtung gegenüber
dem frühem Rechtszustande eine Aenderung gebracht habe
und dass nach demselben der Unterhalt und die Erneuerung
der Bahn nicht mehr unter Art. 1 des Eisenbahnhaftpflicht-
llî>
gesetzes zu subsumieren seien, sondern zu denjenigen Arbeiten
gehörten, für die die Bahngesellschaften nur noch nach Fabrik-
haftpflichtgesetz, also in beschränktem Umfange, hafteten.
Eine solche Auffassung widerspricht jedoch dem Wortlaut
von Art. 2 Abs. 3 des erweiterten Haftpflichtgesetzes, wo be-
stimmt ist: „Für die beim Eisenbahnbau vorkommenden Haft-
pflichtfälle bleibt bezüglich der Haftbarkeit der konzessionierten
Unternehmung und des Umfanges des zu leistenden Schaden-
ersatzes Artikel 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1875 vorbehalten.*
Es mag sein, dass der Bundesrat mit dieser Bestimmung, die
im Entwürfe gelautet hatte: „Betreffend den Bau der Eisen-
bahnen bleibt Artikel 1 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1875»
bezüglich der Haftbarkeit der konzessionierten Unternehmung
in Kraft," bloss die Verantwortlichkeit der Bahnunternehmung
für ihre Akkordanten vorbehalten wollte, im übrigen aber
annahm, dass die Haftpflicht für Unfälle, die sich beim Eisen-
bahnbau ereignen, in Zukunft durchwegs unter das erweiterte
Haftpflichtgesetz bezw. das Fabrikhaftpflichtgesetz fallen (s.
die Botschaft des Bundesrates vom 7. Juni 1886 im Bundes-
blatt von 1886 II S. 701). Allein wenn schon die im bundes-
rätlichen Entwurf gewählte Fassung diesen Gedanken jeden-
falls nicht klar zum Ausdruck brachte, so kann dann vollends,,
nachdem in der Beratung durch die eidgenössischen Räte der
Vorbehalt erweitert worden war auf das Mass der Haftung,
die Bestimmung nicht mehr anders ausgelegt werden als dahin,,
dass hinsichtlich der Haltbarkeit der Eisenbahn Unternehmungen
für Unfälle, die sich beim Bau ereignen, Artikel l des Eisen-
bahnhaftpflichtgesetzes in vollem Umfange in Geltung bleibe.
(Vergi, auch den französischen Text, der lautet: „Pour les cas-
d'accidents survenant lors de la construction de chemins de
fer, la responsabilité de l'entreprise concessionnée et l'indemnité
à payer sont déterminées par l'article 1er de la loi du
1er juillet 1875.") Es würde zudem der ganzen Tendenz des
erweiterten Haftpflichtgesetzes widersprechen, wenn ange-
nommen werden wollte, dass in diesem Punkt, eine Ein-
schränkung der Haftpflicht habe vorgenommen werden wollen.
Auch dafür bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt, dass Art. 1
des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes nur für Unfälle vorbehalten
worden wäre, die sich beim eigentlichen Bau einer Eisenbahn
ereignen, und dass man die Erneuerungs- und Unterhaltungs-
arbeiten, die durch die bundesgerichtliche Praxis unter jenen
Art. 1 gestellt worden waren, von dem Vorbehalt hätte aus-
nehmen wollen; wäre dies die Meinung der vorberatenden
Bäte gewesen, so wäre es ausdrücklich gesagt worden, da
-t*FFF
120
angenommen werden musa, class denselben die Praxis des
Bundesgerichts, auf die z. B. die nationalrätliche Kommission
in ihrem Bericht in anderer Beziehung verwiesen hat (s.
Bundesbl. von 1886 III S. 150), bekannt gewesen sei. (Entsch.
vom 28. März 1900 i. S. Hartmann c. Nordostbahn.)
71 . Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb
vom 25. Juni 1881, Art 6 Abs. 3. Bei Anwendung dieser Gesetzes-
bestimmung ist der Civilrichter an ein (verurteilendes oder frei-
sprechendes) Urteil des Strafrichters (wenn auch nicht an einen
blossen EinsteüungsbeschUiss der Stra/verfolgungsbehörde) gebunden.
— Voraussetzung des Wegfalls des Entschädtgungsmaximums ist,
dass der Betriebsunternehmer persönlich eine strafrechtlich verfolg-
bare Handlung begangen hat.
(Entsch. vom 7. Februar 1900 i.S.Berchtoldc. Termignoni.)
72. Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken vom
23. März 1877, Art. 5 litt. b. Bundesgesetz betreffend die Haft-
Pflicht aus Fabrikbetrieb vom 25. Juni 1881. Die Haftpflicht des
Fabrikherrn besteht auch gegenüber von Hilfsarbeitern, welche
seine (auf Stück bezahlten) Arbeiter für die Betriebsarbeiten m
der Fabrik auf eigene Rechnung einstellen.
Die beklagte Aktiengesellschaft betreibt ihre Fabrik in
der Weise, dass sie ihren Arbeitern, die sie nach Stück be-
zahlt, ihre Ateliers und Maschinen zur Verfügung stellt und
es ihnen überlässt, Hilfspersonal für ihre Arbeit beizuziehen.
Von dem beklagtischen Arbeiter Ch. S. war seine Ehe-
frau Fanny S. als Hilfsarbeiterin eingestellt worden. Als
nun diese bei der Arbeit an einer Maschine eine Verletzung
erlitt, bestritt die Beklagte, dass die Haftpflichtgesetze auf
•diesen Unfall anwendbar seien. Das Bundesgericht erklärte
indes die Beklagte grundsätzlich als haftpflichtig, indem es
ausführte :
Contrairement à l'opinion émise dans l'arrêt dont est
recours, la législation fédérale sur les fabriques et la respon-
sabilité des fabricants est applicable dans l'espèce. Le principe
décisif en pareille matière, et déjà contenu dans l'art. 5
lettre 6 de la loi du 23 mars 1877 sur les fabriques, dispose
entre autres que le propriétaire de la fabrique est responsable
des dommages causés lorsque, même sans qu'il y ait faute
spéciale de la part de ses mandataires, représentants, direc-
teurs ou surveillants, l'exploitation de la fabrique a occasionné
121
des lésions ou la mort d'un ouvrier ou employé. Ce principe
a été sanctionné dans les mêmes termes par la loi fédérale
du 25 juin 1881 sur la responsabilité civile des fabricants.
Il s'en suit que la dite responsabilité s'étend, sans distinction,
à tous les accidents survenus, dans les conditions prévues par
la dite loi, aux ouvriers employés en fait dans une fabrique;
il est indifférent, à cet égard, que dans l'espèce dame S.
ait travaillé comme auxiliaire de son mari, et n'ait pas été
engagée directement par la Fabrique genevoise de meubles;
elle était occupée dans la fabrique, en fait, comme ouvrière,
et il n'a pas même été allégué qu'elle s'y fût introduite
clandestinement, contre la volonté du patron ; l'on ne saurait
admettre non plus que la société défenderesse ait ignoré que
la recourante travaillait dans ses locaux, ce qui impliquerait
de la part de la fabrique un manque complet de surveillance,
et partant une faute. Dans ces circonstances, et quelle que
fût d'ailleurs la nature du rapport juridique existant entre
dame S. et la société, la responsabilité de cette dernière
résulte des dispositions légales précitées. Il est indifférent,
en particulier, que le salaire de la recourante ait été compri»
dans celui payé à son mari; ce n'était là qu'un mode de
paiement, qui n'empêche pas que le bénéfice réalisé sur le
travail de la recourante ne profitât à la Fabrique défenderesse.
Le législateur fédéral, en admettant la responsabilité du fabri-
cant pour le dommage causé à un ouvrier tué ou blessé dans-
les locaux de la fabrique et par son exploitation a voulu
étendre ce bénéfice à toutes les personnes occupées en fait
dans la fabrique ; une interprétation différente ouvrirait facile-
ment la porte à des abus, en permettant aux patrons d'éluder
le vœu de la loi. (Entsch. vom 7. Februar 1900 i. S. dame
8aucon c. Fabrique genevoise de meubles.)
73. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art 59. — Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889, Art. 197 ff.,
293 ff.} 315. Bei KollokaUonsstreitigkeiten bemisst sich der Streit-
teert nach dem Nominalbetrag der angefochtenen Forderung. —
7m Konkurse können nur solche Forderungen geltend gemacht
werden, welche schon zur Zeit der Konkurseröffnung, wenigstens
dem Rechtsgrunde nach bestanden. — Der im Nachlassvertrage
nachgelassene Teil der Forderungen der Gläubiger erlischt nicht
schon bei Abschluss und Bestätigung des Nachlassvertrages, sondern
erst mit der Erfüllung desselben. — Durch den Ausbruch des
122
Konkurse* über den Schuldner fallen die Wirkungen des NacMass-
verlrages hinsichtlich derjenigen Forderungen, für welche derselbe
noch nicht erfüllt worden ist, ohne weiteres dahin, so dass diese
Forderungen im Konkurse nach Massgabe ihres ursprünglichen
Betrages geltend gemacht werden können.
Nach dem von ihm im Frühjahr 1898 abgeschlossenen
Nachlassvertrage hatte A. M.-.J in 0. seinen Kurrentgläubigern
30 % ihrer Forderungen in drei Raten zu bezahlen. Da der
Schuldner M.-J. die dritte Nachlassrate auf eine im Nach-
lassverfahren mit Fr. 2688. 75 angemeldete Forderung nicht
bezahlte, so verlangte die klägerische Firma B. & Cie in L.
in betreff ihrer Forderung Aufhebung des Nachlassvertrages.
Dieses Begehren wurde am 12. Dezember 1898 von der untern
Nachlassbehörde gutgeheissen und die erstinstanzliche Ver-
fügung wurde am 28. Januar 1899 von der obern kantonalen
Nachlassbehörde bestätigt. Inzwischen hatte die Firma
B. & Cie am 10. Januar 1899 die Konkurseröffnung über
A. M.-J. herbeigeführt. In diesem Eonkurse wurde sie für
ihre ursprüngliche Forderung von Fr. 2688. 75 unter Abzug
der erhaltenen Nachlassraten von Fr. 590. 15 mit Fr. 2148. 60
nebst Fr. 53. 30 Kosten in Klasse V zugelassen. Am 18. Januar
1899 erwirkte auch ein anderer Gläubiger des A. M.-J.,
welcher an dessen Nachlassvertrag mit dem vom Massa-
verwalter auf Fr. 3005. 85 geschätzten, durch das Pfand nicht
gedeckten Teile einer faustpfändlich gesicherten Forderung
teilgenommen hatte, Chr. J. in S., die Aufhebung des Nach-
lassvertrages für seine Forderung und wurde daraufhin in
dem Konkurse des A. M.-J. mit seiner ganzen ursprünglichen
Forderung in Klasse V zugelassen. Diese Anweisung focht
die Firma B. A Cie gerichtlich an, indem sie Reduktion der
Forderung um 70% des nicht pfandversicherten Teiles der-
selben, d. h. um Fr. 2104. 10 verlangte. Diese Klage wurde
vom Bundesgerichte in Bestätigung der Entscheidung des
Appellations- und Kassationshofes des Kantons Bern abge-
wiesen. In den Gründen der bundesgerichtlichen Entschei-
dung wird zunächst ausgeführt: Da nach der bundesgericht-
lichen Praxis in Kollo kationsstreitigkeiten, in denen ein
Gläubiger die Zulassung eines andern Gläubigers oder den
ihm angewiesenen Rang anfechte, der Streitwert sich nach dem
Nominalbetrage der Forderung richte, deren Kollokation an-
gefochten werde, sei der gesetzliche Streitwert gegeben.
Richtig sei nun, dass, wie die Klägerin behaupte, im Kon-
kurse nur solche Forderungen geltend gemacht werden können,
welche, wenigstens ihrem Rechtsgrunde nach, schon zur Zeit
123
der Konkurseröffnung bestanden haben. Es müsse sich daher
fragen, ob dem Beklagten zur Zeit der Konkurseröffnung
über M.-J. für die bestrittenen 70% seiner Ansprache eine
exequierbare Forderung an den Gemeinschuldner zugestanden
habe. Hierüber wird sodann bemerkt:
Es ist zunächst der Vorinstanz darin beizupflichten, dass
durch den Abschluss bezw. die Bestätigung des Nachlass-
vertrages die dadurch betroffenen Forderungen keineswegs
untergegangen sind. xDer Nachlassvertrag ist eine behördlich
bestätigte, mit gewissen Zwangs Wirkungen ausgestattete
Vereinbarung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern,
bezw. der Majorität derselben, über die Art, wie sich der
er8tere von seinen Verpflichtungen gegenüber letztern, die er
in normaler Weise zu erfüllen nicht im stände ist, soll lösen
können. Der Vertrag bezieht sich somit allerdings nicht
bloss auf die exekutiven Rechte der Gläubiger, sondern er
berührt auch, den materiellen Bestand ihrer Forderungen,
indem der Schuldner, wenigstens civiliter, davon befreit wer-
den soll. Diese Wirkung knüpft sich aber nicht unmittelbar
an den Abschluss oder die Bestätigung des Vertrages, sondern
erst an die Erfüllung der Vertragsbedingungen. Dass die
Ansprüche aus dem Nachlass vertrag mit novierender Wirkung
an Stelle der ursprünglichen Forderungen träten oder dass
sofort mit dem Perfektwerden des Nachlassvertrages diese
gänzlich oder für den durch die zugesicherte Leistung nicht
gedeckten Teil als erloschen zu gelten hätten, könnte höchstens
angenommen werden, wenn etwas derartiges ausdrücklich
vereinbart worden wäre. Wo dies, wie in vorliegendem Falle,
nicht zutrifft, kann dagegen unter keinen Umständen davon
gesprochen werden, dass der Schuldner ganz oder teilweise
von seinen Verpflichtungen befreit sei, bevor der Nachlass-
vertrag erfüllt ist; m. a. W. es ist der darin enthaltene teil-
weise Verzicht oder Erlass der Forderungen unter die Be-
dingung gestellt, dass dem Gläubiger das im Vertrag Zuge-
sicherte geleistet werde. Diese Auffassung war im bundesrät-
lichen Entwürfe zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs vom 23. Februar 1886 zu positivem Ausdruck ge-
langt, indem darin folgende Bestimmung unter den Vor-
schriften über den Nachlassvertrag erscheint: Art. 39: „Der
Schuldner wird durch Erfüllung des Konkordates von jeder
weitern Verpflichtung gegenüber seinen Gläubigern befreit;
vorbehalten bleiben anderweitige Bestimmungen des Konkor-
dates, u. s. w.a Die Bestimmung wurde in etwas veränderter
Fassung bis zur letzten sog. redaktionellen Bereinigung bei-
124
behalten. Näher als der Schiusa, dass man mit dem schliess-
liohen Fallenlassen eine materielle Aenderung vornehmen
wollte, liegt die Annahme, dass man dieselbe als selbstver-
ständlich und somit als überflüssig betrachtete. Allerdings
enthielt die Vorschrift nach ihrer Fassung nioht zwingendes
Recht. Allein, was man der Disposition der Parteien vor-
behalten wollte, und was wohl auch nach Wegfall der Be-
stimmung ihrer Disposition vorbehalten bleibt, ist nicht sowohl
die Stipulation, dass die ursprünglichen Forderungen schon
vor der Erfüllung des Nachlassvertrages erlöschen sollen, als
vielmehr die Vereinbarung, dass trotz der Erfüllung der
Schuldner von den ursprünglichen Verbindlichkeiten noch
nicht befreit sein solle. Diese Lösung ist auch die der Natur
der Sache entsprechende. Die Nachlassgläubiger sind gewiss
nicht gewillt, auf die blosse Zusicherung gewisser Leistungen
hin ihre Forderungen aufzugeben, und wenn sie sich zu
einem teilweisen Verzicht bereit erklären, so geschieht dies
nur, weil sie ein sioheres Weniger einem unsicheren Mehr
vorziehen. Sicher aber ist eine Leistung nicht schon dann,
wenn sie versprochen, sondern erst dann, wenn sie erfüllt ist»
Darnach wurden denn auch im vorliegenden Falle die Forde-
rungen an den Schuldner M . durch den Abschluss bezw. die
Bestätigung des Naohlassvertrages fürs erste in ihrem Be-
stände nicht berührt, und der damit verknüpfte Erlass oder
Verzicht konnte erst eintreten oder wirksam werden mit dem
Eintritt der Bedingung, unter der er zugestanden war, d. h.
mit der Zahlung der Nachlassdividende. Da nun diese Be-
dingung sich nicht erfüllt hat, ist auch die Wirkung eines
teilweisen Erlasses oder Verzichts nicht eingetreten, und
stand vom Boden des materiellen Rechts aus nichts entgegen,
dass die Forderung des Beklagten im Eonkurse des A.^M.
in ihrem ursprünglichen Betrage angemeldet und zugelassen
wurde.
Nun wird aber aus Art. 315 B. G. der Einwand her-
geleitet, dass im Falle der Nichterfüllung der Bedingungen
des Nachlassvertrages die behördliche Aufhebung des Nach-
lasses verlangt und ausgewirkt sein müsse, bevor die Forderung
in ihrem frühern Bestände geltend gemacht werden könne,
und dass deshalb vorliegend der Beklagte, da die Aufhebung^
des Nachlasses zu seinen Gunsten erst nach der Konkurs*
eröffnung über A. M. erfolgt sei, im Konkurse nioht den un-
gedeckten Teil seiner ursprünglichen Forderung, sondern nur
die nicht bezahlte Nachlassquote habe liquidieren dürfen.
Diesbezüglich fällt in Betracht: Es ist richtig, dass ein gültig:
126
za stände gekommener Nachlassvertrag der exekutiven Geltend-
machung der dadurch betroffenen Forderungen gegenüber
dem Naohlasssohuldner im Wege steht und dass deshalb, so-
fern der Vertrag noch wirksam sein sollte, solche Forderungen
auch in einem später über denselben ausgebrochenen Eon-
kurse nicht geltend gemacht werden könnten. Nach Art. 315
B. Gr. fallen ferner in der That die Wirkungen des Nachlass-
vertrages, wenn dessen Bedingungen nioht erfüllt werden,
nicht von selbst dahin, sondern es bedarf, um den Vertrag
aus dem Wege zu räumen, eines Anspruches der Nachlass-
behörde, der zudem, im Gegensatz zum Widerruf des Nach-
lassvertrages wegen Unredlichkeit gemäss Art. 316, nur in-
dividuell, für den die Aufhebung verlangenden Gläubiger,
und nicht generell, für alle Gläubiger wirkt. Eines solchen
die Aufhebung des Nachlasses aussprechenden Dekretes der
Naohiassbehörde bedarf es jedoch dann nicht, wenn über den
Schuldner der Konkurs ausbricht, bevor er die ihm nach dem
Nachlassvertrage obliegenden vermögensrechtlichen Leistungen
erfüllt hat; vielmehr sind die Gläubiger, denen gegenüber
diese Bedingungen beim Ausbruch des Eonkurses nicht erfüllt
sind, sei es dass der Schuldner nicht leisten konnte oder
wollte, oder dass er nooh nicht zu leisten brauchte, ohne
weiteres Verfahren berechtigt, ihre Forderungen in ihrem ur-
sprünglichen Betrage — unter Abrechnung allfällig erhaltener
Abschlagszahlungen — anzumelden und dafür konkursmässige
Befriedigung zu verlangen. M. a. W. die Wirkungen des Nach-
lassvertrages mit Bezug auf die exekutive Geltendmachung
der ursprünglichen Forderungen fallen in solchen Fällen,
wenigstens für die Dauer des Konkurses, mit dessen Eröffnung
dahin. Der Nachlassvertrag ist eine besondere, gegenüber
der eigentlichen Zwangsvollstreckung mildere Form der Aus-
einandersetzung des bedrängten Schuldners mit seinen Gläu-
bigern, die an die Stelle der erstem tritt und nicht neben
derselben bestehen kann. Allerdings können ordentlicherweise
während der Abwicklung des Nachlassvertrages nach dessen
Bestätigung neue Spezialexekutionen gegen den Schuldner
eingeleitet und es kann gegen ihn auch der Konkurs eröffnet
werden; denn der Schuldner ist von der Bestätigung des
Nachlassvertrages an in der Regel in seiner Verpflichtungs-
fähigkeit nicht mehr beschränkt, und auch davon, dass sein
Vermögen den Nachlassgläubigern dinglich verhaftet wäre,
wird höchstens ausnahmsweise die Rede sein können. Allein
wenn auch so unter Umständen eine Zwangsvollstreckung für
eine neue Verpflichtung neben der Abwicklung des Nach-
10
126
lassyertrage8 einhergehen kann, so ist doch ein Ineinander-
greifen der verschiedenen Liquidationsverfahren, ein Einwirken
derselben auf einander gänzlich ausgeschlossen, und bei Kolli-
sionen mu88 das eine vor dem andern zurücktreten. Eine
solche Kollision ist nun vorhanden, wenn ein Schuldner, der
gemäss Nachlassvertrag seinen Gläubigern zu bestimmten
Leistungen aus seinem Vermögen verpflichtet ist, diese Be-
dingungen allen oder einzelnen gegenüber nicht erfüllt hat
und nunmehr über ihn der Konkurs ausbricht. Denn da die
Konkurseröffnung dem Schuldner die Disposition über sein
Vermögen entzieht, so ist ihm dadurch die Erfüllung des
Nachlass Vertrages verun möglicht. Da ferner für die Konkurs-
gläubiger kein rechtlicher Zwang besteht, die Erfüllung auf
sich zu nehmen, so ist die zutreffende Lösung der vorhandenen
Kollision die, dass der Nachlassvertrag für die Gläubiger,
denen gegenüber er nicht erfüllt ist, mit der Konkurseröffnung
aufhört wirksam zu sein, bezw. dass dieselben ohne Rück-
sicht auf den Vertrag berechtigt sind, statt der akkord-
mässigen konkursmässige Befriedigung zu verlangen. Wenn
durch den Ausbruch des Konkurses es offenbar geworden ist,
dass die Auseinandersetzung mittelst Nachlassvertrages, die
zur Abwendung oder zur Aufhebung der Zwangsvollstreckung
versucht wurde, nicht zum Ziele geführt hat und nicht mehr
dazu führen kann, so muss von selbst den Gläubigern wieder-
um das Recht erstehen, gemäss ihren materiellen Rechten an
der bevorstehenden allgemeinen Zwangsliquidation teilzu-
nehmen, und es erscheint als völlig überflüssig, dass in diesen
Fällen auch noch das Verfahren nach Art. 315 durchgeführt
werde. Die Einwendungen, die der Schuldner im Falle des
Art. 315 vor der Nachlassbehörde erheben könnte, kann er
auch im Konkursverfahren vorbringen (vergi. Art. 244 B. G.);
und so weit mit Art. 315 ein Schutz der Gläubiger gegen
unlautere Abmachungen bezweckt sein sollte, entfallt das
Bedürfnis nachlassbehördlicher Prüfung der Frage, ob die
Bedingungen des Nachlassvertrages erfüllt seien, im Konkurse
deshalb, weil die Organe der Gläubigergemeinschaft diese
Prüfung vornehmen und den einzelnen Gläubigern erst noch
das Recht der Anfechtung von Ansprachen zusteht, die ihrer
Ansicht nach zu Unrecht anerkannt worden sind. Dass der
Nach la88 vertrag, wenn er dein Schuldner vermögensrechtliche
Leistungen auferlegt, nicht zur Folge haben kann, dass in
einem vor Erfüllung des Vertrags über ihn ausgebrochenen
Konkurs nur die unbezahlte Nachlassdividende liquidiert
werden könnte, ergiebt sich auch daraus, dass der Anspruch
127
auf letztere ein stringenter und absoluter ist, und eine
weitere Schmälerung oder Aenderung nicht duldet. Auoh
diese Betrachtung bestätigt, dass, wenn vor der Erfüllung des
Nachlassvertrages der Konkurs ausbricht, in demselben nicht
die nicht erfüllten Nachlassleistungen zu liquidieren sind, dass
vielmehr die nicht ausgewiesenen Nachlassgläubiger von vorn-
herein und ohne dass es eines Verfahrens nach Art. 315
B. Gr. bedarf, mit dem ursprünglichen Betrag ihrer Forde-
rungen als Konkursgläubiger zugelassen werden müssen.
(Entsch. vom 8. Februar 1900 i. S. Burkhalter à Cie c. Jörg.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
74. Versicherungsvertrag zu Gunsten Dritter. Art.l28 0.R.
St. Galleu. Urteil de« Kantonsgerichts vom 14. Dezember 1898.
Der Pferdehändler X. hat für seine drei Knechte bei einer
Unfallversicherungsgesellschaft eine Kollektivversicherung ge-
nommen, und die Prämien selbst bezahlt, ohne die versicherten
Knechte daran beitragen zu lassen. § 16 der Versicherungs-
bedingungen lautet:
Entschädigung im Todesfall. Soweit die Police nicht ab-
weichende Bestimmungen enthält, vergütet die Gesellschaft, wenn
der Tod sofort oder binnen Jahresfrist nacbgewiesenermassen
als direkte Folge des Unfalls eintritt, folgende Entschädigungen :
1. Die volle auf den Versicherten entfallende Versicherun gs-
summe, wenn er eine Witwe und ein oder mehrere Kinder unter
16 Jahren hinterlässt.
2. Die volle auf den Versicherten entfallende Versicherungs-
summe, wenn er ein oder mehrere mutterlose Kinder unter
16 Jahren hinterlässt.
3. Zwei Drittel der Versicherungssumme, wenn er eine kinder-
lose Witwe hinterlässt.
4. Die Hälfte der Versicherungssumme, falls der Verunglückte
unverheiratet oder kinderloser Witwer war, zu Gunsten seiner
Eltern u. s. w.
Der als Fahrknecht bei X. in Dienst stehende A. verun-
glückte auf einer dienstlichen Fahrt und starb noch gleichen
Tags. Die auf Grund obigen § 16 Ziffer 3 ermittelte Ent-
schädigung von Fr. 2143 wollte die Gesellschaft an die Witwe
ausbezahlen, aber die gesetzlichen Erben des Verunglückten
128
erhoben Anspruch auf den ihnen laut Erbgesetz zukommenden
Anteil. Das Kantonsgericht sprach die ganze Summe der
Witwe zu, aus folgenden Gründen:
Der Entscheid hängt davon ab, ob in dem Versicherungs-
verträge das Versprechen einer Leistung an einen Dritten zu
dessen Gunsten im Sinne des Art. 128 0. R. gefunden werden
kann oder nicht. Zu dieser Annahme ist erforderlich, dass
ein dritter Begünstigter in genügend deutlicher Weise ver-
traglich bezeichnet sei. Diese Voraussetzung trifft hier zu:
der aus dem Eollektivversicherungsvertrage begünstigte Dritte
ist unbestritten der versicherte Arbeiter selbst, sofern er durch
Unfall invalid geworden ist, und bei Tod des versicherten
Arbeiters sind es die in § 16 der Police ausdrücklich be-
nannten Personen.
Es ist einleuchtend, dass der Arbeitgeber die Absicht
hatte, mittelst der Versicherung seiner Arbeiter gegen Unfall,
im besondern auf den Todesfall, dem oder denjenigen Ange-
hörigen derselben, für deren Unterhalt der ökonomisch meist
schwache Versicherte zu sorgen verpflichtet war, den durch
dessen Unfalltod für sie entstandenen Verlust einigermassen
zu decken, sie gegen die Gefahr plötzlicher bedrückender
Armut oder des Notstandes zu schützen und auf diese Weise
ihnen behilflich zu sein, eine selbständige, wirtschaftliche
Existenz für die Zukunft zu schaffen. Je intensiver die Pflicht
des Verstorbenen für die Unterstützung derselben war, oder
je grösser die Zahl der von seinem Tode Betroffenen ist, um
so grösser ist auch der durch den Tod eingetretene vermögens-
rechtliche Ausfall, und um so höher ist demgemäss innert
dem Kahmen der Gesamtversicherungssumme, im § 16 der
Police die Entschädigungssumme bemessen worden.
Nur unter diesen Gesichtspunkten werden die im cit. § 16
iür den Unfalltod des versicherten Arbeiters vorgesehenen
Abstufungen im Umfange der Entschädigungspflicht des Ver-
sicherers verständlich, während unter der Annahme, dass
durch den Versicherungsvertrag die gesetzlichen Erben des
Verunglückten als solche, ohne Bücksicht, ob sie dem Ver-
sicherungsnehmer bekannt oder unbekannt, ob sie mit dem
Versicherten nahe oder entfernt verwandt, ob sie bedürftig
oder wohlhabend sind, begünstigt werden sollten, der Ab-
8 chi u ss des Vertrages seitens der Vertragsparteten überhaupt
nicht wahrscheinlich und die Abstufung der Entschädigungs-
pflicht im § 16 unverständlich sein würde.
So ist denn die in § 16* der Police aufgeführte kinderlose
Witwe des Verunglückten als dritte Person, zu deren Gunsten
129
der Versicherungsvertrag für den Todesfall ihres Mannes ab-
geschlossen ward, anzusehen, welcher in dieser Eigenschaft,
nicht aber als gesetzlicher Erbin ihres verunglückten Mannes,
der alleinige Anspruch auf die Versicherungssumme zukommt.
Das wird noch speziell unterstützt durch die Bestimmung in
§ 16 Ziff. 6 der Police, wonach, falls die in den Ziff. 1 bis 5
des § 16 näher bezeichneten „Kategorien von Familienange-
hörigen" gänzlich fehlen, die Gesellschaft wohl dem Ver-
sicherungsnehmer (Arbeitgeber) bis maximal 8% der Ver-
sicherungssumme für die Kosten der versuchten Heilung und
der Beerdigung, sonst aber niemand, also auch nicht den
Erben des Verunglückten, eine Entschädigung zu leisten hat.
(Entsch. des Kantonsgerichts des K. St. Gallen 1898, S. 77 ff.)
75. Kollektivgesellschaft. Rechtliche Natur. Art.559 O.R.
Zürich. Urteil des Obergerichts vom 9. Februar 1900 i. S. Notariat
Embrach c. Wunderlv, Zolünger & Cie.
Unter der Firma Wunderly, Zollinger & Cie bestand seit
1892 eine Kollektivgesellschaft, deren solidarische Anteilhaber
H. W., E.Z. und Witwe S.W. waren. Letztere schied 1895
durch Tod aus, und an ihre Stelle trat H. W. Sohn ein. Im
Jahr 1898 wurde diese Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt. Bei der Fertigung ihrer Liegenschaften auf
diese letztere verlangte der Notar, dass vorerst im Grundproto-
koll der Austritt der S. W. und der Eintritt des H. W. im
Sinne einer Eigentumsänderung an der Liegenschaft je zu 1/3
vorgemerkt werde, wofür Fr. 848 Staatsgebühr zu zahlen
seien. Hiegegen erhob die Firma W. Z. & Cie Beschwerde,
welche das Bezirksgericht Bülach gut hiess, weil nach Art. 559
0. B. die Firma als solche Eigentümerin der Grundstücke sei,
nicht nur Miteigentum der Gesellschafter unter dem Namen
der Firma, sondern wirkliches Gesellschaftseigentum vorliege,
also Eigentum der Gesellschaft als eines selbständigen Rechts-
subjekts. Das Obergericht hob auf Beschwerde des Notars
diesen Entscheid auf und schützte die Gebührenberechnung
des Notars. Es führt aus:
Es fehlt im 0. R. an bestimmten Anhaltspunkten für die
juristische Persönlichkeit der Kollektivgesellschaft. Art. 559
sagt nur, dass „das Vermögen der Kollektivgesellschaft, d. h.
der Kollektivgesellschafter, sich als vom Privatvermögen der
letzteren ausgeschiedenes Sondergut darstelle." Somit stehen
die zum Geschäftsvermögen der Gesellschaft gehörenden Liegen-
schaften in That und Wahrheit im Miteigentum der einzelnen
130
Gesellschafter. „Richtig ist, dass ein in der Person der Ge-
sellschafter bei Fortbestand der Gesellschaft eintretender
Wechsel ohne weiteres auch einen Wechsel hinsichtlich
der Eigentumsanteile zur Folge haben muss. Aus der Natur
der Kollektivgesellschaft ergiebt sich, dass der Gesellschafter
eine Eigenturasquote an den Gesellschaftsaktiven nur in seiner
Eigenschaft als Gesellschafter hat, und dass daher jeder aus-
tretende Socius von Rechtswegen seinen Anteil am Gesell-
schaftsvermögen verliert, und jeder neueintretende Gesell-
schafter durch die blosse Thatsache seines Beitrittes an den
Geschäftsaktiven anteilsberechtigt wird."
(Daraus wird weiter gefolgert: es wäre daher unrichtig,
bei Eintritt eines neuen Gesellschafters eine notarialische
Fertigung zu verlangen, und hiefür Fertigungsgebühr zu er-
heben. Aber die heute verlangte Gebühr habe nicht den
Charakter einer Fertigungsgebühr, sondern den einer Hand-
änderungssteuer, die abgesehen von der Erbfolge überall da
gefordert werden könne, wo ein Uebergang des Eigentums
an Grundstücken stattfinde.)
(Auszug aus Schweizer Blätter f. h.-r. Entsch., XIX S. 79 f.)
76. Poursuite contre une société dissoute ou contre un
associé seul responsable? Art. 40 L. P. et F. Art 573 C. 0.
Genève. Jugement de ia Cour de justice civile du 31 mars 1900 d.
1. e. Fournier e. Co velie.
Covelle, créancier de la raison sociale „Fournier & Bur-
kardt" a fait notifier à cette société, le 7 septembre 1899,
un commandement de payer, et, le 16 octobre suivant, une
commination de faillite. Entre ces deux actes de poursuite,
d'après les dires des parties, la société F. & B. a été dissoute
par un accord entre les associés, et Fournier, l'un d'eux,
serait demeuré chargé de l'actif et du passif. La raison so-
ciale F. & B. a été rayée du Registre du commerce, le
25 septembre 1899. Le 5 mars 1900, Covelle a requis la
faillite de Fournier, qu'il qualifie „seul associé responsable
de la société actuellement dissoute F. & B." Fournier a
résisté à la demande de faillite, en alléguant que la com-
mination du 16 octobre 1899 était nulle, comme ayant été
notifiée à une société qui, à cette date, n'existait plus, Co-
velle a maintenu sa demande de faillite pour deux motifs,
1° parce que, aux termes de l'art. 40 L. P. et F., la société
F. & B. était encore sujette à la poursuite par voie de faillite,
et 2° parce que Fournier serait le successeur et le liquidateur
131
de la société. Le Tribunal de lre instance, vu l'art. 40 L. P.
et F., a prononcé la faillite de Fournier. La Cour a réformé
ce jugement et prononcé que la demande de faillite dirigée
contre Fournier, en vertu de la commination du 16 octobre
1899, est non recevable, sans préjudice aux droits que le
créancier peut avoir à faire valoir contre Fournier.
Motifs: Considérant que la commination du 16 octobre
1 899 a été faite moins de six mois après la publication de la
radiation de la société F. & B. dans la Feuille fédérale du
commerce;
Que cette commination n'est donc pas nulle, en tant
qu'elle concerne la raison sociale F. & B., vu l'art. 40 L.
P. et F.
Qu'en vertu du commandement du 7 septembre et de la
commination du 16 octobre, la faillite de la raison sociale
F. & B. pouvait être demandée, pourvu qu'elle le fût dans le
délai de l'art. 40.
Qu'il n'en est pas de même de la faillite de Fournier seul.
Qu'il résulte des art. 159 ss. L. P. et F. que la com-
mination de faillite ne peut être adressée qu'à un débiteur qui
a reçu un commandement de payer, et que la faillite ne peut
être prononcée que contre la personne qui a reçu la com-
mination.
Que Fournier personnellement n'a reçu aucune commina-
tion, il n'y a donc pas identité de personne.
Qu'en vain on objectera que cela revient au même,
Fournier étant pris comme associé responsable et comme
liquidateur de l'ancienne société F. & B.
Si Fournier est pris comme liquidateur de l'ancienne
société, il ne fait que la représenter, et c'est la société seule
qui peut être mise en faillite, sans que cela entraîne la
faillite personnelle des associés (art. 573 C. 0.).
Si, au contraire, Fournier est pris comme associé respon-
sable, c'est une poursuite personnelle dirigée contre lui, et
si cette poursuite doit être continuée par voie de faillite,
une commination personnelle doit lui être notifiée.
C'est donc à tort que les premiers juges ont prononcé
la faillite personnelle de Fournier, en vertu d'une commina-
tion notifiée à l'ancienne société F. & B., sans que cela pré-
juge rien quant aux droits que Covelle peut avoir contre
Fournier. (La Semaine judiciaire, XXII p. 314 sa.)
132
77. Schadenersatz für Arrestlegung^ wiefern bei teil-
weise begründeter Forderung zu gewähren? Art. 273 B.-Oes.
über Seh. und K.
Aargau. Urteil des Obergerichts vom 22. Mai 1900 i. S. Predovic c. Maigrot.
Der Beklagte Maigrot hatte für Forderungs- und Schaden-
ersatzansprüche ein Barguthaben des Klägers Predovic bei
der Aargauischen Bank im Betrag von 22,000 Fr. mit Arrest
belegt. Es wurden ihm dann mit Zinsen und Folgen ca. 12,000 Fr.
zugesprochen, wofür er sich aus dem Arrestobjekte deckte.
Den Rest behändigte Predovic und belangte nun den Maigrot
für diesen Rest auf den durch den Arrest daran erlittenen
Schaden (Zinsverlust), indem er geltend machte, für diesen
Rest sei der Arrest ein unbegründeter gewesen.
Beide Instanzen wiesen die Klage ab. Wenn auch Art. 273
B.-Ges. eine Schadenersatzpflicht ex lege aus ungerechtfertigtem
Arreste statuiere, so würde es doch zu weit führen, auch
dann schon die Ersatzpflicht eintreten zu lassen, wenn ein
grundsätzlich begründeter Arrest sich nachträglich zum Teil
als unnötig herausstellt. Bei Schadenersatzansprüchen, wo
das freie Ermessen des Richters walte, sei es dem Gläubiger
jeweilen unmöglich, seine Ansprüche genau zu fixieren. Er
stünde daher jedesmal vor der Zwangslage, entweder einen
mutmasslich zu geringen Arrest zu nehmen und damit noch
seine Prozesslage zu gefährden, oder eine Schadenersatzklage
aus ungerechtfertigtem Arreste zu riskieren. Es sei nioht an-
zunehmen, dass eine solche Härte im Sinne des Gesetzgebers
gelegen habe, zumal wenn berücksichtigt werde, dass der
Arrest da sei, um einen gefährdeten Gläubiger zu schützen,
der sich nicht mehr anders sichern kann.
Die Konsequenz eines gegenteiligen Entscheides würde
dazu führen, auch dann einen ungerechtfertigten Arrest anzu-
nehmen, wenn das Arrestgut zur Befriedigung des Gläubigers
nicht ganz aufgezehrt wird. Eine so weit gehende Interpre-
tation des Gesetzes wäre aber praktisch ganz unhaltbar und
hätte fast nach jedem Arreste eine Schadenersatzklage zur
Folge. Der Arrestnehmer würde daduroh noch verantwortlich
für die Unmöglichkeit, worin sich der vollziehende Beamte
befindet, die Arrestgegenstände genau zu dem Werte zu
taxieren, den sie bei der Verwertung erzielen, oder für die
weitere Unmöglichkeit, ein einzelnes Objekt, z. B. eine Ma-
schine, ein Pferd, bloss zur Hälfte oder zu einem Dritteil
pfänden zu können, je nach dem Verhältnisse, in dem die
Arrestforderung zu dem Verwertungserlöse der Maschine oder
des Pferdes steht.
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
78. 0. R. Art. 17.
Wenn jemand, der gegen Entgelt vorn Verkäufer eines
Fabriketablissements als Sachverständiger und Vertrauens-
mann beim Verkaufe beigezogen worden ist, sich von einem
Kaufliebhaber, ohne dem Verkäufer davon Mitteilung zu
machen, eine Provision für den Fall versprechen lässt, dass
durch seine Vermittlung der Kauf zu stände kommen sollte,
so liegt hierin ein auf täuschenden Missbrauch des Vertrauens
abzweckender und daher unsittlicher Vertrag, und zwar ohne
Rücksicht darauf, ob der vom Kaufliebhaber gebotene Preis
ein unangemessener ist oder nicht. (Entsch. vom 30. Juni
1900 i. S. Meyer c. Matter.)
79. 0. R. Art. 18, 19, Abs. 4; 21, 489 ff. Wesentlicher Irr-
tum. Bürgschalt.
Die Thatsache allein, dass eine Bürgschaft gemeinsam
mit andern Bürgen eingegangen worden ist, reicht nicht hin,
um die Annahme zu begründen, die Bürgschaft sei an die
Bedingung geknüpft, dass sämtliche übrige Bürgschaftsver-
pflichtungen gültig seien. — Der Irrtum des Bürgen, welcher
eine Bürgschaft in der irrigen Annahme eingeht, es haften
neben ihm noch andere Bürgen, ist kein wesentlicher, sondern
ein blosser Irrtum im Beweggrund, denn er bezieht sich nicht
auf den Umfang der eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung,
sondern nur auf die ökonomischen Folgen derselben. (Entsch.
vom 4. Mai 1900 i. S. Joh. Georg u. Kons, c. Volksbank in
Luzern.)
80. 0. fi. Art. 28. Natur der Frist des Art. 28. Beweislast.
Art. 28 0. R. statuiert nicht eine Verjährungsfrist, da mit
Ablauf der Frist nicht etwa ein Recht (oder ein Anspruch)
untergeht, sondern er setzt eine Frist für die Gültigkeit bezw.
für die Anfechtbarkeit eines mit einem Willensmangel behaf-
teten Vertrages, in dem Sinne, dass der vorher anfechtbare
11
134
und für den einen Teil (auf dessen Seite sich der Willens-
mangel befindet) unverbindliche Vertrag nunmehr verbindlich
wird ; es tritt mit andern Worten nach Ablauf der Frist Ge-
nehmigung des Vertrages ein. Der Kläger macht daher in
That und Wahrheit mit der sogenannten Einrede der Ver-
jährung die Replik der Genehmigung geltend, und die Be-
gründetheit dieser Replik hat er zu beweisen; derjenige Teil,
der den Vertrag wegen Irrtums, Betrugs oder Zwangs anficht,
hat seiner Beweispflicht genügt, wenn er den betreffenden
Willensmangel bewiesen hat (s. Urteil des Bundesgerichts
i. S. Keller et hoirs Huguenin c. Dumont, Amtl. Samml.
Bd XXII S. 824 Erw. 8). (Entsch. vom 22. Juni 1900 i. S.
Dieterle-Bischoff c. Gordon.)
81 . 0. R. Art. 36 ff. Beweislast dafür, dass der Beklagte in
eigenem Namm kontrahiert hat.
Nach allgemeinem Rechtsgrundsatze hat der Gläubiger,
der behauptet, der Beklagte habe den Vertrag in eigenem
Namen abgeschlossen, die Behauptung zu beweisen. Es könnte
sich zwar fragen, ob nicht eine Vermutung dafür spreche,
dass jemand in eigenem und nicht in fremdem Namen kontra-
hiere, und ob daher die Beweislast für das Kontrahieren in
fremdem Namen dem Schuldner, und nicht diejenige für das
Kontrahieren in eigenem Namen dem Gläubiger obläge (so
Laband in Zeitschr. für Handelsrecht, Bd 10 S. 214 Anm.).
Allein eine derartige Vermutung besteht nicht, und das Kon-
trahieren in fremdem Namen kann nicht als Ausnahmefall
gegenüber dem Kontrahieren in eigenem Namen als Regel-
fall angesehen werden, es erscheint vielmehr neben diesem als
gleichwertiges Rechtsverhältnis (vergi. R. G. E. II S 194 ff.,
Ili S. 122 f.); jener Vordersatz, auf den eine Vermutung für
die Verteilung der Beweislast in dem dem Schuldner un-
günstigen Sinne gestützt werden will, existiert also nicht.
Seiner Beweispflicht genügt der Gläubiger indessen, wenn er
darthut, dass das Rechtsgeschäft zwischen ihm und dem Be-
klagten geschlossen worden, ohne dass eine Stellvertretung
erkennbar gewesen sei; und es hat alsdann der Belangte auf
dem Wege des Gegenbeweises zu erstellen, dass trotzdem ein
Kontrahieren in fremdem Namen in für den Gläubiger erkenn*
barer Weise stattgefunden habe. (Entsch. vom 8. Juni 1900
i. S. à Porta c. Weigle.)
135
82. 0. R. 50 (f., 58, 59. Dem Versicherer steht wegen Be-
schädigung der versicherten Sache kein eigener Schadenersatz-
anspruch zu. — Verschulden als Voraussetzung der Schaden-
ersatzpflicht aus unerlaubter Handlung. — Begriff der doürecht-
Uchen Deliktsfähigkeit. — Natur und Bedeutung der Norm des
Art 58 0. R.
Am 23. August 1899 wurde ein Haus im Dorfe S. durch
einen seiner Mietbewohner, den Buchbinder J. J., in Brand ge-
steckt. J. J., der sich im Momente des Brandausbruches ge-
flüchtet hatte, wurde einige Tage später vom Personal der
Brünigbahn als Leiche aufgefunden. Gegen seinen Nachlass
(der von den Intestaterben vorsorglich ausgeschlagen worden
war) erhob die Feuerversicherungsgesellschaft La France,
welche dem bei ihr versicherten Hauseigentümer seinen
Schaden ersetzt hatte, Klage auf Ersatz des von ihr be-
zahlten Betrages von Fr. 8154. 40. Die beklagte Konkurs-
masse bestritt die Forderung, weil J. J. zur Zeit der Brand-
stiftung zufolge Geisteskrankheit unzurechnungsfähig gewesen
sei. Das Bundesgericht hat die Klage abgewiesen. In den
Entscheid ungsgründen wird zunächst hinsichtlich der Aktiv-
legitimation der Klägerin bemerkt:
Nach eidgenössischem Obligationenrecht steht, wie das
Bundesgericht bereits in seiner Entscheidung vom 13. No-
vember 1897 in Sachen der Brandversicherungsanstalt des
Kantons Zürich gegen die Nordostbahngesellschaft (Arntl.
Samml. der bunde3ger. Entsch. Bd XXIII S. 1775) ausge-
sprochen hat, dem Versicherer gegen den dritten Urheber
des Schadens ein selbständiger Ersatzanspruch nicht zu. Die
Klägerin kann daher eine Forderung auf Ersatz des durch J.
gestifteten Schadens nur als Rechtsnachfolgerin des Eigen-
tümers des abgebrannten Hauses geltend machen, und hiezu
muss sie in der That gestützt auf die in der Police ent-
haltene Subrogationsklausel als legitimiert betrachtet werden.
Im weiteren sodann wird ausgeführt: Die objektive
Thatsache, dass J. den Schaden verursacht hat, genügt nach
eidgenössischem Obligationenrecht, welches grundsätzlich an
dem gemeinrechtlichen Schuldprinzip festhält, für sich allein
zur Begründung einer Schadenshaftung nicht; die Verpflich-
tung zum Schadenersatz setzt nicht nur ein objektiv, sondern
auch subjektiv rechtswidriges Verhalten des Schadenstifters,
ein Verschulden desselben voraus; ist ihm ein solches nicht
zur Last zu legen, so haftet er nach eidgenössischem Obh-
gationenrecht grundsätzlich von Rechtswegen nicht; einzig
aus Rücksichten der Billigkeit kann der Richter ausnah ms-
136
weise eine nioht zurechnungsfähige Person, welche einen
Schaden verursacht hat, zu teilweisem oder vollständigem
Ersätze verurteilen (Art. 58 0. R.). Es fragt sich sonaoh in
erster Linie, ob J. den Brand des iVschen Hauses in scbuld-
hafter Weise verursacht habe, mit andern Worten, ob er
damals im oivilrechtlichen Sinne deliktsfähig gewesen sei.
Ueber die Voraussetzungen dieser oivilrechtlichen Delikts-
fähigkeit spricht sich das Gesetz nicht speziell aus; es ist
lediglich aus Art. 58 0. R* arguì n en to e contrario zu ent-
nehmen, da 83 es diesen Begriff als gleichbedeutend mit dem
der Zurechnungstähigkeit betrachtet, über welch' letzteren
Begriff hinwiederum das Bundesgesetz nur das Eine aus-
spricht, das8 dafür die strafrechtlichen Bestimmungen über
Zurechnungsfähigkeit nicht massgebend seien (Art. 59). Als
deliktsfähig im Sinne des eidgenössischen Obligationenrechts
ist s omit zu betrachten, wer nach den Grundsätzen der Pri-
vatrechtswissenschaft als zurechnungsfähig gilt. Nach diesen
Grundsätzen ist die Zurechnungsfähigkeit bei demjenigen
nicht vorhanden, der im Zustand der Geisteskrankheit ge-
handelt hat; und dies trifft nach dem für das Bundesgericht
verbindlich festgestellten Thatbestande bei J. J. zu. Die Ver-
ursachung des in Rede stehenden Schadens ist demnach dein
J. nicht zur Schuld anzurechnen, so dass von einer Gut-
heissung der Klageforderung nur vom Standpunkte des Art. 58
aus die Rede sein kann.
Art. 58 0. R. beruht, wie die analogen Bestimmungen,
die sich bereits im allgemeinen Preussischen Landrecht (I, 6
§§ 41 — 54), im Oesterreichischen Bürgerl. Gesetzbuch (§ 1810)
und sodann im privatrechtlichen Gesetzbuch des Kantons
Zürich (§ 1835 Abs. 2) vorfinden, auf der Erwägung, dass es
Fälle geben kann, wo in Anbetracht der Umstände schon
die rein objektive Thatsache der Schädigung für sich
allein als ein so wichtiges Motiv für eine Schadensausgleichung
zwischen Beschädigtem und Schädiger erscheint, dass da-
gegen die Frage nach dem subjektiven Moment des Ver-
schuldens in den Hintergrund tritt« Dies trifft dann zu, wenn
die nachteiligen Folgen des beiderseits unverschuldeten Er-
eignisses, in Anbetracht der Vermögensrerhältnisse des Be-
schädigten und derjenigen des Schädigers, jenen empfindlich
treffen würden, während umgekehrt dieser sie verhältnis-
mässig leichter tragen könnte. Die Erwägungen der Billigkeit,
auf die Art. 58 die Entscheidung über die Schadenersatz-
pflicht des Unzurechnungsfähigen abstellt, bestehen hienach
wesentlich in der Rücksichtnahme auf die beidseitige Ver-
137
mögenslage, die „ökonomische Tragfähigkeit" des Beschä-
digten und des Schädigers (vergi. Unger, Handeln auf eigene
Gefahr, S. 136 f.). Hie von ausgegangen, kann aber der Klä-
gerin ein Schadenersatzanspruch aus Art. 58 nicht zuerkannt
werden. Da die Klägerin, wie bereits oben ausgeführt wurde,
eine selbständige Schadenersatzforderung gegen den Thäter
nicht besitzt, sondern nur eine Schadenersatzforderung des
brand beschädigten Eigentümers, als Rechtsnachfolger des-
selben, geltend machen kann, so versteht es sich von selbst,
dass sie aus Artikel 58 nur klagen kann, wenn und soweit
ihrem Rechtsvorfahr ein Anspruch aus dieser Gesetzes-
bestimmung erwachsen ist; wenn also mit Rücksicht auf die
ökonomische Situation des brand beschädigten Eigentümers
Billigkeitsgründe bestanden hätten, diesen den Schaden nicht,
oder nicht vollständig allein tragen zu lassen. Allein der-
artige Billigkeitsgründe bestanden schon um deswillen nicht,
weil der Eigentümer gegen den in Rede stehenden Schaden
versichert war, und durch die Versicherung denn auch that-
8ächlich vollständig schadlos gehalten worden ist, wonach es
zum Schutze seiner Interessen einer Schadensausgleichung
gar nicht mehr bedurfte. Durch die Versicherung ist mit-
hin die Voraussetzung, an welche ein Anspruch des Be-
schädigten aus Art. 58 geknüpft ist, beseitigt worden, so dass
dieser nicht zur Entstehung gelangte. Es ergiebt sich hier-
aus, dass der Versicherer durch Subrogation in die Rechte
des Versicherten gegenüber dem Schädiger einen Anspruch
aus Art. 58 vermöge der eigenartigen Natur des Verpflich-
tungsgrundes, auf dem dieser Anspruch beruht, schlechter-
dings gar nicht erwerben kann. (Entseh. vom 1. Juni 1900
i. S. Feuerversicherungsgesellschafc La France c. Konkursmasse
des J. Imfeid.)
Anmerkung. Durch den gleichen Brand waren auch Mo-
biliar und Warenvorräte eines Mieters des Hauses, die dieser noch
nicht hatte versichern können, zerstört wordeu. Die gegen den
Nachlass des J. J. erhobene Schadenersatzklage dieses Mieters
wurde vom Bundesgerichte grundsätzlich gutgeheissen. In den
Entscheidnngsgründen wird ausgeführt: „Laut den Feststellungen
der Vorinstanz ist der Kläger ein strebsamer, solider Geschäfts-
mann, für den bei seinen bescheidenen Vermögens Verhältnissen der
ohne alles Verschulden seinerseits erlittene Schaden ausserordent-
lich empfindlich sein muss, und es entspricht durchaus der Billig-
keit, dass ihm das Recht eingeräumt wird, diesen Schaden bei der
konkursamtlichen Liquidation über den Nachlass des Schädigers
geltend zu machen. Ob die Erben, die den Nachlass vorsorglich
138
ausgeschlagen haben, berechtigt seien, ihn nachträglich je nach dem
Ergebnisse der Liquidation doch noch anzutreten, kann hiebei nicht
entscheidend in Betracht kommen, denn es ist in keiner Weise dar-
gethan, dass sie in Anbetracht ihrer Vermögensverhältnisse dnrch
die Verpflichtung, den Schaden des Klägers aus dem • Nachlasse
gut zu machen, unbillig belastet würden. u (Entsch. vom 1. Juni
1900 i. S. Seiler c. Konkursmasse des J. Imfeid.)
83. 0. R. Art. 38, 110 ff., 846 und 847, 229 ff., 329 ff.
Oeff entliche Anleihe; rechtliche Natur. Haftung bei Ausgabe ge-
fälschter Inhaberpapiere. Wenn auf den Namen einer Gemeinde
durch den Gemeindegutsverwalter gefälschte Anleihepapiere aus-
gegeben werden, so haftet die Gemeinde zwar nicht aus den ge-
fälschten Papieren, wohl aber aus dem der Ausgabe derselben zu
Grunde liegenden Rechtsgeschäfte, wenn der Gemeindegutsverwalter
nach dem kantonalen öffentlichen Rechte bevollmächtigt war, das
Rechtsgeschäft im Namen der Gemeinde abzuschliessen.
Die Gemeinde Kloten gab auf den Inhaber lautende Ob-
ligationen aus. Infolge einer von der Gemeindeverwaltung
hierüber veröffentlichten Ankündigung setzte sich der Kläger
E. H. mit dem damaligen Gemeindepräsidenten und Gemeinde-
gutsverwalter E. in Verbindung, der ihm am 11. November
1892 und 2. Februar 1894 im Namen der Gemeinde zwei
Obligationen von je 5000 Fr. gegen Bezahlung des Gegen-
wertes aushändigte. Die Obligationen sollten nach Massgabe
der Formulare, auf denen sie ausgestellt sind, die Unter-
schriften dreier Gemeindebeamten tragen. In der Folge stellte
sich nun aber heraus, dass von den drei Unterschriften, die
sich auf den fraglichen Obligationen befanden, nur die eine
des Geineindegut8verwalters E. echt war, während E.', der die
betreffenden Beträge unterschlug, die beiden andern gefälscht
hatte. Die Gemeinde verweigerte infolgedessen die Bezah-
lung der Obligationsbeträge, sie wurde indes dazu vom Bun-
desgericht (in Bestätigung der Entscheidung der Appellations-
kammer des Obergerichts des Kantons Zürich) verurteilt. In
den Entscheidungsgründen wird zunächst ausgeführt: Die
beiden Obligationen als Skripturakte seien allerdings ungültig.
Denn nach dem Inhalte der Obligationsformulare könne
in der That einem Zweifel nicht unterliegen, dass zur Per-
fektion der Urkunde die Unterschrift (und natürlich die echte
Unterschrift) des Gemeindepräsidenten und Schreibers, ebenso
wie die des Gemeindegutsverwalters gehöre; nach dem For-
mular haben namens der Gemeinde alle drei genannten Be-
139
amten zu zeichnen; erst wenn dies geschehen sei, sei die Ur-
kunde namens der Gemeinde in der dafür in der Urkunde
selbst vorgeschriebenen Weise vollzogen und dadurch perfekt
geworden.
Demnach sei denn anzuerkennen, dass dem Kläger in
seiner Eigenschaft als Inhaber der Obligationen, aus dem
Papier, wegen Unechtheit des letztern ein Anspruch an die
Beklagte nicht zustehe. Damit sei indes nicht gesagt, dass
dem Kläger ein Anspruch gegenüber der Gemeinde überhaupt
nicht zustehe; vielmehr müsse sich fragen, ob nicht eine For-
derung desselben, wenn auch nicht aus dem Papiere, so doch
aus dem der Ausstellung und Begebung desselben zu Grunde
liegenden Geschäfte bestehe. Hierüber wird sodann im wesent-
lichen bemerkt:
Entscheidend für das Schicksal des Prozesses ist offen-
bar: ob durch die zwischen dem Gemeindegutsverwalter E.
und dem Kläger abgeschlossenen Verträge die Gemeinde ver-
pflichtet wurde, dem Kläger (gegen Einzahlung der betreffen-
den Beträge) echte Obligationspapiere auszustellen und zu
liefern. Ist diese Frage zu verneinen, so ist die Klage selbst-
verständlich abzuweisen, ist sie dagegen zu bejahen, so ist
dieselbe gutzuheissen, ohne Bücksicht darauf, wie man die
fraglichen Vertrage juristisch qualifiziert, ob man sie (mit der
IL Instanz) als Kauf- öder aber als Darlehensverträge (mit
dem Kläger) betrachtet. Betrachtet man sie als Kaufvertrag,
so würde es sich wohl um einen Genus- und nicht um einen
Specieskauf handeln. Denn es wurde jedenfalls nicht über
ein bestimmtes Stück der fraglichen Obligationen gehandelt,
sondern überhaupt Lieferung von Obligationen der Gemeinde
Kloten mit dem vereinbarten Inhalte stipuliert. Wenn nun
zum Zwecke der Erfüllung eines derartigen Vertrages anstatt
eines echten ein unechtes Papier geliefert wird, so ist da-
durch nicht etwa eine, wenn auch mangelhafte Sache der be-
dungenen Art, sondern eine Sache ganz anderer Art (anstatt
eines ein Summen versprechen verkörpernden Wertpapiers ein
wertloses Stück Papier) geliefert. Der Vertrag ist daher
nicht etwa mangelhaft, sondern er ist überhaupt gar nicht
erfüllt; es steht alsdann dem Käufer prinzipiell das Recht
zu, Erfüllung (durch Lieferung echter Papiere) und Schaden-
ersatz wegen nicht gehöriger Erfüllung mit der Vertragsklage
(gemäss Art. 110 0. R.) zu verlangen. Dies muss aber in
concreto zur Gutheissung der Klage führen, da bei richtiger
Vertragserfüllung durch Lieferung echter Papiere die Obliga-
tionen nunmehr fällig und (samt Zinsen) rückzahlbar wären.
140
Werden die vom Kläger mit dem Gemeindegutsverwalter ab-
geschlossenen Verträge dagegen nicht als Kauf-, sondern als
Darlehensverträge betrachtet, so wäre die Sachlage die, das«
zwischen dem Kläger und dem Gemeindeguts Verwalter Dar-
lehensverträge vereinbart wurden mit der Massgabe, dass der
Gemeindegutsverwalter versprach, über die Darlehen (gegen
Einzahlung der Darlehensvaluta) dem Kläger nicht nur ge-
wöhnliche Darlehensschuldscheine, sondern Inhaberobligationen
auf den Namen der Gemeinde auszustellen und einzuhändigen.
Auch wenn hievon ausgegangen wird, ist offenbar, sofern die
betreffenden Zusicherungen des Gemeindegutaverwalters für
die Gemeinde verbindlich sind, der Klageanspruch begründet.
Die Gemeinde haftet alsdann aus den der Ausstellung der
Inhaberobligationen zu Grunde liegenden Darlehensgeschäften
ihrem Gegenkontrahenten auf Rückzahlung des Darlehens zu
den vereinbarten Bedingungen, ohne Rücksicht darauf, ob das
mit Bücksicht auf die Darlehensschuld ausgestellte Inhaber-
papier als solches gültig oder ungültig ist, und sie also aus
demselben jedem Inhaber haftet. Da darnach die Frage, ob
die zwischen dem Gemeindegutsverwalter und dem Kläger
abgeschlossenen Geschäfte juristisch als Kauf oder als Dar-
lehen zu betrachten seien, praktisch unerheblich ist, so braucht
dieselbe nicht untersucht und entschieden zu werden.
Entscheidend dagegen ist, wie bemerkt, ob die Gemeinde
durch - die vom Gemeindegutsverwalter mit dem Kläger ge-
troffenen Vereinbarungen gültig verpflichtet wurde, dem Kläger
echte Obligationen auszustellen und zu liefern. In dieser Hin-
sicht kann nun zunächst daran ein Zweifel nicht bestehen,
dass der Gemeindegutsverwalter im Namen der Gemeinde
dem Kläger die Ausstellung und Lieferung echter Obliga-
tionen zugesagt hat. Die Beklagte anerkennt, und es ist dies
überdies von der Vorinstanz festgestellt, dass E. im Namen
der Gemeinde gehandelt hat und dass der Kläger mit der
Gemeinde hat kontrahieren wollen. Dagegen behauptet die
Beklagte, der Wille des E. sei nicht dahin gegangen, die
Gemeinde zu verpflichten, er habe für diese eine Pflicht zu
Lieferung echter Obligationen nicht begründen wollen. Allein
diese Einwendung geht durchaus fehl. Nach dem von E. er-
klärten Willen hat dieser als Vertreter der Gemeinde in deren
Namen die Ausstellung und Lieferung der Obligationen (selbst-
verständlich also echter Obligationen) zugesichert, und eine
solche Verpflichtung. der Gemeinde begründen wollen. Dieser
erklärte Wille aber ist rechtlich entscheidend; auf einen
demselben etwa widersprechenden innern Willen des Ver-
141
walters könnte, da es sieh dabei lediglich um eine Mental-
reservation handeln würde, nach bekanntem Grundsätze nichts
ankommen ; übrigens ist ein innerer, von dem erklärten ab-
weichender Wille des Verwalters auch nicht festgestellt. Dem-
gemäss sind denn die im Namen der Gemeinde vom Ver-
walter abgeschlossenen Geschäfte für die Gemeinde verbind-
lich und ist also die Klage begründet, wenn der Verwalter
zur Vertretung der Gemeinde befugt war, wenn ihm die Voll-
macht, die betreffenden Verträge für die Gemeinde abzu-
schlies8en, zustand. Diese Frage nun aber ist eine solche
nicht des eidgenössischen, sondern des kantonalen Rechts.
Denn die Befugnis des E., die Gemeinde zu vertreten, wird
nicht etwa aus besonderem, ihm unabhängig von seiner amt-
lichen Stellung als Gemeindegutsverwalter erteilten privat-
rechtlichen Auftrage, sondern sie wird aus seiner amtlichen
Stellung als Gemeindegutsverwalter, aus dem ihm in dieser
amtlichen Stellung zugewiesenen Geschäftskreis abgeleitet.
Seine Ermächtigung, namens der Gemeinde Verträge abzu-
schliessen, beruht also auf Verhältnissen des öffentlichen und
zwar, da das Gemeindewesen kantonalrechtlicher Regelung
untersteht, des kantonalen öffentlichen Rechts, und ist dem-
gemäss nach Art. 38 0. R. nach kantonalem Rechte zu be-
urteilen. Es hat denn auch die Vorinstanz in dieser Rich-
tung durchaus kantonales und nicht eidgenössisches Recht
angewendet, indem sie ausdrücklich hervorhebt, dass der
oivilrechtliohe Begriff der Vollmacht auf das Verhältnis des
Gemeindegutsverwalters E. zur beklagten Gemeinde nicht an-
wendbar, hiefür vielmehr öffentliches Recht, speziell die Art. 94
und 119 des zürcherischen Gemeindegesetzes massgebend seien.
Die Vorinstanz stellt nun in Anwendung des
kantonalen Rechts endgültig fest, dass der Abschluss von
Verträgen der streitigen Art in die Amtsbefugnis des Ge-
meindegutsverwalters falle und dass dieser durch die inner-
halb der Schranken seiner Kompetenz vorgenommenen Ver-
tragsschlüsse die Gemeinde dem Gegenkontrahenten gegen-
über auch dann verpflichte, wenn er seine Amtsbefugnis
in sträflicher Weise missbrauche. Bei dieser Erklärung als
einer kantonalreohtlichen muss es einfach sein Bewenden
haben und demnach, gemäss dem oben Ausgeführten, die an-
gefochtene Entscheidung bestätigt werden. (Entsch. v. 9. Juni
1900 i. S. Gemeinde Kloten c. Hässig.)
142
84. 0. R. Art. 183 //., 210 f. Die Einwendung, eine For-
derung eidgenössischen Rechtes sei durch Abtretung an Zahlung $-
staü eines Hypothekar instrumentes gefügt worden, beurteilt sieh nach
eidgenössischem Rechte. — Fiduziarische Cession zu Sicherheüs-
zwecken und Verpfandung.
Der auf Bezahlung des Werklohnes für Bauarbeiten be-
langte Beklagte Z. wendete ein, die Forderung sei durch Ab-
tretung eines Schuldbriefes auf einen 0. K., welchen drr
Kläger an Zahlungsstatt angenommen habe, getilgt. Aus der
Entscheidung des Bundesgerichts, in welcher dasselbe sich für
zuständig erklärte und die Einwendung des Beklagten als un-
begründet verwarf, ist hervorzuheben:
1. Das eidgenössische Obligationenrecht normiert auch die
Erlöschungsgründe der bundesrechtlich geordneten Obligationen,
und eine Ausnahme hievon gilt nur insoweit, als entweder das
Bundesgesetz das kantonale Recht ausdrücklich vorbehält, oder
die Geltung des kantonalen Rechts dadurch vorbehalten ist,
dass die Bundesgesetzgebung unterlassen hat, bestimmte Ma-
terien zu regeln (vergi, bundesger. Entsch. A. S. Bd XIII
S. 202 E. 4, XIV 8. 629 E. 4). In casu handelt es sich nun
um den Untergang der Obligation des Beklagten durch Er-
füllung, indem der Beklagte behauptet, der Kläger habe die
Abtretung des Schuldbriefes auf 0. K. an Stelle der Zahlung
angenommen, und damit anerkannt, dass der Beklagte durch
diese Leistung seine vertragliche Verpflichtung erfüllt habe.
Es wird somit ein Erlöschungsgrund geltend gemacht, der seiner
rechtlichen Natur nach dein Obligationenrecht angehört und
dessen Regelung dem kantonalen Recht auch nicht etwa kraft
bunde8gesetzl icher Anordnung ausdrücklich vorbehalten ist.
2. Nach allgemeinem, auch für das eidgenössische Obli-
gationenrecht geltenden Grundsatze trifft die Beweislast für
den Untergang der an sich anerkannten Obligation denjenigen
Teil, der sich auf diesen Untergang beruft, also den Beklagten.
Der Beklagte hat somit nachzuweisen, dass die Willens-
meinung der Parteien bei der Verschreibung des fraglichen
Schuldbriefes an den Kläger dahin gegangen sei, dass damit
der Kläger abgefunden, die Verbindlichkeit des Beklagten
zur Zahlung des Werklohnes getilgt sein solle. Dieser Beweis
ist aber keineswegs schun dann als erbracht zu betrachten,
wenn die genannte Verschreibung sich überhaupt rechtlich
als eine Abtretung, Cession, und nicht als Faustpfandbestellung
qualifiziert. Denn die Cession einer Forderung, wie die Tra-
dition einer körperlichen Sache, ist ein abstraktes Rechts-
geschäft, welchem Verträge mit verschiedenartiger Rechts-
143
Wirkung zu Grunde liegen können, eine Form, welche zur
Erreichung verschiedenartiger Zwecke des rechtlichen Ver-
kehrs zur Anwendung gebracht werden kann. Sie kann ge-
wählt werden nicht nur zum Zwecke des Kreditgebens, oder
der Erfüllung von Verbindlichkeiten (Cession zahlunghalber
oder an Zahlungsstatt), sondern auch zum Zwecke blosser
Sicherheitsleistung für die Erfüllung einer Verbindlichkeit.
Deshalb beweist die Thatsaohe, dass der Schuldner seinem
Gläubiger mit Rücksicht auf das zwischen ihnen bestehende
Schuldverhältnis eine Forderung cediert hat, für sich allein
noch nichts dafür, ob dieses Schuldverhältnis seinem Bestand
oder Inhalt nach eine Aenderung erlitten habe; die Frage
kann vielmehr nur entschieden werden durch die Feststellung
des Zweckes, um dessen willen die Cession vorgenommen
wurde. Um seine Schutzbehauptung, die klägerische Forde-
rung sei durch die Verschreibung des fraglichen Schuldbriefes
getilgt worden, zu begründen, hätte daher der Beklagte dar-
zuthun gehabt, nicht bloss, dass es sich dabei um eine Cession
und nicht um eine Pfandbestellung gehandelt habe, sondern
überdies, dass die Cession an Zahlungsstatt, und nicht etwa
bloss zur Sicherheitsleistung (fiduciae causa) gegeben und
entgegengenommen worden sei. Dieser Beweis ist nun aber
nicht erbracht. (Im weitern wird ausgeführt, dass es sich
vielmehr deutlich ergebe, dass es sich nach der Meinung beider
Parteien nur um eine Sekuritätscession habe handeln können.)
(Entsch. vom 7. Juli 1900 i. S. Zini-Wepfer c. Bosshard.)
85. 0. R Art. 177, 489. Bürgschaft oder Verfügung von
Todes wegen Ì Ist die Bedingung, dass die Bürgschaft erst nach
dem Tode des Bürgen und ausschliesslich auf Rechnung des Erb-
anteils Eines Erben zu bezahlen sei, gültig t Anwendbarkeit des
kantonalen Rechtes.
Am 17. Juni 1890 stellte E. H. in La Chaux-de-Fonds
folgenden Schein aus und übergab denselben seinem Schwieger-
sohne P. S.
„En avance d'hoirie et snr la part qui doit revenir à ma
fille Cécile, épouse de M. P. S., mais payable seulement après mon
décès et celui de mon épouse Sophie H. née G., sans que je sois
obligé d'en payer les intérêts, j'accorde à mon gendre P. S. et à
ma fille Cécile la garantie d'une somme de quatre mille francs.
Mes immeubles à FL, n'étant grevés d'aucune hypothèque, attestent
la valeur de ma signature. Fait à La Chanx-de-Fonds et le
17 juin 1890.
144
„Cette garantie est donnée en favenr de mon gendre pour
tel créancier qu'il trouvera convenable, et qui lui fournira la dite
somme de quatre mille francs. Chaux-de-Fonds, le 17 juin 1890.
P S. übergab diesen Schein dem Bankier P. F. C, der
ihm daraufhin einen Fr. 40ü0 übersteigenden Kredit eröffnete.
Nach dem Tode des E. H. wurde im amtlichen Güterver-
zeichnisse über dessen Nachlass die von der Rechtsnach-
folgerin des Bankiers P. F. C. angemeldete Forderung aus dem
Scheine vom 17. Juni 1890 von einem Miterben bestritten.
Die Rechtsnachfolgerin des P. F. C. klagte daher auf Fest-
stellung des Bestandes der Forderung. Das Kantonsgericht
von Neuenburg hat die Klage abgewiesen, im wesentlichen
mit der Begründung, der Schein vom 17. Juni 1890 enthalte
keine Bürgschalt, da sich aus demselben ergebe, dass E. H.
s ich persönlich nicht habe verpflichten wollen; es liege in
demselben vielmehr nur eine ungültige Verfügung über einen
Teil des Nachlasses des E. H. Auf Berufung der Klägerin
hin hat das Bundesgericht dieses Urteil aufgehoben und die
Sache zu neuer Beurteilung an das Kantonsgericht zurück-
gewiesen. Aus den Entscheidungsgründen ist hervorzuheben:
La matière du cautionnement étant régie par le C. O.,
le Tribunal de céans est certainement compétent pour exa-
miner si la demande, laquelle soulève la question de savoir
si l'acte du 17 juin 1890 constitue ou non un cautionnement,
est fondée en droit.
Or oe caractère d'un cautionnement résulte tout d'abord
du but auquel cet acte a été destiné; le dit acte, en effet, a
été signé par H. pour faciliter à S. l'obtention du prêt dont
il avait besoin, et la forme la plus indiquée à cet effet était
celle d'un cautionnement. La teneur de Pacte corrobore cette
manière de voir. Dans la première partie H. déclare „accorder
la garantie d'une somme de 4000 francs" à son gendre P. 8.
et à sa fille Cécile, le terme „garantie" dont se sert H. étant
souvent employé dans le langage usuel comme synonyme de
cautionnement. Les mots par lesquels l'acte se termine : „mes
immeubles à F. n'étant grevés d'aucune hypothèque, attestent
la valeur de ma signature" servent aussi à démontrer
que H. voulait se porter caution pour 4000 francs, et affirmer
par là la valeur de sa signature vis-à-vis du tiers créancier
qui aurait fourni la somme. Le postscriptum est de nature à
enlever tout doute à cet égard et à établir que H. entendait
bien se porter caution vis-à-vis d'un créancier, non encore
déterminé, qui aurait fourni à son prédit gendre la somme de
4000 francs dont celui-ci avait besoin.
I
145
Ces considérations ne sont toutefois point encore suffi-
santes pour faire considérer la demande comme fondée. Il
résulte incontestablement de l'acte en question que, tout en
se portant caution en faveur de son gendre, H. entendait que
le payement de la somme garantie ne pût être requis ni de
so n vivant, ni du vivant de sa femme, et que si après leur
décès sa succession était appelée à la payer, son montant
devait être imputé sur la part revenant à Cécile 8. -H. dans
la succession paternelle. H. voulait donc bien obliger sa suc-
cession vis-à-vis du tiers créancier, mais à la condition que,
dans le règlement des rapports entre cohéritiers, la somme de
4000 francs devrait grever uniquement sa fille Cécile par im-
putation sur la seule part de celle-ci.
Etant donné les termes dans lesquels l'acte de 1890 est
conçu, il faut admettre comme certain que Ed. H. n'accordait
sa garantie qu'à cette condition, et qu'il ne l'aurait point
donnée, si ses conséquences avaient pu retomber sur ses au-
tres héritiers. D'autre part cette condition, résultant implici-
tement de l'acte même de cautionnement, a été nécessaire-
ment connue du créancier, auquel elle est sans aucun doute
opposable.
il reste à rechercher si cette condition était licite. Le
défendeur l'a contesté, en prétendant qu'elle était con-
traire aux principes d'ordre public du droit neuchâtelois en
matière de succession, lesquels interdisent qu'on dispose ainsi,
par la voie d'un cautionnement, de la part revenant à un
héritier dans une succession future.
Il est clair que si ce point de vue devait être admis,
l'obligation dépendant d'une telle condition, c'est-à-dire dans
l'espèce la garantie assumée par Ed. H,, serait frappée de
nullité aux termes de la disposition de l'art. 177 C. 0.
Toutefois la question de savoir si la dite condition est
licite ou non ressortit, dans l'espèce, au droit cantonal et
non point au droit fédéral, puisque c'est d'après les règles du
droit successoral qu'il faut trancher la question de savoir si,
en consentant un cautionnement en faveur de son gendre,
H. pouvait stipuler que la somme garantie, si elle devait
être payée, devrait être imputée sur la part revenant à sa
fille Cécile dans sa succession. Il se peut en effet que par
cette stipulation H. ait porté atteinte à des dispositions pro-
hibitives du droit successoral, ou même qu'il ait privé sa pré-
dite fille de la réserve légale dont le bénéfice lui est garanti.
Or l'instance cantonale ne s'est pas prononcée sur ces points,
et il y a lieu de lui renvoyer la cause, en application de
146
l'art. 79 de la loi sur l'organisation judiciaire fédérale, afin
qu'elle statue notamment sur le caractère licite ou illicite de
la condition susmentionnée. (Entsch. vom 26. Mai 1900 i. S.
Courvoisier c. Huguenin.)
86. 0. R. Art 199. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs vom 11. Aprii 1889, Art 203, 285 f., 287 Ziff. 2, 288.
Wenn der Besteller einer übersendeten Ware dieselbe
bei Empfang wegen angeblicher Mängel, mit oder ohne Grund,
dem Verkäufer zur Verfügung stellt, so ist die Besitz- und
Eigentumsübertragung nicht erfolgt und der Verkäufer kann
die Ware im Konkurse des Bestellers zurücknehmen. Eine
Anfechtung der Dispositionsstellung durch die Gläubiger des
Bestellers ist ausgeschlossen, da durch dieselbe lediglich die
Belastung des Vermögens des Bestellers mit einer neuen
»Schuld vermieden worden ist. (Entsch. vom 24. März 1900
i. S. Massa Treichler c. Born.)
87. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und Han-
delsmarken vom 26 September 1890, Art. 21, 22, 24, 25, 26. 0. R.
Art. 50. Wegen unbefugten Anbringet^ von Angaben über gewerb-
liche Auszeichnungen auf Geschäftsschildern, Annoncen, Prospekten,
Fakturen u. s. to. steht dem zu Führung dieser Auszeichnungen
Berechtigten auch die Civilklage zu.
Dans son arrêt dans la cause G avili et e. Oerez (Ree. off.
XXII p. 799 ss.), le Tribunal fédéral a admis que la loi fédérale
du 26 septembre 1890 n'accorde pas d'action civile pour cause
d'infraction à son art. 22, qui prescrit que celui qui fait usage
de médailles, récompenses etc. doit en indiquer la date et
la nature, ainsi que les expositions ou concours dans lesquels
il les a obtenues.
Gette manière de voir est basée sua la considération que
les infractions à l'art. 22 ne paraissent pas impliquer une
atteinte portée aux intérêts des autres fabricants ou des con-
currents, mais que le dit article apparaît plutôt comme une
prescription de police industrielle, destinée à permettre aux
concurrents et au public de contrôler si les distinctions dont
un industriel fait état lui ont bien réellement été décernées.
Ces considérations ne sauraient évidemment s'appliquer
au cas de l'industriel ou commerçant qui fait figurer indû-
ment sur ses enseignes, annonces, factures ou papiers de com-
merce quelconques la mention de récompenses ou distinctions
147
appartenant à autrui. Dans ce cas le droit et les intérêts du
légitime propriétaire de la récompense ou distinction sont
manifestement lésés, et Ton ne voit pas quelles raisons au-
raient pu déterminer le législateur à refuser une action civile
contre l'usurpateur, alors qu'il l'accorde expressément contre
celui qui fait figurer indûment les mêmes mentions sur ses
produits ou leur enveloppe (art. 21 et 24, litt. f. leg. ca.), et
alors qu'il prévoit, dans l'un comme dans l'autre cas, une
répression pénale (art. 25 et 26). Le Tribunal fédéral a déjà
jugé que le fait par un commerçant d'insérer dans ses pro-
spectus, annonces, circulaires etc., une mention mensongère,
telle que celle „hors concours," constitue un acte de concur-
rence déloyale, donnant ouverture à une action en suppression
de la mention mensongère et en dommages-intérêts. (Voyez
arrêt Ricqlès et Cie c. Bonnet et Cie, Ree. Off. XIX p. 255, 257 ;
comp, aussi arrêt Redard frères c. Péclard, du 25 février 1898,
Ree. Off. XXIV 2m* partie p. 148 ss.) Une telle action doit
en tous cas être considérée comme reoevable en vertu de
l'art. 50 C. 0., rien n'autorisant à admettre que la loi du
26 septembre 1890 ait entendu, à cet égard, exclure l'appli-
cation du dit article. (Entsch. vom 6. Juli 1900 i. S. Cavin-
Bocquet o. Ernest et Jules Weber.)
88. Internationale Uebereinkunft über den Eisenbahnfracht-
verkehr vom 14. Oktober 1890, Art. 39. Ausführungsbestimmungen
dazu, § 6. Bundesgesetz betreffend den Transport auf Eisen-
bahnen und Dampfschiffen vom 29. März 1893, Art. 29, 39.
Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampf -
Schiffahrtsunternehmungen vom IL Dezember 1893, § 69. Ist der
Bundesrat berechtigt, wegen aussergewöhnlicher Verkehrsverhält-
nisse den Eisenbahnunternehmungen die nachträgliche Aenderung
der Lieferfristen bereits abgeschlossener Frachtverträge zu ge-
statten?
Durch Be8chluss vom 14/15. März 1897 erteilte der
Bundesrat der schweizerischen Nordostbahn, mit Rücksicht
auf die mit Beginn des 12. März ausgebrochene, am 13. März
abends wieder beendigte Arbeitseinstellung der Betriebs-
angestellten dieser Gesellschaft, die Bewilligung, die Liefer-
fristen tur Eil- und Frachtgüter, welche infolge Streikes am
12. und 13. März aufgehalten wurden, um zwei Tage zu ver-
längern. Dieser Beschluss wurde im Bundesblatte vom 17. März
1897 unter den Verhandlungen des Bundesrates vom 15. März
1897 publiziert. Der Kläger, Comestibleshändler in Zürich,
148
erhielt infolge des Streikes verschiedene Sendungen, ins«
besondere eine Wagenladung Blumenkohl aus Cascina (Ita-
lien), und eine Sendung (J itzifl eisch aus Altdorf erst nach
Ablaut' der ordentlichen reglementarischen Lieferfristen und
in verdorbenem Zustande. Als er die N. 0. ß. auf Schaden-
ersatz hiefür belangte, hielt ihm diese u. a. die Einwendung
entgegen, die Ablieferung fraglicher Sendungen sei noch inner-
halb der durch den bundesrätlichen ßeschluss vom 14./ 15. März
1897 bewilligten verlängerten Lieferfrist und deshalb recht-
zeitig erfolgt. Das Bundesgericht hat in Bestätigung des Ur-
teils der Vorinstanz diese Einwendung für begründet erklärt,
im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Auf den vorliegenden Prozess kommen zur Anwendung:
das internationale Uebereinkommen über den Eisenbahnfracht-
verkehr vom 14. Oktober 1890 (A. S. N. F. XIII, S. 61 ff.), so-
weit es die Sendung Blumenkohl betrifft; das Bundesgesetz
betr. den Transport auf Eisenbahnen und Dampfschiffen vom
29. März 1893 (eod. S. 762 ff.; hier cit. E. T. G.); speziell
bezüglich der Sendung G itzi fleisch das Transportreglement
der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffahrtunter-
nehmungen vom 11. Dezember 1893 (eod. S, 762 ff.; hier cit.
T, K.); endlich die A usführungs- Bestimmungen zum inter-
nationalen Uebereinkommen (eod. S. 116 ff.).
Nun bestimmt § 6 der oben citierten Ausführungsbestim-
mungen, nachdem er die Maximallieferfristen festgesetzt hat,
in ^U>8. 3: „Die Gesetze und Réglemente der vertrag -
schliessenden Staaten bestimmen, inwiefern den unter ihrer
Aufsicht stehenden Bahnen gestattet ist, Zuschlagsfristen für
folgende Fälle festzusetzen: 1. Für Messen. 2. Für außer-
gewöhnliche Verkehrsverhältnisse. 3. Wenn das Gut einen
nicht überbrückten Flussübergang oder eine Verbindungsbahn
zu passieren hat, welche zwei am Transport teilnehmende
Bahnen verbindet. 4. Für Bahnen von untergeordneter Be-
deutung, sowie für den Uebergang auf Bahnen mit anderer
Spurweite." In der Schweiz ist durch § 69 des Transport-
reglementes der Bundesrat als die Behörde bezeichnet worden,
welche die Zuschlagsfristen zu bewilligen hat; und er darf
dies thun: ,,a) bei ausserordentlichen Verkehrsverhältnissen;
b) für den Uebergang auf Bahnen mit anderer Spurweite
oder auf Dampfboote; c) für Güter, welche zu ausnahmsweise
ermä8sigten Taxen befördert werden." „Diese Zuschlags-
fristen sind gehörig zu publizieren" (Abs. 4 1. c). Von diesen
Fällen kann vorliegend offenbar nur der unter Ziff. 2, Ausf,-
Best. = litt, a T. R., erwähnte in Betracht kommen, wie sich
149
denn auch die Beklagte nur hierauf beruft. Nach den an-
geführten Bestimmungen hatte der Bundesrat im vorliegenden
Falle unzweifelhaft die Kompetenz, Zuschlagsfristen zu be-
willigen; denn die Prüfung darüber, ob „ausserordentliche Ver
kehrsverhältnisse" vorlagen, die diese Bewilligung rechtfer-
tigten, stand ihm zu, wie denn überhaupt die Frage, ob die
reg lernen tarischen Voraussetzungen der Bewilligung der Zu-
schlagsfristen vorhanden seien, wesentlich verwaltungstech-
nischer Natur ist, und daher von der zuständigen Verwal-
tungsbehörde, in der Schweiz also vom Bundesrate, endgültig
zu entscheiden ist. Eine andere Frage ist dagegen die,
inwieweit der Bundesrat Zuschlagsfristen auf schon ab-
geschlossene Frachtverträge erstrecken darf; diese Frage ist
eine Rechtsfrage und untersteht als solche der Prüfung der
Gerichte. Werden nun zum Entscheide dieser Rechtsfrage
sämtliche Fälle, für welche nach den Ausführungsbestimmungen
und nach dem Transportreglement Zuschlagsfristen bewilligt
werden dürfen, auf ihre Natur hin miteinander verglichen, so
ergiebt sich, dass die hier nicht in Betracht kommenden Fälle
(Ausf.-Best. Ziff. 1, 3 u. 4, T. R. litt, b u. c) solche von mehr
regelmässiger, dauernder Natur sind, während der hier in Be-
tracht kommende Fall (Ziff. 2 Ausf.-Best., litt, a T. R.) im
Gegensatze dazu Fälle vorübergehender, ausserordentlicher
Verkehrsstörungen umfasst (vergi. Eger, Komm. z. internat.
Uebereinkommen, S. 250, der in Ziff. 2 1. c. beispielsweise auf-
zählt: Krieg, Wassernot, Güterstockungen jeder Art). Wäh-
rend in jenen Fällen die Bewilligung der ZuRchlagsfrist je-
weilen bei Zeiten von den Bahnen wird eingeholt werden und
auch rechtzeitig gehörig wird publiziert werden können, so
dass die Frage der Erstreckung auf schon abgeschlossene
Frachtverträge hier kaum entstehen wird, verhält es sich bei
den „ausserge wohnlichen" oder „ausserordentlichen" Verkehrs-
verhältnissen anders. Zwar können auch diese vorhergesehen
sein (z. B. Truppenzusammenzüge, bevorstehende Nationalfeste),
und alsdann wird eine rechtzeitige Bewilligung und Publi-
kation zu erfolgen haben. Allein es fallen darunter gerade
auch Ereignisse unvorhergesehener, plötzlicher Natur, und in
solchen Fällen entstehen jene oben aufgeworfenen Fragen.
Während nun nach den Bestimmungen über Zuschlagsfristen
in jenen regelmässigen Fällen an eine Erstreckung auf schon
abgeschlossene Frachtverträge kaum gedacht werden konnte,
man vielmehr davon ausgehen muss, diese Zuschlagsfristen
müssen den mit der Bahn kontrahierenden Absendern, wie
den Empfängern vor Abschluss des Frachtvertrages bekannt
12
150
sein, kann es sich fragen, ob das Transportreglement dein
Bundesrat für die Fälle unvorhergesehener Ereignisse eine
weitergehende Kompetenz einräumen wollte: Die Kompetenz,
die Zuschlagsfristen auch auf schon abgeschlossene Fracht-
verträge, die also eingegangen wurden unter der gesetzlichen
oder reglemen tarischen Lieferfrist, zu erstrecken. Es lässt
sich nicht verkennen, dass gegen diese Interpretation der Be-
stimmungen über die Zuschlagstristen das Bedenken spricht,
dass dadurch in bestehende, privatrechtliche Ansprüche ein-
gegriffen wird (wie denn auch die erste Instanz aus diesem
( i runde dem Bundesrate das Recht abgesprochen hat, die Zu-
schlagsfristen auf die beiden in Frage kommenden Sendungen
zu erstrecken); denn die Einwendung der Vorinstanz, es
handle sich nicht um wohlerworbene Rechte, der Kläger habe
den Anspruch, der den Gegenstand seiner Klage bilde, nie-
mals erworben, hält nicht Stich: Durch die Eingehung des
Frachtvertrages ist für den Absender wie für den Empfänger
der Anspruch auf gehörige, somit auch auf rechtzeitige Er-
füllung durch den Frachtführer erwachsen. Allein trotz diesem
Bedenken erscheint es richtig, das Transportreglement dahin
auszulegen, dass es dem Bundesrate jene allerdings 'weit-
gehende Befugnis einräume. Der Grund hiefür liegt darin,
da ss andernfalls das Recht auf Zuschlagsfristen bei unvorher-
gesehenen ausserordentlichen Verkehrsstörungen geradezu oder
wenigstens nahezu illusorisch würde und seinen praktischen
Wert für viele Fälle verlöre. Dabei ist freilich zu wünschen,
dass der Bundesrat von dieser weitgehenden Befugnis nur
ausnahmsweise Gebrauch mache. Dies um so mehr, als der
Bahn bei Versäumung der Lieferfristen nach Art. 39 internat.
Uebereinkommen u. E. T. G. der Beweis offen steht, dass die
Verspätung von einem Ereignisse herrühre, welches sie weder
herbeigeführt hat, noch abzuwenden vermochte, und diese Be-
stimmung offenbar auch eine Reihe unvorhergesehener ausser-
ordentlicher Verkehrsstörungen trifft. Allein obsohon dem-
gemä88 für diese Ereignisse (unter welche übrigens der Streik
der Bahnangestellten nicht fällt, da die Bahn gemäss Art. 29
eod. unbedingt für ihre Leute haftet) schon in dem genannten
Art. 39 Vorsorge getroffen ist, hindert das nicht, dass der
Bundesrat bei denselben auch Zuschlagsfristen bewillige und
hiebei nach dem Gesagten diese Fristen auch auf schon ab-
geschlossene Frachtverträge erstrecke. Hat demnach der
Bundesrat, indem er vorliegend die Zuschlagsfristen auch für
die reglementarisch schon abgelaufenen Frachten bewilligt
hat — worüber nach dem Wortlaute seines Beschlusses kein
151
Zweifel sein kann — innert den Schranken seiner Kompetenz
gehandelt, so ergiebt sich, das s der Beklagten aus dieser
Zuschlagsfristbewilligung eine Einrede zusteht, und dass dem-
nach der Kläger mit seinen Ansprüchen abzuweisen ist. Zu
Zweifeln könnte höchstens noch die Frage, ob die Bewilli-
gung gehörig publiziert worden sei, Anlass geben; allein sie
ist zu bejahen, da die Publikation im amtlichen Publikations-
organ des Bundes erfolgt ist. (Entsch. vom J4. Juli 1900
i. »3. Bianchi c. Nordostbahn.)
89. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art. 82, 149, 243, 269. Die Konkursverwaltung
ist auch nach erklärtem Schluss des Konkursverfahrens zur Ver-
fügung über zur Masse gehörige Vermögensstücke einzig berech-
tigt. — Beweislast im Aberkennungsprosesse. — Natur und Wir-
kungen des (im Pfändungsverfahren erlangten) Verlustscheines.
Die Konkursmasse des J. K. N. in T. hatte gegen
J. U. P. und Ingenieur G. St., welche in W. als Gesellschafter
ein Geschäft betrieben, für eine Forderung des Gemeinschuld-
ners aus Werkvertrag als Solidarschuldner Betreibung einge-
leitet. Am 28. April 1896 erhielt das Konkursamt T. für den
ganzen Forderungsbetrag (von Fr. 3397. 50) Verlustscheine.
Dies wurde indes nachträglich berichtigt und festgestellt,
dass auf die Forderung der Masse J. K. N. eine Dividende
von Fr. 526. 90 entfalle. Dieser Betrag und die abgeänderten
Verlustscheine d. d. 15. Juni 1896 über Fr. 2870. 80 wurden
dem Konkürsamte T. erst übermittelt, nachdem (am 15. Mai
1896) der Konkurs über J. K. N. bereits geschlossen worden
war. Das Konkursamt T. händigte (gemäss einer bereits
beim Einlangen der ersten Verlustscheine vom Konkursrichter
erbetenen Weisung) den empfangenen Barbetrag der Ehe-
frau des Konkursiten als erstberechtigter Gläubigerin ein und
trat derselben am 23. Juni 1896 auch die Verlustscheine ab.
Die Ehefrau des J. K. N. leitete nun gestützt auf den Ver-
lustschein gegen Ingenieur G. St. Betreibung ein und er-
wirkte, nachdem dieser Rechtsvorschlag erhoben hatte, Rechts-
öffnung. Hierauf erhob G. St. Aberkennungsklage. Im Pro-
zesse wurde geltend gemacht, die Forderung des J. K. N.,
deren Bestand, von der Gläubigerin nachzuweisen sei, habe
nicht bestanden, und es sei das Konkursamt zu Abtretung
der Verlustscheinforderungen nach Schluss des Konkurses
nicht mehr berechtigt gewesen.
152
Das Bundesgericht hat die Aberkennungsklage abgewie-
sen. In den Entscheidungsgründen wird zunächst ausgeführt,
der Verlustschein vom 15. Juni 1896 sei allerdings nicht ein
nach Schiusa des Konkursverfahrens entdecktes Vermögens-
stück, das zur Masse gehört habe, aber nicht zu derselben
gezogen worden sei (Art. 269 Abs. 2 B.-Ges. über Schuld-
betreibung und Konkurs). Denn die Forderung an F. und
St. sei ja zur Masse gezogen und von der Konkursverwal-
tung realisiert worden. Allein daraus folge nicht, dass das
Konkursamt nicht befähigt gewesen wäre, zu Gunsten der
Beklagten über den Verlustschein zu verfügen. Der Konkurs-
verwalter habe gesetz- und pflichtgemäss gehandelt, wenn er
die Forderung des Gemeinschuldners an F. und St. in Be-
treibung gesetzt habe (Art. 243 B.-Ges. über Seh. u. K.).
Demgemä88 sei er selbstverständlich berechtigt gewesen, das
Ergebnis der Betreibung in Empfang zu nehmen, und sei
ihm im weiteren Befugnis und Pflicht erwachsen, über das
Liquidationsergebnis dem Gesetze gemäss zu verfügen. Der
erhaltene Barbetrag sei zweifellos naoh dem Kollokations-
plane und der Verteilungsliste der Beklagten als dem zu-
nächst berechtigten Gläubiger zuzuweisen gewesen. Dagegen
sei hinsichtlich des Verlustscheines fraglich, ob derselbe
nicht hätte versteigert und bloss der Erlös der Beklagten
hätte zugeteilt werden sollen. Allein auch wenn letzteres zu
bejahen wäre, so wäre doch die geschehene Zuteilung des
Verlustscheines an die Beklagte keinenfalls eine absolut nich-
tige, sondern höchstens eine anfechtbare Massnahme und
wären zu deren Anfechtung die Schuldner der Verlustschein -
forderung nicht berechtigt. Diese seien noch weniger berech-
tigt, der Ces8ionarin der Forderung die Einrede entgegen-
zustellen, der Verlustschein hätte nach den Grundsätzen des
Konkursrechtes anders liquidiert werden sollen. Ihnen gegen-
über sei die Abtretung als gültig erfolgt zu betrachten, da
sie mit befreiender Wirkung an die Cession arin bezahlen
können, weil eben auch nach Schluss des Konkurses die
Konkursverwaltung einzig über die Forderung zu verfügen
gehabt habe. — Hinsichtlich der Beweislast für den Bestand
der Verlustscheinforderung sodann wird grundsätzlich aus-
geführt :
Es ist grundsätzlich festzuhalten, dass im Aberkennungs-
prozess die Beweislast an sich nicht anders zu verteilen ist,
als in einem gewöhnlichen Prozess, d. h. es hat an sich nicht
der Aberkennungskläger den Nichtbestand, sondern der Ab-
erkennungsbeklagte den Bestand der Forderung zu beweisen
153
(s. A. S. Bd XXIII S. 1088). Die Vorinstanz überbindet, trotz-
dem sie den Grundsatz anerkennt, im konkreten Falle doch
dein Kläger den Beweis für den Nichtbestand der Forderung,
weil der in den Händen der Beklagten befindliche Verlust-
schein für sie eine Präsumtion für das Bestehen der Forde-
rung schaffe. Dieser Entscheid unterliegt der Nachprüfung
des Bundesgerichts .... Zunächst ist t hat sächlich festzuhalten,
dass man es mit einem auf Grund eines Pfand ungs Verfahrens
ausgestellten Verlustscheine im Sinne des Art. 149 des eid-
genössischen Betreibungsgesetzes zu thun hat. An sich nun
ist ein solcher Verlustschein lediglich die amtliche Bescheini-
gung darüber, dass im Zwangsvollstreckungs verfahren bei dem
Schuldner keine oder nicht vollständige Deckung für die be-
treffende Forderung erzielt werden konnte. Der Schuldner
wirkt bei der Errichtung des Verlustscheins nicht mit, und
es gelangt darin irgend ein auf das materielle Rechtsver-
hältnis bezüglicher Wille desselben nicht zum Ausdruck. So
wenig daher die Ausstellung des Verlustscheins eine Neue-
rung, d, h. die Ersetzung des frühern Schuldverhältnisses
durch ein neues bewirkt, so wenig liegt darin die Schaffung
eines neuen Schuldgrundes neben dem alten, in dem Sinne,
dass der Schein ein selbständiges Klagfundament abgeben
würde. Nach positiver Gesetzesvorschrift erleidet freilich das
Schuldverhältnis durch die Ausstellung des Verlustscheins
gewisse Aenderungen in seinem materiellen Inhalt sowohl
(Art. 149 Abs. 4 und 5), wie im Hinblick auf die exekutive
Geltendmachung der Forderung (Art. 149 Abs. 2 und 3).
Allein keine dieser gesetzlichen Wirkungen des Verlustscheins
berührt den Bestand oder den Rechtsgrund der Forderung.
Allerdings braucht ferner das Gesetz die Wendung, dass der
Verlustschein als Schuldanerkennung gelte. Es fügt aber bei
als Schuldanerkennung „im Sinne des Art. 82," und der
SchluBS liegt nahe, das Gesetz habe damit einfach aussprechen
wollen, dass der Verlustschein, wie eine eigentliche, durch
öffentliche Urkunde festgestellte oder durch Unterschrift be-
kräftigte Schuldanerkennung, dem Gläubiger das Hecht gebe,
den Rechtsvorschlag des Schuldners durch provisorische Rechts-
öffnung beseitigen zu lassen. In der That geht es schon des-
halb nicht an, aus dem Gebrauche des Wortes Schuldaner-
kennung allein zu folgern, dass der Verlustschein auch in
materiellrechtlicher und prozessualischer Beziehung einem
eigentlichen Schuldbekenntnis gleichzustellen sei, weil das
Betreibungsgesetz damit auf ihm fremde Rechtsgebiete hin-
übergreifen würde. Zudem ist au berücksichtigen, dass der
154
Ausdruck Sohuldanerkennung erst in der letzten Redaktion
des Gesetzes erscheint, während es vorher hiess, der Ver-
lustschein gelte als beweiskräftige Urkunde im Sinne des
Art. 82. Da das Bestreben, die Ausdrucksweise in der Be-
stimmung, in welcher auf eine andere verwiesen wird, der
letztern anzupassen, eine hinlängliche Erklärung für die Aeu-
derung bildet, ist es nicht erforderlich, der letztern die Be-
deutung beizulegen, dass man den Verlustschein zu einer
Schuldanerkennung im technisch -juristischen Sinne habe
machen wollen. Trotzdem wird nun aber prozessualisch
der Verlustschein ähnliche Wirkungen ausüben, wie eine
eigentliche Schuldanerkennung, indem er dem Inhaber im
Prozesse um den Bestand der Forderung eine bevorzugte
Beweisstellung verschafft. Die Zwangsvollstreckung, welche
durch die Ausstellung des Verlustscheins ihren Ab schiusa
findet, konnte nur durchgeführt werden gestützt auf einen
unwidersprochen gebliebenen Zahlungsbefehl oder nach Be-
seitigung des Rechtsvorschlages mittelst Rechtsöfihung, d. h.
auf Grund bestimmter, bevorzugter Beweismittel. Mit Rück-
sicht hierauf ist es gewiss sacbgemäss, wenn als Regel hin-
gestellt wird, dass der Gläubiger, der sich im Besitze eines
Verlustscheins befindet, sich damit begnügen dürfe, zum Be-
weise des Bestehens seiner Forderung den Verlustschein an-
zurufen, der ja auch den ursprünglichen Forderungstitel oder
-grund angiebt, und dass es am Schuldner sei, den Verlust-
schein zu entkräften, indem er darthut: entweder dass die
formellen Voraussetzungen zur Ausstellung desselben nioht
vorhanden waren bezw. dass diese auf Irrtum beruhte, oder,
dass die materiellrechtliche Grundlage für das betreibungs-
rechtliche Vorgehen fehlte oder dahingefallen ist, d. h. dass
die Schuld nicht bestand oder nicht mehr besteht. Es wäre
sonderbar, wenn der Verlustschein, der dem Gläubiger ein
so wirksamer Behelf für die Exekution der Forderung ist,
im Streit um die Existenz derselben keine Beweiskraft haben
sollte, liegt doch auch der letzte Grund dafür, dass das Exe-
kutionsrecht für solche Forderungen erleichtert (und erwei-
tert) wird, in der aus der Eigenart des Beweismittels sich
ergebenden Vermutung für den Bestand derselben. Ferner
ist zu beachten, dass dem Schuldner, wenn der Gläubiger
gestützt auf den unwidersprochen gebliebenen Zahlungsbefehl
oder nach definitiver Beseitigung des Rechtsvorschlages die
Forderung exequiert hat, bloss noch die Rtickforderungsklage
nach Art. 86 des B. G. übrig bleibt, bei der zweifellos ihm
die Beweislast für das Nichtbestehen der Schuld obliegt*
155
Nun kann aber doch die Stellung des Gläubigers mit Bezug
auf den Beweis der Forderung nicht deshalb eine schlech-
tere werden, weil sich bei dem Schuldner nicht Mittel genug
finden, um die Forderung zu decken, und es daher zur Aus-
stellung eines Verlustscheines kommt. Vielmehr muss auch
hier dem Schuldner die Beweislast zufallen, wenn im Ver-
lauf der weitern Exekution der Verlustscheinforderung der
Bestand derselben in Frage gestellt wird. Der Charakter
eines derart qualifizierten Beweismittels darf dem Verlust-
schein schliesslich auch deshalb nicht abgesprochen werden,
weil gewöhnlich die Geltendmachung der darin verurkun-
deten Forderung sich hinauszögern wird und weil in der
Zwischenzeit leicht andere Beweismittel für den Gläubiger
verloren gehen können. (Entsch. vom 31. Mai 1900 i. S.
Kölla c. Streuli.)
90. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art. 285, 286 Ziff. 1, 288, 291. MissverhäUnis der
Gegenleistung zu der Leistung des Schuldners ? Requisite der Be-
nachteiligungsabsicht; Erkennbarkeit derselben. — Wirkungen der
Aufhebung des anfechtbaren Rechtsgeschäftes bei Anfechtung ausser
Konkurs. Dieselbe wirkt nur zu Gunsten des anfechtenden Gläu-
bigers; sie macht den durch das anfechtbare Geschäft bewirkten
Rechtsübergang nicht jedermann gegenüber rückgängig, sondern
verleiht nur dem Anfechtungskläger das Recht, den veräusserten,
im übrigen im Vermögen des Anfechtungsbeklagten verbleibenden,
Gegenstand zum Zwecke der Befriedigung seiner Forderung zu
pfänden und zu verwerten, gleich wie wenn er nicht veräussert
worden wäre.
Die Kläger E. P. und J. A. hatten am 11. und 25. Juni 1898
für Forderungen von Fr. 103. 50 und Fr. 52. 15 an A. Th. Ver-
lustscheine erhalten. Durch Vertrag vom 25. April/6. Mai 1898
hatte A. Th. seine Liegenschaften in St. G. zum Preise von
Fr. 5000 an den Beklagten B.-H. verkauft, wobei zwei Hypo-
theken von Fr. 4000 und Fr. 400 nebst ausstehenden Zinsen
auf Rechnung des Kaufpreises übernommen wurden. E. P. und
J. A. erhoben nunmehr gegen den Käufer B.-H. Anfechtungs-
klage mit dem Antrage: der am 6. Mai 1898 in Ausführung
des Kaufversprechens vom 25 April abgeschlossene Kaufver-
trag sei aufzuheben und ungültig zu erklären. Der Beklagte
B.-H. trug auf Abweisung der Klage an und erhob eventuell
für den Fall des Zuspruches der Hauptklage Widerklage da-
hin : die Kläger haben, bevor sie das Urteil vollstrecken
lassen können, ihm solidarisch den Betrag von Fr. 12,953. 31
156
unter Abrechnung der auf den streitigen Liegenschaften haf-
tenden Hypothekarforderungen zu ersetzen ; weiter eventuell :
vor jeder Zuteilung an die Gläubiger des A. Th. sei dem
Kauferlos der streitigen Liegenschaften der genannte Betrag
von Fr. 12,953.31 zu entnehmen und unter Abzug der auf
den Liegenschaften haftenden Hypothekarforderungen an den
Beklagten zu bezahlen. Die eventuelle Widerklage wurde
auf Art. 291 drs Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes be-
gründet. Darnach habe der Beklagte Anspruch auf Ersatz
iür die von ihm bezahlten Forderungen und die andern für
Th. bezahlten Beträge; ausserdem habe er Anspruch auf
Erstattung der von ihm für Unterhai tungs- und Wiederher-
stellungsarbeiten auf den Liegenschaften gemachten notwen-
digen und nützlichen Verwendungen. Werden diese Auf-
wendungen neben dem Kaufpreise und der von ihm bezahlten
Handänderungsgebühr berücksichtigt, so liegen ihm die Liegen-
schaften gegenwärtig Fr. 12.953. 31 an. Die Cour civile des
Kantons Waadt hat die Klage gutgeheissen, die Widerklage
dagegen abgewiesen. Das Bundesgericht hat dieso Entscheidung
„im Sinne der Erwägungen" bestätigt.
In den Entscheidungsgründen wird wesentlich ausgeführt:
Die Anfechtungsklage sei prinzipiell sowohl nach Art. 286
Ziff. 1 als nach Art. 288 des Schuldbetreibungs- und Konkurs-
gesetzes begründet. Nach der Feststellung der kantonalen
Instanz seien die für Fr. 5000 verkauften Liegenschaften im
Zeitpunkt des Kaufes Fr. 7000 (oder allermindestens doch
Fr. 6000) wert gewesen ; der Schuldner habe also eine Gegen-
leistung angenommen, die zu seiner eigenen Leistung in einem
Missverhältnisse stehe, so dass Art. 286 Ziff. 1 cit. zutreffe.
Der Schuldner habe zudem zur Zeit des Kaufabschlusses
seine Zahlungsunfähigkeit gekannt; er habe also wissen
müssen, dass der unter dem wahren Wert erfolgende Verkauf
seine Gläubiger schädige. Ebenso habe sich der Beklagte,
der die Ueberschuldung des Th. gekannt habe, dieses Um-
Standes bewusst sein müssen. Darnach sei dann gemäss der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung anzunehmen, Th. habe den
Kauf in der dem Beklagten B. erkennbaren Absicht ge-
schlossen, seine Gläubiger zu schädigen, und treffe also auch
Art. 288 cit. zu. Hinsichtlich der Wirkungen des Zuspruchs
der Anfechtungsklage sei zu bemerken: Die Anfechtungs-
klage der Art. 285 ff. leg. cit. sei keine dingliche Klage;
die Ungültigkeit des anfechtbaren Rechtsgeschäftes sei auch
keine absolute, gegen jedermann wirksame, welche die
Rechtswirkungen des Geschäftes vollständig aufheben wurde;
157
sie sei vielmehr eine bloss relative, welche nur zu Gunsten
bestimmter Personen wirke, diesen gegenüber eine Pflicht
zur Bückerstattung begründe. Zweck der Anfechtungsklage
(nach welchem sich ihre Wirkungen bemessen) sei der, den
Anfechtungskläger gegenüber seinem Schuldner in diejenige
Lage zurückzuversetzen, in welcher er sich ohne das an-
fechtbare Rechtsgeschäft befinden würde. Die Anfechtungs-
klage bewirke also nicht den Untergang des durch das
anfechtbare Geschäft begründeten dinglichen Rechts, sondern
der Anfechtungsklage r erhalte nur für sich und zu dem
Zweck, zur Befriedigung seiner Forderung zu gelangen, das
Recht, den in anfechtbarer Weise veräusserten und im Ver-
mögen des Anfechtungsbeklagten verbleibenden Gegenstand
zu pfänden und zu verwerten, gleich wie wenn derselbe nicht
veräussert worden, sondern stets im Eigentum des Schuldners
geblieben wäre. Daraus folge, dass der Anfechtungsbeklagte
Pfändung und Verwertung dadurch abwenden könne, dass er
dem Anfechtungskläger den ihm durch das anfechtbare Ge-
schäft zugefügten Schaden ersetze. Demgemäss könne der
Beklagte in casu die Pfändung und Verwertung durch Be-
zahlung der klägerischen Forderungen (die ohne den anfecht-
baren Kauf im Betreibungswege befriedigt worden wären)
abwenden. Der vom Beklagten angeführte Art. 291 letzter
Satz leg. cit. könne schon deshalb keine Anwendung finden,
weil der Beklagte die Zahlungsunfähigkeit des Th. gekannt
und sich also nicht in gutem Glauben befunden habe. Das
«rste Begehren der eventuellen Widerklage sei unbegründet.
Zwar treffe der hiefür von der Vorinstanz angeführte Grund,
dass das angefochtene Geschäft absolut nichtig sei und der
veräusserte Gegenstand nach durchgeführter Anfechtung in
das Vermögen des Schuldners zurückkehre, nach dem Aus-
geführten nicht zu. Dagegen ergebe sich die Unbegründet-
heit dieses Begehrens daraus, dass, wenn man gemäss dem-
selben die Kläger verhalten wollte, jeder Pfändung vorgängig
Fr. 12,953. 31 an den Beklagten zu bezahlen, sie sich offenbar
in einer ganz andern und weit ungünstigeren Lage befinden
würden, als wenn der anfechtbare Kauf nicht abgeschlossen
worden wäre. Wenn also so der erfolgreich angefochtene
Kauf den Klägern nicht schaden dürfe, so dürfe er ihnen
andererseits auch nicht einen Vorteil auf Kosten des Be-
klagten verschaffen. Der Betrag der Hypothekarschulden an
Kapital und Zinsen, welche zur Zeit des Kaufes auf den
Liegenschaften gehaftet haben, sei also auch jetzt, wie dies
ohne den Verkauf der Fall gewesen wäre, aus dem Verkaufs-
158
erlöse vor der Befriedigung der Kläger zu entheben (und, so-
weit der Beklagte die Hypothekarschulden abgelöst habe,
an diesen, im übrigen an die Hypothekargläubiger zu ent-
richten). Dagegen könne der Beklagte Rückzahlung der von
ihm angeblich an oder für Th. auf den Kaufpreis geleisteten
Zahlungen aus dem Kauferlöse nicht verlangen, da einerseits
hinsichtlich der meisten dieser behaupteten Zahlungen nicht
erwiesen sei, dass dieselben auf Rechnung des Kaufpreises
geleistet worden seien, und da übrigens, auch wenn dieser
Beweis geleistet wäre, nicht, wie nach Art. 291 leg. cit. er-
forderlich wäre, dargethan sei, dass die fraglichen Beträge
sich noch in Händen des Schuldners befinden oder dieser da-
durch bereichert sei. Aus diesem Grunde sei auch die Rück-
forderung der vom Beklagten bezahlten Handänderungsgebühr
ausgeschlossen. Was die auf die Grundstücke gemachten
Verwendungen anlange, deren vorzugsweise (der Befriedigung
der Kläger vorgehende) Erstattung aus dem Steigerungserlöse
der Beklagte verlange, so könnte sich fragen, ob dieser An-
spruch nicht berechtigt sei, wenn feststünde einerseits, dass
die betreffenden Reparaturen zur Zeit des Kaufes notwendig
waren oder doch notwendig wurden, bevor die Gläubiger im
ordentlichen Laufe der Dinge die Verwertung der Grund-
stücke hätten durchführen können, andererseits, dass die
Nichtausführung der Reparaturen den Steigerungserlös unter
den Wert der Grundstücke zur Zeit des angefochtenen Kaufs
herabgedrückt hätte. Allein dies sei nun eben nicht bewiesen.
Zweitellos sei immerhin, dass die Reparaturen den Wert der
Grundstücke erhöht haben. Dieser Mehrwert werde in dein
Mehrerlös zum Ausdruck kommen, welchen die gerichtliche
Versteigerung über den Wert von Fr. 7000, den die Grund-
stücke zur Zeit des Kaufes besessen haben, hinaus ergeben
werde. Dieser Mehrerlös gebühre natürlich dem Beklagten,
während der Betrag von Fr. 7000 zunächt zur Zahlung der
zur Zeit des Kaufes bestehenden Hypothekarschulden in Kapi-
tal und Zinsen, sodann zur Tilgung der klägerischen Forderung
an Kapital und Zinsen und Betreibungskosten zu verwenden
und dann ein eventueller Ueberschuss ebenfalls dem Beklagten
auszuhändigen sei. (Entsoh. vom l.März 1900 i. S. Bornaud-
Hössli c. Poillard und Addor.)
91. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889. Art. 287 Abs. 2. Bei einem durch Stellvertreter
geschlossenen Geschäfte schadet der böse Glaube des Vertreters
159
(das Wissen desselben von der Übeln Vermögenslage des Schuldners)
dem Vertretenen.
Es genügt zur paulianiscben Anfechtung einer Rechts-
handlung des Schuldners nach Art. 287 Betreib.-Ges., wenn
beim Vertreter des Gläubigers die zur Anfechtung erforder-
lichen subjektiven Voraussetzungen vorhanden sind. Zwar
würde der Wortlaut des Gesetzes für eine engere Auffassung
sprechen, indem derselbe dahin gebt, es sei die Anfechtbarkeit
ausgeschlossen, wenn der Begünstigte beweist, dass er die
Vermögenslage des Schuldners nicht gekannt hat. Allein
sobald aut den Sinn und Zweck der Bestimmung zurückge-
gangen und sobald ferner berücksichtigt wird, dass nach eidg.
Privatrechte regelmässig die Handlung des Vertreters den
Vertretenen direkt bindet (s. Art. 36 und 46 ü. R.), so muss
Art. 287 Abs. 2 ausdehnend dahin interpretiert werden, dass
iin Falle einer Stellvertretung des Begünstigten der Geschäfts-
herr für die reprobierte Gesinnung des Vertreters einzustehen
und das Risiko der Anfechtbarkeit des Geschäfts aus dem
Bewusstsein desselben zu übernehmen hat. Darnach hatte denn
vorliegend der Beklagte, um 6ich von der Anfechtungsklage
zu befreien, ausser seiner Unkenntnis auch nachzuweisen,
dass s e in Sohn, als er den G. Seh. zur Ausstellung des
Versicherungsbriefes (nicht gerade im Auttrage, aber mit
dem Wissen und unter der nachträglichen Genehmigung des
Vaters) veranlasste, von der Vermögenslage desselben keine
Kenntnis hatte (vergi. Co sack, Anfechtungsrecht S. 94 f.;
Menzel, Anfechtungsrecht S. 97 f. ; Entsch. d. deutsch. Reichs-
gerichts in Civilsachen Bd VII S. 37 f.). (Entsch. vom
11. April 1900 i. S. Konkursmasse Schlegel c. Maggion.)
92. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art. 287, Ziffer 1 und 2, 288. Begriff des
„üblichen Zahlungsmittels" Abtretung von Forderungen ist regel-
mässig kein solches. Die Abtretung von Forderungen zahlungs-
halber oder an Zahlungsstatt ist nicht anfechtbar, wenn der
Schuldner sich dazu schon bei der Begründung des durch die
Abtretung zu tilgenden Forderungsrechtes (mehr als sechs Monate
vor der Pfändung oder der Konkurseröffnung) verpflichtet halte.
FrauEmma M.-F., welche in Bern ein Baugeschäft betreibt,
trat am 25. November 1897 dem Kaufmann J. J. Pf. in Burg-
dorf „von ihrem Bauguthaben an die Herren J. S. und gemäss
Bauvertrag vom 29. Juni 1897 eine Summe von Fr. 4000"
unter Anzeige an die Drittschuldner förmlich ab, „mit Erkennen,
160
den Gegenwert von Pf.-D. erhalten zu haben in Lieferungen,
dafür quittierend." Diese Abtretung wurde von mehreren
Gläubigern der Frau E. M.-F., welche provisorische Verlust-
ßcheine gegen dieselbe erwirkt hatten, unter Berufung auf
Art. 287 Ziff. 2 und Art. 288 des Bundesgesetzes gerichtlich
angefochten. Die Klage wurde vom Bundesgerichte in Be-
stätigung des Entscheids des Appellations- und Kassations-
hofes des Kantons Bern abgewiesen. Aus den bundesgericht-
lichen Entscheidungsgründen ist hervorzuheben:
Die Vorinstanz hat die Klage aus Art. 287 Betr.-Ges.
deshalb abgewiesen, weil die Abtretung von Guthaben des
Bauunternehmers an den Bauherrn zur Bezahlung von Material-
lieferungen in Bern ein übliches Zahlungsmittel sei, während
sie annimmt, dass im übrigen die sämtlichen Voraussetzungen
der Anfechtbarkeit nach Art. 287 zutreffen. Würde nun wirk-
lich das Schicksal der Klage aus Art. 287 davon abhängen,
ob eine Abtretung, wie sie hier vorliegt, als ein zur Tilgung
einer Geldschuld übliches Zahlungsmittel betrachtet werden
könne, so müsste die Berufung geschützt und die Klage gut-
geheissen werden Art. 287 Ziff. 2 will, wenn darin die
Tilgung einer Geldschuld auf andere Weise als durch Bar-
schaft oder durch anderweitige übliche Zahlungsmittel als an-
fechtbar erklärt wird, offenbar diejenigen Tilgungsarten der
Anfechtung unterstellen, die den Charakter des Abnormalen
an sich tragen, durch welche der Schuldner seinem Vermögen
etwas entfremdet, das sonst, normalerweise, bei dem spätem Zu-
sammenbruch zur ge8etzm aasigen Befriedigung der Gesamtheit
der Gläubiger oder anderer Gläubiger dienen würde. Dieser
Gesichtspunkt trifft an sich auch zu auf die zum Zwecke der
Tilgung einer Geldschuld erfolgte Abtretung einer gewöhn-
lichen Forderung. Es ist etwas von der Norm, von der Regel
abweichendes, wenn eine Geldschuld statt mit Geld oder
Geldes wert, durch Ueberlassung eines persönlichen Anspruchs
des Schuldners an einen Dritten getilgt wird; und erfahrungs-
gemä88 dienen gerade solche Geschäfte häufig dazu, die andern
Gläubiger zu schädigen, bezw. dem einen einen gesetzwidrigen
Vorteil zu verschaffen. Allerdings stellt nun das Gesetz bei
der Frage, was ein zulässiges Zahlungsmittel sei, auf die
Uebung ab, indem es bestimmt, dass Tilgung durch übliche
Zahlungsmittel der Tilgung mit Barschaft gleichstehe und
der Anfechtung nach Art. 287 entrückt sei. Es wäre darnach
denkbar, dass die Abtretung einer Forderung zur Tilgung
einer Geldschuld, trotzdem gewöhnliche Forderungen ihrem
Wesen nach nicht hiezu bestimmt sind, nicht unter Art- 287
161
fallen würde, dann nämlich, wenn die Ausnahme an einem
bestimmten Orte oder in einem bestimmten Geschäftszweige
durch Uebung zur Regel des Verkehrs geworden sein sollte.
Dies könnte jedoch nur dann angenommen werden, wenn die
Abtretung von Forderungen zur Tilgung von Geldschulden
an einem gewissen Orte oder in einem gewissen Geschäfts-
zweige offenkundigerweise derart gebräuchlich wäre, dass
im Verkehr ganz allgemein damit gerechnet wird, und dass
diejenigen, welche Kredit gewähren, darin durchwegs nichts
ausserge wohnliches und besonderes erblicken. Eine solche
Uebung ist aber im vorliegenden Falle nicht ausgewiesen.
Der Experte, auf den sich die Vorinstanz beruft, erklärt
selbst, dass im Verkehr zwischen Lieferanten von Bau-
materialien und Unternehmern unter gut fundierten Firmen
die Bezahlung in bar das Gebräuchliche sei, und wenn
er weiter anführt, es werde gegenüber Unternehmern, die über
einen grössern Betriebsfond nicht verfügen, für die „Sicherung"
von Guthaben an solche Kunden „nicht selten" das Mittel
der Abtretung benutzt, oder weiter, es sei diese da üblich,
wo Barzahlung, Anweisung auf Banken, Verpfändung von
Titeln u. 8. w. nicht erfolgen können, und wo der Kredit des
Kunden dem Lieferanten nicht genüge, so folgt hieraus doch
geradezu, dass die Abtretung auch in Bern und in der frag-
lichen Branche eben nicht allgemein als Zahlungsmittel üblich
ist, sondern nur unter besondern Umständen von einzelnen
Unternehmern den Lieferanten gegenüber als solches benutzt
wird. Auch dort haftet somit einem solchen Geschäfte der
Charakter des Abnormalen an, der es, sofern die übrigen
Voraussetzungen des Art. 287 Betr.-Ges. zutreffen, der An-
fechtung seitens der Gläubiger des Abtretenden aussetzt.
Trotzdem muss die Klage aus Art. 287 Betr.-Ges. ab-
gewiesen werden : Die Rechtshandlungen, die hier als anfecht-
bar bezeichnet werden, sind solche, mittels deren der Schuldner
einem Gläubiger Befriedigung oder Sicherung gewährte, die
er nicht, oder noch nicht, oder nicht in der Art zu leisten ver-
pflichtet war. Seine Verpflichtungen in normaler Weise zu
erfüllen, ist dem Schuldner durch Art. 287 nicht verwehrt,
nur besondere Vorteile, zu denen er nicht verpflichtet war,
darf er einzelnen Gläubigern in der kritischen Zeit von
6 Monaten vor der Pfändung oder Konkurseröffnung nicht
mehr zukommen lassen. Nun hat der Beklagte Pf. behauptet,
und die Vorinstanz erklärt es als bewiesen, dass ihm von
Frau M. die Abtretung der Forderung auf Sp. schon bei
Eingehung des Lief er ungs Vertrages und jedenfalls mehr als
162
6 Monate vor dem massgebenden Zeitpunkte zugesichert worden
sei, ja, dass Pf. überhaupt nur unter dieser Bedingung die Lie-
ferungen an Frau N. übernommen habe. Dass dieses pactum
de cedendo unverbindlich gewesen wäre, ist von den Klägern
nicht geltend gemacht worden. Frau M. erfüllte daher ledig-
lich eine ihr obliegende, rechtliche Verpflichtung, wenn sie
am 25. November 1897 die Forderung auf Sp. förmlich an Pf.
abtrat. Ein solches Verhalten fällt aber nicht unter Art. 287
Betr.-Ges., gleichviel, ob man annehme, die Abtretung sei
zahlungshalber oder sie sei an Zahlungsstatt erfolgt. Als
Deckungsgeschäft betrachtet wird dieselbe durch Ziff. 1 nicht
betroffen, weil hier, abgesehen davon, dass nur von der Be-
gründung eines Pfandrechts die Bede ist, ausdrücklich nur
solche Sicherstellungen als anfechtbar erklärt sind, zu denen
der Schuldner nicht schon vorher verpflichtet war. Und wenn
man darin ein Tilgungsgeschäft erblickt, so trifft Ziff. 2 nicht
zu, weil es sich nicht um die Tilgung einer Geldschuld handelt,
da von vornherein als Gegenleistung für die Lieferungen des
Pf. die Ueberwei8ung der Forderung auf die P. versprochen
war. (Entsch. vom 14. Februar 1900 i. S. v. Wattenwyl und
Genossen c. Pfister-Dür.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
93. Unerlaubte Handlung. Haftung der Vvlocipedisten
aus Art. 50 q. OR.
Bern. Urteil des App.- und Kass.-Hofes vom 7. September ltt99 i. S.
Wwe Luginbühl c. Finger.
Nachdem wir iui vorigen (XVII.) Bande der Revue unter
Nr. 108 ein Genfer Urteil mitgeteilt haben, das in einer
unseres Erachtens unzulässigen Weise den Unfug, der von
Velocipedi8ten getrieben wird, unter seinen Schutz genommen
hat, geben wir jetzt Kenntnis von diesem Berner Entscheide,
der die Sache offenbar richtiger anpackt.
Ein Velocipedist hatte in rascher Fahrt, da er einem
heranziehenden Gewitter enteilen wollte, und im Umbiegen
um eine Strassenecke, wobei er .dicht an das Trottoir fuhr,
eine Frau, die ihrem kleinen Kinde von dem Trottoir her-
unterhelfen wollte, überfahren und schwer verletzt. Er ent-
schuldigte sich damit, dass er Warnungszeichen gegeben habe.
Der Appellationshof aber bezeichnete sein Verhalten als ein
grobfahrlässiges, als eine Unterlassung der Aufmerksamkeit,
die jedem normal veranlagten Menschen zugemutet werden
darf, und bemerkt weiter:
163
Wenn ein Mitverschulden der Klägerin darin erblickt
werden will, dass sie sich nicht gehörig umgesehen und der
Strasse (woher der Velocipedist kam) den Rücken zugekehrt
habe, so ist zu sagen, dass doch dem Fussgänger nicht zu-
gemutet werden darf, nach allen Seiten Umschau zu halten,
ob nicht etwa ein Velofahrer in Sicht sei, und seine Stellung
darnach einzurichten. Es haben sich vielmehr die Velofahrer
nach dem Publikum zu richten und die zum Sohutze der
letzteren aufgestellten polizeilichen Vorschriften streng und
gewissenhaft zu befolgen.
(Zeitschr. des Bern. Jur.- Vereins, XXXVI S. 270 ff.)
94. Compensation d'une créance actuellement prescrite.
Effet rétroactif. Art. 138 C. 0.
Genève« Jugement de la Cour de justice civile du 21 avril 1900 d.
1. c Barnoud c. Vve Raisin.
Barnoud a intenté à veuve Raisin, sage-femme, une
action en paiement de fr. 36.50 Vve Raisin a fait valoir
une exception de compensation entre la créance de Barnoud
et une créance quelle avait elle-même contre Barnoud pour
soins donnés à la femme de ce dernier. Barnoud a soutenu
que cette exception n'est pas fondée, parce que la créance
de l'intimée était prescrite. Il a été établi que les soins
données par Vve Raisin à la femme du demandeur ont eu
lieu le 31 janvier 1894, que la dette était par conséquent
prescrite le 31 janvier 1899, et que la compensation a été
opposée, pour la première fois, par dame R. par écriture du
4 octobre suivant. Les deux instances ont admis la compen-
sation, la Cour par les motifs suivants:
Attendu que l'art. 138 0. 0. dispose que, lorsque le dé-
biteur fait connaître au créancier son intention d'user du
droit d'opposer la compensation, les deux dettes sont réputées
éteintes jusqu'à concurrence du montant de la plus petite
depuis l'instant où elles étaient susceptibles de se compenser;
Attendu que cette disposition permet d'opposer la com-
pensation lorsque la oréance prescrite ne l'était pas encore
au moment où le créancier est devenu débiteur de son débi-
teur, ce qui est le cas dans l'espèce, puisque les travaux dont
Barnoud réclame le prix remontent au 20 mars et au
18 avril 1896;
Attendu, il est vrai, que M. Rössel, dans son Manuel
p. 184, soutient l'opinion que, du moment que le C. 0. exige
une déclaration de la volonté de compenser, cette déclaration
ne peut avoir d'effet que si elle a pour cause une créance
164
non éteinte, une créance exigible, ce qui n'est pas le cas
pour une créance prescrite, mais qu'il ajoute que le C. 0.
décide que la compensation, une fois opposée, rétroagit jus-
qu'à l'instant où les deux dettes étaient susceptibles de se
compenser et que c'est là une disposition bien singulière et
qui rapproche beaucoup, en définitive, le système du C. 0.
de celui du droit français;
Attendu que cette disposition n'est singulière que si on
admet l'opinion de M. Rössel, d'après laquelle on ne pourrait
pas compenser en vertu d'une créance prescrite, même si cette
créance ne l'était pas au moment où le droit de compenser
a pris naissance;
Qu'il est, au contraire, à tel point conforme au bon sens
et à l'équité que, dans ce cas, la compensation puisse être
opérée, que l'on conçoit très bien que le législateur, tout en
repoussant le système de la compensation de plein droit du
droit français, ait voulu cependant laisser à la partie pour-
suivie le droit d'invoquer, pour la compensation, une créance
dont elle aurait pu exiger de la partie poursuivante le paie-
ment à l'époque où elle est devenue sa débitrice.
Que c'est ainsi que le Code civil de l'empire d'Alle-
magne, qui exige comme le G. 0. une déclaration de la
volonté de compenser pour que la compensation s?opère, après
avoir dit au § 390 qu'une créance qui est sujette à une
exception ne peut être compensée, ajoute: „la prescription
n'exclut pas la compensation lorsque la créance prescrite ne
Tétait pas au moment où elle pouvait être opposée en com-
pensation à l'autre créance;"
Qu'il faut donc décider que la veuve Raisin est fondée
à opposer la compensation malgré l'exception de prescription
soulevée par Barnoud. (La Semaine judiciaire, XXII p. 378 88.)
95. Vertrag oder Vereinsbeschlussî Einfache Gesell-
schaft? Art. 524 0. R.
Ciraubüntlen. Urteil de* Kantousgeriehts vom 5. Mai 1899 i. S.
Theii88 & Comp. c. Bücheli & Comp.
Zwischen den Inhabern der Coiffeurgeschäfte in Chur
kam folgende Uebereinkunft zu stände:
Unterzeichnete Kollegen des Coiffeur -Prinzipalen -Vereins
versprechen sich gegenseitig untenstehende Artikel dann inne-
zuhalten, wenn sämtliche Prinzipale unterzeichnet haben:
1
2. Die Magazine werden vom 1. April bis Ende September
an Sonn- und allgemeinen Festtagen am 12 Uhr und vom
1. Oktober bis Ende März um 2 Uhr geschlossen.
165
4. Uebertretnng dieser Urkunde steht unter derselben Eon-
ventionalbusse wie die des Preistarifs.
Der Art. 4 ist durchgestrichen. Das Uebereinkommen
ist von sämtlichen Klägern und Beklagten unterzeichnet,
trägt aber kein Datum. Der Präsident des Vereins bestätigt
unterm 16. Juni 1898, dass eine Urkunde, die im wesent-
lichen obigen Inhalt hatte, von sämtlichen Prinzipalen in
Chur unterzeichnet worden sei. Die in Ziffer 4 erwähnte
Uebertretung des Preistarifs steht laut Vertrag vom 14. Juni
1898 unter einer Konventionalbusse von 500 Fr.
Arn ö. August 1898 versprachen sich mehrere Kollegen
des Vereins, einige das Uebereinkommen abändernde Artikel
dann innezuhalten, wenn sämtliche Prinzipale unterzeichnet
haben. Dieses neue Uebereinkommen ist nur von sechs Prin-
zipalen unterzeichnet worden.
Am 26. August 1898 Hess der Präsident des Vereins
allen Prinzipalen durch seinen Angestellten ansagen, das
Komite des Vereins habe beschlossen, die Coiffeure dürfen
angesichts der bevorstehenden Truppenbesammlung für die
Herbstmanöver am nächsten Sonntag nach Belieben offen
halten. Hiegegen protestierte keiner. Einen einzigen (Dei-
ninger) hat der Angestellte nicht angetroffen, aber die Mit-
teilung hat er in dessen Geschäft zurückgelassen. Der
Coiffeur -Gehilfen -Verein seinerseits beschloss an demselben
26. August, es sei an fraglichem Sonntage nicht zu arbeiten.
Theuss und Kons., die Kläger, schlössen ihre Geschäfte
am 28. August mittags 12 Uhr; Bücheli und Kons., die Be-
klagten, Hessen ihre Geschäfte am Nachmittag offen. Des-
halb Klage der ersteren gegen die letzteren auf Anerkennung
des Vertrags vom 16. Juni und solidarische Verurteilung der
Beklagten zu der Konventionalstrafe von 500 Fr. Die Kläger
machen geltend, die Uebereinkunft vom 16. Juni bestehe zu
Recht, die Novelle vom 5. August habe sie nicht aufgehoben ;
der Art. 4 gelte, weil er erst nach der Unterzeichnung durch-
gestrichen worden sei. Der Coiffe ur-Prinzipal en- Verein bilde
eine einfaohe Gesellschaft im Sinne des Art. 524 0. R., das
Uebereinkommen sei ein Gesellschaftsbeschluss und könne
nach Art. 532 O. B. nur durch einen einstimmigen Beschluss
abgeändert werden ; ein solcher liege nicht vor. Die Be-
klagten spraohen dem Uebereinkommen vom 16. Juni jede
rechtliche Bedeutung ab, es sei kein Vertrag, kein Gesell*
Schafts- und kein Vereinsbeschluss; die Ziffer 4 sei vor der
Unterzeichnung gestrichen worden, gelte also nicht. Die
13
166
angebliche Verletzung vom 28. August beruhe auf besonderer
Abmachung, mit der alle Prinzipale einverstanden gewesen seien.
Das Kantonsgerioht hat die Reohtsbeständigkeit des
Uebereinkommens angenommen, nicht aber dessen Verletzung,
und demgemäss die Kläger abgewiesen.
G rund e: Das Uebereinkommen (rom 16. Juni) ist äusser-
lich richtig zu stände gekommen und leidet an keinem inneren
Mangel, der der Giltigkeit des Rechtsgeschäfts hindernd
im Wege stände. Es wurde auch selbstverständlich durch die
Novelle vom 5. August, die ungiltig ist, weil sie nur sechs
Prinzipale unterzeichneten, nicht abgeändert. Den rechtlichen
Charakter der Uebereinkunft betreffend ist zu erwägen, dass
der Coiffeur- Prinzipal en- Verein keine Gesellschaft im Sinne
der Titel 24—27 0. R. bildet. Er ist auch keine einfache
Gesellschaft im Sinne des Titels 23, weil das Requisit der
Gemeinsamkeit der Mittel und Kräfte zur Erreichung eines
gemeinsamen Zweckes fehlt. (Art. 524 0. R.) Das Ueber-
einkommen ist daher kein Gesellschaftsbeschluss. Die In-
haber der Coiffeurge8chäfte haben die Uebereinkunft als
Mitglieder des Coiffeur - Prinzipalen -Vereins unterzeichnet ;
«es fragt sich daher, ob dieselbe ein blosser Vereinsbeschluss
oder ein Vertrag sei. Diese Frage ist im Sinne des
Vertrages zu beantworten. Denn trotzdem das Ueber-
einkommen von den Parteien als Mitgliedern des Vereins
unterzeichnet worden ist, so muss aus dessen Inhalt und
Form geschlossen werden, dass der Wille der Kontrahenten
auf einen Vertrag gerichtet war. Auf den Vertragswillen
deutet insbesondere die stipulierte Konventionalstrafe und die
Klausel, dass das Uebereinkommen erst dann gelten solle,
wenn alle Prinzipale unterschrieben haben.
Die Abweichung von diesem Uebereinkommen, die am
28. August seitens der Beklagten stattfand, war eine erlaubte,
wenn die abändernde Vereinbarung vom 26. August giltig
ist. Nun haben sämtliche Prinzipale entweder ausdrücklich
oder stillschweigend der Abweichung zugestimmt; das Still-
schweigen Deiningers durfte angesichts der Truppenbesamm-
lung, die eine ausnahmsweise Abweichung von dem Ueber-
einkommen rechtfertigt, ebenfalls als Zusage angesehen werden.
Die Resolution des Coiffeur-Gehilfen- Vereins als eines un-
bekannten Dritten kann daran nichts ändern. Die Formalität
der Schriftlichkeit war für den Abänderungsbeschluss gemäss
Art. 12 0. R. nicht erforderlich. Die Abweichung vom
28. August war also kein Vertragsbruch.
(Civilnrteile des KantonsgerichtB Graubünden i. J. 1899, S. 58 ff.)
167
96. Aberkennungsklage. Unzulässig krit der Verbindung
einer Widerklage mit derselben. Art. 83 B.-6. über Schuld b.
und Konk.
Zürich. Urteil der Appellationskammer des Obergerichts vom 7. Juni
1898 i. S. Dill c. Müller.
Müller hat gegen den in Basel wohnhaften Dill gericht-
liche Klage im Sinne des Art. 83, Ziff. 2 des. B.-G. betr.
Schuld betr. u. Konk. eingeleitet auf Aberkennung einer For-
derung von Fr. 918.18, für deren Geltendmachung der Gläu-
biger Dill provisorische Rechtsöffnung erlangt hatte. Dabei
stellte der Kläger M. im Aberkenn ungsprozesse gleichzeitig
gegen den Beklagten eine Gegenforderung im Betrage von
Fr. 3478 in erster Linie als selbständige Widerklage, even-
tuell verlangte er Zulassung derselben zur Kompensation, so-
weit die gegnerische Forderung durch Abweisung der Ab-
erkennungsklage Schutz finden sollte, mit Vorbehalt des
Rechtes, den Widerbeklagten für den Rest an seinem Wohn-
orte zu belangen.
Von Seiten des Dill wurde Abweisung der Aberkennungs-
klage beantragt und die Gegenforderung des M. bloss im
Betrage von Fr. 18 anerkannt, im übrigen das Begehren ge-
stellt, dass dieselbe wegen Unzuständigkeit des Gerichtes,
eventuell aus materiellen Gründen verworfen werde.
Durch Be8chlu88 vom 23. April 1898 hat das Bezirks-
gericht die Inkompetenzeinrede des D. abgewiesen. Der
letztere beschwert sich hierüber mit dem Antrag, den ange-
fochtenen Beschluss aufzuheben und festzustellen, dass das
hiesige Bezirksgericht nicht kompetent sei, auf die Gegen-
forderung des M. (Widerklage) einzutreten. Die Beschwerde
wurde als begründet erklärt, und demnach die Klage, so-
weit damit neben der Aberkonnungsklage ein selbständiges
Rechtsbegehren gestellt wurde, wegen Inkompetenz von der
Hand gewiesen.
Gründe: Der Beschwerdeführer ist nach Art. 59 der
Bundesverfassung berechtigt zu verlangen, dass er für per-
sönliche Ansprachen vor dem Richter seines Wohnortes ge-
sucht werde, und es unterliegt keinem Zweifel, dass die
Forderungen, welche der Beschwerdegegner M. in dem vor Be-
zirksgericht Sorgen obschwebenden Prozesse gegen ihn geltend
macht, sich als derartige Ansprüche qualifizieren. Mit Rück-
sicht hierauf könnte der Beschwerdegegner einen selb-
ständigen Klageanspruch auf Bezahlung dieser Forderung vor
dem Richter seines eigenen Wohnortes nur in der Form
einer Widerklage gegenüber einer gerichtlichen, konnexen
168
Klage des D. anbringen, gemäss der durch Entscheide der
Bundesbehörden festgestellten bundesrechtlichenPraxis (Blumer-
Morel, Schweiz. Bundesstaatsrecht, III. Ausgabe, Bd V 8.555
und § 219 des Gesetzes betr. die Rechtspflege, mit den in
Sträuli's Kommentar und Supplement angeführten Präjudi-
katen). Diese Voraussetzung mangelt indessen im vorliegen-
den Falle, da M. selbst Hauptkläger ist und also eine
Widerklage in dem von ihm angehobenen Prozesse der Natur
der Sache nach nicht stellen kann. Die Thatsache, dass er
mit der Aberkennungsklage eine von D. auf dem Wege des
Rechtstriebes an ihn gerichtete Forderung mittelst Kompen-
sationseinrede zurückzuweisen versucht, ist nicht geeignet,
ihm die dem Beklagten für die förmliche Widerklage ge-
währte, privilegierte Rechtsstellung zu verschaffen, schon des-
wegen nicht, weil die Zulassung der Widerklage am Wohn-
ort des Hauptklägers eine Ausnahme von einer allgemeinen
Rechtsregel bildet und, nicht ausgedehnt werden kann auf
analoge Verhältnisse (Blumer-Morel a. a. 0. S. 556 und A.
Schoch, Art. 59 der Schweiz. Bundesverfassung S. 169), im
weitern aber auch mit Rücksicht auf die Natur der Ab-
erkennungsklage als einer aus dem besondern Rechte der
Schuldbetreibung entstandenen, nicht mit der gewöhnlichen
Civilklage für persönliche Ansprachen identischen Art der
Rechtsverfolgung.
Die Beschwerde ist sonach als begründet zu erklären
mit Bezug auf das vom Beschwerdegegner neben der Ab-
erkennungsklage selbständig geltend gemachte Klagebegehren
(im Betrage von Fr. 3460), zu dessen Beurteilung dem Bezirks-
gerichte die Kompetenz mangelt. Dagegen ist es selbst-
verständlich zulässig, dass der Kläger M. die eingeklagte
Forderung zur Begründung seiner Aberkennungsklage mittelst
Kompensation der — wie es scheint von ihm an sich an-
erkannten — Forderung des Beklagten verwende, und muss
daher, soweit dies geschieht, d. h. bezüglich des Betrages,
der zur Kompensation erforderlich ist, vom Bezirksgericht
über diese Forderung entschieden werden.1)
(Schweizer Blätter f. h.-r. Entsch., XVII S. 182 f.)
') Vergi, zu diesem Falle die in der Revue XVI Nr. 55 a und b mit-
geteilten Urteile und die Anmerkung dazu.
I. Alphabetisches Sachregister.
Aberkennungsklage, nicht mit Widerklage verbindbar, Nr. 96.
Aberkennungsprozess, Beweislast, Nr. 89.
Ablieferung eines erstellten Gebäudes, Nr. 38.
Abtretung, schriftliche Beurkundung, Nr. 10; grundversicherter
Forderungen, Nr. 54 ; eines Hypothekartitels an Zahlungsstatt,
Nr. 84; von Forderungen kein übliches Zahlungsmittel, Nr. 92;
Â. der Forderung liegt nicht in der Wechselbegebung, Nr. 13.
Aktenwidrigkeit, thatsächliche Feststellungen kantonaler Gerichte
durch das Bundesgericht zu prüfen, Nr. 2.
Aktivlegitimation , der Brandversicherungsanstalt gegen den
Schädiger, Nr. 82.
Anfechtbarkeit, wegen Furchterregung, Nr. 54 ; der Abtretung von
Forderungen an Zahlungsstatt, wann? Nr. 92.
Anfechtung, von Rechtshandlungen, Benachteiligungsabsicht, Er-
kennbarkeit, Nr. 90; ausser Konkurs, Wirkung, Nr. 90; böser
Glaube des Stellvertreters, Nr. 91 ; der Verteilungsliste im
Konkurs, Nr. 20.
Anfechtungsklage, rechtliche Natur, Nr. 48; Streitwert, Nr. 29.
Anleihe, öffentliche, rechtliche Natur, Nr. 83.
Anschlussbahn, Pflicht zn Zinsvergütung für Mitbenutzung der Haupt-
bahn, Nr. 43.
Anweisung, nicht anwendbar auf Tratten, Nr. 13.
Anwendbarkeit, eidgenössischen Eechts, bei Revisionsbegehren gegen
bundesgerichtliche Urteile, Nr. 1 ; bei Ansprüchen wegen un-
gerechtfertigter Bereicherung, Nr. 35 ; bei Vergleich, Nr. 54 ;
auf sachenrechtliche Verhältnisse der Eisenbahngrundstücke,
Nr. 67 ; bei Abtretung von Hypothekartiteln an Zahlungsstatt,
Nr. 84.
kantonalen Rechts, auf vollmachtlose Stellvertretung bei
Liegenschaftskanf, Nr. 34; auf Willensniängel (Betrug) bei
Liegenschaftskauf, Nr. 37 ; auf Simulation bei kantonalrecht-
lichen Rechtsgeschäften, Nr. 40; auf Abtretung grundver-
sicherter Forderungen, Nr. 54 ; bei Bürgschaft auf den Todes-
fall, Nr. 85.
auswärtigen Rechts, bei Vindikation gestohlener Inhaber-
papiere, Nr. 36.
170
Arrest, Schadenersatz für ungerechtfertigten A., Nr. 77.
Ausländische Gerichte für Ehescheidung von Schweizerbürgern,
Nr. 28.
Auszeichnungen, gewerbliche, unbefugte Verwendung civilrechtlich
verfolgbar, Nr. 87.
Bereicherung, ungerechtfertigte, nach eidg. R. zu beurteilen, Nr. 35.
Berufung an das Bnndesgericht gegen Hanpturteile, Zwischenent-
scheide, Nr. 29, 30; Streitwert, Nr. 29, 30; gegen einzelne
Mitkläger, Nr. 30 ; ziffermässige Angabe der Beschwerdesumme,
Nr. 31.
Betrug, berechtigt zu Vertragsaufhebung, nicht zu Schadenersatz,
Nr. 22 ; bei Liegenschaftskauf unter kantonalem Recht stehend,
Nr. 37 ; Einrede, Voraussetzungen, Nr. 4.
Beurkundung, schriftliche, der Abtretung, Nr. 10.
Beweis, gegen ^tatsächliche Festetellungen des Strafrichters, Nr. 23 ;
bei Anfechtungsklage, Nr. 48 ; der Ausschliessung des Wahl-
rechts zwischen Vertragserfüllung und Konventionalstrafe,
Nr. 58.
Beweislast, bei Verantwortlichkeitsklage gegen Genossenschafts-
vorstände, Nr. 2 ; bei condictio indebiti, Nr. 35 ; bei Furchter-
regnng, Nr. 54 ; des Tierhalters, Nr. 56 ; für Verschlechterang
der Pachtsache, Nr. 59 ; bei Unglücksfällen im Dienstverhältnis,
Nr. 60; für Untergang von Obligationen, Nr. 84; für Contra-
hieren in eigenem Namen, Nr. 81 ; im Aberkennungsprocesse,
Nr. 89.
Boycot, s. Sperre.
Bringschuld oder Holschnld? Nr. 25.
Büchertitel, Urheberrecht, Nr. 55.
Bürgschaft, ob gültig bei lästigem Nebenvertrag des Schuldners?
Nr. 4; Sicherheitsverminderung durch den Gläubiger, Nr. 61;
Grenze der Haftpflicht des Bürgen, Nr. 62 ; Irrtum über Mit-
bürgschaft, Nr. 79; B. oder Verfügung von Todes wegen?
Nr. 85.
Check, Form, massgebendes Recht, Nr. 65.
Concurrence déloyale, s. Wettbewerb.
Condictio indebiti, Beweislast, Nr. 35.
Darlehen oder Gesellschaftsvertrag ? Nr. 63.
Deliktsfähigkeit, civilrechtliche, Nr. 82.
Dienstbarkeit, Ersitzung solcher am Eisenbahnkörper ausgeschlossen,
Nr. 67.
171
Dienstvertrag, oder Offerte zur Beteiligung an einem Wettbewerbe?
Nr. 12 ; Lolmanspruch bei Arbeitsverllinderung, Nr. 50; Pflichten
des Die ns therm, Nr. 60.
Di8po8itions8tellung der gekauften Ware, bindet die Konkursmasse
des Käufers, Nr. 86.
Dritte, Versicherungsvertrag zu Gunsten D., Nr. 74.
Ehemaklervertrag, wann unsittlich, Nr. 3.
Ehescheidung, von Schweizern im Auslande, Nr. 28.
Eigentumsklage, s. Vindikation.
Eisenbahn, Benutzung derselben durch eine Anschlussbahn, Nr. 43 ;
Haftpflicht bei Unfall auf Verbinduugsgeleisen, Nr. 69; bei
Unfall anlässlich Unterhalts des Bahnkörpers, Nr. 70.
Eisenbahnfrachtverkehr, bundesrätliche Erstreckung der Lieferfrist,
Nr. 88.
Erfindungspatente, Wesen der Erfindung, Nr. 45, 68.
Erföllungsinteresse, Nr. 34.
Erlöschen der Forderungen bei Nachlassvertrag, wann? Nr. 73.
Expropriation, Recht des Exproprianten auf Ausdehnung der Ent-
eignung, Nr. 42.
Fabrikbetrieb, s. Haftpflicht.
Fabrik- und Handelsmarken, Eechtsvermutung zu Gunsten des
ersten Hinterlegers, Nr. 46 ; unbefugte Verwendung von ge-
werblichen Auszeichnungen, Nr. 87.
Form, eines Cliecks, massgebendes Recht, Nr. 65.
Frachtvertrag, bundesrätliche Erstreckung der Lieferfrist, Nr. 88.
Freizeichen, Nr. 46.
Frist, für Wechselpräsentation und Protest, Nr. 41; für Geltend-
machung von Irrtum, keine Verjährungsfrist, Nr. 80.
Furchterregnng, Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäftes, Nr. 54.
Oehilfen, Begriff im Sinne von Art. 60 0. R., Nr. 7.
Gemeingut gewordenes Fabrikzeichen, Nr. 46.
Genossenschaft, Verantwortlichkeit der Direktoren, Nr. 2.
Gesellschaft, einfache oder Verein ? Nr. 95 ; Umwandlung ihres
Zweckes oder blosse Geschäft serweiternng ? Nr. 40; Anspruch
der Complementare auf Salär, Nr. 64 ; Betreibung der G. oder
des einzigen verantwortlichen Gesellschafters? Nr. 76.
Gesellschaftsvertrag, Ungültigkeit wegen Ausschlusses der Teilnahme
am Verlust, Nr. 63; G. oder Darlehn oder Schenkung? Nr. 63.
Glauben, guter, Erfordernisse bei Sacherwerb, Nr. 36; böser, des
Stellvertreters, Wirkung für den Vertretenen, Nr. 91.
--f*;v
172
Haftpflicht, fur Körperverletzung solidarisch, Nr. 7 ; Unzurechnungs-
fähiger für Schaden, Nr. 82 ; des Verkäufers für die zugesagte
Brauchbarkeit der Ware, Nr. 1 1 ; des Eigentümers von Tieren,
Nr. 24, 56 ; des vollmachtlosen Stellvertreters, Nr. 34 ; des
Pächters für Verschlechterung der Pachtsache, Nr. 59; des
Dienstherrn für Berufsgefahren der Arbeiter, Nr. 60; der
Velocipedisten, Nr. 93 ; der Gemeinden bei Untreue ihrer Be-
amten, Nr. 83.
aus Fabrikbetrieb, Nr. 16, 17; bei Hilfsarbeitern, Nr. 72;
Bindung des Civilrichters durch ein Strafurteil, Nr. 71;
Wegfall des Entschädigungsmaximums, Voraussetzung, Nr.7 1.
der Eisenbahnen, für beschädigte Sachen, Nr. 15; für Unfall
auf Verbindungsgeleisen, Nr. 69 ; für solchen bei Unterhalt
des Bahnkörpers, Nr. 70.
Handlungsvollmacht, Umfang, Nr. 2.
Heilungskosten, im Haftpflichtgesetz, Begriff, Nr. 16 ; Ersatzleistung
dafür pfändbar, Nr. 5 1 .
Hilfsarbeiter, Anwendbarkeit des Fabrikhaftpflicht gesetzes, Nr. 72.
Holschuld oder Bringschuld? Nr. 25.
Honorarvertrag oder Aufforderung zur Beteiligung an einer Kon-
kurrenz? Nr. 12.
Inhaberpapiere, gestohlene, Vindikabilität, Nr. 36.
Irrtum, wesentlicher oder im Motive? Nr. 4, 79; ausgeschlossen
durch Geschäftskenntnis, Nr. 21; über Bürgschaftsleistung von
Mitbürgen, Nr. 79.
Kauf, Haftpflicht des Verkäufers für die zugesagte Brauchbarkeit
der Ware, Nr. 1 1 ; zur Disposition gestellte Ware kann von
der Konkursmasse des Käufers nicht beansprucht werden,
Nr. 86 ; von Liegenschaften, unter kantonalem Rechte, Nr. 34, 37.
Kollektivgesellschaft, Vertretung bei Auflösung, Nr. 14; rechtliche
Natur, Nr. 75.
Kollokationsstreitigkeiten, Nr. 73.
Kommanditgesellschaft, Anspruch des Komplementars auf Salär, Nr. 64.
Kommissionär, Selbsteintrittsrecht, Voraussetzungen, Nr. 39.
Kompensation, verjährter Forderungen, Nr. 94.
Kompetenz, für Ehescheidung von Schweizerbürgern, Nr. 28.
Konfiskation, nachgebildeter Werke, rechtliche Natur, Nr. 18.
Konkurrenzverbot, Gültigkeit, Umfang, Nr. 32, 49; Interpretation,
Nr. 33.
Konkurs, anmeldbare Forderungen, Nr. 73; Aufhebung durch Nach-
lassvertrag, Nr. 20.
173
Konkursschuldner, verliert ausstehende Forderungen an die Masse,
Nr. 19.
Konkursverfahren, Verfügungsberechtigung der Konkursverwaltung
nach Schluss desselben, Nr. 89.
Konventionalstrafe, Nr. 32, 33, 49 ; K. oder Vertragserfüllung? Nr 58.
Kreditinformationen, Kreditschädigung, Nr. 5.
Iiehrlinge, Berufsgefahren, Nr. 60.
Lieferfrist, bundesrätliche Erstreckung bei Eisenbahnen, Nr. 88.
Liegenschaftskäufe, unter kantonalem Rechte, Nr. 34, 37.
Liquidation einer Kollektivgesellschaft, Wirkung betreffs Ver-
tretung, Nr. 14.
Markenschutz, s. Fabrikmarken.
Minderungsklage, wegen Betrugs, Nr. 22.
Mitbenutzungsrecht oder Miteigentum der Anschlussbahn am Bahn-
hofe der Hauptbahn ? Nr. 43.
Nachbildung, auch in anderem Kunstverfahren, unerlaubt, Nr. 18.
Nachdruck, unerlaubter, wann? Nr. 44.
Nachlass, am Pachtzins, Nr. 59.
Nachlassvertrag, Liquidation der Konkursverwaltung, Nr. 20 ; Soli-
darität Mitverpflichteter, Nr. 47 ; Wirkung auf Erlöschen der
Forderungen, Nr. 73.
Namen, Contrahieren in eigenem N., Beweislast, Nr. 81.
neues Vermögen, s. Vermögen.
Novation, liegt nicht in Wechselprolongation, Nr. 8; wiefern in
Vergleich über eine verjährte Forderung liegend, Nr. 26.
Pacht, Haftung des Pächters, Eemissionsanspruch, Nr. 59.
Patent, s. Erfindungspatent.
Phantasiezeichen, wann Freizeichen, Nr. 46.
Präsentations- und Protestfrist bei Wechsel, Nr. 41.
Prolongation eines Wechsels keine Novation, Nr. 8.
Quasischmerzengeld, Nr. 5.
Recht, eidgenössisches, kantonales, auswärtiges, 8. Anwendbarkeit.
Remission des Pachtzinses, Berechtigung, Nr. 59.
Retentionsrecht, des Vermieters, Verantwortlichkeit gegen den
Bürgen, Nr. 61.
Revision, gegen bundesgerichtliche Urteile, Nr. 1.
Rügefrist, bei Werkvertrag über Gebäudeerstellung, Nr. 38.
174
Schadenberechnung, abstrakte, Nr. 57.
Schadenersatz, wegen Betrugs, Nr. 22; auf Grund Strafurteils,
Nr. 23 ; für Heilungskosten, pfändbar, Nr. 51 ; bei Versiche-
rung, Verwirkung durch falsche Angaben, Nr. 66 ; für un-
gerechtfertigten Arrest, Nr. 77.
Schadenersatzsumme, Angabe bei Berufung an das Bundesgericht,
Nr. 31.
Schenkung oder Gesellschaftsvertrag? Nr. 63.
Schriftliche Beurkundung der Abtretung, Nr. 10.
Schweizerbürger, Ehescheidung im Auslande, Nr. 28.
Selbsteintrittsrecht des Kommissionärs, Voraussetzungen, Nr. 39.
Servitut, s. Dienstbarkeit.
Sicherheitsverminderung, Verantwortlichkeit des Gläubigers gegen
den Bürgen, Nr. 61.
Simulation, nach dem Rechte des betr. Rechtsgeschäftes zu beur-
teilen, Nr. 40.
Solidarforderung, im Nachlass verfahren, Nr. 47.
solidarische Haftpflicht von Gehilfen u. s. f. für Körperverletzungen,
Nr. 7.
Sperre (Boycot), ob rechtswidrig? Nr. 6.
Stellvertreter, dessen böser Glaube schadet dem Vertretenen, Nr. 91.
Stellvertretung, vollmachtlose, bei Liegenschaftskauf unter kanto-
nalem Recht stehend, Nr. 34.
Strafurteil, wiefern massgebend für den Civilrichter, Nr. 23, 71.
Streitwert, bei Anfechtungsklage, Nr. 29; bei Berufung an das
Bundesgericht, Nr. 29, 30; bei Kollokationsstreit, Nr. 73.
Sühnversuch, amtlicher, unterbricht die Verjährung, Nr. 9.
Thatsächliche Feststellung kantonaler Gerichte, Prüfung durch das
Bundesgericht, Nr. 2.
Tiere, Schaden von solchen, Haftpflicht, Nr. 24, 56.
Ceberschuldung, Begriff, Nr. 48.
Unfallversicherung, s. Versicherung.
Unpfändbare Gegenstände, Nr. 51.
Unsittlicher Vertrag, Begriff, Nr. 53, 78; Ehemaklervertrag, Nr. 3;
Konkurrenzverbot, wann? Nr. 32.
Unterbrechung der Verjährung, Nr. 9.
Unzurechnungsfähige, Schadenersatzpflicht, Nr. 82.
Urheberrecht, Umfang, Nr. 44; künstlerisches, Ausdehnung, Nr. 18;
litterarisches, Recht am Büchertitel, Nr. 55.
Velocipedisten, Haftpflicht, Nr. 93.
Verbindungsgeleise, unterstehen dem Eisenbahnhaftpflichtgesetze,
Nr. 69.
175
Vergleich, in Haftpflichtfällen anfechtbar trotz Verurteilung zur
Vergleichssumme, Nr. 17 ; wiefern Verjährung aufhebend, Nr. 26 ;
Anwendbarkeit des Obligationenrechts, Nr. 54.
Verjährung, Unterbrechung durch Ladung zu amtlichem Sühnversuche,
Nr. 9; wiefern durch späteren Vergleich aufgehoben? Nr. 26.
Verjährungserwerb von Servituten an Eisenbahngrundstücken, Nr. 67,
Verlustschein, Betreibung, Nr. 52; Wirkungen des im Pfändungs-
verfahren erlangten, Nr. 89.
Vermögen, neues, zu Betreibung berechtigend, Begriff, Nr. 52.
Verrechnung, s. Kompensation.
Verschulden, Voraussetzung der Haftpflicht aus Delikt, Nr. 82.
Versicherer, Klagrecht gegen den Schädiger, Nr. 82.
Versicherung, Verschweigung wichtiger Thatsachen, Nr. 27; falsche
Angaben, Folgen, Nr. 66; zu Gunsten Dritter, Nr. 74. .
Versteigerung, konkursrechtliche, von Gülten, Rechtsstellung des
Ersteigerers, Nr. 20.
Verteilungsliste im Konkurs, Anfechtung, Nr. 20.
Vertrag oder Vereinsbeschluss ? Nr. 95.
Vertragsaufhebung, wegen Betrugs, Nr. 22.
Vertragsinteresse, negatives, Nr. 34.
Verzug des Hauptschuldners, Einfluß s auf die Bürgschaft, Nr. 62.
Vindikation gestohlener Sachen, Nr. 36.
Wahlrecht zwischen Vertragserfüllung und Konventionalstrafe,
Nr. 58.
Wechsel, gezogene, nicht als Anweisung geltend, Nr. 13.
Wechselbegebung, enthält an sich nicht Abtretung der Forderung,
Nr. 13.
Wechselpräsentation, Frist, Nr. 41.
Wechselprolongation, keine Novation, Nr. 8.
Wechselprotest, Erfordernisse, Frist, Nr. 41.
Werkvertrag, Ablieferung bei Gebäuden, Rügefrist, Nr. 38.
Wettbewerb, unlauterer, bei Anwendung eines gleichen Bücher-
titels, Nr. 55.
Wettbewerbbeteiligung oder Dienstvertrag? Nr. 12.
Widerklage, nicht mit Aberkennungsklage verbindbar, Nr. 96.
Willensmängel, bei Liegenschaftskauf nach kantonalem Rechte be-
urteilt, Nr. 37.
Zahlungsmittel, übliche, Begriff, Nr. 92.
Zwischennrteile, Berufung an das Bundesgericht, Nr. 29.
176
IL Gesetzesregister.
Art.
L Obligationenrecht
16
Nr. 40.
Art. 198
Nr. 54.
17
„ 3.32.53.78.
»
199
, 86.
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* 84.
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r>
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„ 65.
177
Art. 725,
759,
Art. 827
Nr. 41.
762
Nr. 41.
» 830,
836 „ 65.
, 811,
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. 14.
818
. 41.
. 896
, 66-
, 823
» 65.
Art. 1 Nr. 18. 44.
„9 ,18.
11. Bundesgesetz betreffend Feststellung und Beurkundung
des Civilstands und die Ehe, vom 24. Dezember 1874.
Art. 43 Nr. 28.
III. Bundesgesetz über die Verbindlichkeit zu Abtretung von
Privatrechten, vom 1. Mai 1850.
Art. 5 Nr. 42.
IV. Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der
Litteratur und Kunst, vom 23. April 1883.
Nr. 55.
Art. 12 Nr. 44.
. 18 „ 18.
V. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken, vom 26. September 1890.
Art. 1, 3, 5 Nr. 46.
, 21, 22, 24—26 „ 87.
VI. Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente, vom
29. Juni 1888, revidiert den 13. März 1893.
Art. 1 Nr. 45. 68. ; Art. 10 Nr. 45.
VU. Bundesgesetz betreffend Bau und Betrieb der Eisen-
bahnen, vom 23. Dezember 1872.
Art. 30 Nr. 43.
Vili. Bundesgesetz betreffend Handhabung der Bahnpolizei,
vom 18. Februar 1878.
Art. 1 Nr. 67.
IX. Bundesgesetz betreffend die Rechtsverhältnisse der Ver-
bindungsgeleise, vom 19. Dezember 1874.
Art. 6, 33 Nr. 69.
X. Bundesgesetz betreffend den Transport auf Eisenbahnen,
vom 29. März 1893.
Art. 29, 39 Nr. 88.
XI. Transportreglement für die schweizerischen Eisenbahnen,
vom 11. Dezember 1893.
§ 69 Nr. 88.
XII. Internationale lieber einkunft über den Eisenbahnfracht-
verkehr, vom 14. Oktober 1890.
Art. 39 Nr. 88.
178
XIII. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahnen
und Dampf Schiffahrtsunternehmungen bei Tötungen und
Verletzungen, vom 1. Juli- 1875.
Art. 1 Nr. 69. 70.
2 , 15. 69.
3,7 „ 69.
Art. 8 Nr. 15. 69.
„9 » 15.
. 10 . 69.
XIV. Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken,
vom 23. März 1877.
Art. 5 Nr. 72.
XV. Bundesgesetz betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht
aus Fabrikbetrieb, vom 25. Juni 1881.
Nr. 72. Art. 6 Nr. 16. 17. 71.
XVI. Bundesgesetz betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht
und die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1881,
vom 26. April 1887.
Art. 2 Nr. 70. | Art. 9 Nr. 17.
XV 11. Bundesgesetz über Organisation der Bundesrechtspflege,
vom 22. März 1893.
Art. 57 Nr. 2. | Art. 67 Nr. 31.
, 58 , 29. 30. I „ 74 , 2.
„ 59 „ 29. 73. | , 81 „ 2. 29.
„ 60, 65 „ 30. I „ 95 „ 1.
XV11I. Bundesgesetz über das Verfahren bei dem Bundes-
gerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, vom 22. No-
vember 1850.
Art. 192 ff. Nr. 1.
XlX. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vom
11. April 1889.
irt
. 40
Nr
76.
Art
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Nr. 52.
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V
89.
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„ 19.89.
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19.73.
n
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„ 48. 86.
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7)
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7)
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„ 86. 90.
92.
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204,
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7t
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n
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7t
293
. 73.
»
243
7)
89.
7)
315
. 73.
V
250
7t
20.
179
III. Kantonale Entscheide naeh Kantonen
geordnet.
Zürich. — Nr. 22 (Art. 28, 50, 243 0. K.). — Nr. 52 (Art.
265 B.-G. über Seh. und K.). — Nr. 75 (Art. 559 0. R.). —
Nr. 96 (Art. 83 B.-G. über Seh. und K.).
Bern, — Nr. 25 (Art. 84 0. R.). -r Nr. 51 (Art. 92 B.-G. über
Seh. und K). — Nr. 93 (Art. 50 0. R.).
Basel-Stadt. — Nr. 28 (B.-G. über Civilst. und Ehe Art. 43).
St Gallen. — Nr. 24 (Art. 65 0. R.). — Nr. 74 (Art. 128 O.R.).
Graubünden. — Nr. 95 (Art. 524 0. R.).
Aargan. — Nr. 21 (Art. 19 0. R.). — Nr. 77 (Art. 273 B.-G.
über Seh. und K).
Thurgan. — Nr. 50 (Art. 341 0. R.).
Neuchfttel. — Nr. 27 (assurance).
Genève. — Nr. 23 (Art. 59 CO.).— Nr. 26 (Art. 142, 146 CO.). —
Nr. 49 (Art. 178 s. C 0.). — Nr. 76 (Art. 573 C 0. Art. 40
L. P. et F.). — Nr. 94 (Art. 138 C 0.).
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Revue
der
Gerichtspraxis im Gebiete
des
Bandescmlrechts
XIX Band
Revue
de la
Jurisprudence en matière
de
droit civil fédéral
XIX« Volume
Basel
R. Reich, vormals C. Detloff's Buchhandlung
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Revue
der
Gerichtspraxis iin Gebiete
des
Bodescivilrechts
XIX. Band
Revue
de la
Jurisprudence en matière
de
droit civil fédéral
XIX« Volume
Beilage zar Zeitschrift far schweizerisches Recht, Nene Folge Band XX.
Basel
R. Reicb; vormals C. Detloffs Buchhandlung:
1901.
I""! 8- 1910
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
1 . Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 65 Abs. 2. Bundesgesetz über Schuldbetrei-
bung und Konkurs vom 11. April 1889, Art. 193, 250 Abs. 4. Die
kurze fünftägige Berufungsfrist gilt auch für Kollokationssir eilig-
keitent die bei Liquidation einer ausgeschlagenen Verlassenschaft
entstehen.
Nach Art. 193 des Schuldbetreibungs- und Konkurs-
gesetzes wird eine ausgeschlagene Verlassenschaft unter Be-
obachtung der im VII. Titel enthaltenen Bestimmungen vom
Konkursamte liquidiert. Es finden demnach auf eine derartige
Liquidation die Bestimmungen der Art. 221 — 270 des Schuld-
betreibungs- und Konkursgesetzes Anwendung, speziell also
auch die Vorschrift des Art. 250 Abs. 4 leg. cit., wonach
Prozesse über Anfechtung des Kollokationsplanes im be-
schleunigten Verfahren geführt werden. Für die im be-
schleunigten Verfahren des Schuldbetreibungs- und Konkurs-
gesetzes geführten Prozesse aber ist die Frist zur Berufung
an das Bundesgericht nicht die ordentliche 20tägige, sondern
die kurze fünftägige des Art. 65 Abs. 2 0. G. (vergi. Entsch.
<i. B. G. vom 6. Juli 1900 in Sachen Marchand c. Nachlass-
inasse Rossé). Danach ist dann im vorliegenden Falle die
Berufung verspätet eingelegt worden. Den'i es ist wohl die
ordentliche 20tägige, nicht aber die für Kollokationsstreitig-
keiten geltende fünftägige Berufungsfrist innegehalten worden.
(Entsch. vom 30. November 1900 i. S. Masse Stocker-Jost c.
Mariani Sala & Gie.)
2. 0. it. Art. 67. Bundesgesetz betreffend die Erstellung von
Telegraphen- und Telephonlinien vom 26. Juni 1889, Art. t. Die
eidg. Telegraphen- und Telephonverwaltung ist für den durch
mangelhaften Unterhalt oder fehlerhafte Anlage oder Herstellung
ihrer Leitungen verursachten Schaden gemäss Art. 67 0. R. ver-
antwortlich; speziell für den Schaden^ der durch eine fehlerhafter-
r :j si-
weise in die Fahrbahn einer Strasse gepflanzte Telephonstange
herbeigeführt worden ist.
Der Kläger führte am 26. Dezember 1898 abends ca.
8V2 Uhr mit seinem Fuhrwerke einen Reisenden von Orson-
nens nach dem Bahnhofe von Villaz-St-Pierre. Zwischen
Foyens und Villaz-St-Pierre stiess das Fuhrwerk gegen eine
in die Fahrbahn der Strasse gepflanzte Telephonstange. In-
folge des Anpralls wurde der Kläger aus dem Fuhrwerke
herausgeschleudert und erlitt dadurch schwere körperliche
Verletzungen. Seine gegen die eidgenössische Telegraphen-
und Telephonverwaltung gerichtete Klage auf Ersatz des
durch diesen Unfall erlittenen Schadens wurde vom Bundes-
gerichte grundsätzlich gutgeheissen, wobei indess immerhin
der Betrag der Entschädigung herabgesetzt wurde, weil den
Kläger wegen raschen, unvorsichtigen Fahrens ein Mit-
verschulden treffe. In grundsätzlicher Beziehung wird in der
bundesgerichtlichen Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
La question de savoir si la responsabilité de la Con-
fédération en sa qualité d'administration des téléphones, peut
être déduite directement de la loi fédérale du 26 juin 1889
sur rétablissement des lignes télégraphiques et téléphoniques,
doit recevoir une solution négative.
Cette loi porte bien, à son art. 1er, que la Confédération a
le* droit de disposer, pour rétablissement de lignes télégraphi-
ques et téléphoniques aériennes et souterraines, des places, rues,
routes et sentiers, cours d'eau, canaux, lacs et rives, faisant
partie„du domaine public, moyennant indemnité pour le dommage
que la construction et l'entretien pourraient occasionner, et en
tout cas en respectant le but auquel le domaine public est dettine.
Toutefois la dite loi ressortit essentiellement au domaine
du droit public; elle règle surtout les droits de la Confédéra-
tion, tant vis-à-vis des particuliers dont la propriété doit être
cédée ou utilisée en vue de l'installation d'une ligne télégra-
phique ou téléphonique, que vis-à-vis des propriétaires ou
administrateurs du domaine public dont il est nécessaire de
disposer à cet effet. En revanche elle ne dit rien de la
responsabilité que la Confédération pourrait encourir da fait
qu'elle aurait contrevenu à la prescription légale qui lui im-
pose l'obligation de respecter le but auquel le domaine public
est destiné. Cette obligation est sans doute imposée à la Con-
fédération par la loi précitée, mais la sanction n'en est pas
indiquée et celle-ci doit dès lors être cherchée dans le droit
commun, notamment dans les dispositions du C. 0. qui régissent
les actes illicites et les cas de responsabilité.
Dans l'espèce, il s'agit, non d'un dommage causé par le
travail d'installation, qui était terminé depuis longtemps lors
de l'accident, mais d'un accident que le demandeur attribue
au fait que le poteau contre lequel il a été projeté constituait
par sa situation une installation dangereuse. Il voit une faute
de la défenderesse dans le fait qu'elle a planté ce poteau en
dedans des limites, soit dans l'aire de la route, faute aggravée
encore par la circonstance que, contrairement à la loi, la
Confédération ne s'est pas entendue, pour la pose de la ligne,
avec les autorités fribourgeoises. La présente action se fonde
ainsi, en réalité, en première ligne, sur l'art. 67 G. 0., et la
faute de la Confédération ou de ses agents est invoquée pour
démontrer qu'elle était sans excuse lorsqu'elle a établi et laissé
subsister une installation dont le caractère dangereux ne
pouvait lui échapper.
L'art. 67 rendant responsable, sans distinction, le proprié-
taire du bâtiment ou ouvrage, pour le dommage causé par le
défaut d'entretien ou vice de construction, il est incontestable
que cette disposition s'applique également aux bâtiments ou
autres ouvrages qui appartiennent à la Confédération et non
à des particuliers. En outre il est manifeste qu'un poteau
téléphonique constitue un ouvrage dans le sens de l'art. 67
{voir arrêts du Tribunal fédéral dans les causes Lauffer et
Francesohetti e. Zacchia, Reo. off. XXII, page 1155; Commune
de Corbières c. Bellora, ibid. XXIV, II, page 103; Blanc c.
Mercier et Baud, ibid. XXV, II, page 112).
Il pourrait, en revanche, paraître plus douteux si on peut
parler, dans l'espèce, d'un dommage causé à Ch. par le défaut
d'entretien ou par le vice de la construction du poteau. Au
sujet de l'entretien de celui-ci, le demandeur n'a jamais
formulé de critique; mais quant au vice de la construction,
le texte allemand de la loi, qui va plus loin que le texte
français, rend responsable le propriétaire du bâtiment ou
ouvrage, non seulement pour le dommage causé par le vice
de la construction, au sens technique de cette expression,
mais encore pour celui qui s'est produit „infolge mangelhafter
Unterhaltung oder fehlerhafter Anlage oder Herstel-
lung," c'est à dire ensuite d'une installation fautive, con-
traire aux règles de l'art.
Or, en l'espèce, la cause première de l'accident est le
fait que le poteau téléphonique contre lequel Ch. est venu
butter se trouvait implanté en dedans de la route, au lieu
d'être à la limite, et qu'il diminuait ainsi de 3172 cm au
minimum, au préjudice de ceux qui circulaient sur la route
à char ou à pied, la surface viable existante ailleurs. L'in-
stallation de ce poteau dans ces conditions apparaît comme
essentiellement défectueuse, comme une „fehlerhafte Anlage*
dans le sens de l'art. 67 C. 0. susvisé. Le public qui cir-
cule sur la route de Fuyens à Villaz-St-Pierre a évidemment
le droit d'admettre qu'il peut le faire sur toute la partie viable
de cette route, et il ne saurait supposer qu'un poteau télé-
phonique empiète de 60 cm sur la limite extrême de la route,
et de 30 cm, si ce n'est davantage, sur la partie qui reste
viable à partir du bord du talus. Celui qui a établi Ja ligne
téléphonique devait se rendre compte que toute la partie viable
de la route était affectée à la circulation et qu'en restreignant
cette partie dans la mesure susindiquée, il gênait la dite
circulation d'une manière peut-être dangereuse pour les tiers,
alors surtout que le poteau en question te trouvait placé
immédiatement après un contour, et masqué par une maison.
Le fait de cette installation objectivement défectueuse
suffit pour entraîner la responsabilité du propriétaire. (Entscb.
vom 6. Oktober 1900 i. S. Chassot c. Eidgenossenschaft.)
3. Bundesgeseiz über die Organisation der Bundesrechls-
pflege vom 22. März 1893, Ari. 56 und 57. Bundesgesetz be-
treffend die Feststellung und Beurkundung des Civilstands und
die Ehe vom 24. Dezember 1874, Art. 29 und 30. 0. R. Art. 50
und 55, 76. Der Verlöbnisvertrag gehört dem Famüienrecht an
und untersteht ausschliesslich dem kantonalen Rechte. In dem
ungerechtfertigten Rücktritte vom Verlöbnisse liegt an sich keine
unerlaubte Handlung, sondern nur (insofern das Verlöbnis recht-
lich bindend war) eine Vertragsverletzung. Doch kann der Vrr-
löbnisbruch zufolge der besondern Umstände, unter denen er sich
vollzieht, im einzelnen Falle eine unerlaubte Handlung involvieren .
Voraussetzungen, unter denen dies der Fall ist.
Wie das Bundesgencht schon wiederholt ausgesprochen
hat, ist der Verlöbnisvertrag ein tarn ilien rechtlicher Vertrag,
welcher nach Art. 76 0. R. durch das kantonale Recht ge-
regelt wird, so dass auf denselben die vertragsrechtlichen
Normen des 0. K. (speziell die Grundsätze über Erfüllung der
Obligationen, Folgen der Nichterfüllung u. s. w.) jedenfalls
als solche, als Normen des eidg. Rechts, keine Anwendung
finden. Daran ändert es selbstverständlich nichts, dass das
schwyzerische Recht ausdrückliche Gesetzesbestimmungen
über den Verlöbnisvertrag nicht enthält; trotz dieses Man-
gels ist, da eben die Materie, welcher der Verlöbnis-
vertrag angehört, das Familienrecht, der kantonalrechtlichen
Ordnung unterliegt, nach kantonalem Rechte (dem Ge-
wohnheitsrecht bezw. den allgemeinen Grundsätzen des kan-
tonalen Rechts) zu entscheiden, ob überhaupt und even-
tuell unter welchen Voraussetzungen dem Verlöbnisvertrage
rechtliche Wirkung zukommt, inwieweit der Rücktritt von
demselben zum Schadenersatze (wegen Nichterfüllung einer
Vertragspflicht) verpflichtet, welcher Schaden zu ersetzen
ist, u. s. w. Es kann nämlich auch nicht etwa gesagt werden,
Form und Wirkungen des Verlöbnisses seien in Art. 29 und 30
C. St. G. bundesrechtlich geregelt. Denn das Eheversprechen,
von welchem hier die Bede ist, welches die Grundlage der
Verkündung bildet und zu den Förmlichkeiten der Eheschlies-
sung gehört, ist von dem Verlöbnisse als selbständigem Ver-
trage verschieden; letzteres untersteht hinsichtlich seiner Form
und seiner Folgen grundsätzlich dem kantonalen und nicht
dem eidgenössischen Recht, wobei nur die Beschränkung
Platz greift, dass nach bundesrechtlichen Grundsätzen weder
ein gerichtlicher Zwang zur Eheschliessung stattfinden darf,
noch die Folgen des Verlöbnisvertrages derart geregelt werden
dürfen, dass dadurch faktisch die Freiheit der Eheschliessung
vernichtet wird. Da letztere bundesrechtlichen Beschränkungen
hier nicht in Frage stehen, so ist das Bundesgericht zu Be-
urteilung der vorliegenden Klage, insoweit dieselbe als eine
Vertragsklage, eine vertragliche Schadenersatzklage wegen
Nichterfüllung des Eheversprechens durch die Beklagte sich
qualifiziert, gemäss Art. 56 und 57 0. G. nicht kompetent,
indem insoweit nicht eidgenössisches, sondern kantonales Recht
anwendbar und auch nicht etwa eidgenössisches Recht von
der Vorinstanz angewendet worden ist.
Nun wird indess die Klage nicht nur auf die Nichterfül-
lung des VerlöbnJ8vertrage8 durch die Beklagte begründet, son-
dern es wird zu deren Begründung auch auf Art. 50 fl., spe-
ziell Art. 55 0. R. abgestellt, also geltend gemacht, es liege
im Rücktritte vom Verlöbnisse in concreto eine unerlaubte
Handlung im Sinne des Art. 50 f. 0. R., d. h. eine Handlung,
welche, auch abgesehen von der Verletzung der Vertragspflicht
aus dem Verlöbnisvertrage, widerrechtlich sei. In dieser Hin-
sicht ist, wie das Bundesgericht stets anerkannt hat, eidge-
nössisches Recht massgebend, und das Bundesgericht ist daher
zur Beurteilung der Berufung kompetent und hat auf deren
Prüfung einzutreten.
Dabei ist aber grundsätzlich festzuhalten: In dem Ver-
löbnisbruch an sich liegt keine unerlaubte Handlung im Sinne
des Art. 50 ff. 0. R.; kein Delikt. Derselbe enthält, sofern
etwa das massgebende kantonale Recht den freien und will-
kürlichen Rücktritt vom Verlöbnis gestattet, oder sofern das
Verlöbnis nach dem massgebenden kantonalen Rechte, wegen
mangelnder Form u. dgl. rechtlich nicht gültig ist, überhaupt
nichts Rechtswidriges; sofern dagegen das kantonale Recht
den freien Rücktritt vom Verlöbnisse nicht gestattet und das
Verlöbnis nach kantonalem Rechte gültig ist, so liegt in dem
Verlöbnisbruch allerdings eine Rechtswidrigkeit, allein kein
Delikt, sondern eine blosse Vertragsverletzung. Er enthält
die Verletzung einer vertraglich übernommenen rechtlichen
Verpflichtung, aber er ist keine Handlung, welche gegen ein
allgemeines, d. h. auch abgesehen von besonders übernom-
mener vertraglicher Verpflichtung geltendes Gebot der Rechts-
ordnung Verstössen würde. Er ist nur deshalb rechtswidrig,
weil er vertragswidrig ist. Schutz gegen den Verlöbnis-
bruch an sich gewähren daher nur diejenigen Normen, welche
die Folgen der Nichterfüllung des Verlöbnisvertrages regeln,
d. h. die Normen des kantonalen Rechts, nicht dagegen die
Bestimmungen des eidg. 0. R. über die Schadenersatzpflicht
aus unerlaubter Handlung. Damit diese letzteren zur An-
wendung kommen, müssen besondere Umstände vorliegen, zu-
folge welcher der Verlöbnisbruch sich als eine, auch abge-
sehen von der Verletzung einer übernommenen Vertragspflicht,
rechtswidrige Handlung, als ein rechtswidriger Angriff aut
ein Rechtsgut darstellt, welches durch die Rechtsordnung all-
gemein, nicht nur in der Richtung gegen Verletzung beson-
derer vertraglicher Verpflichtungen, geschützt ist. Das Ver-
halten des vom Verlöbnis zurücktretenden Teils muss also
ein solches sein, welches sich auch dann, wenn ein vertrag-
licher Anspruch, sei es, weil das kantonale Recht einen sol-
chen überhaupt nicht kennt, sei es wegen mangelnder Form
des Verlöbnisses u. dgl. nicht besteht, als ein rechtswidriges,
Persönlichkeits- oder Vermögensrechte des andern Teils ver-
letzendes darstellt. Dies ist beispielsweise dann der Fall,
wenn der Bruch des Verlöbnisses in verletzender, den andern
Teil der Missachtung oder dem Gespötte unverdient aus-
setzender oder seinen guten Ruf gefährdender Art und Weise
erfolgt, oder wenn der vom Verlöbnis Zurücktretende mut-
willig oder gar etwa in eigennütziger oder unlauterer Absicht
den andern Teil über seine wahre Absicht getäuscht und
hingehalten hat u. dgl. Dagegen kann selbstverständlich nicht
deshalb allein von einer widerrechtlichen ernstlichen Ver-
letzung persönlicher Verhältnisse gesprochen werden, weil
durch den einseitigen Rücktritt vom Verlöbnisse der andere
Teil, was ja in grösserem oder geringerem Masse stets der
Fall sein wird, sich gekränkt oder schmerzlich berührt fühlen
mag. Denn dies ist einfach eine Folge der Nichterfüllung
des Verlöbnisses an sich. (Entsoh. vom 29. September 1900
i. S. B. c. K.)
4. Bundesgesetz über Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 56, 57. 0. R. Art. 76. Der Vorbehalt
des Art. 76 0. R. ist lediglich deklarativer Natur ; Schuldverpflich-
tungen aus famihen- und erbrechtlichen Verhältnissen und aus
Gründen des öffentlichen Rechtes unterstehen nicht nur hinsicht-
lich ihrer Entstehung, sondern auch hinsichtlich ihrer Wirkungen
und ihres Erlöschens nicht den Bestimmungen des 0. R.
Wie aus der Begründung des angefochtenen Urteils her-
vorgeht, hat die Vorinstanz die auf Schadenersatz wegen Be-
hinderung der Flösserei gerichtete Klage deshalb grundsätz-
lich gutgeheißen, weil die der Beklagten vom Regierungsrate
des Kantons Aargau erteilten Konzessionen für Nutzbarmachung
der Wasserkräfte des Rheines bei Rheinfelden und das damit
im Zusammenhang stehende Flössereiverbot eine Verpflich-
tung des Konzessionärs zur Schadloshaltung der Flösser, und
damit auch des Klägers in sich schliessen. Die in Rede
stehenden Erlasse des aargauischen Regierungsrates sind aber
öffentlich-rechtliche Akte, Aeusserungen der kantonalen Staats-
hoheit. Die Verpflichtungen, welche aus denselben für die
Beklagte resultieren, haben somit ihren Entstehungsgrund im
kantonalen öffentlichen Recht; es sind Verbindlichkeiten
öffentlich-rechtlicher, nicht privatrechtlicher Natur.
Beruht also die in dem angefochtenen Urteil ausge-
sprochene Verpflichtung der Beklagten zur Schadenersatz-
leistung an den Kläger auf der Annahme einer dahingehenden
öffentlich-rechtlichen Obligation, so handelt es sich um die
Anwendung nicht des eidgenössischen, sondern des kantonalen
Rechtes, und das Bundesgericht ist daher gemäss Art. 56 u. 57
des Org. Ges. nicht kompetent, auf die Berufung einzutreten.
Das eidg. 0. R. spricht freilich bloss in Bezug auf die Ent-
stehung von Schuldverpflichtungen aus Gründen des öffent-
lichen Rechts, sowie aus familien- und erbrechtlichen Ver-
hältnissen ausdrücklich aus, dass hier die Regelung des kan-
tonalen oder des bezüglichen eidgenössischen Rechtes gelte
(Art. 76 0. R.). In Bezug auf die Wirkungen und die Er-
löschungsgründe dieser Obligationen enthält der Gesetzestext
einen gleichlautenden allgemeinen Vorbehalt nicht. Allein die
10
hierauf gegründete Schlussfolgerung, dass auf Schuldverpflich-
tungen, die im kantonalen öffentlichen oder bürgerlichen Recht
wurzeln, das eidg. 0. R., wenigstens was die Wirkungen und
den Untergang betrifft, Anwendung finde, kann nicht als be-
rechtigt anerkannt werden ; denn das eidg. 0. R. umfasst über-
haupt, entsprechend der Verfassungsbestimmung, in deren Aus-
führung es erlassen worden ist, nur diejenigen Obligationen,
die aus dem privaten Vermögensverkehr, aus dem Verkehrs-
recht und aus Delikten entspringen. Die Obligationen aus
öffentlichem Recht, wie diejenigen aus fami li en rechtlich en und
erbreohtlichen Verhältnissen liegen vollständig ausserhalb dieser,
dem genannten Bundesgesetz zugeschiedenen Materie, und es
können deshalb dessen Bestimmungen auf dieselben überhaupt
keine Anwendung finden. Hieraus ergiebt sich denn auch,
dass dem Art. 76 0. R. lediglich die Bedeutung einer rein
deklaratorischen, angesichts des Art. 64 der Bundesverfassung
von 1874 durchaus selbstverständlichen Bestimmung beige-
messen, und ein Schiusa e contrario im bezeichneten Sinne
aus derselben nicht gezogen werden kann. (Entsch. vom
14. September 1900 i. S. Aktiengesellschaft Kraftübertragungs-
werke Rheinfelden c. Wunderlin.)
5. 0. R. Ail. 110, 234, 243 ff. 255. Wann berechtigt bei einem
in Ratenlieferungen zu erfüllenden Kaufe die Mangelhaftigkeit ein-
zelner Lieferungen den Käufer zum Rücktritte vom ganzen Ver-
trage? Art. 234 0. R. greift nicht Platz, wenn zwar mangelhaft,
aber rechtzeitig erfüllt ist. Liegt in wissentlicher Lieferung mangel-
hafter Ware ohne weiteres eine Arglist des Verkauf er sì
Am 29. Juli 1899 war zwischen den Parteien ein Ver-
trag zu stände gekommen, wonach die Klägerin dem Beklagten
150 Tonnen (zu 100 kg) Calciumkarbid, mit einer garan-
tierten durchschnittlichen Gasausbeute von 300 L. pro kg.
„Karbid" verkaufte. Die Lieferung hatte in verschiedenen
monatlichen Raten in den Monaten September 1899 bis
August 1900 zu erfolgen. Aus den „allgemeinen Bestimmungen"
des Vertrages sind folgende hervorzuheben: „Jede Lieferung
gilt als ein besonderes Geschäft und ist die Erfüllung, Nicht-
erfüllung oder mangelhafte Erfüllung einer Lieferung ohne
Einfluss auf die andere. — Die zu liefernde Ware wird von
der Verkäuferin erst nach einer genauen Piüfung auf ihre
vertragliche Gehaltsmenge hin zur Versendung gebracht."
Die zwei ersten in Ausführung dieses Vertrages gemachten
Lieferungen entsprachen den Vertragsbestimmungen nicht, da
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das gelieferte Karbid die garantierte Gasausbeate nicbt ergab.
Der Beklagte machte infolgedessen einerseits Preisininderungs-
und Wandelungsansprüche hinsichtlich dieser zwei Lieferangen
geltend, und erklärte andrerseits den Vertrag überhaupt auch
für die künftigen Lieferungen für aufgehoben. Während die
Preisminderungs- und Wandelungsansprüche des Beklagten
für die zwei ersten Lieferungen gerichtlich gutgeheissen wur-
den, wurde dagegen dessen Begehren, es sei der Vertrag vom
29. Juli 1899 als aufgehoben zu erklären, abgewiesen, vom
Bundesgericht im wesentlichen mit folgender Begründung:
Der Beklagte beansprucht das Recht auf einseitigen
Bücktritt vom Vertrag, oder das Recht, dessen sofortige Auf-
lösung, Wandlung, zu verlangen, und er leitet dieses Recht
daraus ber, dass die zwei ersten Lieferungen von der Klä-
gerin mangelhaft und dolos ausgeführt worden seien. Wird
bei der Entscheidung dieses Begehrens vorerst vom Vor-
handensein einer Argiist abgesehen, so stellt sich die Frage
so, ob bei einem Kaufe, der in ratenweisen Lieferungen zu
erfüllen ist, die Mangelhaftigkeit einzelner Lieferungen den
Käufer zum Rücktritt vom ganzen Vertrage berechtige. Diese
Frage ist dann zu bejahen, wenn sich aus der Mangelhaftig-
keit der ersten Lieferung ergiebt, dass der Verkäufer über-
haupt nicht im stände ist, vertrage gemäss zu liefern; andern-
falls aber folgt aus der Mangelhaftigkeit einzelner Liefe-
rungen nicht das Recht auf Aufhebung des ganzen Ver-
trages; das ergiebt sich wohl aus der ganz allgemeinen Be-
stimmung des Art. 255 0. R., die sich zwar nicht ausdrück-
lich auf Käufe, die in ratenweisen Lieferungen zu erfüllen
sind, bezieht, aber auf diese gewiss ebensosehr zutrifft, wie
auf Kaufverträge um mehrere zusammen verkaufte Sachen
oder über Gesamtsachen. Jene Voraussetzung nun, dass sich
aus der Mangelhaftigkeit der ersten Lieferung die Unmög-
lichkeit der vertragsgemässen Erfüllung aller spätern Liefe-
rungen ergebe, trifft vorliegend nicht zu ; es ist sehr wohl
möglich, dass anfänglich ungünstige Verhältnisse in der Fa-
brik eine mangelhafte Produktion verursachten (wie die Klägerin
das auch selbst zugiebt), dass aber diese ungünstigen Ver-
hältnisse später gehoben werden und die Fabrikation ver-
bessert wird. Ist sonach schon nach dem Gesetz der An-
spruch des Beklagten auf Wandlung des ganzen Vertrages
— vom Falle der Arglist der Klägerin immer abgesehen —
unbegründet, so ist für die Abweisung dieses Anspruches im
vorliegenden Falle entscheidend die Bestimmung des Ver-
trages, wonach jede einzelne Lieferung als ein besonderes
12
Geschäft zu gelten hat und die Erfüllung, Nichterfüllung oder
mangelhafte Erfüllung der einen ohne Einfluss auf die andere
sein soll. Nach dem Gesagten kann keinem Zweifel unter-
liegen, dass diese Vertragsbestimmung vollständig zulässig ist,
wie sie denn auch wohl mit den besondern Verhältnissen der
Calciumkarbid- Fabrikation in engem Zusammenhange steht.
Der Beklagte macht aber weiterhin namentlich geltend,
die Klägerin habe bei Ausführung der ersten beiden Liefe-
rungen arglistig gehandelt, und er stützt seinen Anspruch auf
Wandlung des ganzen Vertrages besonders hierauf. Die Vor-
instanz scheint denn auch anzunehmen, dass dieser Anspruch,
das Vorhandensein der Arglist vorausgesetzt, begründet wäre.
Dieser Auffassung kann jedoch nicht beigetreten werden. Es
mag dahingestellt bleiben, ob für deren Abweisung wiederum
die oben erwähnte Vertragsbestimmung beigezogen werden
kann; denn jedenfalls folgt ihre Unbegründetheit aus dem
Gesetz. Allerdings wäre der ganze Kaufvertrag wegen Be-
truges anfechtbar, wenn sich dieser Betrug auf den Abschluss
des Vertrages beziehen würde, wenn also die Verkäuferin den
Käufer durch betrügerische Handlungen zum Abschlüsse des
Vertrages bewogen hätte. Das fällt aber hier ausser Betracht;
die behauptete Arglist der Verkäuferin wäre jeweilen nur auf
eine einzelne Lieferung gegangen, und es wäre daraus nicht
zu 8chlies8en gewesen, dass sie sich auf die andern Liefe-
rungen erstreckt hätte, oder dass sie sich auf den Abschluss
des ganzen Vertrages bezöge; soweit sie sich aber auf jene
Lieferungen bezieht, ist den Rechten des Käufers mit Wand-
lung der betreffenden Lieferungen völlig Genüge geleistet. Eine
Aufhebung des ganzen Vertrages kann auch aus dem Grunde
aus der Arglist bei einzelnen Lieferungen nicht hergeleitet
werden, weil es sich beim Kaufe in der Regel nicht um ein
Geschäft, bei dem das persönliche Vertrauen der Kontrahenten
zu einander von ganz besonderer Bedeutung ist, handelt (an-
ders beim Dienstvertrage, bei der Gesellschaft, beim Auf-
trag); dem Käufer ist in der Mängelrüge und dem allfalligen
Wandlung8- (und Preisminderungs-) Anspruch in dem oben
erörterten Umfange genügend Schutz gewährt. Dass die Mög-
lichkeit der Prüfung auf Seite des Beklagten beinahe aus-
geschlossen sei (wie er behauptet hat), ist gewiss unrichtig,
da sowohl er wie seine Abnehmer in That und Wahrheit die
erste Lieferung geprüft haben. Im fernem stellt nun aber die
Vorinstanz in nicht aktenwidriger Weise und ohne Rechts-
irrtum fest, dass der Klägerin überhaupt keine Arglist zar
Last gelegt werden kann. Die Arglist soll nach den Ans-
führungen des Beklagten darin liegen, dass die Klägerin be-
wu38t minderwertige Ware geliefert habe. Allein dieser
Thatbestand erfüllt den Begriff der Arglist nicht; zu diesem
gehört vielmehr eine Täuschung, sei es durch positive un-
wahre Angaben, sei es durch Verheimlichung u. dergl. Jene
Lieferung minderwertiger Ware im Bewusstsein des Minder-
wertes, stellt sich vielmehr lediglich als vorsätzliche un-
genügende Vertragserfüllung dar, wogegen dem Käufer die in
Art. 243 ff. und 1 10 ff. 0. R. geregelten Rechtsmittel gegeben
sind.
Endlich will der Beklagte seinen Anspruch auf Rück-
tritt vom ganzen Vertrage noch aus einer analogen Anwen-
dung des Art. 234 0. R., der dem Käufer im kaufmännischen
Verkehr bei Verabredung eines bestimmten Liefer ungstermin s
im Falle des Verzuges des Verkäufers das Recht des so-
fortigen Rücktrittes vom Vertrage einräumt, folgern. Von
einer analogen Anwendung dieser Bestimmung, die für den
Fall des Verzuges gemäss den Lebensverhältnissen im kauf-
männischen Verkehr alle Berechtigung hat, auf den Fall
mangelhafter Erfüllung kann ganz offenbar keine Rede sein;
die Folgen mangelhafter Erfüllung sind in Art. 243, in Ver-
bindung mit Art. 110 ff. 0. R. vollständig und erschöpfend ge-
regelt. Uebrigens würde auch bei analoger Anwendung dieses
Artikels aus der mehrfach angeführten Vertragsbestimmung
wiederum nur das Recht zum Rücktritt von jeder einzelnen
Lieferung, nicht aber vom ganzen Vertrage, folgen. (Entsch»
v. 3. November 1900 i S. Wegmann & Hauser c. Schweize-
rische Gesellschaft für elektrotechnische Industrie.)
6. 0. R. Art. 243 ff. 253. G ewährsp flicht des Verkäufers
für Sachmängel. Verzicht auf die Wandelung 1 Begriff des durch
die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursachten Schadens.
1. Die Haftbarkeit des Verkäufers dafür, dass der Kauf-
gegenstand nicht solche Mängel habe, die seinen Wert oder
seine Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche auf-
heben oder erheblich vermindern, ist nicht so zu verstehen,
dass es einfach auf den auf Seite des Käufers vorausgesetzten
Gebrauch der Kaufsache ankomme, und demgemäss schlecht-
hin entscheidend sei, zu welchem Zwecke der Käufer die
Sache erworben habe. Vielmehr handelt es sich auch hier
um nichts weiteres, als um die Pflicht des Verkäufers, den
Kauf getreu einer redlichen Vertragsmeinung zu erfüllen,
al so die Sache zu dem vert rag s massig vorausgesetzten
14
Gebrauche geeignet zu übergeben. Welcher Gebrauch als
Vertrags massig vorausgesetzt gelten könne, musa sich, abge-
sehen von besondern Beredungen der Kontrahenten, aus den
Umständen und der Natur des fraglichen Geschäftes ergeben.
Als schlechthin vorausgesetzt wird derjenige Gebrauch zu
betrachten sein, dem die Kaufsache gewohnheitsmässig, ihrer
wirtschaftlichen Bestimmung entsprechend, zu dienen hat
Ausserdem kann aber ein bestimmter Gebrauch auch dann
als vertraglich vorausgesetzter erscheinen, wenn aus den Ver-
tragsunterhandlungen hervorgeht, dass der Käufer die Sache
speziell zu diesem Gebrauche erwerben wolle und der Ver-
käufer ihn durch sein Verhalten in der Erwartung, das 9 die
Sache hiezu tauglich sein werde, bestärkt.
2. Wenn der Käufer die empfangene Kaufsache trotz
ihrer erkennbaren Mängel gebraucht und über sie verfügt, so
kann allerdings, wie das Bundesgericht wiederholt ausge-
sprochen hat (vergi, bg. Entsch. XXIV, IIS. 647 Erw. 6 und 794),
hierin der Verzicht auf eine Kückbietung erblickt werden,
aber doch nur dann, wenn in dem Gebrauch oder der Ver-
fugung über die Sache sich der Wille des Käufers bekundet,
die Sache trotz jener Mängel als sein Eigentum zu behalten,
bezw. als Eigentümer darüber zu verfügen, und auf diesen
Willen darf im vorliegenden Falle nicht geschlossen werden,
da der von der Vorinstanz konstatierte Gebrauch der Ma-
schine unerläs8lich war, um die Empfangbarkeit derselben zu
konstatieren, und somit den Käufer erst in die Lage ver-
setzen sollte, sich zu entscheiden, ob er die Maschine an-
nehmen wolle oder nicht.
3. Mit der Wandelung ist nach Art. 253 0. R. die Ver-
pflichtung des Verkäufers verbunden, dem Käufer zum min-
desten denjenigen Schaden zu ersetzen, der demselben durch
die Lieferung der mangelhaften Sache unmittelbar verursacht
worden ist. Hiezu gehört in erster Linie der Ersatz der von
den Beklagten ausgelegten Beträge für Fracht und Zoll, so-
wie für Reparaturen, die im Interesse der Instandstellung
der Maschine vorgenommen worden sind; in zweiter Linie
auch der Ersatz des den Beklagten infolge der Sachmängel
in ihrer Fabrikation entgangenen Gewinns; denn die Kläger
wussten, dass die Beklagten die Maschine zum Zwecke einer
rationellen Fabrikation von Cementatemeli kauften, und muss-
ten bei Eingehung des Vertrages als dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge entsprechende, unmittelbare Folge der Lieferung
eines zu diesem Zweck nicht tauglichen Objektes voraus-
sehen, dass die Beklagten nicht mit demjenigen Gewinn ar-
15
beiten werden, den sie mit einer vertragsmässig beschaffenen
Maschine erzielen würden. (Entsch. vom 10. November 1900
i. S. Baur c. Wilisch & Cie.)
7. 0. R. Art. 115, 338, 348. Der mit dem Arzte über die
Behandlung einer Kranken abgeschlossene Vertrag qualifiziert sich
rechtlich als Dienstverlrag und nicht als Mandat. Inwiefern haftet
der Arzt für die Folgen unrichtiger Behandlung t Verantwort-
lichkeit desselben für seine Assistenten. Beweislast.
Das zwischen dem Kläger und dem Beklagten in Bezug
auf die ärztliche Behandlung der Frau B. begründete Rechts-
verhältnis ist nach eidgenössischem Obligationenrecht nicht,
wie die kantonalen Gerichte annehmen, als Mandat, sondern
gemäss Art. 348 0. R. als Dienst vert rag (Vertrag über
freie Dienste) zu behandeln. Dass in der That zwischen den
Litiganten ein solches Vertragsverhältnis entstanden ist, unter-
liegt nach den beidseitigen Parteianbringen keinem Zweifel.
Der Kläger stützt hierauf seine Klage, indem er für die dein
Beklagten durch die ärztliche Behandlung seiner Ehefrau ge-
leisteten Dienste das Honorar verlangt, und der Beklagte be-
zeichnet den Kläger selbst ausdrücklich als den Dienstherrn
des behandelnden Assistenten Tr., und macht ihn als solchen
verantwortlich für die ärztlichen Handlungen desselben. Der
Beklagte ist hienach, gemäss Art. 338 0. R., zur Bezahlung
der angemessenen Vergütung für die geleisteten Dienste an
den Kläger verpflichtet, vorausgesetzt, dass dieser seinerseits
die ihm aus dem Dienstvertrag erwachsenen Verpflichtungen
gehörig erfüllt habe«
Um diese Verpflichtungen gehörig erfüllen zu können,
war der Kläger gehalten, bei der Behandlung der Kranken
so zu verfahren, wie es den allgemein anerkannten und zum
Gemeingut gewordenen Grundsätzen der medizinischen Wissen-
schaft entsprach (vergi. Amtl. Samml. der bundesg. Entsch.
Bd XV1I1, S. 341 E. 4). Hat es der Kläger und Widerbe-
klagte an einer derart sachgemässen Behandlung fehlen lassen,
und ist infolgedessen der Tod der Patientin herbeigeführt
worden, so ist er (abgesehen von den Grundsätzen des eidg.
Obligationenrechts über Schadenhaftung wegen unerlaubter
Handlungen) aus dem Dienstvertrag schadenersatzpflichtig
geworden, sofern er nicht beweisen kann, dass ihn dabei kein
Verschulden trifft. Die Beweislast dafür, dass infolge der Be-
handlung des Tr. die Frau B. gestorben sei, sowie für den
geltend gemachten Schaden trifft nach Art. 110 0. R. den
16
Beklagten und Widerkläger; sind diese Beweise erbracht, so
hat der Kläger und Widerbeklagte die Behandlung eu recht-
fertigen, d. h. darzuthun, dass ihn dabei kein Verschulden
treffe. Dem Verschulden des Arztes steht aber gemäss Art. 115
0. R. dasjenige seines Assistenten gleich.
(Im weitern wird sodann ausgeführt, es sei ein Beweis
dafür, dass der Tod der Frau B. infolge der ärztlichen Be-
handlung durch den Assistenten Tr. eingetreten sei, nicht er-
bracht.) (Entsch. vom 29. September 1900 i. S. Bunter c.
Dr. Cubasch.)
8. 0. R. Art 338 ff., 346. Agenturvertrag. Wichtige Gründe
zur Auflösung eines solchen Vertrags.
1. Es kann nicht als Meinung eines Agenturvertrages an-
genommen werden, dass der Geschäftsherr mit Rücksicht auf
die Interessen des Agenten in seinem Rechte beschränkt sein
solle, seine Preise selbständig zu bestimmen, so wie es ihm
jeweilen den Interessen seines eigenen Geschäfts entsprechend
dünkt. Der Agent muss daher schon bei Eingehung des Ver-
trages in Betracht ziehen, dass die Höhe seiner nach dem
Umsätze zu berechnenden Provision nicht lediglich von seiner
Thätigkeit, sondern von äussern Verhältnissen verschiedener
Art abhängt, welche ihrerseits für die EntSchliessungen des
Geschäftsherrn bestimmend sind, und er kann insbesondere
nicht darauf rechnen, dass dieser stets in gleichem Umfange
und in gleicher Weise produzieren, oder dass er die Preise
fortdauernd so stellen werde, dass er ohne Rücksicht auf die
eigene Geschäftslage und seinen eigenen Vorteil dem Agenten
die von diesem erwartete Provision ermögliche (vergi. Entsch.
des deutsch. Reichsgerichts, Bd 31 No. 12). Es kann gewiss
nicht gesagt werden, dass der Geschäftsherr seine eigenen
geschäftlichen Interessen in illoyaler Weise einseitig verfolgt
und sie wider Treu und Glauben berechtigten Erwartungen
des Agenten vorangestellt habe, wenn er sich auf Geschäfte
nicht einlies», die ihm zwar keinen Verlust, aber auch keinen
Gewinn gebracht hätten. Denn dass der Geschäftsherr, um eine
möglichst grosse Umsatzziffer zu erreichen, unter Umständen
auch umsonst arbeiten würde, durfte doch der Agent nicht
als Meinung des Agenturvertrages voraussetzen und noch
weniger, dass er von derartigen Geschäften, die ihm gar
keinen Gewinn würden eingebracht haben, dem Agenten noch
eine Provision hätte zuscheiden wollen.
2. Wenn ein Agent in seinen Abrechnungen gennachte In-
kassi wissentlich verschweigt und zu deren nachträglichen
17
Angabe erst durch die Drohung von Nachforschungen bei den
Kunden bewogen werden kann, so liegt hierin eine so schwere
Pflichtverletzung, da 88 dem Geschäftsherrn eine Portsetzung
des auf gegenseitiges Vertrauen gegründeten Vetragsverhält-
nisses nicht mehr zugemutet werden kann, der Geschäftsherr
vielmehr berechtigt ist, dasselbe ohne Weiteres aufzulösen.
Mit der Behauptung, er habe sich zur Zurückbehaltung
der verheimlichten Beträge berechtigt gehalten, weil ihm in
der Höhe derselben Gegenforderungen an den Geschäftsherrn
zugestanden haben, kann der Agent, selbst wenn diese Be-
hauptung richtig wäre, seine Handlungsweise nicht ent-
schuldigen. Denn unter allen Umständen erfordert die dem
Geschäftsherrn geschuldete Treue, dass der Agent demselben
in seinen jeweiligen Rechnungsablegungen die eingegangenen
Gelder vollständig angiebt. (Entsch. vom 1. Dezember 1900 i, S.
Coeytaux o. Frey.)
9. 0. R. Art. 350 ff. 366. 358. 359. Inwiefern haftet der
Unternehmer für die Unbrauchbarkeil des Werkes, wenn diese
nicht eine Folge mangelhafter Herstellung oder Lieferung, sondern
der vom Besteller bei der Bestellung vorgeschriebenen Anlage des-
selben isti
Der Unternehmer haftet wegen der Unbrauchbarkeit des
Werkes nicht unbedingt, sondern nur, wenn die Unbrauchbar-
keit auf vertragswidriger Herstellung oder Lieferuns; beruht.
Ist die Unbrauchbarkeit auf den Inhalt der Bestellung, auf
Vorschriften, die der Besteller bei der Bestellung gemacht
hat, zurückzuführen, so hat grundsätzlich nicht der Unter-
nehmer, sondern der Besteller die daherigen nachteiligen
Folgen zu tragen ; denn die Bestellung richtig und sacbgemäss
zu machen, ist Sache des Bestellers selbst
Als ein Rechtsgeschäft, das beiderseits nach Treu und
Glauben zu erfüllen ist, schliesst der Werkvertrag ja aller-
dings die allgemeine Verpflichtung des Unternehmers in sich,
nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse des Bestellers
auf eine sachgemässe Herstellung des bestellten Werkes be-
dacht zu sein, und auf diesem Grundsatze beruhen ver-
schiedene ausdrückliche Vorschriften des eidg. 0. R., so die
Statuierung der Anzeigepflicht des Unternehmers gemäss
Art. 356 0. R. und die Bestimmung des Art. 359, wonach
der Unternehmer den Besteller bei eigener Verantwortlichkeit
von unzweckmässigen Anweisungen über die Ausführung
des Werkes ausdrücklich abzumahnen hat. Ob und inwieweit
der Unternehmer dem Besteller bezüglich der in der Bestel-
18
lung bezeichneten Anlage des Werkes sachkundigen Rat zu
erteilen habe, muss sich aus den Umständen des einzelnen
Falles ergeben; hiernach wird zu erwägen sein, ob der Be-
steller wirklich Rat des Unternehmers erwartet, oder ob der
Unternehmer davon habe ausgehen dürfen, dass er bereits
beraten sei. (Entsch. vom 28. September 1900 i. S. Häderli
4 Cie c. Binkert-Siegwart.)
10. 0. R. Art 176, 406. Der Maklerlohn ist (vom Falle der
Arglist des Auftraggebers abgesehen) regelmässig nur dann ver-
dient, wenn der Makler durch seine Thätigkeit den Abschluss des
zu vermittelnden Vertrages herbeigeführt hat. Ein Anspruch auf
Teilung des Maklerlohnes im Falle des selbständigen Wirkens
mehrerer Makler besteht nicht.
Der von den Parteien abgeschlossene Maklervertrag ist
nach dem Inhalte der zwischen ihnen gewechselten Korre-
spondenz dahin gegangen, dass der Kläger den Kaufabschluss
betr. die Liegenschaft des Beklagten herbeizufuhren habe.
Thatsächlich nun hat der Kläger sich zwar mit verschiedenen
Personen, die er für kauflustig hielt, in Verbindung gesetzt,
und er hat auch eine Unterredung mit demjenigen, der nach-
her wirklich Käufer geworden ist, gehabt; allein der Kauf-
abschluss, der Konsens der Kontrahenten über die essentialia
des Kaufgeschäftes, ist festgestelltermassen nicht durch den
Kläger, sondern durch einen andern Agenten, Seh., an den
der Beklagte den kauflustigen A. gewiesen hatte, herbei-
geführt worden. Es fragt sich daher, ob der Kläger unter
diesen Umständen Anspruch auf Maklergebühr besitze. Nach
Schweiz. 0. R. Art. 405 kommen für den Maklervertrag, be-
sondere Bestimmungen der kantonalen Gesetze vorbehalten,
die Vorschriften über den Auftrag zur Anwendung. Danach
ist aber konkret, aus dem speziellen Vertrage, und subsidiär
aus allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen, durch welche
Thätigkeit die Maklergebühr verdient ist. Da vorliegend
spezielle Vertragsbestimmungen nicht vorhanden sind, haben
die allgemeinen, den Maklervertrag beherrschenden Grund-
sätze Platz zu greifen. Hienach hat der Makler dann auf
Lohn (Provision) Anspruch, wenn er den beabsichtigten End-
zweck, zu dem der Maklervertrag abgeschlossen wurde, her-
beigeführt hat; vorliegend also dann, wenn der Kaufabschluss
auf seine Thätigkeit zurückzuführen ist, mit ihr in ursäch-
lichem Zusammenhange steht (vergi. Urteil des Bundesgerichts
vom 80. Dezember 1895 i. S. Fritschi c. Blinde, A. Slg. XXI,
19
S. 1242 Erw. 4). Diese Voraussetzung des Anspruches auf die
Provision ist nun vom Kläger nicht erfüllt worden. Zwar
wird anzunehmen sein — obschon das nicht mit absoluter
oìewissheit festgestellt ist — dass der Brief des kauflustigen
A. an den Beklagten auf die Unterredung, die er einige Tage
vorher mit dem Kläger hatte, zurückzuführen ist. Hat so der
Kläger zwar eine Bedingung zu dem nachherigen Abschlüsse
des Kaufvertrages gesetzt, so hat doch seine Thätigkeil hier
ein Ende gefunden und sind die weitern, entscheidenden Be-
dingungen ohne sein Zuthun gesetzt worden; es ist mit an-
dern Worten, wie die Vorinstanz ausführt, der Kausalzu-
sammenhang zwischen seiner Thätigkeit und dem nach-
herigen Kaufabschlüsse unterbrochen worden. Unter diesen
Umständen aber kann nach dein oben gesagten von einem
Ansprüche auf Provision keine Rede sein, wenn derselbe nicht
aus dem Gesichtspunkte der Arglist begründet erklärt werden
muss, oder wenn er nicht als Teilungsanspruch gutzuheissen ist.
Was nun zunächst die Arglist des Promittentfen betrifft,
so ist allerdings richtig, dass die Provision dann geschuldet
wird, wenn der Promittent arglistig die Thätigkeit des Mak-
lers gehindert oder unterbrochen hat (siehe Urteil des B. G.
vom 9. Juni 1900 i. S. Ducolomb c. Fischer, A. Slg. XXVI,
2. Teil, S. 350); es ist dies ein aus allgemeinen Erwägungen
hergeleiteter Rechtsgrundsatz, der in Art. 176 0. R. in einer
speziellen Anwendung zum Ausdrucke kommt. Hätte daher
vorliegend der Beklagte den kauflustigen A. an Seh. gewiesen,
obschon er wusste, dass A. ihm durch den Kläger zugeführt
war, und mit der Absicht, den Kläger seines Provisions-
anspruches zu berauben, so bestünde der Anspruch des
Klägers. Allein jenes Wissen des Beklagten von der Unter-
redung des A. mit dem Kläger wird von der Vorinstanz
ausdrücklich verneint.
Zu erörtern bleibt demnach nur noch die Frage, ob der
Kläger einen Teil der Provision verlangen kaiin. Die erste
Instanz hat dies im Anschluss an das Urteil des Bundes-
gerichts vom 29. Dezember 1894 i. S. Fournaise c. Perrottet
(A. S. XX S. 1131 ff.) bejaht, die zweite Instanz dagegen hält
einen solchen Teilungsanspruch nicht für begründet. Es
folgt nun im allgemeinen schon aus den oben entwickel-
ten Grundsätzen, dass ein Anspruch auf Teilung der Pro-
vision im Falle des selbständigen 'Wirkens mehrerer
Makler nicht besteht (vergi, auch Entw. I des deutschen
B. G. B. § 580 und Motive dazu Bd II, S. 512; ferner deut-
sches B. G. B. § 652). Allein auch aus Erwägungen wirt-
*r ■
20
sch.aftlicher Natur, aus der Berücksichtigung der thatsäch-
liehen Verhältnisse des Lebens, ergiebt sich, dass es rich-
tiger ist und dem Wesen des Maklervertrages mehr entspricht,
eine Teilung des Provisionsanspruches bei selbständigem
Handeln mehrerer Makler nicht eintreten zu lassen. Dadurch
wird der Eifer der Makler, im Interesse des Auftraggebers
zu handein, wesentlich erhöht, da alsdann auch ihr eigenes
ökonomisches Interesse sie zu intensiver Thätigkeit treibt;
während andernfalls — wenn jeder Makler, der irgendwie
thätig gewesen ist, einen Teil der Provision fordern könnte —
der Eifer der Makler gelähmt würde und zudem unlauteren
Machenschaften zwischen ihnen die Thüre geöffnet wäre.
Diese Auffassung entspricht aber auch insofern dem Wesen
des Maklervertrages, als sie dem aleatorischen Moment, das
in ihm enthalten ist, Rechnung trägt: vielen erfolglosen Be-
mühungen steht im Falle des Gelingens der Vermittlung eines
Geschäftes ein Lohn gegenüber, der im Verhältnisse zur auf-
gewendeten Arbeit und Mühe meist als ein unverhältnis-
mässig hoher bezeichnet werden darf. Endlich ist nicht zu
übersehen, dass sich jeder Makler den Ersatz seiner Auf-
wendungen und ein geringes Entgelt für seine Bemühungen
durch ausdrückliche Vereinbarungen versprechen lassen kann
und dass ihm auf diesem Wege ein Schutz gegen Benach*
teiligung ermöglicht ist. (Entsch. vom 22. September 1900
i. S. Brupacher c. Ulrich.)
11. O.R.Art. 426. Umfang der Vollmacht dei Handlungs-
bevollmächtigten.
L'art. 426 C. 0. porte que les pouvoirs du mandataire
commercial s'étendent à tous les actes que comportent habitu-
ellement soit le commerce ou l'entreprise du patron, soit les
opérations dont il a chargé le représentant. Il s'agit donc de
savoir quelles sont les opérations qui se font habituellement
dans le genre de commerce ou d'industrie exploité par le
patron (voir Hafner, Commentaire du C. 0., art. 426 note 4b).
Or, lorsqu'il s'agit, comme dans le cas particulier, d'un
commerce d'étoffes, exploité par un manufacturier qui souvent
travaille sur commande, l'usage n'est pas de conclure des
ventes soumises, sous une forme ou sous une autre, au droit
de l'acheteur de rendre celles des marchandises qu'il ne
pourrait vendre. Une telle clause est tout à fait exceptionnelle
et extraordinaire, et le représentant commercial excède ses
pouvoirs en concluant des ventes conditionnelles au lieu de
21
ventes pures et simples (voir Staub, Kommentar zum
H. G. B., 6œe et 7me éd. page 220 note 19). (Entsch. vom
13. Oktober 1900 i. S. Zürcher c. Heyer.)
12. 0. R. Art. 512. Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 22. März 1893, Art. 81. Einrede des
Spiels; Beweislast. That- und Rechtsfrage.
Der Beweis dafür, dass ausdrücklich oder stillschweigend
Recht und Pflicht der Realerfiillung ausgeschlossen worden
sei, trifft denjenigen, der sich hierauf beruft, der also geltend
macht, es komme dem in der Form eines Lieferungsgeschäftes
bezw. des Kaufs- oder Verkaufsauftrags abgeschlossenen Rechts-
geschäfte nicht diejenige Bedeutung zu, welche aus dieser
Form, aus den Worten Kauf und Verkauf, an sich folgt,
sondern es sei trotz dieser rechtsgeschäftlichen Einkleidung
in That und Wahrheit ein blosses Spiel um die Differenz
vereinbart, die Worte Kauf und Verkauf seien also in un-
eigentlichem Sinne gebraucht worden. Dabei ist die Frage, ob
die ausdrücklichen Abreden oder die Thatsachen, in welchen der
Ausdruck des Willens, Recht und Pflicht der Realerfüllung
auszu8chliessen, gefunden wird, bewiesen seien, Thatfrage,
die Frage dagegen, ob dieselben, wenn bewiesen, den Aus-
druck des fraglichen Willens wirklich ergeben, Auslegungs-
und daher, nach der neuern Praxis des Bundesgerichts, Rechts-
frage, wie das Bundesgericht dies bereits in seiner Entschei-
dung i. S. Tobler c. Hodenehr vom 10. Dezember 1898 (Bd
XXIV II S. 860) ausgesprochen hat ; in letzterer Richtung
steht also dem Bundesgerioht die freie Ueberprüfung der
kantonalen Entscheidung zu. (Entsch. vom 27. Oktober 1900
i. S. Heim c. Grüner Haller & Cie.)
13. 0. R. Art. 623, Abs. 3. Die Oebernahme von Verpflich-
tungen, welche im Namen einer zu bildenden Aktiengesellschaft vor
deren Eintragung in das Handelsregister eingegangen worden sind,
kann (binnen drei Monaten nach der Eintragung) durch jedes zu
Eingehung derartiger Verpflichtungen befugte Organ der gegrün-
deten Aktiengesellschaft rechtsgültig erklärt werden; eine besondere
Form ist für eine derartige Erklärung nicht erforderlich, sie kann
daher sowohl stillschweigend als ausdrücklich geschehen.
(Entsch. vom 16. Oktober 1900 i. S. Société anonyme de
publicité „La Suisse" c. Heller.)
22
14. 0. R. Art. 755. Diese Gesetzesbestimmung gilt auch für
den Wechselregressanspruch. Dafüry ob eine zusammenhängende,
vom Aussteuer bis auf den Wechselinhaber herunterreichende
Kette von Indossamenten vorlieget ist ausschliesslich die räum-
liche Aufeinanderfolge der Wechselerklärungen massgebend.
A. St. stellte am 9. Februar 1898. an die Ordre seines
Bruders D. St. einen am 9. Mai 1898 fälligen Eigenwechsel
über die Summe von Fr. 2000 aus. Der Remittent D. St.
setzte auf die Rückseite des Wechsels seine Blankounter-
schrift und übergab denselben seinem Bruder, dem Aussteller
A. St., damit dieser ihn zu Geld machen könne. A. St. er-
suchte auch den Kläger F. B., seine Unterschrift auf den
Wechsel zu setzen. F. B. entsprach diesem Gesuch und setzte
seine Blankounterschrift auf die Rückseite des Wechsels. Ob
dies vor oder nach der Beisetzung des Blankoindossaments
des Remittenten D. St. geschah, steht nicht fest; dagegen
. steht fest, da88 die Unterschrift des B. oberhalb derjenigen
des Remittenten D. St. steht. A. St. diskontierte den derart
beschaffenen Wechsel bei dem Geschäftsagenten J. A. in L.,
welcher ihm die Wechselsumme ausbezahlte. In der Folge
liess Geschäftsagent J. A. das Blankoindossament des Re-
mittenten D. St. auf den Namen des F. B. und dasjenige des
letztern auf seinen eigenen Namen (durch seinen Sekretär)
ausfüllen. Nachdem über den Aussteller A. St. der Konkurs
ausgebrochen war, belangte J. A. den F. B. auf Bezahlung
der Wechselsumme und erlangte, nachdem dieser Rechtsvor-
sohlag erhoben hatte, provisorische Rechtsöffnung. F. B. erhob
daraufhin rechtzeitig Aberkennungsklage, indem er vorbrachte,
der Beklagte sei nicht durch eine zusammenhängende, bis zu
ihm herunterreichende Kette von Indossamenten legitimiert,
da das erste Indossament nicht vom Remittenten, sondern
vom Kläger ausgehe, der gar nicht als Remittent oder In-
dossatar erscheine und daher den Wechsel nicht gültig habe
indossieren können.
Das Bundesgericht hat (im Gegensatze zu den kan-
tonalen Instanzen) die Aberkennungsklage gutgeheissen, in-
dem es wesentlich ausführte: Der Anspruch, auf dessen Ab-
erkennung die Klage gerichtet ist, qualifiziert sich als Wechsel-
regressanspruch des Wechselinhabers, der als letzter Indos-
satar legitimiert zu sein behauptet, gegen einen Indossanten.
Da der Aberkennungsbeklagte den Wechsel nicht auf dem
Regresswege eingelöst hat, sondern seine Rechte an demselben
aus im Laufe des Wechsels vor Verfall beigesetzten Indos-
samenten ableitet, so beurteilt sich seine Legitimation aus-
23
schliesslich nach Art. 755 0. R. Es ist freilich streitig, ob
diese Vorschrift (bezw. die für dieselbe vorbildliche des Art. 36
D. W. 0.) sich auch auf die Regressklage und nicht vielmehr
nur auf die Legitimation gegenüber dem Bezogenen bezw.
Eigenwechselaussteller beziehe, speziell ob nicht, wenn in der
Reihe der Indossamente eine Lücke vorhanden ist, die In-
dossatare nach der Lücke zwar nicht gegen die Vortnänner
der Lücke, wohl aber gegen die Indossanten nach der Lücke
(sofern deren Indossamente unter sich zusammenhängen) legi-
timiert seien. Allein nach dem Wortlaut des Gesetzes gilt
Art. 755 0. R. allgemein, auch für die Regressklage, und es
entspricht dies auch der Natur des Verhältnisses; der In-
dossatar kann, nach der Natur des Indossaments, aus dem
isolierten Indossamente allein keine Rechte ableiten, sondern
dasselbe verleiht ihm solche nur dann, wenn es sich auf
einem formell gültigen Grundwechsel befindet und sich an
diesen und die vorausgehenden Indossamente im Zusammen-
hang an8chliesst (Grünhut, Wechselrecht Bd II, S. 117;
Thöl, Handelsrecht Bd 2, 3. Aufl., S. 507). Uebrigens be-
findet im vorliegenden Falle, wenn eine Lücke in der Kette
der Indossamente überhaupt anzunehmen ist, dieselbe sich
vor dem Indossamente des Aberkennungsklägers, zwischen
dem Gmndwechsel (der Unterschrift des Ausstellers) und dem
Indossamente des Klägers. Der Beklagte wäre also letz terni
gegenüber, sofern eine Lücke überhaupt vorliegt, keinenfalls
legitimiert.
Artikel 755 0. R. bestimmt nun in Abs. 1, der Inhaber
eines indossierten Wechsels werde durch eine zusammen-
hängende, bis auf ihn hinuntergehende Reihe von Indossa-
menten als Eigentümer des Wechsels legitimiert, und hebt im
Abs. 2 ausdrücklich hervor, dass das erste Indossament dem-
nach mit dem Namen des Wechselnehmers, jedes folgende
Indossament mit dem Namen desjenigen unterzeichnet sein
müsse, welchen das unmittelbar vorhergehende Indossament
als Indossatar benenne. Fragt sich, ob dieser Vorschrift in
concreto entsprochen sei, so ist zunächst anzuerkennen, dass
der beklagte Wechselinhaber durchaus berechtigt war, die
Blankoindossamente des Klägers und des Remittenten D. 8t.
auszufüllen, und dass daher bei Prüfung der Frage, ob eine
zusammenhängende Kette von Indossamenten vorliege, von
der Beschaffenheit des Wechsels nach Ausfüllung der Indos-
samente auszugehen ist. Allein auch wenn hievon ausgegangen
wird, so liegt eine zusammenhängende, vom Aussteller bis
auf den Wechselinhaber hinuntergehende Kette von Indossa-
menten doch nicht vor. Unzweifelhaft nämlich ist dasjenige
Indossament, welches räumlich als das erste auf die Wechsel-
Unterschrift des Ausstellers folgt, nicht dasjenige des Remit-
tenten! welches auf den Namen des Klägers, sondern das-
jenige des letztern, welches auf den Namen des beklagten
Wechselinhabers ausgefüllt worden ist. Darüber nun aber,
ob eine zusammenhängende, vom Aussteller bis auf den
Wechselinhaber hinuntergehende Reihe von Wechselerklä-
rungen vorliege, entscheidet, wie wohl ohne weiteres aus dem
Wortlaut des Gesetzes, in Verbindung mit der formellen Natur
des Wechsels sich ergiebt und allgemein anerkannt zu sein
scheint (vergi, z. B. Thöl, a. a. 0. S. 505; Staub, Wechsel-
ordnung, 2. Aufl. Art. 36 § 15 S. 100), die räumliche Auf-
einanderfolge der Wechselerklärungen und nicht etwa das
Datum derselben oder sonstige, aus den Umständen der
Wechselausstellung und -Begebung in betreff der Parteiabsicht
sich ergebende Momente. Danach geht denn aber vorliegend
das erste Indossament nicht, wie Art. 755 Ü. R. verlangt,
vom Remittenten, sondern von einem dritten aus, der nach
dem Inhalte des Grundwechsels (der einzig seiner Wechsel-
erklärung voransteht) nicht als Wechselnehmer erscheint und
der daher nicht befugt war, den Wechsel gültig zu indossieren,
durch dessen Indossament vielmehr der Zusammenbang in der
Reihe der Indossamente unterbrochen worden ist. Daran kann
die Art, wie der Beklagte die beiden Indossamente ausge-
füllt hat, ni cht 8 ändern, denn diese vermag die Reihenfolge
der Indossamente, wie sie aus ihrer räumlichen Aufeinander-
folge sich ergiebt, nioht zu ändern, sie vermag nicht das In-
dossament des Remittenten zum ersten, dasjenige des Klägers
zum zweiten Indossamente zu machen, wie dies nötig wäre,
um eine ununterbrochene Reihe der Wechselerklärungen her-
zustellen. (Entsch. vom 12. Oktober 1900 i. 8. Bürgin c. Erb-
schaft Arabühl.)
15. Bundesgesetz betreffend Feststellung und Beurkundung
des Gvästands und die Ehe vom 24. Dezember 1874, Art. 46
lit. c. Begriff der „entehrenden Strafe*
Das Bundesgesetz über Civilstand und Ehe vom 24. De-
zember 1874 spricht sich nicht näher darüber aus, wann eine
Strafe als entehrend anzusehen sei und demgemäss ein Schei-
dungsbegehren nach Art. 46 lit. c zu begründen vermöge.
In erster Linie wird daher darauf zurückzugehen sein, ob das
kantonale Recht, in dessen Anwendung die Strafe aas-
gesprochen wurde, damit den Verlust oder die Minderung der
25
bürgerlichen Rechte und Ehren verbinde, bezw. darauf, ob der
urteilende Richter, der gleichsam das öffentliche Gewissen
repräsentiert, die Schmälerung der Ehrenrechte für geboten
hielt. Dazu kommt aber ein weiteres Moment: Wenn die Ver-
urteilung zu einer entehrenden Strafe als bestimmter Schei-
dungsgrund anerkannt wird, so beruht dies auf dem Gedanken,
dass die Schande einer infamierenden Strafe auch den un-
schuldigen Ehegatten treffe und dass der schuldige durch ein
Verhalten, das hiezu führt, seine Pflichten verletze und das
eheliche Glück untergrabe. Danach ist denn bei der Frage,
was als entehrende Strafe im Sinne von Art. 46 lit. c an-
zusehen sei, im Gegensatz zu der Divergenz der Strafrechte,
welche zur Anwendung kommen können, und der Anschau-
ungen der Strafrichter, als einheitlicher, ausschliesslich vom
Bundesrecht beherrschter Gesichtspunkt in Betracht zu ziehen,
wie die Strafe auf das eheliche Verhältnis wirkt und ob und
wieweit die in der Strafe liegende Entehrung das eheliche
Zusammenleben verunmöglicht; insofern kann der Scheidungs-
richter auch auf den Grund der Strafe, auf das Vergehen
und dessen Charakter zurückgreifen. Materiell ist in dieser
Beziehung zu sagen, dass wohl der Regel nach einer blossen
Minderung der Ehrenrechte die Wirkung nicht wird beigelegt
werden dürfen, dass dadurch das eheliche Band in unheilbarer
Weise zerrissen sei, dass vielmehr erst der gänzliche Verlust
der bürgerlichen Rechte und Ehren, dem der Entzug der
wesentlichsten Ehrenrechte gleichzustellen sein wird, das ehe-
liche Verhältnis derart ergreift, dass dem unschuldigen Ehe-
gatten eine Fortsetzung desselben nicht mehr zugemutet
werden kann (vergi. A.S.Bdll S.381 f. und Bd VII S. 541).
Wird hievon ausgegangen, so ist zunächst zu beachten, dass
nach dem Strafgesetzbuch von Appenzell A.Rh, die Gefängnis-
strafe, zu der der Beklagte verurteilt wurde, nicht den Verlust
der bürgerlichen Rechte und Ehren zur Folge hat, wie er
mit der Zuchthausstrafe von Gesetzeswegen verbunden ist,
sondern nur die Herabsetzung in den bürgerlichen Rechten
und Ehren auf bestimmte oder unbestimmte Zeit (vergi. § 5
und 6 des Strafgesetzbuches). Diese unterscheidet sich aber
von der Entziehung der Rechte und Ehren wesentlich, einmal
in Bezug auf die Dauer, und sodann namentlich in Bezug auf
die Wirkungen. Während die Entziehung stets bis zur Re-
habilitation dauert, kann die Herabsetzung — wie es vor-
liegend geschah — auch nur auf bestimmte Zeit ausgesprochen
werden, und während die Entziehung den Verlust nicht nur
des passiven, sondern auch des aktiven Wahlrechts, das wohl
26
als das erste der bürgerlichen Ehrenrechte zu bezeichnen ist,
sowie die absolute Unfähigkeit, Zeuge, richterlicher Beistand
oder Vormund zu sein, nach sich zieht, ist derjenige, der in
seinen Ehren herabgesetzt wird, nur nicht fähig, eine öffent-
liche Staats- oder Gemeindestelle oder Bedienstung za be-
kleiden, und kann als Zeuge bei Civilstreitigkeiten und als
richterlicher Beistand und Vormund ausgeschlossen werden
(vergi. § 11 und 13 des Strafgesetzbuchs). Demgemäss leidet
denn das allgemeine Ansehen unter einer blossen Herabsetzung
offenbar erbeblich weniger, als bei der Entziehung der bürger-
lichen Rechte und Ehren, weshalb auch dort die Bückwirkung
auf das eheliche Verhältnis nicht eine so einschneidende sein
kann, wie hier. Das Delikt sodann, wegen dessen der Be-
klagte bestraft wurde (Unterschlagung, begangen in der
Stellung als Postcommis), ist nicht so schwer, dass deshalb
gesagt werden müsste, die vom Strafrichter ausgesprochene
Ehrenstrafe bringe soviel Schande über die Familie, dass das
eheliche Band als unheilbar gelockert betrachtet und dem-
gemäss auf Begehren des unschuldigen Gatten auch äusserlich
gelöst werden müsste. Die Klage ist daher mit Hecht ver-
worfen worden, soweit sie sich auf Art.. 46 lit. c des Gesetze»
von 1874 stützt. (Entsch. vom 20. September 1900 i. S. Ehe-
leute W.-L.)
16. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahnen
und Dampfschiff ahrtsuntemehmung en bei Tötungen und Ver-
letzungen vom 1. Juli 1875> Art. 2, 11. Beweis des Selbst-
verschuldens; Grundsätze.
Der Zugführer der N. 0. B., K. M., wurde am 3. August
1899, wo er einen Schnellzug von Aarau nach Zürich zu
führen hatte, bei Dietikon in einer unbesetzten Wagen-
abteilung erster Elasse tot aufgefunden, den Oberkörper weit
über die Brüstung eines Fensters hinausgelehnt, mit einer
Wunde über dem rechten Ohre, unter welcher der Schädel
eingedrückt war. Die Verletzung wurde, wie angenommen
werden muss, dadurch verursacht, dass M. mit dem Kopfe an
die eine Mauer eines Wegübergangs anschlug. Der auf das
Eisenbahnhaftpflichtgesetz begründeten Entschädigungsklage
der Hinterlassenen stellte die N. 0. B. die Einrede des Selbst-
verschuldens entgegen. Dieselbe wurde indess in allen In-
stanzen verworfen. Aus dem bundesgerichtlichen Urteile ist
hervorzuheben:
Die Beweislast für die Einrede des Selbstverschuldens
ruht auf der Beklagten (Art. 2 des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes),
27
und fall s diese den Richter nicht zu überzeugen vermag,
da88 der Verunglückte sich fahrlässig benommen und dafls
hierauf der Unfall zurückzuführen ist, greift die Vermutung
Platz, der Unfall sei ein zufälliger und demgemäss in seinen
Folgen von der Transportunternehmung zu vertreten. Nun
hat natürlich auch bei der Prüfung des auf die Einrede des.
Selbstverschuldens bezüglichen Prozessmaterials der Richter
nach Art. 11 des Gesetzes eine freie Würdigung walten zu
lassen, und ist es ihm nicht verwehrt, mangels eines direkten
Beweises des Selbstverschuldens, dieses aus den feststehenden
Umständen des Falles zu folgern. So kann denn der Nach-
weis des Selbstverschuldens von der Beklagten auch in der
Weise geführt werden, da 88 sie darthut, dass alle vernünftiger-
weise gedenkbaren Möglichkeiten, wie sich der Unfall er-
eignet haben kann, auf ein Verschulden des Verunglückten
zurückweisen. Es muss aber andrerseits ein Nachweis, der so
zu führen unternommen worden ist, schon dann als gescheitert
betrachtet werden, wenn auch nur eine — vielleicht nicht
die wahrscheinliche, aber doch eine mögliche — Erklärung
für den Unfall übrig bleibt, bei der nicht von einem Selbst-
verschulden des Verunglückten gesprochen werden kann. Von
diesen Gesichtspunkten auH betrachtet, kann der Nachweis
des Selbstverschuldens im vorliegenden Falle nicht als er-
bracht angesehen werden. Zeugen des Hergangs existieren
nicht. Soviel ist immerhin nach der Sachlage sicher, dass Bt.
mit dem Oberkörper ziemlich weit über die Fensterbrüstung
hinausgeraten sein muss, damit die Kollision eintreten konnte;
denn die Mauer war ungefähr 50 cm von der Wand des
Wagens entfernt, in dem M. den Tod fand. Allein es ist
schon fraglich und jedenfalls nicht zur vollen Ueberzeugung
erstellt, dass sich M. freiwillig aus dem Wagen hinauslehnte.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich derselbe auf die Fenster-
brüstung stützte und dann infolge irgend einer äussern Ein-
wirkung ausrutschte und das Gleichgewicht verlor. Ueberdies
schlie88t auch das Hinauslehnen selbst nicht ohne weiteres
eine Fahrlässigkeit in sich. Wenn die Beklagte sich darauf
beruft, dass dasselbe durch Reglement und durch Anschlag
in den Wagen ausdrücklich verboten sei, so ist doch ohne
weiteres klar, dass für das Zugspersonal dieses Verbot nicht
auf unbedingte Anerkennung Anspruch erheben kann
An sich könnte daher dem M. daraus allein, dass er sich aus
dem Fenster hinausbeugte, ein Vorwurf nicht gemacht werden.
Vielmehr müsste erstellt sein, dass er sich ohne Anlass zu
weit oder auf gefährliche Weise hinauslehnte und so die
28
Kollision verursachte. Gerade hier ist aber die Beweisführung
nicht schlüssig.' Die Beklagte kann es nur als Vermutung
aufstellen, dass M. im Zustande des Bewusstseins mit dem
Körper so weit aus dem Fenster hinausgeriet, dass sein Kopf
an die Mauer anschlagen musste. Daneben bleibt aber, wie
die Vorinstanzen zutreffend erwähnen, die andere Vermutung
völlig im Bereiche der Möglichkeit, dass erst ein vom Willen
des M. unabhängiger Umstand, ein zufälliges Moment, sei es
ein innerer Vorgang oder eine äussere Einwirkung, ihn in die
Lage brachte, die dann den Zusammenstoss unvermeidlich
machte. Die Appellationskammer fuhrt aus, es sei die An-
nahme nicht ausgeschlossen, und sie werde dadurch unter-
stützt, dass der Verunglückte seine Dienstmütze auf einen
Wagensitz abgelegt hatte, M., der sehr erhitzt gewesen sei,
habe sich abkühlen wollen und zu diesem Zwecke den Kopf
zum Fenster hinausgestreckt, infolge eines plötzlichen Un-
wohlseins sei dann sein Körper vornüber gefallen, wobei sich
das Unglück ereignet haben möge. Dem ist zuzustimmen
und damit auch die Schlussfolgerung zu billigen, dass der
Nachweis des Selbstverschuldens missglückt ist. (Entsch. vom
15. September 1900 i. S. N.O. B. c. Witwe Meier u. Genossen.)
1 7. BundesgeseU betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb
com 25. Juni 1881, Art. 3. Haftpflicht für Berufskrankheiten.
Kausalzusammenhang zwischen Betrieb und Erkrankung. Beweis-
Würdigung.
U. F., welcher seit 15. November 1897 als Handlanger
in der, der Bestimmung des Art. 3 des Fabrikhaftpflicht-
gesetzes unterstehenden, chemischen Fabrik der Beklagten
angestellt und dabei u. a. mit der Herstellung von Phenyl-
hydrazin beschäftigt war, erkrankte am 27. November 1897
und starb am 17. Dezember gl. J. Seine Hinterlassenen be-
langten die Beklagten gestützt auf Art. 3 des Fabrikhaft-
pflichtgesetzes auf Entschädigung. Die im Prozesse beige-
zogenen Sachverständigen sprachen sich dahin aus, die Krank-
heit des F., welche seinen Tod herbeigeführt habe, sei „mit
grösster Wahrscheinlichkeit" auf Vergiftung mit Phenyl-
hydrazin zurückzuführen. Gestützt auf dieses Outachten er-
klärten die kantonalen Instanzen die Klage grundsätzlich für
begründet. Die hiegegen ergriffene Berufung wurde vom
Bundesgerichte abgewiesen, indem dasselbe u. a. ausführte:
Für das Bundesgericht kann es sich gemäss Art. 81
Organis.-Qes. nur fragen, ob die Würdigung, die der kan-
29
tonale Richter dem Beweisergebnisse hat zukommen lassen,
aktenwidrig sei oder auf einer Verletzung bundesgesetzlicher
Bestimmungen beruhe; es wird daher namentlich zu prüfen
sein, ob der kantonale Richter den Begriff des Kausalzusam-
menhangs, wie er in Art. 3 des Fabrikhaftpflicht-Gesetzes
niedergelegt ist, richtig angewendet oder aber verletzt habr*.
Ueber diese für das Schicksal der Berufung entscheidende
Frage folgendes: Die Vorinstanz hat sich bei ihrem Urteile
im wesentlichen, wie dies in der Natur der Sache lag, auf
das Gutachten der ärztlichen Sachverständigen gestützt. Wenn
sie nun an Hand dieses Gutachtens, in Verbindung mit der
Thatsache, dass von früheren Krankheiten den F. nichts bekannt
geworden, den Nachweis des ausschliesslichen ursächlichen
Zusammenhangs der Erkrankung und des dadurch erfolgten
Todes des F. mit dem Betriebe der Fabrik, d. h. mit der
Arbeit, die ihm in der Fabrik oblag, für gegeben hält, so
kann darin weder eine Aktenwidrigkeit, noch eine Verletzung
bundesgesetzlicher Bestimmungen erblickt werden. Da das
Gutachten selber sich völlig auf Grundlage der Akten auf-
baut und Aktenwidrigkeiten oder Verstösse gegen die Logik
nirgends enthält, sein spezifisch medizinischer Inhalt aber
sich der Beurteilung des nicht sachverständigen Richters natur-
gemäss entzieht, so bleibt nur die Frage zu lösen, ob die
„grösste Wahrscheinlichkeit," die die Experten für den Kausal-
zusammenbang zwischen der Krankheit und dadurch dem
Tode des F. und einer Phenylhydrazin- Vergiftung annehmen,
für den vom Gesetze (Art. 3 Fabr.-Haftpfl.-Oes.) verlangten
Nachweis genüge. Das ist aber zu bejahen. Allerdings muss
daran festgehalten werden, dass es bei Klagen aus Art. 3
Fabr.-Haftpfl.-Ges. (Haftpflicht aus Berufskrankheiten) mit
dem dem Kläger obliegenden Beweise nicht leicht genommen
werden darf (vergi. Entsch. des Bundesgerichts, Amtl. Samml.
Bd XXIII S. 881). Allein es liegt wohl in der Natur der-
artiger Betriebs- oder Berufskrankheiten, dass ein ganz ab-
soluter, strikter Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen
Fabrikbetrieb (Arbeit) und Erkrankung in vielen Fällen un-
möglich geführt werden kann ; diese Fälle mussten aber vom
Gesetz vorausgesehen werden, und es war nun gewiss nicht
dessen Meinung, in solchen Fällen die Haftpflicht aoszu-
schliessen. (Entsch. vom 27. September 1900 i. S. Grandjean,
Zimmermann & Cie c. Witwe Flückiger u. Genossen.)
so
18. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art 287 Ziffer 2. Ein Vertrag, wodurch ein
Schuldner seinem Gläubiger Waren in der Meinung verkauft,
dass der Kaufpreis auf die Schuld aufzurechnen sei, ist dann
nach Massgabe des Art. 287 Ziffer 2 leg. cit. anfechtbar, wenn
sich aus den Umständen ergiebt, dass nicht die unmittelbaren
Rechtsfolgen eines Warenverkaufes den eigentlichen Zweck und
Inhalt des Geschäftes bildeten, sondern dass vielmehr die mit-
telbare Wirkung der Tilgung der Schuld durch Kompensation
die Parteien zum Abschlüsse desselben bestimmte.
(Entach. vom 30. Oktober 1900 i. 8. Labhardt & Huber
o. Masse Creutzmann.)
19. Bundesgesetz über die Organisation der BundesrechU-
pjlege vom 22. März 1893, Art. 81. 0. IL Art. 564, 600, 601.
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April
1889, Art. 285 f., 288, 289. Anfechtbarkeü der vom unbeschränkt
haftenden Teilhaber einer Kommanditgesellschaft vorgenommenen
Verpfändung von Privatvermögen für eine Gesellschaftsschuld.
Rechts- und Thatfrage bei der Anfechtungsklage. Begriff der Be~
nachteiligungs- bezw. Begünstigungsabsicht.
J. M.-L. in Seh. (Kanton Aargau) war einziger unbeschränkt
haftender Teilhaber der Kommanditgesellschaft M.-L. & Cie.
Ain 8. August 1898 bestellte er der gegenwärtigen Beklagten
für eine Gesellschaftsschuld Pfandrecht an einer zu seinem Pri-
vatvermögen gehörenden Liegenschaft. Nachdem am 23. Mai
1899 über die Kommanditgesellschaft und ara 3. Oktober
gl. J. über J. M.-L. persönlich der Konkurs eröffnet worden
war, meldete die Beklagte ihre Forderung in beiden Kon-
kursen an und machte im Privatkonkurse des J. M.-L. auch
ihr Pfandrecht geltend. Forderung und Pfandrecht wurden
von der Konkursrerwaltung anerkannt Dem gegenüber
stellten die Kläger (welche ebenfalls sowohl im Gesellschafts-
al8 im Privatkonkurse anerkannte Forderungen angemeldet
hatten) auf dem Wege des Kollokationsprozesses gegen die
Beklagte den Antrag, der Pfandbrief der Beklagten sei un-
gültig zu erklären und die auf denselben gestützte Forderung
aus der Pfandklasse in die laufende zu verweisen. Die Klage
wurde auf Art. 288 des Schuldbetreibungs- und Konkurs-
gesetzes begründet. Die Beklagte wendete hiegegen in erster
Linie ein, dass der Pfandbrief nicht vom Schuldner der da-
durch versicherten Forderung errichtet worden sei, da die
Gesellschaft und der Teilhaber M. verschiedene Rechtssubjekte
seien, und dass schon deshalb die Anfechtungsklage nicht
31
zum Ziele führen könne; im übrigen bestritt sie, dass die
Voraussetzungen des Art. 288 leg. cit. zutreffen. Das Bundes-
gericht hat (in Abänderung des Urteils der kantonalen In-
stanzen) die Klage gutgeheissen. Aus der Begründung seiner
Entscheidung ist hervorzuheben:
1. J. M. war für die Forderung der Beklagten an die
Kommanditgesellschaft M.-L. & Cie, als unbeschränkt haf-
tender Gesellschafter, solidarisch und mit seinem ganzen Ver-
mögen verhaftet (Art. 600 und 564 0. R.). Insofern war er
von Anfang an persönlicher Schuldner der Beklagten, und
wenn er aus seinem privaten Vermögen iür eine Schuld der
Gesellschaft Sicherheit bestellte, so versicherte er damit gleich-
zeitig eine eigene Schuld. Da nun das Gesellschaftsvermögen
nicht hinreichte, um die Gesellschaftsschulden zu decken, so
wurde die private Schuldverpflichtung wirksam, und es konnte
die Forderung, soweit sie noch unbefriedigt war, im Privat-
konkurse des Gesellschafters angemeldet werden (Art. 601
0. R.). In diesem Konkurse wird die Forderung als seine
persönliche Schuld liquidiert, und erscheint das Pfandrecht,
das er bestellte, und das nunmehr angefochten wird, jawohl
als vom Schuldner der Forderung errichtet. Der Einwand,
dass J. M. das Pfandrecht nicht für eine eigene Schuld be-
stellt habe, geht demnach fehl.
2. Das Bundesgericht ist auch in Anfechtungsprozessen
an den kantonalrechtlich festgestellten Thatbestand gebunden
(Art. 81 Organis. Ges.). Allein die Gebundenheit erstreckt
sich nur auf die thafcächlichen Elemente, auf das, was an
that8ächlichem Material die Parteivorbringen und die Beweis-
führung zu Tage gefördert haben, während die Schlussfolge-
rungen, die hieraus im Hinblick auf die Frage der Anfecht-
barkeit gezogen wurden, weil dabei eben auch rechtliche Auf-
fassungen und Fragen der Gesetzesinterpretation mitspielen,
der Nachprüfung des Bundesgerichts unterstehen müssen. In
diesem Sinne darf Art. 289 Betreib.- Ges., der vorschreibt,
dass der Richter bei Anwendung der Artikel 286 bis 288 unter
Würdigung der Umstände nach freiem Ermessen urteile, auch
für die bundesgerichtliche Instanz eine Bedeutung bean-
spruchen Benachteiligungs- bezw. Begünstigungsabsicht
im Sinne des Art. 288 leg. cit. ist nicht nur dann anzu-
nehmen, wenn der eigentliche, nächste Zweck eines Geschäfts
die Benachteiligung der übrigen Gläubiger, bezw. die Be-
günstigung eines einzelnen war, sondern schon dann, wenn
die Benachteiligung oder Begünstigung als normale Folge des
Geschäfts vorhergesehen werden musste (vergi. Amtl. Samml.
32
der bundesger. Entsch. Bd XXIII, S. 738). (Entsch. vom
14. September 1900 i. S. Moser u. Eons. c. Buntweberei in
Wallenstadt.)
20. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art. 287. Wenn der Hauptschuldner dem Bürgen,
der die verbürgte Schuld einzulösen übernommen hat, zum Zwecke
der Tilgung seiner Regressforderung einen Hypothekartitel ab-
tritt, so liegt darin, auch wenn das Geschäft in der Form eines
Kaufes mit vereinbarter Verrechnung des Kaufpreises auf die
Regressi 'orderung eingekleidet wird, eine Abtretung an Zahlungs-
statt, wodurch eine Gehlschuld auf andere Weise als durch Bar-
Schaft oder anderweitige übliche Zahlungsmittel getilgt wird. Die
Abtretung ist daher nach Massgabe des Art. 287 cit. anfechtbar.
(Entsch. vom 10. Oktober 1900 i. 8. Sottas c. Blanc u.
Genossen.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
21. Vertrags- oder Deliktsklaget Haftung für Angestellte
nach Art. 115 0. R.
Aargau« Urteil des Obergerichts vom 1. Juni 1898.
Ein Lohnkutscher Hess in der Schmiede ein Pferd be-
schlagen. Als dies geschehen war, nahm er den Schmied-
meister in eine benachbarte Wirtschaft mit und Hess das
Pferd in der Schmiede zurück. In seiner und des Schmieds
Abwesenheit wurde das Pferd — wohl von einem Schmied-
gesellen — derart verletzt, dass es abgethan werden musate.
Der Lohnkutscher klagte gegen den Schmied auf Schaden-
ersatz. Das Obergericht hat den Schaden zwischen beiden
Parteien geteilt.
Motive: Das Bezirksgericht ist der Ansicht, dass mit
dem Momente, da der Beklagte mit dem Lohnkutscher nach
dem Beschlagen aus der Schmiede fortging, jedes Vertrags-
verhältnis zwischen diesen Personen in tfezug auf das Pferd
aufgelöst worden sei. Dem kann das Obergericht nicht bei-
pflichten. Denn zu dem Vertragsverhältnisse betreffend das
Beschlagen des Pferdes gehört auch die Verpflichtung des
Beklagten zur Aufnahme des Pferdes in die Schmiede und
zur Obhut über dasselbe, so lange es mit Einwilligung des
Beklagten sich in dessen Schmiede befand.
33
Der Beklagte wendet ein, der Kläger habe dadurch,
da88 er ihn mit sich in die Wirtschaft genommen, auf seine
Verpflichtung zur Obhut des Pferdes verzichtet und sein Ein-
verständnis damit ausgesprochen, dass der Schmiedgeselle
ohne Aufsicht des Meisters zum Pferde sehe. Darum könne
er ihm, dem Beklagten, nicht vorwerfen, er habe die Auf-
sicht über den Gesellen nicht geführt Dies ist nicht richtig.
Der Beklagte ist nach Art. 115 0. R. für seine Angestellten
verantwortlich, er musste wissen, ob das Pferd in der Obhut
desselben gelassen werden dürfe, ohne dass etwas vernach-
lässigt werde. Und der Kläger durfte annehmen, dass seitens
der Angestellten des Beklagten dem Pferde die nötige Obhut
zu teil werde. Durch das Verlassen der Schmiede mit dem
Eigentümer des Pferdes lud der Beklagte die Verpflichtung
zur Obhut des Pferdes nicht von sich ab, er überliess da-
durch nur die Anwendung der ihm selbst obliegenden Sorg-
falt für das Pferd seinem Angestellten, für den er nach
Art. 115 0. R. verantwortlich ist.
(Zur Teilung des Schadens gelangte das Obergericht
durch die Erwägung, dass der Geselle die ungewöhnliche und
boshafte Handlung, in deren Folge das Pferd getötet werden
musste, möglicherweise nicht verübt hätte, wenn der Meister
in der Schmiede zurückgeblieben wäre. Nun sei aber letzterer
durch den Kläger selbst zum Weggehen veranlasst worden.
Kläger sei in der Lage gewesen, das Pferd, da es beschlagen
war, sofort nach Hause zu führen, er habe es aber ohne trif-
tigen Grund in der Schmiede gelassen. Von da an habe das
zwischen den Parteien bestehende Geschäft für den Beklagten
keinen Vorteil mehr gehabt. Vergi. Art. 113 0. R., der auf
den vorliegenden Fall wohl analoge Anwendung finden dürfe.)
(Zeitschr. d. Bern. Jur.-Ver., XXXVI S. 159 ff.)
22. Vente. Délai de vérification d'une marchandise. Art 246
C. 0.
Genève. Jugement de la Cour de justice civile du 27 octobre 1900
d. 1. c. Guilhermet c. dame Kammer.
Guilhermet ayant vendu son commerce de tabacs à
dame Kammer fit commandement à cette dernière de lui
payer le solde dû en 450 fr. Celle-ci fit opposition au com-
mandement en faisant valoir des dommages-intérêts pour mar-
chandises avariées. Guilhermet excipe que cette demande de
dommages-intérêts était tardive, l'acheteur ayant dû vérifier
3
34
l'état des marchandises le jour de la reprise du magasin. Le
Tribunal a déclaré fondée la réclamation de dame Kammer.
Motifs: Considérant qu'à teneur de l'art. 246 G. 0. le
délai de vérification est déterminé d'après la marche habi-
tuelle des affaires;
que dame Kammer ne pouvait vérifier immédiatement le
contenu des boîtes ou paquets scellés, car elle aurait ainsi
déprécié la valeur des marchandises;
que ce n'est que lorsqu'elle a débité ces marchandises
et qu'elle a reçu des réclamations de ses clients qu'elle a été
appelée à constater l'état des cigares et cigarettes qui lui
avaient été vendus;
considérant qu'il n'est pas méconnu par Guilhermet que
son acheteur l'a immédiatement avisé;
que l'identité des marchandises expertisées avec celles
qu'il a vendues ne saurait être contestée;
que l'expert a constaté qu'une certaine quantité, soit de
cigarettes, soit de cigares, étaient moisis ou défraîchis, et
que cet état de choses remontait à une époque antérieure à
la reprise du magasin par dame Kammer.
(La Semaine judiciaire, XXII p. 734 sa.)
23. Wechselklage. Einrede der Arglist. Art. 811 0. R.
Zürich« Urteil des Handelsgerichts vom 21. September 1900.
J. Laurencie, Agent des Seh. in Zürich für Vertrieb eines
von letzterem herausgegebenen Werkes, stand mit einem ge-
wissen Schaleck in Rechnungsverhältnis und trat ihm einen
von Seh. aeeeptierten Wechsel im Betrag von 500 fl. ab,
den Seh. bei Verfall nicht einlöste. Auf Betreibung deponierte
Seh. den Betrag von 1070 Fr. unter Rechts Vorschlag, so dass
nun Schaleck zur Erhebung der Wechselklage genötigt war.
Dieser hielt Seh. die Einrede entgegen, er habe an Laurencie
jeweilen Wechsel abgegeben nur unter der Voraussetzung,
dass er zu deren Einlösung nicht verpflichtet sei, wenn bei
deren Fälligkeit kein entsprechendes Provisionsguthaben des
L. existent sei. Davon habe Schaleck genaue Kenntnis ge-
habt, ebenso davon, dass er (Seh.) dem Laurencie nichts
schulde und auoh zur Zeit der Abtretung des Wechsels nichts
geschuldet habe; mithin stehe der Wechselklage die Einrede
der Arglist entgegen. Die Klage wurde aber gutgeheissen.
Gründe: Als Weohselschuldner kann sich der Beklagte
nach Art. 811 0. R. „nur solcher Einreden bedienen, welche
aas dem Wechselrecht selbst hervorgehen oder ihm anmittel-
bar gegen den jedesmaligen Kläger zustehen." In dieser Rich-
tung bringt der Beklagte zunächst vor, der Kläger habe das
Accept erworben im Bewußtsein, dass die demselben zu
Grunde liegende Forderung des Laurencie eine bedingte sei;
er Handle somit dolos, wenn er dieselbe geltend mache trotz
Nichteintretens der Bedingung. Der Vorwurf der Arglist, der
damit erhoben wird, gehört in die zweite Kategorie der dem
Acceptanten nach Art. 811 cit. gewährten Einreden (Hafner,
Kote 3 zu diesem Art.). Ueber die Zulässigkeit dieser Ein-
rede an sich herrscht heute in der Wissenschaft kein Streit,
dagegen ist die Frage sehr kontrovers, wann die Voraus-
setzungen derselben gegeben seien. Das 0. R. selbst be-
stimmt in dieser Richtung nichts, und auch das Bundesgericht
hat in dieser Frage einen prinzipiellen Entscheid noch nicht
gefällt. Während nun in der Theorie die eine Ansicht dahin
geht, der Indossatar müsse auch bei blosser Kenntnis der
dem Valutaverhältnis anhaftenden Mängel dieselben sioh selbst
entgegenhalten lassen (so Staub, Komm. z. deutsch. W. 0.,
2. Aufl., 8. 189, §§ 15 u. 16, S. 196, §§ 39 u. 41; Cosak,
Lehrb. des Handelsrechts, 4. Aufl., S. 291, letzterer mit ge-
wissen Einschränkungen), erachtet eine strengere Auffassung
die Einrede der Arglist gegenüber dem Indossatar nur dann
als begründet, wenn dieser die Absicht des Indossanten, dem
Acceptanten duroh das Indossament Einreden, die er gegen
ihn gehabt hätte, abzuschneiden, gekannt und geteilt hat
(Kollusion) (vergi. Wächter, Encyklopädie des W. R. S. 374;
Borchardt, Komm. z. deutsch. W. 0., 8. Aufl., S. 402, §786;
Grünhut, Wechselrecbt Bd II, § 88; weniger bestimmt
Brachmann in Endemanns Handbuch Bd IV 2, S. 324). Zwar
wird von Staub (1. c. S. 189, § 16) geltend gemacht, beide
Auffassungen kommen im Grunde auf das nämliche heraus,
indem der Indossatar, der in Kenntnis des gegen seinen Vor-
mann bestehenden Einwandes den Wechsel gleichwohl er-
werbe, damit keine andere Absicht verbinden könne als die,
den Schuldner zu schädigen, ihn um sein Einwandsrecht zu
bringen. Indessen wird diese Meinung gerade von Cosak 1. c.
nicht geteilt (vergi, auch Grünhut S. 141), und zwar wohl
mit Recht. Ist z. B. die civilrechtliche Forderung im Moment
der Indossierung suspensiv bedingt, so ist es ja sehr leicht
möglich, dass die Bedingung sich bis zu der vielleicht erst
nach Monaten eintretenden Fälligkeit des Wechsels realisiert.
In diesem Fall ist nicht einzusehen, wieso der Indossatar
den Wechsel nur in der „Absicht" erwerben könne, dem
36
Acceptanten die Geltendmachung der Nichteintretung der Be-
dingung zu verunmöglichen.
Da nun das 0. fi., wie bereits bemerkt, eine direkte
Lösung der Frage, unter welchen Bedingungen die Einrede
der Arglist dem Acceptanten zu gewähren sei, nicht giebt,
so ist dieselbe im Sinn und Geist des Gesetzes zu suchen.
Wenn irgend eine Materie desselben, so ist das Wechselrecht
speziell den Anschauungen und Bedürfnissen des Handels-
standes entsprechend geregelt, da es in erster Linie den In-
teressen dieses Gesellschaftskreises dienen will. Nun besteht
eine der Hauptfunktionen des Accepta darin, als Zahlungs-
mittel zu dienen, und damit es diesen Zweck erfülle, muss
die Sicherheit der darin versprochenen Zahlung eine möglichst
grosse sein. Je mehr es dem einzelnen Wechselschuldner er-
leichtert wird, sich dieser Zahlungspflicht zu entziehen, um
so mehr wird der Wechsel eben an seinem Charakter als
Zahlungsmittel einbüssen. Von diesem Gesichtspunkte aus
sind die dem Acceptanten in Art. 811 0. R. gewährten Ein-
reden eng umgrenzt, und rechtfertigt es sich auch, diesen
Artikel eng, d. h. mehr im Sinne der in zweiter Linie ge-
nannten Handelsrechtslehrer zu interpretieren. Dabei kann
keineswegs gesagt werden, das* dies eine unbillige Härte fur
den Acceptanten zur Folge habe. Wer einen an Ordre aus-
gestellten Wechsel acceptiert, weiss von vornherein, dass ihm
die Geltendmachung der gegen seinen unmittelbaren Wechsel-
kontrahenten möglichen Einreden durch die Indossierung des
Wechsels entzogen werden kann. Will er dies nicht, so steht
ihm das einfache Mittel der Kectaklausel zu Gebot.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden
Fall führt zur Abweisung der Einreden des Beklagten, ohne
dass deren materielle Begründetheit geprüft zu werden
brauchte. Angenommen nämlich, der Kläger habe im Momente
des Erwerbes des Wechsels gewusst, dass die zu Grunde lie*
gende civilrechtlicho Forderung suspensiv bedingt sei, ja dass
ein Guthaben des Indossanten Laurencie z. Zt. nicht einmal
bestehe, so war damit die Möglichkeit des geordneten Be-
standes dieser Forderung im Zeitpunkt der Fälligkeit des
Wechsels keineswegs ausgeschlossen. In der Annahme des
Wechsels seitens des Klägers lag somit kein doloses Ver-
halten, und handelte er damals in gutem Glauben, so wurde
daran durch e vent, später eingetretene Ereignisse nichts ge-
ändert (so auch Staub 1. c. S. 189, § 18). Anders läge die
Sache aann, wenn das Hechtsverhältnis zwischen Aussteller
und Acceptant sich nach Begebung des Acceptes so geändert
37
hätte, dass nunmehr feststund, es werde ersterer an letztern
nichts mehr zu fordern haben. Nimmt man an, der Acceptant
hätte aus diesem Grund das Papier zurückverlangt und der
Indossatar von dem ganzen Verhältnis zur Zeit, des Wechsel-
erwerbes Kenntnis gehabt, so könnte sich allerdings fragen,
ob er dennoch in guten Treuen gehandelt habe. Indessen
treffen diese Voraussetzungen, wie gesagt, hier nicht zu.
(Schweizer Blätter f. h.-r. Entsch., XIX S. 318 ff.)
24. Den Gerichtsurteilen gleichgestellte administra-
tive Beschlüsse, Voraussetzungen. Art. 80 B.-Oes. über Seh.
u. K. vom 11. April 1889.
Graubünden. Entscheid des Kleinen Rats vom 18. September 1900
i. S. Kreisamt Bergün e. Ronchi &. Carlotti.
Auf Begehren des Kreisamtes Bergün stellte das Be-
treibungsamt Bergün am 17. März 1900 der Firma Ronchi
& Carlotti einen Zahlungsbefehl für Unfalluntersuchungskosten
im Betrage von Fr. 156.55 zu. Ronchi & Carlotti erhoben
hiegegen Rechtsvorschlag, worauf das Kreisamt Bergün bei
dem vom Kleinen Rate als unparteiisches Forum bezeich-
neten Kreisamt Alvaschein Rechtsöffnung verlangte, wobei
es sich auf zwei Schreiben des Departements des Innern vom
19. September 1899 und vom 15. März 1900 stützte, worin
gesagt wird, dass für die Untersuchungskosten bei Unfällen
die betreffenden Unternehmungen der Kreiskasse gegenüber
aufzukommen haben. Mit Entscheid vom 9. Juli entsprach
das Kreisamt Alvaschein diesem Begehren mit der Begrün*
düng, dass die vom Rechtsöffnungskläger produzierte Ur-
kunde, wenn sie auch den formellsten Anforderungen an ein
Urteil im Sinne des Art. 80 B.-G. über Seh. u. K. nicht ge-
nüge, doch immerhin als eine, von der zur Auferlegung der
Kosten kompetenten Behörde ausgestellte Rechnung geeignet
sei, den in Art. 80 erwähnten Entscheid über eine öffentlich-
rechtliche Verpflichtung zu ersetzen: es wäre der reinste
Formalismus, wollte man verlangen, dass das Kreisamt, um
einen zur Rechtsöffnung geeigneten Titel zu haben, in aller
Form ein Urteil zu Gunsten der Kreiskasse, die es selbst
vertrete, aufsetze.
Auf erhobenen Rekurs der Firma R. & C. hat der Kleine
Rat diesen Rechtsöffnungsentscheid aufgehoben.
Motive: Der Kleine Rat hat zu untersuchen, ob der
kreisamtliche Entscjfeid in einem wesentlichen Punkte gegen
durchaus klares Recht Verstösse.
38
In dieser Beziehung fällt zunächst in Betracht, class das
Kreisamt Bergün Rechtsöffnung im Sinne von Art. 80 B.-G.
verlangt und das Kreisamt Alvaschein daher bloss zu unter-
suchen hatte, ob die betriebene Forderung auf einem Ent-
scheide der zuständigen Verwaltungsbehörde über eine der
in § 35 Ausführung«- Bestimmungen zum B.-G. über Seh. und K.
erwähnten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen beruhe. Das
Kreisamt hat denn auch nichts anderes gethan und sich somit
innert den Grenzen der ihm zustehenden Befugnisse bewegt.
Die gegen den kreisamtlichen Entscheid gerichtete Be-
schwerde erscheint daher nur dann begründet, wenn das Kreis-
amt aus offenbar unstichhaltigen Gründen angenommen hat,
es liege ein Entscheid oder Beschluss im Sinne ron § 35
leg. cit. vor.
Das Kreisamt Alvaschein erblickt einen solchen Entscheid
darin, dass das Kreisamt Bergün die betriebene Forderung
auf dem Wege der Rechnungstell ung und Betreibung gegen-
über Ronchi & Üarlotti geltend gemacht hat.
Nun kann aber der Titel einer Forderung doch unmög-
lich darin bestehen, dass diese geltend gemacht wird, mit
andern Worten, ein Forderungsrecht kann nicht auf der That-
8ache seiner Ausübung beruhen, sondern hat notwendig einen
dasselbe erzeugenden Rechtsakt — und darin besteht der
Forderungstitel — zur Voraussetzung. So beruht die Steuer-
forderung einer Gemeinde auf dem Beschluss der zustündigen
Gemeindebehörde, wodurch das Gemeindesteuergesetz auf den
konkreten Fall angewendet wird, die Kostenforderung einer
Gerichtskasse auf dem Kostendekret, das die betreffende Ge-
richtsstelle auf Grund der Zivilprozessordnung erlässt.
Dem Reoht8öffhungsrichter lag aber eine kreisamtliche
Verfügung, wodurch in den einzelnen Untersuchungsfällen der
Firma Ronchi & Garlotti die Untersuchungskosten auferlegt
worden waren und wogegen diese allfällige Einsprachen hätten
geltend machen können, nicht vor.
Die beiden Schreiben des Departements des Innern vom
19. September 1899 und 15. März 1900 können ebenfalls nicht
als Entscheide im Sinne des § 35 leg. cit. angesehen werden,
sondern diese Schreiben enthalten bloss die auf Anfrage er-
teilte Auskunft des Departementes, dass nach bestehendem
Rechte — und darunter konnte, da das ei dg. Haftpflicht-
ge8etz keine bezüglichen Bestimmungen enthält, nur kan-
tonales öffentliches Recht verstanden sein — die Kreisämter
befugt seien, die Untersuchungskosten bei Unfällen den be-
treffenden Unternehmern aufzuerlegen. Eine andere Beden-
89
tung kann diesen Schriftstücken nicht wohl beigemessen
werden; dies um so weniger, als das Departement des Innern
gemäss seiner rechtlichen Stellung weder die Erlassung eines
Entscheides im konkreten Falle, noch die Aufstellung einer
allgemein gültigen Norm beabsichtigen konnte.
(Amtsbl. des K. Graubanden Nr. 43 v. 26. Oktober 1900, S. 478 ff.)
25. Umfang der Haftpflicht des ersten Ersteigerers für den
„Ausfall" bei zwei nachfolgenden Ganten. Art. 129 Abs. 4 und
143 Abs. 2 B.-Qes. über Seh. und K. vom 11. April 1889.
Banel-Stadt. Urteil des Civilgerichte vom 9. Janaar 1900 i. S.
Zeller c. Ballmer.
Für eine auf die amtliche Gant gebrachte Liegenschaft
konnte von dem Ersteigerer der Kaufpreis nicht aufgebracht
werden. Infolge dessen wurde eine zweite Gant angeordnet,
und die Liegenschaft einem neuen Ersteigerer um eine höhere
Summe als bei der ersten Gant erzielt worden war, zu-
geschlagen. Auch dieser zweite Käufer konnte aber den Kauf
nicht halten, und so kam die Liegenschaft auf eine dritte
Gant, die ein ungünstigeres Resultat als die erste hatte, in-
dem unter dem auf letzterer erzielten Preise zugeschlagen
wurde. Der erste Käufer wurde nun für die Differenz zwischen
dem ersten und dem dritten Zuschlagspreise in Anspruch ge-
nommen. Er wandte ein, dass er nichts schuldig sei, da auf
der zweiten Steigerung ein höherer Zuschlagspreis erzielt
worden sei.
Das Gericht hat diesen Einwand für unbegründet er-
klärt: ebenso gut wie es dem ersten Ersteigerer anzurechnen
sei, wenn an der zweiten Gant zu einem geringeren Preise
müsse losgeschlagen werden, ebenso gut habe er dafür auf-
zukommen, wenn bei einer zweiten Gant einem insolventen
Käufer zugeschlagen werden müsse. Der vom ersten Er-
steigerer zu ersetzende „Ausfall" bestehe in der Differenz
zwischen seinem Zuschlagspreise und dem effektiven Erlöse,
d. h. dem Zuschlagspreise der dritten Gant. (Direkte Mitteilung.)
26. Kautionspflicht eines im Auslande niedergelassenen
Schweizerbürgers. Art. 11 der internationalen Uebereinkunfl betr.
Cwilprozessrecht vom 25. Mai 1899.
Zürich* Urteil der Appellationskammer des Obergerichts vom
18. August 1900 i. S. Volhart.
Der in Deutschland wohnhafte Zürcher C. V. hatte beim
Bezirksgericht Dielsdorf Scheidungsklage gegen seine Ehefrau
40
anhängig gemacht. Dasselbe legte ihm, weil ausser Landes
wohnhaft, eine Prozesskaution von 50 Fr. auf. Ein Gesuch
des Rekurrenten um Aufhebung dieser Auflage wurde ver-
worfein Hierüber beschwert sich der Rekurrent, indem er
unter Berufung auf Art. 11 der internationalen Uebereinkunft
betr. Civilproze88recht vom 25. Mai 1899 die Aufhebung der
Kautionsauflage verlangt. Die Beschwerde stellt sich jedoch
sofort als unbegründet dar.
Gründe: Der Rekurrent bezw. dessen Vertreter irrt sich
entschieden, wenn er glaubt, unter den Angehörigen eines
der Vertrags„staatena, zu deren Gunsten Art. 11 der cit.
Uebereinkunft die Befreiung von der Kautionspflicht statuiert,
seien dessen sämtliche Einwohner, ohne Rücksicht auf ihre
Nationalität, zu verstehen. Vielmehr ergiebt sich namentlich
auch aus dem französischen Text der Uebereinkunft, dass
dieselbe sich nur auf die Staatsangehörigen, Bürger (franzö-
sisch nationaux) der kontrahierenden Staaten bezieht (vergi,
auch Kreisschreiben des Übergerichts über den Vollzug der
betr. Uebereinkunft vom 5. September 1399), wie dies übrigens
bei völkerrechtlichen Verträgen die Regel bildet (vergi, z. B.
den Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und Deutsch-
land vom 31. Mai 1890, wo die Bezeichnung „Angehörige"
auch stets in diesem Sinne gebraucht ist).
Wenn der Rekurrent auf die Unbilligkeit hinweist, die
bei dieser Auslegung entstehe, indem der Schweizer im Aus-
land ungünstiger gestellt werde, als der fremde Staats-
angehörige, so hat dieselbe ihren Grund eben einfach darin,
dass die inländische Gesetzgebung es bis dahin unterlassen
hat, den eigenen Staatsangehörigen die nämlichen Begünsti-
gungen einzuräumen, wie sie die „Uebereinkunft" den fremden
zusichert. Gegenüber jenen besteht daher die im Gesetz betr.
d. Rechtspflege (§ 265 ff.) statuierte Kautionspflicht noch un-
eingeschränkt zu Recht. — Sofern der Rekurrent, wie er be-
hauptet, ausser stände sein sollte, die ihm auferlegte Kaution
zu leisten, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich mit einem
Gesuch um Bewilligung des Armenrechts unter Klarlegung
seiner Verhältnisse an das Bezirksgericht zu wenden.
(Schweizer Blätter f. h.-r. Entech., XIX S. 274.)
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
27. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 58 Abs. 2\ 67 Abs. 2.
Mit der Ausfällung des Haupturteils verlieren die ihm
vorangegangenen Zwischenentscheidungen ihre selbständige
Bedeutung; sie gehen in dem Hauptentscheide auf; die Be-
rufung gegen den Hauptentscheid ergreift deshalb von selbst,
ohne weiteres, auch diese Zwischenentscheidungen, so dass
es einer besondern Erklärung über deren Anfechtung bei
Einlegung des Rechtsmittels nicht bedarf. (Entsoh. vom 30.
November 1900 i. S. Oberrheinische Versicherungsgesellschaft
Mannheim c. Kern.)
28. 0. R. Art. 17, 896. Schiedsgerichts- und Schiedsmann er-
ver trag; rechtliche Natur derselben. Anwendbarkeit des eidge-
nössischen Rechtes auf Schiedsmannsklauseln in t Versicherungs-
verträgen. Die Klausel eines Versicherungsvertragest wonach die
endgültige Feststellung von den für die Schadensbemessung ent-
scheidenden Elementen Schiedsmännern übertragen wird, die aus-
schliesslich oder in ihrer Mehrheit einseitig vom Versicherer be-
zeichnet werden, ist ungültig.
Die Beklagte hat den Kläger, Bildhauer E. K. in B.
gegen körperliche Unfälle versichert. Der Vertrag enthält
(§ 13 der in der Police abgedruckten allgemeinen Versiche-
rungsbedingungen) folgende Bestimmung:
„Ueber die Frage, ob der Tod oder die Invalidität und
resp. in ^welchem tirade letztere, soweit dieser Grad nach
den Bestimmungen des § 12b nicht von selbst festgestellt ist,
ebenso darüber, in welchem Grade und auf welche Zeit die
Erwerbsunfähigkeit während der Kurzeit als direkte Folge
des Unfalles zu entschädigen ist, über den Grad der Gebrauchs-
fähigkeit nur teilweise verlorener, verstümmelter oder ge-
lähmter Gliedmassen resp. Organe, ferner über die Frage,
ob und in welchem Grade der Renten-Empfänger später wieder
erwerbsfähig geworden ist, entscheidet die Direktion der Ge-
4
42
Seilschaft auf Grund ärztlicher Begutachtung. Findet sich der
Versicherte resp. dessen Rechtsnachfolger hierdurch beschwert,
so müssen sie innerhalb vier Wochen, nachdem ihnen diese
Entscheidung mitgeteilt worden ist, ihre Gegengründe der
Gesellschaft mitteilen, und wenn dennoch eine Einigung nicht
zu erzielen, in gleicher Frist nach der ablehnenden Erklärung
der Gesellschaft, eine weitere Entscheidung durch eine be-
sondere Kommission beantragen, widrigenfalls der Verzicht
des Versicherten resp. der Rechtsnachfolger desselben auf
jeden Einwand und auf den Rechtsweg gegen die Entschei-
dung der Gesellschaft als festgestellt gilt. Diese Kommission
wird zusammengesetzt aus einem Mitgliede, welches die Ober-
rheinische Versicherungsgesellschaft ernennt, einem zweiten
Mitgliede, welches der Versicherungsnehmer resp. dessen
Rechtsnachfolger zu ernennen haben, und aus dem, bezw.
einem Kreispnysikus resp. Gerichtsarzte des Wohnortes des
Verletzten oder auf Antrag der Oberrheinischen Versicherungs-
gesellschaft einer medizinischen Autorität an einer öffent-
lichen Heilanstalt oder an einer Universität als drittem
Mitgliede. Die Berufung der Kommission erfolgt durch die
Gesellschaft und zwar in Todesfallen spätestens innerhalb
vier Wochen nach erfolglosem Vergleich ungsversuche, in
sonstigen Fällen, sobald die vorliegenden Fragen mit Sicher-
heit entschieden werden können, spätestens aber binnen
Jahresfrist vom Unfälle ab gerechnet, insoweit es sich nicht
um die Frage handelt, ob und inwieweit der verletzte Renten-
Empfänger später wieder erwerbsfähig geworden ist, in welchem
Falle die Kommission auf Antrag der Gesellschaft jederzeit
berufen werden kann. Die Wahl des von dem Versicherungs-
nehmer resp. dessen Rechtsnachfolger zu ernennenden Mit-
gliedes muss auf Verlangen der Gesellschaft längstens binnen
14 Tagen nach erfolgter Aufforderung der Gesellschaft mittelst
eingeschriebenen Briefes angezeigt werden, widrigenfalls auch
diese Wahl rechtsgültig durch die Gesellschaft bewirkt wird.
Der Ausspruch der Majorität dieser Kommission, welcher
schriftlich begründet sein und sich genau und erschöpfend
über vorstehende Fragen aussprechen muss, ist für beide
Teile in Beantwortung dieser Fragen endgültig, so dass der
Rechtsweg in dieser Beziehung keinem derselben mehr zu-
steht. Wird durch dieselbe die Entscheidung der Oberrhei-
nischen Versicherungsgesellschaft bestätigt oder eine geringere
Entschädigung festgestellt, so fallen dem Ansprucherhebenden
die Kosten des Verfahrens zur Last, im anderen Falle hat
die Gesellschaft solche zu zahlen."
4a
In §21 ist sodann bestimmt: „Die Feststellung über die
Höhe der Entschädigung, möge sie durch Einigung beider
Teile oder im Falle des § 13 durch den Ausspruch der dazu
eingesetzten Kommissionen erfolgt sein, hat keinen Einflnss
auf die Frage, ob überhaupt eine Entschädigungsverpflichtung
der Gesellschaft vorliegt. Diese Frage fallt vielmehr bei
mangelnder Einigung der richterlichen Entscheidung anheim."
Wegen eines am 8. Juli 1897 erlittenen Unfalles
leitete der Kläger gegen die Beklagte .gerichtliche Klage ein
mit dem Begehren : Die Beklagte sei zu verurteilen, ihm wegen
vorübergehender Erwerbsunfähigkeit vom 8. Juli bis 31. De-
zember 1897 Fr. 1650, und wegen dauernder Erwerbsun-
fähigkeit eine lebenslängliche Rente von Fr. 1560 oder
eine A Versalentschädigung von Fr. 14,000, sowie 5 %
Verzugszins seit der Klage von den geforderten Beträgen zu
bezahlen.
Die Beklagte brachte dagegen, nachdem sie mit einer die
Zuständigkeit der Gerichte ablehnenden Einrede abgewiesen
worden war, vor : Der Unfall werde nicht bestritten und die Ent-
schädigungspflicht im Grundsatz anerkannt. Bestritten werden
nur die Folgen des Unfalles in Bezog auf ihren Umfang und
die Höhe der Entschädigung. Hiefür sei aber das in § 13 der
Police vorgeschriebene Verfahren massgebend. Diesem Ver-
fahren entsprechend habe nun die Direktion der Beklagten, auf
Grund der ärztlichen Begutachtung ihre Entscheidung dahin ge-
troffen, dass der Kläger keine Invalidität aufweise, und dass
er während der Heilungszeit arbeitsunfähig gewesen sei: vom
9. Juli bis 9. August 100 %, vom 10. bis 31. August 50%,
vom 1. bis 30. September 33,3 °/o, vom 1. bis 31. Oktober
25 % und vom 1. November bis 23. Dezember 1897 10 %.
Diesen Entscheid habe die Beklagte dem Kläger am 7. Ja-
nuar 1898 zur Kenntnis gebracht, ihm gleichzeitig die be-
treffende Entschädigung mit 700 Fr., nachher mit 800 Fr.
offeriert, und ihn, als er die Offerte ablehnte, auf den in § 13
der Police angezeigten Weg verwiesen. Der Kläger habe
jedoch den hier vorgesehenen Entscheid der Kommission
innert vier Wochen nicht verlangt, und damit gemäss § 13
der Police den Direktorialentscheid anerkannt. Er könne
deshalb die Richtigkeit desselben heute nicht mehr anfechten.
Die kantonalen Gerichte verwarfen diese Einwendung des
Beklagten, wobei das Obergericht ausführte: „Der von der
Beklagten angerufene § 13 der Police gebe den Versicherten
in Bezug auf die Schadensfeststellung derart der Willkür der
Gesellschaft preis, dass darin ein Verstoss gegen den Grund-
44
satz des Art. 17 0. R. erblickt werden müsse; die in dem-
selben enthaltene Androhung der Verwirkung der klägerischen
Ansprüche erweise sich somit als hinfällig."
Das Bundesgericht ist dieser Auffassung beigetreten, in-
dem es ausführte:
Was den Inhalt und die Bedeutung des § 13 der
Police anbelangt, so hat das Bundesgericht sich bereits in
seinem Urteil vom 1. März 1900 dahin ausgesprochen, dass
derselbe eine Entscheidung nicht sowohl von Schiedsrichtern
als vielmehr von Schiedsmännern (arbitratores) vorsieht,
den darin bezeichneten Personen nicht die richterliche Er-
ledigung der Streitsache selbst, sondern nur den Befund über
einzelne, diese letztere beschlagende thatsächliche Verhält*
nisse zum Voraus anheimstellen will. Wenn die in § 13 der
Police getroffene Vereinbarung der Parteien als eigentlicher
Schiedsvertrag zu betrachten wäre, so würde es sich über-
haupt nicht um ein dem materiellen Recht angehöriges Ab-
kommen, sondern um einen prozessrechtlichen Vertrag handeln,
und das Bundesgericht wäre daher nicht kompetent, die Ent-
scheidung der Vorinstanz nachzuprüfen, dass derselbe, weil
mit dem Wesen des Schiedsvertrages im Widerspruch stehend,
keinen Anspruch auf richterlichen Schutz besitze. Der blosse
Schiedsmannsvertrag dagegen ist, weil er nicht den Rechts-
streit selbst, sondern nur eine Thatsache oder ein Element
eines Rechtsverhältnisses dem arbitrium eines Dritten unter-
stellt, als dem materiellen Rechte angehörend zu betrachten,
und zwar demjenigen, von dem das Rechtsverhältnis, auf
das er sich bezieht, beherrscht wird. Demgemäss untersteht
denn die in § 13 der Police getroffene Vereinbarung den
Grundsätzen des Versicherungsvertrages, und da der Kanton
Aargau hierüber keine besonderen gesetzlichen Bestimmungen
enthält, so ist die Entscheidung gemäss Art. 896 0. R. unter
Anwendung des eidgen. Obligationenrechts bezw. der diesem
innewohnenden allgemeinen Rechtsgrundsätze des Versiche-
rungsrechts zu treffen, und die Kompetenz des Bundesgerichts
somit begründet.
In § 13 der allgemeinen Versicherungsbedingungen hat
sich nun die Beklagte, wie sie selbst in ihrem Schreiben an
den Kläger vom 14. März 1898 erklärte, ausbedungen, in
die Kommission, welche durch Mehrheitsbeschluss endgültig
über die Schadenshöhe und die Fragen der Kausalität zwischen
dem Unfall und dem Tod, bezw. der Invalidität und Erwerbs-
unfähigkeit zu entscheiden hat, die Mehrheit der Mitglieder
selbst zu ernennen, nämlich deren zwei, während dem Ver-
45
sicherten nur die Bezeichnung eines einzigen Mitgliedes zu-
stehen soll. Diese Vertragsbestimmung ist von der Vorin-
stanz mit Recht gemäss Art. 17 0. R. als ungültig erklärt
worden. Es bedeutet einen Verstoss gegen die zwingenden
Normen, welche sich aus der Stellung des Versicherten gegen
die Versicherungsgesellschaft ergeben, wenn diese sioh in
ihrer Police vorbehält, diejenigen Personen zu bezeichnen,
welche entscheidende Elemente der Ansprüche des Versicherten
festzustellen haben ; und das Gleiche gilt offenbar auch dann,
wenn dem Versicherten zwar eine Mitwirkung an der Be-
stellung dieser Personen gewährt wird, aber nur eine so be-
schränkte, dass die Entscheidung stets in die Hand derjenigen
gelegt bleibt, welche die Gesellschaft ernannt hat. Wenn
nun auch die in § 13 der allgemeinen Versicherungsbedin-
gungen vorgesehene Kommission nicht eigentliche schieds-
richterliche Funktionen ausübt, so ist ihre Thätigkeit der
praktischen Wirkung nach einem Schiedsspruch durchaus ähn-
lich. Diese Kommission hat die für die Bemessung der Ent-
schädigungsansprüche des Versicherten massgebenden Ver-
hältnisse zu würdigen und festzustellen; durch die Befugnis
der Gesellschaft, die Kommission in ihrer Mehrheit nach
eigener Wahl zu bestellen, wird aber dem Versicherten die
Garantie einer unparteiischen Würdigung dieser Verhältnisse
entzogen, und seine Vertragsstellung dadurch in einer Weise
alteriert, die mit der bona fides, deren Beachtung speziell
im Versicherungsvertrag oberster Grundsatz sein soll, un-
vereinbar ist. Dazu kommt noch, dass § 13 der Police zwei-
deutig gefasst und geeignet ist, den Versicherungsnehmer zu
der Annahme zu verleiten, als ob die Parität zwischen ihm
und der Gesellschaft in Hinsicht auf die Bestellung der ge-
nannten Kommission gewahrt bleibe. Wäre dies die Meinung
des § 13, so könnte selbstverständlich gegen dessen Gültig-
keit keine Einwendung erhoben werden. Allein die Beklagte
hat diese Auslegung in ihrem Schreiben an den Kläger vom
13. März 1898 ausdrücklich abgelehnt, und den Standpunkt
eingenommen, dass sie das Recht beanspruche, nach ihrem
Belieben statt des Gerichtsarztes einen zweiten Schiedsmann
von sich aus zu ernennen. Von dieser Interpretation musste
somit der Kläger bei seinem Verhalten ausgehen. Er durfte
deshalb ohne weiteres annehmen, die in § 13 enthaltene
Schiedsmannsklausel sei ungültig, und er vergebe seinen
Rechten nichts, wenn er sich dem daselbst vorgeschriebenen
Verfahren nicht unterwerfe. (Entsch. vom 30. November 1000
i. S. Oberrheinische Versicherungsgesellschaft c. Kern.)
46
29. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893. Art. 57. 0. H. Art. 50, 231 Abs. 2.
Anwendbarkeit des kantonalen Itectttes auf vertragliche Ansprüche
aus Liegen schal tskauf. Anspruch aus behaupteter Zusicherung;
Kontrakts- oder Dvltktsunspruchl
Der Liegenschaftskauf untersteht bekanntlich in allen
Teilen dem kantonalen Recht, und es kann daher nach
Art. 57 Organis. Ges. die Frage, welche Verbindlichkeiten
dem Verkäufer aus einem solchen Kaufe erwachsen seien,
nicht Gegenstand der Berufung an das Bundesgericht bilden.
Nun hat der Beklagte und Widerkläger allerdings behauptet,
die Haftung der Kläger sei nicht bloss eine kontraktliche,
sondern auch eine solche aus „Quasidelikt," und hat sich auch
auf Art. 50 u. ff. 0. R. berufen; er scheint demnach behaupten
zu wollen, dass die Widerbeklagten ihm gegenüber auch aus
unerlaubter Handlung, also aus einem bundesrechtlich nor-
mierten Rechtsgrunde schadenersatzpflichtig geworden seien.
Allein einen Schadenersatzanspruch dieser Art hat er nicht
gestellt und nicht begründet. Seine Schadenersatzklage geht,
wie in der Formulierung des Rechtsbegehrens vor den kanto-
nalen Instanzen ausdrücklich gesagt wird, auf Ersatz des
Minderwertes des Kaufgegenstandes, der sich bei Gegenüber-
stellung der garantierten und der effektiven Bruttoeinnahme
ergebe. Er fordert also, dass ihm die Widerbeklagten be-
zahlen, was er haben würde, wenn die von G. zugesicherte
Thatsache richtig wäre; d. h. er fordert sein Interesse an
der Erfüllung des Kaufvertrages konform den beim Abschluss
des Kaufvertrages erteilten Zusicherungen. Dieser Anspruch
setzt aber das Bestehen des Kaufvertrages voraus; er stützt
sich auf diesen, und kann daher nur im Wege der Kontrakts-,
nicht als Deliktsklage geltend gemacht werden. Als An-
spruch aus Delikt könnte der Widerkläger nur Wiederher-
stellung derjenigen Vermögenslage verlangen, die bestehen
würde, wenn die behauptete unerlaubte Handlung nicht be-
gangen worden wäre, wenn also der Widerbeklagte die frag-
liche Zusicherung nicht gegeben hätte; nicht aber das Inter-
esse, das der Widerkläger an der Richtigkeit der Zusiche-
rung hatte; denn einen Anspruch auf Gewährleistung des
Zugesicherten erwarb der Widerkläger erst mit dem Ab-
schluss des Kaufvertrages und auf Grund dieses letztem.
Auf Art. 50 ff. O. R. könnte somit nur ein Schadenersatzan-
spruch gegründet werden, mit welchem das Interesse des
Widerklagen daran gefordert würde, dass die Behauptung
betreffend die Rendite des Hotels gar nicht aufgestellt wurde.
47
Einen solchen Anspruch hat der Widerkläger aber, wie be-
merkt, gar nicht erhoben, und nicht substanziert, sondern
einzig sein Erfüllungsinteresse geltend gemacht. Die Wider-
klage qualifiziert sich demnach, gemäss dem gestellten Rechts-
begehren und dessen Substanzierung, ausschliesslich als Kon-
traktsklage, und ist somit, da der ihr zu Grunde liegende
Kontrakt ein Liegenschaftskauf ist, der Beurteilung des
Bundesgerichts entzogen. (Entsch. vom 18. Januar 1901 i. 8.
Banz c. Görg.)
30. 0. R. Art. HO, 113, 117, 118y 119, 120. Liquidität der
Forderung ist zum Verzuge des Schuldners nicht erforderlich.
Bei Geldschulden ist der Schuldner zu Zahlung von Verzugs-
zinsen verpflichtet, ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden
trifft, während er dagegen einen weitergeltenden Schaden nur dann
zu ersetzen hat, wenn der Gläubiger ihm ein Verschulden nach-
weist. Im Uebrigen dagegen ist der Schuldner zum Schadener-
satz für Erfüllungsoerzug nur verpflichtet, wenn ihn ein Ver-
schulden trifft. Die Beweislast dafür dass die Verzögerung ohne
sein Verschulden eingetreten ist, trifft aber den Schuldner. Das
Verschulden kann auch zufolge der Illiquidität der Forderung
ausgeschlossen sein, sofern nämlich der Schuldner über den Be-
stand oder die Fälligkeit der Forderung sich im Irrtum befand
und dieser Irrtum ein entschuldbarer, auch bei sorgsamer und ge-
wissenhafter Prüfung nicht zu vermeidender war. Der Schuldner
dagegen, der es ohne solche Prüfung, indem er sich z. ß. au
die ungeschickte Fassung einer Vertragsbestimmung anklammert,
zum Prozesse kommen lässt, handelt schuldhaft und wird schaden-
ersatzpflichtig.
A termini dell' art. 117 del C. 0. il debitore è costituito
in mora, quando l'obbligazione è scaduta, mediante inter-
polazione del creditore, e quando il giorno dell'adempimento
è stabilito o risulta determinato da un avvertimento convenuto,
pel decorso di detto giorno. Telia mora del debitore non è
dunque richiesto che l'obbligazione di cui lo stesso è tenuto
all' adempimento, sia liquida. (Ved. Hafner, 2 ed. pag. 42.)
Richiesto è invece di regola generale, perchè si possa far
luogo ad una domanda di indennizzo (così anche nel caso
di avvenimento fortuito, Art. 118) che il ritardo nell' esecuzione
di un' obbligazione sia imputabile a colpa del debitore. Solo
quando l'obbligazione si riferisce al pagamento di una somma
in danaro, l'art. 119 del C. 0. obbliga il debitore in mora
al pagamento di interessi moratori, indipendemente dal fatto
che il debitore trovisi o non trovisi in colpa, accollando al
48
creditore la prova che il debitore è in colpa, nel caso che
lo stesso pretenda un indennizzo maggiore (Art. 120). Ma
all' infuori di questo caso vale la regola dell' art. 110, se-
condo la quale il debitore che non ha adempito un'obbligazione,
o che non l'ha adempita nel modo dovuto, può liberarsi dal-
l'obbligo del risarcimento dei danni provando che il non adem-
pimento o l'adempimento irregolare è avvenuto senza sua
colpa. Ora la deficienza di colpa può consistere benissimo
neir ambiguità e illiquidità dell' obbligazione. Così, quando
un debitore versa in errore sulP esistenza o sulla portata
degli obblighi che gli incombono e che questo errore è giu-
stificabile, vale a dire quando usando anche tutta la pru-
denza dovuta, si possa credere e si crede in buona fede di
non essere obbligati ad una prestazione, o di non esservi ob-
bligati per un tempo determinato è di regola comune, scatente
del resto dai principi generali di diritto, che non ostante si
versi in istato di mora, non si sia obbligati al risarcimento
di danni. Ma perchè vi sia errore scusabile in questo senso,
è necessario che il debitore non abbia agito alla leggera, che
richiesto di una prestazione, prima di rifiutatisi, abbia esami-
nato colla maggiore attenzione e diligenza possibile quali
obblighi gli impone il contratto, con altre parole che a termini
dell* art. 113 del G. 0. non gli sia imputabile nessuna colpa,
neppure la più leggera; se agisce altrimenti e si affida senza
altro alle sorti di un processo, incorre nella responsabilità
stabilita appunto da questo articolo.1) (Entsch. vom 20. Ok-
tober 1900 i. S. Coningi e. Bernasconi.)
31. 0. R. Art. 192 Abs. 1; 524 ff. , 544. Gewährspßicht des
Cedenlen für den Bestand der Forderung ; Tragweite derselben,
speziell bei Abtretung von Rechten aus einer (einfachen) Gesell-
schaft. Beweislast. Anwendbarkeit fremden Rechts.
Die Beklagten hatten dem Kläger am 23. Juni 1899 an
Zahlungsstatt drei Récépissés de dépôt de la Caisse hypothé-
\i Zwischen den Parteien war ein Mietvertrag über ein Hau» „duratura
per anni nove, da rivedersi ogni tre anni4, abgeschlossen worden. Der Ver-
mieter kündigte den Vertrag auf Ende des zweiten Termins unter Beobach-
tung der Frist des Art. 290 Abs. 1 O. H. Der Mieter weigerte sich der
Kündigung Folge zu geben, und lies« es zum Prozesse kommen. Von den
kantonalen Gerichten zur Räumung und zu Schadenersatz verurteilt, focht
der Mieter vor Bundesgericht nur noch die Entscheidung über seine Schaden-
ersatzpflicht an, die aber vom Bundesgericht bestätigt wurde.
49
caire de Pretoria (im Betrage von zusammen 8000 Fr.) ab-
getreten. Durch ein Cirkular vom 2. August 1899 gaben die
schweizerischen Bankiers der Caisse hypothécaire de Pretoria
den Einlegern dieses Instituts von einem Brief der Gründer
und Verwalter desselben, F. und D. in Pretoria, vom 8. Juli
1899, Kenntnis, in welchem diese erklärten: sie haben die
Gelder, welche sie zur Bildung der Caisse hypothécaire de
Pretoria hätten verwenden sollen, — die für dieses im Jahr 1898
gegründete Institut einbezahlten Einlagen beliefen sich im
März 1899 auf 1,630,000 Fr. — für sich behalten und in
Geschäften verwendet, von welchen sie grossen Gewinn er-
warteten. Sie haben dieselben jedoch in ihren Spekulationen
vollständig verloren , und besitzen nun absolut nichts
mehr. Der Kläger belangte hierauf die Beklagten auf Be-
zahlung von 8000 Fr. nebst Zins (gegen Rückgabe der drei
récépissés de dépôt), indem er sich im Wesentlichen auf
Art. 192 0. R. berief. Er machte geltend, die ihm abge-
tretenen Forderungen an die Caisse hypothécaire de Pretoria
hätten zur Zeit der Abtretung nicht bestanden, da, wie sich
herausstellte, der angebliche Schuldner derselben, die Caisse
hypothécaire de Pretoria, niemals existiert habe. Das Kantons-
gericht des Kantons Neuenburg hat die Klage gutgeheissen,
das Bundesgericht dagegen hat sie abgewiesen. Aus den
Gründen des bundesgerichtlichen Entscheides (aus welchen
sich gleichzeitig das Erforderliche über die Caisse hypothé-
caire de Pretoria und diese récépissés de dépôt ergiebt) ist
hervor zu heben:
Le cédant, dans une cession en vertu d'un contrat à titre
onéreux, doit garantir qu'au moment de la cession la créance
soit juridiquement réalisable, c'est-à-dire qu'elle existe en
droit dans sa personne, vis-à-vis du débiteur cédé, et qu'elle ne
puisse pas être attaquée par des exceptions opposables par ce
dernier. Le cédant répond par conséquent dans le cas où le pré-
tendu débiteur cédé n'existe pas, ou est une porsonne imagi-
naire; dans ce cas en effet la créance, qui suppose l'existence
d'un débiteur, n'existe pas elle-même; il va également de soi que
la créance doit exister au regard du debitor cessus, et que le
cédant est responsable, dans le cas où une créance, d'un contenu
identique à la créance cédée, existe à la vérité, mais vis-à-vis
d'une autre personne que celle qui était désignée, lors de la
cession, comme débiteur de la créance cédée. En effet, dans
ce cas aussi, la créance cédée n'a pas d'existence juridique,
puisque, par suite du défaut d'identité du débiteur, la cré-
ance existant réellement n'est pas identique avec celle qui
50
a fait l'objet de la cession. Si, par exemple, un engagement
a été pris par un représentant sans pouvoirs, et si cette
créance a été cédée ensuite par le créancier, ce dernier, pour
le cas où le représenté refuse sa ratification, doit répondre
vis-à-vis de son cessionnaire même lorsque le représentant
sans pouvoirs (voir p. ex. art. 821 C 0.) serait tenu d'exécu-
ter, de so n côté, le contrat conclu sans droit; il doit er>
être à plus forte raison de même lorsque le gérant sans pou-
voirs n'est passible que de dommages-intérêts, comme c'est
régulièrement le cas en droit fédéral (art. 48 C 0). Dans des
cas semblables, comme il a été dit, la créance cédée est sans
existence en droit, et il s'en suit que le cédant doit assumer
la garantie prévue à l'art. 192 al. 1 C.O. Toutefois le fardeau
de la preuve incombe au cessionnaire; celui-ci doit prouver
que la créance cédée n'existe pas en droit, et ce n'est point
au cédant à rapporter la preuve que la dite créance existe.
En effet c'est la non existence de la créance cédée qui con-
stitue la base de la prétention du cessionnaire, et c'est à
lui dès lors à l'établir.
Or, à l'appui du bien-fondé de sa prétention, le demandeur
a allégué que la créance à lui cédée est stipulée contre la
Caisse hypothécaire de Pretoria comme personne juridique;
qu'il est démontré qu'une telle personne juridique n'a jamais
existé et qu'il s'en suit que la créance cédée n'a, de même,
jamais eu d'existence. Le Tribunal cantonal a adopté cette
manière de voir, en envisageant notamment la créance cédée
comme provenant d'un prêt fait à la Caisse hypothécaire de
Pretoria. Comme on l'a déjà observé, il est de principe qu'en
cas de cession d'une créance sur un débiteur n'existant pas,
il y a lieu à garantie de la part du cédant; il doit donc
être examiné si ces conditions de fait se présentent dans
l'espèce. Il est nécessaire, à cet effet, de soumettre à un
examen plus détaillé la nature juridique des créances con-
stituées par les titres litigieux, soit récépissés de dépôt de la
Caisse hypothécaire de Pretoria, et celle de cette Caisse
elle-même.
Il est tout d'abord évident que les récépissés dont il
s'agit ne constituent nullement, ainsi que l'admet l'instance
cantonale, une créance provenant d'un prêt. Ils contiennent
la déclaration que F. et D., Gérants de la Caisse hypothé-
caire de Pretoria, ont reçu les dépôts en question pour être
placés sur hypothèque avec les autres capitaux de la Caisse
hypothécaire de Pretoria, et ils stipulent que les placements
opérés par la Caisse le sont au bénéfice comme aux risques
51
et périls communs de tous les déposants, qui participent aux
opérations de la Caisse proportionnellement à l'importance
de leurs dépôts.
D'après ces dispositions fondamentales, les déposants
et" la Caisse hypothécaire de Pretoria ne se trouvent pas dans
un rapport respectif de prêteur et d'emprunteur, mais les
opérations de la Caisse ont lieu pour le compte et aux périls
et risques des déposants; ces derniers ne sont pas des prêteurs,
mais des associés de la Caisse hypothécaire de Pretoria.
Cette appréciation trouve sa confirmation dans le fait que les
déposants ne perçoivent pas, pour leur capital, un intérêt
fixe, mais un intérêt variant selon les résultats financiers
de l'année, c'est-à-dire, en réalité, une part aux bénéfices, un
dividende. Les déposants ont à la vérité le droit de retirer
leurs capitaux tous les trois ans, et les récépissés ne pré-
voient pas, à cet égard, que les dépôts pourraient se trouver
absorbés en tout ou en partie par des pertes; toutefois, dès
le moment où le principe que les dépôts doivent être placés
pour le compte et aux périls et risques des déposants, a été
proclamé avec une clarté excluant tout malentendu, il va de
soi que le déposant n'a le droit de retirer son dépôt que pour
autant que celui-ci n'a pas été diminué par une part pro-
portionnelle des pertes subies. De plus il ressort du règle-
ment de la Caisse hypothécaire de Pretoria, rédigé en 1890
par F. et D., que cette Caisse ne possédait et ne devait
posséder d'autre actif que les dépôts, soit les créances hypo-
thécaires résultant du placement hypothécaire des capitaux
déposés. Il n'existait et il n'était prévu aucun autre fonds
de roulement ou de garantie. Les fondateurs de la Caisse,
F. et D., devaient pourvoir à leurs frais, moyennant une part
aux bénéfices nets, à toute l'administration de l'entreprise et
adresser, par l'intermédiaire de leurs banquiers, des rapports
périodiques aux déposants. Ils étaient naturellement respon-
sables, vis-à-vis de ces derniers, de l'exécution consciencieuse
de leurs devoirs d'administrateurs, en outre, à teneur d'une
disposition spéciale du règlement, ils répondaient, sans re-
striction, des maisons qui leur servaient d'intermédiaires; en
revanohe ils ne devenaient pas débiteurs des sommes par eux
encaissées pour la Caisse hypothécaire de Pretoria; au con-
traire ils ont décliné expressément cette qualité de débiteurs,
et ont déclaré, au commencement du Règlement de 1890,
que „sous la dénomination de Caisse hypothécaire de Pretoria
(Swiss Mortgage Investment Syndicate), MM. F. et D. ont
fondé à Pretoria (Transvaal) un établissement de crédit hy-
pothécaire qui constitue une personnalité juridique distincte et
indépendante de leur propre maison."
D'après ces dispositions, les droits garantis aux déposants
par les récépissés de dépôt étaient: le droit d'exiger des
gérants l'administration des dépôts conformément à leur
destination et en vue de l'exploitation des placements hypo-
thécaires; le droit de participation aux bénéfices de rétablisse-
ment, lequel devait être exploité par les gérants, pour le
compte des déposants, sous le nom de Caisse hypothécaire
de Pretoria; le droit de participation à la fortune sociale, en
ce sens que les dits déposants, en cas de retrait par eux de
leurs capitaux, ont la faculté d'en demander le remboursement
au moyen des fonds de la Caisse.
Au point de vue juridique, la Caisse hypothécaire de
Pretoria peut être envisagée comme une société d'une nature
particulière, qui, d'après le Code fédéral des Obligations,
rentre dans la notion de la société simple (art. 524 et suiv. C 0).
Les fondateurs F. et. D. étaient les associés administrateurs
de la société, leur apport à celle-ci consistait, non en capital,
mais exclusivement en leur travail, moyennant quoi ils parti-
cipaient aux bénéfices, et non aux pertes. Les déposants, en
revanche, apportaient le capital nécessaire à l'entreprise
commune, et participaient à la fois aux bénéfices et aux
pertes. La circonstance que F. et D. avaient la faculté de
rembourser les dépôts en tout temps, s'ils estimaient cette
opération conforme aux intérêts de la société, n'est nullement
en contradiction avec l'existence d'un rapport de société ; cette
disposition signifie seulement que les associés administrateurs
avaient le droit de mettre fin à la société, au moment où
ils le jugeraient convenable, par le remboursement des dépôts.
Or, le point décisif à trancher est celui de savoir si les
créances procédant des rapports de société, tels que, d'après
ce qui précède, ils ont été fixés par les récépissés de dépôt
et qu'ils devaient être transférés au demandeur par la cession,
existent ou non en droit.
La preuve de l'inexistence en droit de ces créances n'a point
-été rapportée. Il n'est en effet nullement établi que le rapport
de société, auquel dérivent les droits des déposants, et spéciale-
ment du cédant, n'ait pas été valide, et qu'il n'ait pu fonder
les droits susmentionnés, garantis dans les récépissés de dépôt.
Tout le raisonnement de la partie demanderesse et de l'in-
stance cantonale se base sur l'argument qu'il aurait été cédé
des créances contre une personne juridique, la Caisse hypo-
thécaire de Pretoria, et que cette personnalité n'a jamais
53
existé. Il y a lieu toutefois de rappeler à ce sujet qu'il n'a
jamais été question de voir le fondement d'une personne
juridique ailleurs que dans l'association des déposants avec
les membres administrateurs, et dans les capitaux des dépôts
soit dans les placements hypothécaires faits au moyen de
ceux-ci, et que dès lors le passage précité du règlement
portant que l'institut de crédit hypothécaire fondé par F. et
D. constitue „une personnalité juridique distincte et indépen-
dante de leur propre maison," ne pouvait et ne voulait dire
qu'une chose, à savoir que la Caisse hypothécaire de Pretoria
constitue une entreprise spéciale, séparée de leur propre
maison, dotée d'une fortune commerciale et sociale séparée
de leur fortune propre. Or il n'est nullement démontré que
le versement de capitaux de dépôt pour la Caisse hypothé-
caire de Pretoria, comme en réalité il a été fait pour des
sommes très considérables, n'ait pas eu pour conséquence
juridique la constitution d'une fortune sociale spéciale, dis-
tincte de la fortune de la maison P. et D., soit qu'on la
qualifie de propriété de la société comme telle ou de co-
propriété des associés; il n'est pas prouvé davantage que
tel n'ait pas été le cas également en ce qui concerne les
placements hypothécaires effectués au nom de la société. Sur
ce point d'ailleurs, ainsi que, d'une manière générale pour
ce qui concerne la nature de l'entreprise sociale de la Caisse
hypothécaire de Pretoria, ce n'est pas le droit fédéral, mais
sans aucun doute le droit en vigueur au siège de cet éta-
blissement — où les capitaux versés devaient être placés —
qui est applicable, c'est-à-dire le droit du Transvaal. Or il
n'est pas démontré que, d'après ce droit, il n'ait pas existé
une fortune de la Caisse hypothécaire de Pretoria, indépen-
dante et séparée des biens de la maison F. et D. Si l'on
voulait admettre^ — ce 'qui ne saurait être reconnu en
principe — qu'à défaut de la preuve du contenu du droit
étranger applicable I il y a lieu d'appliquer le droit indigène,
on n'arriverait pas à un résultat différent, attendu que, dans
ce cas, la fortune acquise au nom de la Société devrait être
considérée comme une propriété indivise des associés, dans
le sens de l'art. 544 C. 0. Par conséquent la preuve que les
créances, soit la part sociale cédées n'ont pas eu d'existence
juridique, n'a pas été rapportée, et il faut admettre au con-
traire que la part sociale cédée existait en droit. La partie
demanderesse et l'instance cantonale le contestent à la vérité,
en alléguant que la Caisse hypothécaire de Pretoria n'a
jamais existé ni fonctionné en fait, F. et D. ayant dès le
principe détourné de leur destination les capitaux versés pour
l'exploitation de la société, et cette exploitation n'ayant en
réalité jamais commencé. Cet argument toutefois, même à le
supposer exact en fait, n'est nullement décisif, attendu que
si F. et D. ont détourné le montant des dépôts versés dans
la caisse de la Société, cette circonstance n'a d'ifnportance
qu'en ce qui concerne la possibilité de réaliser en fait les
prétentions cédées, mais pas en ce qui a trait à l'existence
juridique de ces dernières. Ce qui est décisif à ce dernier
égard, c'est que l'entreprise sociale dite Caisse hypothécaire
de Pretoria possédait une existence juridique, et que le cédant
était en possession de la part sociale cédée, (fintsch. vom
3. November 1900 i. S. Erben Lorimier c. Mayor.)
32. 0. R. Art. 210 //., 215, 224. Die Verpfändung grund-
versicherter Forderungen richtet sich nach kantonalem Redete.
Das Retentionsrecht besteht nicht an grundversicherten Forde-
rungen, die nicht in Wertpapieren verkörpert sind.
Dem kantonalen Recht ist, wie das Bundesgericht in
seiner Entscheidung vom 9. September 1893 in Sachen Volks-
bank Luzern gegen Stirnimann (Amtl. Samml. Bd XIX, S. 550,
Erw. 4 ff.) näher ausgeführt hat, die Regelung der Verpfandung
der grundversicherten Forderungen vorbehalten. Demnach ist
aber die Frage, ob die Beklagte an den beiden Titeln,
welche ihr A. Z. namens der Erbschaft Z. versetzt hat, ein
Pfandrecht erworben habe, der Kognition des Bundesgerichts
entzogen. Hieran kann der von der Beklagten hervorge-
hobene Umstand, das 8 das aargauische bürgerliche Gesetzbuch
in § 420 die grundversicherten Forderungen zu den beweg-
lichen Sachen zählt, und die Verpfändung beweglicher Sachen
vom eidgen. Obligationenrecht geregelt wird, nichts ändern.
Denn der Begriff der beweglichen Sachen ist, soweit er für
die Anwendung des Bundesrechts in Frage kommt, nach
diesem Rechte zu bestimmen. Die Entscheidung darüber, ob
die Verpfändung der streitigen Grundpfandforderungen vom
eidgenössischen Recht beherrscht werde, hängt deshalb nicht
davon ab, ob das kantonale aargauische Recht dieselben in
die Kategorie der beweglichen Sachen einreihe, sondern
einzig davon, ob sie als bewegliche Sachen im Sinne des
Bundesrechts, d. h. der den Eigentumsübergang an Mobilien
und das Faustpfandrecht beschlagenden Bestimmungen des
eidgen. Obligationenrechts, zu betrachten seien. Das Obli-
gationenrecht hat aber in diesen Bestimmungen, in Art. 199 ft.,
wie in Art. 210 und 213, nur körperliche bewegliche Sachen,
Sachen, die lediglich als körperliche Rechtsobjekte, nicht
gleichzeitig als Träger von Rechten von Bedeutung sind, und
die zu diesen gezählten Inhaberpapiere, nicht dagegen andere
Wertpapiere, oder gar blosse Schuldscheinforderungen, im
Àuge (s. die cit. Entsch. des Bundesgerichts in Amtl. Samml.
Bd XIX, S. 553), Davon, dass die streitigen Grundpfand-
forderungen als bewegliche Sachen im Sinne des eidgen. Obli-
gationenrechts zu taxieren seien, und sich deshalb deren Ver-
pfändung nach Bunçlesrecht beurteile, kann hienach keine
Rede sein. Die Vorinstanz stellt aber des weitern fest, dass
die jene Forderungen verurkundenden Titel auch keine reinen
Inhaberpapiere, ja überhaupt keine Wertpapiere seien, und
nach dieser, in Auslegung kantonalrechtlicher Bestimmungen
getroffenen, und daher für das Bundesgericht verbindlichen
Entscheidung entfällt im vorliegenden Falle auch die Frage,
ob eventuell für die Verpfändung grundversicherter reiner In-
haberpapiere eidgenössisches Recht massgebend wäre. Es
treffen demnach auch die Voraussetzuagen eines Retentions-
rechtes nach Art. 224 0. R. nicht zu. (Entsch. vom 21. No-
vember 1900 i. S. Bank in Baden c. Zehnder.)
33. 0. R. Art. 243, 246. Die Prüfung der Ware auf ihre
Empfangbarkeit hat in der Regel, auch wenn Lieferung an Bord
im Absendungshafen stipuliert ist, erst nach Anlangen der Ware
am Empfangsorte, nachdem der Käufer dieselbe empfangen hat,
stattzufinden. — Der vertraglich vorausgesetzte Gebrauch der
kauf sache ist regelmässig derjenige Gebrauch, welcher im Allge-
meinen der Natur und der wirtschaftlichen Bestimmung der be-
treffenden Warengattung entspricht, beim Weine der Gebrauch
als Genussmittel.
Der Beklagte, Weinhändler J. H. in Zug, hatte von den
Klägern J. B. G. & Cie in Alicante ein grösseres Quantum
spanischen Weissweins Daimiel, 12l/ä bis 13 Grad alkohol-
haltig, „an Bord Alicante zu liefern," gekauft. Nach Ein-
treffen einer Teillieferung in Zug liess der Beklagte dieselbe
durch den dortigen Kantonschemiker untersuchen. Nachdem
dieser sich dahin ausgesprochen hatte, der Wein enthalte un-
verhältnismässig viel schweflige Säure (74, 24 mgr. per Liter)
und müsse deshalb beanstandet werden, stellte der Beklagte
den Wein zur Verfügung. Der Klage auf Zahlung des Kauf-
preises stellte er die Wandlungseinrede entgegen. Der Kläger
machte derselben gegenüber u. a. geltend:
56
1. Der Beklagte habe den Wein vertragsgemäß s in Ali-
cante abzunehmen und dort auf seine Empfangbarkeit zu
prüfen gehabt. Nachdem die Verschiffung in Alioante statt-
gefunden habe, brauche sich der Kläger auf eine Beanstan-
dung nicht mehr einzulassen.
2. Nach der Meinung des Vertrages habe es sich nicht
um „Genusswein," d. h. um Wein, der den Kunden so, wie
•er geliefert worden, unmittelbar zum Verbrauche abgegeben
werden sollte, gehandelt, sondern um sogen. Coupierwein, um
Wein, der zum Verschnitte mit andern bestimmt gewesen
sei. Bei der darnach in Aussicht genommenen Vermischung
mit anderm Weine mindere sich der Gehalt des Getränkes an
freier schwefliger Säure derart, dass von gesundheitsschädlichen
Folgen nicht mehr gesprochen werden könne und deshalb die
Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche weder auf-
gehoben noch in der Weise geschmälert sei, um eine Ge-
währspflicht des Verkäufers nach Art. 243 0. R. zu begründen.
Das Bundesgericht hat (in Uebereinstimmung mit der
Entscheidung der zugerischen Gerichte) die Wandlungsein-
rede für begründet erklärt, indem es u. a. ausführte:
1. Aus der Bestimmung des Vertrages, dass die Ware
an Bord Alicante zu liefern sei, folgt nicht ohne weiteres,
dass der Käufer die Prüfung auf deren Empfangbarkeit hin
dort vorzunehmen gehabt habe. Nach Art. 246 0. R. soll der
Käufer, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang thunlich
ist, die Beschaffenheit der empfangenen Ware prüfen und
allfällige Mängel derselben dem Verkäufer sofort anzeigen.
Die Prüfung8- und Rügepflicht des Käufers tritt also erst
ein, wenn der Käufer die Ware „empfangen" hat. Unter der
„Empfangnahme" im Sinne des Art. 246 ist aber das that-
sächliche Ansichnehmen des Kaufgegenstandes zu verstehen,
der Vorgang, welcher dem Käufer die Möglichkeit gewährt,
über die Sache thatsächlich zu verfügen und deren Beschaffen-
heit zu prüfen. Hienach hat in concreto die Empfangnahme
durch den Beklagten nicht in Alicante, sondern erst an seinem
Wohnsitz in Zug, wohin die Pässer übersendet werden sollten,
stattgefunden. Denn in Alicante, wo die Kläger die Ware
dem Spediteur zur Weitersendung zu übergeben hatten, be-
sass der Beklagte, wie ihnen wohl bekannt war, keinen Ver-
treter, der die ordnungsmässige Prüfung der Ware hätte vor-
nehmen können, und es liegt auch nichts dafür vor, dass nach
Meinung der Parteien etwa der Spediteur sich mit dieser
Aufgabe hätte befassen sollen, so dass also in der zum
Zwecke des Weitertransportes erfolgten Uebernahme durch
57
den Spediteur in Alicante eine billigende Erklärung über die
Empfangbarkeit nicht erblickt werden kann.
2. Wenn es sich fragt, welcher Gebrauch der Kaufsache
als der vertraglich vorausgesetzte zu betrachten sei, so ist,
soweit sich aus den Vertragsberedungen nichts abweichendes
ergiebt, davon auszugehen, dass nach der Parteimeinung die
Kaufsache zu demjenigen Gebrauche tauglich sein solle, der
im allgemeinen der Natur und der wirtschaftlichen Bestim-
mung der betreffenden Warengattung entspricht. Da vor-
liegend Wein verkauft und gekauft war ohne Beschränkung
auf einen speziellen Gebrauch, muas somit bis zum Beweis
einer abweichenden Vertragsmeinung angenommen werden,
dass der Kaufgegenstand auch unmittelbar zar Verwendung
als Genussmittel tauglich sein sollte; denn diesem Zwecke
dient die fragliche Warengattung nach ihrer Natur und all-
gemeinen wirtschaftlichen Bestimmung. Die Kläger hätten
demnach zu beweisen gehabt, dass beidseitig verstanden ge-
wesen sei, dass der gelieferte Wein ausschliesslich zum Ver-
schnitt bestimmt sein solle, und es daher genüge, wenn er
sich hiezu als tauglich erweise. Auf Grund des von der
Vorinstanz festgestellten Ergebnisses des Beweisverfahrens
kann dieser Beweis nicht als geleistet betrachtet werden.
Der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag ist
demnach dahin aufzufassen, dass die Kläger mit demselben
die Garantie für Tauglichkeit des zu liefernden Weines nicht
bloss zum Verschnitt, sondern auch zum unmittelbaren Ge-
brauch als Genusswein übernommen haben. Zu diesem letztern
Gebrauch hat sich aber die streitige Sendung, wie durch die
erhobenen Expertisen ausser Zweifel gesetzt worden ist, nicht
als tauglich erwiesen, und es ist daher der Wandlungsan-
spruch des Beklagten mit der Vorinstanz als begründet zu
erklären. (Entsch. vom 14. Dezember 1900 i. S. J. B. Gaubert
& Cie c. Hämmerli.)
34. 0. R. Art. 243 ff. Der Veikäufer haftet für Sachmängel
(wie z. B. für den Stich beim Weine) auch dann, wenn sie zur
Zeit des Kaufes nur erst im Keime vorhanden waren.
La demande principale est l'action en paiement d'un prix
de vente. La vente n'est pas contestée, mais la défenderesse
oppose l'exception rédhibitoire et demande par voie recon-
ventionnelle la résiliation du contrat et la restitution du prix
de vente déjà payé; éventuellement, le demandeur oppose à
la résiliation une conclusion en réduction du prix.
5
,:?••■ JIMWIAW fr*
f>8
La solution de ces conclusions respectives dépend de la
seule question de savoir si la vente doit être résiliée par
l'effet de la garantie due par le vendeur pour les défauts de
la chose vendue. . . .
La òour cantonale admet que „lors de la vente le vin était
déjà légèrement atteint de la maladie de l'acesoence, laquelle
devait nécessairement se développer plus ou moins promptement
et complètement, le germe ou ferment s'y étant introduit lors
de la vinification (cuvage)." C'est en vain que le demandeur
allègue que l'existence du germe de la maladie au moment de
la vente ne prouve pas l'existence d'un défaut permettant la
résiliation du contrat ; ce germe sans doute peut se développer
plus ou moins rapidement, ou même ne pas se développer du
tout; mais s'il vient à se développer, comme cela a eu lien
dans le cas actuel, l'existence du défaut remonte à l'existence
du germe, qui en était le principe et la cause (voir arrêt du
Tribunal fédéral dans la cause Noth c. Sommer, Ree. Off. XXI,
p. 576 et 577, consid. 5). Voir aussi Dalloz C. C. annoté,
art. 1641, n°» 138 et 139). Aux termes de Tart. 243 C 0 pré-
cité, c'est le vendeur qui répond d'une manière générale des
défauts de la chose vendue, du moment que ces défauts
existent au moment de la vente. Ce principe est d'ailleurs
d'accord avec l'équité, attendu qu'il est plus juste de faire
peser le risque provenant de l'existence de maladies en germe
sur le vendeur que sur l'acheteur, car la marchandise est
vendue et achetée comme bonne, et, si elle est défectueuse,
c'est le vendeur — lequel est présumé et peut connaître plus
facilement la marchandise vendue que l'acheteur — qui manque
à son obligation et qui doit supporter les conséquences de
ce fait. Il ne pourrait en être autrement que si la maladie
de Tacescence, soit son développement, devait être considérée
comme une détérioration inévitable, comme un défaut auquel
tout vin rouge est nécessairement sujet; mais tel n'est pas
le cas; il résulte bien plutôt du rapport de l'expert que
l'acesoence est un fait accidentel, exceptionnel, et non pas
une maladie inévitable du vin rouge, quel qu'il soit. Il suit
de ce qui précède que le défaut de l'acesoence préexistait à
la vente, et qu'il doit être admis dès lors comme vice réd-
hibitoire donnant lieu à garantie, et non comme un cas fortuit
postérieur à la dite vente. (Entsch. vom 22. Dezember 1900
i. S. Passera c. Joss.)
59
35. 0. R. Art. 346, 343. Aus „wichtigen Gründen« kann
der Dienstverlrag sofort ohne Beobachtung einer Kündigungsfrist
aufgelöst werden.
La Chambre d'appel des prud'hommes est partie du point
de vue que l'effet du Ier alinéa de l'art. 346 C.O. serait unique-
ment de supprimer la durée conventionnelle du louage de
services, mais laisserait subsister celui-ci comme contrat sans
durée déterminée, résiliable en conformité de l'art. 343 C.O.
Cette interprétation ne saurait se justifier. L'art. 346 C.O.
autorise, lorsqu'il existe de justes motifs, des motifs graves
(wichtige Gründe), la résiliation du contrat avant le terme
fixé; en d'autres mots, il permet de mettre fin au contrat
immédiatement, sans observation des délais conventionnels
ou légaux. (Entsch. vom 20*. Oktober 1900 i. S. Vigneau c.
Marin.)
36. 0. R. Art. 130, 357, 360. Die Verrechnung gegen
grundversicherte Forderungen ist durch das kantonale Hecht ge-
ordnet. — Verspätung der Mängelrüge beim Werkvertrage. —
Rügefrist bei einem Hausbau.
1. Das Erlöschen grandversicherter Forderungen wird ge-
mäss dem in Art. 130 0. R. ausgesprochenen Vorbehalte aus-
schliesslich durch das kantonale Recht geregelt (vgl. Amt!.
Samml. der bundesçer. Entsch. Bd XII, 8. 630; Bd XXI,
S. 544 Erw. 2); das kantonale Recht ist demzufolge auch mass-
gebend bei der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen
eine grundversicherte Forderung durch Verrechnung getilgt
werden könne. Wenn daher die Vorinstanz den § 845 des
allg. bürg. G es. B. des Kantons Aargau zur Anwendung ge-
bracht hat, welcher von der Verrechnung gegen unterpfand-
lich versicherte Forderungen handelt, so liegt hierin kein
Verstoss gegen die das Anwendungsgebiet des eidg. Rechts
bestimmenden Grundsätze. Die Vorinstanz hat vielmehr in
diesem Punkt mit Recht auf das kantonale Recht abgestellt.
2. Als genehmigt gilt das abgelieferte Werk, wenn der
Besteller es unterlassen hat, dasselbe nach der Ablieferung,
sobald dies nach dem üblichen Geschäftsgang thunlioh war,
auf seine Beschaffenheit hin zu prüfen, und den Unter-
nehmer von allfälligen Mängeln in Kenntnis zu setzen, ausser
es handelte sich um Mängel, die erst später zn Tage traten,
und deren Anzeige an den Unternehmer sofort nach der Ent-
deckung erfolgte (Art. 357, 360 und 361 0. R.). Nun be-
ruht das Urteil der Vorinstanz auf der Annahme, dass es
sich bei den vom Kläger gerügten Mängeln überall um solche
60
gehandelt habe, die schon bei der Ueb ernahm e des Werkes
erkennbar waren, und bezüglich welcher daher dem Besteller
die Pflicht sofortiger Anzeige im Sinne des Art. 357 0. R.
oblag. Diese Annahme ist weder rechtsirrtümlich noch akten-
widrig. Wenn man also auch mit dem Kläger annimmt, die
Fertigstellung und Ablieferung des Werkes (eines vom Be-
klagten erstellten Wohnhauses) habe erst am 24. Juli 1898
stattgefunden, so erweist sich die am 12. September gl. Js.
erhobene Mängelrüge als verspätet. Denn dieses Zeitraumes,
der inzwischen verstrichen war, bedurfte es unter keinen
Umständen, um die Prüfung des Werkes und die Anzeige
der dabei sich ergebenden Mängel nach dem unter den vor-
liegenden Verhältnissen üblichen Geschäftsgang thunlich er-
scheinen zu lassen. Wenn auch anzuerkennen ist, dass bei der
in Art. 357 0. B. dem Besteller eines Werkes auferlegten
Untersuchungs- und Rügepflichf nicht schlechthin die strengen
Grundsätze über die Mängelrüge im kaufmännischen Verkehr
anwendbar sind, sondern den Umständen des einzelnen Falles
und den Verhältnissen, in welchen die Parteien stehen, in
weiter gehendem Masse ex aequo et bono Rechnung getragen
werden soll, so kann doch in casu die dem Kläger zur
Last fallende bedeutende Verzögerung in keiner Weise als
entschuldigt gelten, und es muss daher seine Mängelrüge,
in Uebereinstimraung mit dem angefochtenen Urteile, als ver-
wirkt betrachtet werden. (Entsch. vom 25. Januar 1901 i. S.
Butler c. Frey.)
37. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechts-
pßege vom 22. März 1893, Art:89 ff. 0. R. Art. 890.
1. Art. 890 0. R., welcher das kantonale Recht bezüglich
der Gewährleistung beim Viehhandel vorbehält, ist dahin aus-
zulegen, dass hienach das kantonale Recht nur insoweit zur
Anwendung kommt, als es spezielle Bestimmungen betr. jene Ge-
währleistung enthält, und dass im übrigen die Vorschriften
des eidg. 0. R. Platz greifen, wie das Kundesgericht in fest-
stehender Praxis (vgl. A. S. XXII S. 867 E. 4, XXIII S. 178
E. 3, S. 813 f. E. 2, S. 182 E. 2) entschieden hat.
2. Zur Begründeterklärung der Kassationsbeschwerde ge-
hört, da 88 der angefochtene Entscheid mit dem durch die Be-
schwerde anfechtbaren Kassationsgrund in kausalem Zu-
sammenhange steht, dass der Entscheid auf dem Rechts-
irrtum beruht. Zwar ist dieses Erfordernis im Gesetze, entgegen
der Vorschrift des Art. 163 Org. Ges. betr. die Kassation
in Strafsachen, nicht ausdrücklich aufgestellt, allein es folgt
61
so sehr aus der Natur der Sache, aus dem Wesen des Rechts-
mittels der Kassation und aus der Stellung des Kassations-
richters, wie auch aus praktischen Gründen, dass an ihm
auch hier festzuhalten ist. (Entsch. vom 8. Dezember 1900
i. S. Gerber e. Dan user.)
38. 0. R. 896. Haftpflichtversicherung. — ZnUissigkeit und
Auslegung der Policeklausel, welche Verwirkung der Ansprüche
aus dem Versicherungsvertrage hei unrichtigen Angaben über die
Zahl der in dem versicherteti Betriebe beschäftigten Arbeiter und
die Höhe der in demselben bezahltm Löhne androht. — Die Ver-
Wirkungseinrede steht auch dem versicherten Arbeiter entgegen.
1. S.-K., Inhaber der Farbholz- und Gewürzmiihle À. bei Z.,
hatte am 28. Juni 1894 mit der Beklagten einen Haftpflicht-
versicherungsvertrag geschlossen. Art. 3 der allgemeinen Be-
dingungen der Police bestimmte: „Die Versicherung gilt und
die Prämie ist geschuldet für alle Personen, ohne Unterschied
des Geschlechts, welche während der Dauer der Versicherung
an den, bei Abschluss der Police in Betracht gekommenen Ar-
beiten beschäftigt sind. — Es ist ohne Belang, ob diese
Personen im Tag-, Monats- oder Jahreslohn oder Akkord
arbeiten, und als Arbeiter, Vorarbeiter, Aufseher, Ingenieure
oder Direktoren angestellt sind. — Demgemäss ist der Ver-
sicherungsnehmer, bei Verlust seines Anspruches im Schaden-
falle, gehalten, in seinen Lohnlisten, regelmässig Tag für Tag,
Namen .... einer jeden der von ihm beschäftigten und für
seine Rechnung arbeitenden oder angestellten Personen, sowie
die Anzahl der geleisteten Arbeitstage und den Betrag des
verdienten Lohnes einzutragen." Art. 21 ibid. sodann schreibt
vor: „Jede Verschweigung, jede falsche Angabe seitens der
Versicherungsnehmer, sei es im Augenblick der Unterzeichnung
der Police, sei es während ihrer Dauer, entlastet die Gesell-
schaft vollständig von ihrer Garantie gegenüber dem Ver-
sicherungsnehmer, insofern diese Verschweignng oder falsche
Angabe zur Folge gehabt hat: 1. Die Höhe der Prämien für
.... die Anzahl der beschäftigten Personen, oder den Durch-
schnitt ihrer Löhne per Arbeitstag zu verringern. ... 4. Die
Gesellschaft in Bezug auf Anzahl der geleisteten Arbeitstage
oder den Betrag der bezahlten Löhne zu täuschen. — In
diesen Fällen kann die Gesellschaft die Bezahlung der that-
8ächlich geschuldeten Prämien verlangen und von dem Ver-
sicherungsnehmer den Betrag der Zahlungen, welche sie infolge
von Unfällen irrtümlicherweise gemacht hatte, zurückfordern;
ebenso kann sie den Vertrag durch einfachen eingeschriebenen
Brief auflösen." Gemäss Art. 15 der Police hatte der Beklagte
am Ende eines jeden Quartals eine Aufstellung vorzulegen,
welche die Gesamtzahl der Arbeitstage und den Gesamtbetrag
der Arbeitslöhne seiner Arbeiter u. s.w. im betreffenden Quartal
enthalten musste. Auf den Auszug der vierteljährlichen Lohn-
listen vom April 1898 setzte S. die Notiz: „Zur Aushülfe be-
schäftigte im ). Quartal nurTaglöhner, die nicht auf die Arbeiter-
versicherungsliste kommen." Die Generalagenten der Beklagten
antworteten ihm am 31. Mai, das beruhe auf Irrtum, und nach*
dem 8. auf seinem Standpunkt verharrt hatte, am 1. Juni gl. Js.,
er habe die Löhne der Taglöhner in den Lohnlisten aufzuführen,
und solle alle bisher nicht eingetragenen Löhne notieren. S.
kam indess dieser Auflage nicht nach. Es stellte sich in
der Folge heraus, class er seit dem 4. Quartal 1894 Fr. 6990
mehr an Löhnen ausbezahlt als in die Lohnlisten eingetragen
hatte. Als nun der Kläger als Arbeiter des S. einen Unfall
erlitt, verweigerte die Beklagte unter Berufung auf Art. 3 und 21
der Police die Bezahlung einer Entschädigung. Der daraufhin
von dem Verunglückten gestützt auf den Versicherungsvertrag
erhobenen Klage stellte die Versicherungsgesellschaft neben
andern gegen die Legitimation des Klägers gerichteten Einreden
die Einrede der Verwirkung entgegen. Diese Einrede wurde
vom Bundesgericht (entgegen dem Entscheide der ersten Instanz,
aber in Uebereinstimmung mit der Appellationskammer des
Obergerichts Zürich) gutgeheissen. Aus den Entscheidungs-
gründen ist hervorzuheben : Die Verwirkungsklausel des Art. 21
der allgemeinen Bestimmungen der vorliegenden Versicherungs-
police ist zweifellos zulässig, sofern wenigstens die Verwirkung
darin an eine schuldhafte Nichterfüllung der Pflichten des Ver-
sicherungsnehmers geknüpft ist, sie enthält nichts, was gegen
die Rechtsordnung, oder speziell gegen die guten Sitten Ver-
stössen würde, sondern sie beruht gegenteils auf einem berech-
tigten Interesse des Versicherers, das darin besteht, über den
Umfang des Risikos genau unterrichtet zu sein und unlautem
Machenschaften des Versicherungsnehmers vorzubeugen. Fest-
gestellt ist nun, dass der Versicherungsnehmer S. thatsächlich
objektiv unrichtige Angaben gemacht hat, indem er schon seit
dem 4. Quartal des Jahres 1894 die Zahl der von ihm be-
schäftigten Arbeiter und den Betrag der von ihm bezahlten
Löhne zu niedrig angegeben hat. Allein auch darüber, dass
diese unrichtigen Angaben auf einem Verschulden des Ver-
sicherungsnehmers beruhen, kann ein ernstlicher Zweifel nicht
bestehen. Auch die erste Instanz hat das nicht angenommen,
63
sondern sie ist nur davon ausgegangen, ein dolus des S. sei
nicht erwiesen. Bei dieser Auslegung hat sie jedoch, wie die
Vorinstanz richtig ausführt, den wahren Sinn der fraglichen
Bestimmung der Police verkannt. Schon der Wortlaut
dieser Bestimmung deutet nicht unbedingt darauf hin, dass
nur absichtliche oder bewusste Verschweigungen oder falsche
Angaben die Yerwirkung nach sich ziehen, sondern sie kann,
wie die Vorinstanz bemerkt, sehr wohl dahin ausgelegt werden,
dass damit die objektive Thatsache des in Irrtum Ver-
setzens gemeint ist. Und wenn die Bestimmung im Zusammen-
hange mit den übrigen verwandten Bestimmungen der Police,
speziell mit Art. 3 und 15, betrachtet wird, so ergiebt sich,
dass eben die Pflicht der richtigen Angaben und der gehö-
rigen Führung richtiger Lohnlisten ganz speziell als Vertrags-
pflicht stipuliert war; nun zieht aber im allgemeinen jede
schuldhafte Nichterfüllung von Vertragspflichten, nicht nur
die vorsätzliche, gewisse Folgen nach sich, und es müsste da-
her ganz ausdrücklich gesagt sein, dass nur die vorsätzlich
falschen Angaben die Verwirkung herbeiführen; das ist aber
nach dem Wortlaute weder des Art. 21, noch nach demjenigen
des Art. 3 der Fall. Dass aber vorliegend den Versicherungs-
nehmer ein Verschulden, und zwar mindestens grobe Fahrlässig-
keit, trifft, ist von der Vorinstanz zutreffend ausgeführt worden.
Unter diesen Umständen ist nur noch die Frage zu lösen, ob
die Einrede der Verwirkung auch dem Kläger entgegenge-
halten werden könne. Diese Frage ist zu bejahen. Voraus-
gesetzt, dass dem Kläger überhaupt ein selbständiges, direktes
Klagerecht gegen die Beklagte zusteht, dass er also einen
Versicherungsanspruch gegen sie besitzt, besteht dieser doch
nur in dem Umfange, wie er durch die Police begründet wurde,
und kann die Beklagte alle Einwände, die sich auf die Police
stützen, auch gegen den Kläger vorbringen. (Entsch. vom
26. Januar 1901 i. S. Kuratli c. Unfallversicherungsgesellschaft
„Préservatrice.")
39. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn-
und Dampfschiff ahrtunternehmungen bei Tötungen und Verletzun-
gen vom 1. Juli 1875, Art. 2. Einrede des Selbstverschuldens;
Beurteilung desselben bei jugendlichen Personen.
Der 1272jährige A. J. wurde am 15. April 1899 in einer
Strasse von La Chaux-de-Fonds von einem, in seinem Kücken
in gewöhnlicher Geschwindigkeit und nach Abgabe der vor-
geschriebeneu Warnungssignale heranfahrenden Tramway-
wagen erfasst und körperlich schwer verletzt. Der Unfall war
64
dadurch herbeigeführt worden, dass der Verletzte unmittel-
bar vor dem Tramway wagen von dem Trottoir, auf dem er
sich bisher bewegt hatte, herab in das Geleise trat, an-
scheinend um Kinder, die auf der Strasse mit einem Hunde
spielten und seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen,
besser beobachten zu können. Die von der Eisenbabngesell-
schaft der Haftpflichtklage des Vaters des A. J. entgegen ge-
haltene Einrede des Selbstverschuldens wurde vom Bundes-
gerichte, in Bestätigung der Entscheidung des Kantonsge-
richtes von Neuenburg, abgewiesen. Aus den bundesgericht-
lichen Entscheidungsgründen ist hervorzuheben:
Il est constaté, à la vérité, que J. était intelligent et
robuste, connaissait l'existence du tramway et était capable
d'apprécier le danger auquel s'exposent les piétons en pénétrant
sans précaution sur les rails. Mais cela ne suffit pas pour
que sa responsabilité doive être appréciée avec la même
rigueur que celle d'un adulte. Un enfant de 12 ans ne pos-
sède pas encore au même degré que l'homme fait le calme,
la présence d'esprit, la réflexion nécessaires pour juger in-
stantanément d'un danger qui le menace ; à cet âge, et plus
encore chez les enfants très intelligents que chez les autres,
es idées sont fugitives, l'attention peu soutenue et constam-
ment sollicitée par des objets nouveaux. Il est dès lors im-
possible d'admettre comme règle qu'en toutes circonstances
un enfant auquel son âge et son développement intellectuel
permettent de se rendre compte d'un danger qui le menace,
commet une faute lorsqu'il s'expose à ce danger par suite
d'une distraction passagère. Dans les circonstances particulières
de l'accident arrivé à J., on ne saurait imputer à faute à
celui-ci de s'être laissé distraire un instant par un spectacle
enfantin et d'avoir, sous l'influence de cette distraction, pé-
nétré sur la voie du tramway sans s'en douter peut-être et
sans s'assurer qu'une voiture n'arrivait pas derrière lui. Il
a commis un acte irréfléchi sans doute, mais qui, eu égard
aux circonstances, apparaît comme excusable et ne constitue
pas une faute. (Entsch. vom 28. November 1900 i. S. Jean-
richard c. Compagnie du Tramway de la Chaux-de-Fonds.)
40. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbe-
trieb vom 25. Juni 1881, Art. 6, Abs. 3. 0. R. Art. 888, 50 ff.
Das Entschädigungsmaximum des Art. 6 leg. cit. fällt nur weg,
wenn der Unfall durch eine strafrechtlich verfolgbare Handlung
des Betriebsunt'rnehmers selbst herbeigeführt worden ist — Aktien-
6.1
gesellsckaften sind als deliktsunfähig zu betrachten und es kann
daher ihnen gegenüber Art. 6 Abs. 3 cit. nicht zur Anwendung
kommen — Für die Haftbarkeit des Betriebsunternehmers gilt
ausschliesslich die Spezialgesetzgebung, dagegen gut für die Haft-
barkeit von Angestellten, welche den Betriebsunfall verschuldet
haben, gegenüber dem Verletzten fias gemeine Recht.
1. Der Wegfall des Maximums des Art. 6 des Fabrik-
baftpÜichtgesetzes findet nach dem klaren Wortlaute des Ge-
setzes nur dann statt, wenn der Unfall verursacht worden
ist durch eine strafrechtlich verfolgbare Handlung „von Seite
des Betriebsunternehmers," d.h. des Betriebsunternehmers selber.
(Vergi, das cit. Urteil des Bundesgerichts i. S. Sigg, Erwäg. 3,
Amtl. Samml. Bd XVI, S. 153.) Diese Auslegung ergiebt
sich überdies nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus
dem Sinn und Geist des Gesetzes und dem Verhältnisse der
Haftpflicht zum gemeinen Recht. Durch das Haftpflichtge-
setz sollten einerseits die Betriebsunternehmer auch abge-
sehen von einem eigenen oder einem Verschulden ihrer An-
gestellten für die Betriebsunfälle ihrer Arbeiter haftbar er-
klärt werden; andrerseits aber sollte durch das Gesetz diese
ihren Voraussetzungen nach strenge Haftpflicht, entgegen den
provisorischen Bestimmungen des Fabrikgesetzes, Art. 5, auf
ein Maximum beschränkt werden, damit die Betriebsunter*
nehmer nicht allzu schwer belastet würden und eine Ver-
sicherung gegen die Folgen der Haftpflicht leichter möglich
wäre. Es wurde also durch das Fabrikhaftpflichtgesetz der
Grundsatz der Entschädigungspflicht gegenüber dem gemeinen
Recht einerseits — seinen Voraussetzungen nach — ver-
schärft, andrerseits — dem Masse der Entschädigung nach — -
gemildert. Der Zweck der Bestimmung, dass das Entschädi-
gungsmaximum dann wegfalle, wenn den Betriebsunternehmer
ein strafrechtlich verfolgbares Verschulden am Unfälle treffe,
war nun der, eine Ungerechtigkeit, die im Beibehalten des
Maximums für solche Fälle gelegen hätte, zu beseitigen und
damit den Unternehmer bezüglich des Masses der Entschädi-
gung auf den Boden des gemeinen Rechts zu stellen ; diese
Billigkeitserwägung konnte nur dann Platz greifen, wenn dem
Unternehmer selber strafrechtliches Verschulden zur Last
fällt, nicht aber dann, wenn solches Verschulden eines Leiters,
Repräsentanten u. s. w. vorliegt, teils deshalb, weil andern-
falls die Haftpflicht des Unternehmers in häufigen Fällen
wieder allzu schwer geworden wäre, teils deshalb, weil nur
dem Unternehmer gegenüber bei einer strafrechtlich verfolg-
baren Handlung für die Civilansprüche ausschliesslich das
■,"*k**£.jiuijHç
66
Haftpflichtgeaetz Anwendung findet, nicht aber einem Leiter
gegenüber (vergi, unten Nr. 2). — Endlich spricht auch
die innere Oekooomie des Gesetzes für diese Auslegung : Die
Haftpflicht des Unternehmers wird festgesetzt in Art. 1 und
2 des Gesetzes, und zwar regelt Art. 1 den Fall des Ver-
schuldens des Arbeitgebers oder seiner Leute, Art. 2 den
Fall des Zufalles; für Verschulden seiner Leute wird dabei
der Unternehmer in gleicher Weise haftbar erklärt, wie für
eigenes Verschulden, ohne dass ihm (im Gegensatz zum Obli-
gationenrecht, Art. 62) ein Entlastungsbeweis offen stünde.
Nun ist aber diese Haftpflicht in Art. 6 Abs. 2 für die Regel,
also auch für den Fall eigenen, nicht strafrechtlichen Ver-
schuldens des Unternehmers selber, auf das Maximum be-
schränkt; und es läge daher gewiss nicht im Sinne des (Ge-
setzes, den Unternehmer für strafrechtliches Verschulden seiner
Leute in höherem Grade verantwortlich zu machen, als für
eigenes (nicht strafrechtliches) Verschulden. Ist somit aus
allen diesen Gründen daran festzuhalten, dass zum Wegfall
des Maximums ein strafrechtliches Verschulden des Unter-
nehmers selber erforderlich sei, so ist die Argumentation der
Vorinstanz, die Aktiengesellschaft müsse für das strafrecht-
liche Verschulden ihres Leiters emirechtlich haften, hinfallig;
allerdings haftet sie dafür, aber eben nur bis zum Betrage
des Maximums.
Indessen ist damit die Frage betreffend Anwendung des
Wegfalles des Maximums auf die Aktiengesellschaften noch
nicht ohne weiteres und notwendig im Sinne der Verneinung
entschieden. Will man nämlich mit der von einem Teile der
Theorie und der Praxis vertretenen Auffassung annehmen, der
Korporation werde privatrechtlich zugerechnet „das rechts-
widrige schuldhafte Verhalten eines Korporationsorgans, das
in den durch Gesetz oder Statut begründeten Wirkungskreis
der Korporation und in die Zuständigkeit des schuldhaften
Organs fällt" (Regelsberger, Pand. I, §83, S.330), der Wille
der Organe der Aktiengesellschaft habe also als ihr eigener
Wille zu gelten, so wäre vorliegend die Haftung der be-
klagten Gesellschaft für das Verschulden ihres technischen
Leiters gegeben, sofern dieser als Organ der Gesellschaft an-
zusehen ist. Es erscheint jedoch richtiger, im Sinne der
altern, herrschenden Theorie die Aktiengesellschaft als delikts-
unfähig zu erklären (vergi. Sol dan, La responsabilité des
fabricants, p. 45), und alsdann kann von einer Anwendung
der Bestimmung des Art. 6 Abs. 3 ihr gegenüber keine Rede
sein. Diese Auslegung scheint denn auch eher im Einklänge
67
mit den oben entwickelten Ausführungen über den Sinn des
Wegfalles des Entschädigungsmaximums zu stehen.
2. Die Haftpflicht des Fabrikunternehmers seibor ist aus-
schliesslich auf die Bestimmungen der Spezialgesetzgebung
beschränkt und es besteht ihm gegenüber nicht noch ein kon-
kurrierender Ansprucn aus dem gemeinen Recht; die Spezial-
gesetzgebung verfolgte eben gerade den Zweck, den Bestim-
mungen des gemeinen Rechts zu derogieren, soweit es die
Haftpflicht des Unternehmers betraf (Art. 888 0. R. ; 3. bezügl.
der Haftpflicht der Eisenbahnen etc. Âmtl. Samml. der bundes-
ger. Entsch. Bd XXIII, 2. Teil, S. 1055, f., Erw. 1; vergi.
auch oben Erw. 4, ad c). Allein die Spezialgesetzgebung be-
handelt nur die Haftpflicht des Unternehmers selber, sowie
die Verantwortlichkeit der Angestellten gegenüber dem letztern,
bezüglich der Haftung der Angestellten gegenüber dem Ver-
letzten hat sie dagegen an den Grundsätzen des gemeinen
Rechts, d. h. jetzt des Obligationenrechts, nichts geändert ;
soweit die Voraussetzungen der Art. 50 ff. 0. R. zutreffen,
entsteht daher aus einem Haftpflichtunfall auch eine Dflikts-
obligation gegenüber dem fehlbaren Angestellten (s. Urt. des
Bundesger. vom 6. April 1895 i. S. Strähl c. Bowet u. Kauf-
mann, Amtl. Samml. ßd XXI, S. 453 f., Erw. 5, u. vom 28. Sep-
tember 1900 i. S. Rey c. Jayet et cons., Amtl. Samml.
Bd XXVI, 2. Teil, S. 588 ff). (Entsch. vom 5. Dezember 1900
i. S. Müller c. Société anonyme de Filatures de S^happe und
Munk.)
41. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb
vom 25. Juni 1881, Art. 6. Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs vom 11. April 1889, Art. 293 ff. Ein vom Haft-
pfUchhchuldner im Laufe des Haftpflichtprozesses abgeschlossener
Nachlassvertrag erstreckt sich auch auf die Haftpflichtforderung.
— Berücksichtigung des 2sachlassvertrages bei der richterlichen
Feststellung der Haftpflichientschädigung.
Wenn im Laute des Haftpflichtprozesses vom Beklagten
ein Nachlassvertrag abgeschlossen worden ist, so ist von dem
über den Haftpflichtanspruch urteilenden Gericht die Re-
duktion der Forderung auf die Nachlassquote auszusprechen.
Denn : Der Streit darüber, inwieweit der Schuldner durch den
Nachlassvertrag befreit sei, bezw. ob der Nachlassvertrag auch
für die Haftpflichtforderung gelte, erscheint als ein Incidens
im Haftpflichtprozesse, über das naturgemäss der Haftpflicht-
richter zu entscheiden hat, da es sich um einen civilrecht-
lichen Einfluss auf die Forderung handelt, da ferner sonst
68
eine unnötige Weiterung des Verfahrens entstehen würde, und
zudem die Gefahr nahe läge, dass der Haftpflichtkläger besser
gestellt wäre, als der Gläubiger einer unbestrittenen Forde-
rung. Die Haftpfliohtforderung, die ihrem Grunde nach schon
mit dem Tage des Unfalles entstanden ist, wird in ihrem
rechtlichen Bestände wie jede andere Forderung yom Nach-
lassvertrage in der Weise berührt, dass der Schuldner wenig-
stens civiliter von der nachgelassenen Forderung befreit wird,
wenn schon eine Naturalobligation für dieselbe weiterbestehen
mag (vergi. A m ti. Samml. der bundesger. Entsch. Bd XXVI,
2. Teil, S. 194, Erw. 4 i. S. Burkhalter & Cie o. Jörg).
Dieses einmal festgestellt, erweist sich eine Erhöhung
der von den Vorinstanzen gesprochenen Summe als ange-
messen, und zwar wesentlich deshalb, weil der Kläger in-
folge der schlechten ökonomischen Lage des Beklagten keinen
eigentlichen Vorteil der Kapitalabfindung hat, vielmehr der
eine Hauptvorteil der Kapitalabfindung: die Sicherheit der
Auszahlung hier nicht vorhanden ist, zumal die Forde-
rung des Klägers von der Nachlassverwaltung nicht zuge-
lassen worden war und somit für dieselbe keine Sicherstellung
geleistet werden musste. (Entsch. vom 26. Dezember 1900
i. S. Breitenstein c. Stiegeier.)
42. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken, der Herkunftsbezeichnungen von Waren und der
gewerblichen Auszeichnungen vom 26. September 1890, Art. 4, 5, 7
Ziff. 2. Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Oesterr eich- Ungarn
zum wechselseitigen Schutze der Fabrik- und Handelsmarken vom
22. Juni 1885. Art. 1, 2. Wird die für den ersten Hinterleger eines
Warenzeichens nach Art. 5 leg. cit. sprechende Rechtsvermutung auch
dann zerstört, wenn ein früherer markenmassiger Gebrauch des
Zeichens nicht im lnl an de, sondern ausschliesslich im Auslande
dargethan ist? — Universale Natur des Individualrechts an der
Marke.
Die Beklagte und Widerklägerin betreibt seit den 1840er
Jahren an ihrem Sitze in Wien die Fabrikation von Kerzen,
Seifen, Margarine, Glyzerin und Parfumeriewaren. Für ihre
Seifen und Kerzen hat sie seit Jahrzehnten das Zeichen „Apollo,-
sei es allein, sei es in Verbindung mit einer Leier verwendet.
In den Jahren 1893 und 1895 Hess sie unter No. 3719 und 5932
zwei Marken, welche beide als Hauptbestandteile das Wort
Apollo enthielten, für ihre Seifen und für Kerzen, Seifen und
Parfumeriewaren sowie für Schmalz und Butter in das Marken-
6i>
register in Wien eintragen. Nachdem sie bisher (seit 1891)
wohl „Apollokerzen," dagegen keine „Apolloseifen" in die
Schweiz geliefert hatte, liess sie im Jahre 1897 zwei den
österreichischen Marken No. 3719 und 5932 entsprechende
Zeichen für ihre Seifen und Kerzen unter No. 9515 und 9617
in das eidgenössische Markenregister in Bern eintragen. Schon
vorher im Jahre 1896 hatte die Klägerin und Widerbeklagte,
die Kommanditgesellschaft Gebrüder Seh. & Cie, welche seit
1892 eine Seifenfabrik in M. bei Biel betreibt, die Worte
„Savon Apollo" für ihre Toilette- und Haushaltungsseifen unter
No. 6323 als Marke in das schweizerische Markenregister
eintragen lassen, nachdem sie vom eidgenössischen Amte für
geistiges Eigentum auf eine Anfrage, ob der Name „Apollo"
schon zur Bezeichnung einer Seife im eidgenössischen Marken -
register eingetragen sei, eine verneinende Antwort erhalten
hatte. Als nun die Beklagte und Widerklägerin der Klägerin
verbieten wollte, für ihre Seifen sich der Bezeichnung Apollo
zu bedienen, erhob letztere Klage auf Löschung der für die
Beklagte im schweizerischen Markenregister unter No. 9515
und 9617 eingetragenen Marken Apollo. Die Beklagte
trug auf Abweisung der Klage an und verlangte widerklags-
weise Anerkennung ihres ausschliesslichen Rechtes auf die
Verwendung des Wortes „Apollo" als Fabrikmarke für
Seifen, Löschung der für die Klägerin erfolgten Eintragung
des Wortes „Apollo" als Fabrikmarke bezw. als Hauptbe-
standteil einer Fabrikmarke u. s. w. Das Bundesgericht hat.
in Bestätigung der Entscheidung des Appellations- und Kas-
sationshofes des Kantons Bern, die Vorklage abgewiesen, die
Widerklage dagegen in der Saohe gutgeheissen.
In den Entscheidungsgründen wird zunächst ausgeführt:
Beide Parteien erheben Anspruch auf das Recht an der
schweizerischen Marke „Apollo" für Seifen. Die Klägerin
berufe sich auf die Priorität des Eintrags ihrer Marke in der
Schweiz, gegen welche weder der frühere Eintrag noch
der frühere Gebrauch der Marke in Oesterreioh aufzu-
kommen vermöge, während ein früherer Gebrauch in der
Schweiz nicht einmal behauptet werde. Die Widerklägerin
dagegen stelle in erster Linie darauf ab, ihr früherer Ge-
brauch der Marke in Oesterreich begründe für sie die
Priorität gegenüber dem spätem Eintrag der klägerischen
Marke in der Schweiz. Die streitige Frage, wer der wahre
Berechtigte an der schweizerischen Marke „Apollo" sei, be-
urteile sich ohne Zweifel nach schweizerischem Rechte, da
es sich eben um eine in der Schweiz eingetragene Marke
70
handle. Da die Klägerin die Marke „Apollo0 zuerst hinter-
legt habe, so müsse nach Ârt. ö des schweizerischen Marken-
schutzgesetzes bis zum Beweise des Gegenteils angenommen
werden, dass sie die wahre Berechtigte sei, und habe die
Widerklägerin den Gegenbeweis zu führen. Diese berufe sich
dafür auf die Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Oester-
reich-Ungarn zum wechselseitigen Schutze der Fabrik- and
Handelsmarken vom 22. Juni 1885. Diese Uebereinkunft sei
kein Staats vertrag, da sie als solcher der Genehmigung
der Bundesversammlung bedurft hätte und- diese nicht ein-
geholt worden sei, sondern eine blosse Gegenrechtser-
klärung, welche vom Bundesrate innerhalb der Sehranken
seiner Kompetenz ausgetauscht ^worden sei und einfach fest-
stelle, dass zwischen der Schweiz und Oesterr eich- Ungarn
für den Markenschutz das Verhältnis des Gegen rechts ge-
mäss der beiderseitigen Gesetzgebung bestehe. Nach dieser
Uebereinkunft in Verbindung mit Art. 7 Ziff. 2 des eidgenös-
sischen Markenschutzgesetzes stehe demnach fest, dass die
Widerklägerin als österreichische Gesellschaft in der Schweiz
denselben Schutz geni esse wie ein Inländer. Art. 2 der Ueber-
einkunft schränke den den Oesterreichern in der Schweiz zu
gewährenden Schutz nicht etwa dahin ein, dass die Hinter-
legung der Marke die unbedingte Voraussetzung des Schutzes
derselben bilde, vor der Hinterlegung also kein Schutz be-
stehe, wodurch der in Art. 1 des Uebereinkommens aufgestellte
Grundsatz der Gleichstellung durchbrochen würde. Unter dem
Schutze, von dem Art. 2 1. c. spreche, sei vielmehr der speziell
markenrechtliche Schutz zu verstehen, der auch nach Art. 4
des eidgenössischen Markenschutzgesetzes an die Förmlich-
keiten der Hinterlegung und Eintragung geknüpft sei. Die
streitige Frage, wem das Markenrecht an der Marke „Apollo"
zustehe, sei daher vom Standpunkte der völligen (Gleich-
stellung der Widerklägerin mit einer schweizerischen Firma
aus zu beantworten. Entscheidend für dieselbe sei, ob ent-
weder die frühere Eintragung in Oesterreich oder der frühere
Gebrauch daselbst der Widerklägerin das Recht auf die
Marke, also auf deren ausschliessliche Benutzung auch in der
Schweiz, verschafft habe. Diese Frage sei bezüglich der
frühern Eintragung zu verneinen. Das Institut der Marken-
register sei zunächst und abgesehen von internationalen
Vereinbarungen (welche hier nicht in Frage stehen) rein
territorial; daher wirke auch die Hinterlegung und Eintra-
gung, deren Förmlichkeiten von Land zu Land wechseln, an
sich nur territorial, im Staate der Eintragung, und ebenso
71
der hieran geknüpfte spezielle markenrechtliche Schutz. Hin-
sichtlich der Wirkung des früheren Gebrauches der Marke
durch die Klägerin sodann wird bemerkt:
Was den früheren Gebrauch betrifft, so ist vorerst davon
auszugehen, dass der frühere befugte Gebrauch in der Schweiz
zweifelsohne der Widerklägerin die „wahre Berechtigung"
verschaffen würde. Da ein solcher Gebrauch, wie bemerkt,
nicht nachgewiesen, ja nicht einmal behauptet ist, so stellt
sich die Frage vorliegend so, ob der frühere befugte marken-
massige Gebrauch eines Zeichens (des Namens ,, Apollo") im
Auslande, speziell in Oesterreieh, dein früheren Gebrauch im
Inlande gleichzustellen sei, ob m. a. W. auch dieser frühere Ge-
brauch im Auslande genüge, um die Rechtsvermutung des Art. 5
Schweiz. Markensohutzges. zu zerstören. Nun liegt dem Schweiz.
Markenschutzgesetz, indem es das sogen. System der dekla-
rativen, nicht der konstitutiven Wirkung der Eintragung auf-
genommen hat, das Prinzip zu Grunde, dass die thatsächliche
Verwendung eines Zeichens als Marke ein Recht des Be-
zeichnenden an diesem Zeichen begründe, und dieses Recht
kann nicht anders denn als Individualrecht aufgefasst werden ;
die Marke (auch die nicht eingetragene) bezeichnet eine Ware
als von einer bestimmten Persönlichkeit bezw. einem be-
stimmten Geschäftsinhaber ausgehend, sie stellt äasserlich
die Verbindung einer Ware mit einer bestimmten Persönlich-
keit dar. Dieses Individualrecht aber, das danach im Marken-
recht enthalten ist, ist an sich nicht an ein bestimmtes Ter-
ritorium gebunden, es ist seiner Natur nach nicht national,
sondern universal; national, territorial ist nur der spezielle
Markenschutz, dessen Vorbedingungen die Erfüllung der Förm-
lichkeiten des Staates, in dem der Schutz nachgesucht wird,
ist, und der erst das schon bestehende Individualrecht zu
einem gesteigerten Individualrecht weiteren Inhaltes erhebt.
Eine territoriale Einschränkung dieses Individualrechtes müsste
daher speziell ausgesprochen sein, und das ist nach dem
schweizerischen Gesetz nicht der Fall. Diese universale Be-
deutung der Marke, der universale Charakter des Individual-
rechtes an ihr, ist um so mehr anzuerkennen, als die Handels-
tätigkeit dessen, der sich ihrer bedient, nicht auf das Ge-
biet eines bestimmten Territoriums beschränkt ist, gegenteils
die Marke wie die Handelstätigkeit ihrer Natur bei den
heutigen Verkehrsverhältnissen nach universalen Charakter
tragen muss. Von diesem Grundsatze ist denn auch das
Bundesgericht ausgegangen, wenn es in seinem Urteil vom
17. November 1899 i.S. Hediger Söhne c. Union (Amtl. Samml.
72
Bd XXV, 2. Teil, S. 772 ff.) ausgesprochen hat, die Thatsacbe,
dass ein Zeichen im Auslande zum Gemeingut (Freizeichen)
geworden sei, genüge, um ihm diesen Charakter auch im In-
lande zu verleihen, auch wenn es an sich hier noch nicht
Gemeingut geworden sei. Die oben aufgeworfene Frage ist
daher grundsätzlich zu bejahen, und es könnte sich nur fragen,
ob der Bejahung nicht etwa Rücksichten der Billigkeit, oder
sonstige Gründe praktischer Art entgegen stünden. Das ist
jedoch jedenfalls im Verhältnis der Schweiz zu Oestcrreich
und unter den vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen, bei
denen doch kaum anzunehmen ist, dass der Vorklägerin der
Gebrauch der Marke „Apollo" durch die Widerklägenn in
Oesterreich nicht bekannt gewesen sei (vergi, die Zeugen-
aussagen, speziell diejenige des Dr. Deite, ferner dessen Hand-
buch der Seifenfabrikation 1887, das auf Seite 310 die
„Apolloseife" der Widerklägerin speziell erwähnt, und das
Certifikat der Handels- und Gewerbekammer für Oesterreich
unter der Enns, wonach die Fabriken der Widerklägerin zu
den grössten Etablissementen dieser Art in Oesterreich- Un-
garn gehören), zu verneinen. (Vergi, auch Dunant, Traité
des marques de fabrique, pag. 139.) Von jenem Grundsatze
aus aber musa die Widerklägerin als die wahre Berechtigte
an der schweizerischen Marke „Apollo" erklärt werden, und
es ist daher ihre Widerklage begründet; denn die Zulässig-
keit einer Klage auf Löschung einer eingetragenen Marke
und Verbot des weiteren Gebrauches unterliegt keinem
Zweifel. (Entsch. vom 8. Dezember 1900 i. S. Gebrüder
Schnyder und Cie c. Erste österreichische Seifensieder- Ge-
werk-Ge8ell8chaft „Apollo.")
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
43. Werkvertrag. Betrügerische Handlungsweise des Unter-
nehmern. Zahlungsweigerung des Bestellers. Art. 24 0. R.
Basel-Sladt. Urteile des Civil- und des Appellationugerichtes vom
1. JTebruar/4. Alärz 1901 i. S. Martin c. Wwe Kuhn.
Der Kirchenvorstand von St. Peter zu Basel batte an elf
Glasmalerfirmen worunter Witwe Kuhn die Einladung zu einer
Konkurrenz für ein bemaltes Fenster in der Peterskirche
erlassen. Witwe Kuhn fragte den Glasmaler Martin in
7a
Wiesbaden an, ob er ihr eine Skizze verfertigen könne, die
sie unter ihrem Namen als Konkurrenzarbeit eingeben würde.
Martin nahm das an, bezeichnete als Gegenstand der Skizze
„Saloinos Herrlichkeit" mit Beziehungen auf die Geschichte
Basels und wünschte zu diesem Behuf Schriften über Basler
Geschichte, die ihm Witwe Kuhn übersandte. Die Parteien
verständigetn sich über 1000 Mark als Preis der Skizze.
Am letzten Tag der zur Einreichung der Konkurrenzen!»
würfe gesetzten Frist erhielt Witwe Kuhn von Martin eine
Skizze, die einen ganz andern Gegenstand „hl. Petrus" be-
handelte; Martin bemerkte dazu, dass ihm das neue Motiv
geeigneter erschienen sei, und bat um Ausstellung eines Schuld-
scheines von 1200 Mark. Witwe Kuhn antwortete ihm, diese
Skizze habe ihren Erwartungen nicht entsprochen, sie habe sie
zwar eingegeben, verspreche sich aber keinen Erfolg davon.
Nach einigem Zögern schickte sie ihm einen Schuldschein
über 1000 Mark. Das für die Prämierung der eingegangenen
Skizzen bestellte Preisgericht erteilte dem von Witwe Kuhn
eingereichten Entwurf keinen Preis, hob dagegen mit grosser
Befriedigung eine Skizze mit dem Gegenstande „Saloinos
Herrlichkeit" hervor und empfahl dem Kirohenvorstande, der-
selben wenn möglich ein Accessit zuzuwenden, ein Preis
köune ihr deshalb nicht erteilt werden, weil der stoffliche
Inhalt den kirchlichen Anforderungen nicht entspreche. Als
Urheber dieser Skizze ergab sich Martin in Wiesbaden. Jetzt
kam zu Tage, dass Martin bei dem Kirohenvorstande nach-
träglich um Zulassung zur Konkurrenz eingekommen und zu-
gelassen worden war, und dann den Entwurf „Salomos
Herrlichkeit" in eigenem Namen eingegeben und die Witwe
Kuhn mit der minderwertigen zweiten Arbeit abgefunden hatte.
Daraufhin verweigerte die Witwe Kuhn die Bezahlung der
1000 Mark und stellte dem Martin seine Skizze zur Verfügung.
Die auf Zahlung der 1000 Mark erhobene Klage des Martin
wurde von beiden Instanzen abgewiesen. Aus der vom Appel-
lationsgericht adoptierten Motivierung des Civilgerichts ent-
nehmen wir:
Die Behandlung eines andern Sujets als des vom Kläger
vorgeschlagenen und von der Beklagten genehmigten konnte
jedenfalls nur dann gestattet sein, wenn eine solche Aenderung
vom Kläger im Hinblick auf einen grösseren künstlerischen
Erfolg vorgenommen wurde. Nur dann stand die Aenderung
im Einklang mit der vom Kläger übernommenen Verpflichtung,
das Beste zu liefern, was er zu Stande bringen könne. Hätte
nun der Kläger überhaupt nur den der Beklagten gelieferten
74
Entwurf ausgeführt, so könnte angenommen werden, er habe
sich nach reiferer Ueberlegung von der Behandlung des heiligen
Petrus für dieses Kirchenfenster mehr Erfolg versprochen als
von der Behandlung des Sujets „Salomos Herrlichkeit in
Verbindung mit der Geschichte Basels." Von dieser Be-
trachtung mag die Beklagte ausgegangen sein, als sie nach
Empfang des Entwurfes keine auf die Wahl des Sujets be-
zügliche Reklamation vorbrachte, ja sogar einen Schuldschein
unterzeichnete. So schlecht ihr das behandelte Sujet ge-
fallen mochte, musste sie doch annehmen, Kläger habe den-
jenigen Stoff gewählt, der ihm am passendsten schien.
Ebensowenig hatte die Beklagte, bevor sie den wahren
Sachverhalt erfuhr, irgend welchen Anlass, die Aasstellung
eines Schuldscheines aus dem Grunde zu verweigern, weil die
Arbeit sohlecht ausgeführt sei. Denn auch bezüglich der
künstlerischen und technischen Behandlung des einmal gewählten
Stoffes musste die Beklagte annehmen, der Kläger habe sein
möglichstes getban.
Dies alles wurde anders in dem Augenblick, wo man
erfuhr, dass der Kläger in eigenem Namen an der Konkurrenz
teilgenommen hatte. Schon diese Thatsache, namentlich aber
das vom Kläger hierüber beobachtete Stillschweigen, sowie
auch der grosse thatsächliche Erfolg des die Herrlichkeit
Salomos behandelnden, und der vollkommene Misserfolg des
von der Beklagten eingegebenen Entwurfes, lassen mit Be-
stimmtheit darauf schliessen, dass Kläger sein ganzes Können
und seine ganze Sorgfalt der von ihm in eigenem Namen
eingegebenen, und nicht der an die Beklagte abgegebenen
Arbeit zugewendet hat, mit andern Worten, dass er den mit der
Beklagten abgeschlossenen Vertrag nicht erfüllt hat, und dass
die Beklagte zur Ausstellung des Schuldscheines nicht ver-
pflichtet war.
Wenn nun die Beklagte den Schuldschein trotzdem aus-
gestellt hat, so kann ihr nicht entgegengehalten werden, sie
habe schon damals gewusst, dass die Arbeit minderwertig
war, und dass der behandelte Stoff nicht der mit dem Kläger
getroffenen Vereinbarung entsprach. Die Kenntnis dieser
Thatsachen darf der Beklagten deshalb nicht entgegenge-
halten werden, weil dieselben an sich nicht genügt hätten, um
die Verweigerung der Ausstellung eines Schuldscheines zu recht-
fertigen. Derjenige Umstand, auf Grund von dessen Kenntnis
die Beklagte die Zahlung des Preises heute verweigert und
die Ausstellung des Schuldscheines damals hätte verweigern
können, dieser Umstand ist der Beklagten erst nach Aus-
75
Stellung des Schuldscheines bekannt geworden und konnte
ihr auch erst bekannt werden, als das Urteil des Preisgerichts
in ihre Hände kam«
Dass aber die Beklagte den Schuldschein in Unkenntnis
der Sachlage unterzeichnet hat, daran ist das Verhalten des
Klägers schuld. Von dem Augenblick an, wo derselbe sich
entschloss, in eigenem Kamen an der Konkurrenz teilzu-
nehmen, war es seine Pflicht, die Beklagte hievon in Kenntnis
zu setzen. Ob er dann ohne weiteres aus dem Vertrag wäre
entlassen worden, ob die Beklagte für sich auf die Teilnahme
an der Konkurrenz würde verzichtet haben, oder ob sie darauf
würde bestanden haben, dass der Kläger nur für sie arbeite,
braucht hier nicht untersucht zu werden ; jedenfalls würde sie
nicht mit derjenigen Arbeit vorlieb genommen haben, die der
Kläger für zu schlecht hielt, um sie in eigenem Namen
einzugeben.
Statt nun aber seine Entlassung aus dem Vertrag nach-
zusuchen, verschwieg der Kläger die Wahrheit, gab die der
Beklagten versprochene, zugleich die bessere Arbeit in eigenem
Namen ein und lieferte der Beklagten eine andere geringere,
indem er sich den Anschein gab, auf deren Erfolg zu hoffen.
Nicht nur lag in diesem Verhalten des Klägers eine Ver-
letzung des von ihm eingegangenen Werkvertrages, woraus
bereits gefolgert worden ist, dass die Beklagte zur Ausstellung
des Schuldscheines nicht verpflichtet war, sondern die Beklagte
kann sogar, wie sie es thut, den bereits ausgestellten Schuld-
schein als unverbindlich anfechten, weil sie zu dessen Aus-
stellung durch betrügerische Handlungen ihres Gegenkontra-
henten, des Klägers, verleitet worden war. (Art. 24 0. R.)
(Direkte Mitteilung.)
44. Kompensation im Konkurse des Schuldners. Unzu-
lässigheit der Verrechnung von Forderungen an den Gemein-
schuldner mit Gegenforderungen der Masse für von ihr über-
nommene und ausgeführte Verpflichtungen <le$ Kridars. Vergi
Art 136 0. R.
Zur i eh. Urteil der Appellationskanimer dea Obergerichtes vom 11.0k*
tober 1900 i. S. Maasa Aeppii c. Bachmann.
Am 24. Juli 1899 bestellte 0. Bachmann bei Aeppii eine
Ware. Am 26. Juli geriet Aeppii in Konkurs, die Konkurs*
masse aber erklärte sein Geschäft fortführen zu wollen und
effektuierte diese Bestellung, die Bachmann annahm. Die
Konkursmasse verlangte dafür von ihm die Bezahlung mit
•y -■»-; fis-".
76
Fr. 624 Bachmann erkannte hieran Fr. 363. 85 an, den Rest
mit Fr. 260. 15 wollte er mit Gegenforderungen, die er an
den Eridar aus früherer Geschäftsverbindung hatte, ver-
rechnen. Die Appellationskammer lieas, im Gegensatze zu der
ersten Instanz, diese Verrechnung nicht zu. Sie gab zu, das*
die eingeklagte Kaufpreisforderung rechtlich als aus der
Zeit vor dem Konkursausbruche herrührend angesehen werden
müsse. Aber, führt sie weiter aus:
Vor den Lieferungen, die seitens der Konkursverwaltung
aus der Masse an den Beklagten gemacht wurden, war die
Rechtslage die, dass der Kridar dem Beklagten einen ge-
wissen Betrag schuldete und daneben zwischen beiden ein
zweiseitiger, noch von keiner Seite erfüllter Vertrag bestand.
Auf Erfüllung dieses Vertrages in natura hatte der Gläu-
biger gegenüber der Konkursmasse kein Reoht, vielmehr
konnte er höchstens beanspruchen, dass sein Interesse an
der Vertragserfüllung in Geld berechnet und die betreffende
Interessenforderung unter die Konkurspassiven aufgenommen
werde. Dagegen war die Konkursverwaltung ihrerseits be-
rechtigt, die Erfüllung des Vertrages zu erklären (Art. 211
Soh. K. G.), und von diesem Rechte hat sie unbestrittener -
maS8en Gebrauch gemacht. Es wird sich nun fragen, welchen
Einfiu8s eine derartige Erklärung auf den bestehenden Vertrag
ausübe. Von einer eigentlichen Novation des Schuldverhält-
nisses, wie sie der klägerische Vertreter im Sinne hat, kann
allerdings nicht gesprochen werden, da ja die Konkursmasse
sich nach der richtigen Auffassung nicht als ein besonderes
Rechtssubjekt darstellt, sondern als Träger von Rechten und
Verbindlichkeiten nach wie vor der Gemeinschuldner erscheint.
Nichtsdestoweniger wäre es unrichtig, die von der Konkurs-
verwaltung aus der Konkursmasse geleistete Vertragser-
füllung genau so zu behandeln, wie eine vom Gemeinschuldner
persönlich vorgenommene, und deshalb ohne jede Beschrän-
kung die Verrechnung der aus dem zweiseitigen Vertrage
resultierenden Schuld des Gegenkontrabenten mit einer dem
letztern gegenüber dem Gemeinschuldner zustehenden Gegen-
forderung zuzulassen. Klar ist, dass die Konkursmasse, wenn
sie den vom Gemeinschuldner abgeschlossenen Vertrag erfüllt,
den Anspruch auf die Gegenleistung nur in dem Umfange
geltend machen kann, in dem er an sich noch zu Recht
besteht. Hat der Gegen ko ntrahent also bereits eine Zahlung
geleistet, oder hat er Heine Schuld ganz oder zum Teil kom-
pensiert, so mu8s sich die Konkursverwaltung die Reduktion
des aus dem Vertrage resultierenden Anspruchs gefallen
77
lassen und kann nicht mehr für die von ihr prästierte Leis-
tung die volle Gegenleistung beanspruchen. Dagegen muss
man auf der andern Seite davon ausgeben, dass, wenn die
Konkursverwaltung die Uebernahme des Vertrages erklärt,
dadurch nicht nur die Verpflichtung des Gemeinschuldners
zur Ma8saschuld wird (vgl. Art. 52 der deutschen Konkurs-
ordnung), sondern umgekehrt auch der Anspruch auf die
Gegenleistung in dem Umfange, in dem er noch existent ist,
den Charakter einer Massaforderung annimmt, und deshalb
von einer Kompensation mit Forderungen an den Kridar nicht
mehr die Bede sein kann. Allerdings handelt es sich bei der
Uebernahme des Vertrages durch die Konkur s Verwaltung
nicht um den Abschluss eines neuen Geschäftes, aber maas-
gebend ist, dass der Gegenkontrahent, ohne darauf gegenüber
der Masse einen Anspruch zu haben, den Leistungsgegenstand
aus der letzteren erhalten hat und daher auch das Aequi-
valent ohne Rücksicht auf die ihm zustehende Forderung an
den Gemeinschuldner zur Konkursmasse leisten musa (vgl.
Jäger, Kommentar zum Seh. K. G. Note 5 zu Art. 211 im
Gegensatz zu Note 12 bei Art. 213; H. E. Bd XII, pag. 235;
Keichsgerichtliche Entscheidungen Bd I, pas;. 347, äeufferts
Archiv Bd XXXVII Nr. 360). Eine ungebührliche Verletzung
der Interessen des Gegenkontrahenten wird durch diese Be-
handlung der Bache nicht herbeigeführt. Denn wenn der
Gläubiger auch sein Kompensationsrecht gegenüber seiner
Schuld aus dem zweiseitigen Vertrage verloren hat, so ist
ihm dafür die Leistung des Gemeinschuldners voll zuge-
kommen, d. h. er ist infolge der Uebernahme des Vertrages
durch die Konkursmasse trotz der Nichtzulassung der Kom-
pensation nicht schlechter gestellt, als wenn die Konkurs-
verwaltung, was ihr freistand, den Vertrag nicht erfüllt hätte.
Anders verhält es sich freilich, wenn der Gegenkontrahent
— vielleicht gerade mit Rücksicht auf die Kompensation*
mögliohkeit — einen ihm ungünstigen Vertrag mit dem Ge-
meinschuldner geschlossen hat, sein Interesse also der Ueber-
nahme desselben durch die Konkursmasse (unter Zerstörung
seines Kompensationsrechtes) entgegensteht. Mau kann die
Frage aufwerfen, ob der Dritte sich auch in solchen Fällen
schlechthin die Vertragserfüllung durch die Konkursmasse —
ohne Wahrung seines Kompensationsrechtes — gefallen lassen
müsse. Wenn er das aber thut, d. h. gegenüber der Erklärung
der Konkursverwaltung, dass sie den Vertrag übernehme,
keine Einwendungen erhebt, sondern vorbehaltlos die Ver-
tragserfüllung annimmt, so kann auch hier in dem Ausschluss
fe-
r.ïTS v ^jgÄ-„'^T^— f^»W"
78
i£ einer nachträglich verlangten Verrechnung irgend eine Un-
ff- billigkeit nioht gefunden werden.
\$ (Schweizer Blätter f. h.-r. Entnch., XX S. 6 ft j
i
■»■■■
U 45. Revendication de titres au porteur volés. Preuve
£ du vol. Art. 206 C. 0.
Genève. Jugement du Tribunal de 1" instance du 13 mar* 1900
d. 1. c. Quadry c. Banque populaire genevoise.
M. Cardinaux, mineur, a volé à dame Quadry deux cédille*
de 1000 fra. de la Caisse hypothécaire. Ces cédilles ont été
déposés en nantissement par un sieur Favre accompagné de
Cardinaux en mains de la Banque populaire genevoise qai avait
avancé à Favre une somme de 1900 frs. Une plainte en vol
ayant été déposée par dame Quadry contre Cardinaux, l'in-
p formation pénale a établi que Cardinaux a avoué le vol et
p que Favre a reçu les titres de Cardinaux. Sur un retrait de
%>: plainte de dame Quadry Cardinaux n'a pas été poursuivi.
Mais celle-ci a fait saisir-revendiquer les deux cédules en mains
de la Banque populaire et assigner cette dernière en resti-
tution de ces titres, en vertu de Part 206 C. 0. La Banque
a opposé 1° qu'elle est en droit, avant de restituer, d'exiger
| la preuve du vol, et qu'en l'espèce, Cardinaux n'ayant été ni
I* condamné ni même poursuivi, cette preuve n'est pas faite ; 2° que,
je supposant une chose volée, la règle de l'art 206 C. 0. n'est pat
\ applicable aux titres au porteur. — Le Tribunal a condamné
tv la Banque à restituer les deux titres à la demanderesse.
*; Motifs: 1° Attendu que le système de la Banque popu-
l laire genevoise en subordonnant, — pour éviter une conni-
î, vence possible entre un pseudo vol et un vol fictif, — l'appli-
\ cation de l'art. 206 C. 0. à une condamnation prononcée ou
lr à des poursuites exercées, aurait pour résultat de rendre
; toute revendication impossible chaque fois que, pour une cause
*■ quelconque (fuite, décès, âge), l'auteur du vol échapperait à
P l'action de la justice; que ce serait, dans la majorité des cas,
r rendre l'art. 206 C. 0. lettre morte;
:' Que telle n'a évidemment point été l'intention du legis
; lateur ;
{ Qu'au surplus, la jurisprudence et les auteurs sont d'accord
pour reconnaître que la preuve du vol peut être faite, tant
par témoins que par de simples présomptions ^Àubry et Rau,
t. II § 113 notes 11 et 12; Baudry Lacan tinerie, t. III n° 1744;
Dalloz, s. Prescription écrite, p. 175) ;
1
79
Qu'en l'espèce . . . (énumération de faits établissant la
preuve du vol)-
2° Attendu que tous les auteurs et une jurisprudence
française unanime déclarent que, d'une manière générale, les
dispositions de l'art. 2279 C. c. (= 206 C. 0.) sont applicables
au vol de titres au porteur (Dalloz, s. Prescription écrite,
§ 166; entre autres arrêts cités: Cass. affaire Lévy 0. P.
1887 1.25);
Attendu, au surplus, que la Banque populaire genevoise
a commis une faute lourde en acceptant, à deux reprises, d'un
inconnu, dont le crédit sur la place était nul, des titres de
création toute récente (ils avaient été retirés à la Caisse
hypothécaire le 21. mars 1898 et déposés à la Banque en
avril 1898) et dont elle pouvait, immédiatement vérifier la
provenance, ne fût-ce qu'en en téléphonant les numéros à la
Caisse hypothécaire. (Extrait de la Semaine judiciaire, XXII p. 695 ss.)
46. Ehescheidung auf beidseitiges Begehren, unstatthaft
vor ehelichem Zusammenleben. B.-Ges. betr. Civilstand und Ehe
vom 24. Dezember 1874, Art 45, 47.
St. €J allen« Urteil den Kantonsgerichtes vom 11. Juli 1900.
Der Beklagte, im Jahre 1865 geboren, heiratete 1893
die A. Z. Kinder aus dieser Ehe sind zwei Mädchen, geboren
26. März 1896 und 26. März 1900. Die Ehefrau starb am
1. April 1900. Der Beklagte glaubte mit Bücksicht auf seine
Kinder sich wieder schnellstens verheiraten zu sollen und
wandte sich an seine Schwägerin, die ihn am 15. April mit
einer Freundin besuchte. Dieser machte der Beklagte sofort
einen Heiratsantrag. Ueberrascht erklärte sie, vorher das
Einverständnis ihrer Eltern nachsuchen zu müssen. Am fol-
genden Tage (16. April) besuchte der Beklagte die Eltern
und erhielt deren Einwilligung zur Ehe ihrer Tochter mit ihm.
Die letztere (geboren 1878) liess sich, wie sie angiebt auf
Zureden ihrer Freundinnen, dazu herbei, am 17. April vor Civil-
Standsamt das Eheversprechen abzulegen, und am 5. Mai —
nachdem die Parteien am 29. April einen Ausflug nach Lindau
gemacht und die Braut ihr Brauttuder in des Beklagten Haus
verbracht und dort geordnet hatte — auch die Civil trauung vor-
zunehmen, trotzdem sie Reue über den gemachten Schritt
empfunden haben will. Die auf den 7. Mai in Aussicht ge-
nommene kirchliche Trauung fand nicht statt, da die nun-
80
mehrige Ehefrau sich entschlossen hatte, mit dem Beklagten
ehelich nicht zusammenzuleben. Arn 10. Mai erhob sie Ehe*
Scheidungsklage, mit der Begründung, dass sie die Ehe ohne
Ueberlegung und auf Drängen des Beklagten eingegangen
habe, ihr jede ebeliohe Zuneigung zum Beklagten fehle und
ein gedeihliches Eheleben nicht denkbar sei. Der Beklagte
erklärte sich mit der Ehescheidung einverstanden, da allerdings
bei dem Verhalten der Klägerin Mangels jeden ethischen
Charakters dieser Ehe an ein eheliches Zusammenleben nicht
zu glauben sei. Das Kantonsgericht hat aber die Parteien mit
ihrem gemeinsamen Begehren um Scheidung abgewiesen.
In Erwägung: Das Gericht erblickt in dem Verhalten
der Parteien vor und bei Eingehung der Ehe ein äusserst
frivoles und leichtsinniges Vorgehen, und zudem seitens des
Beklagten eine pietätlose Àusserachtlassung jeder Rücksicht
auf seine erst am 1. April 1900 mit Tod abgegangene erste
Ehefrau. Eine gänzliche Scheidung nach Art. 45 B.-Ges. kann
nicht ausgesprochen werden, weil die Parteien überhaupt noch
gar nicht zusammengelebt haben und der Richter schon des-
wegen eine Ueberzeugung davon nicht gewinnen kann, dass
ein ferneres eheliches Zusammenleben mit dem Wesen der
Ehe unverträglich sei. Nachdem die Parteien beidseitig vom
Zeitpunkte des Eheverlöbnisses an die 18 Tage Zeit zur Er-
wägung, ob sie die Ehe wirklioh eingehen wollen, dazu be-
nützt haben, um am ö. Mai die Ehe abzuschlieasen, so kann
es nicht angeben, dass sie ohne jeden Versuch, sich gegen*
seitig verstehen zu lernen, die Charaktere sich wechselseitig
anzupassen, und ein eheliches Zusammenleben aufzunehmen,
heute wieder geschieden werden ; eine Scheidung unter diesen
Verhältnissen würde dem Sinne des Gesetzes und der Bedeutung
des Eheabschlusses widersprechen.
(Enterb, de** Kantonsgerichtn 8t. Gallen im Jahre 1900, 8. 84 ff.'
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
47. Bundesgesetz betr. die persönliche Handlungsfähigkeit
v. 22. Juni 1881, Art 1 u. 3 Abs. 2. 4. Abgesehen von dem Vor-
behalte des Art 3 Abs. 2 cit. ist die Handlungsfähigkeit auch
für die Errichtung von Testamenten durch das Bundesgesetz
geordnet.
Le Tribunal fédéral a déjà reconnu à plusieurs reprises
qu'à l'exception des cas où elle réserve expressément le droit
cantonal, la loi fédérale du 22 juin 1881 règle la capacité
civile non seulement pour l'accomplissement des actes qui
rentrent dans le domaine du droit privé fédéral, mais d'une
manière générale pour l'accomplissement de tous les actes du
droit privé, alors bien même, que ces actes seraient au sur-
plus régis par le droit cantonal. Partant de ce principe, le
Tribunal fédéral a jugé que la capacité en matière de dona-
tions et de ventes immobilières est régie par la loi fédérale,
bien que ces contrats soient d'ailleurs soumis au droit can-
tonal (art 10, 141, 231; Ree. off. des arrêts du Tribunal
fédéral XI page 197; XII page 388, consid. 3). On doit
en décider de même en ce qui concerne la capacité de tester,
à moins qu'il ne résulte de la loi que celle-ci a entendu ré-
server le droit cantonal à cet égard. La seule disposition
de la loi qui fasse mention de cette capacité est l'art. 3
al. 2, à teneur duquel „les dispositions des lois cantonales
demeurent réservées en ce qui concerne la capacité de tester
appartenant aux mineurs, ainsi que leurs droits vis-à-vis des
personnes investies de la puissance paternelle ou des pouvoirs
de tutelle." La conclusion logique qui découle de cette ré-
serve est que le législateur fédéral a admis que la' capacité
de tester en général devait être régie par la loi fédérale,
puisqu'il a réservé l'application du droit cantonal en ce qui
concerne spécialement la capacité de tester des mineurs. S'il
avait entendu que la capacité de tester demeurât régie, d'uno
manière générale, par le droit cantonal, il paraît hors de
doute qu'il en aurait fait la réserve en termes généraux qui
eussent rendu inutile la réserve spéciale de l'art. 3 al. 2. La
7
82
preuve que cette manière de voir est bien conforme à la
volonté du législateur ressort d'ailleurs de la façon dont la
disposition de l'art. 3 al. 2 est motivée dans le message du
Conseil fédéral. Le motif donné pour justifier cette disposition
est que l'âge nécessaire pour pouvoir tester doit être établi
en harmonie avec le droit successoral, et qu'il convient par
conséquent de maintenir les dispositions des législations can-
tonales accordant la capacité de tester dès un âge inférieur
à celui de la majorité (voir Feuille fédérale 1879, vol. 3
page 835). Cette réserve n'apparaît donc pas comme une
application spéciale d'une réserve plus étendue visant la
capacité de tester en général, mais comme une restriction
à la règle d'après laquelle la capacité juridique, y compris
la capacité de tester, est régie par la loi fédérale.
L'opinion que le législateur fédéral n'aurait pas entendu
modifier les législations cantonales en ce qui concerne la
capacité de tester, parce que le commerce est désintéressé
dans la question, a cependant trouvé des défenseurs (voir
Carrard, Explications de la loi du 22 juin 1881, page 14).
Cette opinion est toutefois inadmissible en présence des
termes du message du Conseil fédéral et plus enoore en
présence de l'exposé des motifs rédigé par le prof, de Wyss,
et dont le message n'est qu'un résumé. Il résulte de la
façon la plus certaine de ces documents que la loi était
destinée à régler la capacité civile non seulement en vue des
transactions mobilières, mais pour tous les actes juridiques,
sauf les exceptions prévues. S'il est question à plusieurs re-
prises de la sécurité des transactions, ce n'est pas pour res-
treindre l'application de la loi aux rapports transactionnels,
mais pour montrer que les exceptions que celle-ci prévoit
n'ont rien de contraire à la sécurité des transactions (voir
P. F., vol. cité, page 827). (Entsch. v. 9. März 1901 i. S.
Dunant et Consorts c. Le Royer et Consorts.)
48. 0. R. Art. 16. 17. Konkurrenzverbot; Auslegung und
Gültigkeit.
Der Beklagte H. P. hatte dem Kläger E. G. durch Ver-
trag vom 6. April 1887 sein in B. betriebenes Baumaterialien-
geschäft um den Gesamtpreis von Fr. 83,702. 50 verkauft,
wobei von dem Kaufpreise (neben dem Preise der Vorräte, des
Mobiliars u. s. w.) ein Betrag von Fr. 35,000. — speziell als
„Aversalvergütung für die Abtretung des Baumaterialien-
geschäfts und die Agenturen" berechnet und im weitern aus-
83
bedungen wird, dass der Verkäufer sich verpflichtet, dem
Käufer „in der Schweiz in keiner Weise sei es durch eigene
Ktablierung oder Etablierung eines Dritten in Form einer
Filiale oder Repräsentation Konkurrenz zu machen." In der
Folge begann der Beklagte in der Schweiz ein Baumaterialien -
geschäft, wesentlich, wie es scheint, als Kommissionär oder
Agent, zu betreiben. Der Kläger belangte ihn daher auf
Entschädigung und beantragte überdies, es sei ihm gerichtlich
zu verbieten, dem Kläger in der Schweiz in Keramikartikeln
aller Art Konkurrenz zu bereiten. Die Klage wurde von
allen Instanzen gutgeheissen, wobei es indes, gemäss einer
vom Kläger in der bundesgerichtlichen Instanz abgegebenen
Erklärung die Meinung hat, dass damit darüber, ob der Be-
klagte auch nicht als blosser Angestellter in einem schweize-
rischen Baumaterialiengeschäft thätig werden dürfe, nicht
entschieden sein, sondern dies späterer Entscheidung vor-
behalten bleiben solle. In den Gründen des bundesgericht-
lichen Urteils wird bezüglich der Auslegung und Gültig-
keit des Konkurrenzverbots wesentlich ausgeführt:
1. Vom Beklagten ist geltend gemacht worden, das
Konkurrenzverbot sei einschränkend zu interpretieren, es be-
ziehe sich nur auf die Konkurrenz durch eigene Etablierung
oder Etablierung eines Dritten, und in dieser Form habe er
dasselbe nicht übertreten. Der Beklagte scheint dabei davon
auszugehen, das Konkurrenzverbot verbiete ihm nur, das
Baumaterialiengeschäft in der Schweiz als Eigenhändler zu
betreiben, nicht auch in diesem Geschäfte als provisions-
berechtigter Kommissionär oder Agent (Vertreter) thätig zu
sein. Hierüber ist zu bemerken: Es ist richtig und auch
vom Bundesgericht stets anerkannt worden, dass Konkurrenz-
verbote strikte zu interpretieren sind, d. h , dass sie nicht
deshalb ausdehnend auf Fälle erstreckt werden dürfen, welche
sie dem klaren Wortlaute des Vertrages nach nicht betreffen,
weil die Parteien, wenn sie an diese Fälle gedacht hätten,
möglicher- oder sogar wahrscheinlicherweise, das Verbot auch
für sie stipuliert hätten. Allein auf der andern Seite ist
ebenso klar, dass bei Auslegung von Konkurrenzverboten
ebenso wenig wie bei Auslegung anderer Willenserklärungen
einseitig am Wortlaute gehaftet werden darf, dass vielmehr
für Konkurrenz verböte die allgemeine Auslegungsregel des
Art. 16 0. R., wonach der übereinstimmende wirkliche Wille
der Parteien und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Aus-
drucksweise zu beobachten ist, ebenfalls gilt, und dieselben
nach den Regeln von Treu und Glauben derart auszulegen
84
sind, das8 nicht etwa eine einseitig auf den Wortlaut sieb
stützende Umgehung des erkennbaren wahren Sinnes de»
Verbotes, ein Handeln in fraudem des letztem, zugelassen
wird. Geht man nun hievon aus, so kann einem Zweifel zu-
nächst nicht unterliegen, dass das Konkurrenzverbot dem
Beklagten den Betrieb eines Baumaterialiengeschäftes in der
Schweiz überhaupt verbietet, nicht nur insoweit er dabei als
Eigenhändler, sondern auch insoweit er dabei als Kommissionär
(in eigenem Namen aber auf fremde Rechnung) oder al»
Agent (auf fremden Namen und auf fremde Rechnung) sich,
bethätigt. Sowohl der Kommissionär als der Agent in Bau-
materialien, welcher sein Geschäft in der Schweiz betreibt,,
macht ja natürlich dem klägerischen Gesohäfte Konkurrenz
und es fällt seine Thätigkeit sogar unter den ausdrücklich
im Vertrage hervorgehobenen Fall, dass die Konkurrenz durch
eigene Etablierung gemacht wird; denn sowohl der Kom-
missionär als der Agent ist ja selbständig etablierter Kauf-
mann, und wenn daher der Beklagte in der Schweiz als
Baumaterialienhändler sich niederlägst, der ausschliesslich
oder vorwiegend Kommissions- oder Agenturgeschäfte in
diesen Artikeln abschliesst, so macht er dem Kläger gerade
so „durch eigene Etablierung" Konkurrenz, wie wenn er aus-
schliesslich oder vorwiegend Propergeschäfte abschliesst Dass
das Konkurrenz verbot auch den Geschäftsbetrieb als Kom-
missionär oder Agent umfasst, entspricht übrigens wie dem
Wortlaute des Vertrages so auch den Umständen. Denn es
ist klar, dass die Nachteile, welche eine von dem (bei den
schweizerischen Baugeschäften eingeführten) Beklagten ge-
übte Konkurrenz für das klägerische Geschäft herbeiführen
mus8te, ungefähr gleich waren, ob nun der Beklagte sein
Konkurrenzgeschäft ausschliesslich oder vorwiegend als Kom-
missionär oder Agent leistungsfähiger Konkurrenzfirmen, oder
ob er es ausschliesslich oder vorwiegend als Properhändler
betreibe, so dass ein Grund, in dieser Hinsicht einen Unter*
schied zu machen, nicht vorlag.
2. Vom Beklagten ist behauptet worden, das Kon-
kurrenzverbot sei, als gegen Art. 17 0. R. verstossend, nichtig,
und es mu88 übrigens die Frage, ob das Konkurrenzverbot
als unsittlich nichtig sei, von Amtes wegen geprüft werden.
Nun hat das Bundesgericht in konstanter Praxis an dem
Grundsatze festgehalten, dass Konkurrenzverbote dann als
unsittlich nichtig seien, wenn sie die Freiheit des Ver-
pflichteten in so weitgehender Weise beschränken, dass dar-
nach dessen wirtschaftliche Persönlichkeit als aufgehoben.
85
ihrer naturgemässen Bethätigung entzogen erscheint, wa,s
-dann der Fall sei, wenn dem Verpflichteten die Ausübung
einer bestimmten wirtschaftlichen Thätigkeit, speziell des
erlernten Berufes gänzlich oder doch innert so weiten zeit-
lichen oder örtlichen Grenzen untersagt sei, dass dies, nach
den konkreten Verhältnissen, praktisch einem gänzlichen Ver-
bote nahe käme (vergi, bundesgerichtl. Entsch. Amtl. Sammig
Bd XVII S. 722 Erw. 3). Dagegen hat das Bundesgericht
Konkurrenzverbote, welche zufolge ihrer zeitlichen oder ört-
lichen Beschränkung eine derartige Fesselung der wirtschaft-
lichen Persönlichkeit des Verpflichteten nicht enthalten, stets
als gültig anerkannt; es hat speziell auch anerkannt, dass
zur Gültigkeit eines Konkurrenzverbotes nicht schlechthin
erforderlich sei, dass es gleichzeitig zeitlich und örtlich be-
schränkt sein müsse, sondern dass es genüge, wenn es in der
einen oder andern Richtung begrenzt sei, sofern in An-
betracht der zeitlichen oder örtlichen Beschränkung die
naturgemä88e Bethätigung der wirtschaftlichen Persönlichkeit
des Verpflichteten nach den obwaltenden Verhältnissen nicht
aufgehoben sei (vergi, bundesgerichtl. Entsch. Amtl. Sammig
Bd XXI 8. 644 Erw. 3). Diese Auffassung entspricht denn
auch der herrschenden Meinung der deutschen wie fran-
zösischen Doktrin und Praxis und erscheint als innerlich
begründet, da Konkurrenzverbote doch nur dann für unzu-
lässig zu erachten sind, wenn sie mit Bücksicht auf ihren
gesamten Inhalt als eine allzugrosse unleidliche Beschrän-
kung der wirtschaftlichen Freiheit des Verpflichteten sich
qualifizieren.
Fragt es sich demgemäss, ob das vorliegende Kon-
kurrenzverbot nach seinem festgestellten Inhalte eine nach
Art, 17 O.K. unzulässige, weil zu weitgehende Beschränkung
der wirtschaftlichen Freiheit des Beklagten involviere, so ist
dies angesichts der konkreten Verhältnisse zu verneinen.
Das Konkurrenzverbot ist allerdings zeitlich unbeschränkt,
dagegen ist es, wie sachlich, so auch örtlich derart begrenzt,
dass davon, es mache dem Beklagten die Bethätigung in
dem von ihm früher betriebenen Baumaterialiengewerbe
praktisch ganz oder nahezu unmöglich, nicht gesprochen
werden kann. Allerdings bezieht sich das Konkurrenzverbot
örtlich auf das ganze Gebiet der Schweiz. Allein selbst-
verständlich ist der Betrieb des Baumaterialiengescbäftes in
keiner Weise auf das Gebiet der Schweiz beschränkt, und
<es liegt nicht das mindeste dafür vor, dass speziell etwa
<Lem beklagten der Betrieb ausserhalb der schweizerischen
86
Grenzen nicht oder doch nur schwer möglich wäre. Das
Konkurrenzverbot ist daher trotz der mangelnden zeitlichen
Beschränkung als gültig anzuerkennen. Hieran ist um so mehr
festzuhalten, als bei einem Verkaufe eines Geschäftes mit
der Kundschaft ein Konkurrenzverbot in gewissem Umfange
überhaupt durchaus sachentsprechend ist, und der Beklagte
für seinen ohne zeitliche Beschränkung ausgesprochenen Ver-
zicht auf den Geschäftsbetrieb in der Schweiz das von ihm
als angemessen erachtete Aequivalent in dem Abtretungs-
preise des Geschäftes sich ausbedungen und erhalten hat,
während dieser Preis offenbar anders festgestellt worden
wäre, wenn der Beklagte die Stipulation eines Konkurrenz-
verbotes überhaupt verweigert, oder dasselbe nur für eine
bestimmt beschränkte Zeit hätte zugeben wollen. (Entsch.
v. 30. März 1901 i. S. Perino c. Jeuch.)
49. 0. R. Art. 70 ff. Bereicherungsklage] Beweùlast.
Bei der Bereicherungsklage nach Art. 70 ff. 0. R. hat
der die Klage anstellende Kläger (bezw. bei einredeweiser
Geltendmachung eines Anspruches aus ungerechtfertigter Be-
reicherung der die Einrede erhebende Beklagte) lediglich
darzuthun, dass dem Beklagten (bezw. dem Kläger, welchem
die Einrede entgegengehalten wird) ohne materielle Recht-
fertigung eine Zuwendung zugekommen sei; Sache des
Gegners ist es sodann, zu beweisen, dass er zur Zeit der
Anhebung der Klage nicht mehr bereichert war (vgl. Entsch.
des Bundesger. vom 17. Nov. 1893 i. S. Fritschin c. Jeissi ;
Revue der Gerichtspraxis XII Nr. 5). (Entsch. vom 29. März
1901 i. S. Berner Handelsbank c. Jaisli- Portmann.)
50. 0. R. Art. 131. Voraussetzungen der Kompensation.
Diese wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass die Gegenforderung
erst noch durch den Prozess liquid gestellt werden muss; Begriff
der Fälligkeit der Forderung.
Beim Verkaufe der von ihm gegründeten Chardonnet-
seidenfabrik Spr. an die Aktiengesellschaft Chardonnet-
seidenfabrik Spr. hatte de C. durch Vertrag vom 29. Oktober
1898 unter gewissen Modalitäten die Verantwortlichkeit für
den Schaden übernommen, welcher der Gesellschaft aus der
Unmöglichkeit erwachsen sollte, einzelne von ihm einge-
gangene Lieferungsverträge zu halten. Die Kläger, welche
in einer gegen de C. eingeleiteten Betreibung ein Guthaben
87
desselben an die Aktiengesellschaft im Betrage von Fr. 3000
gepfändet und hernach an der Pfand Verwertungssteigerung
erworben hatten, klagten dieses Guthaben gegen die Aktien-
gesellschaft ein. Diese trug auf Abweisung der Klage an,
weil ihr aus der von de C. übernommenen Verantwortlich-
keit eine dessen (an sich anerkanntes) Guthaben weit über-
steigende Forderung zustehe, wofür sie eine Reihe von That-
Sachen anführte und zum Beweise verstellte. Die Kläger be-
stritten der Beklagten das Recht zur Kompensation, indem
sie u. a. die Existenz und eventuell die Fälligkeit der zur
Verrechnung gestellten Gegenforderung bestritten. Die Vor-
instanz hat die Kompensationseinrede deshalb abgewiesen,
weil die zur Kompensation verstellten Gegenforderungen als
nicht fällige zur Verrechnung überhaupt nicht tauglich seien.
Das Bundesgericht hat diese Entscheidung aufgehoben und
die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück-
gewiesen. Aus den Entscheidungsgründen ist hervorzuheben :
Wie die Vorinstanz selber hervorhebt, kann der Schuldner
die Verrechnung geltend machen, auch wenn seine Gegen-
forderung bestritten wird (Art. 131 Abs. 2 0. R.). Es steht
also der Kompensationseinrede nicht entgegen, dass die zur
Kompensation vorgeschützte Gegenforderung nicht liquid ist,
sondern erst noch der gerichtlichen Feststellung bedarf (vgl.
Schneider und Fick, Komm, zum 0. R. Art. 131 Anm. 3).
Da es sich im übrigen beidseitig um Forderungen handelt,
die auf Geldsummen gerichtet sind, so hängt nach Art. 131
0. R. die Frage, ob der Kompensationseinrede der Beklagten
Statt zu geben, d. h. ob auf sie materiell einzutreten sei,
einzig davon ab, ob die Beklagte solche Gegenforderungen
geltend mache, die, ihre Uegründetheit überhaupt vorausge-
setzt, sich als fällige Forderungen darstellen. Fällig ist
aber eine Forderung, wenn die betreffende Leistung vom
Schuldner verlangt werden kann; und zwar tritt die Fällig-
keit in der Regel, d. h. sofern es sich nicht um betagte
Forderungen handelt, unmittelbar mit deren Entstehung ein
(vgl. Dernburg, Pandekten, II. Bd § 34).
Die Beklagte stützt nun ihre Gegenforderungen auf die
aktenmässige Thatsache, dass der Rechtsvorfahr der Kläger,
de C, sich ihr gegenüber vertraglich verpflichtet hat, für den
Schaden aufzukommen, der ihr daraus entstehe, dass es ihr
nicht möglich sein werde, einzelne der von ihm eingegangenen
Lieferungsverträge zu halten und die Lieferungen auszuführen.
Sie behauptet, bei mehreren solcher Li eferungs vertrage sei
ihr die Einhaltung der Lieferfrist und überhaupt die ver-
pNJWWV*.
88
tragsgemässe Erfüllung nicht möglich gewesen, und es sei
ihr daraus ein, die Klageforderung bedeutend übersteigender
Schaden entstanden, indem sie den betreffenden Kontrahenten
für deren Interesse an der Vertragserfüllung einzustehen
habe, und von denselben auch in der That hierauf bereits
belangt worden sei. Die Richtigkeit dieser Behauptungen
vorausgesetzt, handelt es sich nach dem Gesagten um fällige
Forderungen, und es ist rechtsirrtümlich, wenn die Vorinstanz
davon aasgeht, eine Forderung der Beklagten an de C. ent-
stehe allenfalls erst, wenn die Schadensersatzpflicht des de C.
gegenüber der Beklagten aus dem mit dieser abgeschlossenen
Vertrage vom Richter festgestellt worden sei, und sich
bei der Auseinandersetzung zwischen der Beklagten und
de C. ergebe, dass der Beklagten noch ein Guthaben bleibe.
Denn was zunächst den letztern Punkt anbetrifft, so hat die
Beklagte zur Begründung ihrer Kompensationseinrede nur
den Bestand der von ihr behaupteten Gegenforderungen dar-
zuthun: die Frage, ob bei einer allfölligen Gesamt- Ab-
rechnung zwischen der Beklagten und de C. der ersteren
ein Guthaben an diesen bleibe, berührt die Kompensations-
einrede, und damit den vorliegenden Prozess nur insofern,
als von Seite der Kläger den zur Kompensation verwendeten
Forderungen der Beklagten wiederum Forderungen des de C.
gegenübergestellt worden sind. Soweit solche Forderungen
von Seite der Kläger nicht geltend gemacht worden sind,
berührt die Frage, ob eventuell die Beklagte dem de G.
ausser den 3000.-— Fr. noch weitere Summen schulde, und
wie sich darnach das Resultat einer endgültigen Abrechnung
zwischen der Beklagten und de C gestalten werde, den vor-
liegenden Prozess nicht. Zum andern sodann entsteht eine
Schadensersatzpflicht des de C. auf Grund des §7 des erwähnten
Vertrages nicht erst durch Richterspruch, sondern durch die
Erfüllung, den Eintritt der Thatsachen, von welchen sie in
dem Vertrage abhängig gemacht worden ist. Der Richter-
spruch stellt allerdings den Anspruch fest, aber er schafft
ihn nicht erst, sondern deklariert ihn als einen bereits be-
stehenden. Die Schadensersatzpflicht des de C ist vielmehr als
entstanden zu betrachten, sobald aus der in § 7 des Vertrages
angegebenen Ursache der Beklagten ein Schaden entstanden
ist; und da dieser Schaden, nach den Angaben der Beklagten,
in der Verpflichtung der letztern besteht, ihrerseits ihre Kon-
trahenten (wegen Nichterfüllung der abgeschlossenen Liefe-
rungsverträge) zu entschädigen, so ist derselbe, wenn auch
nicht in seinein Umfange bestimmt festgestellt, so doch jeden-
falla entstanden, wenn an die Beklagte von Seite eines ihrer
Kontrahenten eine begründete Schadensersatzforderung wegen
Nichterfüllung der in dein genannten § 7 angeführten Liefe-
rangsverträge gestellt worden ist. Mit diesem Momente
wurde de C. der Beklagten ersatzpflichtig, und konnte die
Beklagte von ihm fordern, dass er sie in Betreff der er-
hobenen Ansprüche schadlos halte.
Die Beklagte macht also zur Begründung ihrer Kom-
pensationseinrede Gegenforderungen geltend, die ihrer Natur
nach gemäss Art. 131 0. K. zur Verrechnung tauglich sind.
&ie ist deshalb mit dem von ihr angetragenen Beweise, dass
ihr diese Gegenforderungen wirklich erwachsen seien, zu
hören, und da die Vorinstanz hierüber keine Entscheidung
getroffen hat, ist die Sache zur Vornahme dieser Entscheidung
An dieselbe zurückzuweisen. (Entsch. vom 19. April 1901
i. S. Chardonnetseidenfabrik Spreitenbach c. Gerichtskasse
Baden und Keller.)
51. 0. R. Art. 183 ff. ßnndesgesetz über Schuldbetreibung
find Konkurs vom 19. April 1889^ Art 131 Abs. 1. Wirkungen
der Abtretung einer Forderung aus gegenseitigem V r ertrage ;
dieselbe überträgt nicht das ganze Rechtsverhältnis in Rechten
und Pflichten. — Die Wirkungen des Eintritts in ein Prozess-
rechtsverhallnis beurteilen sich nach kantonalem Recht; nach den-
selben ist zu beurteilen y ob derjenige, der an Stelle einer Partei
in den Prozess eintritt, dadurch die Verpflichtung übernimmt, an
deren Stelle dem Gegner R'de zu stehen.
Ingenieur Z. in Z. beklagte den J. P. F. auf Bezahlung
«iner Werklohnforderung (für Einrichtung einer Dampfheizung)
von Fr. 2758. J. P. F. trug auf Abweisung der Klage an
und verlangte widerklagsweise : 1. sofortige Wegnahme der
unbrauchbaren Installation, 2. Rückerstattung der bereits er-
haltenen Zahlungen von Fr. 1546.65 samt Verzugszinsen,
3. Leistung eines Schadenersatzes von Fr. 4160. Eventuell
sofortige tadellose Herstellung der Installation unter völliger
Schadloshaltung für alle Einbusse zufolge der Unbrauchbar-
keit des bisherigen Werkes. Während der l'rozess über diese
Klage und Widerklage beim Bezirksgericht Maloja schwebte,
-wurde die Forderung Z's. an F. betreibungsamtlich gepfändet
und in der Folge vom Betreibungsamt Z. gemäss Art. 131
JJ.-G. über Schuldbetreibung und Konkurs dem Gläubiger
E. B. in Z. „zum direkten Inkasso angewiesen." E. B. führte
nun den Prozess weiter, indem er Kostenvorschuss leistete,
90
wobei indess nicht festgestellt wurde, in welcher Stellung er
m den Prozess eintrete. Durch Entscheidung vom 12. Juni
1900 wies das Bezirksgericht Maloja „in dem Civilprozess
zwischen E. Z. resp. seinem Rechtsnachfolger E. B.
in Z. Kläger und J. P. F., Beklagten und Widerklage^ die
Klage ab, hiess dagegen die primären Begehren der Wider-
klage gut, indem es immerhin die Schadenersatzforderung
auf Fr. 3000 reduzierte. In 2. Instanz hat das Kantons-
gericht des Kt. Graubünden auf eine von klägerischer Seite
ergriffene Appellation hin, die Schadenersatzforderung des
Beklagten und Widerklagen auf Fr. 2000 reduziert, im übrigen
dagegen das erstinstanzliche urteil bestätigt. In dem kan-
tonsgerichtlichen Urteile sind als Streitparteien aufgeführt
E. B., Kläger und Appellant und J. P. F., Beklagter und
Appellat, und es wird bezüglich der Appellationserklärung
bemerkt, dieselbe sei abgegeben und prosequiert worden von
Ingenieur Z., resp. als er in Konkurs geraten sei, von seinem
Rechtsnachfolger E. B. Gegen das kantonsgerichtliche Ur-
teil ergriff E. B. — eine Anschlussberufung des Beklagten
und Widerklage™ interessiert hier nicht, — die Be-
rufung an das Bundesgericht mit dem Antrage, es sei
die ganze Widerklage des J. P. F., soweit dadurch der
Intervenient im Prozess E. B. persönlich verpflichtet
werde, zu verwerfen, die Forderung ihm gegenüber also ab-
zuweisen. Das Bundesgericht hat die kantonsgerichtliche
Entscheidung aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung
an die Vorinstanz zurückgewiesen, im wesentlichen aus fol-
genden Gründen: Die kantonalen Gerichte sprechen sich da-
rüber des nähern nicht aus, wie sie dazu gekommen sind,
den heutigen Berufungskläger an Steile des ursprünglichen
Klägers und Widerbeklagten Z. als Widerbeklagten zu be-
handeln. Die Bemerkung im vorinstanzlichen Urteil, nach-
dem Z. in Konkurs geraten sei, habe sein Rechtsnachfolger
E. B. den Weiterzug an das Kantonsgericht erklärt und
prosequiert, könnte vermuten lassen, die Vorinstanz habe an
einen Eintritt der Konkursmasse des Z. in den Prozess ge-
dacht, an deren Stelle B. diesen nun weiter führe, und sie
habe gestützt hierauf eine Succession in die gesamte Partei-
stellung Z's., also auch in die Stellung desselben ah Wider-
beklagten angenommen. Allein jene Bemerkung beruht auf
einem thatsächlichen Irrtum. Die Akten ergeben, dass Z.
nicht in Konkurs gefallen, sondern lediglich auf Pfändung
betrieben worden, und dass die gepfändete Werklohnforderung
an F. dem Berufungskläger B. gemäss Art. 131 Abs. 1 des
91
Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom Be-
treibungsamt abgetreten worden ist.
Welche Rechtsstellung für den Berufungskläger B.
gegenüber dem Widerkläger F. durch dieses, zwischen ihm
und dem Betreibungsamt Z. abgeschlossene Rechtsgeschäft
begründet worden sei, ist eine Frage des Bundescivilreohts,
und es ist daher vom Bundesgericht zu prüfen, ob und in
wie weit gestützt auf dieses Rechtsgeschäft die Ver-
pflichtungen, welche die Widerklage gegenüber dem ursprüng-
lichen Widerbeklagten Z. geltend machte, gegenüber dem
Berufungskläger geltend gemacht werden können. Denn es
handelt sich bei diesem Rechtsgeschäft um die Abtretung
einer vom eidg. Obligationenrecht beherrschten Forderung,
ebenso gehört der Rechtsgrund der Abtretung, das dem Ab-
tretungsakt zu Grunde liegende Veräusserungsgeschäft f dem
Bunde8civilrecht an. Nun kann aber nach eidg. Obligationen-
recht keine Rede davon sein, dass durch die vom Betreibungs-
amt Z. vorgenommene Cession der Werklohnforderung Z's. an
den Berufungskläger auch die Verbindlichkeiten Z's., welche
den Gegenstand der Widerklage bilden, auf den Berufungskläger
übergegangen seien. Diese Verbindlichkeiten leiten sich
allerdings aus dem gleichen Vertragsverhältnis her, wie die
dem Berufungskläger cedierte Forderung, nämlich aus dem
zwischen Z. und F. abgeschlossenen Werkvertrag, und wie
die auf Geltendmachung dieser Forderung gerichtete Haupt-
klage auf Erfüllung des Werkvertrages durch den Besteller
geht, so macht die Widerklage in der Hauptsache das Inter-
esse geltend, welches der Besteller seinerseits an der Er-
füllung des Werkvertrages durch den Unternehmer hat.
Allein durch die mehrgenannte Cession ist der Berufungs-
kläger nicht in das gesamte, aus dem zwischen Z. und F.
abgeschlossenen Werkvertrag resultierende zweiseitige Rechts-
verhältnis eingetreten. Er ist nicht an Stelle Z's. Unternehmer
im Sinne des Art. 350 0. R. geworden; durch die Cession
ging vielmehr lediglich ein einzelnes Forderungsrecht aus dem
Werkvertrag, die in dem Cessionsakt genannte Werklohn-
forderung, auf ihn über, es wurden ihm dadurch nicht zu-
gleich auch Verpflichtungen des Cedenten (resp. des Unter-
nehmers Z.) aus diesem Werkvertrag übertragen. Denn es
kann keinem Zweifel unterliegen, dass nach eidg. Obligationen-
recht auch Forderungen aus gegenseitigen Verträgen selb-
ständig übertragbar sind, und es darf daher daraus, dass dem
cedierenden Gläubiger aus dem Schuldverhältnis, aus welchem
die codierte Forderung herrührt, Verpflichtungen gegen deiw
9*2
Schuldner erwachsen sind, nicht gefolgert werden, dass mit
der Cession auch diese auf den Cessio nar übertragen worden
seien. Der Berufungskläger brauchte daher, auf Grund der
seine Rechtsstellung regelnden materiellen Rechtsnormen,
die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche des
Bestellers F. nur in soweit gegen sich gelten zu lassen, als
diese Rechtsnormen den debitor cessas dagegen schützen,
dass durch die Cession seine rechtliche Lage verschlimmert
werde, m. a. W.: nach den massgebenden privatrechtlichen
Grundsätzen konnte F. dem Berufungskläger B. Gegenforde-
rungen aus dem Werkvertrag nur insoweit entgegenstellen,
als dies zur Bekämpfung der von di eisern als Cessionar
geltend gemachten Hauptforderung erforderlich war, nicht
aber darüber hinaus.
Soweit sich die Rechtsstellung des Berufungaklägers
gegenüber dem Berufungsbeklagten F. nach privatrechtlichen
Normen bestimmt, wäre somit die Passivlegitimation des Be-
rn t'ungsklägers in Bezug auf die Widerklage nicht vorhanden,
und daher das Urteil der Vorinstanz als unhaltbar aufzuheben.
Damit ist aber die Gutheissung der Hauptberufung nicht
ohne weiteres gegeben. Denn es bleibt immerhin noch die
andere Frage offen, ob und inwieweit der Berufungskläger
in das, den Gegenstand der Widerklage bildende, Rechtsver-
hältnis zwischen dem ursprünglichen Kläger und Widerbe-
klagten und dem Beklagten und Widerkläger dadurch
einbezogen worden sei, dass er in den zwiscnen diesen
geführten Prozess eingetreten ist. Die Wirkungen des
durch diesen Eintritt begründeten Prozessrechtaver-
hältnisses zwischen dem Berufungskläger und denn
Beklagten und Widerkläger F. beurteilen sich aber nach
kantonalem Recht, und entziehen sich deshalb der Ent-
scheidung des Bundesgerichts. Welches diese Wirkungen
seien, ob der Berufungskläger durch seine Prozesshand-
lungen nach graubündnerischem Prozessrecht die Verpflich-
tung auf sich genommen habe, dem Beklagten und Wider-
kläger auch in Bezug auf die Widerklage Rede zu stehen,
trotzdem eine solche Verpflichtung aus dem Civilrecht nicht
bestand, darüber hat sich der kantonale Richter nicht aus-
gesprochen. Es geht aus dem angefochtenen Urteil weder
hervor, dass die Vorinstanz die Verurteilung des Berufungs-
klägers auf die Widerklage auf Grund des kantonalen Pro-
zessrechts ausgesprochen habe, wonach die Entscheidung
durch eine vom Bundesgericht nicht nachzuprüfende Erwä-
gung getragen würde, und deshalb aufrecht zu erhalten wäre,
93
noch steht fest, dass die Vorinstanz die prozessuale Stellung,
in welche der Berufungskläger eingetreten ist, für sein Ver-
hältnis zu der Widerklage als nicht massgebend betrachtet
habe. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben, und
die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen in der Meinung^
dass dieselbe an die rechtliche Beurteilung durch das Bundes-
gericht, soweit es die materiellrechtliche Grundlage ihres Ur-
teils betrifft, gebunden, und daher die Widerklage gegenüber
dem Berufungskläger abzuweisen ist, sofern dieselbe nicht
gestützt auf das kantonale Prozessrecht geschützt werden muss.
(Entsch. vom 2. Februar 1901 i. S. Burkhard t c. Fopp.)
52. 0. R. Art. 205. 206. Begriff der gestohlenen oder verlorenen
Sachen. Art. 206 0. R. hat alle Fälle unfreiwilligen Besitz
Verlustes, aber nur diese im Auge. Wenn der Eigentümer sich
des Gewahrsams seiner Sache nicht entäussert hat, so liegt in
deren Aneignung durch einen Dritten ein Bruch seines Gewahr-
sams auch dann, wenn dem Dritten ebenfalls Gewahrsam einge-
räumt war.
M. K., der seit 1874 im Exportgeschäft des Klägers Th.
F. angestellt, seit 1887 die Prokura besass und speziell die
Geschäftskasse unter sich hatte, übergab 1897 der beklagten
Bank als »Sicherheit für einen ihm schon früher eröffneten
Kredit 35 Inhaberobligationen der Stadt Zürich zu je Fr. 1000.
In der Folge stellte sich heraus, dass K. diese Obligationen,,
wie eine grosse Anzahl anderer Papiere dein Kassaschrank
seines Prinzipals entwendet hatte, in welchem die Titel in.
folgender Weise verwahrt gewesen waren:
Der Kläger hatte mit der Zeit Werttitel in bedeutendem
Betrage in dem unteren Teil seines Kassaschranks versorgt,,
welcher in dem dem K. zugewiesenen Zimmer der Geschäfts-
räumlichkeiten stand, und in seinem obern Teile die eigent-
liche Geschäftskasse enthielt. Der untere und der obere
Teil hatten jeder seinen besondern Verschluss; der Schlüssel
des untern Teils lag in der Kasse selbst, d. h. im oberen
Teil, für welch' letzteren sowohl der Kläger als K. einen
(selbständig öffnenden) Schlüssel besass. Nach der eigenen
Darstellung des Klägers hatte K. den Einzug der Coupons
der im untern Teil versorgten Werttitel zu besorgen. Da-
gegen bestreitet der Kläger die von der Beklagten aufge-
stellte Behauptung, dass K. auch ermächtigt gewesen sei,,
die Titel für das Geschäft zu lombardieren. Umgekehrt be-
streitet die Beklagte die Behauptung des Klägers, dass der
94
Kläger ausser dem im obern Teil des Kassaschrankes liegen-
den noch einen besondern Schlüssel für das untere Fach, in
dem sich die Werttitel befanden, besessen habe. In seiner
Zeugeneinvernahme im Strafprozess gab der Kläger zu, dass
er während der ganzen Zeit, da K. die Kasse führte, bloss
ein einziges Mal eine Kassaprobe gemacht, und dass er auch
während einer längeren Reise, die er vom Mai 1893 bis
Mai 1894 ausführte, Niemanden bezeichnet habe, der für ihn
den K. zu kontrollieren gehabt hätte.
Nachdem am 20. Juni 1900 K. von der 3. Appel-
lationskammer des Zürcher. Obergerichts des fortgesetzten
einfachen Diebstahls schuldig erklärt worden war, erhob
der Kläger beim aargauischen Handelsgerichte gegen die
Beklagte Klage auf unbeschwerte Herausgabe der ihr
von K. zu Unrecht verpfändeten 35 Stück Obligationen.
Er stützte sich auf das gegen K. ergangene Strafurteil,
durch welches festgestellt sei, dass ihm die Titel von K.
gestohlen worden seien, und behauptete überdies, die
Beklagte habe sich bei der Empfangnahme derselben nicht
in gutem Glauben befunden. Die Beklagte zog den Ant-
wort8chlu88, die Klage sei abzuweisen, unter Kostenfolge.
Sie verwahrte sich gegen die Bestreitung ihres redlichen Er-
werbes und vertrat den Standpunkt, dass sich das Ver-
brechen des K. nicht als Diebstahl, sondern als Unter-
schlagung qualifiziere, so dass im vorliegenden Falle weder
Art. 207 noch Art. 206 0. R. zutreffe, und daher eine Vindi-
kation ausgeschlossen sei. Das Handelsgericht hat die Klage
abgewiesen, das Bundesgericht dagegen hat dieselbe gut ge-
heissen. In der bundesgerichtlichen Entscheidung wird zu-
nächst ausgeführt, dass allerdings nach Gestalt der Sach-
lage ohne weiteres anzunehmen sei, die beklagte Bank habe
sich beim Erwerbe der Titel in gutem Glauben befunden, so
dass sie gegenüber der klägerischen Vindikation Anspruch
auf Anerkennung ihres Faustpfand rechtes habe, sofern nicht
die Titel dem Kläger als ihrem Eigentümer gestohlen worden
oder verloren gegangen seien. Hiefür sei die vom Straf-
richter der Tbat des K. gegebene Qualifikation nicht mass-
gebend. Der Begriff der gestohlenen oder verlorenen Sachen
im Sinne des Art. 206 0. R. sei in einem von den kanto-
nalen Strafgesetzbüchern unabhängigen für die ganze Schweiz
einheitlichen Sinne festzustellen und zwar habe Art. 206 O. R.
seiner historischen Bedeutung entsprechend, wenn er von
gestohlenen oder verlorenen Sachen spreche, im Gegensatz
.zum anvertrauten Gute, alle Fälle unfreiwilligen Besitz-
95
Verlustes, aber nur diese im Auge. Im weitern sodann wird
bemerkt:
Entscheidend für die Zulässigkeit der Vindikation ist
demnach, ob der Eigentümer seinen Gewahrsam freiwillig
aufgegeben habe, und diese Frage beantwortet sich nicht
ohne weiteres darnach, ob im Momente der Entwendung
Gewahrsam des Thäters angenommen werden müsse, viel-
mehr kommt es darauf an, ob der Thater den ausschliess-
lichen Gewahrsam gehabt, bezw. ob der Eigentümer ihm
den Gewahrsam an der betreffenden Sache mit dem Willen
und in der Weise übertragen habe, dass er damit den eige-
nen Gewahrsam daran verlor. Denn solange der Gewahrsam
des Eigentümers als fortdauernd betrachtet werden muss,
liegt in der eigenmächtigen Aneignung der Sache durch den
Dritten, auch wenn diesem ebenfalls ein Gewahrsam daran
zustand, immer ein Bruch jenes Gewahrsams des Eigentümers.
In solchen Fällen kann somit dem sein Eigentum behaupten-
den Vindikatioii8kläger nicht entgegengehalten werden, er
habe seinen Gewahrsam an der vindizierten Sache freiwillig
aufgegeben, und müsse deshalb seinen Glauben suchen, wo
er ihn gelassen, da er eben diesen Gewahrsam nicht mit seinem
Willen, sondern nur durch die Eigenmacht des Dritten ver-
lor. In diesem Sinne unterscheidet denn auch die Straf«
rechtswissen8chaft zwischen Diebstahl und Unterschlagung.
Nicht als Unterschlagung, sondern als Diebstahl wird es
z. B. betrachtet, wenn ein Dienstbote Sachen der Dienst-
herrschaft, ein Handlungsgehilfe oder Lehrling Sachen des
Kaufherrn, die er in Händen hat, sich rechtswidrig aneignet,
sofern die Sache sich auch noch im Gewahrsam der Dienst-
herrschaft u. s. w. befindet. Ebenso begeht der Geschäfts-
kassierer, der sich aus der Geschäftskasse, an welcher neben
ihm der Prinzipal den Gewahrsam besitzt, Beträge aneignet,
strafrechtlich einen Diebstahl, und nur, wenn ihm die Kasse
zu ausschliesslicher Verwaltung anvertraut ist, kann bei
ihm von Unterschlagung gesprochen werden (vergi. Hugo
Meyer, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, be-
sonderer Teil, § 172,11, B; v. Liszt, Lehrbuch des deutschen
Strafrechts, § 125, III).
Es geht also zu weit, den Begriff des anvertrauten
Gute 8 als Gegensatz zum gestohlenen und verlorenen im
Sinne des Art. 206 so aufzufassen, dass es einzig darauf an-
komme, ob die Entwendung unter Missbrauch eines Ver-
trauensverhältnisses stattgefunden habe oder nicht, sondern
es ist für die gedachte Unterscheidung bestimmend, ob die
T**ï|
96
Sache mit dem Willen des Eigentümers aus dessen Gewahr-
sam in den fremden Gewahrsam gelangt, der Gewahrsam des
Eigentümers also von diesem freiwillig aufgegeben worden
sei. Anvertraute Sachen sind diejenigen, welche jemand
(der Eigentümer) freiwillig, mit der Verpflichtung zu späterer
Rückgabe in den Gewahrsam eines Andern übergeben hat
(s. Hafner, Komm. z. Obl.-Recht, Art. 206, Anm. 2).
Die Frage, von der die Entscheidung über das streitige
Faustpfandrecht der Beklagten abhängt, ist somit nicht sa
zu stellen, ob der Kläger dem Verpf&nder K. in Hinsicht
auf die Verwaltung der Titel sein Vertrauen geschenkt habe,
sondern so, ob der Kläger ihm daran den Gewahrsam unter
Aufgabe des eigenen Gewahrsams eingeräumt habe,
ob sich also die Titel zur Zeit der Entwendung noch im
Gewahrsam des Klägers befunden haben oder nicht. Diese
Frage kann nicht im Sinne der Vorinstanz beantwortet
werden. Die Titel befanden sich in dem Kassaschrank des
Klägers, der in dessen Geschäftsräumlichkeiten stand, and
die Geschäftskasse enthielt. Als Kassier des klägerischen
Geschäfts hatte K. Zutritt zu diesem Kassasch rank, und war
insbesondere auch in der Lage, das die Wertschriften ent-
haltende Fach zu öffnen, indem der Schlüssel zu diesem in der
Geschäftskasse, dem obern Teil des Kassaschrankes, lag, wozu
er den Schlüssel hatte. Allein es steht aktengemäss fest,
da8s auch der Kläger einen Schlüssel, jedenfalls denjenigen,
der diesen obern Teil öffnete, für sich behielt, und demnach
jeden Augenblick über den Kassaschrank und dessen Inhalt
verfugen konnte. Der Kläger hat also dem K. jedenfalls
nicht den ausschliesslichen Gewahrsam an dem Kassa-
schrank und damit an den darin befindlichen Titeln über-
tragen, sondern denselben in seiner Verfügungsgewalt be-
halten, sich so mit seines eigenen Gewahrsams nicht ent-
äussert. Unter der, von der Beklagten behaupteten, Voraus-
setzung , dass zu dem Wertschriftenfach bloss ein Schlüssel
existiert habe, welcher sich in der Geschäftskasse befand,
war dem K. allerdings die Möglichkeit gegeben, den Zutritt
des Prinzipals zu jenem Fache, wenigstens für den Moment,
dadurch zu hindern, dass er den fraglichen Schlüssel der
Geschäftskasse entnahm und zu sich steckte. Wenn mau
indessen auch annehmen wollte, dass der Kläger in diesem
Falle den Gewahrsam an den Titeln verloren hätte, so ist
doch klar, dass alsdann der Verlust des Gewahrsams nicht
mit, sondern wider seinen Willen würde stattgefunden haben.
Dieser Fall würde sich in Beziehung auf die hier zu ent-
97
scheidende Frage nicht anders verhalten, als wenn der
Schlüssel zu dem Wertschriftenfach, statt in der Kasse, an
einem andern Orte der Geschäftsräumlichkeiten verwahrt wor-
den wäre» zu dem K. Zutritt gehabt hätte. Da nämlich der
Kläger selbst zur Geschäftskasse für sich einen Schlüssel
behielt und somit den Gewahrsam an derselben und den
darin befindlichen Gegenständen nioht aufgegeben hatte,
befand sich auch der dorthin gelegte Schlüssel zum Wert-
sohriftenfach in seinem Gewahrsam; er würde also, wenn K.
sich diesen Schlüssel einseitig angeeignet hätte, seinen Ge-
wahrsam daran wider seinen Willen verloren haben. Die
ausschliessliche Herrschaft, die sich K. dadurch über die
Wertschriften beigemessen hätte, würde demselben nicht vom
Kläger anvertraut worden sein; die Verwendung der Titel im
eigenen Interesse würde auch in diesem Falle einen Bruch
des Gewahrsams des Klägers in sich geschlossen, und sich
somit als Diebstahl dargestellt haben. Wenn schliesslich die
Vorinstanz mit der Beklagten darauf abgestellt hat, dass der
Kläger von seinem Gewahrsam thatsächlich so viel wie
keinen Gebrauch gemacht, den K. beinahe ohne Kontrolle
habe schalten und walten lassen, so kann hierauf deshalb
kein entscheidendes Gewicht gelegt werden, weil der Ge-
wahrsam des Klägers eben durch dessen blossen Willen,
seine Sachen zu behalten und nach Belieben darüber ver-
fügen zu können, verbunden mit der thatsächlichen Möglich-
keit, dies zu thun, fortdauerte, so dass also dessen Erhaltung
von einer Kontrollthätigkeit nicht abhängig war. (Entsch.
vom 20. April 1901 i. S. Fierz c. Aargauische Bank.)
53. O.R.Art.288, #94, 315. Bundesgesetz über Schuldbetrei-
bung und Konkurs v. #9. April 1889, Art 208. Der Vertrag über
entgeltliche Ueberlassung einer Wandfläche zur Benützung für
Re/dameaffichen ist ein Mietvertrag. — Einfluss des Konkurses
des Mieters auf das Mietverhältnis. Bei den Mietzinsen für
die noch nicht abgelaufene Vertragszeit handelt es sich nicht
um bereits feststehende, bedingte oder betagte, sondern um erst
in Zukuvjt zur Entstehung gelangende Schuldverpflichtungen.
Als Konkursforderungen können solche Mietzinsansprüche inso-
weit geltend gemacht werden, als sie die beim Konkursausbruche
laufende Zinsperiode, bei der Miete unbeweglicher Sachen
das laufende Jahr, für dessen Zins das Retentionsrecht gewährt
ist, betreffen. Als laufendes Jahr ist dasjenige zu betrachten,
welches vom letzten Verfalltage einer Mietzinsrate an läuft
98
Der Eisenhändler W. Th. in S. hatte am 20. Sept. 1898
mit der Klägerin Aktiengesellschaft Schweizerische Annoncen-
bureaux 0. F. einen Abonnementsvertrag abgeschlossen, wo-
durch er auf den Baum für eine Affiche über dem Gesimse
der Eingänge nach den Passagiergepäcklokalen im Bahnhof
B. auf die Dauer von 5 Jahren gegen eine Summe von
Fr. 1200. — im Jahr, zahlbar in halbjährlichen Raten zum
voraus, abonnierte. Am 7. Mai 1900 wurde über W. Th. der
Konkurs eröffnet. In demselben meldete die Klägerin den
Gesamtbetrag der Abonnementsgelder für die 5 Jahre, soweit
sie noch nicht bezahlt waren, mit Fr. 4200. — an. Die Kon-
kursverwaltung anerkannte nur die am 1. April 1900 ver-
fallene Abonnementsrate von Fr. 600. — , wies dagegen den
Restbetrag ab. Auf Klage der Klägerin hin entschied das
Obergericht des Kantons Solothurn durch zweitinstanzliches
Urteil dahin, die Forderung von Fr. 4200. — sei mit Abzug
der Zwischenzinse von den noch nicht verfallenen Forderungen
vom Tage des Konkurserkenntnisses an, in der V. Klasse
aufzunehmen. Auf Berufung der Konkursmasse des W. Th.
hin erkannte das Bundesgericht abändernd, die Klage sei
über die anerkannten Fr. 600. — Mietzins für die Zeit vom
1. April bis 30. Sept. 1900 hinaus bloss für eine weitere
Mietzinsrate von Fr. 600.— für die Zeit vom 1. Oktober 1900
bis 31. März 1901, jedoch unter Abzug der Zwischenzinsen
gemäss Art. 208 Abs. 2 Schuldbetr. u. Konk., gutgeheissen,
mit dem Mehrbetrag von Fr. 3000. — dagegen abgewiesen.
Aus den Gründen der bundesgerichtlichen Entscheidung ist
hervorzuheben:
Es ist der Vorinstanz beizutreten, wenn sie den streitigen
Abonnementsvertrag unter die Kategorie der Sachmiete ge-
stellt hat. In der That sind die wesentlichen Merkmale
dieses Vertragsverhältnisses hier gegeben, die Ueberlassung
des Gebrauches einer Sache gegen Bezahlung einer Ver-
gütung. Die Klägerin hat, auf die im Vertrage genannte
Dauer, dem W.Th. eine bestimmte Wandfläche im Bahnhof-
gebäude B. (welche sie offenbar selbst von der Bahnverwaltung
gemietet hatte), also eine unbewegliche Sache, zur Anbringung
einer Beklametafel überlassen, und Th. hat sich dagegen ver-
pflichtet, ihr für die Ueberlassung der Wandfläche zu dem
genannten Gebrauch eine Vergütung zu bezahlen. Es handelt
sich somit um die Untermiete einer unbeweglichen Sache.
Die zu entscheidende Frage geht demnach dahin, ob
der Vermieter, wenn der Mieter vor Ablauf der Vertragsdauer
in Konkurs fällt, berechtigt sei, auch die erst in Zukunft
99
fällig werdenden Mietzinse als Eonkursforderung gemäss
Art. 208 des Bundesges. über Schuldbetreibung und Konkurs
geltend zu machen. Dass der Verpächter ein solches
Recht hinsichtlich der noch nicht abgelaufenen Vertragsdauer
nicht besitzt, ist Zweifellos, da das Pachtverhältnis mit der
Eröffnung des Konkurses über den Pächter nach Massgabe
des Art. 315 O. R. erlischt. Auf das Mietverhältnis übt
aber die Eröffnung des Konkurses über den Mieter diese
Wirkung nicht aus.
Wenn der Vermieter nicht, gemäss der ihm durch
Art. 288 0. R. eingeräumten Berechtigung, den Mietvertrag
auflöst, so besteht dieser trotz dem Konkurs des Mieters
unverändert fort, und es ist an dem Bestände der An-
sprüche, welche ihm aus diesem Vertrage erwachsen, nichts
geändert. Welche Wirkungen die Konkurseröffnung in Be-
ziehung auf ein allfalliges Eintrittsrecht der Gläubiger-
schaft ausübe, kann bei Entscheidung des vorliegenden Falles
gänzlich bei Seite gelassen werden, da nach Feststellung der
Vorinstanz die Konkursmasse es abgelehnt hat, in den Ver-
trag einzutreten, und somit hier bloss die Beziehungen der
Klägerin zum K ri dar in Betracht kommen, wie ja auch
die klägerische.Forderung lediglich als Konkursforderung,
und nicht als Forderung gegen die Masse geltend gemacht
worden ist. Die klägerische Forderung ist ferner auch nicht
etwa als Entschädigungsforderung gestellt und auf die That-
saohe gegründet worden, dass die Klägerin wegen unter-
bliebener Sicherheitsleistung gemäss Art. 288 0. R. zur Auf-
lösung der Miete veranlasst worden sei, sondern die Klägerin
-verlangt, unter Anbietung der Gegenleistung, Erfüllung des
Vertrages, und geht davon aus, die von ihr geforderten
Leistungen seien durch den Konkursausbruch fällig geworden,
so dass sie, unter Abrechnung des Zwischenzinses, den ge-
samten Betrag der auf die noch nicht abgelaufene Vertrags-
dauer entfallenden Mietzinse im Konkurse des Mieters geltend
•machen könne.
Nun handelt es sich aber bei den Mietzinsen für die
noch nicht abgelaufene Vertragsdauer nicht, wie die Klägerin
und mit ihr die Vorinstanz annimmt, um bereits existente
Schuldverpflichtungen des Gemeinschuldners, die bloss noch
nicht fällig gewesen wären, nach Art. 208 Abs. 1 Bundes-
gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs nach Eintritt des
Konkurses über den Mieter nun aber doch jetzt schon als
Konkursforderangen geltend gemacht werden könnten. Es
handelt sich hiebei weder um betagte, noch um bedingte,
100
sondern um erst in Zukunft zur Entstehung gelangende
Schuldverpflichtungen. Wenn auch durch den zwischen den
Parteien abgeschlossenen Mietvertrag bereits der rechtliche
Grund für die Entstehung der einzelnen Mietzinsforderungen
gelegt war, so mussten dieselben doch erst durch Bewirkung
der Gegenleistung des Vermieters erworben werden, und ge-
langten deshalb nicht schon ohne weiteres durch den Ab-
schlu88 des Mietvertrages zur Existenz (vergi. Kohler, Lehr-
buch dea Konkursrechts, § 31 Anm. 2 ; Zeitschrift des
bernischen Juristenvereins 1891, S. 453 u. 489; Kohler, der
Prozess als Rechtsverhältnis, S. 63 u. 84). Die logische Kon-
sequenz dieser rechtlichen Situation kann nun allerdings nicht
streng durchgeführt werden. Sie würde es an und für sich
mit sich bringen, dass der Vermieter für seine noch nicht
bezahlten Mietzinsforderungen nur insoweit als Konkurs-
gläubiger auftreten könnte, als dieselben sich auf die bis
zum Tage der Konkurseröffnung abgelaufene Zeit beziehen
(vergi. Jäger, Komment, z. Bundesges. über Schuldbetreibung
und Konkurs, S. 374). Allein das Gesetz regelt, den Be-
dürfnissen des praktischen Lebens entsprechend, das Ver-
hältnis von Leistung und Gegenleistung beim Mietvertrag
nicht in der Weise, dass diese sich gegenseitig von Moment
zu Moment bedingen würden, sondern es geht davon aus,
dass Leistung und Gegenleistung in ihrem Verhältnis zu
einander nach gewissen Zeitperioden bemessen werden müssen.
Demzufolge muss denn jedenfalls die Mietzinsforderung für
das Halbjahr, welches bei der Konkurseröffnung im Gange
war, als Konkursforderung anerkannt werden, und die Be-
klagte giebt dies auch selber zu, indem sie die von der
Klägerin verlangte Kollokation der auf die Zinsperiode vom
1. April bis 30. September 1900 entfallenden Rate von
600 Franken nicht beanstandet. Es ist aber des weitern zu
beachten, dass das Bundesgesetz über das Obligationenrecht
dem Vermieter einer unbeweglichen Sache das in Art. 294
näher bezeichnete Retentionsrecht für den Mietzins nicht nur
des verflossenen, sondern auch des ganzen laufenden Jahres
gewährt. Diese Bestimmung, die, allgemein aufgestellt, auch
für den Fall des Konkurses des Mieters gelten muss, und
gerade in ihm vorzugsweise praktisch wird, setzt notwendig
voraus, dass die Mietzinsforderung des Vermieters im Kon-
kurse des Mieters für die Dauer des ganzen laufenden Jahres
geltend gemacht werden könne; denn ein Retentionsrecht
ohne eine Forderung, für welche dasselbe besteht, kann
schlechterdings nicht gedacht werden. Da es sich im vor-
101
liegenden Falle um die Vermietung einer unbeweglichen
Sache handelt, greift Art. 294 0. R. Platz, und es ist daher
in Anwendung des demselben zu Grunde liegenden Rechts-
satzes der von der Klägerin geforderte Mietzins für das ganze
laufende Jahr als Konkursforderung anzuerkennen.
Als das laufende Jahr im Sinne der einschlägigen Be-
stimmungen des Bundesgesetzes über das Obligationenrecht
ist mit der in der bisherigen kantonalen Rechtsprechung und
in der Litteratur vorherrschenden Ansicht dasjenige zu ver-
stehen, welches vom letzten Ziel, der Fälligkeit des letzten
Mietzinses an läuft. (Vergi. Hafner, Komment. Anm. 4 zu
Art. 294; Schneider u. Fiok, Komment, z. gleichen Ar-
tikel, Anm. 25; Janggen, Sachratete S. 121.) Nach dem
Gesagten erscheint die Klage insoweit als begründet, als sie
über die von der Beklagten anerkannten 600 Franken hinaus
eine Mietzinsrate von 600 Franken für die Zeit vom 1. Ok-
tober 1900 bis 31. März 1901 unter Abzug des Zwischen-
zinses gemäss Art. 208 Abs. 2 des Bundesgesetzes über
Schuldbetreibung und Konkurs als Konkursforderung geltend
macht. (Entsoh. v. 9. Februar 1901 i. S. Konkursmasse
W.Th. c. Aktiengesellschaft 0. F., Schweizerisches Annoncen-
bureau in Z.)
54. 0. E. Art 496, 508, 510. Der Gläubiger ist nicht
verpflichtet, den Bürgen von der Verwertung der für die
Hauptschiüd haftenden Pfänder zu benachrichtigen. — Eine
gemeinsame Verbürgung (welche die Einrede der Teilung be-
gründet) liegt nur dann vor, wenn die mehreren Bürgen die
Bürgschaft entweder im gleichen Bürgschaftsakte oder doch
mit Rücksicht auf einander eingegangen sind.
1 . Das eidgenössische Obligationenrecht legt dem Gläubiger
nicht die Pflicht zur Benachrichtigung des Bürgen von der
Verwertung der für die Hauptschuld haftenden Pfänder auf,
indem weder Art. 510 0. R. eine analoge Ausdehnung ge-
stattet, noch in der ordnungsrnässigen betreibungsamtlichen
Verwertung ohne Avisierung des Bürgen eine Verminderung
der Sicherheiten im Sinne des Art. 50S 0. R. liegt.
2. Art. 496 Abs. 1 0. R., auf welchen sioh die von der
Beklagten erhobene Teilungseinrede stützt, bestimmt: mehrere
Bürgen, welche gemeinsam die nämliche teilbare Hauptschuld
verbürgt haben, haften für ihre Anteile als einfache Bürgen
und für die Anteile der Uebrigen als Nachbürgen. Eine teil-
bare Hauptschuld liegt vor, und die Entscheidung über die
Einrede der Beklagten, da sa sie mit Rücksicht auf die von
prrrr
102
L. B. eingegangene Bürgschaft für die Hälfte der verbürgten
Summe lediglich als Nachbürge hafte, hängt somit davon ab,,
ob gesagt werden könne, Z. und B. haben mit ihren Bürg-
schaftserklärungen die Hauptschuld gemeinsam, im Sinne
dieser Gesetzesbestimmung, verbürgt. Während Hafners
Kommentar zum Obligationenrecht, Anmerkung 2 zu Art. 496,
in Anlehnung an die im gemeinen Recht herrschende Doktrin
und Praxis, annimmt, eine gemeinsame Verbürgung liege
immer vor, wenn zwei sich für denselben Hauptschuldner in
gleicher Weise verbürgen, möge der eine von der Bürgschaft
des andern gewusst haben oder nicht, erachten es die Vor-
instanzen für den Begriff der gemeinsamen Verbürgung not-
wendig, dass die mehreren Bürgen sich, sei es gleichzeitig
oder nicht, jeder mit Rücksicht auf die Mitverpflichtung des
andern verbürgen (vergi. Rössel, Manuel du droit fédéral
des obligations Nr. 664 und Vischer, Zeitschrift für Schweiz.
Recht Bd VII N. F. S. 57). Vom ersteren Standpunkt aus
wäre die Einrede der Teilung offenbar begründet; denn
beide Bürgen haben sich in gleicher Weise verbürgt, auch
wenn der zweite ausdrücklich, im Gegensatz zum ersten,
Solidarbürgschaft mit dein andern Bürgen übernahm. £a ist
jedoch dem Standpunkt der Vorinstanzen beizutreten, und
anzunehmen, dass Art. 496 0. R. die Einrede der Teilung
nicht schlechthin in allen Fällen gewähren wolle, wo sich
Mehrere für denselben Hauptschuldner in gleicher Weise
verbürgt haben, sondern einen Zusammenhang der mehreren
Bürgschaften in der Weise voraussetze, dass dieselben ent-
weder in dem gleichen Bürgschaftsakte, oder doch mit Rück-
sicht auf einander eingegangen seien. Diese letztere Auf-
fassung wird allein der sprachlichen Bedeutung des in
Art. 496 0. R. gebrauchten Ausdruckes gerecht; denn „ge-
meinsame Verbürgung" bedeutet sprachlich nicht bloss mehr-
fache auf dasselbe Ziel gerichtete Verbürgung; der Ausdruck
gemeinsam schliesst die Vorstellung eines Zusammenhangs
in sich, und bezeichnet einen Gegensatz zu dem, was man
sich getrennt, unabhängig von einander zu denken hat. So
geben denn auch die welschen Texte das in der deutschen
Redaktion gebrauchte Wort gemeinsam mit conjointement
und insieme wieder. Und da von der Gemeinsamkeit der
Verbürgung und nicht von der Gemeinsamkeit der Haupt-
schuld die Rede ist, trifft somit Art. 496 Abs. 1 auf Bürg-
schaften, die zwar für dieselbe Hauptschuld in gleicher
Weise, aber unabhängig von einander eingegangen werden,
der rein sprachlichen Auslegung zufolge nicht zu. Wenn
103
diese Gesetzesbestimmung für die Einrede der Teilung bloss
voraussetzte, dass Mehrere sieb in gleicher Weise für eine
und dieselbe Hauptschuld verbürgt haben, so würde sieb
hienach das Wort „gemeinsam" als ein sachlich durchaus
bedeutungsloses Einschiebsel erweisen. Nach allgemeinen
Auslegungsregeln ist aber, sofern sich aus dem Zusammen-
hang nichts anderes ergiebt, davon auszugehen, dass der Ge-
setzeswillen in der gewählten Redaktion seinen adäquaten
Ausdruck finde, und dass daher, weil das Wort gemeinsam
dem Satze, in welchem es steht, sprachlich seine besondere
Bedeutung verleiht, diese Bedeutung habe als Wille des
Gesetzes zum Ausdruck gebracht werden wollen. Dass that-
sächlich das Wort gemeinsam in diesem Sinne mit Absicht
gebraucht worden ist, geht denn auch mit Sicherheit aus
der Entstehungsgeschichte der fraglichen Bestimmung hervor.
In dem 1877 gedruckten Eommissionalentwurfe und den
früheren Entwürfen war nämlich von gemeinsamer Verbür-
gung noch nicht die Rede. Die in den Jahren 1877 und
1875 gedruckten Entwürfe zu einem schweizerischen Obli-
gationenrecht bestimmten einfach (Art. 503): „Haben Mehrere
für die nämliche Verbindlichkeit eines Schuldners einfache
Bürgschaft übernommen, so haftet ein Jeder, sofern die
Schuld eine teilbare ist, für seinen Anteil als Vorbürge, für
die Anteile der Mitbürgen aber als Nachbürge (Art. 502),"
und ähnlich hatte sich auch der Entwurf vom Jahre 1871
in Art. 527 ausgedrückt. Erst der Entwurf des eidg. Justiz-
lind Polizeidepartements vom Jahr 1879 enthält die Passung:
„Mehrere Bürgen, die sich gemeinsam für die nämliche teil-
bare Hauptschuld verbürgt haben," und zwar auf Grund
eines Redaktionsentwurfes des Prof. von Wyss nach den Be-
schlüssen der Kommission im September- Oktober 1878. Es
steht hiernach ausser Zweifel, dass das Wort „gemeinsam"
mit bestimmter Absicht in den Gesetzestext aufgenommen
worden ist, und wenn berücksichtigt wird, dass gerade die
Frage, ob das beneficium divisionis auch denjenigen Bürgen
zustehe, welche sich nicht gemeinschaftlich, sondern getrennt
und unabhängig von einander verbürgten (vergi. Wind scheid,
Pand. Bd II, § 479 Anm. 2 und die dort citierte Litteratur),
im gemeinen Recht Gegenstand der Controverse bildete, so
erscheint die Annahme als unabweislich, dass das Gesetz zu
dieser Frage Stellung nehmen, und sie durch die gegenwär-
tige, von den ersten Entwürfen abweichende Fassung in dem
von den Vorinstanzen vertretenen Sinne entscheiden wollte.
Nun liegen aber in casu genügende Anhaltspunkte da-
104
für nicht vor, dass bei der Eingehung der Bärgschaft durch
Z. diejenige des B. wirklich in Aussicht gestanden, und des-
halb gesagt werden könnte, Z. habe sich mit Rücksicht auf
die Mitbürgschaft des B. verbürgt. Der in Art. 496 Abs. 1 0. R.
für die Einrede der Teilung geiorderte Thatbestand ist so-
mit nicht erfüllt, und die Einrede daher abzuweisen. (Entsch.
vom 22.Februar 1901 i.S. Witwe Zimmermann c. Käslin-Kooh.)
55. 0. R. Art. 504. Rückgriff des zahlenden Bürgen gegen
den Haujrtschuldner; Beweislast.
Der auf Ersatz: seiner Zahlungsleistung klagende Bürge
braucht nach Art. 504 0. R. das konkrete Rechtsverhältnis
zwischen ihm und dem von ihm belangten Hauptschuldner,
zufolge dessen er die Bürgschaflsverpflichtung übernommen
hat, nicht darzulegen ; es ist Sache des beklagten Haupt-
schuldners, welcher behauptet, dass dem Bürgen in Ansehung
dieses Rechtsverhältnisses ein Rechtsanspruch gegen ihn nicht
zustehe, dieses Rechtsverhältnis namhaft zu machen und
nötigenfalls zu beweisen. (Entsch. vom 29. März 1901 i. 8.
Huber c. Wyss.)
56. 0. R. Art. 552, 565, 575. Kólìektivgesdlschaft. Fortdauer
derselben trotz Wechsel einzelner Mitglieder; Voraussetzungen
ihrer Entstehung.
Es ist richtig, dass aus der Kollektivgesellschaft
B., R. &Cie, welche den Dienstvertrag vom 13. Mai 1898
mit dem Kläger abgeschlossen hatte, der eine der drei Teil-
haber H. auf den 1. September 1898 ausgetreten ist. Allein
hieraus folgt keineswegs ohne weiteres, dass die Kollektiv-
gesellschaft sich aufgelöst habe. Die juristische Selbständig-
keit der Kollektivgesellschaft äussert sich ja gerade auch
darin, dass unbeschadet ihrer Existenz eine Aenderung in
den Personen ihrer Teilhaber stattfinden kann, indem die
Gesellschaft einerseits trotz dem Hinzutreten eines neuen
Gesellschafters dieselbe bleibt (Art. 565 0. R.), also nicht
etwa durch einen solchen Eintritt von selbst die alte Gesell-
schaft beendet und eine neue Gesellschaft gegründet wird,
und andrerseits auch ungeachtet des Ausscheidens eines oder
mehrerer Gesellschafter unter den übrigen fortgesetzt werden
kann, in diesem Falle also bloss für den Ausscheidenden
endigt, im übrigen aber mit allen ihren bisherigen Rechten
und Verbindlichkeiten fortbesteht (Art. 575 0. R.). Dafür,
dass sich die Kollektivgesellschaft B., R. & Gie beim
Austritt des Gesellschafters H. aufgelöst habe, liegt nichts
105
vor. Aus den Akten und dem eigenen Vorbringen der Be-
klagten erhellt vielmehr, dass diese das Geschäft wie bisher
gemeinsam, unter der gleichen Firma weiter betrieben haben,
wie sie ja auch nach dem 1. September 1898 das Anstellungs-
verhältnis mit dem Kläger weiter bestehen Hessen. Eine
Aenderung erfolgte nur insoweit, als an Stelle des H. der
neue Gesellschafter A. eintrat; dieser Personenwechsel be-
weist aber für sich allein, wie bemerkt, nicht, dass die alte
Gesellschaft aufgelöst und eine neue gebildet worden sei.
Da ferner die Entstehung der ein Handels- oder Fabrikations-
gewerbe betreibenden Kollektivgesellschaft nicht an die Ein-
tragung ins Handelsregister geknüpft ist, sondern lediglich
voraussetzt, dass die Gesellschafter unter gemeinsamer Firma
die Geschäfte begonnen haben, steht der Annahme, dass die
gegenwärtige Kollektivgesellschaft B., R. & Cie mit der
frühern identisch ist, auch der Umstand nicht entgegen, dass
eine Eintragung ins Handelsregister erst nach dem Austritt
des H. und dem Eintritt des A. stattgefunden hat. (Entsch.
vom 8. März 1901 i. S. W. Stoll c. Bommer, Rabus & Cie.)
57. 0. R. Art. 580 \ 582 Abs. 2, 611. Die Bestimmungen des
Art. 582 0. Ii. gelten sowohl nach innen (für die Geschäfts-
führung) als nach aussen (für die Vertretungsbefugnis) der
Liquidatoren. Ein von einem Liquidator abgeschlossenes neues
Geschäft verpflichtet dalier die Gesellschaft nur insofern, als
es zur Beendigung schwebender Geschäfte eingegangen wurde.
Kriterien hiefür; Beweislust,
Nach Art. 5tö Abs. 2 O. R., der gemäss Art. 611 auch
für die Kommanditgesellschaft gilt, können die Liquidatoren
allerdings auch neue Geschäfte eingehen, jedoch nur zur Be-
endigung schwebender Geschäfte. Der genannte Art. 582
— und nicht Art. 580, der nur die Personen bezeichnet,
welche zur Vertretung der Gesellschaft als Liquidatoren be-
rufen sind — normiert den Umfang der Geschäftstätigkeit
der Liquidatoren, und zwar sowohl nach innen — als Ge-
schäftsführung — wie auch nach aussen — als Vertretungs-
befugnis; auch nach aussen gilt daher die Bestimmung, dass
neue Geschäfte nur zur Beendigung schwebender eingegangen
werden können. Dass nun ein mit einem Liquidator der
Gesellschaft von einem dritten abgeschlossenes neues Ge-
schäft, aus welchem gegen die Gesellschaft geklagt wird,
zur Beendigung schwebender Geschäfte eingegangen worden
sei, gehört zum Klagefundament und ist daher vom Kläger
zu beweisen. In der deutschen Rechtsprechung und Wissen-
106
schaft über die analoge Bestimmung des Art. 137 a. D. H.
G. B., dem Art. 582 0. E. beinahe wörtlich nachgebildet ist,,
herrscht hierüber kein Streit. Jenem Beweise genügt der
Dritte, wenn er nachweist, dass eine Beziehung des Geschäfts
zur Gesellschaft und zur Abwicklung schwebender Geschäfte
beim Vertrag8abschlus8 für beide Teile erkennbar war. Der
Dritte hat zu prüfen, ob es sich um die Abwicklung eines
schon eingegangenen Geschäftes, oder nur um Eingehung
eines neuen handle, und im letztern Falle, ob es eingegangen
werde zur Beendigung eines schwebenden Geschäftes (oder
einer Mehrheit von solchen). Neue Geschäfte aber sind alle,
die nicht unmittelbar den Zweck haben, schon abgeschlossene,
laufende Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der auf-
gelösten Gesellschaft zu erfüllen und die Forderungen der-
selben einzuziehen, oder das Vermögen der Gesellschaft zu
versilbern. Zur Beendigung schwebender Geschäfte sind sie
eingegangen dann, wenn sie mittelbar jenen Zweck haben.
(Ent8cb. vom 16. Februar 1901 i. S. Landry c. Konkurs-
masse Lorentz & Gie in Liquidation.)
58. 0. R. Art. 590, 591 Ziff. 2, 596, 602, 605. Die
Kommanditeinlage kann nicht nur in barem Gelde, sondern
auch in andern geldwerten Gegenständen, insbesondere auch
(sofern dabei nicht etwa eine Benachteiligung der Gläubiger be-
zweckt ist) durch Verrechnung von Forderungen des Kotnnuw-
ditärs an die Gesellschaft, geleistet werden. — Voraussetzungen
der Verpflichtung des Kommanditärs , Beträge, die er ah
Zinsen oder Gewinn empfangen hat, zurückzuerstatten; Beweis-
last. — Art. 596 0. R. gilt nur für das Verhältnis der Gesell-
schafter unter einander, nicht für das Verhältnis zu Dritten.
' 1. Zum Wesen der Kommanditgesellschaft nach Schweiz.
Obligationenrecht gehört u. a., dass wenigstens einer der Ge-
sellschafter unbeschränkt, der andere oder die anderen „bis
zum Betrage einer bestimmten Vermögenseinlage (Ko m man -
dit8umme)u haften wollen. Unter Vermögenseinlage aber ist in*
allgemeinen jede Einlage zu verstehen, die einen Vermögens- oder
Geldwert repräsentiert, also nicht nur die Einlage von Geld,
sondern auch die von Sachen und Forderungen. Der Aus-
druck „Kommandit summe", der an mehreren Orten im Ge-
setze wiederkehrt, bedeutet nicht, dass die Einlage in Geld
geschehen müsse, sondern er will nur ausdrücken, dass eine
bestimmte, in Geld ausdrückbare Vermögenseinlage gefordert
wird; bis zu diesem bestimmten Betrage haftet der Kom-
manditär, und dieser bestimmte Betrag bildet einen Bestand-
107
teil des Gesellschaft8vennögens (Art. 608 Abs. 2); es ist
daher notwendig, dass dieser Betrag sich in Geld aus-
drücken lasse, also einen Geldwert repräsentiere. Dagegen
wird hiemit dem Interesse der Gläubiger im allgemeinen
genügend gedient, und ist Barzahlung nicht erforderlich.
Das Gesetz verlangt aber weiterhin auch nicht, dass die
Art und Weise der Leistung der Einlage publiziert werde,
sondern nur der Betrag der Vermögenseinlage jedes Kom-
manditärs ist im Handelsregister einzutragen (Art. 591 Ziff. 2).
So sehr eine Vorschrift, welche statuieren würde, der Betrag
der in bar bezahlten Einlage sei ebenfalls anzugeben, wün-
schenswert wäre, ist andrerseits nicht zu verkennen,
dass es wirtschaftlich im allgemeinen bei der Kommandit-
gesellschaft mehr auf die Kreditfähigkeit der Komman-
ditäre, als auf den Betrag der bar einbezahlten Ein-
lage ankommt; für das Verhältnis der Kommanditgesell-
schaft nach aussen ist wirtschaftlich und juristisch aus-
reichend, dass die Einlage auf einen bestimmten Betrag
fixiert sei (vergi. Staub, Kommentar zum a. D. H. G. B.,
3. und 4. Aufl., Art. 150 § 7, S. 271). Ist dem aber so,-
und sind auch Forderungen als gültige Einlagen zu be-
trachten, so steht mangels eines Verbotes im Gesetze nichts
entgegen, dass auch eine Verrechnung der Forderungen
gegen die Gesellschaft mit den Forderungen, die sie an die
Kommanditäre hat, stattfinde, dass also die Einlage auch
durch diese Verrechnung geschehe; das wäre nur dann nicht
zulässig (bezw. anfechtbar), wenn diese Verrechnung zum
Zwecke der Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen
würde; ebenso ist klar, dass die Einlage von gänzlich wert-
losen Forderungen als Erfüllung der Einlagepflicht nicht
angesehen werden könnte.
2. Die Klage des Gläubigers auf Grund des Art. 60i>
O. R. qualifiziert sich als Rückforderungsklage, condictio;
sie hat zum Gegenstand Rückerstattung dessen, was der
Kommanditär aus der Kommanditsumme erhalten hat, und
beruht darauf, dass die Kommanditsumme während des
ganzen Bestehens der Kommanditgesellschaft nicht verkürzt
werden darf und dass der Kommanditär Dritten gegenüber
mit dem im Handelsregister eingetragenen Betrag haftet
(Art 602 0. R.). Das Fundament der Klage ist der rechts-
widrige Bezug von Zinsen und Gewinn, d. h. ein Bezug,
der die Kommanditsumme vermindert; dieses Fundament ist
vom Kläger zu behaupten und zu beweisen, üb er dagegen*
auch den bösen Glauben des Empfängers zu beweisen habe,.
108
oder ob nicht umgekehrt dieser beweisen inuss, dass er die
Bezüge in gutem Glauben gemacht hat, dass er also gemäss
Abs. 4 des Art. 605 0. R. nicht rückerstattungspflichtig ist,
kann vorliegend dahingestellt bleiben. Werden nämlich die
einzelnen Bilanzen, auf Grund deren die Beklagten die Be-
züge gemacht haben, geprüft, so ergiebt sich folgendes: Die
Bilanz pro 1894, die einen Gewinn erzeigte, ist nach der
Expertise als ordnungsmässig zu bezeichnen. Für dieses
Jahr fällt daher die Rückerstattungspflicht weg, da that-
sächlich ein Gewinn erzielt worden ist. Anders verhält es
sich dagegen mit den Jahren 1895 und 1896: in diesen
Jahren ist nicht ein Gewinn erzielt worden, sondern es hat
sich bilanzmässig ein Verlust ergeben. Unter diesen Um-
ständen aber war der Bezug von Zinsen und Gewinnanteilen
unstatthaft, und er konnte auch unmöglich in gutem Glauben
erfolgen. Soweit die Rüokforderungsklage die Bezüge für
die Jahre 1895 und 1896 betrifft, ist sie daher prinzipiell
begründet. Diese Bezüge beziffern sich zusammen auf
Fr. 6023.60. Die Vorinstanzen haben nun die Beklagten
nicht zur Rückerstattung dieses Betrages, soweit er von
ihnen wirklich bezogen worden, verurteilt, sondern eine
Verlustrechnung auf Grund des Art. 596 0. R. vorgenommen.
Das ist jedoch völlig rechtsirrtümlich; denn die genannte
Bestimmung des Obligationenrechts bezieht sich nur auf das
Verhältnis der Gesellschafter unter sich, während bei der
vorliegenden Rückforderungsklage das Verhältnis der Gesell-
schaft zu Dritten in Frage steht; es kann daher keine Rede
davon sein, den erwähnten Artikel hier anzuwenden, sondern
die Beklagten sind grundsätzlich zur Rückerstattung alles
dessen verpflichtet, was sie empfangen haben. (Entsch. vom
26. Januar 190 1 i. S. Konkursmasse der Möbelfabrik Schaff-
hausen J. Meyer & Gie c. Erzinger und Genossen.)
59. 0. K Art. HO, 113, 674, 704, 714, 715. - Art. 714
statuiert eine Haftung des Vorstandes (und der Liqui-
datoren) nicht gegenüber der Genossenschaft, sondern direkt
gegenüber den einzelnen Genossenschaftsmitgliedern und Ge-
nossenSchaftsgläubigern, Die demgemäss begründeten eigenen
Entschädigungsansprüche der Genossenschaftsgläubiger (wie der
Genossenschaftsmitglieder) können nicht von der Konkursrer-
Haltung im Genossen Schaftskonkurs geltend gemacht werden.
fio weit es sich aber um einen Scliaden handelt, welcher den
Genossenschajtsgläubigern durch Schädigung des Genossen-
schaft s Vermögens zugefügt worden ist, besteht ein konkurrieren-
109
der Entschädigungsanspruch der Genossenschaft (gemäss
Art. 715 0. jB.) wegen Verletzung der ihr gegenüber bestehen-
den Verwaltungspflichten der Genossenschaftsorgane, und dieser
Anspruch der Genossenschaft kann, als zu deren Vermögen
gehörend, von der Atassaverualtung geltend gemacht werden.
Gegen die Vorstandsmitglieder der in Konkurs ge-
fallenen Genossenschaft Boucherie coopérative genevoise wurde
von der Konkursverwaltung im Genossensohaftskonkurs ge-
stützt auf Art. 704 und 714 0. B. Klage auf Ersatz des
Schadens erhoben, welcher dadurch entstanden sei, dass der
Vorstand dem Art. 704 cit, zuwider nicht sofort die Zah-
lungen eingestellt und dem Gerichte behufs der Eröffnung
des Konkurses Anzeige gemacht habe» In der bundesge-
richtlichen Entscheidung wird hinsichtlich der Legitimation
der Konkurs Verwaltung zur Anstellung der Klage bemerkt:
La demande est basée sur les art. 704 et 714 CO.,
dont le dernier dispose que les membres de la direction et
les liquidateurs sont personnellement et solidairement res-
ponsables envers les sociétaires et les créanciers de l'associ-
ation de tout dommage qui pourrait résulter de l'inobser-
vation de l'art. 704. Cette disposition établit ainsi une res-
ponsabilité de la direction et des liquidateurs non vis-à-vis
de l'association, mais vis-à-vis des membres et des créanciers
de celle-ci; elle donne aux sociétaires et créanciers un
droit propre contre la direction et les liquidateurs» Or, la
question se pose de savoir si l'administration de la masse
est légitimée à intenter l'action introduite,
La doctrine allemande est divisée sur le point de savoir
si l'administrateur de la faillite d'une société par actions ou
d'une association a qualité pour faire valoir une actiun
directe en dommages- intérêts des créanciers de la société
contre les membres de la direction, etc. (voir Kohler, Kon-
kurs ree ht, page 122). La négative paraît devoir l'emporter.
On ne saurait en effet admettre que l'administrateur de la
faillite ait qualité pour exercer une action de dommages-
intérêts appartenant en propre aux créanciers de la société
par actions ou de l'association en faillite contre les organes
de celle-ci. L'administrateur de la faillite a pour tâche de
procéder à la liquidation de la fortune du failli et Ton ne
peut lui reconnaître le droit de faire valoir des prétentions
qui n'appartiennent pas au failli, mais en propre à ses
créanciers, et ne font dès lors pas partie de la masse en
faillite. (Comp arrêt du 7 juin 1895 dans la cause masse en
faillite Brienz - Rothhorn T. 21, page 561.) Dans le caa
110
actuel, il y a lieu néanmoins d'admettre la légitimation de
l'administrateur de la faillite. Le dommage dont la répa-
ration est demandée n'est pas un dommage qui aurait été
causé directement aux créanciers sans toucher l'association,
mais un dommage qui résulterait pour eux du tort causé à la
fortune de l'association par le fait du retard apporté à la
suspension des paiements et à la demande de mise en faillite.
Le dommage que les créanciers auraient subi serait donc
en même temps un dommage causé à l'association. Ce
dommage ayant pour cause une violation des devoirs d'ad-
ministration imposés à la direction par l'art. 704 C. O.,
l'association a aussi, à côté des créanciers, une action en
réparation contre les membres fautifs de la direction, et
l'administrateur de la faillite est légitimé à faire valoir cette
action, attendu qu'il s'agit d'une action de l'association en
faillite, action qui appartient par conséquent à la masse. Le fait
que l'art. 714 G. 0. ne parle pas d'une action de l'association
n'infirme en rien cette manière de voir. Le droit d'action
de l'association résulte déjà des articles 113 soit 110 C. 0.,
qui, d'après l'art, 715 ibid., régissent les rapports entre
l'association et les membres de la direction ou contrôleurs.
Il n'était pas nécessaire de prévoir encore spécialement à
Part. 714 la responsabilité de l'administration résultant de
ses rapports contractuels vis-à-vis de l'association, tandis que,
dans la mesure où l'on voulait établir une responsabilité de
la direction vis-à-vis des créanciers et des membres de l'as-
sociation, il était nécessaire de le faire au moyen d'une dis-
position spéciale. A défaut d'une telle disposition, la respon-
sabilité de la direction vis-à-vis des membres et des créanciers
de l'association ne pourrait se justifier; pour lui donner une
base juridique, il fallait une disposition, analogue à celle de
Fart. 674 C. 0. concernant la société par actions, qui créât
une action en dommages- intérêts contre les membres de la
direction de l'association, pour violation de leurs obligations
contractuelles, non plus en faveur de l'autre partie contrac-
tante, soit de l'association, mais en faveur des créanciers et
des membres de l'association, qui sont des tiers. L'admini-
strateur de la faillite est donc légitimé, dans le cas parti-
culier, à faire valoir contre les défendeurs les droits à des
dommages-intérêts qui peuvent appartenir à l'association. Le
fait qu'il n'a invoqué pour justifier son droit d'action que
l'art. 714 et non l'art, 715 0. 0. ne saurait avoir aucune
conséquence préjudiciable ; il ne s'agit là que d'un moyen de
-droit qui ne lie pas le Tribunal et auquel celui-ci n'est pas
Ili
limité. (Entsch. vom 8. März 1901 i. S. Masse der Boucherie
coopérative genevoise e. Tbeuss und Genossen.)
60. 0. R. Art. 811. Gegen Wechselforderungen sind alle
unmittelbar gegenüber dem klagenden Wechselinhaber begrün-
deten Einreden zulässig; Exceptio doli bei Wechselreiterei.
Es ist nicht bestritten, dass sich die Firma Seh. & Gie
durch Accepte auf Wechseln, welche P. B. auf sie gezogen,
'wechselrechtlich verpflichtet hat, und dass der Trassant
J\ B. (resp. dessen Eonkursmasse) rechtmässiger Inhaber der
fraglichen Wechsel ist. Aus der rechtlichen Natur des
Wechselversprechens als eines abstrakten Schuldversprechens
folgt, dass zur Begründung des Wechselanspruchs nichts
weiteres als die Berufung auf den Wechsel erforderlich ist,
<ier rechtmässige Inhaber des Wechsels also, um seinen An-
spruch gegen den Wechselschuldner zu begründen, nicht
nötig hat, auf das zu Grunde liegende materielle Rechtsver-
hältnis zurückzugreifen. Die Wechselforderung der Konkurs-
masse B. ist demnach durch die vorgelegten Accepte prima
facie begründet. Nicht aber folgt aus der abstrakten Natur
der wechselrechtlichen Obligation, dass dem aus ihr er-
hobenen . Anspruch gegenüber alle Rücksicht auf die übrigen,
zwischen dem Wechselgläubiger und Wechselschuldner be-
stehenden inateriellrechtlichen Beziehungen schlechthin aus-
geschlossen sei; sondern dem Wechselschuldner bleiben,
ausser den aus dem Wechselrecht selbst hervorgehenden,
alle Einreden gewahrt, welche ihm unmittelbar gegen den
jeweiligen Kläger, d. h. denjenigen, welcher den Wechsel-
anspruch erhebt, zustehen. Es ist daher nicht richtig, wenn
die Yorin8tanz schlechthin annimmt, nachdem festgestellt sei,
dass die Firma Seh. sich zu Gunsten des P. B. für Fr. 6521.20
wechselrechtlich verpflichtet habe, so sei nicht zu untersuchen,
welche Gegenleistung dieser Verpflichtung zu Grunde liege.
Vielmehr steht dieser Firma gemäss Art. 811 0. R, das
Recht zu, gegenüber dem vom Trassanten P. B. geltend ge-
machten Wechselanspruch auf das Rechtsverhältnis zurück-
zugreifen, auf Grund dessen sie die von diesem Trassanten
gezogenen Wechsel aeeeptiert hat. Denn sofern sich aus
diesem Rechtsverhältnis ergiebt, dass die Einlösung der
Wechsel ihm gegenüber eine Vermögenszuwendung ohne
materiell rechtfertigenden Grund in sich schliessen würde,
«rweist sich sein auf Einlösung der Wechsel gerichtetes Be-
gehren als dolose Handlung und kann daher nicht geschützt
werden. Es ist unter dieser Voraussetzung der Wechsel-
112
Schuldnerin eine Einrede ans dem zu Grunde liegenden
Rechtsverhältnis erwachsen, die ihr unmittelbar gegen diesen
Wechselkläger zusteht, und die sie daher nach Art. 811 0. R.
geltend machen kann.
Nun wird aber geltend gemacht, dass die Firma
Seh. & Cie die von P. B. auf sie gezogenen Wechsel nicht
auf Schuld hin acoeptiert habe, sondern dass die Accepte
von ihr nur in der beidseitig verstandenen Meinung gegeben
worden seien, dass der Trassant B. für Deckung zu sorgen
habe, und nun B. dieser Verpflichtung nicht nachgekommen
sei, indem er ihr wohl Gegenaccepte gegeben, aber diese
nicht eingelöst habe, so dass also die Acceptantin thatsäch-
lich ohne Deckung sei« Die Fanspruchsklage macht also
geltend, dass der Wechselschuldnerin aus dem dem Wechsel-
verkehr der Parteien zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis
die exceptio doli gegen den vom gegenwärtigen Wechsel-
gläubiger erhobenen Anspruch zustehe. Diese Einrede darf
nach Art. 811 0. R. dem Wechselschuldner bezw. dem an
seiner Stelle auftretenden Einspruohskläger nicht mit dem
Hinweis auf die formale Natur des Wechselrechts abge-
schnitten werden. (Entsch. vom 1. März 1901 i. S Schweiz.
Volksbank c« Spar- und Leihkasse Zofingen.)
61 • Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb
vom 25. Juni 1881, Art 3, 5 litt, d, 12. — Beginn der Verjälirunq
bei Haftpflichtklagen aus Berufskrankheit — Haftpflicht des Be-
triebsunternehmers, wenn die Berufskrankheit nicht ausschliess-
lich durch Arbeit in seiner Fabrik, sondern durch successive
Arbeit in mehreren gefährlichen Betrieben herbeigeführt worden
ist. — Verhältnismässige Reduktion der Entschädigung.
1. Art. 12 des Fabrikhaftpflichtgesetzes fordert zum Beginn
der Verjährung von Haftpflichtansprüchen aus Berufskrank-
heiten nicht nur, dass der Kläger die Krankheit als eine
spezifische Berufskrankheit erkannt habe und damit über
die Existenz seines Schadenersatzanspruches sich habe klar
werden können, sondern im weitern, dass die Krankheit als
spezifische Berufskrankheit amtlich ausgewiesen sei (franz.
Text: «constatée officiellement"). Seiner Wirkung nach be-
deutet dieses Erfordernis freilich eine wesentliche Ab-
Schwächung der in Frage stehenden Verjährungsbestimmung
zu Gunsten des Haftpflichtklägers. Denn da ihm nach Er-
kennung seiner Krankheit deren amtliche Festsetzung zn
veranlassen nicht auferlegt ist, so kann er, 6oweit an ihm
liegt, den Beginn der Verjährungsfrist nach Belieben hinaus-
113
schieben. Der Aufstellung dieser Frist lässt sich wesent-
liche Bedeutung zum mindesten insofern noch beimessen, als
es auch dem Betriebsunternehmer nach Ài. 2 des Art. 12
offen steht, die auf die Krankheit bezüglichen thatsächlichen
Verhältnisse feststellen zu lassen und, sofern sioh daraus die
Existenz einer haftpflichtigen Berufskrankheit ergeben sollte,
biemit zugleich den Beginn des Fristenlaufes zu bewirken.
So leicht nun auch über die Bedeutung und den legislato-
rischen Wert dieser Vorschrift eines amtlichen Ausweises
der Krankheit gestritten werden kann, steht doch fest, dass
sie vom Gesetze in ausdrücklicher, unzweideutiger Weise
als notwendige Voraussetzung für den Beginn der Verjäh-
rungsfrist aufgestellt wird und deshalb vom Richter ohne
weiteres zu berücksichtigen ist. Der französische und ita-
lienische Text sprechen sogar ausschliesslich nur von diesem
Erfordernisse unter Weglassung des in der deutschen Fassung
enthaltenen weitern Requisites, dass die Berufskrankheit als
solche erkannt sein müsse, welches Requisit in der That
durch den verlangten amtlichen Ausweis derselben seine
praktische Bedeutung verliert.
Die Vorinstanz hat nun angenommen, dass die ärzt-
lichen Befunde und Atteste, welche auf Ansuchen der einen
oder andern Partei vor Anhebung des Prozesses abgegeben
wurden, nicht als „amtliche" Ausweise im Sinne des Ge-
setzes zu betrachten seien. Ob ein derartiger Ausweis amt-
lichen Charakter habe, d. h. ob er von einer Amtsperson
ausgehe und sich als eine in Ausübung staatlich verliehener
Amtsbefugnis vorgenommene Massnahme darstelle, entscheidet
sich nach kantonalem Rechte. Das Bundesgericht ist deshalb
zu einer Ueberprüfung dieses Punktes nicht zuständig.
2. Die Beklagte macht geltend, die Erkrankung des
Klägers sei nicht nur auf seine Tbätigkeit in ihrer, sondern
auch auf diejenige in einer andern Fabrik zurückzuführen. Die
Voraussetzung des Art. 12 des Fabrikgesetzes, dass „die Er-
krankung erwiesener Massen und ausschliesslich durch den
Betrieb der Fabrik erfolgt sei," treffe also nicht zu. Nach
dieser Auffassung würde also der Ausdruck „Fabrik" im
Gesetze die spezielle als haftpflichtig in Anspruch ge-
nommene Betriebsunternehmung bezeichnen, im Gegensatz
zu andern Etablissementen, in denen der Kläger früher ge-
arbeitet haben mochte, und wo er den nämlichen gesund-
heitsschädlichen Einflüssen ausgesetzt sein konnte. Der ge-
nannten Auslegung des Art. 3 iässt sich indessen nicht bei-
stimmen. Es ist nicht einzusehen, wieso der Gesetzgeber,
ili
wenn eine specifische Berufskrankheit, unzweifelhaft vorliegt*
die Haftpflicht dafür aus dem besondern Grunde hätte aus-
schliessen wollen, weil zu ihrer Entstehung nicht nur aus-
schliesslich ein Betrieb, sondern deren verschiedene mehr
oder weniger beigetragen haben. Auf diese Weise wäre es
möglich, dass äussere, vom Willen des Arbeiters ganz unab-
hängige, Zufälligkeiten für ihn mit einem Wechsel in seinem
An st ellungs Verhältnisse auch ohne weiteres den Verlust all-
fälliger, bereits existierender oder später zur Existenz ge-
langender, Entschädigungsansprüche zur Folge haben.
Namentlich aber setzt sich die angeführte Meinung in einen
unlösbaren Widerspruch zu Art. 5 litt, c des Gesetzes.
Diese Stelle erwähnt als einen Grund zur Reduktion der
prinzipiell bestehenden Ersatzpflicht den Fall, dass die Ge-
sundheit des Erkrankten „durch seine frühere Gewerbsaus-
übung bereits geschwächt" war. Wie hieraus mit Not-
wendigkeit geschlossen werden muss, will der Gesetzgeber
einen Haftpflichtanspruch auch dann anerkennen, wenn
mehrere Betriebe bei der Erkrankung mitgewirkt haben.
Mit der Bestimmung, dass die Erkrankung erwiesenermassen
und ausschliesslich durch den Betrieb der Fabrik erfolgt
sein müsse, will vielmehr der Art. 3 des Gesetzes nach
anderer Richtung hin eine Schranke ziehen: Nicht die
successive Thätigkeit des Erkrankten in verschiedenen
Betrieben wird darin ins Auge gefasst, sondern seine
Thätigkeit als Arbeiter im gesundheitsschädlichen Fabri-
kationszweige, seine Gewerbsausübung schlechthin, als Ur-
sache seiner Krankheit, im Gegensatze zu andern mög-
lichen Krankheitsursachen, die ausserhalb dieser Thätigkeit
liegen, sei es, dass sie in seinem eigenen Thun oder in
sonstigen Umständen ihren Grund haben. Solche ander-
weitige Krankheitsursachen dürfen nicht vorliegen, wenn die
Haftpflicht Platz greifen soll, d. h. es muss sich um eine
spezifische Berufskrankheit handeln, die sich der Betreffende als
Arbeiter in haftpflichtigen Betrieben zugezogen hat. (Entsch.
vom 29. Januar 1901 i. S. Papierfabrik Biberist c. Kühne.)
62. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
29. April 1889. Eine kantonalrechtliche Bestimmung, wonacli
Eigentum an Liegenschaften nur mit Einivilligung oder nach Be-
friedigung oder Sicherstellung der betreibenden Gläubiger des
Veräusserers übertragen werden darf, ist mit dem Bundes-
gesetz nicht unvereinbar; die Wirkung geschehener Sicherheits-
leistung richtet sich nach kantonalem Recht
115
§ 9 Abs. 1 des luzern. Gesetzes über das Handänderungs-
und Hypothekarwesen vom 6. Juni 1861 lautet: „Die Zu-
fertigung ist die rechtliche Uebertragung des Eigenturas
der erworbenen Liegenschaft mit ihren Rechten und Be-
schwerden. Sie darf erst dann erfolgen, wenn der Ver-
käufer sich ausgewiesen hat, dass — zur Zeit der Visie-
ung des Aufsatzes (§ 4) — auf ihm keine Schuldbe-
treibung haftete, oder dass, wenn dieses der Fall, entweder
Bezahlung oder genügende Sicherheit geleistet worden,
oder die Betreibungsführer ihre Einwilligung zur Fertigung
gegeben haben." In Anwendung dieser Gesetzesbestimmung
war im Jahre 1896 anlässlich einer Liegenschaftsveräusse-
rung zu Gunsten der betreibenden Gläubiger des Ver-
käufers, zu welchen der Kläger B, B. gehörte, Sicherheit
durch eine beim Betreibungsamt Luzern gemachte Baar-
hinterlage geleistet worden, wogegen die betreffenden
Gläubiger in die Eigentumsübertragung an der Liegenschaft
einwilligten. In der Folge wurde die erwähnte Barhinter-
lage neben dem Kläger auoh von andern Gläubigern des
Verkäufers, welche später Betreibung eingeleitet hatten, ge-
pfändet und es entstand Streit über die Rechte an der-
selben; der Kläger nahm, da die übrigen Gläubiger, welche
zur Veräusserung gegen die Leistung der Hinterlage s. Zt.
eingewilligt hatten, sämtlich befriedigt worden zu sein
scheinen, das ausschliessliche Recht in Anspruch, die Hinter-
lage auf Rechnung seiner Forderung zu beziehen, und erhob
in diesem Sinne Klage gegen den Beklagten, welcher seiner-
seits Rechte an der Hinterlage aus späterer Pfändung ab-
leitete. Der Kläger stützte die Klage darauf, dass § 9 des
Hypothekargesetzes lediglich Sicherung der im Momente der
Einreichung des Kaufsaufsatzes betreibenden Gläubiger be-
zwecke« Beide kantonalen Instanzen haben die Klage gut-
geheissen. Auf die Berufung des Beklagten ist das Bundes*
gericht in der Hauptsache wegen Inkompetenz nicht einge-
treten, indem es ausführte: Der Kläger stützt seinen An-
spruch auf § 9 der luzernisohen Hypotbekarordnung ; und
die von den Vorinstanzen zu entscheidende Frage war die,
ob der Kläger auf Grund dieser Bestimmung ein Recht er*
worben habe, und eventuell welches. Der geltend gemachte
Anspruch ist also unzweifelhaft ein Anspruch kantonalen
und nicht eidgenössischen Rechts. Dagegen könnte die
Frage aufgeworfen werden, ob jene Bestimmung überhaupt
gegenüber dem eidgenössischen Recht — dem Schuldbe-
treibungs- und Konkursgesetz — als gültig anzusehen ist.
116
Jene Bestimmung stellt' eine Beschränkung in der Ver-
äusserungsbefugnis desjenigen, gegen den die Schuldbe-
treibung angehoben worden ist, auf; und es könnte nun
argumentiert werden, über derartige Beschränkungen zu be-
stimmen, sei Sache des Betreibungsrechts, da es sich um
eine Wirkung der Betreibung auf die Verfügungsfähigkeit
des Betriebenen handle. Soweit eine derartige Bestimmung
nur als eine betreibungsrechtliohe, prozessuale, aufgestellt
wäre, könnte sie in der That dem eidg. Recht gegenüber
nicht standhalten. Altein das luzern. Recht fasst jene Be-
stimmung als eine solche des Sachenrechtes auf (s. Huber,
Schweiz« Privatreoht III S. 262 f.); und von diesem Ge-
sichtspunkte aus kann nicht gesagt werden, dass sie dem
eidg. Recht widerspreche; sie regelt nach dieser Auffassung
die Frage, unter welchen Voraussetzungen Eigentum an
Immobilien übergehen könne, und diese Frage ist vom kan-
tonalen Recht beherrscht. Dazu kommt' vorliegend noch,
dass gegen die Sicherstellung, die eine Voraussetzung des
Eigentumsüberganges bildet, keine Einsprache erhoben, dass
dieselbe vielmehr geleistet worden ist. Unter diesen Um-
ständen aber hatte einzig der kantonale Richter darüber zu
entscheiden, welche Wirkung dieser Sicherstellung zukomme,
und kann das Bundesgericbt diese Entscheidung nicht über-
prüfen. Damit aber ist die im Prozesse erhobene Haupt-
frage von den kantonalen Instanzen endgültig entschieden.
(Entsch. vom 7. Februar 1901 i. S. Salefsky c. Bauer.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
63. Schadenersatz. Haftpflicht des Geschäfteherrn für
seinen Angestellten. Art. 62 0. R.
Bern. Urteil des App.- und Kass.-Hofes vom 28. Juni 1900 i. S.
Kilian e. Käch.
Der Fuhrhalter Käch verwendete zu seinen Fuhren
häußg den 14-jährigen Knaben F. Weibel. Dieser hatte ein-
mal einen zweispännigen, mit Ziegeln beladenen Wagen das
abschüssige Strässchen zwischen dem Weissenbühlweg und
dem Arbeitsplatz des Baumeisters H. hinunter zu fuhren,
wobei der Wagen in rasche Bewegung geriet. Der dem
Fuhrwerk begegnende Spengler Kilian wollte dein Knaben,
der sich bei den Pferden halten musste, durch Anziehen der
Mechanik helfen, begab sich auf die linke Seite des Wagens,
117
wurde zwischen diesem und einem Haufen Holz einge-
klemmt und starb an den Verletzungen« Seine Ehefrau
klagte gegen Käch, gestützt auf Art. 62 0. R., auf Schaden-
ersatz. Der Appellhof erklärte ein Verschulden des Knaben
Weibel am Unfall als nicht nachgewiesen; damit aber sei
die Haftung des Beklagten gemäss Art. 62 0. R. nicht aus-
geschlossen. Denn, führt er aus:
Nach des Art. 62 Wortlaut wie auch nach dem des
Art. 61 genügt es zu der daselbst vorgesehenen Haftung
für einen Dritten, wenn dieser den Schaden — nach Art.
62 allerdings in Ausübung seiner geschäftlichen Verrieb»
tungen — „verursacht" hat und der für den Schaden Be-
langte den durch das Gesetz umschriebenen Exkulpations-
beweis nicht erbringt. Vom Verschulden des Dritten ist in
Art. 62 wie auch in Art. 61 nicht die Rede, und dass der
Ausdruck „verursacht" in diesen beiden Artikeln in einein
gegenüber dem Wortsinn engeren Sinne gebraucht wäre,
ergiebt sich auch nicht etwa aus dem Zusammenhange dieser
Artikel mit andern Stellen des Gesetzes, was in klarer,
zwingender Weise der Fall sein müsste, damit eine solche
einschränkende Interpretation Platz greifen könnte. Art. 62
statuiert also (wie Art. 61) nicht eine Haftung für fremdes
Verschulden, sondern für eigenes Verschulden, wobei dieses
präsumiert wird (Schneider und Fick, Komm. Anm. 4 und 21
zu Art. 62, ferner die ausführliche Begründung dieses Satzes
von Bieder, in der Zeitschr. für Schweiz. Recht, N. F. V,
S. 346 ff.; Rössel, Manuel du Droit féd. des Obi., p. 107;
Zeerleder, Schweiz. Haftpflichtgesetzgebung, S. 29 f.).
Das Urteil stellt weiter fest, dass der dem Beklagten
obliegende Exkulpationsbeweis misslungen sei und ein Ver-
schulden auf seiner Seite vorliege, darin bestehend, dass er
den Transport einem 14-jährigen Knaben anvertraut habe.
„Laut Dekret des Gr. Rats vom 4. März 1843 über die
Breite der Ladungen und die Führung der Wagen sollen
die Fuhrleute wenigstens 16 Jahre alt sein. Auch abge-
sehen von dieser Vorschrift liegt in der Verwendung des
14-jährigen F. Weibel zur selbständigen Leitung des
fraglichen Transportes ein Verschulden des Beklagten.
Denn die sichere Führung eines Lastfuhrwerks auf so ab-
schüssigem Terrain erfordert nicht nur gewisse Kenntnisse
und eine gewisse Erfahrung, sondern auch Kraft und
Geistesgegenwart, welche Eigenschaften bei einem 14-jähr.
Knaben kaum in genügendem Mass vorhanden sein können."
(Zeitschr. d. Bern. Jur.-Ver., XXZVU S. 107 ff.)
118
64. Verpfändung eines Schuldbriefes, Milverpfändet
sind die seit der Verpfändung verfallenen Zinsen. Art. 205, 213 0. IL
Zttrfcti. Urteil der Appellationskammer des Obergerichte» vom
22. September 1900 i. S. Webrli c. Spar- und Leihkasse Zofingen.
Die Spar- und Leihkasse Zofingen hatte im J. 1898 von
ihrem Darlehensschuldner Weltert einen Schuldbrief iin Be-
trag von Fr. 14,000 zu 4% per 15. Februar verzinslich als
Faustpfand erhalten. Der Briefschuldner C. Wehrli zahlte
vom 7. Mai bis 30. Juni 1899 den ganzen, am 15. Februar
1900 fällig werdenden, Zinsbetrag von Fr. 560 zum Voraus
an Weltert. Im November betrieb die Spar- uud Leihkasse
den letzteren auf Pfandverwertung, erwarb in der Gant vom
17. Januar 1900 selber den Schuldbrief und betrieb den Wehrli
in der Folge für den per 15. Februar 1900 verfallenen Zins.
Wehrli erhob Rechtsvorschlag und, nach der hiegegen ge-
währten Rechtsöffnung, Aberkennungsklage. Beide Instanzen
wiesen ihn ab und schützten das Recht des Schuldbriefinhabers
auf den Zins. Die Appellationskammer motivierte so:
Mit der Urkunde wird auch das in ihr verkörperte
Forder ungerecht von dem gutgläubig erworbenen Faust-
pfandrechte betroffen. Soweit dieses dingliche Recht
reicht, ist der Verpfänder in der Ausübung seines
Forderungsrechtes beschränkt. Nun wird im Schuldbriefe
nicht nur die Kapitalforderung, sondern auch der jeweilen
laufende Zins verkörpert. Ob verfallene Zinsen vom Schuldner
noch geschuldet werden, geht dagegen aus dem Inhalte des
Schuldbriefes nicht hervor (vergi. Ullmer, Komm. No. 1653),
und daher können die zur Zeit der Verpfandung bereits ver-
fallenen Zinsen vom Pfandnexus nicht ergriffen werden. Der
Pfandgläubiger hat aber Kraft seines Pfandrechtes Anspruch
darauf, dass die nach der Verpfändung verfallenden Schuld-
briefzinsen jeweilen an ihn abgeführt werden, natürlich nicht
zum Zwecke der Zahlung an die pfandgesicherte Schuld,
sondern damit der Zinsbetrag als Pfandobjekt diene. Freilich
können die Verpfändungsparteien vereinbaren, dass die
Schuld briefzinsen dem Pfandrechte nicht unterliegen oder
dass sie zur Tilgung der versicherten Schuld verwendet
werden sollen; allein da, wo solche besonderen Verein-
barungen nicht getroffen worden sind, wie im vorliegenden
Falle, erstreckt sich eben der pfandrechtliche Anspruch des
Pfandgläubigers auf die nach der Verpfändung verfallenden
Zinsen, Art. 216 0. R. braucht zur Begründung dieses
Satzes nicht herangezogen zu werden; da diese Gesetzes-
bestimmung sich auf die Verpfändung von Forderungen be-
119
àieht, könnte sie auch nicht direkt auf den Fall der Ver-
pfandung von Schuldbriefen angewendet werden, denn unser
Hypothekarrecht will den Schuldbrief im Verkehre (bei Ver-
äu88erung und Verpfändung) als eine bewegliche Sache be-
handelt wissen und gerade nicht den Regeln über den Verkehr
mit Forderungen (Abtretung und Verpfändung) unterwerfen.
Im vorliegenden Falle hatte die Beklagte, welche im
November 1899 für ihre Forderung die Betreibung auf Ver-
wertung des ihr verpfändeten Schuldbriefes anhob, zweifellos
ein Becht darauf, dass der damals nach dem Inhalte der
Urkunde noch laufende Zins per 15. Februar 1900 bei der
Versteigerung als ausstehend behandelt werde. Sie war mit
Bezug auf diesen Zins gutgläubige Pfandbesitzerin und hatte
als solche das Becht auf die volle Anerkennung des urkund-
lichen Inhaltes des Schuldbriefes. Die Realisierung des
Pfandrechtes konnte daher vollwirksam nur in der Weise er-
folgen, da ss der verpfändete Schuldbrief nach seinem vollen
Inhalte7 d. h. also mitsamt dem laufenden Zinse auf die
Versteigerung gebracht werde. Der Umstand, dass der
Kläger am 19. Dezember 1899, also vor der Versteigerung,
dem Betreibungsamte davon Anzeige machte, dass der
laufende Zins schon im Juni 1899 bezahlt worden sei, konnte
an dem bereits begründeten Ansprüche auf die volle Aner-
kennung des Schuldbriefinhaltes nichts mehr ändern« Die
(zwar bestrittene) Thatsache, dass der Zins schon bezahlt
war, hatte gegenüber dem gutgläubig erworbenen Faust-
pfandrechte der Beklagten ebenso wenig rechtliche Be-
deutung, wie sie die dem gutgläubigen Erwerber eines
Schuldbriefes nach dem Eigentumserwerb mitgeteilte Zahlung
besitzt. Das Gesetz gewährt den unbedingten Schutz des
gutgläubigen Erwerbers und Besitzers, ohne Rücksicht darauf
zu nehmen, ob der zahlende Briefschuldner sich in gutem
oder in bösem Glauben befinde. Dass § 390 priv. G.B. sich
nicht nur auf den gutgläubigen Eigentums-, sondern auch
auf den Pfand-Erwerb bezieht, ist in der Praxis nie be-
zweifelt worden. Vergi, z. B. Ullmers Komm. No. 1280,
Ziff. 1. Der auf den Schuldbriefverkehr ausgedehnte Grund-
satz „Hand wahre Hand" gilt überhaupt sowohl für den
Eigentumserwerb als auch für die Verpfändung (0. R. Art.
205 und 213)."
(Das Bedenkliche dieser Argumentation ist dem Gerichte
nun freilich nicht entgangen, indem es sich selber den Einwurf
macht, dass dem Briefschuldner mit Bezug auf die Zinszahlung
der Schutz fehle, den ihm das Gesetz für Kapitalzahlungen ge-
Ì2Ó
währe, nämlich die Abschreibung auf dem Schuldbriefe und im
Grundbuche, dass er also durch Zinszahlung an seinen Gläubiger
in die Gefahr geraten könne, noch einmal an den Pfandinhaber
zahlen zu müssen. Der darüber hinweg helfen sollende Trost
ist dürftig: „Der Gesetzgeber muss sich der für den Brief-
schuldner gefährlichen Eonsequenzen bewusst gewesen sein, in-
dem er den Schutz des gutgläubigen Erwerbers auf den ganzen
urkundlichen Inhalt, also auch auf die laufende Zinsforderung
ausdehnte (priv. G. B. § 390). 8 Und schliesslich beruhigt es
sich damit, dass der Schuldner eben auf seine Gefahr den Zins
so lange vor Verfall gezahlt habe, da der Pfandinhaber höchstens
verpflichtet gewesen wäre, ihm kurze Zeit vor Verfall eine bezüg-
liche Anzeige zu machen. Es sagt in dieser Hinsicht:)
„Es könnte sich fragen, ob nicht zum Schutze des gut-
gläubigen Schuldbriefschuldners der Satz aufzustellen wäre,
dass der Faustpfandgläubiger, der Anspruch auf die pfand-
rechtliche Verhaftung der laufenden Schuldbriefzinsen machen
will, dein Schuldner davon so rechtzeitig Mitteilung zu
machen habe, dass dieser den Zins bei Verfall an den
Faustpfandgläubiger statt an den Briefgläubiger abführen
könne. Die Rücksicht auf Treu und Glauben im Verkehre
könnten einen solchen Satz wohl rechtfertigen, denn da es
wenigstens hierzulande durchaus nicht üblich ist, dass der
Gläubiger dem Schuldner bei Zinszahlungen den Schuldbrief
vorweist, muss der Faustpfandgläubiger sich der dem
Schuldner drohenden Gefahr bewusst sein; wenn er also von
einem gewöhnlich ebenfalls nicht geltend gemachten Rechte
Gebrauch machen will, so darf ihm wohl eine rechtzeitige
Mitteilung an den Briefschuldner zugemutet werden. Darauf,
dass es einem Schuldner einfallen könne, den Zins schon
Monate vor Verfall zu zahlen, braucht er allerdings nicht
Rücksicht zu nehmen; vielmehr dürfte es genügen, wenn er
die Anzeige kurze Zeit vor Verfall erlässt. Auf diese
Weise wären die Briefschuldner in der Regel, d. h. also
wenn sie den Zins bei Verfall zahlen, ohne von der Ver-
pfandung Kenntnis zu haben, vor der Gefahr doppelter
Zahlung geschützt. Ob sich aber dieser Schutz in der an-
gedeuteten Weise ohne eine entsprechende gesetzliche Vor-
schrift wirklich durchführen liesse, mag im vorliegenden
Falle, in welchem jener Schutz nicht ausreichen würde,
dahingestellt bleiben. In den bereits citierten Präjudikaten
aus Ullmers Kommentar z. priv. G. B. ist die Frage bejaht
worden." (Schweizer Blätter f. h.-r. Eutsch., XIX S. 801 ff
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
65. 0. R. Art. 50 //'. Darin, dass ein Bauunternehmer seinen*
Arbeitern im Interesse geordneten Arbeitsbetriebes, den Besuch der
bei den Werkplätzen errichteten kantinenwirtschaften vertraglich
verbietet* liegt, obschon dadurch die Wirte geschädigt werden, keine
unerlaubte Handlung, da weder eine Vorschrift der allgemeinen*
Rechtsordnung noch ein Privatrecht der Wirte verletzt ist.
(Entsch. vom 26. April 1901 i. 8. «rosai c. Girod.>
66. 0. R. Art. 162 ff., 559. Das gegen einen Solidar-
schuldner ergangene Urteil wirkt, auch hinsichtlich des objektiven
Bestandes der Schuld, nicht gegen die andern. Dagegen wirkt
das gegen die (Kollektiv-) Gesellschaft ergangene Urteil insoweit
auch gegen die einzelnen Gesellschafter, als es auch ihnen gegen-
über die Frage der Schuldpflicht der Gesellschaft zu einer un-
bestreitbaren macht.
Die Ansicht, dass, weil M. und 8. in ihrer Eigenschaft
als ehemalige Gesellschafter belangt werden, das im Prozesse
gegen den einen ergangene Urteil auch für oder gegen den
andern gelten müsse, ist irrig. Es handelt sich hiebei um die
Frage, ob das für und gegen einen Solidarschuldner erlassene
Urteil, soweit es sich auf den Bestand, die Existenz und den
Umfang der Solidarschuld bezieht, objektiv wirke, die Rechts-
kraft sich daher nicht bloss auf die streitenden Parteien,,
sondern auf sämtliche Solidarschuldner erstrecke, also auch
auf diejenigen, welche an dem Prozess nicht teilgenommen
haben. Nun kann aber, nach der in Doktrin und Praxi»
herrschenden, und insbesondere auch in der bandesgericht-
lichen Rechtsprechung anerkannten Ansicht nur den Disposi-
tiven der Civilurteile, dagegen nicht auch den sogenannten
objektiven Entscheidungsgründen derselben (welche Entschei-
dungen über streitig gewordene Rechtsverhältnisse, Einreden,
Repliken u. s. w. enthalten) Rechtskraft beigemessen werden.
Allerdings wird anzunehmen sein, dass die rechtskräftige
Feststellung einer Gesellschaftsschuld gegenüber der Gesell-
10
122
schaft in einem Prozesse, in welchem die Gesellschaft selbst
gemäss der ihr in Art. 559 0. R. eingeräumten Parteifähigkeit
Prozesspartei gewesen ist, auch insoweit gegenüber den Ge-
sellschaftern wirke, als sie auch den Gesellschaftern gegenüber
die Frage, ob die Gesellschaft schulde, zu einer unbestreit-
baren macht (vergleiche § 129 des neuen deutschen Handels-
gesetzbuches; Staub, Kommentar, 6./7. Auflage, Band I S.399
Anm. 16 und 18; Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S.272 f.,
Lehmann-Ring, Kommentar, Band IS. 279). Ein solcher Fall,
beziehungzweiso ein Urteil gegen die ehemalige Gesellschaft
M. und S. liegt indessen hier nicht vor, da der Kläger sowohl
den S. als den M. persönlich als Anteilhaber der bezeichneten
Gesellschaft belangt hat. Demnach ist das Urteil in Sachen
Th. contra S. für den gegenwärtigen Beklagten nicht prä-
judiziell, das Vorhandensein einer Verpflichtung des Be-
klagten weder in dem gegen S. gutgeheissenen Betrage,
noch nur in diesem Betrage festgestellt, vielmehr kann einer-
seits der Kläger die seiner Zeit gegen S. eingeklagte Forderung
auch insoweit gegen M. gerichtlich geltend machen, als er mit
derselben im Prozesse gegen S. abgewiesen worden ist, und
ist anderseits der Beklagte in seinen Einwendungen gegen
die Klage vollständig unbeschränkt. (Entsch. vom 24. Mai
1901 i. S. Thoully c. Marlier.)
67. O.R. Art. 149, 545 f., 882 f., 891.
1. Das Verhältnis der Gesellschafter unter einander
richtet sich bei einer vor dem Inkrafttreten des 0. R. be-
gründeten Gesellschaft, sofern nicht etwa eine stillschweigende
Erneuerung des Gesellschaftsvertrages seit 1. Januar 1883
stattgefunden hat, auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten
des O.R. fortwährend nach altem Rechte; nach diesem be-
urteilt sich also die Frage, ob und welche Vergütung oder
Zinsen die Gesellschafter für ihre Geschäftsführung und Vor-
schüsse zu fordern haben, auch insoweit als es sich um
Leistungen handelt, die seit 1. Januar 1883 erfolgten.
2. Auch insoweit ein Auflösungsgrund der Gesellschaft
(wie Konkurs eines Gesellschafters u. s. w.) eingetreten ist,
läuft die Verjährung der Gesellschaftsklage auf Aushändigung
des Betreffnisses am Gesellschaftsvermögen insolange nicht,
als das Gesellschaftsverhältnis zu Zwecken der Liquidation
fortgesetzt wird. Die Verjährung beginnt hier erst mit Be-
endigung der Liquidation zu laufen. (Entsch. vom 11. Mai 1901
i. S. Grum8er c. Wicki.)
123
68. 0. R. Art. 172 Abs. 2. Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs vom IL Aprü 1889, Art. 271 ff. Bedingte For-
derungen; Gleichstellung derselben mit unbedingten hinsichtlich des
Schutzes bei Gefährdung. Inwieweit ist für solche der Arrest
statthafit
Nach Artikel 172 Abs. 2. 0. R. ist anzuerkennen, class
der bedingt Berechtigte bei Gefährdung seiner Rechte Anspruch
auf die nämlichen Sicherungsmassnahmen zum Zwecke der
Sicherstellung der Erfüllung seiner Forderung hat, welche
dem Gläubiger einer unbedingten Forderung zustehen, dass
also Sicherungsmassnahmen nicht deshalb verweigert werden
dürfen, weil die Forderung eine bedingte (in ihrem Bestände
noch unsichere) ist. Dies gilt von allen Arten der Sicherheit,
speziell auch für den Arrest. Hiebei handelt es sich zwar
nicht um eine materiell emirechtliche Forderung auf Sicher-
heitsbestellung, wohl aber um den Anspruch auf ein pro-
zessuales, dem Zwecke der Sicherstellung dienendes Rechts-
schutzmittel. Ob ein derartiger Anspruch auf Sicherstellung
durch Arrest besteht, ist zunächst an Hand der den Arrest
regelnden Bestimmungen des Schuldbetreibungs- und Eonkurs-
gesetzes zu entscheiden. Nun stellt Artikel 271 dieses Gesetzes
den Grundsatz auf, dass der Arrest unter der Voraussetzung
des Vorhandenseins der /limitativ aufgezählten Arrestgründe
für eine verfallene Forderung verlangt werden könne, und
macht (in Absatz 2) von dem Erfordernisse der Fälligkeit
der Forderung nur dann eine Ausnahme, wenn die Arrest-
gründe Nr. 1 und 2 zutreffen, d. h. wenn der Schuldner keinen
festen Wohnsitz hat, oder wenn er in der Absicht, sich der
Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu entziehen, Vermögens-
gegenstände bei Seite schafft, sich flüchtig macht oder An-
stalten zur Flucht trifft. In diesen letztern Fällen bewirkt
der Arrest gegenüber dem Schuldner die Fälligkeit der For-
derung. Ueber die bedingten Forderungen spricht sich das
Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (im Gegensatze z. B.
zum § 916 Abs. 2 der C. P. 0.) nicht aus. Allein es darf
daraus nicht der Schluss gezogen werden (vergi. Reichel,
Komment, zum Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz [2. Aufl.
des Komment. Weber und Brüstlein], S. 391 Anm. 3), für be-
dingte Forderungen bestehe überhaupt kein Arrestanspruch.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Bestimmungen des
Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes über den Arrest den
allgemeinen Grundsatz des Obligationenrechts (Art. 172
Abs. 3), wonach die bedingten Forderungen mit Bezug auf
Sicherungsmassnahmen den unbedingten gleichzustellen sind»
124
nicht abändern wollten und nicht abgeändert haben. Darnach
sind aber anderseits die bedingten Forderungen den un-
bedingten nur gleichgestellt und nicht bessergestellt als diese.
Es trifft daher auch für die bedingten Forderungen der in
Art. 271 Schuldbetreibungs- und Eonkursgesetz aufgestellte
Grundsatz zu, dass — von den hier nicht in Betracht kommenden
Arrestgründen der Ziffern 1 und 2 abgesehen — nur für fällige
Forderungen der Arrest begehrt werden kann. Mit andern
Worten, es ist für bedingte Forderungen, da diese nicht fallig
sind, der Arrest nur insoweit zulässig, als er es für unbedingte
nicht fällige Forderungen ist. Darnach aber kann vorliegend
von einem Anspruch auf Sicherstellung keine Rede sein, da
auch bei Unbedingtheit der Forderung des Klägers ein solcher
Anspruch des Klägers nicht anzuerkennen wäre. (Entsch. vom
4. Mai 1901 i. 8. Erben Bloch c. Raible.)
69. 0. fi. Art. 184 Abs. 1.
Die Vorschrift des Art. 184 Abs. 2, wonach es zur Wirk-
samkeit des Forderungsüberganges gegenüber dritten Personen
einer schriftlichen Beurkundung der Abtretung bedaif, bezieht
sich lediglich auf die Wirksamkeit des Cessionsaktes, des
abstrakten Rechtsgeschäfts, durch welches der Cessionar ins-
besondere gegenüber dem Schuldner und dritten Personen (zu
welchen übrigens, wie Degenkolb, Zeitschr. f. Schweiz. Recht,
N. F., Bd X S. 275 zutreffend bemerkt, die Erben des Cedenten
nicht gehören) in die Rechte des bisherigen Gläubigers tritt;
sie lässt dagegen die Frage nach der Gültigkeit des dem
Cessionsakt unterliegenden Grundgeschäfts, der materiellen
causa der Forderungsübertragung, unberührt. (Entsch» vom
24. Mai 1901 i. S. Helbling c. Helbling.)
70. 0. fi. Art. 214, 212, 846 ff. Bundesgesvtz über Schttld
betreibung und Konkurs vom IL April 1889, Ait. 193, 197 ff.
Leben sversicherungspoticen sind, auch wenn sie auf Inhaber lauten,
blosse Legitimationspapiere, für deren Verpfändung Art. 215 0. R*
gilt. — Was gehört zur Benachrichtigung des Schuldners von
der Verpfändung einer (einfachen) Forderung t Anwendbarkeit
der Grundsätze des materiellen Konkursrechtes auf die Liquidation
ausgeschlagener Verlassenschaf tm.
A. G. in M. hatte der Klägerin als Sicherheit für eine For-
derung eine Lebensversicherungspolice auf die Lebensversiche-
rungs- und Ersparnisbank in St. übergeben. Am 18. August
125
1900 starb A. G. und ara 27. September 1900 wurde die kon-
kur8amtliche Liquidation seines Nachlasses angeordnet. In-
zwischen, am 25. August 1900, hatte die Klägerin den General-
vertreter der Versicherungsgesellschaft angefragt, welche Schritte
sie „als Inhaberin der Police zur Erhebung der Versicherungs-
summe zu thun habe." Auf dessen Antwort übersendete sie
ihm die gewünschten Belege, indem sie ihn ersuchte, ihr „als
Inhaberin der Police" nach Prüfung der Akten den Ver-
sicherungsbetrag zu übersenden. Am 8. Oktober 1900 forderte
nun aber die Direktion der Lebensversicherungsgesellschaft
die Klägerin auf, ihre Rechte auf die Police nachzuweisen.
Die Klägerin übersendete hierauf mit Brief vom 12. Oktober
beglaubigte Absohrift der Briefe, aus welchen sich die faust-
pfändliche Hinterlage der Police ergebe. In der Folge
wurde in der konkursamtliohen Liquidation des G. 'sehen
Nachlasses vom Konkursamte zwar die Forderung der Klä-
gerin anerkannt, aber deren Pfandrecht bestritten, weil eine
rechts wirksam e Benachrichtigung des Schuldners (der Lebens-
versicherungsgesellschaft) von der geschehenen Verpfändung
nicht stattgefunden habe. Die infolgedessen von der Klägerin
erhobene Klage auf Anerkennung ihres Pfandrechts wurde
in allen Instanzen abgewiesen. Aus den Gründen der bundes-
gerichtlichen Entscheidung ist hervorzuheben:
In erster Linie wird ausgeführt, dass die Lebensversicherungs-
police, wenn sie auch auf den Inhaber laute, doch gemäss dem
Zwecke und der wirtschaftlichen Funktion solcher Policen kein
reines Inhaberpapier, sondern ein blosses Legitimationspapier
«ei, und dass daher ihre Verpfändung gültig nur in der von Art.
215 0. R. vorgeschriebenen Form erfolgen könne. Sodann
wird bemerkt: Für die „Benachrichtigung" des Schuldners
bei der Verpfändung einer (einfachen) Forderung ist eine be-
stimmte Form nicht vorgeschrieben. Dagegen ergiebt sich
sowohl aus dem Wortlaute des Art. 215 O.K., wie auch aus
dem Zwecke der Benachrichtigung, dass der Verpfändende
dem Schuldner von der Thatsache der Verpfändung
Mitteilung zu machen hat. Aus dem Wortlaute folgt dies,
da gesagt ist, der Schuldner müsse „davon," und das kann
in diesem Zusammmenhange nichts anderes heissen als „von
der Verpfändung," benachrichtigt werden. Der Zweck der
Benachrichtigung aber ist (im Gegensatze zur Anzeige, De- .
nunciation, bei der Abtretung, die nicht zum Uebergang der
Forderung auf den Uessionar erforderlich ist, sondern lediglich
dem Schutze des Schuldners dient) der, das Pfandrecht zu
konstituieren; die Benachrichtigung bildet ein wesentliches
126
Moment der Konstituierung des Pfandrechtes. Erfolgt die
Benachrichtigung des Schuldners durch den Pfandgläubiger,
so mu88 sie daher in irgend einer Weise dessen Willen, den
Schuldner als Pfandgläubiger in Anspruch zu nehmen, be-
kunden ; erfolgt sie — was ebenso zulässig ist — durch den
Pfandschuldner (den Verpfander der Forderung), so muss aie
ebenfalls von der Thatsache der Verpfandung Mitteilung
machen. Nach diesen Grundsätzen aber kann nun in der
That im Sôhreiben der Klägerin vom 25. August 190O eine
zur Vollendung der Verpfändung genügende, rechtswirksarne
Benachrichtigung des Schuldners nicht gefunden werden;
sondern es ist mit der Vorinstanz zu sagen, dass die Be-
nachrichtigung erst am 12. Oktober 1900 erfolgte.
In diesem Momente konnte nun aber eine gültige Pfand-
bestellung jedenfalls aus dem Grunde nicht mehr stattfinden,
weil damals schon die konkursamtliche Liquidation über den
Nachlass des Verpfänders eröffnet war. Denn obschon Art.
193 Schuldbetr. und Konk.-Ges., der von der Liquidation einer
ausgeschlagenen Verlassenschaft handelt, nur vorschreibt, diese
Liquidation geschehe unter Beobachtung der im siebenten
Titel (der das Konkursverfahren regelt) enthaltenen Be-
stimmungen durch das Konkursamt, und auf die Bestimmungen
des materiellen Konkursrechtes, wie namentlich auch Art. 197,
nicht Bezug nimmt, kann doch keinem Zweifel unterliegen,
dass die Bestimmung, wonach nach der Konkurseröffnung rechts-
gültige Verfügungen, die die Rechtsstellung der Konkurs-
gläubiger verändern, nicht mehr vorgenommen werden können,
daher insbesondere auch die Bestellung eines Pfandrechts
nach der Konkurseröffnung ungültig ist, auch Anwendung
findet auf die konkursamtliche Liquidation einer ausgeschla-
genen Verlassenschaf r. Da nun die Rechte aus der Lebena-
versicherung8police zum Massagut gehören, und zum mindesten
im Zeitpunkt der Konkurseröffnung ein gültiges Pfandrecht
noch nicht bestellt war, konnte eine wirksame Bestellung
nach jenem Zeitpunkte nicht mehr erfolgen.
Da die Klage jedenfalls aus diesem Grunde abzuweisen
ist, kann die weitere Frage unerörtert bleiben, ob bei der
Liquidation einer ausgeschlagenen Verlassenschaft die Wir-
kungen der Konkurseröffnung zurückzubeziehen seien auf den
Zeitpunkt des Todes des Erblassers, und ob daher die „Be-
nachrichtigung" des Schuldners von der Verpfändung der
Police unter allen Umständen schon zu Lebzeiten des Ver-
pfänders hätte erfolgen müssen, um gültig zu sein. (Entsch. vom
11. Mai 1901 i. S. Papierfabrik Perlen c. Konkursmasse (? übler.)
127
71. O.R. Art. 590 ff., 602, 603, 604, 861, 863.
1. Bei einer aus zwei Personen bestehenden Kommandit-
gesellschaft kann, bei Zustimmung aller Gesellschafter, der
Austritt des Kommanditärs und seine Ersetzung durch einen
neuen Gesellschafter, unter Aufrechthaltung der Identität der
Gesellschaft, gültig vereinbart werden.
2. Wenn der an Stelle des ausgetretenen Kommanditärs»
neu eingetretene Gesellschafter die Kommanditsumme zurück*
gezogen hat, so ist der ausgetretene Kommanditär bei Konkurs
der Kommanditgesellschaft zu Einwerfung der zurückgezogenen
Kommanditsumme in die Masse verpflichtet, jedenfalls dann,,
wenn sein Austritt aus der Gesellschaft nicht im Handels-
register eingetragen und nicht publiziert wurde.
3. Die Beweislast für den Rückzug einer einbezahlten
Kommanditsumme trifft die Gesellschaftsgläubiger. (Entsch*
vom 15. März 1901 i. S. Masse Vuille et Cie c. Mathey.)
72. 0. B. Art. 716, 717. Vereine, wiche die gegenseitige
Unterstützung ihrer Mitglieder in Krankheitsfällen zum Zwecke
haben, sind wirtschaftliche Vereine, welche zur Erlangung des-
Rechts der Persönlichkeit im Handelsregister eingetragen werden
müssen. — Begriff des wirtschaftlichen Vereins.
Der seit Jahren für die Wahlkreise Horgen und Thalweil
bestehende, aber nicht in das Handelsregister eingetragene
Krankenverein Helvetia, welcher die Unterstützung seiner
Mitglieder in Krankheitsfällen bezweckt, klagte gegen die
im Jahre 1899 neugegründete, den gleichen Zweck verfolgende
Genossenschaft „Schweizerische Krankenkasse Helvetia" in
Zürich dahin, diese sei zu verpflichten, in der Bezeichnung
ihres Namens das Wort Helvetia wegzulassen. Die Klage
wurde vom Bundesgericht abgewiesen, wesentlich aus folgenden
Gründen:
Der klägerische Verein macht mit der gegenwärtigen
Klage ein Persönlichkeits- oder Individualrecht geltend»
Erste Voraussetzung der Klage bildet somit, dass er* auch
wirklich Persönlichkeit, d.h. recht lieh anerkannte Individualität
besitze. Diese Frage ist insoweit eine Frage des eidge-
nössischen Rechts und daher der Entscheidung des Bundes-
gerichts unterstellt, als nach dein Bundesgesetz über das
Obligationenrecht einerseits alle korporativ gestalteten privat-
rechtlichen Personenverbände durch Eintragung in das Han-
delsregister das Recht der Persönlichkeit erwerben können,
anderseits bei Personenverbänden mit gemeinsamen Zwecken
128
des wirtschaftlichen Verkehrs die Eintragung für die
Entstehung dieses Hechts schlechthin unerlässlich ist, während
Vereine mit idealen Zwecken auch ohne Eintragung in
<La8 Handelsregister als juristische Personen zu gelten haben,
sofern das kantonale Recht sie als solche anerkennt. Nach
«1er für das Bundesgerioht verbindlichen Entscheidung der
Vorinstanz sind nun, soweit das kantonale züroh. Recht in
Betracht kommt, bei dem klägerischen Verein die Voraus-
setzungen der Rechtspersönlichkeit vorhanden. Da aber dieser
Verein anbestrittenermassen nicht im Handelsregister ein-
getragen ist, mu88 sich fragen, ob er zu derjenigen Kategorie
ron Personenverbänden gehört, deren kraft kantonalen Rechts
bestehende Persönlichkeit auch bundesgesetzlich anerkannt
wird, oder ob es sich bei ihm um einen Personenverband
handle, der kraft eidg. Rechts nur durch Eintragung in
das Handelsregister das Recht der Persönlichkeit erwerben
kann. Diese Krage hängt nach dem Gesagten davon ab, ob
der klägerische Verein sich als wirtschaftlicher Verein, d. h.
-als Personenverband mit gemeinsamen Zwecken des wirt-
schaftlichen Verkehrs, oder aber als Verein für ideale Zwecke
darstelle (Art. 717 Abs. I O. R).
Was nun die Abgrenzung der. beiden Kategorien *on
einander anbelangt, so ist von vorneherein klar, und von der
Vorinstanz zutreffend ausgeführt worden, dass das Kriterium
eines wirtschaftlichen Vereins jedenfalls nicht, wie die Be-
klagte behauptet hat, im Besitz eines Vermögens gefunden
werden kann, denn der Besitz eines Vermögens s chi i esst ja
offenbar nicht aus, dass der Vereinszweck auf die Pflege
idealer Güter gerichtet sei, sondern \at im Gegenteil geeignet,
und teilweise auch, je nach dem betreffenden Gebiete, auf
welchem die idealen Zwecke verfolgt werden, zur wirksamen
Erreichung derselben sogar erforderlich. Ebenso hat die Vor-
instanz mit Recht angenommen, dass sioh ein Personenver-
band auch nicht etwa schon dann ohne weiteres als wirt-
schaftlicher Verein darstelle, wenn er sich irgendwie wirt-
schaftlich bethätigt, insofern nämlich unter wirtschaftlicher
Betätigung überhaupt jede Bethätigung im wirtschaftlichen
Verkehr verstanden wird Das Wesentliche für die
Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und sogenannten
idealen Vereinen, und damit das Kriterium für die Not-
wendigkeit der Eintragung in das Handelsregister Hegt nicht
in der gelegentlichen Bethätigung, sondern in der Zweck-
bestimmung des Personen Verbandes. Solange der Zweck
des Vereins ausschliesslich ein idealer bleibt, bedarf der Verein,
129
sofern das kantonale Recht ihm die Rechtspersönlichkeit ver-
leiht, der Eintragung in das Handelsregister nicht, auch wenn
er in die Lage kommt, Rechtsgeschäfte des wirtschaftlichen
Verkehrs abzuschliessen, wie umgekehrt der Umstand, class
die Bestimmung eines Personenverbandes in der Verfolgung
gemeinsamer wirtschaftlicher Zwecke besteht, schlechthin ge-
nügt, um seine Eintragungspflicht zu begründen, gleichviel ob
der Umfang der thatsächlich stattfindenden wirtschaftlichen
Bethätignng ein grösserer oder geringerer sei.
Es mu8s sich also einzig fragen, ob der Zweck des
klägerischen Vereins innerhalb des Gebietes der Wirtschaft,
der Verfolgung eigener ökonomischer Interessen durch Zu-
sammenwirken der Vereinsgenossen liege, oder ausserhalb
derselben, auf dem Gebiete der idealen Güter des mensch-
lichen Dasei ns, sei es in der Pflege der Nächstenliebe und
Wohlthätigkeit, der Religion, wissenschaftlicher, künstlerischer
oder auch geselliger Bestrebungen. Der klägerische Verein
nun bezweckt nach den Statuten, seine Mitglieder bei Er-
krankungen, Unglücksfällen und im Sterbefall zu unterstützen.
Diesem Zwecke dienen die statutarisch vorgesehenen Ein-
trittsgebühren und die von jedem Mitgliede zu leistenden
monatlichen Beiträge. Der Verein verfolgt hiernaoh nioht
etwa gemeinnützige, ausser den eigenen Interessen, bezw. den
Interessen seiner Mitglieder liegende Zwecke, sondern ledig-
lich Interessen der Mitglieder selbst, und zwar ökonomische.
Wer dem Verein beitritt, will sich gegen die Nachteile, die
Krankheit, Unglücksfälle und der Sterbefall für seine wirt-
schaftliche Situation im Gefolge haben, versichern, und zwar
durch Leistung der statutarisch vorgeschriebenen Geldbeiträge.
Dieser Zweck ist unverkennbar ein rein wirtschaftlicher.
Allerdings sind solche Krankenvereine Institutionen zur
allgemeinen Wohlfahrt, und bedeutet die Unterstützung, die
im einzelnen Falle einem Mitgliede zu teil wird, eine Wohl-
that für dasselbe; allein darum gehören sie noch keineswegs
zu den Körperschaften, welche Art. 716 0. R. im Auge hat
und die Art. 717 cit. in Gegensatz zu den wirtschaftlichen
Vereinen setzt. Wie bereits der Bundesrat in seinem fie-
kursalentscheid vom 2. April 1896 in Sachen der allgemeinen
Krankenkasse der Stadt Biel (Bundesblatt 1896 II. Band,
Seite 857 f.) betont hat, versteht das eidg. Obligationenrecht,
wenn es in Art. 7iü von Vereinen zu „wohlthätigen Zwecken"
spricht, Zwecke reiner Wohlthätigkeit, der Wohlthätigkeit
gegen andere, nach aussen. Bei dem klägerischen Verein,
wie bei den Krankenkassen überhaupt, wird aber dem Ein-
130
zelnen Unterstützung nicht etwa aus Freigebigkeit, aus altru-
istischen Motiven, gewährt; die ihm zukommende Leistung
erfolgt auf Grund des Mitgliedschaftsrechts und ihr steht als
Gegenleistung die Pflicht des Einzelnen zur Zahlung der
Beiträge gegenüber, aus deren Summe die Unterstützungen
bestritten werden. Die Wohlthätigkeit eines solchen Vereins
seinen Mitgliedern gegenüber ist also eine wirtschaftliche
Unterstützung, sie ist Versicherung (s. Bundesrätl. Entscheid
a. a. 0.).
Die Vorinstanz hat nun aber dem klägerischen Verein
die Rechtspersönlichkeit trotz mangelnder Eintragung ins
Handelsregister deshalb zugesprochen, weil sie annahm, unter
wirtschaftlichen Vereinen im Sinne des Art. 717 0. R. seien
nur diejenigen Personenverbände zu verstehen, bei welchen
die wirtschaftliche Thätigkeit nicht bloss nach innen, gegen-
über den Mitgliedern, sondern auch nach aussen hin zur
Geltung komme, die nicht nur gelegentlich in den Verkehr
treten, sondern geradezu einen Geschäftsverkehr mit
Dritten bezwecken. Allein dieser Auffassung kann nicht
beigepflichtet werden. Aus der Fassung des Art. 678 O. R
lässt sich entscheidendes dafür nicht herleiten Und sodann
ergiebt sich aus dem Zusammenhang der Art. 716 und 717
0. II. mit Sicherheit, da ss Art. 717, welcher von der juristischen
Persönlichkeit von wirtschaftlichen Vereinen handelt,
mit dieser letzteren Bezeichnung den Gegensatz zu den in
Art. 716 bezeichneten Vereinen zu idealen Zwecken ausdrücken
will, woraus folgt, dass unter die wirtschaftlichen Vereine
nach Meinung des Gesetzes alle diejenigen zu zählen sind,
deren Zweck überhaupt nicht ein idealer im Sinne des Art.
716, sondern ein wiitsch atti icher ist, ohne Bücksicht auf die
Art und Weise, wie dieser Zweck erreicht wird, ob durch
eigentliche Verkehrsgeschäfte, oder durch auf Gegenseitigkeit
gegründete Versicherung der Mitglieder. (Entsch. vom 3. Mai
1901 i. S. Schweizerische Krankenkasse Helvetia in Zürich c.
Kranken verein „Helvetia" Thal weil und Horgen.)
73. 0. IL Art. 148y 896. Unfallversicherung. Verjährungs-
oder Veiwirkungsfristf — Versicherungsagenten sind in der
Regel nicht befugt, Streitigkeiten mit den Versicherten über die
Zahlungspßicht der Gesellschaft zu ordnen. Die Zahlungsver-
weigerung eines Agenten setzt daher eine mit der Zahlungsver-
weigerung der Gesellschaft beginnende Verwirkungsfrtst nicht in
Lauf.
131
1. C'est à tort que, réformant le prononcé émis sur oe
point par le juge de première instance, la Cour d'appel a
déclaré que l'art. 22 de la police1) fixait un délai de prescription,
que les conventions des parties ne pouvaient modifier le délai
de prescription établi par la loi, et que le délai accordé à W.
pour présenter sa réclamation ne pouvait être que le délai
de dix ans prévu à Part. 148 C. 0. En effet, le Tribunal
fédéral a reconnu déjà dans plusieurs arrêts que — quels
que soient les termes employés par les parties — les dis-
positions du genre de celle de l'art. 22 de la police ne
constituent pas la stipulation d'un délai conventionnel de
prescription, mais bien plutôt des clauses d'échéance limitant
d'emblée quant à la durée le droit de l'assuré de réclamer
une indemnité (Ree. off XVI, page 791; XXII, page 601,
602; XXV, 2m* partie, page 559). En vertue do la jurispru-
dence fédérale, la police liant „ La Cologne " et W. a donc
pu valablement stipuler que toute réclamation contre l'assureur
cesserait d'être efficace six mois après le jour où la société
aurait refusé paiement de l'indemnité réclamée. Le jugement
dont est recours constate, il est vrai, que l'introduction d'une
véritable clause de prescription était plausible pour les con-
trats que „ La Cologne " passait en Allemagne, puisque le
droit allemand permet aux parties d'abréger par convention
les délais de prescription. Mais l'objection soulevée ici par
l'arrêt cantonal ne saurait être considérée comme fondée, vu
que „La Cologne " ne passe pas des contrats d'assurance en
Allemagne seulement et qu'elle entend, sans- aucun doute,
être mise au bénéfice de la clause de déchéance de l'art. 22
dans tous les pays où elle se lie par ses polices.
2. Si donc „La Cologne" réclame à bon droit le béné-
fice du délai de déchéance prévu à l'art. 22 de la police, il
ne s'ensuit nullement pour cela que l'exception fondée par la
compagnie d'assurance sur le dit article doive être accueillie.
C'est avec raison en effet que la Cour cantonale a déclaré
que l'accident B. n'avait pas été examiné par l'assureur con-
formément aux art. 10, 11 et suivants de la police et que la
lettre écrite le 23 avril 1898 par L., agent de „La Cologne,"
à l'avocat C, représentant de W., ne pouvait pas être envi-
sagée comme le refus de paiement prévu à l'art. 22
!) L'art. 62 de la police porte que „toute réclamation contre la société
est prescrite si elle n'a pas été formulée par une demande régulière devant
le juge compétent dans les six mois qui ont suivi le jour où la société a
remis à la poste la déclaration portant refus de payer tout on partie de
l'indemnité réclamée. a
132
En effet, l'art. 22 parle de l'envoi „par la société" de la dé-
claration de refus, et plusieurs autres articles de la police,
qui emploient également le terme de „la société", désignent
manifestement par ce mot l'organe central de la compagnie,
sa direction, à l'exclusion de ses organes secondaires et notam-
ment de ses agents. D'autres articles désignent par contre
en termes précis les agents de la société En doctrine
il est admis au reste que, si même les agents d'une compagnie
d'assurance ont le droit de conclure des contrats au nom de
la société, ces agents n'ont pas pour cela la faculté de li-
quider les différends nés entre l'assureur et l'assuré quant
à l'indemnité due à ce dernier (voir V. Ehrenberg, die
Verantwortlichkeit der Versicherungsgesellschaften für die
Agenten) Il s'en suit qu'un refus de paiement par un
agent n'émane pas de l'organe compétent de la société „La
Cologne" et n'a pu par conséquent ouvrir cours au délai de
déchéance de six mois après l'écoulement duquel, aux termes
de l'article précité, toute réclamation de l'assuré est prescrite.
(Ent8ch. vom 27. April 1901 i.S. Un fall Versicherungsgesellschaft
„La Cologne** c. Winkler- Kummer.)
74. linndesgrselz betreffend die Erfindung spaten te vom
29. Juni lS88t Art 1, 2, 10, 18. Begriff der Erfindung. Die
Gerichte haben im Nichtigkeitsverfahren zu prüfen, ob eine Er-
findung überhaupt vorliege.
P. C, Geschäftsbücherfabrikant in Z., klagte gegen J. M. N.
& Söhne, Bücherfabrikanten in B., auf Nichtigerklärung des
dem Rechtsvorgänger der Beklagten am 11. Oktober 1895 er-
teilten Patentes für Register an Geschäftsbüchern, dessen
„Patentansprüche" folge ndermass en lauten:
1. Register an Geschäftsbüchern, gekennzeichnet durch
an uneingeschnittene Registerblätter befestigte, über den Buch-
schnitt vorstehende Registerbucbstaben.
2. Ausführungsform des unter 1 gekennzeichneten Re-
gisters, bei welcher die Buchstaben behufs Verhinderung des
Einreissens in die Registerblätter doppelteilig und mit oberer
und unterer Verlängerung und zur besseren Debersichtlichkeit
mit abgeschrägter Aussenkante versehen sind.
Der Kläger machte geltend:
Gegenüber dem ersten und Hauptpatentanspruch liege
der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Neuheit der Erfindung,
gegenüber dem Patentanspruch 2 der des Nichtvorhandenseins
133
einer Erfindung, eventuell ebenfalls der mangelnden Neuheit
einer Erfindung vor.
Die Klage wurde sowohl vom Appellations- und Kassations-
Hofe des Kantons Bern als vom Bundesgerichte für begründet
erklärt. In der bundesgerichtlichen Entscheidung wird zunächst
ausgeführt, es könne sich für das Bundesgericht nur noch um
den Patentanspruch 2 und auch um diesen nur insoweit
handeln, als die Registerbuchstaben behufs besserer Ueber-
sichtlichkeit mit abgeschrägter Âussenkante versehen seien,
denn die übrigen, in den Patentansprüchen aufgezählten
wesentlichen Merkmale der Erfindung seien nicht neu, da
nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen
der Yorin8tanz Register mit diesen Eigenschaften längst vor
der Patentanmeldung öffentlich hergestellt worden seien. Das
Bundesgericht, welchem die Prüfung der Frage, ob eine Er-
findung wirklich vorliege, nach dem System des schweizerischen
Patentgesetzes bei der Entscheidung über die Nichtigkeits-
klage allerdings zustehe, habe demnach nicht zu untersuchen,
ob die Patentansprüche 1 und 2 zusammen den Begriff der
Erfindung im Sinne der Bundesgesetze erfüllen würden, sondern
nur, ob die Abschrägung der Âussenkante der Register-
buchstaben sich als eine solche Erfindung darstelle.
Hierüber wird sodann bemerkt:
Eine Erfindung wäre dann vorhanden, wenn zwischen der
patentierten Formgestaltung, der schrägen Abkantung
der Registerlappen, und der Zweckbestimmung, dem Ge-
brauche, des Registers ein Zusammenhang bestände, welcher
ein von dem bisher Bekannten nicht bloss quantitativ, sondern
qualitativ verschiedenes Resultat ergäbe, indem es die
Ueberwindung einer technischen Schwierigkeit enthielte,
welche man bisher entweder gar nicht, oder nur mit andern
Mitteln zu überwinden vermochte (vergi. Kohl er, patentrechtl.
Forschungen, S. 39 f). In Betracht kommt bei solchen Re-
gistern, wenn nicht ausschliesslich, so doch besonders die Er-
leichterung des Auffind ens der Registerbuchstaben (vergi.
Kohler, über die Grenzen des Gebrauchsmusterschutzes in der
Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz, Bd 1, Nr. 6). Nun ist
allerdings anzuerkennen, dass nach den Aussagen der Experten
und Zeugen die patentierte Lappengestaltung eine gewisse
Abweichung von dem bisher Bekannten und Gebräuchlichen
zeigt, und es mag auch angenommen werden (was übrigens
die Vorinstanz, der die Würdigung der Zeugen- und Experten-
aussagen abschliessend zukommt, nicht als erwiesen er-
klärt), dass durch die schräge Abkantung der Buchstaben
134
die Uebersichtliohkeit und dadurch die Handhabung des
Registers, d. h. die Auffindung des einzelnen Buchstabens
etwas erleichtert werde. Allein diese Abweichung bezw. Er-
leichterung ist immerhin von so ausserordentlich minimer Be-
deutung, dass in der Foruiveränderung in Zusammenhang mit
dem Resultate derselben auf den Gebrauch des Registers resp.
der Geschäftsbücher, welchen diese Register beigefügt werden,
keine schöpferische Idee, d. h. keine selbständige eigenartige
Neuerung gegenüber dem bisher Bekannten, erblickt werden
kann, welche durch Ueberwindung einer bisher nicht über-
wundenen Schwierigkeit, die mit dem Gebrauch der bisher
bekannten und benützten Register verbunden gewesen, erzielt
worden wäre. Darin, dass die Benutzung des patentierten
Registers möglicherweise in unbedeutender Weise erleichtert
wird, kann ein durch Ueberwindung einer bisher nicht über-
wundenen technischen Schwierigkeit erzielter technischer
Fortschritt offenbar nicht gefunden werden. Das Resultat der
patentierten Kombination ist im wesentlichen das Gleiche,
wie das der bisher bekannten und benutzten Registerlappen,
und jedenfalls nicht qualitativ von denselben verschieden.
(Entsch. Yom 10. Mai 1901 in S. Neher & Söhne c. Carpentier.)
75. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurt vom
lì. April 1889, Art. 204. Voraussetzungen und Gültigkeit einer
vom Gemeinschuldner nach Konkursausbruch geleisteten Wecksei-
zahlung.
G. B. hat am 23. Januar 1899, nachdem bereits am
16. Dezember 1898 über ihn der Eonkurs ausgebrochen war,
einen von ihm am 18. November 1898 an die Ordre des F. S.
ausgestellten protestierten Eigenwechsel über Er. 3500 bei
der Eantonalbank in B., an welche F. S. denselben gegen
Empfang des Wechsel betrags indossiert hatte, eingelöst; der
Bank war damals die Konkurseröffnung, da sie erst später
publiciert wurde, unbekannt. Die Konkursmasse des ti. B.
forderte nun von F. S. den Wechselbetrag von Fr. 3500 au-
rück. Die Klage wurde vom Bundesgerichte abgewiesen, im
wesentlichen aus folgenden Gründen: Erst, wenn die Zahlung
des Wechselbetrages an die Kantonalbank in B. als unter
die Bestimmung des Art. 204 Abs. 2 Schuldbetr. u. Konk.-Ges.
fallend und somit als gültig erklärt werden muss, kann die
weitere Frage entstehen, ob der Klägerin gegenüber dem
Beklagten ein Anspruch analog dem in der deutschen Konk.-
135
Ordg. § 34 (alt § 27) Abs. 2 normierten zusteht. Die Frage
der Gültigkeit jener Zahlung ist daher in erster Linie zu prüfen.
Nun stellt Art. 204 Abs. 1 den Grundsatz auf, dass Rechts-
handlungen, die der Gemeinschuldner nach der Konkurs-
eröffnung in Bezug auf Vermögensstücke, die zur Konkurs-
masse gehören, vornimmt, den Konkursgläubigern gegenüber
ungültig sind. Dass die hier in Frage stehende Zahlung Be-
zug hat auf Vermögensstücke, die zur Konkursmasse gehören,
kann keinem Zweifel unterliegen, und sie ist daher, gemäss
diesem Grundsatze, als ungültig zu erklären, falls auf sie nicht
die Ausnahmebestimmung des Abs. 2 eod. zutrifft. Diese Be- .
Stimmung stellt eine einzige Ausnahme von dem in Abs. 1
an die Spitze gestellten Grundsatze auf: die Zahlung eines
vom Gemeinschuldner ausgestellten oder auf ihn gezogenen
Wechsels wird, trotzdem sie nach der Konkurseröffnung ge-
macht wird, dann als gültig erklärt, wenn sie erstens geschieht
bei Verfall, wenn sie zweitens erfolgt vor der öffentlichen Be-
kanntmachung des Konkurses, wenn ferner der Wechselinhaber
von der Konkurseröffnung keine Kenntnis hatte, und wenn
endlich der Wechselinhaber im Falle der Nichtzahlung den
wechselrechtlichen Regres* gegen Dritte mit Erfolg hätte aus-
üben können. Diese streng umschriebene Ausnahme vom
allgemeinen Grundsatze der Ungültigkeit der nach der Kon-
kurseröffnung vom Gemeinschuldner vorgenommenen Rechts-
geschäfte erklärt sich einzig aus wechselrechtlichen Grund-
sätzen, nämlich daraus, dass unter gewissen Voraussetzungen
der Wechselinhaber bei Verlust seines Wechselanspruchs gegen
andere Wechselverpflichtete zur Annahme der Zahlung ver-
pflichtet ist. Die Bestimmung hat zum Zwecke, den Wechsel-
inhaber davor zu bewahren, dass einerseits die Zahlung un-
gültig erklärt wird (er sie also zurückerstatten muss), und er
anderseits seinen Regressanspruch verliert. Die Bestimmung
will somit genau dasselbe besagen, wie § 34 (alt § 27) Abs. 1
der deutschen Konkurs-Ordnung, wobei der Umstand, dass sie
sich in dem deutschen Gesetze im Abschnitte über die An-
fechtbarkeit der vor der Konkurseröffnung (aber nach der
Zahlungseinstellung oder nach dem Antrag auf Eröffnung des
Verfahrens) vorgenommenen Rechtshandlungen des Gemein-
schuldners findet, für deren Wesen und Zweck im Vergleich
mit der Bestimmung des eidg. Schuldbetreibungsgesetzes ohne
Bedeutung ist. (Vergi, v. Salis in Reicheis Komment.
Art. 204 Anm. 8; Jäger, Komment. Art. 204 Anra. 11.) Fragt
es sich also, ob die in Frage stehende Zahlung unter die ge-
nannte Ausnahmebestimmung falle, so ist richtig, dass vor-
, L IJI IJjpOP
136
liegend die Zahlung erfolgte vor der öffentlichen Bekannt-
machung des Konkurses, das a ferner der Wechselinhaber von
der Konkurseröffnung keine Kenntnis hatte, und dass er end-
lich im Falle der Nichtzahlung den wechselrechtlichen Regress
gegen Dritte (d. h. gegen den Beklagten) mit Erfolg hätte
ausüben können. Allein der innere Grund, weshalb die ge-
dachte Ausnahmebestimmung getroffen worden ist, trifft auf
die fragliche Zahlung nicht zu: die Kantonalbank war nicht
bei Verlust ihres Regressanspruches gegen den Beklagten ver-
pflichtet, die Zahlung entgegenzunehmen. Denn bei Verfall
war der Wechsel nicht bezahlt worden, und nun hatte die
Kantonalbank den Protest mangels Zahlung unbestrittener-
ina8sen rechtzeitig und in gehöriger Form erheben lassen.
Damit aber hatte sie sich ihr Regressrecht gegen den Be-
klagten gewahrt, und sie konnte also nicht mehr bei Verlust
ihres Regressrechts zur Annahme der Zahlung verbunden sein.
Es handelt sich demnach nicht um eine Zahlung, die geschehen
ist unter den in Art. 204 Abs. 2 vorgesehenen Voraussetzungen;
die Zahlung muss daher nach dem allgemeinen Grundsatz
des Abs. 1 eod. als ungültig erklärt werden. (Vergi." auch
Entsch. d. Reichsgerichts Bd 40, S. 41/43.) Alsdann aber
kann von einem Klagerecht der Klägerin gegen den Beklagten
keine Rede sein und muss die Klage abgewiesen werden.
(Entsch. vom 30. Mai 1901 i. S. Konkursmasse Balsiger c.
Siegenthaler.)
76. Bundesuesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art. 288.
1. Eine Öchuldanerkennung des Gemeinschuldners bleibt
an sich auch gegenüber der Konkursmasse verbindlich. Doch
gehört die Schuldanerkennung zu den Rechtshandlungen,
welche nach Massgabe des Art. 288 cit. anfechtbar sind.
2. Die Benachteiligungs- oder Begünstigungsabsicht im
Sinne des Art. 288 ist gegeben, wenn Schädigung oder Be-
günstigung als die natürliche Folge der Rechtshandlung vom
Schuldner vorausgesehen werden müssen, während nicht er-
forderlich ist, dass Schädigung oder Begünstigung der Zweck
der Handlung gewesen seien. Sie ist daher gegeben, wenn
der Schuldner sich vom Gläubiger durch heftige Vorstellungen
hat bestimmen lassen, für ausgeführte Arbeiten einen über-
setzten, in dieser Höhe nicht wirklich geschuldeten Betrag
anzuerkennen. (Entsch. vom 25. April 1901 i. S. Masse Garcin
c. Borel-Monti.)
131
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
77. Assurance. Prime payée après l'expiration de la police»
Condictio indebiti t Art. 72 C. 0.
Genève« Jugement de la Cour de justice civile du 15 juin 1901
d. 1. c. La Garantie fédérale c. Hermann.
L. Hermann a formé une demande contre La Garantie
fédérale, société d'assurance mutuelle contre la mortalité de»
bestiaux, en restitution d'une prime de fr. 151. 60 payée pour
l'année 1899 — 1900; il prétend que sa police, conclue pour
dix ans le 24 août 1889, avait pris fin le 23 août 1899; que,
par conséquent, il avait payé indûment la prime de 1899 — 1900.
La Garantie fédérale a soutenu qu'en vertu de ses statuts la
police avait été prolongée de cinq ans par tacite reconduc-
tion. Le Tribunal de première instance a condamné la Ga-
rantie fédérale à restituer à Hermann le montant de la prime
de 1899 — 1900. La Garantie fédérale a interjeté appel de ce
jugement pour contravention au tezte de la loi, notamment
de l'art. 72 C. 0. La Cour a débouté Hermann de ses con-
clusions.
Motifs: En condamnant l'appelante à la restitution de
la prime payée, le Tribunal a voulu faire application de
l'art. 72 C. 0. Or, cet article dispose que celui qui a payé-
volontairement ce qu'il ne devait pas, ne peut le répéter qu'à
charge de prouver qu'il a payé parce que par erreur il se
croyait débiteur.
Le Tribunal ne constate pas que Hermann ne fait pas-
cette preuve qui lui incombait. Il fait ainsi abstraction d'une
condition essentielle de l'application de l'art. 72.
D'antre part, bien qu'il doive être admis, comme l'a fait
le premier juge, que le contrat d'assurance n'a pas été re-
nouvelé pour cinq ans, on ne peut pas ne pas admettre que
la compagnie ait été engagée, vis-à-vis d'Hermann, pendant
la nouvelle année pour laquelle il avait payé sa prime. Le
paiement fait par Hermann à la compagnie a donc eu pour
corre8pectif le risque d'assurance couru par celle-ci, qui n'a
fait ainsi aucun profit illégitime.
En condamnant la compagnie à restituer la prime à
Hermann, alors que celui-ci ne faisait pas la preuve exigée
Î>ar l'art. 72 C. 0., le Tribunal a contrevenu au dit article et
'appel est recevable. (La Semaine judiciaire, XXIIT p. 587 88.)
11
78. Verjährung. Sehn Idaher kmnung durch handlungs-
unfähige Personen bewirkt keine Unterbrechung. Art. J54 O. R.
Ztlrtoh. Urteil der Appel lationskammer des Obergerichtes vom
5. Juli 1901 i. S. Konsum verein VVürenliügen c. Frau Huber.
Eine am 3. August 1899 erhobene Klage auf Zahlung
einer von der Mutter der Beklagten eingegangenen Schuld-
verpflichtung wurde von der Beklagten als verjährt bestritten.
Oie Klägerin berief sich für die Unterbrechung der Verjährung
auf eine Anerkennung der Beklagten, die darin liege, dass
sie Vormundschaftsrechnungen über das Vermögen der da-
maligen Gläubigerin, worin diese Forderung aufgeführt war,
in Anwesenheit der Gläubigerin unterschriftlich als richtig
anerkannt habe. Die Beklagte wandte ein, dass sie zu der
Zeit, da sie die zweite (hier einzig in Betracht fallende)
Rechnung unterschrieben habe, am 5. März 1891, schon mit
Heinrich Huber verheiratet gewesen und die Unterschrift
daher für sie nicht verbindlich sei, weil sie unter Vormund-
schaft ihres Ehemannes gestanden habe. Das Gericht schützte
die Beklagte bei ihrer Einrede. Zwar liege, sagt es, in der
Unterzeichnung der Vormundschaftsrechnung an und für sich
eine Schuldanerkennung im Sinne des Art. 154 0. R., aber
die Unterschrift sei wegen Handlungsunfähigkeit nicht ver-
bindlich.
„Es steht fest, dass die Beklagte am 5. März 1891 nicht
handlungsfähig war, da sie sowohl nach § 589 des zürch.
Pr. G.-B. als auch nach § 51 des aarg. bürgerl. Gesetzb.1)
unter der Vormundschaft ihres Mannes stand. Da die Aner-
kennung des Art. 154 0. R. insofern eine Veränderung des
Forderungsrechtes bewirkt, als gemäss Art. 156 mit der durch
sie begründeten Unterbrechung der Verjährung eine neue
Verjährung beginnt, so ist die Anerkennung als ein (einseitiges)
Rechtsgeschäft zu betrachten, durch das allerdings nicht ein
neuer Schuldgrund geschaffen wird, das aber eben eine teil-
weise Aenderung des Forderungsrechtes zur Folge hat. Vergi.
Endemann, Lehrbuch des bürgerl. Rechts, BdI,§91,IIL 1.
Die Anerkennung einer Schuld bewirkt daher nur dann die
Unterbrechung der Verjährung, wenn sie von einer handlungs-
fähigen Person ausgeht. So wenig nun das minderjährige
Kind eine solche Anerkennung rechtswirksam aussprechen
könnte, so wenig kann die Unterschrift der handlungsunfähigen
Ehefrau rechtliche Bedeutung beanspruchen. Vergi, in diesem
l) Der Ehemann ist nämlich zürcherischer Kantonsbürger, das ehe-
liche Domizil befand sich aber damals im Aargau.
139
Sinne auch die Kommentare zutn deutschen bürgert. Gesetzbuch
von Planck und Holder, zu § 208 D. B. G. B. Die Ver-
jährung ist also seit dem Monate Juni 1888 nicht mehr
rechtswirksam unterbrochen worden und deshalb war die
Forderung am 3. August 1899, dem Zeitpunkt der ersten
Klageeinleitung, bereits verjährt."
(Schweizer. Blätter f. h.-r. Entsch., XX S. 227 f.)
79. Kaufvertrag. Rücksendungspflichi des Besteuert
bei Ansichtware innerhalb der vom Verkäufer gesetzten Frist.
Art. 271 0. R.
St. Gallen. Entscheid der Rekurskommission vom 3. August 1900.
Am 18./20. Juli 1899 ersuchte der Buchdrucker B. im
Toggenburg den Verleger À. in Berlin uro Auswahlsendungen
von Feuilletonmaterial und Lesestoff. A. schickte ihm sofort
(21. Juli) „eine hübsche Kollektion von durchweg gutem
Feuilletonmaterial und Lesestoff verschiedenen Genres zu den
angegebenen Honoraren" und fügte dem Begleitschreiben die
Worte bei: „Sie wollen nunmehr unter dem heute gesandten
Ihre nähere Wahl treffen und mir diejenigen Manuskripte,
welche Sie nicht behalten, im Zeitraum bis 30. Dezember d. J.
als abgelehnt unbenutzt zurücksenden. Wenn es nicht
.geschieht, so wird, was bis zu diesem Tage nicht wieder in
meine Hände gelangt, als von Ihnen angenommen angesehen
und nicht wieder zurückgenommen, und wäre Ihr Konto mit
den Honoraren nach Rechnung zu begleichen. Falls Ihnen
die Paketsendung nicht richtig zu Händen kommt, so bitte
ich um sofortige Reklamation, sowie auch, sollten Sie mit
diesen Bedingungen nicht einverstanden sein, um sofortige
Rücksendung."
B. erhob keine Reklamation gegen diese Bedingungen,
liess aber auch die Frist bis Ende Dezember verstreichen;
am 1. Februar 1900 schrieb daher Â. an B., er ersuche ihn,
die mit der Ansichtsendung zugestellte Rechnung im Betrag
von Fr. 413 zu bezahlen. Darauf antwortete B. am 5. Februar,
er schicke ihm Fr. 2 in Briefmarken für das Stück „Bilder
aus Brasilien," das übrige retourniere er als ihm nicht konvenie-
rend. Diese Rücksendung nahm A. nioht an und belangte
den B. auf Zahlung des Gesamtbetrages, Das Bezirksgericht
verurteilte den Beklagten, und dessen Nichtigkeitsbeschwerde
wurde abgewiesen. Er hatte die Niohtigkeit darin finden
wollen, dass das Bezirksgericht Art. 271 angewendet habe,
während doch ein Kauf gar nicht zu stände gekommen sei
140
und sein Schreiben vom 18. /20, Juli 1899 nur die Einladung ent-
halten habe, ihm eine Offerte zu machen, so dass er noch gar
nicht gebunden gewesen sei. Es seien also Art. 3 und folg.
0. R. massgebend, wonach wer einen Antrag nicht ausdrück-
lich ablehnt, deshalb nicht an denselben gebunden sei. Die
Rekurskommission antwortete darauf:
Die vom Rekurrenten B. als verletzt bezeichneten Artikel
des 0. R. sind nicht verletzt. Nachdem B. am 18. /20. Juli
1899 den Rekursbeklagten A. zu einer Auswahlsendung auf-
gefordert hat, war dieser veranlasst und berechtigt, ihm eine
solche zukommen zu lassen. Es besteht daher schon deswegen
zwischen den Parteien nicht dasselbe Geschäfts- und Rechts-
verhältnis, wie zwischen dem Buchhändler und solchen Dritten,
denen er unaufgefordert Ansichtsendungen macht, mit der
Androhung, dass sie als verkauft gelten, falls sie nicht binnen
bestimmter Frist zurückgesandt werden. Es lag auch in der
Natur der Sache und des Geschäftes, dem Empfänger die Auswahl
aus der Sendung nicht auf unbestimmt lange Zeit freizugeben
und sich so der eigenen anderweitigen Verfügung über die Ware
für ebenso lange Zeit zu entäussern, sondern für die Aus-
wahl und für die Rücksendung der nicht zum Ankauf gewählten
Ware eine bestimmte Frist zu setzen, mit deren Ablauf die
bis dahin nicht zurückgesandte Ware als verkauft gelten
solle. Es liegt nichts vor, dass die vom Rekursbeklagten A.
hierfür gesetzte Frist den Geschäftsübungen und den Verkehrs-
bedürfnissen in diesem Geschältszweige nicht angemessen,
dass sie zu kurz gewesen sei, um dem Warenempfänger B.
eine sachgemässe Prüfung der Ware, die Auswahl des zu
behaltenden, die Ausscheidung des zurückzusendenden Materials
und die Bekanntgebung seiner EntSchliessungen zu ermöglichen.
Zudem hat der Rekursbeklagte A. die Ueberlassung der
Sendung zur Auswahl und seine Terminierung für die Auswahl
und für die eventuelle Rücksendung an die Bedingung geknüpft,
falls der Empfänger B. mit diesen Bedingungen nicht ein-
verstanden sei, so verlange er (A.) die sofortige Rücksendung
des ganzen Auswahlmaterials. Zur Stellung dieser Bedingung
war A. gewiss berechtigt und hatte durch sein Geschäfts-
interesse auch alle Veranlassung hierzu, und diese Bedingung
ist vom Rekurrenten B. als Empfänger der Auswahlsendung
stillschweigend angenommen worden.
(Entsch. des Kantonsgerichts des K. St. Gallen im J. 1900, S. 101 ff. Nr. 34.)
141
80. Dienstvertrag. Zeitpunkt der Einklagbarkeil einer
Schadenersatzforderung für widerrechtliche Kündigung. Art 346
Abs. 3 0. R.
Bern. Urteil des App.- and Kass. -Hofes vom 2. November 1900
i. S. Stoll c. Bommer, Rabas & Cie.
Stoll beklagte die Firma Bommer, Rabus & Cie auf
Schadenersatz wegen widerrechtlicher Auflösung des zwischen
den Parteien auf drei Jahre abgeschlossenen Dienstvertrages.
Die Beklagte beantragte Abweisung zur Zeit: auch wenn
Kläger entsohädigungsbereohtigt sein sollte, lasse sich der
Schaden zur Zeit noch gar nicht feststellen, da Stoll bis zum
Ablauf der Dienstzeit eine gleich gute oder sogar bessere
Stelle finden oder auch sterben könnte, und dann aus dem
Vertragsbrüche gar kein Schaden erwachsen wäre. Der An-
spruch sei auch noch gar nicht fällig. Der App.- und Kass,-
Hof verwarf aber diese Einwendung.
Motive: Sobald sich die Beklagte unberechtigter Weise
weigerte, den mit dem Kläger abgeschlossenen Dienstvertrag
weiter zu erfüllen, verwandelte sich der Anspruch des Klägers
auf Vertragserfüllung in einen solchen auf Schadenersatz,
•dessen Klagbarkeit selbstverständlich nicht davon abhängt,
<las8 die Höhe des effektiven Schadens schon dermalen ziffer-
tnässig feststehe. Das letztere wird überhaupt selten der Fall
«ein, und gerade deswegen ist der Richter angewiesen, die
ökonomischen Folgen einer vorzeitigen Auflösung des Dienst-
vertragesunter Würdigung der Umstände und des Ortsgebrauches
nach freiem Ermessen zu bestimmen (Art. 346 Abs. 3 0. R.).
(Zeitschr. d. Bern. Jur.-Ver. XXXVII S. 277.)
81. Contrat d'édition. Droit de traduction. Art.382C.O:
N euch Atel. Jugement du Tribunal cantonal du 15 novembre 1900
<L 1. c. Hoirs Gravard c. Zahn.
A. Gavard et F. Zahn ont conclu un contrat qui stipu-
lait que 0. s'engage à livrer à Z. le manuscrit en langue
française d'une histoire du peuple suisse pendant ces derniers
cent ans et que Z. le fera imprimer et le publiera sous titre
de „La Suisse au XIX* siècle." L'art. 7 du contrat stipule
•que „le manuscrit avec tous les droits qui s'y rattachent,
•spécialement ceux de la propriété littéraire, sont cédés et
transportés par Or. à Z. qui en devient le propriétaire ab-
solu et en a la libre et entière disposition." Ce contrat a
été exécuté de la part des deux contractants. L'ouvrage parut
«n 1898. Après la mort de 6. ses hoirs ont décidé de faire
142
traduire en allemand et en italien „l'Histoire de la Suisse
au XIX* siècle." Zahn s'est opposé à tonte traduction de cet
ouvrage dont il était seul propriétaire. Les hoirs 6. ont fait
valoir que le contrat ne renferme pas môme le mot de tra-
duction et qu'il n'a jamais été question, entre l'auteur et l'é-
diteur, d'une cession du droit de traduction. Le Tribunal can-
tonal a écarté la demande des hoirs G.
Motif: Aux termes de l'art. 382 C. 0., le droit de tra*
flucti on demeure réservé à l'auteur, sauf convention contraire.
Une pareille convention peut exister, sans que l'acte renferme
nécessaire tirent le mot de „traduction,* à la condition que le
trannfert du droit de traduction à l'éditeur résulte d'autres
expressions suffisamment claires. En l'espèce, le manuscrit
était cédé à Zahn avec tous les droits qui s'y rattachent, en
des termes, il est vrai, très généraux, mais il ne semble pas
possible de leur donner une autre signification que celle-ci:
L'auteur transfère à l'éditeur tous les droits résultant de la
propriété littéraire, ce qui comprend le droit de traduction.
(Jugements da Trib. cantonal de Neuchâtel, Y p. 581 sa.)
82, Traité franco- suisse du 15 juin 1869, art. 3.
Election de domicile imposée aux actionnaires par les statuts de
ta société devant tes tribunaux du siège de celle-ci.
(>enè\e. Jugement de la Cour de justice civile du 16 février 1901
ri\ U fi. Diel,
Bunneau, syndic de l'union des créanciers de la faillite
de la Banque d'Escompte de Paris, a formé contre A. Diel
devant le Tribunal de Genève une demande tendant à faire
déclarer exécutoire dans le canton un jugement rendu par le
Tribunal de commerce de la Seine et condamnant Diel à
payer la somme de 2500 fr. pour libération des troisième et
quatrième quarts de dix actions de la Banque d'Escompte de
Paris dont Diel était porteur. Diel a contesté la compétence
du Tribunal français et soutenu que c'est devant les juges
de son domicile, à Genève, que la demande eût dû être
formée. Bonneau expliquait que la contestation était, aux
termes de l'art. 52 des statuts de la société demanderesse,
du ressort exclusif des tribunaux du département de la Seine. —
Le Tribunal de première instance a déclaré exécutoire le
jugement prononcé contre Diel par le Tribunal de la Seine;
il a estimé que, suivant la clause des statuts qui ordonne
aux actionnaires de faire élection de domicile dans le dépar-
tement de la Seine et qui décide qu'à défaut d'élection de
I
143
domicile les notifications seront faites valablement au Parquet
du Tribunal de la Seine, la compétence de ce tribunal était
fondée. — Diel a interjeté appel de ce jugement; il allègue
qu'il a été simple acheteur en bourse des actions au porteur
de la Banque et qu'il ne saurait être engagé par une clause
des statuts de cette société qui aurait pour conséquence de le
distraire de ses juges naturels, que l'action formée contre lui
est purement personnelle et ne dérive point d'une des con-
testations prévues aux statuts ' comme entraînant une modifi-
cation du for, et qu'il n'a jamais été souscripteur d'action»
de la Banque et n'a jamais connu les statuts de cette société,
alors surtout que la clause de l'art. 52 ne figure pas dan»
l'extrait des statuts inséré dans le titre.
La Cour a confirmé le jugement de la première instance,,
en adoptant les motifs de celle-ci et ajoutant:
Diel est actionnaire de la Banque et il a fait acte d'ac-
tionnaire vis-à-vis de la société, alors qu'il a demandé l'é-
change d'actions non libérées contre des actions libérées, et
il importe peu qu'il prétende n'avoir pas eu connaissance de
la clause des statuts de la société qui donne compétence aux
tribunaux de la Seine pour connaître des contestations, car
il ne tenait qu'à lui de la connaître, et sa qualité d'action-
naire entraîne pour lui adhésion aux statuts qui forment la
loi des parties.
L'action en paiement du solde du prix d'une action non
encore libérée constitue bien une créance personnelle, mai»
elle revêt en même temps le caractère d'une contestation
entre la société demanderesse et l'un de ses actionnaires et
l'élection de domicile, prévue aux statuts, a pu être invoquée
contre Diel qui, par cette élection, a donné compétence au
Tribunal de la Seine pour connaître d'une action même per-
sonnelle et mobilière. L'action exercée par le syndic de la
faillite d'une société anonyme contre l'un des actionnaires de
cette société, pour le contraindre à remplir ses devoirs sociaux,
soit à payer le solde du prix de ses actions, revêt au plus
haut degré le caractère d'une contestation entre la société et
un actionnaire, en raison de cette qualité d'actionnaire. L'ar-
ticle 52 des statuts, en prescrivant un for spécial pour les
contestations avec les actionnaires, a eu certainement en vue
des conteslations de la nature de celle qui a été tranchée
contre Diel par le Tribunal de commerce de la Seine.
(La Semaine judiciaire, XXIII p. 170 88.)
1
I. Alphabetisches Sachregister.
Abtretung, von Forderungen, Bedeutung des Erfordernisses schrift-
licher Beurkundung, Nr. 69; Gewährspflicht für den Bestand,
Nr. 31; im Pfändungsverfahren, Nr. 51; an Zahlungsstatt,
Anfechtbarkeit, Nr. 20.
Agenten von Versicherungsgesellschaften, Umfang ihrer Vollmacht,
Nr. 73.
Agenturvertrag, wichtige Aufhebungsgründe, Nr. 8.
Aktiengesellschaft, deliktsunfähig, Nr. 40; Uebernahme der vor der
Gründung fur sie eingegangenen Verpflichtungen, Nr. 13 ; Be-
dingung der Domicilerwählung in den Statuten für die Aktio-
näre verpflichtend, Nr. 82.
Anfechtung eines Vertrags in fraudem creditoruin, Nr. 18, 20;
Benachteilignng8absicht, Nr. 19; von Schuldanerkennungen des
Gern eins chuldner8 durch die Masse, Nr. 76.
Angestellte, Haftpflicht für solche, Nr. 21; A. von Fabriken, Haft-
pflicht für Verschulden nach Art. 50 0. R., Nr. 40.
Anwendbarkeit, eidgenössischen Rechts, auf Schiedsmannsklauseln
in Versicherungsverträgen, Nr. 28; auf Viehhandel, Nr. 37;
betr. Handlungsfähigkeit fur Testameutserrichtung, Nr. 47.
kantonalen Rechts, auf Verlöbnisvertrag, Nr. 3; auf Schaden-
ersatzverpflichtungen aus öffentlich-rochtlicher Obligation, Nr. 4 ;
auf vertragliche Ansprüche aus Liegenschaftskauf, Nr. 29;
auf Verpfändung grundversicherter Forderungen, Nr. 32; auf
Kompensation mit grundversicherten Forderungen, Nr. 36;
auf Gewährleistung bei Viehhandel, Nr. 37; betr. Wirkung
des Eintritts in ein Prozessverhältnis, Nr. 51; betr. Sicher-
heitsleistung für betreibende Gläubiger bei Liegenschaftsver-
äusserung, Nr. 62.
fremden Rechts, betr. Existenz einer ausländischen Gesell-
schaft, Nr. 31.
zeitliche, des 0. R. auf schon vor 1883 bestehende Gesell-
schaften, Nr. 67.
Arglist, des Verkäufers, wiefern in Lieferung wissentlich mangel-
hafter Ware liegend, Nr. 6; gegenüber dem Makler, Nr. 10;
Einrede gegen Wechselklage, Nr. 23.
Arrest, für bedingte Forderungen, Nr. 68.
Arzt, Vertrag mit ihm, Dienstvertrag, Nr. 7; Haftpflicht, Nr* 7;
für seinen Assistenten, Nr. 7.
Ausfall, auf zweiter Gant, Nr. 25.
Au8geschlagene Verlassenschaft, im Konkurswege liquidiert, Nr. 70.
145
Bedingte Forderungen, wiefern durch Sicherungsmassregeln und
Arrest zu schützen, Nr. 68.
Benachrichtigung, des Schuldners von der Verpfändung, Nr. 70.
Bereicherungsklage, Beweislast, Nr. 49 ; aus bezahlter Prämie nach
Erlöschen der Police, Nr. 77.
Berufskrankheiten, bei Haftpflicht, Beweiswürdigung, Nr. 17; bei
Fabrikhaftpflicht, Nr. 61.
Berufung (au das B. Gr.), gegen Hauptnrteile, ergreift von selbst
auch die Zwischenurteile, Nr. 27.
Berufungsfrist, bei Kollokationsstreit über ansgeschlagene Erb-
schaft, Nr. 1.
Betrug, bei Werkvertrag, Nr. 43.
Beweis, des Diebstals bei Vindikation, Nr. 45.
Beweislast, für Verschulden des Arztes, Nr. 7 ; bei Spieleinrede,
Nr. 12; für Selbstverschulden in Haftpflichtfällen, Nr. 16;
des Schuldners für unverschuldete mora, Nr. 30; bei Cession
für Bestand der Forderung, Nr. 31; bei Bereicherungsklage,
Nr. 49; betr. Befugnisse des Gesellschaftsliquidators, Nr. 57;
betr. Rückerstattung bezogener Zinsen oder Gewinns durch
die Eommanditäre, Nr. 58; betr. Regressrecht des Bürgen auf
den Hauptschuldner, Nr. 55; für Rückbezug einer Kommandit-
8umme, Nr. 71.
Bürgschaft, Gläubigerpflicht zu Anzeige der Pfändung des Schuld-
ners an den Bürgen, Nr. 54; gemeinsame Verbürgung, Nr. 54;
Rückgriff des Bürgen auf den Hauptschuldner, Nr. 55.
Cession, s. Abtretung.
Condictio indebiti, s. Bereicherungsklage.
Deliktischer Charakter des Verlöbnisbruches, Nr. 3.
Delikts- oder Vertragsklage? Nr. 21, 29.
Deliktsunfähigkeit von Aktiengesellschaften, Nr. 40.
Dienstvertrag, bei ärztlicher Leistung, Nr. 7 ; wichtige Aufhebungs-
gründe, Nr. 35 ; insbesondere bei Agenturvertrag, Nr. 8 ; Zeit-
punkt der Einklagbarkeit einer Schadenersatzforderung, Nr. 80.
Domicilerwählung der Aktionäre in den Statuten der Aktiengesell-
schaft, Nr. 82.
Ehescheidung, wegen entehrender Strafe, Nr. 15; unzulässig vor
ehelichem Zusammenleben, Nr. 46.
Eigentumsklage, s. Vindikation.
Einrede der Verwirkung bei Haftpflichtversicherung, wem entgegen-
stehend, Nr. 38.
Entscheide, öffentlich-rechtliche, Titel für Rechtsöffnungsbegehren,
Nr. 24.
Erfindungspatente, Begriff der Erfindung, Nr. 74.
Exceptio doli bei Wechselreiterei, Nr. 60.
146
Fabrik- and Handelsmarken, s. Markenschutz.
Fälligkeit der zur Kompensation verstellten Forderung, Nr. 50.
Frist der Berufung, s. Berufungsfrist.
Gant, s. Versteigerung.
Gebrauch, vertraglich vorausgesetzter, einer Ware, Nr. 33.
Geldschulden, Folgen des Verzuges, Nr. 30.
Genossenschaft, Haftpflicht des Vorstands und der Liquidatoren,
Nr. 59.
Gerichtsstand, s. Kompetenz.
Geschäftsherr, Haftpflicht, Nr. 63.
Gesellschaft, Befugnisse des Liquidators, Nr. 57. S. auch Kollektiv-,
Kommandit-, Aktiengesellschaft.
Gestohlene Sachen, Begriff nach 0. R., Nr. 52.
Gewährleistung bei Viehhandel, wieweit unter kantonalem Rechte
stehend, Nr. 37.
Gewährspflicht des Verkäufers für Sachmängel, Nr. 6 ; des Ceden-
ten für den Bestand der Forderung, Nr. 31.
Grundversicherte Forderungen, Verpfändung, unter kantonalem
Rechte stehend, Nr. 32; Kompensation mit solchen, nach
kantonalem Rechte beurteilt, Nr. 36.
Haftpflicht, des Arztes, bei unrichtiger Krankenbehandlung, Nr. 7;
für seinen Assistenten, Nr. 7; des Unternehmers für Brauch-
barkeit des Werkes, Nr. 9; für den Ausfall auf nachfolgen-
der Gant, Nr. 25; aus Fabrikbetrieb, des Fabrikherrn für
Berufskrankheiten, Nr. 17, 61; für Angestellte, Nr. 21, 40,
63; Entschädigungsmaximum, Nr. 40; Höhe der Entschädi-
gung bei Nachlassvertrag, Nr. 41; der Eisenbahnen bei Tö-
tung, Selbstverschulden? Nr. 16, 39. S. auch Schadenersatz.
Haftpflichtgesetz, Verhältnis zum gemeinen Rechte, Nr. 40.
Haftpflichtversicherung, unrichtige Angaben, Verwirkung, Nr. 38.
Handelsregister, Eintragung wirtschaftlicher Vereine, Nr. 72.
Handlungsbevollmächtigter, Umfang der Vollmacht, Nr. 11.
Handlungsfähigkeit für Testamentserrichtung, wieweit nach eidge-.
nössischem Rechte zu beurteilen, Nr. 47.
Haupturteile, Berufung dagegen auch Zwischenurteile ergreifender. 2 7.
Indossamente, zusammenhängende Reihe nötig für Wechselregress,
Nr. 14.
Inhaberpapiere, gestohlene, Vindikation, Nr. 45; wann Legitima-
tionspapiere, Nr. 70.
Jugendliche Personen, Selbstverschulden des Unfalls, Nr. 39.
Kassation, des Bundesgerichtes in Civilsachen, Voraussetzungen,
Nr. 37.
Kauf, in Ratenlieferungen, Rücktritt bei Mängeln einzelner Lie-
ferungen? Nr. 5; Mängelrüge, Nr. 22; Mängel erst im Keime
147
vorhanden, Nr. 34; Prüfung der Ware, wann? Nr. 33; Ge-
währspflicht des Verkäufers, Nr. 6 ; auf Besicht, Fristansetzung,
Nr. 79.
Kausalzusammenhang zwischen Fabrikbetrieb und Erkrankung, Nr. 1 7.
Kaution für Prozesskosten, eines im Auslande wohnenden Schwei-
zers, Nr. 26.
Kollektivgesellschaft, Fortdauer bei Mitgliederwechsel, Nr. 56; Ur-
teil gegen eine K., wieweit wirksam gegen die einzelnen Ge-
sellschafter, Nr. 66.
Kollokationsstreit, Berufungsfrist, Nr. 1.
Kommanditgesellschaft, Anfechtung einer Verpfändung des Kom-
plementars, Nr. 19; Einlagen der Kommanditäre, Nr. 58;
Rückerstattungspflicht derselben, Nr. 58; Ersetzung eines aus-
tretenden Kommanditärs durch einen andern, Nr. 71; Rück-
Ziehung der Kommanditsumme, Nr. 71.
Kompensation, gegen grundversicherte Forderungen nach kanto-
nalem Recht zu beurteilen, Nr. 36; im Konkurse des Schuld-
ners, Nr. 44; Fälligkeit der Forderung, Liquidität, Nr. 50.
Kompetenz des Bundesgerichtes, ausgeschlossen betr. Streit über
Kantion des veräussernden Liegen Schaftseigentümers für be-
treibende Gläubiger, Nr. 62; ausländischer Gerichte infolge
Domicilerwählnng, Nr. 82.
Konkurrenzverbot, Auslegung und Gültigkeit, Nr. 48.
Konknrs, Mietzinsforderung im K., Nr. 53; einer Genossenschaft,
Anspruch der G. gegen ihren Vorstand, Nr. 59.
Konkursschuld oder Massaschnld? Nr. 44.
Iieben8versicherungspolice, Legitimationspapier, Nr. 70.
Legitimationspapiere, auch auf Inhaber lautende Leben s Versiche-
rungspolicen, Nr. 70.
Liegenschaftseigentümer, Veräusserungsbeschränknng gegenüber be-
treibenden Gläubigern, Nr. 62.
Liegenschaftskauf, nnter kantonalem Rechte stehend, Nr. 29.
Liquidation, konkursamtliche, einer ausgeschlagenen Verlassenschaft,
Nr. 70.
Liquidator, einer Gesellschaft, Umfang seiner Befugnis, Nr. 57;
einer Genossenschaft, Haftpflicht wem gegenüber? Nr. 59.
Liquidität der Forderung, zu mora des Schuldners nicht erforder-
lich, Nr. 30; der zu kompensierenden Forderung nicht er-
forderlich, Nr. 50.
Maklerlohn, wann verdient? Nr. 10.
Mängel, von Ratenlieferungen, ob zu Rücktritt vom ganzen Ver-
trage berechtigend? Nr. 5; der Ware, Lieferung trotz Kennt-
nis derselben, ob als dolns des Verkäufers zu betrachten?
Nr. 5 ; der Ware, bei Lieferung erst im Keime vorhanden, Nr. 34.
148
Mängelrüge, ob verspätet? Nr. 22 ; verspätet bei Werkvertrag, Nr. 36.
Markenschutz, für ausländische Marken, Nr. 42.
Massaschuld oder Konkarsschuld? Nr. 44.
Miete einer Wandfläche für Affichen, Nr. 53.
Mietzinse, wieweit im Eonkurse geltend zu machen, Nr. 53.
Wachlassvertrag, Einfluss auf Haftpflichtentschädigung des Nach-
lassschuldners, Nr. 41.
Prämienzahlung nach Erlöschen der Police, Nr. 77.
Prozesskostenkaution eines im Auslande wohnenden Schweizers, Nr. 26.
Prüfung der Ware auf ihre Empfangbark eit, wann? Nr. 33.
Recht, eidgenössisches, kantonales, u. s. w. s. Anwendbarkeit.
Rechtsöflhung auf Grund öffentlich-rechtlicher Entscheide, Nr. 24.
Rechts- und Thatfrage, Nr. 12; bei der Anfechtungsklage, Nr. 19.
Retentionsrecht, an grundversicherten Forderungen, wieweit; Nr. 32.
Rügefrist bei Hausbau, Nr. 36.
Schaden, unmittelbarer ans Lieferung mangelhafter Ware, Be-
griff, Nr. 6.
Schadenersatz, für Erfüllungsverzug bei Verschulden, Nr. 30; ans
fehlerhafter Aufstellung von Telephonstangen, Nr. 2.
s. auch Haftpflicht.
Schiedsgerichts- und Schiedsmän nervertrag, rechtliche Natur, Nr. 28.
Schriftliche Beurkundung der Abtretung, rechtliche Bedeutung, Nr. 69.
Schnldanerkennung, des Gemeinschuldners, Anfechtbarkeit, Nr. 76;
Handlungsunfähiger, Nr. 78.
Schuldbriefverpfändnng, Mitverpfändung verfallener Zinse, Nr. 64.
Selbstverschulden eines Unfalls, jugendlicher Personen, Nr. 39 ; Be-
weis im Haftpflichtprozesse, Nr. 16.
Sichernngsmas8regeln für bedingte Forderungen, Nr. 68.
Solidarschuldner, Urteil gegen einen S. unwirksam gegen den an-
dern, Nr. 66.
Spieleinrede, Beweislast, Nr. 12.
Strafe, entehrende, Begriff (im Ehescheidungsprozesse), Nr. 15.
Teilung des Maklerlohnes bei mehreren Maklern, Nr. 10.
Telephonstange, fehlerhaft aufgestellt, Schadenersatz, Nr. 2.
Testament8errichtnng, Handlungsfähigkeit wiefern nach eidgenös-
sischem Rechte nötig? Nr. 47.
That- und Rechtsfrage, Nr. 12; bei der Anfechtungsklage, Nr. 19.
Uebernahme von Verpflichtungen der Gründer durch die Aktien-
gesellschaft, Nr. 13.
Uebersetzungsrecht, bei Verlagsvertrag, Nr. 81.
Unfallversicherung, Umfang der Vollmacht der Agenten, Nr. 73.
Unsittlicher Vertrag, Nr. 28, 48.
Veräusserungsbeschränkung des betriebenen Liegenschaftseigen-
tümers, Nr. 62.
149
Verbot von Wirtschaften durch einen Bannnternehmer an seine
Arbeiter, Nr. 65.
Vereine, wirtschaftliche, Begrifl, Nr. 72.
Verjährung, bei Haftpflichtklagen, Nr. 61 ; der Gesellschaftsklage,
Beginn, Nr. 67; Unterbrechung erfolgt nicht durch Schuld-
anerkennung Handlungsunfähiger, Nr. 78.
Veijährungs- oder Verwirkungsfrist? bei Unfallversicherung, Nr. 73.
Verlags vert rag, Uebersetzungsrecht, Nr. 81.
Verlöbnisbruch, wann Delikt? Nr. 3.
Verlöbnisvertrag, unter kantonalem Rechte stehend, Nr. 3.
Verpfändung, von Privatvermögen des Komplementärs für eine Ge-
sellschaftsschuld, Nr. 19; grundversicherter Forderungen unter
kantonalem Rechte stehend, Nr. 32; eines Schuldbriefes, Mit-
verpfändung der verfallenen Zinsen, Nr. 64; von Lebensver-
sicherungspolicen, Erfordernisse, Nr. 70.
Verrechnung, s. Kompensation.
Verschulden, bei Verzug, Folgen, Nr. 30.
Versicherung, gegen Unfall, unrichtige Angaben, Folge, Nr. 38;
verspätete Prämienzahlung, Nr. 77.
Versicherungsvertrag, Schiedsmannsklausel, Nr. 28.
Versteigerung, Ausfall auf einer zweiten, Nr. 25.
Vertrags- oder Deliktsklage? Nr. 21, 29.
Verzicht auf Wandelang bei Kauf, Nr. 6.
Verzug des Schuldners, auch ohne Liquidität der Forderung mög-
lich, Nr. 30.
Verzugszinsen,, auch ohne Verschulden des Debitors bei Geld-
schulden zahlbar, Nr. 30.
Viehhandel, Gewährleistung, wieweit unter kantonalem Rechte ste-
hend, Nr. 37.
Vindikation, gestohlener Inhaberpapiere, Nr. 45 ; gestohlener Sachen,
Nr. 52.
Vollmacht des Handlungsbevollmächtigten, Umfang, Nr. 11; des
Agenten in Versicherungen, Nr. 73.
Vorstand einer Genossenschaft, Haftpflicht wem gegenüber? Nr. 59.
Wandelung bei Kauf, Verzicht darauf, Nr. 6.
Wechselklage, Einrede der Arglist, Nr. 23; Einreden, Nr. 60.
Wech8elregress, Voraussetzung, Nr. 14.
Wechselzahlung, nach Konkursausbruch, ob gültig? Nr. 75«
Werkvertrag, Haftbarkeit für Unbrauchbarkeit des Werkes, Nr. 9 ;
verspätete Mängelrüge, Nr. 36; Betrug, Nr. 43.
Zahlungsmittel, übliches, Begriff, Nr. 20.'
Zinse, verfallene, mitverpfändet bei Schuldbriefverpfändung, Nr. 64.
Zwischenurteile, in der Berufung gegen Haupturteile inbegriffen,
Nr. 27.
150
II. Gesetzesregister.
I
. Obligationenrecht
Art.
16
Nr.
48.
Art.
255 ]
Kr.
5.
»
17
»
28. 48.
ff
271
«
79.
»
24
»
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»
338
»?
7. 8.
»
50
»
3. 29. 40. 65.
»
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»
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»
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»
346
ff
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ff
62
»
63.
»
348
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»
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»
2.
»
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»
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ff
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ff
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»
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ff
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«
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»
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»
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*
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»
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ff
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ff
21. 30. 59.
ff
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»
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n
115
»
7. 21.
ff
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»
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ff
117 ff.
»
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ff
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»
11.
n
130
ff
36.
ff
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»
54.
ff
131
8
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ff
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»s
55.
»
136
»
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ff
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»
54.
»
148
ff
73.
ff
512
«
12.
ti
149
ff
67.
ff
524, 544
ff
31.
»
154
»
78.
»
545
«
67.
»
162
ff
66.
ff
552
»
56.
ff
172
ff
68.
ff
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*
66.
»
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ff
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M
564
9
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ff
183
»
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ff
565, 575
ff
56.
»
184
»
69.
ff
580, 582
ff
57.
»
192
»
31.
»
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»
58. 71.
ff
205
»
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ff
591, 596
ff
58.
7»
206
»
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»
600, 601
»
19.
u
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»
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ff
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9
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ff
70.
ff
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ff
71.
ff
213
ff
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»
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ff
58.
ff
214
»
70.
ff
611
ff
57.
»
215
»
32. 70.
ff
623
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13.
ff
224
»
32.
ff
674
ff
59.
ff
231
ff
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»
678
ff
72.
ff
234
ff
5.
»
704,714f
• »
59.
ff
243
ff
5. 6. 33. 34.
»
716 f.
ff
72.
7»
246
ff
22. 33.
ff
755
9
14.
ff
253
»
6.
»
811
9
23. 60.
151
Art. 846 Nr. 70.
Art. 890 Nr. 37.
„ 861, 863 , 71.
, 891 „ 67.
,882 . , 67.
» 896 , 28.
38. 73.
. 888 , 40.
IL Bundesgesetz betreffend die persönliche Handlungs-
fähigkeit, vom 22. Juni 1881.
Art. 1, 3 Nr. 47.
HI. Bundesgesetz betreffend die Feststellung und Beurkun-
dung des Civilstands und die Ehe, vom 24. Christ-
monat 1874.
Art. 29 f.
. 45
Nr. 3.
. 46.
Art. 46 Nr. 15.
. 47 , 46.
und
IV. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik-
Handelsmarken, vom 26. September 1890.
Art. 4, 5, 7 Nr. 42.
V. Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Oesterreich-
Ungarn zum Schutze der Fabrik- und Handelsmarken,
vom 22. Juni 1885.
Art. 1, 2 Nr. 42.
VI. Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente, vom
29. Juni 1888, revidiert den 13. März 1893.
Art. 1, 2, 10, 18 Nr. 74.
VII. Bundesgesetz betreffend die Erstellung von Tdegraphen-
und Telephonlinien, vom 26. Juni 1889.
Art. 1 Nr. 2.
VIII. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn-
und Dampfschiffunternehmungen bei Tötungen und
Verletzungen, vom l.Juli 1875.
Art. 2 Nr. 16. 39. | Art. 11 Nr. 16.
IX. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrik-
betrieb, vom 25. Juni 1881.
Art. 3 Nr.
» 5 „
17.61.
61.
Art. 6 Nr. 40. 41.
* 12 , 61.
X. Bundesgesetz über Organisation der Bundesrechtspflege,
vom 22. März 1893.
Art. 56 Nr. 3. 4.
„57 „ 3. 4. 29.
, 58 „ 27.
. 65 . 1.
Art. 67 Nr. 27.
„ 81 „ 12.
. 89 . 37.
19.
152
XL Bundesgesetz iïber Schuldbetreibung und Konkurs, vom
11. April 1889.
Art. 80
Nr. 24.
Art. 250, Abs.
4 Nr. 1.
» 129
■ 20.
» 271
» 68.
. 131
. »1.
, 285
. 1».
» 143
. 25.
, 287
, 18. 20.
. 193
» 1. 70.
, 288
, 19. 76.
» 197
. 70.
» 289
, 19.
. 204
, 75.
, 293 ff.
. 41.
, 208
, 53.
XII. Internationale Uebereinkunß betreffend Civilprozessrecht,
vom 25. Mai 1899.
Art. 11 Nr. 26.
X1IL Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich
betreffend Gerichtsstandsverhältnisse, vom 15. Juni 1869.
Art. 3 Nr. 82.
III. Register der kantonalen Entscheide.
Zürich. — Nr. 23 (Art. 811 O.K.). — Nr. 26 (Haager üeber-
einkunft Art. 11). — Nr. 44 (Art. 136 0. R.). — Nr. 64
(Art. 205, 213 0. R.). — Nr. 78 (Art. 154 0. R.).
Bern. — Nr. 63 (Art. 62 0. R.). — Nr. 80 (Art. 346 0. R.).
Basel-Stadt — Nr. 25 (Art. 129, 143 B.-G. über Scb. u. K.). —
Nr. 43 (Art. 24 0. R.).
St. Gallen. — Nr. 46 (Art. 45, 47 B.-G. betr. Civilst. u. Ebe). —
Nr. 79 (Art. 271 0. R.).
Graubünden. — Nr. 24 (Art. 80 B.-G. über Seh. und K.).
Aargau. — Nr. 21 (Art. 115 0. R.).
Nenchfttel. — Nr. 81 (Art. 382 C. 0.).
Genève. — Nr. 22 (Art. 246 C. 0.). — Nr. 45 (Art. 206 C. OX
Nr. 77 (Art. 72 C. 0.). — Nr. 82 (Art. 3 Traité franco-suisse
de 1869).
Z.J<r.
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Revue
der
Gerichtspraxis im Gebiete
des
Bnndesmilreehts
XX. Band
Revue
de la
Jurisprudence en matière
de
droit civil fédéral
XX« Volume
Basel
R. Reich, vormals C. Detloffs Buchhandlung
1902.
Revue
der
Gerichtspraxis im Gebiete
des
Budeseivilreehts
XX. Band
Revue
de la
Jurisprudence en matière
de
droit civil fédéral
XX« Volume
Beilage zur Zeitschrift für schweizerisches Recht, neue Folge Band XXI.
Basel
R. Reich, vormals C. Detloffs Buchhandlung
190l>.
MAR 8 1910
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
1. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 53 #., Art 59 ff. Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889, Art. 285 ff.
Wesen und Wirkung der Anfechtungsklage; Streitwertberechnung
bei derselben.
Das Wesen des Anfechtungsanspruches ist dahin zu be-
stimmen, dass der Anspruch nicht auf Ungültigerklärung des
gesamten angefochtenen Rechtsgeschäftes jedem Dritten gegen-
über geht, sondern auf Rückgewäbr dessen, was dem Anfech-
tungskläger (dem einzelnen Gläubiger bezw. der Konkurs-
masse) durch die angefochtene Rechtshandlung entzogen ist
(vergi. Amt. Samml. Bd XXIV, IL T., S. 925; Bd XXVI,
II. T., 8. 213 f., Erw. ö und hier ci ti erte; ferner Reichel, Komm.
Art. 285 Anm. 7 [S. 414]; Seuffert, Konkursprozessrecht,
S. 220; Kohler, Lehrbuch des Konkursrechts, S. 206 ff.);
der Anfechtung8an8pruoh ist also nicht dinglicher, sondern
persönlicher Natur. Bei der Anfechtung im Konkurse nun
dient die Rückgewähr der gesamten Gläubigerschaft; mass-
gebend für den Streitwert ist daher in der That das Interesse,
das die Gläubigerschaft an der Rückgewähr hat. Anders bei
der* Anfechtung ausserhalb des Konkurses, bei bezw. nach der
Pfändung: hier dient die Rückgewähr dem einzelnen Gläubiger,
bezw. den klagenden Gläubigern. Der Anfechtungsanspruch
kann hier nicht mehr wert sein als das Vermögensobjekt,
das gemäss diesem Ansprüche dem anfechtenden Gläubiger
zur Befriedigung dienen soll, da der Gläubiger eben nur bis
zum Betrage des Wertes dieses Objektes Befriedigung aus
demselben erlangen kann. Er kann aber andrerseits, wenn
der Wert der Gläubigerforderung geringer ist als der Wert
jenes Vermögensobjektes, auch nicht einen höhern Wert haben
als die Gläubigerforderung, da der Gläubiger nur bis zum
Betrage dieser Forderung Anspruch auf Befriedigung aus
jenem Objekt hat. Danach ist zur Bestimmung des Streit-
wertes bei der Anfechtung ausserhalb des Konkurses mass-
gebend der Wert des Vermögensobjektes, das gemäss dem
Anfechtungsanspruohe dem anfechtenden Gläubiger zur Be-
friedigung dienen soll, eventuell, wenn der Betrag der Gläu-
bigerforderung unter diesem Werte bleibt, dieser Betrag (vergi,
auch Wach, Handbuch des Civilprozessrechts I, S. 376 bei
Anm. 18). (Entsch. vom 6. Juni i. S. Wicki c. Bürgin.)
2. Bundesgesetz betr. Feststellung und Beurkundung des Civil-
Standes und die Ehe vom 24. Dezember 1874, Art. 46 litt, b, Art
47. Unzulässigkeit der Kompensation wechselseitiger tiefer Ehren-
kränkungen, wenn nur von einem Teile auf Scheidung geklagt
ist Begriff der tiefen Ehrenkränkung. — Berücksichtigung des
Art. 47 ciL, auch wenn derselbe gar nicht, sondern ausschliesslich
Art. 46 lit. b im Prozesse angerufen worden ist.
1. Es geht nicht an, bei beidseitigen Ehrenkränkungen
diese einfach zu kompensieren, woraus folgen musate, dass
eine auf diesen Grund gestützte Scheidungsklage abzuweisen
wäre. Vielmehr muta an sich dann, wenn nur ein Teil wegen
tiefer Ehrenkränkung auf Scheidung klagt und diese Ehren-
kränkungen erwiesen sind, die Klage gutgeheissen werdeu,
ohne dass eine Kompensation, die zur Abweisung des Schei-
dungsbegehrens führen würde, zulässig wäre. Dagegen können
tiefe Ehrenkränkungen von einem Ehegatten nur dann als
bestimmter Scheidungsgrund geltend gemacht werden, wenn
sie für das Aufhören der ehelichen Gemeinschaft kausal ge-
wesen sind, wenn sie dazu geführt haben, dass die Ehegatten
thatsächlich jede eheliche Gemeinschaft aufgehoben haben,
nicht aber dann, wenn die Parteien gewöhnt waren, sich
gegenseitig auf roh este Weise zu beschimpfen, so dass gesagt
werden muss, dass sie diese Beschimpfungen nicht als tiefe
Ehrenkränkungen empfanden, die ihnen die Fortsetzung der
ehelichen Gemeinschaft unmöglich gemacht hätten (vergi.
A. S. XXI S. 766).
2. Auch wenn die Scheidungsklage ausschliesslich auf
Art. 46 litt, b des Civilstandsgesetzes gestützt und der Schei-
dungsgrund des Art. 47 leg. cit. im Prozesse nie angerufen
worden ist, so kann diese letztere Gesetzesbestimmung doch
zur Anwendung gebracht werden. Denn in dem Klageanbringen
liegt wenigstens implicite auch die Behauptung einer tiefen
Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses und es steht ferner
dem Richter im Ehescheidungsprozess eine gewisse weiter-
gehende Üffizial befug nis und ein weitergehendes freies Er*
messen zu als in Civilprozessen vermögensrechtlicher Art.
(Entsch. vom 11. Juli i. S. Eheleute Genhart.)
3. 0. R. Art 48, 127. Verantwortlichkeü des vollmachtlosen
Stellvertreter*.
Quant à l'étendue de la responsabilité du falsus procurator
le Tribunal de céans a déjà été amené à la conclusion que
le texte do l'art. 48, rapproché de Fart. 127 ibidem, — sta-
tuant que celui qui promet le fait d'un tiers est tenu à
des dommages et intérêts en cas d'inexécution de la part
de ce tiers, veut que le falsus procurator soit tenu du
dommage causé à l'autre partie par la nullité du contrat (nega-
tives Vertragsinteresse). Voir arrêt du Tribunal fédéral en
la cause Wagner c. Ineichen, du 25 novembre 1899, Bec.
off. XXV, II* partie, page 258 et suiv., notamment consid.
6, 7 et 8. — Il y a donc lieu de replacer le tiers dans la
situation où il se serait trouvé si le contrat nul n'avait pas
été conclu. (Entsch. vom 1. Juni 1901 i. 8. Jaquet c. Delévaux).
4. 0. R. Art. 50, 62. Die Schadenersatzpflicht aus unerlaubten
Handlungen ist, soweit das kantonale Recht nicht besonders vor-
behalten ist, ausschliesslich durch das eidgenössische Recht nor-
mierL Die eidgenössische RemontenanstaU ist kein gewerblicher
Betrieb.
1. Die Schadenersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen,
mögen diese nun den Thatbestand kantonalrechtlich strafbarer
Delikte erfüllen oder nicht, wird, soweit nicht das Obligationen-
recht selbst das kantonale Recht vorbehält, ausschliesslich
durch das eidgenössische Recht, die Vorschriften der Art. 50
und ff. 0. R., und nicht durch das kantonale Recht beherrscht.
Und zwar gilt dies selbstverständlich in gleicher Weise, ob
der Schadenersatzanspruch für sich allein, im Wege des
Givilprozes8e8, oder in Verbindung mit einer Strafklage im
Adhäsionsverfahren geltend gemacht wird, indem dessen recht-
liche Natur hiedurch völlig unberührt bleibt (vergi. Am ti.
Samml. d. bundesger. Entscheid. Bd XVII, 8. 158 Erw. 2);
§ 128 des aargauischen Baugesetzes, wonach, wenn ein An-
gestellter oder Beauftragter ein strassenpolizeiliches Vergehen
begangen hat, der Meister oder Auftraggeber für den durch
dasselbe gestifteten Schaden haftet, könnte demnach im
vorliegenden Falle1) nur dann zur Anwendung kommen,
]) Es handelte sich am eine Ersatzklage gegen die Eidgenossenschaft
wegen Schadens, der dadurch gestiftet worden war, dass ein von dem Bereiter
Wachtmeister A. geleiteter Dressurwagen der eidgenössischen RemontenanstaU
an ein Baugerüst anfuhr.
wenn das eidgenössische Obligationenrecht dem kantonalen
Gesetzgeber vorbehielte, bezüglich der Haftbarkeit der Eid-
genossenschaft für Schädigungen der in Rede stehenden Art
besondere Bestimmungen zu treffen; dass aber dem eidge-
nössischen Obligationenrecht ein solcher Vorbehalt fremd ist,
braucht nicht weiter erörtert zu werden.
2. Auch Art 62 0. R. ist von der Vorinstanz mit Recht
als nicht anwendbar bezeichnet worden ; denn die Eidgenossen-
schaft ist nicht „Geschäftsherr" des Bereiters A., für dessen
Verhalten sie mit der vorliegenden Klage in Anspruch ge-
nommen wird. Die Remontenanstalt, in welcher A. angestellt
war, ist eine Anstalt zur Förderung des Wehrwesens, speziell
zum Zwecke der militärischen Ausbildung; der Bund betreibt
mit dieser Anstalt kein Gewerbe und unterliegt daher wegen
Schäden, welche Angestellte derselben in Ausübung ihrer
dienstlichen Verrichtungen allfällig verursachten, der in Art.
62 0. R. normierten Verantwortlichkeit nicht. (Entsch. vom
8. Juni 1901 i. S. Aeschbach c. Eidgenossenschaft.)
5. 0. R. Art. 145. Voraussetzungen der Befreiimg des
Schuldners wegen nachträglicher Unmöglichkeit der Erfüllung bei
einer Gattungsschuld.
Der Beklagte J. H. Seh. in Basel hatte am 9./12. Juni
1899 an die Kläger E.B.&Cie in Lyon 1500 Kilo Soie bril-
lantine nach vorgelegtem Muster zu Fr. 7.50 per Kilo, zu
verschiffen im Dezember, verkauft. Er hatte seinerseits das
fragliche Warenquantum von den Streitberufenen R. H. & Cie
gekauft. Die Lieferung erfolgte nicht und zwar, wie der
Beklagte und die Streitberufenen behaupten, deshalb nicht,
weil die Ernte der fraglichen Seide (Kuriwata) in Japan durch
einen Cyklon und durch Ueberschwemraungen vollständig
zerstört worden sei. Der Schadenersatzklage des Klägers
setzten daher der Beklagte und die Streitberufenen die Ein-
rede entgegen, die Leistung sei ihnen ohne ihr Verschulden
unmöglioh geworden. Diese Einrede wurde in allen Instanzen
verworfen und die Klage gntgeheissen. Der bundesgerichtlichen
Entscheidung entnehmen wir: Leistungsgegenstand (in obli-
gatione) war eine bestimmte Quantität (1500 Kilogramm) des,
wenn auch nicht ausschliesslich, so doch jedenfalls wesentlich
nur in Japan vorkommenden Artikels Kuriwata, ohne weitere
Spezialisierung, insbesondere ohne Beschränkung auf die Ware
einer bestimmten Jahreskampagne
Die Schuld, deren Erfüllung unmöglich geworden sein
soll, ist demnach eine Gattungsschuld. Das Obligationenrecht
enthält nun nicht (wie z. 6. das deutsche bürgerliche Gesetz-
buch in § 279) Spezialvorschriften über die nachträgliche Un-
möglichkeit der Erfüllung bei Gattungsschulden, sondern es
gilt dafür lediglich der allgemeine Grundsatz des Art. 145
0. R., dass die Forderung als erloschen gilt, soweit durch
Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine
Leistung unmöglich geworden ist. Aus der Natur der Gat-
tungsschuld folgt aber, dass eine (nachträgliche) den Schuldner
befreiende Unmöglichkeit der Erfüllung bei derselben nicht
leicht eintreten kann. Denn der Umstand, dass diejenigen
individuellen Sachen, welche er zu liefern gedachte, durch
Zufall zu Grunde gingen, befreit den Schuldner einer Gat-
tungsschuld nicht, dieser bleibt vielmehr verpflichtet, sich
rechtzeitig Ersatzware zu verschaffen und diese zu liefern.
Dagegen wird allerdings auch der Schuldner einer Gattungs-
schuld befreit, wenn überhaupt die Leistung aus der ver-
sprochenen Gattung durch von ihm nicht zu verantwortende
Umstände ihm unmöglich geworden ist. Eine blosse, wenn
auch noch so unverschuldete, und noch so empfindliche Er-
schwerung der Erfüllung hingegen befreit den Schuldner nicht ;
derselbe ist eben verpflichtet, alles, was möglich ist und nach
den Grundsätzen der guten Treue erwartet werden kann, zu
thun, um sich den Leistungsgegenstand rechtzeitig zu sichern.
Nun haben die Streitberufenen zum Beweise (durch Er-
kundigung beim schweizerischen Konsulat in Japan) verstellt,
dass die Kuriwataernte 1899/1900 des japanischen Produktions-
gebietes durch einen Typhon und Ueberschwemmungen fast
gänzlich vernichtet worden sei und dass in dieser Kampagne
fast keine Kuriwata aus Japan ausgeführt worden sei; sie
haben im fernem den Beweis duroh Sachverständige dafür
angeboten, dass es in der Zeit vom September 1899 bis Juni
1900 unmöglich gewesen sei, Ersatzware zu finden und zu
kaufen. Diese Beweisanträge der Bemfungskläger sind aber
nicht derart, dass durch eine Beweiserhebung über dieselben
der den Berufungsklägern obliegende Nachweis der zufälligen
unverschuldeten Unmöglichkeit der Erfüllung erbracht werden
könnte. Sie sind hiefür viel zu unbestimmt und vag gefasst.
Die Berufungskläger behaupten nicht, dass die ganze Kuri-
wataernte 1899/1900 durch einen Typhon und Ueberschwem-
mungen zu Grunde gegangen sei, sondern nur, dass die Kuri-
wataernte fast gänzlich vernichtet worden und dass in der
Kampagne 1899/1900 fast keine Kuriwata aus Japan ver-
schifft worden sei. Es ist denn übrigens auch aus den Akten
und den eigenen Vorbringen der Streitbernfenen ersichtlich,
dass keinenfalls die ganze Ernte zu Grunde gegangen sein
kann ; so hat z. B. der Verkäufer der Streitberufenen nach
dem behaupteten verheerenden Typhon eine teilweise Lieferung
von 5 — 10 oder 12 Piculs in Aussicht gestellt. Möchte nun
auch bestätigt werden, dass die Kuriwataernte 1899/1900 fast
gänzlich vernichtet worden sei, so würde dadurch doch nicht
ausgeschlossen, dass die Erfüllung des streitigen Kaufes nichts-
destoweniger möglich blieb, sofern nur die äussersten An-
strengungen hiefür gemacht, auch ausserge wohnliche Be-
mühungen und Opfer nicht gespart wurden, um die überhaupt
disponiblen Warenvorräte zu diesem Zwecke zu verwenden ;
dies um so mehr, als ja nicht unbedingt Ware der Kampagne
1899/1900 geliefert werden musste, sondern auch ältere Ware
geliefert werden konnte, und nun nicht als feststehend anzu-
nehmen ist, dass solche ältere Ware überhaupt nicht mehr zu
erlangen gewesen sei. Die Berufungskläger haben allerdings
zum Beweise durch Sachverständige verstellt, dass es in der
Zeit vom September 1899 bis Juni 1900 unmöglich gewesen
sei, Ersatzware zu finden und zu kaufen. Allein abgesehen
davon, dass dieser Beweisantrag nicht ausdrücklich auch der
Beschaffung älterer Ware erwähnt, so könnte doch von einer
nachgewiesenen eigentlichen Unmöglichkeit der Beschaffung
von Ersatzware nur dann gesprochen werden, wenn solche
überhaupt nicht vorhanden war, wenn daher nicht nur die
sämtliche Ware der Kampagne 1899/1900 zerstört, sondern
auch die ältere Ware überall vollständig aufgebraucht war.
War überhaupt noch, wenn auch vielleicht nicht auf gewöhn-
lichem offenem Markte, zur. Erfüllung taugliche Ware vor-
handen, so lag an sich die Möglichkeit vor, dieselbe, wenn
auch mit erhöhtem Kostenauf wände, für die Erfüllung der
übernommenen Verbindlichkeit zu gewinnen, und es kann
daher von einer nachgewiesenen, vom Schuldner nicht zu ver-
antwortenden Unmöglichkeit der Erfüllung nicht die Bede
sein. Denn nach Gestaltung des vorliegenden Rechtsverhält-
nisses, wo es sich um eine noch nicht im Besitze des Ver-
käufers befindliche Ware handelte, die, wie den Verkäufern
bekannt war oder bekannt sein musste, nur in engen L*ro-
duktionskreisen und in nicht sehr grossen Quantitäten produ-
ziert wird, so dass deren Beschaffung leicht auf Schwierigkeiten
sto8sen konnte, wurde durch einen unbedingten Verkauf der
Ware auf festen Termin hin für den Verkäufer jedenfalls die
Verpflichtung begründet, die äusserste Umsicht und Sorgfalt
aufzuwenden, um sich die von ihm versprochene Ware zu
sichern und dafür weder vermehrte Mühe noch aussergewöhn-
liche Kosten zu scheuen. Die Berufungskläger haben allerdings
auch zum Beweise verstellt, dass ohne das Dazwischentreten
des Typhons und der Ueberschwemmungen die Beschaffung
des verkauften Quantums ohne weiteres möglich gewesen
wäre. Allein es liegt doch bereits nach den gegenwärtigen
Akten und nach den eigenen Vorbringen der Streitberufenen
vor, dass es sich um eine Ware handelte, deren Beschaffung
in grössern Quantitäten, ihrer Natur nach, leicht auf Schwie-
rigkeiten stossen konnte. Nun haben die Beruf ungskläger
weder zum Beweise verstellt, das« die ganze Gattung, aus
welcher zu liefern war, untergegangen sei, noch auch den
Beweis konkreter Thatsachen anerboten, aus denen sich
ergeben würde, dass sie zur Beschaffung der versprochenen
Ware aus der Ernte von 1899/ 1900 oder aus älteren Be*
ständen, die äusserste Mühe und Sorgfalt, ohne Rücksicht auf
die Kosten, aufgewendet haben, und dass nichtsdestoweniger
die Beschaffung der Ware sich als unmöglich erwiesen habe.
Die von ihnen wirklich gestellten Beweisanträge sind zum
Beweise unverschuldeter Unmöglichkeit der Erfüllung untaug-
lich. Demnach ist denn die auf diesen Befreiungsgrund ge-
stützte Einrede zu verwerfen. Denn es ist klar, dass der
Beklagte oder die Streitberufenen sich zu ihrer Exkulpation
nicht etwa einfach darauf berufen können, sie haben auf die
richtige Erfüllung seitens ihrer Vormänner gezählt und zählen
dürfen. (Entsch. vom 7. Juni 1901 i. S. J. Hopf-Schnewlin und
R. Hauser & Cie c. Bavier & Cie.)
6. 0. R. Art. 179 ff. 257 Abs. 2. Liegenschaftskauf; Anwend-
barkeit des kantonalen Rechts auch hinsichtlich des einem solchen
beigefügten Strafgedinges. Liegenschaftskauf undGeseUschaf tsver trag.
Wie die bundesgerichtliche Praxis stets festgehalten hat,
untersteht der Liegenschaftskauf in allen Richtungen, sowohl
bezüglich der allgemeinen als der speziellen, den Kauf be-
treffenden Bestimmungen dem kantonalen Recht (s. À. S. XIII
S. 511 f. E. 4 ff.), und es sind daher auch Strafgedinge, welche
einem Liegensohaftskauf einverleibt sind, um dessen Erfüllung
zu sichern, nach kantonalem und nicht nach eidgenössischem
Rechte zu beurteilen. Ein Vertrag, duroh welchen ein Gesell-
schafter seinen Austritt aus einer Kollektivgesellschaft erklärt
und seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen den verbleibenden
Gesellschaftern gegen Entgelt abtritt, ist aber auch dann
10
kein Liegenschaftskauf, wenn zu dem Gesellschaftsvermögen
Liegenschaften gehören, sondern vielmehr ein Vertrag über
Austritt aus einer Gesellschaft und Auseinandersetzung zwischen
den Gesellschaftern; ein einem solchen Vertrag beigefügtes
Strafgeding untersteht daher dem eidgenössischen Recht.
(Entsch. v. 28. Juni 1901 i.S. Bucher c. Durrer.)
7. 0. R. Art. 627 > 643, 656 Ziff. 4 und 5. Grundsätze für
Aufstellung der Bilanz der Aktiengesellschaften. Der Anschaffungs-
wert ist nur insofern der höchste gesetzlich zulässige Bilanzwert,
als dies für einzelne Gegenstände besonders vorgeschrieben ist,
also insbesondere nicht für Schuldforderungen. Befugnisse der
Generalversammlung hinsichtlich der Bewertung der Bilanzposten.
Recht des Einzelaktionärs auf gesetz- und staiutenmässige Ver-
waltung.
Die Anfechtungsklage gegen die General Versammlung« be-
Schlüsse vom 1. März 1901, wodurch die Bilanz der beklagten
Aktiengesellschaft auf 31. Dezember 1900 genehmigt und über
die Verteilung des danach sich ergebenden Reingewinnes
verfugt wurde, wird wesentlich damit begründet, die von
der beklagten Aktiengesellschaft erworbenen Hypothekartitel
seien, auch soweit sie mit Einschlägen erworben .worden
seien, zu ihrem vollen Nominalwerte in die Aktiven der Bilans
eingestellt worden, während sie, wie nach richtigen Grund-
sätzen kaufmännischer Buchführung, so auch nach dem Gesetz
höchstens zum Anschaffungswerte hätten eingestellt werden
dürfen; werde anstatt des Nominalwertes der Anschaffungs-
wert der Schuldbriefe in die Bilanz eingestellt, so ergebe sich
kein Reingewinn, gegenteils ein Defizit. Der Rechtssatz, dass
die -Schuldbriefe höchstens zum An schaff ungs werte in die
Bilanz dürfen eingestellt werden, kann nun aber zunächst nicht
aus dem dafür in erster Linie angerufenen Art. 656 Ziffer 4
0. R. abgeleitet werden. Art. 656 Ziffer 4 cit. stellt fur
Warenvorräte den Grundsatz auf, dass sie höchstens zum
Kostenpreis, und falls dieser höher als der Marktpreis stehen
sollte, höchstens zu diesem angesetzt werden dürfen. Diese
Vorschrift kann ihrem klaren Wortlaute nach auf Forde-
rungen nicht bezogen werden, denn es ist doch gewiss völlig
unmöglich, den Besitz einer Aktiengesellschaft an Forderungen,
speziell an hypothekarisch versicherten Schuldbriefforderungen
unter der Bezeichnung „ W aren vorrät ea (nach französischem
Text approvisionnements de marchandises) mi tzu verstehen.
Schon aus der Wortverbindung „Warenvorräte" ergiebt sich
11
deutlich, dass das Gesetz dabei nur körperliche Sachen,-
deren Wert in ihrer Substanz selbst liegt, nicht dagegen
Wertpapiere und Forderungen itn Auge hat; es versteht
übrigens überhaupt das Obligationenrecht durchgängig unter
„Waren" nur die körperlichen Handelsobjekte, unter Ausschlugst
von Wertpapieren u. s. w. Richtig ist allerdings, dass der
Verkehr in Schuldbriefen, deren Anschaffung und Veräusserung,
den Hauptgeschäftszweig der beklagten Aktiengesellschaft
bildet und dass also die Schuldbriefe für die beklagte Aktien-
gesellschaft Gegenstand des Handels, also Ware in diesem
Sinne sind. Allein daraus folgt natürlich nicht, dass nun die
für die bilanzmässige Bewertung von Warenvorräten aufge-
stellte Sondervorschrift des Art. 656 Ziffer 4 0. R. auch für
die Bewertung der Schuldbriefbestände gelte, für welche sie
nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes gar nicht autgestellt
ist. Die Regel, dass Warenvorräte höchstens zum Anschaffungs-
werte in die Bilanz eingestellt werden dürfen, ist denn übri*
gens auch keineswegs etwa eine selbstverständliche, die auch
abgesehen von besonderer Vorschrift, sich von selbst ergeben
würde. Noch der vom Justizdepartement vorgelegte Entwurf
des Obligationenrechtes von 1879 hatte diese Bestimmung
nicht enthalten, sondern im Gegenteil, in Ziffer 4 des dama-
ligen dem nunmehrigen Art. 656 entsprechenden Art. 664 be-
stimmt, dass Warenvorräte höchstens zu ihrem derzeitigen
Marktwerte in die Bilanz eingestellt werden dürfen.
Ebensowenig wie auf Art. 656 Ziffer 4 O. R. kann die
Klage auf Art. 656 Ziffer 5 gestützt werden, wonach die
Gesamtsumme der zweifelhaften Posten und die Ge-
samtsumme der vorgenommenen Abschreibungen anzu-
geben sind. Diese Gesetzesvorschrift enthält keine materiell«
Vorschrift darüber, inwieweit Abschreibungen vorgenommen
werden müssen und in welcher Weise zweifelhafte Posten in
die Aktiven der Bilanz eingestellt werden dürfen, sondern
nur die formelle Vorschrift, dass die Gesamtsummen der Ab-
schreibungen und zweifelhaften Posten anzugeben seien. . . .
Auch insoweit das Gesetz besondere Bestimmungen über
die Bewertung einzelner Bilanzposten nicht aufstellt, bestehen
nun allerdings hietür Regeln, die sich aus dem Zwecke der
Bilanzaufstellung ergeben und an welche die Gesellschafts-
organe gebunden sind. Die Bilanz hat, wie in Abs. 1 de*
Art. 656 0. R. besonders betont wird, die Aufgabe, den Ak-
tionären einen möglichst sichern Einblick in die wirkliche
Vermögenslage der Gesellschaft zu gewähren. Die mit der
Aufstellung der Bilanz beauftragten Gesellschaftsorgane sind
12
also (wie dies übrigens den allgemeinen Anforderungen ratio-
nellen und redlichen Geschäftsbetriebs entspricht) verpflichtet,
die Bilanz in einer, der wirklichen Vermögens- und Geschäfts-
lage entsprechenden Weise aufzustellen; sie sind nicht berech*
tigt, Vermögeii8gegenstände in willkürlicher Weise zu be-
werten und danach z. B. non valeurs in der Bilanz als wirkliche
Werte aufzuführen, sondern ihre Pflicht ist vielmehr, die Er-
mittlung des wirklichen Wertes der Vermögensgegenstände
anzustreben und den auf Grund einer solchen Ermittlung
gefundenen wirklichen Wert, nicht einen willkürlichen, der
Wirklichkeit nicht entsprechenden Wertansatz in die Bilanz
einzustellen
Soweit das Gesetz nicht besondere Bewertungsgrundsätze
für einzelne Vermögensobjekte aufstellt, ist dabei festzuhalten,
dass als massgebender Wert derjenige Wert erscheint, den
das betreffende Aktivum als Bestandteil des Gesellschafts-
geschäftes hat. Die Taxation dieses massgebenden Wertes
ist allerdings dem Ermessen der Gesellschaftsorgane, speziell
der Generalversammlung, anheimgegeben, und gegen deren
Taxation, soweit es sich dabei eben um blosse Taxation des
massgebenden wirklichen Wertes handelt, steht dem Einzel-
aktionär ein Einspruchsrecht nicht zu; er muss vielmehr
die von der Generalversammlung als dem massgebenden
Schätzungsorgan vorgenommene Taxation als richtig gelten
lassen, sich, wie in andern Gesellschaftsangelegenheiten, dem
Befinden und Ermessen derselben unterwerfen. Ein Einspruchs-
recht gegen die Taxation der Generalversammlung steht dem
Einzelaktionär nur dann zu, wenn dieselbe sich nicht mehr
im Gebiete vernünftiger Erwägungen der massgebenden Be-
wertungsfaktoren bewegt , sondern willkürliche Ansätze an
Stelle des nach dem Willen des Gesetzes zu ermittelnden
wirklichen Wertes setzt. In diesem Falle ist von der Ge-
sellschaft allerdings das Gesetz verletzt und steht daher, wie
für den Fall einer Schwächung des Grundkapitals, dem Ge-
sellschaftsgläubiger so auch dem Einzelaktionär ein An-
fechtungsrecht zu. Denn der Aktionär besitzt, wie das Bun-
desgericht wiederholt anerkannte, ein Recht auf gesetz- und
etatutenmässige Verwaltung.
Als anfechtbar möchten demnach die angefochtenen Be-
schlüsse z. B dann erscheinen, wenn nachgewiesen oder zum
Beweise verstellt wäre, dass Schuldbriefe erheblichen Nomi-
nalwertes aber zweifelhaftester Güte, wie sie in Zeiten hypo-
thekarischer Krisen so häufig um ganz minime Betrage zu
kaufen sind, von der beklagten Aktiengesellschaft zu mini-
13
malen Preisen angekauft, dagegen zu dem vollen Nominal-
werte in die Aktiven der Bilanz eingestellt worden seien. In
diesem Falle würde es sich allerdings nicht mehr um in den
Grenzen vernünftigen Ermessens sich bewegende Taxation
eines Vermögensobjektes, sondern um die Einstellung eines,
zum mindesten grossen Teils fiktiven Wertes in die Bilanz
handeln. Allein ein derartiger Thatbestand ist vom Kläger
weder nachgewiesen, noch behauptet worden ; er hat sich viel-
mehr auf die Behauptung beschränkt, dass Schuldbriefe mit
Einschlägen gekauft, dagegen zu vollem Nominalwerte in die
Bilanz eingestellt worden seien, während nach dem Gesetze,
gleich wie bei Warenvorräten, höchstens der Anschaffungs-
wert eingesetzt werden dürfe. Dieser Satz folgt aber durch-
aus nicht aus dem dem Obligationenrecht zu Grunde liegen-
den Prinzip, dass die Bilanzaufstellung die Darstellung der
wirklichen Vermögenslage der Gesellschaft zu geben habe.
Richtig ist allerdings, dass das neue deutsche Handelsge-
setzbuch (gleich wie schon die Aktiennovelle von 1884) in
§ 261 Ziffer 1 vorschreibt, dass wie Wertpapiere und Waren,
die einen Börsen- oder Marktpreis haben, so auch andere
Vermögensgegenstände höchstens zu dem Anschaffungs- oder
Herstellungspreis anzusetzen seien, so dass also nach deutschem
Rechte der Standpunkt des Klägers allerdings begründet wäre;
es mögen auch vielleicht, speziell in Betreff der Bilanz der
Aktiengesellschaft, legislative Gründe für denselben sprechen.
Allein dem geltenden schweizerischen Recht ist die Regel,
dass der Anschaffungs wert der höchste zulässige Bilanzwert
sei, als eine allgemeine fremd, und es ist ja auch klar, dass
nicht behauptet werden kann, der wirkliche Wert eines Ver-
mögensgegenstandes, speziell einer Schuldbriefforderung, könne
den Betrag des Anschaffungspreises nicht übersteigen. Im
Gegenteil geht natürlich gerade beim Ankaufe von Schuld-
briefen zur Weiterveräu88erung, der Käufer des Schuldbriefes
gewiss davon aus, dass der von ihm bezahlte Ankaufspreis
den Wert, welchen der Schuldbrief in seinem Geschäfte dar-
stelle, nicht erreiche. Wenn der Kläger behauptet hat, das
Gesetz verlange für die Bilanz der Aktiengesellschaft die
Einsetzung des niedrigsten Wertes, also davon ausgeht, es
dürfe in die Bilanz der Aktiengesellschaft nicht der volle
Wert eingesetzt werden, so ist dies nicht richtig; soweit das
Gesetz nicht Sonderbestimmungen für einzelne Bilanzposten
aufstellt, darf in die Bilanz der Aktiengesellschaft der volle
Wert der Vermögensgegenstände eingesetzt werden. (Entsch.
vom 22. Juni 1901 i. S. Schweitzer o. Hypothekarbank Zürich. r
14
8. Bundesgesetz betr. die Haftpflicht der Eisenbahn- and
Dampfschiffahrt' Unternehmungen bei Tötungen und Verletzungen
vom 1. Juli 1875, Art 2. Begriff des Betriebes.
Der Kläger wurde, während er als Arbeiter des Sägerei-
und Parquetteriegeschäftes fi. & Cie auf der Centralbahnstation
M. mit dem Ausladen eines Wagens Langholz beschäftigt war,
durch Ausgleiten einer der eisernen Stützen des Wagens
verletzt. Seine gestützt auf das Eisenbahnhaftpflichtgesetz
erhobene Entsohädigungsklage wurde abgewiesen vom Ban-
desgericht wesentlich aus folgenden Gründen:
Das Eisenbahnhaftpflichtgesetz, welches grössere Ent-
schädigungen als die beiden Gewerbehaftpflichtgesetze gewährt
und kein Dienstverhältnis zwischen dem Geschädigten und
der Bahn voraussetzt, besitzt andrerseits insofern ein engeres
Anwendungsgebiet, als es gegen die finanziellen Folgen nur
derjenigen Unfälle Schutz gewährt, welche auf die beson-
dern mit dem Schienenverkehr zusammenhängenden Ge-
fahren zurückzuführen sind. Dass der Unfall gerade auf
einem Schienengeleise oder bei der Bedienung eines solchen
Torgekommen sei, ist dagegen nach dem für die Praxis grand-
legenden Urteile des Bundesgeriohtes in Sachen Wepfer c.
Vereinigte Schweizerbahnen (Bd XVI S. 120 ff.) nicht erfor-
derlich; es genügt vielmehr, dass derselbe durch die Eile
veranlasst worden sei, welche die durch den Schienenbetrieb
ermöglichte schnellere Fortbewegung des Rollmaterials mit
sich bringt. Vergi, auch bundesger. Entsch. Bd IV 283, E-
3 und 4; VIII, 92, E. 1 und 3, 795, E. 3; IX, 526, E. 6;
X, 124, E. 2; XVII, 125, E. 2 und 4; XIX, 797, E. 2;
XXI, 778, E. 2.
Demnach würde im vorliegenden Falle die Haftpflicht
der Bahn zwar durch den Umstand nicht ausgeschlossen
werden, dass das Wiederanbringen der eisernen Stützen an
einen Langholzwagen eine Thätigkeit ist, die an und für sich
nicht zum Eisenbahnbetrieb gehört, indem sowohl der Eisen-
bahnbetrieb ohne diese Thätigkeit bestehen könnte, als auch
diese Thätigkeit ebensogut bei Beförderung auf gewöhnlicher
Landstrasse vorkommen kann. Zur Begründung der Eisen-
bahnhaftpflicht würde es vielmehr genügen, wenn das Wieder-
anbringen aus Rücksicht auf den Schienenbetrieb mit
besonderer Eile hätte vorgenommen werden müssen und
der Unfall die Folge dieser Eile gewesen wäre.
War aber keinerlei Eile notwendig und ist ferner so-
gar erwiesen, dass der Unfall durch unnötige Eile ver-
ursacht worden sei, so muss aus diesem zweifachen Grunde
15
erkannt werden, class es sich im vorliegenden Falle nicht am
einen durch'den Eisenbahnbetrieb verursachten Unfall handelt,
und da ss der^Begriff „Betrieb einer Eisenbahn" von der Vor-
instanz richtig aufgefasst worden ist.' (Entsch. vom 6. Juli
i. S. Ruesch c. S. C. B.)
9. Bundesgesetz betr. die Haftpflicht der Eisenbahn- und
Dampfschiffahrt-Unternehmungen bei Tötungen und Verletzungen
vom 1. Juli 1875, Art. 2. 4. Verhältnis dieser Gesetzesbestimmungen
zu einander.
Der Kondukteur F. H. war am 17. Mai 1899 abends
8.25 von seinem Dienstorte Br. ohne jede dienstliche Ver-
anlassung oder Meldung mit Zug Nr. 96 nach Fr. gefahren,
wo er ausstieg und in der Wirtschaft M. zechte. Auf Veran-
lassung des Wirtes M. bestieg er 9.45 den Güterzug Nr. 1099
um nach Br. zurückzufahren. Der Führer dieses Zuges, F. ge-
stattete ihm die Mitfahrt, da er, wie es scheint, voraussetzte,
F. H. sei in dienstlicher Veranlassung nach Fr. gekommen.
In dem Gepäckwagen, in welchem H. mitfuhr, war die Thüre
auf der hintern Seite, wo der Wagen nur ein (damals
aufgeklapptes) Trittbrett besitzt, nicht verschlossen, sondern
nur angelehnt. H. fiel nun während der Fahrt, ohne dass
jemand den Vorgang beobachtet hätte, aus dem Wagen und
wurde getötet. Der Schadenersatzklage der Hinterlassenen
des F. H. setzte die Bahngesellschaft die Einrede entgegen,
H. habe sich mit der Transportanstalt durch unredliche Handlung
oder mit wissentlicher Uebertretung polizeilicher Vorschriften in
Berührung gebracht und habe den Unfall durch eigenes Verschul-
den herbeigeführt. Die kantonalen Instanzen haben die Klage
abgewiesen. Das Bundesgericht dagegen hat die Beklagte für
grundsätzlich, wenn auch infolge konkurrierenden Verschul-
dens des Getöteten nur in reduziertem Masse, haftpflichtig
erklärt. Aus den Gründen ist hervorzuheben:
1. Bei dem Haftbefreiungsgrunde des Art 4 E. H, G. handelt
es sich nur um eine spezielle Anwendung des Grundsatzes,
dass Selbstverschulden des Getöteten oder Verletzten die
Transportanstalt von der Haftpflicht befreit. Es wollte näm-
lich mit der Bestimmung des Art. 4 E. H. G. eine Streitfrage
über den Kausalzusammenhang zwischen Selbstverschulden
und Unfall, die sich in der Rechtsprechung und Doktrin über
das deutsche Reichshaftpflichtgesetz erhoben hatte, positiv
gelöst werden (s, Botschaft des Bundesrates zum E. H. G.
vom 26. Mai 1874, B. Bl. 1874, I, S. 892). Art. 2 und Art. 4
16
E. H. G. stehen danach in dem Verhältnisse zu einander, dass
die erstgenannte Bestimmung (soweit sie sieh auf das Selbst-
verschulden bezieht) die Fälle umfasst, wo das Selbstver-
8cbulden die unmittelbare, direkte Ursache des Todes oder
der Körperverletzung war, Art. 4 dagegen die Fälle des in-
direkten, mittelbaren Kausalzusammenhangs, wobei das Ver-
halten des Getöteten oder Verletzten nur eine der Ursachen,
und zwar nicht notwendig die unmittelbare, direkte Ursache
des Unfalles, war. Es ergiebt sich hieraus zugleich auch, was
als Verursachung im Sinne des Art. 2 E. H. G. anzusehen ist:
Der Begriff des Kausalzusammenhanges ist hier eng, im Sinne
•der unmittelbaren Verursachung, gefasst. Von den Gründen
nun, die Art. 4 E. H. G. als haftbefreiend anführt, fallt vor-
liegend eine verbrecherische Handlung des Getöteten von
vornherein ausser Betracht, und es kann sich nur fragen, ob
sich der Getötete „durch unredliche Handlungen" oder „mit
wissentlicher Uebertretung polizeilicher Vorschriften mit der
Transportanstalt in Berührung gebracht** habe. Es sei nun,
wie des Nähern ausgeführt wird, nicht anzunehmen, dass H.
sich den Zutritt zum Gepäokwagen in Zug Nr. 1099 durch
die falsche Vorgabe, dass er in dienstlicher Stellung nach
Fr. gekommen sei, verschafft habe. Die Annahme der Vor-
instanz, H. habe sich durch unwahre Angaben den Zutritt
zum Gepäckwagen im Güterzug Nr. 1099 erschlichen, muss daher
geradezu als aktenwidrig bezeichnet werden. Eine unredliche
Handlungsweise H. 's könnte demnach nur noch darin gefunden
werden, dass er sich ohne Fahrkarte im Zuge aufhielt. Das
blosse Mitfahren ohne Lösung einer Fahrkarte an sich stellt
sich jedoch noch nicht als unredliche Handlung dar, vielmehr
müssen dazu besondere täuschende Mittel (z. B. Verbergen
im Wagen und dergl.) kommen; die Anwendung derartiger
Mittel durch H. ist aber nicht erwiesen, und jedenfalls hat
er sich nicht durch täuschende Angaben mit der Transport-
anstalt „in Berührung gebracht."
Ist sonach nicht als erwiesen anzunehmen, dass H. sich
durch eine unredliche Handlung den Zutritt zum Güterzug
Nr. 1099 verschafft habe, so ist weiter zu prüfen, ob dies
nicht „mit wissentlicher Uebertretung polizeilicher Vorschrif-
ten" geschehen sei. Je nachdem nun die Begriffe der „wissent-
lichen Uebertretung polizeilicher Vorschriften" und des „sich
in Berührung bringens" enger oder weiter gefasst werden,
ist diese Frage zu verneinen oder zu bejahen. Unzweifelhaft
ist, dass H. in wissentlicher Uebertretung dienstlicher Vor-
schriften von Br. nach Fr. gefahren ist (vergi. Art. 7 der
17
Àllg. Dienstvorschriften für Angestellte der Nordostbahngesell-
schaft vom 1. April 1897). Allein in diesem Verstoss gegen
dienstliche Pflichten lag noch nicht ein „sich in Berührung
bringen" mit der Transportanstalt, welches mit dem nach-
herigen Unfälle in einem derartigen Zusammenhange stünde,
dass es als Ursache, wenn auch als entfernte Ursache, des
Unfalls angesehen werden könnte. . . . Das „sich in Berüh-
rung bringen0 muss einen Bezug haben auf den Unfall, und
darf nicht ohne allen Zusammenhang mit diesem stehen. Das
„sich in Berührung bringen" unter wissentlicher Uebertretung
polizeilicher Vorschriften müsste daher vorliegend geschehen
sein mit Bezug auf den Güterzug Nr. 1099, d. h. den
Zug, in dem sich der Unfall ereignet hat. Das ist nun zwar
an sich der Fall, indem dem H. nicht erlaubt war, einen
Güterzug (und einen Gepäckwagen) zur Fahrt zu benutzen,
da diese Züge und Wagen nicht zum Transport von Personen
bestimmt sind. Allein diese Uebertretung wurde aufgehoben
durch die von F. erteilte Erlaubnis zum Mitfahren (vergi.
Eger, Reichshaftpflichtgesetz, 4. Aufl., S. 136).
2. Treffen nach dem Gesagten die Haftbefreiungsgründe des
Art. 4 E. H. G. überall nicht zu, so ist nunmehr zu untersuchen,
ob dem H. Selbstverschulden zur Last falle in dem Sinne, dass
sein Handeln als unmittelbare, direkte Ursache des Unfalls an-
gesehen werden müsse. ... In dieser Richtung liegen ver-
schiedene Momente in den Akten, die den Schluss darauf
ziehen lassen, ein den Unfall direkt verursachendes Selbst-
verschulden liege vor, und die Möglichkeit eines Zufalls in eine
derartige Ferne rücken, dass der Beweis des Selbstverschuldens
als geleistet angesehen werden kann. Diese Momente liegen
vor allem ini ganzen, disziplinwidrigen Verhalten H.'s selbst.
Dieses ganze Verhalten lässt darauf seh Hessen, dass er seine
Willens- und Geisteskräfte nicht mehr völlig beherrschte: er ver-
lies8 entgegen dienstlicher Vorschrift den Dienstort; zeohte
bei seiner Ankunft in Fr. ; trotzdem er zweimal mit Personen-
zügen hätte zurückfahren können, blieb er in Fr., bis der
letzte Zug, ein Güterzug, ankam ; auch dann verliess er die
Wirtschaft des M. erst auf dessen Aufforderung hin. Wenn man
nun auch nicht annehmen will, H. sei betrunken gewesen, so
deutet doch dieses ganze Verhalten zwingend darauf hin, dass
die Selbstbeherrschung, die Ueberlegung den H. verlassen
hatte. Befand er sich aber in diesem Zustande, so erklärt
sich der Unfall am leiohtesten und natürlichsten daraus, dass
H. entweder aus dem Wagen trat, oder sich an die Thüre
anlehnte und so herausfiel; die Möglichkeit eines rein zu-
18
fälligen Hinausfallens ohne Anlehnen an die Thüre erscheint
danach derartig gering, dass sie gegenüber den andern Wahr-
scheinlichkeiten nicht mehr in Betracht fallen kann. Der
Unfall ist danach in der That auf Selb st verschulden des H.
zurückzuführen.
Allein dieses Verschulden erscheint nicht als die alleinige,
ausschliessliche Ursaohe des Unfalles; vielmehr konkurriert
mit demselben ein Verschulden der Beklagten. Dieses Ver-
schulden der Beklagten besteht darin, dass die hintere Thüre
des Gepäckwagens, worin sich H. befand, nur angelehnt, nioht
verschlossen war. Ohne dieses Moment aber hätte der Unfall
nicht passieren können, so dass auch dieser Umstand als für
den Unfall kausal angesehen werden muss. (Entsch. vom
17. Juli 1901 i. S. Herzog und Genossen c. N. 0. B.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
10. Dommages-intérêts. Dommage causé par des abeilles.
Responsabilité du propriétaire du rucher. Art 50 C. 0.
SevehAtel. Jugement du Tribunal cantonal du 6 février 1901 d. I. c,
Chapuis c. Lienhard.
Lienhard a établi dans son jardin un rucher à proximité
de la route cantonale. Les ruches sont installées derrière une
haute palissade en planches posée sur le mur du jardin, de
sorte que les passants sur la route ne peuvent pas voir le
rucher. Le 13 juillet 1900, un domestique de Chapuis effec-
tuant un voiturage de pierres laissa, pendant qu'il s'acquit-
tait d'une commission sur l'emplacement des pierres, son at-
telage sur la route devant le mur du jardin où se trouve le
rucher. A son retour, le domestique vit que les abeilles sur-
excitées par la température très chaude de la journée et peut-
être aussi par l'odeur de la transpiration du cheval, se met-
taient à voler autour de celui-ci et à le piquer. Il réussit arec
beaucoup de peine à dételer le cheval et à remmener. Mais
malgré les soins qui furent donnés au cheval, il périt le jour
suivant, succombant aux blessures que lui avaient occasion-
nées les piqûres de milliers d'abeilles. Chapuis actionna Lien-
hard en paiement de 1000 fr. valeur du cheval. Le Tribunal
lui alloua 760 fr., somme estimée suffisante en l'absence d'une
estimation.
19
Motifs: En premier lieu le Tribunal constate que, dans
les circonstances de la cause, le domestique de Chapuis n'a
commis aucune faute. Puis il continue:
La faute commise par le défendeur n'est pas celle d'un
défaut de surveillance. Mais il a eu le tort de choisir pour
l'emplacement de son rucher dans son jardin un point trop
rapproché de la voie publique. Cette trop grande proximité
de la route cantonale peut devenir pour les passants une
cause de danger et d'insécurité. Le oas actuel n est pas isolé.
Le demandeur a donc commis l'imprudence de ne pas isoler
suffisamment ses ruches, mais de les placer trop près de la
voie publique. Pour ce fait, il doit une indemnité aux per*
sonnes qui, sans faute de leur part, sont victimes de cet état
de choses qu'il a créé dans son intérêt particulier et pour
en retirer un avantage pécuniaire.
(Ree. des jugement» du Tribunal cantonal de Neuchâtel, VI p. 52 88.)
11. Imitation d'une marque de fabrique sur enseigne,
papiers de commerce etc. Violation de la loi fédérale sur
les marques de fabrique ou bien acte de concurrence déloyale régi
par l'art. 60 ss. C. 0.?
Genève. Arrêt de la Cour de justice du 20 avril 1901 d. 1. c: Perrin
frères et Cie c. Vaurillon.
Perrin frères et Cie, fabricants de gants à Grenoble,
ont assigné Vaurillon par devant le Tribunal de 1" instance;
ils exposent qu'ils ont le droit exclusif de se servir de la
marque de fabrique „A la Chevrette4* et que Vaurillon usurpe
cette marque en faisant figurer les mots „A la Chevrette"
sur son enseigne et en imitant sur ses factures, lettres,
cartes etc. la marque toute entière; que cette usurpation
constitue la concurrence déloyale destinée à détourner, au
profit du défendeur, tout ou partie de la clientèle des deman-
deurs. En conséquence, ils demandent au Tribunal d'interdire
au défendeur tout usage de la marque, en application des
art. 50 ss. C. 0. Vaurillon a excipé de l'incompétence du Tri-
bunal de 1" instance, vu que c'est la Cour 4e justice qui doit
trancher en une seule instance les procès en contrefaçon, en
exécution de la loi fédérale concernant la protection des marques
de fabrique du 26 septembre 1890. Les demandeurs ont ré-
pondu qu'ils ne reproohent pas au défendeur d'avoir contre-
fait ou imité leur marque, ni de l'avoir appliquée sur des pro-
duits ou sur leur emballage, mais qu'ils l'accusent seulement
d'avoir fait figurer leur marque sur son enseigne, ses fac-
20
tures etc.; que ces faits sont des faits de concurrence dé-
loyale, dont ils demandent la réparation à teneur des art. 50 88.
C. 0.; que, dès lors, le Tribunal de l" instance est compétent.
Le Tribunal de 1" instance s'est déclaré incompétent,
parce que la contestation portait sur une question d'usurpa-
tion de marque de fabrique et appelait l'application de la loi
fédérale sur les marques de fabrique.
La Cour de justice a réformé ce jugement et statué que
lo Tribunal de 1" instance est compétent.
Motifs: Les premiers juges, en admettant que tout
emploi abusif d'une marque déposée appelait l'application de
la loi fédérale sur les marques de fabrique, ont commis une
erreur de droit.
En effet, conformément à l'art. 1*' de la loi fédérale, il
ne peut être question de contrefaçon, d'imitation ou d'usur-
pation de marque de fabrique que lorsque la marque inori-
minée a été apposée „sur un produit ou sur son emballage."
Le Tribunal fédéral a jugé d'une manière constante (voir arrêt
du 24 novembre 1894 d. 1. c. Prod'hoin c. Frémiot) que le
droit à la marque ne protège que contre son emploi sur la
marchandise elle-même, ou sur l'enveloppe du produit, et non
contre d'autres manœuvres destinées à induire l'acheteur en
erreur. Ces manœuvres peuvent apparaître comme illicites,
comme actes de concurrence déloyale, mais elles ne consti-
tuent pas une violation du droit à la marque. Par conséquent,
l'emploi abusif d'une marque sur des factures, annonces, en-
seignes, ne doit être considéré que comme un fait de con-
currence déloyale de ressort du droit commun.
Or, en l'espèoe, .... Vaurillon n'a pas apposé la marque
inoriminée sur ses produits ou sur leur emballage . . . mais
seulement sur ses factures etc. Les demandeurs se plaignent
de faits de concurrence déloyale seulement et invoquent
l'art. 50 C. 0. Le Tribunal de 1" instance est donc compé-
tent pour connaître de l'action intentée.
(La Semaine judiciaire, XXI11 p. 380 ss.)
12. Retentionsrecht des Vermieters. Beginn desselben
sofort mit dem Einzüge des Mieters, auch wenn derselbe vor dem
vereinbarten Termin erfolgt. Art. 294 0. R.
ZU rieh. Urteil der Appellationskammer des Obergerichts vom 18. Au-
gust 1900 i. S. Rosenstein c. Lüde.
Rosenstein vermietete dem M. B. am 18. September 1899
eine Wohnung (Bedingungen: Mietebeginn 1. Oktober 1899,
21
dreimonatliche Kündigung je auf 1. April und 1. Oktober,
Mietzins 600 Fr. jährlich, zahlbar in Monatsraten von 50 Fr.)
and gestattete ihm sofortigen Einzug und unentgeltliche Be-
nutzung der Wohnung bis 1. Oktober. M. B. bezog die Woh-
nung am 19. September. Am 23. September zeigte Lüde dem
Rosenstein an, dass das von B. eingebrachte Mobiliar ihm
gehöre. Dieses Eigentumsrecht des Lüde ist auch im Pro-
zesse nicht bestritten. Rosenstein erwirkte nun aber am
23. Mai 1900 für 200 Fr. am 1. Mai verfallenen Mietzins und
für eine laufende Mietzinsforderung von 250 Fr. gegen M. B.
Retention aus. Lüde klagte hiegegen auf unbeschwerte Her-
ausgabe der Mobilien und machte geltend, Rosenstein habe
schon bei Beginn der Miete (1. Oktober 1899) Kenntnis von
seinem Eigentumsrechte gehabt. Rosenstein wandte ein, die
Miete habe schon am 19. September begonnen, die Anzeige
des Lüde vom 23. gl. M. sei daher verspätet gewesen. Die
Appellationskammer hat das Retentionsrecht für die ganze
Forderung von 450 Fr. gutgeheissen.
Gründe: 1. Der Entscheid darüber, ob dem Beklagten
ein Retentionsrecht an den vom Kläger vindizierten Gegen-
ständen zustehe, hängt, wie auch die Parteien übereinstim-
mend annehmen, in der Hauptsache davon ab, ob dasselbe
im Zeitpunkt der Anzeige des Klägers an den Beklagten,
dass die eingebrachten Gegenstände sein Eigentum seien, die
Unbestrittenermassen am 23. September 1899 erfolgt ist, be-
reits begründet war, bezw. ob damals schon ein Mietverhält-
nis zwischen dem Beklagten R. und B. bestund. Dies ist mit
dem Vorderrichter zu bejahen. Es steht fest, dass zwischen
dem Beklagten und B. ein Mietvertrag über die betreffende
Wohnung mit Antritt auf den 1. Oktober 1899 abgeschlossen
worden ist. Wenn nun der Vermieter dem Mieter — wie es
nicht selten vorkommt — den früheren Bezug der gemieteten
Wohnung (schon am 19. September) gestattete, so kann hierin
nicht die Begründung eines neuen, selbständigen Rechtsver-
hältnisses, z. B. einer Gebrauchsleihe oder eines derselben
verwandten Innominatkontraktes, erblickt werden, wie der
Kläger darzuthun versucht. Vielmehr erscheint als die einzig
zutreffende und gewiss auch dem Willen der Parteien ent-
sprechende Auffassung die, dass eben der Beginn des Miet-
verhältnisses vorgerückt wurde, ohne dass damit eine ent-
sprechende Erhöhung des Mietzinses verbunden war, dass also
der Vermieter aus freien Stücken dem Mieter eine etwas
grössere Leistung machte, als wozu er naob dem schriftlichen
Vertrage verpflichtet gewesen wäre. Eine besondere (schritt-
22
liehe) Beurkundung bedurfte diese Modifikation des Mietver-
trages natürlich nicht, da hierin keine Abweichung von ge-
setzlichen Bestimmungen lag (Art. 275 Abs. 2 0. R.). Hat
also das Mietverhältais mit dem 1 9. September, an welchem
Tage die Wohnung vom Mieter bezogen und die streitigen
Objekte in dieselbe eingebracht wurden, seinen Anfang ge-
nommen, so war mit diesem Tage auch der Anspruch des
Vermieters auf Bezahlung des Mietzinses — der für die Zeit
vom Antritt der Miete bis Ende des nächsten Monats (31. Ok-
tober) 50 Fr. betrug — und damit auch dessen Retentions-
recht an den eingebrachten Gegenständen, von denen er nicht
wu88te oder wissen musste, dass sie nicht Eigentum des Mie-
ters seien, begründet. Die erst am 23. September erfolgte
Anzeige des Klägers war daher verspätet und vermochte das
bereits entstandene Retentionsrecht des Beklagten an den
betreffenden Objekten nicht mehr zu alterieren.
2. Das Gesetz giebt (in Art. 294 Abs. 1 0. R.) dem Ver-
mieter das Retentionsrecht für den Mietzins des verflossenen
und des laufenden Jahres, worunter nach feststehender Praxis
das Jahr vor und seit dem letzten Zinstermine zu verstehen
ist. Hiebei macht es keinen Unterschied, ob das Retentions-
recht, sofern dasselbe einmal zu Recht besteht, an Sachen des
Mieters oder solchen, die Eigentum eines Dritten sind, geltend
gemacht wird. Es findet daher keinen Anhalt im Gesetze, wenn
die frühere obergerichtliche Praxis im letztern Falle das Re-
tentionsrecht nur bis zu dem Zeitpunkte geschützt hat, auf
welchen der Vermieter nach erlangter Kenntnis vom Eigen-
tum des Dritten das Mietverhältnis durch Kündigung auflösen
konnte (vergi. Schneider, Komm. z. Art. 294 0. R. Nr. 51 der
grossen Ausgabe v. 1896), obgleich zuzugeben ist, dass für
diese Ansicht Gründe der Billigkeit sprechen. Vielmehr musa
nach der Fassung des Gesetzes derjenigen Auffassung bei-
gepflichtet werden, welche das Kassationsgericht in einem
Entscheide vom 22. November 1886 (Rech. Ber. Nr. 134) aeeep-
tiert und näher begründet hat. Danach muss aber im vor-
liegenden Falle das vom Beklagten geltend gemachte Re-
tentionsrecht (bis 1. Oktober 1900) im vollen Umfange, also
im Betrage von 450 Fr. gutgeheissen werden.
(Schweizer Blätter für h.-r. Entech., XIX S. 270 ff.)
23
13. Prescription du recours de l'endosseur (Tun billet
de change contre ù tireur. Interruption par un commandement de
payer. Art 805 $$. C. 0. Art. 188 L. P. et F.
Vand. Jugement du Tribunal cantonal dn 17 juillet 1900 d. I. c.
Golay c. Fi aux.
Un billet de change, à l'échéance du 12 avril 1900, en-
dossé par Golay à Savary et par celui-ci à la Banque can-
tonale, a été protesté à l'échéance. Le 1er mai, Savary a fait
notifier à Golay, dans une poursuite pour effets de change,
un commandement de payer pour le montant de ce billet avec
intérêts, frais etc. Golay n'a pas fait d'opposition, au con-
traire il a fait des propositions relatives au paiement de oe
billet qu'il reconnaissait devoir. Le 5 juin, Savary a requis
la faillite de Golay, en vertu du commandement de payer passé
en force. Le 8 juin, le Président a écarté cette réquisition
comme tardive. Le 16 juin, Savary a fait notifier à Golay
un nouveau commandement de payer pour le même billet, et
Golay a fait opposition, qui a été admise par le Président,
par les motifs que le recours de l'endosseur contre le tireur
se prescrit par un mois et que le premier commandement du
1" mai n'a pu interrompre la prescription au sens de l'art. 805
C. 0., ou l'art. 188 L. P., Savary ayant laissé périmer son
droit de requérir la faillite en vertu du premier commande-
ment, lequel ne peut sortir aucun effet.
Le Tribunal cantonal a admis le recours de Savary contre
cette décision et déclaré l'opposition irrecevable.
Motifs: Considérant quà teneur de Fart. 805 0. 0., le
recours de l'endosseur contre le tireur et les autres garants
se prescrit par un mois, si le créancier qui exerce le recours
réside en Suisse;
Qu'à teneur de l'art. 806, la prescription n'est interrompue
que par une poursuite, par une action en justice ou par la
production faite dans la faillite.
Considérant que dans le délai d'un mois, Savary a exercé
contre l'endosseur Golay une poursuite régulière à laquelle
Golay n'a pas fait d'opposition;
Que cette poursuite a, aux termes de l'art. 806, mani-
festement eu pour effet d'interrompre la prescription du re-
cours de Savary contre Golay;
Que, même à teneur de l'art. 807, une nouvelle prescrip-
tion, celle-là de trois ans au lieu d'un mois, a commencé à
courir dès la poursuite.
Considérant que l'art. 188 L. P. et F. autorisait Savary
à requérir la faillite de Golay, mais ne l'y obligeait pas;
u
Que la seule conséquence du défaut par Savary de re-
quérir cette faillite dans le mois dès le premier commande-
ment a été l'obligation pour Savary d'intenter une nouvelle
poursuite ;
Qu'en revanche, l'effet produit par ce premier comman-
dement d'interrompre la prescription et d'en faire courir une
nouvelle de trois ans n'a nullement été détruit par le fait
qu'il n'a pas convenu à Savary de requérir de suite la fail-
lite Golay.
Considérant que l'interruption de la prescription est insti-
tuée précisément pour le cas où le créancier ne pousse pas
sa première réclamation jusqu'au bout.
(Journal des tribunaux, Droit cantonal, XLIX p. 149 sa.)
14. Betreibungsort. Ort der angehobenen Betreibung oder
Ort des nachher erlangten Arrestest Art. 52 B.-Ges. über Schuld-
betreibung und Konkurs vom 11. April 1889.
Bern. Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetrei-
bung»- und Konkurssachen vom 25. August 1900 i. S. Hutzli c. Schneiter.
Mina Hutzli betrieb den Sohneiter in Konolfingen für
eine Forderung und erwirkte nachträglich gegen ihren Schuld-
ner einen Arrest in Bern; als sie dann ihre Betreibung in
Konolfingen fortsetzen wollte, weigerte sich das dortige Be-
treibungsamt, dem bezüglichen Begehren zu entsprechen. Es
wurde aber auf Beschwerde der Hutzli von der Aufsichts-
behörde dazu angehalten.
Gründe: Durch die nachträgliche Auswirkung eines Ar-
restes in Bern gegen Schneiter ging die Beschwerdeführerin
des Rechtes nicht verlustig, die am Wohnsitze des genannten
Schuldners angehobene Betreibung daselbst fortzusetzen, viel-
mehr stand es in ihrem Belieben, die Fortsetzung der Be-
treibung am bisherigen Orte derselben oder gemäss Art. 52
B.-G. am Arrestorte zu verlangen. Allerdings schreibt Art. 52
vor, dass wenn für eine Forderung Arrest gelegt sei, die Be-
treibung da anzuheben sei, wo sich der Arrestgegenstand
befinde, und dies ist offenbar dahin auszulegen, dass die Be-
treibung (auf Pfändung) dort auch durchzuführen sei. Diese
offenbar auch im Interesse des Arrestschuldners eingeführte
Bestimmung, die es ihm ermöglichen soll, da belangt za
werden, wo seine Vermögensobjekte und allfälligen Vertreter
sich befinden, ist aber zwingenden Charakters nur, wo noch
kein anderer Betreibungsort in Wirklichkeit durch Anhebung
der Betreibung begründet worden ist, dagegen fehlt es im
26
Gesetz an Bestimmungen und Anhaltspunkten, welche bei der
Konkurrenz des Betreibungsortes des Arrestes mit einem be-
reits begründeten das Wahlrecht des Gläubigers ausschliessen.
War daher im Zeitpunkt der Arrestnahme die Betreibung am
Wohnsitze des Schuldners bereits angehoben, so kann der
Gläubiger nach seiner Wahl solche dort oder am Arrest-
orte fortsetzen (s. Reichel, Anm. 1 al. 2 zu Art. 52 B.-G.;
Archiv fur Seh. u. K. IV Nr. 76). Es ist sonach die vorliegende
Beschwerde prinzipiell begründet, und es ist in Gutheissung
des Antrages der M. Hutzli das Betreibungsamt Konolfingen
anzuweisen, ihrem Pfändungsbegehren Folge zu geben.
(Zeitschr. d. Bern. J. V., XXXVII S. 399 f.)
15. Wechselbetreibung. Einrede aus dem Wechselreckt
oder nach Art. 811 0. /?.? B.Ges. über Schuldbetreibung und Kon-
kurs vom IL April 1889, Art. 182 Ziffer 3 und 4.
j St. Gallen. Urteil des Kantonsgerichtspräsidenten (R«knrsinstanz)
vom 22. Februar 1900.
Der Weinhändler A. im Kanton St. Gallen ist dem Wein-
händler B. in Genf aus ihrem Geschäftsverkehr einen grössern
ungedeckten Betrag schuldig geworden. Er ist zudem mit B.
über die Ersatzpflicht für einen Geschäftsverlust in Streit
geraten. Um den B. zu einer neuen Lieferung zu bewegen,
offerierte Â. dem B. die Einsendung eines mit A.s Blanko-
giro versehenen aeeeptierten Wechsels an den Agenten des
B. in Zürich, welcher den von B. zu liefernden Wein an A. —
Zug um Zug — gegen Aushändigung des Wechsels an B.
gelangen lassen sollte. Auf diese Offerte telegraphierte B.
an A., er solle den aeeeptierten Wechsel an den Agenten in
Zürich einsenden. A. sandte den Wechsel an den Agenten
mit der ausdrücklichen Weisung, ihn dem B. nur gegen gleich-
zeitige Ablieferung der neuen Weinsendung zu überlassen.
Aber der Agent kehrte sich nicht daran und übersandte auf
B.s gegenteilige Weisung den Wechsel an B., der ihn nun
beim Acceptanten vorweisen und mangels Zahlung protestieren
Hess, und ihn im Regresswege gegen A. als Aussteller ein-
klagte.
Die Rekursinstanz erteilte dem A. die Bewilligung zum
Rechtsvorschlag, aber nicht nach Art. 182 Ziffer 3, wie A.
verlangte, sondern nach Art. 182 Ziffer 4 des Bundesgesetzes
über Schuldbetreibung und Konkurs vom II. April 1889 gegen
Hinterlegung der Forderungssumme; — mit der in Art. 184
vorgesehenen gleichzeitigen Aufforderung an B. zur Anhebung
der Klage auf Zahlung binnen zehn Tagen.
26
Begründung: Die von A. erhobene Einrede der arg-
listigen Aneignung bezw. Innehabung und abredewidrigen
Geltendmachung des eingeklagten Wechsels ist durch die
eingelegte Korrespondenz zwischen Â. und B. und mit dem
Agenten des B. glaubhaft gemacht. Der Umstand, dass A.
dem B. noch über diese Wechselforderung hinaus mehr schul-
det, vermag die Einrede der Arglist nicht zu entkräften,
wenn wirklich — wie glaubhaft nachgewiesen erscheint —
von A. der Wechsel als Deckung für eine von B. erst noch
zu liefernde Weinsendung dem Vertreter des B. mit der aus-
drücklichen Weisung anvertraut, resp. übergeben wurde, ihn
dem B. nur gegen gleichzeitige — Zug um Zug — zur Ver-
fügungstellung des bestellten Weinquantums auszuhändigen.
Aber diese Einrede qualifiziert sich nicht als eine aus dem
Wechselrecht hervorgehende Einrede (Art. 1828), sondern als
eine andere nach Art. 811 0. fi. sonst zulässige Einrede
(Art.l824B.-G. und Hafner, Kommentar zum Art. 811 O. R.).
(Entsch. des Kantonsgerichts des Kts. St. Gallen i. J. 1900, S. 132 f.)
16. Domizil und Gerichtsstand eines Mündels, wie-
fern möglich an einem andern Orte als dem der Vormundschaft-
liehen Verwaltung. B.-Ges. betreffend die dvilrechüichen Ver-
hältnisse der Niedergelassenen vom 25. Juni 1891y Art. 3.
Basel-Stadt. Urteil des Appellationsgerichts vom 28. Oktober 1901
i. S. Strübin c. Erbmasse Mauri.
Am 3. Juli 1900 starb in Basel eine Katharina Mauri,
die seit 27. Oktober 1899, an welchem Tage sie auf dem
Kontrollbureau des Polizeidepartements ihre Heimatschriften
hinterlegt und die Aufenthaltsbewilligung erhalten hatte, als
Kellnerin und auch durch Unzucht ihren Erwerb in Basel
gefunden hatte. Sie hinterliess ein Vermögen von rund 5000
Pranken. Die Civilgerichtsschreiberei als Nachlassbehörde nahm
ein Inventar auf und erliess eine Auskündung. Da kam eine
überraschende Thatsache zum Vorschein. Die verstorbene
Mauri war heimatberechtigt in Mailand, in der Schweiz im
Jahr 1879 geboren, nach italienischem Rechte im Moment
ihres Todes noch minderjährig, und es bestand in San Vittore,
Kanton Graubünden, ihrem früheren Wohnorte, eine Vormund-
schaft über sie. Die Behörden von Roveredo (Misocco), in
deren Amtsbezirk San Vittore liegt, beanspruchten die Kompetenz
zur Erledigung des Nachlasses und das Bundesgericht ent-
schied in Erledigung eines Rekurses am 6. März 1901 zu ihren
27
Gunsten, weil die Vormundschaft in Roveredo hinsichtlich
des Vermögens der Mauri noch nicht liquidiert sei und recht-
lich der Wohnort, der Mauri kein anderer sein könne als
Roveredo, wo ihr Vormund weile.
Th. Strübin, bei dem die Mauri zuletzt zur Miete gewohnt
hatte, klagte nun aber doch in Basel seinen Mietzins gegen die
Erbmasse ein ; er berief sich auf § 7 der Basler C.-P.-O. (Gerichts-
stand der Erbschaft) und darauf, dass der im Bundesgesetz
über die ci vilrecht liehen Verhältnisse der Niedergelassenen
aufgestellte vormundschaftliche Wohnsitz sich nur auf die im
Bundesgesetz selbst normierten Rechtsverhältnisse beziehe. Die
Vonuundschaftsbehörde in Roveredo, der die Klage requisì-
torisch zugestellt wurde, beantragte, dass sich das Basler
Gericht inkompetent erklären solle, unter Berufung auf den
bunde8gerichtliohen Entscheid vom 6. März 1901. Beide In-
stanzen erklärten aber die Kompetenz der Basler Gerichte als
begründet, das Appellationsgericht mit folgender Motivierung:
Nachdem das Bundesgerioht am 6. März 1901 entschieden
hat, dass die Erbmasse der Mauri in Roveredo zu liquidieren
sei, bleibt immer noch die Frage offen, ob dieser Entscheid
auch in der Weise, wie die Beklagte es beansprucht, für den
Gerichtsstand im Givilprozesse verbindlich sei, d. h. ob damit
die Frage des Erwerbes eines auswärtigen Domizils durch
«inen Bevormundeten ohne weiteres und zwar im Sinne der
Unmöglichkeit eines solchen Erwerbes erledigt sei. Es ist
dies nicht der Fall. Denn die Vorschriften des Bundesgesetzes
betreffend die civilreohtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen
und Aufenthalter von 1891 über den gesetzlichen Wohnsitz
einer Person (Art. 3) gelten nur für den eng begrenzten Kreis
der Verhältnisse, die in dem zitierten Bundesgesetz geordnet
sind. Dazu zählt der Gerichtsstand im Civilprozesse nicht.
Bundesrechtlich steht vielmehr fest, dass ein Bevormundeter
ein auswärtiges Domizil erlangen kann, wenn die Vormund-
schaftsbehörde ihre Einwilligung dazu giebt, und diese Ein-
willigung auch stillschweigend erfolgen kann, etwa dadurch,
dass die Vormundschaftsbehörde einen ihr bekannten Wohnorts-
wechsel des Vögtlings einfach geschehen lässt, ohne dagegen
zu protestieren und den Vögtling zur Rückkehr aufzufordern.
In diesem Sinne hat sich das Bundesgericht ausgesprochen
anlässlich einer Streitigkeit über Verzicht auf das Schweizer-
bürgerrecht seitens ausgewanderter Bevormundeter (a. S. d.
bundesgerichtl. Urteile XIV S. 548) und eines Streits über
Uebertragung der Vormundschaft an die Behörde des neuen
Wohnorts des Vögtlings (das. XX S. 315 f.).
28
Nun ist nioht zu bezweifeln, class die Mauri am 27. Oktober
1899 in Basel eine Aufenthaltsbewilligung erhalten und dass
sie vom Oktober 1899 an bis zu ihrem Tode (3. Juli 1900)
in Basel ein regelrechtes Domizil gehabt hat, gegen das die
Yormundschaftsbehörde von Roreredo nie protestiert hat. Nach
Lage der Akten musa angenommen werden, dass der Aufent-
halt der Mauri ihren Verwandten in San Vittore und ihrem
Vormund (Frizzi) bekannt war und dass diese Personen keinerlei
Einwendungen dagegen erhoben haben. Damit hat die Mauri
aber auoh bei Lebzeiten ihren oivilprozessualischen Gerichts-
stand in Basel gehabt und ist auch der in § 7 C.-P.-O. vor-
geschriebene Gerichtsstand der Erbschaft für Klagen Dritter
gegen alle Erbmassen, deren Erblasser hier seinen Gerichtsstand
hatte, nicht im Widerspruch mit dem Bundesrechte. Ebenso
wenig der § 3 C.-P.-O., wonach bei Klagen gegen Bevor-
mundete, die hier ihren Wohnsitz haben, die auswärtige
Vormundschaftsbehörde aufzufordern ist, für gehörige Ver-
tretung des Bevormundeten zu sorgen. Der Gerichtsstand
in Civilsachen folgt eben mit Notwendigkeit aus dem Vor-
handensein des Domizils. Das Gericht hat bei der Beurteilung
der vorliegenden Streitsache nioht zu untersuchen, ob unsere
Basler Vormundschaftsbehörden, da die Mauri seit Oktober
1899 in Basel domiziliert war, gemäss Art. 17 des Bundesgesetzes
über die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen
und Aufenthalter von 1891 die Uebertragung der Vormund-
schaft von den Behörden Graubündens hätten verlangen sollen.
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
17. 0. R. Art. 14. Bedeutung des Vorbehalts einer gewill-
kürten Form.
La présomption de l'art. 14 CO. n'est pas une présomption
absolue, mais peut être combattue par la preuve contraire;,
il ne s'agit pas d'une prescription suivant laquelle, lorsqu'une
forme particulière a été convenue, l'accomplissement de cette-
forme serait toujours nécessaire pour la conclusion du contrat.
D'autre part, la présomption ae l'art. 14 C. 0. trouve place
aussitôt qu'il est établi qu'une forme particulière a été con-
venue; il n'est pas nécessaire d'alléguer en outre des circon-
stances spéciales pour démontrer que la volonté des partie»
a été de faire de la forme convenue une condition d'existence-
du contrat; cette volonté se présume. Si l'un des contractant*
soutient que la forme convenue dans un cas particulier a une
autre signification, c'est à lui qu'il incombe d'en rapporter
la preuve; il doit alléguer et, au besoin, prouver des fait»
concluants établissant cette volonté des parties, contre laquelle
milite la présomption de l'art. 14 C. 0. (Entsch. vom 21. Juni
1901 i. 8. Favre o. veuve Gallay.)
18. O.A. Art. 16, 18 ff. Vergleich. Grundsätze über Aus-
legung. Wesentlicher Irrtum bei demselben.
Für die Auslegung des Vergleiches gelten nicht besondere
Rechtsregeln, speziell die Regel, dass der Vergleich eng zu
interpretieren sei; sondern es gelten hiefür die überhaupt für
gegenseitige Verträge geltenden Regeln, und es darf nur nichts
in den Vergleich hineingelegt werden, woran die Parteien
nicht gedacht haben (vergi. Danz, Auslegung der Rechts-
geschäfte, S. 178, § 26 i. f.).
Damit ein Vergleich wegen wesentlichen Irrtums an-
gefochten werden könne, ist erforderlich, dass sioh der Irrtum
auf einen Punkt beziehe, der von beiden Parteien, oder doch
mit Wissen der andern Partei von der einen, als feststehend
angesehen wurde (vgl. Revue XIII Nr. 53; Amtl. Sammig XVI
8. 174 f., Erw. 4). (Entsch. vom 25. Oktober 1901 i. S. R.
Honegger & Cie o. Spinner.)
30
19. 0. R. Art. 17, 83 Abs. 2. 06 ein Rechtsgeschäft sich ob
wucherhaft qualifiziert und inwieweit ihm aus diesem Grunde
der Rechtsschutz zu versagen ist, beurteilt sich nach kantonalem
Rechte,
Das Bundesgericht hat schon in seinem Urteil vom 15. De-
zember 1894 in Sachen Lawinsky c. Schneebeli ( A mtl. Sammig
Bd XX S. 1079 ff.) ausgesprochen, class es sich nach kantonalem
Hecht bestimme, ob ein Rechtsgeschäft den Charakter eines
wucherhaften trage, und inwieweit ihm ans diesem Grunde
der Rechtsschutz zu versagen sei; dem kantonalen Rechte
bleibe die legislative Bekämpfung des Wuchers und damit
auch die Normierung der civilrechtlichen Folgen wucherhafter
Geschäfte vorbehalten (loco citato S. 1087 Erw. 6). (Vergi,
auch Âmtl. Sammig Bd XYII S. 664 Erwäg. 7.) An dieser
Auffassung ist festzuhalten. Wenn schon vielleicht argumentiert
werden könnte, ein wucherhaftes Rechtsgeschäft erscheine nach
Art. 17 0. R. nichtig, so ist doch zu beachten, dass Art. 83
Abs. 2 0. R. selber der Kantonalgesetzgebung vorbehält, „Be-
stimmungen gegen Missbräuche im Zinswesen aufzustellen."
Ferner fallt in Betracht, dass die strafrechtliche Behandlung
des Wuchers zur Zeit noch vollständig den Kantonen über-
lassen ist; nun steht aber dessen civilrechtliche Behandlung
mit der strafrechtlichen in einem derart engen Zusammen-
hang, und handelt es sich überhaupt bei der ganzen Frage
der gesetzgeberischen Behandlung des Wuchers um ein derart
umstrittenes Gebiet, dass mit der Ueberlassung der straf-
rechtlichen Behandlung an die Kantone auch die civilrecht-
liche Seite als den Kantonen überlassen angesehen werden
muss, so dass Art. 83 Abs. 2 0. R. in diesem extensiven
Sinne auszulegen ist. (Entsch. vom 23. November 1901 i.S.
Bernhard c. Krauer und Schoop.)
20. 0. R. Art. 24, Thatbestand des civilrechtlichen Betrug*.
Der Beklagte, welcher damals Direktor der Aktiengesell-
schaft Chardon netseidenfabrik Spr. war, hatte dem Kläger,
welcher als Geschäftsfreund der Fabrik gelegentlich den
Wunsch geäussert hatte, Aktionär der Gesellschan; zu werden,
am 23. Januar 1900 20 Aktien derselben zum Kauf angeboten;
er bemerkte dabei, es sei einer seiner Freunde in London,
der seine Kapitalien für ein englisches Unternehmen frei zu
bekommen wünsche, welcher bereit sei, diese Aktien (die
einen Nominalwert von Fr. 500 besassen), zum Preise von
Fr. 750 per Stück zu verkaufen. Nach einem Briefwechsel,
SI
in welohem der Beklagte stets festhielt, class er für einen
Londoner Geschäftsfreund handle, der Kläger dagegen eine
Ermässigung des Kaufpreises anstrebte, kam schliesslich am
12. Februar 1900 ein Kauf um die 20 Aktien zum Preise
von Fr. 725 per Stüok zu stände. Naohdem sich indes in-
zwischen herausgestellt hatte, dass die Verhältnisse der Aktien-
gesellschaft keine günstigen waren, die Aktionäre vielmehr
bei einer in Aussicht genommenen und später durchgeführten
Fusion bezw. Gesohäftsveräusserung einen nicht unerheblichen
Verlust auf dem Nominalwerte ihrer Aktien zu gewärtigen
haben, forderte der Kläger bereits am 22. Mai 1900 den Be-
klagten auf, die Aktien gegen Vergütung des darauf bezahlten
Preises zurückzunehmen, da er ihn durch falsche Vorspiege-
lungen zum Vertragsabschlüsse verleitet habe. Da der Be-
klagte hierauf nicht eingehen wollte, erhob der Kläger gegen
ihn Klage mit dem Antrage, der Beklagte sei zu verpflichten,
dem Kläger gegen Rückgabe der diesem verkauften 20 Stück
Aktien der Ghardonnetseidenfabrik Spr. den Kaufpreis von
Fr. 14,500 zurückzugeben nebst Zins zu 4 °/o vom 16. Februar
1900 bis zum Datum der Weisung (13. August 1900) und
zu 5 °/o von da an. Die Klage wurde von allen Instanzen
gutgeheissen, vom Bundesgerichte wesentlich mit der Be-
gründung :
Mit Recht geht die Vorinstanz davon aus, zur Begründung
der auf Art. 24 0. R. gestützten Betrugsklage sei erforderlich,
dass durch die Vorspiegelung einer falschen oder die Entstellung
oder Unterdrückung einer wahren Thatsaohe in der Gegenpartei,
in ca8U dem Kläger, ein Irrtum erregt oder unterhalten worden
und dieser Irrtum bestimmend für den Abschluss des in
concreto angefochtenen Kaufes gewesen sei. Dabei ist es
völlig gleichgültig, auf welchen Umstand sich die Täuschung
bezieht; als erheblich erscheint jeder Irrtum, der für den
Kläger zum Beweggrund geworden ist. Die blosse Unter-
drückung einer wahren Thatsache erscheint im Civilrecht
dann als Täuschung, Betrug, wenn entweder eine Pflicht zur
Mitteilung bestand oder ein aktives, auf Täuschung be-
rechnetes Verhalten hinzugetreten ist. Im fernern ist er-
forderlich, dass der Täuschende sich seines Verhaltens be-
*wa&8t gewesen, dass duroh Handeln wider besseres Wissen
der fremde Wille zur Abgabe einer Willenserklärung vor-
sätzlich bestimmt worden sei. Ob der Irrende den Irrtum
bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermeiden können, ist
gleichgültig, nur darf der Irrende nicht leichtgläubig Aeus-
.serungen des andern getraut haben, die ohne Prätention der
32
Glaubwürdigkeit auftraten, da in diesem Falle von vorsätz-
licher Bestimmung fremden Willens durch Täuschung nicht
mehr gesprochen werden könnte (Crome, Lehrb. d. bürg.
Rechts S. 432). Nicht erforderlich ist zum oivilreohtlichen Be-
trüge — im Gegensätze zum strafbaren Betrug — der Ver-
mögensschaden des Getäuschten. Allerdings handelt es sich
auch beim oivilrechtlichen Betrug um Egoismus und zwar am.
unerlaubten Egoismus, der sich zum Nachteil der Gegen-
partei einen unerlaubten Vorteil verschaffen will. Allein
dieser unerlaubte Vorteil liegt schon darin, dass die Gegen*
partei durch die arglistige Täuschung zur Abgabe einer Willens-
erklärung, bezw. zum Abschlüsse eines Vertrages verleitet
worden ist.
Wird der vorliegend festgestellte Thatbestand an Hand
dieser Grundsätze geprüft, auf die Frage, ob der Kläger durch
Betrug des Beklagten zum Absohluss des angefochtenen Rechts-
geschäftes bestimmt worden sei, so ist, was vorerst den Kausal-
zusammenhang zwischen der Täuschung und der Abgabe der
rechtsgeschäftlichen Willenserklärung betrifft, zu sagen, dass
derselbe sich rieh tigerweise — wie Crome, Lehrb. d. bürg.
Rechts S. 433, behauptet — aus der Person des Getäuschten
beurteilt. Doch ist, was die Beweislast betrifft, in Ueberein-
8timmung mit dein von der Vorinstanz angeführten bundes-
gerichtlichen Urteil vom 15. Oktober 1886 in Sachen Schirach
c. Lobenstein (Amtl. Sammig XII S. 637 E. 3) davon aus-
zugehen, dass der Anfechtende seiner Beweispflicht genügt,
wenn er darthut, dass der Kläger durch den Beklagten über
irgend eine Thatsache getäuscht worden ist, die für ihn nach
allgemeiner Verkehrsanschauung für den Geschäftsabschluss
erheblich sein konnte. Ist dies dargethan, so ist es dann
Sache des Anfechtungsgegners Umstände darzuthun und zu
beweisen, aus welchen hervorgeht, dass der Kläger im kon-
kreten Falle doch nicht getäuscht bezw. durch die arglistige
Täuschung nicht zur Vornahme des Rechtsgeschäftes bestimmt
worden ist.
Nun ist festgestellt und unbestritten, dass der Beklagte
dem Kläger die unwahre Thatsache vorgespiegelt hat, dass
nicht er, sondern ein in London wohnender Geschäftsfreund
der Verkäufer der streitigen Aktien sei. Die Vorinstanz
nimmt, gemäss der Behauptung des Klägers, als festgestellt
an, der Umstand, dass nicht der Beklagte, sondern ein Dritter
als Verkäufer aufgetreten sei, sei von wesentlicher Bedeutung
für die Erschliessungen des Klägers gewesen Dieser Ana-
führung ist beizutreten. Durch die Angabe, dass Verkäufer
33
'der streitigen Aktien ein Londoner Geschäftsfreund sei, spie-
gelte der Beklagte dem Kläger bewusst eine falsche Thatsaohe
-vor. Der Beklagte meint nun allerdings, dieser falschen An-
gabe sei deshalb keine Bedeutung beizumessen, weil sie sich
auf einen ganz unerheblichen Thatumstand beziehe, welchem
keinerlei Bedeutung für die Entschliessung des Klägers zu-
kam, da diesem die Persönlichkeit des Verkäufers der Aktien
ganz gleichgültig gewesen sei. Allein dies kann nicht an-
erkannt werden. Wenn auch im allgemeinen die Persönlich-
keit des Verkäufers im Handel nicht von ausschlaggebender
Bedeutung ist, so hat doch die Vorinstanz mit Kecht aus-
geführt, dass dies unter den Umständen des vorliegenden
Falles anders sei, dass hier allerdings die falsche Angabe,
die Aktien werden nicht vom Beklagten, sondern von einem
der Unternehmung fernestehenden Aktionär zum Verkaufe ge-
bracht, einen erheblichen Punkt betraf. Denn es ist ja in
der That richtig, dass der Verkauf der Aktien einer Industrie-
gesellschaft durch die Organe derselben nach der Verkehrs-
an8ohauung geeignet ist (sofern nicht erklärende Thatsaohen
vorliegen). Misstrauen in die Prosperität des Unternehmens
zu erregen, wie dies ja der Beklagte selbst dadurch anerkannte,
da ss er als Erklärung für seine falsche Angabe sein Bestreben
anführt, den ungünstigen Eindruck eines von ihm abgeschlossenen
Verkaufes für seine Gesellschaft zu vermeiden. Denn ein der-
artiger ungünstiger Eindruck war ja eben nur deshalb zu be-
fürchten, weil die Verkehrsanschauung im Verkaufe von Aktien
durch Organe der Gesellschaft ein ungünstiges Anzeichen für
-das Gedeihen des Unternehmens erblickt. Demgemäss war
sich denn der Beklagte bewusst, dass wenn er selbst offen
als Verkäufer auftrete, dies geeignet sei, Misstrauen in die
Prosperität der Gesellschaft zu erregen und daher den Verkauf
der Aktien zu vereiteln oder doch zu erschweren, d. h. von '
vorheriger Erteilung bestimmter Aufschlüsse über die Ver- •'
hältni88e der Gesellschaft abhängig zu machen; Er war sich
daher der Kausalität seiner falschen Angabe, der Bedeutung
derselben für den Entschluss des Käufers, den Vertrag ohne
-weiteres abzuschliessen, bewusst, und es ist danach allerdings
der Vertragssohlu88 als durch arglistige Täuschung herbei-
geführt zu erachten.
Im weitern hat die Vorinstanz eine betrügerische Handlung
auch darin erblickt, dass der Beklagte, nachdem er angeblich
als Direktor für den Geschäftsfreund Vermittlerdienste über-
nommen habe, den Kläger, trotzdem ihm bekannt war, dass
die Aktien des von ihm geleiteten Unternehmens nicht einmal
34
mehr den Nominalwert besitzen, in dem irrtümlichen Glaube»
belassen habe, die Zahlung eines Agios von 50 % entspreche
dem wahren Werte der Aktien; bierin liege ein arglistige»
Verschweigen von erheblichen Thatsschen, zu deren Mitteilung
der Beklagte nach den konkreten Umständen, gemäss dem in
Handel und Verkehr geltenden Grundsatz über Treu und
Glauben, unbedingt verpflichtet gewesen sei. Nach den that-
säcblichen Ausführungen der Vorinstanz, die in keiner Weise
aktenwidrig sind, steht nun fest, dass die Bilanz der Spr.
Gesellschaft für 1899 ein Defizit von Fr. 242,000 aufwies und
dass der Beklagte als Direktor dieser Gesellschaft schon sur
Zeit des streitigen Verkaufs (12. Februar 1900) von diesem
ungünstigen Stande des Unternehmens im wesentlichen, wenn
auch vielleicht nicht von dem ganz genau bestimmten Betrage
des Verlustes, Kenntnis hatte. Im weitern steht fest, dass
der Beklagte zur Zeit des Kaufabschlusses überhaupt davon
Kenntnis hatte, dass die Verhältnisse der Aktiengesellschaft
derartige waren, dass die Aktien derselben nicht einmal den
Nominalwert besassen, vielmehr auf Ende 1899 bilanzmäßig
nur etwa Fr. 370 wert waren und dass auch durch die damals,
übrigens noch nicht perfekte oder gesicherte Fusion ein er-
hebliches Defizit nicht werde beseitigt werden können (wie
sich denn auch nach Akt. 92 bei der Liquidation der Ge-
sellschaft schliesslich ein Defizit von Fr. 536,264 ergab, so
dass der Wert der Aktien auf Fr. 202 gesunken war). Wenn
nun angesichts dieses Sachverhalts der Beklagte dem Kläger
unter der Maske eines Mittelmannes zwischen diesem und
dem angeblichen Londonerfreunde die Aktien mit einem Agio^
von 50 °/o anbot und verkaufte, ohne ihn irgendwie über die
ihm bekannten prekären Verhältnisse der Gesellschaft auf-
zuklären, so liegt darin allerdings eine betrügerische Handlung.
Das ungünstige Ergebnis des Rechnungsjahres 1 899, der Mangel
an dem nötigen Bau- und Betriebskapital, die dadurch bedingte,
für die Gesellschaft Spr. ungünstige Gestaltung der Fusions-
bezw. Trust- Verhandlungen Hessen klar erkennen, dass von
einem blühenden, ein Agio auf den Aktien rechtfertigenden,
Stand des Gesellschaftsgeschäfts nicht die Rede sein könne,
sondern dass im Gegenteil für die Aktionäre ein mutmasslich
nicht unerheblicher Verlust auf dem Nominalwerte der Aktien
in naher Aussicht stehe. Diese für den Wert der Aktien und
dashit für den Ëntschluss des Käufers massgebenden That-
umstände hat nun aber der Beklagte, obsohon er als Direktor
der Gesellschaft mit denselben natürlich genau vertraut war,
einfach unterdrückt und dem Kläger ein nur bei ganz gün-
35
atiger Geschäftslage der Gesellschaft erklärliches Verkaufs-
angebot als angeblicher Vertreter eines englischen Geschäfts-
freundes zur Annahme unterbreitet; dadurch hat er bei dem
Kläger die Meinung hervorgerufen und auch hervorrufen wollen,
dass die Geschäftslage der Gesellschaft eine blühende seit
welche einen Handel ihrer Aktien mit erheblichem Agio recht-
fertige. Denn der Kläger musate naturgemäss annehmen, das»
Offerten, welche der ihm als unbeteiligter dienstwilliger Ge-
schäftsfreund gegenübertretende Beklagte ohne weiteres zur
Annahme übermittelte, in der wirklichen Geschäftslage der
Gesellschaft eine Stütze finden müssen, und er konnte nicht
vermuten, dass dieselben, wie dies wirklich der Fall war,,
wider Treu und Glauben im Eigeninteressa des Beklagten
und in einer der wirklichen Vermögenslage der Gesellschaft
durchaus und offenbar widersprechenden Weise gestellt seien.
Der Beklagte hat also durch Verschweigen sowohl wie durch
positives Handeln, durch die Unterdrückung der ihm bekannten,
die ungünstige Vermögenslage der Gesellschaft kennzeichnenden
Thatsaohen, verbunden mit seinem Auftreten als Unterhändler,,
als den Vertragsschlass vermittelnder Geschäftsfreund, eine,
für den Vertragsschluss kausale Täuschung arglistig geübt.
Er hat nicht etwa nur Erwartungen und Voraussetzungen über
die zukünftige Gestaltung der Verhältnisse der Gesellschaft
ausgesprochen, sondern er hat den Kläger hinsichtlich bestimmter
Thatsachen der bisherigen Gestaltung der Vermögenslage der
Gesellschaft vorsätzlich in Irrtum versetzt. (Entsch. vom 20. De-
zember 1901 i. S. Westermann-Seeburger c. Jenny.)
21. 0. R. Art. 116. Der bei Nichterfüllung des Kaufes sei-
tens des Verkäufers durch Preisschwankungen der Ware entstan-
dene Schaden gehört zum voraussehbaren Schaden; entgangener
Gewinn.
Dass Preisschwankungen einer verkauften Ware . ein-
treten können und dass dann bei Preissteigerung dem Käufer
durch Nichtlieferung der Ware ein, mindestens der Preis-
differenz gleichkommender, Schaden entstehen werde, war
natürlich vorauszusehen (s. Urteil des Bundesgerichts vom
4. Mai 1889 i. S. Weerth & Cie c. Kammgarnspinnerei Schaff-
hausen, Amtl. Samml. Bd XV, S. 358, Erw. 5); dieser Schaden
gehört also so recht eigentlich zum voraussehbaren, zu dessen
Ersatz der ersatzpflichtige Schuldner gemäss Art. 116 Abs. 1
O.K. unter allen Umständen verpflichtet ist. In welchem Um-
fange diese Preissteigerung wirklich eintrat, ist gleichgültig;
36
die Beklagte musste, als mit den Verhältnissen des Marktes
in diesem Geschäftszweige vertraut, auch voraussehen können,
<dass sehr grosse Preissteigerungen möglich waren. Ob der
Beklagten schweres Verschulden zur Last falle, kann unter
diesen Umständen dahingestellt bleiben; denn der voraus-
sehbare Schaden ist der Klägerin auf jeden Fall zuzusprechen,
und es kann nicht etwa auf Grund des Art. 116 Abs. 2 0.R.
an diesem voraussehbaren Schaden, wenn er einmal festge-
stellt ist, ein Abzug gemacht werden; dieser Absatz des
Art. 116 enthält nämlich nicht etwa einen dem Abs« 1 eod.
gleichgestellten materiellen Rechtssatz, der den Richter er-
mächtigen würde, vom Zuspruche des vollen, nach Abs. 1
erstattungsfähigen Schadens abzusehen, sondern nur einen
Grundsatz des Beweisrechts (s. Amtl. Samml. a. a. 0.). Das»
aber der entgangene Gewinn ebenfalls unter den voraus-
sehbaren Schaden fallt, ist klar und übrigens von der Be-
klagten auch nicht bestritten. (Entsch. vom 21. September
1901 i. S. Ghardonnetseidenfabrik Spreitenbach c. Bartels
Dierichs & Gie.)
22. 0. R. Ari. 179, 180, 182. Begriff der Konvenüonai-
etrafe. Voraussetzungen des richterlichen Ermässigungsrechtes.
Der Beklagte St. war in seinem mit dem Kläger G-.-N.
abgeschlossenen Anstellungsvertrage die Verpflichtung einge-
gangen, „nach einem eventuellen Austritt aus dem Geschäfte
in B. innerhalb zwei Jahren weder ein Kleidergeschäft selbst
oder auf andern Namen zu etablieren oder betreiben zu lassen,
noch in ein solches einzutreten. Eine Zuwiderhandlung dieses
Abkommens verpflichtet Herrn A. St. oder dessen Rechts-
nachfolger zu einer Entschädigungszahlung von Fr. 2000 an
E. 6." Da St. kurze Zeit nach seinem Austritt aus dem Ge-
schäfte in ein Herren- und Knabenkonfektionsgeschäft in B.
eintrat, so belangte ihn G.-N. auf Bezahlung einer Entschä-
digung von Fr. 2000. Die Klage wurde sowohl vom App.-
und Kass.-Hofe des K. Bern als vom Bundesgeriohte gutge-
heissen. In den Gründen der bundesgerichtlichen Entscheidung
wird zunächst die Einwendung des Beklagten, das Konkur-
renzverbot sei als unsittlich nichtig, gestützt auf die bisherige
Praxis verworfen, und ausgeführt, dass eine Uebertretung
dieses Verbots thatsächlioh stattgefunden habe. Im übrigen
entnehmen wir derselben:
Naoh der Konkurrenzklausel hat der Beklagte fur den
Fall der Uebertretung eine „Entschädigung4* von Fr. 2000 zu
zahlen. Der Beklagte macht hieran anknüpfend geltend, da
37
es sich um eine Entschädigung handle, habe der Kläger den
Nachweis des Schadens zu leisten, und dieser sei von ihm
nicht erbracht. Allein es kann keinem begründeten Zweifel
unterliegen, dass die Parteien unter „Entschädigung" eine
Konventionalstrafe verstanden wissen wollten. Durch jene Be-
stimmung war vereinbart, dass der Beklagte dem Kläger für
den Fall der Uebertretung des Konkurrenzverbotes eine runde,
im voraus festgesetzte Summe zu bezahlen habe, ohne wei-
tern Nachweis eines Schadens; gerade das aber macht das
Wesen der Konventionalstrafe aus, wie denn auch derartige
Stipulationen gerade zur Sanktionierung von Konkurrenzver-
boten sehr häufig und auch wirksam sind. Mit der Ueber-
tretung ist daher die Konventionalstrafe verfallen, ohne dass
«der Nachweis eines Schadens erforderlich wäre.
Es fragt sich somit nur noch, ob dem eventuellen An-
trage des Beklagten auf Herabsetzung der Konventionalstrafe
zu entsprechen sei. Die Vorinstanz hat dieses Begehren ab-
gewiesen, weil die Konventionalstrafe nur ausnahmsweise zu
er mass igen sei und hier keine Gründe zur Ermässigung vor-
liegen, die 8tipulierte Strafe gegenteils zu dem Salai r, das
-der Beklagte beim Kläger bezogen, und zu dem wahrschein-
lich dem Kläger erwachsenen Sohaden, in keinem Misverhält-
-nis stehe. Nun ist vorerst richtig, wie sich aus einer Gegen-
überstellung der Art. 180 und 182 0. B., und speziell des
-ersten Satzes des letztgenannten Artikels mit dem zweiten
Satze ergiebt, und wie ferner aus dem dem schweizerischen
Obligationenrecht zu Grunde liegenden Prinzipe der Vertrags-
freiheit folgt, dass der Richter von der ihm durch Art. 182
Schlusssatz gewährten Befugnis der Herabsetzung der Kon-
ventionalstrafe nur ausnahmsweise Gebrauch machen soll. Er
soll dies nur thun, wenn übermässige Konventionalstrafen
verabredet sind, d. h. dann, wenn die Strafe in gar keinem
Verhältnis zur Bedeutung der Vertragsverletzung steht und
damit die Billigkeit und Gerechtigkeit augenscheinlich über-
schreitet. Hievon ist nun vorliegend keine Rede. Insbeson-
dere kann nicht ausschliesslich darauf abgestellt werden, dass
dem Kläger gar kein Schaden oder nur ein minimer Schaden
entstanden sei; denn nach Art. 180 Abs. 1 0. R. ist die Kon-
ventionalstrafe auch dann verfallen, wenn kein Schaden er-
wachsen ist, und dies beruht darauf, dass die Strafe zugleich
auch die Funktion einer Genugthuung für die erlittene Krän-
kung ausüben soll. Eine Kränkung ist aber dem Kläger duroh
den Beklagten duroh seinen Eintritt in ein Konkurrenzgeschäft
in B., zumal in ein so nahe bei der Filiale des Klägers
38
gelegenes, offenbar zugefügt worden. Uebrigens erscheint die
Strafe auch angesichts des möglichen Schadens, den der Kläger
erlitten, und des Salaire, das der Beklagte bei ihm bezog
(laut Feststellung der Vorinstanz Fr. 2800 bis 3000 jährlich),
nicht übermässig. (Entsch. vom 18. Oktober 1901 i. S. Steidle
c. Götz-Niggli.)
23. Bundesgesetz über das Verfahren bei dem Bundesgericht
in bürgerlichen Rechtssir eiUgkeüen vom 22. November 2850, Art. 31
Abs. 4. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundes-
rechtspflege vom 21. März 1893, Art. 41, 65. 0. R. Art. 9, 12,
199 f., 210, 213, 215, 225, 678 ff., 694. Ende der Berufungs-
frist. — Rechtliche Natur von Genossenschaftsanteilscheinen. Durch
Verpfändung von (unübertragbaren) Genossenschaftsanteüsckeinen
können nur die Forderungsrechte des Genossenschafters in
Bezug auf Zins, Dividende und Liquidationsquote verpfändet
werden. Was gehört zu schriftlicher Beurkundung der Verpfan-
dung} Retentionsrecht an Genossenschaftsanteüscheinenl
In dem Konkurse über F. W., Weinhändler in Luzern,
hatte die Beklagte, Sparkasse Z., für eine Forderung von
Fr. 37,451.30 nebst Zins u.a. Pfandrecht an einem Anteil-
scheine der Sparkasse Z. Nr. 617 von Fr. 1000 beansprucht.
Dieses Pfandrecht wurde von den Klägern als Kreditoren des
F. W. im Wege der Einspruchsklage bestritten, weil für die
Verpfändung des Anteilscheins die Vorschriften des Art. 215
0. R. massgebend, aber nicht beobachtet worden seien ; spe-
ziell mangle es au der schriftlichen Beurkundung der Ver-
pfandung. Die Beklagte bestritt, dass die Verpfändung nicht
in gesetzlicher Weise stattgefunden habe. Massgebend sei
nicht Art. 215, sondern Art. 210 0. R. Eventuell beanspruche
sie ein Retentionsrecht an dem Anteilscheine. Das Bundes-
gericht hat (im Gegensatze zu den Vorinstanzen) die Ein-
spruchsklage gutgeheis8en. Aus den Entscheidungsgründen
ist hervorzuheben:
1. Die Berufungserklärung ist am letzten Tage der Be-
rufungsfrist zur Post gegeben worden. Damit ist die Be-
rufungsfrist gewahrt; denn nach ständiger Praxis des Bundes-
gerichts gilt für die durch das Organisationsgesetz vorge-
schriebenen Prozessfristen nicht die Vorschrift von Art. 31
Abs. 4 der Bundescivilprozessordnung, wonach eine Frist am
letzten Tage abends 6 Uhr schon zu Ende geht, sondern die
Vorschrift von Art. 41 des Organisationsgesetzes, wonach für
die Wahrung einer Frist deren letzter Tag ganz zur Ver-
fügung steht.
39
2. In der Sache selbst ist in erster Linie die rechtliche
Natur des Anteilscheines, um dessen Verpfändung es sich
handelt, zu untersuchen. Die Sparkasse Z. iht eine Genossen-
schaft und der streitige Anteilschein bekundet, dass der darin
als Inhaber genannte W. für den Betrag von Fr. 1000 bei
dieser Genossenschaft mit allen statutenmässigen Rechten und
Pflichten beteiligt sei. Der Anteilschein ist demnach ein auf
den Namen lautendes Papier, das die Mitgliedschaft und den
Geschäftsanteil einer bestimmten Person an der Genossen-
schaft bekundet, nicht dagegen ein Inhaberpapier, und noch
weniger eine „bewegliche Sache" im Sinne von Art. 210 0. B.
Denn das Obligationenrecht versteht in Art. 210 (wie daa
Bundesgericht wiederholt ausgesprochen hat, vergi. Amtl.
Samml. Bd XIX S. 553) ebenso wie in Art. 199 f. und 213
unter dem Ausdruck „bewegliche Sache11 nur körperliche
Sachen, welche lediglich als körperliche Rechtsobjekte, nicht
gleichzeitig als Träger von Rechten von Bedeutung sind»
Art. 210 0. R. kann daher auf die Verpfändung des streitigen
Anteilscheines keine Anwendung finden. Als Urkunde über
die Mitgliedschaft und den Geschäftsanteil an einer Genossen-
schaft ist der Anteilschein überhaupt kein zirkulationsfähiges
Wertpapier. Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft wird
nur durch Beitrittserklärung und Aufnahme erworben und
durch Austrittserklärung oder Ausschluss verloren» Sie ist
also durchaus persönlicher Natur und verselbständigt sich nicht
fwie bei der Aktiengesellschaft) in einer Urkunde, der Aktie,
auroh deren Erwerb sie begründet werden kann. Das Obliga-
tionenrecht enthält demgemäss über Anteilscheine von Ge-
nossenschaften keine Bestimmungen, sondern nur solche über
Eintritt, Austritt oder Ausschluss der Genossenschafter. Der
Anteilschein ist also nicht der Aktie als begebbarem Wert*
papier gleichzustellen; er verbrieft lediglich das genossen-
schaftliche Recht der darin genannten Person. Dazu kommt,
dass der vorliegende Anteilschein nach den auf seiner Rück-
seite abgedruckten Statutenbestimmungen als unübertragbar
bezeichnet ist; diese Vorschrift ist der Natur der Genossen-
schaft durchaus angemessen. Demnach ist denn klar, dass
im vorliegenden Fall wirksam nicht das Mitgliedschafts-
reoht als solches verpfändet werden konnte, sondern von der
Verpfändung des Anteilscheines nur ergriffen werden konnten
die Forderungsrechte des Genossenschafters in Bezug auf
Dividende, Zinsen und Liquidationsquote, wie sie nach Art. 694
des Obligationenrechts dem Zugriff des Privatgläubigers dea
einzelnen Genossenschafters unterliegen. Diese Forderungen
40
-des Genossen an der Genossenschaft sind allerdings keine
-gewöhnlichen Drittmannsforderungen, sondern genossenschaft-
liche, mit dem Mitgliedschaftsrecht verwobene. Als solche
konkurrieren sie im Genossenschaftskonkurse freilich nicht
mit Forderungen dritter Genossenschaftsgläubiger, allein das
-ändert an ihrer Natur als Forderungsrechte nichts. Auf
die Verpfändung eines Anteilscheines ist demnach Art. 215
O. R. anwendbar.
3. Ist demgemäS8 Art. 215 0. R. für die Verpfandung
des Anteilscheines massgebend, so fragt sich, ob die behaup-
tete Verpfändung nach den Vorschriften dieses Artikels er-
folgt sei. Nicht bestritten ist, dass der Anteilschein der Be-
klagten zur Sicherheit übergeben worden ist, und es ist auch
anzuerkennen, dass der Schuldner der verpfändeten Forderung
von der Verpfändung benachrichtigt worden ist, da ja die
Verpfändung an ihn selbst erfolgt ist, ihm also durch die
Verpfändung selbst Kenntnis davon gegeben wurde. Dagegen
mangelt es an der schriftlichen Beurkundung der Verpfändung.
Indem Art 215 0. R, die schriftliche Beurkundung der Ver-
pfändung fordert, schreibt er für den Pfandbestellungsvertrag
.{den dinglichen Pfandvertrag) die schriftliche Vertragsform
vor. Demgemäss kommt Art. 12 des 0. R. zur Anwendung,
wonaoh zur Erfüllung der geforderten Schriftform die Unter-
schrift aller Personen gehört, welche durch den Vertrag ver-
pflichtet werden sollen, also beim Pfandvertrag (wie das
Bundesgericht in Band XVII S. 510 Erw. 5 der arati. Samm-
lung seiner Entscheidungen ausgesprochen hat) die Unterschrift
zwar nicht des Pfandnehmers, wohl aber diejenige des Pfand-
gebers erforderlich ist; denn dieser soll ja zweifellos durch
-die Pfandbestellung verpflichtet werden. Eine vom Verpfänder
unterzeichnete Verpfändungserklärung liegt aber nicht vor.
Der Bürgschein, auf den die Vorinstanz sich hierfür beruft,
enthält eine solche offenbar nicht, da er zwar erklärt, für die
Fordernng sei der Anteilschein Nr. 617 „deponiert," allein
eben nicht vom Verpfänder und Hauptschuldner Fr. W., son-
dern nur vom Bürgen M. A. W. unterzeichnet ist.
Ein Pfandrecht der Beklagten an dem streitigen Anteil-
schein ist sonach nicht begründet. Aber auoh ein Retentions-
recht derselben kann nicht anerkannt werden. Das Retentions-
recht des Art. 225 0. R., um welches es sich hier handelt,
erstreckt sich auf die beweglichen Sachen und Wertpapiere
des Schuldners, die sich mit dessen Willen in der Verfügungs-
gewalt des Gläubigers befinden. Nun ist aber bereits dar*
gethan worden, dass der fragliche Anteilschein weder eine
41
bewegliche Sache noch ein Wertpapier (vergi. Arati. Samml.
der bundesger. Entscheid. Bd XI Nr. 57 Erw. 6; Bd X S. 281 ;
Bd XXII S. 173 f. Erw. Ö; Hafner zu Art. 224 Note 6) ist.
Es ist daher unnötig, su untersuchen, ob die übrigen Voraus-
setzungen eines Retentionsrechts gegeben wären. (Entsch.
vom 22. November 1901 i. S. Reichenbach & Gie c. Sparkasse
Zug.)
24. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundes-
rechtspflege vom 22. März 1893, Art 56. 0. R. Art. 199 u. 205,
469. Der Begriff des Fundes sowie Rechte und Pflichten des-
Finders richten sich ausschliesslich nach kantonalem Rechte.
Die Schwestern J. und L. K. hatten, nachdem gegen
sie im Kanton Freiburg das Bevogtigungsverfahren eingeleitet
worden war, um sich der Vormundschaft zu entziehen, unter
Mitnahme von Wertschriften erheblichen Betrages den Kanton
verlassen und sich zuerst nach Zug, hernach nach Aarau be-
geben. Als sie dort von der freiburgischen Vormundschafts-
behörde abgeholt wurden, konnten bei ihnen keine Wert-
Schriften aufgefunden werden. Sie hatten diese nämlich, um
sie der Vormundschaftsbehörde zu entziehen, zwischen alte
Blechstücke eingeschlossen, unter dem vor den Fleischverkauf-
ständen hinführenden Tritte verborgen. Dort wurden sie nach
einiger Zeit von dem Abwarte 0. S. aufgefunden, welcher sie
dem Bezirksamte übergab mit der Erklärung, er willige in
deren Bückgabe an die gesetzliche Vertretung der Schwe-
stern K. ein, allein erst nachdem er für seinen Anspruch auf
den gesetzlichen Finderlohn befriedigt sei. Der Vertreter der
Schwestern K. bestritt, dass die versteckten Wertpapiere als
verlorene Sachen zu betrachten gewesen seien, dass also dem
0. S. ein Anspruch auf Finderlohn zustehe, und klagte auf
unbeschwerte Herausgabe der Titel, eventuell auf Freigabe
derselben gegen einen vom Gerichte zu bestimmenden dem
Beklagten zu bezahlenden Betrag. 0. S. seinerseits bean-
tragte, es sei zu erkennen, er sei zur Freigabe der Papiere
nur verpflichtet gegen Erlegung eines Barfinderlohnes von
Fr. 22,983. 60, eventuell von Fr. 2495, d.h. von 10% des
Nominalwertes der Papiere oder doch von 10°/o des Nominal-
wertes der darunter befindlichen Inhaber papiere und Coupons.
Die kantonalen Instanzen haben gemäss dem eventuellen An-
trage des Beklagten erkannt. In dem Urteile des Obergerichts-
des Kantons Aargau wird grundsätzlich ausgeführt, es handle-
sich um einen Fund im Sinne des § 498 des aargauischen
42
bürgerlichen Gesetzbuches; allerdings haben die Schwestern K.
die Papiere in der Absiebt versteckt, sich deren Besitz zu
erhalten, allein da sie nicht als willensfreie, zurechnungsfähige
Personen betrachtet werden können, müsse angenommen wer-
den, ihr Erinnerungsvermögen sei ein derart getrübtes ge-
wesen, dass von einer ferneren Einwirkung ihrerseits auf die
Forderungstitel absolut die Rede nicht habe sein können; die
Titel seien daher sowohl für die Klägerinnen als für die
Waisenbehörde als verloren im gesetzlichen Sinne zu betrach-
ten, so dass der Anspruch des Beklagten auf Ausrichtung
des Finderlohnes grundsätzlich als gerechtfertigt erscheine.
Auf die von den Klägerinnen gegen dieses Urteil ergriffene
Berufung ist das Bundesgericht nicht eingetreten, im wesent-
lichen aus folgenden Gründen:
Das schweizerische Obligationenrecht enthält keine Be-
stimmungen über den Fund; es finden sich darin keine Vor-
schriften über die Hechte des Finders an verlorenen Sachen
(Anspruch auf Erstattung der Auslagen, Finderlohn, Reten-
tionsrecht, eventueller Eigentumserwerb), noch über seine
Pflichten (Anzeige-, Bekanntmachungs-, Verwahrungs-, Rück-
erstattung8pflioht etc.); die einzige Bestimmung, die von ver-
lorenen Sachen handelt, Art. 206 0. R., kommt hier, da eben
nicht der hier einzig geregelte Fall der Vindikation solcher
Sachen in Frage steht, nicht in Betracht. Diese ganze Ma-
terie ist vielmehr vom kantonalen Rechte beherrscht, das die-
selbe denn auch regelmässig im Sachenrecht zu regeln pflegt
(vergi. Huber, Schweiz. Privatrecht, Band III, S. 157 ff.;
ebenso das deutsche B. Gr. B. §§ 965 ff.). Auch können nicht
etwa die Bestimmungen über Geschäftsführung ohne Auftrag
hier Anwendung finden, sondern es handelt sich um ein be-
sonderes Rechtsverhältnis, über welches die genannten spe-
ziellen kantonalrechtlichen Vorschriften bestehen. Was speziell
das Retentionsrecht betrifft, so geht das klägerische even-
tuelle Rechtsbegehren selbst davon aus, dass der Beklagte
Erstattung Zug um Zug verlangen kann, so dass also, wenn
überhaupt ein Fund vorliegt und der Beklagte Anspruch auf
Finderlohn hat, die Frage des Retentionsrechts gar nioht
streitig sein kann. (Entsch. vom 12. Oktober 1901 i. S. Schwe-
stern Kolly c. Siebenmann-Schaffner.)
25. 0. R. Art. 183 f., 192, 229. Rechtliche Natur de$ Ver-
trags, wodurch die Kundschaft eines Geschäftes abgetreten wird.
Der Cedentj welcher die Garantie für die Zahlungsfähigkeit des
43
Schuldners übernommen hat, haftet mangels gegenteiliger Verein-
barung nur für die BmbrmgliekkeU der Forderung zur Zeit ihrer
Abtretung oder Fältigkeü. Beweislast.
Der Beklagte, Mehlhändler St., trat der Firma St/s
Söhne & Gie durch Vertrag vom 8. Mars 1899 seine Kund*
sohaft im Kanton Luzern gegen Zahlung von Fr. 4000 ab,
wobei ausdrücklich ausgesprochen wurde, St. verpflichte sich,
St.'s Söhnen A Gie sowohl bei den abgetretenen Kunden als
auch bei ihrer anderen Kundschaft keine Konkurrenz su
machen. St. 's Söhne & Gie verpflichten sich überdem, „den
Saldo, welchen St. an den übergebenen Kunden noch zu gut
hat und mit welchem die letzteren sich einverstanden er-
klären, auf ihre Rechnung zu übernehmen.11 St. leistet dabei
volle Garantie für den richtigen Eingang der Saldobeträge.
Eine Ausdehnung der Garantie auf den weiteren Kredit,
welchen St.'s Söhne & Gie den betreffenden Abnehmern inner-
halb der nächsten zwei Jahre noch geben werden, hatte St.
abgelehnt. Zu den abgetretenen Kunden gehörte Bäcker H.
in Br., welcher dem St. einen von ihm anerkannten und daher
von St.'s Söhne à Gie übernommenen Saldo von Fr. 5489. 85
schuldete.
In der Folge machten St.'s Söhne & Cie dem H. weitere
Lieferungen im Gesamtbetrage von Fr. 7752. 55 und empfingen
andrerseits von ihm verschiedene Zahlungen im Gesamt-
betrage von Fr. 7850. 45. Von diesen Zahlungen verrechneten
sie die erste vom 16. April 1899 mit Fr. 1500 auf die von
St. abgetretene Saldoforderung, die übrigen dagegen auf ihre
eigenen späteren Forderungen. In dem im April 1900 aus-
gebrochenen Konkurse des Bäckers H. meldeten St.'s Söhne & Cie
die ihnen von St. abgetretene Forderung unter Abrechnung
der Zahlung vom 14. April 1899 und eines Betreibungsbe-
treffnisses an; dieselbe geriet indes vollständig in Verlust.
St.'s Söhne A Cie belangten daher St., gestützt auf die von
ihm übernommene Garantie, auf Bezahlung des Ausfalles von
Fr. 4097. 30 samt Zins und Kosten. Der Beklagte bestritt
die Klage, weil die Kläger die Zahlungen des H. in erster Linie
auf die von ihm abgetretenen Forderungen und nicht auf ihre
neuen Fakturen hätten verrechnen sollen und demnach für
die von ihm abgetretene Forderung längst bezahlt seien, und
weil seine Garantie sich überdem nur auf die Güte der For-
derung an H. im Momente der Abtretung und der Fälligkeit,
nicht auf die spätere Zeit erstrecke. Das Bundesgericht hat
die Klage, ohne auf die erstere Frage einzutreten, aus letz-
terem Grunde abgewiesen. In den Urteilsgründen wird zu-
44
nächst ausgeführt: Die Kundschaft eines Geschäftes sei kein
Kaufgegenstand» der zu vollem Rechte und Genüsse über-
tragen werden könne, und ihre Ueberlassung keine Abtretung
im juristisch-technischen Sinne, da deren Gegenstand nur
Forderungen des Cedenten im eigentlichen Sinne sein können.
Die Abtretung der Kundschaft bedeute vielmehr, dass der
Abtretende sich verpflichte, die geschäftlichen Beziehungen,
in denen er zur Kundschaft stehe, seinem Vertragsgegner, so
viel an ihm liege, zu überlassen, und hiezu gehöre nament-
lich, dass er sich des Geschäfts Verkehres mit ihnen für die
Zukunft enthalte. Dagegen habe mit dem sogen. Abtretungs-
verträge noch eine wirkliche Abtretung in juristisch-tech-
nischem Sinne stattgefunden, nämlich eine Abtretung von
Forderungen, die dem Beklagten aus dem Verkehre mit seinen
Kunden aus Warenlieferungen zustanden. Vorliegend handle
es sich um eine Gewährleistungsklage hinsichtlich der den
Klägern vom Beklagten abgetretenen Forderungen an H.
Ueber diesen Anspruch wird bemerkt:
Der Beklagte hält der Klage entgegen, die Gewähr-
leistungspflicht des Cedenten falle dahin, wenn der Cessionar
nioht zuerst die cedierte Forderung eingetrieben habe, bevor
er den Cedenten belange; dies folge aus dem Grundsätze,
dass der Cèdent für die Einbringlichkeit der codierten For-
derung nur im Zeitpunkte der Abtretung bezw. der Fälligkeit
dieser Forderung hafte. Obschon nun fraglich erscheint, ob
jene Schlussfolgerung wirklich gezogen werden kann, ob also
der* für die Güte der Forderung haftende Cèdent nur dann
haftet, wenn der Cessionar vorerst die cedierte Forderung
eingetrieben hat (vergi. § 1040 des alten zurch. P. G. B«), so
ist doch an der Argumentation des Beklagten jedenfalls daa
richtig, dass die Haftbarkeit des Cedenten für die Einbring-
lichkeit der Forderung sich nur auf den Zeitpunkt der Ab-
tretung resp. der Fälligkeit der codierten Forderung erstreckt,
gegenteilige Parteivereinbarungen vorbehalten. Dieser Satz
ergiebt sich aus Art. 192 0. R., der von der Gewährleistungs-
pflicht des Cedenten bandelt. Wenn auch Abs* l dieses Ar-
tikels die Haftbarkeit des Cedenten nur für den Bestand der
Forderung auf die Zeit der Abtretung beschränkt, so musa
doch diese Bestimmung in analoger Weise auch mit Bezug
auf die Haftbarkeit für die Güte der cedierten Forderung
Anwendung finden. Denn die ratio legis ist hier die gleiche
wie dort, nämlich die, dass es als eine ungerechtfertigte Harte
bezeichnet werden müsste, wenn der Cèdent in infinitum für
alle künftigen Ereignisse sowohl mit Bezug auf den Bestand
45
wie mit Bezug auf die Einbringlicbkeit der Forderung haften
würde. Die neuere juristische Litteratur ist denn auch hier-
über einig; und diese Anschauung entspricht auch der juristi-
schen Eonsequenz. Denn wenn der Cèdent bei der Cession
für die Güte der Forderung Garantie leistet, so liegt hierin
zugleich die Zusage, dass dieselbe im Momente der Abtretung,
und wenn die Fälligkeit der Forderung hinausgeschoben wird,
im Zeitpunkt der Fälligkeit sicher bezw. einbringlich sein
wird. Demgemäss liegt in dem späteren Eintritt der Un-
sicherheit der codierten Forderung ein Zufall, welchen der
Cessionar zu vertreten hat. Denn nach einer allgemein an-
erkannten Rechtsregel, welche auch in Art. 204 0. R. Auf-
nahme gefunden, trägt von dem Zeitpunkte an, wo eine Ver-
pflichtung seitens des Schuldners, z. B. des Verkäufers zu
Leistung einer Sache, entsteht, der Gläubiger die Gefahr für
den zufälligen Untergang und die Verschlechterung derselben».
Diese Rechtsregel kann nun auch Anwendung auf die Ver-
äusserung einer Forderung finden, und zwar dann, wenn nach
dem Zeitpunkt der Abtretung bezw. Fälligkeit der cedierten^
Forderung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eintritt..
Hit Recht sagt Schliemann (in seiner Schrift Haftbarkeit
des Cedenten), „dass diese später eintretende Insolvenz des
Schuldners als eine Détérioration der Forderung zu betrachten
sei." (So Attenhofer in Zeitschrift für Schweiz. Recht N. F-
Bd IX, S. 312.) Ist daher davon auszugehen, dass der Cèdent
für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners nur zur Zeit der
Cession der Forderung und, wenn die Forderung erst später
fallig wird, im Zeitpunkte der Fälligkeit haftet, so folgt
hieraus, dass zum Fundament der Gewährleistungsklage die
Thatsache gehört, dass zur Zeit der Abtretung bezw. Fällig-
keit der Forderung die Zahlungsunfähigkeit des debitor cessus
schon vorhanden war, so dass die Beweislast hiefür den Ces-
sionar trifft. Dieser Beweis wird allerdings öfters dadurch
überflüssig werden, dass aus dem Ausfall der Forderung mit
zwingender Notwendigkeit auf die Uneinbringlichkeit zur Zeit
der Cession bezw. der Fälligkeit zurückgeschlossen werden
muss. Für einen solchen Rüokschluss fehlen aber vorliegend
alle Anhaltspunkte (Entsch. vom 6. Dezember 1901 i. S.
Steiners Söhne & Cie c. Stirnimann.)
26. 0. R. Art. 210. Erfordernis der Uebergabe der Pfand-
sache an den Pfandgläubiger.
Am 6. Juli 1900 stellte die Wagenfabrik Seh. C. H. & Cie
dem Kläger J. Sch.-Z. in Seh, die Erklärung aus, dass sie
46
ihm zur Sicherung verschiedener Forderungen „als Faustpfand
übergebe: diverses geschnittenes Holz wie Eichen, Buchen,
Eschen, Föhren, Tannen etc. und zwar so viel als J. Sch.-Z.
für seine Sicherung nötig erachtet Das Holz ist vorläufig
auf dem der Wagenfabrik Seh. gehörigen Platz vor der Fabrik
gegen die G.strasse, der von Sch.-Z. gemietet worden ist,
gelagert. J. Sch.-Z. hat jedoch das Recht, das bezügliche
Quantum Holz, das er als Sicherstellung seiner Forderung
für nötig erachtet, jederzeit und ohne vorhergehende Anzeige
wegführen zu lassen; auch ist er berechtigt, das Holz jeder-
zeit zu verkaufen." Am gleichen Tage wurde zwischen den
Kontrahenten ein Mietvertrag geschlossen, wonach die Wagen-
fabrik Seh. dem Kläger den Holzablagerungsplatz vor ihrer
Fabrik für Lagerung des verpfändeten Holzes zu einem Miet-
zinse von Fr. 20 per Monat vermietete. In dem am 27. Ok-
tober 1900 ausgebrochenen Konkurse der Wagenfabrik Seh.
beanspruchte der Kläger für seine Forderungen Faustpfand-
recht an dem auf dem gemieteten Platze befindlichen- Holz-
lager. Dieser Anspruch wurde indes von der Konkursver-
waltung bestritten und von allen Instanzen verworfen, vom
Bundesgericht wesentlich mit der Begründung:
Es fragt sich, ob eine gültige Faustpfandbestellung nach
Art. 210 0. R. überhaupt zustande gekommen sei. Hiebei
kann zunächst fraglich erscheinen, ob überhaupt eine genü-
gende Spezifikation des Pfandes stattgefunden habe; denn
ohne eine solche kann naturgemäss dem gesetzlichen Er-
fordernisse der üebergabe der Sache an den Pfandgläubiger
nicht Genüge geleistet werden. Der Inhalt der „Faustpfand-
Erklärung" geht nun dahin, dass die Verpfänderin dem Kläger
„von ihrem Holzlager" „geschnittenes Holz" übergeben wollte,
und zwar so viel, als der Kläger zu seiner Sicherstellung für
nötig erachten würde. Hieraus ergiebt sich, dass der Ver-
trag selber das Mass und die Anzahl der verpfändeten Hölzer
nicht festsetzte, sondern dass dessen Festsetzung in das Be-
lieben des Klägers gestellt war. Da eine Ausscheidu ng einer
bestimmten Anzahl Hölzer durch den Kläger anerkannter-
massen nicht stattgefunden hat, geht daher die Frage der
genügenden Spezifikation der Pfander übe* in die andere
Frage, ob die Sache dem Pfandgläubiger übergeben, ob also
der Gewahrsam des Verpfänders aufgehoben worden sei. Hier-
über ist zu bemerken: Der Kläger beruft sich zur Begrün-
dung seines Standpunktes, die Üebergabe an ihn sei in rechts-
genüglicher Weise erfolgt, auf den Mietvertrag, sowie darauf,
dass er den Bestand des Holzlagers täglich genau überwacht
47
labe, und dass ohne seine Zustimmung auch nicht der ge-
ringste Teil davon habe weggenommen werden dürfen. Allein
mit diesen Thatsachen allein ist dem gesetzlichen Erforder-
nisse der Uebergabe, dass die Saohe aus dem Gewahrsam des
Verpfänders heraustrete und in den Gewahrsam des Pfand-
gläubigers gelange, nicht genügt. Durch den Mietvertrag
allein — gesetzt, derselbe sei überhaupt ernstlich gemeint
and nicht nur fiktiv — ist hier der Gegenstand der Pfand-
bestellung nicht aus dem Gewahrsam des Verpfänders heraus-
getreten. Duroh den Mietvertrag sollte im vorliegenden Falle
nur ausgeschlossen werden, dass der Eigentümer des Holzes
ohne Einwilligung des Klägers Holz wegnehmen konnte; da-
gegen hat eine Aenderung des physischen Gewahrsams, der
tatsächlichen Verfügungsbefugnis über die Sache nicht statt-
gefunden. Die Vorinstanz verweist in dieser Beziehung zu-
nächst darauf, dass sich der Lagerplatz in unmittelbarer Nähe
der Fabrik der Verpfänderin befinde, ohne Umzäunung da-
liege und für jedermann zugänglich sei; ferner macht sie mit
Recht geltend, dass die Fabrik die Benützung des fraglichen
Platzes faktisch nicht habe entbehren können und sich des-
halb desselben durch jden Mietvertrag auch nicht habe be-
geben wollen. Daraus ergiebt sich ganz klar, dass der Kläger
nicht die ausschliessliche Verfügung über die verpfändeten
Gegenstände hatte und haben sollte; dieses in Art. 200 0. B.
für die Besitzübergabe aufgestellte Erfordernis der Ausschliess-
lichkeit hat aber auch, entgegen der Ansicht des Klägers,
Anwendung zu finden auf den Pfandbesitz. Mag daher auch
mit der neuern Theorie (vergi, u. a. Exner, Tradition, S. 88;
Windscheid, Pand. I, § 153, Anm. 4), entgegen der Ansicht
Savignys, angenommen werden, zur ausschliesslichen
Verfügungsgewalt sei nicht erforderlich, dass jede fremde
Einwirkung auf die Sache verhindert werden könne, so ist
doch zu sagen, dass dem Erfordernisse der ausschliesslichen
Verfügungsgewalt nicht genügt ist. (Entsch. vom 14. Dezember
1901 i. S. Schelling-Zollinger c. Konkursmasse der Wagen-
fabrik Schaffhausen, C. Hanslin & Cie.)
27. 0. R. Art. 229 ff., 392 ff. Rechtliche Natur des Report-
geschäftes. Rechtsverhältnis zwischen Reporteur und Repartiertem.
1. Suivant l'opinion généralement admise aujourd'hui par
la doctrine et la jurisprudence, l'opération du report implique
à la fois une vente au comptant et un achat à terme (voir
entre autres arrêt du Tribunal fédéral dans la cause Böppli
48
o. Burkhardt à Cie, du 30 spetembre 1892, Beo. off. XVTHr
page 546, consid. 6). Il soit de là que le reporté, qui a vendu
au comptant, n'est plus propriétaire des titres vendus dont
la propriété a passé au reporteur; ce dernier, au terme fixé
pour Tachât par le reporté, n'est pas obligé de lui livrer les
titres mêmes qu'il a reçus, mais des titres de la même na-
ture et en même quantité, — tantumdem ejusdem generis, —
le reporteur, propriétaire, a dono le droit de disposer des titres
reçus, et il est d'autre part tenu de compléter les versements
sur des actions non libérées, comme aussi il peut participer
aux assemblées générales des sociétés dont il détient des mo-
tions en report.
2. Entre le reporteur et le reporté les relations juridiques
sont celles d'un mandataire et d'un mandant, et le contrat
de report doit être examiné à la lumière des dispositions de
la loi oivile sur le mandat. .
Le demandeur ne prétend point que dès les premières
opérations entreprises sur les actions ses mandataires C. & Cie
se soient engagés à reporter les titres d'une liquidation à
une autre sous les mêmes conditions pour tous les reports
successifs; on constate au contraire que, lors d'un achat non-
veau, les défendeurs ont exigé une garantie, qui a été fournie;
dès lors à chaque liquidation nouvelle, les demandeurs étaient
en droit de poser les conditions auxquelles ils subordonnaient
l'aoceptation de ce nouveau mandat et leur consentement an
report.
3. L'inexécution d'une condition résolutoire à laquelle le
report était soumis, autorise le reporteur de se départir dn
contrat, et ce sous la forme de l'exécution, o'est-à-dire l'agent
de change reporteur peut vendre en bourse les titres reportés,
pour le compte du reporté, même avant la liquidation, mais
après avoir mis le client en demeure de fournir couverture
ou de compléter la couverture devenue insuffisante. (Dallos,
Répert de jurispr. Suppl. T. 18, n° 1063 et 1064.) (Entsch.
vom 11. Oktober 1901 i. S. Kessmann c. Conty & Cie.)
28. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Rundes-
rechtspflege vom 22. März 1893, Art. 80. 0. R. Art. 243, 249.
250, 267. Kauf nach Muster und Kauf mit Zusicherung be-
stimmter Eigenschaften. Von dem ausnahmsweisen Rechte des
Richters, auf blosse Preisminderung statt der verlangten Wande-
lung zu erkennen, ist in der Regel dann kein Gebrauch zu machen,
wenn es sich um das Fehlen zugesicherter Eigenschaften handelt*
49
1. Als Kauf nach Muster im Sinne des Art. 267 0. R.
ist nur ein solcher Kauf aufzufassen, bei welchem ein Muster
einer Vertragspartei anvertraut wird und die Beschaffenheit
der Ware durch Vergleich mit diesem Muster festgestellt
werden soll (vergi. A mtl. Samml. d. bundesger. Entscheid.
Bd XX, 8. 973); vorliegend ist nun aber vom Anvertrauen
eines Musters und von einer daraus entspringenden Verwah-
rungspflicht des Käufers keine Rede. Der Kauf wurde viel-
mehr abgeschlossen auf Grund vorausgegangener Proben und
unter Bezugnahme auf diese Proben, die inzwischen verbraucht
worden waren ; und zwar wurde dabei vom Kläger versprochen
„Qualität wie gehabt;" hierin bestand die „zugesicherte Eigen-
schaft" (Art. 243 0. R.). ... Es handelt sich also um einen
Kauf mit zugesicherten Eigenschaften.
2. Der erst in der bundesgerichtlichen Instanz gestellte
eventuelle Antrag, es sei statt auf Wandelung bloss auf Preis-
minderung zu erkennen, stellt sich dar als Berufungsantrag
gegenüber dem Urteil des Handelsgerichts und ist als solcher
gemäss Art. 80 Org. G. zulässig. Auoh kann gemäss Art. 250
O. R. der Richter auch ohne Parteiantrag auf Minderung an-
statt auf Wandelung erkennen. Dagegen müssen allerdings
dem Richter die thatsächlichen Momente, aus denen blosse
Minderung statt Wandelung ausgesprochen werden soll, dar-
gelegt werden. Denn Art. 2öO 0. R., der dem Richter die
Befugnis erteilt, auch bei Anstellung der Wandelungsklage
(und bei Erhebung der Wandelungseinrede) nach seinem Er-
messen bloss Ersatz des Minderwertes zuzusprechen, enthält
gegenüber dem vorhergehenden Art. 249, der das Wahlrecht
des Käufers zusichert, eine Ausnahme, so dass dem Richter
positive Umstände nachgewiesen sein müssen, aus denen es
sich rechtfertigt, bloss auf Ersatz des Minderwertes zu er-
kennen. Von dieser ausnahmsweisen Befugnis des Richters
ist um so vorsichtiger Gebrauch zu machen, wenn es sich,
wie hier, um das Fehlen zugesicherter Eigenschaften
handelt; in solchen Fällen wird der Käufer in der Regel das
Recht auf Wandelung haben, und wird der Richter nur aus-
nahmsweise, wenn ganz besondere Umstände, die die Want
delung als nioht gerechtfertigt erscheinen lassen, erwiesen
sind, von seinem Rechte, bloss auf Minderung zu erkennen,
Gebrauch machen dürfen. (Entsch. vom 80. September 1901
i. 8. Chamotte- und Dinas- Werke E. Zürbig c. A. Oehler & Cie.)
50
29. 0. R* Art. 329. Darlehen, Begriff.
Der Darlehensvertrag unterliegt nach schweizerischem
Obligationenrecht keinen besondern Förmlichkeiten; insbeson-
dere braucht auch die Verpflichtung zur Rückerstattung nicht
ausdrücklich vereinbart zu sein, sondern sie kann auch still-
schweigend begründet sein und es kann alsdann aus den Um-
ständen auf sie geschlossen werden (vergi. Hafner, Kommentar
zum O.R., 2. Auflage, Art. 329 Nr. 5). (Entsch. vom 11. Ok-
tober 1901 i. S. Wicki c. Emmenegger.)
30. 0. R. Art. 346. Wiederholte absichtliche Verleitung der
einein Handelsreisenden von seinem Prinzipal hinsichtlich der su
machenden Reisen und der zu beachtenden Preislimiten erteilten
Vorschriften bildet einen wichtigen Grund zu sofortiger Entlassung.
(Entsch. vom 17. Mai 1901 i. S. Bertschmann c. Nouvelle
fabrique suisse d'alumettes à Fleurier.)
31. O.R. Art. 231 Abs. 2, 392,405. Maklerauftrag betref-
fend Liegenschaftskauf. Anwendbarkeit des eidgenössischen Rechts.
Regelmässig ist der Maklerlohn mit dem rechtsverbindlichen Ab-
schlüsse des zu vermittelnden Geschäftes verdient, eine Verpflich-
tung des Auftraggebers dem Makler gegenüber, das Geschäft zu
den aufgegebenen Bedingungen abzuschtiessen, besteht nichL
1. Dass die Provision für die Vermittlung eines Liegen-
schaftskaufes bezw. -Tausches versprochen wurde, ändert, wie
in der Praxis des Bundesgerichtes feststeht, nichts daran,
dass der Maklerauftrag sich nach eidgenössischem Rechte be-
urteilt und dass also der streitige Anspruch selbst ein solcher
eidgenössischen Rechts ist. Dagegen ist allerdings die Frage,
ob der Liegenschaftskauf oder Tausch, zu dessen Vermittlung
die Provision versprochen wurde, zur Perfektion, zum rechts-
gültigen Abschluss gelangt sei, eine solche des kantonalen
Rechts, und insoweit daher diese Frage für den Bestand der
Provisionsforderung präjudiziell ist, entzieht sich die Ueber-
prüfung des kantonalen Entscheides der Kognition des Bundes-
gerichts.
2. Regelmässig sind beim Maklervertrag das Recht des
Maklers auf die Provision und die Verpflichtung des Auf-
traggebers zu deren Bezahlung duroh den rechtsgültigen Ab-
schluss des zu vermittelnden Vertrages bedingt. . . . Mit dem
Augenblicke der Perfektion des Vertrages werden Recht und
Pflicht auf die Provision existent.
51
Wenn demgemäss nach der Perfektion des Vertrags-
Schlusses die Parteien aus irgend welchem Grunde auf den
Vertrag wieder verzichteten, den geschlossenen Vertrag nach-
träglich wieder aufhoben, so konnte dadurch das mit dem
Vertragsschlusse erworbene Recht des Maklers auf die Pro-
vision nicht berührt werden, sondern es blieb dieses, trotz
der nachträglichen Wiederaufgabe des Vertrages, bestehen.
Dagegen ist ebenso festzuhalten, dass, wenn die Parteien vor
der Perfektion des Vertrages auf dessen endgültigen Abschluss
verzichteten, das Recht des Maklers auf die Provision gar
nie zur Entstehung gelangte und der Makler zur Einforderung
der Provision daher nicht berechtigt ist. Denn durch den
Maklerauftrag bezw. das Versprechen einer Provision für den
Fall des Vertragsabschlusses verpflichtet sich der Auftrag-
geber an und für sich nicht, den Vertrag, so viel an ihm,
abzuschli essen, er bleibt vielmehr frei, seinen Entsohluss zu
ändern und nachträglich ein Vertragsangebot, auch wenn es
dem von ihm erteilten Auftrage durchaus entspricht, an sich
als annehmbar, seine Ablehnung als geschäftlich nicht ge-
rechtfertigt, erscheint, zurückzuweisen. Die Erteilung eines
Maklerauftrages begründet also für den Auftraggeber keine
Verpflichtung zum Vertragsabschlüsse gegenüber dem Makler
zu den auftragsmässigen Bedingungen bezw. zum Abschlüsse
des Kauf- oder Tauschvertrages, und die Verpflichtung zur
Zahlung der Maklerprovision wird nur dann existent, wenn
die dafür gesetzte Bedingung in Erfüllung geht, also regel-
mässig, wenn der zu vermittelnde Vertrag zum Abschlüsse
gelangt ist. (Entsch. vom 4. Oktober 1901 i. S. Müller
c. Apotheker.)
32. 0. R. Art. 489 f. Bürgschaftsleistung oder unverbindliche
Aeusserung einer zuversichtlichen Erwartung f
Notar H. hatte als Beauftragter des W., des Schwagers
der Klägerin, von letzterer erlangt, dass sie für W., um
demselben den Abschluss eines Nachlassvertrages zu ermög-
lichen, durch Verpfändung eines ihr gehörigen Hypothekar-
titels intercedierte. Nachdem der Abschluss des Nachlass-
vertrages gelungen war, schrieb Notar H. der Klägerin bei
Ueber8endung eines von W. zu deren Sicherung errichteten
Hypothekartitels am 24. Juli 1897 u. a. am Schlüsse seines
Briefes : Im übrigen sei dem W. die Sache nun gut gelungen,
und es ergehe seiner Familie sehr gut, „so dass ich Ihnen
garantieren kann, dass W. seinen Verbindlichkeiten gut nach-
kommt."
02
In diesem Briefe erbliokte die Klägerin später, als über
W. der Konkurs ausgebrochen war, eine Bürgschaftserklärung,
aus welcher sie den Notar H. belangte. Die Klage wurde
von allen Instanzen abgewiesen, vom Bundesgericht mit der
Begründung :
In dem Briefe vom 24. Juli 1897 kann eine Bürgschafts-
erklärung nicht gefunden werden. Eine Bürgschaftserklärung
wäre in diesem Briefe dann enthalten, wenn darin der Wille,
für die Erfüllung einer fremden Sohuld einstehen zu wollen,
erkennbar ausgesprochen wäre. Dies ist aber nicht der Fall.
Allerdings enthält der Brief die Wendung, der Beklagte
könne der Klägerin „garantieren, dass W. seinen Verbind-
lichkeiten gut nachkomme," und es ist ja richtig, dass die
Eingehung einer Bürgschaftsverpflichtung nicht von dem Ge-
brauch des Wortes „Bürgschaft1* oder „Bürge" abhängt, eine
Bürgschaft vielmehr sehr wohl z. B. in der dem Gläubiger
gegenüber abgegebenen Erklärung, für eine fremde Schuld
„Garantie leisten zu wollen," liegen kann; aHein in der hier
streitigen Aeusserung erklärt der Beklagte nicht etwa seinen
Willen, der Klägerin für die Forderung, die ihr aus ihrer
Intercession erwachse, haften oder einstehen zu wollen, son-
dern spricht die Ueberzeugung aus, dass zuversichtlich vor-
ausgesagt („garantiert") werden könne, W. werde nun, nach-
dem ihm der Nachlassvertrag gelungen sei, seine sämtlichen
Verpflichtungen (nicht nur die gegenüber der Klägerin) gut
erfüllen. Diese Aeusserung, „so dass ich Ihnen garantieren
kann" etc. ist zudem ganz nebenbei am Schlüsse des Briefes
geschehen und enthält keine Antwort auf ein Gesuch der
Klägerin um Bürgschaftsleistung. Auch kann sie nicht den
Zweok gehabt haben, die Klägerin zur Kreditgewährung zu
bestimmen, da die Intercession der Klägerin am 24. Juni bereits
geschehen war. Dieser Erklärung des Beklagten kann dem-
nach nicht die Bedeutung einer rechtsgeschäftlich verbindlichen
WillensäU88erung beigelegt werden, sondern sie ist lediglich
als der Ausdruck einer zuversichtlichen Ueberzeugung aufzu-
fassen. (Entsch. vom 15. November 1901 i. S. Lehmann c. HaurL)
33. 0. R. Art 28. Genehmigung des unverbindlichen Ver-
träges durch Erfüllung oder Verlangen derselben nach Entdeckung
des Irrtums.
Nach Art. 28 0. R. gilt ein wegen Irrtums, Betruges
oder Furchterregung anfechtbarer Vertrag als genehmigt,
wenn der anfechtungsberechtigte Teil binnen Jahresfrist —
53
zu rechnen von der Entdeckung des Irrtums und Betrugs an,
und im Falle der Furcht von deren Beseitigung an — weder
dem andern eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch
eine schon erfolgte Leistung zurückfordert. Darnach ist ein
wegen Willensmängel anfechtbarer, für den einen Teil un*
verbindlicher Vertrag als von Anfang an ungültig anzusehen ;
dagegen kann er konvalescieren durch nur passives Verhalten
dea Anfechtungsberechtigten. Die Konvalescenz kann aber
auch erfolgen durch positive Handlungen des Anfechtungs-
berechtigten, seien es ausdrückliche Willenserklärungen, seien
es konkludente Handlungen. Diese Genehmigungshandlungen
müssen stattfinden zu einer Zeit, in der der Anfechtungs-
bereohtigte vom Willensmangel Kenntnis hat, und klar, deut-
lich sein. Als klarste und deutlichste Handlung, aus der
'Genehmigung gefolgert werden niuss, ist die Erfüllung des
Vertrages durch den Anfechtungsberechtigten und sein Be-
harren auf der Erfüllung durch den andern Teil zu bezeichnen.
<Ent8ch. vom 16. November 1901 i. S. Schweizerische De-
peschenagentur c. Jenny u. Rossier.)
34. 0. R. Art. 867 /'., 876, 50 ff. Führung einer Firma in
mehreren Sprachen. Deutliche Unterscheidbarkeit bei Sachfirmen. —
Firmenrecht und illoyale Konkurrenz.
Anläs8lich einer Statutenrevision vom 4. November 1899
änderte die in Hochdorf, Kanton Luzern, bestehende „Central-
8ohweizeri8che Naturmilch-Export-Gesellschaft" ihre Firma in
„Schweizerische Milcbgesellschaft" (Compagnie laitière suisse,
Swiss Milk C°)" ab. Die seit langen Jahren in Cham be-
stehende „Anglo-Swiss Condensed Milk Company" klagte nun
gegen diese Gesellschaft dahin, dieselbe habe es zu unter-
lassen, die Firma „Schweizerische Milchgesellschaft (Com-
pagnie laitière suisse, Swiss Milk C ) zu führen, mit der Be-
gründung, die Beklagte habe diese Firma offenbar gewählt,
um von ihrem, der Klägerin, Weltruf zu profitieren; das gehe
aus der englischen Bezeichnung der neuen Firma (Swiss
Milk C°) deutlich hervor. Die französische Uebersetzung
{Compagnie laitière suisse) stehe in engem Zusammenhang
mit ihrer, der Klägerin, Fabrikmarke, die ein Milchmädchen,
französich laitière, aufweise. Sie verlange daher den Schutz
ihrer Firma gemäss Obligationenrecht Art. 876.
Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen, vom
Bundesgerichte wesentlich mit folgender Begründung:
54
Die Klage ist eine solche auf Unterlassung der Führung
einer Firma, wie sie Art. 876 des Obligationenrechts vorsieht.
Die Aktivlegitimation der Klägerin ist gegeben, da nicht
bestritten ist, dass die Firma der Klägerin, Anglo-Swiss Con-
densed Milk Company, seit lancer Zeit schon im Handels-
register eingetragen ist. Entscheidend ist die Beurteilung
der Frage, ob die von der Beklagten im November 1899 an- .
genommene Firma sich deutlich von der der Klägerin unter-
scheide. Unabhängig hiervon ist zunächst su untersuchen,
ob der Führung einer und derselben Firma in mehreren
Sprachen keine gesetzlichen Hindernisse im Wege stehen.
Die Benützung einer Firma in mehreren Sprachen kann nun
entweder in der Weise erfolgen, dass eine Gesellschaft in
allen Fällen, wo sie Gebrauch von ihrer Firma macht, die in
mehreren Sprachen bezeichnete Firma als ein nicht zu tren-
nendes Ganzes hinstellt, oder in der Weise, dass sie nach
Gutftnden die Firma in der einen oder andern Sprache an-
wendet. Alles deutet darauf hin, dass die Beklagte das letz*
tere System zur Anwendung bringt. Die Hauptsprache, in
der sie ihre Firma bezeichnet, ist die deutsche; daneben, und
zwar stets in Klammem, gebraucht sie das Französische und
Englische. So figuriert sie im Protokoll der Generalversamm-
lung vom 4. März 1899, in den Statuten und im Handels-
amtsblatt. Dieser Umstand weist darauf hin, dass die Firma
der beklagten Gesellschaft in deutscher Sprache abgefasst ist,
als „ Schweizerische Milohgesellschaft,u und dass die Bezeich-
nung in den beiden andern Sprachen („Compagnie laitière
suisse u und „Swiss Milk C°") als Uebersetzungen aus dem
Deutschen gelten sollen, welche die Beklagte je nach der
Kundschaft, oder je naoh dem Land, wohin sie exportiert,
anzuwenden sich die Wahl vorbehält. Obwohl nun im allge-
meinen eine Handelsgesellschaft ihre Firma in der Sprache
desjenigen Landes, in dem sie ihren Hauptsitz hat, zu redi-
gieren pflegt, so besteht kein gesetzliches Hindernis, dass sie
aus diesen oder jenen Gründen ihre Firma nicht in mehreren
Sprachen abfassen könnte. Der Art. 21 AI. 3 der Verordnung
vom 6. Mai 1890 über Handelsregister und Handelsamtsblatt
sieht diesen Fall der in mehreren Sprachen redigierten Firma
ausdrücklich vor. Er enthält jedoch nur Vorschriften für den
Registerführer, welchem selbst es nioht zusteht, wegen der
Mehrsprachigkeit die Eintragung zu verweigern. (Vergi. Sieg-
mund, Handbuch für die Schweiz. Handelsregisterführer, S. 75
u. 306.) Wenn die Vorinstanz annimmt, dass die Anfechtung
einer mehrsprachigen Firmenbezeichnung in Bezug auf eine
55>
dieser mehreren Sprachen durch eine andere Firma, die eben*
falls in einer dieser Sprachen eingetragen ist, für den Fall
nicht statthaft sei, dass die angefochtene Redaktion sich al»
Setrene Uebersetzung der Hauptspraohe darstelle (vorausgesetzt,
as8 die Redaktion in der Hauptsprache sich deutlich von
einer bereits eingetragenen Firma unterscheide), so ist dieser
Ansicht nicht beizustimmen. Man muss vielmehr davon aus-
gehen, dass eine in mehreren Sprachen abgefasste Firma sich
in jeder der gewählten Sprachen von einer bereits eingetra-
genen Firma deutlich unterscheide.
In dieser Hinsicht sind zunächst die charakteristische»
Merkmale beider Firmen hervorzuheben. Beide Gesellschaften
entnehmen die Grundbezeichnung ihrer Firmen aus der Natur
ihres Handelsgeschäfts: „Schweizerische Milchgesellschaft" und
„Milk Company." Daneben aber enthält die Firma der Klä-
gerin zwei Zusätze: dereine, „Condensed," weistauf die spe-
zielle Behandlung der Milch hin, der andere, „Anglo Swiss,"
bezeichnet die Länder, wo die Gesellschaft ihren Handel aus-
übt, sowie ihre wirtschaftliche Nationalität. Die Beklagte-
hat ihrer Firma zwei Uebersetzungen beigefügt: „Compagnie-
laitière suissetf- und „Swiss Milk C°." Allgemein ist nun zu
bemerken, dass, wie das Bundesgericht schon mehrfaoh ent-
schieden hat (z. B. Schweiz. Gasglüblichtaktiengesellschaft
Zürich c. Hauser-Gasser, Aratl.Samml. XXVI, H, S. 383 f.), ein
selbständiger Schutz einzelner Firmenbestandteile auf Grund
des speziellen Firmenrechtes nioht besteht, und dass Bezeich-
nungen, die nicht Individuai-, sondern Sachbezeichnungen sind
und als solche lediglich die Art des fraglichen Geschäft»
charakterisieren, dem Gemeingebrauch freistehen, und nicht
von einem Geschäft ausschliesslich beansprucht werden können»
Für die Frage, ob eine Firma sich von einer andern genü-
gend unterscheide, ist vielmehr massgebend, wie die ganze
Firma lautet. Was nun die deutsche Fassung der beklagten
Firma „Schweizerische Milohgesellschaft" betrifft, so kann
darüber kein Zweifel bestehen, dass sie sich von der aus-
schliesslich in englischer Sprache redigierten Firma der Klä-
gerin deutlich unterscheidet. Schon die Thatsaohe der Sprach-
verscbiedenheit an sich ist charakteristisch genug. Das gleich»
gilt von der französischen Uebersetzung der beklagten Firma.
Die Klägerin sieht in der Anwendung des Wortes laitière
einen unbefugten Hinweis auf ihre Fabrikmarke, die ein Milch-
mädchen (französisch laitière) enthält. Diese Argumentation^
die sprachlich schon sehr gezwungen ist, ist rechtlich unhalt-
bar. Abgesehen davon, dass die Verschiedenheit der Fabrik-
^r^
56
marken beider Parteien thatsäcblich nicht bestritten ist, sind
Fabrikmarke (Bildmarke) und Firma einer Gesellschaft zwei
so verschiedene Dinge, dass von Beziehungen zwischen der
Firma einer Gesellschaft und der Fabrikmarke einer andern
Gesellschaft gar nicht gesprochen werden kann. Die englische
Uebersetzung der beklagten Firma endlich steht der Firma
der Klägerin bedeutend näher, da beide die drei gleichen
Wörter Swiss Milk C'° enthalten. Auf die Schreibweise des
Wortes Company, deren Verschiedenheit in beiden Firmen
-die Beklagte zu ihren Gunsten betont, kommt nichts an, son-
dern massgebend ist, dass das Wort Company als die Be-
zeichnung für eine l'ersonenvereinigung ein Gemeingut ist,
dessen sich alle Verbände in ihrer Firma bedienen können,
um die Thatsaohe dieser Vereinigung zum Ausdruck zu
bringen. Was sodann die beiden andern Wörter Swiss Milk
betrifft, so ist es klar, dass sich ihrer jede Gesellschaft, deren
Zweck im Handel mit Schweizer Milch besteht, bedienen
darf, sofern sie sich durch Zusätze irgend welcher Art von
einer bereits eingetragenen Firma unterscheidet, oder es ver-
meidet, charakteristische Zusätze einer bereits bestehenden
Firma ihrer eigenen einzuverleiben. Dieser zweite Fall ist
hier gegeben. Die Firma der Klägerin, welche schon bestand,
bevor die Beklagte ihre angefochtene Firma annahm, enthält
zwei charakteristische Zusätze: „Anglo" und „Condensed,"
womit sie, wie bereits bemerkt, ihre wirtschaftliche Aus-
dehnung auf zwei Länder und ihre spezielle Fabrikations-
weise hervorheben will. Die Beklagte hat diese Original-
bezeichnungen nicht übernommen, sondern im Gegenteil in
ihrer Firma jeden Zusatz vermieden, der nicht dem Zwecke
ihrer Gesellschaft, nämlich der allgemeinen Verwertung von
Milch und Milchprodukten entsprochen hätte, oder der sie als
nicht ausschliesslich Schweizerische Gesellschaft hätte er-
scheinen lassen. Betrachtet man in dieser Weise beide Firmen
als Ganzes, so muss man zum Schlüsse gelangen, dass sie
sich genügend von einander unterscheiden. Die Klage ist so-
nach auf Grund des speziellen Firmenrechtes abzuweisen.
Vor Obergericht hat die Klägerin ihr Bechtsbegehren
anoh aus dem Gesichtspunkte der illoyalen Konkurrenz ver-
teidigt— Gemäss der neueren Praxis des Bundesgerichts nan
(s. Amtl. Samml. XXIH, 2 S. 1755 Erw. 3 u. S. 1815; XXVI, 2
8. 384 Erw. 3; Journal des Tribunaux 1900, S. 102 Erw. 4)
ist anzuerkennen, dass der Schutz eingetragener Firmen nicht
ausschliesslich durch Art. 876 des Obligationenrechtes geregelt
ist, sondern auch unter dem Rechtsbegriff der illoyalen Kon-
57
kurrenz steht, so das 8 eine Firma nach Art. 876 unanfechtbar
sein, dagegen gemäss Art. 50 ff. als anberechtigt erklärt
werden kann. Es ist somit zu prüfen, ob die Beklagte durch
Annahme ihrer neuen Firma sich einer illoyalen Konkurrent
gegenüber der Klägerin schuldig gemacht hat. Dies könnte
nach einer subjektiven und nach einer objektiven Seite hin
geschehen sein. Subjektiv, indem die Beklagte ihre frühere
Firma in der Absicht geändert hätte, die Klägerin durch
Täuschung ihrer Kundschaft zu schädigen; objektiv, indem
die Beklagte ein Individualrecht der Klägerin verletzt hätte
durch Verwendung von der klägeriscben Firma eigentümlichen
Bezeichnungen oder Zusätzen. Was die subjektive Seite be-
trifft, so bieten die Akten nirgends einen Anhaltspunkt für
die Annahme, die Beklagte habe durch Aenderung ihrer alten
Firma die unlautere Absicht gehabt, die Kundschaft der
Klägerin an sich zu ziehen. Die Klägerin hat die Behaup-
tung der Beklagten, die Aenderung sei nur geschehen, um
den in der That schwerfälligen Namen „Schweizerische Natur-
milch-Export Gesellschaft" durch einen für den geschäftlichen
Verkehr gangbareren und einfacheren zu ersetzen, durch kei-
nen Beweis zu entkräften vermocht. Auch die französische
und englische Fassung der beklagten Firma lassen auf keinerlei
unredliche Absicht schliessen, da sie aus der durchaus natür-
lichen Erwägung hervorgehen, es sei vorteilhaft, sich der
Sprache derjenigen Länder, in welche man exportiert, auch
in der Bezeichnung der Firma zu bedienen. Hinsichtlich des
zweiten Punktes ist von vornherein unzweifelhaft, dass keine
Person und keine Gesellschaft ein ausschliessliches Recht, ein
Individualrecht auf Benützung von Wörtern hat, die ein Land
bezeichnen (Schweizerisch), oder ganz allgemein die Natur
eines Geschäfts und seinen Betrieb auf gesellschaftlicher
Grundlage erkennen lassen (Milchgesellschaft); in welcher
Sprache dann diese Ausdrücke gebraucht werden, ist voll-
kommen irrelevant. Der Schutz gegen illoyale Konkurrenz
darf nicht so weit ausgedehnt werden, dass ein Kaufmann
oder ein kaufmännisches Geschäft Ausdrücke zu monopoli-
sieren befugt wäre, die dem Gemeingebrauch freistehen müssen,
damit überhaupt die Natur eines Geschäftes oder das Land,,
wó es seinen Hauptsitz hat, bezeichnet werden können. Es
könnte sich im vorliegenden Falle einzig fragen, ob nicht die
beklagte Gesellschaft in Prospekten, Preiscourants u. dergl.
die englische Uebersetzung ihrer Firma missbräuohlich zu
dem Zwecke benützt, um eine Verwechslung mit der Firma
der Klägerin herbeizuführen. Allein die Klägerin hat keine-
58
Thatsaohen angeführt, die eine solche Annahme rechtfer-
tigen würden. Endlich kann auch aas den schon erwähnten
Gründen so wenig wie eine Verletzung des speziellen Firmen-
rechts eine illoyale Konkurrenz darin erblickt werden, das»
die Beklagte das Wort laitière als Adjektivum in ihrer Firma
gebraucht, während die Fabrikmarke der Klägerin ein Milch-
mädchen enthält. (Entsch. vom 22. November 1901 i. S. Anglo-
Swiss Condensed Milk Company c. Schweizerische Milch-
gesellschaft.)
35. Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundes-
rechUpflege vom 22. März 1893, Art. 56 f. 0. R. Art. 1, 896.
Seeversicherung. Dieselbe ist durch das zürcherische kantonale
Recht nicht geregelt. Perfektion des Versicherungsvertrages. Be-
deutung der vom Versicherer nachträglich einseitig ausgestellten
Police. Stillschweigende Anerkennung der in derselben abge-
druckten allgemeinen Versicherungsbedingungen, insoweit dieselben
mit dem früher vereinbarten Vertragsinhalte in Widerepruck
stehen? Pflicht des Versicherers, den Versicherten auf solche ab-
weichende Policebestimmungen aufmerksam zu machen.
Mit Brief vom 4. Mai 1900 beauftragte das Pariser Haus
der Kläger, W. frères & Cie, seine Niederlassung in Zürich,
hier provisorisch zu decken Fr. 350,000 auf Getreide auf dem
griechischen Dampfer „Fr osso" von Genitschesk oder einem
andern Hafen des Azowsohen Meeres mit Bestimmung nach
Venedig, zu */* °/° Prämie „conditions françaises, franchise
3°/o, remboursement intégral. tt Dieses Schreiben übergab
der zürcherische Prokurist der Kläger, M. St., am ö. Mai dem
zürcherischen Vertreter der Mannheimer Transportversiche-
rungsgesellschaft, A. B., unter Anmeldung der Versicherung.
Letzterer nahm den Auftrag an und trug ihn sofort in die
Abschlussliste ein; gleichen Tags stellte er W. frères & Gie
eine „vorläufige Versioherungsannahmea zu, dahingehend, dass
. die Mannheimer Transportversicherungsgesellschaft von ihnen
auf Grund des eingereichten schriftlichen Versicherungsantrages
für den obgenannten Transport eine Partie Weizen im Betrage
von Fr. 350,000 zur vorläufigen Versicherung übernehme, „zur
Kondition 3% Franchise, mit Integralzahlung, sobald die
Franchise erreicht," und sioh verpflichte, die endgültige Po-
lice zuzustellen! sobald W. frères & Cie „ihr die hiezu nötigen
Angaben gemacht haben. u Nachdem der Weizen in zwei
Partien auf dem „Frosso" offen in den Kielraum geladen
worden war und darüber zwei Connossemente ausgestellt
59
worden waren, machten die Kläger dem zürcherischen Ver-
treter der Beklagten die zur Ausstellung der definitiven Po-
lice nötigen Mitteilungen, indem sie ihm gleichzeitig die Ver-
sicherungsprämie bezahlten; dagegen wurden ihnen zwei defini-
tive Policen vom 24. Mai und 7. Juni 1900 lautend auf
Fr. 240,300 und Fr. 101,000 ausgestellt In den auf diesen
Policen abgedruckten allgemeinen Veraicherungsbedingungen
ist in Art. 44 auf die Vorschriften des Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuches als subsidiär für die Vertragswirkungen
massgebend verwiesen und wird in Art. 20 und 21 bestimmt:
Art. 20: „Die besondere Haverei fällt nur dann dem
Versicherer zur Last, wenn die materiellen Beschädigungen
oder Verlust der Güter die in der nachfolgenden Tabelle be-
zeichneten Prozentsätze (Franchise) des Versicherungswertes
erreichen. (In der angehängten Franchise-Tabelle ist Ge-
treide gar nicht erwähnt)
Art 21 : »Für diejenigen Güter, welche nicht in nach-
stehender Tabelle namhaft gemacht sind, gilt die Versicherung
nur frei von Beschädigung ausser im Strandungsfalle. Hat
eine Strandung oder ein dieser gleich zu achtender Seeunfall
sich ereignet, so haftet der Versicherer für jede 3% er-
reichende Beschädigung, welche infolge eines solchen See-
unfalles entstanden ist, nicht aber für eine sonstige Beschä-
digung."
Während der am 30. Mai 1900 begonnenen Fahrt des
„Frosso" von Genitschesk nach Venedig war derselbe vom 6.
bis 8. Juni in offener See Stürmen und Regen ausgesetzt.
Das Meer überschwemmte beständig das Deck und beschä-
digte den grö88ten Teil des im Ballas träume befindlichen
Weizens durch Eindringen von Meerwasser längs der SohifiV
wände. Die Beklagte lehnte die Vergütung des dadurch ent-
standenen (von den Klägern auf Fr. 53,091. 45 veranschlagten)
Schadens grundsätzlich ab, indem sie geltend machte, durch
die „vorläufige Versicherungsannahme" sei ein Versicherungs-
vertrag nicht zustande gekommen, da dieselbe ausdrücklich
die Ausstellung einer definitiven Police vorbehalte; diese sei
das eigentliche Zusagedokument. Nach den allgemeinen Be-
dingungen der definitiven Police nun aber, welche die Kläger
stillschweigend anerkannt haben, werde durch die Versiche-
rung nur der Schaden im Strandungstalle gedeckt, während
hier lediglich Partikularhaverei vorliege. Die Klage wurde
vom Bundesgerichte in Bestätigung des Urteils des zürche-
rischen Handelsgerichtes grundsätzlich gutgeheissen« Aus den
Entscheidungsgründen heben wir hervor:
60
Die in erster Linie und von Amtes wegen zu prüfende
Kompetenz des Bundesgerichts, die nur streitig sein könnte
mit Bezug auf das anzuwendende Recht, ist gegeben. Das
zürcherische privatrechtliche Gesetzbuch enthält zwar Be-
stimmungen über den Versicherungsvertrag im allgemeinen
und über einzelne Arten des Versicherns. . . . Allein die zür-
cherischen Gerichte haben seinerzeit erklärt, die Bestimmungen
des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches über den
Versicherungsvertrag überhaupt finden auf die Seeversicherung
keine Anwendung, und das Bundesgericht hat sich, hievon
ausgehend, in Streitigkeiten aus Seeversicherung, die unter-
instanzlioh von den Zürcher Gerichten beurteilt wurden, zu-
ständig erklärt. Hieran ist um so mehr festzuhalten, als die
Vorinstanz vorliegend die Frage der örtlichen Reohtsanwen-
dung unentschieden gelassen hat und die Kläger sich der An-
wendung eidgenössischen Rechts und damit der Kompetenz*
des Bundesgerichts nicht widersetzt haben. . . .
Streitig ist in erster Linie die Bedeutung der vorläufigen
Versicherungsannahme und deren Verhältnis zur definitiven
Police. Die Beklagte macht nämlich auch heute noch gel-
tend, die Versicherung sei abgeschlossen worden „frei von
Beschädigung ausser im Strandungsfall, u und ein durch die
Versicherung zu deckender Schaden liege daher gar nicht vor.
Es fragt sich somit, ob schon in der vorläufigen Versioherungs-
annahme der Abschluss des Versicherungsvertrages zu er-
blicken sei, oder ob der Vertrag erst mit Ausstellung der
definitiven Police zum Abschlüsse gelangt sei. Nun waren
im Versicherungsantrag und in der „vorläufigen Versicherungs-
annahme14 bezeichnet und bestimmt: der zu versichernde
Gegenstand, der Versicherungswert, die Versicherungsgefahr
(die Reise), die Versicherungsprämie, und endlich eine spe-
zielle Versicherungsbedingung („3°/o Franchise mit Integral-
Zahlung sobald die Franchise erreicht"); es fehlten nur noch
die nähern Angaben über den Abgangshafen und über den
genauen Umfang des Versicherungsobjektes. Hit jenen An-
gaben enthält die sogen, provisorische Police alle für den
Abschluss des Seeversicherungsvertrages wesentlichen Mo-
mente. Es handelte sich hiebei nicht etwa nur um ein blosses
paotum de contrahendo, einen Vorvertrag über einen erat ab-
zuschliessenden Vertrag, sondern um den Abschluss des Ver-
trages selbst; die Wirksamkeit des Vertrages sollte nach der
Meinung der Parteien nicht hinausgeschoben werden bis sur
Ausstellung der definitiven Police. Nach allgemeinen Rechts-
grundsätzen wird der Versicherungsvertrag unter den Parteien
61
für beide Teile schon mit dem Zeitpunkte verbindlich, in
welchem sie sich über alle wesentlichen Teile desselben ge-
einigt haben, sofern von ihnen nicht etwa eine besondere ab-
weichende Bestimmung getroffen worden ist (Vergi. Voigt,.
Das deutsche Seeversicherungsrecht, S. 64 ff.) Jene Einigung —
die namentlich auch nach Art. 1 0. R. zum Vertragsabschlüsse
genügt — hat stattgefunden; abweichende Verabredungen
über den Zeitpunkt der Perfektion des Vertrages oder den
Beginn seiner Wirsamkeit sind nicht vereinbart worden. Die
Bestimmung, die Beklagte verpflichte sich zur Aushingabe
der Police, war danach nicht eine Bedingung der Perfektion
des Vertrages, sondern ein Moment der Erfüllung desselben
durch die Beklagte.
Hieran anschliessend ist die weitere Frage zu beantwor-
ten, in welohem Verhältnisse der durch die „vorläufige Ver-
sicherungsannahme" abgeschlossene Vertrag zur definitiven
Police steht; es fragt sich, ob durch letztere ein neuer Ver-
trag vereinbart worden sei, der an Stelle des frühern trat,,
oder ob lediglich eine Modifikation, eine nähere Ausgestal-
tung des frühern Vertrages, vorliegt. Diese Frage ist in>
letztern Sinne zu entscheiden. Zwischen den Parteien haben
keine neuen Verhandlungen mehr stattgefunden, die auf einen
neuen Vertragsabschluss hindeuten würden, sondern die Kläger
haben, nachdem ihnen die Connossemente zugekommen, ihrem
Vertreter in Zürich die bei der „vorläufigen Versicherungs-
annahme" noch vorbehaltenen näheren Angaben über das Ver-
sicherungsobjekt, d. h. über Quantum, Wert und Betrag der
Fraoht gemaoht, und ihr Vertreter in Zürich hat diese An-
gaben dem zürcherischen Vertreter der Beklagten übermittelt ;
auf Grund dieser Angaben sind dann die definitiven Policen
ausgestellt worden. Den letzteren kommt danach nur die
Bedeutung von Beweisurkunden über den Abschluss eines
Versicherungsvertrages zu, die vom Versicherer einseitig aus-
gestellt sind. Die Police beurkundet die Versicherung und
ist in der Regel dem Versicherungsnehmer vom Versicherer
auf das Verlangen des erstem auszustellen (vergi. § 7 der
„Allgemeinen Seeversioherungsbedingungen von 1867u und
dazu Voigt a. a. 0. S. 61 ff.), wobei eine Frist zur Anfech-
tung der Police wegen Nichtübereinstimmung mit dem Ver-
trage angesetzt werden kann. (Siehe zum Beispiel Rolli T
Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Versicherungsver-
trag, Art. 14.) Letzteres ist hier vertraglich nicht geschehen,
und ein Rechtssatz des Inhaltes, die Entgegennahme der Po-
licen und das Sohweigen auf den Inhalt derselben müsse nach
62
Ablauf einer gewissen Zeit als Genehmigung des Inhaltes an-
gesehen werden, kann in dieser Allgemeinheit nicht als richtig
anerkannt werden. (Vergi. Ehrenberg, Versioherungsrecht I,
S. 259.) Eine Anerkennung, Genehmigung der definitiven Po-
lice, liegt allerdings in deren Entgegennahme mit Besag auf
diejenigen Bestimmungen, die vorher schon vereinbart waren,
oder die nur eine nähere Ausführung, Ergänzung der verein*
harten enthalten. Dagegen darf die — einseitig vom Ver-
sicherer ausgestellte — Police nicht Veränderungen des früher
vereinbarten Vertragsinhaltes in sich schliessen; und soweit
solche Abänderungen vorliegen, kann aus der vorbehaltlosen
Entgegennahme der Police nicht ohne weiteres auf die Ge-
nehmigung derselben geschlossen werden; su derartigen Ab-
änderungen des ursprünglichen Vertrages ist vielmehr nach
allgemeinem Rechtsgrundsatze der übereinstimmende Wille
beider Parteien erforderlich. Hat der Versicherer Abweichungen
vom Vertragsinhalt in die (definitive) Police aufgenommen»
so ist es seine Pflicht, den Versicherungsnehmer darauf auf-
merksam zu machen und seine Erklärung hierüber zu pro*
vozieren; das erfordert die gute Treue gegenüber dem Ver-
sicherungsnehmer. Im vorliegenden Falle nun weicht die
•definitive Police insofern vom vereinbarten (frühem) Vertrags*
inhalte ab, als Art. 21 die Klausel enthält, die Versicherung
gelte nur (für gewisse Güter, worunter gerade Getreide) „frei
von Beschädigung ausser im Strandungsfalle." Denn diese
Klausel war im ursprünglichen Vertrage nicht enthalten. Für
diesen vereinbart waren die sogen, französischen Konditionen,
und nicht, wie das Handelsgericht annimmt, deutsche Kon-
ditionen. Allerdings könnte für letztere Annahme der Um-
stand angeführt werden, dass Art. 44 der Police auf die Vor-
schriften des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches als
subsidiäres Recht verweist. Allein diese Bestimmung der
definitiven Policen ist naoh dem Gesagten nicht entscheidend
für den Inhalt des Versicherungsvertrages, vielmehr kommt
es fur letztern nur auf die vorläufige Polioe an. . • . Die Auf-
nahme der Klausel „frei von Beschädigung ausser im Strmn-
dungsfallu enthielt jedenfalls eine unzulässige, einseitige Ab-
änderung des vereinbarten Vertragsinhaltes; diese Klausel ist
somit für die Kläger nicht verbindlich. Dass die Kläger nicht
etwa stillschweigend in diese Abänderung eingewilligt haben,
zeigt am besten eine Vergleichung der Daten: Die definitiven
Policen wurden dem Vertreter der Kläger zugestellt am 7. Juoi,
also zu einer Zeit, da der Dampfer „Frosso" schon auf See
und den schädigenden Einflüssen ausgesetzt war. Das aohä-
-digende Ereignis ist eingetreten in der Zeit vom 6./8. Juni,
also in einem Zeitpunkte» in welchem eine stillschweigende.
Genehmigung der Policen noch nicht anzunehmen war. Fehlt
aber somit die Zustimmung der Kläger zur Abänderung der
Vertragsbestimmung über die Versicherungsgefahr, so kann,
die Beklagte auf die Klausel „frei von Beschädigung ausser
im Btrandungpfall" nicht abstellen, und liegt ein Versicherungs-
fall, ein Ereignis, für welches die Beklagte versichert hat, vor.
(Entsch. vom 4. Oktober 1901 i. S. Mannheimer Transport«
Versicherungsgesellschaft o. Waller frères à Cie.)
36. 0. R. Art. 50 ff. Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht
aus Fabrikbetrieb vom 25. Juni 1881, Art. 2. Bundesgesets be-
treffend die Ausdehnung der Haftpflicht und die Ergänzung dee
Bundesgesetses vom 25. Mai 1881, vom 26. April 1887, Art. lff.
Konkurrenz dee Haftpflichtanspruchs gegen den Dienstherrn und
des DdManspruches gegen den schuldhaften Urheber der Be-
schädigung beato, den für diesen Verankoortlidten.
Der im Dienste des Baumeisters Str. in Aesch (Basel-
land) stehende Maurer C. verunglückte am 9. August 1900
beim Eindecken des Daches eines von Str. übernommenen
Anbaues an die Schmiedewerkstätte der Elektrizitätsgesell-
scbaft A. A Cie. C. verlor bei seiner Arbeit aus unbekannter
Ursache das Gleichgewicht und klammerte sich im Fallen an
den Drahten einer elektrischen Stromleitung fest, welche,
ohne dass an ihnen eine Schutzvorrichtung angebracht ge-
wesen wäre, in geringer Höhe über das Dach des Anbaues
wegführten. Es trat infolgedessen Kurzschluss ein und C.
trug verschiedene Verletzungen davon, welche eine vorüber*
gehende gänzliche Arbeitsunfähigkeit von 74 Tagen und eine
dauernde Verminderung der Erwerbsfähigkeit um 15°/o zur
Folge hatten. Auf Ersatz des ihm dadurch entstandenen
Schadens belangte C. zunächst seinen Arbeitgeber Bau*
insister Str. auf Grund des Fabrikhaftpflichtgesetzes, sodann
aber auch die Elektrizitätsgesellschaft A. & Cie auf Grund
des Art. 50 ff., speziell Art. 62 0. R., indem er derselben die
doppelte Fahrlässigkeit vorwarf, dass sie überhaupt über einem
Dach in einer Entfernung, die menschlicher Berührung leicht
zugänglich sei, sobald Arbeiten auf dem Dach ausgeführt
werden müssen, eine blanke Starkstromleitung durchgeführt
habe, und zwar ohne alle Sicherung; und dass sie insbeson-
dere an die Arbeiter des Str. oder an diesen selbst keine be-
sonderen Warnungen haben ergehen lassen.
64
Die Beklagte hat in der Antwort ihre Haftbarkeit grund-
sätzlich abgelehnt. In erster Linie hat sie sich auf den Stand-
punkt gestellt, sie könnte nur belangt werden, wenn der Un-
fall auf ein Verbrechen oder Vergehen der Beklagten oder
ihrer Angestellten zurückzuführen wäre, der Kläger aber,
Wenn ein derartiges Verschulden nicht vorhanden sei, sich
lediglich an seinen Arbeitgeber zu halten habe. In zweiter
Linie hat sie geltend gemacht, eine Fahrlässigkeit ihrerseits
liege nicht vor.
Das Bundesgerioht hat in Bestätigung der Entscheidung
der kantonalen (basellandsehaftlichen) Gerichte die Klage
prinzipiell für begründet erklärt, indem es wesentlich aus-
führte:
Die vorliegende Klage gegen die Beklagte stützt sich
nicht (und könnte sich nicht stützen) auf das Fabrikhaft-
pflichtgesetz! das einzig die Beziehungen zwisohen dem Ar»
Zeitgeber und dem Arbeitnehmer mit Bezug auf Betriebs-
unfälle und Krankheiten regelt, sondern auf das Obligationen-
recht, Art. 50 ff. ; sie hat ihren Rechtsgrund nicht in den spe-
ziellen Beziehungen zwisohen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
und der auf Grund dieser Beziehungen aufgestellten Haft-
pflicht, sondern in einer unerlaubten Handlung der Beklagten.
Nun können aber aus einem und demselben Thatbestande —
hier dem Unfälle vom 9. August 1900 — sehr wohl zwei
selbständige Ansprüche, ein Haftpflichtanspruch gegen den
Arbeitgeber und ein Anspruch aus Delikt gegen einen Dritten,
entspringen; der eine Anspruch schliesst den andern nicht
aus; beide beruhen, wenn auch auf demselben ^tatsächlichen
Fundament, doch auf durchaus verschiedenen rechtlichen
Grundlagen und Beziehungen. Die beiden Ansprüche kon-
kurrieren daher nebeneinander, und die Verantwortlichkeit
der aus den beiden Ansprüchen Verpflichteten ist nur inso-
fern beschränkt, als der Kläger nicht etwa denselben Schaden
doppelt ersetzt erhalten kann; insoweit der Kläger durch Er-
füllung des einen Anspruchs befriedigt ist, ist hiedurch auch
sein Klagrecht für den andern Anspruch (oder dieser Anspruch
selbst) konsumiert (vergi. Windscheid, Pandekten, 7. Aufl.,
I, § 125 Nr. 9— 11). Die Beklagte ist demnach trotz Be-
stehens eines Haftpflichtanspruches verantwortlich, sofern die
Voraussetzungen, an welche Art. 50 ff. 0. R. die Schaden-
ersatzpflicht knüpfen, ihr gegenüber erfüllt sind. Und zwar
haftet sie hienach auf das Ganze. Dies wäre gemäss Art. 60
0. B. auch dann der Fall, wenn neben ihrem Verschulden
(dieses vorläufig immer noch bloss vorausgesetzt) auch ein
65
Verschulden des haftpflichtigen Arbeitgebers vorläge; sie hätte
alsdann gegen letztern lediglich den Regreçs* wenn sie ein
Verschulden von seiner Seite oder ein von ihm zu verantwor-
tendes Verschulden seiner Angestellten nachzuweisen ver-
möchte.
Es fragt sich somit grundsätzlich nur noch, ob die Voraus-
setzungen des Anspruches aus Art 50 fi« 0. R. der Beklagten
gegenüber gegeben seien. Und zwar kann hiebei nur frag-
lich sein, ob das Erfordernis der subjektiven Widerrechtlich*
•keit erfüllt sei, ob also die Beklagte ein Verschulden treffe.
Diese Frage ist mit den kantonalen Instanzen au. bejahen.
Zwar kann wohl kaum gesagt werden, dass schon der Um-
stand, dass die Beklagte überhaupt Starkstromleitungen in
einer für auf dem Dache Befindliche erreichbaren Weise durch-
geführt hat, ein schuldhaftes Verhalten ihrerseits bedeute.
Dagegen war es Pflicht der Beklagten, alle nach dem Stande
der Wissenschaft und Teohnik möglichen Sohutz- und Sicher-
heitsmassregeln gegenüber einem derartigen an sich gefähr-
lichen Zustande zu treffen, wie : Sohutz der Drähte durch ein
Drahtgeflecht, Abstellen des Stromes für die Zeit, während
der Menschen auf dem Dache waren. Die Errichtung der-
artiger Vorsichtsmassregeln war z. B. auch notwendig für den
voraussehbaren Fall eines Brandausbruches, bei welchem die
Feuerwehrleute durch die Drähte gefährdet gewesen, wären.
Jedenfalls aber, auch wenn man nicht eine allgemeine Pflicht
•der Beklagten zur Anbringung von Sohutz- und Sicherheits-
vorrichtungen aufstellen wollte, war es ihre Pflicht; im kon-
kreten Falle, während der Errichtung des Neubaues und spe-
ziell für den Fall des Dachdeckens, alle nur denkbaren und
möglichen Vorkehren zur Abwendung der Gefahr und zum
Schutze der Personen, die sioh auf das Daoh zu begeben
hatten, zu treffen. Nun hat die Beklagte eingewendet, sie
habe diese Massregeln getroffen, indem ihr Werkführer dem
Palier des Str. oder diesem selbst gesagt habe, .es dürfe mit
dem Dachdecken nicht begonnen werden, bevor, die Leitung
entfernt sei; auch habe dieser Werkführer und dann auch der
Palier des Str. selbst die Arbeiter stets auf die von der elek-
trischen Leitung her drohende Gefahr aufmerksam gemacht.
Wären diese Behauptungen der Beklagten erwiesen, so könnte
allerdings wohl kaum von einem Verschulden der Beklagten
gesprochen werden, da sie alsdann alles gethan hätte, was in
ihren Kräften lag, um Unfälle durch den elektrischen Strom
zu verhüten. Allein die kantonalen Instanzen haben aus-
drücklich, gestützt auf die Zeugenbeweise, festgestellt, dass
«6
diese Behauptungen der Beklagten nicht erwiesen sind, das»
diese vielmehr zwar allerdings die Absieht hatte, die Drähte
vor dem Eindeoken des Daches zu entfernen, und dass diee
auoh dem Str. und seinem Palier mitgeteilt wurde, daas aber
alsdann bei den Räumungsarbeiten eine Verzögerung eintrat
und die Beklagte es rahig geschehen liest, dass der Kläger
mit der Arbeit begann, sie also ein spezielles Verbot nicht
eriiess; dass sie ferner auch keine besondern Warnungen er-
teilte, und dass sie endlich auch sonst keinerlei Schutzmaas-
regeln und Sicherheitsvorkehren traf. Dieses Verhalten der
Beklagten muss nun in der That als ein fahrlässiges bezeichnet
werden, so dass die Beklagte dem Kläger gegenüber grund-
sätzlich als haftbar erscheint. (Entsch. vom 12. Oktober 1901
. S. Cesa c. Elektrizitätsgesellschaft Alioth 4 Cie.)
37. Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der
Litteratur und Kunst vom 23. Aprü 1883, Art. 11, Abu. 1, lì.
1. Sammlungen (zum Schulgebrauche) sind nur solche Werke*
welche als Zusammenstellung ton Auszügen oder ganzen Stücken
aus anderen Werken sich darstellen, nicht aber für den Schul-
gebrauch bestimmte Schriften, welche als einheitliches Werk ihres
Urhebers veröffentlicht werden, mag darin auch auf die Quellen,
woraus der Verfasser geschöpft hat, verwiesen werden. Bin teil-
weiser Nachdruck in Schriften letzterer Art ist also unerleubL
2. Gewinnsüchtige Absicht gehört nicht zum Thatbeetande dee
Nachdrucks.
(Entsch. vom 20. Juli 1901 i. S. BottQuibi et Cons. c.
Comtesse et Cons.)
38. Bundesgesetz betreffend dm Schutz der Fabrik- und Han-
delsmarken «. i. w. vom 26. September 1890, Art. 1, 3, 6. O. Ä.
Art. SO ff. Konkurrenz der Klage aus Concurrence déloyal* m*
einer solchen aus Markenrechtsverletzung. Sehutzfäkige Worêmarke
oder gememfreie Sachbezeichnungl Täuschende Aehnlkhkeü èé
Worttwrken.
1. Damit eine Klage aus concurrence déloyale neben der
Klage aus Markenrechtsverletzung Bauin habe, darf entere
sich .nicht auf die genau gleiche Tbatsache, d. h. eben auf
die MarkenrechtBverletzung, stützen, sondern es müssen neben
der Markenrechtsverletzung andere Umstände, welche eine
concurrence déloyale bewirken, vorhanden sein, wie Nach-
ahmung der Verpackung der Waren, nicht markenmäsaig*
67
Verwendung eines Individualzeichens u. dgl. Dagegen wird
die Verwendung eines Zeichens als Marke ausschliesslich
durch das Harkenrechtsgesetz geschützt; und soweit sie nach
diesem erlaubt ist, kann sie auch nicht den Thatbestand einer
illoyalen Konkurrenz und somit einer unerlaubten Handlung
im Sinne des Art. 50 0. R. bilden.
2. Es liegt nahe, die beiden Marken „Vasagen" und „Va-
sapon" (wie auch „Vasoval") (für pharmaceutische Produkte)
als nicht markenfähig zu bezeichnen, wenn sie zur Benen-
nung ohemisch-pharmaceutischer Präparate bestimmter Be-
schaffenheit verwendet werden. (Vergi. Urteile des Bundes-
gerichts vom 25. April 1896 i. S. Compagnie Parisienne de
Couleurs d'Aniline c. Basler Chem. Fabrik Bindsohedler, A mtl.
Samml. Bd XXII, S. 459 ff., spez. 8. 467, Erw. 6; und vom
27» November 1897 i. 8. Fahlberg, List & Cie c. Chemische
Union, Amtl. Samml. Bd XXIII, S. 1630 ff., spez. 8. 1632 ff.,
Erw. 2 f.) Allein eine derartige Annahme würde doch zu
weit gehen. Was zunächst „Vasogen" betrifft, so ist eine
Herleitung dieses Wortes aus den das Produkt zusammen-
setzenden Bestandteilen gar nicht behauptet. Aber auch bei
„Vasaponu erscheint die behauptete Herleitung aus „Vase-
line" und „Sapo" derart weitliegend, dass nicht angenommen
werden kann, es wolle damit die Beschaffenheit der Ware be-
zeichnet werden. Vielmehr erscheinen beide Worte (wie auch
„Vasoval") als originelle und Phantasiebezeichnungen; sie
deuten auch nicht (wie z. B. Antipyrin, Antifebrin) eine mehr
oder weniger leicht verständliche Eigenschaft der Ware in
Bezug auf ihre Wirkung an. Endlich sind sie auch nicht —
wenigstens wird dies von keiner Seite behauptet — als reine
Sachbezeichnungen verwendet worden. Gegenteils müssen die
Bezeichnungen als Herkunftsbezeichnungen mit Bezug auf
einen bestimmten Produzenten namentlich deshalb angeschen
werden, weil der Hersteller des einen und des anderen Pro-
duktes das thatsächliche Monopol zur Herstellung der be-
treffenden ohemisch-pharmaceutischen Präparate hat. Die in
Frage stehenden reinen Wortmarken sind daher als zulässig
zu erklären.
3. Zwischen den Wortmarken „Vasapon" und „Vasoval"
und der älterberechtigten Wortmarke „Vasogen" besteht aller-
dings eine Aehnlichkeit der beiden erstgenannten Marken mit
der letztern insofern, als alle drei Marken eine gleichlautende
erste Silbe und gleich viele Silben besitzen, und dass bei
allen drei Marken die Aufeinanderfolge und Verteilung der
Vokale und Konsonanten unter einander die gleiche ist. Bei
-68
•der Verwendung der Worte in Schrift kommt dazu, dass das
„pu in Vasapon dem „g" in Vasogen äusserlich ähnlich sieht.
Eine gewisse Aehnliohkeit der beiden mit der Widerklage
angefochtenen klägerisohen Wortmarken mit der Wortmarke
der Beklagten „vasogen" kann daher allerdings nicht ge*
leugnet werden. Dagegen ist die Aehnliohkeit derart äusser-
lich, namentlich derart wenig im Laut- und Klangwert aus-
feprägt, dass eine Verwechslung bei Verwendung gehöriger
orgfalt nicht wohl angenommen werden kann. Hiebei kommt,
wie die Vorinstanz richtig hervorhebt, namentlich in Betracht,
•dass es sich um Medikamente handelt, so dass auch beim
Laien grössere Aufmerksamkeit vorausgesetzt werden darf,
als bei Deckung der Bedürfnisse des täglichen Verkehrs. Ob
•eines der beiden Produkte „Vasogen" und „Vasapon" oder
beide nur an Aerzte und Apotheker abgegeben werden, iat
«dabei unerheblich» Die auf Nichtigerklärung der Wortmarkeo
-„Vasapon" und „Vasoval" gerichteten Widerklagebegehren
sind daher abzuweisen. (Entsch. vom 25. Oktober 1901 i. S.
Paerson & Cie c. Bohny, Hollinger & Cie.)
39, Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken u. 8. tv. vom 26. September 1890, Art, 1, 3. Zu-
lämgheit der Wortmarke; Grundsätze. Schuizfähige Phantasie-
benennung oder gemeinfreie Sach-, bezw. Eigenschaftsbezeichnung f
Die Klägerin ist Inhaberin der unter Nr. 11033 bezw.
12457 für sie im eidgenössischen Markenregister fur choco-
lats, ohocolats au lait, en poudre etr en tablettes, cacao, ar-
ticles de réclame eingetragene Wortmarke „Crêmant." Sie
hat dieselbe bisher thatsäohlich nur für eine zum Rohessen
bestimmte Spezialität gewöhnlicher Ghocolade ohne Zusatz
von Milch oder Sahne verwendet. Da die Beklagte sieh auf
der Packung gewisser Chocoladen, die sie ebenfalls in Tafeln
verkaufte und speziell zum Rohessen empfahl, ebenfalls der
Marke „Crêmant" und „Chocolat Crêinant" bediente, so klagte
die Klägerin dahin, die Beklagte sei nicht berechtigt, ein-
zelne Qualitäten ihrer Chocoladenprodukte mit dem Ausdruek
Crêmant zu bezeichnen, und es sei ihr der Gebrauch dieser
Bezeichnung auf der Verpackung oder auf Etiketten unter
Androhung der gesetzlichen Folgen zu untersagen u. s. w.
Die Beklagte trug auf Abweisung der Klage und Widerklage-
weise auf Ungültigerklärung und Anordnung der Streichung
der klägerischen Marke Nr. 12457 in dem eidgenössischen
Markenregister an. Das Bundesgericht hat in Bestätigung
6»
«1er kantonalen Entscheidung die Klage abgewiesen und die
Widerklage gutgeheissen. Aus den Gründen ist hervorzu-
heben :
Nach dem Markenschutzgesetz vom 26. September 1890
kann es keinem Zweifel unterliegen, dass (im Gegensatz zum
früheren Gesetz vom 19. Dezember 1879, Art. 4, Abs. 2) auch
blosse Worte als Marken, eingetragen werden können und des
Markenschutzes fähig qind; das neue Markenschutzgesetz an-
erkennt somit auch die reine Wortmarke grundsätzlich als
schutzfähig an. (Vergi. Urteil des Bundesgerichtes vom 7. De-
zember 188Ô in Sachen Walbaum, Luling, Goulden & Cie
gegen Hahn betreffend die Marke „Monopole/ amtliche
Sammlung Bd XXI, S. 1055, Erwägung 3 ff.) Zweck der
Fabrik- und Handelsmarke ist nun, die Herkunft der Ware
-aus einem bestimmten Geschäft, die Beziehung der Ware
zum Geschäftsinhaber, zu bezeichnen ; nicht dagegen soll sie
dienen zur Bezeichnung der Ware selbst oder einer Qualität,
•sachlichen Eigenschaft der Ware. Damit ein Wort für eine
bestimmte Ware oder Warengattung als Marke verwendbar
*ei, ist daher notwendig, dass die Beziehung des Wortes zur
Ware nicht eine adjektivische sei, die eine sachliche Eigen-
schaft der Ware zu bezeichnen geeignet ist. Ausgeschlossen
ah Wortinarken sind demnach vor allein allgemeine adjekti-
vische Qualitätsbezeichnungen, wie »gut," „extra," „prima;"
ferner Bezeichnungen, die in Beziehung auf die betreffende
Ware eine Qualitätsbezeichnung ergeben, wie „dry," „duro"
bei Champagner oder bei Süd weinen (als Gegensatz zu doux),
fondant bei Chokolade. Die Aneignung derartiger Bezeich-
nungen als Marken, also als individuelle Zeichen, würde eine
unzulässige Monopolisierung der Warengattung selbst in sich
achliessen. Die Markenberechtigung an einem an sich in Ver-
bindung mit einer bestimmten Ware oder Warengattung
inarkenföhtgen Worte wird sodann erworben durch die Prio-
rität des Gebrauchs. Es ist also notwendig, dass die An-
wendung des Wortes auf die betreffende Ware neu sei; nicht
ist dagegen erforderlich, dass das Wort selbst neu, eine reine
Phantasiebezeichnung im Sinne einer neuen Wortbildung sei,
sondern nur die Verbindung des Wortes mit der betreffenden
Ware musa neu und in diesem Sinne originell sein. Ferner
ist zu bemerken, dass eine an sich zur Marke geeignete Be-
zeichnung zu einem Freizeichen, Gemeingut, werden kann;
dies kann geschehen schon durch die Art und Weise der
ersten Benutzung, wie auch im Laufe der Zeit durch die
Entwicklung des Verkehrs. Dafür, ob ein Wort für eine be-
70
stimmte Ware oder Warengatt ud g als Marke geeignet oder
aber, ob es hiefiïr Freizeichen, Gemeingut sei, ist massgebend
die Anschauung des Verkehrs (zwischen Produzenten, Bind*
lern und Konsumenten).
Die Klägerin beansprucht das Wort „Crèmant" ala
Harke für „Chokolade, Milchohokolade, in Pulvern und in
Tafeln, Cacao, Reklameartikel," d. h. also für Chokolade-
waren im allgemeinen. Von der Zulässigkeit des genannten
Wortes als Marke für diese Ware ist daher auszugehen.
Die Beklagte behauptet nun, dass die Bezeichnung „ore-
manttt für Chokolade sich als Eigenschaftsbezeichnung dar-
stelle, und aus diesem Grunde nicht markenfähig sei. Dem
gegenüber behauptet die Klägerin, es handle sich hier, bei
der Anwendung des Wortes auf Chokolade, um eine neue,
eigenartige Phantasiebezeichnung und somit um eine dea
Markenschutzes fähige Benennung. Grammatikalisch und
sprachlich betrachtet erscheint das Wort „crèmant" ala par-
ticipium praesens des Verbums „crêmer" (resp., wenn Cle-
ment geschrieben, crèmer), und dieses hinwiederum leitet «ich
ab vom Substantiv creme (oder crème). Letzteres bedeutet
zunächst Rahm oder Sahne (von Milch); in zweiter Linie eine
sonstige dickflüssige Masse, speziell auf Lebensmittel, aber
auch auf Gebrauchsgegenstände angewandt (ersteres in Ver-
bindungen wie „creme à la Vanille, " crème au chocolat;
ferner für Liqueure, wie Cröme Iva; — letzteres z.B. bei
„Creme Simon0); endlich bedeutet „creme" in abgeleiteter
Beziehung etwas hohes („die Creme der Gesellschaft*) und
besonders gutes. Crémer (oder crêmer) ist nach den Wolter*
büchern ein intransitives Verbum, das bedeutet, „sich mit
Creme bedecken." Nach den von der Klägerin beigebrachten
und von der Beklagten anerkannten Auszügen aus Wörter-
büchern (Dictionnaire de l'Académie; Litt ré; Larousse) findet
sich „crémanttf (mit é [accent aigu] geschrieben) nur in Ver»
bindung mit dem Substantiv „Champagne" und bezeichnet
einen Champagner, „qui n'a qu'une mousse légère et peu
abondante." Hienach ist der Klägerin zuzugeben, daaa die
Verwendung dieses participium praesens zwar nicht eine
sprachliche Neubildung bedeutet (ob mit é oder ê geschrieben,
ändert an der Sache nichts), dass aber dessen Anwendung
auf Chokolade als Neuerung erscheint. Nach der rein sprach-
lichen Bedeutung dieser Zusammenstellung ist somit aller-
dings richtig, dass nicht direkt eine Eigenschaft der Choko-
lade, reso, einer gewissen Art Chokolade, derartig bezeichnet
werden kann. Dagegen findet eine Erinnerung an Creme
71
statt, die ebensowohl dahin gehen kann, dass die Ghokolade
orêmehaltig sei, wie dabin, dass sie leicht zar Creme — im
Sinne einer dickflüssigen Masse — werde, wie endlich dahin,,
sie sei — als „Creme der Chokoladen" — eine besonders
gute Art Chokolade. Biese durch die Bezeichnung „ordmant"
in Verbindung mit Chokolade gegebene Andeutung ist nun
jedermann verständlich. Das Wort creme (auf welches in
erster Linie abzustellen ist, und nicht anf das Verbum crêmer
oder crémer) gehört der Umgangssprache an; „orêmant" hängt
mit „creme" zusammen und erinnert an die oben gegebenen
Bedeutungen dieses Wortes. Es wird also durch die Zusam»
menstellung immerhin auf Eigenschaften hingedeutet, die mit
Creme zusammenhängen. Der Aasdruok „crêmant" in seiner
Anwendung auf Chokolade muss daher vom kaufenden und
verkaufenden Publikum als Beschaffenheitsbezeichnung auf-
gefasst werden. Die Klägerin scheint denn auch insofern
selber dieser Ansicht zu sein, als sie die Bezeichnung „crê-
mant" nur auf eine bestimmte Art Chokolade anwendet. Mag
letzteres indessen auch nicht ausschlaggebend sein, da die
Produzenten und Händler die verschiedenen Sorten derselben
Warengattung gerne mit verschiedenen Bezeichnungen, die
an sich ebenso gut Phantasie- wie Beschaffenheitsbezeich-
nungen sein können, versehen, so fällt dagegen in Betracht,,
dass die Klägerin selber das Wort „crêmant" früher (und
auch jetzt noch) in adjektivischer Bedeutung gebraucht hat,,
wie besonders aus den Preiscourants hervorgeht. Daraus,,
speziell aus dem Umstände, dass ursprunglich der Rechts-
Vorgänger der Klägerin als Schutzmarke lediglich das Bild
eines Kranichs bezeichnete und hinterlegte, während die Ver-
packung doch bereits die Aufschrift „Chocolat crêmant* u. s. w»
fährt, geht einerseits hervor, dass die Klägerin selber ur-
sprünglich das Wort als Eigenschafts-, Beschaffenheitsbezeich-
nung für eine bestimmte Art Chokolade verwendete; ander-
seits ergiebt sich daraus, dass die Klägerin selber das Pub-
likum daran gewöhnt hat, unter jener Bezeichnung eine be-
stimmte Art Chokolade mit gewissen, an Creme erinnernden
Eigenschaften zu verstehen, verwenden denn übrigens auch
andere Chokoladefabrikanten zwar nicht gerade das Wort
„cramant,41 wohl aber ähnliche von Creme hergeleitete Worte,
wie „crémier" zur Bezeichnung ihrer Chokolad equali täten.
Danach ist dann allerdings das Wort „crêmant" als Etgen-
sohaftsbezeichnung aufzufassen. (Entsch. vom 5. Okt. 1901 i. S~
Société anonyme des Chocolats au lait F. L. Cailler c. Berner
Chokoladenfabrik Tobler & Cie.)
72
40. Bundesgesdz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
IL April 1889, Art. 143, 240. Wer ist, wenn der Gantkauf vom
Ersteigerer nicht gehalten wird und bei der weiteren Versteigerung
sich ein Ausfall ergiebt, geschädigt und klageberechtigtt Haftet
der erste Ersteigerer auch für den Ausfall, der eich dadurch er-
giebt, dass ein zweiter Ersteigerer seine Verpflichtungen nicht
vfüUt?
1. Soweit durch ein nicht gehaltenes Gantangebot Pfand-
gläubiger noch gedeckt worden wären, während der spätere
Erlös hiezu nicht mehr ausreicht, sind sie und sie allein ge-
schädigt. Die übrigen Kurrentgläubiger, bezw. die Eonkurs-
masse als solche erleiden dagegen, abgesehen von der in jedem
Falle eintretenden und meist zu ihren Lasten fallenden Kosten-
Vermehrung, und abgesehen von der in gewissen Fällen und
als Folge des Verlustes der Pfandgläubiger und ihrer ver-
mehrten Partizipation am Ergebnis der V. Klasse eintretenden
Reduktion der Dividende dieser Klasse, dann noch einen
"weiteren Schaden, wenn das nicht gehaltene Angebot auch
noch für sie einen Uebererlös ergeben hätte» Im vorliegenden
Falle nun sind die aus der Abtretung der Konkursmasse
klagenden Personen identisch mit den geschädigten Pfand-
gläubigern und sind in beiden Eigenschaften klageberechtigt,
so dass die Frage nicht weiter untersucht zu werden braucht,
ob die Konkursverwaltung auch berechtigt sei, den den
Pfandgläubigern entstandenen Schadenersatzanspruch ohne
ihr Wissen und Willen einzuklagen und zu versteigern, oder
ob dieses Klagrecht lediglich den Pfandgläubigem zustehe.
Dagegen kann die Auffassung nicht geteilt werden, dass eigent-
licher Geschädigter nur der Gemeinschuldner sei und die
Konkursverwaltung nur seine Rechte geltend machen könne,
weil der Konkursverwalter Vertreter des Gemeinschuldners
sei. Die Konkursverwaltung wird vielmehr richtigerweise
als das die Gläubigerschaft vertretende Organ aufge-
fasst, als Vertreterin ihrer Interessen, die nur zu oft den-
jenigen des Gemeinschuldners entgegengesetzt sind (s. Kohl er,
Lehrb. S. 400; Seuffert, Konkursprozessrecht S. 155, 157,
158). Damit steht auch Art. 240 des Gesetzes in Ueberein-
8timmung, der die Konkursverwaltung ausdrücklich als Ver-
treterin der Masse und nicht des Gemeinschuldners bezeichnet.
Diese Masse, die Gläubigergesamtheit, kann vom Geinein-
8chuldner unabhängige, selbständige Rechte erwerben and
selbständig verpflichtet werden. Es hat daher durchaus nichts
anstössiges an sich, das mit dem System des Gesetzes nicht
vereinbar wäre, sondern steht mit demselben im vollen Ein-
7&
klang, wenn dem Art. 143 die Bedeutung beigemessen wird,
da88 damit auch der Masse als solcher ein ihr selbständig*
zustehender Schadenersatzanspruch eingeräumt werden
wollte, wenn ihre Interessen auf Erzielung eines möglichst
hohen Erlöses aus den ihrem Beschlagsrecht unterliegenden/
Objekten des Schuldners durch einen Dritten verletzt werden»
2. Der Ersteigerer, welcher seine Verpflichtungen nicht
erfüllt hat, so dass es zu einer neuen Versteigerung gekommen
ist, haftet für den Ausfall, der sich bei der neuen Steigerung
gegenüber seinem Angebote ergeben hat; dagegen haftet er
nicht auch für den "weiteren Ausfall, der sich allfällig daraus
ergiebt, dass auch der neue Ersteigerer seine Verpflichtungen
nicht hält, und es daher zu einer dritten Versteigerung kommt.
(Entsch. vom 23. Juli 1901 i. S. Schweitzer o. Moos und
Guggenheim.)
41. Bundesgesetz über Schuldbeireibung und Konkurs vom
11. April 1889, Art. 106—109, 127. Der Gläubiger {oder.Schuld-
ner), welcher ein im Beireibungsverfahren gellend gemachtes Dritt-
mannsrecht an einer gepfändeten Sache nicht binnen der ihm an-
gesetzten Frist beim Betreibung samle bestreitet, hat dadurch für die
beireffende Betreibung, einschliesslich des Stadiums der KoUokation,
das Redit auf eine nochmalige Anfechtung verwirkt. Die gleiche
Wirkung greift um so mehr Platz, wenn über die Gültigkeit des frag-
lichen Drittmannsrechtes vom Richter rechtskräftig entschieden
oder wenn das betreffende Recht im Laufe des Prozesses aus-
drücklich anerkannt worden ist
Das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs
steht auf dem Standpunkte, dass die sämtlichen Pfand-
ansprachen, die an einem der Zwangsverwertung unterliegen-
den Gegenstande geltend gemacht werden, vor der Verstei-
gerung ziffermässig festzustellen sind. Denn gleichwie die
Betreibung in ihrem Gange gehemmt ist, so lange nicht fest-
steht, ob das von derselben ergriffene Objekt auch wirklich
Eigentum des Schuldners ist, so kann auch mit Rücksicht auf
die Vorschrift des Art. 127 die Verwertung eines mit Pfand-
rechten belasteten Objektes so lange nicht stattfinden, ala
nicht eruiert ist, für welche Beträge das Objekt als Pfand
haftet. Deshalb ist, was die Mob i lien anbetrifft, durch di*
Art. 106 — 109 ein sich an die Pfändung anschliessendes Ver-
fahren zur Abklärung dieser Frage eingeführt worden. Nach
dem klaren Wortlaut des Art. 106 und 109 kann nun darüber
kein Zweifel sein, dass der Gesetzgeber dabei davon ausginge
74
es seien alle Einwände, die der pfändende Gläubiger (oder
der Schuldner) dem behaupteten Hechte dea Dritten entgegen-
setzen kann, in diesem Verfahren geltend zu machen. Damit
wäre es nun aber nicht verträglich, wenn dem Gläubiger
(bezw. Schuldner) anlässlich der Aufstellung des Kollokations-
planes eine nochmalige Gelegenheit geboten würde, diesen
Drittanspruch in Frage zu stellen. Denn das würde ja direkt
der Androhung der Art. 106 Abs. 3 und 109 letzter Satz,
dass der Anspruch des Dritten als anerkannt gelte, wenn die
Frist zur Bestreitung nioht benutzt wird, widersprechen.
Nach diesen unzweideutigen Bestimmungen hat der Gläubiger
(bezw. Schuldner), der nicht innert der ihm angesetzten Frist
die Gültigkeit des Drittmannsrechtes beim Betreibungsamte
bestreitet, damit für die betr. Betreibung, also auch in
Bezug auf das Stadium der Kollokation, das Recht auf eine
nochmalige Anfechtung desselben unwiderruflich verwirkt.
Wenn aber der Drittansprecher für die ganze Dauer der
betr. Betreibung einem solchen Gläubiger (bezw. dem Schuld-
ner) gegenüber deswegen schon vor weiteren Anfechtung«!
seines Rechtes geschützt ist, weil die Frist des Art. 106
bezw. 109 zur Bestreitung nicht eingehalten worden ist, so
kann a fortiori ein nochmaliges Klagerecht um so weniger
dann bestehen, wenn die Frage der Gültigkeit des betref-
fenden Rechtes dem Richter wirklich vorgelegt und von ihm
rechtskräftig entschieden oder wenn das betreffende Recht im
Verlaufe des Prozesses ausdrücklich anerkannt worden ist.
(Vergi, in diesem Sinne auch Jäger, Kommentar Art. 148
Nr. 4 S. 266; Reichel, Kommentar Art. 148 Nr. 1.) (Entach.
vom 16. Oktober 1901 i. 8. Guggenheim c. Fischer.)
42. Bundesgesetz über die Organisation der Bundetrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 56, 57. Bundesgesetz über Schuld-
betreibung und Konkurs vom 11. April 1889, Art. 219. Die Frage,
wieweit der Ehefrau eine Weiberguteforderung überhaupt zustehe,
ist durch das kantonale Recht geordnet; nur hinsichtlich der Rang-
ordnung der vom kantonalen Rechte anerkannten Weiberguts-
forderung im Pfändungs- und Konkursverfahren greifen bundes-
rechtliche Bestimmungen ein.
Frau £. K. geb. St. cedierte laut Abtretungsurkunde Tom
13. Februar 1900 mit Einwilligung ihres Ehemannes den ihr
aus dem Nachlasse des B. Seh. angefallenen Erbteil an W.
in B. unter Bescheinigung, den Gegenwert empfangen su
haben. Der Cessionar W. hatte sich (gemeinsam mit A. St.)
75
für eine Schuld von Fr. 2000 des Ehemannes K. an die Kan-
tonalhank Seh. verbürgt. In dem am 28. Juli 1900 eröffneten
Konkurse des Ehemanns K. meldete die Frau eine Ersatz-
forderung aus Weihergut im Mindestbetrage von Fr. 3000 an,
wovon die Hälfte in Klasse IV zu kollozieren. Dieser An-
spruch wurde von der Konkursmasse bestritten und die auf
dessen Anerkennung gerichtete Klage von den schaffhause-
risohen Gerichten abgewiesen, mit der Begründung, Frau K.
habe ein Forderungsrecht an ihren Ehemann nicht erworben,
weil nicht er, sondern sie selbst das ihr angefallene und
damit allerdings in die Verwaltung und Verfügung des Ehe-
mannes übergegangene Erbe oediert habe. Frau K. selbst
habe eine Intercession zu Gunsten ihres Ehemannes vorge-
nommen, aus welcher ihr nicht ein selbständiges Forderungs-
reoht oder sonst weitere Rechte zustehen, als dem Bürgen
nach erfolgter Befriedigung der Kantonalbank. Nachdem der
gleiche Anspruch bereits von dem Hauptgläubiger im Kon-
kurse angemeldet sei, könne sie ihn also nicht nochmals
geltend machen. Auf die gegen dieses Urteil ergriffene Be-
rufung trat das Bundesgericht wegen Inkompetenz nicht ein,
im wesentlichen mit der Begründung:
Die Frage, ob der Ehefrau K., wie die kantonalen In-
stanzen annehmen, eine eigentliche Weibergutsforderung
deswegen nioht zustehe, weil sie selbst über das Erbe ver-
fügt habe, ist eine solche des kantonalen, nicht des eidge-
nössischen Rechtes. Nach der Abgrenzung zwischen den legis-
latorischen Kompetenzen des Bundes und der Kantone in
Bezug auf die Stellung des Weibergutes im Konkurse, wie
sie, gestützt auf die Untersuchungen Heuslers in seinem Auf-
satz über das Weibergutsprivileg und das schweizerische Kon-
kursgesetz (Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. Bd I,
S. 17 ff.) bei Erlass des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung
und Konkurs zu Grunde gelegt wurde, hat die Bundesgesetz-
gebung bloss zu bestimmen, welches Konkursprivileg der Ehe-
frau für ihre Weibergutsforderung zukommen soll, nicht aber
ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Forderung
von der Frau überhaupt geltend gemacht werden könne. Viel-
mehr muss diese Frage, so gut als diejenige der Existenz
eines Vindikationsrechtes der Frau, ihre Lösung finden durch
die dem kantonalen Gesetzgeber vorbehaltene Ordnung der
eherechtlichen Güterverhältnisse, da sie ihrer Natur nach
diesem Rechtsgebiete und nicht dem Konkursrechte ange-
hört. .. . Davon, das8 das eidgenössische Recht der Ehe-
frau allgemein einen Ersatzanspruch im Konkurse des Ehe-
76
mannes für das in die Ehe gebrachte Vermögen garantiere,,
kann demnach nicht die Rede sein. (Vergi, auch in diesem
Sinne Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs Bd in Nr. 47.)
Freilich begnügt sich der Art. 219 des Bundesgeaetsea
über Schuldbetreibung und Eonkurs nicht mit der Erklärung,
in die IV. Klasse falle der kantonalrechtlich als privilegiert
bezeichnete Teil der Forderung für zugebrachtes Frauengut,
sondern er bemerkt noch des weitern, dass dies der Fall seir
„soweit das Frauengut kraft gesetzlich anerkannten Güter-
rechtes im Eigentum oder in der Verwaltung des Ehemannes
sioh befindet.41 Damit will aber nicht etwa gesagt werden,
dass es für das Vorhandensein eines konkursrechtlichen Er-
satzanspruches genüge, wenn der Ehemann die Verwaltung*
und das Eigentum am Eingebrachten gehabt habe, und dass
für alle diese Fälle kraft eidgenössischen Rechtes eine Ersatz-
forderung bestehe. Mit jenem Zusätze wollte und konnte
man keineswegs über die Grenzen, innert welchen das kan-
tonale Recht eine solche Forderung anerkennt, hinausgehen,
das Konkursprivileg diesem gegenüber erweitern. Vielmehr
kann es sich nach der ratio legis hiebei nur um eine Ein-
schränkung des Privileges auf bestimmte Fälle der kan-
tonalrechtlich anerkannten Weibergutsansprachen handeln.
Es soll nämlich damit eine privilegierte Kollokation der Ehe-
frau stets dann ausgeschlossen werden, wenn die geltend ge-
machte Ersatzforderung sich nicht auf eine Verfügungshand-
lung des Ehemannes stützt, welche die Frau sich nach Ge-
setz oder gemäss dem vom Gesetz anerkannten Ehevertrag*
gefallen lassen musste. Sofern eben für die Frau kein der-
artiger gesetzlicher Zwang besteht, sondern sie ihr Vermögen
aus freien Stücken dem Manne überantwortet, liegt auch zur
Einräumung einer privilegierten Stellung den andern Konkurs-
gläubigern gegenüber ein vom Standpunkte des Konkurs-
rechtes aus zu rechtfertigender Grund nicht mehr vor. Diese
gesetzgeberische Absicht ergiebt sich deutlich aus dem er-
wähnten Aufsatze Heuslers (S. 45), der sie in seiner dortigen
Fassung des Artikels zuerst formulierte. Sie ist zudem dem
Gesetzestexte selber zu entnehmen, insoweit der vorgenannte
Zusatz nur bei der Definition des Frauengutsprivilegs der
IV. Klasse, nicht aber bei Erwähnung desselben in V. Klaase
sioh vorfindet. Jene gegenteilige Auslegung würde denn auch
zu unannehmbaren Konsequenzen führen. Wenn z. B. eine
Anzahl Kantone (Zürich, Zug, Schaffhausen, Luzem) einen
Ersatzanspruch für eingebrachte Objekte nioht zulassen, falls
sie ohne Verschulden des Ehemannes untergingen, wenn epe-
77
ziel! Ztirioh einen solchen Anspruoh hinsichtlich der einge-
kehrten Hansgeräte und Kleidungsstücke überhaupt nicht
kennt oder wenn ihn Waadt von einer Ver urkun düng durch
eine reconnaissance de dette abhängig macht, so musate man
in all diesen Fällen dazu gelangen, trotzdem eine bezügliche
Forderung der Frau im Eonkurse zuzulassen, weil gemäss
Art. 219 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Eon-
kurs sich das betreffende Einbringgut im Eigentum oder der
Verwaltung des Mannes befunden habe. Damit hätte in Wirk-
lichkeit der Bundesgesetzgeber in unzulässiger Weise nicht
mehr über Fragen des Eonkursrechtes, sondern über solche
des Ehegüterrechtes legiferiert.
Das Bundesgericht ist also nicht befugt, die vorinstanz-
liche Entscheidung, dass die Klägerin im Eonkurse ihres
Ehemannes überhaupt keine Weibergutsforderung geltend
maohen könne, zu überprüfen. Damit ist allerdings nicht
gesagt, dass der Frau E. überhaupt keine Eonkursforderung
zustehen könne. Denn eine Eollozierung der Ehfefrau im Eon-
kurse ist nicht nur möglich auf Grund einer Weiberguts-
forderung derselben, sondern auch in der Eigenschaft als ge-
wöhnliche Ghirographargläubigerin. Soweit ihr diese Eigen-
schaft zukommt, hat sie natürlich die nämliche Befugnis auf
konkursmässige Befriedigung ihrer bezüglichen Forderungen,
wie jeder dritte forderungsberechtigte Gläubiger. Insofern es
sich also darum handelte, welche Forderungsrechte der Ehefrau
aus einer von ihr als selbständig handelnden Bürgin für ihren
Ehemann eingegangenen Intercession erwachsen seien, hätte
man es mit Fragen zu thun, für deren Beurteilung das eid-
genössische Recht massgebend und damit das Bundesgericht
zuständig wäre. Allein hierauf lässt sich im vorliegenden
Prozessverfahren nicht eintreten, weil ein dahin zielender An-
trag der Berufungsklägerin fehlt* In der That hat dieselbe
weder vor Bundesgerioht noch vor den kantonalen Instanzen,
auch nicht eventuell, darauf abgestellt, dass sie in der Eigen-
schaft einer gewöhnlichen Gläubigerin in V. Elasse für den
ganzen Forderungsbetrag zu kollozieren sei. Vielmehr berief
sie sich stets nur auf eine ihr nach schaffhauserisohem Güter-
rechte zustehende und zur Hälfte privilegierte, zur andern
Hälfte in V. Elasse zu kollozierende Weibergutsforderung,
über deren Bestand zu erkennen dem Bundesgericht, wie ge-
sagt, die Eompetenz fehlt (Entsoh. vom 30. Oktober 1901
i. S. Frau Kaspar geb. Storrer c. Eonkursmasse Kaspar.)
78
43. Bundesgesetz Über Schuldbetreibung und Konkur»
11. April 1889, Art. 250, 260. 0. R. Art. 605. Ein einzelner
Konkttrsgläubiger ist zu kompensationsweiser Geltendmachung emer
Forderung der Konkursmasse gegen eine von ihm angefochtene
Forderung eines andern Konkursgläubigers nicht befugt, sofern
nicht die betreffende Forderung ihm abgetreten worden ist.
Der Beklagte 0. Seh., welcher Kommanditär der Firma
O. Seh. & Cie in Z. gewesen war, war im Konkurse dieser
Firma mit einer Forderung aus einer für die Kommandit-
gesellschaft bezahlten Bürgschaft zugelassen worden. Die
Klägerin als Gläubigerin der Kommanditgesellschaft focht
diese Kollokation an mit der Begründung, der Beklagte habe
von der Kommanditgesellschaft zu Unrecht die Summe von
Fr. 6873. 20 als Tantième bezogen. Das Bundesgericht wies
die Einspruchsklage ab, weil die Klägerin zu kompensations-
weiser Geltendmachung des Anspruchs an den Beklagten
wegen zu viel bezogener Tantième nicht legitimiert sei, indem
es ausführte : *
Die Klägerin maoht heute einen Anspruch auf Rück-
erstattung angeblich zu viel bezogener Tantième auf Grund
des Art. 605 0. R. geltend, bezw. einen Kompensationsanspruch
gegenüber der an sich anerkannten Forderung des Beklagten
aus Bürgschaft aus diesem Grunde. Dieser Anspruch steht
nun unzweifelhaft der Konkursmasse zu, die an Stelle der in
Konkurs geratenen Kommanditgesellschaft getreten ist. Die
Klägerin macht also in That und Wahrheit einen Anspruch
geltend, der der Konkursmasse zusteht, von dieser aber nicht
erhoben wird. Einen derartigen Anspruch kann aber ein ein-
zelner Gläubiger auf Grund des Art. 250 des Bundesgesetzes
über Schuldbetreibung und Konkurs nicht einklagen; diese
Bestimmung giebt vielmehr dem Gläubiger — ausser dem
hier nicht in Betracht kommenden Falle der Klage auf Zu-
lassung der eigenen Forderung nach Mass und Rang — nur
das Recht, die Zulassung eines andern Gläubigers oder den
diesem zugewiesenen Rang zu bestreiten, nicht aber das Recht,
einen Entscheid darüber zu verlangen, ob der Konkursmasse
ein Anspruch zustehe. Zur Geltendmachung der im Kolloka-
tionsplane nicht aufgenommenen Forderungen ist nur die
Konkursmasse, nicht ein einzelner Gläubiger befugt; letzterer
ist es erst dann, wenn eine Abtretung des Anspruches an ihn
im Sinne des Art. 260 des Schuldbetreibungs- und Konkars-
gesetzes erfolgt ist. Da8S eine solche Abtretung erfolgt sei,
hat die Klägerin selbst nicht behauptet; sie ist daher nicht
legitimiert, in ihrer Aberkennungsklage über diesen selbstän-
79
digen Ânspruoh der Masse zu verfügen. (Vergi. Entscheid des
Bundesgerichts vom 10. November 1893 in Sachen Jäggi & Cie
c. Erben Segesser, Arati. Sammig Bd XIX S. 841 f. Erw. 5.)
(Entsoh. vom 21. Dezember 1901 i. S. Schweizerische Volks-
bank c. Schütz.)
44. Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. Aprä 1889, Art 314.
Durch Art. 314 des Schuldbetreibung*- und Konkurs-
gesetzes soll nur die Begünstigung einzelner Gläubiger durch
den Schuldner nach dem Zustandekommen des Nachlassver-
trages, als eine dolose Handlung, ausgeschlossen werden;
Versprechen Dritter dagegen werden von dieser Bestimmung
nicht berührt und sind . auch offenbar nicht mit dem Ver-
sprechen des Schuldners selber auf gleiche Linie zu stellen,
da hiedurch das Vermögen des Schuldners nicht zu Gunsten
eines einzelnen Gläubigers und zum Nachteile der übrigen
vermindert wird. (Entsch. vom 12. Oktober 1901 i. S. Wyss
c. Barthélémy.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
45. Louage d'ouvrage. Subrogation de l'acheteur Sun
immeuble aux droite du vendeur contre F entrepreneur 1 Déboute-
ment. Art 362 C. 0.
Genève. Jugement de la Cour de justice civile da 28 février 1901
d. 1. c. B. c. Yaucher et Veuillet.
Vauoher et Veuillet, entrepreneurs à Genève, ont con-
struit, pour le compte de M. Tissot, un petit immeuble; le
compte général a été payé par Tissot qui} quatre ans plus
tard, a vendu l'immeuble à M. B., propriétaire à Genève. Ce
nouvel acquéreur a écrit à Y. et V. que l'immeuble avait
besoin de réparations nécessaires dont ils étaient tenus comme
entrepreneurs responsables de leurs travaux, et les a invités
à procéder à ces réparations. V. et V. ont décliné leur res-
ponsabilité et opposé à la demande de M. B. intentée devant
le tribunal qu'ils n'avaient aucun lien de droit avec M. B.
Le Tribunal de 1" instance a admis que B., ayant
acheté l'immeuble de Tissot, était subrogé aux droits de ce
dernier contre les défendeurs jusqu'à la date de l'expiration
80
de la prescription de cinq ans. La Cour de justice tirile a
réformé cette décision et déolaré l'action de B. irrecevable.
Motifs: Considérant que l'action prévue par l'art. 362
G. 0. est une action personnelle qui appartient à celui qui a
commandé une construction;
Que l'obligation de faire, à la charge de l'entrepreneur,
dérive du contrat de louage d'ouvrage passé entre le maître
et l'entrepreneur;
Que le droit qui appartient à celui qui a commandé un
ouvrage ne peut passer à un tiers qu'en vertu d'une subro-
gation légale ou conventionnelle;
Qu'aucun texte de la loi ne subroge de piamo l'acheteur
d'un immeuble aux droits personnels du vendeur relatifs i
cet immeuble, pas plus que l'aoheteur n'est substitué aux
obligations personnelles du vendeur;
Que B. ne produit non plus aucun aote comportant ces-
sion par Tis8ot de son droit de recours oontre l'entrepreneur.
Considérant, en résumé, qu'il n'y a aucun lien de droit
entre B. et V. et Y., puisque Tissot n'a pas cédé ses droits
à l'intimé et que cette cession ne résulte pas de la loi.
(La Semaine judiciaire, XXIII p. 250 w.)
46. Pactum de non licitando, uriefern unsittlich. ArL 17
0. R.
Bern* Urteil des Appellations- und Kassationshofes vom 28. Februar
1901 i. S. Moser c. Dauwalder.
Im Eonkurse des Joseph Mack kam dessen Liegenschaft
auf öffentliche Versteigerung. Dauwalder, der für Mack eine
Bürgschaftsschuld hatte zahlen müssen, ersteigerte die Liegen-
schaft um den Schatzungspreis, nachdem er dem Fritz Moser,
Kurrentgläubiger des Mack für Fr. 564. 50, der sich eben-
falls zur Gant eingefunden, versprochen hatte, Fr. 451 su be-
zahlen, sofern et nicht mitbiete. Moser klagte nun diesen
Betrag ein, wurde aber wegen Unsittlichkeit des Vertrag«
abgewiesen. Den weitläufigen Entsoheidungsgründen entnehmen
wir folgendes:
Die Replik des Klägers, dass die Berufung des Beklagten
auf Unsittlichkeit des Vertrages nicht zu hören sei, weil der
Beklagte selbst bei dem Vertrag mitgewirkt und daraus Vor-
teil gezogen habe, seine Einrede also dolos sei, ist un-
stichhaltig. Auf Verwerflichkeit des beklagtischen Handelns
kommt niohts an, weil ein unsittlicher Vertrag absolut nichtig
ist (Entsch. d. B.-Ger. XX Nr. 38 Erw. 7).
81
Nach Feststellung des Bundesgerichts ist ein pactum de
non licitando nicht unter allen Umständen eine Widerrecht-
lichkeit; es kommt darauf an, ob die besondere Beschaffen-
heit des F alle 8, sein Anlass, Inhalt und Zweck den Vertrag
zu einem unsittlichen stempeln. In dem vorhin Gitterten Falle
hat das Bundesgericht den Vertrag als unsittlich erklärt, weil
sich der Kläger Fr. 4000 als Lohn für den Rücktritt hatte
versprechen lassen, ohne dass ihm für diese Summe irgend
ein Rechtsanspruch zugestanden hätte, also einen Gewinn
machen wollte, dessen Annahme schon an und für sich als
moralisch verwerfliche Handlung bezeichnet werden musste.
Dies trifft heute nicht zu, da der Kläger eine Forderung
hatte, die er sich dadurch sichern wollte, aber nicht mehr zu
erlangen strebte, als er nach seinem Obligationsverhältnis
beanspruchen durfte.
In den Fällen Seuffert, Archiv Bd 43, S. 14 und 153 und
Bd 56, S. 2 wird auch der Vertrag, wodurch ein Hypothekar-
gläubiger gegen die Zusicherung seiner Schadloshaltung sei-
tens eines nachgehenden Hypothekargläubigers vom Mitbieten
absteht, als gültig anerkannt.
Dagegen ist im heutigen Fall das Abkommen als wider-
rechtlich und daher der Vertrag als nichtig zu erklären aus
folgendem Grunde:
In Analogie der bundesgerichtlichen Erwägung in oben
citiertem Entscheide (Bd XX, S. 234 Abs. 2) ist zu sagen:
Die Vorschrift der öffentlichen Versteigerung von Konkars-
mas8agut (B.-Ges. über Seh. u. K. Art. 256) ist öffentlich-
rechtlicher Natur im Interesse der Konkursgläubiger sowohl
als des Kridars, für welch' letzteren eine möglichst hohe Ver-
wertung seiner Aktiven um so weniger gleichgültig ist, als
er . für den ungedeckten Betrag seiner Schulden den Gläu-
bigern verantwortlich bleibt. Eine schützende Vorschrift in
dieser Hinsicht ist auch die der öffentlichen Versteigerung,
weil durch diese ein möglichst ausgedehnter Wettbewerb und
damit ein möglichst günstiger Preis erzielt wird. Durch frag-
liches Abkommen ist dieser Wettbewerb erheblich geschmä-
lert worden, denn Moser war, wie aus den Akten ersichtlich,
entschlossen, selbst mit Ueberbietung um mehrere tausend
Franken die Liegenschaft, in Hoffnung auf Einbringung seiner
Kurrentforderung durch deren gute Rendite, zu erwerben. Da
es für den Kridar nicht gleichgültig war, ob bei der Stei-
gerung ein gehöriger Wettbewerb stattfinde, und ihm jeg-
licher Einflus8 auf den Gang der Steigerung benommen war,
so widerspricht die in Rede stehende Abmachung in der That
82
dem Willen des Gesetzes, sie involviert eine Verletzung
öffentlich-rechtlicher Bestimmungen und kann deshalb nicht
zu Recht bestehen.
(Auszug aw der Zeitochr. d. Bern. Jnr.-Ver , XXXV1I1 S. 21 ff.)
47. Unfallhaftpflicht Pflicht des Verleiden, eich einer
chirurgischen Operation zu unterwerfen.
Zürich« Urteil der Appellationskawmer I des Obergericht« vom
27 Dezember 1901.
Ueber die Frage, inwieweit der Haftpflichtkläger sich
einer chirurgischen Operation zu unterziehen habe, hatte sich
die Appellationskammer in folgendem Falle auszusprechen.
Der am rechten Zeigefinger Verletzte litt nach erfolgter Hei-
lung an Schmerzhaftigkeit des ersten Gliedes des Fingers,
die den Gebrauch der ganzen Hand erheblich beeinträchtigte.
Der gerichtliche Experte erklärte, dass dieser Uebelstand
durch Amputation des Gliedes beseitigt werden könne. Diese
Operation sei um so mehr zu empfehlen, als das schlecht
angeheilte Glied für die Funktion der Hand überhaupt nicht
mehr wesentlich in Betracht komme und der Erfolg der Ope-
ration ausser Zweifel stehe; gegenüber dem Wegfalle der
Empfindlichkeit des Fingers falle der Verlust von zwei Glie-
dern desselben für den Kläger als Grobschmied nicht in Be-
tracht; die Operation sei eine ganz leichte und bei Anwen-
dung von Cocain ohne Narkose nicht besonders schmerzhaft;
sie sei abgesehen von der entfernten Möglichkeit einer Wund-
infektion völlig gefahrlos.
Die erste Instanz hat wegen dieser mögliohen Gefahr
einer Infektion dem Kläger die Operation nicht zugemutet.
Die Appellationskammer hat das aber verworfen, da bei der
modernen Wundbehandlung und nach Aussage der Experten
jede Gefahr der Infektion mit einer an absolute Sicherheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sei, die Recht-
sprechung aber mit solchen entfernten Möglichkeiten nicht
zu rechnen habe. Grundsätzlich führt dann die zweite In-
stanz aus:
Unzweifelhaft muss der Verletzte zum Zweck seiner
Heilung alles dulden, was eine ordnungsgemässe Wund-
behandlung und Heilung überhaupt erst ermöglicht, z. B. Rei-
nigung der Wunden, Einschnitte in Geschwüre u. s. 1; ferner
alles unterlassen, was die Heilung verhindert, und endlich
alles thun, was der Heilung förderlich ist, z. B. Gymnastik,
sonst fällt ihm ein den Kausalzusammenhang zwischen Unfall
83
und schliesslichem Resultat störendes oder aufhebendes Ver-
schulden zur Last. Aber hievon verschieden ist die Frage,
ob sich der Verletzte eine Operation, d. h. einen kunstgerecht-
mechanischen Eingriff in den Organismus seines Körpers, ge-
fallen lassen muss. Jede Operation erfordert, als ein Eingriff
in das strafrechtlich geschützte Recht jeder Person auf die
Integrität ihres Körpers, die Einwilligung des Verletzten.
Reicht nun die dem Verletzten obliegen^ Pflicht, den ihm
zugesto8senen Schaden nach Möglichkeit abzuwenden, soweit,
dass ihm zugemutet werden darf, auf das Recht auf Inte-
grität seines Körpers so weit zu verzichten, dass er einen
kunstgerecht-mechanischen Eingriff in seinen Körper dulden
musa? Die schweizerische Judikatur hat sich über diese prin-
zipielle Frage ausdrücklich noch nicht ausgesprochen; das
deutsche Reichsversicherungsamt hat in konstanter Recht-
sprechung daran festgehalten, dass die Einwilligung in jede,
kleine oder grosse, Operation ein freies Recht des Verletzten
sei, so dass die Weigerung unter keinen Umständen einen
vermögensrechtlichen Nachteil für ihn haben könne (Âmtl.
Nachr. des Versich.-Amtes 1893, Nr. 1213).
Dies geht für völlig gefahrlose, in ihrem Erfolg sichere
Operationen zu weit. Der Richter darf dem Verletzten die
Operation zumuten, wenn unter Würdigung aller Verhältnisse
nach richterlichem Ermessen für einen vernünftigen Menschen
kein erheblicher Orund vorliegt, sich der Operation zu wider-
setzen; weigert sich unter solchen Umständen der Verletzte,
die Operation zu dulden, so ist ihm sein Verhalten als Ver-
schulden anzurechnen, das die Haftpflicht des Schädigers,
bezw. Arbeitgebers vermindert (so Seuffert, Archiv 46, Nr. 189;
50, Nr. 166; Bolze, XVI 374; dagegen: Endemann, die Rechts-
wirkungen der Ablehnung einer Operation; dafür: Rümelin,
im Archiv f. d. civil. Praxis, 90, 833). Unter allen Umständen
müssen freilich gewisse Kautelen vorliegen, bevor dem Ver-
letzten die Operation zugemutet werden kann: sie muss eine
wesentliche Besserung des Zustandes zur Folge haben und
der Erfolg muss als ein sicherer, bei dem voraussehbaren
Verlaufe der Dinge mit höchster Wahrscheinlichkeit ein-
tretender bezeichnet werden können, so dass Zweifel darüber
bei den Sachverständigen nicht vorhanden sind (Revue XV
Nr. 80). Weiter mos* sie nach den Regeln der ärztlichen
Kunst als eine gefahrlose erscheinen, und unter Umständen
ist sie dem Verletzten nicht zuzumuten, wenn sie eine er-
hebliche Entstellung in seinem körperlichen Aussehen be-
wirken würde.
84
Darnach wurde der Kläger als verpflichtet erklärt, sich
der Operation zu unterziehen.
(Auszug aus: Blätter f. Zürcher. Rechtsprechung I, S. 51 ff.)
48. Konkurrenzverbot. Persönliche Natur desselben ohm
Belastung der Liegenschaft
Luiern. Urteil des Obergerichts vom 17. Dezember 1898.
Am 4. Dezember 1891 verkauften Gebr. B. in Littau dem
Käser F. St. zu Littau ihr Wohnhaus daselbst und verpflich-
teten sich, im bisher innegehabten Milchgeschäftskreise kein
gleichartiges Geschäft zu betreiben und dem Käufer bei Aus-
übung seines Milch- und Käsereigeschäfts keine Konkurrenz
zu machen. Am 17. Mai 1894 verkaufte St. die Liegenschaft
an Frau F., wobei in den Kaufbedingungen diese Bestimmung
zu Gunsten der neuen Käuferin vorgestellt wurde. 1896 er-
warb St. das Haus wieder auf gerichtlicher Gant infolge einer
gegen die Frau F. durchgeführten Betreibung. Der Stei-
gerungskaufbrief besagt: „Gemäss Kaufvertrag von 1892
zwischen Gebr. B. als Verkäufer und F. St. als Käufer dürfen
erstere im bisher innegehabten Milchgeschäftskreise kein gleich-
artiges Geschäft betreiben, .... dieses Recht hat F. St. auch
seinen Nachfolgern abgetreten." F. St. klagte hierauf gegen
Gebr. B., die seit 1893 wieder ein Milchgeschäft trieben, auf
Untersagung dieses Handels und Schadenersatz. Die Klage
wurde aber abgewiesen.
Gründe: Die Frage ist, ob das Recht aus einem aolchen
Konkurrenzverbote übertragbar sei oder nicht. Als das Nor-
male muss die Unübertragbarkeit gelten, weil das Recht aas
einem Konkurrenzverbot sich doch in der Regel als ein durch-
aus individuelles Recht darstellt. Auch der Wortlaut des
Kaufbriefs: ... „verpflichten sich dem Käufer keine Kon-
kurrenz zu machen" lässt darauf sohliessen, dass Gebr. B.
nur dem Käufer St gegenüber, nicht auoh gegen einen all-
fälligen Rechtsnachfolger bezw. die Liegenschaft eine der-
artige Verbindlichkeit eingehen wollten. Daran ändert nichts,
dass in dem Steigerungsbriefe das Konkurrenzverbot unter
dem Titel „Rechte und Beschwerden" Aufnahme fand. Dieser
Umstand vermag nicht darzuthun, dass es sich thats&chlich
um ein dingliches Recht handelt. Ein solches liegt wirklich
nicht vor, und es war deshalb kein Grund gegeben, unter
„Rechte und Beschwerden" von dem Konkurrenzverbote zu
sprechen.
(Verband!, d. Obergericht* u. d. Justizkomm. v. J. 1898, S. 124 HL)
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
49. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege
vom 22. März 1893, Art. 67 Abs. 2.
Auf eine Berufung, die nur Anträge auf Aufhebung des
angefochtenen Urteils und Abnahme von Beweisen für er-
littenen Schaden enthält, ist das Bundesgericht nicht ein*
getreten, mit folgender Begründung:
Gemäss Art. 67 Abs. 2 des Organisationsgesetzes ist in
der Berufungserklärung anzugeben, inwieweit das Urteil an-
gefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden.
Und zwar müssen diese Anträge, entsprechend der Natur des
Rechtsmittels der Berufung, materieller Natur sein, d. h. auf
den materiellen Endentsoheid in der Sache selbst Bezug haben
(Aufhebung des Urteils und ganze oder teilweise Gutheissung
der Klage, bezw. Abweisung der Klage). Die vorliegende
Berufungserklärung enthält nun keinen derartigen materiellen
Antrag für den Entscheid der Sache selbst, sondern nur den
Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die kan-
tonale Instanz anzuweisen, die für die Gutheissung der Klage
beantragten Beweise abzunehmen. Ein derartiger Antrag
erfüllt das Wesen eines Berufungsantrages im Sinne des
Art. 67 Abs. 2 Organisationsgesetz nicht. Findet das Bundes-
gericht, der vom kantonalen Gerichte festgestellte Thatbestand
sei ungenügend, so hat es von sich aus das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Akten zur Vervollständigung an die
kantonale obere Instanz zurückzuweisen (Art. 82 Abs. 2 Org.-
gesetz) ; dagegen kann nicht eine Partei lediglich diese Rück-
weisung beantragen, ohne einen Antrag in der Sache selbst zu
stellen. (Entscheid vom 29. März 1902 i. S. Portlandcement-
fabrik Wagner & Cie c. Baumaterialienfabrik Giesshübel.)
50. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechts*
pflege vom 22. März 1893, Art. 95 ff. Bundesgesetz betr. das Ver-
fahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 22. November 1850,
86
Art. 192 ff. Revision bundesgerichtticher Berufungsurteile. „Neue
entschiedene Beweismittel" Revision van Ehescheidungsurteilen.
Von den beiden Voraussetzungen, unter welchen die
Möglichkeit der Revision eines rechtskräftigen Urteils auf
Grund einer Ergänzung des Prozessstoffes an sich gegeben
ist, nämlich der Vorlage neuen Bewei&materials und der
Geltendmachung neuer Thatsachen, hat die Bundescivilprozess-
ofdnung vom 22. November 1850 nur die erstere als gesetz-
lichen Revisionsgrund anerkannt. Denn Art. 192 Ziff. 2 leg.
cit. erklärt die Revision ausdrücklich nur dann als zulässig,
„wenn der Impetrat entschiedene Beweismittel auffindet,* und
dass sich der Revisionskläger für die Bewilligung der Revision
auf neue thatsächliche Behauptungen berufen könne, wird
auch sonst bei der gesetzlichen Normierung des Rechtsmittels
nirgends bestimmt, noch lässt es sich auf dorn Wege der
Interpretation aus dem Gesetzestexte entnehmen. Der Ge-
setzgeber wollte also die Revision nur für den Fall gestatten,
wo der Riohter gewisse, zu Gunsten einer Partei sprechende,
von ihr geltend gemachte Thatumstände deshalb unberück-
sichtigt Hess, weil es der Partei unmöglich gewesen war, die
dafür bestehenden Beweismittel beizubringen. Insoweit ist
das rechtskräftig gewordene Urteil nicht unabänderlich, son-
dern ein Zurückkommen auf dasselbe bei Vorlegen der bisher
nicht beizubringenden Beweise möglich. Dagegen soll nach
Auffassung des Gesetzes eine Partei dadurch, dass sie in die
Lage gekommen ist, ihre frühern Anbringen durch neue,
für sie erhebliche Thatsachen zu ergänzen, die Rechtskraft
des einmal ergangenen Entscheides nicht mehr in Frage
stellen dürfen (vergi, auch Entsch. d. Bundesgerichtes Bd XXV,
II, No. 89 S. 746). Dem Gesagten entspricht es auch, wenn
Art. 173 Abs. 1 des Gesetzes schon bei Beginn des Haupt-
verfahrens eine Akten Vervollständigung nur durch neu ent-
deckte Beweismittel, nicht aber durch neu in Erfahrung ge-
brachte Thatsachen als statthaft erklärt (vergi. Entsch. d.
Bundesgerichtes i. S. Genossenschaftsgemeinde St. Gallen c.
Vereinigte Schweizerbahnen vom 19. Juni 1901). Verfügt also
der Gesetzgeber den Ausschluss der letztern noch während
des hängenden Prozesses, — abgesehen von dem ausser-
ordentlichen, das ganze Verfahren selbst vernichtenden Rechts-
behelfe der Reform (Art. 47 ff.) — , so musss dieser Aus-
schluss von ihm um so mehr gewollt sein, wenn einmal ein
rechtskräftiges Urteil vorliegt und es sich darum handelt,
dasselbe wieder umzustossen. Schliesslich mag bemerkt
werden, dass bei Urteilen betreffend Scheidungsklagen eine
87
Revision überhaupt nicht in ero allgemeiner Weise möglich
sein kann wie bei Urteilen über Streitigkeiten vermögens-
rechtlicher Natur. Vielmehr fordern ersteren Falls für die
Regel das Interesse der öffentlichen Ordnung und dasjenige
dritter Personen, deren familienrechtlicher Status direkt oder
indirekt auf die durch das Urteil geschaffene Rechtslage sich
gründet, z. B. bei Wiederverehelichung des geschiedenen Ehe-
gatten, in gebieterischer Weise die Aufrechthaltung des er-
gangenen Entscheides.
Gestützt auf diese Grundsätze wurde ein Revisionsgesuch
abgewiesen, worin der Revisionskläger, zu dessen Ungunsten
in der Frage der Verschuldung das bundesgeriohtliche. Schei-
dungsurteil gelautet hatte, neue, im frühern Prozess nicht
vorgebrachte Thatsachen und damit einen neuen Scheidungs-
grund (Ehebruch der Ehefrau) geltend gemaoht hatte. (Entsch.
v. 23. Januar 1902 i. S. Häuseler e. Covi.)
51. Bundesgesetz übe?- die Organisation der Bundesrechis-
pfiege vom 22. März 1893, Art 89 ff. Gegen welche Urteile ist
die Kassation »beschwer de in Civilsachen zulässig?
Eine Voraussetzung der Kassationsbesohwerde in Civil-
sachen im Sinne des Art. 89 ff. Organisationsgesetz ist, dass
sie sich gegen ein letztinstanzliches kantonales Urteil richte,
und zwar ist hierunter nach feststehender Praxis des Bundes-
gerichts (Entscheid vom 22. Oktober 1898 i. S. Baum und
Mosbacher c. Stauber, Amtl.Samml.24,11, S. 933 und dort cit.)
und in Anlehnung an den französischen und italienischen
Text des Gesetzes ein Haupturteil, d. h. ein Urteil, das über
den eingeklagten Anspruch selbst materiell entscheidet, zu
verstehen. Einem Urteile, das nur über Begründetheit oder
Unbegründetheit eines Rechtsmittels entscheidet, kommt diese
Eigenschaft nicht zu.
In casu war das angefochtene Urteil ergangen auf Grund
des § 219 der solothurnischen C. P. 0., der von der „Appel-
lation wegen offenbarer Gesetzesverletzung" handelt, und
hatte gelautet: „Durch das vom Amtsgericht Solothurn-Lebern
am 22. November 1901 erlassene Urteil hat keine offenbare
G e8etze8 Verletzung stattgefunden und es ist genanntes Urteil
nicht aufzuheben." Das Bundesgericht trat auf die hiegegen
gerichtete Kassationsbeschwerde nicht ein, weil sie sich nicht
gegen ein letztinstanzliches kantonales Haupturteil richte.
<Entsoh. vom 14. Februar 1902 i. S. Misteli c. Ingold.)
52. Ehescheidung. — Verhältnis der sogen, allgememen.
Scheidungsgründe der ArU 45 und 47 Bundesgesetz betr. Civil-
stand und Ehe vom 24. Dezember 1874 zu den speziellen Schei-
dungsgründen des Art 46 eod. — Begriff der böswilligen Ver-
lassung, Art 46 litt, d leg. cit.
1. Dario, dass ein Gericht eine Ehe ans dem generellen
Grande des Art. 45 Bandesgesetz betr. Civilstand and Ehe
scheidet; obdohon eine Scheidungsklage sich auf einen speziellen
Scheidungsgrund stützt, liegt ein Verstoss gegen den klaren
Sinn des genannten Gesetzes und gegen die konstante bundes-
gerichtliche Praxis.
2. Der Begriff der böswilligen Verfassung ist in Ueber-
einstimmung mit der Doktrin (vergi. Martin: Commentaire
de la loi fédérale concernant le mariage pag. 164) dahin zu
bestimmen, dass sich ein Ehegatte wider den Willen des
andern ohne rechtmässigen Grund aus der ehelichen Wohnung
entfernt und sich weigert, dorthin zurückzukehren. Also be-
deutet nicht schon das Verlassen an sich nach bestehendem
Gesetz ein Vergehen gegen die ehelichen Pflichten, sondern
eine Verletzung derselben liegt nur vor, sofern der verlassene
Ehegatte unter gegebenen Verhältnissen Ansprach auf das
eheliche Zusammenleben zu erheben berechtigt ist; denn nur
in der Zuwiderhandlung gegen jenen berechtigten Ansprach
kann eine Böswilligkeit gefunden werden. Nun ist, wie das
Bundesgericht schon in seinem Urteil vom 30. Dezember 1886
i. S. Räber (vergi. Amtl. Samml. der bundesgerichtl. Entscheide.
Bd XII, S. 499), wenigstens indirekt, ausgesprochen hat, das
Recht des Ehemannes, den ehelichen Wohnsitz zu bestimmen
(das ihm in casu nach § 37 des Privatrechts für den Kanton
Graubünden zusteht), unzweifelhaft nicht absolut zu ver-
stehen; denn die heutige sittliche Auffassung der ehelichen
Gemeinschaft verlangt, dass die äusseren Lebensverhältnisse
in derselben soweit möglich der Individualität beider Ehe-
gatten entsprechen sollen, dass daher in dieser Hinsicht nicht
der Wille eines Teils schrankenlos massgebend sein darf.
Daraus ergiebt sich die Berechtigung der Frau, gegenüber
der formellen Bestimmungsgewalt des Gatten, eine der sozialen
und ökonomischen Stellung der Familie, sowie ihren persön-
lichen Verhältnissen angemessene Wohnung zu beanspruchen.
Prinzipiell und theoretisch mag dieser Anspruch die Gründung
einer separaten ehelichen Haushaltung involvieren, allein das
praktische Leben bietet vielfach Ausnahmen hievon, die an
sich im wohlverstandenen Interesse beider Eheleute liegen,
so dass es unbillig erscheinen würde, wenn ein Teil ohne
8fr
speziellen Grand die Auflösung des gemeinschaftlichen Haus-
haltes von Rechtswegen fordern könnte. Anderseits darf
freilich selbst einem ausdrücklichen Einverständnis der Gatten
über die Gestaltung des. ehelichen Hauswesens nicht die Be-
deutung beigelegt werden, dass dadurch alle später ein-
tretenden Verhältnisse implicite gebilligt worden wären; eine
solche Ansohauung würde dem Wesen der Ehe durchaus
widersprechen und sie unter Missaohtung ihrer ethischen
Beziehungen zur rein ökonomischen Gemeinschaft herabsinken
lassen. Vielmehr muss jedem Ehegatten das Recht gewahrt
bleiben, jederzeit, wenn die Zustände in einer gemeinschaft-
lichen Haushaltung derart sind, ein eheliches Zusammenleben
unmöglich zu machen, sich diesen Verhältnissen zu entziehen,
und es ist als Pflichtverletzung von Seiten des andern Gatten
zu betrachten, wenn er nicht zur Aenderung des unerträg-
lichen Zustandes beiträgt. (Entsch. vom 22. Januar 1902 i. 8.
Luk c. Luk.)
53. Anfechtung eines Rechtsgeschäftes wegen Simulation.
Art. 16 0. R. Beweislast. — That- oder Rechtsfrage t Art. 81
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom
22. März 1893.
1. Die Beweislast dafür, dass das mit der Einrede der
Simulation angefochtene Rechtsgeschäft ein simuliertes sei,
trifft den, der diese Einrede erhebt Mit dem Beweise der
Simulation ist es streng zu nehmen, da dieser Beweis sich
gegen den erklärten Willen der Vertragsparteien richtet, und
da zudem das Reoht noch andere Mittel zur Anfechtung von
Rechtsgeschäften gewährt, die es an bestimmte Fristen und
teilweise auch an weitere Voraussetzungen zu knüpfen pflegt.
2. Es erhebt sich die Frage, ob die Einrede der Vof-
instanz, die Begründetheit der Einrede der Simulation ergebe
s ich aus den von ihr angenommenen Thatsachen, vom Bundes-
gericht überhaupt überprüft werden kann oder ob hierin rein
thatsächliche Feststellungen liegen, an welche das Bundes-
gerioht gemäss Art. 81 Organisationsgesetz, sofern sie nicht
aktenwidrig sind, gebunden ist; es fragt sich mit andern Worten:
ist die Frage, ob aus gewissen Handlungen, Worten und kon-
kludenten Thaten darauf geschlossen werden könne, dass der
von den Parteien bei einem Rechtsgeschäft erklärte Wille
nicht der wirkliche, innere Wille der Parteien gewesen sei,
•vielmehr die Parteien in Wirklichkeit übereinstimmend eine
-andere Absicht gehabt haben, als der erklärte Wille aus-
90
drückt, That- oder Rechtsfrage? Hierüber ist zu bemerken:
Wie Danz (Auslegung der Rechtsgeschäfte S- 110) sich richtig
ausdrückt, besteht das Wesen des simulierten Vertrages daxin,
da8s die Kontrahenten „bezwecken, nach aussen hin den
Schein zu erwecken, als hätten sie einen ernstlichen Vertrag
abgeschlossen, während sie einig sind, class unter ihnen eine
obligatorische Bindung nicht entstehen soll." Bei der Frage,
ob eine Willenserklärung simuliert sei, handelt es sich nicht um
eine Auslegung der betreffenden, nach aussen, Dritten gegen-
über, kundgegebenen Willenserklärung, sondern darum, ob
diese Willenserklärung dem wirklichen Willen der Parteien
entspreche, ob der wahre übereinstimmende ParteiwiHe nicht
vielmehr dahin gegangen sei, dass die Erklärung keinerlei,
oder doch nicht die ihrem Inhalte entsprechende Rechts-
Wirkung hervorbringen solle. Ein derartiger Parteiwille, dass
das Dritten gegenüber kundgegebene Geschäft nicht oder
nicht in der erklärten Weise gelten solle, der Simulations-
wille, mu88 natürlich, um rechtlich erheblich zu sein, unter
den Parteien geäussert, in irgend welcher Weise, durch
Worte oder konkludente Handlungen gegenseitig erklärt
worden sein. Bei der Simulationseinrede handelt es sich also
in That und Wahrheit darum, ob nicht neben der nach aussen
kundgegebenen Erklärung zwischen den Parteien durch Worte
oder konkludentes Verhalten eine andere Vereinbarung ge-
troffen worden sei, wodurch dem nach aussen erklärten Ge-
schäfte die ihm scheinbar beigelegte rechtliche Geltung ent-
zogen wird. Die Frage nun, welche Erklärungen oder that-
sächlichen Verhältnisse vorliegen, die den Schiusa auf eine
derartige Vereinbarung, den Simulationswillen, gestatten, ist
Thatfrage, Frage der Beweiswürdigung, und als solche der
Ueberprüfung durch das Bundesgericht entzogen; die weitere
Frage aber, ob sich aus den so festgestellten Erklärungen,
Verhältnissen u. 8. w. der Simulationswille ergebe, ist Rechts*
frage. (A. A. allerdings Danz a.a.O.) In letzterer Hinsicht
ist das Bundesgericht in der Ueberprüfung des vorinstanzlichen
Urteils frei. (Entsch. vom 25. Januar 1902 i. S. Frau Brup-
bacher c. Konkursmasse Brupbacher.)
54. Art 50 ff. spez. Art. 76 0. R. Verhältnis der Bestimmungen
kantonaler Prozessgesetze über Entschädigung wegen unbegründeter
Strafklage zu den Vorschriften des eidgen. Rechts.
Gegen den Beklagten und Widerkläger H. hatte die Glad-
bacher Feuer versicherungsgesell schaft s, Zt. Straf klage wegen
91
Versicherungsbetruges erhoben. Vor Strafgericht gestellt,
verlangte H. neben der Freisprechung Zusprechung einer
Entschädigung von 5000 Franken nebst lOü Franken für
Kosten und Umtriebe; — die Givilklägerin Bückvergütung
der von ihr s. Zt. bezahlten Versicherungssumme. Die erste
Instanz (das Eriminalgericht des Kantons Schwyz) sprach den
Angeklagten von Schuld und Strafe frei und verpflichtete die
Civilklägerin zu einer Entschädigung von 600 Franken. Vor
Kantonsgericht, an welches beide Parteien, jedoch nur im
Civilpunkte, appellierten, beantragte die Civilklägerin ledig-
lich Abweisung der von H. erhobenen Entschädigungsfor-
derung; H. erneuerte sein vor erster Instanz gestelltes
Begehren auf Zusprechung einer Entschädigung von 5000-
plus 100 Franken. Das Kantonsgericht sprach ihm 2000
Franken zu. Auf die gegen dieses Urteil von der Gladbacher
Feuerversicherungsgesellschaft ergriffene Berufung ist das-
Bundesgericht nicht eingetreten.
Gründe: Zur Begründung der Kompetenz des Bundes-
gerichts, die nur zweifelhaft sein kann mit Bezug auf das-
anzuwendende Recht, beruft sich die Civilklägerin darauf
dass das angefochtene Urteil die gesprochene Entschädigung
rechtlich auf die Art. 50 und 51 0. R., also auf eidgenössisches»
Recht, gründe. Das ist jedoch unrichtig. Die Vorinstanz
stützt vielmehr die Pflicht der Civilklägerin, den Beklagten zu
entschädigen, ausdrücklich auf § 6 der St. P. 0. für den Kanton
Schwyz vom Jahre 1848, und ruft die Art. 50 und 51 0. R.
nur an zur Bestimmung des Masses der Entschädigung. Jene
Bestimmung nun lautet im Anschlüsse an die in § 5 eod.
getroffene Unterscheidung zwischen der Anzeige (Dennnciation)
— welche darin bestehe, dass dem betreffenden Beamten
einfach Kenntnis von einem verübten Verbrechen oder Ver-
gehen gegeben werde — und der Klage — welche das be-
stimmte Begehren enthalte, dass die eingeklagte strafbare
Handlung verfolgt werden solle — wie folgt: „der Anzeiger
(Denunciant) haftet daher nicht für den Erfolg des Prozesses,
ausgenommen, wenn es sich ergiebt, dass er wissentlich un-
richtige Angaben sich erlaubt hat; dagegen haftet der Kläger
dem Staat für Prozesskosten, sowie dem Angeklagten für
Genugthuung und Schadenersatz, auf den Fall hin, dass er
die Klage nicht zu beweisen vermöchte." Auf diese Bestim-
mung nimmt auch Bezug §379 ibid., lautend: „der Privat-
kläger, welcher die Untersuchung verlangt hat, ist, wenn der
Angeklagte freigesprochen wird, und nicht selbst durch eigene
. . . . Handlungen die Einleitung des Strafrechtsverfahrens veran-
92
laute, in die Bezahlung der Prozesskosten und in eine billige
Entschädigung zu verfallen." Auf Grund dieser Bestimmungen
haben die kantonalen Instanzen die Civilklägerin sur Be-
zahlung einer Entschädigung an den Beklagten verurteilt,
und es muss daher für die Entscheidung der Frage, ob das
Bundesgericht in der vorliegenden Streitsache kompetent sei,
nur noch untersucht werden, ob diese Bestimmungen neben
den Vorschriften des eidgen.' 0. B., insbesondere denen über
unerlaubte Handlungen, überhaupt noch Raum haben oder
ob vielmehr derartige Bestimmungen kantonaler Prozessgeaetze
als durch das eidgen. O. B. aufgehoben anzusehen sind, die vor-
liegende Sache also auf Grund des letztern Rechtes zu beur-
teilen ist. Nun ist zunächst richtig, dass derjenige, gegen
den auf Anzeige oder Klage eines andern hin eine Straf-
untersuchung eingeleitet wird, gegen den Anzeiger oder An-
kläger dann einen Anspruch auf Schadenersatz und Genug-
thuung nach eidgen. O. R., Art. 50 und 55, hat, wenn dem
Anzeiger oder Ankläger ein schuldhaftes, arglistiges, vor-
sätzliches oder fahrlässiges Verhalten zur Last fällt; diesen
Anspruch aus Art 50 und 55 0. R. kann das kantonale
Recht dem Angeschuldigten nicht nehmen, und dieser
Anspruch wird völlig vom eidgen. Recht beherrscht. Da-
gegen handelt es sich vorliegend nicht um einen derar-
tigen Anspruch aus unerlaubter Handlung; der Beklagte
stützt seine Forderung nicht auf eine Schuld der Civil-
klägerin, sondern auf die Thatsachen der Strafklage und
der Freisprechung; die citierten Bestimmungen der schwy-
zeri8chen St. P. O., die von den Vorinstanzen angewendet
worden sind, fussen nicht auf dem Verschuldungsprinzip,
sondern auf dem Veranlassungsprinzip ; sie knüpfen eine Ent-
8chädigungspflioht der Civilklägerin an die blossen Thatsachen
der Strafklage und der nachherigen Freisprechung mangels
Beweises der Begründetheit, und die oben aufgeworfene Frage
spitzt sich daher dahin zu, ob derartige Bestimmungen
neben den Bestimmungen des S. 0. R. über unerlaubte Hand-
lungen noch Geltung haben können. Diese Frage ist in Anleh-
nung an das Urteil des Bundesgerichts vom 21. /22. November
1884 i. S. Rickenbacher c. eidgen. Postfiskus, Amtl. Samml.
X S. 588 ff., speziell S. 594 Erw. 4, und in Uebereinstimmung
mit diesem Urteile zu bejahen. Es handelt sich bei derartigen
Bestimmungen nicht sowohl um die Aufstellung einer civil -
rechtlichen Schadensersatzpflicht, — wozu allerdings den
Kantonen angesichts des Art. 64 B. V. und des Bundesgesetzes
über das S. 0. R., speziell Art. 50 ff. und Art. 64, die Gesetz-
93
gebungsgewalt abgehen würde, — als vielmehr um eine mit
den Bestimmungen über Tragung der Prozesskosten im Zu-
sammenhang stehende Vorschrift. Es fragt sich, ob der Staat,
der die Mittel sor Durchführung eines Rechtsschutzanspruches
gewährt, auch Bestimmungen darüber treffen kann, welche
Folgen die Abweisung eines derartigen Anspruches für das
Verhältnis zwischen dem Anzeiger oder Ankläger und dem
Angeklagten haben soll. Nun kann gar keinem Zweifel
unterliegen, da es die Gesetzgebungsbefugnis des im Gebiete
des Prozessrechtes legiferier enden Staates (Kantons) dahin
geht, den Ersatz der Kosten und der ausserordentlichen
(Prozess-) Entschädigung zu normieren; fraglich kann nur
sein, ob der betreffende Staat (Kanton) auch über eine weiter-
gehende Entschädigung als die blosse eigentliche Prozess-
entschädigung legiferieren darf, oder ob hierin ein Eingriff in
die Sphäre der eidgen. Gesetzgebungsgewalt liegt. Auch diese
Frage ist indessen zu gunsten der Gesetzgebungskompetenz
der Kantone zu entscheiden ; denn auch derartige weitergehende
Entschädigungsbestimmungen finden ihre Quelle nicht in den
blossen privatrechtlichen Beziehungen des Anzeigers oder
Anklägers zum Angeklagten, sondern in der Gewährung der
staatlichen Rechtshilfe; es handelt sich .also dabei um Obli-
gationen aus öffentlichem Rechte, so dass gemäss Art. 76
O. R. die Gesetzgebung der Kantone hierüber zu bestimmen
hat, und zwar im ganzen Umfange. Hieran ändert der Um-
stand, dass die Vorinstanz auch die Bestimmungen des O. R.
über unerlaubte Handlungen angerufen hat, nichts; denn diese
Bestimmungen finden eben nur analoge Anwendung, und
zwar als kantonales, nicht als eidgenössisches Recht, und nur
zur Bestimmung der Höhe der Entschädigung, nicht zur
Festsetzung des Rechtsgrundes derselben. . (Entsch. vom
17. Januar 1902 i. S. Gladbacher Feuerversicherungsgesell-
schaft o. Hahn.)
55. Verkauf einer Liegenschaft mit darauf befindlichem
Mobiliar. Konkurs des Käufers vor Fertigung des Liegenschaften -
kaufes. Vindikation der Mobilieri durch den Verkäufer (bezw.
dessen Rechtsnachfolger). Kompetenz des Bundesgerichts. Art. 56
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom
22. März 1893. Verhältnis des Kaufvertrages zur Tradition.
Durch Vertrag vom 6. Oktober 1899 hatte F. B. dem
X. Bm. die Liegenschaft „Steinhalde" in L. mit Inbegriff des
landwirtschaftlichen Inventars laut Verzeichnis verkauft, sich
94
auch weiter zur Uebertragung des darauf betriebenen Fuhr-
haltereigewerbes mit sämtlichen Kunden' verpflichtet, alles
zum Kaufpreis von 35,000 Franken. Gleichzeitig hatte X.
Bm. an F. B. die Liegenschaft „Dossenloh" bei Sina um den
Preis von 45,000 Franken verkauft. Diesem Vertrag war ein
Verzeichnis von Beweglichkeiten der „Steinhalde" beigefügt,
welche gegen die Fahrhabe auf „Dossenloh" in Tausch ge-
geben wurden. Durch einen „Kaufbrief über das Inventar1*
betitelten Vertrag vom 11. Oktober 1899 wurden die im Ver-
zeichnis vom 8. Oktober 1899 aufgeführten Wagen und Pferde
mit Zubehör im Schätzungswerte von 5300 Franken an Bm.
veräussert. Bm. nahm die Liegenschaft „Steinhalde" am
9. November 1899 in Besitz und machte die Uebernahme der
B.'schen Fuhrhalterei öffentlich bekannt. Am 20. März 1900
wurde über ihn der Konkurs eröffnet, bevor die Handände-
rung der „Steinhalde" gefertigt war. In diesem Konkurs
vindizierten B. und nachher dessen Rechtsnachfolger die im
Verzeichnis vom 8. Oktober 1899 aufgeführten Vermögene-
be8tandteile, und ihre Klage wurde von allen Instanzen
gutgehei8sen. Ueber seine Kompetenz sprach sich das
ßundesgericht hiebei mit Bezug auf das anzuwendende Recht
folgenderma8sen aus:
Allerdings geht die konstante Praxis des Bundesgerichts
dahin, dass für Kaufverträge um Liegenschaften mit Ein-
8chlu88 der accessorisch mitveräusserten Mobilien das kan-
tonale Gesetz massgebend sei. Allein diese Feststellung be-
rührt nur die obligatorische, nicht auch die dingliche Seite
des Veräus8erungsge6ohäftes. Wie sich das Bundesgericht
schon in Sachen Amberg (Amtl. Samml. Bd XIII, Nr. 39,
Erw. 5) und eingehender im Falle Schelling (Amtl. Samml.
Bd XX, No. 93, Erw. 6) ausgesprochen hat, muss bei solchen
Rechtsgeschäften zwischen dem auf die Debereignung gerich-
teten Vertrag und der Uebereignung selbst unterschieden
werden. Diese richtet sich, soweit bewegliche Sachen in
Frage kommen, stets nach den Vorschriften des schwei-
zerischen Obligationenrechts, mag auch jener dem kantonalen
Rechte angehören. Daraus ergiebt sich für den vorliegenden
Fall, dass die Frage, ob das Eigentum an den vindizierten
Mobilien auf den Erwerber übergegangen sei, nach eidgenös-
sischem Recht zu beurteilen ist, denn wenn auch die Auf-
fassung der Vorinstanz, wonach das zu Grunde liegende
Veräusserungsgeschäft einen einheitlichen Liegenschaftskauf-
vertrag darstellt, zutreffend sein sollte, so würde daraus nur
folgen, dass die obligatorische Verpflichtung der Kontrahenten
95
dem kantonalen Rechte zu entnehmen ist, während das für
die dingliche Wirkung der Uebereignung massgebende Recht
von dieser Peststellung nicht betroffen wird, sondern sich
nach der Natur der einzelnen veräusserten Objekte bestimmt»
Dem widerspricht nicht, dass in oasu die rechtliche Bedeu-
tung des Traditionsvorganges aus jenem obligatorischen
Rechtsgeschäft interpretiert werden muss, denn der bei der
faktischen Uebergabe der streitigen Objekte wirksame Wille,
welcher — nach dem vom Bundesgericht in Anlehnung an
die herrschende Doktrin seinen Entscheidungen zu Grunde
gelegten Rechtsbegriff der Uebereignung als eines dinglichen
Vertrages — den Traditionsvorgang rechtlich qualifiziert, ist,
wie dies gewöhnlich der Fall, nicht in einem besonderen
Rechtsakt begründet, sondern ergiebt sich aus dem gesamten
Inhalt und Zweck des Veräusserungsvertrages. Dieser Wille
aber empfangt, soweit er sich auf die Uebertragung der Mo-
bilie n richtet, seine Wirksamkeit aus dem eidgenössischen
Recht, selbst wenn jener Vertrag, aus welchem er entnommen
wird, dem kantonalen Rechte unterstehen sollte.
Der Vertrag über die Liegenschaft „Steinhalde" erwähnt
das darauf befindliche Inventar als mitverkauft unter Vor«
behalt seiner Verzeichnung und Schätzung, und statuiert
ausdrücklich die Verpflichtung des Verkäufers zur Ueber-
tragung der Fuhrhalterei, ebenso nennt die Veräusserungs-
urkunde für das Gut „Dossenloh," die vom gleichen Tage da-
tiert, als „Gegenwert" die Liegenschaft und Fuhrhalterei
„Steinhalde." Darnach wird unzweifelhaft das zur Fuhrhalterei
gehörige Inventar mitumfasst. Wenn nun auch später ein
Verzeichnis desselben aufgenommen und ein erhöhter Kauf*
preis angesetzt wurde, so kann darin nicht ein neuer Konsens
von selbständiger rechtlicher Bedeutung, sondern nur der
Vollzug der früheren Vereinbarung erblickt werden. Denn
die Würdigung des gesamten Tatbestandes ergiebt zur
Evidenz, dass die Absicht der Kontrahenten darauf gerichtet
war, die eine Liegenschaft gegen die andere einzutauschen,
dass somit die äusserlich auseinanderfallenden Rechtshand-
lungen als Produkt einer einzigen Willenseinigung, als ein-
heitliches Rechtsgeschäft zu betrachten sind. Daraus folgert
die Vorinstanz zutreffend, dass die Uebergabe des in Frage
stehenden Kaufsobjekts nicht anders als im Sinne einheit-
licher Rechtswirkung für alle seine Bestandteile ausgelegt
werden kann. Wenn sie daher mit Rücksicht auf die Rechts-
stellung der Parteien hinsichtlich der Liegenschaft annimmt,
die Mobilien haben nur suspensiv bedingt tradiert werden
wollen, so erscheint dies mit der oben ausgeführten Auffassung
des Bundesgerichts über die rechtliche Bedeutung der Tra*
dition im Sinne des schweizerischen Obligationenrechts durch-
aus vereinbar und den Umständen des vorliegenden Falles
angemessen. (Entsch. vom 22. Februar 1902 i. S. Konkurs-
masse Bachmann o. Stocker und Lingg und Kons.)
56. Mietvertrag. Art. 281 0. R. „Kauf bricht Mieter
Rechtsstellung der Parteien während der Räumungsfrist. Wem
steht, bei Nichtüberbindung des Mietvertrags während dieser
Zeit das Recht auf den Bezug der Mietzinse zu, dem ursprüng-
lichen Vermieter oder dem Erwerber des Mietobjektes?
Mit Vertrag vom 30. Dezember 1899 hatte M.-G. dem
Beklagten L. eine Liegenschaft in Basel für die Zeit vom
1. April 1900 bis 1. April 1905 vermietet zu einem jährlichen,
vierteljährlich mit 3000 Franken vorauszahlbaren Mietzinse
von 12,000 Franken. Am 6. Februar 1901 wurde über den
Vermieter M.-G. der Konkurs eröffnet. In diesem erstand
die Klägerin, Aktiengesellschaft „Ba varia", die Liegenschaft
(am 13. Juni 1901); sie kündigte dem Beklagten den Miet-
vertrag am 29. Juni 1901 auf 1. Oktober gleichen Jahres
gestützt auf Art. 281 0. R. Für das III. Vierteljahr (1. Juli
bis 1. Oktober 1901) klagte sie gegen L. den Mietzins von
-3000 Franken ein. Der Beklagte bestritt ihre Aktivlegiti-
mation, indem er sich auf den Standpunkt stellte, nicht die
Klägerin, sondern der ursprüngliche Vermieter M.-G. (resp.
nunmehr dessen Konkursmasse, an die er Gegenansprüche
gestellt hatte) sei zum Bezüge des Mietzinses berechtigt.
Beide kantonale Instanzen, sowie das Bundesgericht haben
diesen Standpunkt des Beklagten geschützt, letzteres mit
folgender Begründung:
Indem das schweizerische Obligationenrecht den Satz
aufstellt, — Art. 281 Abs. 1 — bei Veräußerung der Miet-
sache oder Entzug derselben durch Konkurs u. 8. w. könne
der Mieter die Fortsetzung des Mietvertrages von dem Dritten
(d. h. dem Erwerber) nur fordern, wenn dieser sie übernommen
hat, dagegen könne er vom Vermieter die Erfüllung des
Vertrages oder Schadenersatz verlangen, — hat es sich auf
den Boden gestellt, dass der Mietvertrag für den Mieter nur
ein obligatorisches, dem Vermieter gegenüber wirksames
Recht, nicht aber ein dingliches Recht, ein Recht auf die
Sache, das auch dem dritten Erwerber gegenüber wirksam
wäre, schafft; es hat sich mit andern Worten dem Grund«
97
satze „Kauf bricht Miete" angeschlossen, der besagen will,,
dass der neue Erwerber an den Mietvertrag nicht gebunden ist,
während allerdings gerade die Bestimmung, dass der Mieter
vom Vermieter Erfüllung oder Schadenersatz fordern kann,
zeigt, dass der Mietvertrag nicht aufgehoben wird, der
Grundsatz „Kauf bricht Miete" also nicht wörtlich in diesem
Sinne ausgelegt werden darf. (Vergi. Stobbe, Handbuch
des deutschen Privatrechts, III. Bd S. 334 [3. Aufl.].) Von
dem hieraus sich ergebenden Grundsatze, dass der Erwerber
gar keine Rücksicht auf den Mieter zu nehmen hat, schaffe
Ab 8. 2 des Art. 281 eine Ausnahme für den Fall der Miete
unbeweglicher Sachen: hier hat der Erwerber dem Mieter
unter Beobachtung der vertraglichen oder gesetzlichen Kün-
digungsfristen zu kündigen. Das will sagen, dass der Er-
werber den Mieter noch während der Kündigungsfrist im
Mietbesitze zu belassen, ihm eine Räumungsfrist zu gewähren
hat; diese Vorschrift enthält eine Abschwächung des Grund-
satzes „Kauf bricht Miete" zu Gunsten des Mieters. Der
Erwerber hat also dem Mieter den vertragsgemässen Gebrauch
der Sache während der Räumungsfrist zu überlassen. Hierin,
in dieser passiven Verpflichtung, erschöpft sich aber die Ver-
pflichtung des Erwerbers — sofern nicht, was hier nicht der
Fall ist, Uebernahme des Mietvertrages durch den Erwerber
vorliegt — gegenüber dem Mieter. Dagegen tritt hiedurch
nicht etwa der Erwerber kraft Gesetzes an Stelle des Ver-
äU8serers in den Mietvertrag ein; der Grundsatz des Abs. 1,
dass der Mieter die Fortsetzung des Mietvertrages vom Dritten
nur fordern könne, wenn dieser sie übernommen hat, dass der
Mietvertrag dagegen dem Veräusserer gegenüber bestehen
bleibe, ist durch die zu gunsten des Mieters aufgestellte
Räumungsfrist bei der Miete unbeweglicher Sachen nicht auf-
gehoben oder durchbrochen. Es kann seinerseits der Mieter,
mangels einer dahinzielenden gesetzlichen Bestimmung, nicht
einseitig vom Mietvertrage zurücktreten (a. A. allerdings
Janggen, Sachmiete, S. 53; für die hier vertretene Ansicht
dagegen Heuberger, Sachmiete, S. 92 § 36 sub 4); der
Mietvertrag bleibt eben zwischen den Vertragsparteien weiter
bestehen und für beide Teile verbindlich. Richtig ist sodann
allerdings, dass das Recht auf die Mietzinse erst durch die
Bewirkung der Gegenleistung des Vermieters erworben wird
(vergi. Urteil des Bundesgerichts vom 9. Februar 1901 i. S.
Konkursmasse Thommen c. Orell Füssli & Cie, Amtl. Samml.
Bd 27, II, S. 46 und dort citierte). Allein daraus folgt
nicht, dass im Falle der Veräusserung einer vermieteten
98
Liegenschaft der Mieter während der Räumungszeit nicht
nach wie vor dem Vermieter (und Veräusserer) gegenüber
zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet sei. Denn der Grund,
weshalb er im Mietbesitze bleibt, liegt immer im (ursprüng-
lichen) Mietvertrage, und der Vermieter übt seine hieraas
folgenden Verpflichtungen lediglich aus durch den Erwerber,
nicht übernimmt dieser gesetzlich die vertraglichen Verpflich-
tungen des Veräusserers aus. dem Mietvertrage. Daraus folgt,
dass der Erwerber auch nicht in die Rechte des Vermieters
eintritt, und dass er insbesondere auch dem Mieter gegen-
über keinen selbständigen Anspruch auf den Mietzins hat.
(In diesem Sinne auch: Janggen, Sachmiete, S. 53; Hafner,
Kommentar 2. Aufl. Art. 281 An m. 11; Motive zum Ent-
wurf des deutschen bürgerlichen Gesetzbuches 8. 389 f.;
H. E. V. S. 308.) Der Mietzins für das III. Quartal blieb also
der Konkursmasse des (ursprünglichen) Vermieters geschuldet.
Denn der Umstand, dass die Klägerin nicht direkt mit dem
Vermieter, sondern mit dessen Konkursmasse den Kauf ab-
geschlossen hat, ändert am gewonnenen Resultate nichts.
Nach Art. 281 0. R. steht der Erwerb einer Sache im Kon-
kursverfahren dem Erwerbe in freihändigem Kauf völlig gleich;
alle für diesen gefundenen Rechtssätze finden daher auch auf
jenen Anwendung (vergi. Janggen a. a. 0. S. 64). (Entsch.
vom l.März 1902 i. S. „Bavaria" c. Lüdin.)
57. Dienstvertrag. Wichtige Gründe zur sofortigen Ent-
lassung des Angestellten. Art. 346 0. R.
1. Für die Berechtigung einer sofortigen Entlassung des
Angestellten durch den Dienstherrn genügt nicht z. B. Un-
regelmässigkeit oder Inkorrektheit, sondern es müssen erheb-
liche Mängel in der Person oder in Handlungen des Ange-
stellten zu Tage treten, die eine Fortsetzung des Vertrags-
verhältnisses für den Dienstberrn als unerträglich erscheinen
lassen. Ob solche wichtige Gründe zur Auflösung des Ver-
tragsverhältnisses vorliegen, hat der zu beweisen, der aus
ihnen einen Aufhebungsgrund des Vertrages ableitet.
2. Die sofortige Aufhebung des Dienstvertrages ist nach
Art. 346 0. B. lediglich abhängig vom Vorhandensein wich-
tiger Gründe. Eine Verpflichtung, diese Gründe bei der
Entlassung anzugeben, kann weder aus Art. 346 O. R. noch
überhaupt aus dem Obligationenrecht abgeleitet werden.
(Vergi, auch Staub, Kommentar zum deutschen H. G. B., 6.
und 7. Aufl., Anm. 1 zu Art. 70.) Der Dienstherr, der den
99
Angestellten vorzeitig entlassen hat, ist daher im Prozesse
nicht darauf beschränkt, nur diejenigen Gründe geltend zu
machen, die er dem Angestellten gegenüber bei der Ent-
lassung angeführt hat. (Entsch. vom 18. Januar 1902 i. S.
Schweizerische Nordostbahn c. Sprüngli.) .
58. Genossenschaft. — Wirkungskreis der Generalversamm-
lungen von Genossenschaften. Tragweite von Statutenbestimmungen
betr. Beiträge zur Deckung von Betriebskosten. Bedeutung der
Liquidation der Genossenschaft. — Bestimmung der Statuten
betr. Auferlegung einer Konventionalstrafe; Voraussetzungen, Um-
fang. Art. 678 ff. 0. R. — Art. 122 eod.
Im Januar 1899 gründeten eine Anzahl schweizerischer
Kalkfabrikanten, unter ihnen auch der Beklagte, die „Ge-
nossenschaft schweizerischer Kalkfabrikanten" (Sitz in Zürich),
deren Zweck darin bestand, „unter Regelung der Produktion
den Absatz von hydraulischem Kalk in der Schweiz in dem
von der Generalversammlung zu bestimmenden Genossen-
schaftsgebiet zwischen den Genossenschaftern als Kalkfabri-
kanten und der Kundschaft; zu vermitteln. a Die Dauer der
Genossenschaft war vom 1. Januar 1899 an auf vorläufig 3
Jahre, also bis zum 31. Dezember 1901 festgesetzt. Die hier
in Betracht kommenden Bestimmungen des Genossenschafts-
vertrages und der Statuten sind folgende:
a) Genossenschaftsvertrag: Art. 7: „Die Genossen-
schafter erhalten monatlich durch die Verkaufsstelle eine Zu-
sammenstellung der Lieferungen jeder Fabrik/
6) Statuten : § 3 Abs. 1 : „Jedem Genossenschafter steht
der Austritt jederzeit frei. Geschieht dieser Austritt jedoch
vor Ablauf der fixierten Vertragsdauer, so verfallt der Betrag
der vom austretenden Genossenschafter gemäss § 19 der Sta-
tuten deponierten Schuldscheine der Genossenschaftskasse;
der Austretende verliert überdies alle seine Ansprüche gegen-
über der Genossenschaft. "
§ 9 Abs. 1 : „Die Generalversammlung fasst bindende Be-
schlüsse über Aenderungen an der Zuteilung und den Sta-
tionspreisen und fallt Konventionalstrafen aus im Maximum
bis zur Höhe der von den Genossenschaftern geleisteten
Garantien. Sie entscheidet über alle auf diese Statuten,
deren Revision, den Genossenschaftsvertrag und die Verkaufs-
stelle Bezug habenden Verhältnisse u
§13 Abs. 3: „Die Genossenschaft kauft durch ihre Ver-
kaufsstelle den Bedarf ausschliesslich von den Genossen-
100
schaftern auf eigene, feste Reobnung. Spesen und Verluste
der Verkaufsstelle werden proportional auf alle Lieferangen
verteilt, sofern die laut § 18 der Statuten gemachten Absage
nicht ausreichen."
§ 16 Abs. 1: „Die Beteiligung der Genossenschafter bei
der Genossenschaft wird durch Geschäftsanteile bestimmt"
§17: „Das Betriebskapital für die Verkaufsstelle der
Genossenschaft wird von allen Verbandsfabriken im Ver-
hältnis ihrer Zuteilung beschafft oder hiefür Sicherheit ge-
leistet. Für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften
die Genossenschafter im Verhältnis der Kontingente, und
zwar auf der Basis von 10 Franken per zugeteilten Wagen.
Jede weitere persönliche Haftbarkeit der Genossenschafter ist
ausgeschlossene
§ 18. 1. und 2. Satz : „ Die Lieferungen der Verbandsfabriken
werden von der Verkaufsstelle unter Abzug von Fr. 5. — pro
Wagen regliert. Dieser Abzug dient der Verkaufsstelle vorab
zur Deckung der Unkosten und allfälligen Verluste. . . . ."
§ 19: „Als Sicherheit für die genaue Einhaltung der
Statuten, des Vertrages und der sonstigen, von der Genoasen-
schaft aufzustellenden Vorschriften deponiert jede Genoseen-
schaftsfabrik eine Garantiesumme in Schuldscheinen. Die
Höhe dieser Summe wird für jede Fabrik auf 10 Franken für
jeden ihr nach Vertrag zugeteilten Wagen festgesetzt."
Zur Erfüllung der ihm nach § 19 der Statuten auferlegten
Verpflichtung hinterlegte der Beklagte bei der Genossenschaft
einen auf 3500 Franken lautenden Schuldschein; die Höhe
dieser Garantiesumme entspricht dem nach Art. 9 des Ge-
nossenschaftsvertrages dem Beklagten zugeteilten Kontingent
von 350 Wagen. Durch Beschluss der Generalversammlung
vom 7. September 1900 löste sich die Genossenschaft auf und
trat vom 1. Oktober 1900 an in Liquidation. Infolge dieses
Beschlusses hob die Eidgenössische Bank den der Genossen-
schaft seiner Zeit bewilligten Blankokredit auf. Zur Be-
schaffung der erforderlichen Betriebsmittel sah sich die Ge-
nossenschaft daher veranlasst, in jener Generalversammlung
vom 7. September jedem Genossenschafter die Einzahlung von
3 Franken pro Genossenschaftsanteil aufzuerlegen. Mit der
sofortigen Einziehung der Beträge von den Genossenschaftern
wurde die Verkaufsstelle beauftragt, und zugleich beschlossen,
dass die deponierten Schuldscheine solcher Genossenschafter,
welche die Einzahlung verweigerten oder verzögerten, schon
vom Tage der Generalversammlung (7. September) als ver-
fallen gelten sollten und von der Verkaufsstelle, eventuell
101
den Liquidatoren zu realisieren seien. Da der Beklagte den
Aufforderungen, seinen, gemäss diesem Beschluss, 1050 Franken
betragenden Anteil zu entrichten, nioht nachkam, teilte ihm.
die Klägerin am 27. September 1900 mit, dass sein Schuld-
schein im Betrage von 3500 Franken fällig erklärt worden-
sei, und setzte ihm Frist zur Bezahlung dieser Summe. Am
30. Oktober 1900 fand abermals eine Generalversammlung
der nunmehr in Liquidation sich befindenden Genossenschaft
statt, welche zum Zweck der Durchführung und Lösung der
eingegangenen Verbindlichkeiten die Einzahlung einer zweiten
Quote von 5 Franken pro Kontingentswagen beschloss.
Dieser neue Beitrag war innerhalb 8 Tagen zu leisten und
renitente Genossenschafter sollten ausdrücklich auf Art. 122 O. B.
und seine Folgen aufmerksam gemacht werden. Da der Be-
klagte an dieser Generalversammlung nicht teilgenommen
hatte, so übermittelte ihm die Klägerin deren Beschluss am
2. November 1900 schriftlich und ersuchte ihn, seinen früheren
Anteil von 1050 Franken, sowie den
neuen von 1750 „ endlich rück-
ständige Posten aus dem Liefe-
rungsverkehr im G e8amtbet rag von 1053. 50 „
total 3853. 50 Franken"
bis 10. November 1900 zu bezahlen. Da dies nicht geschah,
setzte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom
10. November 1900 Nachfrist bis 17. November 1900. „Sollten
Sie dieser Aufforderung," fügte die Klägerin bei, „wider
unser Erwarten nicht nachkommen bis zu dem festgesetzten
Termin, so müssen wir annehmen, Ihre Firma sei von dem
Genossenschaftsvertrage, datiert Januar 1899, mit allen in
diesem Vertrage und den Genossenschaftsstatuten vorgesehenen
Folgen zurückgetreten, gemäss Art. 122 0. R."
Die Klägerin erhob nun Klage mit dem Rechtsbegehren,
der Beklagte sei zu verurteilen, ihr 7355. 55 Franken (in-
begriffen schon bezahlte 663.25 Franken) nebst 5°/o Zins
seit 27. November 1900 zu bezahlen. Diese Summe setzte
sie aus folgenden Posten zusammen:
Rückständige Posten aus dem Lieferungs-
verkehr im Gesamtbetrage von 1055. 55 Franken
Beiträge laut Beschlüssen der General-
versammlungen vom 7. September und
30. Oktober 1900 2800. —
Betrag des Schuldscheins vom 13.Feb. 1899 3500. — „
Total 7355. 55~Franken
8
102
Von diesen Klageposten sprachen die kantonalen Instanzen
den ersten teilweise und den zweiten ganz zu, wiesen dagegen
•den dritten ab. Gegen das obergerichtliche Urteil erklärten
beide Parteien die Berufung an das Bundesgericht, die Klä-
gerin mit dem Antrag auf völlige Gutheissung, der Beklagte
mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Das Bundes-
gericht hat beide Berufungen als unbegründet abgewiesen«
Gründe: Der Beklagte bestreitet seine Verpflichtung,
die von der Generalversammlung den Genossenschaftern zur
Deckung der Betriebskosten auferlegten Beträge von 3 Franken
und 5 Franken pro Kontingentswagen entrichten zu müssen,
mit dem Hinweis darauf, dass einmal keiner dieser Beschlüsse
sich auf eine den Genossenschaftern vorgelegte Defizitrechnung
stütze, und sodann dass speziell die Auferlegung der zweiten
Quote ungesetzlich gewesen sei, da die General versammlang
hierzu nach Auflösung der Genossenschaft kein Recht mehr
gehabt habe. Entscheidend für die Verbindlichkeit des Be-
klagten, diesen von der Generalversammlung der Genossen-
schafter gefassten Beschlüssen nachkommen zu müssen, ist die
Beantwortung der Frage, ob der Generalversammlung das
Recht zustand, den Genossenschaftern die betreffenden Bei-
träge aufzuerlegen. Dagegen hat das Bundesgericht nicht
zu prüfen, ob diese beiden Beschlüsse in formell rechtsgül-
tiger Weise zu stände gekommen seien, da der Beklagte
eine formelle Nichtigkeit oder Fehlerhaftigkeit derselben
prozessual nicht geltend gemacht hat, Ueber den Wirkungs-
kreis der Generalversammlung von Genossenschaften spricht
sich das Obligationenrecht nur bezüglich des Spezialfalles
der Abberufung der Genossenschaftsorgane aus, ohne all-
gemeine Regeln aufzustellen. Für die Befugnisse einer Ge-
neralversammlung sind also in jedem einzelnen Falle in erster
Linie die Statuten massgebend. Nun bestimmen die Statuten
der Genossenschaft schweizerischer Kalkfabrikanten in § 17,
dass für Verbindlichkeiten der Genossenschaft die Genossen-
schafter im Verhältnis ihrer Kontingente und zwar auf der
Basis von 10 Franken pro zugeteilten Wagen haften. Wenn
es sich hierbei um die Haftung der Genossenschafter gegen-
über Dritten handelte, so käme das Resultat der Liquidation
in Betracht. Dieses aber steht nicht in Frage, sondern
streitig ist, in welchem Masse und zu welcher Zeit die Ge-
nossenschafter zur Beschaffung des für die Verkaufsstelle
nötigen Betriebskapitals herangezogen werden können, mit
andern Worten, ob der Generalversammlung das Recht zu-
steht, auf einen bestimmten Zeitpunkt die Genossenschafter
103
^ur Leistung eines Beitrages an die Genossenschaft zu ver-
pflichten. Die Höhe dieses Beitrages als solche ist nicht
bestritten. Aus dem in den Statuten genannten Zweck der
Genossenschaft ergiebt sioh, dass ein Genossensohaftskapital
nur insoweit geschaffen wird, als die Verkaufsstelle eines
solchen zu ihrem Betriebe bedarf. Demgemäss bestimmt
§ 18, es sei von jeder Lieferung einer Verbandsfabrik ein
Abzug von 5 Franken pro Wagen durch die Verkaufsstelle
zu machen. Allein mit diesem Abzug brauchen die Ver-
pflichtungen des einzelnen Genossenschafters gegenüber der
Genossenschaft nicht erschöpft zu sein. Vielmehr ist aus
§ 17 und 13 Abs. 3 ersichtlich, dass die Genossenschaft ihren
Mitgliedern auch Leistungen aufzuerlegen berechtigt ist, die
darüber hinausgehen, und deren Effektuierung nicht schon
von vorneherein bestimmt ist. § 17 nämlich sagt ganz all-
gemein, dass das Betriebskapital für die Verkaufsstelle von
den Verbandsfabriken im Verhältnis ihrer Zuteilung beschafft
werde, und § 13 Abs. 3 sieht eine proportionale Verteilung
der Spesen und Verluste auf alle Lieferungen vor, sofern die
regelmässigen Abzüge nicht ausreichen. Diese Abzüge sind
sonach mit den aus den §§ 13 und 17 sich ergebenden Ver-
pflichtungen der Genossenschafter nicht identisch. Das Recht,
über die Abzüge hinausgehende Leistungen zu beschliessen,
steht der Generalversammlung zu, welohe naoh § 9 über alle
auf die Statuten und die Verkaufsstelle Bezug habenden
Verhältnisse entscheidet. Die Statuten beschränken es in
skeiner Weise, und machen es von keinen besondern Voraus-
setzungen, insbesondere nicht vom Vorhandensein eines De-
fizits abhängig. Es genügt, dass die Generalversammlung
die regelmässigen Abzüge nicht als ausreichend erachtet.
Der Einwand des Beklagten, die Klägerin könne von ihm
nicht Erfüllung der beschlossenen Leistung verlangen, da sie
selbst die nach dem Genossenschaftsvertrag ihr obliegenden
Verpflichtungen, den Genossenschaftern monatliche Zusammen-
stellungen einzusenden, nicht erfüllt habe, ist unhaltbar.
Denn der Genossenschaftsvertrag ist kein zweiseitiger Ver-
trag, aus dem der eine Teil den andern zur Erfüllung erst
anhalten kann, wenn er selbst schon erfüllt hat oder die Er-
füllung anbietet, sondern beim Genossenschaftsvertrag handelt
es sich um einen Komplex von Verpflichtungen und Hechten,
die ihre Zusammenfassung im Begriffe des Mitgliedschafts-
vrechtes finden. Auch auf die Behauptung, die Generalver-
sammlung vom 30. Oktober 1900 sei nicht mehr kompetent
.gewesen, die zweite Quote von 5 Franken zu beschliessen,
104
da sich damals die Genossenschaft bereits in Liquidation be-
funden habe, kann der Beklagte seine Zahlungsverweigerung-
nicht stützen. Denn mit der Liquidation verliert die Ge-
nossenschaft ihre rechtliche Existenz nicht, sondern sie behält
sie zur Abwicklung der schwebenden Geschäfte. Und gerade
zu diesem Zweok wurde ja den Genossenschaftern abermals
ein Beitrag auferlegt. Die von der Klägerin geforderten
2800 Franken sind demnach als begründet zuzusprechen.
Die Erhebung ihres zweiten Anspruches von 3500 Franken
stützt die Klägerin auf § 19 der Statuten. Es fragt sieb
daher, welcher rechtliche Charakter den durch diese Bestim-
mung geschaffenen Schuldscheinen zukomme. Nach dem
Wortlaut des Paragraphen sollen sie der Genossenschaft eine
Sicherheit bieten. Allein durch einen Schuldschein wird noch
keine materielle Sicherheit geschaffen, sondern höchstens eine
prozessuale. In der Vorschrift des § 19 der Statuten ist auch
nicht die Absicht zu erblicken, an Stelle eventuell nioht ein-
gezahlter Beiträge der Genossenschafter eine liquide Schuld-
verpflichtung derselben zu kreieren. Dagegen liegt es im
Sinne dieser Vorschrift, verglichen mit § 9 der Statuten, wo-
nach die Generalversammlung berechtigt ist, den Genossen-
schaftern Konventionalstrafen bis zur Höhe der Garantie-
scheine aufzuerlegen, in diesen Schuldscheinen Verstärkungen
der den Genossenschaftern obliegenden Verpflichtungen zu
sehen, Konventionalstrafen für deren Erfüllung. Diese Auf-
fassung hat allem Anscheine nach bei Errichtung der Vor-
schrift obgewaltet, und es fragt sich daher, einerseits: in
welchem Umfang eine Konventionalstrafe auf die Nichterfül-
lung statutarischer Verpflichtungen gesetzt sein wollte, ferner
nach welchem Modus die Genossenschaft sie fällig zu erklären
berechtigt sein sollte, und andrerseits : ob in casu die Voraus-
setzungen zu ihrer Auferlegung vorhanden waren. Was den
ersten Punkt betrifft, so müssten, wenn die Absicht bestand,
jede einzelne der den Genossenschaftern obliegenden Ver-
pflichtungen durch diese schwere Konventionalstrafe zu ver-
stärken, entweder der allgemeine § 19 der Statuten, der die
Höhe der Konventionalstrafe festsetzt, oder jeder einzelne
Paragraph, der für die Genossenschafter eine Verpflichtung
statuiert, eine solche Absicht unzweideutig zum Ausdruck
bringen. Keins von beiden aber ist geschehen; eine Aus-
nahme bildet nur § 3 der Statuten, der vom Austritt der
Genossenschafter spricht und für vorzeitigen Austritt den
Betrag des Schuldscheins als verfallen erklärt. Allein um
einen Austritt des Beklagten handelt es sich nioht, weil keine
105
.Austrittserklärung desselben vorliegt, und keine Rede davon
«ein kann, dass der Klägerin das Recht zustand, dem Beklagten
wegen seiner Zahlungsverweigerung zu drohen, sie betrachte
ihn als aus der Genossenschaft ausgetreten; daher ist der
auf Art. 687 O. R. sich stützende Einwand des Beklagten, § 3
der Statuten bestimme mit Unrecht den Verlust der An-
sprüche an der Genossenschaft für den austretenden Genossen-
schafter, nicht zu prüfen. Auch in Bezug auf das Verhältnis,
in dem die beabsichtigte Konventionalstrafe zu den Verpflich-
tungen der Genossenschafter gegenüber der Genossenschaft
stehen soll, geben die Statuten keine Aufklärung. Es ist
aus ihnen nicht ersichtlich, ob die Genossenschaft die Kon-
ventionalstrafe neben der Erfüllung der einzelnen Verpflich-
tungen fordern darf, oder ob sie nur das Recht hat, zwischen
beiden zu wählen. Im Interesse des Verkehrs aber ist es
billig, dem, der auf hohe Konventionalstrafen abstellen will,
die Pflicht genauer Fixierung des Umfanges und Inhalts der-
selben aufzuerlegen. Da es aber hieran im vorliegenden
Falle fehlt (abgesehen von der Bestimmung des § 3 der
Statuten), so kann der Genossenschaft das Recht nioht zu-
stehen, von einem säumigen Genossenschafter bei Nichterfül-
lung irgend welcher ihm auferlegter Verpflichtungen die
Bezahlung der Konventionalstrafe zu fordern.
Allein, auch wenn man an die Berechtigung einer Ver-
tragspartei, eine im allgemeinen wohl beabsichtigte, aber
nicht genau redigierte Konventionalstrafe zu verlangen, nioht
diesen strengen Masstab anlegen, sondern die nur irgendwie
ausgedrückte Absicht genügen lassen wollte, so mttsste im
vorliegenden Falle die Klägerin mit ihrer Forderung von
3500 Franken doch abgewiesen werden, weil die Voraus-
setzungen zur Auferlegung der Konventionalstrafe beim Be-
klagten nicht vorhanden waren. Zwar fehlt es naoh dem in
-der vorhergehenden Erwägung Gesagten nicht am Requisit
-der Nichterfüllung statutarischer Verpflichtungen, für welche
eben § 19 der Statuten den Genossenschaftern die Deponie-
rung der Schuldscheine auferlegt ; dagegen liegt kein richtiger
Beschluss der Generalversammlung vor, der den Beklagten
-zur Bezahlung von Konventionalstrafen verpflichten würde.
In der gleichen Generalversammlung nämlich, in der die
-Genossenschafter die Einzahlung einer Quote von 3 Franken
pro Kontingentswagen beschlossen, erklären sie auch den
^Schuldschein renitenter Genossenschafter als verfallen. Damit
^war dem Beklagten, der die Zahlung nicht leistete, die Mög-
lichkeit benommen, seine Weigerung zu begründen. Nun
106
kann aber: keinem Zweifel unterliegen, dass § 9 der Statuten,,
der die Befugnis der Generalversammlung sur Auferlegung-
von Konventionalstrafen ausspricht, auoh zum Schutze des-
einzelnen Genossenschafters, der sich vor der Generalver-
sammlung soll verteidigen können, besteht* Dieser Schutz-
wird missachtet, wenn die Generalversammlung in dem Mo-
ment, wo sie eine Verbindlichkeit erst schafft, schon deren
Nichterfüllung samt Folgen konstatiert und unter eine Kon-
ventionalstrafe stellt, für die Nichtleistung der ersten
Quote von 3 Franken ist also die Klägerin nicht berechtigt»,
vom Beklagten Zahlung und Konventionalstrafe zu fordern;,
und bezüglich der zweiten Quote von 5 Franken, die am
30. Oktober 1900 beschlossen wurde, hat die Generalversamm-
lung gar keine Konventionalstrafe auf deren Nichtbezahlung^
festgesetzt, sondern die Liquidationskommission ermächtigt,,
gegen renitente Genossenschafter Art. 122 0. R. anzuwenden.
Dies ist aber, wie bereits bemerkt, rechtlich unzulässig, da
der Genossenschaftsvertrag kein zweiseitiger Vertrag ist. Die
Forderung der Klägerin im Betrage von 3500 Franken ist
daher als unbegründet abzuweisen. (Entsch. vom 8. Februar
1902 i. S. Genossenschaft schweizerischer Kalkfabrikanten in
Zürich c. Ziegler.)
59. Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit; juristische
Natur: Genossenschaft. Art. 678 ff. 0. R. — Pflicht der Ge-
nossenschafter und Versicherten zu Nachschüssen. Rechtsgrund
dieser Pflicht. Voraussetzungen derselben. — Begriff der „Prä-
mienreserve" und der „Schadenreserve"
Die im Jahre 1894 gegründete Klägerin, eine eingetragene
Genossenschaft im Sinne des XXVII. Titels des schweizeri-
schen Obligationenrechts, hat die Unfallversicherung auf Ge-
genseitigkeit zum Zwecke. Aus ihren Statuten vom 27. Oktober
1895 sind folgende Bestimmungen hervorzuheben : Laut §§ 4 ff.,
speziell § 7, sind Versicherte und Genossenschaftsmitglieder
identisoh. Die Versicherten haben eine Eintrittsgebühr (§ 5}
und eine, je weilen vom Verwaltungskomi tee festzusetzende
Prämie (§ 9), die sich nach dem Umfange der Gefahren dea
betreffenden Genossenschafters richtet, zu leisten. Paragraph IO
bestimmt über die Nachschussprätnien : „Reichen die für ein
Rechnungsjahr eingenommenen Prämien selbst mit Inan-
spruchnahme des Reservefonds (§ 16) zur Deckung der im
Rechnungsjahre entstandenen Verbindlichkeiten nicht aus, so*
sind die letztern durch sofort zu erhebende Nachschüsse
ÎOT
der Genossenschaftsmitglieder zu tilgen. — Der Nachschuss
wird nach Prozenten der letzten Jahresprämie jedes Mitgliedes
berechnet. — Diese Nachschüsse sind, sobald der Reserve-
fonds die in § 16 bestimmte Höhe überschritten hat, aus dem-
selben zurückzubezahlen, bevor eine Prämienreduktion ein-
treten darf." Nach § 11 ist die persönliche Haftbarkeit der
Genossenschafter für die Verbindlichkeiten der Genossen-
schaft ausgeschlossen. „Die Anordnung eines allfälligen
Nachschusses" liegt laut § 25 Ziff. 9 dem Verwaltungsrat ob.
Die Beklagten waren bei der Klägerin mit zwei Policen
versichert, zusammen für 22,950 Franken. Bei beiden bezüg-
lichen Versicherungsanträgen haben die Beklagten erklärt,
dass ihnen „die gedruckten Statuten und das Regulativ, nach
deren Massgabe die Versicherung abgeschlossen wird und
bestehen soll, vollständig bekannt und genehm sind."
In seiner Sitzung vom 13. Juli 1897 behandelte der
Verwaltungsrat der Klägerin den zweiten Geschäftsbericht,
umfassend die Gesohäftsperiode vom 1. Juli 1895 bis 31. De-
zember 1896. In diesem Geschäftsbericht schloss die Bilanz,
pro 31.. Dezember 1896 mit einem Ueberschuss der Einnahmen
von nur 3245. 30 Franken ; in der betreffenden Bilanz waren
unter den Aktiven u. a. eingestellt die Posten „PrämienreBerve"-
51,392. 70 Franken, und „Schadenreserve" 170,000 Franken,
der Reservefonds war (mit 10,000 Franken) unter den Ein-
nahmen gebucht. Gestützt auf dieses Ergebnis beschloss der
Verwaltungsrat in jener Sitzung, nach Genehmigung des-
Geschäftsberichtes, die Einziehung einer Nachschussquote voi>
17% der Prämiensumme. Der Verwaltungsrat gab den Ge-
nossenschaftern von diesem Beschlüsse durch Cirkular, mit
dem er auf den 1. August 1897 zar Generalversammlung ein-
lud, Kenntnis; er hob hiebei hervor, er halte einen Nachschuss
von 17°/o der auf die Betriebsperiode 1895/96 entfallenden
Prämien auf Grund eigener Prüfung der Sachlage und gestützt
auf einen eingehenden Expertenbefund für unerlässlich. In
der Generalversammlung vom 1. August 1897 wurde die
Rechnungsstellung genehmigt, laut dem betreffenden Protokoll
einstimmig, unter Décharge-Erteilung an die Verwaltungs-
organe.
Gestützt hierauf stellte die Klägerin den Beklagten Ab-
rechnung über die von diesen zu entrichtende Nachschuss-
prämie, die sie auf den Betrag von 4313. 10 Franken bezifferte.
Die Beklagten verweigerten die Bezahlung dieser Summe zur
Zeit — Das Bundesgericht, an welches die Klage gemäss
Art. 52 f. des Org.-üesetzes gelangte, hat die Klage gut-
108
gekernten. Aus den Entscbeidungsgründen ist hervor-
zuheben:
Die Klage ist gerichtet auf Zahlung von Nachschusa-
prämien für die Betriebsperiode 1895/96 und stützt sich ani
§ 10 in Verbindung mit § 25 Ziff. 9 der Statuten der Klägerin
vom 27. Oktober 1895. Die Beklagten bestreiten an sich
ihre Pflicht zur Leistung von Nachschüssen nicht, nehmen
aber den Standpunkt ein, die Voraussetzungen, an welche
diese Pflicht geknüpft ist, seien gegenwärtig nicht vorhanden ;
sie unterscheiden also zwischen dem Bestände der Forderung
und den Voraussetzungen ihrer Geltendmachung, — ein
Standpunkt, der gewiss (entgegen einer Behauptung in der
Replik) keinen logischen Widerspruch enthält. Nach der von
Lab and (Rechtsgutachten in Goldschmidts Zeitschrift für
Handelsrecht Bd 24 S. 64 ff., speziell S. 74 f.) vertretenen
Ansicht würde es sich bei der Nachschußpflicht um eine be-
dingte Verpflichtung handeln, die zu erfüllen ist beim Eintritt
der in den Statuten vorgesehenen Voraussetzungen; danach
läge in der Stellungnahme der Beklagten eine Bestreitung
des Eintrittes der Bedingungen der Nachschusspflicht. Nach
der Stellungnahme der Beklagten hängt nun die Entschei-
dung des Prozesses in erster Linie von der Frage ab, auf
welchem Rechtsverhältnis die Nachschußpflicht beruhe: ob
sie ihren Rechtsgrund habe in der Mitgliedschaft der Ver-
sicherten, in ihrer Eigenschaft als Genossenschafter; oder
aber im Versicherungsvertrag. Von der Entscheidung dieser
Frage hängt insbesondere die Frage der genügenden Sub-
8tanziierung der Klage und der beidseitigen Behauptunga- und
Beweispflicht ab. Ist ersteres der Fall, so sind die geaetz-
und statutenmässigen Beschlüsse der Organe der Genossen-
schaft für die Mitglieder verbindlich, und ist die Klage ge-
nügend 8ubstanziiert durch die Darlegung, dass der Yerwal-
tung8ratsbe8chlu88 betreffend Nachschussprämien formell gesets-
und statutengemä8s gefasst worden sei, und haben alsdann
die Beklagten darzuthun, dass er materiell nicht dem Gesetze
oder den Statuten entspricht; im andern Falle dagegen haben
die betreffenden Beschlüsse nur den Charakter von Hand-
lungen der einen Vertragspartei, und müssen von dieser —
also von der Klägerin — die Thatsachen dargelegt werden,
aus denen sich ergiebt, dass diese Beschlüsse gesetz- und
statutengemä8s sind. Jene in der Doktrin streitige Frage
nun (siehe hierüber Ehrenberg, Handbuch des Ver-
sicherungsrechts Bd I, S. 318 ffM und dort oitierte) kann
im vorliegenden Falle nicht zweifelhaft sein. Nach unbestrit-
109
tener Praxis unterstehen die Versicherungsgesellschaften auf
Gegenseitigkeit den Bestimmungen über Genossenschaften,
Art. 678 ff. 0. IL; in den Statuten der Klägerin wird übrigens
diesen Bestimmungen ausdrücklich gerufen. Diese Bestim-
mungen erwähnen der Beiträge der Genossenschafter nur an
einem Orte, bei den Vorschriften über die Voraussetzungen
der Eintragung (Art. 680 Ziff. 5); danach gehört die Fest-
setzung von Beiträgen zum Wesen des Genossen Schafts Ver-
trages, bestimmt sich aber im übrigen die Art und Grösse
derselben nach dem Genossenschaftsstatut. Im vorliegenden
Falle haben die Beklagten bei Stellung des Versicherungs-
antrages ausdrücklich erklärt, die Statuten und das Regulativ
zu kennen, und in der Versicherungspolice Nr. 298 ist speziell
auf die Statuten und das Regulativ verwiesen. Nach diesen
Statuten nun wird jeder Versicherungsnehmer Mitglied der
Genossenschaft, und kann keinem Zweifel unterliegen, dass
die Verpflichtung zur Leistung von Nachschüssen auf der
Stellung eines Genossenschaftsmitgliedes als solchen beruht,
dass diese Verpflichtung also eine genossenschaftliche, aus
der Mitgliedschaft entspringende Pflicht ist. Die Genossen-
schaft hat zum Zwecke, »ihre Mitglieder" zu versichern
(§2); § 5 spricht von der „Eintrittsgebühr"; nach § 6 Ziff. 1
erlischt die Mitgliedschaft durch freiwilligen Austritt, der nur
mittels bestimmter Kündigung auf den Zeitpunkt des Ab«
laufes der Police stattfinden kann; nach Ziff. 3 eod. ist eine
Ausschliessung speziell wegen Vergehen mit Bezug auf die
mit dem Versicherungsverhältnis bestehenden Pflichten mög-
lich ; nach § 7 fallen mit dem Erlösohen der Mitgliedschaft
alle Rechte und Ansprüche des Ausscheidenden an das Ge-
nossenschaftsvermögen dahin. Im Regulativ, welches die
sogen. Versicherungsbedingungen enthält, ist nur bestimmt,
welchen Einfluss die Zahlung oder Nichtzahlung der Prämien
oder Naoh8chüsse auf den Bestand der Versicherung hat.
Mit Bezug auf die Festsetzung der Nachsohüsse ist daher
der einzelne Genossenschafter den Organen der Genossen-
schaft unterworfen. Nach § 25 Ziff. 9 der Statuten steht nun
die Anordnung eines Nachsohusses und — was unmittelbar
daraus folgt — die Feststellung der Höhe desselben in der
Kompetenz des Verwaltungsrates. Die Pflicht zur Leistung
von Nachschüssen wird daher durch die Statuten und den
darauf gerichteten Verwaltungsratsbeschluss begründet; die
Genehmigung durch die Generalversammlung ist zur Begrün-
dung dieser Pflicht nicht notwendig. Indem sich die Klage
auf den Beschloss des Verwaltungsrates vom 13. Juli 1897
110
stützt, der sich in den Schranken der Kompetenz des Ver-
waltungsrates hält; ist sie daher genügend fundiert und sub-
stanziiert ; Saohe der Beklagten ist es, darzuthun, dass der
Beschlu88 entweder an formeUen Mängeln leidet, formell nicht
in gesetz- oder statutenmässiger Weise zu stände gekommen
ist, oder dass er materiell anfechtbar ist, d. h. dass materiell
die Voraussetzungen zur Anordnung von Nachschüben nicht
vorhanden waren. Und da gegen die formelle Gültigkeit
des betreffenden Beschlusses keine Einwendungen erhoben
wurden, ist davon auszugehen, er sei formell gesetz- und
8tatutengemäs8 zu stände gekommen und die Prüfung auf die
von den Beklagten vorgebrachten materiellen Einwendungen
zu beschränken.. In formeller Beziehung rügen die Beklagten
lediglich, das Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom
13. Juli 1897 erweise nicht, dass das Rechnungsergebnis
wirklich als so schlecht angesehen worden sei, dass sich ein
Nachschuss rechtfertige. Es muss jedoch genügen, dass das
Protokoll auf den Geschäftsbericht, welcher die Rechnung
enthält, Bezug nimmt, und das ist der Fall.
Zu den einzelnen, grundsätzlich wichtigen materiellen
Einwendungen des Beklagten ist bemerkt: Die Nachschuss-
prämien wollen zur Bildung einer Schaden- und Prämien-
reserve verwendet werden ; das sei statutenwidrig und deshalb
unzulässig. Aus den Akten ergiebt sich nun, dass diese
Einwendung der Beklagten auf einer irrtümlichen Auffassung
des Wesens der sogen. Prämien- und der sogen. Schaden reserve
beruht. Die sogen. „Prämienreserve** würde richtiger den
Namen „Prämien- Ueberträge" führen; sie nmfasst „die sur
Erfüllung der künftigen Verpflichtungen bestimmten Prämien-
teile" (so die österreichische Ministerialverordnung vom
5. März 1896 betreffend die Errichtung etc. von Versicherungs-
anstalten, §28, § 33 Ziff. 8; vergi, ferner Simon, die Bilanzen
der Aktiengesellschaften, 2. Auflage, S. 190 fi.); sie umfasst
die sogen, unverdienten Prämien, stellt Summen dar, die sich
in der Kasse der Gesellschaft befinden und für welche diese
erst in der Zukunft noch das entsprechende Risiko zu tragen
hat; sie ist also naturgernäss als Passivum zu buchen. Die
sogen. „Schadenreserve" sodann ist angelegt für angemeldete,
aber noch nicht liquidierte Schäden (vergi. Bundesgesetz be-
treffend Beaufsichtigung der Privatversicherungen, Art. 2
Ziff. 2 sub b, Art. ö Ziff. 3); sie enthält den zur Deckung
bereits falliger Leistungen aus Versicherungsverträgen erfor-
derlichen Betrag (öster. V. 0. § 30 Ziff. 9), und ist anzulegen
„nach mutmasslicher Schätzung und mit Bücksicht auf die
Ili
gepflogenen Erhebungen" (eod.). Auch diese noch nicht
liquidierten Schäden aber geboren zweifellos zu den Verbind-
lichkeiten der Genossenschaft, und die Einwendung, die Nach-
schüsse wollen zu etwas anderem verwendet werden als zur
Deckung der im Rechnungsjahre entstandenen Verbindlich-
keiten, ist daher unstichhaltig. (Entscb. vom 1. Februar 1902
i. S. Schweizerische Gewerbe-Unfallkasse e. Galli & Cie.)
60. Gegenstand eines Vertrags. Kauf einer körperlichen
Sache oder Kauf einer Erfindung bezw. eines Erfinderrechts t
Verkauf des Erfinderrechtes bezw. dés Rechts auf ein Patent. Um-
fang der G ewährlnslungsp flicht des Verkäufers- — Nichtigkeit
des Patentes (Art. 10 des Bundesgesetzes betretend die Erfin-
dungspatente vom 29. Juni 1888) kann im Prozesse betreffend
Zahlung der Kauf summe einredeweise geltend gemacht werden. —
Stellung des Bundesgerichts gegenüber Expertisen betreffend Patente.
Am 2. November 1898 ist zwisohen dem Erblasser dea
Beklagten, A. G.-Z. und dem Kläger A. Gr. folgender „vor-
läufiger Vertrag" zu stände gekommen :
„1. Für die Konstruktionskosten eines Apparates für Re-
gulierung des Quantums „Gasolin" oder einer verwandten
Flüssigkeit zur Erstellung von Aerogen-Gas, das, welches auch
immer die Anzahl der Flammen unter der vorgesehenen Maximal -
zahl sei, immer den nämlichen Höhestand im Carburatum Com-
presseur haben soll, macht Herr G. Herrn Gr. einen Vorschuss
▼on 1000 Franken, wovon er 500 Franken sofort, den Rest Ende
Dezember 1898 erhält; von diesem Betrage ist nichts mehr
zurückzuerstatten, auch wenn die Versuche misslingen sollten.
2. Falls der neue Régulateur sich nach allen Richtungen
als völlig leistungsfähig erweist, hat Herr Gr. denselben um
die Summe von '20,000 Franken an Herrn G.-Z. abzutreten und
für denselben die Patente in Bern eventuell auch in andern
Ländern, aber auf dessen alleinige Kosten zu lösen, um sie
später nach Wunsch des Herrn G. auf ihn zu übertragen.
3. Nach Vollendung des Apparates und Eintragung des
schweizerischen Patentes hat Herr G.Herrn Gr. 10,000 Franken
zu bezahlen, den Rest sechs Monate später.
4. Sofern, die Sache nicht reüssieren sollte, allein später
mit Hilfe anderer und unter Benutzung der Grundidee Gr.'s
der Régulateur dennoch zum richtigen Funktionieren käme und
sich praktisch vollkommen bewährte, so erhielte Herr Gr.
nachträglich 15,000 Franken durch Herrn G.-Z. ausbezahlt."
■ 'F*
112
Nach Erbalt des Vorschusses von 1000 Franken kon-
struierte der Kläger verschiedene Regulateure, die sich al»
leistungsfähig erwiesen. Am 29. Dezember 1899 erwirkte er
die Erteilung des soheizerischen Tat entes Nr. 16976 für eine
„Vorrichtung zur automatischen Regulierung des Niveaus
eines entsprechend dem Konsum mit Flüssigkeit zu speisenden
Gelasses." Er erwarb ferner eine Reihe ausländischer Patente
für diese Vorrichtung. Dagegen wurde ihm die Erteilung
des deutschen Patents durch Beschluss der Beschwerdeabtei-
lung des kaiserlichen Patentamtes vom 2. Januar 1900 ver-
weigert mit der Begründung, es handle sich nicht um eine
neue Erfindung.
Nach dem Tode G.-Z.'s erhob der Kläger gegen dessen
Erben Klage auf Bezahlung der im Vertrage vom 21. No-
vember 1898 festgesetzten Summe von 20,000 Franken. Die Be-
klagten stellten sich auf den Standpunkt, es habe sich beim ge-
dachten Vertrage um den Kaufeiner Erfindung gehandelt; nun
stelle sich aber der Apparat des Klägers weder als Erfindung noch
als neu dar, weshalb die Klage abzuweisen sei. Der Kläger
dagegen nahm den Standpunkt ein, nicht das Patent als
solches, sondern lediglich der Apparat sei der eigentliche
Gegenstand des Vertrags -gewesen; es habe sich entweder
um den Kauf des Apparates oder einen Werkvertrag oder
Dienstvertrag mit Bezug auf diesen Apparat gehandelt. Alle
Instanzen haben in diesem Punkte die Auffassung der Beklagten
geteilt, das Bundesgericht mit folgender Begründung:
Nach Art. 1 des Vertrages erhält der Kläger vom Erb-
lasser der Beklagten den Auftrag, einen Apparat für Regu-
lierung der näher genannten Flüssigkeit herzustellen; die
Kosten der Konstruktion werden vom Auftraggeber (oder
Besteller) vorgeschossen. In dieser Bestimmung fur sich
kann also wohl ein Werkvertrag oder ein Dienstvertrag er-
blickt werden. Damit ist aber der Inhalt des Vertrages
keineswegs erschöpft: Art. 2 stellt die weitern Verpflichtungen
auf, dasß der Apparat, falls er sich als leistungsfähig erweise,
an G.-Z. für den Betrag von 20,000 Franken abgetreten
werden solle, und dass der Kläger die „Patente" zu lösen
und auf Wunsch G.-Z.'s auf diesen zu übertragen habe.
Art. 8 trifft alsdann nähere Bestimmungen über die Fällig-
keit des Betrages von 20,000 Franken. Art. 4 endlich sieht
den Fall des nicht vollständigen Gelingens „der Sache" vor.
Nach diesen Vertragsbestimmungen ist allerdings der weitere
Inhalt des Vertrages nicht ohne weiteres klar und unzwei-
deutig. Allein es ergiebt sich daraus doch, dass der Erwerb
HS
und die Ueb er tragung von Patenten an 6.-Z. in Aussicht
fenommen war. In Berücksichtigung nun des speziell von
er ersten Instanz hervorgehobenen wirtschaftlichen Zweckes,
den die Vertragsparteien mit dem Vertrage verfolgten; in
Anbetracht des hohen Preises, der die Konstruktionskosten
bei weitem überstieg und auch für einen Arbeits- oder Werk«
lohn unverhältnismässig hoch erscheint ; endlich in Erwägung
des Um Standes, dass der Vertrag von einem neuen Regu-
lator und der Grundidee des Klägers spricht, erscheint die
dem Vertrage von den Beklagten und den kantonalen In-
stanzen gegebene Auslegung als die richtige. Danach war
das Wesentliche des Vertrages die Verschaffung des Erfin-
derrechts am neuen Regulator gegen Entgelt. Die Herstel-
lung des ersten Apparates erscheint diesem Hauptzweck des
Vertrages gegenüber nicht etwa als ein mit ihm auf gleiche
Linie zu stellender Vertragszweck, sodass der Vertrag zwei
Bestandteile: einen Dienst- oder Werkvertrag oder Kauf
über den Apparat, und die entgeltliche Uebertragung des
Erfinderrechts, in sich schliessen würde; vielmehr erscheint
die Herstellung des Apparates gegenüber dem Hauptzweck
nur als Accessorium; es sollte damit das Modell für den zu
patentierenden Gegenstand geschaffen werden; nicht sollte
eine selbständige Forderung auf Arbeits- oder Werklohn
(oder Kaufpreis) für den Apparat entstehen. Und zwar sollte
nach dem Inhalte des Vertrages jene Uebertragung eine voll-
ständige, unbeschränkte sein.
Hieran anschliessend fährt das Bundesgericht fort: Da-
nach ergiebt sich als die rechtliche Natur des mehrgedachten
Vertrages die entgeltliche, unbeschränkte Uebertragung des
Erfinderrechts an dem im Vertrage erwähnten Apparat, und
zwar speziell des im Erfinderrecht enthaltenen Rechts auf
ein Patent. Gegenstand des Vertrages war darnach nicht
eine körperliche Sache, sondern ein Recht, und zwar das
Erfinderrecht, vor allem das aus diesem fliessende Recht auf
ein Patent. Diese entgeltliche Uebertragung des Patentrechts
ist zu qualifizieren als Kauf, nicht etwa als Cession (vergi.
Munk, Patentrechtliche Lizenz, 8. 10 f.; Gierke, Deutsches
Privatrecht Bd I § 57 S. 887 ff., speziell S. 888 Anm. 8);
letzteres nicht, weil das Patentrecht sich nicht als Forderungs-
recht darstellt; wohl aber liegt ein Kauf vor, weil der ge-
samte vermögensrechtliche Inhalt des Patentes aus dem Ver-
mögen des Eigentümers ausgeschieden und in jenes des Er-
werbers aufgenommen wird (Munk a. a. 0.). Die Klage stellt
sich demgemä88 dar als Klage des Verkäufers des Patentes
114
auf Zahlung des Kaufpreises. Dieser Klage gegenüber wenden
die Beklagten ein, der Kläger habe den Vertrag nicht gehörig
erfüllt bezw. könne ihn nicht gehörig erfüllen, da die abge-
tretene sogen. Erfindung weder eine Erfindung noch neu sei.
Mit der Feststellung der juristischen Natur des Vertrages
fällt vorab die Einwendung des Klägers dahin, die darin be«
steht, der Erblasser der Beklagten habe den Apparat still-
schweigend angenommen und genehmigt, die Mängelrüge also
verwirkt: da es sich nicht um den Kauf einer körperlichen
Sache, sondern um den Kauf eines Rechtes handelt, kommen
die Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechtes
über Mängelrüge beim Kauf überhaupt nicht zur Anwendung.
Im weitern fragt sich nunmehr, gemäss der Stellungnahme
der Beklagten, wie weit bei einer entgeltlichen Patentver-
äusserung (einen Patentverkauf) die gesetzliche Gewährleis-
tungspflicht des Verkäufers geht, ob der Verkäufer, wie der
Kläger behauptet, nur für die formelle Patentierung haftet,
oder ob die Gewährleistung sich auf den Bestand des Pa-
tentrechts und auf dessen Unanfechtbarkeit erstreckt. Diese
Präge ist im letztern Sinne zu beantworten. Das folgt daraus,
dass der Verkäufer eines Rechts dem Käufer den Bestand
des Rechts zu gewährleisten hat (vergi. Art. 235 0. IL). Zum
Bestände des Patentrechtes gehört aber, dass das Patent
nicht aus den in Art. 10 des Patentgesetzes angeführten
Gründen mit der Nichtigkeitsklage anfechtbar sei; der Be-
stand des Patentrechtes setzt darnach unter anderem voraus,
dass es sich wirklich um eine Erfindung handle, und dass
die Erfindung neu sei; der Verkäufer des Patentrechtes hat
also dem Käufer für das Vorhandensein dieser Erfordernisse
einzustehen. Diese Haftung kann nun allerdings vertraglich
wegbedungen werden, und ein weiterer Standpunkt des Klä-
gers ist der, das sei im Vertrage vom 21. November 1898
geschehen ; nach dessen Bestimmungen habe er, der Kläger,
nur dafür einzustehen, dass das Patent, und zwar das schwei-
zerische Patent, wirklich erworben worden sei ; diese vertrag-
liche Pflicht habe er erfüllt. Allein nichts berechtigt dazu,
den Vertrag in diesem Sinne auszulegen. Das Wegbedingen
der gesetzlichen Haftung müsste ausdrücklich geschehen,
und das ist hier nicht der Fall. Musa der Vertrag so, wie
geschehen, ausgelegt werden, so ist vielmehr ohne weiteres auch
die gesetzliche Gewährleistungspflicht des Verkäufers als
darin enthalten anzunehmen. Eine andere Frage wäre so-
dann die, ob nicht, da der Verkäufer seiner Gewährleistung»-
pflicht insoweit genügt hat, als das Patent erworben ist und
115
formell zu Recht besteht, die Einrede, es bestehe materiell
wegen Nichtigkeit nicht zu Recht, in besonderem Prozesse,
mit der Nichtigkeitsklage, durchzuführen sei (wie denn auch
die Beklagten ursprünglich Frist zur Anstellung der Nichtig-
keitsklage und Sistierung des gegenwärtigen Prozesses bis
nach deren Durchführung verlangt hatten). Auch dieses Be-
denken gegen die Zulässigkeit der von den Beklagten erho-
benen Einwendung im vorliegenden Prozesse ist jedoch un-
begründet. Wie im Prozesse, wenigstens unzweifelhaft im
Cirilprozesse, betreffend Patentnachahmung die Nichtigkeit
des Patentes des Nachahmungsklägers einredeweise geltend
gemacht werden kann (vergi. Urteil des Bundesgerichts vom
15. Mai 1896 i. S. Salquin c. Bund, Aiuti. Samml. Bd 22
S. 639, und vom 16. März 1900 i. S. Gegauf c. Nähmaschinen-
fabrik, Bd 26, I. Teil, S. 109 Erw.. 2), .so muss auch der
Käufer eines Patentes, der auf die Zahlung des Kaufpreises
belangt wird, dem Verkäufer in diesem Prozesse die Ein-
rede der Nichtigkeit des Patentes entgegensetzen können;
eine Abweichung von diesem, aus allgemeinen Gründen fol-
genden Grundsatz müsste gesetzlich vorgeschrieben sein, und
das ist nicht der Fall.
Die Klage wurde darum abgewiesen, da gestützt auf die
von der kantonalen obern Instanz aufgenommene Oberexper-
tise und entgegen der von der ersten Instanz bestellten Ex-
pertise die Frage der Neuheit der Erfindung und der Erfindungs-
qualität verneint werden musate. Ueber die Stellung des Bundes-
gerichts den Expertisen in patentrechtlichen Streitigkeiten gegen-
über ist im Urteil bemerkt: Nun hat das Obergericht seinem
Urteile die zweite, von ihm bestellte Expertise zu Grunde ge-
legt, und es könnte sich fragen, ob nicht darin, welche Expertise
vorzuziehen sei, eine reine Beweiswürdigung liege, so dass das
Bundesgericht von vornherein die Expertisen nicht mehr zu über-
prüfen hätte. Diese Auffassung würde jedoch den Begriff der
Beweiswürdigung zu weit ziehen und dem Bundesgericht in der
Beurteilung von Patentstreitigkeiten eine zu enge Stellung ein-
räumen. Das Bundesgericht muss vielmehr überprüfen können,
ob die Gründe, welche die Experten zu ihren Schlüssen ge-
führt haben, auf richtigen Rechtsgrundsätzen beruhen (vergi,
das Urteil des Bundesgerichts i. S. Honer c. Schatz vom
15. Dezember 1899, Amtl. Samml. Bd 25, IL Teil, S.991 ff.);
es hat ferner namentlich zu prüfen, ob die Gründe, welche
die Vorinstanz zur Annahme des einen (in oasu des ober-
instanzlichen) Gutachtens und zur Ablehnung des andern ge-
führt haben, stichhaltig und rechtlich begründet seien. Nun
116
ist der Vorinstanz vor allem darin beizustimmen, dass die
rechtliche Auffassung der erstinstanzlichen Experten vom
Begriffe der Erfindung nach dem schweizerischen Patentgesetze
und über dessen Verschiedenheit vom Begriffe des deutschen
Patentgesetzes rechtsirrtümlich ist Sodann ist weiter
richtig, dass gerade diese unrichtige Rechteansicht die erst-
instanzlichen Experten (deren Gutachten im übrigen allerdings
weit eingehender und überzeugender begründet ist ala das-
jenige der zweitinstanzlichen Experten) dazu geführt hat, der
Abweisung des klägerischen Patentgesuches durch da« deutsche
Patentamt nicht die entscheidende Bedeutung beizumessen,
die ihr zukommen muss. Diese Abweisung namentlich, die
durch die Heranziehung der deutschen Patentschrift 15129
überzeugend begründet ist, muss dazu führen, der zweiten
Instanz beizutreten (Entsch. vom 28. Februar 1902 i. S.
K. Gross wyler c. Erben Guyer-Zeller.)
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
61. Wechselfähigkeit der Handelsfrau auch im Ver-
hehr mit dem Ehemann. Art. 35 0. R.
Bern. Entsch. des Appellations- und Kassationshofs vom 21. De-
zember 1901 i. S. Fran Fischer c. Bank in Langenthai.
Frau Fischer-Achermann eröffnete nach dem Konkurse
ihres Ehemanns mit des letzteren Einwilligung ein Magasin
für Wollenwaren und Bonneterie auf ihren eigenen Namen und
kaufte von ihrem Ehemann die hiezu notwendigen Waren
im Fakturawerte von 6008. 30 Franken, Für diesen Betrag
zog der Ehemann auf die Ehefrau drei Tratten zu Gunsten
der Bank in Langenthai, und die Frau acceptierte dieselben,
verweigerte aber bei Verfall die Zahlung, weil es sich nicht
um ein zum regelmässigen Betriebe des Gewerbes gehörendes
Geschäft, sondern um ein Gefälligkeitsaccept handle, das
wegen mangelnder Wechselfähigkeit ungültig sei. — Der
Appellations* und Kassationshof erklärte das Accept als fur
die Frau verbindlich.
Gründe: Wechselfähig ist nach Art. 720 0. K. jeder,
der vertragsfähig ist. Impetrantin ist Handelsfrau im Sinne
des Art. 35 0. R. und in dieser Eigenschaft Vertrags- und
somit wechselfähig, jedoch nur in Bezug auf solche Rechts-
117
geschälte, die zum regelmässigen Betriebe des Gewerbes ge-
hören. Dies ist hier der Fall. Fraglich ist bloss im Hinblick auf
das kantonale Ehegüterrecht, ob die Wechselfähigkeit der Ehe-
frau auch da anzunehmen ist, wo es sich, wie hier, um Ver-
träge handelt, die sie mit dem Ehemanne abgeschlossen hat.
Dies ist jedoch zu bejahen. Denn durch Art. 35 0. R. ist
für die Handelsfrau eine besondere Stellung geschaffen worden,
die durch kantonale Vorschriften nicht beeinflusst werden
kann und somit auch nicht nach den Grundsätzen des kan-
tonalen Ehegüterrechts, sondern nach eigenen Gesichtspunkten
zu beurteilen ist. Die Handelsfrau muss demnach gegenüber
ihrem Ehemann wie gegenüber jedem andern mit Bezug auf
Rechtshandlungen, die in den Rahmen des regelmässigen
Gewerbebetriebes passen, als handlungs- und wechselfähig
angesehen werden. (Zeitachr. d. Bern. Jur.-Ver., XXXVIII S. 172 f.)
62. Besitz- und Eigentums er w erb an einer in dritter
Hand befindlichen Sache. Art. 201 0. R.
Zürich. Urteil der I. Appel lationskammer vom 25. Januar 1902.
A. hat an B. Fahrhabe unter Eigentumsvorbehalt ver-
kauft und darauf seine Kaufpreisforderung an C. abgetreten.
Als dann die Fahrhabe in einer gegen B. gerichteten Be-
treibung gepfändet wurde, sprach C. dieselbe zu Eigentum
an, indem er sich auf jene Abtretung sowie darauf stützte,
dass er nach der Abtretung zu B. gegangen sei und diesem er-
klärt habe, die Fahrhabe sei nun sein (des C.) Eigentum.
Die erste Instanz hiess darauf die Eigentumsklage des C. gut,
die I. Appellationskammer dagegen wies sie mit folgender
Begründung ab:
Nach den Akten muss davon ausgegangen werden, dass
die zum Eigentumsübergang nach den Vorschriften des 0. R.
notwendige Besitzesübertragung an den Kläger G. in rechts-
gültiger Weise nicht erfolgt ist. Dass der Kläger nie
eigenen Besitz ausgeübt hat an den Objekten, die A. an B.
verkaufte, sondern dass dieselben immer in der von B. be-
worbenen Liegenschaft sich befanden, ist unbestritten. Nun
gestattet Art. 201 des 0. R. für den Fall, dass die zu Eigen-
tum zu übertragenden Gegenstände sich in Händen eines
Dritten befinden, eine erleichterte Form der Besitzesüber-
tragung, indem die letztere dadurch erfolgen kann, dass der
Veräusserer den Dritten beauftragt, die Sache fortan für den
neuen Erwerber zu besitzen. Dieses Erfordernis ist aber im
uè
vorliegenden Falle nicht vorhanden. Allerdings ist durch
das Zeugnis des B. als nachgewiesen zu betrachten, dass
naoh der Fertigung der Liegenschaft und nach Abschluss
des Abtretungsvertrages zwischen A. und dem Kläger C.
der letztere sioh zu B. begeben hat und ihm Anzeige machte,
dass die Gegenstände ihm gehören; allein im Gegensatz zu
der ersten Instanz ist davon auszugehen, dass diese Anzeige
nicht genügt. Denn Art. 201 schreibt ausdrücklich vor, dass
der Auftrag an den Dritten, für den neuen Eigentümer den
Besitz auszuüben, von dem Veräusserer auszugehen hat (vergi.
H.-K 17, S. 105). Die in Art. 201 vorgesehene Anzeige ist
ein Surrogat der Besitzesübertragung, die nur vom Veräusserer,
d. h. vom bisherigen Eigentümer geschehen kann, für den der
Dritte besitzt, und welcher daher einzig in der Lage ist,
dem den Besitz ausübenden Dritten Vorschriften zu erteilen,
wie er mit der Saohe zu verfahren hat. Die Anzeige des
neuen Erwerbers kann den Mangel des Auftrages von Seite des
Veräusserers nicht ersetzen. Eine Anzeige im Sinne des Art. 201
ist aber nach der Deposition des B. nicht erfolgt. Allerdings
bezeugt B., dass bei der Verhandlung über den Kaufabschluß
zwischen A» und B. der erstere dem Käufer mitgeteilt habe,
die Fahrhabe gehöre dem Kläger C; allein darauf kann
nichts ankommen; denn zur Zeit, da diese Mitteilung geschah,
war ein Verausserungsvertrag zwischen A. und G. noch gar
nicht abgeschlossen. Der Vertrag, durch welchen dem C.
die Forderung auf B. und angeblich auch das Eigentum der
an letzteren verkauften Sachen abgetreten wurde, ist erat
später abgeschlossen worden ; es kann aber die in Art. 201
geforderte Anzeige erst nach Abschluss des Veräusserungs-
vertrages in rechtsgültiger Weise vorgenommen werden. Es
ist sehr wohl möglich, dass damals schon der Verkauf der
Gegenstände an C. ins Auge gefasst wurde; allein das ist
für die Frage, ob die Anzeige des Art. 201 richtig erfolgt
sei, ohne Bedeutung; zur Zeit, da eine Willenseinigung
zwischen A. und G. über die Abtretung des Eigentums noch
nicht zu stände gekommen war, konnte eben ein Auftrag des
A.anR, die Sachen für 0. zu besitzen, der Natur der Sache
nach noch nicht erteilt werden. Ein Nach weis dafür, dass naoh
Abschluss des Veräuaserungsvertrages eine Anzeige von Seite
dea A. erfolgte, ist nicht erbracht. Mit dem Beweis dafür,
das« die Besitzesübertragung richtig erfolgt sei, kann es nicht
leicht genommen werden, insbesondere in einem Falle, wie
der vorliegende, wo es sich ganz offenbar um eine Macben-
schaft handelte zwischen A. und seinem Schwiegervater C,
119
zum Zwecke, den Gläubiger W. au Verlust kommen zu
lassen.
Ist aber davon auszugehen, dass der Kläger nie Eigen-
tum an den versteigerten Gegenständen erworben hat aus
Mangel an einer Besitzesübertragung, so ist die Eigentums-
ansprache des Klägers an dem Erlöse der versteigerten Ge-
genstände zu verwerfen. (Blätter f. Zürcher. Rechtsprechung, t S. 113.)
63. Pactum reservati dominii. Interprétation de t*art. 264 CO.
Genève» Jugement de la Cour de justice civile du 80 novembre 1901
d. 1. c. Walter c. Taxe municipale.
Walter- Biondetti a revendiqué des marchandises et un
agencement de magasin, saisis au préjudice d'un sieur
Haselbock, à la requête du percepteur de la Taxe municipale.
II se fonde sur un acte passé entre lui et Haselbock, aux termes
duquel il avait vendu à ce dernier les objets saisis sous la
réserve que lui, Walter, aurait seul droit sur le magasin
jusqu'au paiement complet. La cour Ta débouté de sa re*
vendication des marchandises.
Motifs: Walter soutient que les marchandises étaient,
malgré la vente, demeurées sa propriété, en vertu d'un pactum
reservati dominii contenu dans le contrat.
La clause de ce contrat sur laquelle il se base est ainsi
conçue:
„M. Haselbock reprend, par achat, pour en faire comtneroe,
les articles de santé que C. Walter avait dans «on
dépôt. M. Haselbook paiera oette marchandise par acomptes
mensuels, etc.
M. Walter seul a droit sur le magasin, jusqu'au paiement
complet et ce magasin sera restitué à M. Walter en cas d'in-
solvabilité de M. Haselbook (art. 264 G. 0.).«
Il en résulte, que le droit que Walter s'est réservé n'est
pas un droit de propriété opposable aux tiers, mais seulement
une action personnelle en répétition de la chose vendue.
Il existe une différence essentielle entre le pactum re«
servati dominii soit la clause de réserve de propriété à la-
quelle prétend Walter, clause par laquelle le vendeur se
réserve un droit réel sur la chause vendue, et la clause
prévue à l'art. 264 C. 0. par laquelle le vendeur d'une chose
mobilière se réserve, en cas de non paiement, le droit de
répéter la chose contre l'acheteur.
Dans le premier cas, le vendeur a une action opposable
aux tiers et peut, s'il 7 a saisie, revendiquer la propriété; dans
120
le second, le vendeur n'a d'action que vis-à-vis de l'acheteur,
action en résiliation da contrat et restitution de ce qu'il lui
a livré, mais son action, purement personnelle, ne peut s'exercer
contre les tiers étrangers au contrat.
La convention passée entre W. et H. ne mentionne pas
de réserve de propriété, mais seulement la réserve d'un droit,
et la nature de ce droit est précisée par renvoi à Fart. 264 C.O.
Dans ces conditions, W. ne peut soutenir qu'il s'est réservé
la propriété des marchandises vendues, mais seulement qu'il
s'est réservé, en cas de non paiement, le droit de répéter,
vis-à-vis de H., les marchandises (en application del'art. 264 U.O.).
(La Semaine judiciaire, XXIV p. 44 8a.).
64. Pachtvertrag. Rückgabe der Geschäftekundsame frei
Endigung der Pacht, wiefern möglich ? Art. 317 0. R.
St« Gallen. Urteil des Kantonsgericht» vom 13. November 1901.
Der Wirt B. verpachtete dem Milchler L. sein Milchgeschäft
(Milchbuch, Kunden, Lieferanten, Utensilien) auf zwei Jahre
für 200 Franken mit der Verpflichtung des L., nach Ablauf
der Fachtzeit dem B. „das Geschäft in solchem Zustande
wieder abzutreten, wie er es angetreten habe laut Milch-
buch." Als B. dann das Milchgeschäft wieder an sich nahm,
erhielt er von seinen alten Kunden kaum mehr ein Drittel. L.
hatte seinen Kunden gesagt, er fange ein eigenes Geschäft
an, wer von ihnen die Milch fortan wieder von B. beziehen
wolle, möge es thun; wer dies nicht wünsche, könne sie
auch künftighin von ihm (L.) haben« Als B. die Kunden
besuchte, Hess ihn L. vorausgehen und fragte die Kunden
erst nachher, ob sie die Milch von ihm oder von B. beziehen
wollen.
L. fing nun wirklich ein eigenes Milchgeschäft an, wurde
aber von B. für 1600 Franken Schadenersatz belangt, da er
vertragswidrig das Geschäft nicht mit den früheren Kunden
zurückgegeben, das im Pachtvertrag implicite enthaltene
Konkurrenzverbot übertreten und sich der illoyalen Konkurrenz
schuldig gemacht habe.
Die Klage wurde abgewiesen.
Gründe: Durch die im Vertrage enthaltene Verweisung
auf das Milchbuch ist allerdings auf das, was man unter Ab-
tretung der Kundschaft versteht, hingewiesen. Eine solche
Abtretung ist nun aber nicht eine Abtretung von Rechten
auf die Kundschaft, weil der Abtretende selber keine Rechte
auf die Kundschaft als solche bat, es wäre denn, dass ein
121
privatreohtlioher Vertrag des Abtretenden mit den einzelnen
Kunden bestände, was hier nicht zutrifft. Wenn mit einem
Geschäfte die Kundschaft mit veräussert wird, so kann dies
nur die Bedeutung haben, dass der Veräusserer dein Erwerber
die Kundschaft, das Kundenbuch, die Korrespondenz mit der-
selben, die Art des Verkehrs, die Preise, den Bedarf und
dergl. zur Kenntnis zu bringen sich verpflichtet
Nun geht aber aus der Sachdarstellang beider Parteien
und den Akten hervor, dass L. den B. am Tage der Auf-
lösung des Pachtverhältnisses bei der Kundschaft vorsprechen
Hess und dieselbe nicht verheimlichte. Eine weitergehende
Verpflichtung hatte L. nicht; speziell ist ihm mit dem Pacht-
verträge weder ausdrücklich noch nach den Verumständungen
verboten worden, den Kunden des B. Milch zu liefern.
Aus der Ueberlassung eines entsprechenden Entgeltes
könnte zwar auf ein Konkurrenzverbot geschlossen werden;
ein Entgelt hat aber hier nicht der angeblich durch ein Kon-
kurrenzverbot verpflichtete L., sondern umgekehrt B. erhalten,
der überdies weder behauptet noch beweist, dass der Pacht-
zins von 200 Franken etwa mit Rücksicht auf ein Konkur-
renzverbot für L. niedriger als sonst gestellt worden sei. Aus
diesen Gesichtspunkten kann auch von illoyaler Konkurrenz
nicht die Rede sein.
(Entoch. d. Kantonsgerichts d. Kt. St. Gallen i. J. 1901, S. 41 f.)
65. Haftpflicht aus Fabrikbetrieb. Ob Arbeit im Zu-
sammenhange mit dem Fabrikbetriebe 1 Art. 3 und 4 des 0.-6.
über Ausdehnung der Haftpflicht vom 26. April 1887.
Basel-Stadt. Urteil des Appellationsgerichta vom 12. Mai 1902
i. S. Wwe. Haller c. Manger.
Joseph Haller, von Beruf Maler, war bei £. Manger in
dessen Butter siederei zum Anstreichen der Töpfe, worin die
Erzeugnisse der Buttersiederei gefüllt wurden, angestellt.
Als Manger die Fassade seines auf dem gleichen Areal mit
dem Fabrikgebäude stehenden Wohnhauses neu anstreichen
lassen wollte, verwendete er zu dieser Arbeit (nach seiner
Angabe auf Gesuch des Haller selbst) diesen seinen Ange-
stellten, der dabei von einer Leiter herabfiel und den Tod
fand. Die Witwe klagte auf Grund des erweiterten Haft-
pflichtgesetzes auf Schadenersatz. Ein Verschulden des Be-
klagten hat sie selbst nicht behauptet, sondern bloss Zufall
als Ursache des Unfalls angenommen. Der Beklagte bestritt
die Anwendbarkeit des Haftpflichtgesetzes. Die erste Instanz
122
hielt dieses Gesetz fur massgebend, weil das Wohnhaus auch
die Geschäftsbureaux enthalte und mit dem Fabrikgebäude
eine einheitliche Liegenschaft bilde, und der Verunglückte
zu allen in den Bereich des Malerberufes fallenden Arbeiten
irgendwelcher Art, Reparaturen, Ausbesserungen an Immo-
bilien und Mobilien des Geschäftsinventars und dergl. stets
verwendet worden sei, und unter diesen Umständen auch
der für einen ordentlichen Geschäftsbetrieb notwendige An-
strich der Fassade eines die Bureaux bergenden Wohnhauses
des Dien8therm unter Art. 3 des Gesetzes falle. Das Appel-
lationsgericht hielt diese Auffassung für nicht zutreffend und
wies die Klage ab.
Gründe: In erster Linie ist von dem Beklagten bean-
standet, dass der Unfall dem Verunglückten in Ausübung
des unter dem Haftpflichtgesetze stehenden Gewerbes oder
auch nur in einer mittelbar mit dem Fabrikbetriebe in Zu-
sammenhang stehenden Dienstverrichtung oder bei einer
Hilfsarbeit (Art. 3 und 4 des erweiterten Haftpflichtgesetzes)
zuge8tossen sei. Die Gründe, die für die Anwendung der
Haftpflichtgesetze auf den heutigen Fall angeführt und auch
im erstinstanzlichen Urteile adoptiert worden sind, können
nicht als stichhaltig gelten. Die ungleiche Behandlung von
Arbeitern, die den gleichen Gefahren ausgesetzt sind, die das
Urteil der ersten Instanz vermeiden will, ist eben im Gesetze
begründet, und derselbe Unfall, der einem Arbeiter im Fabrik-
betrieb und einem gewöhnlichen Dienstboten in seinen Dienst-
verrichtungen zustösst, hat eben für beide ganz entgegen-
gesetzte Wirkung. Das Fabrikhaftpfliohtgesetz gewährt keine
Entschädigung für alle Unfälle, die den Arbeiter in irgend
welcher Dienstverrichtung treffen, sondern nur für die aus
dem speziellen Fabrikbetrieb entstehenden, und zwar wegen
der damit verbundenen speziellen Betriebsgefahren. Das
Bundesgesetz über Ausdehnung der Haftpflicht hat den Kreis
der Dienstverrichtungen, die dieses besonderen Schutzes teil-
haftig sind, wohl erweitert, aber es ist doch dabei innerhalb
der Schranken des Prinzips geblieben, dass es sich nur um
Schutz des Arbeiters gegen Betriebsgefahren handelt, denen
er in dem Gewerbe mittelbar oder unmittelbar ausgesetzt
ist, und die bundesgerichtliche Praxis hat auch demzufolge
immer daran festgehalten, dass die Arbeit, bei der das Un-
glück erfolgt sei, einen wenn auch entfernten Rapport zum
Fabrikbetrieb haben müsse. Vergi, bes. bundesger. Entsch.
XVI S. 829 ff. i. S. Burkhalter. Nach diesem Masstabe musa
die Dienstleistung, bei der Haller verunglückt ist, als ausser-
12$
halb einer Beziehung zum Fabrik betrieb stehend angesehen
werden* Zwei Beziehungen wären höchstens denkbar:
1. dass die Arbeit an einem Gebäude erfolgt ist, das
dadurch, dass es ein Bureau für das Geschäft in sich schliesst,
dem Geschäftsbetrieb selbst dient und zu diesem gehört
2. dass die Arbeit derselben Arbeitsgattung angehört,
für die er im Fabrikgeschäfte angestellt war.
Aber die erste Beziehung ist so wenig vorhanden als
die zweite, die erste nicht, weil, auch wenn der kaufmännische
Bureaubetrieb im Wohnhause des Beklagten zu dessen Fa-
brikbetriebe gehören sollte, was sich doch kaum sagen lässt,
doch Anstreicharbeiten an diesem Hause nicht ohne Weiteres
als Betriebsarbeiten oder Hilfsarbeiten des Fabrikbetriebes
oder als mittelbar mit ihm zusammenhängend erklärt werden
können; die zweite nicht, weil das Durchschlagende nicht
ist, ob die dem Verunglückten aufgetragene Arbeit eine
gleichartige mit der ist, für die er angestellt worden war,
sondern ob sie dem Geschäftsbetrieb, für den die Haftpflicht
besteht, direkt oder indirekt dient. Das kann man in vor-
liegendem Fall nicht sagen. Der erforderliche Connex zwischen
Fabrikbetrieb und Unfall ist somit nach keiner Richtung vor-
handen, und damit ist die Anwendung der Haftpflichtgesetze
ausgeschlossen. Die Klage ist nur auf das Fabrikhaftpflicht-
ge8eta, bezw. das Gesetz über Erweiterung der Haftpflicht
gestützt worden; sie erklärt, ein Verschulden des Beklagten
werde nicht geltend gemacht, sondern bloss Zufall ange-
nommen; von] dem dann doch gemachten Vorbehalte, auf
die Frage des Verschuldens je nach dem Standpunkt der
Klagbeantwortung zurückzukommen, ist kein Gebrauch ge-
macht worden; es liegt somit die Frage der Haftpflicht aus
Art. 50 ff. 0. ß. ausser Betracht, und daraus folgt die gänz-
liche Unhaltbarkeit der Klage. (Direkte Mitteilung.)
66. Ein Verlustschein ist keine die Rechtsöffnung recht-
fertigende Urkunde, wenn keine Anerkennung der Forderung
durch den Schuldner vorliegt. Art. 82 B. Ges. über Seh. und ff.
Lasern. (Entsch. der Justiz-Kommission vom 27. Mai 1899.)
F. B. betrieb den V. B. für eine Forderung von 412. 76
Franken und verlangte gegen den Rechtsvorschlag des V. B.
die provisorische Rechtsöffnimg auf Grund einer Bescheinigung
der Gerichtskanzlei Seh., gemäss . welcher er im Konkurse
des V. B. mit dieser Summe zu Verlust gewiesen wurde.
Ì24
Der Gerichtspräsident von W. bewilligte die Rechtsöffnung,
die Justizkommis8ion hob sie aber auf Beschwerde des V. B. auf.
Gründe: Der Rekurrent behauptet, jene Forderung sei
getilgt, und bestreitet ausserdem, dass durch die aufgelegte
Urkunde die Schuldanerkennung festgestellt sei. Aus der Be-
scheinigung der Gerichtskanzlei Seh. geht nicht hervor, das«
der Betriebene bei Durchführung des s. Zt. über ihn eröffneten
Konkurses die jetzt in Betreibung gesetzte Forderung anerkannt,
d. h. nicht bestritten hat, folglich ist in derselben keine ur-
kundliche Feststellung der Schuldanerkennung enthalten und
deshalb kann auf Grund dieses Aktes die provisorische Rechts-
öffnung nicht bewilligt werden.
(Verhandl. d. Obergerichts u. d. Jnstizkomm. d. Kt. Lnzern v. J. 1899, S. 71 f.)
67. Rechtsvorschlag durch Telephon zulässig. Art. 74 B.-G.
vom 11. Aprü 1889 über Seh. und K.
Bern« Entgeh, der kantonalen Aufsichtsbehörde in Scholdbetreibungs-
und Konknrssachen, vom 2. März 1901 i. S. Kaisner.
Nach Art. 74 des B.-G. über Seh. und K. ist der Rechts-
vorschlag dem Betreibungsamte mündlich oder schriftlich su
erklären. Ob ein durch das Telephon erklärter Rechtsvor-
schlag als rechtsgültig zu betrachten sei, muss prinzipiell
bejaht werden. Denn das Telephon übermittelt die Stimme
auf mechanischem Wege von einem Orte an den andern und
es ist daher eine telephonische Erklärung einer mündlichen
gleichzuhalten. Hieran ändert der Umstand, dass bei dem
telephonischen Gespräche die Feststellung der Identität der
Personen bis zu einem gewissen Grade erschwert wird, nichts,
da dies, wenn es sich um eine Person handelt, die dem Be-
treibungsbeamten nicht näher bekannt ist, bei deren persön-
lichem Erscheinen auf dem Betreibungsamte unter Umständen
ebenfalls der Fall sein kann. Dagegen muss allerdings dem
Betreibungsbeamten für den Fall, dass er sich über die
Identität der telephonierenden Person infolge der Schallüber-
mittlung allein nicht vergewissern kann, das Recht zustehen,
die Annahme einer solchen Mitteilung von der Hand zu
weisen, wie es ihm überhaupt nicht zugemutet werden kann,
am Telephon dem Publikum zur Verfügung zu stehen« Vor-
liegend trifft die Befürchtung des Beschwerdeführers nicht zn,
da über die Identität desjenigen, der den Rechtsvorschlag
telephonisch erhoben hat, mit dem Schuldner kein Zweifel
obwaltet. (Zeitscbr. d. Bern. Jur.-Ver., XXXVII S. 543 f.)
A. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichts.
68. Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechts-
pflege vom 22. März 1893, Art. 59 Abs. 1. Form der Berufung.
Angabe des Streitwertes.
Mit Klage vom 13» September 1901 stellten die Kläger
(Krau8s und Konsorten) vor dem Handelsgericht des Kantons
Zürich das Rechtsbegehren: Es sei die Beklagte verpflichtet
zu erklären, die Bezeichnungen „ Kinderwagenfabrik Zürich44
oder „Aelteste Kinderwagenfabrik der Schweiz" in ihren
Firmaschildern, Briefköpfen, Annoncen u. s. w. wegzulassen,
und die im Handelsregister eingetragene Firma „Kinder-
wagenfabrik Zürich" zu löschen. Die Beklagte Assfalg be-
antragte Abweisung der Klage, und stellte eventuell, für den
Fall der Gutheissung der Hauptklage, im Wege der Wider-
klage das Reohtsbegehren : Die Kläger und Widerbeklagten
seien verpflichtet zu erklären, auch ihrerseits die Bezeichnung
„Kinderwagenfabrik," wo sie immer vorkomme, in ihren ge-
schäftlichen Reklamen, Annoncen, Plakaten, Firmenschildern,
Briefköpfen und dergl. wegzulassen und wo eine solche im
Handelsregister /eingetragen sei, sie dort zu löschen. Durch
Urteil vom 8. November 1901 wies das Handelsgericht des
Kantons Zürich die Klage ab.
Gegen dieses Urteil ergriffen die Kläger die Berufung
an das Bundesgericht mit dem Antrag auf Gutheissung ihrer
Klage und Abweisung der Widerklage. Ihrem Rechtsbegehren
fügten sie bei, der Streitwert betrage mehr als Fr. 2000. — ,
erreiche aber den Betrag von Fr. 4000. — nicht. In ihrer
Antwort auf die Berufungsschrift beantragte die Beklagte
Abweisung der Berufung, eventuell Gutheissung auch der
Widerklage. Sie bestritt die Kompetenz des Bundesgerichts,
da der von den Klägern einseitig auf mehr als Fr. 2000.—,
aber weniger als Fr. 4000. — angegebene Streitwert rein
willkürlich und durch nichts begründet sei.
Das Bundesgericht ist auf die Berufung nicht ein-
getreten, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
1. Art. 59 Abs. 1 des Org.-Ges. bestimmt, dass die Berufung
in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche
nur dann zulässig sei, wenn der Streitwert nach Massgabe
10
126
der von den Parteien in Klage und Antwort vor dem erst-
instanzlichen kantonalen Gericht angebrachten Rechtsbegehren
mindestens Fr. 2000. — betrage. Schon nach dem Wortlaut
dieser Bestimmung ist also zur formellen Gültigkeit einer
Berufung erforderlich, dass die Parteien in ihren vor der
ersten kantonalen Instanz gestellten Rechtsbegehren die Höhe
des Streitwertes angeben. Nur wenn dies geschieht, ist der
Präsident des Bundesgerichtes in die Lage versetzt, sofort
die Zulässigkeit der Berufung nach dieser Richtung hin prüfen
zu können (Org.-Ges. Art. 71 Abs. 1). Bei Schadensersatz und
ähnlichen Ansprüchen (wie im vorliegenden Fall) ist es aller-
dings nicht nötig, den Streitwert genau in Ziffern festzusetzen,
allein Art. 63 Ziff. 1 des Org.-Ges. schreibt vor, dass dann
in der Klage schon anzugeben sei, ob der geforderte Höchst-
betrag mindestens Fr. 2000. — erreiche. Auch dies haben die
Kläger nicht gethan.
2. Die vom Org.-Ges, für die Form einer Berufung auf-
gestellten Vorschriften sind zwingenden Rechts, sie sind auch
begründet im Interesse einer geordneten Prozessfuhrung.
Stünde es im Willen der Parteien, schon in der Klage einen
Streitwert anzugeben oder nicht, so wäre ihnen damit die
Freiheit gegeben, einer Rechtsstreitigkeit, die ihrem Streitwert
nach zur Berufung nicht zulässig ist, je nach den ihrer Ansicht
nach bestehenden Chancen dadurch die Berufungsfähigkeit zu
erteilen, dass sie erst in der bundesgerichtlichen Instanz
den Streitwert auf mindestens Fr. 2000. — festsetzen. Und
ausserdem träte nach dem Belieben der Parteien das münd-
liche oder schriftliche Verfahren vor Bundesgericht ein, je
nachdem diese als Streitwert Fr. 2000. — bis Fr. 4000. — oder
einen höhern Betrag in der Berufungsschrift festzusetzen sich
entschlössen. Ein solches Prozessverfahren steht aber mit der
Notwendigkeit einer geordneten und raschen Abwicklung der
Berufungen nicht im Einklang und liegt am allerwenigsten
im Interesse der Parteien selbst. (Entsch. v. 19. April 1902
i. S. Kraus8 und Konsorten c. Assfalg.)
69. Art. 16 0. R. Vertragsauslegung. Bedeutung der lieber-
bindung des Eides über den Sinn eines Vertrages mit Schadlos-
hallungsver sprechen. Folgen für die Stellung des BundesgerichU.
Bedeutung des Ausdruckes „Haßung für Verluste dei' Gesellschaft*;
bezieht er sich auch auf die Einlage des Geseüschaflerst
Am 18. August 1898 stellte der Beklagte Alois Benz
folgende Erklärung aus: „Le soussigné Alois Benz père co-
127
Jone! demeurant à St-Gall, Suisse, déclare, par ces présentes,
se porter garant et répondant solidaire de Monsieur Jean Benz
-fils envers M. Sutter, qui accepte, tant dés marchandises qui
seront envoyées par ce dernier à la maison de Taris pour le
compte de la société J. Benz & Cie, formée entre M. Sutter
et M. Benz fils, — pour le commerce de broderies mé-
caniques, — que du mobilier et du matériel de cette maison,
mais seulement jusqu'à concurrence de cinq mille francs. —
U se porte en outre garant envers M. Sutter de la part que
<se dernier pourrait avoir à supporter dans les pertes de la
société constatées par l'inventaire social suivi de la dissolution
de la société, toujours aussi jusqu'à concurrence de oinq mille
francs. Les sommes qui pourraient être dues par Monsieur
Benz père, en vertu des présentes, seraient payées à Monsieur
Sutter, aussitôt qu'elles seraient déterminées." (Datum und
Unterschrift.) Der Erklärung ist, mit Unterschrift des Be-
klagten, beigefügt: „Bon pour cautionnement, mais seulement
jusqu'à concurrence de cinq mille francs en Umt.u Der Ge-
sellschaftsvertrag, auf welchen diese Erklärung Bezug nimmt,
datierte vom 19. August 1898 und enthielt folgende hier we-
sentliche Bestimmungen: Die aus J. Benz Sohn und dem
Kläger F. Sutter gebildete Gesellschaft war eine Kollektiv-
Gesellschaft (Art. 1). Das G esel Isohaftskapital war auf
Er. 18,000. — festgesetzt, wovon Er. 12000. — die Einlage des
Klägers, Fr. 6000. — diejenige von J. Benz bildeten (Art. 6).
Gemäss Art. 11 war jährlich am 15. Juli ein Inventar über
die Aktiven und Passiven der Gesellschaft aufzunehmen. An
Gewinn und Verlust sollten die Gesellschafter je zur Hälfte
beteiligt sein (Art. 12 Abs. 1 und 2). Art. 13 bestimmte
unter der Ueberschrift : „dissolution à défaut de bénéfices
ou en cas de pertes : Si deux inventaires successifs constataient
qu'il n'y a pas de bénéfices ou si un seul inventaire constatait
une perte de plus de trois mille francs, chacun des associés
pourrait demander la dissolution de la société, mais seulement
dans le mois de la clôture de l'inventaire. — Passé ce de-
lai, la dissolution de la société ne pourra avoir lieu que du
consentement des deux associés. En cas de dissolution la
liquidation commencerait immédiatement et serait faite par
les deux associés." Das erste Inventar, das am 31. August
1899 aufgenommen wurde, ergab, unter Einstellung der Ein-
lagen der Gesellschafter (oder des Gesellschaftskapitals) in
die Passiven, einen Ueberschuss der letztern über die Aktiven
im Betrage von Fr. 19,160.55. Unter dem 11. Januar 1900
^vereinbarten die beiden Gesellschafter die Auflösung der Ge~
128
Seilschaft unter Bestellung eines Liquidators. Das Geschäft
dar Gesellschaft J. Benz & Gie wurde vom Liquidator au>
gleichen 11, Januar 1900 an den Gesellschafter J. Benz ver-
kauft, unter Uebernahme der Aktiven und Passiven der Ge-
sellschaft mit privativer Wirkung betreffend die Passiven für
die Gesellschaft, und unter Festsetzung des Kaufpreises auf
den Ueberschuss der Passiven über die Aktiven der Gesell-
schaft, festgestellt auf Er. 1112.85. Das vom Liquidator am
31. Januar 1900 aufgenommene Inventar zeigte an Aktiven
Fr. 49,840.23, an Passiven, unter Einstellung des Gesellachafts-
kapitals, Fr. 68,953.10, mithin einen Ueberschuss der Passiven
von Fr. 19,112.87. Am Tage der Inventuraufnahme gründete
J. Benz mit M. D. Alusse eine neue Kollektivgesellschaft
unter der früheren Firma J. Benz & Cie, welche das frühere
Geschäft fortführte. Infolge dieser Vorgänge klagte der
Kläger gegen den Beklagten die Fr. 5000. — , gestützt auf die
Erklärung vom 18. August 1898, ein.
Der Hauptstreit im Prozesse beschlug die Auslegung des
Versprechens des Beklagten vom 18. August 1898. Der
Kläger fasste dasselbe dahin auf, es solle auch für allfallig
verloren gehende Kapitaleinlagen gelten; der Beklagte da-
gegen machte geltend, es sei nicht wahr, dass er das Ver-
sprechen so aufgefasst habe, dass es auch fur allfällig ver-
loren gehende Kapitaleinlagen des Klägers gelten solle, und
bot hierüber den Eid an. Ebenso schob der Kläger ihm den
Entlastungseid hierüber zu. Das Kantonsgericht St. Gallen
(als 2. Instanz) überband dem Beklagten den ihm vom Kläger
zugewiesenen Entlastungseid und wies nach Leistung des-
selben die Klage ab. Auf Berufung des Klägers hin hat
das Bundesgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage
gutgeheissen.
Aus den Gründen: Die erste ernstlich zweifelhafte
Frage betrifft die Auslegung der Worte „pertes de la
société" im fraglichen Garantieversprechen. Ueber den
Sinn dieser Worte streiten sioh die Parteien, indem der
Kläger geltend macht, die Haftung des Beklagten habe
sich bezogen auf alle Verluste, die ihn, den Kläger,
treffen können, also namentlich auch auf die Verluste mit
seiner Gesellschaftseinlage, — der Beklagte dagegen den
Standpunkt einnimmt, die Haftung beziehe sich nur auf den
die Gesellschaftseinlage bezw. das Gesellschaftskapital über-
steigenden Verlust. Ueber diese Vertragsauslegung hat die
Vorinstanz auf Antrag des Klägers dem Beklagten den so-
genannten Entlastungseid auferlegt und nach Leistung dieses
129
lEides, einzig gestützt auf ihn, die Klage abgewiesen. Bei
«dieser Sachlage fragt sich nun vor allem, inwieweit diese
Eidesleistung das Bandesgericht zu binden vermag. Und
zwar könnte hier vorerst die Frage aufgeworfen werden, ob
■nioht wegen der dem sogenannten Schiedseid innewohnenden
Vergleichsnatur die Sache als weil vom Kläger in das Ge-
wissen des Beklagten gestellt erledigt angesehen werden
müsse. Diese Frage bedarf jedoch keiner weiteren Erörterung,
weil der sogenannte Entlastungseid der st. gallisohen C. P.O.
gar nicht ein Schiedseid, sondern eiri Noteid, der allerdings
-äusserlich Aehnliohkeit mit dem Schiedseid hat, ist; denn
seine Rückschiebung ist unstatthaft, und er ist an die dem
Schiedßeid durchaus fremde Voraussetzung des Vorhanden-
seins eines halben Beweises geknüpft (vergi, über die Natur
dieses Eides: Schur ter, Grundzüge des materiellen Beweis-
rechtes in der schweizer. Civilprozessgesetzgebung, S. 382 f.);
als Noteid aber wohnt diesem Entlastungseid die Vergleichs-
natur, die dem Schiedseid eigen ist, nicht inne. Im weitern
ist sodann das Bundesgericht allerdings gebunden an das,
was der Beklagte beschworen hat. Das ist aber einzig die
Meinung oder der innere Willen des Beklagten bei Aus-
stellung des Garantieversprechens, und nicht mehr. Das
Bundesgericht hat also davon auszugehen, dass der Beklagte
in der That die von ihm beschworene Meinung über die
Tragweite des Garantieversprechens gehabt hat. Damit ist
jedoch das Schicksal des Prozesses nocht nicht entschieden;
damit dies der Fall wäre, müsste vielmehr dieser Meinung
des Beklagten, oder seinem inneren Willen, entscheidende
Bedeutung für die Auslegung des Garantieversprechens zu-
kommen. Diese Bedeutung kann nun der genannten That-
saohe nicht beigelegt werden; auszulegen ist vielmehr der
erklärte Wille, und auf den inneren Willen darf nicht ab-
gestellt werden. Und zwar ist diese Willensauslegung nach
der neuern, jetzt durchaus feststehenden Praxis des Bundes-
gerichts Rechts- und nicht Thatfrage; Thatfrage ist nur,
was auf den objektiven Bestand einer Willenserklärung Be-
zug bat, während alles, was die Tragweite, den Inhalt des
erklärten Willens betrifft, zur Rechtsfrage gehört. Indem nun
■die Vorinstanz, anstatt selbständig den Inhalt der Urkunde
auszulegen, die Meinung des Beklagten über diesen Inhalt
als entscheidend erklärt und somit der Eidesleistung eine
den Prozess entscheidende Bedeutung beigelegt hat, hat sie
-die dem eidgenössischen Obligationenrecht innewohnenden
-Auslegungsgrundsätze (vergi. Art. 16 0.R.) verletzt. Sie hat
180
ferner damit den Grundsatz verletzt, dass Eide nur über
Thatsachen, nicht über Rechtsverhältnisse auferlegt werden
dürfen, und auoh damit einen Eingriff in das Gebiet des
eidgenössischen Privat reohts begangen.
Das Bundesgericht führt sodann aus, dass eine Bückweisung
der Saohe an die Vorinstanz zur Auslegung der fraglichen Ur-
kunde nicht notwendig sei, da das betreffende Material vollstän-
dig vorliege, und nimmt diese Auslegung selbst wie folgt vor:
Diese Auslegung hat auszugehen von dem, was der er-
klärte Wille seinem Sinne im allgemeinen nach und für den
Kläger und den Beklagten im speziellen bedeuten murate;
dabei ist vorauszuschicken, dass besondere Abmachungen
über einen speziellen Sinn nicht erwiesen sind. Im allge-
meinen Geschäftsverkehr und nach der juristischen Natur der
Kollektivgesellschaft und des Verhältnisses der Gesellschafter
zu ihr und zu Dritten ist nun unter „Verlust der Gesell-
schaft" auch der Verlust, der die einzelnen Gesellschafter
mit ihren Vermögensbeiträgen betrifft, verstanden; vergi. Art. 549
Abs. 2 0. R., wonach die Gesellschafter dann, wenn das ge-
meinschaftliche Vermögen nach Tilgung der Schulden und
Ersatz der Auslagen und Verwendungen nicht ausreichend
ist, um die geleisteten Vermögensbeiträge zurückzuerstatten,
das fehlende als Verlust zu tragen haben. Der Ausdruck
^Verluste der Gesellschaft", „pertes de la société", kann nicht
als Gegensatz zu „Verluste der Gesellschafter", „pertes des
associés", verstanden werden; auch der Verlust der Vermögens-
einlagen, des Gesellschaftsvermögens, bedeutet eben einen
Verlust der Gesellschaft. Hätte die Haftung auf den die
Vermögenseinlage übersteigenden Verlust beschränkt werden
wollen, so hätte das ausdrücklich, durch einen Zusatz, ge-
sagt werden sollen. Auch wäre dann die Garantie für den
Kläger ohne grosse Bedeutung gewesen; als das natürliche
ersoheint vielmehr, dass er sich gerade für einen Teil seiner
Einlage sicher stellen wollte. Mag auoh der tiefere Grand
dieser Regelung in Umständen liegen, die aus den Akten
nicht hervorgehen, so ist doch jedenfalls soviel sicher, das»
nur diese Auslegung dem allgemeinen Sprachgebrauch und
der juristischen Natur der Kollektivgesellsohaft und des Ver-
hältnisses der Gesellschafter zu ihr und zu Dritten entspricht^
und da 88 auch diese Regelung ihren guten Grund und ver-
nünftigen Sinn hat, während die entgegengesetzte, rom Be-
klagten vertretene, als höchst künstlioh erscheint und für
den Kläger von geringer Bedeutung wäre. (Entsch. ron*
16. Mai 1902 i. S. Sutter o. Benz.)
181
70. Handlungsfähigkeit der (verheirateten) Handelsfrau.
Art. 34 und 35 0. R. „Geschäfte, welche zu dem regelmässigen
Betriebe dieses Berufes oder Gewerbes gehören11.
Durch Kaufvertrag vom 24. Januar 1901 verkaufte
J. Salberg an die Firma J. Stapfer, Bauunternehmer, in Alt-
8tettenr einen Schuldbrief im Kapitalbetrage von Fr. 10,000
samt laufenden Zinsen auf Th. W. in Zürich. Dieser Schuld-
brief war ausgestellt worden für einen Kaufschillingsrest,
welchen W. dem J. Salberg aus dem Verkaufe einer Bau-
parzelle an der Waffenplatzstrasse in Zürich II schuldete,
und war durch Pfandrecht zweiten Ranges unter Vorgang von
Fr. 37,000 auf diese Bauparzelle sichergestellt. Als Kaufpreis
war festgestellt worden eine Summe von Fr, 2500. Inhaberin
der Firma J. Stapfer ist Frau Josephine Stapfer-Studhalter ;
der Ehemann der Firmainhaberin, J. H. Stapfer, ist Prokurist
dieser Firma und als solcher im Handelsregister eingetragen.
Bei dem Kaufvertrag über den fraglichen Schuldbrief handelte
namens der Firma J. Stapfer der genannte Prokurist und Ehe-
mann der Firmainhaberin, J. H. Stapfer, welcher den Kauf-
vertrag auch unterzeichnete.
Als nach Eintritt des vertraglichen Fälligkeitstermin»
(1. Oktober 1901) der Verkäufer Salberg Zahlung des Kauf-
preises von Fr. 2500 für den Schuldbrief von Fr. 10,000 ver-
langte, bestritt die Beklagte Stapfer die Verbindlichkeit des
Kaufvertrages vom 24. Januar 1901, da der Prokurist zum
Ab8ohlus8 eines solchen Geschäftes nicht berechtigt gewesen
sei. Beide kantonalen Instanzen wiesen die Klage ab. Das
Bundesgericht, an welches der Kläger die Berufung er-
griff, hat sie dagegen gutgeheissen mit wesentlich folgender
Begründung:
Im Gegensatz zur ersten Instanz hat das Obergericht
angenommen, dass der Prokurist den Firmainhaber bei dem
hier in Frage stehenden Geschäfte reobtsgültig vertreten
konnte ohne besondere Vollmacht, da eine Vereinbarung, wie
sie hier in Frage stehe, nach Lage der Verhältnisse zu den-
jenigen Geschäften gehöre, welche der Zweck eines Bau-
geschäftes mit sich bringen könne. Dagegen hätte die Be-
rufungsbeklagte in ihrer Eigenschaft als Handelsfrau ein
solches Geschäft, da dasselbe nicht zum regelmässigen Be-
triebe eines Baugeschäftes gehöre, nach Massgabe des
zürcherischen Rechtes nur mit Mitwirkung eines ausserordent-
lichen Vormundes abschliessen können, und da eine solche
Mitwirkung nicht erfolgt sei, und der Prokurist sie nur so-
weit vertreten konnte, als sie selbst handlungsfähig sei, so
132
müsse das Geschäft aus diesem Grunde für sie unverbindlich
erklärt werden.
Was vorab die Frage betrifft, ob die Berufangs-
beklagte selber — von der Vollmacht ihres Prokuristen ganz
abgesehen — sich durch den Kaufvertrag vom 24. Januar
1901 binden konnte, so ist von dem in Art. 7 des Bundes-
gesetzes betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit vor-
behaltenen Art. 35 in Verbindung mit Art. 34 0. R. aus-
zugehen, wonach eine Ehefrau, die mit Einwilligung ihres
Ehemannes einen Beruf oder ein Gewerbe selbständig be-
treibt, aus denjenigen Geschäften, welche „zu dem regel-
mässigen Betriebe dieses Berufes oder Gewerbes"
gehören, mit ihrem ganzen Vermögen haftet.
Bei der Interpretation dieser Bestimmung ist zunächst
festzustellen, was unter dem Ausdruck „dieses Berufes oder
Gewerbes" zu verstehen sei: ob nämlich der Betrieb des von
der Handelsfrau, um die es sich in concreto handelt, geleiteten
Geschäftes ins Auge gefasst werden müsse, oder aber der
Normalbetrieb aller derjenigen Geschäfte, die mit dem Ge-
schäfte der betreffenden Handelsfrau in eine und dieselbe
Rubrik zu8ammengefa8st werden können, mit andern Worten
ob es im vorliegenden Falle auf den Normalbetrieb eines
Bauge8ohäftes oder aber auf den Betrieb des von der
Berufungbeklagten geleiteten Baugeschäftes an-
komme.
Diese Frage ist zweifellos in dem Sinne zu beantworten,
das8 auf die besondern Verhältnisse der betreffenden Firma
Rücksicht zu nehmen ist. Denn alle Rubrioierungen der ver-
schiedenen Berufe und Gewerbe würden, weil stets mehr oder
weniger konventionell, in die Interpretation des hier anzu-
wendenden Gesetzesartikels Elemente hineinbringen, die dem
Gesetze fremd sind. Was z. B. die Baugeschäfte betrifft, so
würde die Gesetzesanwendung davon abhängig gemacht wer-
den, ob man einen, zwei oder mehrere Typen von Bau*
geschäften annehmen wollte, was natürlioh nicht im Sinne
des Gesetzgebers kann gelegen haben.
Ist demnach zu untersuchen, was für Operationen und
Transaktionen in den Rahmen des von der Berufungs-
beklagten betriebenen Baugeschäftes gehören, so er-
giebt sich, dass sie Eigentümerin mehrerer Liegenschaften
ist und daher ihr Gewerbe auf spekulativem Fusse betreibt.
Sie hatte auf die Erwerbung der hier in Betracht kommen-
den Liegenschaft nur deshalb verzichtet, weil sie bereits
genug Liegenschaften besitze, weil die Finanzierung nicht
133
gesiohert war und weil eine Geldkrisis bestand, deren Ende
damals noch nicht abzusehen war. In Anbetracht dieser Um-
stände ist es klar, dass die Berafungsbeklagte ihr Bau-
geschäft auf einem Fusse betreibt, bei dem z. B. der An-
und Verkauf von Liegenschaften nichts aussergewöhnliches
ist. Es sind daher diese Operationen — wenn auch nicht
als zum normalen Betriebe aller Baugeschäfte oder des
Baugewerbes in abstracto gehörig — so doch jedenfalls
als innerhalb des Rahmens des von der Berufungs-
beklagten betriebenen Baugeschäftes liegend zu eraohten.
Gehört aber der An- und Verkauf von Liegenschaften in
•das Ressort der beklagten Firma, so kann es keinem Zweifel
unterliegen, dass in gleicher Weise auch alle diejenigen
Transaktionen in dasselbe gehören, welche bei gewerbsmässiger
Ausführung solcher Liegenschaften- und verkaufe häufig, vor-
kommen und oft nicht zu umgehen sind, wie Ausstellung,
Uebernahme und Cession von Schuldbriefen, Bürgschaften
und dergleichen.
Das der Klage zu Grunde liegende Rechtsgeschäft,
<ier Ankauf des der Hypothek der Käuferin vorgehenden
Schuldbriefes von nominell Fr. 10,000 zum Preise von Fr« 2500,
kann einerseits als zweckmässige Vorbereitungshandlung zu
-einem Ankaufe der noch nicht fertig überbauten und daher
für ein Baugeschäft Interesse bietenden Liegenschaft be-
trachtet werden, und anderseits war dieser Titelkauf mit
Rücksicht auf die Fr. 48,000 betragende amtliohe Schätzung
der Liegenschaft geeignet, der Berufungsbeklagten für ihre
dem angekauften Schuldbriefe nachstehende Bauvertrags-
forderung Deckung zu verschaffen. Von beiden Gesichts-
punkten aus betrachtet stellt sich der Vertrag vom 24. Januar
1901 als eine durch den gewöhnlichen Betrieb des Baugeschäftes
der Beklagten herbeigeführte Transaktion dar.
Dass nun aber auf eine solche durch den gewöhnlichen
und regelmässigen Betrieb eines Baugesohäftes herbei-
geführte Operation die Bestimmungen der Art. 34 und 35
0. R. anwendbar sind, mit andern Worten, dass von der-
selben gesagt werden kann, sie gehöre zu dem regel-
mässigen Betriebe dieses Geschäftes, ergiebt sich, wenn
auch nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut des angeführten
Art. 84, so doch jedenfalls aus der nicht zu verkennenden
ratio legis. Denn bei der Bestimmung des Urafanges der
ehemännlichen Einwilligung zum Geschäftsbetrieb sollte es
offenbar nicht auf die numerisohe Frequenz einer bestimmten
Art von Rechtsgeschäften, sondern auf ihre ökonomische oder
134
kaufmännische Bedeutung und ihre Beziehungen zum Haupt*
geschäftsbetriebe ankommen. Damit also ein Rechtsgeschäft
als ein berufliches oder gewerbliches im Sinne des Art. 34 cit.
erscheine, ist nicht nötig, dass dasselbe regelmässig
wiederkehre, sondern bloss, dass es ein durch den regel-
massigen Betrieb des betreffenden Berufes oder Gewerbes
herbeigeführtes sei.
Diese Auffassung findet eine fernere Stütze in dem fran-
zösischen und namentlich im italienischen Text des mehr-
erwähnten Art. 34 O.E. (vergi, die Ausdrucksweise: per le
obbligazioni derivanti dal regolare esercizio etc.), sowie
auoh in der Entstehungsgeschichte der Art. 34 und 35.
In Eioks Entwurf von 1875, und ebenso im Kommissions-
entwurf von 1876/7 hatte die betreffende Stelle gelautet
(Art. 8): „ . . . diejenigen Geschäfte, welche jene Person mit
Rücksicht auf den Beruf oder das Gewerbe abschliesst."
Dafür, dass bei der Ersetzung dieses Wortlautes durch den
heute vorliegenden die Haftbarkeit der Handelsfrau habe
eingeschränkt werden wollen, fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Im Gegenteil ist hier auf die Botschaft des Bundesrates
vom 27. November 1879 zu verweisen, woselbst ausgeführt
wurde: „Duroh diese Bestimmungen der Art. 40 und 41 (heute
34 und 35) wird sehr tief in das kantonale Recht einge-
schnitten Dessenungeachtet glauben wir die Annahme
der Art. 40 und 41 dringend empfehlen zu sollen Auch
kann nur durch einen derartigen tiefgreifenden Einschnitt
in das kantonale Recht Täusohungen und Beschwindelungen
derjenigen wirksam entgegengetreten werden, welche mit
solchen Personen, auf die Zustimmung des Ehemannes oder
Vertreters vertrauend, sich in geschäftliche Beziehungen ein-
lassen« (vergi. BB1. 1880, Bd I S. 49). Da sonach die Be-
klagte persönlich die Fähigkeit zum Abschlüsse der der Klage
zu Grunde liegenden Kaufverträge besitzt, ist die Klage gut
zuheissen. (Entsch. v. 26. April 1902 i. S. Salberg cStapfer.)1)
71. Haltung des Staates für schuldhafte Handlungen ron
Beamten und Behörden. Bandesrecht und Kantonalrecht. Art. 64
Abs. 1, Art. 76 0. R.
Ueber das Verhältnis des Bundesrechts zum Kantonal-
recht in der angedeuteten Materie hat sich das Bundesgericht
in seinem Entscheide ausgesprochen:
») Kritik dieses Urteils (von Wä.) in Bl. f. zürch. Rspr. I, S. 260.
(Die Red.)
135-
Bezüglich der von Amts wegen zu prüfenden Frage, ob
das Bundesgericht zur Beurteilung des vorliegenden Rechts-
streites kompetent sei, ist davon auszugehen, dass nach
Art. 76 O. R. die Entstehung von Schuldverpflichtungen au*
Gründen des öffentlichen Rechtes nicht durch das Bundes-
gesetz über das Obligationenreoht, sondern duroh kantonale
oder diesbezügliche andere Bundesgesetze geregelt wird.
Im vorliegenden Falle ist nicht bestritten, dass es sioh
um die Entstehung einer Schuldverpflichtung aus Gründen de*
öffentlichen Rechtes handelt, und dass die Frage, ob der
Staat für Schaden, den seine Beamten in Ausübung ihrer
amtlichen Verrichtungen verursachen, verantwortlich sei, nach
Massgabe des kantonalen Rechtes zu beurteilen ist. Dagegen
wird geltend gemacht, es sei — von dieser Frage abgesehen —
in allen übrigen Punkten, insbesondere für die Beurteilung
des Verschuldens und des Kausalzusammenhangs, sowie für
die Bemessung des Schadens, das schweizerische Obligationen-
recht massgebend. Denn die in einem kantonalen Gesetze
enthaltene Bestimmung, durch welche der Staat für die Amts-
handlungen seiner Beamten verantwortlich erklärt wird, sei
lediglich eine von den Bestimmungen des schweizerischen
Obligationenrechts „abweichende Bestimmung" im Sinne von
Art. 64 O.R. ; von dieser abweichenden Bestimmung abgesehen,,
bleibe es bei den Bestimmungen des Obligationenrechts.
Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Das
schweizerische Obligationenrecht: enthält über die Verant-
wortlichkeit des Staates für nichtgewerbliche Verrichtungen
seiner Beamten gar keine Bestimmung, so dass weder von
„abweichenden" kantonalen Bestimmungen, noch von einer
Anwendung des Obligationenreoht« in Ermangelung solcher
abweichenden Bestimmungen des kantonalen Rechtes ge-
sprochen werden kann. Vielmehr wird die Verantwortlich-
keit des Staates für seine Beamten, weil auf Gründen dea
öffentlichen Rechtes beruhend, nach Art. 76 0. R. ausschliess-
lich durch das kantonale Recht oder allfällige spezielle Be-
stimmungen anderer Bundesgesetze geregelt. Art. 64, welcher
von „abweichenden Bestimmungen u des kantonalen Rechtes
spricht, bezieht sich denn auch keineswegs auf die Haftpflicht
des Staates, sondern, wie namentlich aus dem französischen Text
dieses Artikels unzweideutig hervorgeht, lediglich auf die Ver-
antwortlichkeit der fehlbaren Beamten und Angestellten selber.
Giebt es somit in Bezug auf die Frage, ob und in welchem
Umfange ein Kanton tür eine bestimmte fehlerhafte Amts-
handlung eines seiner Beamten oder Angestellten ausserkon-
136
traktlich* in Anspruoh genommen werden könne, keinerlei eid-
genössisches Recht, sondern untersteht diese ganze Materie
dem kantonalen Hechte, so ist das Bandesgericht als Be-
rufungsinstanz zur Behandlung einer gegen den Staat gerich*
teten Verantwortlichkeitsklage sogar dann nicht kompetent,
wenn die prinzipielle Haftpflicht des Staates für schuldhafte
Amtshandlungen seiner Beamten und Angestellten mit Rück-
sicht auf die kantonale Gesetzgebung unbestritten ist. (Entsch.
v. 26. April 1902 i. S. Stöckli c. Baselstadt.)
72. Klage nuf Verurteilung des Beklagten zu denjenigen Mass-
nahmen hinsichtlich Anlage, Unterhalt und Betrieb in seinen Fabri-
JcatioHseinrichtungen, welche erforderlich seien y um weitere Störungen
des Klägers in der Benutzung seines der Fabrik benachbarten
Grundstückes, sowie weitere Beschädigungen desselben abzuwen-
den, — und auf Ersatz des bisher entstandenen Schadens. Art. 67
u. 68 0. A. Verhältnis dieser Bestimmungen zum (kantonalen)
Nachbarrecht; Tragweite.
Der Kläger R. ist Eigentümer eines Grundstückes in
Thuo, auf dem sich ein Wohnhaus und eine Schreinerwerk-
.statte befinden. Der Beklagte S. betreibt auf einem dem
-Grundstücke des Klägers benachbarten Grundstück ein Fabrik-
etablissement, dessen hauptsächlichste Teile ein Walzwerk
und Drahtziehereien sind. Der Kläger stellt nun in seiner
Klage das Rechtsbegehren: „1. Der Beklagte sei schuldig,
hinsichtlich Anlage, Unterhalt und Betrieb seiner Fabrika»
tionseinrichtungen diejenigen Massnahmen zu treffen, welche
erforderlich sind, um weitere Störungen des Klägers in der
Benutzung seines der Fabrik benachbarten Grundstückes, so-
wie weitere Beschädigungen desselben abzuwenden. 2. Der
Beklagte sei ferner schuldig, dem Kläger sämtlichen Schaden
2U ersetzen, der ihm infolge fehlerhafter Anlage, mangel-
haften Unterhalts, sowie duroh die Art und Weise des Betriebes
seines Fabrikationsgeschäftes entstanden ist." Diese Klage
stützt sich vorab auf Art. 67 u. 68 0. R., wie auf Satz. 380
<les bern. G. G. B., in Verbindung mit Art. 50 0. R. Ueber
diese Klage erkannte der Appell.- und Kassationshof des
Kantons Bern als 2. Instanz :
„I. Dem Kläger wird sein erstes Klagbegehren dahin
zugesprochen, dass der Beklagte verurteilt wird: 1« Die Ver-
stärkung der Walzwerkfundamente in der von den Experten
angeführten Weise vorzunehmen und zwar innert einer Frist
von 6 Monaten« 2. Den Betrieb der Walzwerke vom 1. April
IST
1902 an von 10 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens einzustellen-
unter Androhung der in § 391 C. P. vorgesehenen Strafen.
II. Dem Kläger wird sein zweites Bechtsbegehren zuge-
sprochen für einen Betrag von Fr. 700."
Gegen dieses Urteil ergriffen beide Parteien die Berufung
an das Bundesgerioht, der Beklagte mit dem Antrag auf Ab-
weisung der Klage, während der Kläger (anschlussweise) für
den Fall, dass das erste Bechtsbegehren der Klage ganz oder
teilweise abgewiesen und demgemäss das erste Dispositiv des
Entscheides abgeändert werden sollte, beantragte, die durch
das zweite Dispositiv gesprochene Entschädigung sei auf
Er. 7000 zu erhöhen.
Das Bundesgerioht ist auf die Berufung nicht ein-
getreten, soweit sie sich auf Disp. I 2 des angefochtenen Ur-
teils bezog, und hat sie im übrigen als unbegründet abge-
wiesen und das angefochtene Urteil bestätigt. Die Begrün-
dung des Urteils lautet im wesentlichen:
Das erste Klagbegehren hat seiner Natur nach seinen
Becht8grund in allererster Linie im (kantonalen^ Nachbar-
recht, wie denn auch der Kläger eine nachbarrecntliche Be-
stimmung angerufen hat; durch das Sachenrecht wird be-
stimmt, inwieweit der Eigentümer eines Grundstückes einer-
seits aus Gründen des Nachbarrechts in dessen Benutzungs-
fähigkeit beschränkt wird, und inwieweit der Nachbar sich
anderseits Immissionen gefallen lassen muss. Mit diesen nach-
barrechtlichen Bestimmungen haben nun die von der Schädi-
gung durch Werke handelnden Art. 67 u. 68 O. B. gewisse
Berührungspunkte; sie greifen in gewissem Masse in jene
Bestimmungen ein, und es ist daher das Verhältnis dieser
Vorschriften zu jenen Bestimmungen zu untersuchen. Hiebei
springt zunächst in die Augen, dass nach Art. 67 u. 68 0. B-
jedem Beschädigten oder Bedrohten ein Anspruch zusteht,,
ganz abgesehen von seiner Eigenschaft als Eigentümer eines
Grundstückes und speziell eines Naohbargrundstückes, wäh-
rend das (kantonale) Sachenrecht allein den Eigentümer im
Auge hat. Ferner bezieht sich Art. 67 0. B. auf den infolge
mangelhafter Unterhaltung oder fehlerhafter Anlage oder Her-
stellung eines Gebäudes oder eines andern Werkes entstehen-
den Schaden, während das Nachbarrecht die Schranken der
Benützung des Grundstückes regelt. Alles was die letztere-
betrifft, muss daher als zum Sachenrecht gehörend angesehen
werden; speziell auch, soweit Vorschriften über den Betrieb
von Gewerben in Betracht kommen (vergi. Huber, Schweiz.
Priv. B., lu S. 277 f.); alle diese Bestimmungen sind durch
138
-das eidgen. Obligationenrecht nicht berührt und können von
ihm nicht berührt werden, da es sich hiebei nicht um Be-
ziehungen von Person su Person, sondern um solche von
•Sache zu Sache (Grundstück zu Grundstück) handelt Soweit
daher im vorliegenden Falle der Fabrikbetrieb in Frage
kommt und dessen allfällige Beschränkung, so kann von einer
Anwendung von Art. 67 u. 68 0. B. keine Bede sein. Diese
Bestimmungen setzen voraus, dass — Art. 67 — die mangel-
hafte Beschaffenheit oder die fehlerhafte An-
lage oder Herstellung eines Gebäudes oder eines andern
Werkes einen Schaden verursacht, allerdings ohne Bücksicht
darauf, ob der Schaden durch unmittelbare körperliche
Einwirkung des Werkes auf Personen oder Sachen oder in
ariderer Weise gestiftet wurde (Urt des B.-G. v. 20. Dez, 1890
i. S. Liechti c. Bürgergemeinde Aarberg , AmtL Slg XVL
S. 814 f. Erw. 4); bezw. —Art. 68— dass ein Gebäude oder
ein Werk Schaden droht. Der Betrieb einer Fabrik kann
nun jedenfalls weder unter Art. 67 noch unter Art. 68 O.B.
subsumiert werden; der Betrieb einer Fabrik hat an sich
mit diesen Gesetzesbestimmungen nichts gemein, wie ohne
weiteres klar ist. Indem nun die Vorinstanz in Disp. I, 2
die Einstellung des Fabrikbetriebes zur Nachtzeit verfugt
hat, hat sie das gethan und nur thun können gestützt auf
kantonales Recht, nämlich die vom Kläger angerufene Satzung
380 bern. C. Diesen Punkt hat daher das Bundesgericht nicht
zu überprüfen, so dass es hier beim angefochtenen Urteil sein
Bewenden hat.
Soweit sich dagegen das erste Rechtsbegehren auf An-
lage und Unterhalt des Fabriketablissements des Beklagten
bezieht, kann allerdings die Anwendbarkeit des Art 68 O.B.
nicht von vorneherein in Abrede gestellt werden. Allerdings
mag bemerkt werden, dass es jedenfalls genügt hätte und
auch einfacher gewesen wäre, wenn die Vorinstanz auch in
diesem Punkte lediglich auf Satz. 380 bern. G. abgestellt
hätte, auf Grund deren ganz zweifellos die ganze im Streite
liegende Frage hätte entschieden werden können. Nachdem
nun aber die Vorinstanz einmal Art. 68 0. B. zur Anwendung
gebracht hat, sind die Voraussetzungen seiner Anwendbar-
keit auch vom Bundesgerichte zu untersuohen. In dieser Hin-
sicht ist zu bemerken : Indem das S. 0. R. in Art. 68 dem-
jenigen, der von dem Gebäude oder dem Werke eines andern
mit Schaden bedroht ist, einen gegen den Eigentümer gerich-
teten Anspruch auf Vornahme der erforderlichen Massregeln
zur Abwendung der Gefahr giebt, hat es eine Bestimmung
189
getroffen, die sich in dieser Allgemeinheit annähernd nur im alten
Züroher P. G. B., § 1888, findet, das jedoch dem durch eine
Baute oder eine andere Sache eines andern ernstlich Be-
drohten nur den Anspruch gab, den Eigentümer der Schaden
drohenden Sache amtlich aufzufordern, für Abwendung des
Schadens zu sorgen, unter Verantwortlichmachung für den
eintretenden Schaden im Falle der Unterlassung. Diese Be-
stimmung hat offenbar dem heutigen Art. 68 0. R. zum Vor-
bilde gedient. Von den Entwürfen zum 0. R. enthielten Ent-
wurf I, Munzinger, 1871, Entw. H, Fick, 1875, und der Kom-
missionsentwurf von 1876, in der ganzen Materie nur eine
Bestimmung (Art. 106 bezw. 102) betr. Schadenersatzpflicht
des Eigentümers eines Gebäudes oder Werkes für den durch
Einsturz infolge mangelhafter Unterhaltung oder eines Fehlers
der Bauart desselben verursachten Schaden. Erst in den Be-
schlüssen der Redaktionskommission vom September 1877,
Januar, März und September 1878 wurde diese Bestimmung
dahin erweitert, dass der Eigentümer eines Gebäudes oder
eines andern Werkes für allen Schaden Ersatz zu leisten
habe, der durch das Gebäude oder Werk angerichtet werde
infolge mangelhafter Unterhaltung oder fehlerhafter Anlage
oder Herstellung desselben (Art. 71 bezw. 78), — also die
jetzige Fassung des Art. 67 eingeführt — , und folgende neue
Bestimmung, aus der dann der heutige Art. 68 geworden ist,
beigefügt: „Wenn von dem Gebäude oder dem Werk eines
Andern Schaden droht, so ist der Bedrohte berechtigt, von
dem Eigentümer zu verlangen, dass er die erforderlichen
Massregeln zur Abwendung der Gefahr treffe. — Vorbehalten
bleiben die Anordnungen der Polizei zum Schutze von Per-
sonen und Eigentum gegen eine solche Gefahr" (Art. 72
bezw. 79). Dieser Artikel ist dann seinem Wesen nach un-
verändert geblieben (Art. 75 des Entw. d. Justizdep. vom
Juli 1879). Die Bestimmung des § 343 des Oesterr. B. G. B.:
„Kann der Besitzer eines dinglichen Reohtes beweisen, dass
ein bereits vorhandener fremder Bau oder eine andere fremde
Sache dem Einsturz nahe sei, und ihm offenbarer Schaden
drohe, so ist er befugt, gerichtlich auf Sicherstellung zu
dringen, wenn anders die politische Behörde nicht bereits hin-
länglich für die öffentliche Sicherheit gesorgt hat" (die sich
im Abschnitt „Sachenrecht" unter „Besitz" findet), geht offen-
bar nicht so weit wie die angeführte Norm des zürch. P.G.B.,
die Entwürfe der Redaktionskommission und der jetzige Text
des Art. 68 O.R. Geht nun auch der gegenwärtige Art. 68 O.R.
in seiner Wurzel auf die römisch-rechtliche oautio damni infecti
140
zurück (die freilich nur einen Anspruch auf Sicherstellung
und eventuellen Schadenersatz gab), so hat er doch den
Grundsatz der Pflicht des Eigentümers eines Gebäudes oder
andern Werkes zur Abwendung drohenden Schadens ganz
bedeutend ausgedehnt, indem er ihn anwendet auf jede»
„Werk", und indem er ferner direkt einen Anspruch auf Vor-
nahme der erforderlichen Massnahmen zur Abwendung dea
drohenden Sohadens giebt. Vorerst kann nun nicht bezwei-
felt werden, dass das Walzwerk des Beklagten, das hier als
schadendrohendes Werk in Frage steht, als „Werk" im Sinne
des Art. 68 0. R. anzusehen ist. Streitig könnte dagegen
sein, ob auch Art. 68, wie Art. 67, mangelhafte Unterhaltung
oder fehlerhafte Anlage oder Herstellung des Werkes zur
Voraussetzung habe. Der Entscheid des Bundesgerichtes vom
14. Jan. 1893 i. S. Fleck-Meili und Genossen o. Hermann und
Bader (Amtl. Slg XIX S. 263 ff.) scheint das zu bejahen,
indem er (in Erw. 2 Seite 269) Art. 67 u. 68 0. R. auf den
betreffenden Fall nicht anwendbar eraohtete, weil der Schaden,
dessen Ersatz verlangt wurde, nicht duroh ein Gebäude oder
Werk des Beklagten infolge mangelhafter Unterhaltung oder
fehlerhafter Anlage und Herstellung, sondern durch Hand-
lungen des Beklagten, durch die Art und Weise, wie dieser
sein Eigentum ausgeübt hatte, verursacht worden war. In
seinem Entscheide vom 11. Februar 1898 i. S. Commune
de Corbières c. Bellora (Amtl. Slg Bd XXIV, H, S. 96 ff.)
dagegen hat das Bundesgericht (Erw. 4 S. 102) ausgeführt,
zur Anhebung der Klage aus Art. 68 sei die Behauptung oder
der Nachweis, dass der drohende Sohaden die Folge einer
mangelhaften Unterhaltung oder fehlerhatten Anlage und Her-
stellung des Werkes sei, nicht erforderlich; und darin weiche
Art. 68 von Art. 67 ab. Für die letztere Auffassung würde,
neben dem Wortlaute des Gesetzes, auch der Umstand sprechen,
dass § 1888 des alten zürch. P. G. B., dem, wie gesagt,
Art. 68 0. B. im wesentlichen entnommen ist, bestimmte,
wenn der aufgeforderte Eigentümer die Sorge für Abwendung
des Schadens versäume, so werde er für den nachherigen
Schaden verantwortlich, auch wenn die Voraussetzungen des
§ 1885 nicht vorhanden seien, d. h. auch wenn der Sohaden
nicht als Folge einer fehlerhaften Anlage oder einer mangel-
haften Unterhaltung zu betrachten sei. Indessen kann die
Entscheidung dieser Streitfrage im vorliegenden Falle dahin-
gestellt bleiben. Denn die Vorinstanz stellt fest, dass das
Walzwerk ungenügend fundamentiert sei, und diese Fest-
stellung ist nicht aktenwidrig. Dagegen erhebt sich ein
141
weiteres Bedenken gegen die Anwendbarkeit des- Art. 68:
Die Erschütterungen, welche durch das Walzwerk verursacht
werden, sind eine Folge nicht des Werkes als solchen, son-
dern nur der Inbetriebsetzung desselben ; und es könnte frag*
lieh erscheinen, ob auch eine derartige nicht unmittelbar vom
Werke selbst, sondern von dessen Inbetriebsetzung drohende
Gefahr unter Art. 68 0. R. falle. Dieses Bedenken ver-
schwindet jedoch im Hinblick auf den oben citierten Ent-
scheid, des Bundesgerichts i. S. Liechti c. Burgergemeinde
Aarberg. Es muss denn auch gesagt werden, dass eben die
Zweckbestimmung eines derartigen Werkes die Inbetrieb-
setzung ist, dass es seine Thätigkeit nur im Betriebe erfüllt,
im ruhenden Zustande dagegen eine latente Kraft darstellt,
bei der eine Schädigung überhaupt nicht wohl denkbar ist»
Soweit nun der Schaden, — die Erschütterungen, — der durch
das Werk droht, eine Folge der fehlerhaften Herstellung ist>
kann Art. 68 0. R. angerufen werden, auch wenn der Schaden-
nur eintritt durch den Betrieb des Werkes, nicht unmittelbar
vom Werke selbst droht; denn der Schaden ist dann immer-
hin vom Werke, von dessen Zustande, verursacht. Der Kläger
ist daher, und zwar auf Grund des Art. 68 0. R., berechtigt,
zu verlangen, dass der Beklagte die erforderlichen Massnahmen
zur Abwendung der Gefahr treffe, d. h. die Verstärkung der
Walzwerkfundamente vornehme. Sonach ist Disp. I 1 dea
angefochtenen Urteils zu bestätigen.
Das zweite Klagebegehren stellt sich dar als Schaden-
ersatzbegehren, das einerseits auf Art, 67, anderseits auf
Art. 50 0. R. gestützt wird.
a) Soweit das Schadenersatzbegehren fehlerhafte Anlage
und mangelhafte Unterhaltung des Walzwerkes geltend macht,
trifft Art. 67 0. R. zu. Wie die Vorinstanz in nicht akten-
widriger Weise feststellt, war der grösste Teil der Er-
schütterungen und des Lärms früher durch die fehlerhafte
Herstellung und Anlage des beklagten Werkes herbeigeführt,
und sind ferner auch die dermalen noch vorkommenden Er-
schütterungen zum Teil auf die nicht hinreichend starke
Fundamentierung des Werkes zurückzuführen. Dabei ist, im
Anschlüsse an das citierte bundesgerichtliche Urteil i. S.
Liechti c. Burgergemeinde Aarberg (Amtl. Slg XVI, S. 816
Erw. 4 i. f.), der Kausalzusammenhang des Schadens mit
dem fehlerhaften Zustande des Werkes als vorhanden anzu-
nehmen.
b) Soweit dagegen der Schadenersatzanspruch gestützt
wird auf den Gewerbebetrieb, ist mit der Vorinstanz zu sagen,
11
142
dass Art. 67 0. B. nicht zur Anwendung kommt, wohl aber
Art. 50. Dabei ist allerdings, wie die Vorinstanz ebenfalls
richtig ausfährt, die Frage, ob und inwieweit der Gewerbe-
betrieb objektiv widerrechtlich sei, präjudiziell durch das
kantonale Recht, Satz. 380 bern. C; das schliesst jedoch die
Kompetenz des Bundesgerichts zum Entsoheid über das be-
treffende Schadenersatzbegehren nicht aus, nur ist dasselbe
hinsichtlich jener Präjudizialfrage an die Entscheidung des
kantonalen Gerichts gebunden (vergi. B. G. E. XIX, S. 269);
zu prüfen hat es nur, ob auch subjektive Widerrechtlichkeit
vorliege, dem Beklagten also Schuld zur Last falle. Die
Vorinstanz bejaht dies, indem sie feststellt, dass mehrfach
beim Beklagten wegen des Lärms und der Erschütterungen
reklamiert worden sei und dieser trotzdem die bezüglichen
Handlangen vorgenommen habe. Dieser Auffassung ist bei-
zutreten. (Entsch. v. 13. Juni 1902 i. S. Selve o. Rychiger.)
73. Schadenersatzpflicht des das Mietobjekt ohne Ueber-
bindung des Mietvertrags veräussernden Vermieters. Art 281 0. 22.
Verhältnis des Art. 292 0. R. zu dieser Gesetzesbestimmung.
Zur Begründung und Festsetzung des aus Art 281 O.R.
entspringenden Schadenersatzes des Mieters hat die Vorin-
stanz Art. 292 das. herangezogen, wenn auch nur per ana-
logiam. Diese analoge Anwendung der genannten Gesetzes-
bestimmung auf den Fall des Art. 281 0. R. kann nicht ge-
billigt werden. Art. 292 O. R. handelt vom Falle der vor-
zeitigen Beendigung der Miete aus wiohtigen Gründen, die
der einen oder andern Partei die Festsetzung des Mietver-
hältnisses unerträglich machen. Für diesen vom Falle des
Verkaufes der Mietsache ohne Ueberbindung des Mietver-
trages durchaus verschiedenen Fall stellt das Gesetz singu-
lare Bestimmungen über Ersatz und speziell für den Fall,
als die Miete für ein Jahr oder längere Zeit abgeschlossen
ist, über die Höhe des Ersatzes auf. Wenn für den letzteren
Fall speziell vorgesehen ist, dass der Ersatz mindestens einem
halben Jahreszinse gleichkommen müsse, so ist damit eine
gesetzliche Verpflichtung desjenigen, der die Auflösung ver-
langt hat, festgestellt, und zugleich vom Erfordernisse des
Nachweises des Schadens Umgang genommen. Diese auf
einen speziellen Fall zugeschnittene, singulare Bestimmung
darf nient auf den davon ganz verschiedenen Thatbestand des
Art. 281 angewendet werden; wäre dies der Wille des Ge-
setzes, so hätte eine Verweisung auf Art. 292 oder eine
143
ähnliche Bestimmung in das Gesetz aufgenommen werden
müssen. Bei Art. 281 handelt es sich darum, dass dem Ver-
mieter die Erfüllung aus in seiner Person und in seinen Ver-
hältnissen liegenden Gründen unmöglich wird ; danach haben
die allgemeinen Bestimmungen über Nichterfüllung von Ver-
trägen, Art. 110 ff. 0. R., zur Anwendung zu gelangen. Und
zwar kann hiebei von vornherein von einem Beweise des
Vermieters (des Schuldners), dass ihm kein Verschulden an
der Nichterfüllung zur Last falle, keine Rede sein, da eben
die Unmöglichkeit der Erfüllung durch ihn selber, durch seine
Handlung, herbeigeführt wurde und das Gesetz an die That-
sache des Verkaufes und die daduroh herbeigeführte Been-
digung der . Miete den Schadenersatzanspruch des Mieters
knüpft. Der Vermieter hat allerdings das Recht, das Miet-
objekt während der Dauer des Mietvertrages zu veräussern;
er hat aber in diesem Falle gleichzeitig auch die vertrag-
liche Pflicht gegenüber dem Mieter, für Ueberbindung des
Mietvertrages oder für Entschädigung des Mieters zu sorgen.
Diese, aus dem Mietvertrage entspringende Pflicht hat der
Widerbeklagte verletzt, indem er sich sorglos über die In-
teressen und Reohte des Mieters hinweggesetzt hat, und darin
liegt ein vertragliches Verschulden. (Entsch. v. 30. Mai 1902
i. S. Eidg. Bank St Gallen c. Graf.)
74. Verantwortlichkeit der Aufsichtsorgane einer Aktien-
gesellschaft. Art. 673 u. 674 0. R. Verhältnis der beiden An-
sprüche (der Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger einerseUsy der
Gesellschaft anderseits) zu einander. Fundament der Klage aus
Art. 674 l. c. Behauptete Verwirkung gemäss Art. 675 0. R.
Beweislast
Es ist das Verhältniss des den einzelnen Aktionären (und
den Gesellschaftsgläubigern) gemäss Art. 674 eingeräumten
Klagerechtes zu dem der Gesellschaft nach Art. 673 zustehen-
den Klagerechte zu untersuchen. Gemeinsam ist beiden An-
sprüchen die Solidarhaft der schuldigen Gesellschaftsorgane.
Von einander unterschieden sind sie darin, dass die Gesell-
schaftsorgane der Gesellschaft für jede schuldhafte Pflicht-
verletzung oder -Vernachlässigung haften, den einzelnen Ak-
tionären (oder Gesellschaftsgläubigern) hingegen nur für den
durch absichtliche Pflichtverletzung herbeigeführten Schaden ;
das Ellagerecht aus Art. 674 ist also subjeetiv an engere Vor-
aussetzungen geknüpft, als jenes aus Art. 673. Ferner hat
Art. 673 den Schaden, den die Gesellschaft erleidet, im Äuge,
144
Art. 674 dagegen den den einzelnen Aktionären (und Gesell-
schaftsgläubigern) zugefügten Schaden. Letzterer Schade»
nun kann ein doppelter sein: der einzelne Aktionär (und Ge-
sellschaftsgläubiger) kann einerseits dadaroh geschädigt sein,
da88 der Schaden, den die Gesellschaft erleidet, auch ihn
trifft; in diesem Falle handelt es sich um einen mittelbaren,
sekundären Schaden des einzelnen Aktionärs (und Gesell-
schaftsgläubigers). Der Aktionär (und Gesellschaftsgläubiger)
kann aber auch einen vom Schaden der Gesellschaft unab-
hängigen, oder über ihn hinausgehenden Schaden erleiden,
er kann unmittelbar, primär, geschädigt sein. Beide Fälle
werden im Klagrecht des Art. 674 0. R. zusammengefasst^
für beide hat der einzelne Aktionär (und Gesellschaftsgläubiger)
einen besondern Anspruch; und zwar kann nicht mit Recht
gesagt werden, dieser Anspruch sei ein von der Gesellschaft
codierter. Dagegen geht dieser Anspruch allerdings teilweise
auf dasselbe, auf das der Anspruch der Gesellschaft selbst
aus Art. 673 hinzielt, und wird daher, insoweit dies der Fall
ist, durch Befriedigung dieses Anspruches der Gesellschaft
konsumiert (vergi, auch Lehmann, Recht der Aktiengesell-
schaften, I, S. 464; Wächter in Zeitschr. für Schweiz.
Recht, N. F. Vu, S. 396). Daraus folgt, dass allerdings dann,
wenn die Organe der Gesellschaft für allen Schaden auf-
gekommen sind, den diese erleidet, die Aktionäre einen An-
spruch auf Deckung des mittelbaren, sekundären Schadens
nicht mehr haben können, da sie ja hiefür durch die Leistung
an die Gesellschaft gedeckt sind. Dagegen folgt anderseits
aus der besondern, selbständigen Natur des Klagerechtes aua
Art. 674, dass die Generalversammlung nicht durch für alle
Aktionäre verbindlichen Mehrheitsbeschluss festsetzen kann,
wie hoch sich die jedem einzelnen Aktionär zukommende
Vergütung belaufen soll ; es handelt sich vielmehr bei diesem
Anspruch auf Verantwortlicherklärung der Verwaltungsorgane
um ein dem Aktionär gesetzlich gewährleistetes Sonderrecht,
das ihm nicht durch Mehrheitsbeschluss entzogen werden
kann; ein Vergleich über die Höhe der Vergütung und der
Verzicht auf alles übrige ist daher für die Aktionäre nicht
ohne weiteres verbindlich, schliesst dasElagreoht nicht ohne
weiteres aus. Wohl aber steht der besondern Klage des
einzelnen Aktionärs ein Besohluss der Generalversammlung,
wonach die Verwaltung ganz oder teilweise von ihrer Haft-
barkeit entbunden wird, dann entgegen, wenn der Aktionär
der Beschlussfassung zugestimmt oder nicht binnen sechs
Monaten nach erlangter Kenntnis dagegen Einsprache erhoben
145
liât (Art. 675, Abs. 1 O. R.). Gerade diese Bestimmung zeigt,
«inmal, dass der dem einzelnen Aktionär erwachsende Schaden
von dem die Gesellschaft treffenden unabhängig sein kann,
und weiter, dass dem Schicksal des Anspruches des einzelnen
Aktionärs nicht notwendig präjudiziell wird durch dasjenige
des Anspruches der Gesellschaft: dieser kann ganz oder teil-
weise untergegangen sein, und jener trotzdem weiter bestehen.
Zum Fundament der Klage des einzelnen Aktionärs aus
Art. 674 0. R. gehört nun ein den Kläger persönlich treffen-
der Schaden, eine absichtliche Verletzung der Verwaltungs-
und Aufsichtspflichten der ins Recht gefassten Personen, und
der Kausalzusammenhang zwischen jenem Schaden und dieser
Verletzung; dieser Thatbestand ist vom Kläger nachzuweisen.
Dagegen liegt der Nachweis, dass das Klagrecht des einzelnen
Aktionärs aus dem in Art. 675, Abs. 1 0. R. erwähnten
Grunde verwirkt sei, den Beklagten ob, die diese besondere
Bestimmung zu ihrem Schutze anrufen. Im vorliegenden
Falle ist dieser Nachweis nicht geleistet. Es kann nicht
etwa mit den Beklagten gesagt werden, die Teilnahme des
Klägers A.Girard an der Generalversammlung vom 11. März
1897 *) und die Thatsache, dass er der Aufforderung durch
den Vorsitzenden, diejenigen, die mit „Nein" gestimmt haben,
sollen sich zu Protokoll melden, nicht nachgekommen sei,
beweise, dass er dem Beschluss zugestimmt habe und dass
«ein Klagreoht verwirkt sei. Jene Aufforderung war, soweit
sie Verwirkung des Verantwortliohkeitsanspruches androhte,
rechtsunwirksam, da das Gesetz eine derartige Verwirkung
nicht kennt; und da thatsächlich feststeht, dass zwar der
Kläger A. Girard an der genannten Versammlung teilgenommen
hat, dass aber der Kompromiss nicht einstimmig angenommen
wurde, so dass die Möglichkeit, dass A. Girard dem Kom-
promisse nicht beigestimmt hat, sehr wohl besteht, kann der
den Beklagten obliegende Beweis nicht als erbracht angesehen
werden, um so mehr, als die Kläger noch innert der sechs-
uionatlichen Frist ihre NichtZustimmung zum Kompromiss
erklärt haben; diese Erklärung wäre nur dann ohne Bedeu-
tung, wenn feststünde, dass A. Girard dem Kompromiss in
l) In dieser Generalversammlung war ein Vergleich der Gesellschaft
mit dem Verwaltungsrat abgeschlossen worden, wonach die Aktionäre gegen
Zahlung einer Aversalsumme auf ihr Elagrecht verzichteten und der Ver-
waltung Décharge erteilten. Der Kläger G. hatte an dieser Generalver-
sammlung teilgenommen und trotz der Aufforderung des Vorsitzenden, das
Nichtein Verständnis solle zu Protokoll erklärt werden, sich nicht gemeldet.
Das Kompromiss wurde nicht einstimmig angenommen.
146
der Generalversammlung selbst zugestimmt hätte; denn da-
mit hätte er sein Klagrecht aufgegeben, so dass es durch
nachherige Erklärung nioht wieder aufleben könnte. (Entsch.
v. 25. April 1902 i. S. Girard o. Hirt u. Genossen.)
75. Haftpflicht aus Fabrikbetrieb. Körperverletzung; Pflicht:
des Verletzten, sich einer Operation zu unterziehen. Bemessung
der Unfallversicherung auf Grund des Zustandes des Klägers
ohne Vornahme der Operation, oder auf Grund der Annahme,
der Kläger sei operiert? BGes. betr. die Haftpflicht aus Fabrik-
betrieb v. 25. Juni 1881, Art 6, Abs. 1 litt. 6, Abs. 2.
Hierüber hat sich das Bundesgericht wie folgt aus-
gesprochen :
Streitig ist zwischen den Parteien lediglich das Maas der
dem Kläger zukommenden Entschädigung. Und zwar dreht
sich der Streit einzig um die Frage, ob es dem Kläger su*
zumuten sei, sich das Nagel- und unter Umständen auch das
Mittelglied des verletzten Zeigefingers der rechten Hand durch
einen operativen Eingriff entfernen zu lassen oder nicht
Die streitige Frage hat die Vorinstanz (Appk. d. Ober-
geriohts des Kantons Zürich, 8. oben Nr. 47), ausgehend von all-
gemeinen Erwägungen über den Umfang der Schadenersatzpflicht
und von dem auch für die gesetzliche Haftpflicht geltenden Satze,
dass derjenige Schaden nicht zu ersetzen sei, der bei gehöriger
Sorgfalt vom Beschädigten hätte abgewendet werden können,
im Ânschlu88 an die Rechtsprechung des deutschen fieiohs-
geriohts und unter Berufung auf zwei die Frage streifende
Urteile des Bundesgeriohts, sowie auf die vorherrschend in
der Wissenschaft vertretene Ansicht, dahin beantwortet, dass
dem Verletzten eine Operation dann zuzumuten sei, wenn
unter Würdigung aller Verhältnisse nach richterlichem Er-
messen für einen vernünftigen Menschen kein erheblicher
Grund vorliege, sich der Operation zu widersetzen, was auch
gelte, wenn ea sich um eine nach vollzogener Heilung vor-
zunehmende Operation handle. Es kann dahingestellt bleiben,
ob dieses Ergebnis einem alle Fälle der Schadenersatzpflicht
beherrschenden Prinzip entspringe und ob insbesondere nach
dem gemeinen schweizerischen Schadenersatzrecht die Frage
in diesem Sinne zu beantworten sei. Jedenfalls ersoheint
auf dem Boden des schweizerischen Fabrikhaftpflichtrechts,
von dem aus der vorliegende Fall zu beurteilen ist, das Er-
gebnis als richtig. Der Kläger, dessen Auffassung die untere
kantonale Instanz gebilligt hat, geht von vorneherein fehl, wena
147
er den Streitpunkt auf das Gebiet des rechtlichen Schutzes der
körperlichen Integrität hinüberspielen will. Es handelt sioh nicht
um die, übrigens durchaus nicht abgeklärte Frage, ob zur
Vornahme einer Operation stets die Einwilligung des zu Ope-
rierenden erforderlich sei, um die Rechtswidrigkeit des Ein-
griffs au8zuschliessen. Der Kläger wird ja keineswegs ge-
zwungen, die Operation gegen seinen Willen zu dulden; es
steht ihm, auch wenn der Auffassung des Beklagten und der
Vorinstanz beizutreten ist, vollständig frei, die Operation vor-
nehmen zu lassen oder nicht. Vielmehr stellt sich die Frage
so, ob die Festsetzung der Entschädigung wegen dauernder
Verminderung der Erwerbsföhigkeit, die der Kläger an den
Beklagten zu fordern hat, auf Grund seines gegenwärtigen
körperlichen Zustandes zu erfolgen habe, oder auf 6 rund des
bessern Zustandes, den er nach dem Urteil Sachverständiger
erlangen kann, wenn er sich der Operation unterzieht, in
welch letzterem Falle der Beklagte dann selbstverständlich
für die Kosten der Operation und den Erwerbsausfall wäh-
rend der neuen Heilungsperiode aufzukommen hat. Diese
Frage kann nicht aus dem Gesichtspunkte des straf- und
ci vil rechtlichen Schutzes der körperlichen Integrität beant-
wortet werden, sondern ist einfach an Hand der einschlägigen
spezialgesetzlichen Normen über den Umfang der Schaden-
ersatzpflicht im Falle der Verletzung durch einen Betriebs-
unfall zu lösen. Dass die Frage sich so stellt, scheinen auch
das deutsche Reichsversicherungsamt (vergi, das Handbuch
der Unfallversicherung, II. Aufl. S. 149 und Rosin, das Recht
der Arbeiterversicherung, S. 313 f.), sowie Endemann in der
Schrift über die Rechtswirkungen der Ablehnung einer Ope-
ration (s. auch seine Einführung in das Studium d. bürgerl.
Gesetzt). S. 589) zu wenig zu beachten, wenn sie ausführen,
dass der Verletzte niemals gebunden sei, sich einer Opera-
tion zu unterziehen oder die Einwilligung dazu zu geben und
dass in keiner Rechtslage die Verweigerung der Einwilligung
als Unterlassung angesehen und mit Rechtsnachteilen belegt
werden dürfe. Es handelt sich nicht darum, dem Verletzten
wegen seiner Weigerung einen Rechtsnachteil aufzuerlegen;
und allgemein gesprochen kann ebensogut gesagt werden,
dass dem Verletzten nicht die Möglichkeit gegeben sein soll,
durch grundlose Ablehnung der Operation sich einen unge-
rechtfertigten Vorteil zu verschaffen. Uebrigens können die
Entscheidungen des deutschen Reichsversicherungsamtes auch
des8halb nicht ohne weiteres beigezogen werden, weil sie auf
einer andern positivrechtlichen Grundlage und auf dem Boden
148
der Zwangsversicherung, nicht der gesetzlichen Haftpflicht
beruhen. Mehr Beachtung verdienen die von der Vorinstanz
angeführten Entscheidungen des deutschen Reichsgerichts, die
die streitige Frage auf dem Boden der Bestimmungen des
preussischen Landrechts über die Schadenersatzpflicht bei
aquilischem Verschulden in abweichendem Sinne lösen (Seuffert
Ar eh. Bd 46 Nr. 189). Vom Standpunkt der schweizerischen
Spezi algesetzgebung über die Haftpflicht aus Fabrik- und
Gewerbebetrieb nun ist zu bemerken: Wenn in Art. 6 litt, b
des Fabrikhaftpflichtgesetzes, vom 25. Juni 1881, bestimmt
ist, dass der zu leistende Schadenersatz im Falle von Ver-
letzung alle Heilungs- und Verpflegungskosten, sowie den
Schaden umfasse, welchen der Verletzte infolge gänzlicher
oder teilweiser, dauernder oder vorübergehender Erwerbs-
unfähigkeit erlitten hat, so ist klar, dass sowohl hinsichtlich
des Ersatzes der Heilungs- und Verpflegungskosten, als hin-
sichtlich der Entschädigung für Erwerbsausfall nicht das sub-
jektive Belieben des Verletzten massgebend sein kann, dass
vielmehr in beiden Richtungen derjenige Schaden zu ersetzen
ist, der nach objektiver Abschätzung aller Umstände als er-
satzbedürftige Folge des schädigenden Ereignisses sich dar-
stellt. So wenig es darauf ankommen kann, ob der Ver-
letzte nach der Heilung trotz eines bleibenden Mangels in-
folge besonderer günstiger umstände durch seine Arbeits-
leistung gleich viel oder gar mehr verdient als vorher, so
wenig kann ein seiner effektiven Arbeitsfähigkeit nicht ent-
sprechender, bloss auf seine Unthätigkeit oder Nachlässigkeit
zurückzuführender Ausfall dem Haftpflichtigen in Rechnung
gebracht werden. Und wie einerseits der Verletzte die Kosten
einer völlig unangemessenen Heilungsmethode und offenbar
übertriebene Aufwendungen fur die Verpflegung nicht ersetzt
verlangen kann, so befreit sich anderseits der Haftpflichtige,
wenn er dasjenige ersetzt hat, was für eine richtige Behandlung
zur Wiedererlangung der Gesundheit und Erwerbstüchtigkeit
dem Verletzten erforderlich ist, von der Haftung für solche
Folgen, die sich aus der Anwendung eines andern, nach
fachmännischer Beurteilung nicht zweckmässigen Heilver-
fahrens ergeben. Das Gesetz geht davon aus, dass es im
Interesse des Verletzten selbst liege, womöglich die frühere
Erwerbsfähigkeit wieder zu erlangen und sich zu diesem
Zwecke der ihm durch die ärztliche Wissenschaft und Kunst
gebotenen, von ihm erreichbaren Hilfsmittel zu bedienen. Die
Aufwendungen, die erforderlich sind, um diesem Interesse zu
genügen, hat der Haftpflichtige zu ersetzen, und dazu das
149
A équivalent für die vorübergehende und die nach der Heilang
noch vorhandene bleibende Verminderung der Erwerbsfähig-
keit. Eratere sind somit danach zu bemessen, was der Ver-
letzte zweckmässiger und vernünftiger Weise thun oder lassen
würde, wenn er sich für den Schaden nicht an einem Dritten
erholen könnte, und der nämliche Gesichtspunkt ist mass-
gebend bei der Beantwortung der Frage, wie die Entschä-
digung für die vorübergehende und dauernde Verminderung
der Brwerbsfähigkeit zu bemessen sei. Wenn daher der Ver-
letzte ohne zureichenden Grund, aus blosser Laune oder aus
unbegreiflichem Unverstand, nicht ein richtiges Heilverfahren
befolgt, so ist für den Ausfall an Erwerbsfahigkeit, der sich
.gegenüber dem Zustande ergiebt, der bei einem den eigenen
Interessen desselben besser entsprechenden Verfahren zu er-
reichen gewesen war, nicht der Haftpflichtige verantwortlich,
sondern es hat dieses Mehr des Schadens der Verletzte an
■sich selbst zu tragen. Man kann sagen, es sei in diesen
Verhältnissen, wo von Gesetzes wegen den Unternehmern
gewisser Betriebe, teilweise aus Gründen eines sozialen Aus-
gleiches, eine gesetzliche Haftung für die Betriebsgefahren
auferlegt ist, die Pflicht des Entschädigungsberechtigten dem
Haftpflichtigen gegenüber, dasjenige zu thun und zu lassen,
was er vernünftiger Weise zur Wiedererlangung der Erwerbs-
fahigkeit zu thun oder zu lassen hat, und es stelle sich die
Verletzung dieser Pflicht als ein von ihm zu vertretendes
Verschulden im weitern Sinne dar, durch welches die Haft-
pflicht vermindert wird. Oder man kann die Herabsetzung
der letztern aus den Grundsätzen über den Kausalzusammen-
hang und die Unterbrechung desselben herleiten. Jedenfalls
liegt eine solche Beschränkung der Haftpflicht im Sinne des
Gesetzes, das, wenn es in Abs. 2 des Art. 6 den Richter an-
weist, die Entschädigung unter Berücksichtigung aller Um-
stände festzusetzen, darunter gewiss auch das Verhalten des
Verletzten nach dem Unfall in Hinsicht auf die Folgen des-
selben verstanden wissen will. Diese Erwägungen führen für
<len Fall, dass zur Wiedererlangung eines grösstmöglichen
Masses von Erwerbsfähigkeit nach fachmännischem Urteil
eine Operation, ein „mechanischer kunstgerechter Eingriff in
den menschlichen Organismus", geboten erscheint, dazu, dass
der Haftpflichtige sich durch die Erlegung der Kosten der
Operation und des dadurch bedingten Heilverfahrens dann
der Haftung für die weitergehenden Folgen entziehen kann,
die ohne diese Operation eintreten, wenn unter Berücksich-
tigung aller Umstände zu sagen ist, dass der Verletzte ver-
150
nünftiger Weise die Operation in eigenem Interesse vornehmen
lassen sollte und vornehmen lassen würde, wenn er sich für
den Schaden nicht an einen Dritten halten könnte. Als
Regel wird dabei aufzustellen sein, dass eine schwere, ge-
fährliche oder sehr schmerzhafte Operation oder eine solche,,
die nur einen verhältnismässig geringen Erfolg verspricht,
dem Verletzten nicht zuzumuten ist und dass auf die per-
sönlichen, insbesondere auch die psychischen Verhältnisse des
Verletzten gebührend Rücksicht genommen werden muss. Da-
gegen kann die Möglichkeit einer Verbesserung des Zustande»
durch eine Operation der Schadensbestimmung dann unbe-
denklich zu Grunde gelegt werden, wenn der Eingriff nach
fachmännischem Befinden einen sichern Erfolg verspricht und
nicht mit besondern Gefahren oder Schmerzen verbunden ist.
Dies trifft auch zu, wenn sich die Frage der Operation nicht
gleich von Anfang an, sondern erst dann stellt, wenn nach
erfolgter Heilung von einem operativen Eingriff eine weitere
Besserung zu erwarten ist. Es fällt in Betracht, dass auf
dem Boden des Haftpflichtrechts der Zweck des Heilverfahrens
nicht so wohl in der Wiederherstellung des frühern anatomischen
ZuStandes, als in der Wiedererlangung der physiologischen
Funktionen liegt und dass, wenn ein erster Heilversuoh in
dieser Richtung nicht den gewünschten Erfolg hat, ein zweiter,
der einen bessern verspricht, nicht von vorneherein d esshalb
als ausgeschlossen betrachtet werden darf, weil der erste,
vom anatomischen Standpunkt aus betrachtet, zu einem ge-
wissen Abschlu8S gelangt ist. Werden diese Erwägungen auf
das That8ächliche des vorliegenden Falles angewendet, so ist
der Vorinstanz ohne weiteres beizustimmen, dass dem Kläger
die fragliche Operation zuzumuten und dass die Entschädigung
auf Grundlage des Thatbestandes zu berechnen ist, der sieh
ergeben würde, wenn dieselbe vorgenommen würde. (Entsch.
v. 16. April 1902 i.S. Villiger c. Gauger.)
76. Bundesgesetz betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb, von*
25. Juni 1881 Art.6, Abs. 1 litt. 6, Abs. 2, Abs. 3. - Wegfall des
Maximums wegen Herbeiführung des Unfalls durch eine strafrecht-
lich verfolgbare Handlung von Seite des Betriebsunternehmers. —
Einstellungsbeschluss der Strafbehörden mit Bezug auf eine An-
klage wegen fahrlästiger Tötung. NichlpräjudiziuliUU für den
Civilrichter. Verurteilung wegen Uebertrelung von Réglementent
Stellung des Civilrichters spec. zur Frage des Kausalzusammen-
hangs.
151
In der unter dem eidgenössischen Fabrikgesetze stehenden,
von Johann Häni in Schönenwegen betriebenen Bleicherei
der H. Ignaz Merhart'sohen Erben daselbst barst am 23. Au-
gust 1900 gegen Mittag ein im Gebrauche befindlicher Bleiche-
kessel infolge eines schon vorhandenen Bruches unter dem
Drucke des aus einem Dampfkessel eingeführten Dampfes.
Dabei wurde der seit dem Monat Juni 1896 von Johann Häni
als Bleichergehülfe angestellte Heinrich Tanner von Wald-
statt von der aus dem Bleiohekessel ausströmenden heissei>
Lauge derart verbrüht, dass er am 26. August starb.
Wegen des Vorfalls wurde, ausser den amtlichen Er-
hebungen betreffend die Vergütung des durch die Explosion
verursachten Schadens an Gebäude und Mobiliar und der
administrativen Unfalluntersuchung, gegen Johann Häni ein
Strafverfahren eingeleitet wegen fahrlässiger Tötung und
wegen Uebertretung der bundesrätlichen Verordnung betreffend
Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln und Dampfgefassen^
vom 16. Oktober 1897, und der vom Regierungsrat dea
Kantons St. Gallen am 4. März 1898 hiezu erlassenen Voll-
ziehungsverordnung. Nachdem die Untersuchung durchgeführt
war, be8ohlos8 die Anklagekammer des Kantons St. Gallen
am 30. Mai 1901 gemäss Antrag der Staatsanwaltschaft, ea
werde das gegen den Beklagten wegen fahrlässiger Tötung
(Explosionsverursachung) geführte Strafverfahren mangels-
strafrechtlichen Thatbestandes aufgehoben, dagegen werde der
Beklagte dem Bezirksgericht Gossau überwiesen zur Beur-
teilung gemäss Art. 1, 2 und 18 der bundesrätl. Verordnung*
betr. Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln und Dampf-
gefässen vom 16. Oktober 1897 und Art. 6 der bezüglichen
kantonalen Verordnung vom 4. März 1898. Woraufhin das-
Bezirksgericht Gossau am 24. Juni 1901 in Anwendung von
„Art. 1, 2 und 18 der bundesrätlichen Dampfkesselverordnung
und Art. 6 der bezüglichen kantonalen Verordnung" erkannte :
„Beklagter ist wegen Nichtanmeldung fraglicher Dampfgefäss&
zur Revision der Uebertretung genannter Verordnung sohuldig
erklärt und wird mit Fr. 20 gebüsst."
Infolge des Todes ihres Versorgers haben die Ehefrau,
und die Kinder des Tanner eine Haftpflichtklage erhoben, in
der diese in erster Linie Bezahlung einer Entschädigung von
12,000 Franken verlangen. Das Bundesgericht hat sich über
die streitige Frage: ob die Haftpflicht des Beklagten gemäss
Art. 6 Abs. 2 des Fabrikhaftpflichtgesetzes vom 25. Juni 1881
auf den Betrag des 6fachen Jahresverdienstes des Verun-
glückten bezw. die Summe von Fr. 6000 beschränkt sei, oder
152
ob dieses Maximum keine Anwendung finde, folgenderinassen
ausgesprochen :
Die Klage erblickt eine strafrechtlich verfolgbare Hand-
lung des Beklagten im Sinne dieser Bestimmung darin, dass
derselbe es entgegen den bestehenden Vorschriften unter-
lassen habe, das explodierte Dampfge&ss zu regelmässiger
amtlicher Kontrolle anzumelden, una sie beruft sich hiefür
•auf das Strafurteil des Bezirksgerichts Gossau vom 24« Juni
1901. Der Beklagte erhebt in erster Linie die Einrede, eine
böse Absicht werde ihm von der Klägerschaft selbst nicht
imputiert, es fehle aber auch der Thatbestand einer fahr-
lässigen Verursachung der Explosion, weshalb die Strafklage
wegen fahrlässiger Tötung von der Anklagekammer ad acta
gelegt worden sei. Hiezu ist zu bemerken: Der Besohluss
der Anklagekammer des Kantons St. Gallen, wodurch die
Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung gegen den Beklagten
aufgehoben wurde, kann nicht einem Urteile, durch das der-
selbe von der Anklage freigesprochen worden wäre, gleich-
gestellt werden. Derselbe stellt sich lediglich als eine Ver-
fügung der Untersuchungsbehörde dar, durch welche die weitere
Verfolgung des Strafanspruches gehemmt wird, und nicht als
lin gerichtliches Urteil, durch das rechtskräftig über das
Bestehen oder Nichtbestehen eines Strafanspruches entschieden
worden wäre. Wenn deshalb auch daran festgehalten wird,
•dass der Civilrichter, der einen Anspruch aus dem Fabrik-
haftpflichtgesetz zu beurteilen und dabei zu entscheiden hat,
ob das Maximum von Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes nach Mit-
gabe von Abs. 3 in Wegfall komme, an ein Urteil des Straf-
richters gebunden sei, durch das der Beklagte der ihm zur
Last gelegten strafbaren Handlung schuldig erklärt oder von
der Anklage freigesprochen worden ist (vergi. A. S. Bd XXII
S. 602 und Bd XXVI 27 S. 174), so trifft dies hier mit Be-
^ug auf die Anklage wegen fahrlässiger Tötung deshalb nicht
zu, weil man es eben nicht mit einem gerichtlichen Urteil
über den Strafanspruch, sondern lediglich mit einem Be-
schlüsse der Anklagebehörde betreffend Aufhebung der Unter-
suchung zu than hat (s. hiezu A. S. Bd XVI 8. 156). Es
stünde deshalb an sich nichts entgegen, dass der Civilrichter
selbständig die Frage prüfen würde, ob sich der Beklagte der
fahrlässigen Tötung schuldig gemacht habe. Hierauf braucht
jedoch im vorliegenden Palle deshalb nicht näher eingetreten
zu werden, weil in anderer Richtung die Voraussetzungen
als vorhanden angenommen werden müssen, unter denen nach
Art. 6 Abs. 3 des Fabrikhaftpflichtgesetzes das in Abs. 2
153-
vorge8ehene Maximum in Wegfall kommt. Der Beklagte ist
nämlich nicht nur wegen fahrlässiger Tötung, sondern auch
wegen Missachtung von Vorschriften der Verordnung des
Bundesrates betreffend Aufstellung und Betrieb von Dampf-
kesseln und Dampfgefössen, vom 16. Oktober 1897, in Unter-
suchung gezogen, und diese Untersuchung ist nicht aufgehoben
worden, vielmehr führte sie zu einem Strafgericht Höh en
Erkenntnis. Auf diese Vergehung stellt denn auch die
Klage einzig ab. Der Beklagte wendet hiegegen ein, das
Verschulden sei vorliegend nicht ein derartiges, dass von
einer strafbaren Handlung gesprochen werden könne. Allein
das Gesetz stellt nicht auf die Art und den Grad des Ver-
schuldens ab, sondern lässt die unbeschränkte Haftbarkeit
jedesmal dann eintreten, wenn der Unfall auf eine strafbare
Handlung des Betriebsunternehmers zurückzuführen ist. Unter
diesen Begriff fallen aber nicht nur solche Delikte, die sich
wegen ihrer Schwere als Verbrechen oder Vergehen im engern
Sinne qualifizieren, sondern auch die leichteren Fälle straf-
baren Unrechts, die sog. Uebertretungen, mag immerhin die
Frage der Rechtswidrigkeit und der Schuld sich etwas anders
stellen, als dort (vergi, hiezu A. S. Bd XVI S. 116 und Urteil
des Bundesgerichts in Sachen Müller c. Société anonyme de
Filatures de Schappe und H. Munk vom 5. Dezember 1900).
Grundsätzlich kann sonach auch die Missacbtung der in der
bundesrätlichen Verordnung vom 16. Oktober 1897 aufge-
stellten Vorschriften, soweit dieselbe mit Strafe bedroht ist,
dazu führen, dass die Beschränkung der Haftpflicht des Be-
triebsunternehmers, wie sie in Art. 6 Abs. 2 des Fabrikhaft-
pflichtgesetzes aufgestellt ist, nicht Platz greift. Im vorlie-
genden Falle hat sich in der That der Beklagte einer solchen
Uebertretung schuldig gemacht. Es ist dies durch das straf-
gerichtliche Erkenntnis des Bezirksgerichts Gossau vom
24. Juni 1901 festgestellt, und hieran ist der Givilrichter bei-
der Beantwortung der Frage, ob eine strafbare Handlung
vorliege, wie das Bundesgericht in den bereits erwähnten
Fällen ausgeführt hat, ohne weiteres gebunden. Dagegen ist.
allerdings durch das strafgerichtliche Erkenntnis eine Beziehung
des strafbaren Verhaltens des Beklagten zu dem Unfall nicht
hergestellt. In dieser Richtung ist dem Urteile des Civil-
richters, der über einen Haftpflichtanspruch an den Betriebs-
unternehmer zu entscheiden hat, durch das Straferkenntnis
nicht präjudiziert, und es hat derselbe frei zu prüfen, ob der
nach dem Gesetz erforderliche Kausalzusammenhang zwischen
der strafbaren Handlung und dem Unfall bestehe. Die Vor-
154
instanz (das Kantonsgericht St. Gallen) nimmt diesen Zu-
sammenhang als gegeben an, mit folgender Begründung: Es
könne nicht eingewendet werden, dass die Niohtanmeldung
des Dampfgefasses, weil eine blosse Unterlassung, keine aktive
Handlung, den eingetretenen Erfolg nicht verursachen konnte.
Der Betriebsunternehmer sei nicht nur pflichtig, selbst drohende
Gefahr abzuwenden, sondern auoh pflichtig, die auf die Er-
kenntnis und die Abwendung von Gefahren aus dem Betrieb
von Dampfkesseln gerichtete Thätigkeit der Prüfungsbeamten
zu veranlassen. Da nun nach dem Gutachten des technischen
Experten angenommen werden müsse, dass eine fachgemässe
periodische Revision die Fehler und Defekte des Kessels
rechtzeitig hätte erkennen lassen, und da laut einem Nach-
trag desselben Experten nur die Gewissheit ausgeschlossen
sei, dass der Beklagte und seine Arbeiter (im Gegensatz za
den Prüfungsbeamten) den Bruch am Dampfgefass rechtzeitig
wahrnehmen konnten, so habe der Beklagte duroh Nichtan-
meldung der Dampfgefasse zur periodischen Revision die im
normalen Lauf der Dinge mit Sicherheit zu erwartende Ab-
wendung der Gefahr vermittelst der amtlichen Prüfung und
der damit in Zusammenhang stehenden Sicherungsmassnahmen
geradezu verhindert. Daher habe der Beklagte durch sein
Verhalten eine Ursache zum eingetretenen Erfolge gesetzt.
Diese Ausführungen sind, soweit sie tatsächlicher Natur
sind oder thatsächliche Schlussfolgerungen enthalten, für das
Bundesgericht ohne weiteres verbindlich, da sie mit den Akten
nicht im Widerspruch stehen. Muss aber als feststehend an-
genommen werden, dass das Gefäss aller Voraussicht nach
nicht gesprungen wäre, wenn der Beklagte gethan hätte, was
zu thun in seiner Pflioht lag, so kann auoh der rechtliche
Schiuse, es habe derselbe durch sein Verhalten den Unfall
herbeigeführt, und es seien somit die sämtlichen Voraus-
setzungen des Art. 6 Abs. 3 des Fabrikhaftpflichtgesetzes
vorhanden, nicht abgelehnt werden. Objektiv betrachtet hat
die pflichtwidrige Nachlässigkeit des Beklagten bewirkt, dass
die vorhandenen Fehler am Kessel nicht entdeckt wurden,
was naoh der Expertise hätte der Fall sein müssen, wenn
die Untersuchung veranlasst worden wäre; und es stellt sich
dieselbe somit nicht nur als eine, sondern geradezu als die
Ursache des Unfalles im Sinne des Gesetzes dar. Damit ist
gegeben, dass der Richter bei der Schadensarbitrierung an
das Maximum von Art. 6 Abs. 2 des Fabrikhaftpflichtgesetzes
nicht gebunden ist. (Entsch. v. 11. Juni 1902 i. S. Häni c.
Tanner.)
155
77. Bundesgesetz betr. Erfindungspalente vom 29. Juni
1888/13. März 1893, Art 10. Voraussetzungen der Patent-
nichtigkeitsklage.
In einem Strafprozesse wegen Patentnachahmung setzte
das Obergericht des Kantons Luzern der Beklagten, welche
u. a. die Einrede der Nichtigkeit des klägerischen Patentes
erhoben hatte, Frist von einem Monat zur Anhebung der
Nichtigkeitsklage im Sinne des Art. 10 Pat.-Gee. beim zu-
ständigen Gericht an. Die Beklagte erhob die Klage zwar
innert der angesetzten Frist beim Gerichte des Strafprozesses ;
dieses erklärte sich jedoch unzuständig, und die Nichtigkeits-
klage wurde erst nach Ablauf jener Frist beim (zuständigen)
Gerichte des Wohnortes des Nichtigkeitsbeklagten (u. Straf-
klägers) eingereicht. Dieses Gericht erklärte die Nichtig-
keitsklage als verwirkt, weil nicht innert der angesetzten
Frist angehoben. Das Bundesgericht, an welches die
Niohtigkeitsklägerin auf dem Wege der Berufung gelangte,
hob dieses Urteil auf und wies das kantonale Gericht an, auf
das Materielle der Sache einzutreten, mit folgender Be-
gründung: Die Voraussetzungen der Patentnichtigkeitsklage
sind durch Artikel 10 des Bundesgesetzes betreffend die Er-
findungspatente vom 29. Juni 1888 in Verbindung mit dem
Bundesgesetz vom 13. März 1893 (enthaltend Abänderungen
zu erstgenanntem Bundesgesetz) in erschöpfender und aus-
schliesslicher Weise normiert. Da nun für die Einreichung
der Klage die Einhaltung irgend einer, sei es einer gesetz-
lichen oder einer richterlichen, Frist in diesem Artikel nicht
verlangt wird, und auch kein Verjährungs- oder sonstiger
Vorbehalt darin enthalten ist, so ist es unzulässig, wegen
Nichteinhaltung einer allfälligen im Urteile des Luzerner
Obergerichts enthaltenen, auf die Civilklage bezüglichen
peremptorischen Frist die Verwirkung der Klage auszu-
sprechen. Das vorliegende Urteil des Bezirksgerichts Steck-
born mÜ88te daher auch dann aufgehoben werden, wenn, was
jedoch keineswegs der Fall ist, sowohl die örtliche und sach-
liche Zuständigkeit des Luzerner Obergerichts zur Nichtig-
erklärung des Patentes feststünde, als auch die Absicht dieses
Gerichtes, die Verwirkung der Civilklage — nioht nur die-
jenige der Einrede im Strafprozess — anzudrohen, angenom-
men werden raüsste. (Entsoh. v. 2. Mai 1902 i. S. Schweiz.
Nähmasohinenfabrik Luzern c. Qebr. Gegauf.)
156
78. Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken u. s. w. vom 26. September 1890, Arti, 3, 24 a
und b. Markennachahmung. Zulüssigktü einer Wortmarke.
Phantasie- (und Herkunfts-) Bezeichnung, oder Sach- beztc. Eigen-
Schaftsbezeichnung t
Die Kläger, Ch., N. & Cie, Fabrikanten chemischer Pro-
dukte in Genf, sind Inhaber der eidgenössischen Wortmarke
Nr. 12840 (ursprünglich Nr. 9597, datierend vom 16. Oktober
1897), lautend „Vanillette,* die bestimmt ist für „sucre à la
vanilline." Auf die Verpackung dieser Ware bringen die
Kläger das Wort „Vanillette" mit grossen roten Lettern an,
darunter in kleineren schwarzen Buchstaben die Worte, „Sucre à
la vanilline", und weiter unten ihre Firma. Ferner findet sich
auf der Verpackung ein Bild, bestehend aus einer Blume,
mit dem Wort „Vanilline" auf einem durchgehenden Band,
und den Worten : „Chuit-N»f, Genève" auf einem peripheren
Streifen ; unter dem Bilde befindet sich die Erwähnung,
„Marque déposée." Am 17. März 1900 traten die Kläger
dem Beklagten K. ab „une des branches de leur industrie,,
savoir le commerce des produits chimiques-pharmaceutiques."
Gemäss Art. 6 des Vertrages verzichteten die Kläger nicht
auf die Fabrikation und den Verkaut ohemisch-pharmaceu-
tischer Produkte. Am 25. Juni 1900 liess der Beklagte beim
eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum unter Nr. 12335
eine Marke für „Produits chimiques et pharmaceutiques" ein-
tragen. Diese Marke hat die Form eines runden Siegels,
zeigt die Produkte an, für die sie bestimmt ist, trägt ferner
die Firma des Beklagten, sowie eine Figur, die einen sitzenden
Knaben, umgeben von verschiedenen Werkzeugen, über denen
sich eine lateinische Devise befindet, darstellt. Der Beklagte
brachte in der Folge Vanillin-Zucker in den Handel in einer
Verpackung, die seine Fabrikmarke mit der Angabe „marque
déposée", darunter aber, in grossen roten Lettern, die immer-
hin von den von den Klägern angewandten etwas verschieden
waren, das Wort „Vanilletta" und weiter unten die Bezeich-
nung „Sucre à la vanilline" trug. Die Kläger erblickten
hierin eine Verletzung ihrer Marke „Vanillette" und erhoben,
gestützt auf das Markenschutzgesetz, Klage auf Unterlassung»
des Weitervertriebes der mit der Aufschrift „Vanilletta" ver-
sehenen Marke und Schadenersatz. Der Beklagte erhob drei
Einwendungen: Die Marke „Vanillette" sei ihm von den
Klägern abgetreten worden ; sodann unterscheide sich das
Wort „Vanilletta" genügend von „ Vanillette", bilde also
keine Nachahmung ihrer Marke; endlich sei „Vanillette"
15T
keine des Markenschutzes fähige Phantasiebezeichnung, son-
dern eine Sach- oder Eigenschaftsbezeichnung für Vanillin-
zucker und als solche Gemeingut. Während der Genfer
Justizhof die Klage im Prinzip guthiess, hat das Bundes-
gericht sie abgewiesen. In seiner Entscheidung legt es zu-
nächst die Unbegründetheit der Behauptung des Beklagten,
die Kläger hätten ihm die Marke „Vani 11 ette" abgetreten,
dar. Ueber die Frage, ob sich die Bezeichnung „Vanilletta"
von „Vanillette" genügend unterscheide, führt das Urteil aus:
La dénomination „vanillette" a été déposée par les de-
mandeurs comme marque littérale; elle a ensuite été employée,
sans modification essentielle, par le défendeur pour désigner
un produit de sa fabrication. Le changement apporté à cette
dénomination en remplaçant la voyelle finale e par un a est
si peu important que non seulement il ne fait pas dis-
paraître l'identité, soit la ressemblance trompeuse des deux
marques, mais rend simplement manifeste l'intention du défen<~
deur de provoquer la confusion entre elles. Il est vrai que
le défendeur n'a pas fait enregistrer le mot vanilletta comme
marque et ne l'emploie pas non plus seul pour désigner se»
produits. La marque n° 12335 qu'il a déposée pour des pro-
duits chimiques- pharmaceutiques est au contraire une marque
combinée, composée de mentions verbales et d'éléments fi-
guratifs, laquelle n'a rien de commun avec la marque littérale
„vanillette"; en fait aussi le défendeur ne s'est pas servi
pour désigner ses produits de la désignation vanilletta seule^
mais y a ajouté sa marque de fabrique n° 12335, avec la
mention „marque déposée", ainsi que l'indication „Sucre à
la vanilline" ; il est vrai également que le mot vanilletta est
imprimé en caractères un peu différents de ceux du mot
vanillette; de plus les encadrements qui entourent les men-
tions verbales et signes figuratifs, bien qu'ayant une ressem-
blance générale, offrent cependant des particularités de forme
et de couleur. Mais cela ne change rien à la réalité de Timi*
tation de la marque des demandeurs, pour autant qu'elle est
susceptible d'être protégée. En admettant que les demandeur»
aient acquis le droit à l'usage exclusif du mot vanillette
pour désigner le sucre à la vanilline de leur fabrication, il
est certain que ce droit est lésé lors même que l'imitateur
joint à la marque verbale des éléments figuratifs. Le mot
employé comme marque, qui est destiné à se graver dans la*
mémoire non seulement par la vue, mais aussi par l'ouïe, et
qui forme le nom sous lequel le public demande la marchan-
dise, apparaît comme la chose essentielle; dès lors, un signe
12
158
•qui reproduit une dénomination de marchandise protégée
comme marque littérale, même lorsque cette dénomination
est accompagnée d'éléments figuratifs, constitue une imitation
illicite de la marque littérale, ni plus ni moins qu'un signe
qui reproduit celle-ci sans y joindre de tels éléments. Il en
serait tout au plus autrement si le mot protégé comme mar-
que était combiné avec d'autres éléments figuratifs ou ver-
baux de telle manière qu'il ne formât dans cette nouvelle
combinaison qu'un élément tout à fait accessoire et n'apparût
pas comme la dénomination distinotive de la marchandise.
Mais on n'a pas affaire in concreto à un cas de ce genre.
Dans la marque employée en fait par le défendeur, la dé-
nomination vanii letta apparaît aussi comme l'élément essentiel,
comme le signe distinctif qui reste dans le souvenir de l'ache-
teur et sous lequel il recherche la marchandise.
Ueber die letzte entscheidende Frage, diejenige der
<Schutzfähigkeit der Bezeichnung „Vanillette" endlich, sagt
-das Bundesgericht:
D'après la doctrine et la jurisprudence, et ainsi que le
Tribunal fédéral Ta jugé à plusieurs reprises, en particulier
dans son arrêt du 5 octobre 1901 en la cause Cailler c.
Tobler & Oie, pour qu'un mot puisse être employé comme
marque pour désigner une marchandise ou une catégorie de
marchandises déterminée, il faut qu'il constitue une dénomi-
nation de fantaisie, c'est-à-dire que la notion qu'il éveille
«dans l'esprit du public n'ait aucun rapport avec la marchan-
dise ou la nature, les qualités, la destination, etc. de la
marchandise pour laquelle il est destiné à être employé.
Dans le cas particulier, le mot vanillette a été enregistré
pour du sucre à la vanilline, c'est-à-dire, comme cela est
établi par les „Recettes pratiques" du professeur Maillard,
employées comme réclame par les demandeurs, pour un mé-
lange de sucre très fin avec de la vanilline, qui est la sub-
stance aromatique de la vanille produite artificiellement par
des procédés chimiques. Or, tandis que les mots vanille et
vanilline, appartiennent à la langue usuelle et désignent des
choses connues, le mot vanillette n'est pas, d'après la con-
statation de l'instance cantonale, un mot français usuel, mais
se caractérise comme une dénomination nouvelle créée par
les demandeurs pour désigner un produit de leur fabrication,
savoir le sucre à la vanilline. Cette dénomination, malgré sa
con8onnance avec les mots vanille et vanilline, serait assez
originale pour différencier le dit produit, parce qu'elle ne
suffit pas pour désigner tous les produits semblables ou ana-
159
logues qui peuvent sortir d'une autre fabrique. L'instance
«cantonale admet en conséquence que le mot vanillette est
susceptible d'être enregistré comme marque littérale parce
qu'il ne constitue pas une désignation générique de chose
ou de qualité. La question de savoir si cette manière de voir
est fondée ne laisse pas d'être douteuse, comme o'est souvent
le cas lorsqu'il s'agit de savoir si une dénomination de mar-
chandise constitue un nom de fantaisie protégeable comme
marque ou si elle comporte une notion en rapport avec la
chose elle-même, sa nature ou ses qualités. A cet égard, la
Jurisprudence a fréquemment varié (Voir entre autres Kent,
Reichsgesetz zum Schutze der Warenbezeichnung,
page 824 et passim; Pouillet, Traité des marques de fa-
brique, n° 45 et suiv. ; Kohler, Markenschutz, page 177
et suiv.). Dans le cas particulier on peut invoquer en faveur
de l'opinion que vanillette est une dénomination de fantaisie,
susceptible de protection comme marque, la circonstance, re-
levée par l'instance cantonale, que ce mot n'est pas une ex-
pression consacrée par l'usage pour désigner un produit ayant
des qualités ou une composition déterminées, mais apparaît
comme un mot nouveau. Cette circonstance ne suffit toute-
fois pas pour autoriser à conclure que les demandeurs, en le
faisant enregistrer comme marque, ont pu lui donner et lui
ont valablement donné la signification d'une indication d'ori-
gine pour un produit de leur fabrication, soit pour leur sucre
à la vanilline. S'il est vrai que le mot est nouveau, il a ce-
pendant été formé d'après certaines régies de la langue
française et n'est qu'une modification du mot vanille, qui
^appartient à la langue usuelle. La terminaison eue s'ajoute,
dans la règle, aux substantifs pour en former des diminutifs,
mais parfois aussi pour désigner un produit préparé exclusi-
vement ou en partie à l'aide de la chose désignée par le
substantif (p. ex. anisette, cerisette, vinaigrette etc.). Même
si son adjonction à un substantif déterminé n'est pas usuelle,
elle évoque néanmoins dans l'esprit du public l'idée, d'une
forme réduite, d'un dérivé ou composé de la chose que ce
substantif désigne. Lors donc que le mot vanillette est ap-
pliqué comme marque pour du sucre à la vanilline, c'est-à-
dire pour un produit dans la préparation duquel entre la
substance aromatique de la vanille produite chimiquement,
il n'est pas douteux qu'il éveille une notion en rapport avec
la chose ou les qualités de la chose à laquelle il est appliqué,
«en d'autres termes qu'il doit être compris et est compris
•comme désignant un produit, du sucre à la vanilline, posse-
160
dant les qualités spéciales et les effets de la vanille. Ce
rapport avec la chose ou ses qualités ne résulte pas du mot
vanillette d'une manière éloignée seulement, mais il ressort
clairement de son étymologie et de son application à du
sucre à la vanilline.
A ces arguments s'ajoutent encore les suivants: Il résulte
des pièces du dossier, bien que les parties n'aient pas discuté
ce point, que les demandeurs, soit leurs prédécesseurs se sont
servis à l'origine du mot vanillette non comme marque de fabri-
que, comme indication d'origine, mais bien comme désignation
de la marchandise elle-même. La preuve en est fournie par le
fait que sur les paquets, soit enveloppes de Ch. A N., qui sont
au dossier, on voit figurer, à côté du mot „vanillette/' de la
mention „sucre à la vanilline" et de la raison sociale des
fabricants, la marque combinée représentant une fleur tra-
versée par une bande avec le mot vanilline, et au-dessous de
laquelle sont placés les mots „marque déposée." Les deman-
deurs ou leurs prédécesseurs n'employaient donc pas le mot
vanillette comme marque, comme indication de provenance,
mais comme désignation du produit lui-même ou de ses qua-
lités, à côté du signe figuratif et verbal indiquant sa pro-
venance.
De ces considérations il résulte que le mot vanillette ne
saurait être reconnu comme marque littérale ayant droit à la
protection de la loi. Cette manière de voir est en harmonie
avec la jurisprudence adoptée par le Tribunal fédéral notam-
ment dans son arrêt relatif à la marque „saccharine/' du
27 novembre 1897, dans la cause Fahlberg, List & Cie c.
Chemische Union (Ree. off. XXIII, 2m# partie, page 1630 et
suiv.) et dans l'arrêt déjà cité relatif à la marque „Crémant,"
rendu dans la cause Cailler c. Tobler & Cie le 5 octobre 1901.
L'argument que les demandeurs cherchent à tirer du fait que
les tribunaux, et en particulier le Tribunal fédéral, ont re-
connu la validité comme marque verbale de la dénomination
Chartreuse, appliquée à la liqueur connue sous ce nom, est
sans valeur, attendu que le mot Chartreuse, à la différence
du mot vanillette, n'avait, d'après sa signification usuelle,
aucun rapport quelconque avec le produit pour lequel il a
été choisi comme marque et constituait, par conséquent, une
dénomination de fantaisie susceptible d'être protégée comme
marque. (Entsch. vom 21. Februar 1902 i. S. Klein c Chuit^
N»f & Cie.)
161
B. Entscheide kantonaler Gerichte.
79. Haftpflicht der Gastwirte. Selbstverschuldet* des
Gastes. Art. 486 0. ß.
Basel-Stadt. Urteil des Civilgerichts vom 25. Juli 1902 i. S. Ritter
«. Flück.
F. Ritter, Reisebegleiter der Firma Th. Cook and Son in
London, kam am 23. August 1901 mit einer Reisegesellschaft
von fünf Personen in den Gasthof zu den Drei Königen in
Basel und wurde in der Dépendance des Hotels, Spiegel-
gasse 2, in einem Part errez im mer untergebracht. Er erzählt
nun selbst weiter: an diesem Tage habe er um 9 Uhr Abends
in sein Zimmer zurückkehren wollen, aber die Hausthüre
nicht öffnen können; da sei ein Mann von der Strasse her
gekommen, habe ohne ein Wort zu sprechen die Hausthür
durch Drehen eines Knopfes geöffnet und habe sich hierauf
wieder entfernt. In sein Zimmer eingetreten, habe er (Ritter)
unter andern, seiner Weste entnommenen Gegenständen auch
eine Brieftasche mit Noten der Bank von England auf den
Tisch gelegt. Am andern Morgen sei diese Brieftasche ver-
schwunden gewesen. Er klagte nun auf Erstattung des ihm
widerfahrenen Schadens (Fr. 657.50) gegen den Eigentümer
des Hotels, gestützt auf Art. 486 0. R. Der Beklagte wandte
ein, der Besitz der Brieftasche mit angegebenem Inhalt bei
dem Kläger sei vorab nicht bewiesen und der letztere sei
eventuell wegen Selbstverschuldens abzuweisen, da er unter-
lassen habe, die Wertsachen dem Beklagten zur Aufbewahrung
zu übergeben und sein Zimmer abzuschliessen, was er um so
notwendiger hätte thun sollen, als er gesehen hatte, dass die
Hausthür nicht geschlossen sei. An der Zimmerthüre befinde
sich ein Nachtriegel, der hätte vorgeschoben werden sollen.
Der Kläger war dagegen der Meinung, dass das Nichtver-
scbliessen der Hausthür eine grössere Negligenz des Wirtes
involviere. Das Civilgericht hat aber den Kläger abgewiesen.
Es erachtete, dass wenn man auch annehme, er habe die er-
wähnten Wertsachen in das ihm angewiesene Zimmer ver-
bracht, doch die Klagsumme wegen Selbstverschuldens nicht
zugesprochen werden könne. Dasselbe liege darin, dass er,
trotzdem vor seinen Augen ein Mann die Hausthür durch
blosses Drehen des Knopfes geöffnet, die Brieftasche nicht
in seinem Koffer oder sonst versteckt, sondern offen auf den
'Tisch gelegt und die Thür nicht verriegelt habe. „Dieses
.Benehmen, das vielleicht, wenn der Kläger ein Zimmer in
162
einem oberen Stockwerk des Gasthofs zu den Drei Königen*
selbst bewohnt hätte, weniger streng beurteilt werden könnte,
qualifiziert sich angesichts des Umstandes, dass das Zimmer
des Klägers im Parterre einer nicht verschlossenen, vom Hotel
getrennten Dépendance sich befand, als Selbstverschulden des
Klägers an dem ihm erwachsenen Schaden."
Das Urteil ist appellationsgerichtlich bestätigt worden.
(Direkte Mitteilung.)
80. Frachtvertrag. Vergütung für verlorenes Passagier-
gut. Unzuläs&igkeit des Beweises von Minderwert gegenüber der
gesetzlichen Ersatzsumme. B.-Ges. betreffend den Transport auf
Eisenbahnen vom 29. März 1893, Art. 62.
Zürich. Urteil der Appellationskammer II vom 14. Mai 1902.
Der Maurer L. 6. benützte die Eisenbahn von Arbon
nach Romanshorn und gab ein Handköfferchen im Gewicht
von 15 Kg. als Passagiergepäck auf. Dieses ging verloren»
6. verlangte zuerst als Schadenersatz Fr. 83.85 und klagte,
nachdem ihm dieser Betrag als zu hoch verweigert worden
war und er einen Anwalt konsultiert hatte, 15X15 = Fr. 22a
ein, gestützt auf Art. 62 des Transportgesetzes, wonach die
Entschädigung Fr. 15 per Kg. beträgt. Das Bezirksgericht
Zürich hies8 die Klage nur in einem reduzierten Betrage gut,
weil auch nach Art. 62 der Bahn der Nachweis offen stehen
müsse, dass der Wert des verlorenen Guts die Normalent-
schädigung nicht erreiche; es folge dies per argumentum e
contrario daraus, dass auch der Eigentümer des verlorenen
Passagierguts den Nachweis eines grösseren Wertes erbringen
dürfe. In casu sei der Beweis des Minderwertes geleistet.
Auf erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verpflichtete die II. Appel-
lationskammer die Bahn zur Bezahlung der geforderten Fr. 225.
Aus den Gründen teilen wir mit:
Die Botschaft des Bundesrats spricht sich njit Bezug aar
die betreffende Bestimmung des Art. 62 mit aller Deutlichkeit
dahin aus, dass die Transportunternehmung mit einem solchen
Nachweise des Minderwertes ausgeschlossen sein solle (B. B.
1874 S. 863). Diese Thatsache genügt aber für sich allein
noch nicht zur Kassation des Urteils. Denn der Richter hat
durch die Interpretation einer Gesetzesbestimmung nicht die
Absicht des Gesetzgebers klar zu stellen, sondern nur den
Sinn des Gesetzes selbst, und dieser muss aus dessen Inhalt
gefolgert werden können; deshalb sind auch die Botschaften
und Motive für den Kichter nicht massgeblich, wenn die*
16a
darin enthaltene Absicht nicht im Gesetze selbst ihren Aus-
druck gefunden hat.
Aus dem Umstand nun, dass in Ziff. 2 des Art. 62 aus-
drücklich zu Gunsten des Reisenden die Möglichkeit eines
Mehrwertsbeweises eingeräumt wurde, muss geschlossen werden,
dass, wenn das Gesetz im Sinne der Annahme des Bezirks-
gerichtes auch der Unternehmung einen entsprechenden Nach-
weis für einen allfälligen Minderwert hätte gestatten wollen,
dies ebenfalls expresses verbis gesagt worden wäre. Dadurch,
dass dies nicht geschehen ist, findet auch .im Gesetze die in
der Botschaft erwähnte ratio ihren Ausdruck, dass in Berück-
sichtigung der besonderen Natur solchen Passagierguts, welches
in den meisten Fällen die für den unmittelbaren Gebrauch des
Reisenden unumgänglich notwendigen Gegenstände enthält,
deren Nichtbesitz am Bestimmungsort ihn in die grösste Ver-
legenheit setzt, da, wo diese Fr. 15 den wirklichen Wert
übersteigen, darin zugleich eine Inkonvenienzentschädigung
erblickt werden soll.
Für diese Absicht des Transportgesetzes vom 29. März 1 893
(dessen Art. 62 wörtlich mit dem Art. 51 des Gesetzes vom
20. März 1875 übereinstimmt), die Bahn mit einem allfälligen
Minderwert8bewei8e auszuschliessen, spricht endlich ganz
deutlich die Thatsache, dass, wie dies ebenfalls aus der Bot-
schaft erhellt, schon im Jahre 1875 die Bestimmung des
früheren Eisenbahntransportreglementes, wonach der Bahn
diese Lizenz eingeräumt war, mit Bewusstsein fallen gelassen
wurde. Somit liegt in der eingangs erwähnten Annahme des
Bezirksgerichtes Zürich in der That eine Verletzung klaren
Rechtes.
Am Schluss beantwortet das Gericht die Frage, ob der
Beschwerdeführer das Recht, die Normalentschädigung zu ver-
langen, nicht dadurch verwirkt habe, dass er zuerst den Wert
seines Gepäckes auf Fr. 83. 85 bezifferte. Es verneint die
Frage, weil das eine Offerte seinerseits war, die durch Ab-
lehnung der Eisenbahnverwaltung dahingefallen ist (doch wohl
eine schiefe Auffassung der Sache! Die Red.). Es könnte
höchstens aus dem Grunde unrechtmässiger Bereicherung die
Beschwerde ungerechtfertigt erscheinen, aber auch das gehe
nicht an, denn wer nur fordere, wozu ihn das Gesetz be-
rechtige, verlange nichts Unrechtmässiges, und das Klage-
begehren sei auch materiell nicht ungerechtfertigt, weil eben
in der Normalentschädigung, wo sie den gemeinen Wert des
Gutes übersteigt, zugleich eine Inkonvenienzentschädigung er-
blickt werden müsse. (Blätter f. Zürch. Rechtsprechung I, S. 243 ff.)
164
81. Poursuite contre un ancien associé d'une société en
faillite. Opposition pour manque de retour à meilleure fortune.
Art. 265 Loi féd. P. et F.
Genève, Jugement de la Cour de justice civile du 31 mai 1902
4. 1. c. Meissner c. Wiegang.
Wiegang, ancien associé de la société Mugnier, Wiegang
& Cie, a été cité par Meissner en paiement de 250 fr. montant
d'un acte de défaut de biens à lai délivré par la faillite de
la société M. W. et Cie. Il a opposé à la demande que la
société aurait été déolarée en faillite et qu'il ne serait pas,
dès lors, revenu à meilleure fortune. Le tribunal de 1™ instance
a admis cette fin de non recevoir, estimant que l'art. 265
L. P. et F. s'appliquait aussi aux associés d'une société en
nom collectif, en cas de faillite de cette société, puisqu'ils sont
tenus pour tous leurs biens des dettes de la société. La Cour
■a réformé ce jugement,
Considérant qu'aux termes de l'art. 573 C. 0. la faillite
de la société en nom collectif n'entraîne pas de plein droit
la faillite personnelle des associés;
Quela loi sur la poursuite pour dettes n'a rien modifié
à ce principe et prévoit, à l'art. 39, la faillite distincte de la
société et de ses associés;
Qu'il suit de là que l'associé qui est poursuivi pour une
•dette de la société en faillite, ne saurait, s'il n'a pas été mis
personnellement en faillite, se retrancher derrière la disposition
de l'art. 265 L. P. et P. ;
Que le C. 0. art. 564 prescrit expressément que l'associé
peut être recherché pour une dette sociale, lorsque la société
a été dissoute ou qu'elle a été l'objet de poursuites restées
infructueuses. (La Semaine judiciaire, XXIV p. 494 as.)
82. Bürgschaft für pfandversicherte Forderung. Be-
treibung des Bürgen auf dem Wege der Pfändung.
Bern, Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs-
und Konkurssachen vom 2. März 1901 i. S. Neuhaus.
Der Bürge einer pfand versicherten Forderung widersetzte
sich der ordentlichen Betreibung, weil seine Bürgschaftsschuld
auch an der Pfandversicherung Teil habe. Diese Ansioht
wurde verworfen:
„Der Beschwerdeführer befindet sich im Irrtum, wenn
er annimmt, seine Bürgschaftsschuld sei deswegen ohne
weiteres pfand versichert, weil dies hinsichtlich der Haupt-
schuld zutreffe, und ebenso ist die Auffassung des Verant-
165
worters eine rechtsirrtümliche, dass bei pfandversicherter
Hauptschuld eine Solidarbürgschaft ohne weiteres auch pfand-
versichert sei. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Bürg-
schaft ein Vertrag ist, der zwar das Vorhandensein einer
Hauptschuld voraussetzt, aber abgesehen hievon eine selb-
ständige, mit der Hauptschuld nicht identische Verpflichtung
konstituiert. Wie die Hauptschuld pfandversichert sein kann,
so kann es auch die Bürgschaft sein, jedoch ist das letztere
nicht die notwendige Folge des ersteren. Da nun die Be-
treibung auf Pfandverwertung nur gegen den Pfandschuldner,
d. h. denjenigen Schuldner, welcher für eine pfandversicherte
Forderung haftet, gerichtet sein kann, so greift diese Be-
treibungsart gegen den Bürgen auch nur dann Platz, wenn
die Bürg8chaftsf orderung selbst pfandversichert ist. Die Zu-
lassung der Betreibung auf Pfandverwertung gegenüber dem
Bürgen nur deshalb, weil die Hauptschuld pfandversichert ist,
würde der Betreibung einer Person für eine Schuld (die pfand-
versicherte Hauptschuld) gleichkommen, für welche dieselbe
gar nicht haftet, und es würde dadurch die Realisierung des
vom Hauptschuldner bestellten Pfandes bewirkt werden
können, ohne ihn selbst zu belangen und ihn in die Mög-
lichkeit zu versetzen, seine Schuld durch Erhebung eines
Rechtsvorschlages zu bestreiten. Im vorliegenden Fall ist die
Bürgschaftsschuld nicht pfandversichert und es musa daher
auf dem Wege der gewöhnlichen Betreibung auf Pfändung
vorgegangen werden." (Zeitschr. d. Bern. J. V., XXX Vil S. 542 f.)
I. Alphabetisches Sachregister.
Abtretung, der Kundsame eines Geschäfts, Bedeutung; Garantie
für Zahlungsfähigkeit des debitor cessus, Nr. 25.
Aktiengesellschaft, Befugnisse der Generalversammlung betr. Be-
wertung der Bilanzposten, Nr. *7 ; Verantwortlichkeit der Ver-
waltungsorgane, Nr. 74.
Anfechtung, eines Drittmannsrechtes an einer gepfändeten Sache,
Verwirkung, Nr. 41 ; eines Rechtsgeschäftes wegen Simulation,
Nr. 53.
Anfechtungsklage, Wesen, Streitwertberechnung, Nr. 1 ; des Aktio-
närs gegen Generalversammlungsbeschlüsse, Nr. 7.
Anwendbarkeit, eidgenössischen Rechts auf Schadenersatzpflicht
aus Delikt, Nr. 4; auf Gesellschaftsaufhebung mit Liegen-
schaftsabtretung, Nr. 6 ; auf Maklerauftrag bei Liegenschafts-
kauf, Nr. 31; betr. Rangordnung des Frauenguts im Konkurse,
Nr. 42; auf Mobiliarvindikation aus einer verkauften Liegen-
schaft, Nr. 55.
kantonalen Rechts auf Strafgeding in einem Liegenschafts-
kaufvertrag, Nr. 6 ; auf Qualifikation eines Rechtsgeschäfts als
eines wucherlichen, Nr. 19; auf Fund und Recht und Pflicht
des Finders, Nr. 24 ; betr. Weibergutsforderung im Eonkurse,
Nr. 42 ; auf Haftung des Staats für Delikte der Beamten, Nr. 71.
eidgenössischen oder kantonalen Rechtes bei Schadenersatz-
klagen wegen unbegründeterStrafklage?Nr.54; bei Schädigung
aus Nachbargrundstücken? Nr. 72.
Arrestort, auch Betreibungsort? Nr. 14.
Ausfall, bei einer zweiten Gant nach Nichthaltung der ersten durch
den Ersteigerer, Nr. 40.
Auslegung eines Vertrages, nicht dem Parteieide zu unterstellen^
Nr. 69.
Berufung, an das Bundesgericht, Antrag bloss auf Aufhebung des
angefochtenen Urteils unstatthaft, Nr. 49; Form der Berufung,
Nr. 68; Frist, Ende, Nr. 23.
Beruf ungsurteile, bandesgerichtliche, Revision, Nr. 50.
Besitz- und Eigentumserwerb an Sachen in Händen Dritter,.
Nr. 62.
Betrieb einer Eisenbahn, Begriff, Nr. 8.
Betrug, Thatbestand des civürechtlichen B., Nr. 20.
167
Beweis, des Wertes von verlorenem Passagiergut, Nr. 80.
Beweislast, des Cessionars für Insolvenz des debitor cessas zur
Zeit der Abtretung, Nr. 25 ; bei behaupteter Simulation eines
Rechtsgeschäftes, Nr. 53 ; betr. Vçrwirkung des Klagrechts
gegen Verwaltungsräte einer Aktiengesellschaft, Nr. 74.
Beweismittel, „neue entschiedene41, als Revisionsgrund für bundes-
gerichtliche Urteile, Nr. 50.
Bienen, Schaden durch solche, Haftpflicht des Eigentümers, Nr. 10.
Bieten, bei Gant, vertragsmässiger Ausschluss wiefern unsittlich?
Nr. 46.
Bilanz, einer Aktiengesellschaft, Anfechtungsklage gegen bezügliche
Generalversammlungsbeschlüsse, Nr. 7.
Böswillige Verlassung, Begriff, Nr. 52.
Bürge, einer pfandversicherten Forderung, wie zu betreiben?
Nr. 82.
Bürgschaft, oder unverbindliche Hoffnungserregung? Nr. 32.
Cession, s. Abtretung.
Concurrence déloyale, s. Wettbewerb.
.Darlehen, Begriff, Nr. 29.
Dienstvertrag, wichtiger Entlassungsgrund, Nr. 30; 57.
Domizil, s. Wohnort«
Drittmannsrecht, im Betreibungs verfahren, an einer gepfändeten
Sache, Nr. 41.
Ehescheidung, wegen Ehrenkränkung, Nr. 2; Verhältnis der all-
gemeinen und der speziellen Scheidungsgründe, Nr. 52.
Ehescheidungsurteile, Revision, Nr. 50.
Ehrenkränkungen, tiefe, Begriff, Nr. 2; gegenseitige, wiefern im
Ehescheidungsprozesse kompensierbar, Nr. 2.
Eid, Zuschiebung über den Sinn eines Vertrags, Nr. 69.
Eigenschaftsbezeichnung, oder schutzfähige Wortmarke? Nr. 39; 78.
Eigentumserwerb an Sachen in Drittmanns Hand, Nr. 62.
Eigentumsvorbehalt, Nr. 63.
Einrede, aus Wechselrecht oder nach Art. 811 0. ß.? Nr. 15.
Ein8tellungsbe8chlu8S der Strafbehörde betr. Anklage auf fahr-
lässige Tötung, Wirkung auf die Haftpflichtfrage, Nr. 76.
Eisenbahn, Haftpflicht, Begriff von „ Betrieb*, Nr. 8; Selbstver-
schulden, Nr. 9; verlorenes Passagiergut, Wertbestimmung,
Nr. 80.
Erfinderrecht, Verkauf, Nr. 60.
Erfindungspatent, Nichtigkeit einredeweise geltend gemacht, Nr. 60;
Voraussetzungen der Nichtigkeit, Nr. 77.
Expertisen, Ueberprüfung durch das Bundesgericht, Nr. 60.
168
^Fabrik- and Handelsmarken, s. Marken.
Faustpfand, Erfordernisse der Uebergabe, Nr. 26.
Firma, in mehreren Sprachen, deutliche Unterscheidbarkeit bei
Sachfirmen, Nr. 34.
Firmenrecht und unlauterer Wettbewerb, Nr. 34.
Form, Vorbehalt einer besonderen Form für einen Vertrag, Be-
deutung, Nr. 17.
Frachtvertrag, bei Eisenbahnen, verlorenes Passagiergut, Nr. 80.
Frauengut, s. Weibergnt.
Frist, der Berufung an das Bundesgericht, Nr. 23.
Fund, Begriff; nach kantonalem Recht zu beurteilen, Nr. 24.
CJant, wiefern Vertrag nicht bieten zu wollen, unsittlich? Nr. 46.
Gantkauf, Klagberechtigung wessen gegen den vom Kauf abstehenden
Ersteigerer? Nr. 40.
Gattungsschuld, Unmöglichkeit der Erfüllung? Nr. 5.
Genehmigung eines wegen Irrtums u. s. w. anfechtbaren Vertrags,
Nr. 33.
Generalversammlung einer Aktiengesellschaft, Befugnisse betr. Be-
wertung der Bilanzposten, Nr. 7.
Genossenschaft, Tragweite der Statuten, Liquidation, Nr. 58; Ver-
sicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, Nr. 59.
Genossenschaftsanteilscheine, rechtliche Natur, Verpfandung, Nr. 23.
Gerichtsstand des Mündels, 8. Wohnort.
Geschädigter, bei Nichthaltung eines Gantkanfs, Nr. 40.
Gesellschaft, fallite, Schulden derselben, inwiefern für die Frage
des Erwerbes neuen Vermögens durch den Gesellschafter
massgebend, Nr. 81.
Gesellschaftsvertrag, mit Liegenschaftsabtretung, uuter eidgen. Rechte
stehend, Nr. 6.
s. auch Aktien- und Kollektivgesellschaft.
Gewährleistungspflicht bei Verkauf einer Erfindung, Umfang, Nr. 60.
Gewinn, entgangener, Nr. 21.
Haftpflicht, der Eisenbahn, Begriff von „ Betrieb*, Nr. 8; Selbst-
verschulden, Nr. 9; des Eigentümers von Bienenstöcken, Nr. 10;
aus Fabrikbetrieb, Hülfsarbeiten, Nr. 65; Konkurrenz mit
Deliktsanspruch gegen den schuldhaften Urheber der Be-
schädigung, Nr. 36; Pflicht des Verletzten, sich operieren
zu lassen, Nr. 47; 75; strafrechtlich verfolgbare Handlung
des Fabrikherrn, Nr. 76; des Liegenschaftseigentümers fur
Schädigung durch sein Gebäude, Nr. 72; für Verluste der
Gesellschaft, Bedeutung dieses Ausdrucks, Nr. 69 ; des Staats
für schuldhafte Handlungen der Beamten, Nr. 71; der Wirte,
Nr. 79. Siehe auch Schadenersatz.
Handelsfrau, Wechselfähigkeit gegenüber dem Ehemann, Nr. 6 1 ;
Geschäfte ihres Gewerbes, Nr. 70.
Handlungsfähigkeit, der (verheirateten) Handelsfrau, Nr. 70.
Herkunftsbezeichnung, bei Fabrikmarken, Nr. 78.
Irrtum, wesentlicher, bei Vergleich, Nr. 18; Genehmigung nach der
Entdeckung, Nr. 33.
Kassationsbeschwerde, in Civilsachen bei Bundesgericht, Zulässig-
keit, Nr. 51.
Kauf, nach Muster oder mit Zusicherung bestimmter Eigen-
schaften ? Nr. 28 ; bricht Miete, Nr. 56 ; einer Sache oder
eines Erfinderrechts? Nr. 60; über Liegenschaften, Kompe-
tenz des Bundesgerichts, Nr. 6; 55; Verhältnis zur Tradition,
Nr. 55; Schadenersatz bei Nichterfüllung, Preisschwankungen
der Ware, Nr. 21.
Kausalzusammenhang, von Selbstverschulden und Unfall, Nr. 9;
von strafbarer Handlung des Fabrikherrn und Unfall, Nr. 76.
Kollektivgesellschaft, Einrechnung der Einlagen in die Passiven,
Nr. 69.
Kompensation , gegenseitiger Ehrenkränkungen im Scheidungs-
prozess, wiefern zulässig? Nr. 2; unter Konkursgläubigern,
Nr. 43.
Kompetenz, des Bundesgerichts bei Vindikation von Mobilien, die
mit einer Liegenschaft mitverkauft sind, Nr. 55; für Ent-
schädigungsklagen wegen unbegründeter S traf klage, Nr. 54.
Konkurrenz, von Haftpflichtanspruch gegen den Dienstherrn und
Deliktsanspruch gegen den Schädiger, Nr. 36; der Klage aus
unlauterem Wettbewerb mit einer solchen aus Markenrechts-
verletzung, Nr. 38.
Konkurrenzverbot, ob unsittlich? Nr. 22; persönliche Natur, ohne
Haftung an einer Liegenschaft, Nr. 48.
Konkursgläubiger, Kompensation ihrer Forderungen mit solchen der
Konkursmasse, Nr. 43.
Konkursprivileg der Ehefrau, Nr. 42.
Konventionalstrafe, Begriff, richterliches Ermässigungsrecht, Nr. 22;.
in Genossenschaftsstatuten, Wirkung, Nr. 58.
Kundsame, eines Geschäfts, Bedeutung von deren Abtretung,
Nr. 25; Verpachtung, Nr. 64.
JLiegenschaftskauf, auch betr. das im Vertrag enthaltene Straf-
geding unter kantonalem Rechte stehend, Nr. 6; Kompetenz,
des Bundesgerichts bei Vindikation der mitverkauften Mo-
bilien, Nr. 55.
Liquidation, von Genossenschaften, Nr. 58.
170
M aklerauftrag, auch für Liegenschaften nach eidgen. Recht za
beurteilen, Nr. 31.
Maklerlohn, wann verdient? Nr. 31.
Marken, Wortmarke, Phantasie- und Herkunft*- oder Sach- und
Eigenschaftsbezeichnung ? Nr. 78.
Markenrechtsverletzung oder unlauterer Wettbewerb? Nr. 11 ; Kon-
kurrenz beider, Nr. 38.
Maximum der Entschädigung in Haftpflichtfallen, Nr. 76.
Miete, Retentionsrecht, Beginn desselben, Nr. 12; Räumungsfrist,
Kauf bricht Miete, Nr. 56 ; Schadenersatzpflicht des Ver-
mieters bei Veräusserung des Mietobjekts, Nr. 73.
Mobilien, mit einer Liegenschaft mitverkauft, Kompetenz des
Bundesgerichts, Nr. 55.
Mündel, Wohnort ausserhalb des Vormundschaftsitzes, Nr. 16.
Machbarrecht, kantonales, Verhältnis zu Art. 67, 68 0. R., Nr. 72.
Nachdruck, gewinnsüchtige Absicht nicht zum Thatbestand ge-
hörig, Nr. 73.
Nachlassvertrag, Begünstigung einzelner Gläubiger, Nr. 44.
Nachschusspflicht, von Genossenschaftern, Nr. 58 ; 59.
Neues Vermögen, bei Gesellschaftern einer falliten Gesellschaft,
Nr. 81.
Nichtigkeit, eines Erfindungspatents, einredeweise geltend gemacht,
Nr. 60.
Operation, chirurgische, wiefern dem Verunglückten zuzumuten?
Nr. 47; 75.
Ort, der Betreibung, am Domizil des Schuldners oder am Arrestort?
Nr. 14.
Pachtvertrag, über Geschäftskundsame, Nr. 64.
Pactum, de non licitando, wiefern unsittlich? Nr. 46; reservati
domina, Nr. 63.
Passagiergut, verlorenes, Wertermittlung, Nr. 80.
Patent, s. Erfindungspatent.
Pfandbetreibung oder ordentliche Betreibung gegen den Bürgen
einer pfandversicherten Forderung? Nr. 82.
Pfandrecht an Genossenschaftsanteilscheinen, Nr. 23.
Phantasiebezeichnung , schutzfähige , bei Wortmarken , Nr. 39 :
Phantasie- oder Eigenschaftsbezeichnung? Nr. 78.
Präjudicialität des Strafurteils für den Civilrichter, Nr. 76.
Prämienreserve, Begriff, Nr. 59.
Preisminderung, richterliche Befugnis auf solche statt auf Wande-
lung zu erkennen, Nr. 28.
171
Receptuin cauponum, Nr. 79.
Recht, eidgen., kant., s. Anwendbarkeit.
Rechts- oder Thatfrage? Nr. 53; 69.
Rechtsvorschlag, durch Telephon, Nr. 67.
Remontenanstalt, eidgen., kein gewerblicher Betrieb, Nr. 4.
Reportgeschäft, rechtliche Natnr, Nr. 27.
Retentionsrecht, des Vermieters, Beginn, Nr. 12; an Genossen-
schaftsanteilscheinen, Nr. 23.
Revision bandesgerichtlicher Berufungsurteile, bei Ehescheidungs-
urteilen, Nr. 50.
Sachbezeichnung bei Fabrikmarken, Nr. 78.
Schaden, durch Preisschwankung der Ware, Nr. 21.
Schadenersatz, für unbegründete Strafklage, Nr. 54 ; des Vermieters
bei Veräusserung des Mietobjekts, Nr. 73 ; bei verlorenem Pas-
sagiergut, Nr. 80; aus Delikt, unter eidgen. Recht, Nr. 4.
Schadenreserve, Begriff, Nr. 59.
Schuldbetreibung, am Wohnort des Schuldners oder am Arrestort?
Nr. 14; gegen den Bürgen einer pfandversicherten Forderung,
Nr. 82 ; s. auch Wechselbetreibung.
Seeversicherung, Nr. 35.
Selbstverschulden, bei Eisenbahnhaftpflicht, Nr. 9.
Simulation, Anfechtung eines Rechtsgeschäfts, Nr. 53.
Stellvertreter, vollmachtloser, Verantwortlichkeit, Nr. 3.
Strafgeding, in einem Liegenschaftskaufvertrage, unter kantonalem
Rechte stehend, Nr. 6.
Strafklage, unbegründete, Schadenersatz nach eidgen. oder kant.
Rechte zu beurteilen? Nr. 54.
Strafurteil, ob präjudiciell für den Civilrichter ? Nr. 76.
Streitwert, Berechnung bei Anfechtungsklage, Nr. 1; bei der Be-
rufung anzugeben, Nr. 68.
Subrogation, des Käufers in die Rechte des Bestellers eines Werkes,
Nr. 45.
Telephonischer Rechtsvorschlag, Nr. 67.
That- oder Rechtsfrage? Nr. 53; 69.
Tradition, Verhältnis zum Kaufvertrag, Nr. 55.
Uebergabe, der Pfandsache an den Gläubiger, Erfordernisse,
Nr. 26.
Unfallhaftpflicht, wiefern Weigerung eine Operation zu leiden,
Befreiungsgrund? Nr. 47; 75.
Unmöglichkeit, der Vertragserfüllung, Nr. 5.
Unsittlichkeit, eines Konkurrenzverbotes, Nr. 22.
Urheberrecht, litterarisches, an Schriften zum Schulgebrauch,
Nr. 37.
172
Vergleich, Grundsätze über Auslegung, Nr. 18.
Verjährung, s. Wechselverjährung.
Verlust schein, ob Anerkennung der Forderung im Sinn von Art. 64
Betr.-Ges.? Nr. 66.
Vermögen, neues, bei Gesellschaftern einer falliten Gesellschaft,
' Nr. 81.
Verpfändung, von Genossenschaftsanteilscheinen, Nr. 23; Erforder-
nisse fur Pfandübergabe, Nr. 26.
Verrechnung, s. Kompensation.
Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, juristische Natur,
Nr. 59.
Versicherungsvertrag (Seeversicherung), Perfektion, Nr. 35.
Versteigerung, s. Gant.
Verwaltungsorgane einer Aktiengesellschaft, Verantwortlichkeit,
Nr. 74 ; gegen Aktionäre, Gläubiger und Gesellschaft, Nr. 74.
Verwirkung des Klagerechts gegen Verwaltungsräte von Aktien-
gesellschaften, Beweislast, Nr. 74.
Vindikation, der Mobilien bei Liegenschaftskauf, Nr. 55.
Vollmachtloser Stellvertreter, Verantwortlichkeit, Nr. 3.
Vorbehalt einer gewillkürten Vertragsform, Nr. 17.
Wandelung, oder Preisminderung ? richterliches Ermessen wieweit ?
Nr. 28.
Wechselbetreibung, Einrede aus Wechselrecht oder nach Art. 811
0. R.? Nr. 15.
Wechselfähigkeit der Handelsfrau gegenüber dem Ehemann, Nr. 61.
Wechsel Verjährung, Unterbrechung durch Zahlungsbefehl, Nr. 13.
Weibergut im Konkurse, wiefern kantonales und eidgenössisches
Recht anwendbar? Nr. 42.
Werkvertrag, Subrogation des Käufers in die Rechte des Bau-
herrn? Nr. 45.
Wettbewerb, unredlicher, oder Verletzung des Markenschutz-
gesetzes? Nr. 11; Konkurrenz beider, Nr. 38; W. and
Firmenrecht, Nr. 34.
Wirte, Haftpflicht, Nr. 79.
Wohnort, des Mündels ausserhalb des Vormundschaftssitzes, Nr. 16.
Wortmarke, schutzfâhige, täuschende Aehnlichkeit, Nr. 38; 39;
Zulässigkeit, Nr. 78.
Wucherhaftes Rechtsgeschäft, nach kantonalem Recht zu ent-
scheiden, Nr. 19.
Zahlungsbefehl, unterbricht die Wechselverjährung, Nr. 13.
IL Gesetzesregister.
173
I Obligationenrecht
Art. 1
9, 12
14
16
17
18
24
28
34
35
48
50
62
64
67, 68
76
83
116
122
127
145
179
180, 182
183, 192
199
201
205
210
213, 215,
225
Nr. 35.
. 23.
17.
18. 53.
46.
69.
70.
19.
18.
20.
33.
70.
61.
3.
4. 10.11. 34.
36.38.54.72.
4. 36.
71.
72.
54
19.
21.
58.
3.
5.
6. 22
22.
25.
23
62
24
23
71.
24.
26.
23.
Art. 229
, 231
• 243, 249,
250
» 257
, 264
, 267
„ 281
n 292
, 294
. 317
» 329
. 346
» 362
■ 392
» 405
■ 469
„ 486
• 489
• 605
■ 627, 643,
656
„ 673—675
„ 678
. 694
, 805
. 811
„ 867, 876
. 896
Nr. 25.
, 31.
» 28.
, 6.
„ 63.
„ 28.
. 56.
. 73.
. 12.
„ 64.
„ 29.
» 30.
„ 45.
. 27.
„ 31.
. 24.
, 79.
. 32.
. 43.
27.
73.
57.
31.
7.
74.
23. 58. 59.
23.
13.
15.
34.
35.
IL Biiiidesgesetz betreffend Feststellung und Beurkioidang des
Civüstandes und die Ehe, vom 24 Christmonat 1874.
Art. 45 — 47 Nr. 52
« 46,b . 2.
Art. 47 Nr. 2.
III Bundesgesetz betreffend die civärechtlichen Verhältnisse der
Niedergelassenen und Aufenthalter, vom 25. Juni 1891.
Art. 3 Nr. 16.
■^TC^
te-1
174
IV.
VI
VII
Vili
IX.
XI.
Art.
Bundesgesetz betreffend das UrJìeberrecht an Werten der
Litteratur und Kumt, vom 23. April 1883.
Art. 11, 12 Nr. 37.
Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und
Handelsmarken, vom 26. September 1890.
Nr. 11. Art. 1, 3, 6 Nr. 38. 39. 78.
, 24 „ 78.
Buìidesgesetz betreffend die Erfindung$patente, vom 29. Juni
1888, revidiert den 13. März 1893.
Art. 10 Nr. 60. 77.
Bundesgesetz betreffend den Tramport auf Eisenbahnen,
vom 29. März 1893.
Art. 62 Nr. 80.
Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisei&ahn- und
DampfschiffahrtrUnternehmungeti bei Tödtungen und Ver-
letzungen, vom 1. Juli 1875.
Art. 2 Nr. 8. 9.
,4,9.
Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb,
vom 25. Juni 1881.
Art. 2 Nr. 36. | Art. 6, Nr. 47. 75. 76.
Bundesgesetz betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht
und die Ergänzung des Bmidesgesetzes vom 25. Juni 1881,
vom 26. April 1887.
Art. 1 ff. Nr. 36 | Art. 3, 4 Nr. 65.
Bundesgesetz über Organisation der Bwidesreehtspflege,
vom 22. März 1893.
41 Nr. 23.
53 ff. „ 1.
56 n 24. 35. 42. 55.
57 „ 42.
59 ff. „ 1. 68.
65 „ 23.
Art. 67
, 80
. 81
„ 89ff.
. 95ff.
Nr. 49.
, 28.
* 53.
■ 61.
, 50.
XII
Bundesgesetz über das Verfahrm bei dem Bundesgerichte
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, vom 22. November 1850.
Art. 31 Nr. 23 I Art. 192 ff. Nr. 50.
175
^^^^^ffl^H
XIII. Buìide&gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vom
11. April 1889.
Art. 62 Nr. 14
Art.
219 Nr. 42/
„74 ,67
»
240 „ 40.
» 82 „66
0
250, 260 „ 43.
„ 106-109,127 , 41
1»
265 „ 81.
» 143 , 40
»
285 ff. „ 1.
, 182 , 15
»
314 „ 44.
. 188 , 13
III. Register der kantonalen Entscheide.
Zürich. — Nr. 12 (Art. 294 0. R.). — Nr. 47 (Unfallhaft-
pflicht). — Nr. 62 (Art. 201 0. R.). — Nr. 80 (Eisenbahn-
tran8portge8etz).
Bern. — Nr. 14 (Art. 52 B.-G. über Seh. und K.). — Nr. 46
(Art. 17 O.R.). — Nr. 61 (Art. 35 0. R.). — Nr. 67 (Art. 74
B.-G. über Seh. und K.). — Nr. 82 (Pfandungsbetreibung).
Luzern. — Nr. 48 (Konkurrenzverbot). — Nr. 66 (Art. 82 B.-G.
über Seh. und K.).
Basel-Stadt — Nr. 16 (B.-G. über die civilr.Verh. der Nieder-
gelassenen). — Nr. 65 (B.-G. über Ausdehnung der Haftpflicht,
Art. 3 and 4). — Nr. 79 (Art. 468 0. R.).
St Gallen. — Nr. 15 (Art. 811 0. R. Art. 182 B.-G. über Seh.
und K.). — Nr. 64 (Art. 317 0. R.).
Vaud. — Nr. 13 (Art. 805 C. 0. Art. 188 L. P. et F.).
Neuch&tel. — Nr. 10 (Art. 50 C. 0.).
Genève. — Nr. Il (Art. 50 C. 0. Loi sur les marques de fa-
brique). — Nr. 45 (Art. 362 C. 0.). — Nr. 63 (Art. 264
C. 0.). — Nr. 81 (Art. 265 L. P. et F.).
sät.
■
I